Phänomenologie der Interpretation

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Phänomenologie der Interpretation

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CHRISTOPH EYKMAN

PHÄNOMENOLOGIE DER INTERPRETATION

FRANCKE VERLAG BERN UND MÜNCHEN

NUNC COGNOSCO EX PARTE

THOMAS). BATA LIBRARY TRENT UNIVERSITY

Christoph Eykman: Phänomenologie der Interpretation

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CHRISTOPH EYKMAN

PHÄNOMENOLOGIE DER INTERPRETATION

FRANCKE VERLAG BERN UND MÜNCHEN

Meiner Frau Elke

© A. Francke AG Verlag Bern, 1977 Alle Rechte Vorbehalten Druck: Druckerei Heinz Arm Bern Printed in Switzerland ISBN 3-7720-1351-1

EINLEITUNG

Die vorliegende Studie sucht zur Klärung der Frage: was heisst, einen literari¬ schen Text interpretieren ? einiges beizutragen. Die Beantwortung der Frage nähert sich ihrem Gegenstand auf verschiedenen Wegen. Der bislang noch we¬ nig beschrittene, für unsere Zwecke aber entscheidende Weg ist der der Husserlschen Phänomenologie. Wir versuchten, ihren heuristischen Wert für eine theoretische Diskussion der literarischen Interpretation zu erproben. Der Ge¬ genstand der Erörterung sollte damit aber nicht in das Prokrustesbett einer philosophischen Lehre gezwungen werden. Wir benutzten jene Lehre vielmehr mit einer gewissen kritischen Distanz - als Instrumentarium, welches uns zu einer besseren Einsicht in das Wesen von Dichtung wie auch von literarischer Interpretation verhelfen sollte. Wenn dabei relativ häufig die Rede war von 'We¬ sen", "eidos", "Noema", etc., so war es dem Verfasser nicht um eine nebdhafte Literaturmetaphysik zu tun, sondern um Klärung von durchaus "sachlichen", d.h. in der Sache der Literatur, ihrer Konzeption, der ausfllhrenden Schöpfung wie der Rezeption gelegenen Phänomenen. Die meisten verwendeten Fachtermini Husserlscher Prägung liessen sich daher ohne Not durch andere ersetzen. Den¬ noch haben philosophische Lehren oft den Nutzen, dass sie uns die Augen für zu¬ vor noch nicht ( oder nicht so ) Gesehenes öffnen. Dass es in diesem Buche nicht ganz ohne philosophische Vorurteile abgegangen ist, wird der kritische Leser bald merken. Wir haben versucht, die Grundlinien der Philosophie Husserls soweit einleitend nachzuziehen, dass auch dem mit der Phänomenologie Unvertrauten unsere Ausführungen ohne Schwierigkeit verständ¬ lich sein sollten. Wie gesagt, die Phänomenologie diente uns nur als ein Weg, als Hauptweg frei¬ lich. Daneben wurde die philosophische Hermeneutik von Schleiermacher bis Gadamer herangezogen. Der Problemkreis des Historismus und der Geschichts¬ philosophie trat hinzu. Schliesslich wurde auch die moderne Linguistik ( Seman¬ tik, speziell: Textsemantik ) und Semiotik befragt und nicht zuletzt: der theoreti¬ sche Beitrag der Literaturwissenschaft selbst. Die verschiedenen Ansätze sollten einander kritisch beleuchten und ergänzen. Eingestreute Exkurse in Gestalt von Interpretationsbeispielen waren als Gegengewicht gegen die allzu graue Theorie gedacht und dazu als jeweilige Probe aufs Exempel. Es geht nicht um eine radikal neue Literaturtheorie. Was auf den folgenden Seiten erörtert wird, versteht sich eher als Beitrag und Ergänzung zu bereits wohlbe¬ kannten Methoden der Deutung, vor allem ( aber doch nicht ausschliesslich) der

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werkimmanenten. Dass in diesem Buche nicht die Rede ist von Literatursozio¬ logie bzw. gesellschaftsbezogener Literaturbetrachtung, will nicht heissen, dass der Verfasser diese Methoden geringschätzt. Sie standen nur nicht im be¬ sonderen Untersuchungsbereich dieser Arbeit, lassen sich aber durchaus in den phänomenologischen Ansatz integrieren. Die Frage, aus welcher die gesam¬ te Untersuchung hervorgewachsen ist und zu deren Erhellung sie vielleicht ein Weniges beizutragen vermochte, lautet: wie kommt es, dass Dichtung immer aufs Neue zur Interpretation herausfordert ? Worin gründet die immer wieder neu aus¬ zulegende Unerschöpflichkeit des literarischen Werkes ?

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I

PHAENOMENOLOGIE, HERMENEUTIK UND LITERATUR

1. Phänomenologie

und

Literaturbetrachtung

Erst in jüngster Zeit hat die Literaturwissenschaft begonnen, die Lehren der Husserlschen Phänomenologie ernstlich auszuwerten. An die Stelle einer vorschnel¬ len und zuweilen oberflächlichen Aneignung gewisser Hauptbegriffe wie etwa " We¬ sensschau", "eidetische Reduktion" oder des berühmten "zu den Sachen selbst" ist eine differenziertere Betrachtungsweise getreten, welche - auf dem Boden der Phänomenologie selbst - die Grundfragen des Verstehens und der Interpretation literarischer Texte neu aufwirft und beantwortet. (1) Wenn,wir diesem Ansatz fol¬ gen und dabei zusätzliche hermeneutische, erkenntnistheoretische und literaturwis¬ senschaftliche Fragestellungen ins Blickfeld einbeziehen, so soll das nicht heissen, dass wir die Prämissen und Thesen der Phänomenologie unbefragt und unkritisch übernehmen. Eine kritische Perspektive eröffnet sich etwa in der ständigen Kon¬ frontation der Husserlschen mit der nachhusserlschen Phänomenologie sowie mit bestimmten Problemkomplexendes Historismus. Wir umreissen zunächst einige Be¬ griffe der Husserlschen Lehre, um von ihnen aus zu hermeneutischen Fragen vor¬ zudringen. In den "Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie" wie auch in späteren Werken beschreibt Husserl den Erkenntnisprozess mit dem Begriffspaar Noesis - Noema bzw. er spricht von der noetisch - noematischen Kor¬ relation. Das Noema als ein vom Bewusstsein Erfassbares und zugleich in einem besonderen nicht - empirischen Sinne in demselben Liegendes ist rein ideell, es ist Bedeutung, es deckt sich zuweilen in Husserls Sprachgeorauch mit den Be¬ griffen "Wesen" oder "eidos". Es unterscheidet sich vom realen Gegenstand selbst wie auch vom jeweiligen aktuellen, empirisch - psychologischen Denk-, FUhlens-, Wollens- oder Wahrnehmungsakt, dem sogenannten aktuellen cogito. Letzteres bezeichnet Husserl als Noesis. Noema und Noesis liegen also beide in der Bewusst¬ seinssphäre, aber in radikal verschiedener Weise. Das Reich der Noemen gehört der nicht - realen Sphäre des transzendentalen oder "reinen" Ich ( oder wie Hus¬ serl später sagt: der transzendentalen Allsubjektivität (2) ) an. Es ist der eigent¬ liche "Boden" und Wesensgrund für das empirische Denken, ein Reich, in welchem a priori alles, was gedacht werden kann, wie auch alles, was ins reale Sein treten kann ( ontologischen Status annehmen kann) seiner Wesensmöglichkeit nach schon "vorgezeichnet" ist. Das Noematische ist von einer rational schwer fasslichen vor¬ sprachlichen, bildhaft - gedanklichen Qualität, aber allem realen Denken, Ein bilden oder empirisch - bildhaften Wahmehmen gegenüber a priori. Man könnte

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auch sagen, das Noema ist ein Vermeintes als solches ( also weder der Memensakt noch der vermeinte Gegenstand, sei dieser materieller, psychologisch - em¬ pirischer oder idealer Art), die Idee des Gegenstandes noch vor aller Mannigfal¬ tigkeit der empirischen Erfahrung, wie sie in der Realität in unendlicher Varia¬ bilität ausgefaltet wird. (3) Dieses Ausfalten vollzieht sich nun auf der Seite des erkennenden Subjekts in einem Komplex von realpsychischen Bewusstseinsakten, dem jeweilig aktuellen cogito, also den Noesen, welche ihrerseits mit dem empi¬ risch - realen oder idealen Gegenstand, den sie bedenken, nicht identisch sind. Nun setzt Husserl verschiedene Grade von Allgemeinheit innerhalb des Bereiches der Noemen an. Anders gewendet: ein Einzelgegenstand ( physisches Objekt ) oder auch jedweder Bewusstseinsakt hat ebenso "sein" Wesen wie Allgemeines (z. B. Gattungen ) von noematischwr, d.h. transzendental vorgezeichneter Wesensart ist. Ferner werden Noemen in intuitive und logische ( oder: Anschauungs- und Denknoemen ) (4) eingeteilt. Jeder reale Bewusstseinsakt ist intentional, d.h. er richtet sich auf etwas. Dieses Etwas kann ein Reales sein oder sich auf das durch das jeweils Reale repräsentierte oder exemplifizierte Noema beziehen. Entscheidende Bedeutung kommt nun dem Verhältnis von Noema ( auch im Sinne von eidos oder Wesen ) und Noesis ( realer Bewusstseinsakt ) zu. Das Noema ist der Noesis übergeordnet, es ist dessen A Priori. (5) Der noematischen transzen¬ dentalen ( Erkenntnis wie Realität bedingenden und ermöglichenden ) Sphäre wer¬ den bei Husserl die Attribute der Absolutheit und Geschlossenheit zugesprochen. Sie ist die umgreifende, alles fundierende Region, was Husserl bekanntlich den Vorwurf des platonisierenden erkenntnistheoretischen Idealismus eingetragen hat. Doch Husserl fasst seine Lehre nicht als spekulati ve Metaphysik sondern als Grundlegung aller Wissenschaft auf. Ist nun, wie wir sagten, die noematische Sphäre die umgreifende, so ist der Bereich des realen Seins, der sogenannten ob¬ jektiven Welt, nur ein besonderer Sinnbereich im Rahmen des viel "breiteren" Sinnbereiches der Noemen, die nicht nur das Reale sondern darüber hinaus alles Mögliche schlechthin vorzeichnen. Dies impliziert gewisse, für die Interpreta¬ tionslehre höchst bedenkenswerte Probleme. Ein Noema, so sagt Husserl, kann "inadäquat gebend" sein, d.h. es wird nur unvollkommen einsichtig. Zugleich aber enthält es in sich "Regeln", die den Erkenntnis Suchenden zu einer vollkommeneren Einsicht führen. (6) Eine "intentionale Einheit" wird so, in Husserls philosophischer Redeweise, zum "transzendentalen Leitfaden" für konstitutive Analysen als Enthül¬ lungen intentionaler Implikationen. (7) Fasslicher ausgedrückt, heisst das: indem ich im Denken zurückgehe auf das dem realen, räumlich - zeitlich bedingten Be¬ wusstseinsakt voraus liegende Feld idealer Bedeutungen, indem ich also auf "meine" bzw. "die" tranazendentale ( und wie Husserl zunächst postuliert: zeitlose) Subjek¬ tivität rekurriere, ergeben sich mir in solcher gleichsam höheren Schau Anhalts¬ punkte, die zu Weiterem führen, zu einem Mehr als das, was zuvor real "gemeint'

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war. Denn ich bin jetzt in die Region der apriorisch vorgezeichneten Möglich keiten, ins "reine" Bewusstsein, hinaufgestiegen, und nun wird mir das gedach¬ te ( wahrgenommene, erinnerte, gefühlte, gewollte ) Reale seinem Inhalt nach transparent auf sein Wesen hin, dessen Repräsentation es ja ist. Nun ist nach Husserl ein Allgemeinwesen unendlicher Repräsentationen in der Region realen Seins fähig. Das Gleiche postuliert Nicolai Hartmann in seinem Werk "Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis" vom Wesen eines indivi¬ duellen Gegenstandes im weiteren Verstände. (8) Dies führt zu der scheinbar paradoxen Ueberlegung, dass zwar ein Wesen als transzendental Vorgezeich¬ net/Vor zeichnendes immer schon "in" seiner jeweiligen realen Repräsentation "drin" ist und dennoch diese umgreift, sie übersteigt. Auf jeden Fall gilt für die Allgemeinwesen, dass sie ein Mehr, einen Sinnüberschuss gegenüber ihren rea en Einzelrepräsentationen ( oder wie Husserl bedeutsamer Weise sagt: "Partikularisationen" ) enthalten. Das Reale wird dabei zum Index für den weiteren transzen¬ dentalen ( noematischen bzw. eidetischen ) Umkreis der wesenhaft vorgezeichne¬ ten Möglichkeiten, aus denen es sich gleichsam kraft seines Real - Werdens heraus¬ kristallisiert hat. (9) Fassen wir noch einmal vorläufig zusammen: Husserl unterscheidet in seiner Er¬ kenntnislehre drei verschiedene Dimensionen: a) ein rein Ideelles im ausgespro¬ chen anti - psychologischen Sinn, d.h. ein "vor" aller Erfahrung liegendes und diese a priori bestimmendes ens: das Noema; b) den jeweiligen zum Noema m Korrelation stehenden realpsychologischen Komplex von Bewusstseinsakten ( Noesis ) und c) den realen Gegenstand selbst als empirisch erkennbares Exemplar oder Variante ( Ausfaltung ) des Noemas ( der Idee, des Wesens ) falls ein so eher in Raum und Zeit zum Objekt der Erkenntnis wird. Wir weisen beiläufig da¬ rauf hin, dass Husserl den Terminus "reell" für Vorgänge verwendet, welche zur konkreten, realpsychologischen Bewusstseinstätigkeit gehören. So kann er sa¬ gen, die noetischen Momente einer Erkenntnis seien reelle, die noematischen daaesen nicht - reelle Erlebnismomente. Am Beispiel eines konkreten, re fen Gegenstandes erläutert, heisst dies bei Husserl: das Noema "Frühlingsapfelbaum"Sist ebensowenig in der Wahrnehmung reell enthalten wie der Baum der Wirklichkeit. (10)

Es mag aufgefallen sein, dass wir in den vorangehenden Erörterungen die Begrif¬ fe "Noema" -Wesen", "Idee", "eidos" und "Bedeutung" synonym gebraucht ha¬ ben und wir folgen darin Husserls eigenem Sprachgebrauch. (11) ^eleSe^h terscheidet Husserl allerdings zwischen Noema und Wesen, meint dann aber mit letzterem das ontologische Wesen eines realen Gegenstandes. (12) Greifen wir nochmals besonders den Wesensbegriff bei Husserl heraus und er¬ läutern wir ergänzend an ihm das Anliegen der phänomenologischen Philosophie.

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In den "Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philoso¬ phie" definiert Husserl zunächst einmal die Phänomenologie überhaupt als We¬ sens- oder eidetische Wissenschaft, d.h. nicht als empirische Tatsachenwis¬ senschaft. Dass Wesen intersubjektiv identisch ergreifbar seien, sei, so Hus¬ serl, überhaupt erst Voraussetzung für alles ( auch das wissenschaftliche ) Ver¬ stehen seitens der Subjekte. (13) Hier liegen freilich, wie später noch eingehend zu erörtern sein wird, hermeneutische Probleme verborgen. Wesenserkenntnis bezieht sich auf Reales wie auch auf Irreales ( Vorstellungen, Erinnerungen, Fiktionen ). Ferner: zum Sinn eines jeden zufälligen individuellen Seins ( z. B. dieses Hauses hier ) gehört es, ein Wesen, ein rein zu erfassendes eidos zu ha¬ ben. Hier ist nochmals auf eine Unterscheidung zwischen zwei Wesensbegriffen zu achten, die Husserl gelegentlich durchführt. Einerseits behauptet er: jeder individuelle Gegenstand (im materiellen wie im reellen Sinn ) habe sein Wesen. Damit kann nur gemeint sein: das, was die unverwechselbare, besonderte Eigen¬ art, das ineffabile des jeweils individuellen Ideellen ausmacht, an dem gleichwohl manches ist, das als un - wesentlich im Sinne eines von der äusseren zufälligen Gestalt zu abstrahierenden Individualwesens fortgedacht werden könnte. In der Tat wird andererseits 'Wesen" von Husserl eben als ein Allgemeines, ein universale, gefasst, welches, logisch gesehen, unselbständig ist. Also: was an diesem belie¬ bigen Exemplar Haus das Haus - Sein schlechthin ausmacht. Husserl stellt das In¬ dividualwesen ( das eidetische concretum bzw. das selbständige Wesen ) somit dem abstractum im Sinne des universale gegenüber. (14) Zu letzterem lässt sich gelangen mittels der sogenannten freien Variation. D. h. ich gehe von irgend einem konkre¬ ten Gegenstand ( dieses Haus hier ) aus und denke mir eine beliebig lange Reihe verschiedener konkreter Exemplare von Häusern. Das, was dabei als identisch zu¬ grundeliegend stets mitgedacht wird, was also bei aller Variation ( bei allen ver¬ schiedenen Häusern, die ich mir vorstelle bzw. die ich wahmehme ) invariant bleibt, ist das allgemeine Wesen "Haus" überhaupt. So richtet sich also der Blick des Phänomenologen auf die Wesen, auf ihre Be¬ stände, Zusammenhänge etc., wobei das Reale, etwa naturwissenschaftliche Ge¬ genstände, höchstens als Ausgangspunkt der Betrachtung, nicht aber um seiner Realität willen interessiert. Die vielberedete "phänomenologische Reduktion" be¬ sagt ja gerade dies: den Versuch zu unternehmen, die natürliche Einstellung, wel¬ che die gesamte natürliche Welt als real und ausserhalb des Bewusstseins seiend setzt ( die "Generalthesis" ) auszuschalten. Das bedeutet: nur was im Bewusst¬ sein, d.h. "phänomenal", verbleibt als residuum nach vollzogener Reduktion, al¬ so die im phänomenologischen Bewusstsein liegende "gereinigte” Wesenssphäre, geht den Phänomenologen an. (15) Das Aktleben des Bewusstseins selbst wird dabei nicht etwa als psychologischer, empirischer Vorgang gewertet. Denn ein solcher soll ja gerade ausgeschaltet, eingeklammert, d.h. "reduziert" werden. Psycholo¬ gische Erlebnisse in diesem Sinne sind dem Phänomenologen allenfalls brauchbar als indices "für absolute Erlebniszusammenhänge von ausgezeichneter Wesensge-

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staltung. (16) Die eben genannte Reduktion zielt vor allem auf die Individualwesen, die eidetischen concreta ( z. B. das Wesen dieses Hauses hier ). Husserl bezeichnet die eidetische Seinsregion ausdrücklich als solche individuellen Seins. Damit hängt die Behauptung zusammen, bei der phänomenologischen Reduktion gehe ei¬ gentlich nichts verloren ausser der Realität von Raum und Zeit. Gerade im be¬ sonderen Wesen ( und dieser Ausdruck will bei Husserl kein paradoxon sein ), bei den - logisch gewendet - niedersten spezifischen Differenzen, den sogenann¬ ten eidetischen Singularitäten, ist aber nach Husserl das allgemeine ( durch Varia¬ tion zu gewinnende ) Wesen unmittelbar oder mittelbar enthalten. Wie schon früher erwähnt, sind eidetische concreta wie auch Allgemeinwesen verschiedener (imend¬ licher und dennoch in ihren ideell vorgezeichneten Entfaltungsmöglichkeiten über¬ schaubarer ) empirischer Verwirklichungen fähig. Umgekehrt erfassen wir keine em¬ pirische Einzelverwirklichung ohne gleichzeitiges Miterfassen des a priori vorzeich¬ nenden und zugrundeliegenden Allgemeinwesens. Die Wesensschau kann sich bezie¬ hen auf: "immanente Wesen", d.h. real - ontologische Wesen von empirischen Be¬ wusstseinsakten ( mit oder ohne reales Korrelat ), ferner auf Wesen, die dem Be¬ wusstsein transzendent sind ( Allgemeinwesen oder Wesen von individuellem Realen ). Die immanenten wie die individuellen Realwesen sind laut Husserl begrifflich schwie¬ riger fixierbar als die abstrakteren Allgemeinwesen. Hier ist eine kurze Klärung des Terminus "Begriff" ( bzw. "begrifflich" ) notwen¬ dig. Wenn Husserl den Ausdruck "begrifflich fixierbar" verwendet, so ist hier Be¬ griff als

Wortbedeutung gemeint. Diese Art von Begriff ist jedoch nicht

gleichzusetzen mit "Bedeutung" im Sinne von eidos oder Wesen. Vielmehr sind so Husserl - die Wortbedeutungen den eide angepasst zu bilden ( worin sich wie¬ derum ein hermeneutisches Problem verbirgt ). (17) Es ist zu betonen, dass Husserls Analysen und Beispiele fast immer die sinnliche Wahrnehmung betreffen und nicht geisteswissenschaftUches Verstehen. Allerdings deutet Husserl wiederholt an, dass die Methodik und der begriffliche Apparat seiner Untersuchungen auch auf Kulturgegenstände anwendbar seien. (18) Gelegentlich warnt er auch davor, das phänomenologische Verfahren ohne jede Modifikation auf die Er¬ kenntnis von Produkten menschlichen Geistes zu übertragen. Wie weit eine solche Uebertragung möglich, sinnvoll und ergiebig ist, muss der Versuch selbst erweisen. Von vordringlicher Bedeutung bei einem solchen Versuch ist das Problem der Ge¬ schichtlichkeit. Beim frühen und mittleren Husserl scheint das Problem weitgehend ausserhalb des Blickfeldes zu liegen. Der späte Husserl erkennt es voll an. Die Welt sei "in fortgehender Konstitution" begriffen und zwar "unter ständiger Erweite¬ rung ihres Seinssinnes". (19) Dieser Satz kann in dreifacher Weise verstanden wer¬ den: a) der Mensch ergreift im Laufe seiner Geschichte immer mehr vom Wesen

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seiner Welt, er folgt den Leitlinien der Noemen und enthüllt in fortschreitendem Masse ein Gesamtwesen von der Welt, das schon von jeher als das, was es in sei¬ ner Totalität "ist", besteht; b) aus der stets aufs Neue verschobenen geschichtli¬ chen Perspektive sieht der Mensch die Welt immer schon als Ganzes, aber immer wieder durch eine anders gefärbte "Brille", immer in modifizierter Weise ( nie in ihrem An - Sich ). Die Auffassungsweise b) entspräche wohl kaum der Meinung Husserls. Schliesslich c): der Mensch, d.h. die transzendentale Allsubjektivität selbst ist das Welt sch affende, das konstituierende movens. Neugestaltung, FortKonstitution und deren erkennendes Erfassen vollziehen sich mit- bzw. auch nach¬ einander. Wir dürfen sicher sein, dass die letzte der drei Auslegungen (c) dieje¬ nige ist, die dem Denken des späten Husserl entspricht. Wenn wir vorläufig annehmen, dass ein literarischer Text sprachlich umgesetzte Noemen verschiedener Abstraktionsstufen enthält und überdies selbst insgesamt Repräsentant seines Wesens ist, so stellt sich die Frage, wie adäquat die noematische ( als historisch geprägte ) Sphäre nachverstehbar ist, ob ein jeweils histo¬ risch bestimmter Blickwinkel immer nur einen Teil des Noematischen, eine "An¬ sicht" in den Blick bekommt und für die weiteren Vorzeichnungen gleichsam blind ist. Dass Husserl zumindest einen Aspekt dieser Problematik gesehen hat, beweist seine Bemerkung, eine vollkommene Kenntnis des "Anderen" in seiner individuel¬ len Historizität und "genetischen Selbstkonstitution" gebe es nicht ( mit dem Ande¬ ren ist ein anderes menschliches Individuum gemeint). (20) Wir werden auf diese Problematik später zurückzukommen haben. Setzt man dagegen das Noematische als zeitlos und damit ungeschichtlich, so ist Geschichtlichkeit in die Dimension des Noetischen abgedrängt. Geschichtliche Er¬ kenntnis hiesse dann: immer fortschreitende Aufdeckung einer stets schon in sei¬ ner Totalität und damit "fertig" bei - sich - seienden transzendentalen "Welt", d.h. man gelangte in die Nähe Hegels. Das eben gestreifte Problem des partiel¬ len Nachverstehens bzw. der partiellen Blindheit bestünde unverändert fort. Denn es macht letztlich keinen Unterschied, ob ich als historisch bedingter Verstehen¬ der ein selber sich historisch bewegendes eidos zu erfassen suche oder ein zeit¬ los identisches und von jeher "feststehendes". Ein individueller Erkenntnisvorgang, so führt Husserl in "Erfahrung und Urteil" aus, mag zwar schnell in Vergessenheit versinken. Was sich aber in ihm konsti¬ tuiert hat, d.h. wie dabei Eidetisches transparent geworden ist, hinterlässt in un¬ serem Denken gleichsam dauerhafte Spuren, ist assoziativ wieder aufzurufen. Hus¬ serl benennt es mit dem Begriff "Habitus". (21) In der Tat wirken solche einmal er¬ worbenen habituellen Schemata z. B. bei jeder Erkenntnis eines realen, sinnlich wahrnehmbaren Gegenstandes mit. Sie sind leere, erfüllbare Horizonte des Ver¬ stehens, d.h. Typen, mit Hilfe derer Aehnliches antizipierend als zu einem schon Bekannten gehörig eingeordnet wird. Erkennen wäre damit ein stetes Reduzieren

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auf schon vorgeformt Vertrautes. Wendet man diese Habitus - Theorie auf kul¬ turelle Gegenstände an, so stellt sich hier noch einmal das Problem geschicht¬ lichen Verstehens. Denn es wäre zu fragen: bildet der Mensch eigentlich auch ständig neue habitüs aus, m.a.W. muss nicht im schöpferischen wie im nachver¬ stehenden Erkennen immer auch Neuland gewonnen werden ? Wird somit der Fundus von Verstehenshabitualitäten stetig angereichert, und gibt es auch auf der anderen Seite einen Desintegrationsvorgang, ein Verfallen von habitüs in Dun¬ kelheit, ein Nicht - Mehr - Bereitliegen gewisser Urteilsmechanismen als Folge geschichtlicher Veränderung des geistigen Gesamthorizontes des Verstehenden ? Was hier zur Debatte steht und später noch mehrfach aufzunehmen sein wird, ist die Problematik des Typus und seines Gegenbegriffes der Individualität. Es ist endlich zu fragen: wie sinnvoll bzw. fruchtbar ist die Applikation phänome¬ nologischen Gedankengutes auf die Dichtung und die Fragen der Interpretation von Dichtung ? Eine Betrachtungsweise, welche Anregung und Anstoss bei einem phi¬ losophischen System sucht, darf sich von diesem nicht den Blick verstellen oder unzulässig verengen lassen. Sie hat stets eine gewisse kritische Distanz zu wah¬ ren. Der Wert und Nutzen des philosophischen Ansatzes muss sich in seiner Er¬ giebigkeit bei der erkennenden Durchdringung des Gegenstandes erweisen, auf den der Ansatz angesetzt wird. Phänomenologisch an Dichtung und literarische Interpretation herangehen heisst: diese "Gegenstände" im Lichte der Korrelation von Noema und Noesis bzw. von realem und intentionalem Gegenstand, von trans¬ zendentaler Subjektivität und empirischem Ich oder von Wesen und noetischer bzw. realgegenständlicher Partikularisation desselben sehen. Dabei ist der Blick zu richten auf die drei Instanzen, um die es bei unseren Untersuchungen geht: Autor, Text und Eezipient bzw. Interpret. Dass wir diese Dreiheit zunächst in phänomeno¬ logischer Sicht betrachten, impliziert ein Vorurteil in Bezug auf das Wesen "der" Dichtung überhaupt, das wir uns einzugestehen und bewusst zu machen haben. Dich¬ tung wird hier nämlich vor allem in ihrer Erkenntnis -

Funktion gewürdigt.

Dass dies nicht die einzig wesentliche und mögliche Funktion von Literatur ist, sei unbestritten. (22) Das der Abfassung eines literarischen Textes vorausgehende und sie begleitende Denken im Bewusstsein des Schriftstellers sowie der Akt des Schreibens selbst können im Sinne Husserls als noetische Akte aufgefasst werden. Offensichtlich hat der nachverstehende Interpret keinen direkten Zugang zu dieser Dimension. Er kann nicht wissen, was sich im empirischen Bewusstsein des Autors abgespielt hat als dieser sein Werk konzipierte und in Sprache umsetzte. Dass bei diesem Umsetzungsprozess eine gewisse Einbusse zu verzeichnen ist, dass das geistig vorschwebende Konzept reicher aber oft auch zugleich unbestimmter ist als das endüch zu Papier gebrachte, dürfte die Regel sein. Was nun aber "vorschwebt und was dann sprachlich transformiert wird, kann phänomenologisch als ein kom plexes Gefüge von Noemen angesehen werden. Wohlgemerkt: es bedarf der Schei-

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düng zwischen der noematischen Sphäre, die der Dichter in seinem Bewusstsein erschaut, d. h. die er sozusagen in seine noetischen Denkakte hereinholt ( und diesen somit einen Inhalt gibt ) und: der in sprachlicher Gestalt, im Text, erscheinenden noematischen Sphäre. Es erhebt sich hier die Frage, ob zwischen beiden noematischen Sphären ein Verhältnis der vollen oder der par¬ tiellen Identität besteht. Anders gesagt: wenn dem Dichter Wesensbestände ( und zwar Individualwesen wie auch Wesen höheren Allgemeinheitsgrades ) vor dem geistigen Auge stehen, so sind diese Bestände nicht schon per se durchgehend sprachlicher Natur, sondern zunächst partiell vorsprachlich - intuitiv. Das Mischungsverhältnis zwischen abstrakter/konkreter ideenhafter Intuition ei¬ nerseits und abstrakter/konkreter bildhafter Intuition andererseits wechselt von Fall zu Fall und bestimmt die sprachliche Gestaltung. Indem das Intuitive nun in die sprachliche Zeichenmaterie übertragen wird, tritt ein Medium zwi¬ schen Konzeption und Nachverstehen. Durch dieses Medium hindurch hat der Le¬ ser (Interpret ) erst wieder vorzustossen in einen zwar den Text mitumfassen¬ den, ihn aber dennoch übersteigenden eidetischen Bereich. Dieser Bereich muss bis zu einem gewissen Grade intersubjektiv und über einen eventuellen Zeitenab¬ stand hinweg einsichtig sein. Es gäbe hier kein Problem, wenn Wesenhaftes in¬ tersubjektiv völlig allgemeinverbindlich einsehbar wäre. Husserl scheint in der Tat des öfteren eine solche Annahme gemacht zu haben. (23) Die Unabschliessbarkeit verstehenden Bemühens gründet für ihn nicht im geschichtlichen Zeitenabstand sondern in der immer weiterzutreibenden Entfaltung des eidos an sich, seinem of¬ fenen Horizonte nach. Mit dem späten Husserl und im Sinne eines recht verstande¬ nen Historismus ( der an die Historizität schlechthin alles Menschlichen, auch der transzendentalen Sphäre, glaubt ) sehen wir das Verstehen von historisch gepräg¬ ten Wesen als einen selbst in Historizität befangenen Akt, welcher sich nur mit ei¬ ner gewissen Anstrengung und bis zu einem gewissen Grade von dieser Historizi¬ tät befreien und zur adäquaten Erfassung von geschichtlichen Wesenswahrheiten ge¬ langen kann. Darüber später mehr. Aber nicht nur die Historizität alles von Menschen Geschaffenen wie aller Akte des Verstehens erzeugt Probleme hermeneutischer Art. Ein zweiter, verwandter Pro¬ blemkreis, der sich auf die Wesenssphäre bezieht, betrifft das rein Persönliche, Subjektive daran. Rechnet man dies nur zur Region des Empirisch - Psychologischen, , dann gehört es nicht eigentlich zum Noema sondern zum Bezirk der realen Partikularisation desselben. Es gibt aber bei Husserl Aeusserungen, die durchaus darauf schliessen lassen, dass auch der Bereich des Personalen in die noematische Schicht hinaufreicht, dass es sich folglich beim Noematischen nicht nur um Allgemeinmensch¬ liches handelt. (24) Die hier zu stellende hermeneutische Frage lautet: wie weit ist dem Verstehenden, als einem zwar zeitgenössischen aber eben doch anderen Ich das Personale an den eidetischen Bedeutungsbeständen eines zu verstehenden Textes zugänglich ? Gibt es hier wie bei der Problematik des historischen Abstan¬ des eine Zone unaufhellbarer Fremdheit ? Womöglich verdoppelt sich die Fremd-

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heitsproblematik, wenn es um die Interpretation historischer, zeitlich weiter zurückliegender Texte geht: das personale Fremdheitsmoment wie das des ge¬ schichtlichen Zeitenabstandes sind zu überwinden. Wenn nun ein literarischer Text ein sprachliches Gefüge von intentionalen Ge¬ genständen, und das besagt: von sprachlich ausgedrückten Wesen verschiede¬ ner Art ist, so leuchtet sofort ein, dass es hier keinen realen Gegenstands¬ bereich gibt, mit dem die Wesen korrelieren. Die Fiktivität von Dichtung ( zumindest der epischen und dramatischen ) (25) meint ja eben dies. Sprache bedeutet hier also ein Aufrufen noematischer Möglichkeiten im Bewusstsein des Lesers. Dies könnte auf zwei verschiedene Weisen verstanden werden. Entweder: das erwähnte "Aufrufen" ist gleichsam ein Spielen auf einer je schon bereitstehenden ungeschichtlich - noematischen Klaviatur ( der Dichter als Spieler, das Leser- bzw. Interpretenbewusstsein als Klaviatur ), ein Aufleuch¬ tenlassen von unbewusst schon "immer" existierenden noematischen Beständen. Oder aber: wir weisen dem Dichter und seinem Werk eine weitaus eigenschöp¬ ferische Rolle zu, wenn wir annehmen, dass der dichterische Text mit anderen geschichtsbildenden Kräften neue noematische Vorzeichnungen schaffen hilft, dass also Dichtung selbst in ihrem eigentlichsten Impuls Welt weiterkon¬ stituierende, d.h. das Noematische weiterbildende Funktion hat. (26) Zwei Arten von Wesen sind in Bezug auf die Dichtung zu berücksichtigen. Zum einen: die sprachlich mediatisierten Allgemeinwesen ( Bild-, Handlungs-, Vor¬ gangselemente etc. ), welche in einem komplexen und beziehungsreichen Gefü¬ ge die "Welt" der betreffenden Dichtung aufbauen. Dieser wiederum liegt ( als Konzept und als sprachliche Realisation ) das Wesen ( die Grundkonzeption ) des betreffenden Werkes zugrunde. Letzteres nimmt meist eine Stellung zwi¬ schen Allgemein- und Individualwesen ein. Es trägt historisch und personal be¬ dingte einzigartige Züge. Und es ist - folgt man Husserls Gedanken - mannig¬ facher Repräsentationen fähig, zumindest theoretisch gesehen. Der jeweils zu Papier gebrachte Text bietet dann nur eine Variante von vielen möglichen, ei¬ ne Partikularisation unter anderen, nicht realisierten. Ist der Text "nur" die Partikularisation eines sozusagen hinter ihm stehenden Noema im Sinne einer Grundkonzeption oder -Inspiration, so muss gelten, dass dieses Noema selber weiter und reicher an wesenhaft möglichen Vorzeichnun¬ gen ist als seine Partikularisation. (27) Somit stellt sich die hochbedeutsame hermeneutische Frage: gelangt der Interpret vom Text und seiner Noemenman¬ nigfaltigkeit zurück sowohl zu a) dem das Werk in seiner Begrenztheit konstitu¬ ierenden Noema ( noematischen Komplex ) als auch b) zum volleren, gleichsam urstiftenden Noema, welches als selbst das Bewusstsein des Dichters überstei¬ gend gedacht werden kann ? Wie geschieht das ? Zunächst wohl so, wie in Inter pretationen schon von jeher verfahren worden ist: man abstrahiert das Wesent-

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liehe von dem, was nur Füllsel und variationsbedingte Zutat ist und hebt in ei¬ ner abstrakteren, begrifflicheren Sprache ( einer Metasprache gegenüber der Textsprache ) dieses Wesentliche ab. Auf welche Weise genau dieser Abhebungs¬ vorgang vonstattengeht, müssen eingehendere Analysen an späterer Stelle zei¬ gen. Eines jedoch ist offensichtlich. Ein Interpretationsvorgang, der selektiv vorgeht und als Resultat bestimmter Deutungsstrategien das Wesentliche vom Unwesentlichen abhebt, ohne die Prozedur des Variierens zu gebrauchen, stösst nur zu dem Teilbereich der Wesenskonzeption vor, welche der jeweilige Text ergriffen hat. D.h. er stösst zunächst nicht vor zum Gesamtwesen, das hät¬ te verwirklicht werden können und das nur in einer längeren Reihe von vari¬ ierten Partikularisationen ( variierten Texten zum selben eidos ) sichtbar würde, es sei denn, der Interpret ist in der Lage, vom abstrahierten Teilwesen aus - dessen Leitfäden aufnehmend - zum Gesamtnoema vorzustossen. Unter "Gesamtnoema" wäre zu verstehen: die bewusste Konzeption plus das in ihr an¬ gelegte und implizierte Wesenhafte, sofern es die Autorkonzeption übersteigt. Die Rede vom Noema bzw. vom noematischen Komplex, der dem Autor beim Verfassen eines literarischen Textes "vorschwebt" bzw. der dem Text gleich¬ sam als semantische Tiefenstruktur "zugrundeliegt", darf nicht zu der falschen oder doch zumindest einseitigen These verleiten, als besitze jeder literarische Text einen solchen singulären thematischen Kern, ein "zentrales" Noema. Es mag Texte geben, die mehrere noematische Basen haben, mehr noch: deren Sinngefüge vielleicht gerade vom Fehlen des Zentralnoemas oder von der vergeb¬ lichen Suche nach ihm geprägt ist. Nichtsdestoweniger bleibt die methodische Annahme einer vorsprachlichen und vortextlichen noematischen Ebene sinnvoll und fruchtbar, selbst wenn sie zum Aufweis der Abwesenheit des heuristisch Vorausgesetzten führt. Die Frage des Verhältnisses von Noema und Text wirft Licht auf gewisse Streit¬ fragen der Interpretationsmethodik. Ist ein gegebener Text rein aus sich selbst heraus adäquat verstehbar oder verstehen wir ihn besser und tiefer, wenn wir über seine Entstehung ( Einflüsse literarischer, zeitgeschichtlicher, biographi¬ scher Art ) bescheidwissen ? Ohne Zweifel ist etwa Goethes ,rWerther" als Text voll verständlich, auch wenn man nichts über Charlotte Kestner oder Uber die emotionale Dimension des Sturmes und Dranges etc. etc. weiss. Dennoch beleuch¬ tet solches Hi ntergrundswissen einen Ausschnitt aus dem uns sonst unbekannten und in seiner vollen Komplexität nicht rekonstruierbaren Gesamtnoema im Be¬ wusstsein Goethes zur Zeit der Niederschrift des "Weither". Einmal im Besitze solchen aussertextlichen Wissens, lesen und verstehen wir bestimmte Sinnkom¬ plexe des Romans doch in leicht modifizierter Weise, gleichsam in veränderter Tönung, obwohl dem Text selbst dadurch kein Wort hinzugefügt oder weggenommen wird. Wir bewegen uns als Leser in einem Zwischenfeld zwischen noematischer Konzeption und dem, was der Text von dieser absorbiert hat. Die Gesamtbedeu-

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tung des Textes nimmt sprachlich nicht explizite konnotative Nuancen auf, wel¬ che aus dem Text selbst nicht emanieren, ihn jedoch mit - konstituieren. Aehnliches gilt für den interpretativen Rekurs auf Entwürfe und andere Vorfor¬ men eines Textes, der dem Verständnis Schwierigkeiten bietet. Hier handelt es sich um Zeugnisse des Ringens um textliche Verwirklichung eines noematisch vorschwebenden Sinnes. Man mag fragen: ist der Interpret berechtigt, vom Dichter verworfene Skizzen oder Vorstudien als beweiskräftige Dokumente seines Deutungsverfahrens zu verwenden ? Da bedarf es freilich des äussersten Taktes und Feingefühls. Das Heranziehen solcher Zeugnisse erscheint uns nur dann zulässig, wenn trotz des Stigmas des Verworfenseins im Vergleich mit der Endfassung die Intention des Dichters bzw. der im Einzelnen unklare Sinn eru¬ iert werden können. Wie weit das gelingt und überzeugt, ist nur von Fall zu Fall entscheidbar. Ist diejenige Sicht des konzipierenden Noema, die sich aus dem Text abstrahie¬ ren lässt, einmal erkannt, so lässt sich von da aus - in rein noematischer Schau weiterschreiten zu den nicht im Text realisierten oder, in Husserls Sprache: nicht - erfüllten Vorzeichnungen desselben Noema. Beobachten wir zur Verdeut¬ lichung des Gemeinten ein der Interpretationspraxis entnommenes Beispiel. Es bezieht sich auf einen Einzelaspekt der Thematik und entstammt Karl Vietors Deutung von Büchners Tragödie "Dantons Tod": In Büchners Text spricht Robespierre die folgenden Worte: "Die Waffe der Republik ist der Schrecken, die Kraft der Republik ist die Tu¬ gend. . .Der Schrecken ist ein Ausfluss der Tugend, er ist nichts anderes als die schnelle, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit... Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei. " Dazu schreibt Vietor: "Wie logisch das ist, wie klar, wie einfach ! Mit solchen einfachen und entschie¬ denen Gedanken hat man Erfolg in Zeiten grosser politischer Entscheidungen. Robespierres einfache Radikalismen vernichten das Leben der Menschen, die das Unglück haben, irgendwie im Wege zu stehen. Weil das Leben, weil die Beziehun¬ gen der Menschen untereinander in Wirklichkeit nicht einfach sind, müssen solche Ideen bei der Guillotine als der "ultima ratio" enden. Starre Prinzipien von logisch einwandfreier Beschaffenheit werden in der Geschichte zu Henkersbeilen, wenn die politische Macht hinter ihnen steht. Doktrinären Köpfen gilt der Schrecken als mo¬ ralisch gerechtfertigt, wenn die Grundsätze des politischen Handelns logisch unan¬ greifbar erscheinen.(28)

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Die Deutung nimmt zuerst noch auf die konkrete Situation im Text ( Robespierres Rede ) Bezug, treibt jedoch dann den textlich gebundenen Sinngehalt Uber sich hinaus in Richtung auf eine allgemeine menschlich - politische Wahrheit. Man wird dies durchaus noch als legitimen Teil der Deutung von Büchners Stück empfinden. Gleichwohl ist hier im Kleinen eine Dimension des abstra¬ hierenden Denkens erreicht, welche über die Grenzen des aus dem Text un¬ mittelbar zu entnehmenden Sinnes bereits unmerklich hinausdringt. Es ist schwierig und in manchen Fällen schier unmöglich, die Grenzlinie zu ziehen zwischen einem Interpretieren, welches implizite, also nicht textlich direkt ausgesagte Bedeutung aus dem Text "herausholt" und einem Interpretieren, wel¬ ches über die implizite Bedeutung hinausgeht und deren eigenen inneren Hori¬ zont verschiebt, d.h. ein Mehr, eine weitere Abschattung dieser selben vom Text anvisierten Bedeutung in den Griff bekommt. Dass letzteres nichts mit haltloser subjektiver Spekulation zu tun hat, sei nur am Rande vermerkt. Aber dem interpretierenden Weiterschreiten über das textlich Explizite hinaus sind hier noch nicht einmal die letzten Grenzen gesetzt. Etwas im einzelnen Noema drängt hinaus zu weiteren Wesenseinsichten, welche andere Noemen betreffen. Apriorische Einsichten, schreibt Nicolai Hartmann, impUzieren ei¬ nander ( d.h. eine Einsicht führt quasi in einer Kettenreaktion zur nächsten): so kommt es zum Erkenntnisfortschritt und zum ständig neu aufleuchtenden Pro¬ blembewusstsein. (29) Auf diese Weise wird aposteriorisches Erkennen vom apriorischen ( noematischen ) stets weitergetrieben. Obwohl diese Einsicht sich bei Hartmann auf das philosophische Erkennen bezieht, lässt sie sich auch auf den Vorgang des Interpretierens literarischer Texte anwenden. Freilich hätten wir es dann mit einer Art von Interpretation zu tun, welche das gedeutete Werk und seinen Erkenntnis stand selber transzendiert, indem es das dem Text zugrun¬ deliegende Noema ergreift und dessen Verweisungen zu weiteren noematischen Bezügen folgt. Hier kommt allerdings die Historizität wiederum kompUzierend ins Spiel. Wenn die lange Reihe geschichtlich bedingter Interpretationen, denen ein Text im Laufe seiner Wirkungsgeschichte unterzogen wird, einen kontinuier¬ lichen Prozess der Wesensentfaltung darstellt, bedeutet das, dass das re¬ alisierte Teilwesen des Textes wiederum in jeder Einzelinterpretation nur par¬ tiell gesehen wird ? Gibt es die Gleichzeitigkeit von partieller und totaler We¬ sensentfaltung als wirkungsgeschichtlichen Doppelvorgang ? Hier Hesse sich eine Bemerkung zur Uterarischen Wertung anschliessen. Ge¬ setzt, einem Schriftsteller gelinge nicht eine adäquate fiktionale VerwirkUchung eines Wesens oder Wesenskomplexes. Damit wäre der interpretierende Rückgang auf die noematische Grundkonzeption eventuell erschwert oder ganz verbaut, da ja seine textUch - sprachlich vermittelte Partikularisation unzulänglich wäre. Die entscheidende Frage muss nun lauten: ist der Interpret dennoch in der Lage, am inadäquaten Material die Leitfäden aufzunehmen und zum ( unangemessen reprä-

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sentierten ) Wesen zurückzugelangen, um dann kritisch eben die Diskrepanz zwischen Wesen und Partikularisation aufzuweisen ? Gibt es also literarische Texte, die ihre eigene Wesenskonzeption verfehlen, so könnte man die zusätzliche Frage stellen: wäre es nicht denkbar ( und beleg¬ bar ), dass ein dichterischer Text

( gerade in der Moderne ) nicht von einem

wie auch immer ergriffenen noematisch vorschwebenden Wesen seinen Ausgang nimmt, sondern gerade im Vollzug des Schreibens sein Wesen erst findet ? D.h. ein solcher Text brächte absichtlich nur Indizienhaftes, Aeusserliches, "circumstances", um sich einem noch unbekannten Wesen anzunähern. Verdeutlichen wir die obigen Ausführungen an einem graphischen Schema:

6 Verweisungen zu anderen Wesen

5 Totales Wesen von a

4 Mögliche Varianten der Partikularisation von 3 3 Vorsprachlich vorschwebende Wesenskonzeption von a 2 sprachlich realisierter Teil der Wesenskonzeption von a 1 Texta

Wir haben bisher einleitend den Versuch unternommen, von mehreren zentralen Begriffen aus der Husserlschen Phänomenologie Perspektiven zu umreissen für die mögliche Anwendung dieser Theorie auf die Fragenkomplexe der Hermeneutik und spezieller noch: des deutenden Verstehens von Dichtung. Ein solcher Versuch ist bereits im Jahre 1931 von einem Schüler Husserls, dem polnischen Philoso¬ phen Roman Ingarden, in aller Ausführlichkeit unternommen worden. (30) Sein

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Werk schliesst direkt an die Lehre Husserls an und sei daher im Folgenden ei¬ ner eingehenden und - wo möglich - weiterführenden Betrachtung unterzogen. Ingarden sieht in der Literatur einen Gegenstand, dessen reine Intentionalität ausser Zweifel steht, d.h. einen Gegenstand, der in der Dimension des sprach¬ lich niedergeschlagenen Meinens ohne das Korrelat des von der Intention betrof¬ fenen realen Objektes verbleibt. Diese Dimension ist also abzugrenzen von der des Realen wie auch vom Bereich der Idealitäten, der eide im phänomenologischen Verstände. Betrachtet wird nur der Text als ein Komplex von Sätzen und deren Bedeutungen, die sich auf fingierte ideale oder reale intentionale Gegenstände richten. Ausgeschlossen aus der Analyse bleibt also die Relation des Textes zur Biographie des Autors. In moderner Terminologie gefasst: Ingardens Be¬ trachtungsweise ist werkimmanent. Die sprachliche Bedeutung eines Wortes oder Satzes im literarischen Werk hat also stets die Funktion, einen fiktiven Gegenstand zu meinen. Dies kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten er¬ folgen: die Bedeutung etwa des Wortes "Tisch" kann, wie Ingarden sich aus¬ drückt, variabel/potentiell sein, d.h. es ist nur "Tisch" ganz allgemein, typen¬ haft gemeint. Oder aber: der Richtungsfaktor ist konstant, d.h. ein numerisch ganz bestimmter "realer" ( fiktiver ) oder idealer Gegenstand, auf den als sol¬ chen immer wieder im Text verwiesen werden kann, ist gemeint. (31) Jede Wort¬ bedeutung, so wie sie als Bestandteil eines Textes vorliegt, bietet nach Ingarden immer die Aktualisierung eines Teiles des idealen Sinnes, welcher im Be¬ griff der gemeinten korrelativen Gegenständlichkeit enthalten ist. Es wäre also zu unterscheiden zwischen aktuellem ( im Text zum Aufleuchten gebrachtem ) und potentiellem ( gleichsam "noch übrigem ) Bestand des ideellen Gegenstands¬ sinnes. Hierfür ein Beispiel: Und frische Nahrung, neues Blut Saug ich aus freier Welt; Ein literarisches Quasi - Urteil, würde Ingarden sagen. Eine aus aufeinander bezogenen Bedeutungen bestehende Satzaussage, ein Gefüge aus Intentionen, wel¬ che ideelle "Gegenständlichkeiten" vermeinen: frisch, Nahrung, neu, Blut, sau¬ gen, ich, frei, Welt. Alles Bedeutungen, deren Richtungsfaktor als variabel/po¬ tentiell ( mit Ausnahme wohl des "ich" ) anzusehen wäre. D.h. der Leser er¬ fasst zwar kraft der wechselseitigen Bezüglichkeit dieser Elemente jeweils so et¬ was wie "einen" Sinn jeder Bedeutung und zugleich "einen" Sinn des gesamten Satzes. Diese Sinn - Rezeptionen aber sind nicht erschöpfend, sie drängen einan¬ der in eine bestimmte Gesamtperspektive ( Belebung, neue schöpferische Kraft, Regeneration; dies alles empfangen von einer Instanz ausserhalb des Ich, etc. ). Der Sinn des Gegenstandskomplexes, der hier nur ausschnitthaft angeleuchtet ist, geht aber weit über das, was sich im Text als Sinn konstituiert, hinaus. Nimmt man einmal mit den Phänomenologen an, es gebe im ideellen Bereich ei¬ nen umfassenden Sinn von "Nahrung", "neu", "Blut", etc., so wäre ein solcher

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Sinn nach dem Prinzip der Variation abzutasten: ich stelle mir alle erdenkli¬ chen Sinnmöglichkeiten von "Nahrung" vor und achte auf das dabei invariabel Verharrende. Was bedeutet nun für die Dichtung jene Tatsache, dass immer nur ein Teilsinn eines transzendent verbleibenden Totalsinnes zur Sprache kommt ? Oder phänomenologisch gesprochen: dass das Noema "Nahrung" noetisch vermittelt und in Text umgesetzt immer nur in einem Aspekt zur Anschauung gelangt ? (32) Erfasse ich den Aspekt adäquat, ohne zugleich den Blick in gleichsam blitzartiger geistiger Umschau auf das gesamte Wesen "Nahrung" zu richten ? Das Problem ist aber noch präziser zu fassen. Wenn ich nur lese: "Nahrung", habe ich ein lautlich/textliches Symbol für den mir vielleicht nur vage bewussten Totalsinn von "Nahrung”. Dieser aber ist vom Autor gar nicht gemeint, sondern je mehr die selektive Bedeutung in ein Ge¬ füge sich wechselseitig determinierender Mit - Bedeutungen eingeholt wird ( Nahrung plus frisch, parallel zu: neu plus Blut; beides als Objekt von: sau¬ gen; sodann Aequivalenz von: frisch plus Nahrung = neu plus Blut mit: frei plus Welt), desto mehr präzisiert bzw. partikularisiert sich der Sinn von Nah¬ rung in diesem spezifischen Text. Die neuere Linguistik nennt dieses Phäno¬ men "Selektionsbeschränkung". Der Kontext begrenzt die inhaltliche Bedeu¬ tung eines Textelementes. Wie weit der Determinationsgrad dabei reichen kann, ist eine andere Frage, die wir weiter unten aufnehmen werden. Interpretieren hiesse hier also: zur Partikularisierung des gemeinten Sinnes der Wort- wie der Satzbedeutungen zu gelangen, indem vor dem schemenhaft präsenten Hin¬ tergrund der Totalsinne sich eine Sinnabgrenzung kraft wechselseitiger Deter¬ minierungen der Einzelbedeutungen abzeichnet. Ingarden führt weiter aus, kein reelles (innerhalb des Bewusstseins liegendes und ihm allein eigentümliches ) Moment des Aktes, also keine Noesis, sei ein Element des rein intentionalen Gegenstandes, wie auch das Gemeinte ( Inten¬ dierte ), insoweit es sprachlich realisiert ist, nicht gleichzusetzen sei mit dem Vermeinten als solchem. Der "Sachverhalt" ist dem Satzsinngehalt gegenüber transzendent. (33) Es sind also mindestens drei Dimensionen auseinanderzuhal¬ ten: die schöpferischen Denk- und Vorstellungsakte, deren Umsetzung in Spra¬ che, welche eine rein intentionale ( ohne Realitätsbezug fiktiv gemeinte ) Ge¬ genständlichkeit bezeichnet und schliesslich: diese Gegenständlichkeit als sol¬ che, die immer noch mehr, noch anders "ist" (im idealen Sinne ) als das, was Sprache bzw. Text von ihr konstituiert. Wie kommen wir zu diesem "Mehr" ? Der Phänomenologe gäbe zur Antwort: durch Variation. (34) Man könnte also den ( vielleicht auf den ersten Blick abwegigen ) Versuch unternehmen, die Goetheschen Eingangsworte von "Auf dem See" mit anderen sprachlichen Elemen¬ ten zu variieren, solange, bis sich die vermeinte, dem sprachlichen Ausdruck transzendente Gegenständlichkeit ergäbe, an der gemessen nun die Goethesche Variante erst ganz in ihrer Spezifität kenntlich würde.

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Der einzelne Bewusstseinsakt ( die Noesis ), behauptet Ingarden, ist nie isoliert, er erweist sich immer als Glied, drängt also von sich aus stets Uber sich hinaus, steht in einem verweisenden Zusammenhang. Dieser Gedanke führt auf das erwägenswerte Problem, ob ein literarisches Kunstwerk seiner geistigen Essenz nach als absolut abgeschlossen, begrenzt, fixiert zu gelten habe. (35) Einerseits ist phänomenologisch anzunehmen, dass das Einzelwerk einen abgrenzbaren We¬ sensbestand (in den auch Gestaltliches eingeht ) besitzt. Was daran begrifflich erfassbar ist, steht aber immer in einem Zusammenhang, sei dieser nun histo¬ risch - entwicklungsmässig oder rein sachlogisch gesehen. Zu fragen wäre: ist etwas als das, was es geistig ist, nicht eigentlich erst voll kenntlich, wenn seine Zusammenhänge mit anderem auf es bezogenem Geistigen in den Blick genommen werden, d.h. wenn der werkimmanente Horizont durchbrochen wird ? Spezifi¬ scher gesprochen hiesse das: a) Literaturhistorie oder b) ( ahistorisch - phäno¬ menologisch ) nie zur Ruhe kommende, immer fortdringende Wesensschau. (36) Was an einer Dichtung als sie konstituierendes und bis ins kleinste Detail prägen¬ des geistiges Prinzip blossgelegt werden kann, offenbart zugleich seine Vorläufig¬ keit, Unabgeschlossenheit als Aussagezusammenhang, verlangt nach Weiterdenken und setzt sich vom Weitergedachten aus in Beziehung zum überholten, aber da¬ durch in seinen Eigenkonturen profilierter gewordenen Bedeutungsstand der Dich¬ tung, von welchem ursprünglich ausgegangen wurde. Auch dies könnte in einem be¬ sonderen Sinne bedeuten: interpretieren. Eine der wichtigsten Entdeckungen des Ingardenschen Buches ergibt sich aus einem Vergleich der realen Gegenstandswahmehmung mit der literarisch - fiktiven Evozierung von raumzeitlichen Dingen. In einer Realitätserfahrung kann sich dersel¬ be Gegenstand in mehreren verschieden gebauten Sachverhalten enthüllen, gleich¬ sam als ob man durch verschiedene Fenster Einblick nimmt in dasselbe Haus. Man kann auch sagen: die Sachverhalte ( oder wenn amn will: Aspekte ) sind das Dar¬ stellende, während die Gegenstände das Dar ge stellte sind. Für einen rea¬ len Gegenstand, etwa dieses Haus hier, gilt: die Mannigfaltigkeit der zur Gegen¬ standserfassung und -darstellung verwendbaren Sachverhalte ist im Prinzip unend¬ lich. Wir erfassen also immer nur ausschnitthaft - unvollkommen, können aber den Aspekt unendliche Male wechseln, immer neue Bestimmungen an dem Haus ausmachen, so dass unsere Auffassung von diesem wirklichen Objekt immer rei¬ cher wird. Bei jeder aspekthaften Erfassung ist eine Mehrzahl von Sachverhalten leer mit¬ vermeint, d.h. ich nehme umrisshaft, aber keineswegs in präziser und erfüll¬ ter Weise Ansichten mit in den Blick, die eigentüch ausserhalb meines jeweiligen Blickwinkels liegen. Ich nehme z. B. wie selbstverständlich an, dass das von mir betrachtete Haus auch irgendeine - von mir jetzt nicht wahrgenommene - Rückwand hat. Nun ist hervorzuheben, dass ein realer Gegenstand in sich vollkommen be¬ stimmt ist. Er weist, wie Ingarden sich ausdrückt, keine "Unbestimmtheitsstelle"

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auf. Wenn ich auch nie alle Bestimmtheiten an ihm vollzählig erfasse, es ist mir im Prinzip immer möglich, von Bestimmung zu Bestimmung erfassend fortzuschreiten. Anders der literarische oder auch der malerische Gegen¬ stand ( das Wort jetzt im eingeschränkteren Sinne des raum zeitlichen Wahr¬ nehmungsobjektes bzw. von dessen Fiktion genommen ). Der intentionale fik¬ tive literarische Gegenstand ( etwa die Beschreibung eines Hauses in erzäh¬ lender Dichtung ) zeigt stets in einer spezifischen sprachlichen Ausprägung nur einen Aspekt und besitzt somit unendliche Unbestimmtheitsstellen. (37) Mit anderen Worten: die beschreibend - bildliche Gegenstandsdarstellung im literarischen Kunstwerk ist schematisch. Das bedeutet: was von dem Gegen¬ stand zur Darstellung gelangt, ist ein ausgewählter Aspekt. Welcher Aspekt ausgewählt wird, bestimmt sich nach den deutenden Prinzipien, die dem Text und seiner "Welt" zugrundeliegen. Teilaufgabe des die Dichtung Verstehenden wäre es nun, die vom Dichter ausgewählten Aspekte als solche und in ihrem Spezifischen kenntlich zu machen. Dies erfordert wiederum ein frei - imaginierend - variierendes Hinzunehmen mehrerer anderer Aspekte derselben Ge¬ genständlichkeit. Vergessen wir jedoch nicht: all das bisher Gesagte bezieht sich vorerst nur auf den Unterschied zwischen der Wahrnehmung realer Ge¬ genstände und deren aspekt- und schemenhafter Darstellung als Fiktion in ei¬ nem sprachlichen Kunstwerk. Mit äusserster Vorsicht wäre von hier aus wei¬ terzufragen: Hesse sich die Feststellung von Unbestimmtheitsstellen übertra¬ gen auf Uterarische "Gegenstände" im weiteren Sinne ? Wenn es also z. B. um das Charakterbild einer Person, um die Beschreibung eines Gefühls, um ein Urteil Uber Abstraktes, etwa die poUtischen Ansichten einer Gesellschafts¬ gruppe ( immer in der fiktiven Dimension ) geht, gibt es auch hier einen Un¬ terschied zwischen Urteilen ( bzw. Aussagen ), die sich auf Reales beziehen und solchen, die Teil einer rein intentionalen fiktiven Welt sind ? Die Person, das Gefühl, die zur Frage stehenden poUtischen Ansichten als reale sind in ihrem totalen Seinsbestand in umfangmässig begrenzter Aussage ebensowenig erschöpfbar wie konkrete Dinge. Nur: in der Realbeschreibung können wir im¬ mer neu ansetzen zu weiteren vervollständigenden Bestimmungen. Die litera¬ rische Bestimmung dagegen bleibt, und sei sie noch so komplex, beschränkt, fixiert. Sie weist auf ihre Weise ebenfalls "Unbestimmtheitsstellen" auf. Mehrere Fragen drängen sich an diesem Punkte der Erörterung auf. Was bedeu¬ tet "Aspekt" in der Schicht der nicht auf konkrete raumzeitliche Dinge zielenden Bedeutungen ? Sind gemeint: a) Teilbestände ihrer Totalbedeutung oder b) ver¬ schiedene (jeweils auf andere Weise verzerrende oder verzeichnende )"Bilder" ? Ferner: stossen wir hier vielleicht auf eine Hauptursache für die Tatsache, dass Interpretationen desselben Werkes im Fortschreiten der Zeit immer wieder an¬ ders ausfallen ? Die Aspekthaftigkeit verdoppelt sich ja auch sozusagen: denn der Interpret, der einen aspekthaft limitierten Bedeutungskomplex ( z. B. das Gefühl x ) nachverstehen will, tut dies mittels des Mediums der Sprache. Ver-

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steht er unzweideutig und ganz, was der genannte Komplex in seinem As¬ pekt bedeutet oder bleibt ihm nur die Ansicht einer Ansicht ? Eine Frage, die später noch weiter zu klären sein wird. Worin fusst das "Seinsheteronome" der fiktiven, sprachlich umgesetzten Inten¬ tionen ? Ingarden nennt zwei Dimensionen, die er als "Seinsfundamente

lite¬

rarischer Werke erkennen will: das Bewusstsein des Autors und: die idealen Begriffe. (38) Soll aber nun auf letztere im Sinne von Wesen, von noematisch Erschaubarem rekurriert und so letzten Endes doch ein eindeutiges und zeit¬ enthobenes Verstehen gesichert werden, oder bleiben wir bei den noetisch ver¬ mittelten Bedeutungen, den Sinngehalten der Dichtung innerhalb der histo¬ rischen Sphäre befangen ? Ein literarischer Text stellt in der Regel eine Fülle von konkreten quasi - wirk¬ lichen Elementen, sozusagen eine bunte "Welt" im Kleinen vor uns hin: Bilder, Beschreibungen, Handlungen, Situationen, Ereignisse etc. Nun ist es ja mög¬ lich, diese Vielheit zusammenzufassen, etwa zu einer Inhaltsangabe, oder, noch tiefer dringend, den "eigentlichen" Sinn, den Gehalt eines literarischen Werkes mittels eines abstrahierenden Verfahrens in einer relativ geringen Zahl von Sätzen auszusprechen. Die Dinge liegen freilich nicht so, dass ein absolu¬ ter Gegensatz zwischen abstrakter Sinndeutung und konkretem Text bestünde. Vielmehr ist meist der literarische Text selbst schon durchsetzt mit abstrahie¬ renden, ihn deutenden Aussagen. Man könnte folglich den Abstraktions- bzw. Konkretionsgrad einer Dichtung auf einer Skala angeben, deren beide äusserste Pole die letztmögliche Abstraktion bzw. die bis ins äusserste Spezifische vor¬ getriebene Konkretion bezeichneten. Indem wir auf gewisse Ergebnisse zurückgreifen, die wir Anregungen aus der Husserlschen Phänomenologie verdanken, können wir das bislang unproblematische Schema erweitern. Wenn wir uns auf der eben beschriebenen Skala dem äussersten Abstraktionspol nähern, so könn¬ ten wir auch sagen: wir nähern uns dem abstrakten eidos als der unterliegenden BedeutungsStruktur des Textes. Dabei gilt, dass die dem Text inhärente Bedeu¬ tung diesen transzendiert. Das heisst, die einen Text konstituierende Bedeutung ist nicht unlöslich verbunden mit diesem bestimmten Text. Andere Texte wären denkbar, welche als Träger derselben Bedeutung bzw. desselben Bedeutungs¬ komplexes fungieren könnten. Eine solche Aussage ist aber, im phänomenolo¬ gischen Sinne, immer noch ungenau. Denn was heisst hier: "derselben" Bedeu¬ tung ? Wir erinnern uns, dass hier Bedeutungniehtetwas ein für alle Male fest Umgrenztes und als solches eindeutig Verfügbares ist, sondern, dass ihr ( um ein Gadamersches Wort zu gebrauchen ) ein von innen beweglicher Horizont eigen ist. Ein Horizont also, der verschoben, erweitert, entgrenzt werden kann. Freilich nicht in dem Sinne ( und darin liegt die eigentümliche Schwierig¬ keit und das scheinbare Paradox dieser Einsicht ), dass dadurch die betreffen¬ de Bedeutung eine andere würde. Sie kommt vielmehr immer mehr zu sich sel-

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ber, wird immer weiter entfaltet - ein Prozess, der sich in der geschichtlichen Abfolge und Bedingtheit der Interpretationen vollzieht. Mit dem Vorgang der den Sinn destillierenden Abstraktion geht also ein Vorgang der Expansion einher, der Uber das im Text Angelegte weiterschreitenden Sinnentfaltung. (39) Solche Sinnentfaltung kann Bestandteil der Interpretation sein, welche dann ( analog der Interpretation philosophischer Texte ) über das Werk hinausdenkt. Der Einwand liegt nahe: ist das noch Interpretieren im strikten Sinne ? Nimmt man die These an, dass ein literarischer Text seine Bedeutung sozusagen nur in geringerem oder stärkerem Grade anleuchtet, sie ( phänomenologisch gesprochen ) nur in ei¬ ner "Abschattung" manifestiert, dann ist es durchaus legitim, den Versuch zu un¬ ternehmen, weitere Schattenpartien aufzuhellen, ob dies nun einer einzelnen Inter¬ pretation gelingt oder erst einer Reihe von einander im Strom der Geschichte fol¬ genden Deutungen. Um einem eventuellen Missverständnis vorzubeugen: solche Sinnentfaltung, die in besonderem Verstände wieder texttranszendent ist, stellt keineswegs die einzige und vielleicht auch nicht einmal die wichtigste Auf¬ gabe des Interpretierens dar. Das möglichst genaue Erfassen der oben genannten Abschattung in ihren eigenen Grenzen und in ihren Bezügen zur Struktur des Werkes bildet noch immer den Kern einer werkbezogenen Deutung. Noch ein Wort zur grundsätzlichen theoretischen Diskussion. Wenn der literari¬ sche Text eine in bestimmtem Grade konkretisierte Manifestation eines mehr zum Generellen oder mehr zum Individuellen hin tendierenden eidetischen Komple¬ xes ist, so gilt Folgendes. Mögliche andere Texte (in abgewandelter Konkretion ) können den gleichen eidetischen Komplex manifestieren ( so wie er vom Autor in geschichtlich bedingtem Verständnis erschaut ist ). Jener Komplex, die Textkon¬ zeption, erscheint dann in einer jeweils anderen Abschattung. Jeder Einzeltext treibt sozusagen - im Hinblick auf sein urstiftendes eidos - über sich hinaus zu einem veränderten Einzeltext, der aber auch seinerseits das eidos nie ganz er¬ reicht. Theoretisch gesehen, bestünde dieser Variationszwang solange fort, als es um die sprachliche ( und dabei besonders die bildhaft individualisierende und konkretisierende ) Umsetzung des eidos geht. Ruhte man vorsprachlich in einem geistigen Sinne in der Anschauung des eidos, so bestünde gar kein Drang zu sprachlich - textlicher Manifestation und Variation. Aber auch das vorsprach¬ lich angeschaute eidos kann noch weiter in sich selbst entfaltet werden. Beschrei¬ ben wir es nun sprachlich auf abstrakte Weise ( mit vielen Unbestimmtheits¬ stellen ) oder konkreter ( unter Reduzierung der Unbestimmtheitsstellen ) , so verbleibt doch immer eine Zone des sprachlich Unerfassten. Mit steigendem Gra¬ de der Konkretion wächst die Variabilität. Das heisst: indem das Wesenhafte in steigendem Masse ins Bildliche umgesetzt wird, wächst proportional der "Hof" des ersetzbaren, variablen, nicht - wesenhaften Bildlichen. Je abstrakter die sprachliche Fassung des eidos, desto geringer - auf eben dieser sprachlichen Abstraktheitsstufe - die Variabilität. Es scheint, dass das sprachlich Abstrakte zwar leerer aber zugleich auch minder modifizierbar wird. Eine sprachliche Ab-

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änderung auf abstrakter Stufe bedeutet dann meist schon einen anderen Wesens¬ inhalt. Drei spekulative Fragen ergeben sich aus den obigen Erwägungen: 1) Wenn wir zwischen generellen und individuellen vorsprachlichen eidetischen Komplexen ( "Konzeptionen" ) unterscheiden und in Rechnung stellen, dass beide jeweils mehr zum ideenhaft Abstrakten oder zum konkret Bildhaften tendieren können, so bedeutet dies, dass das individuell - konkrete eidos einen Text "er¬ zeugen" wird, der auf unserer Skala mehr in Richtung des Konkretionspoles zu finden sein wird. Umgekehrt wäre ein aus einem generell - abstrakten eideti¬ schen Komplex entspringender Text mehr in Nähe des Abstraktionspoles situ¬ iert. Natürlich sind auch generell - bildhaft - konkrete und individuell - abstrak¬ te eide anzusetzen. Denn die Titel "generell" und "abstrakt" meinen nicht un¬ bedingt dasselbe. Von einem Individuum ist z. B. sein Individualwesen zu a bstrahieren. 2) Nimmt die Zahl der überhaupt möglichen sprachlich - konkretisierenden Tex¬ te, die dasselbe eidos repräsentieren, ab, je individueller das stiftende eidos ist ? 3) Wird nicht im Prozess des sprachlichen Konkretisierens - vom Autor aus ge¬ sehen - ein eidetischer Ueberschuss, ein Mehr produziert, das eventuell ihm und seinen Lesern die Grenze der originalen Konzeption verschiebt bzw. erwei¬ tert ? Trivialer gefasst: kommt nicht im Vollzug des Schreibens letzten Endes "mehr" heraus als ursprünglich konzipiert war ? Das folgende graphische Modell mag das soeben Erörterte verdeutlichen:

26

Vorsprachlicher Bereich -►

27

Sprachlicher Bereich

sprachliche Variabilität des Eidos auf der jeweiligen sprachlichen Konkretions- oder Abstraktionsstufe

4-

Zahl der möglichen konkretisierenden Texte 8

O

2. Drei

Exkurse

a) Die literarische Konstitution eines

Charakters

Wir wählen ein Beispiel aus der Literatur, um einmal konkret und analytisch zu beobachten, wie im Rahmen eines literarischen Textes eine eidetische Ein¬ heit, hier ein Charakter, konstituiert wird, und wie dieser Konstitutionspro¬ zess seitens des rezipierenden Lesers die Fähigkeiten der Retention, also des gedächtnismässigen "Behaltens" von sprachlicher Information voraussetzt. Der untersuchte Text ist Stifters Erzählung "Brigitta", aus der wir für unsere Zwecke ausschliesslich den Charakter der Titelheldin selbst isolieren. Wir set¬ zen den Inhalt der Erzählung als bekannt voraus. In einem sich auf kaum mehr als zwanzig Seiten erstreckenden, schrittweise vorgehenden Aufbauvorgang, der eigentlich erst richtig in der Mitte der Erzählung beginnt und während einer län¬ geren Erzählphase auf Kindheit und Jugend Brigittas zuriickgreift, vollzieht sich ein sprachlicher Gestaltungsprozess, welcher äussere Beschreibung mit Charak¬ terbeschreibung und mit indizienhaften Handlungsmomenten mischt. Die dabei allnr.ählich äussere wie innere Gestalt annehmende Heldin zeigt sich von ziemlich komplexer Wesensart. Das eidos ihres Charakters wäre nicht leicht in wenigen Worten zu umschreiben. Wir sondern daher systematisch die Fäden, welche der Autor kunstvoll ineinander verschlungen hat, um dergestalt besser die Eigentüm¬ lichkeit der Konstitution und damit die Erfordernisse der Retention beobachten zu können. Im Folgenden werden jeweils verschiedene thematisch oder sachlich zusammengehörige Textstellen aus dem Kontext gelöst und zusammengestellt, um die Wechselbeziehung von Konstitution und Retention besser in den Blick zu bekommen. Die zusammengehörigen Textstellen erscheinen unter bestimmten Ueberschriften geordnet und gruppiert. An jede Gruppe schliesst sich ein analy¬ sierender Kommentar an. Dieser Kommentar wird auch auf die Querverbindun¬ gen zwischen den einzelnen Gruppen als auf einen Konstitutionsfaktor hinzuwei¬ sen haben. Schliesslich soll zum Abschluss des Exkurses das Problem der von Ingarden erstmals untersuchten Unbestimmtheitsstellen in Bezug auf die Gestalt Brigittas erörtert werden. (40) 1. Hässlichkeit und Schönheit Texte: 1) .. .Angesichte eines Hässlichen... innere Schönheit (41) 2) .. .nicht das Bild eines schönen, sondern eines hässüchen Mädchens. .. (42) 3) .. .der hässlichen und bereits auch alternden Brigitta... (43) 4) .. .mit einem nicht angenehm verdüsterten Gesichtchen, gleichsam als hät¬ te es ein Dämon angehaucht. (44)

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5) ... für die verhüllte Seele ein Auge zu haben und ihre Schönheit zu sehen... (45) 6) .. .diese Freude, wie eine späte Blume, blühte auf ihrem Antlitze und legte einen Hauch von Schönheit darüber, wie man es kaum glauben sollte,... (46) 7) .. .ihre Züge wie in unnachahmlicher Schönheit strahlten... (47) Kommentar: Der an erster Stelle zitierte Text hat in seiner begrifflichen Allgemeinheit auf den Charakter von Brigitta vorausdeutende Funktion. Das geht dem Leser na¬ türlich erst retrospektiv auf ( wie auch die gesamte, hier beiseitegelassene Landschaftssymbolik: die Schönheit der scheinbar hässlichen Einöde ). Denn noch weiss ja der Leser nichts von Brigitta bzw. ihrer äusseren Hässlichkeit und inneren Schönheit. Die Beschreibung des Bildes auf dem Schreibtisch des Majors - der Leser ist hier noch fast völlig im Dunkeln, wer da abgebildet ist - bringt spezifische Details des Aeusseren und spielt zugleich auf später noch gesondert zu betrachtende Charaktereigenschaften ( Stärke und Kraft, Ent¬ schlossenheit ) an. Trotz der Details, von denen später nur der Blick bzw. das Auge noch öfters Erwähnung finden, bleibt der "optische" Eindruck, den der Le¬ ser hier empfängt, noch sehr vage. Der dritte Text wiederholt nur den Hinweis auf die Hässlichkeit und fügt als weitere Qualifikation "alternd" hinzu. Text 4 beschreibt das Gesicht des Kindes Brigitta in immer noch ungenauen, negati¬ ven Ausdrücken, welche die Qualität der Hässlichkeit sprachlich variieren. Spä¬ testens an diesem Punkt hat das Bewusstsein des Lesers diese Qualität als sol¬ che, auch wenn ihre optischen Details und die mit ihr zusammenhängenden wei¬ teren Umstände ihm nicht bekannt sind, reaktiviert und sozusagen als festen Be¬ stand vor Augen, auf dem weiter aufgebaut werden kann. Text 1 hatte vorausdeu¬ tend auf die Korrelation von äusserer Hässlichkeit und innerer Seelenschönheit angespielt. Bevor das Korrelat der Schönheit explizit wiederaufgenommen und damit im Leserbewusstsein erinnert wird (in 5 ), hat der Text bereits erste An¬ sätze zur inhaltlichen Füllung jener "Schönheit" geliefert, wie weiter unten noch anzumerken ist. Hier weist nurmehr das Wort "verhüllt" indirekt auf das Gegen¬ korrelat der Hässlichkeit hin. Letztere wird übrigens im weiteren Verlauf der Erzählung nur noch einmal direkt erwähnt ( von Brigitta selbst ), während die Seelenschönheit (in 6 und 7 ) noch zweimal genannt wird. Der Ausdruck "wie man es kaum glauben sollte" könnte nochmals als ein leiser Hinweis auf das Motiv der Hässlichkeit verstanden werden. 2. Augen, Zähne 1) .. .das starre schwarze Auge Brigittas... (48) 2) ... verdrehte sie oft die grossen, wilden Augen... (49) 3) ... starrte mit dem einzigen Schönen, das sie hatte, mit den in der Tat schönen, düstem Augen... (50) 4) .. .die glänzenden Augen (51)

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5) Ihre Augen.. .noch schwärzer und glänzender als die der Rehe. .. (52) 6) Ihre Zähne waren schneeweiss... (53) Kommentar: Wir verweilen kurz bei zwei äusseren Zügen Brigittas, welche in engem Zusam¬ menhang mit dem unter 1. Gesagten stehen. Die Weisse der Zähne Brigittas wird offensichtlich als Zug äusserer Schönheit genannt, trotz der Hässlichkeit ihres Gesichtes. Was die Augen anbetrifft, so scheint ihre ästhetische Qualität ambi¬ valent zu sein ( 1.2, 2.1(?), 2.2 gegenüber 2.3-5 ). Auch bestehen deutliche Quer¬ verbindungen zwischen den Augen und bestimmten ( ethisch positiven ) Charakter¬ eigenschaften Brigittas ( vgl. 4.3, 2.2, 2.4 ). Das Detail der Augen spiegelt al¬ so im Besonderen genau das, was auf abstrakterer Ebene in der Textgruppe 1. zum Ausdruck kommt. Die allgemeine "Leerform" ( Hässlichkeit/Schönheit ), die doch nicht absolut leer ist, wird entsprechend, wenn auch nur partiell, durch das Detail gefüllt. 3. Das Sonderlich - Eigenwillige Text: 1) ... sagte Laute, die sie von niemandem gehört hatte. (54) 2) .. .Papiere, auf denen seltsame, wilde Dinge gezeichnet waren, die von ihr sein mussten. (55) 3) ... lag oft mit dem schönsten Kleide auf dem Rasen des Gartens und tat halbe Reden und Ausrufungen in das Laub der Büsche. (56) 4) .. .hatte sie einen Kopfputz, den sie selber gemacht hatte.. .war es in der Stadt nicht Sitte, einen solchen zu tragen,... (57) 5) .. .hatte sie auch allein ihre Welt gebaut, und er wurde in ein neues, merkwür¬ diges, nur ihr angehörendes Reich eingeführt. (58) Kommentar: Hier wird ein Teilbereich des eidos "Brigitta" mit verschiedenen konkreten Bei¬ spielen umschrieben. Man könnte fast sagen: das Eidetische erscheint in Variatio¬ nen. Der aufmerksame Leser erfasst vielleicht schon im ersten, spätestens aber im zweiten oder dritten Beispiel den Sinnkern gleichsam durch die Repräsenta¬ tion hindurch, und jede weitere Repräsentation festigt und verdeutlicht im Bewusst¬ sein des Lesers eben jenen Sinnkern und sichert die Retention desselben im Ver¬ lauf der weiteren Lektüre. Erst im fünften Text dieser Gruppe wird das Gemeinte sprachlich auf eine ( neutrale und leere ) höhere Abstraktionsebene ( "ihre Welt", "ein neues, merkwürdiges.. .Reich" ) gehoben. Im Verlauf der verschiedenen Re¬ präsentationen zeichnen sich bestimmte sinnhafte Teilbereiche des im Gruppenti-

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tel 3. genannten subeidos ab: das Eigenschöpferische, resultierend aus dem Alleinsein, die Seltsamkeit d. h. Nicht - Konventionalität und die Wildheit. 4. Positive ethische Züge Text: 1) Aus dem tiefen Herzen... ging ein warmes Dasein hervor,... (59) 2) .. .ihr inniges und heisses Lieben,... (60) 3) (ihre Arme) die sich mit massloser Heftigkeit um ihn schlossen. (61) 4) .. .das herrlichste Weib auf dieser Erde... (62) 5) .. .der höchsten Freundschaft sei das Weib auch würdig -... (63) 6) ( sie küsst das Bildchen, auf dem ein Bruder sich für den anderen op¬ fert ) (64) 7) Ich weiss, dass ich hässlich bin, darum würde ich eine höhere Liebe for¬ dern als das schönste Mädchen dieser Erde,. .. (65) 8) . .. als sollte sie ( die Liebe) ohne Mass und Ende sein. .. (66) 9) . . .gegen Sie kann ich nicht falsch sein. (67) 10) ( Sie pflegt und hütet als ihr grösstes Gut den Sohn ) (68) 11) ... bekümmerte sich um jedes.,. beurlaubte sich dann mit einfacher, edler Freundlichkeit. (69) 12) ( Sie gibt dem Major dieselbe Achtung und Verehrung zurück, die er ihr er¬ weist. Ihre Besorgnis um seine Gesundheit ) (70) 13) ( Sie schläft selbst im Krankenzimmer des Knaben ) (71) 14) ... so herrlich ist das Schönste, was der arme, fehlende Mensch hienieden vermag, das Verzeihen,... (72) Kommentar: Der hier künstlich zusammengefasste Bereich ist nicht sehr einheitlich. Daher die Weite und relative Leere des Titels zu 4.. Urteile anderer Charaktere ( 4.1, 4.2 ) und Handlungen, an denen positive ethische Werte ablesbar sind, stehen nebeneinander. Die Querverbindung zum positiven Korrelat in 1. ( Seelenschön¬ heit ) ist offensichtlich. Was in 1. noch offen - allgemein vorgezeichnet ist, wird hier in einigen repräsentierenden Details ausgefüllt. Fast alle der handlungsmässigen Beispiele weisen als gemeinsamen eidetischen Kern eine positive ethische Beziehung zwischen zwei Menschen auf ( 4.3-7, 4.9-11 ). Die drei zuerst zitier¬ ten Texte sind nur mit Vorbehalt als ethisch gefärbte anzusehen. Sie drücken eher einen Grad der Vitalität, die Befähigung zum starken Gefühl aus. 5. Brigittas störrisches Wesen Text: 1).. .dass die kleinen Würzlein, als sie einst den warmen Boden der Mutterliebe

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suchten und nicht fanden, in den Fels des eigenen Herzens schlagen muss¬ ten und da trotzten. (73) 2) .. .ihr störriges und stummes Wesen... (74) 3) ... wurde noch stummer und störriger... redete nicht. ( gehorcht dem Va¬ ter nicht ) (75) 4) Sie selber tat ihm keinen einzigen, auch nicht den kleinsten Schritt ent¬ gegen. (76) 5) .. .werben Sie nicht um mich. Sie würden es bereuen. (77) Kommentar: Stifters Verfahren ist hier zugleich genetischer Art ( in 5.1) wie auch beispiel¬ haft variierender (in 5.3-5 ). Das Teil - eidos in seiner begrifflichen Allge¬ meinheit wird von einem anderen Charakter ( dem Vater ) in 5.2 ausgespro¬ chen. Es steht in kontrapunktischem Verhältnis zu 4.. Zugleich bestehen Be¬ ziehungen zu 3.. 6. Brigittas Entschlossenheit Text: 1) .. .wie bei einem entschlossenen Wesen. (78) 2) .. .nach ihrer entschlossenen Art... (79) Kommentar: Die kleine Textgruppe bildet mit 4. und 5. eine grössere komplexe Einheit, d.h. sie ist unter der Kategorie "ethische Qualität" zu fassen. Der erste Text umreisst das subeidos nur allgemein, während der zweite zu einem erfüllenden, konkreten Beispiel hinüberleitet: nach dem Unfall des Knaben prüft Brigitta so¬ fort eigenhändig seine Glieder. Weitere Beispiele, die wir in andere subthema¬ tische Gruppen aufgenommen haben, wären: 7.3 und 4.14. Wir fügen den Hinweis an, dass "Entschlossenheit" ethisch ambivalent ist, wobei in unserem Falle al¬ lerdings der Akzent eindeutig auf dem Positiven liegt. 7. Tränen Text: 1) ( als die Mutter dem Kind späte Liebe und Barmherzigkeit erzeigen will ): ... weinte und wand sich aus den umfassenden Händen. (80) 2) Es kamen ihr Tränen in die Augen, die nicht versiegten, sondern mehreren Platz machten, die hervordrangen und herabrannen. Es waren die ersten See-

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lentränen in ihrem ganzen Leben gewesen. Sie weinte immer mehr und im¬ mer heftiger, es war als müsste sie das ganze Leben nachholen und als müste ihr um vieles leichter werden, wenn sie das Herz herausgeweint hätte. (81) 3) Es war ein Weltball von Scham in ihrem Busen hervorgewachsen, wie sie so schwieg und wie eine schattende Wolke in den Räumen des Hauses herum¬ ging. Aber endlich nahm sie das aufgequollene, schreiende Herz gleichsam in ihre Hand und zerdrückte es_lag sie.. .auch jetzt vor Schmerz auf dem Teppich ihres Zimmerbodens, und so heisse Tränen rannen aus ihren Augen, als müssten sie ihr Gewand, den Teppich und das Getäfel des Bodens durch¬ 4)

brennen -...(82) Nun hob sie, noch in Tränen schimmernd, die Augen -... (83)

Kommentar: Brigitta weint in Stifters Erzählung viermal und zwar an entscheidenden Punk¬ ten der Handlung. Ihr kindliches Weinen ist ein Weinen des Trotzes ( vgl. 5.), Folge ihrer Vernachlässigung in den Kindheitsjahren. Die restlichen Textbei¬ spiele beziehen sich auf den männlichen Partner, den Major, und damit auf das Thema der Liebe. Was in ihnen konstituiert wird, ist zunächst einmal die aus¬ serordentlich starke Gefühlskraft Brigittas. Weitere Bezüge ergeben sich zum Sinnbezirk der Seelenschönheit (1.), denn die Beispiele 2 und 4 erweisen Bri¬ gitta als Wesen von tiefer Empfindungskraft. Der erste Teil des Textes 3 ver¬ weist, wie schon gesagt, auf das Thema der Entschlossenheit und zugleich auf einen gewissen Zug von Wildheit, der auch in Brigittas Wesen Hegt und etwas Massloses an sich hat ( vgl. 2.2 und 4. 5, 4.14 ). Der hier gesondert betrachte¬ te eidetische Sinnbereich ist also komplexer Art. 8. Das MännHch - Tätige Text: 1) ... wie ein Mann zu Pferde... (84) 2) ( ihr Gesicht ) ... es lag etwas wie Stärke und Kraft darinnen,... (85) 3) . . .habe wie ein Mann umzuändem und zu wirtschaften begonnen... gekleidet und reite wie ein Mann... (86) 4) Da die Glieder stark geworden waren... (87) 5) . verdrehte sie oft die grossen, wilden Augen, wie Knaben tun, die innerUch bereits dunkle Taten spielen. Auf die Schwestern schlug sie... (88) 6) Die Schwestern waren weich und schön... sie bloss schlank und stark. In ih¬ rem Körper war fast Manneskraft,... (89) 7) ... dass sie eine Schwester.. .mit dem schlanken Arme bloss ruhig weg¬ bog. .. (90) 8) ... wie sie.. .Hand an knechtüche Arbeit legte,... (91)

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9) ... sie ritt gut und kühn wie ein Mann,... (92) 10) ( sie lässt ihr Bett immer sehr hart zurechtmachen ) (93) 11) Sie nahm Männerkleider, stieg wieder, wie einst in ihrer Jugend, zu Pfer¬ de und erschien unter ihrem Gesinde. (94) 12) .. .der für ihre Jahre noch geschmeidige Wuchs zeugte von unverwüstlicher Kraft. (95) 13) ... sei tätig und wirtschafte vom Morgen bis in die Nacht. (96) 14) .. .ihr Geist fing an, die Oede rings um sich zu bearbeiten. (97) 15) (sie verwandelt den wüsten Eichenwald in einen Park ) (98) 16) ( sie lässt "durch unsägliche Ausdauer" eine Mauer gegen die Wölfe auffüh¬ ren ) (99)

Kommentar: Gewisse sprachliche Ausdrücke ( "wie ein Mann" ) oder auch ein Wort wie "stark" erscheinen mehrfach, um den betreffenden Zug iterativ dem Bewusstsein des Le¬ sers einzuprägen. Einzelne Beispiele, die immer noch relativ unspezifisch bzw. undetailliert bleiben ( 8.5, 8.7-8, 8.10 ) geben dem sonst nur allgemein Umrissenen das notwendige Minimum an konkret - spezifischer Fülle. Querbezüge beste¬ hen zu 1.

( auch das Männlich - Tätige ist in gewissem Sinne Teil der "Seelen¬

schönheit" ), wie auch zu 3. und 4., ja sogar zu 5. ( 5. 5, 5. 7 ).

Zusammenfassend lässt sich sagen: das Wesen einer literarischen Gestalt wird konstituiert in einem Prozess des wiederholenden Einprägens, des variierenden Partikularisierens von einzelnen Wesenszügen, des partiellen Auffüllens ab¬ strakt - begrifflicher Leerformen mit spezifischem Inhalt. Dies vollzieht sich im Falle der Stifterschen Erzählung in verschiedenen Teilbereichen, welche al¬ le zum Individualeidos "Brigitta" gehören und miteinander in vielfacher Bezie¬ hung stehen. Allerdings ist vom Standpunkte einer resümierenden Ueberschau nun festzustellen, dass die konkretisierende und spezifizierende Füllung der ein¬ zelnen Wesensztige stets nur eine partielle ist. Sie bleibt auch im Einzelnen not¬ wendig umrisshaft, d.h., mit Ingarden zu reden: es gibt Unbestimmtheitsstel¬ len. Das gilt z. B. für das Aeussere ( Brigittas Gesicht) ebenso wie für Charak¬ terliches ( z.B. ihre Entschlossenheit). Der Grund hierfür ist nicht nur darin zu suchen, dass Stifters Erzählung relativ kurz ist. Es liegt vielmehr im Wesen der Dichtung selbst, im Gegensatz zur Realität einen minder hohen Grad an Determi¬ niertheit zu erreichen. Dies bedeutet jedoch prinzipiell keinen künstlerischen Mangel. Denn gerade die relative Sparsamkeit der Konturen, welche den Leser zu aktiver, ausfüllender imaginativer Mitarbeit anregt, kann wirkungsvolles Ge¬ staltungsmittel sein. Nicht jedes füllendes Detail ist wesentlich, wie umgekehrt wenige wesenhafte "Striche" gleichsam "alles" zu sagen vermögen.

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b)

Zur Anwendbarkeit des phänomenologischen Variations¬ prinzips

auf die Literatur

Versuchen wir, anhand eines kurzen Textbeispiels die Möglichkeiten des phä¬ nomenologischen Variationsprinzips abzuschreiten. Da Husserl dieses Prin¬ zip fast ausschliesslich auf die Wesensschau von sinnlich ( z.B. optisch ) Wahr¬ nehmbarem anwandte, ist es zunächst zumindest fraglich, ob die gleiche Me¬ thodik etwa auch an einem Gedicht durchführbar wäre. Man erinnere sich: um zu bestimmen, was das Wesen "Haus" beinhalte, muss man nach Husserl eine Rei¬ he verschiedener realer ( oder imaginierter ) Häuser in Augenschein nehmen. Der Vergleich ergibt dann eine Scheidung zwischen dem, was jedem Haus unab¬ dingbar qua Haus wesensgemäss zukommt und dem, was nur entbehrliche Zutat, also Variables ist. Wohlgemerkt: ich habe also im voraus schon eine - freilich unaufgehellte - Vorstellung von einem Etwas, das ich als "Haus" ansprechen kann. Nur so bin ich in der Lage, die Variationenreihe überhaupt in Gang zu bringen. Die Wesensschau ist dann die volle Durchleuchtung und Entfaltung des zuvor nur dunkel Vorgestellten. Betrachten wir folgendes Gedicht von Friedrich Nietzsche: Ecce Homo Ja, ich weiss, woher ich stamme ! Ungesättigt gleich der Flamme Glühe und verzehr ich mich. Licht wird alles, was ich fasse, Kohle alles, was ich lasse: Flamme bin ich sicherlich !

(lOO)

Es besteht die Möglichkeit, zunächst einmal die einzelnen Wörter des Textes in dem Sinne zu "variieren", dass man ihren semantischen Spielraum beleuchtet, d. h. dass man sich die verschiedenen Bedeutungsnuancen des betreffenden Wor¬ tes vor Augen führt. Denn das vom Dichter gesetzte einzelne Wort ist für den Le¬ ser nicht sofort eindeutig in seinem spezifischen Sinn definiert und abgegrenzt. Es mag sein, dass der Dichter mehrere verwandte Bedeutungen zugleich woll¬ te anklingen lassen. Will er nur eine Bedeutungsnuance verstanden wissen, so muss der Kontext des Gedichtes die nötige Einengung des Bedeutungsspielraumes leisten. Wir fasern zuerst einmal die jeweiligen Bedeutungsspielräume der Wör¬ ter in Nietzsches Gedicht probeweise auf, wobei mit einem Sternchen versehene Wörter als nicht variabel, in einfache runde Klammern gesetzte als syntaktisch wichtig, aber für das Variationsprinzip unbrauchbar gekennzeichnet werden. Die in doppelte runde Klammern gesetzten Bedeutungen scheiden aufgrund des Kontex¬ tes aus bzw. liegen an der Peripherie des Sinnkreises in diesem Text.

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ich bin stolz

bin überzeugt nehme als bewiesen an

geboren bin geistige/phys. Natur

es ist richtig

bin mir bewusst

Nationalität

ich bestehe darauf

( mit oder ohne positive Emotion )

Ja

woher

weiss

ich*

stamme

ich*

lokal ( geographisch ) Ahnen ( Vergangenheit ) geistig ( z. B. Einflüsse )

noch hungrig nach physischer Nahrung

zerstörendes Feuer

hungrig nach geistiger Nahrung

Feuer als Licht Feuer als Bewegung (( Feuer als Wärmespender))

gleich*

Ungesättigt

(der)

Flamme

hell sein

aufessen

Zustand nach dem Flammen

aufbrauchen

durch und durch in feurigem Zustand

ungestilltes Verlangen

ausstrahlen glühe

verzehr

(und)

Feuer - Licht

ich*

mich*

alle physischen Gegenstände

(( Tageslicht ))

im übertragenen ( geistigen ) Sinn

Licht der Erkenntnis Licht

wird

alles

(was)

ich*

fasse

(( entwickelt sich zu ))

berühre, anfasse

wird gemacht zu

erfasse, ergreife beginne zu zerstören, verzehren

(( Brennbar, Energiespender ))

übrig lasse

Verkohltes, Asche, Ausgeglühtes

verlasse

Kohle

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alles (s.o.)

(was)

ich*

lasse

(( vorübergehender Zustand )) dem Wesen nach

bin fest überzeugt glaube nehme an

Flamme ( s. o. )

bin

ich*

sicherlich

Die angeführten Bedeutungsnuancen erheben keinesfalls Anspruch auf lexikali¬ sche Vollständigkeit. Eine eingehende Betrachtung des Textes zeigt, dass in manchen Fällen ( ungesättigt, Flamme, glühe, verzehr, Licht, fasse ) mehre¬ re Bedeutungsnuancen zugleich bzw. mit - gemeint sind. Andererseits lässt sich in Nietzsches Text ein Prozess der Bedeutungseinengung verfolgen. Nimmt man etwa die Wörter: ungesättigt - verzehr - fasse - lasse zusammen, so bestimmen sie sich gegenseitig, besonders im Kontext mit der Gruppe: Flamme - glühe - Kohle. Gerade diese kontextuelle Wechseldetermination er¬ laubt uns ja, gewisse Bedeutungen auszuscheiden. Was ist nun mit diesem Verfahren gewonnen ? Ein bestimmter bildhafter Kom¬ plex wird seiner ursprünglichen wie auch (ins Geistig - Menschliche ) übertra¬ genen Bedeutung nach in seinen eingeengten Eindeutigkeiten wie gewollten Mehr¬ deutigkeiten einer gleichsam mikroskopischen semantischen Analyse unterzo¬ gen. Doch damit sind wir ( zumindest im Falle dieses Textes ) noch auf einer Vorstufe der eidetischen Erfassung des Textes stehengeblieben. Denn der ei¬ gentliche Sinn des betrachteten Gedichtes ergibt sich erst, wenn der bildhafte Gehalt voll auf die menschliche Ebene ( "Ecce homo", das Ich des Textes, sei es "der" Mensch oder nur: Nietzsche ) übertragen wird. Nimmt man mm einmal an, das Gedicht habe sein eidos, so ist festzustellen, dass Nietzsche, dem bei der Abfassung des Textes ein solches eidos vorge¬ schwebt haben muss, dieses in einen ganz bestimmten Bildkomplex gefasst hat, d. h. er hat eine Repräsentation oder Partikularisation für das eidos gefunden. Daraus lässt sich in phänomenologischer Sicht folgern, dass andere bildhafte ( oder teilweise bildhafte ) Repräsentationen desselben eidos möglich sind. Das eidos selber liesse sich sprachlich etwa folgendermassen ausdrücken: "Ich ha¬ be die Eigenschaft, Erleuchtung, Erkenntnis, geistige Helligkeit zu spenden aber gerade dies richtet mich und diejenigen, die ich "erleuchte", geistig und körperlich zugrunde. " Dass dies ein höchst vorläufiger und keineswegs erschöp¬ fender sprachlicher Umriss des eidos von Nietzsches Gedicht ist, sei gerne zu¬ gegeben. Machen wir die Probe aufs Exempel. Versuchen wir, den Text selbst zu variie¬ ren. Wir könnten etwa "stamme" in der ersten Zeile durch "komme" ersetzen, "Flamme" in der zweiten Zeile durch "Feuer". Abgesehen davon, dass dadurch

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die Reimstruktur zerstört wird, scheint der Gesamttext seinem Gehalt nach nichts Wesentliches zu verlieren. Gehen wir einen Schritt weiter und suchen wir ( ohne Rücksicht auf die poetische Unzulänglichkeit und Barbarei eines solchen Versuches ) nach einem bildhaften Ersatz für die Zeilen 2-5 unseres Textes. In diesen Zeilen ist die thematische Substanz des Textes voll enthal¬ ten. Wie könnte nun eine andere ( variierte ) bildhafte Partikularisation die¬ ses Textteiles aussehen ? Etwa so: Ungehemmt weiterflutend, wie eine Ueberschwemmung Nähre ich zugleich das trockene Land und ertränke es. Fruchtbar wird alles, was ich bedecke, Doch wüst, wenn ich es verlasse. Der Versuch ist, wie gesagt, rein methodischer Art und will nicht mit Nietz¬ sche wetteifern. Der variierte Text bemüht sich zwar, das Paradoxe des Flammen - Bildes ( Erleuchtung plus Zerstörung ) nachzuformen. Es gelingt allerdings, wie sofort ersichtlich, nur unvollkommen. Das positive Moment des Nährens in unserem veränderten Text entspricht nicht genau dem physi¬ schen wie geistigen Erleuchten der Flamme bei Nietzsche. Diese Misslich¬ keit legt die Schlussfolgerung nahe: die Zeilen 2-5 des Nietzsche - Textes scheinen in ihrer Bildhaftigkeit zum nicht - variablen Wesenskern des Gedich¬ tes zu gehören. Das Bildhafte selbst - seine Unersetzlichkeit beweist es ist Teil des eidos. Allerdings Hesse sich auch argumentieren: für bestimmtes ( nicht komplexes ) Eidetisches wie etwa "Zerstörung" oder "geistige Erkenntnis" gibt es ohne Zweifel mannigfache bildliche Repräsentationen, welche alle dasselbe eidos "decken". Die Sachlage kompliziert sich freilich, wenn man bedenkt, dass ein Bild ( z.B. "Flamme" ) oft verschiedener eidetischer Repräsentationen fähig ist. "Flamme" z. B. könnte stehen für: Liebe oder auch: Zerstörung. Die Multirepräsentabilität im Verhältnis von Bild und abstrakt - begrifflichem eidos ist also eine wechselseitige. Woran liegt es, dass eine bildhafte Variante des Wesensgehaltes von Nietzsches Text schwer zu finden war ? Wir haben ja nicht nur ein "einfaches" eidos, re¬ präsentiert durch ein einfaches Bild im Gedicht "Ecce homo" vor uns, sondern einen Komplex von verwandten, aufeinander bezogenen sprachlichen Bildern, welche selber einen Teil des eidos treffen, d.h. nicht mehr restlos in begriff¬ liche Sprache umwandelbar sind. Dazu tritt eine partielle sprachlich - unbild¬ liche Wesensaussage desselben Bildlichen ( etwa: "ungesättigt", "verzehr" ) und schliesslich: eine angedeutete Uebertragung des Bildkomplexes auf die Ebe¬ ne des Menschen. Eine bildliche Repräsentation, durchsetzt mit direkten sprach¬ lichen Hinweisen auf den allgemeinen Gehalt des gedanklichen eidos ( bzw. dessen, was an ihm gedanklich - begrifflich fassbar ist ), deckt das vermeinte eidos,

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aber doch nicht total. Steigen wir als Interpreten nämlich von der Textebene hinauf zur Wesenssphäre, so erweist sich diese als ihre textliche Repräsen¬ tation transzendierend. Warum wählte Nietzsche nun gerade diese Repräsen¬ tation ? Wohl, weil sie dem von ihm intuitiv erfassten Teilbereich des vermein¬ ten eidos am besten entsprach. Es gibt im Bereich des abstrakten Gedankens sehr allgemeine Wesen, die etwa sprachlich durch Begriffe wie "Zerstörung", "Liebe", "Tod" etc. vermittelt werden. Ihnen stehen Wesen gegenüber, die sich bereits mehr dem Individuellen, Einmaligen annähern. Das Gesamteidos des Nietzschegedichtes mit seinem Para¬ dox von Erleuchten und Vernichten scheint uns letzterem Typus zuzuschlagen zu sein. Es liesse sich fragen: wächst der potentielle Deckungsgrad von sprachlichem Bild und eidos mit dem Grade der Individualität des Eidetischen und dem Grade der Kompliziertheit und Interdeterminiertheit des repräsentierenden BildgefUges ? Sind wir nun eigentlich berechtigt, mehrere analoge, aber doch voneinander ab¬ weichende bildlich - sprachliche Repräsentationen ( z.B. Nietzsches Text und un¬ sere eigene Umformung ) "Variationen" im Sinne Husserls zu nennen ? Wir ent¬ deckten doch, dass unserer Umformung, welche das Bild von der Ueberschwemmung verwendete, ein anderes , wenn auch ähnliches eidos zugrundelag als das im Nietzschetext zum Ausdruck gelangende. Husserls Haus - Beispiel setzte vo¬ raus, dass das Wesen "Haus" in jedem konkreten Einzelexemplar eines Hauses sozusagen restlos darinsteckt. Wir aber sprachen von einem partiellen Deckungs¬ verhältnis zwischen Bild (komplex ) und eidos. Variation im strikten Sinne heisst ja: Ersetzen des Unwesentlichen durch ein Anderes. Man muss eben nur beim Er¬ setzen erst herausfinden, was ersetzbar ist und was nicht. So wäre es wohl kor¬ rekter, hier von A bwandlung statt von Variation zu reden. Wenn es richtig ist, dass zwischen individuellem Eidetischem ( Individualwesen ) und Bildkomplex eine grössere Deckungsmöglichkeit besteht als zwischen allgemeinem eidos und sprachlichem Bild, so wäre zu folgern, dass im ersteren Falle eine Abwandlung wohl meist ausserhalb der Grenzen des "betroffenen" eidos fiele, während das allgemeine eidos mehr Raum für durch Abwandlung noch zu deckendes Wesenhaf¬ tes böte. Ist denn nun ein sprachlich gesetztes Bildhaftes ( "Flamme", "Kohle", etc. ) nicht auch auf seine Weise ein eidos ? Die Frage ist zu verneinen. Es gibt zwar nach Husserl ein anzuschauendes eidos: "Flamme". Das Wort "Flamme" dage¬ gen ist nur ein sprachliches Zeichen, welches zwar das entsprechende Anschauungsnoema in seiner Gesamtheit bezeichnet, nicht aber die Anschauung selbst gibt. Werden auf solche Weise in einem dichterischen Text mehrere Anschauungsnoe-

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men sprachlich bezeichnet, also sozusagen mittels eines Wort - Zeichens an¬ gestrahlt, so heisst das - im Sinne einer Phänomenologie des Leserbewusst¬ seins - dass der Leser sie aus dem Potential seiner Erinnerung wie seiner Einbildungskraft in sich aufruft. Wie intensiv dies geschieht, hängt von der Geistes- und Imaginationskraft des jeweiligen Lesers ab. Es wird also in je¬ dem einzelnen Falle ein Eidetisches wachgerufen, das über das sprachlich Bezeichnete hinausgeht bzw. vom sprachlichen Zeichen nur umrisshaft angedeutet wird. Ferner: die Anschauungsnoemen wirken wechselseitig im Leserbewusst¬ sein aufeinander ein, synthetisieren einander bis zu einem gewissen Grade und integrieren sich mit andersartigen ( z. B. Denk- ) Noemen. Dabei entsteht aber ein noematischer Ueberschuss. Dieser enthält in seiner historischen Bedingt¬ heit ( denn das Leserbewusstsein ist ja ein jeweils geschichtliches ) ein Sinnver¬ ständnis, welches "mehr" umgreift als das, was die Wörter und deren Kombina¬ tion an sich aussagen. (101) Es ist, als ob man an mehreren verschiedenen Stel¬ len Steine in ein Wasser würfe. Die einander über schneidenden Wellenkreise er¬ geben in ihrer wechselseitigen Durchdringung ein reicheres Muster als das der verschiedenen Einwurfstellen. Zwar liesse sich einwenden, dass das, was wir soeben Synthetisieren genannt haben, ein wechselseitiges Determinieren und da¬ mit ein Prozess der Reliefgebung, des Ein - deutig - Mächens sei. Dies ist rich¬ tig. Dennoch hat auch das komplexeste sprachliche Determinationsgefüge immer noch einen "Hof" der Unbestimmtheit bzw. der sinnhaften Expandierbarkeit. Schon Schleiermacher hat in seiner Hermeneutik gesehen: "Jedes Beiwort schliesst nur manche Gebrauchsweisen aus, und nur aus der Totalität aller Aus¬ schliessungen entsteht die Bestimmung. (102) Nicht selten erzeugt der Autor ei¬ nes Textes auch absichtlich Unbestimmtheit im Vollzüge des wechselseiti¬ gen Bestimmens der einzelnen Textelemente, d.h. im Rahmen des von ihnen ge¬ leisteten Aufbaus eines Sinnganzen. Nietzsches Text ist fast ausschliesslich auf der bildlichen Ebene aufgebaut. Wie stünde es nun um das phänomenologische Verfahren der Variation bzw. Abwand¬ lung, wenn wir einen unbildlich - begrifflichen Text vor uns haben, etwa: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut ! Hier kommen uns berechtigte Zweifel, ob die zwei Verszeilen überhaupt eine Partikularisation, eine unter anderen möglichen Variationen eines zugrundelie¬ genden Teileidos darstellen. Haben wir nicht vielmehr bereits die grösstmögUche sprachliche Annäherung an das Eidetische selbst vor uns ? Gewiss, das in Frage stehende Eidetische wäre auch noch in anderen sprachlichen Abschat¬ tungen zu geben, z. B. 'Der Mensch stehe auf moralisch hoher Stufe, er wirke stets zum Nutzen seiner Mitmenschen... " Eine Abschattung ( wir übertragen den Husserlschen Begriff vom sinnlich Wahrnehmbaren auf die ideelle Wesens-

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Sphäre ) ist nun freilich nicht dasselbe wie eine Variation. Sie ergibt sich viel¬ mehr als Resultat einer sprachlich - bildhaften Variation oder sie ist - ohne sprachliche Mediatisierung - das partiell erschaute Wesen selbst. Unsere prosaische Paraphrase der Goethe - Zeilen stellt

eine sprachlich gefasste Ab¬

schattung des eidos dieser Zeilen dar. Die folgenden Möglichkeiten einer Anwendung des Husserlschen Variationsprin¬ zips ergeben sich uns also für die Literatur: a) ich registriere Bedeutungsnuan¬ cen der einzelnen Wörter und stelle fest, wo jeweils gewollte Mehrdeutigkeit bzw. durch Kontextbezüge festgelegte Eindeutigkeit ( In - Geltung - Setzen einer einzigen BedeutungsVariante ) vorliegt, b) Ist der Text stark mit bildhaften Ele¬ menten angereichert, so versuche ich, seinen Gesamtsinn herauszulesen, der dann, sprachlich formuliert, als vorläufige Umschreibung des eidos des unter¬ suchten Textes gilt. Ich kann nun den Versuch unternehmen, verschiedene Text¬ teile zu variieren. Was nicht ersetzbar ist, ohne dass der Sinn sich verschiebt, gehört zum Wesenhaften der sprachlichen Aussage, c) Ich kann ferner versuchen, das als wesentlich erkannte Sprachliche abzuwandeln, wobei ich möglichst im selben semantischen Rahmen bleibe ( d.h. ähnliche, verwandte Bilder suche, die etwa "dasselbe" ausdrücken ). Eine solche Abwandlung, die nicht mehr im strikten Wortsinn als Variation anzusprechen ist, führt mich in diesem Falle zu einem anderen, dem ursprünglichen Wesen gleichwohl verwandten Wesen ( Bei¬ spiel: Nietzsches Text und unsere Abwandlung, welche das Bild der Ueberschwemmung gebrauchte ). Somit grenze ich vergleichend ein eidos von anderen, benachbarten, ab und bestimme es damit noch genauer. Ist der untersuchte Text unbildlich - begrifflicher Art, so kann ich seinem Gehalt andere sprachliche For¬ mulierung verleihen, d.h. das Wesen, das er anspricht, in anderer Abschattung sehen, d) Es ist schliesslich möglich, die in ihm angelegten Leitlinien weiterzu¬ ziehen und die Wesensschau über das bisher sprachlich Geleistete hinaus zu ver¬ tiefen. Auch lässt sich ( und das ist nur noch in einem sehr weiten Sinne: inter¬ pretieren ) von einem Wesen aufgrund seiner ihm immanenten Bezüge zu ande¬ ren Wesen denkend - fortschreitend der Raum einer Wesenspluralität erschliessen. D.h. man könnte den Gedanken des Nietzsche - Textes fortspinnen etwa in Richtung auf das Verhältnis von Erkenntnis und Leben, Erkenntnis und Moral, das Genieproblem etc. Wir haben unser Experiment an einem sehr kurzen lyrischen Text ausgeführt. Wie aber steht es mit den sogenannten literarischen Grossformen, dem Drama, dem Roman ? Die oben unter a) resümierte Variationsmöglichkeit dürfte wegen der Länge solcher Texte praktisch undurchführbar sein. Die Abwandlungstech¬ nik (b) freilich liesse sich wohl segmenthaft ( etwa an Handlungsteilen, Charak¬ teren, deren spezifischen Charaktereigenschaften, am lokalen Hintergrund, an bildlicher Symbolik ) durchführen. Auch die mehrfache sprachliche Abschattung des begrifflich - allgemeinen Wesens ( im Sinne des Gehaltes ) mag klärend wir-

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ken. c) Zur Interpretation von bildender

Kunst und Literatur.

Ein Vergleich

Es liegt nahe, angesichts der Probleme der Interpretation eines literari¬ schen Textes einmal einen Blick Uber den Zaun in das Nachbargebiet der bil¬ denden Kunst bzw. der Kunstwissenschaft ( art criticism ) zu tun. Wie inter¬ pretieren gegenwärtig Kunstwissenschaftler die Bildwerke der Maler und Bild¬ hauer ? Wir greifen, ohne uns in kunsttheoretische Diskussionen einzulassen, die Deutungen weniger, fast beliebig gewählter Kunstwissenschaftler heraus und untersuchen sie hinsichtlich der in ihnen zur Anwendung gelangenden interpretatorischen Verfahren. (103) Es fällt zunächst einmal auf, dass eine gros¬ se Zahl der Aeusserungen auf den relativ abgesicherten und unzweideutigen Be¬ reich des Technischen, der Machart, bezogen ist. Hier handelt es sich um Be¬ obachtungen, die intersubjektiv nachvollziehbar und am besprochenen Werk ve¬ rifizierbar sind. Als methodisches Hilfsmittel dient hierbei der Quer- und Kückverbindungen herstellende Vergleich mit der Technik bzw. dem kom¬ positorischen Verfahren anderer Künstler und Epochen. Als Beispiele für in¬ ter pretatori sehe sprachliche Kategorien auf dieser ( formal - technischen ) Ebene können Ausdrücke gelten wie: "Lichtwerte", "geschlossene" gegenüber "gelöster", "offener", "vorläufiger" Form, die "einförmigen, gleichsam ge¬ kämmten Diagonallagen", "Binnenzeichnung", "Farbklang", "Monochromie", "Luftperspektive", "Flächenrhythmus", "Formvergröberung", "Festigkeit der Flächenstruktur", "konstruktive Geschlossenheit", "farbige Sättigung", "Ver¬ blockung", "Dichte der Konfiguration" ( Werner Hofmann ), "Zielhandlung", "Ausdrucksbewegung", "Figur" gegenüber "Grund", "haptisch", "visuell" ( Gregor Paulsson ) etc. Von hier aus erschliesst sich dann die Weise der Dar¬ stellung des sogenannten "Sachinhaltes" bzw. der abgebildeten Gegenständlich¬ keit, sofern die gedeuteten Bilder zur gegenständlichen Kunst zu rechnen sind. Als Bezugsebene bietet sich hier die wahrgenommene ( d.h. normaler sinnli¬ cher Wahrnehmung zugängliche und inter subjektiv gemeinsame ) Erfahrungs¬ welt bzw. "Realität" an. Die Darstellungsweise im Bild erscheint vor dieser Folie dann als stilbedingte Abweichung. Der gemalte Gegenstand kann ein der Natur "nachgeahmter" sein ( z. B. in der Freiluftmalerei, dem Portrait ), oder aber er kann aus der Imagination des Künstlers geschöpft sein. In beiden Fällen findet seitens des Künstlers ein Deutungsprozess statt, im imaginären Bild viel¬ leicht noch stärker als im nachgeahmten. In beiden Fällen ist aber auch der Künstler, sofern er gegenständlich malt, an bestimmte wesenhafte Grundbedin¬ gungen des Darzustellenden gebunden, will er nicht die "Lesbarkeit" seines Wer¬ kes aufs Spiel setzen.

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Was soll dies nun heissen: ein Bild "lesen" ? Es ist ja auffällig, dass Kunst¬ wissenschaftler wie Hofmann ihren Kommentaren und Deutungen in linguisti¬ scher Form Ausdruck verleihen ( z. B. "Sprachmittel", "Syntax", "Lesbar¬ keit" usw. ). Zuerst und im trivialsten Sinne lesen wir als Betrachter wohl den sachlichen bzw. gegenständlichen Inhalt ( "das ist ein... " ). Daran mag sich unmittelbar das Lesen bzw. Erfassen der formal - technischen Eigen¬ tümlichkeiten anschliessen. Die unauflösliche Verschränkung beider Lesee¬ benen führt dann zu einer weiteren, interpretatorisch weniger exakt fassba¬ ren Ebene: derjenigen des Gehaltlichen oder phänomenologisch gesprochen: der Ebene der Individual- wie der Allgemeinwesen, die sich "in" dem Bild zu erkennen geben. Spätestens hier wird das Lesen zum Deuten, ganz beson¬ ders, wenn dieses Deuten die Form s p r achli cher Beschreibung annimmt. Sowie der Beobachter von einzeldinglichen typisierenden Identifikationen ( "das ist ein... " ) und von formal - technischen Beobachtungen aufzusteigen sucht zu dem, was "durch" das Gesamtbild gesagt werden soll, ergeben sich ge¬ wisse Schwierigkeiten. Denn dieses Gesagte ist etwas Unsinnliches, welches im Vollzug der Deutung vom sinnlich Gegebenen ( und dem Wie seiner Gegeben¬ heit ) sprachlich - begrifflich abgehoben wird. Es ist nicht mehr eindeutig "lesbar", weil eben grundsätzlich der emotionale oder rationale Ausdrucks¬ wert von Linie, Form, Raum, Farbe, Licht und tektonischen Bezügen nicht ein¬ deutig fixierbar ist. Es besteht kein ablesbares Zuordnungsverhältnis zwischen dem Gesagten, dem sprachlich gefassten geistigen Gehalt als dem Gesamteidos eines Bildwerkes und seiner sinnlich erfassbaren Repräsentation auf der Lein¬ wand. Dieses eidos hätte auch andere Repräsentationen ( Bilder ) sozusagen aus sich entlassen können, die es ebenso gut vermittelt hätten. Das einzelne Bild ist hier also nicht mehr ein unmissverständliches Zeichen für..., son¬ dern seine Zeichenhaftigkeit, sofern sie sich auf ein höheres abstraktes eidos ( Sinn, Gehalt, das Bild "spricht.. .aus" ) richtet, ist eine vermittelte. Als Sonderfall mag dabei Gegenständliches gelten, welches schon aufgrund bestimm¬ ter kulturell festgelegter Sinnkonventionen eine ( etwa religiöse ) Bedeutung sym¬ bolhaft repräsentiert. Das Gesamtbild als Zeichen ist eines unter potentiell unendlich vielen anderen, welche das gleiche eidos vermitteln könnten. Das einzelne Bildelement eines ge¬ genständlichen Bildwerkes erweist sich als zugleich typenhaft - generell und individuell ( z. B. ein als Typ "Baum" erkennbares und doch individualisiertes Element ). Auch das Bildganze hat generell/individuellen Charakter. In ihm drückt sich gegebenenfalls ein unsinnliches eidos ( z. B. "Abendfrieden" ) aus. In der Dichtung konstituieren dagegen die zunächst rein typenhaften Sprachzeichen ( z. B. "Baum" ) kraft ihres Zusammenschlusses zu einem Gewebe sich wechselseitig bestimmender Einzelelemente ein gleichermassen imaginär - an¬ schauliches wie geistig - unanschauliches Individuelles ( etwa die Brigitta Stif¬ ters ). Das derart zusammengesetzte komplexe Individuelle trägt aber als sol-

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ches auch typenhafte Züge. Diese dürfen wir nun nicht ohne Weiteres identi¬ fizieren mit dem "hinter" dem Text stehenden, ihn "generierenden" eidos, wel¬ ches ins Vorsprachliche zurückreicht und im sprachlich vermittelten Werk noch weitgehend ungesagt bzw. der Interpretation bedürftig sein kann. Man könnte hier die scheinbar ganz abwegige Frage anschliessen: was spricht sich deutli¬ cher, unvermittelter gegenüber dem Rezipienten aus: das sprachliche Kunst¬ werk oder das bildende ? Die Kunstwissenschaft ist sich freilich in der Fest¬ stellung einig, dass sprachliche Deutung, welche sich auf Gegenständlich Wahrnehmbares bezieht, nie völlig an das bildlich Gegebene herankommt, d. h. dieses nie voll ausschöpft. Das war ja bekanntlich, etwas anders gewendet, schon Kants Einsicht in der "Kritik der Urteilskraft" gewesen. In diesem Sinne also bleibt das Bild dem Wort überlegen. Anders formuliert: wie sehr auch die sprachliche Beschreibung bestrebt ist, sich dem Bilde zu nähern, es bleibt sei¬ tens des Bildes immer ein nicht - transformierter "Rest". Kehrt man den Vor¬ gang jedoch um, d.h. geht man von einem eidos oder eidetischen Komplex aus, der sprachlich ausdrückbar ist ( z. B. "Abendfrieden" ) und unterstellt man, die¬ ses sei das ursprüngliche und zeugende Moment in einem künstlerischen Schaf¬ fensprozess, der auf die Hervorbringung eines Gemäldes abzielt, so erscheint das Problem in anderer Beleuchtung. Das Bild, welches möglicherweise als Produkt eines eidetischen Ur- Impetus "Abendfrieden" entsteht, ist nur eine von unendlich vielen möglichen Repräsentationen desselben eidos. Gelingt das Bild, so "enthält" es zwar dieses eidos. Aber es fragt sich: bleibt auch hier ein "Rest" ? Die Antwort hängt von der Artung des zeugenden eidos ab. Je all¬ gemeiner dieses ist, desto mehr hat zu gelten, dass es zwar aus der bildlichen Einzelrepräsentation "ausstrahlt", diese aber zugleich transzendiert, d.h. dass es mehr umfasst, als die Uebersetzung in ein Bild je zu geben vermag. Analo¬ ges hatten wir ja an unserem Nietzschetext für die Literatur festgestellt. Bei¬ spielhaft hierfür wäre das von van Gogh angewandte künstlerische Verfahren, das mit der Formel "etwas in etwas ausdrücken" zu umschreiben wäre. So will van Gogh z. B. in einer Baumwurzel "etwas vom Leben" (104) ausdrücken, oder er verleiht einem "Mädel aus dem Cafe chantant" einen Ausdruck, den er als "gleichsam ecce - homo - artig" (105) beschreibt. Natürlich steht nicht immer am Anfang des bildnerischen oder malerischen Pro¬ zesses ein eidos aus der Sphäre menschlichen FUhlens oder Denkens. Ist die pri¬ märe Inspiration ein Eindruck der optischen Realität, so wird man phänomeno¬ logisch sagen dürfen, der Künstler erfasse intuitiv im Realding dessen Eigenwe¬ sen ( sofern er nicht, wie etwa die Expressionisten, in dieses Ding Wesenhaftes aus seiner eigenen Innenwelt hinein - sieht ). Dieses Eigenwesen wird dann im Kunstwerk sozusagen stärker zum Scheinen gebracht. Der Künstler zwingt es auf eine Weise in seine Selbstoffenbarung, die die reale Wahrnehmung nicht kennt. Gerade darin liegt die Hauptfunktion des Stiles.

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Es lässt sich aus dem oben Gesagten folgern, dass ein sprachlich gefasstes eidos ( "Abendfrieden" ) in gewissem Sinne seiner bildlichen Uebertragung überlegen ist. Doch bleibt anzumerken, dass ein abstraktes allgemeines ei¬ dos eine Leerform mit mannigfach vorgezeichneten FUllungsmöglichkeiten darstellt. Das Bild wäre in diesem Falle immer noch konkreter als das es umschliessende und zugleich transzendierende eidos. Was will der Maler, der "gegenständlich" malt ? Wohl auf keinen Fall eine naturwissenschaftliche Totalanalyse von Seiendem im Hinblick auf ein eindeu¬ tiges und erschöpfendes 'Das ist... ". Was er zur Darstellung bringt, ist viel¬ mehr, ebenso wie in der Dichtung, gedeutete Welt, ein Sein - für ( den Men¬ schen ). Damit ist das malerisch/bildnerisch Dargestellte immer ein Ausge¬ wähltes ( ein Seligat ). Es besitzt analog zur Literatur jene Unbestimmtheits¬ stellen, von denen Ingarden spricht. (106) Hier sind sie natürlich auf das Räum¬ liche und nicht auf das Zeitliche bezogen. Blickt man von dieser Warte auf die sogenannte ungegenständliche Kunst, so ergibt sich die von vielen Kunstwissenschaftlern vertretene Feststellung, je "abstrakter" ein Bildwerk sei, desto mehr Bedeutungen könnten in es hinein¬ gelesen werden. Dann ist in der Tat das Bildwerk dem musikalischen Werk angenänert. Es fehlen die gegenständlich konkretisierten Individualwesen. Die Zuordnung des Färb- und Formgefüges auf Individual- wie Allgemeinwesen wird fast beliebig. Die Gegenstandsebene als Medium für höhere, allgemei¬ nere eide fällt fort. Zwar mögen immer noch allgemeine eide hinter der künst¬ lerischen Produktion stehen. Sie sind aber nur noch subjektiv - intuitiv. Sie besitzen nicht länger die inter subjektiv verifizier bare Geltungsart gegenständ¬ licher Kunst, auch wenn der Verbindlichkeitsgrad jener Geltung von Werk zu Werk schwankt.

3. Spezielle hermeneutische

Fragen

Gesetzt, eine Forderung der Hermeneutik weise den Interpreten eines Tex¬ tes an, dessen geistige Essenz aus der Textmaterie selber heraus transpa¬ renter zu machen. In dieser Forderung steckt die Annahme, jene Essenz sei dem, der sie zunächst aus dem Text abzuheben sucht, nicht ohne Weite¬ res völlig durchsichtig. Die Forderung weist überdies zurück auf das eingangs zu den Definitionen von Noema, Noesis und Wesen Gesagte. Wenn wir von "gei¬ stiger Essenz" sprechen, so soll damit zunächst einmal nicht ein einseitiges Herausdestillieren des ideellen, begrifflich formulierbaren "Gehaltes" eines literarischen Textes gemeint sein, was ja heissen würde, dass wir alles Struk¬ turelle, Gestalthafte gleichsam als leere Hülse beiseite Hessen. Das in Frage

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stehende Transparent - Machen kann ja bekanntlich gerade von dem Aufweis der wechselseitigen Bedingtheitvon Form, Inhalt und Gehalt in eminenter Wei¬ se profitieren. (107) Engen wir aber nun einmal tatsächlich zum Zwecke unserer Untersuchung das Sehfeld des Verstehens ein auf so etwas wie "geistige Essenz" und gehen wir aus von einem beliebig herausgegriffenen Satz aus einem Text, um dessen Ver¬ ständnis es gehen soll. Wir müssen annehmen, dass im Bewusstsein des Dich¬ ters ( als noetische Akte ) Elemente von unterschiedlichem Abstraktheits- wie auch Allgemeinheitsgrade vorschweben: konkret raumzeitlich Dingliches wie auch begrifflich - gedankliche Momente, welche mehr oder weniger adäquat ein jeweils fiktiv gemeintes Sinnganzes in Sprache Umsetzern Die ganze Skala des noetisch Vorschwebenden, vom Individuellen ( dieses bestimmte Ding, die¬ se Person in ihrem Sosein, So- Fühlen, So- Handeln an diesem Punkte der Ge¬ samthandlung ) bis zu generellsten ideellen Intentionen - diese ganze Skala al¬ so geht ins sprachliche Zeichen ein. Das heisst aber: in ein Medium, welches von sich aus schon die Eigenschaft des Typenhaften, Generellen, so oder auch anders induviduell Füllbaren mitbringt. Das bedeutet, dass das

vom Vermein¬

ten und sprachlich Umgesetzten, was selber genereller Natur ist, vom Leser bzw. Hörer am leichtesten nachvollziehend erfasst wird. Dabei bleibt die Fra¬ ge möglicher Füllung dieses Allgemeinen noch völlig offen. Schwieriger ist es mit dem verstehenden Nachvollzug der individuellen Noesen ( wie individuell kann ein fiktives Individuelles als Noesis gegenüber einem realen Individuel¬ len sein ? ), soweit sie in Text umgesetzt sind. Wie kann ich sicher sein, dass hier mein Nachvollzug adäquat ist, d.h. genau das trifft, was dem Autor in sei¬ nen noetischen Akten bewusstseinsmässig präsent war ? Vergessen wir nicht, dass von zwei Seiten aus ein typenhafter, generalisierender Zugriff in Rich¬ tung auf Individuelles wie Generelles geschieht: von der Sprache her und: von den jeweiligen habitus (s.o.), also gewissen Vorgriffen, Leerhorizonten, sedimentierten Erfahrungsspuren im Bewusstsein des Verstehenden. Fraglich bleibt, wie weit letztere ein adäquates Verstehen oder eventuell ein angenähertes för¬ dern oder gegebenenfalls verstellen. An diesem Punkte hilft natü flieh nur eines weiter: die künstliche Isolierung des einen Satzes aufheben und alle weiteren Sätze des Textes mit hinzunehmen als eine komplexe Vielfalt sich wechselseitig determinierender Aussagen. Das hier einsetzende Deutungsverfahren lässt Verschiedenes und in der künstlerischen Gestalt weit Auseinanderliegendes sich gegenseitig beleuchten, greift es zu¬ sammen, wo es im Text zunächst dem Leser nicht als ein Zusammengehöriges gegeben ist. Kurz: es synthetisiert. Die satz- wie Ubersatzmässigen Determina¬ tionsbezüge in ihren bedeutsamsten Linien kenntlich zu machen und damit das den gesamten Text Determinierende wie Individuierende herauszuheben: darin be¬ steht eine wesentliche Aufgabe des Interpretierens.

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Nun fragt sich aber: selbst wenn dies in hohem Masse gelingt, ist dann der Determinationsgrad bzw. der Grad der Identifizierbarkeit des Individuellen am Gesamttext nicht immer noch ein relativ niedriger ? Bleiben nicht stets Unschärfen, Leerstellen, Opakes ? In unseren Betrachtungen zu Roman In¬ gardens Buch "Das literarische Kunstwerk" waren wir ja zu eben diesem Resultat gelangt. Das Aufzeigen der Unbestimmtheitsstellen gehört mit zum Prozess des Interpretierens. Das interpretative Klären, Durchleuchten, Synthetisieren stösst allerdings an eine Grenze, die in der Natur der Fiktionalität wie auch der Sprache als deren Vehikel gelegen ist. Die Interpretation reicht zunächst soweit wie der¬ jenige Bezirk des zugrundeliegenden eidos, welcher sprachliche Gestalt an¬ genommen hat. Verlässt man den werkimmanenten Rahmen, so wäre, wie schon ausgeführt, an Stelle des intensiven Durchdenkens als eines ver¬ deutlichenden Aufzeigens ein pr o gr e s si ve s bzw. extensives W e i t e r denken der geistigen Essenz möglich, also ein Aufnehmen des Noematischen in seinem Ueberschiessen Uber die noetische Repräsentation. Hierbei ruft sich der topos vom unendlichen Gespräch der Geister ins Gedächtnis. Eine ideelle Aussage drängt von sich aus über sich hinaus, sachlogisch wie histo¬ risch. D.h. es gibt an ihr immer noch mehr zu entfalten, gleich, ob dieses Mehr sich erst der geschichtlichen Nachwelt erschliesst oder nicht. Das "Mehr" ist in zwiefachem Sinne zu verstehen: als ein Mehr innerhalb des ver¬ meinten Noema selbst und: als ein zu anderen Noemen weiterführendes Mehr. Man ist versucht, paradox zu formulieren: eine ideelle Aussage öffnet sich nur in ihrem Eigenwesentlichen, wenn sie fortgedacht wird, wenn das an ihr Weiterführende, Unfertige, Anschlussfähige entwickelt wird. Ob man dies im strengen Sinne noch "Interpretieren" zu nennen berechtigt ist, sei vor¬ erst dahingestellt. Das synthetisierende Deutungsverfahren löst, so könnte man sagen, das text¬ liche Nacheinander auf in ein wesenhaftes, gleichzeitiges Ineinander. Das Aufeinander - Beziehen, Zusammenrücken, Bündeln von Gleichartigem ( z. B. das Belegen eines spezifischen ideellen Sachverhaltes durch mehrere in der textlichen Erstreckung auseinanderliegende Zitate ) sprengt notwendig die Reihungsordnung des Textes, ohne jedoch diese damit grundsätzlich als irre¬ levant anzusehen. Hier mag an Diltheys Auffassung erinnert werden, die Idee bzw. das Wesen einer Dichtung liege nicht im abstrakten Gedanken sondern in ihrem unbewussten Zusammenhang, in der inneren Form. (108) Die Gren¬ ze des Verständnisses sei dort erreicht, wo wir ( als Verstehende ) nicht mehr aus jenem Zusammenhang nachzubilden vermögen. Was Dilthey hier unter Zu¬ sammenhang versteht, ist offensichtlich weiter gefasst als der Begriff des ab¬ hebbaren gedanklich - begrifflichen Gehaltes. Letzterer aber ist im Diltheyschen "Zusammenhang" der inneren Form mit einbegriffen. Synthetisierend

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deuten heisst eben: aus einem impliziten, nicht selber im Text explizit aus¬ gesagten Zusammenhang verstehen. Verstehend transzendieren wir immer schon das aufgefasste Einzelelement, den Einzelsatz in Richtung auf das, was voranging und das, was folgt. Und erst im Lichte der mannigfachen Bezüglichkeiten erreicht das Einzelne seinen ihm vom Autor zugedachten Determina¬ tionsgrad, d.h. die Fülle seines Sinnes. Phänomenologisch gesehen, lässt sich das deutende Nachvollziehen, sei es nun bereits bei der ersten, dem Text in seinem eigenen Nacheinander folgenden Re¬ zeption, sei es in der kreuz und quer beziehenden synthetisierenden, folgendermassen fassen. Gehen wir zunächst einmal wieder aus von der sinnlichen Wahr¬ nehmung eines realen Gegenstandes. Dieser ist uns in einer kontinuierlichen ( möglicherweise auch diskontinuierlichen ) Reihe von im Zeitfluss aufeinander folgenden Erscheinungen ( Phänomenen ) im Bewusstsein gegeben. (109) Alle die¬ se Erscheinungen müssen einen gemeinsamen Bereich synthetischer Koinzidenz haben, ein Etwas, was uns sagt: dies ist immer noch derselbe Gegenstand, den ich da vielleicht in verschiedenen Färbungen, in wechselnder äusserer Form etc. wahrnehme. Ich behalte "retentional" ( gedächtnismässig festhaltend ) ein Etwas im Griff, ein Substrat, das ich mit fortlaufenden Erscheinungsbildern immer weiter anreichere. Gleichwohl bleibt es dabei stets identisch "dasselbe". Wie wird dieser Vorgang, der sich nicht nur auf raumzeitlich Dingliches zu bezie¬ hen braucht, sprachlich in einem literarischen Kunstwerk umgesetzt ? Vor allem mittels verschiedener grammatischer Formen der RUckbeziehung bzw. der Re¬ tention: durch den bestimmten Artikel, Demonstrativ-, Possessivpronomen, wie¬ derholende Nennung von nomina, Eigennamen usw. Analog könnte man als ein Verstehensmodell dieses Verfahren der Retention eines identischen Substrates hinstellen, welches Schritt für Schritt weiter determiniert, d.h. in seinem Sinn¬ gehalt angereichert wird. Was der Leser dabei retentional im Griff behält, wä¬ re nach dem Grad seiner Abstraktheit oder der Komplexität abzustufen: angefan¬ gen mit einem fiktiven raum zeitlichen Gegenstand, über fiktive Personen bis hi¬ nauf zu ideellen sinnhaften Komplexen, die sich auf der Schicht des "konkreten" Raumzeitlichen aufbauen ( z. B. "der Krieg" in Brechts "Mutter Courage " ). Nochmals: der Doppelprozess von Retention plus bereichernd - aufbauender De¬ termination gilt für das erste linear - sukzessive Lesen ebenso wie für das synthe¬ tisierende interpretative Verfahren. Was - in einem literarischen Text - ein schrittweise zu Füllendes ist, bei identisch im Griff behaltenem Substrat, muss ein immer nur in Auswahl repräsentativ Gefülltes, d.h. vom Autor gerade auf¬ grund seiner Auswahl Gedeutetes sein. Hier erhebt sich die Frage: ist dem Interpreten ein Rückgang auf ein volleres, klareres Noema möglich, gesetzt dass ein solches stets den noetischen Akten und deren Umsetzung in Text zugrun¬ de liegt. Das Noema als solches tritt ja immer in gebrochenem, unvollkommenem Modus ins Noetisch - Sprachliche Uber. Gleichwohl ist dem Interpreten ein - auch

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seinerseits sprachlich umgesetzter - höherer Annäherungsgrad an die Noemen möglich. Inwiefern ? Husserl sagt: Vemunftwahrheiten, z. B. solche der Arithmetik, seien originär und völlig adäquat einsehbar. (110) Gilt das auch für Noemen im geistig - kulturellen Bereich, wo es um Werte und Wahrheiten geht, die sich auf den Menschen und seine von ihm geschaffene Welt beziehen ? Im literarischen Text liegen freilich Vernunftwahrheiten vor, welche individu¬ alisiert und historisiert sind. Wir fassen sie, im Gegensatz zum frühen und mittleren Husserl, nicht als absolut und überzeitlich. Ihr apriorischer Status gegenüber den noetischen Akten, an dem wir gleichwohl festhalten, besteht darin, dass sie ein vorsprachliches Stadium geistiger "Anschauung" markie¬ ren, aus dem sich das Sprechen und Schreiben erst ableitet. Ihm nähert sich die Textdeutung an. Es mag beim bisher Erörterten so ausgesehen haben, als sei die literarische Darstellung einer fiktiven Realität gegenüber der Erfahrung der Realität selbst immer im Nachteil, besonders, wenn wir die Ingardenschen Analysen bedenken. Dieser Eindruck ist irrig. Es kommt ganz darauf an, welche Seiten des litera¬ rischen bzw. empirischen Prozesses man ins Auge fasst. Gewiss: am realen Objekt kann ich die Reihe der Determinationen beliebig bis ins Unendliche erwei¬ tern, was bei einem begrenzt/schematisch definierten und in Sprache umgesetz¬ ten Gegenstand unmöglich ist. Der Dichter hat den fiktiven Gegenstand ja nicht vorgegeben. Er "erzeugt" ihn selbst als einen gedeuteten, den sein Schöpfer in frei gewählte Bezüge zu anderen fiktiven Gegenständen innerhalb des Textes stellen darf. Es fehlt natürlich der reale Gegenstand als Kontrollinstanz, an dem die Beschreibung des Fiktiven verifizierbar oder falsifizierbar wäre. Allerdings bleibt auch der Dichter, will er nicht in phantastisch - märchenhafte Willkür ver¬ fallen, an gewisse grundsätzliche Vorschriften der realen Welt gebunden. Trivial ausgedrUckt: er kann z. B. nicht ein Fenster als eine Ameise beschreiben. Immer¬ hin gilt, dass der Deutbarkeit von Realem Grenzen von der Realität selbst her ge¬ setzt sind, während der Dichter über eine weitaus grössere schöpferische Bewe¬ gungsfreiheit verfügt. Natürlich hat er innerhalb seines Textes konsistent zu sein. Wiederum trivial gesagt: hat er zuvor von einem Tisch geschrieben, er sei aus Holz, so kann er nicht einige Seiten später behaupten, er sei aus Stein, was natürlich mutatis mutandis auch für die Personendarstellung gilt. Ein hochwichtiges Moment des Interpretierens, das uns in der Praxis oft begeg¬ net, haben wir bisher nur am Rande erwähnt. Wir meinen den Wechselbezug von strukturellen ( Aufbau, Form ) und thematischen Aspekten, wie ihn nur die Deutung ins Licht heben kann. Geht man von der mittlerweile zum Gemeinplatz gewordenen Ansicht aus, dass Inhalt ( Gehalt ) und Form ( Struktur ) im litera¬ rischen Kunstwerk im Grunde eines sind ( nur die Analyse scheidet beide ), so fragt sich, ob nicht ein bestimmtes Unsicherheitsmoment oder ein gewisser Spielraum besteht genau an dem heiklen Punkte, wo thematische Befunde an struk-

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turelle ( oder umgekehrt ) angeschlossen werden sollen. Thematische und strukturelle Deutungen können einander stützen und bestätigen, wenn ohne Zwang plausibel zu machen ist, dass beiden ein gemeinsamer künstleri¬ scher Prägewillen zugrundeliegt. Hier kommt freilich alles auf behutsa¬ me und umsichtige Analyse an. Denn es geht nicht um den naturwissen¬ schaftlich exakten oder streng - logischen Nachweis eines Interdependenz¬ verhältnisses, sondern um höchstmögliche Plausibilität. Dass durch die Wechselbezüglichkeit von inhaltlichen und kompositorisch - strukturellen Momenten ( wie auch mittels des Bezugsgeflechtes von inhaltlichen und anderen inhaltlichen bzw. strukturellen und anderen strukturellen Relaten ) eine fast unbegrenzte und doch notwendig zu begrenzende Fülle von Bedeutungs- und Deutungsmöglichkeiten entsteht, darauf hat schon Wilhelm Emrich in seinem Aufsatz "Das Problem der Symbolinterpretation im Hin¬ blick auf Goethes "Wanderjahre"" hingewiesen. (111)

4. Zur Theorie der

Bedeutung

Die phänomenologisch orientierte Lehre von den Bedeutungen bezieht sich auf die bekannten vier Dimensionen: die Noemen, die noetischen Akte, die Sprache als Medium ( wobei die völlige Identität von Sprache und Denken ge¬ leugnet wird ) (112) und die raumzeitliche Realität. (113) Halten wir einmal da¬ ran fest, dass jeder Gedanke, jede Einbildung ein Noema hat und dass der noetische Akt ( besonders als sprachliche Umsetzung ) gegenüber dem Noematischen stets zu kurz greift, so leuchtet der Husserlsche Satz ein: das Vermein¬ te sei immer mehr als das jeweils explizit Gemeinte. (114) Wir wiesen bereits wiederholt darauf hin, dass sich damit neben dem Problem des adäqua¬ ten Verstehens des noetisch - sprachlich Gemeinten des Problem des Rückgan¬ ges auf das vorausliegende Noema stellt. In diesem Problemzusammnehang sind alle vier Dimensionen beteiligt (in der Dichtung fällt die der Realität fort). Ich sage urteilend, d.h. intentional Bedeutung verleihend, etwa Uber die¬ ses reale ( fiktive ) Haus. Diese Aussage vollzieht sich in noetischen Denk- und Sprachakten. Sie zielt auf ein als real Gesetztes ( oder fingiertes ) und leitet sich von einem Noema ab, das aber nur in partikularer Weise, aspekthaft ver¬ kümmert, zum Ausdruck gelangt. Vermeint ist das volle Noema, gemeint aber immer nur dessen noetisch - sprachliche Brechung. Wenn wir von "Bedeutung" sprechen, so ist noch gar nicht unterschieden zwi¬ schen relativ einfachen Bedeutungen und komplexen. Gemeint ist bei dieser Un¬ terscheidung etwa der Unterschied zwischen den Bedeutungen: "diese rote Ro¬ se aus Peters Garten" und: "Der Mensch in seinem dunklen Drange/ ist sich des rechten Weges wohl bewusst". Zwar haben beide Aussagen, nehmen wir sie je

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als ein Bedeutungs - Ganzes, eine Reihe von Gliedern und sind schon in diesem Sinne komplex. Der eigentliche Unterschied liegt aber darin, dass die zweite Aussage, wenn auch bedeutungsschwerer als die erste, doch in viel geringerem Grade determiniert ist, einen höheren Grad von Universalität und damit mehr Spielraum für die füllende Deutung ( weniger Eindeutigkeit ) besitzt. Was ist "der Mensch", was ist "dunkel", was ist "Drang", was sind: "recht", 'Weg", "wohl bewusst" ? Für jedes dieser Glieder wären mannigfache imaginäre Ein¬ zelbeispiele, Einzelfüllungen bereitzustellen. Deren bestimmtere Bedeutun¬ gen wiederum würden voneinander abweichen. Fundierend als Substrat jedoch bliebe ein trotz aller Allgemeinheit inhaltlich umrissenes Noema ( das einen gewissen Grad von Individualität und Allgemeinheit besässe ), welches im Goetheschen Satz zum Ausdruck kam, wenn gleich nach Husserl fraglich bliebe, wie adäquat der Satz das Noema wirklich repräsentiert. Je mehr sprachliche Bestimmungen ein Gegenstand oder Sachverhalt aufweist, desto eindeutiger wird er. Und je mehr Gegenstände bzw. Sachverhalte ein komplexes Bedeutungs Ganzes umfasst, desto mehr entzieht es sich der festlegenden Interpretation. An diesem Punkt mag ein Blick auf die phänomenologische Logik zur Klärung des oben Umrissenen beitragen. Wir wählen hierfür die "Logik" Alexander Pfänders, eines Schülers von Husserl. Für unsere Zwecke aufschlussreich ist Pfänders von Husserl übernommener Begriff der "ideierenden Abstraktion", d.h. des Denkvorganges, welcher im Individuellen Arten und Gattungen ( z.B. diese bestimmte Rot - Nuance; und weiter abstrahierend: "Rot überhaupt" ) erfasst. D.h. es gibt Urteile und Begriffe, die sich auf ein ganz bestimmtes, einmaliges Individuelles ( diesen Tisch hier ) beziehen und andere, die sich, vom individuellen Gegenstand losgelöst, auf Arten und Gattungen richten. Das Individuelle aber ist nur im Rekurs auf Art- und Gattungshaftes fassbar, hat je¬ doch zugleich ein Mehr, eben das nur ihm unverwechselbare Eigene. Es lässt sich nicht restlos in Arten und Gattungen auflösen. Nun spricht man im Hinblick auf Gattungsbegriffe von deren Umfang, d.h. der Zahl der ihnen zugehörigen möglichen Arten ( z. B. Rot - Nuancen ). Gemeint sind nicht alle real vorkom¬ menden Arten, sondern die der "Sache" nach ( dem Noema nach ) möglichen, ganz unabhängig von der realen Welt und ihren Veränderungen. Nur Gattungen und höhere Arten ( denen niedere untergeordnet sind ) können einen Umfang ha¬ ben. Beim Begriff eines individuellen Gegenstandes gibt es keinen Umfang mehr. Dieser ist gleichsam zu Null geschrumpft. Dafür aber hat ein Individualbegriff einen reicheren Inhalt. Je höher ich von ihm her aufsteige zu Arten und Gattun¬ gen, desto mehr verliere ich an Inhalt ( bis ich z. B. zu dem abstrakten und re¬ lativ inhaltsarmen Gattungsbegriff "Farbe" gelange ). Nun bestimmt nach Pfän¬ der der Inhalt eines Begriffes seinen Umfang und nicht umgekehrt ( er folgt hier der traditionellen Logik ). Der Terminus "Inhalt" ist hier offensichtlich ( wie Pfänder selbst zugiM ) ontologisch gefasst. Je mehr Inhalt im Sinne real seien¬ der inhaltlicher Bestände aufweis bar ist, desto geringer wird sich der art- und

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gattungsmässige Umfang bestimmen. erwartete 4—4 Ungeduld (135) im Nachspiele; gekleidet als 4-4 Schauspiel mit der Post geschickt 4—^ Paket 4—) überrascht 4-4 ( Reihe 1 ) Liebhaber 4-4 Geliebte 4-4 freigebig 4 ( Reihe 3 )

Räumliche wie zeitliche Gegebenheiten allgemeinster Art werden gesetzt: Raum:

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ans Fenster ( Innenraum 4—) Aussenraum ) in der Entfernung ( Hier 4—4 unbestimmtes entferntes Dort )

Zeit :

dauerte lange; einigemal ( Konstituierung eines relativ durativen Zeitrahmens ) heute-als sonst Konstituierung einer fiktiven diesmal-... geschickt hatte I Erzählgegenwart, die von eidiesen Abend T ner unbestimmten Vergangenheit abgesetzt wird

J

Vergessen wir schliesslich nicht die Funktion der Personalpronomina, Relativ¬ pronomina und Possessivpronomina ( zusammen 17 im zitierten Text ). Ihre Aufgabe besteht darin, das einmal Gesetzte ( Personen, Dinge u. a. ) als Sub¬ strat retentional im Griff zu behalten, identifizierend auf es zurückzuweisen, so dass weitere Bedeutungsauffüllung geleistet werden kann. Das an Goethes Text Beobachtete bezieht sich auf die verschiedenen Arten und Funktionen von Bedeutungen wie auf den Vorgang der Bedeutungsfüllung bzw. der Determination. Ueber die Arten der verwendeten Begriffe ( Bedeutungen ) und de¬ ren Leistung, über Determinationsgrade und -arten in ihrer künstlerischen Funktion ist allerdings an späterer Stelle noch genauerer Aufschluss zu geben. An diesem Punkte wäre die theoretische Frage zu stellen: was eigentlich "ist" das Auffüllen eines typenhaft - umrissartig Gesetzten mit "bestimmter" Bedeu¬ tung ? Was liegt hier vor: das detaillierte Ausfalten eines implizit auf höherer Abstraktheitsebene Gesagten oder: Einzeichnung von qualia in eine Leerform, einen unbestimmt - offenen ( und doch umgrenzten ) Horizont ? Für die Dich¬ tung gilt offensichtlich das Letztere. Denn ein literarischer Text übt in der Re¬ gel nicht Begriffsanalyse, wie dies etwa Aufgabe eines philosophischen Textes wäre. Inwiefern dagegen Interpretieren ein Ausfüllen von Leergelassenem sei, bedarf noch weiterer Untersuchung. Wir handelten in den vorangehenden Erwägungen vom Gegensatz der individuel¬ len und der typenhaft - generellen Begriffe bzw. Bedeutungen. Es wurde deutlich, dass Dichtung typenhaftes sprachliches Material zur schrittweisen Konstituierung von Individuellem ( z. B. von Charakteren ) verwendet. Auf diese Weise baut sich im fein gewobenenBeziehungsnetz der sprachlichen Bedeutungen auf dem Generellen ein Individuelles auf. Dabei verfährt der Dichter nach Art der Husserlschen Habitus - Theorie. Typenhaft Allgemeines wird gesetzt und zwar um¬ risshaft, mit vielen gleichsam der Determination noch offenstehenden "Leerstel¬ len". Im Verlauf der sich weiter aufbauenden Bestimmung greift das Bewusst¬ sein des Lesers auf das bereits Gesetzte als Bekanntes, habituell im Griff Be¬ haltenes zurück. Nun fragt sich, wenn wir einmal den Problemkreis etwas ins Philosophische erweitern, gesetzt, dass sprachliches Konstituieren ( oder Er¬ kennen ) von Individuellem stets mittels typenhafter Elemente vor sich geht: ist

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so überhaupt die Erkenntnis ( und die dichterisch - sprachliche Gestaltung ) von neuem , so zuvor noch nie dagewesenem Individuellen erklärlich ? Vor¬ ausgesetzt natürlich, dass geschichtliche Entwicklung zu immer Neuem treibt und nicht nur Variation bzw. Umgruppierung eines festen, an sich unveränder¬ lichen, weder ab- noch zunehmenden Fundus an Generellem ist. Nochmals sei daran erinnert, dass das geistige Erschauen von ideellen Gegebenheiten durch¬ aus auch einen vor sprachlichen Charakter hat. Ist solche Intuition, die sich erst in Sprache verwandeln muss, um mitteilbar zu werden, selber wieder auf den Rekurs von schon Bekanntem, schon "Gehabtem” und damit auf Typi¬ sierung angewiesen ? Oder ist solche "Wesensschau" immer sofort ihrem Gegenstand unmittelbar kongruent, ohne das Dazwischentreten vermitteln¬ der Glieder aus vergangenen, anderen intuitiven Erlebnissen ? (136) Nehmen wir an, ein solches Schauen ergreift im Wandel der Geschichte ( etwa im Be¬ wusstsein des berufenen Dichters oder Philosophen ) ohne jegliche Mediatisie¬ rung ein jeweils Neues, Individuelles, so bliebe doch die Tatsache bestehen, dass dessen sprachliche Vermittlung auf den Fundus von schon bekannten ge¬ nerellen Bedeutungen und deren Trägem zurückgreifen muss. Das gleiche ( oder sich nur sehr langsam ändernde ) Netz senkt sich sozusagen immer wie¬ der in den Fluss, der neue Fluten mit sich führt. Bevor wir auf die spezielle¬ ren Probleme der Semantik zu sprechen kommen, sei hier nur summarisch an¬ gedeutet, dass wir das Problem des Individuellen vorerst nur so zu sehen ver¬ mögen: im literarischen Text erwächst es als Endprodukt einer mannigfachen und komplexen Interdetermination von typenhaften Elementen. Der Interpret muss, sofern ihn das Bezugsnetz des Typenhaften zur Anschauung eines Indi¬ viduellen geführt hat ( welches seine sprachlichen Konstituenten transzendiert ), dieses Individuelle wieder mittels der typenhaften Zeichen der Sprache zum Ausdruck bringen.

5.

Historizität als h e r m ene ut i s ch e s Problem

Die Frage nach der Geschichtlichkeit geistigen Schaffens wie Verstehens ist noch einmal im Zusammenhang mit unseren bisherigen Erörterungen aufzuneh¬ men. Wenn wir von Typus, von allgemeinen Bedeutungen oder Begriffen spre¬ chen, so ist zu unterscheiden: a) das sprachlich gefasste Allgemeine ( "Haus", "Liebe" ) und b) das vorsprachlich "Gesehene", für welches Pfänder auch den Terminus "Begriff" gebraucht. Beide, so will uns scheinen, sind historischer Natur, sofern sie sich auf die vom Menschen erstellte Welt beziehen. Ob es in dieser zeitlos - absolute Ideen als Noemen gibt, bleibt fragUch. Welche Pro¬ bleme wirft nun die Geschichtlichkeit für das Verhältnis von Individuum und Ty¬ pus auf ? Ludwig Landgrebe, ein Husserl - Schüler, fasst in seiner Dilthey Arbeit "Typus" als: ein Objektives repräsentierend. Gleichzeitig aber versteht

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er unter Typus nur eine existentiale Möglichkeit des verstehenden Lebens und nicht ein vorhandenes Ansichseiendes. (137) Das aber kann nur heissen: auch der Typus ist geschichtlich bestimmt. Karl Mannheim postuliert in seinem grossen Historismus - Aufsatz für einen geschichtlichen Entwicklungsprozess eine einheitliche, aber irrationale "Le¬ benslage". (138) Diese Lebenslage, auf der Ideen, Gedanken, kulturelle Bewe¬ gung wie auch das geistige Werden eines Einzelindividuums basieren, wird von Mannheim auch als "SystemZentrum" bezeichnet, ein Zentrum, das sich immer aufs neue dialektisch verschiebe . Was aber ist das letzte movens einer solchen Verschiebung ? In ihr, so behauptet Mannheim, werde nichts vernichtet. Alles organisiere sich nur neu in einem gewandelten funktionalen Sinne. (139) Die über¬ theoretische Lebenslage allen geschichtlichen Wandels wird also als ein im Gan¬ zen sich gleichbleibender, begrenzter, immer schon existierender Fundus ver¬ standen, der nur in sich selbst bewegt ist. Der Urgrund aller geschichtlichen Entwicklung erweist sich damit als ein Statisch - Ungeschichtliches (trotz aller "Bewegtheit" ). Es ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass Mannheim das sich verschiebende Systemzentrum "im Sinne der Individualität" verstanden wissen will. Das würde aber bedeuten: Individualität ist nie ein radikal Neues sondern nur ein abgewandelter Funktionszusammenhang derselben "Bestandtei¬ le". Das hiesse ferner: ein Verstehen von Individuellem rekurriert auf ein Sys¬ temzentrum, das letztlich mit allen anderen erdenklichen Zentren seinen Ele¬ menten nach identisch ist, wenn es sich auch rationaler Zugänglichkeit weitge¬ hend entzieht. Das Individuelle wäre seinem Ursprung nach Ergebnis einer be¬ sonderen Verbindung von Allgemeinem ( Leben ). Offensichtlich operiert Mannheim mit bildhaften Denkmustern, denen man auch andere entgegensetzen könnte. Es ist aber nicht recht einsichtig, weshalb eine irrationale, das Geistige umgreifende Lebens - Grundlage in Gestalt eines sich verschiebenden System Zentrums nicht auch gedacht werden könne als eine Quel¬ le, die unaufhörlich Neues hervortreibt. Neues zwar, das aus dem Alten flies st, aber eben doch ein radikal Neues und nicht nur eine Umgruppierung von Bau¬ steinen, welche schon a priori dem Ur - Baukasten des Lebens zugehören. Das oben angeführte Allgemeine des Lebens, der festliegende Fundus also, aus dem alle Systeme ihre Substanz beziehen, ist aber nicht das Allgemeine des Begriffs ( im Sinne von Art oder Gattung ). Was der geistige Akt des Verstehens auf den Begriff bringt, ist ein vom Lebens - Allgemeinen Abgeleitetes. Wie dieser Ab¬ leitungsvorgang - bleibt man einmal im Rahmen des Mannheimschen Ansatzes näher zu begreifen sei, bleibt freilich vorerst dunkel. Mit den gleichen Problemen hatte wenige Jahre vor Mannheim schon Ernst Troeltsch ( "Der Historismus und seine Probleme", 1922 ) gerungen. (140) Auch er bedenkt im Grunde, wie Mannheim, das problematische Verhältnis des Typen-

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haften und des Individuellen, und auch er legt seinen Thesen eine Art von Le¬ bensphilosophie zugrunde. Als entscheidende Basiseinheit für die Geschichte nennt er die Kategorie der "individuellen Totalität". 041) Das komplexe Ganze einer Epoche, einer Nation, einer Persönlichkeit sind alle individuell und müs¬ sen dennoch vom Historiographen auf den Begriff gebracht werden. Das besagt nun bei Troeltsch nicht, dass das Individuelle völlig in Generelles aufgelöst würde. Der verallgemeinernde typisierende Abstraktionsprozess ist zwar am Werke, muss aber "einen starken unvertilglichen Rest von Anschauung" beste¬ hen lassen. (142) Das bedeutet: das sprachliche Netz mit seinen Maschen aus universalia fasst den historischen Gegenstand immer nur partiell. Ein nicht auflösbarer Rest von Anschauung als etwas dem Begriffe Transzendentes bleibt als residuum. Die Individualität ist schlechthin "gesetzt", d.h. nicht mehr weiter ableitbar. Nun lässt sich, nach Troeltsch, ein historisches Phänomen nicht denken als entstanden aus zufälliger Berührung von Einzelbewusstseinen oder aus mysti¬ schen Entitäten eines vor oder ohne Individuen gedachten Gemeingeistes. (143) Das kontinuierliche Werden der Geschichte kann nicht in einer Reihung abgrenzbarer Einzelvorgänge kausal dargestellt werden, sondern: die Einzelvor¬ gänge sind verschmolzen in einer sie durchziehenden, ineinander auflösenden und dadurch kontinuierlich machenden Werdeeinheit, die sich logisch schwer beschreiben lässt. Man könnte also mit anderen Worten sagen, das Individuel¬ le wird aus seinem eigenen "Inneren" heraus gleichsam durchbrochen in Richting auf ein Uebergreifendes, Gemeinsames, Zusammenschliessendes. Dieses aber in seiner Totalität ist wiederum individueller Natur. Das an ihm logisch begrifflich Greifbare basiert auf einem Irrationalen, einem Lebenszusammen¬ hang, den nur noch Intuition, Anschauung vorsprachlich rezipieren kann. Halten wir für unseren Zusammenhang ferner fest, dass Troeltsch, wohl im Gegensatz zu Mannheim, die Geschichte als einen radikal Neues produzierenden Prozess sieht. Geschichte individualisiere nicht allgemeine Wesensgesetze ( oder a prio¬ ri vorgegebene all - gemeine Lebensmomente ), sie sei vielmehr im wahren Sin¬ ne schöpferisch und eben nur partiell mit zeitlos universalen Mitteln des gedank¬ lichen Begriffes zu bestimmen. Daher auch Troeltschs Hegel - Kritik: bei Hegel enthielten Veränderungen, Konkretionen, Individualisierungen in Wahrheit immer dasselbe, gleiche, eine und mit sich selbst identische Sein, das sich nur jedes Mal in einer anderen Form des Bewusstseins - um - sich - selbst darstelle, sach¬ lich aber stets dasselbe sei. Im Hegelschen System gebe es nichts wirklich Neu¬ es und trotz aller Gegensätze keine Schöpfung. (144) Was können diese ins Philosophische vordringenden Erwägungen für unsere spe¬ ziellere Fragestellung hergeben ? Zumindest die Einsicht, dass ein literarischer Text als eine "individuelle Totalität" anzusehen ist, die zudem in einem breite¬ ren WirkungsZusammenhang einer umfassenden individuellen Totalität ( etwa ei¬ ner literarischen Epoche ) steht. Eine dem Literaturhistoriker längst vertraute

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Erkenntnis. Von hier aus gesehen, erhalten Untersuchungen ihre Legitima¬ tion, welche der inneren Einheit und den gemeinsamen strukturellen wie the¬ matischen Zügen einer den einzelnen Autor und das einzelne Werk transzen¬ dierenden Epoche nachgehen. Ob man nun das umstrittene Wort des "Zeit¬ geistes" verwenden will oder nicht, die komplexen geschichtlichen Kräfte ei¬ ner Zeit schlagen sich in ihren Werken als überindividuelle epochale Physiog¬ nomie nieder, welche beschreibbar ist. Der Anteil des zeithaft Ueberindividuellen mag gegenüber dem persönlich Schöpferischen im Einzelfall schwer abzuwägen sein. Wesentlich erscheint uns die Einsicht Troeltschs, dass dem Interpreten im¬ mer ein sprachlich - begrifflich unauflösbarer Rest verbleibt, der lediglich der Anschauung zugänglich ist. Nimmt man ferner mit Troeltsch den Gedan¬ ken ernst, dass eine geschichtliche Einheit stets ein wahrhaft Neues in sich birgt, so verbietet sich von vomeherein eine Interpretationsmethode, welche ein Einzelwerk nur sozusagen als kausales Produkt von ihm vorangehenden Werken begreift. Was bedeuten die Historizität eines Textes und die Historizität des Interpre¬ ten für hermeneutisch - literaturwissenschaftliche Fragen ? Wenn ich einen literarischen Text interpretiere, wiederhole ich ja nicht einfach das im Text Ausgesagte. Ich paraphrasiere es auch nicht. Ich lasse vielmehr etwas am Text sichtbar werden, das dieser, so wie er sich vordergründig dem Leser oder Hörer darbietet, zwar impliziert, aber so nicht explizit sagt. Ich hebe etwas heraus, was dem ersten Zusehen noch verborgen ist, obwohl es, wie wir zunächst einmal annehmen wollen, "im" Text darinsteckt. Dazu ist nötig, dass das Individuelle ( Individualwesen ) eines gesamten Textes, so wie es sich in den Bausteinen der typenhaften sprachlichen Begriffe in der Sukzession des Textes aufbaut, als ein sich Aufbauendes und in seinen wesentlichen Auf¬ bauelementen und deren komplexen Beziehungen "gesehen" wird. Das derart Gesehene hat sich wiederum in sprachliche Begriffe umzusetzen, welche den Text nicht reproduzieren sondern in seinem Wesen intendieren. Das will also nicht heissen: dasselbe anders sagen. Vielmehr: dasselbe in einer volleren, tieferen, eigentlicheren Weise sehen lassen. Oder: es in Dimensionen sehen lassen, die ihm wesentlich eigen sind, die aber erst der analysierend- synthe¬ tisierenden Schau des Interpreten zugänglich werden, da sie in einem fortwäh¬ renden Verlassen der sukzessiv - linearen Rezeptionsrichtung, einem Hin- und Herspringen, Hin- und Herbeziehen, im bedenkenden Verweilen, im Hin- und Herwenden der Einzelmomente besteht. All diese noch recht vagen und bildhaften Wendungen setzen freilich voraus, dass ein völlig fragloser Konsensus besteht zwischen dem, was der Text vordergrün¬ dig sagt und dem, was das interpretierende Bewusstsein sich erschliesst. Hier

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aber setzen gewichtige Fragen ein. Gerät ein Text dadurch, dass ein Interpret ihn geistig ergreift, nicht schon in eine Dimension ( oder einen Horizont ), wel¬ che nicht derjenigen entspricht, in deren Rahmen der Text ursprünglich von seinem Autor konzipiert und geschaffen wurde ? Zwei speziellere Fragen schliessen sich an diese allgemeine Frage an: wie weit kann der Interpret sich den ursprünglichen Horizont ( der biographisch - psychologischer, politischer, sozial - und kulturgeschichtlicher Art sein kann ) rekonstruieren ? Und zwei¬ tens: heisst Interpretieren nicht immer schon: etwas in einen anderen Hori¬ zont stellen, sei dieser nun weiter, umfassender oder nur anders und im glei¬ chen Masse "begrenzt" wie der ursprüngliche Horizont des Werkes ? Um die Problemlage noch weiter zu erläutern, sei noch einmal Bezug genom¬ men auf phänomenologische Terminologie. In seiner "Einführung in die Phäno¬ menologie" ( 1926 ) führt Wilhelm Reyer das Begriffspaar "Akzept" und "Aspekt" ein. "Akzept" meint nach Reyer die sinnhafte Habe eines Soseins in einer ge¬ meinten Gesamtheit. (145) Diese "Habe" kann sich in mehreren "Aspekten" vollziehen. D.h. ich erfasse und verstehe das Gemeinte jeweils von verschiede¬ nem Blickwinkel aus. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Akzept sich bereits in ( nur ) einem Aspekt "sättigt", bzw. in ihm zur Ruhe kommt. Aber auch die andere Möglichkeit ist in Rechnung zu stellen: ein Aspekt allein befriedigt nicht, ein vages Vorwissen vom Ganzen ( ein Akzept ) drängt über den einen Aspekt hinaus zu anderen Aspekten. (146) Fügen wir von unserer Sicht hinzu: nicht nur ein Aspekt, auch ein Akzept ist geschichtlicher Natur. Nun Hesse sich sagen: ein Dichter folgt in der Weise, wie er seine fiktive ,TWelt" präsentiert, einem Akzept ( möglicherweise in verschiedenen Aspekten ). Mit anderen Worten: seine Darstellung ist nicht Darstellung "der" Welt schlechthin, sondern einer so und so vermeinten, bestimmten, gedeuteten. Zur Frage steht mm: kann der Interpret den Akzept des Dichters zum seinen machen oder hat er einen Akzept des Akzeptes ? Die weitere Frage drängt sich auf, ob der In¬ terpret schon von seinem Akzept einer Welt bzw. von bestimmten Sektoren dieser Welt ausgeht und interpretierend seinen Akzept demjenigen des Dichters unterschiebt. Kehren wir noch einmal zur oben genannten Formel vom "Akzept eines Akzep¬ tes" zurück. Historistisch gesehen (147), ( und nicht alle Phänomenologen sehen es so ) hiesse das, dass der Interpret durch seine eigene geschichtliche Bedingt¬ heit notwendig einen anderen, einen verschobenen Akzept haben muss. Zu fragen wäre jetzt, ob diese "Verschiebung" derart ist, dass der Akzept des Textes voll¬ kommen umgedeutet wird, oder ob es eine Sphäre der Kongruenz zwischen dem Akzept oder Horizont des Interpreten und dem des Werkes gäbe. Wie bereits oben angedeutet, wäre der Akzept des Interpreten auch als ein umfassenderer zu ver¬ stehen, der die ihm geschichtlich vorangehenden jeweils engeren Akzepte sich ein¬ verleibt. Das will zugleich besagen, dass der umfassendere den engeren Akzept

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adäquat als das, was dieser in sich selber ist, versteht. Dies aber ist in neu¬ erer Zeit immer wieder in Zweifel gezogen worden. Ist im Bereich der Gei¬ steswissenschaften tatsächlich alles einmal Gedachte und sprachlich zum Aus¬ druck Gebrachte später immer wieder genau so denkbar ? Oder sterben ge¬ schichtlich bedingte Sichtweisen sozusagen langsam und unwiederbringlich ab, so dass sie in ihrer Ursprünglichkeit nie mehr adäquat nachvollziehbar wären ? Umgekehrt gefragt: ist der von einem Text zeitlich weit entfernte Interpret et¬ wa im Laufe des geschichtlichen Wandels "blind" geworden für bestimmte Be¬ deutungsgehalte ? Erlaubt ein schrittweises behutsames Sich - Zurücktasten am Leitfaden der Sprache eine interpretative Aufhellung der blinden Stellen und: ist dies nur im Rahmen derselben Kultur möglich ? Emilio Betti erklärt, einen Gedanken Schleiermachers wiederaufnehmend, geistige Einsicht sei nie vollendbar ( d.h. sie ist aber immerhin partiell vollziehbar ), da das Geistige, vom Standpunkt des Subjektes gesehen, ein Unendliches sei, das sowohl der Ver¬ gangenheit als auch der Zukunft eines umgreifenden ideellen Ganzen angehöre. (148) Das bedeutete aber: die Identität bzw. der scheinbar feste Bedeutungsge¬ halt eines geistigen Gegenstandes ( z. B. eines Textes ) ist ein stets sich wan¬ delnder. Indem die Geschichte weiterschreitet, fällt ein anderes Licht auf ihn. Ja mehr noch: es ändert sich sein Stellenwert, die Essenz seiner Gliedhaftigkeit im totalen historischen Zusammenhang. "Ist" er folglich nicht mehr der¬ selbe ? Ist er nie " ein für allemal" identifizierbar ? Diese Ansicht vertritt z. B. Ernst Troeltsch. (149) Den wohl gewichtigsten Beitrag zur Problematik des Verstehens in den Geistes¬ wissenschaften unter spezieller Berücksichtigung der Frage der Historizität hat Hans - Georg Gadamer in seinem Buche 'Wahrheit und Methode" geleis¬ tet. (150) Er behauptet ( im Gegensatz zu seinem Kritiker E. D. Hirsch ), dass man in den Geisteswissenschaften keineswegs von einem identischen Gegen¬ stand der Erforschung sprechen könne, wie man dies in den Naturwissenschaf¬ ten tut. (151) Ein solcher Gegenstand "an sich" existiere eben in den Geisteswis¬ senschaften schlechthin nicht. Der wirkliche Sinn etwa eines Textes gehe nicht auf in dem Okkasionellen, das der Verfasser und sein Publikum darstellten. (152) Damit scheint gesagt zu sein, dass der dem Verfasser "vorschwebende" Sinn ei¬ nes Werkes wie auch der von seinem Publikum nach vollzogene Sinn nicht "der" ein für allemal feststehende, eindeutig identifizier bare und unverrückbare Sinn ist. Letzterer sei vielmehr ein sich ständig verschiebender, je grösser der Zei¬ tenabstand zwischen Textabfassung und Textinterpretation werde. Das Ausschöp¬ fen des wahren Sinnes, der in einer geistigen Produktion liege, vollziehe sich als ein unendlicher und unabschliessbarer Prozess. Dafür macht Gadamer nun die Historizität jeglichen Interpretationsvorganges verantwortlich. Im geschicht¬ lich - verstehenden Sich - Versetzen ins "Andere" ( des Textes, der verstanden werden soll und der nach Gadamer ein teilweise Vertrautes, teilweise Fremdes ist ) werde sowohl die ’Tartikularität des Interpreten" als auch die jenes "Ande-

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ren" überwunden und in eine "höhere Allgemeinheit" aufgehoben. (153) Was heisst das ? Indem Gadamer dem zu deutenden Anderen immerhin Partikularität, wenn auch nicht den Status eines für sich fassbaren "Gegenstandes" zuschreibt, sieht er dieses Andere gleichsam in doppelter Perspektive. Einmal als ein in bestimm¬ tem geschichtlichem Augenblick vom Autor Intendiertes, welches, wie es scheint, als geistiges Gebilde in sich fixiert und begrenzt ist. Zum andern aber erscheint das zu deutende Werk als, paradox gesprochen, bewegliche Ausgangsbasis eines unendlich fortführbaren Auslegungsprozesses. Was ist nun mit dem Ausdruck "höhere Allgemeinheit" gemeint ? Wenn in der Tat die geistige Begegnung und verstehende Auseinandersetzung mit einem An¬ deren den Interpreten in einem gewissen Grade aus seinem jeweiligen geistigen Horizont herausrückt, dabei zugleich aber dem Anderen eine Art von Enthebung, ein Anders - sehen - lassen seiner Sinnsubstanz widerfährt, ist damit "Allge¬ meinheit" im Sinne des Auslöschens von verständnishemmender Fremdheit im intersubjektiven Verstehensprozess gemeint ? Oder meint Gadamer, dass sozu¬ sagen ein wechselseitiger Brückenschlag zwischen Interpret und Anderem statt¬ hat und beide geistigen Positionen sich auf der höheren Ebene ( eben der "Brükke" ) vereinigen und somit "allgemein" werden ? Das von Gadamer gebrauchte Bild der Brücke legt die Frage nahe, ob geschichtliches Verstehen eines vergan¬ genen Anders - gewesen - Seins überhaupt denkbar sei ohne die methodische An¬ nahme eines sich in aller Veränderung id enti s ch Durchhaltenden (wie es in älteren hermeneutischen Schriften etwa als absoluter Geist, gemeinsame forma mentis, Leben etc. bezeichnet wurde ). Verstünde man dieses Identische mit Husserl als eide, so müssten dies freilich Wesen von sehr hohem Allgemein¬ heitsgrad bei proportional geringer bzw. nicht p existenter Historizität sein. Der oben erwähnte "Brückenschlag" wird von Gadamer auch mit dem anschau¬ lichen Terminus der "Horizontverschmelzung" bezeichnet. Wir müssen, so for¬ dert er, die Begriffe der historischen Vergangenheit so wiedergewinnen, dass zugleich unser eigenes Begreifen ( als historisch bedingtes ) mit enthalten ist. (154) Wir verschmelzen also im Verstehensakt den Sinnhorizont der zu verstehen¬ den Sache mit unserem durch unsere eigene geschichtliche Situation immer schon konditionierten geistigen Horizont. In der Verschmelzung haben wir zwar auch immer etwas von der "Sache selbst", aber eben doch nicht diese in ihrem An und - für - sich. Die Sache selbst als solche zu haben, d.h. einen Text im stren¬ gen Sinne so verstehen zu können, wie er ursprünglich von seinem Autor inten¬ diert war, ist uns nach Gadamer verwehrt. Das stetige Neu - Einsetzen, das Nie - zum - Ende - Kommen der interpretativen Bemühung gründet nach Gadamer also in der Geschichtlichkeit. (155) Die Ho¬ rizontverschmelzung ist eine immer aufs Neue zu vollziehende. Das Kernproblem, an dem sich auch die Kritik an Gadamer entzündet hat, ist dieses: Gadamer be-

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hauptet, der Sinn einer schriftlichen Aufzeichnung sei zwar grundsätzlich iden¬ tifizierbar und wiederholbar - allerdings ( und hier scheiden sich die Geister ) nicht exakt im ursprünglichen Sinne des vom Verfasser Gemeinten, sondern als "Teilhabe am gegenwärtigen Sinn", d.h. als Resultat der Horizontverschmel¬ zung von Einst und Jetzt. (156) Damit ergibt sich das Paradox, dass ein jeder Ueberlieferungsinhalt zugleich eines und dasselbe ist und doch auch immer ein Anderes, ein vom Blickpunkt des Interpreten aus Verwandeltes. Die Kette der immer neuen Akte der Horizontverschmelzung heisst "Ueberlieferung", und wer verstehen will, ist nach Gadamer mit der Sache ( dem zu verstehenden Text ), die mit (157) der Ueberlieferung zur Sprache kommt, verbunden. Was ist, genauer besehen ( und auf den Fall der Literaturgeschichte einge¬ schränkt ), "Ueberlieferung" bzw. Tradition ? Einerseits: die ständig anwach¬ sende Zahl der originalen, d.h. der Primärwerke, die aber selber schon par¬ tiell Ueberlieferungsgeschehen sind. (158) Ueberlieferung besteht aber auch in der kontinuierlich anwachsenden Menge der schriftlich fixierten Deutungen der Primärwerke. Auch hier hat ein Ueberlieferungsgeschehen statt, ein ständiges Aufnehmen und Weiterverarbeiten vorangegangener Deutungen. Ueberlieferung bedeutet also einerseits ein Weiterreichen, aber das Weitergereichte bleibt nicht dasselbe. Als Ingrediens eines neuen Ganzen, in das es aufgeht, wirkt es weiter und zwar scheinbar auf paradoxe Weise: als das, was es ursprünglich in der Intention seines Schöpfers war und als ein Verwandeltes bzw. Assimiliertes. Das jeweils neue Ganze ist aber mehr als blosser kausal bedingter Ausfluss der zeitlich hinter ihm stehenden Tradition. Es verdankt sich auch einem spontan¬ schöpferischen Akt, der Antwort auf eine neue Lebenslage oder Entwurf einer neuen Wirklichkeit ist. Wie kommt es, dass Verstehen sich als ein unendlicher Prozess der oben ge¬ nannten Horizontverschmelzung erweist, d.h. dass es im Zeitenabstand immer als ein Anders - Verstehen erscheint ? Das heisst doch, dass ein einmal gesetz¬ tes ( schriftlich fixiertes ) geistiges Sinngebilde im Laufe der Zeit nicht schlech¬ terdings exakt als das, was es ursprünglich "an sich" bedeutete, in ein anderes Bewusstsein transferierbar ist. Das gilt, genau genommen, schon für das kontemporane Verstehen von Subjekt zu Subjekt. Wenn solches Verstehen unter Zeit¬ genossen aufzufassen wäre als ein Prozess des Integrierens des Gehörten bzw. Gelesenen in den je eigenen personalen Wissens- und Meinensbestand, dann wür¬ de dem Verstandenen stets ein ( wenn auch nur unmerklich ) anderer Stellenwert zugewiesen, welcher von Individuum zu Individuum differiert. An diesem Punkte zieht Gadamer wiederholt die These Heideggers heran, nach der Verstehen eines Anderen immer schon ein sich - Verstehen ( mit...) sei. (159) Diese Formel kann leicht als Präfiguration des Gadamerschen Bildes von der HorizontverSchmelzung verstanden werden ( sie ers cheint in seinem Buche

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früher als das Bild ). Zu klären wäre hier allerdings, in welchem genauen Sin¬ ne dieses "Sich - Verstehen" gemeint ist. Verstehe ich Anderes nur, indem ich es mir und meinen geistigen Idiosynkratien in gewissem Grad anverwandle ( bzw. mich auch umgekehrt dem Anderen anverwandle ) ? Oder ist gemeint: jedes Verstehen hat als seine Folie etwas vom Eigenen des Interpreten, es sei denn, dass man geistige Inhalte, Bedeutungen als objektiv, losgelöst von allem Subjektiven sozusagen im leeren Raume schwebend und intersubjektiv eindeutig verfügbar postuliert. Dieses Postulat kommt der Position Husserls nahe und würde in der Tat ein "objektives" Verstehen von geschichtlich Vergangenem er¬ möglichen. Doch auch das Gadamer/Heideggersche "Sich - Verstehen" in allem Verstehen schliesst unseres Erachtens zumindest annähernde Objektivität nicht aus, solange man die "Sich" — Komponente darin nicht überbetont und als unab¬ dingbar setzt. Die Gadamer/Heideggersche These setzt voraus, dass ein geisti¬ ges Gebilde ( eine Aussage, ein Text) bei aller intendierten Eindeutigkeit doch multivalent, verschieden auffassbar ist, dass seinem Wesen im Vergleich zum Naturobjekt ein gewisser Diffusionsrand eignet, welcher die Eindeutigkeit gra¬ duell in Mehrdeutigkeit auflöst. Bedeutet nun Gadamers Bild der Horizontverschmelzung, dass in der Geschich¬ te des menschlichen Bewusstseins ständig unwiderrufliche partielle Verdunklun¬ gen, Verständnisblockierungen statthaben, ein Absinken von vergangenem Gei¬ stesbesitz in die UnkenntUchkeit ? Gerade diese Unwiderruflichkeit, wenn sie eine echte Konsequenz des Gadamerschen Denkens darstellt, steht zur Debatte. Fordert der Zweifel an ihr auch den Zweifel am Wesen der Historizität ? Wenn Gadamer meint, der wirkliche Sinn eines geistigen Gegenstandes erwachse erst in seiner Wirkungsgeschichte, so wäre ihm entgegenzuhalten, dass Tradi¬ tion sehr oft auch verzerrt und verfälscht, wie gerade die moderne Rezeptions¬ forschung zum Beispiel in Bezug auf Lessing gezeigt hat. (160) In Wahrheit muss man drei verschiedene Betrachtungsweisen anerkennen, von denen Gadamer die dritte verwirft. Es gibt: a) die "schlechte", falsche, verzerrende Wirkungs¬ geschichte; b) die wahre oder echte. In letzterem Falle muss ( wie auch Gadamer meint ) Wirkung als eine unendlich fortschreitende Entfaltung des Wesens des historischen Gegenstandes gelten. (161) Dieser gibt sich also immer nur phänomenologisch gesprochen - in "Abschattungen". Erst der historische Sicht¬ wechsel ermöglicht überhaupt den Entfaltungsprozess. Geschichtlich bedingtes Verstehen eröffnet also immer neue Aspekte der Sache selbst. Die Unab¬ geschlossenheit des Interpretierens ergibt sich folglich aus dem Wechselbezug von unendlicher Entfaltbarkeit und geschichtlicher Bewegung des Interpreten. Denkt man das oben Ausgeführte konsequent weiter, so muss man annehmen, dass z. B. ein literarisches Werk ( so wie es vom Autor ursprünglich intendiert ist) als ein relativ Unentfaltetes zu gelten habe, dessen Sinn sozusagen noch in knospenhaftem Zustande verweilt. Wäre es nun tatsächlich immöglich,

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verfiele der Historiker in den von Gadamer angeprangertem naiven Objekti¬ vismus des Historismus, wenn er einen dritten Weg (c) zu gehen versuchte, d.h. wenn er den Versuch unternähme, in seinem eigenen Bewusstsein die historisch gewachsenen Erweiterungen, Vertiefungen, Verschiebungen des Wissens, des Lebensgefühls etc. bis auf den Punkt auszulöschen bzw. ein¬ zuklammern, der dem Bewusstseinsstand des von ihm untersuchten Werkes entspricht ? (162) Gerade sprachlich gesehen, müsste es möglich sein, sich gleichsam am verkehrten Ariadnefaden des Bedeutungswandels der Wörter in die dunkle Vergangenheit zurückzutasten. Ist es denn in der Tat ein illu¬ sionäres Unterfangen, das ur- stiftend Intendierte eines Werkes innerhalb seines Wissenshorizontes und als genau dieses freilegen zu wollen ? (163) Damit wird historisches Verstehen als Horizontverschmelzung im Sin¬ ne Gadamers keineswegs bestritten. Wir bleiben Gadamerianer - nur eben mit gewissen Vorbehalten. Dem Historiker weisen wir zwei verschiedene We¬ ge und Aufgabenbereiche zu, nämlich b) und c). Zu fragen bliebe nun freilich: wie sind a) und b) voneinander zu unterschei¬ den ? Gesetzt, der Weg c) sei gangbar: so vermag der Historiker in stetem retentionalem Rückbezug auf das originär - intendierte ( relativ unentfaltete ) Werk die Wahrheit und Echtheit von b) zu erweisen. Denn die Entfaltung muss innere Konsequenz von der ersten bis zur jüngsten Rezeption aufweisen. Sie darf nicht eine Abfolge kontradiktorischer Phasen sein. Nur so kann über¬ haupt a) als schlechte Wirkungsgeschichte aufgedeckt werden, in die willkür¬ lich von aussen sachfremder Sinn hineingetragen wurde. Es scheint in der Tat, dass dies das Verfahren der meisten heutigen Rezeptionsforscher dar¬ stellt. Gadamer verleiht also der Geschichtlichkeit ein viel stärkeres Gewicht als der frühe und mittlere Husserl. Wir wissen, dass letzterer, wie auch andere Phi¬ losophen von Rang, an einer zeitlos - absoluten ideellen Sphäre festgehalten hat, wenn auch manche seiner Schüler, z. B. Ludwig Landgrebe, erwogen, der Wesenssphäre geschichtliche Wandelbarkeit zuzusprechen. (164) Auch Eduard Spranger spricht von einem ( offensichtlich der geschichtlichen De¬ termination entzogenen ) Uberindividuellen erkenntnistheoretischen Subjekt, dem er gleichsam als Gegenpol das psychologische, jeweils aktuelle ( also auch: hi¬ storische ) Subjekt gegenüberstellt. In der Mitte zwischen diesen beiden siedelt Spranger das "geistige Subjekt" an, welches, wie er schreibt, den Verhältnis¬ sen seiner jeweiligen Kultur entspreche, also auch als geschichtlich bedingt zu denken ist. (165) Diese Trinität setzt natürlich voraus, dass das einzelne Sub¬ jekt an allen drei Sphären teilhaben kann bzW. im Zusammenhang mit der lite¬ rarischen Produktion gesehen: dass ein literarisches Werk das gemeinsame Er¬ zeugnis der drei Sphären darstellt. Akzeptiert man die Sprangersche Trinität,

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die sich offensichtlich nicht mit Gadamers Thesen vereinigen lässt, so erhebt sich die Frage, wie denn der Interpret die Scheidelinie zwischen dem Ueberzeitlichen, dem in Husserls Terminologie "Noematischen" am Text und dem Zeitverhafteten zu ziehen in der Lage sei, immer vorausgesetzt natürlich: der Zugang zu beiden Regionen sei ihm, dem Interpreten, unverstellt. Es besteht freilich bei diesem Denkmodell die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass das Geschichtliche letzten Endes zur blossen Variation eines Sich - immer Gleichbleibenden, d.h. eines zeitlos Ideellen degradiert wird, während doch Denker wie Gadamer oder auch Troeltsch dem Geschichtlichen und seinem im¬ mer Neues schaffenden Wandel den Status der Eigenständigkeit und Irreduzibilität zuerkennen möchten. Erich Rothacker versucht in seiner "Logik und Syste¬ matik der Geisteswissenschaften" zwischen einer ( wie er es nennt ) idealistisch rationalistischen und einer historisierenden Verstehensweise zu vermitteln. Der idealistische Rationalist sagt: verstanden werden können im strengen Sinne nur Gehalte als solche und nicht deren psychologische Wurzeln oder das Historische an ihnen. Platos Gedanken als "reine" Gedanken seien nachvollziehbar, nicht aber "das Platonische" an ihnen. Rothacker fordert nun, die Strenge der ratio¬ nal - idealistischen These abschwächend, dass der Funke des Verstehens zwi¬ schen rational - gehaltlichem Begreifen und psychologisierend - historisierendem Verstehen hin- und herspringen solle. (166) Im objektiv Bedeutenden solle eine subjektive Bedeutsamkeit aufblitzen, welche das Objektive erleuchte. Verstan¬ den werde das Erlebte also aus der Sache einerseits, aus den Zusammenhängen ihres Erlebens andererseits. Man muss nun freilich, etwa vom Gadamerschen Standpunkt aus, überhaupt die Möglichkeit des Begreifens "reiner" Gehalte in Zweifel ziehen, indem man behauptet, jegliches geisteswissenschaftliche Be¬ greifen oder Verstehen vollziehe sich schon immer unter historischen Perspek¬ tiven. Es gebe einfach keine reinen, aller Geschichtlichkeit entkleideten Gehal¬ te. Andererseits: gestehe ich einmal die Möglichkeit des Begreifens von reinen Gehalten zu, dann verschwindet die Problematik der Historizität und ich erstel¬ le mir als Interpret eine Basis, auf welcher ein eindeutiges, imgetrübtes Identi¬ fizieren und Reproduzieren, also eine gesicherte Habe geistiger Gehalte gewähr¬ leistet wird.

6.

Zur Frage der Th eo r eti s i e r ba rk eit des Irrationalen

Nehmen wir vorerst in vager und undifferenzierter Weise an, dass Interpretie¬ ren ein rationaler Vorgang sei, der mit sprachlichen Begriffen operiere, so müssen wir uns abschliessend der Frage zuwenden, ob nicht die rationalen Ope¬ rationen des verstehenden und deutenden Auslegers an eine Grenze der Rationalisierbarkeit stossen. In welcher Weise und welcher Form stellt sich dem Inter¬ preten das Irrationale als das Nicht - mehr - Theoretisierbare dar ? Edmund

70

Husserl weist darauf hin, dass die sogenannten "eidetischen Konkreta" , also intuitiv - anschaulich gehabte Wesen, nicht begrifflich exakt fixiert werden können. (167) Immerhin: sie sind anschaulich, und man könnte sich fragen, ob diese Anschauung nicht doch in Sprache ( und speziell: in dichterische Spra¬ che ) umsetzbar wäre, wobei natürlich sprachliche Fixierung keineswegs mit begrifflicher Fixierung gleichzusetzen wäre, wenn auch Philosophen wie Pfän¬ der Sprachlichkeit und Begrifflichkeit gleichsetzen. Schon Kant hat bekanntlich in seiner "Kritik der Urteilskraft" das Problem gesehen. Das Genie, so schreibt er, hat das Vermögen zur Darstellung ästhetischer Ideen: ",. .unter einer äs¬ thetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlasst, ohne dass ihr jedoch irgendein bestimmter Gedan¬ ke, d. i. Begriff, adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann. " (168) Gerade in der Dichtkunst zeigt sich nach Kant das Vermögen der ästhetischen Idee in seinem vollen Masse. Die Einbil¬ dungskraft, die einem Begriff beigesellt ist, schiesst Uber diesen hinaus und regt ein unendliches Denken an, welches den in der Einbildungskraft steckenden Gehalt nie völlig auszuschöpfen imstande ist. So müssen wir mit Kant und Hus¬ serl sagen: es gibt anschauliche Gehalte, die nie restlos in begriffliche Spra¬ che überführbar sind. Soweit Interpretation sich mit solcher Sprache deckt, kommt sie gegenüber dem anschaulich gegebenen Gegenstand nie ans Ende. Gehen wir davon aus, dass ein literarischer Text zwar aus einer Bezugsviel¬ falt von sprachlichen Begriffen besteht, dass aber das vom Text Gemeinte ver¬ schiedene Grade der Abstraktheit aufweist und als Einzelelement jeweils nur schematisch, d.h. mit Unbestimmtheitsstellen, repräsentiert ist. Nun könnte man das Interpretationsverfahren ansehen als einen Versuch, das in sich sel¬ ber nur partiell rationalisierte, d.h. auf eine gewisse Stufe abstrakter Begriff¬ lichkeit gehobene Intendierte eines literarischen Textes auf eine höhere Stu¬ fe begrifflicher Abstraktheit zu heben. Mit anderen Worten: die Interpretation bedeutet eine Transposition des Intendierten, das aus ( schematisch - typenhaft gefasstem ) Anschaulichem plus Abstrakt - Begrifflichem besteht, in eine höhere Stufe der Rationalisierung. Bedenkt man nun, was Husserl über die be¬ griffliche Fixierbarkeit eidetischer Konkreta und was Kant Uber die ästhetische Idee sagen, so wird einsichtig, warum eine Interpretation niemals den Anspruch stellen kann, endgültig und definitiv zu sein. Das vom Dichter Intendierte schiesst ( besonders wenn es in sprachliche Bilder bzw. Metaphern ge¬ fasst ist ) Uber die in abstrakte Begrifflichkeit gefasste Interpretation hinaus. Der Begriff erschöpft die Anschauung nicht. Es fragt sich nun, ob es für einen Gegenstand wie einen literarischen Text eine absolute Grenze der Theoretisierbarkeit gibt'und was dies für das Interpretie¬ ren bedeutet. Kant sprach ja bekanntlich vom unendlichen Denken, das durch die Einbildungskraft angeregt werde.

71

Somit stehen wir vor zwei Denkmodellen, welche die Unvollendbarkeit des Auslegens geisteswissenschaftlicher Gegenstände bzw. die Unendlichkeit der Wirkungsgeschichte demonstrieren wollen. Zum einen das Modell der Unauf¬ lösbarkeit des Anschaulichen ( wohl im doppelten Sinn des sinnlich Wahrgenom¬ menen wie des eidetisch Erschauten ) im abstrakten Gedanken. Wo steckt hier die unendliche Vielfalt ? Offenbar gerade in der fehlenden Adäquatheit des Be¬ griffes gegenüber dem konkreten eidos. Diese Inadäquatheit treibt immer neue begriffliche Deutungen hervor, welche - jedenfalls bei Kant und Husserl - nicht notwendigerweise historisch determiniert sind. Die Notwendigkeit des immer erneuten Anhebens der theoretisierenden Deutung entspringt aus der Natur der Relation von Deutungsprozess und gedeutetem Text selbst. Das andere Denkmodell, mit dem man die Unabschliessbarkeit der Interpreta¬ tion erklären kann, ist nun das die Geschichtlichkeit miteinbeziehende, etwa das Gadamersche Modell. Denkbar wäre durchaus auch eine Vereinigung der beiden Modelle. Der immer wieder veränderte Begriffsapparat, den wir an ei¬ nen teilweise nicht - begrifflichen Gegenstand herantragen, mag seinen eigenen Wandel nicht nur der immer noch imerschöpften Deutbarkeit des Gegenstandes in der Sicht eines Zeitpunktes, sondern auch den veränderten wirkungsge¬ schichtlichen Voraussetzungen verdanken. -j

Noch von einem anderen Gesichtspunkt aus, nämlich dem der Lebensphilosophie, mag man das Irrationalitätsproblem angehen. Ein prominenter Vertreter dieser Philosophie ist Wilhelm Dilthey, mit dessen Werk sich die jüngere Phänomeno¬ logie (169) eingehend auseinandergesetzt hat. Die Lebensphilosophie setzt als den letzten Grund aller Erkenntnis, alles geistigen Schaffens wie auch des interpre¬ tierenden Nachverstehens ein Irrationales an: das Leben. Daraus ergeben sich für die Hermeneutik eine Reihe von Fragen, deren Beantwortung durch Dilthey noch vieles offenlässt. Dilthey setzt voraus, "dass in keiner fremden individuel¬ len Aeusserung etwas auftreten kann, das nicht auch in der auffassenden Leben¬ digkeit enthalten wäre. " (170) Schöpfer und Interpret werden also von Dilthey ge¬ sehen als umschlossen von dem einen Leben, das sich in seinen mannigfachen Aeusserungen, seien diese auch noch so verschiedenartig, nicht selber fremd wird. Dilthey postuliert also einen gemeinsamen und von allen Geistern betret¬ baren bzw. identifizierbaren Grund, auf welchem ein Geist das Produkt eines anderen verstehend sich anzueignen vermag. Was Husserl als die Sphäre des Noematischen oder was immer man überhaupt als zeitlos - ideale Sphäre, als absoluten Geist, Uberindividuelles Erkenntnis Subjekt, gemeinsame forma mentis (171) ansprechen mag - es dient zur Lösung eines hermeneutischen Grund¬ problems in gleicher Weise wie das, was Dilthey an seine Stelle setzt: das Le¬ ben. Aber die Frage bleibt bestehen: wenn nach Dilthey Verstehen ein Vorgang ist,

72

in welchem wir aus Zeichen, die von aussen sinnlich gegeben sind ( also z. B. auch sprachliche Texte ), ein Inneres erkennen (172), vermag der Interpret wirklich "seine eigene Lebendigkeit gleichsam probierend in ein historisches Milieu" zu versetzen "und so eine Nachbildung fremden Lebens in sich herbei¬ zuführen" ? (173) Was Dilthey hier meint, umfasst offenbar weit mehr als bloss ein rationales, begriffssprachliches Kongruieren mit dem ursprünglich Gemeinten eines Textes. Denn, so betont Dilthey, die Glieder des Nachbil¬ dungsvorhanges im Verstehen sind nicht bloss durch logische Operatio¬ nen miteinander verbunden. Was dem Dichter wie dem Interpreten die Feder führt, ist folglich ein Ganzes aus Anschauen, Fühlen, Wollen plus Denken, und es erhebt sich die doppelte Frage: kann es überhaupt dem Ausleger in gleichsam "divinatorischer" Weise ( um das Schleiermachersche Wort zu ge¬ brauchen ) gelingen, sich dieses Ganze zu vergegenwärtigen, es "in sich" nach¬ zubilden ? Und zweitens: wie weit ist die Sprache Träger von Ausdrucksquali¬ täten, die Uber das Begrifflich - Rationale hinausgehen ? Schliesslich: wie weit ist dieses Ausserrationale sprachlich eindeutig fixierbar und vom Interpreten reproduzierbar ? Dilthey verwendet bekanntlich den Begriff der "Kundgebung", um damit einen geistig - schöpferischen Ausdruck ( z. B. einen literarischen Text ) als aus einer Lebenstotalität hervorgegangen zu bezeichnen. Und jene Totalität ist eben mehr als gedanklich fassbarer Inhalt. Wir werden bei Gele¬ genheit der Erörterung der poetischen Metapher noch auf diese Frage zurückkommen. Somit kann etwa ein sprachlicher Ausdruck einmal das meinen, was er als Ausdruck seiner Sprache ( de Saussures "langue" ) meint, oder; was er im Rah¬ men eines lebensbedingten Ausdrucksganzen "bedeutet". Dies kann jeweils et¬ was sehr Verschiedenes sein, da ja "Bedeutsamkeit" bei Dilthey nicht semanti¬ schen Gehalt eines Ausdruckes als Teil "der" Sprache, sondern den spezifischen Stellenwert im Rahmen eines Lebensganzen meint. (174) Was etwas bedeutet, rich¬ tet sich dann nach dem, was etwa in dem betreffenden Leben eines Individuums in dessen Vergangenheit vorausgegangen ist und nach der Richtung, in der dieses Leben sich fortbewegt ( für "Leben" wäre hier auch "Gesamtwerk" einsetzbar ). Bedeutung ist damit der Wert, welchen ein Zustand, ein Bestandteil meiner Existenz im Zusammenhang des Lebens hat. Somit muss sich für Dilthey die Fra¬ ge stellen: wie zulänglich ist eine mit sprachlichen Mitteln arbeitende Interpre¬ tation gegenüber ihrem Gegenstand ? Dilthey muss zugeben, dass das Auffassen fremder Individualität nur möglich ist mittels Typisierung. Greift aber nicht je¬ de Typisierung notwendig zu kurz ? Dilthey weiss sehr wohl, dass nicht jede geistige Aeusserung in ihrem je Eigenen restlos nachvollziehbar, übertragbar, Uber die Zeiten hin identisch kommunikabel ist. Nur den Wissenschaften spricht er Allgemeingültigkeit zu, da ihre Wahrheiten übertragbar seien. Weltanschau¬ ungen dagegen seien nur erlebbar und verstehbar. Das heisst aber: wir können sie in einer über das bloss Rationale hinausgehenden Weise aneignen, nicht aber ein-

73

deutig nachvollziehen und auf ein allgemeinverbindliches Medium übertragen. Leben selbst, so räumt Dilthey ein, kann nie durch einen geschlossenen Be¬ griffszusammenhang, sondern nur im Gleichnis, "wie in einer Bilderschrift (175), eingefangen werden. Was ergibt sich aus den Diltheyschen Erwägungen für die hermeneutische Pro¬ blematik ? In einen literarischen Text geht ( implizit ) stets sehr viel mehr ein als ein abstrakt - begrifflich sagbarer rationaler Gehalt. Dieses "Mehr" er¬ wächst aus dem Irrationalen, dem Leben. Gesetzt nun, dem Interpreten ist die¬ ses Mehr nicht durch seinen geschichtlichen Abstand verdunkelt, so mag er sei¬ nerseits die Totalität seiner Lebensäusserungen ( Anschauen, Fühlen, Wollen, Denken ) zum Einsatz bringen, um in sich das vom Dichter zum Ausdruck Ge¬ brachte nachzuvollziehen. Wie weit nun gelingt es einem solchen Nachvollzug, Nicht - Rationales in rationale Begrifflichkeit zu transponieren und damit zu klären bzw. wie weit muss er - wie sein Text - im Gleichnis, in der "Bilder¬ sprache", im implizit Angedeuteten verharren und gelangt somit nicht zur völ¬ ligen Durchrationalisierung seines Gegenstandes ? Schöpft der Begriff das Le¬ ben ebensowenig aus wie das eidetische Konkretum oder die Kantische "ästhe¬ tische Idee" ?

74

II

TEXTSEMANTIK UND INTERPRETATION

Da Dichtung ein sprachliches Gebilde ist, liegt es nahe, nach dem Beitrag der linguistischen Forschung zur Lösung der Probleme literarischer Interpreta¬ tion zu fragen. Innerhalb der neueren Linguistik darf die Semantik als derje¬ nige Teilbereich gelten, von welchem der Theoretiker der literarischen Inter¬ pretation am ehesten bestimmte Fingerzeige in hermeneutischen Fragen er¬ warten darf. Die Semantik wird herkömmlicher Weise als die Lehre von der Be¬ deutung der sprachlichen Zeichen und Zeichenkomplexe definiert. Hierbei stellt sich jedoch sofort die Frage, in welchem Sinne "Bedeutung" selbst aufzufassen sei. In seiner "Einführung in die Semantik" führt der polnische Linguist Adam Schaff vier ( genauer gesagt: acht ) mögliche Auffassungsweisen von "Bedeutung" an (1): 1)

die Bedeutung ist der Gegenstand, dessen Name das Zeichen ist.

2) 3)

Bedeutung ist eine Eigenschaft von Gegenständen ( z. B. "ideell" ) Bedeutung ist ein ideeller Gegenstand bzw. eine inhärente Eigenschaft des Ge¬ dankens

4)

Bedeutung ist eine Beziehung a) zwischen Zeichen und Gegenstand b) zwischen Zeichen und dem Gedanken Uber den Gegenstand c) d)

zwischen Zeichen und dem Handeln der Menschen zwischen den Menschen, die sich mit Hilfe von Zeichen verständigen

e)

zwischen Zeichen

Im Falle der Deutung literarischer Texte dürften 3) sowie 4a) und 4b) von vordring¬ lichem Interesse sein. Dies wird sich in den folgenden Erörterungen bestätigen. Nun ist das Feld unserer Betrachtung nochmals einzugrenzen. Im Rahmen der jüngsten semantischen Forschung ( und die Unguistische Semantik ist bekanntlich erst in den letzten beiden Jahrzehnten entscheidend vorangetrieben worden ) wen¬ den wir uns demjenigen Forschungszweig zu, welcher sich mit Texten, speziell: literarischen Texten, befasst. Das Hinaus schreiten der Semantik über die blosse Wort - oder Sachbetrachtung ist vollends ein junges Unternehmen. Seine Entwick¬ lung umspannt gerade etwa ein Jahrzehnt. Wir haben zum Zwecke unserer Ueber— legungen das Werk von vier zeitgenössischen Linguisten herangezogen, welche sich alle intensiv um eine literarische Textsemantik bemüht haben und deren For-

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schungsergebnisse sich in vielen Punkten berühren. Im Folgenden besprechen wir - unter kritisch - hermeneutischem Gesichtspunkt - Aroeiten von Algirdas Greimas, Götz Grossklaus, Walter A. Koch und Teun A. van Dijk, bevor wir, angeregt durch die Forschungen der genannten Linguisten, selbst ein kleines Probestück einer textsemantischen Analyse geben.

1.

Algirdas J.

Greimas'

strukturale Textsemantik

Um die textsemantische Methodik von Greimas (2) zu verstehen, sind einige ter¬ minologische Erklärungen vorauszuschicken. Was der Nicht - Linguist gewöhn¬ lich als "Wort" bezeichnet, heisst in der Linguistik, welche genauer differen¬ ziert als der übliche Sprachgebrauch, ein "Lexem". Ein Text besteht also aus bestimmten Sequenzen von Sätzen und letztere aus syntaktisch geordneten Lexe¬ men. Das Lexem selbst kann nun in verschiedene Bedeutungseinheiten aufgelöst werden, welche jeweils erst in ihrer ( kontextbedingten ) Zusammensetzung die jeweilige Gesamtbedeutung des betreffenden Lexems ausmachen. Diese Einhei¬ ten nennt die Linguistik "Seme". Dabei unterscheidet Greimas zwischen Semen, welche dem Lexem sozusagen "an und für sich", als invarianter Kern, zukom¬ men und solchen Bedeutungseinheiten, welche ihm erst in einem bestimmten sprachlichen Kontext Zuwachsen. Letztere nennt er auch "Klasseme" (3). Sie sind meist abstrakter Natur. So liesse sich beispielsweise in der deutschen Sprache das Lexem "Hand" auflösen in einen Sem - Kern, zu dem etwa die Seme "Gegenstand", "menschlich", "belebt", "körperliches Glied bzw. Extre¬ mität" gehören könnten , desgleichen das Klassem "Instrumentalität" ( fassen, greifen, etc.) Je nach dem Kontext ( man denke vor allem an die sogenannten "übertragenen" Bedeutungen ) können dann noch weitere Seme ( Klasseme, d. h. kontextuelle Seme, nach Klassen geordnet bzw. abstrahiert ) hinzutreten, z. B. das Klassem "Heirat" bzw. ein Sich - Verbinden mit der gesamten Person in: "Er hielt um ihre Hand an". Man kann nun den gesamtsprachlichen Bestand der Seme innerhalb einer natürli¬ chen Sprache inhaltlich in verschiedene Kategorien einteilen, die sogenannten Semkategorien: z. B. Farbe ( weiss - schwarz ), Grösse ( klein - gross ), wel¬ che ihrerseits eine Struktur entgegengesetzter Pole mit eventuellen Zwischen¬ werten ( wie die Beispiele in Klammem zeigen) aufweisen können. Ein Lexem ist folglich der Ort der Manifestation und des Zusammentreffens von Semen, die oft aus verschiedenen Semkategorien stammen. (4) Lexeme können in der Geschich¬ te ihres Bedeutungswandels mit Semen angereichert werden bzw. sie können Se¬ me verlieren. (5) Ein Lexem, welches aus einem Semkem und kontextuellen Se¬ men besteht, heisst bei Greimas ein "Semem". Die Beziehungen der Seme unter¬ einander innerhalb eines Lexems bzw. Semems sind geordneter ( hierarchischer)

76

Art, d.h. also: Seme sind nicht willkürlich - ungeordnet akkumuliert, gleich einem Haufen von Sandkörnern. Ein einfaches Beispiel für eine solche hierarchische ( oder wie manche Linguisten auch sagen: syntaktische ) Ordnung wäre: bestimmt

unbestimmt gut

schlecht

Was bedeuten diese semantischen Beobachtungen nun für die Analyse eines lite¬ rarischen Textes ? Es kann ja nicht darum gehen, jedes einzelne Semem zu ana¬ lysieren, was allenfalls in einem Gedicht oder in einem relativ kurzen Prosa¬ text praktikabel wäre. Schon eher liesse sich die Beobachtung der semantischen Kohärenz sozusagen linear von Satz zu Satz bewerkstelligen. D.h. man fragt sich, was erzeugt, semantisch gesehen, den Zusammenhang zwischen einem Initialsatz und dem nächstfolgenden, dann dem darauffolgenden etc. ? Greimas geht es jedoch um den Bedeutungsaufbau bzw. die Bedeutungsstruktur eines li¬ terarischen Textes in toto, und das heisst, dass das semantische Bezugssystem komplexer zu sein hat als das linear - progressive. Hier führt nun Greimas den wichtigen Begriff der "Isotopie" ein. (6) Das Fachlexikon belehrt uns, dass man unter Isotopen eines von zwei oder mehreren Atomen versteht, deren Kerne die¬ selbe Anzahl von Protonen besitzen, aber eine jeweils verschiedene Anzahl von Neutronen. Die Uebertragung des naturwissenschaftlichen Terminus in die Lin¬ guistik bzw. die Literaturtheorie bedeutet also, dass der Interpret sich bemüht, semantische Einheiten ( Seme, Semem - Komplexe ) im Text aufzufinden, wel¬ che dieselbe hierarchisierte KLassem - Basis aufweisen aber gleichzeitig semische Differenzen enthalten. Es handelt sich also um Sememe, welche innerhalb eines textlichen Kähmens in voneinander differierenden Kontexten Vorkommen. Entkleidet man diese Aussagen der Fachterminologie, so liesse sich auch sa¬ gen: es sind inhaltlich - thematisch zusammengehörige Wörter, Wortgruppen ( "Themen", "Bilder", "Motive", "Symbole", etc. ) aufzufinden. Was sie genau miteinander verbindet, ist semantisch zu analysieren. Schliesslich sind in ei¬ nem Meta - Text ( Interpretation ) Aussagen über Eigenart und Struktur des so eruierten Bedeutungsgefüges zu machen. (7) Die thematischen Aehnlichkeiten oder Verwandtschaften, welche die Analyse zutage fördert, nennt der Linguist Aequivalenzen. Sie beruhen auf ( zumindest partieller ) Sem - Identität. Die thema¬ tisch entscheidenden Sememe heissen bei Greimas auch "Aktanten". Sie tauchen iterativ im Text auf, möglicherweise in verschiedener lexikalischer Gestalt ( in verschiedenen "Formulierungen" ) und konstituieren sich im "Verlauf" des Tex¬ tes mittels sukzessiver Attribuierungen von Sem - Bestimmungen. (8) Ein Bei¬ spiel für solche Aktanten wäre etwa das thematische Paar "Leben" - "Tod" im Rahmen eines bestimmten Werkes ( etwa desjenigen von G. Bemanos, das Grei¬ mas am Ende seines Buches als Beispiel heranzieht). Sind nun die verschiedenen einzelnen "Manifestationen" einer Isotopie im Text ein-

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mal als solche erkannt, d.h. habe ich z. B. eine Liste aller Wörter und Aus¬ drücke, die sich im Text auf ein Gemeinsames beziehen, so schreite ich fort zur "Reduktion" der Liste auf den zugrundeliegenden gemeinsamen Aktanten, z. B. "Tod". Ein Teilvorgang interpretierenden Analysierens ist also die Su¬ che nach Konstanten des Inhalts auf Kosten seiner Variablen. (9) Die Variab¬ len, welche die Kontexte von thematischen Leit - Sememen ausmachen ( z. B. eine spezifische BedeutungsVariante von "Tod", die sich an einem Ort oder an mehreren Orten des Textes manifestiert ) können selbst wieder nach ih¬ ren Sub - Kontexten befragt werden und so fort bis zur Erschöpfung des the¬ matisch wesentlichen Bestandes eines Textes, welcher als geschlossenes sprachliches Mikrouniversum anzusehen ist. Die oben beschriebene struktural - semantische Methode birgt nun einige her¬ meneutische Probleme, welche überdies auch auf die eingangs gestellte Frage nach dem Sinn von "Bedeutung" zurückverweist. Zuerst: was garantiert uns die Richtigkeit und Exaktheit der Sem - Analysen ? Wir müssen aus dem textexternen "Kontext" von anderen Texten derselben Zeit erst einmal den jeweils historisch bedingten Sprachgebrauch der Zeit kennen, um Fehlanalysen weitge¬ hend vermeiden zu können. Zudem ist zu unterscheiden zwischen der Bedeutung eines Wortes, so wie die geschichtlich bestimmte Synchronie des allgemeinen Sprachgebrauchs sie zu einem Zeitpunkte vorschreibt und der Bedeutung, die es innerhalb eines literarischen Textes hat, der vielleicht seinen eigenen, vom "normalen" Verständnis abweichenden Bedeutungscode besitzt. Der hermeneu¬ tische Wert eines Vorgehens wie des von Greimas vorgeschlagenen liegt unse¬ res Ermessens hauptsächlich im expliziten Sichtbarmachen eines dem Text un¬ terliegenden bzw. inhärenten Bedeutungsgerüstes in allen seinen wesentlichen Verzweigungen. D.h. wir bekommen im Endresultat dieses Gerüst simultan in den Blick, während dessen Einzelbezüge, die thematischen Längs- und Querver¬ bindungen bei der Textlektüre immer nur partiell und in der durch die Sukzes¬ sion bedingten Isolierung "gesehen" werden. Zu warnen ist vor der Tendenz, der manche Linguisten, wie es scheint, zu stark nachgeben, nämlich den Text einem bestimmten ( z. B. nach "Oppositionen" ausgerichteten ) Strukturmodell anzumes¬ sen statt umgekehrt die Struktur vom jeweiligen Text abzuheben.

2.

Götz

Grossklaus'

semantische Analyse eines

Heine T exte s

Grossklaus analysiert die Heineschen "Reisebilder", insbesondere den zweiten Text des zweiten Teiles: "Ideen. Das Buch Le Grand". Sein Vorgehen ähnelt bis zu einem gewissen Grade demjenigen von Greimas. Einer Bemerkung des Lin¬ guisten Jakobson folgend ( die auf F. de Saussure zurückgeht ), betrachtet Gross-

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klaus bestimmte Bedeutungen und Bedeutungskomplexe nach zwei Gesichtspunk¬ ten: zum einen nach dem der "Kombination" bzw. nach dem "syntagmatischen" Blickwinkel. Das heisst: "In der syntagmatischen Ordnung hängt der Wert ei¬ nes Gliedes ab von seinem Kontrast zu dem, was voraufgeht, und dem, was folgt- ( da durch den linearen Charakter der Bezeichnung ein Glied nicht gleich¬ zeitig mit anderen stehen kann ). " (10) Das hiesse also, dass der semantische Wert etwa eines Prädikates sich auch aus den Elementen bestimmt, mit denen es in einem Satz in Verbindung steht. Für die übersatzmässige, also textliche semantische Analyse bedeutete das, dass in Analogie zum Satzmodell ein se¬ mantisches Element seinen bestimmten Stellenwert in der linearen Abfolge des gesamten Textes und aller anderen Elemente besitzt. Der andere Blickwinkel ist der der "Selektion" bzw.. der "pragmatische" ( oder "assoziative" ): "In der assoziativen Ordnung hingegen opponiert ein Glied mit denjenigen anderen, mit denen es ( durch Aehnlichkeit oder aufgrund gemeinsamer Unterschiede ) 'etwas gemein hat' und die nicht in der Rede, d.h. im jeweiligen gesprochenen oder ge¬ schriebenen Satz Vorkommen, weil eben dies Glied erscheint. Es handelt sich um eine Beziehung in absentia (in Abwesenheit der Glieder, mit denen das frag¬ liche Glied in assoziativer Beziehung steht) und nicht in praesentia ( in Anwesen¬ heit der voraufgehenden und nachfolgenden Glieder ). Die Glieder der assoziati¬ ven Beziehung sind eine 'virtuelle mnemotechnische Reihe', deren Sitz 'im Ge¬ hirn ist'. "(11) Hier handelt es sich also, wie Grossklaus formuliert, um seman¬ tische Aequivalenzklassen, z. B. thematische Gruppen wie "Tod - Leben", "Gut Böse", "Traum - Wirklichkeit" usw., die also alle innerhalb ihres eigenen Sys¬ tems oder Paradigmas situiert sind, noch bevor sie in Sätze eines Textes, d.h. in eine Reihenfolge mit anderen semantischen Elementen aus anderen Aequiva¬ lenzklassen eingehen. Dabei übernimmt Grossklaus die Chomskyschen Begriffe von Tiefenstruktur und Oberfläche, freilich von der Ebene der Syntax auf die der Semantik übertragen. Er setzt ein Schema ganz allgemeiner ( und "leerer" ) semantischer Kategorien an, aus denen dann sozusagen stufenweise herabsteigend und individualisierend die spezifischen Isotopien bzw. Aequivalenzklassen hervorgehen ( "generiert" werden ). Eines dieser Schemata sieht z. B. so aus: T (Text)

lehr

Gesellschaft

privat_

öffentlich

I

Beruf

Kollektivzeit

rotional

rational Liebe

Kindheit

Unglück Glück

eit

Revolution Restauration

Fiktivzeit Individualzeit' Leben Tod^

Gespräch

Man sieht, je weiter man nach "unten" absteigt ( oder: an die lexematische Text¬ oberfläche aufsteigt ), desto mehr muss das Schema sich dem individuellen, welt-

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anschaulichen "Universum" des betreffenden Schriftstellers anpassen. Nur die allgemeinsten Kategorien besitzen universale Gültigkeit. Der Heinetext schliesst in seinem Wortlaut ( seinem lexematischen Bestand ) an die vierte und unterste der oben skizzierten Schichten an, wobei einzelne thematische Lexeme wie

Kind¬

heit", "Glück", "Tod" bereits an der Textoberfläche selbst stehen können, also nicht nur Sammelbegriffe für Isotopien zu sein brauchen. (12) In einem anderen Schema (13) ( zu einem anderen Kapitel der "Reisebilder" ) erscheinen unter der Rubrik "öffentlich" z. B. folgende semische Subkategorien: öffentlich Bourgeoi sle^Xxi stokrati e _jüdiscbf kathol. Konvertit

Reformjude

antisemitisch christlich - katholisch P laten

Nun schreibt Grossklaus (14), die Struktur eines poetischen Textes sei bestimmt durch ein System textinterner Aequivalenzrelationen. Er weist mehrere themati¬ sche Aequivalenzklassen auf, zeigt deren Situierung in der Längserstreckung des Textes als Glieder einer Kette von ähnlichen wie auch andersartigen semantischen Elementen ( Sememen, Sememkomplexen ). Dies wäre also der syntagmatische Aspekt. Zugleich aber werden die semantischen Aequivalenzen in ihrer themati¬ schen Eigenstruktur paradigmatisch nachgezeichnet. Ein Beispiel: (15) eine so¬ genannte Leitäquivalenzklasse besteht in dem Ausdruck "die kleine Veronika". Es handelt sich im Heinetext um wiederholte vage Anspielungen auf das Schick¬ sal eines kleinen früh verstorbenen Mädchens. Das textliche Vorkommen dieses semantischen Komplexes ist in der Längserstreckung der Heineschen Kapitel V, X, XVI, XVn und XIX mehrfach nachzuweisen. Zu dieser Leitäquivalenzklas¬ se gruppieren sich nun untergeordnete "Subäquivalenzklassen", deren lineare Distribution im Text ebenfalls in einem Schema festgehalten wird ( für dieselben Kapitel). Zugleich aber "entfalten" sich diese Subäquivalenzklassen sozusagen in ihren eigenen paradigmatischen Systemen ( bzw. variablen semantischen "Ma¬ nifestationen", um den Greimasschen Ausdruck zu gebrauchen ). So gehören z. B. paradigmatisch zusammen: Sagen+ Märchen + Geschichten + Liebesiegende - und: todkrank + sterben + Gräber + Leiche + Tod + Toterihemdchen sowie ähnliche pa¬ radigmatische Gruppen. Der Terminus der Aequivalenz wird übrigens bei Gross¬ klaus in mehrere mögliche Erscheinungsweisen aufgefächert wie: Synonymität, Analogie, Identität, Antonymie und Opposition. Es gibt in Heines Text Aequiva¬ lenzen semantischer Art, die sich auf den relativ engen Raum eines Kapitels be¬ schränken und andere, welche den gesamten Grosstext ( "Ideen. Das Buch Le Grand" ) Überspannen. Daneben enthält der Text bestimmte integrative semanti¬ sche Elemente, welche die einzelnen thematischen Gruppen miteinander verbin¬ den. Die Analyse der semantischen Struktur erweist sich gerade bei diesem Hei¬ netext als unerlässlich, da Heines Prosatechnik hier von der Tradition der mehr

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oder weniger linear - progressiv durcherzählten Fabel abweicht und eine nicht¬ teleologische Montage- bzw. Flicktechnik benutzt, deren innerer Zusammenhalt gerade durch das semantische "Zuweisungsspiel der Aequivalenzen" gewährlei¬ stet wird. (16) Der Beitrag von Grossklaus

versteht sich zunächst als pure Beschreibung, der

die eigentliche thematische Interpretation des semantischen Bezugsnetzes erst noch zu folgen hat.

3.

Walter A.

Kochs textsemantische Analysen

In zahlreichen Aufsätzen hat W. A. Koch textsemantische Probleme behandelt. Seine Methodik zeigt gewisse Aehnlichkeiten mit den Verfahren von Greimas und Grossklaus. Die zentralen termini technici bei Koch sind: linking, reduction, topic, comment und theme. Unter ,ltopic" versteht Koch zunächst einmal Lexeme oder Lexemgruppen, welche im Rahmen eines Satzes Träger des We¬ sentlichen der Aussage sind. Alles Andere ( Nebensächliche ) erhält das Eti¬ kett "comment". Ein kohärenter Text muss nun so aufgebaut sein, dass Konne¬ xe bzw. Aequivalenzen zwischen den topics der Sätze bestehen. Um diese fest¬ zustellen, muss man sozusagen die semantischen Brücken von Satz zu Satz schlagen ( "linking" ). Für dieses Verfahren bietet übrigens Wolfgang Dressier (17) eine Liste von Konnexformen, die auf eine Typologie des "linking" ( Ver¬ bindens ) von "topics" anzuwenden wäre. Er nennt: Kausalität, Raum/Zeit, Aequivalenz, Gegenüberstellung, Erklärung, Spezifizierung, Vergleich, begleiten¬ der Umstand. "Theme" stellt die gegenüber den topics nächsthöhere semantische Einheit dar. Es basiert auf Aequivalenzbeziehungen ( Gesetz - Konnexen nach den Kategorien "wenn... dann", "Raum/Zeit", "Deskription", "Aequivalenz" ) zwischen den se¬ mantischen Inhalten ganzer Sätze. Der Vorgang der "reduction" bedeutet schliess¬ lich einen äussersten inhaltlichen Konzentrations- bzw. Abstraktions Vorgang, welcher nur noch die topics berücksichtigt und auch diese weitgehend vereinheit¬ licht. Wir geben im Folgenden ein Beispiel topikaler Analyse von Koch mit der dazuge¬ hörigen formelhaften Notierung. Der Text entstammt einem Gedicht von Donne (18)

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S (1)

want

I

that

o o X(X ) ( X 3 1

o

o X

X 1

2

(1)

(2)

(3)

though

some

1 X(X) 1

(X

X

have

o

o X

X

) 3

2

(5)

(4)

said

proud,

that

he

2 (7)

(3)

X 1

not

is

o o X(X ) (X 3 1

o

o

(6)

and

Death

is

mighty

0 X

o X

2

3

(4)

(8)

dreadful o X )) 3

(8)

Das Symbol S fasst innerhalb des Gedichtes jeweils zusammenhängende syntakti¬ sche Grossgruppen ( was nicht immer identisch mit im traditionellen Sinne abge¬ schlossenen Sätzen ist) zusammen. Das Symbol X steht für einzelne kleinere syntaktische Einheiten ( was nicht immer identisch ist mit: "Worten" ). Es steht für topikfähige Logeme ( Sememe, Sememgruppen ). Die Superskript - Nullstel¬ len bezeichen Teile von maximal reduzierten Sätzen, die Superskripte 1,2 usw. jeweils determinierende Ergänzungen. Eine Superskript 1 - Stelle determiniert immer eine Superskript - Nullstelle, eine Superskript 2 - Stelle immer eine Superskript 1 - Stelle usw. Präpositionen und Konjunktionen erhalten ein undif¬ ferenziertes X. Gewisse syntaktische Untergruppen werden in runden Klammern zusammengefasst. Ihnen wird ( ebenfalls eingeklammert ) ein sie repräsentieren¬ des X - Symbol vorangesetzt. Die Subskripte neben dem X geben an, wievie¬ le Einheiten einem Null- ( oder 1-, 2- etc.) Superskript im betreffenden S zuge¬ hören ( d.h. sie werden innerhalb eines S fortlaufend durchnummeriert). Schliess-

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lieh geben die in Klammern gesetzten

Zahlen in der Reihe unterhalb der X -

Symbole und ihrer Sub- und Superskripte die zu verbindenden topics an, d.h. die uns eigentlich interessierenden semantischen Kohärenzen bzw. Redundan¬ zen ( modifizierte Repräsentationen mit partiell identischem semischem In¬ halt ). Man sieht sofort, dass z. B. "death" und "he" (3) ( Pronominalreprä¬ sentation ) zusammengehören. Ebenso das identische "is" (4). Koch benutzt noch eine andere Notierungsweise, in welcher er statt der in Klam¬ mern gesetzten Zahlen römische Ziffern verwendet, um die topics zu numerieren Die syntaktischen Ebenen werden in diesem Falle durch verschiedene Druckty¬ pen repräsentiert. Ein zusätzlicher Begriff, welcher für das linking von topics entscheidende Hil¬ fe zu leisten vermag, ist noch zu erwähnen: die Katalyse. Betrachten wir fol¬ genden Kurztext (19): '1 wanted to leave the house; the door was open. " Hier verbinden wir "house" und "door", da wir - wenn auch nur gedanklich im Stil¬ len - zum Text gewisse semantische Implikate ( die aber nicht textlich "daste¬ hen" ) hinzufügen. Etwa: I wanted to leave the house. The door ( of the house ) was open. Dieser an einem relativ simplen Beispiel erläuterte Vorgang kann für die Interpretation wesentlich werden. Wenn Koch formelhafte Notierungen verwendet, unterzieht er (im Gegensatz zu Greimas und Grossklaus ) kurze Texte der Analyse, was ihm erlaubt, sämt¬ liche topics des Textes zu erfassen und die Textkohärenz vollständig zu beschrei¬ ben. Bei umfangreicheren Texten ( Dramen, Erzählungen, Romanen ) wird man selektiv verfahren müssen, um ein Gerüst der thematisch entscheidenden topics und ihrer Wechselbezüge aus dem Text abzuheben. Bei einigen der von Koch un¬ tersuchten Texte ergeben sich bestimmte Muster der Verteilung und Häufigkeit der topics (20), welche für eine daran anknüpfende Interpretation gewissen Aufschluss¬ wert besitzen dürften. Auf die topikale Analyse folgt mm nach Koch die Reduzierung. Das bedeutet zum einen, dass ein Textkonzentrat hergestellt wird, das möglichst frei von comments ist. Zudem werden die verschiedenen topikalen Repräsentationen oder Manifesta¬ tionen ( Greimas ) auf das in ihnen Invariante zurückgeführt ( auf den Greimasschen "Sem - Kern", könnte man sagen, obwohl Koch sich in den von uns heran¬ gezogenen Arbeiten nicht explizit auf Greimas beruft ). Was kommt dabei heraus ? Koch gibt u. a. folgendes Beispiel: Come then, as ever, like the wind at moming ! Joyous, o Youth, in the aged world renew Freshness to feel the eternities around it, Rain, stars, and clouds, light and the sacred dew.

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The strong sun shines above thee: That strength, that radiance bring ! If winter come to winter When shall men hope for spring ? Das Gedicht lässt sich reduzieren auf: "Youth shall come" oder in einer etwas erweiterten Form: "If unyouthfulness comes to the aged world, youth does not come to the aged world, which then does not feel the eternities. " (21) Man sieht, das Ergebnis läuft praktisch auf eine abstrahierende thematische Zusammenfas¬ sung des Gedichtes hinaus, welche der nicht linguistisch geschulte Interpret vielleicht nach mehrfacher aufmerksamer Lektüre des Textes ohne "linking" und "reduction" zu Papier zu bringen vermöchte. Allerdings sichert ihn das textsemantische Verfahren vor einer allzu subjektiven Auffassungsweise. Wir haben hier nur ein spezifisches Beispiel von Reduktion gegeben. In der Theo¬ rie gibt es nach Koch allerdings mehrere Reduktionstypen, z. B. Aufzählung, Selektion, "involving" ( Enthaltensein von x in y ) und Zusammenfassung. Um dem Verfahren voll gerecht zu werden, müsste man Textbeispiele für jeden dieser Ty¬ pen vor Augen haben. Koch gibt zu (22), dass der semantische Prozess des "linking" und der "reduc¬ tion" nicht völlig zwingende Stringenz aufweist, solange der Kontext noch andere Möglichkeiten des Verbindens bzw. Zurückführens zulässt. Das angewandte se¬ mantische Verfahren, gleichsam eine Mikroskopie der im Text enthaltenen Bedeu¬ tungseinheiten und ihrer Wechselbezüge, darf nicht als eine von jeglicher Ambigui¬ tät freie quasi - naturwissenschaftliche Prozedur angesehen werden. Sie ist ein wertvolles Hilfsmittel der Interpretation, für die sie eine beschreibende Grund¬ lage schafft, selbst wenn sie, wie Koch schreibt (23), zum gegenwärtigen Zeit¬ punkt noch in den Kinderschuhen steckt. Es drängt sich wiederum die Frage auf: was ist der hermeneutische Erkenntnis¬ wert der eben skizzierten textsemantischen Methode ? Ist zum Beispiel Reduktion im Sinne Kochs ein Herauslösen von Bedeutung aus dem Textganzen, oder ist es nur ein formelhaftes Verkürzen bzw. Schematisieren ? Es besteht kein Zweifel, dass in der Tat ein semantisches Reduzieren ( besonders bei langen Texten ) be¬ reits einen wesentlichen Bereich des Interpretationsvorganges ausmacht. Die topikale Analyse mag zwar in gewisser Hinsicht noch eher den Charakter einer her¬ meneutisch unverbindlichen "blossen" Beschreibung haben. Ihr aber hat die Ueberlegung zu folgen, was denn nun das Muster der topics für den Sinn des in Frage stehenden Textes bedeutet, und die Reduktion ist nur ein Schritt auf dem Wege zur Beantwortung dieser Frage. Der eingangs erwähnte und definierte Terminus des Themas ( "theme" ) darf als Zwischenglied zwischen topic und reduction des ge¬ samten Textes angesehen werden. Ueber dem "theme" wären dann noch höhere textsemantische Einheiten anzusetzen wie etwa "paragraph" ( Abschnitt ) und "dis-

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course" ( eine in sich relativ abgeschlossene Grosseinheit innerhalb des Tex¬ tes, möglicherweise ein Kapitel ). (24) Mit dem Verfahren von linking und reduction geht übrigens oft ein abstrahie¬ rendes expandierendes Vorgehen parallel, besonders wenn es sich um Tex¬ te handelt, welche Gedankliches in bildhafte sprachliche Elemente verschlüsseln, wie das Beispiel der Analyse eines Celan - Gedichtes von Koch augenfällig be¬ weist. (25) Katalytische Deutung ist hier unlöslich verbunden mit den nur - be¬ schreibenden und strukturierenden Verfahrensweisen der Textsemantik. Schein¬ bar nicht zueinander "passende" lyrische Bilder können erst einander zugeord¬ net werden, wenn ihr figurativer wie nicht - figurativer Sem - Inhalt im Rahmen des Celanschen "Idiolektes" ( oder des Idiolektes des betreffenden Gedichtes ) freigelegt ist. Dies aber stellt einen expandierenden, d.h. einen interpretativen Vorgang dar, welcher zu einem begrifflich - abstrahierenden Metatext führt.

4.

Die Textsemantik Teun A.

van Dijks

Van Dijk verbindet in seinen zahlreichen Arbeiten, welche dem Fernziel einer "generativen Poetik" zustreben, Einsichten von Greimas mit sprachlich - theo¬ retischen Modellvorstellungen Noam Chomskys. Er übernimmt den Begriff der Isotopie sowie die Sem- bzw. KLassemanalysen. Gleichzeitig unterscheidet er zwischen "Oberflächentext" ( micro - structure ) und semantischer "Tiefen¬ struktur" ( macro - structure ). Das bedeutet, allgemein gesprochen, dass der jeweilige Text, so wie er vorliegt, das Produkt einer ihm zugrundeliegenden logisch - semantischen "Struktur" ist, welche aufgrund bestimmter Verwandlun¬ gen ("Transformationen" ) die tatsächliche lexematische Gestalt des Textes "generiert". Die Tatsache der Kohärenz eines Textes, die Möglichkeit, ihn in¬ haltlich zu summieren ( z. B. in einem Titel ), ferner: die Möglichkeit, den In¬ halt eines Textes zu memorieren, ohne die Lexeme des Textes selbst dabei zu gebrauchen, schliesslich: die Möglichkeit, verschiedene Texte mit gleicher se¬ mantischer Tiefenstruktur zu schreiben - dies alles deutet nach van Dijk auf die tatsächliche Existenz einer prätextuellen ( man ist versucht, phänomenologisch zu sagen: "eidetischen" ) und gegenüber dem Text abstrakteren Schicht, einem ideellen "Plan". (26) Texte sind also eigentlich als Paraphrasen ihrer unterlie¬ genden semantischen Struktur zu verstehen. (27) Nicht nur Lexem und Satz ha¬ ben eine ihnen jeweils zugrundeliegende, mehrere textliche Manifestationen er¬ möglichende abstrakte semische Konfigurationen ( welche van Dijk Lexikoide bzw. Sentoide nennt ), sondern auch Textteile oder der gegebene Text als Ganzes. (28) Die Zweiheit von Oberfläche und Tiefenstruktur war von Chomsky auf die Syn¬ tax des Satzes angewendet worden. Die Hypothese van Dijks geht nun dahin, dass die semantische Tiefenstruktur eines ganzen Textes derjenigen eines komplexen

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Satzes analog ist. (29) Dies will auch heissen, dass die Sätze eines Textes je¬ weils ihre eigene Tiefenstruktur besitzen, welche sich logisch - semantisch aus der Tiefenstruktur des Textes generiert. Indem ein Text manifestiert ( nieder¬ geschrieben oder gesprochen ) wird, muss er im Prozess seiner Erzeugung be¬ stimmten Regeln folgen, z. B. der Regel der logisch - semantischen Implika¬ tion ( etwas impliziert etwas anderes ), der Präsupposition ( etwas setzt etwas anderes voraus ), der Topologie ( Ort ) und der Chronologie ( Zeit ). (30) Van Dijk weist ausdrücklich darauf hin, dass ein und derselne "Oberflächensatz" mehrere mögliche "darunter liegende" Strukturen haben kann. In die Sprache der Hermeneutik übersetzt, hiesse das, dass die Bedeutung, die ein Satz zum Ausdruck bringt, nicht notwendig "ein - deutig" ist, sondern mehrere Interpre¬ tationen zulässt, sei dies nun vom Autor des Textes beabsichtigt oder sei dies in der Natur bestimmter sprachlicher Aussagen selber beschlossen. Was für den Satz gilt, mag ( der obigen These van Dijks folgend ) auch hier für den gesam¬ ten Text Geltung besitzen. Aber auch das umgekehrte Verhältnis ist denkbar, wie van Dijk an gleicher Stelle ausführt: ein und derselbe "Tiefensatz" kann mit Hilfe verschiedener Transformationen in mannigfacher lexematischer Gestalt an der Oberfläche des Textes erscheinen. Anders gewendet: derselbe Gedanke, dasselbe eidos kann sich in verschiedenartiger sprachlicher Gestalt äussem. Interpretieren heisst mm für van Dijk nichts anderes als das Explizit - Machen der Tiefenstruktur. Mit dem Terminus "Tiefenstruktur" sind in der Tat auch jene oft heiklen Vorgänge miteinbezogen, die Uber das blosse Beschreiben der Isotopien ( oder topics und themes ) und ihrer Distribution im Text hinausgehen. Also Fragen wie diese: wie ist der Gesamtbestand von Isotopien gehaltlich zu bewerten (was bedeutet es, dass diese und nicht andere Isotopien das Textbild beherrschen ? ). Oder: wie ist der Bezug von einer Isotopie zur anderen zu deu¬ ten ? Wir müssen unterscheiden zwischen Kohärenzen und Isotopien, die über¬ haupt für das Zusammenhängen des Text - "Gewebes" unerlässUch sind und sol¬ chen, welche thematische Bedeutsamkeit besitzen und sich durch ihr wiederhol¬ tes Erscheinen an strategischen Stellen des Textes ("Rekurrenz" ) herausheben. Wir haben oben gesagt, die sogenannte Tiefenstruktur sei abstrakter als der Oberflächentext. Wie ist nun diese Tiefenstruktur genauer zu begreifen ? Sie besteht aus einem System von Semen bzw. Sem - Kombinationen, welche natürÜch selbst wieder in Worten fassbar, also in einer interpretativen Metasprache beschreibbar sind. Die semischen Elemente dieses Systems dürfen nun nicht so abstrakt sein, dass sie praktisch nichts mehr aussagen. (31) Beispielsweise "Na¬ turerscheinung" wäre bereits zu abstrakt, "Dunkelheit" aber ist ein abstraktes Sem, das der verschiedensten lexematischen Text ( Oberflächen - ) -Gestaltungen fähig wäre und dabei, wie van Dijk formuliert, nahe genug an der Oberfläche si¬ tuiert ist, um noch einen differentiellen Aussagewert zu haben. Das bedeutet natürUch keinesfalls, dass der Oberflächentext keine abstrakten Sememe enthielte.

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Es ist ja durchaus möglich, dass ein Element ( Koch würde sagen: "Logem1' ) aus der Tiefenstruktur direkt, d.h.ohne Transformationen, an der Ober¬ fläche "auftaucht". Wir hätten es dann mit einem "mot - theme" zu tun, wie van Dijk es in einem auf Französisch geschriebenen Aufsatz nennt. (32) Bedenken wir nun, dass der Interpret vom konkreten Text ausgeht, der (in überraschender Analogie zu phänomenologischen Einsichten ) eine Variante eines Tiefentextes darstellt, so fragt sich, auf welchem Wege am sichersten zum ( invarianten ) Tiefentext zu gelangen sei. Ausgangs- und Anhaltspunkt muss zunächst der Text selber sein, und nur die konkrete Beschreibungsproze¬ dur, von der uns van Dijk auch ein Beispiel gibt ( s. weiter unten ), kann uns hier genauere Aufschlüsse vermitteln. Van Dijk diskutiert einige Probleme, die zu eben diesem ( letztlich hermeneutischen ) Fragekreis gehören. Hat man z. B. ein sprachliches Bild und einen sprachlichen Begriff (im traditionellen Sinne ), die textlich in einem Gedicht verbunden sind, ohne dass ihre Kohärenz zunächst semantisch einleuchten will, so empfiehlt van Dijk, ein zusätzliches Nominalsyntagma zwischen beide Elemente einzuschieben. Dieses Nominalsyntagma muss gemeinsame Seme mit dem bildhaften wie mit dem begrifflichen Ausdruck aufweisen. Nur so könne ein interpretierbarer Tiefensatz gebildet wer¬ den, indem man nämlich ein assoziiertes Lexem an die Stelle eines der imver¬ einbaren Lexeme setze. Interpretation sei folglich eine Art von Uebersetzung in eine semisch interpretierbare Sprache. Fraglich bleibt: wie wird das assozi¬ ierte Lexem, das klärende Ersatzglied, gefunden, und gibt es deren nicht mehre¬ re, was also zu mehreren Deutungen führen würde ? Je länger freilich ein Text ist, eine desto reichere Differenzierung und Strukturierung der Isotopien findet statt, d. h. die Selektion von Lexemen im Text wird immer stringenter, immer genauer festgelegt. Es findet ein Vorgang der wiederholenden Verfestigung bei gleichzeitiger Partikularisierung statt. Das gilt für Charaktere wie für Räum¬ lich - Zeitliches, gedankliche Motive etc. In einer textsemantischen Analyse des Gedichtes "Du Bord de la Faux" von Andre Du Bouchet exemplifiziert van Dijk die methodischen Einsichten einer an literarischen Werken erprobten Textsemantik. (33) Die Kürze des Gedichttextes ermöglicht ihm eine ausserordentlich genaue, quasi - mikroskopische Betrach¬ tung der semantischen Elemente. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: van Dijk untersucht das im Titel des Gedichtes erscheinende Lexem "Faux". Dieses kann in folgender Semem - Gestalt (je nach Kontext ) erscheinen: 1) lame d'acier recourbee; 2) arme; 3) replis membraneux ( anat. ). Es enthält die Seme: instrumentalite, curvite^, acuite, couper (?). Van Dijk geht Uber diese Befunde noch hinaus und stellt eine Gruppe möglicher assoziativer Lexeme zu "Faux" zusam¬ men: faucher, faucille, faucheur, couper, herbe ( longue ), ble, foin, ete, chaleur. Was alles assoziativ zu dem jeweils untersuchten Lexem gehört, ist aller¬ dings zum Teil der Sprachmächtigkeit und Weitsicht des jeweiligen Interpreten

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überlassen. Schliesslich fügt van Dijk noch eine kurze Liste von Lexemen bzw. lexematisehen Ausdrücken hinzu, die er mit dem Etikett "connotations Uber¬ schreibt. Hier werden verzeichnet: fleau (üg. ), faux de la Mort, mort. Es handelt sich bei dieser Gruppe also um übertragenen Gebrauch bzw. abstrak¬ te Ideen, für welche das in Frage stehende Lexem symbolhaft stehen kann ( "Sense" für "Tod", vgl. auch im Deutschen: der "Schnitter" Tod ). Nun lässt sich selbst in einem kurzen Gedichttext aus praktischen Gründen nicht jedes Wort auf solche Weise analysieren. Daher beschränkt sich van Dijk auf eine Anzahl thematisch wichtiger Wörter, welche er aufgrund gemeinsamer Seme in zehn Sem - Gruppen einteilt, wobei sich wiederum die Seme jeweils in oppositionelle Paare untergliedern, z. B. : humidite - aridite, obscurite luminosite usw. Diese Seme haben also offensichtlich wesentlichen Anteil an der Tiefenstruktur des Gedichtes von Du Bouchet. Zu jedem der zehn Seme wer¬ den diejenigen Lexeme aufgeführt, die es sozusagen an der Textoberfläche ge¬ neriert ( van Dijk verwendet hierfür den Terminus "actualisations" ). So erscheint beispielsweise das Sem 'luminosite" im Gedichttext in den Lexemen: aridite, jour, ciel, illuminant, blancheur, papier, glacier. Es wird sofort ersichtlich, dass die thematische Kohärenz sehr oft auf der Ebene der Seme zu suchen ist. Van Dijk stellt fest, dass sie sich manchmal sogar nur auf der Ebene der Asso¬ ziationen ( s.o. ) etabliert, d.h. zwei Lexeme, die keine gemeinsamen Seme aufweisen, können dennoch in ihren jeweiligen Assoziationsfeldern ( champs associatifs ) Elemente enthalten, welche es ermöglichen, eine Brücke zwischen ihnen zu schlagen. Van Dijk konstatiert, dass bei dem beschriebenen textseman¬ tischen Verfahren sich die Grenzen zwischen Beschreibung und Interpretation verwischen und dass die Textsemantik nur Teil einer integralen Deutung sein kann, welche noch mannigfache andere Dimensionen des Textes ( Bezug zum Au¬ tor, zum "cultural background", zu anderen Werken des Autors, zur Gattung, zur Metrik etc. ) einzubeziehen hat. Immerhin darf die textsemantische Betrach¬ tungsweise als wertvolles orientierendes Hilfsmittel der Interpretation angese¬ hen werden. Blicken wir von hier aus noch einmal zurück auf die am Kapitelanfang aufgeführ¬ ten verschiedenen Bedeutungen von "Bedeutung", so wird ersichtlich, dass es uns zwar einerseits um Beziehungen zwischen sprachlichen Zeichen zu tun ist, wenn wir die semantische Oberflächen - wie Tiefenstruktur überschauen ( das reseau thematique, das thematische Netz, wie van Dijk sagt ) und die semanti¬ schen Werte samt ihren Beziehungen untereinander deuten. Zugleich aber ( be¬ sonders beim Herauslösen der Seme ) kommt - auch in der fiktiven Welt - der Bezug zur gegenständlichen Realität, der referentielle Bezug, wie die Lingui¬ sten sagen, zum Tragen, allerdings stets im Medium des auffassenden Bewusst¬ seins.

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5.

Exkurs: Textsemantische Analyse: Hugo von Hofmanns¬ thal: Der weisse Fächer

Schreiten wir die Möglichkeiten einer textsemantischen Untersuchung nach den Anregungen der neueren Linguistik an einem relativ kurzen Text einmal probe¬ weise ab. Zu diesem Zwecke wählen wir eines der sogenannten lyrischen Dra¬ men des frühen Hofmannsthal: "Der weisse Fächer" (1897). Der Inhalt dieses Dramoletts Hesse sich - auf sehr grobe und oberflächliche Weise - folgendermassen umreissen: Zwei junge Menschen ( Fortunio, Miranda ), welche sich in hochmütig - eigensinniger Weise aufgrund des Todes ihrer Ehegatten vom Leben abgewandt und einer beinahe kultischen und übertriebenen Trauer ver¬ schrieben haben, finden schfiessüch zueinander und treten wieder ins Leben ein. Um im Folgenden die relative Distribution der semantischen Isotopien feststellen zu können, teilen wir das Stück, seinem eigenen Gange folgend, in zehn Blöcke ( mit vier Unterblöcken ) ein. Die in Klammer gesetzten Ziffern geben die Gesamtverszahlen der jeweiügen Blöcke an ( gezählt wurde nur der Sprechtext, nicht die Bühnen - bzw. Regieanweisungen oder die nur aus den Na¬ men der Personen bestehenden Zeilen ). Es ergibt sich folgendes Aufbausche¬ ma: (34) 1) Prolog (11) 2) Streitgespräch Fortunio - Livio (57) 2.1) Gespräch über Fortunios verstorbene Frau (44) 3) Streitgespräch Grossmutter - Fortunio (110) 4) Erster Monolog Fortunios (17) 5) Streitgespräch Miranda - Mulattin (62) 6) Dialog Fortunio - Miranda (40) 6.1) Gespräch über Mirandas verstorbenen Mann (51) 6. 2) Indirekte Werbung Fortunios um Miranda (88) 7) Zweiter Monolog Fortunios (23) 8) Gespräch Mulattin - Catalina (45) 9) Gespräch Miranda - Mulattin - CataUna ( pessimistische Stimmung ) (55) 9.1) Gespräch Miranda - Mulattin - Catalina ( Wendung zur optimistischen Stim¬ mung ) (44) 10) Epilog (10) Dieses Schema lässt bereits zwanglos gewisse EigentümUchkeiten des Aufbaus erkennen: den Rahmen von Prolog und Epilog, den Parallefismus von 2 und 5, die beiden an wichtigen Punkten der Handlung situierten Monologe Fortunios, einen gewissen Parallefismus von 3 und 8, welche beide kontrapunktisch Ausschnitte aus dem wirklichen, alltäglichen Leben samt seinen empirischen Details in die verschattete Traumwelt Fortunios und Mirandas einblenden und schliesslich:

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die ausgezeichnete Stellung des Blocks 6.2, der zugleich die inhaltliche Wen¬ de anbahnt. Eine textsemantische Analyse des Hofmannsthalschen Textes ergibt 14 Isotopien bzw. Aequivalenzfelder. Fast alle erstrecken sich ( mit drei Ausnahmen ) ziemlich regelmässig Uber den gesamten Text, d.h. Uber sämtliche Blöcke. Es bestehen jedoch klare Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit der Rekurrenz der Isotopien, d.h. einige sind als thematisch vorrangig gegenüber den an¬ deren anzusehen. Nun kennzeichnet es den gewählten Text, dass er ein dichtes Geflecht von Wechselbezügen zwischen den verschiedenen Isotopien aufweist. Die mannigfachen Querverbindungen unter ihnen bewirken ein hohes Mass an Inte¬ grität des gesamten Textes. Fast alle Isotopien sind abstrakter, d.h. ungegen¬ ständlicher Natur. Sie sind mit einem abstrakten Begriff benennbar, welcher entweder im Text selbst vorkommt oder durch semisch partiell identische ande¬ re Lexeme oder Wendungen repräsentiert wird. Als gegenständliche Ausnahmen erweisen sich die Isotopien "Blumen" und "Schatten". Die übrigen Isotopien in Hofmannsthals Text sind: Leben, Tod, Leid, Spiel, Traum, Schicksal, Sprache, Geheimnis, Jugend, Kontinuität, Wirklichkeit, Zeit. Als Leitäquivalenzen heben sich heraus: Leben und Tod, welche mit 8 bzw. 7 anderen Isotopien des Textes verbunden sind. Geringere Bezugsdichte ( jeweils vier Bezüge ) weisen auf: Spiel, Traum, Schicksal und Wirklichkeit. Schatten, Leid, Blumen und Zeit sind jeweils an drei andere Isotopien angeschlossen. Geheimnis und Jugend (2) sowie Sprache und Kontinuität (je 1 ) zeigen die kleinste Zahl der isotopischen Konnexe. Es gibt Stellen im Text, welche in hohem Grad mit mehreren mitei¬ nander verbundenen Isotopien "gesättigt" sind und, wie man im Englischen sa¬ gen würde, "thematic clusters" bilden. Mit dem Aufweis der Wechselverbindungen, welche übrigens ein Verhältnis der Gleichheit oder eines Gegensatzes zum Ausdruck bringen, ist die Struktur der semantischen Isotopien in Hofmannsthals Text jedoch erst halb beschrieben. Die einzelnen Isotopien sind nach der Art ihrer Repräsentanten bzw. Varianten ( Le¬ xeme oder Lexemgruppen ) und deren Relationen untereinander zu befragen. Da¬ bei tritt eine mehrfach zu belegende EigentümUchkeit zutage: dieselbe semantische Einheit wird im Verlaufe des Textes mit einander ausschliessenden KontextSemen angereichert, wie im Folgenden demonstriert werden soll. Beschreiben wir nun die Isotopien in ihrem semantischen Eigensystem wie auch in ihren wech¬ selseitigen Bezügen. Letztere sind in fast allen Fällen explizit im Lexembestand des Textes selbst gestiftet. In einigen Fällen haben wir Bezüge hergestellt, wel¬ che implizit vorhanden sind ( s. gestrichelte Linien im Modell am Ende des Ka¬ pitels ) bzw. die sich aus dem semantischen Inhalt der betreffenden Isotopien ergeben ( z. B. der Bezug zwischen "Leben" und "Schicksal" ). 1) Leben : Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Zeit, Blumen, Schicksal, Traum,

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Spiel, Tod, Leid und Schatten, indirekt auch zu Jugend, insofern Jugend im Falle Fortunios in gewisser Weise verfehltes, versäumtes Leben bedeutet (vgl. die Kritik der Grossmutter an ihm in Block 3 ). Daneben werden in verschie¬ denen Kontexten die folgenden Bedeutungskreise angeschlossen, welche - zu¬ mindest für eine begrenzte Textphase - dem Semem "Leben" weitere Seme zu¬ führen: das erlittene, erlebte und geliebte Leben ( Grossmutter ), das Leben als Verschuldungen rächendes, Lächeln als Ausdruck des Lebens und schliess¬ lich: der Fächer als symbolisches Werkzeug, welches die Wendung zum Leben vorbereitet ( das Trockenfächeln des Grabes in Mirandas Traum = Vorausdeu¬ tung ihrer WiederVermählung ). Relevante Textstellen ( die erste Ziffer vor der Klammer gibt den Block, die folgende die Verszahl innerhalb des Blocks an. Die folgenden Texte sind Zitat¬ konzentrate und -fragmente. Die wesentlichen Lexeme wurden unverändert aus dem Text übernommen): 1) 9 Spiel ahmt das Leben nach, ohne ihm gleich zu sein. 2) 7 Leben - nichts als ein Schattenspiel 2) 11-13 Leben - wie Wasser - fliesst. Ist wie Schatten; nichtiger als Wolken 3) 68 ( Grossmutter zu Fortunio ): du hast sehr wenig erlebt 3)73-74 Die Grossmutter liebt das Leben 5)13-25 Mirandas Traum von den frischen Blumen auf dem Grab ihres Mannes - "wie lebendige Lippen und Augen"... "funkelnd von Frische und Leben" 6.2) 31-32 Verschuldungen gegen das Leben rächen sich 6.2) 34-35 Das Leben trägt ein ehernes Gesetz in sich: jedes Ding hat seinen Preis. Auf dem Dasein steht als Preis der Tod 7)4-5 Der ganze Stoff des Daseins = fast nichts ( Fortunio ) 7)10 Fortunio: ein Schattenspiel ist unser Leben und Sterben 7)12-16 Fortunio: der Schatten des Lebens ( auf Miranda ), "beladen mit dem Schein von vielen reifen Früchten" 7)9 Das Dasein - ein Traum, den wir vergessen glaubten ( Fortunio ) 9)38-40 Miranda: des Lebens Kronen/ wie Kugeln rollend, bis ein Mutiger drauf/ mit beiden Füssen springt... Interpretation: Einerseits wird das Leben von Fortunio in der Phase seiner Lebensverkennung als nichtig gewertet. Andererseits erscheint es als gewichtig, voller Erleben (in der Gegenfigur der Grossmutter ), als reich und fruchtbar (in Miranda ), als etwas, dem gegenüber man schuldig werden kann ( das Versäumen des Le¬ bens in den ersten Phasen von Fortunios Leben ), ferner als etwas, auf dem als höchster Preis der Tod steht. Die positive ( reifere ) Auffassung hilft am Ende die negative überwinden.

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2) Tod Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Leben, Leid, Schatten, Zeit, Geheimnis, Schicksal, Spiel. Als Bedeutungskreise schliessen sich an: Fasziniertsein von Tod und Grab ( Fortunio, Miranda ), Oede, Leere, Alleinsein, "Nonnen"- Exi¬ stenz. Relevante Textstellen: 2)24-25 Livio fordert Fortunio auf: ranke dich nicht an das Grab 2) 53 Fortunio zu Livio: lass mir den Weg zum Grab 2.1) 21-22 Fortunio: das Grab ist mein Geheimnis, ist nicht ausschöpfbar 3) 31-32 Grossmutter zu Livio und Fortunio: lasst die Toten die Toten begraben 3) 71 Grossmutter: der Tod steht irgendwo im Schatten 4) 5 Fortunio: dieses Grabes Nähe ist sehr stark. Die Vergangenheit steigt herauf 5) 12-32 Mirandas Traum vom Grab ihres Mannes ( vgl. oben ). Das Gesicht ihres Mannes verschwindet. Die Blumen welken. Das Grab wird mit dem Fächer trockengewedelt 5) 38-46 Die Mulattin schildert das Dasein Mirandas: die Oede der Tage und Nächte - der totenstille Garten - die starren Bäume - Teiche ohne Wasser - leeres Flussbett - Wohnung des Todes - grabdunkle Zim¬ mer - das Lusthaus versperrt. 6) 4-9 Fortunio geht zum Grab seiner Frau, Miranda zu dem ihres Mannes. Tod - Leichenbegängnis. 6.1) 7-8 Alleinsein ( vgl. 6.2)26 6.1) 21-23 Miranda liest dem sterbenden Gatten aus der Heiligen Therese vor. Es ist ",. .als stünde in jeder Zeile etwas von Tod". Sein Gesicht drückt aus, dass er sterben muss. Solange die Erde über seinem Grab nicht trocken sei, solle Miranda sich nicht wiederverheiraten. 6.2) 40 Tod als Preis des Daseins 6.2) 63-65 Miranda: Zwei Fohlen - eines wird vielleicht einst meinen Leichen¬ wagen ziehen, eines deinen ( Fortunios ) 7) 10 Fortunio: unser Leben und Sterben - ein Schattenspiel 9)3-4 Miranda berührt das ( von Tau feuchte ) Grab ihres Mannes 9)14 Miranda: die Eintagsfliegen sterben/ Und morgen sind so viele neue da, als heute starben. 9)51 Miranda: Allein zu sein, ist Ubermassen furchtbar Interpretation: Die sich dem Leben entfremdende Faszination vom Tod wird zugunsten neuer Le¬ bens- bzw. Daseinsbejahung überwunden. Zugleich weicht die Auffassung des To¬ des als "Schattenspiel" einer ernsthafteren Einstellung seitens Fortunios. Der

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Tod als Faktum bleibt freilich bestehen. Das Leben in der Einsamkeit und Zu¬ rückgezogenheit kommt fast dem Tode gleich. Der Traum Mirandas vom Grabe ihres Mannes symbolisiert ihr allmähliches Sich - Lösen aus der übertriebe¬ nen emotionalen Bindung an Grab und Tod. 3. Spiel Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Tod, Leben, Zeit, Traum. Als zusätzli¬ cher Bedeutungskreis erscheint am Anfang und am Ende des Stückes "Spiel" im Sinne von "Schauspiel". Relevante Textstellen: 1) 2 Dieses Spiel hat nur die Kraft eines Federballs 2) 7 Fortunio: Leben = Schattenspiel 2) 27-29 Fortunio: Leben = Schattenspiel. Fortunio will die Rolle des Witwers mit Treue und bitterem Ernst spielen 3) 99-101 Grossmutter zu Fortunio und Livio: Wie ein Schauspieler seid ihr, der sich seine Rolle aus dem Stegreif selber dichtet und auf keine Stichwör¬ ter achtgibt. 5)31-32 (Miranda Uber ihr und Fortunios vergangenes Leben, besonders ihre Hei¬ raten ): "Es war wie das Spielen von Wolken in der dämmernden Luft im Frühjahr. " 7)10 Fortunio: unser Leben und Sterben - ein Schattenspiel 9) 41-42 Miranda: wir selber ( sind ) nur der Raum, drin tausende von Träumen buntes Spiel.. .treiben 10) 2-4 dieses Spiel ( d. h. das Stück ) will sich mit mehr an Inhalt nicht beladen, "als was ein bunter Augenblick umschliesst. " Interpretation: "Spiel" bedeutet einerseits ein Leichtes, Schwebendes, Vergängliches und Flüch¬ tiges und wird in diesem Sinne ( zunächst ) mit Leben und Tod verbunden. "Spiel" ist aber auch Rollenspiel im Leben, d.h. ein Agieren, hinter dem letztlich nicht das volle Selbst des Menschen steht. 4.

Schicksal

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Leben, Tod, Wirklichkeit, Schatten. Weite¬ re Bedeutungskreise im Kontext sind: die Schwere des Schicksals, die Möglich¬ keit, sein Verhalten zu seinem Schicksal frei zu wählen, Schicksal als fortuna ( die Kronen des Lebens rollen wie Kugeln, der Mutige springt darauf ).

93

Relevante Textstellen: 2)30-35

Fortunio: jeder kann sein Schicksal adeln oder ermedern. Wie man etwas "nimmt", darin bewährt sich innerer Wert. 2)47 Fortunio: das schwere Schicksal, das auf mich kam 6.1) 15-16 Miranda: ( vor dem Tode ihres Mannes ):.. .Augenblicke, in denen man sich und sein Schicksal als etwas unerbittlich Zusammengehö¬ riges empfindet Fortunio: die marmornen Stirnen zerschlägt das Schicksal mit ei¬ ner diamantenen Keule ( die irdenen mit einem dürren Ast ) Epilog: Das schwere Schicksal wirft die schweren Schatten

6.2) 44-47 10)8

Interpretation: Das Schicksal ist eine dem Menschen überlegene Macht, wiewohl der Mensch die Freiheit hat, sich ( moralisch ) zu seinem ( unabänderlichen ) Schicksal zu ver¬ halten. Schicksal und Selbst gehören untrennbar zusammen. Zu fragen wäre: le¬ ben Fortunio und Miranda im Stück gemäss diesem Schicksalsbegriff ? Insofern sie ihre unreife Trotzhaltung, das Sich - Festbeissen im Schmerz und das kul¬ tische Verhaftetsein an Grab und Vergangenheit aufgeben, ändern sie ihre Hal¬ tung gegenüber dem Schicksal, das ihnen den Tod des Ehegatten auferlegt hat. Sie "nehmen" es anders und befreien damit sich und ihr Leben, ohne freilich die¬ ses Schicksal selbst verleugnen zu können. 5.

Wirklichkeit

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Traum, Sprache, Schicksal, Jugend. Als weiterer Bedeutungskreis, der punktuell im Text hinzutritt, hat das Attribut "gewaltig" zu gelten. Relevante Textstellen: 1) 6 Jugend vermag der Wirklichkeit nicht zu trotzen 2) 19-20 Besessenwerden = ein wirklich Ding 6.1) 10-11 Miranda Uber Fortunio: Es ist unmöglich, dass du etwas Wirkliches weisst 6.1) 34-35 ( Blick des sterbenden Gatten auf Miranda ): die entsetzliche Gewalt der Wirklichkeit 6.2) 40-41 ... unendlich wirklicher als Worte sagen können 9.2) 24-26 Miranda: "... dass Träume ... so durchs Leere/ Hinstürmen können... und dass die Wirklichkeit... "

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Interpretation: Jugend ( besonders im Falle Fortunios ) entzieht sich vorübergehend der Wirk¬ lichkeit (im Sinne von Verantwortung, Bindung, Lebenserfahrung ). Die Frau ( Miranda ), auch wenn sie den gleichen Fehler begeht, hat ein tieferes Wissen um die Unentrinnbarkeit und "Gewalt" des Wirklichen. Traum ( explizit ) und Spiel ( implizit ) stehen dem Wirklichen entgegen. Erst gegen Ende des Stückes holt die Wirklichkeit die Protagonisten zu sich zurück bzw. treten diese willig wieder in die Wirklichkeit ein ( Zueinanderfinden Fortunios und Mirandas, Auf¬ geben der Abkapselung, des Bollenspiels ). 6.

Traum

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Spiel, Leben, Wirklichkeit, Blumen. Zu¬ sätzliche semische Komponenten, die im Kontext auftreten ( und einander wider¬ sprechen ) sind: Traumhaftigkeit als "Synonym" für 'Wert" und: Nichtigkeit des Traumes, der Glück vorgaukelt. Relevante Textstellen: 2)13-14 5)12-32 5)60-61

Fortunio: Ehr und Reichtum sind Träume Mirandas Traum vom Grab ihres Mannes ( s.o. ) Mirandas Reaktion auf diesen Traum: man muss solchen Träumereien gleich im Anfang widerstehen, sonst bekommen sie zu grosse Gewalt 6.2) 72 Fortimio: der Mann, dem Miranda einst gehören wird, wird etwas "Traumhaftes" besitzen 7)9 Fortunio: Dasein - ein Traum, den wir vergessen glaubten 9) 41-42 Miranda: ... wir selber nur der Raum, drin tausende von Träumen buntes Spiel...treiben 9.2) 24-26 Miranda: dass Träume... (vgl. oben unter 5. /9.2)24-26 ) 10) 9-10 Epilog: Doch was Euch Glück erscheint, indes Ihrs lebt/ Ist solch ein buntes Nichts, vom Traum gewebt

Interpretation: Noch bis gegen das Ende des Stückes wird "Traum" im Munde Fortunios und Mi¬ randas als Qualität des Lebens ( das Illusionäre, Flüchtige ) gewertet. Zugleich macht sich aber etwa seit dem Traum Mirandas vom Grab ihres Mannes eine Hal¬ tung bemerkbar, welche dem Wirklichen, dem wachen, tätig gelebten Leben als Gegenpol zum Traum höheren Wert zuspricht ( vgl. die Interpretationen der Iso¬ topien 1,2,5, welche eine parallele Entwicklung gegen Ende des Stückes aufzei¬ gen ).

95

7.

Blumen

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Leben, Leid, Traum. Im Traum Mirandas erweist sich das durch Blumen symbolisierte Leben als ein scheinhaftes. Relevante Textstellen: Bühnenbeschreibung zwischen 1) und 2) : Lebendige, mit Blüten bedeckte Hecke als Hintergrund des Friedhofes. Der Grabhügel ist von einem Zelt blühender Kletterrosen verschleiert. 2)23-24 Livio zu Fortunio: ranke dich nicht ans Grab wie die Winde 2.1) 37 ( über Fortunios verstorbene Frau): sich gebend wie die Blume unterm Wind. ( Bühnenanweisung): schwarze Blumen im Gewand der Grossmutter 4) 8-9 ( Fortunio Uber die Vergangenheit ): unbegreiflich, wie Rosen 5) 13-25 Mirandas Traum von den frischen Blumen auf dem Grab ( vgl. 2. Tod ) 6.2) 58-59 ( Fortunio indirekt werbend zu Miranda): Irgendwo wachsen die Blu¬ men, die danach beben, von diesen Händen gepflückt zu werden 6.2) 66-68 Fortunio zu Miranda: übermässige Traurigkeit hängt an Dir wie ei¬ ne ungeheure Liane an einem kleinen Baum 9.1)27-28 Miranda:... sie sollen uns/ die Blumen wieder in die Beete setzen Interpretation: In der Mehrzahl der Textstellen steht die Blume für das Leben, also im Gegen¬ satz zum Todesbereich. Selbst die schwarzen Blumen (Alter ? ) auf dem Ge¬ wand der Grossmutter ( die ja das Leben bejaht und liebt ) bezeugen dies. Be¬ zeichnenderweise bildet eine Blütenhecke die Grenze zwischen Friedhof und Aussenwelt, und Kletterrosen "verschleiern" den Grabhügel. Auch in Mirandas Traum repräsentieren Blumen das Leben, hier allerdings auf eine scheinhafte und falsche Weise. Das Hervortreten des Gesichtes des toten Gatten zeigt die verkehrte Verhaftetheit an die tote Vergangenheit an. Einmal erscheint das Bild der Blume in Verbindung mit "Traurigkeit", welche indirekt mit dem Komplex von Verlust, Tod und Grab, also dem übertriebenen Totenkult, zusammenhängt. Das letzte angeführte Textbeispiel bestätigt wiederum eindeutig den Lebensbezug. 8.

Zeit

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Leben, Tod, Spiel. Relevante Textstellen: Untertitel: "Ein Zwischenspiel"

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2)10 Fortunio: wenn man sich ans Leben klammert, vergeht es 5)34-35 Miranda zu Fortunio: es ist töricht, auf vergangene Dinge zurückzu¬ kommen. .. 5) 39-40 ( Das Haus Mirandas ): Oede der Tage, nur abgelöst von der Oede der Nächte ( Tod, Alleinsein ) 9) 16-17 Miranda: Aufeinander folgen die Tage, sind sich aber gar nicht gleich 9.1)24-26 Miranda: dass Träume, / vom Augenblick geboren, so durchs Leere/ Hinstürmen können... 10) 2-4 Das Spiel will sich nicht mit mehr an Inhalt beladen "als was ein bunter Augenblick umschliesst. " Interpretation: Zunächst fällt die thematische Komponente der fehlenden Dauer ( Betonung des "Augenblicks", des "Zwischen" ) ins Auge. Dies scheint in typischer Weise "im¬ pressionistisches" Zeiterleben zu dokumentieren, steht aber in markantem Gegen¬ satz zum Verhaftetsein an die Toten und die Vergangenheit seitens Fortumos und Mirandas. Hier wird an einer falschen, weil das Leben erstickenden Dauer fest¬ gehalten. Mirandas Anspruch in 5)34-35 straft daher ihre eigene Haltung Lügen ( bzw. umgekehrt). Die falsche, an der Vergangenheit haftende Dauer, die künstliche Perpetuierung des Vergangenen, führt zur Leere, Oede und Monoto¬ nie des Zeiterlebens. Erst gegen Ende des Stückes macht sich bei Miranda ( 9) 16-17 ) ein neues Zeitgefühl des Wechsels, der Ungleichheit der Tage, bemerk¬ bar, was als positives Symptom der Rückkehr zu Leben und Wirklichkeit zu werten ist. 9.

Schatten

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien von Leben, Tod und Schicksal. Als zusätz¬ liche semische Komponente findet sich das Thema der unzulänglichen, weil oberflächUch - flüchtigen zwischenmenschlichen Beziehung. Relevante Textstellen: 2)17 Leben = Schattenspiel 2) 27 Leben = Schatten ( Fortunio in der Rolle des Witwers ) 3) 62 ( die Vergangenheit der Grossmutter in der Verbannung): wir waren wie Schatten 3)71 der Tod steht irgendwo im Schatten 6) 14-19 Miranda und Fortunio sehen einander bei den jeweiligen Trauerfeiem für ihre verstorbenen Ehegatten als heller Schatten ( des Gesichtes ) und als dunkler Schatten ( der Kleidung ). Verben: sich lösen, fortglei¬ ten, schweben. Die Schatten sind in einem Marmorpfeiler gespiegelt

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( also noch einmal sozusagen depotenziert ). 6) 20 Miranda zu Fortunio: Wir waren füreinander immer nur wie Schatten 6.2) 69 Fortunio über Miranda: Es ist etwas um Dich wie ein Schatten 7) 10 Fortunio: Unser Leben und Sterben - ein Schattenspiel 7)12-16 Fortunio: ( etwas flog Uber Miranda hin ) Es war wie der Schatten des Lebens... beladen mit dem Schein von vielen reifen Früchten 10)8 Epilog: Das schwere Schicksal wirft die schweren Schatten Interpretation: Einerseits steht "Schatten" in der unreifen Sicht Fortunios für das Flüchtige, We¬ senlose von Tod und Leben. Andererseits bahnt sich in der Mitte des Stückes ei¬ ne Wendung an, indem Fortunio und Miranda das Schattenhafte ( d.h. Oberflächli¬ che, Unzulängliche ) ihres eigenen bisherigen Verhältnisses durchschauen. Der gewandelte semantische Inhalt bzw. die Umfunktionierung der Isotopie deutet sich an in 7)12-16, wo "Schatten" in Verbindung gebracht wird mit: "Leben", "reif", "Früchten". 10.

Leid,

Schmerz,

Trauer

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien von Leben, Tod, Blumen. Weitere semische Komponenten, die sich im Kontext ergeben, sind: Leid der Einsamkeit und: Liebesleid. Relevante Textstellen 2)23-24 Livio zu Fortunio: Verwühle nicht dein Selbst in einen Schmerz 2)37 Livio: Es ziemt nicht, im Leid die Hände in den Schoss zu legen 5)6-7 ( Die Mulattin Uber Miranda): die übermässige Einsamkeit hat Schuld an ihrer Traurigkeit 5)31 Miranda weint Uber den Traum vom Grab ihres Gatten 6.2) 36 Fortunio: auf der Liebe stehen die Schmerzen der Liebe ( als Preis) 6.2) 66-68 Fortunio zu Miranda: übermässige Traurigkeit hängt an Dir wie ei¬ ne ungeheure Liane an einem kleinen Baum Interpretation: In fast allen Textstellen steht diese Isotopie mit der Todesthematik in Verbindung. Nur 6. 2)36 weist indirekt auf die Isotopie des Lebens hin

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11.

Jugend,

Kindheit

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien: Wirklichkeit und Geheimnis ( indirekt auch zu: "Leben" ). Die Zahl der zusätzlichen, sporadisch im Text auftreten¬ den Komponenten ist hier relativ gross: Altklugheit, grosse Worte machen, Mangel an Lebenserfahrung, Unschuld, Lebens schwäche ( mangelnde Treue, unvollkommene zwischenmenschliche Bindung ). Relevante Textstellen: 1) 4

Prolog: Jugend ficht mit grossen Worten, trotzt aber nicht der Wirklichkeit

2) 2

Fortunio ist jung

2.1) 14-17

Fortunio: Halbvergessenes Erlebtes aus der Knabenzeit ist nicht ge¬

heimmslos 2.1) 24

Fortunios Frau war wie ein Kind

3) 10-11

Grossmutter zu Fortimio: Deine Frau war ein Kind. Sie spielt im Himmel Ball mit den unschuldigen Kindern von Bethlehem

3)40

Grossmutter zu Fortunio: Du bist ein Kind

3) 88-89

Grossmutter: Was hast Du mit Deinen Bubenjahren angefangen, Fortu¬ nio ? ( Fortunios mangelnde Wirklichkeitserfahrung )

3)94-95 6)24

Grossmutter zu Fortunio: was Du damals (i.e. in der Kindheit ) ver¬

säumt hast Miranda zu Fortunio: wir sind einander Schatten gewesen. Fortunio: in un¬

serer Kinderzeit 8)42-43 Die Mulattin: Jugend hat mit Treue nichts zu tun 9.1) 19-21 Miranda: Wir waren allzulange eingesperrt, / Drum sind wir schwach im Freien, so wie Kinder, / Die krank gewesen sind. Interpretation: Es überwiegen (im Hinblick auf Fortunio und Miranda, die ja noch junge Men¬ schen sind ) die negativen semischen Konnotationen: Altklugheit, Unreife, man¬ gelnde Fähigkeit der Bindung zum Mitmenschen, mangelnde WirkUchkeitserfahrung ( selbst in den Knabenjahren Fortunios). Damit ergibt sich indirekt eine negative Verbindungslinie zur Isotopie "Leben". Erwähnenswert bleibt die Kla¬ ge Fortunios, er habe kein Kind von seiner verstorbenen Gattin, worin sich ver¬ hüllt die später zur Entfaltung gelangende Bereitwilligkeit zur verantwortlichen sozialen Bindung ankündigt. 12.

Geheimnis

Es bestehen Bezüge zu den Isotopien Jugend und Tod.

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Relevante Textstellen: 2.1) 8,11

Fortunio: ein Weib muss ein Geheimnisvolles sein. Alle Frauen sind ihm nun ( nach dem Tod seiner Gattin ) geheimnislos.

2 1)14—17

Halbvergessenes Erlebtes aus der Knabenzeit ist nicht geheimnislos

2.1) 21-22 Fortunio: das Grab ist mein Geheimnis... ich schöpfs nicht aus 6.2) 28-29 Fortunio Uber Miranda: Du machts Dich auf eine geheimnisvolle Wei¬ 7)1-2

se schuldig Fortunio Uber Miranda:.. .geheimnisvoll, dass aus jenem verwöhnten ei¬ gensinnigen Kind diese Frau geworden ist

Interpretation: Es scheint, dass der semantische Sinn der Isotopie sich ändert, indem der Pro¬ tagonist Fortunio sich wandelt bzw. reift. Dass Frauen, Kindheit und das Grab auf ihn die Faszination des Mysteriösen ausliben, ist eher noch ein Symptom seiner hochmütigen Lebensferne. Später allerdings, als er beginnt, indirekt um Miranda zu werben, gerät die Isotopie in die Nähe der Hauptisotopien "Leben und 'Wirklichkeit" ( vgl. die beiden zuletzt angeführten Textstellen ). 13.

Sprache

Es besteht ein ( kontradiktorischer ) Bezug zur Isotopie 'WirklichkeitWeitere semische Komponenten sind: die Ohnmacht der Sprache, das Wirkliche zu erfassen und: ( in merkwürdigem Kontrast hierzu ) die Mächtigkeit und Bedeutsamkeit des Sprechens bei Fortunios verstorbener Frau. Relevante Textstellen: 2)15-16

Fortunio: "Besitz"... von allen Wörtern ohne Sinn... das albernste

2.1) 28-31

Fortunio: Wir tauschen im Reden nur schale, abgegriffene Zeichen aus. ( Ueber Fortunios verstorbene Frau): von ihren Lippen kommen alle Worte neugeformt, zum ersten Mal beladen mit Bedeutung.

4) 6-8

( am Grab ) steigt die Vergangenheit herauf, so lieblich, so jenseits al¬

ler Worte ( Fortunio ) 5) 28-29 ( Miranda über ihre Jugendbeziehung zu Fortunio ): "Aber Schatten ist vielleicht nicht das richtige Wort. " 6.2) 40-41

( Fortunio: alles im Leben hat seinen Preis ). Dies alles aber unend¬ lich feiner, unendlich wirklicher als Worte sagen können.

Interpretation: Wir verweisen hier auf das Thema der Sprache und des Sprechens bei Hofmanns¬ thal überhaupt, das die Forschung bereits eingehend behandelt hat.

100

14.

Fehlende existentielle Kontinuität

Diese Isotopie steht fast vereinzelt im Gesamttext ( drei Stellen ). Es ergibt sich ein indirekter Bezug zur Isotopie der Zeit. Relevante Textstellen: ( Vgl. als Gegenbezüge: die Einheit des Charakters der verstorbenen Frau Fortunios und: der von Miranda erlebte Schicksalsaugenblick: 6.1)16-17 ) 7)16-17

Fortunio über Miranda: Wer sie besässe, dem käme zu jeder Stunde eine andere entgegen.

9)43-49

Miranda: Tausende von Träumen treiben buntes Spiel wie im Spring¬ brunn Myriaden von immer neuen, immer fremden Tropfen; all uns¬ re Einheit - nur ein bunter Schein, / "Ich selbst mit meinem eignen Selbst von früher, / von einer Stunde früher grad so nah, / Vielmehr so fern verwandt als mit dem Vogel, / Der dort hinflattert

Interpretation: Hier stossen wir noch einmal auf einen Fall, welcher innerhalb derselben Isoto¬ pie kontradiktorische semische Komponenten zeigt. Fortunio und Miranda fehlt die die Phasen und impressionistischen Momente des Selbst bindende Kontinui¬ tät. Die verstorbene Frau Fortunios dagegen erscheint, wie in der Isotopie 13, als ideale Gegenfigur in absentia. Sie besitzt ( besass ) die innere Einheit des Selbst Zur Distribution der

Isotopien

Zählt man die Häufigkeit der Verteilung der 14 Isotopien auf die 14 Blöcke des Tex¬ tes, so ergibt sich, dass zwei Blöcke besonders dicht mit Isotopien ( und zwar fast mit allen in regelmässiger Verteilung ) besetzt sind: die Blöcke 2 und 6.2, d.h. das Streitgespräch Fortunio - Livio ( 20 isotopische Elemente ) und die in¬ direkte Werbung Fortunios um Miranda ( 15 isotopische Elemente ). Man mag annehmen, dass es dem Dichter darum geht, in Block 2 alle entscheidenden The¬ men einzuführen. Der Block 6. 2 ist der zentrale, was die Wendung Fortunios und Mirandas zu Leben und Wirklichkeit anbetrifft. Die Blöcke 3,5 und 7 ( 11, 12 und 11 Elemente ) sind auch noch relativ dicht besetzt. Es handelt sich um die beiden weiteren Streitgespräche ( Grossmutter - Fortunio und: Miranda - Mulat¬ tin ) sowie um den zweiten Monolog Fortunios. Schliesslich fällt auf, dass der Block 8 nur ein einziges isotopisches Element aufweist. Da es sich hier um ein thematisch ziemlich irrelevantes, halb scherzhaftes Gespräch zwischen Diene¬ rinnen handelt, erklärt sich der Befund von selbst.

101

Zusammenfassung Fragen wir uns abschliessend, was denn nun die textsemantische Analyse für die Interpretation zu leisten vermag. Sie stellt sich als ein logischer Reduktions- bzw. Kondensationsprozess dar, welcher sich an lexematischen oder semischen Redundanzen und schliesslich an den oben beschriebenen "Isotopien" orientiert. Kohärenz und Isotopie scheinen uns unerlässliche Merkmale eines jeglichen ( auch nicht - literarischen ) Textes zu sein, sofern dieser Sinn und Zusammenhang haben soll. Je länger nun ein Text ist, desto weitmaschiger wird das Netz der Isotopien sein, desto mehr Text wird nicht dem thematischen Reduktionsprozess unterzogen. Die Textsemantik darf also nicht als erschöpfen¬ de Detaildeutung gewertet werden, sondern als ein Grundgerüst, auf dem sich interpretatorische Feinbeobachtungen

aufbauen können. Dabei ist festzuhalten,

dass das Gerüst oder semantische Schema nicht eigentlich in der Lage ist, "li¬ neare" Veränderungen in der Entwicklung semantischer Werte ( z. B. Entwicklun¬ gen von Charakteren ) als solche anzuzeigen. Keinesfalls darf die Textsemantik als quasi - naturwissenschaftliche Methode zur Erzielung exakter und eindeutig verifizierbarer Interpretationsresultate missverstanden werden. Sie erhebt ja auch selber diesen Anspruch nicht. Schon beim Eruieren der Isotopien und noch mehr bei der Deutung der Bezüge und Ver¬ flechtungen der isotopischen Aequivalenzsysteme gibt es Unsicherheiten und Mehr¬ deutigkeiten, die allenfalls mittels eines erweiterten methodischen Blickkreises ( andere Texte des gleichen Autors, biographische, soziale Komponenten etc. ) eliminiert werden können. Denn das textsemantische Verfahren ist ja offensicht¬ lich ein werkimmanentes. Die beschriebene semantische Tiefenstruktur harrt stets noch der Deutung. Sie ist hinterfragbar in Bezug auf ihren Gesamtsinn. So lässt sich etwa beim Hofmannsthalschen Beispiel fragen, was für eine Art von Isotopiensystem denn im "Weissen Fächer " vorliege. Eine vorläufige Antwort wäre: es geht vorwiegend um Probleme der Lebensbewältigung im Uebergang von einer jugendlich - unreifen zu einer reiferen Daseinsphase, wobei dem Verhältnis zum Tod besonderes Gewicht beigemessen wird. Das unterschiedliche Gewicht der Iso¬ topien, vergleicht man die Häufigkeit ihres Auftretens im Text und die Zahl ihrer Bezüge zu anderen Isotopien desselben Textes, die Profilierung bestimmter Text¬ blöcke aufgrund der "Dichte" der in ihnen situierten Isotopien - all dies hat die Funktion von Leitfäden für die an diese beschriebenen Befunde anknüpfende Inter¬ pretation ( von der wir im Falle des Hofmannsthalschen Dramolettes nur Ansätze und Fragmente geliefert haben ). Das Vorkommen kontradiktorischer semischer Komponenten in drei Isotopien im "Weissen Fächer" zeigt ein Schwanken, ein Nicht - Festgelegt - Sein, vielleicht auch einen bewussten Willen zur offenen Po¬ lyvalenz im Weltanschaulichen an. Das folgende Schema möge die isotopische Struktur des Hofmannsthalschen Textes noch einmal graphisch verdeutlichen.

102

103

Jugend

III

BESTIMMTHEIT UND BEDEUTUNG

1.

Der Bestimmtheitsgrad in literarischen Texten

Als wir Roman Ingardens an Husserl orientierte Literaturtheorie erörterten, stand vor allem die Frage im Vordergrund: bis zu welchem Grade bestimmt der literarische Text seinen "Gegenstand" ( welcher Art dieser auch immer sei ) ? Liegt nicht der entscheidende Unterschied zwischen einem real Seien¬ den und einem in der Literatur dargestellten ( fiktiven ) Quasi - Seienden ( bloss Intendierten ) im Grade ihrer Bestimmtheit ? Das Reale ist voll determiniert. Seine zahllosen, bis ins Kleinste reichenden Bestimmungen sind für den Be¬ trachter praktisch nie vollständig überschaubar. Der sprachlich evozierte Ge¬ genstand dagegen ist immer nur ein partiell bestimmter. Wie sehr er auch sprachlich differenziert und qualifiziert werden mag, es bleiben stets Unbestimmtheits - oder Leerstellen, blinde Flecken, deren weitere Bestimmung der Einbildungskraft des Lesers überlassen bleibt. Untersuchen wir diesen nur scheinbaren Mangel, welcher in Wahrheit ein viel¬ seitig anwendbares Gestaltungsmittel darstellt, etwas eingehender. (1) Was ist das zu Bestimmende in der Literatur ? Es wären etwa zu nennen: Handlungen, Vorgänge, Zustände, Beziehungen, Personen ( "Charaktere" ), Themen, Räum¬ lich - Dingliches. Offensichtlich ist die Zuordnung zu diesen Kategorien nicht immer eindeutig vollziehbar. Eine Handlungsbestimmung kann zugleich thema¬ tisch sein oder eine Person mit - bestimmen helfen. Räumlich - Dingliches mag indirekt zur Personenbestimmung beitragen ( Stifter ) usw. Beispiele sind in jedem beliebigen literarischen Text greifbar Nun können offenbar Art und Grad der Bestimmtheit von Text zu Text ( oder innerhalb eines Textes von determinatum zu determinatum ) differieren. Es gibt Texte, in denen etwa das Räumlich - Dingliche einen hohen Bestimmungs¬ grad aufweist, Geschehnisse und Handlungen dagegen einen niedrigen und umge¬ kehrt. Hierbei ist stets auch zu fragen: was wird an einem determinandum be¬ stimmt, was bleibt "leer" ? Das jeweilige Verhältnis zwischen den eben genann¬ ten determinata, der Grad ihrer relativen Profilierung, d.h. die textinterne Ab¬ stufung der Bestimmungsgrade zwischen Handlung, Vorgang, Relation, Person, Ding etc. ist teils gattungsbedingt, wurzelt aber auch und vor allem in einer zu¬ grundeliegenden künstlerischen Gestaltungsintention. Dass es innerhalb eines Textes und hier wiederum innerhalb eines Determinationsbereiches Unterschiede und Schwankungen des Determinationsgrades gibt ( vom skizzenhaften Umriss bis

104

zur reich und detailliert ausgeflihrten Darstellung ), mag ein kleines Beispiel in Erinnerung rufen. In Günter Grass' Roman "Die Blechtrommel" ( Kapitel: Glaube, Hoffnung, Liebe) wird derselbe Handlungskomplex mehrfach in je¬ weils verschieden hohem Bestimmungsgrad dargestellt ( genauer gesagt: auch der Bestimmungsgrad der Determinationsbereiche "Person" und "Zustand" ( Gedanken, Gefühle ) wechselt ). Die Geschichte vom Trompeter und SAMann Meyn rollt wiederholt, in reduzierter wie in expandierter Form vor uns ab, wobei dem Leser gerade unter anderem die künstlerische Freiheit des Er¬ zählers , seine Geschichte(n) kurz oder lang zu erzählen, nicht ohne humori¬ stischen Nebeneffekt vor Augen gerückt wird. (2) Da nun ein literarischer Text nicht wie ein Gemälde unmittelbar als Ganzes ins Bewusstsein tritt, sondern in zeitlichem Vollzüge rezipiert werden muss, ist die Wiederholung, die sprachliche Redundanz, ein wichtiges Mittel der Be¬ stimmungstechnik. Gewisse abstrakte wie dinglich - räumliche Züge prägen sich dem Leserbewusstsein erst dann ein, wenn sie, einmal eingeführt, mehr¬ fach wiederholt werden. Zwei Grundarten einer solchen Wiederholung sind hier allerdings zu unterscheiden. Jede alltägliche oder wissenschaftliche Aeusserung, jedes Reden "Uber" etwas, muss notwendig iterierende Bestandteile enthalten. Ich sage etwas von einem Gegenstand x, und im nächstfolgenden Satz sage ich noch mehr Uber ihn ( über diesen Gegenstand ): die Sprache selbst stellt Mit¬ tel bereit ( z. B. pronomina ) , welche dem notwendigen Verweis dienen, dass die Rede immer noch Uber denselben Gegenstand geht. Darüber hinaus hat die dichterische Sprache subtilere Mittel, um durch wiederholendes Bestimmen eine Person, ein Thema, einen bildhaften Komplex und Anderes aufzubauen. "Wie¬ derholen" heisst hier freilich nicht nur: wörtliches Wiederholen, Gebrauch der¬ selben Wörter und Wendungen an verschiedenen Textstellen. Die Wiederholung kann Gleiches mit anderen Worten umschreiben, sie kann es als implizites Ele¬ ment in einem auf Anderes gerichteten Darstellungszusammenhang erscheinen lassen, sie kann einmal Konstituiertes gleichsam in Abkürzung andeutend herauf¬ rufen oder schliesslich das Wiederholte weiterentfalten, neue Bezüge an es anknüpfen, wobei bereits Konstituiertes im Gedächtnis des Lesers im Weiterlesen ständig mitgetragen wird. Aufschlussreich ist ferner die Reihenfolge des BestimmungsVorganges. Die Frage, welche hier zu stellen ist, lautet: was wird zuerst Umrissen, was folgt in der weiteren Ausfüllung des noch Offengelassenen ? Wir sprachen oben vom Bestimmungsgrad in Bezug auf die Bestimmtheit von Handlung, Geshcehen, Zustand, Relation, Person, Raum etc. Damit war ge¬

meint: wie detailliert, wie intensiv ist das jeweilig Bestimmbare sprachlich qualifiziert und spezifiziert ? Neben dem Intensitätsgrad ist aber auch der Grad der Extension des Bestimmbaren zu beachten: wie weit ist im betreffenden Werk der Umkreis des Geistigen, Psychologischen etc. gezogen, wieviel von dieser Bewusstseinswelt wird ins Werk gleichsam "hineingenommen" ? Die gleiche

105

Frage liesse sich bezüglich des Räumlich - Dinglichen stellen. Es ist wahrschein¬ lich, dass mit steigender Extension die Intensität, die Bestimmungsdichte, sinkt. Liegt relativ hohe Bestimmungsintensität vor, so fragt sich, wie die Determi¬ nanten im Textganzen verteilt sind. Wird ein determinandum auf relativ engem Raum ( auf einer Seite oder auf wenigen Seiten ) konstituiert, oder handelt es sich um einen langsamen, schrittweisen, eine gewisse textliche Erstreckung durchmessenden Vorgang ? Schliesslich: wie steht es mit Art und Grad des Verweisungscharakters des einzelnen Determinates ? Es scheint, dass wir bisher unser Augenmerk zu sehr auf das einzelne zu bestimmende Figment gerichtet haben. Im dichteri¬ schen Text verweist aber alles aufeinander. Das heisst, dass es Determinanten ersten und zweiten Grades gibt: solche, die gleichsam in dienender Funktion nichts weiter bewerkstelligen als die Bestimmung eines sprachlich fingierten Phänomens und solche, die - selber schon bestimmt - mit anderen determinata im Verhältnis der Wechselbestimmung stehen. Wie stellt sich das oben Ausgefiihrte vom Leserstandpunkt aus dar ? Wer aufmerk¬ sam liest und - soweit dies möglich ist - seinem eigenen Bewusstsein während des Leseprozesses "zusieht", wird bemerken, dass ( wenigstens im Falle dra¬ matischer und epischer Werke ) der Texteingang eine besondere Funktion hat. Der erste Satz oder die ersten Sätze geben dem Leser kaum mehr als leere, ty¬ penhafte Worte, deren Füllung bzw. nähere Bestimmung noch aussteht. Lesen wir etwa den folgenden Texteingang: "Plötzlich, mitten im Hauptverkehr, erschie¬ nen sie. Es war wohl die silberne Querflöte, die zuerst aufblicken liess. "(3) Un¬ terbricht man nach diesen zwei Sätzen die Lektüre, so muss man zugeben, dass sich kaum anfängliche Umrisse abgezeichnet haben, dass man als Leser noch durchaus mangelhaft orientiert ist: "Hauptverkehr" - einer modernen Gross¬ stadt ? Wo ? Wer sind "sie" ? Was hat es mit der silbernen Flöte auf sich ? Der Erzähler muss also,will er nicht absichtlich den Leser hinhalten, auf rela¬ tiv kleinem Raum eine Minimalbasis für das Verstehen errichten, auf der er dann weiter bestimmend und entfaltend aufbauen kann. Im Falle des von uns be¬ liebig gewählten Erzähleinganges genügen fünf weitere Sätze: "Sie gab durchdrin¬ gende Töne von sich, so klein sie war. Spitze Töne, die sich zu einer ziemlich eintönigen, aber doch bannenden Melodie vereinigten. Sie durchstach das Brausen des Verkehrs und hakte sich in den Ohren der Passanten fest. Verwundert er¬ blickte man den Bläser. Er trug sich clownshaft - oder sollte man sagen alt¬ deutsch. " Nunmehr ist eine verständliche, in sich - trotz aller noch verbleiben¬ den Leerstellen - abgerundete Ausgangs Situation geschaffen: ein altertümlich ge¬ kleideter Mann, der mitten im Grosstadtverkehr eine Silberflöte bläst. Das verstehende Lesen wird nun zusehends in festere Bahnen gelenkt, Bezüge stif-

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ten sich und werden vermerkt. Wiederholungen aller Art ( s. o. ) festigen das sprachlich Konstituierte und dienen der Weiterentfaltung desselben. Erwartun¬ gen werden geweckt und erfüllt bzw. enttäuscht. Assoziiert und füllt der Leser zu Beginn noch in hohem Masse eigenmächtig, so werden ihm später Grenzen gesetzt je nach Art und Grad der Bestimmung. Was unbestimmt bleibt, bleibt es nach dem künstlerischen Willen des Autors. Der Leser folgt auch nolens volens den verschiedensten Voraussetzungen, die der Autor ihm erschafft, ob es um ontologische Bedingungen geht ( z. B. Tote erscheinen und sprechen ) oder um ethische Werte und Aehnliches. Was "wahr" ist und Geltung hat, be¬ stimmt der Text, und der Leser folgt ihm zunächst, es sei denn, es treten In¬ stanzen auf, die solche impliziten oder expliziten Gültigkeiten relativieren ( z. B. Personen, wobei die interessante Frage zu stellen ist, ob die Erzähler¬ rede glaubwürdiger sei als die Personenrede ). Vielleicht hat aber der Autor sein Werk gerade absichtlich auf die Unsicherheit allen In - Geltung - Glaubens hin angelegt. (4) Je mehr man liest, desto mehr zeigt sich der Lesevorgang als ein Konzentra¬ tions- und Abstraktions Vorgang - nicht hinsichtlich der gerade "jetzt" gelese¬ nen Stelle, sondern im Hinblick auf das schon Gelesene. Das liegt an der Un¬ fähigkeit des menschlichen Gedächtnisses, alle Einzelheiten des Textes immer in gleich deutlicher Präsenz vor sich zu haben. Was hier das Wesentliche vom Unwesentlichen scheidet, muss im Folgenden noch gesondert untersucht wer¬ den. Fassen wir vorläufig das zur Frage der textlich - sprachlichen Bestim¬ mung Gesagte thesenartig zusammen: 1)

2)

Art und Grad der Bestimmtheit differieren von Text zu Text und innerhalb eines Textes von Determinationsbereich zu Determinationsbereich ( Hand¬ lung, Person, Raum etc. ). Wiederholung als wörtliche, synonyme, reduzierende, expandierende oder implizite Identifizierung ist ein wesentliches Hilfsmittel der Bestimmung.

3)

Es gibt sprachlich schlechthin notwendiges und ein subtileres dichterisches

4)

Wiederholen. Die Reihenfolge der gegebenen Bestimmungsdata kann aufschlussreich sein.

5)

Neben dem Intensitätsgrad ist der Grad der Extension des Bestimmbaren

6)

( der psychischen wie der physischen "Welt" ) zu beachten. Die Distribution der Determinanten in der sukzessiven textlichen Erstrek-

7)

kung ist zu untersuchen. Art und Grad des Verweisungscharakters des einzelnen determinatum ha¬ ben bestimmende Funktion.

Exkurs Im Folgenden sei an einem Textbeispiel das künstlerische Mittel der Bestimmung

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nach den soeben genannten sieben Aspekten genauer untersucht. Wir wählen aus praktischen Gründen einen relativ kurzen Prosatext, der aber doch eben lang genug und geeignet ist, die Technik des Bestimmens möglichst differen¬ ziert zu analysieren: Thomas Manns frühe Erzählung "Der kleine Herr Frie¬ demann". (5) Die Erzählung ist übersichtlich in fünfzehn numerierte Abschnit¬ te bzw. Klein - Kapitel gegliedert. Wir betrachten zunächst, den Inhalt der Erzählung als bekannt voraussetzend, jeden der Abschnitte für sich, bevor eine allgemein charakterisierende Synopsis erstellt werden kann. 1) In äusserst schemenhaften Zügen wird ein Geschehnis ( die körperliche Be¬ schädigung des Johannes Friedemann als Säugling ) Umrissen. Ebenso ein Ge¬ schehen aus der Erzählvergangenheit ( Tod des Vaters von Johannes ), der Zu¬ stand der Amme ( Alkoholikerin ), die Handlungen des Arztes. Auch die genann¬ ten Personen bleiben fast leere Umrisse. 2) Der gesamte Abschnitt ist im Wesentlichen auf Räumliches abgestellt. Eini¬ ge mit Bedacht ausgewählte repräsentative Details erstellen jeweils einen räum¬ lichen Gesichtskreis: Haus und "Landschaftszimmer" der Friedemanns, der Gar¬ ten, die Mutter (ihr Scheitel, ihr Gesicht, der von ihr ausgehende Duft ), das Bild des Vaters, schliesslich die Gestalt des Kindes Johannes. Handlung wird hier fast nur im iterativ - durativen Aspekt dargestellt. (6) Eine einzige Wen¬ dung bezieht sich auf Emotionales. 3) Hier treten verschiedene Bestimmungsbereiche in enger wechselseitiger Ver¬ wobenheit auf. Da es um den summarischen Abriss eines Lebensabschnittes des jungen Friedemann geht, finden wir iterativ - durative Handlungen. Dann aber wird ein - offensichtlich repräsentatives - Einzelgeschehnis ( die enttäuschte erste Liebe ) skizziert. Zwischenmenschliche Beziehungen ( Johannes und sei¬ ne Schulkameraden; Johannes und das blonde Mädchen ) deuten sich an. Die auf¬ tretenden Nebenpersonen bleiben Schemen ( das "blonde, ausgelassene" Mäd¬ chen, der "rotköpfige" Junge ). Räumliches dient als kontrastives Element ( die Frühlingslandschaft - die enttäuschte Liebe ). Vereinzelt kommt Emotio¬ nales zur Sprache ( ausschliesslich bezogen auf Friedemann ). Gegen Ende er¬ halten wir Einblick in Friedemanns emotional getöntes Denken ( Entschluss zur Entsagung ): die Bestimmung wird an diesem Punkte ein wenig ausführlicher. Zweimal klingt ein Themenkomplex an, der später immer wieder aufgenommen wird und der dem Aufbau der Person Friedemanns dient: wir nennen ihn, dem vom Erzähler im Text gegebenen Stichwort folgend, den "epikureischen Kom¬ plex". Er bezeichnet eine Haltung des ästhetischen Genusses ( Natur wie Kunst umfassend ), welche, wie sich im Verlauf der Erzählung langsam herausstellt, einen verlogenen Ersatz für das versagte volle Leben bedeutet. 4) Am Beginn dieses Abschnittes stehen eine Handlung ( Friedemanns Eintritt

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in ein Holzgeschäft ) und ein Geschehen ( der Tod von Friedemanns Mutter ) - beides zunächst nur äusserst knapp skizziert. Was folgt, bewegt sich auf der Ebene des Denkens und FUhlens. Es geht um jenen oben genannten "epi¬ kureischen Komplex", welcher also wiederholend aufgenommen wird. Wieder¬ holung bedeutet hier weitere Ausfaltung, genauere begriffliche Bestimmung, wobei dem Begrifflich - Abstrakten immer wieder konkret illustrierende Bei¬ spiele beigegeben werden. 5) Mit wenigen treffenden Strichen werden die dbei Schwestern Friedemanns gezeichnet. Die eine ist "ein wenig zu lang und dünn", die andere "allzu klein und beleibt" - knapper geht es wohl kaum. Und doch überrascht bei dieser Zeich¬ nung eine später mehrfach wiederholte Einzelheit, welche erstaunlich bestimmt und detailliert gegeben wird und daher vom Rest der umrisshaften "Zeinung" ab¬ sticht: eine der Schwestern hat "eine drollige Art, sich bei jedem Worte zu schütteln und Feuchtigkeit dabei in die Mundwinkel zu bekommen. " Hier stossen wir auf ein frühes Beispiel von Thomas Manns Leitmotivtechnik ( vgl. auch in den folgenden Abschnitten die wiederholte, fast stereotype Erwähnung der vorge schobenen Unterlippe Gerdas ). Die Zeichnung der Schwestern besitzt übrigens einen gewissen Verweisungscharakter. Ihre Hässlichkeit und die Tatsache ihres Unverheiratet - Seins weist auch sie - wie ihren Bruder Johannes - als Stief¬ kinder des Lebens aus. In diesem fünften Abschnitt findet sich zum ersten Mal ein Beispiel für absichtliche Unbestimmtheit ( in Bezug auf eine Handlung ). Es heisst da im Text, Friedemann habe "irgend ein kleines Geschäft" übernommen. Warum der Mangel an Determination ? Näheres Zusehen erweist die scheinbare Nachlässigkeit als absichtliches künstlerisches Mittel: Friedemann ist aufgrund seiner Konstitution und wohl auch eines, wenn auch bescheidenen, Wohlstandes nicht einer ernstlichen und gar schweren Arbeit fähig bzw. auf eine solche ange¬ wiesen. Da das Leben ihm das versagt, tut er es als unwesentlich ab und ver¬ legt sich auf sein Epikureertum. Die bürgerliche Wohlanständigkeit verlangt allerdings eine berufliche Tätigkeit. So übernimmt er denn "irgend ein kleines Geschäft". Am Ende des Abschnittes steht die relativ detaillierte Beschreibung eines idylli¬ schen Zustandes, welcher nochmals eindrucksvoll demonstriert,was mit Friede¬ manns epikureischem Komplex gemeint ist. Die Beschreibung von Friedemanns Mittagsruhe im Garten ist zusammengewoben aus Gedanken, Gefühlen und optisch¬ ästhetischen Wahrnehmungen des Räumlichen. Er geniesst die Blumen im Garten, den Kiesweg, die angenehme Nackenrolle, die gute Zigarre und nicht zuletzt: das gute Buch. Das Ende des Abschnittes schlägt eine Brücke zu seinem Anfang, wo von Friedemanns Theaterleidenschaft ( ästhetischer Genuss ) die Rede ist. 6) Der Abschnitt steht ganz im Zeichen eines eingetretenen Ereignisses: der An¬ kunft des Ehepaares von Rinnlingen. Einigen allgemeinen Bemerkungen Uber die

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Lebensweise des Paares folgt eine ziemlich ausführliche, freilich durch ein bestimmtes Medium leicht verzerrte Charakteristik Gerdas von Rinnlingen. Sie erscheint im Spiegel des Klatsches der kleinstädtischen Damenwelt. Ei¬ genschaften und Verhaltensweisen ihrer Person werden genannt und bewer¬ tet, z.B. ihr kühl - distanziertes ( "zwischenmenschliches" ) Verhältnis zu ihrem Gatten. Letzterer bleibt im Vergleich zu Gerda ein blosser Schemen, was seinen Determinationsgrad betrifft: er ist Offizier, guterhaltener Vier¬ ziger, korrekt, stramm, ritterlich - mehr wird ( auch später ) kaum von ihm gesagt. Zwei mögliche Verweisungsbezüge verdienen Erwähnung: von Gerda heisst es, sie sei (trotz der burschikosen und beinahe männlichen Herbheit ihres Wesens ) "durchaus nicht hässlich, man könnte sie sogar hübsch finden". Ueber Friedemann sagt der Erzähler am Ende von Abschnitt 2: "Obgleich sein Gesicht so jämmerlich zwischen den Schultern sass, war es doch beinahe schön zu nennen. " Ob das, was Gerdas Schönheit abträglich ist, insgeheim zu tun hat mit dem, was Friedemann unschön macht ( seine Verwachsenheit und seine daraus resultierende Lebensschwäche ) wird im Laufe der Erzählung ( absichtlich ? ) nie voll geklärt ( bestimmt ). Auch die Kinderlosigkeit des Ehepaares von Rinnlingen wirkt als ein Symptom von Lebensschwäche und steht in geheimem Wechselbezug zu Friedemanns mangelhafter Existenz. 7) Wieder steht ein Ereignis im Mittelpunkt, diesmal ein Ereignis spezieller Natur: die erste zufällige Begegnung Friedemanns mit Gerda, auf der Haupt¬ strasse des Städtchens. Der Abschnitt ist weitgehend der räumlich - dingli¬ chen Beschreibung (inklusive äussere Personenbeschreibung ) gewidmet. Zu¬ erst die knappe Lokalisierung des Vorfalls: die Strassenszenerie. Sodann der physische Kontrast der beiden Männerfiguren ( der wechselseitigen Verweisungscharakter trägt ): der Ubergrosse vierschrötige Kaufmann Stephens und Friede¬ mann ( "winzig und wichtig" ). Schliesslich als Höhepunkt das Portrait der im Wagen vorbeifahrenden Gerda, ein im Vergleich zur Bestimmungsdichte ande¬ rer "Gegenstände" der Erzählung relativ detailliert - bestimmtes Portrait. Ein Einzelzug trägt Verweisungscharakter: die "bläulichen Schatten" unter Gerdas Augen. Worauf sie weisen, bleibt, wie schon gesagt, dunkel. Auch ein gewis¬ ser Zustand Friedemanns ( er sieht betroffen auf den Boden und überhört eine Bemerkung seines Begleiters ) verweist - als Symptom - auf seinen veränderten seelischen Zustand. 8)

Zwei Handlungskomplexe, aufgeteilt in kleinere Nebenhandlungen bzw. Hand¬

lungsschritte, füllen einen Grossteil dieses Abschnittes aus. Der erste bleibt verdeckt. Es handelt sich um den Besuch der von Rinnlingen bei Friedemanns. Der Leser kann diesen Besuch nicht als Augen- und Ohrenzeuge miterleben, da die Erzählperspektive vom dritten Abschnitt an ganz in die Person Friedemanns verlegt wird - und Friedemann ( das ist der zweite Handlungskomplex ) weicht der Begegnung mit Gerda aus. So stellt der zweite Handlungskomplex eigent-

110

lieh ein von allerlei untergeordneten Handlungsmomenten umrahmtes Nicht¬ handeln dar. Dieses eingehender beschriebene Nichthandeln hat hochgradigen Verweisungs Charakter im Hinblick auf Friedemanns Seelen Verfassung. Das Gleiche gilt für einen scheinbar belanglosen Handlungszug gegen Ende des Ab¬ schnittes, einen Zug, der dazu wiederholenden Charakter trägt: als eine der Schwestern bemerkt, Johannes werde doch sicherlich die Schwestern beim fälligen Gegenbesuch begleiten, hört er in seiner "abwesenden" Gemütsver¬ fassung gar nicht hin, ebenso wie ihm am Ende des siebenten Abschnittes aus dem gleichen Grunde eine Bemerkung des Kaufmanns Stephen entgeht ( s. o. ). Kleinere Züge werden wiederholt und damit im Gesamtbild des Textes befe¬ stigt. So z. B. eine zwischenmenschliche Qualität. Hier liefert der Text ein Beispiel ( die Schwestern Friedemanns einigen sich auf den Sonntag als Be¬ suchstermin ) für eine schon in Abschnitt 5 gegebene begrifflich - allgemeine Qualifikation ( nämlich: ihre Einigkeit ). 9)

Der Abschnitt bringt ein als Folie für speziellere Handlungen dienendes

Geschehen ( Ereignis ): nämlich die Opernaufführung im städtischen Theater. Von den speziellen Handlungen haben mehrere wiederholenden sowie verwei¬ senden Charakter. So Friedemanns erschrockenes Zögern am Eingang zu sei¬ ner Loge, als er sieht, dass er neben Gerda sitzen soll. Dann sein Umkehren in der Pause auf dem Weg zum Korridor ( ähnlich seinem Umkehren beim Be¬ such des Ehepaares von Rinnlingen in seinem Hause ). Und schliesslich: seine Flucht aus der Vorstellung. Alle drei Aktionen verweisen auf seine verstörte Seelenverfassung. Die Handlung des neugierigen Mustems wird in diesem Ab¬ schnitt zum zweiten Leitmotiv, das sich hier und im Folgenden an die Person Gerdas heftet und dessen Sinn nicht eindeutig zu fassen ist. Am Ende des Ab¬ schnittes findet sich eine technisch bemerkenswerte Version des bestimmenden Beschreibens. Ein Vorgang wird zunächst in seinem äusseren Faktischen prä¬ sentiert ( Gerda entgleitet ihr Fächer; Friedemann und sie bücken sich gleich¬ zeitig danach). Erst hinterher ( allerdings unmittelbar im Anschluss an die Be¬ schreibung des rein faktischen Vorganges ) folgt eine Analyse der emotionalen Wirkung dieses Vorfalles, genauer: der körperlichen Nähe Gerdas, auf Frie¬ demann. Beschreibungen des Aeusseren der Personen ( vor allem Friedemanns wiederholt genannte Bleichheit, Gerdas physische weibliche Reize ) verweisen auf die mit dem Wesen Friedemanns eng verbundene Thematik der Erzählung. 10)

Gegenstand dieses Abschnittes ist die lang anhaltende Nachwirkung der zwei¬

ten Begegnung mit Gerda auf Friedemann. Der Tenor des Ganzen ist daher emo¬ tional und reflektierend. Was an Einzelhandlungen sich vollzieht, ist von unter¬ geordneter und trivialer Natur ( "ging", "schritt", "begegnete", "grösste", "sah. .. nicht", "atmete", "sagte", "verfolgte", "beugte... zurück", "stand", "trat... ein", "setzte sich", "nahm", "schob", etc. ) Das Gleiche gilt für die Raumpartikel ( Stationen des Heimweges ), welche erwähnt werden, allerdings

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mit einer bedeutsamen Ausnahme: die Rose, welche der heimgekehrte Friede¬ mann auf seinem Schreibtisch erblickt und die ein Zeichen seines nunmehr brüchig gewordenen ästhetischen Epikureertumes darstellt, bedeutet ihm jetzt eher Qual als Genuss, denn sie bringt ihm seine völlig veränderte Gemüts¬ verfassung blitzartig zu Bewusstsein. 11) Auch dieser Abschnitt steht insgesamt noch im Zeichen der Verquickung von Emotion und Reflexion. Die Einzelhandlungen oder -geschehnisse sind pe¬ ripher, haben nur begleitende Funktion mit Ausnahme der letzten Handlung Friedemanns: seines Ganges zu Gerda. Auch die räumlichen Schlaglichter blei¬ ben sparsam bestimmt, untergeordnet und versprengt. Wesentlicher treten zwei etwas eingehender gestaltete Willensentscheidungen Friedemanns hervor. Sie sind kontradiktorischer Natur ( der Entschluss, sich nicht mehr den ver¬ sagten Verlockungen des Lebens auszuliefern und dann der plötzliche gegentei¬ lige Entschluss, zu Gerda zu gehen ). In Verbindung mit ersterem Entschluss taucht noch einmal der epikureische Komplex auf. Er signalisiert den letzten verzweifelten Versuch Friedemanns, Zuflucht und "Seelenfrieden" im ErsatzGlück des ästhetischen Genusses zu finden. 12) Die Situation bzw. der Verlauf des ersten Gespräches zwischen Friedemann und Gerda bildet den Inhalt dieses Abschnittes. Handlungsmomente ( soweit sie hier nicht - sprachlicher Natur sind ) beschränken sich auf Untergeordnet Triviales wie Gehen, Kommen, Sich Setzen etc. Friedemanns beredtes Schwei¬ gen hat als ein Nicht - Handeln starken psychologischen Verweisungscharakter. Der Raum, in welchem das Gespräch stattfindet, wie auch Kleidung und Aussehen Gerdas werden relativ einlässlich dargestellt. Wiederum hat, besonders im Fal¬ le Friedemanns, das Aeussere, z. B. seine Gesichtsfarbe, verweisende Funk¬ tion. Gerdas Person erfährt - durch ihre eigenen Worte - eine etwas nähere Be¬ stimmung: sie spricht von ihrem Kranksein. Obwohl auch ihr Gatte in diesem Abschnitt auftritt, bleibt seine Gestalt stereotyp und unbestimmt. "Sein braunes Gesicht war ganz blank vor Wärme", heisst es, und seine Stimme wird "scharf" und "kräftig" genannt. Die wenigen Worte, die er spricht, erhellen nichts von seinem Charakter - er bleibt ganz Staffage. Zum zweiten Male benutzt der Er¬ zähler das Mittel der absichtlichen Unbestimmtheit. Es heisst, dass von Rinnlingen "irgend etwas" zu Friedemann sprach. Das will natürlich sagen, dass Friedemann nicht hinhört, weil er völlig im stupor des vom Eros unselig Ent¬ flammten befangen ist. Als wiederholte Elemente begegnen in diesem Abschnitt: äusserliche Einzelheiten in Gerdas Miene, Friedemanns Blässe, Gerdas "Mus¬ tern" sowie der ästhetisch - epikureische Komplex ( Musik, Friedemanns Vio¬ linespiel ). 13) Wie schon der zehnte Abschnitt, so dient auch dieser der Darstellung der Nachwirkung der ( nunmehr zweiten und intensiveren ) Begegnung Friedemanns

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mit Gerda. Auch hier ist der Gesamttenor emotional - reflexiv. Das Räumli¬ che (die schöne Landschaft ) hat Kontrastfunktion zur gärenden Unordnung in Friedemanns Gemüt. Der Gedanke an Selbstmord taucht in Friedemanns Be¬ wusstsein auf und wird noch einmal in bildhafter Variation ("Abgrund") wieder¬ holt. Die vorausdeutende Funktion dieses doppelten Hinweises wird dem auf¬ merksamen Leser kaum entgehen. 14)

Die ersten Phasen der grossen Geselligkeit im Hause der von Rinnlingen

werden ausschnittartig skizziert. Die Einzelhandlungen fügen sich zunächst zu einem Gesamt - Tableau bewegter Zuständlichkeit. Alle Personen ausser Gerda und Friedemann bleiben völlig schemenhaft. Die Beschreibung des Aeusseren der beiden Hauptprotagonisten ( auf ihre dritte und entscheidende Begeg¬ nung steuert der Abschnitt langsam aber zielsicher zu ) hat wiederum Verwei¬ sungscharakter ( die bläulichen Augenschatten Gerdas, die bleiche Gesichts¬ farbe Friedemanns ). Zum dritten ( und letzten ) Male gebraucht der Erzähler das Kunstmittel der gewollten Unschärfe bzw. Unbestimmtheit. Gerda fragt Friedemann, warum er sich noch nicht bei ihr zum Musizieren eingefunden ha¬ be, und er antwortet ihr, so heisst es wieder, "irgend etwas". So sehr ist er in den Sog der selbstzerstörerischen Leidenschaft geraten ( unterstrichen noch durch sein übermässiges Wein - Trinken bei den Gesellschaft), dass es ei¬ gentlich belanglos wird, was er zu Gerda sagt. 15)

In der Endphase der Geselligkeit, welche die dritte und letzte persönliche

Begegnung Gerdas und Friedemanns bringt, tritt das Räumliche wieder stärker in den Vordergrund, zunächst als Szenerie ( Park in der Sommernacht ), dann als Ort des Todes und der leiblichen Selbstzerstörung: der Fluss. Das Gespräch der Protagonisten kreist um Gebrechen und Glück, die zentralen Momente in Friedemanns Existenz. Daher tritt der Bestimmungsbereich der Emotion hier wieder stärker hervor. Der Leser wird freilich nur Zeuge von Friedemanns Gefühlen. Was seine Partnerin fühlt, bleibt im Unbestimmten. Sie ist letztlich nur auslösender Faktor. Eine gewisse geheimnisvolle Verwandtschaft ihres Ge¬ schickes mit dem Friedemanns deutet sich dunkel an, erklärt auch vielleicht ih¬ re an Taktlosigkeit grenzende Neugier in Bezug auf Friedemanns Wesen und Schicksal, erhellt sich aber nirgends im Text. Die das Gespräch und das Ende der Erzählung vorbereitenden untergeordneten Einzelhandlungen ( Gehen, Sich Setzen etc. ) sind naturgemäss "alltäglichen" Charakters. Ihnen folgen aller¬ dings am Ende drei deutUcher ausgeführte hochdramatische und inhaltsschwere Handlungskomplexe, welche noch einmal abschliessend Licht auf das Wesen der beiden Protagonisten werfen. Zuerst Friedemanns verzweiflungsvolles Sich - Nie¬ derwerfen vor der sitzenden Gerda, Akt der grotesk - schmerzlichen Werbung wie zugleich der Unter - werfung des Besiegten. Dann die stolz - grausame Ge¬ ste des Zurückstossens seitens Gerdas und zuletzt: der tragische und zugleich jämmerliche Akt des Selbstmordes Friedemanns.

113

Wir haben in unserer Analyse der Bestimmung in Thomas Manns "Der kleine Herr Friedemann" sozusagen ein Grundschema von Art, Grad, Redundanz und dem Verweisungscharakter des sprachlichen Bestimmens sichtbar gemacht, eine Art abstrahierenden Röntgenbildes der Erzählung. Dabei ergaben sich von selbst ständig Bezüge zwischen dem formalen Schema und dem Inhalt bzw. auch dem gehaltlichen Sinn der Dichtung. Es bleibt uns nun noch die Aufgabe, die Be¬ funde in einer Synopsis zusammenzufassen und auszuwerten. Eine Ueberschau zeigt ( Uber die Gesamterstreckung des Textes ) eine ziemlich gleichmässige Dis¬ tribution der wichtigsten Bestimmungsbereiche, deren hierarchisches Verhält¬ nis etwa folgendermassen schematisch darzustellen ist: P

T ( p= Person; Th= Thema; D= Denken; F= Fühlen; W= Wollen; G= Geschehen; H= äussere Handlung; R= sinnlich wahrnehmbares Räumlich - Dingliches ) Das Schema soll veranschaulichen, wie fast alle Bestimmungsbereiche zur Kon¬ stitution der Person (in erster Linie: Friedemanns, in zweiter: Gerdas ) die¬ nen. Der Komplex: Denken/ Fühlen/ Wollen ist ( als inneres Handeln bzw. Ge¬ schehen ) mit dem Thema des Epikureertums eng verbunden. Dass Räumlich Dingliches im Wechselbezug zum Bereich der Person steht, erweist sich in die¬ sem Text vor allem an der wichtigen Rolle des Gesichtsausdruckes. Friedemanns Schicksalsumriss, seine äussere Gestalt und seine Seelenverfassung bilden den eigentlichen Gegenstand der Erzählung, die ja eben "Der kleine Herr Friedemann" betitelt ist. Allen anderen Personen, selbst Gerda, welche noch re¬ lativ profiliert erscheint, treten qua Bestimmungsgrad hinter Friedemann zu¬ rück, wirken staffageartig. Die Frage nach der Extension des Bestimmungs¬ feldes im Geistig - Seelischen ist damit beantwortet. Fast völlig ausgespart wer¬ den: Friedemanns beruflicher wie familiärer Alltag, zwischenmenschliche Bezie¬ hungen zu Personen ausser Gerda. Diese Bereiche werden jedenfalls nur sehr sparsam und streiflichtartig angeleuchtet. Die Extension des Bestimmungsfel¬ des im Räumlichen ist auf den Bezirk einer Kleinstadt beschränkt, wobei Innenwie Aussenräume wechselnd die Szenerie bilden. Wie bereits aus der Analyse der einzelnen Abschnitte deutlich geworden ist, bedient sich der Erzähler häufig des Mittels der Wiederholung und zwar von der fast stereotypen leitmotivischen Wiederholung bis hin zur entfaltenden und ausbauenden. Das Aeussere von Per¬ sonen, ihre Gefühle ( genauer: Friedemanns Gefühle ), gewisse Handlungen ( z. B. die auffallend häufigen Flucht - bzw. Rückzugsbewegungen Friedemanns oder das Mustern der Gestalt Friedemanns durch Gerda ) und das dreimal angewandte

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Mittel der absichtlichen Unbestimmtheit ( "irgend etwas" ) werden durch Ite¬ ration dem Bewusstsein des Lesers besonders eingeprägt. Im Ganzen lässt sich sagen, dass aufgrund des relativ geringen Umfanges der Erzählung ( et¬ wa 25 Seiten ), welche gleichwohl eine zeitliche Erstreckung von etwa 30 Jah¬ ren umspannt, die jeweilige Dichte der Bestimmung meist geringen Grades ist. Der Erzähler muss auswählen, charakteristische Schlaglichter setzen. Wo er sich mehr "Zeit" lässt bei der Bestimmung, geht es um Entscheiden¬ des. So etwa um innerseelische Vorgänge in Friedemann, den "epikureischen Komplex". Ferner: um die äussere Beschreibung Gerdas, um gewisse wichti¬ ge Handlungskomplexe ( Friedemanns Rückzüge, sein Gang zu Gerda, die bei¬ den Gespräche mit Gerda und schliesslich das Sich - Ueberstürzen hochdra¬ matischer Handlungen am Ende der Erzählung ). Und nicht zuletzt erfährt der Raum an einigen Stellen eingehendere Bestimmung: Haus und Zimmer, Natur¬ landschaft und Park als Orte, welche als Katalysatoren für Friedemanns in¬ neres Ringen fungieren. Erneut wird das enge Entsprechungsverhältnis zwi¬ schen kompositorischen, formal- strukturellen Momenten und dem Sinn eines literarischen Textes deutlich.

2.

Die

Bedeutungstypik literarischer Texte

Wir sind bei der Betrachtung der sprachlich - literarischen Bestimmungswei¬ sen von Komplexen wie "Person", "Handlung", "Geschehen", "Emotion", "Raum" etc. ausgegangen, welche sich in der Regel auf Textteile bezogen, die aus meh¬ reren Wörtern bestanden. Nimmt man nun das einzelne Lexem im Text als Bedeutungsträger, so lassen sich weitere Beobachtungen zur semantischen Fein¬ struktur eines Textes machen, falls es gelingt, ein ausreichendes und sinnvol¬ les Schema möglicher Bedeutungstypen des literarischen Textes aufzustellen. Wir präsentieren im Folgenden ein solches Schema, sind uns allerdings dabei der Tatsache voll bewusst, dass es ein vorläufiges und wahrscheinlich in man¬ cher Hinsicht verbesserungsbedürftiges ist:

menschlich

(individual - kollektiv )

nichtmenschlich

selbständig Seiendes Tun II Geschehen

( belebt - unbelebt )

Wesen Qualität IV

Relation ( inklusive: Ort/ Zeit )

2

Gattung ( Art, Typ )

I

III

Situation/ Zustand

115

1

( individual - kollektiv )

V

VH

Vin

VI

Intellekt ( Geist ) Emotion

"real"

1.1

1.2

Wille 1.3 Perzeption

(r)

imaginär

(imag.)

symbolisch

(symb.)

potentiell (pot.) konditional (kond.)

1.4

negierend

(neg.)

positiv

(+)

negativ

(-)

hypothetisch (hyp.) interrogativ (interrog.

neutral

(o)

dubitativ

intentional ( bezeichnend )

Modalität

(dub.)

(int.)

sprachimmanent (spr.) Element aus der histor. Realität oder anderen ursprüngl. aussertextlichen Sinnbereichen (ex) textkonstitutiv gebundene Bedeutung

(t)

getragene Bedeutung (getr.) Träger der Bedeutung (träg.)

Das obige Schema bedarf einiger Erläuterungen. Die arabischen und römischen Ziffern und alle übrigen Symbole und Abkürzungen unter den Titeln dienen der formelhaften Beschreibung von Bedeutungstypen in einem literarischen Text. Zu VII ( Wesen ): gemeint sind Bedeutungen, welche das Wesentliche, den Sinn¬ kern eines umgreifenden Bedeutungskomplexes anzeigen, im Gegensatz zu peri¬ pheren Bedeutungselementen oder zu blossem Füllsel. Unter dem Titel ,rPerzeption" wird sinnliche Wahrnehmung verstanden. Der Titel "real" steht im Schema in Anführungszeichen, da es sich hier um fiktive Realität ( zumindest in epischen und dramatischen Werken ) und nicht um ausserliterarisch - historische Reali¬ tät handelt ( für die ein anderes Symbol: "ex" einsteht ). Man weiss, dass es in¬ nerhalb eines dichterischen Textes durchaus Unterschiede zwischen geltender ( fiktiver ) Realität und Imagination ( Vision, Traum etc.) geben kann ( Symbol: imag. ). Es ist gleichfalls eine altbekannte Erscheinung, dass ein literarischer Text nicht - erfundene, aus bereits vorgeprägten Bereichen stammende Elemen¬ te enthalten und diese in seine eigene Textur integrieren kann ( Symbol: "ex" ). Man denke etwa an Heines "Reisebilder" mit ihren zahlreichen Anspielungen auf geschichtliche Realitäten, ferner an die Funktion von Zitaten, die aus ande¬ ren dichterischen oder nichtdichterischen Texten stammen oder an Märchen¬ land Mythenelemente in manchen Texten der Dichtung. Die Titel "positiv", "ne¬ gativ" und "neutral" beziehen sich auf Wertungen jeglicher Art ( ethisch, ästhe¬ tisch usw. ). Das Gegensatzpaar "sprachimmanent" - "intentional" trägt der Tat¬ sache Rechnung, dass im Regelfälle in Dichtungen aller Gattungen und Epochen mittels der Sprache etwas "gemeint", dass ein fiktiver "Gegenstand" ( oder in

116

bestimmten lyrischen Texten: ein existentieller Sachverhalt ) sprachlich anvi¬ siert wird. Phänomenologisch wäre hier zu scheiden zwischen vermeintem "Ge¬ genstand" ( Noema ), sprachlich - medialem Akt und dessen Produkt: dem sprach¬ lich erstellten "Gegenstand". Es gibt aber bekanntlich auch Texte ( etwa in zeit¬ genössischer Lyrik ), auf die diese Charakterisierung nicht zutrifft, Texte, die nur mit dem semantisch - sprachlichen Material selbst spielen, ohne dieses zum Träger von etwas das einzelne sprachliche Element Uebersteigendem ma¬ chen zu wollen. Das Element bzw. der "Satz", Abschnitt etc. bedeutet zwar für sich, bezeichnet aber nichts. Mit der Wendung " textkonstitutiv gebundene Bedeutung" (t) ist die simple Tat¬ sache gemeint, dass ein literarischer Text mittels des vorgegebenen Materials der Sprache ( der Wörter und ihres allgemeinen lexematisch - semantischen Inhalts ) im Vollzug des Schreibens ( bzw. Lesens ) eine einmalige eigene "Welt" mit ganz spezifischen Bedeutungsnuancen aufbaut. D.h., dass Wörter und Wen¬ dungen, also "Bedeutungen", in einem bestimmten Werk eine sehr individuelle sinnhafte Färbung annehmen können, welche sie mittels des ihnen vorausgegan¬ genen Textes und seiner Bestimmungen als spezielle Seme in sich aufgenommen haben. "Liebe" in Rilkes "Duineser Elegien" ist etwas Anderes als "Liebe" in einem Barockgedicht. Es sind also, streng genommen, drei verschiedene Bedeu¬ tungen eines Wortes ( Wortkomplexes ) zu unterscheiden: zum einen das Wort als Lexem, so wie es das Wörterbuch definiert: zwar festgelegt und doch offen für semantische Verschiebungen, Erweiterungen, Verengungen usw. Zum zweiten: das Wort, so wie es in einem gegebenen Text aufgrund seines kontextuellen Be¬ deutungsaufbaues einen bestimmten Sinn gewinnt. Und zuletzt: Wörter oder Wen¬ dungen, die zunächst als "Fremdkörper" aus aussertextlichen Bereichen in den Text hineingelangen und in ihn verschmolzen werden, wobei von Fall zu Fall festzustellen wäre, in welchem Grade die betreffende Bedeutung ihren ursprüng¬ lichen Sinn beibehält oder aufgibt. Eine im literarischen Text einmal konstituier¬ te Bedeutung wird in ihrer vollen Eigenart in den folgenden Phasen des Textes als eben diese weiter "mitgeführt", insofern der Text sie nicht aus bestimmten Gründen ( Entwicklung ) ändert oder noch weiter semantisch anreichert. Die in unserem Schema aufgeführte Unterscheidung zwischen getragener Bedeu¬ tung und Träger der Bedeutung bezieht sich auf Dichtungen, in welchen eine kom¬ plexe Bedeutung allmählich und aus einer Reihe von Trägerelementen ( z. B. Hand¬ lungen, Räumliches ) aufgebaut wird. Beispiel: die gute Zigarre ( Bedeutungsträ¬ ger ), der epikureische Komplex ( getragene Bedeutung ) im Falle der von uns herangezogenen Erzählung Thomas Manns. Wir haben davon auszugehen, dass in einem literarischen Werk die "getragene Bedeutung", d. h. der thematische Ge¬ halt, in begrifflich - abstrakter Form aussprechbar ist und dass diese Bedeutung getragen bzw. aufgebaut wird durch eine sprachlich vermittelte Vielzahl handlungsmässiger , räumlich - dinglicher etc. Konkreta. Damit Träger- und gehaltliche

117

Bedeutungsebene einander zuordenbar sind, muss es auf beiden Ebenen seman¬ tische Werte geben, die einander kongruent sind. Gewisse Bedeutungselemente müssen Träger und Getragenem gemeinsam sein, soll das Tragende dem Getra¬ genem als Basis dienen. Nun ist eine getragene Bedeutung in den meisten Fällen mehr als nur die Sum¬ me der inhaltlichen Bestimmungen ( Seme ) aller sie tragender Bedeutungen. Es gibt zwei Wege, von letzteren zur ersteren zu gelangen, Wege, die einan¬ der keineswegs ausschliessen, d.h. die beide im selben Interpretationsverfah¬ ren beschritten werden können. Der erste geht abstrahierend vor. Er hebt von allen Trägerbedeutungen gemeinsame inhaltliche Elemente ab und drückt die¬ se sprachlich aus. Der zweite Weg zieht aus einem Bedeutungskomplex

( einer

Anzahl zusammengehöriger Trägerbedeutungen ) eine Gesamtbedeutung heraus, deren Inhalt nicht in den einzelnen, für sich genommenen Trägerbedeutungen wiederzufinden ist. Anders gewendet: jene ,Therausgezogene" Gesamtbedeutung sagt inhaltlich etwas Neues, obwohl ihre Funktion eine die Trägerbedeutungen in ihrer Gesamtheit identifizierende ist ( gemäss der Formel: "Das alles bedeutet: xy" ). Jede Trägerbedeutung strahlt gleichsam ihr semantisches Po¬ tential aus. Die bei mehrwortigen Komplexen sich "kreuzenden" Strahlenbündel ergeben eine neue synthetisch zustandegekommene Bedeutungskonfiguration. Die Gesamtbedeutung ist genereller als die ihr zugehörigen Trägerbedeutungen. So¬ mit umschliesst erstere noch mehr inhaltliche FUllungsmöglichkeiten als in den Trägerbedeutungen des jeweiligen Textes de facto realisiert wurden. Machen wir, um diese Frage noch einmal genauer zu erwägen, das folgende Ex¬ periment. Vergleichen wir einen kurzen literarischen Text mit einem Stück Text, welches einer Interpretation des ersteren entnommen ist. Wir wählen hier¬ zu Hölderlins Gedicht "Lebenslauf" in der Fassung aus dem Jahre 1798: Lebenslauf Hoch auf strebte mein Geist, aber die Liebe zog Schön ihn nieder; das Leid beugt ihn gewaltiger; So durchlauf ich des Lebens Bogen und kehre, woher ich kam.

Interpretation: "...dass die Ueberdenkung der Stadien seines geistigen Le¬ benslaufes im Gleichnis vom Lebensbogen zu einer frommen Hinnahme seines Schicksals führt: "und kehre, woher ich kam. " Das Leid führt nicht zur Verzweif¬ lung, nicht zur Resignation. Das Gleichnis vom Lebenslauf als Bogen führt zur Erkenntnis vom Sinn des Lebens. " ( Clemens Heselhaus ) (6)

118

Man mag sofort einwenden, dass wir hier dem Gesamttext des Gedichtes nur ein aus dem Zusammenhang gerissenes Teilstück der Interpretation gegenüberstellen. Da es uns aber nur darum geht, die Relation eines bestimmten Typus interpretativer Aussage zum interpretierten Text zu erhellen und da zudem das zitierte Stück Interpretation auf den Gesamtgehalt des Gedichtes hinzielt, erscheint uns unser Verfahren methodisch unbedenklich. Eine ausgebildete Textsemantik ( die wir noch nicht besitzen ) müsste imstande sein, eine möglichst vollständige Analyse der einzelnen Bedeutungselemente ( Wörter, Ausdrücke )

zu geben, zugleich aber eine möglichst exakte Beschrei¬

bung der Ubersatzmä'ssigen Bedeutungskomplexe, welche durch Sätze oder grös¬ sere textliche Einheiten hervorgebracht werden. Mit anderen Worten: einer Ana¬ lyse von "hoch", "streben", "Geist" etc. folgt eine Analyse des Bedeutungskom¬ plexes "Hoch auf strebte mein Geist, ". Denn grössere Bedeutungskomplexe sind oft mehr als bloss die Summe ihrer Elemente. Lenken wir nun den Blick vom Text hinüber auf den Metatext der Interpretation, so scheinen uns drei unterscheidbare Arten des Interpretierens innerhalb dessel¬ ben kurzen Abschnittes vorzuliegen: 1)

Reine Paraphrase ( derselbe semische Bestand ist mittels anderer Wörter wie¬ dergegeben ).

2)

Summierendes und abstrahierendes Herausheben gleicher semischer Be¬ stände, die in mehreren Elementen des Textes implizit darinstecken, also nicht eigene lexematische Gestalt im Text gewonnen haben.

3)

Eine im Vergleich mit dem lexematischen und semischen Bestand des Textes neue, durch Interpretation "erzeugte" Bedeutung, die weder explizit im Text formuliert, noch implizit in einer Mehrzahl von Textelementen vorhan¬ den ( und somit "abhebbar" ) ist. Diese neue Bedeutung - und das ist unser Hauptproblem - "ergibt sich" gleichwohl aus dem Text, sagt ihn auf höherer Stufe aus. Der Text "bedeutet" diese neue Bedeutung.

Nicht immer lassen sich die drei oben erwähnten Arten reinlich scheiden. In He¬ selhaus’ Text repräsentiert der Ausdruck "die Ueberdenkung der Stadien seines geistigen Lebenslaufes" die Arten 1 und 2. "Ueberdenkung" wie "Stadien" sind summierend/ abstrahierend. Die Aussage des Gedichtes in ihrer Gesamtheit hat den Charakter der "Ueberdenkung", und die einzelnen genannten Vorgänge sind in der Tat "Stadien". Die Wendungen "seines geistigen Lebenslaufes", "Lebens¬ bogen", "Schicksal", "das Leid", "Gleichnis vom Lebenslauf als Bogen", wie¬ derholen teils den Wortlaut des Gedichtes, teils tragen sie paraphrastischen Cha¬ rakter.

119

Was aber liegt in der Wendung "einer frommen Hinnahme" vor ? Gewiss keine Paraphrase im gewöhnlichen Sinne. Auch nicht ein Abstrahieren von semischen Wortinhalt - Elementen, die mehreren Einzelbedeutungen ( z. B. Wörtern ) des Gedichttextes gemeinsam sind. Gestehen wir vorläufig einmal dem Interpreten zu, dass die eben zitierte Wendung den Gedichttext "trifft". Wie aber kommt sie zustande ? Lässt sich der sprachlich - geistige Vorgang fassen, der vom Text und seinen expliziten wie impliziten Bedeutungen zu einer "neuen", aus dem Text erst entspringenden Bedeutung führt ? Denn dies scheint uns das ei¬ gentümliche Paradox an der Art dieses Interpretierens zu sein: es sagt etwas "Anderes", in der sinnhaften "Oberfläche" bzw. lexematischen Gestalt des in¬ terpretierten Textes nicht Enthaltenes und sagt doch zugleich, was der Text "eigentlich" bedeutet. Es enthüllt gleichsam mehr vom zugrundeliegenden, nicht völlig sprachliche Gestalt gewordenen eidos. Selbstverständlich setzen wir stillschweigend voraus, dass eine interpretative sprachliche Wendung wie die eben betrachtete den Text erhellt, nicht aber frei Uber ihn spekuliert oder gewaltsam etwas in ihn hineindeutet. Was also geht hier vor sich ? Wir spüren intuitiv, dass "fromme Hinnahme" zum Text Hölderlins "passt". Wie aber, ge¬ nau besehen, gelangt ein gewissenhafter Interpret zu gerade diesem Ausdruck und wieso hat der Leser der Interpretation den Eindruck, dass diese dem Text gerecht wird ? "Fromme Hinnahme" ist ein relativ weiter abstrakter Begriff, den der Gedicht¬ text zwar erfüllt, der aber auch auf mannigfach andere Weise erfüllbar wäre. Der Interpret sieht also während der Rezeption die unmittelbar gegebene Bedeutung eines Textes und zugleich, gleichsam auf höherer Ebene, eine weitere und überge¬ ordnete Bedeutung, ein eidos, das die vordergründige Textbedeutung aus sich sel¬ ber heraus transzendiert und dennoch mit dem Text in einem tieferen Verstände identisch bleibt. Eine solche vom Interpreten erfasste Bedeutung wäre, im Sinne der neueren linguistischen Textsemantik, als semantische "Tiefenstruktur" des Textes, als ideelles organisierendes Prinzip anzusprechen, welches seinerseits wiederum sprachlich fassbar wird. Im Zusammenhang mit der Rede von "eidos" oder semantischer "Tiefenstruktur" bzw. dem eigentlich intendierten geistigen "Gegenstand" eines Textes ergibt sich eine bedenkenswerte philosophische Frage. Ist jenes "eidos" zu verstehen im Sin¬ ne eines objektivierbaren und mehr noch: eines schon vor seiner Konzeption, al¬ so ausserhalb des Autorenbewusstseins, existenten ideellen Seins ? Wäre dem so, dann Messe das: der Adäquatheitsgrad der textlichen Erfassung des eidos wä¬ re vergleichbar mit bzw. messbar an dem eidos selbst. D.h. "das Faustische" als etwas unabhängig von Goethes Dichtung Bestehendes wäre vergleichbar mit seiner dichterischen Manifestation. Die Alternative zum eben Ausgeführten besagte dann: der intendierte geistige Ge-

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genstand eines Textes hat keine aussertextliche Prä- oder Koexistenz. Er ist vielmehr nur im jeweiligen Text selbst und mit diesem einmalig gegeben, da¬ her unvergleichbar, in seiner Adäquatheit nicht an etwas Ideellem ausserhalb seiner selbst messbar. Dabei bliebe freilich die Möglichkeit bestehen - und das bringt uns zu unserem eigentlichen Problem zurück - dass das vom Text Ge¬ meinte, selbst wenn es ein vom Text ursprünglich und erstmalig Gezeugtes ist, im Rezeptionsvollzuge sichtbar wird nicht nur qua Realisiertes, sondern auch, dieses transzendierend, qua Gemeintes, "Angesprochenes". Der Text liefert also selbst den Masstab zur Beurteilung seines Adäquationsgrades. Das in ihm und durch ihn gemeinte eidos wächst, indem es sprachlich realisiert wird, Uber seine jeweilige textliche Realisation hinaus in einen geistigen Raum, der noch sprachlich unerfüllt bleibt. Uns scheint jedenfalls, dass Eigenschöpfe¬ risches, d.h. Schaffen einer geistigen Welt einerseits, wie auch das "Sehen" ei¬ nes objektiv schon Bestehenden andererseits zugleich Merkmale bedeutender Dichtung sind. Für jegliches interpretatorisches Hinausgehen über den Sem- und Semembestand eines Textes in Richtung auf eine Ubergreifende, aus der Verkettung des Gesamt¬ textes entspringende Bedeutung vom Typus "fromme Hinnahme" ist es nötig, dass schon im "Oberflächentext" gewisse Leitlinien sichtbar werden, welche zur asso¬ ziativen Selektion von Bedeutungsäquivalenzen aus dem Fundus des dem Interpre¬ ten jeweils zur Verfügung stehenden ( historisch bedingten ) Bedeutungskosmos führen. Also etwa derart: Liebe zieht den strebenden Geist nieder - Leid beugt ihn gewaltiger + "so" durch¬ lauf ich...

+ kehre woher ich kam.

Hieraus entnimmt der Interpret die folgenden semantischen Leitlinien: Das fragwie kommentarlose Konstatieren dieser Lebensgewalten, das in dem "so" enthal¬ tene gehorsame Annehmen bzw. Empfangen, das Einverständnis mit der Begren¬ zung menschlichen Lebens ( Ausgangs- wie Endpunkt sind vorgeschrieben )

-

all dies strahlt sozusagen aus dem Gedichttext in seiner Gesamtheit semantisch aus. Es ist nicht diesem und jenem Wort oder Ausdruck gemeinsam und daher "abstreifbar" (i.e. abstrahierbar) . Vielmehr handelt es sich um eine andere Art von Abstraktion, die sich aus der Synthese impliziter semantischer Leitlinien er¬ gibt. Leitlinien, welche erst der Text als Zusammenschluss seiner Webeteile sichtbar werden lässt. Dem Interpreten bietet sich schliesslich als die Leitlinien zusammenfassende sprachliche Formel die Wendung "fromme Hinnahme... " an, die er assoziativ dem Fundus seiner sprachlich - geistigen Welt- und Lebensschau entnimmt. Was in unseren Worten noch tastend mehr philosophisch als textwissenschaftlich Umrissen ist, wäre auf der Basis weiterer gründlicher Beobachtungen jenes drit-

121

ten Interpretationstyps in eine durchsichtigere und linguistisch nachprüfbare Fassung zu bringen. Die crux solcher Betrachtungen wird im möglichst exak¬ ten Aufweis der Konnotationen transphrastischer semantischer Bedeutungskom¬ plexe liegen. Also in der Frage, wie gelange ich vom Oberflächentext zu dem, was dieser als Ganzes mit - bedeutet. Sprachliche Bedeutungs - Setzung im li¬ terarischen Text ist also immer schon mehrschichtig. Es geht um den mög¬ lichst genauen und eindeutigen Erweis semantischer Beziehungen zwischen den Schichten. Aber im Letzten des Interpretierens geht es um noch mehr. Wenn wir von seman¬ tischer Tiefenstruktur reden oder von semantischen konnotativen Leitlinien, so bewegen wir uns im binnensprachlichen Bereich. Der Interpret verwandelt das im Text qua sprachlicher Aussage implizit Mit- und Ungesagte in einen Text hö¬ herer Art. Vom phänomenologischen Ansatz aus aber nahmen wir ein vorsprach¬ liches eidos an, das dem Text als sein wesenhaftes Aussageziel zugrundeliegt, das aus dem ihn immer nur imvollkommen "gebenden" sprachlichen Text als Denk - Gegenstand erwächst und als solcher seine lexematische Realisierung transzendiert. So wird der vom Autor gemeinte Denk - Gegenstand zum ständigen Denk - Anstoss für den Interpreten, der ihn sozusagen weiter in den Lichtkegel der sprachlichen Erfassung hereinzuziehen bemüht ist. Dies aber muss sich stets rechtfertigen im RUckbezug auf den ursprünglich gegebenen Text und seine sprach¬ lichen Verweise, will man nicht in haltlose Spekulation verfallen. Grundsätzlich ist klar zu scheiden zwischen: a) der bedeutungsmässigen Zuordenbarkeit von bestimmten Trägerbedeutungen und einer von ihnen getragenen Gesamt¬ bedeutung sowie: b) der Sem - Analyse der sprachlich formulierten Gesamtbedeu¬ tung. Die gegenseitige Zuordenbarkeit beider Ebenen ist nur in gewissen Fällen textimmanent gebunden. Sie beruht ( was das Leserbewusstsein anbetrifft ) viel¬ mehr vor allem auf dem wissenden Haben eines umfassenden, realitätsgebundenen Bedeutungskosmos. D.h., wenn ich als Interpretierender Bedeutungen einander zuordne, tue ich das aufgrund eines vorgängigen ausserästhetischen Wissens um den Inhalt der in Frage stehenden ( und zahlloser weiterer ) Bedeutungen. Die in¬ haltliche Beschaffenheit dieses Bedeutungs ko smos und der innerhalb seiner gülti¬ gen Aequivalenzbeziehungen unterliegen historischen Bedingungen. Die Grenzen einer rein semantisch - linguistischen Analyse werden hier also weit überschrit¬ ten, da es nicht nur um Bedeutungsinhalte von Wörtern geht, sondern um ein je¬ weils geschichtlich bedingtes "Arsenal" von gewussten Bedeutungen und Bedeu¬ tungsrelationen, also um noematisch - noetische Prozesse, als deren kommunikabler Träger die Sprache fungiert. Es braucht hier nicht mehr eigens betont zu werden, dass das "Arsenal" des Autors eines Textes nicht genau identisch ist mit dem des

( vielleicht in weitem Zeitenabstand rezipierenden ) Lesers.

Geben wir noch einmal zwei künstlich vereinfachte Beispiele für die oben erörter-

122

ten zwei Wege des Interpretierens, den abstrahierenden (1) und den bedeutungs¬ generierenden (2). Wir wiederholen: beide haben identifizierende Funktion. 1) Trägerbedeutungen: "Er spricht geringschätzig von anderen. Er glaubt, er ist allen überlegen. Er prahlt. Er meint, andere beachten ihn nicht genug. " Getragene Bedeutung: ( welche als Teil - Sembestand in den isoliert ge¬ nommenen einzelnen Trägerbedeutungen darinsteckt): "Hochmütig". 2) T r äger bedeutungen : "Er trank nur drei Glas Wasser pro Woche. Er ass nur eine Scheibe trockenes Brot am Tag. Er schlief nur drei Stunden in der Nacht. Alle vier Stunden betete er und kasteite seinen Körper. " Getragene Bedeutung: ( welche nicht vollständig in den jeweils isoliert betrachteten Satzkomplexen darinsteckt, sondern erst kraft eines umgreifenderen Bedeutungswissens des Lesers aber auch kraft gewisser "Leitfäden" in den Trä¬ gerbedeutungen aus dem Gesamtkomplex "hervorgeht"): "Askese". Die bedeutungsgenerierende Interpretation (2) erweist sich oft als fruchtbar, wenn die Trägerbedeutungen konkret oder bildlich sind. Es ist dabei keineswegs imge¬ wöhnlich, dass ein literarischer Text selbst schon die getragene Bedeutung aus¬ spricht. Die Form des Rätsels ( nach dem Schema: 'Was ist das ? Es.... " ) wä¬ re übrigens als Sonderfall im Rahmen des zweiten Deutungsweges anzusehen. Grundsätzlich gilt, dass eine Bedeutung auf mehrere der in unserem Schema ( S. 115 f. ) aufgeführten Kategorien bzw. Titel beziehbar ist. Je nach Bedarf können die Kategorien in weitere Subkategorien unterteilt werden, wie wir es in einigen Fällen im Schema bereits angedeutet haben ( in Klammern hinter den Titeln ). Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass die Kategorien des Schemas onto¬ logischer, axiologischer, urteilslogischer und literaturwissenschaftlicher ( nicht: linguistischer ) Art sind. Es folgen einige beliebig ausgewählte Beispiele für die formelhafte Notation, welche alle dem Thomas Mannschen Text entnommen sind: Unglück l/HI/-/r/int/t ein Buch 2/l/r/int/t hässlich 1/VII/-/r/tr äg/int/1 Herzensangst 1/TV/l. 2/-/r/int/träg/t seine Altersgenossen 1/l/r (koll. )/int/t Glück 1/VII/l. 2/+/imag. /int/träg/t behutsam l/II, VCH/r/int/t Lehrling 1/I/r/int/t Gesellschaften 1/IH/r/int/t begr Us s en 1/H/r/int/t Nehmen wir an, dass unser Kategorienschema differenziert genug und doch nicht

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zu kompliziert ist, so dass es den meisten in literarischen Texten vorkommen¬ den Bedeutungstypen gerecht zu werden vermag, dann fragt sich: was kann eine Analyse der Bedeutungstypik einer Dichtung interpretatorisch leisten ? Eine solche Analyse ist wohlgemerkt nicht schon die Interpretation selbst. Sie dient lediglich als Material und erste Grundlegung einer solchen. Da es sich hier im Grunde nur um eine Verfeinerung der ( am Thomas Mann - Text demonstrier¬ ten ) Bestimmungsanalyse handelt, ist auch hier die Frage nach der relativen Häufigkeit der verschiedenen Bedeutungstypen in einem gegebenen Text sowie nach der Art ihrer Distribution ( gleichmässig verteilt oder ungl-eichmässig ge¬ häuft ) von Interesse. Einzelbedeutungen einer Kategorie ( oder mehrerer Kategorien ) können sich zu Bedeutungskomplexen zusammenschliessen, welche oft die Form von Abschnit¬ ten oder anderen Textphasen annehmen. Zwischen solchen Bedeutungskomplexen als nächsthöheren Einheiten bestehen mannigfache Beziehungen, z.B. der vari¬ ierenden Ausgestaltung bzw. Vertiefung, des Kontrastes, des gestuften Aufbaus in der Belation von Träger und Getragenem. Innerhalb eines Bedeutungskom¬ plexes lassen sich verschiedene Zuordnungsprinzipien feststellen, welche das logische wie funktionale Verhältnis der in einem Komplex enthaltenen Bedeutun¬ gen bestimmt. Als solche Prinzipien wären zu nennen: 1)

Raum ( der seinerseits oft nur den Rahmen abgibt für andere Prinzipien )

2) 3)

Zeit Innere Gegebenheit ( Eigenschaft, Idee, Wille, Gefühl) gegenüber äusserer

4)

Auswirkung Definition ( Umschreibung )

5)

Entfaltung, Weiterentwicklung ( auch: gedanklich erörternd ). Sonderfälle: Erklärung, Spezifizierung

6)

Assoziation (ihne zentralen Focus, nicht - zielgerichtet )

7)

Dissoziation ( Reihung von isoliert nebeneinanderstehenden Einzelbedeutungen, welche nur die Einheit der Aussage oder des fiktiven Raumes bzw. der fikti¬ ven Zeit zusammenhält. Vgl. manche dadaistischen Texte ).

Im Folgenden geben wir abschliessend einige stichprobenartige Applikationen des Kategorienschemas auf literarische Texte: Kleist: "Das Bettelweib von Locarno": Die grosse Mehrzahl der Bedeutungen ge¬ hört zur Kategorie "Tun". Gessner: "Milon" ( Idylle ): 55 räumlich - dingliche Bedeutungen ( Kategorie "Ort") gegenüber 6 zu "Emotion" und 4 zu "Tun" ’Palemon" ( Idylle ): 60 Bedeutungen zu "Ort", 25 zu "Emotion", 12 zu "Geschehen", 9 zu "Tun". Die Verben bezeichnen meist Iterativ - Dura¬ tives.

124

Musil:

Kap. "Mondstrahlen bei Tage" ("Der Mann ohne Eigenschaften" ): 100 Bedeutungen zu "Intellekt", 48 zu "Emotion", 51 zu "Ort" ( davon je¬ doch nur knapp 40% Naturbeschreibungen, der Rest: Natur als gedank¬ liches, emotional getöntes Demonstrationsobjekt ), nur 6 Bedeutungen zu "Tun". Das Thema ist hier die "taghelle Mystik" des Geheimnisses der sinnlichen Wahrnehmung sowie die eigentümliche geschwisterliche Liebesbeziehung zwischen Ulrich und seiner Schwester.

3.

Literarische und nicht 1 iteraris che

Texte

Stellen wir uns von unserem Blickpunkt aus die oft erörterte Frage: was unter¬ scheidet einen dichterischen Text von der Darstellung eines realen Vorganges ( z. B. eines historiographischen Berichts oder eines psychiatrischen Protokolles ) ? Dichtung ist durch Vielschichtigkeit, durch einen hochgradigen wechsel¬ seitigen Verweisungscharakter ihrer Bedeutungen gekennzeichnet. Nicht ein äusseres Reales bestimmt die Darstellung, sondern ein zugrundeliegendes eidos, welches innerhalb des Sinnganzen jedem Einzelelement seinen Platz anweist. Aehnlich bestimmt Johannes Anderegg den zur Frage stehenden Unterschied. Ein fiktiver Prosatext etwa bestimmt sein eigenes "Bezugsfeld" ( nach Handlung, Thema, semantischem Kontext, Ort und Zeit ), während der Sachtext vom aussertextlichen realen Bezugsfeld bestimmt wird und sich auf das reale Bezugsfeld des Lesers bezieht. (7) Was z. B. ein Historiker sprachlich fixiert, mag zwar einen relativ hohen Informationswert besitzen. "Information" bedeutet hier etwas zur Orientierung oder zum zweckgerichteten Handeln in der Realität Unerlässliches ( man informiert sich Uber. ..). Denn direkte und völlig eindeutige Uebermittlung der Information ist unabdingbar. Jedes Informationselement hat sach - relevant und distinkt von den übrigen zu sein ( selbst wenn es sich um Teilinformationen eines Ganzen handelt ). Wiederholung dient hier allenfalls der Deutlichkeit und Uebersichtlichkeit. Für die Dichtung aber scheint der Begriff der Information, wie ihn die Kommunikationstheorie heute handhabt, auf den ersten Blick schlecht zu passen. Denn Dichtung ist nicht direkte Wissensvermittlung, mag sie auch in einem höheren Sinne "orientierend" und "praktisch" sein. Sie operiert mit Wie¬ derholungen höchst subtiler Art. Was der Leser einer Dichtung als übermittelte "Information" aufnehmen soll, ist abhängig von der vorherrschenden Bedeutungstypik. Reale Information schreitet Zug um Zug fort, bis sie sich erschöpft hat ( ganz übermittelt ist ). Die Dichtung kann ihren "Vorwurf ( sei es Handlung, Ge¬ schehen, Person, Gedanke, Gefühl, räumlicher Gegenstand ) gleichsam vertie¬ fend umkreisen, sie kann dasselbe wiederholend und doch anders sagen, in einer veränderten Abschattung sehen lassen. Sie ist überhaupt nicht strikt an ein So seiend - Vorgegebenes der Realität gebunden. Vielmehr kann sie mit ihren Elemen¬ ten im Rahmen vorausgesetzter Grenzen der Verständlichkeit völlig frei umgehen.

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Diese Freiheit realisiert sich in dem, was man in phänomenologischer Spra¬ che die eidetische Gerichtetheit der Textelemente nennen könnte. Mit anderen Worten: im Unterschied zum realitätsbezogenen Sachbericht ( und selbst die retrospektiv sinngebende Autobiographie ist hiervon letztlich nicht ausgenom¬ men ), lässt sich im literarischen Text interpretatorisch nachweisen, dass alles aufeinander abgestimmt und von einem Sinnzentrum her "bedeutend" ist. Eine kleine triviale Probe bestätigt diesen Tatbestand. Man schlage etwa eine Biographie eines bekannten Politikers an beliebiger Stelle auf. Der Text, der irgend ein Stück Realität vermittelt, wird in der Regel ohne allzu grosse Schwierigkeiten selbst als willkürlich heraus gegriffener und derart isolierter verständlich sein. Schlägt man dagegen in gleicher Manier einen Roman auf ( den man nicht kennt ), so wird man im Regelfälle Verständnisschwierigkeiten haben, da man nicht in das komplexe und umfassende Bezugssystem der Bedeu¬ tungen des Werkes eingeweiht ist. Uebrigens zeigt der Vergleich einer histori¬ schen Biographie mit einem Roman auch, dass ersterer die erlebte Schau von innen, die emotionale wie ästhetische Nahperspektive meist fehlt ( es sei denn, der Autor greift zitierend auf Selbstbekenntnisse der behandelten Person zurück, oder es handelt sich um eine Autobiographie ). Dem Sachbericht eignet der Blick "von aussen", er verfügt nur über die dokumentierte bzw. der allgemeinen Oeffentlichkeit wahrnehmbar gewordene Wirklichkeit in der Aussensicht, welche das an der Oberfläche des Geschehens und Handelns zum factum Geronnene dar¬ stellt. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Dichtung und wirklichkeitsabhän¬ gigem Sachbericht lässt sich vorzüglich an den Kunstmitteln des Vergleiches und der Metapher nachweisen. Wir wählen zu diesem Zweck zunächst einige Beispie¬ le aus Uwe Johnsons Roman "Das dritte Buch über Achim" aus. (9) Dort findet sich etwa der Satz: "Ihr Gesicht war abwesend wie im Schlaf. "(10) Wir dürfen es uns für unseren speziellen Zweck leisten, diesen Satz völlig losgelöst von seinem engeren wie weiteren Kontext im Roman zu betrachten. Ein solcher Vergleich als Teil einer physiognomischen Beschreibung geht in seiner Aussage über das "normaler Weise" mit den bereitliegenden sprachlichen Zeichen Sagbare hinaus . Etwas, für das die deutsche Sprache keine direkte Bezeichnung hat, wird mit¬ tels des poetischen Vergleiches dennoch ausdrückbar. Phänomenologisch Hesse sich sagen: dem Autor schwebte vorsprachlich ein bildhaft - psychisches eidos ( der bestimmte Gesichtsausdruck dieser Frau ) vor. Um dieses eidos in Spra¬ che umzusetzen, genügten ihm nicht einzelne qualifizierende Zeichen ( etwa Ad¬ jektive ). Erst mittels des Vergleiches kommt er dem Vermeinten näher, wenn er es auch vielleicht nicht völlig erreicht bzw. sprachlich "deckt". Vom Leser aus gesehen, vollzieht sich eine Verbindung zwischen dem Adjektiv "abwesend", das eine Reihe verwandter, wiewohl voneinander abweichender Vorstellungen er¬ zeugt, und der Wendung "wie im Schlaf". Jeder Leser wird sich an den Gesichts¬ ausdruck eines schlafenden Menschen erinnern, wie er ihn irgendwann einmal

126

wirklich wahrgenommen hat. Diese bildhafte Vorstellung ( welche von Leser zu Leser leicht differiert ) zusammen mit dem bildhaft - seelischen Inhalt von "ab¬ wesend" ergibt einen "bestimmten" und dennoch der "Realisierung" im Leser¬ bewusstsein einen gewissen Spielraum belassenden Vorstellungskomplex. An anderer Stelle gebraucht Johnson eine verwandte Wendung. Diesmal heisst es: ".. .ihr Gesicht war fremd und ausgeliefert".(1,1) Auch hier steckt im Zweit¬ glied des Ausdruckes ein Vergleich. Ein Zustand, der üblicher Weise auf ein zwischenmenschliches oder ein Lebewesen - Ding - Verhältnis angewandt wird, fungiert als qualifizierendes Moment eines optisch Wahrnehmbaren, zugleich aber als Träger einer seelischen Bedeutving. Wieder wird ein Etwas, das mit einem einfachen sprachlichen Etikett nur unvollkommen erfasst wäre, in der komplexeren Wendung annähernd sagbar. Man könnte sich vorstellen, dass das zweite Glied dieser Wendung variiert würde, etwa zu: "... fremd und hilflos". Die Gesamtbedeutung ist nun nicht mehr genau dieselbe. Da aber der Dichter versucht hat, ein Etwas ( das ihm vorschwebende Einzel - eidos ) sprachlich zu treffen, mag man annehmen, dass "fremd und ausgeliefert" sowie "fremd und hilflos" weitgehend aber nicht total kongruente "Abschattungen" dieses eidos darstellen. Die Beschreibung eines tanzenden Paares bei Johnson: "... sie... sprangen immer schneller Uber die strenge Unregelmässigkeit ihrer Schritte. .. " (12) leistet Aehnliches. Mit der logisch wie semantisch unmöglichen Verbindung, welche ein Abstraktes zum präpositionalen Objekt einer konkret - physischen Aktion macht, wird gerade eine sonst nicht bezeichenbare abstrakte Qualität des Konkreten sprachlich zugänglich, wobei auch hier das scheinbare Paradox des Bestimmten und doch noch variabel Auffassbaren zutage tritt. Aus den herange¬ zogenen Beispielen wird deutlich, wie der literarische Text im Gegensatz zur realitätsbezogenen Sachbeschreibung in Bereiche des Sagbaren vorstösst, welche dem konventionellen Sprachgebrauch verschlossen sind, Bereiche, auf die aber der Registrator realer Zusammenhänge meist guten Gewissens verzichten kann. Ergänzen wir schliesslich unsere Beobachtungen zum poetischen Vergleich durch einen Blick auf den Gebrauch von Metaphern und Vergleichen bei Jean Paul. Die Beispiele stammen aus dem ersten Kapitel seines Romans "Siebenkäs". (13) Meta¬ pher und Vergleich haben hier, im Gegensatz zu ihrer Verwendung bei Uwe John¬ son, nicht die Funktion, den Bereich des Sagbaren zu erweitern, sie sind vielmehr meist bildhafte Umschreibungen eines im Text genannten concretum oder abstractum, welches als solches immer schon sprachlich fixiert und abgegrenzt ist. Me¬ tapher und Vergleich wirken gleichsam wie üppige schmückende Guirlanden, sie sind Ausdruck einer künstlerisch - sprachlichen Mächtigkeit ( welche ebenfalls die Dichtung von der Nicht - Dichtung abhebt ) und weisen zudem nicht selten hu¬ moristische Züge auf. Einige Beispiele: ".. .das Geld, dieses metallne Räderwerk des menschlichen Getriebes, dieses Zifferradblatt an unserem Werte." (14) "Da er nun seine eitern- und geldlose Braut auf einmal als Steigerin in ein ausgezim-

127

mertes Silberbergwerk fahren lassen wollte - dafür hielt er seine zwölfhundert Gulden mit rückständigen Zinsen (15) "• • .dein eigenes Blut wirst du oft ver¬ gessen, um den Weg ins Alter fester herabzukommen, wie sich die Gemsen¬ jäger ans Blut ihrer eigenen Fersen halten. " (16) . .den Zank- und Schönheits¬ apfel der Ehe... " ".. .die polierten Handschellen und Kettenringe der Ehe... " (17) "... die Poeten und Schauspieler... welche die Wasserwerke ihrer Empfin¬ dung zur Schau springen lassen;" (18) ( Die als Kuchen gebackenen Nachbildun¬ gen eines Brautpaars und "eines etwanigen Täuflings" ): ".. .diese drei verklär¬ ten Leiber, die wie die drei Männer unversehrt aus dem feurigen Ofen kamen und Rosinen statt der Seelen hatten,..." (19) Man hat oft darauf hingewiesen, dass es ein Zug im Wesen der Dichtung sei, dass in ihr die Sprache gleichsam ihrer selbst als künstlerisches Mittel bewusst wird. Zwar erwächst auch im alltäglichen realitätsgebundenen Sprachgebrauch mitunter ein Bewusstsein von der Sprache als Mittel, besonders im Falle sprachlicher Fehlleistungen. Das Bewusstwerden bzw. Mit - Gemessen der ästhetischen Dimen¬ sion der Sprachkunst ereignet sich allerdings nur in echter Dichtung.

128

ANMERKUNGEN

I

1) Man hat bis in die jüngste Zeit in der Literaturwissenschaft den Ausdruck "phänomenologische Methode" praktisch als Synonym für "werkimmanente Methode" gebraucht ( vgl. etwa Manon Maren - Grisebach L 178 und Zoran Konstantinovich L 31 ). Dies ist natürlich keineswegs falsch, lässt aber den Versuch vermissen, das Wort "phänomenologisch" in einem differenzierte¬ ren Sinne, gemäss der Lehre Husserls, zu gebrauchen. Ansätze hierzu neuerdings bei Leibfried L 171, L 172 2) L 22 ( Dritter Teil ), S. 391 3) L 14 ( Erstes Buch ), S. 316 4) L 15, S. 102 5) L 14 ( Erstes Buch ), S. 311 ff. 6) L 14 ( Erstes Buch ), S. 366 7) L 17, S. 217 8) L 245, S. 497 9) L 14 ( Erstes Buch ), S. 133 10) L 14 ( Erstes Buch ), S. 242 11) L 21, S. 73 12) L 15, S. 85 f. 13) Vgl. L 21, S. 38: "Wenn überhaupt Sätze, Theorien zur subjektiven Gegeben¬ heit kommen, in subjektiven Erlebnissen bewusst werden sollen, müssen die dazu nötigen Erlebnisse ihre wesensnotwendige, überall identische Struktur haben. " Es fragt sich, was hier das Wort "überall" bedeutet: in jedem mit der nötigen Intelligenz begabten Menschen, in jeder Kultur, zu jeder Zeit ? 14) L 14 ( Erstes Buch ), S. 36, S. 171 15) L 14 ( Erstes Buch ), S. 72, S. 136, S. 142 16) L 14 ( Erstes Buch ), S. 133 17) L 18, S. 105 18) L 14 ( Erstes Buch ), S. 136, S. 148; L 14, S. 215 ( zurückhaltender im Urteil ), S. 257 ( ebenfalls zurückhaltender ); L 15, S. 89; L 17, S. 33 f., S. 145 ( zu¬ rückhaltender im Urteil ) 19) L 22, S. 490 20) L 22 ( Dritter Teil ), S. 631 21) L 20, S. 122 ff. 22) Vgl. L 85; Gadamer spricht ebenfalls von der Erkenntnis - Funktion der Li¬ teratur ( Kap. I ) 23) L 13 ( n. 1 ), S. 89 f.; L 14 ( Erstes Buch ), S. 196 f.; L 22, S. 436, S. 464

129

( Dritter Teil ); L 21, S.38, S. 113, S. 212 24) L 22 (Dritter Teil ), S. 390: "Indem aber das "transzendental erwachte Ich am "Leitfaden" der zum "transzendentalen Phänomen" gewordenen Weltlichkeit das transzendentale Eigensein und das sich darin bekunden¬ de Sein der transzendentalen Allsubjektivität systematisch enthtfl.lt, schafft es "produktiv" einen neuen unendlichen Horizont und eine Erkennt¬ nis als Selbsterkenntnis des transzendental phänomenologisierenden Ich, aber auch eine Erkenntnis des Seins transzendentaler Individualität über¬ haupt in ihrer unendlichen und durch neue "Produktion" neu "produzier¬ 25) 26) 27)

28)

29) 30) 31) 32) 33) 34) 35)

36) 37) 38) 39)

130

ten" Horizonthaftigkeit für sich. Vgl. L 146 Vgl. dazu L 160 Vgl. L 21, S. 113: "Jede Erfahrung eines Kulturobjektes, also einer Reali¬ tät, die in sich ausdrucksmässig einen geistigen Sinn trägt, hat ihre Wei¬ se, mit offenen Horizonten begabt zu sein, also auch ihre Weise der Ent¬ hüllung des zwar aus gedrückten, aber doch zunächst nur unvollkommen erfassten, nur angedeuteten Sinnes. " Siehe auch L 29, S. 52 ( Uber die "Bildfigur" im Bildwerk ) und L 94 über das Problem des sensus plenior, welcher innerhalb eines vom Autor gesetzten Sinn- bzw. Bedeutungsrahmens sein Wissen dennoch übersteigt. Vgl. Karl Vietor: Die Tragödie des heldischen Pessimismus. Ueber Büch¬ ners Drama "Dantons Tod". In: Wolf gang Martens ( Hrsg.): Georg Büchner. Wege der Forschung LIH, Darmstadt ( Wissenschaftliche Buchgesellschaft ) 1965, S. 124 ( DVjs 12, 1934 ) L 245, S. 449 Vgl. L 25 L 25, S. 62 ff. Ingarden leugnet, dass solche Bedeutungen zeitlos ideale Noemen im Sinne Husserls sind ( L 25, S. 103 ) L 25, S. 120 Vgl. hierzu auch: L 293, S. 21 f. zum Verfahren der "Ersatzproben", demon¬ striert an den Eingangsversen von Gottfrieds "Tristan" Gerd Wolandt ( L 205 ) postuliert die absolute Abgeschlossenheit des poeti¬ schen Werkes. Vom phänomenologischen Standpunkt aus wird die Interpreta¬ tion das Werk eher als ein offenes zu sehen haben. Vgl. hierzu auch L 160, S. 238 und L 158, S. 290 ( ".. .the semantic possibilities of the text will always remain far richer than any configurative meaning formed while reading" ) Vgl. L 21, S. 176 ( Irreelle oder ideale Momente im Subjektiven des Erlebnis¬ stromes transzendieren die reelle Erlebnis Sphäre ) L 25, S. 261 ff. L 25, S. 387 Ein vorzügliches Beispiel für das, was mit dem Titel "zugrundeliegendes ei-

dos" ( bzw. eidetischer oder noematischer Komplex, Konzeption ) gemeint ist, findet man in Christine Bustas Interpretation ihres eigenen Gedichtes "ln der Morgendämmerung" in: Hilde Domin ( Hrsg.): Doppelinterpretatio¬ nen. Das zeitgenössische deutsche Gedicht zwischen Autor und Leser. Frank¬ furt ( Fischer ) 1974 ( 4. Aufl. ), S. 71 f. Die Interpretation führt in der Tat über den Gedichttext hinaus und zeigt, inwiefern das dem Gedicht inhärente eidos weiter entfaltet werden kann. Das Gedicht manifestiert sein eidos aber doch nie voll und ganz. Es partizipiert sozusagen an ihm. Vgl. dazu auch L 25, S. 387 ( Das Bewusstseinssubjekt des Dichters wählt Momente aus dem idealen Sinngehalt aus und bringt so die seinsheteronomen Aktuali¬ sierungen, d.h. den dichterischen Text, hervor). 40)

Dem Folgenden ist zugrundegelegt: Adalbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Eingeleitet von Bemt Heiseier. Hrsg, von Michael Benedikt

und Herbert Hornstein. Zweiter Bd. Bielefeld ( C. Bertelsmann ) 1956 Stifter a. a. 0. S. 157 70) Stifter a. a. O. S. 206 42) Stifter a. a. O. S. 182 71) Stifter a. a. O. S. 209 43) Stifter a. a. O. S. 186 72) Stifter a. a. O. S. 211 44) Stifter a. a. O. S. 188 73) Stifter a. a. O. S. 188 41)

45) 46)

Stifter a. a. O. S. 190 Stifter a. a. O. S. 206

74) 75)

Stifter a. a. O. S. 189 Stifter a. a. O. S. 189

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Stifter a. a. O. S. 188 Stifter a. a. O. S. 188

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50)

Stifter a. a. O. S. 196 52) Stifter a. a. O. S. 203 51)

Stifter a. a. O. S. 209

80) Stifter a. a. O. S. 188 81) Stifter a. a. O. S. 193

53)

Stifter a. a. O. S. 203

82)

Stifter a. a. O. S. 199

54)

Stifter a. a. O. S. 188

83)

Stifter a. a. O. S. 211

55)

Stifter a. a. O. S. 189

84)

Stifter a. a. O. S. 163

56)

Stifter a. a. O. S. 189

85)

Stifter a. a. O. S. 182

57)

Stifter a. a. O. S. 191

86)

Stifter a. a. O. S. 185

58)

Stifter a. a. O. S. 195

87)

Stifter a. a. O. S. 188

59)

Stifter a. a. O. S. 195

Stifter a. a. O. S. 188

60)

Stifter a. a. O. S. 195

88) 89)

Stifter a. a. O. S. 210 62) Stifter a. a. O. S. 184 63) Stifter a. a. O. S. 186 61)

90) 91)

Stifter a. a. O. S. 189 Stifter a. a.O. S. 189 Stifter a. a. O. S. 189

92)

Stifter a.a.O. S. 189

64)

Stifter a. a. O. S. 193

93)

Stifter a. a. O. S. 192

65)

Stifter a. a. 0. S. 194 Stifter a. a. O. S. 194

94)

Stifter a. a. O. S. 201

95)

Stifter a. a. O. S. 203

Stifter a. a. O. S. 194

96)

Stifter a. a. O. S. 185

68) Stifter a. a. O. S. 200

97)

Stifter a. a. O. S. 201

Stifter a. a. O. S. 204

98) 99)

Stifter a. a. O. S. 202

66) 67) 69)

131

Stifter a. a. O. S. 202

100)

Echtermeyer: Deutsche Gedichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neugestaltet von Benno von Wiese. Düsseldorf ( Bagel ) 1957, S. 544

101)

Vgl. L 25, S. 73 ( In einem Ausdruck aus mehreren Wörtern beschrän¬ ken die Variabilitätsgrenzen der einzelnen Wörter einander und resul¬ tieren in einem zusammengesetzten, dem gesamten Ausdruck eigenen Richtungsfaktor). Vgl. auch Ingardens Unterscheidung zwischen aktuel¬ lem

( aus der Idee realisiertem ) und (darüber hinaus reichendem ) po¬

tentiellem Bestand der Bedeutung ( S. 89 ) 102) Vgl. L 117, S. 96 103) Folgende Schriften lagen unseren Beobachtungen zugrunde: Werner Hof¬ mann: Grundlagen der modernen Kunst, Stuttgart ( Kröner ) 1966, S. 190229, S. 270-290; Charles S. Kessler: Max Beckmanns "Departure". The Modem Artist as Heroic Prophet. Journal of Aesthetics and Art Criticism 14, 1955/56, S. 206-217; Heinrich LUtzeler: Abstrakte Malerei. Bedeutung und Grenze, Gütersloh ( Sigbert Mohn ) 1961 104) Hofmann a. a. O. S. 208 105) Hofmann a. a. O. S. 215 106) L 25, S. 261 ff. 107) Erhellend für diesen Aspekt des Interpretierens ist die Kontroverse zwischen Herman Meyer und Oskar Seidlin über Goethes Mignon - Ballade. Vgl. Euphorion 45, 46, 47 ( 1950-1952 ). Ebenfalls instruktiv: Theodore Ziolkowski: The Novels of Hermann Hesse. A Study in Theme and Structure, Princeton ( Princeton University Press ) 1965 108)

L 76, S. 335

109) L 20, S. 83 110) L 14 ( Erstes Buch ), S. 337 Hl) L 118, S. 335 112) Vgl. L 15, S. 26 ( Das im reinen Denken sich konstituierende logische Wesen und das intuitive Noema stehen in dem bestimmten Wesensverhältnis des "an¬ gemessenen Ausdrucks" ). Vgl. auch L 43, S. 15 ( Gedanken sind nicht not¬ wendig an spraclüiche Gebilde gebunden, sie haben gegenüber sprachlichen Formen grössere oder geringere Wahlfreiheit ) und S. 130 ( Ein Begriff kann schon gedacht werden, wenn das Wort noch fehlt ). 113)

Vgl. Aron Gurwitsch: On the Intentionality of Consciousness. In: L 30, S. 118—

114)

L 18, S. 84

115)

L 43, S. 149

116) 117)

L 43, S. 130 L 13, S. 46 f.

118)

L 14 ( Erstes Buch ), S. 36

119)

L 20, S. 260,

120)

L 64, S. 36. Immerhin gibt Betti zu ( S. 95 ), die Wandlung des "lebendigen

136

L 21, S. 19, S. 212; L 50, S. 267, S. 453

Geistes" ( dieser ist ihm offensichtlich nicht identisch mit der idealen Objek-

132

tivität der Werte ) eine "Verdunkelung, Schwächung und Abnutzung" der Sinn¬ formen bewirken könne. 121)

Gurwitsch a. a. O., S. 136

122)

L 8, S. 238. Vgl. zu diesem Problemkreis auch Nicolai Hartmann ( L 247), S. 85 ( Wesenheiten sind zeitlos, sie haben weder Individualität noch Exis¬ tenz. Der "lebende Geist" dagegen sei nicht Wesenheit ) und S. 99 f. (jede der verschiedenen Geisteswelten "hat ihre Bedeutungsschwere einzig in ih¬ rer Bezogenheit auf die eine reale Welt, der sie alle angehören und deren verzogene Teilbilder sie sind. In dieser EinheitsbeZiehung beruht auch ih¬ re Beziehbarkeit aufeinander, ihre partielle Identifizierbarkeit. Und an dieser hängt alle Verständigung und geistige Gemeinschaft. " Vgl. hierzu auch L 64, S. 9

123)

L 94

124) 125)

L 94, S. 27 L 94, S. 32

126)

L 94, S. 50

127)

L 94, S. 50 ff.

128)

L 94, S. 61

129)

L 94, S. 137

130)

L 94, S. 218

131)

L 94, S. 274

132)

L 94, S. 137

133)

L 94, S. 126

134)

Goethes Werke. Hamburger Ausgabe Bd. VII. Romane und Novellen. Zweiter Bd. Textkritisch durchgesehen und mit Anmerkungen versehen von Erich Trunz. Hamburg ( Christian Wegner ) 1962 ( 5. Aufl. ), S. 9

135) Das Symbol 136)

(—±

meint einen Wechselbezug

Vgl. hierzu etwa die These von Ernst Troeltsch ( L 238, S. 208 ), die Historie bringe immer neue unberechenbare Wertgebilde hervor, individualisiere nicht allgemeine Wesensgesetze. Troeltsch steht hier also im Gegensatz zu Nicolai Hartmann ( vgl. Anmerkung 122 )

137)

Vgl. L 35

138)

L 226, S. 39 f.

139)

L 226, S. 41

140)

L 238

141)

L 238, S. 32

142)

L 238, S. 36

143) 144)

L 238, S. 45 L 238, S. 274 f.

145)

L 53, S. 176

146) 147)

L 53, S. 176 Unter den verschiedenen Auffassungsmöglichkeiten des Begriffes "Historis¬ mus" gebrauchen wir hier denjenigen, welcher besagt, dass schlechthin

133

alles, was den Menschen und seine geschaffene Welt (inklusive aller Werte, Wesen, idealer Sphären ) dem geschichtlichen Wandel unterwor¬ 148) 149) 150) 151) 152) 153) 154)

155) 156) 157) 158) 159) 160) 161) 162) 163)

164) 165) 166) 167) 168) 169) 170) 171) 172) 173) 174) 175)

134

fen ist. L 64, S. 212 L 238, S. 138 (im Widerspruch zu: S. 43 ) L 85, vgl. auch L 69, L 70, L 72 L 85, S. 268 f. L 85, S. 280 L 85, S. 288 L 85, S. 356. In Heide Göttners Kritik an Gadamers Theorie ( L 141 ) wird der "Horizont" unzutreffend als "Kreis persönlicher Vorstellungen" ( S. 86 ) gefasst. Auch in anderer Hinsicht verfehlt Göttner die Intentionen Gadamers ( vgl. S. 86-89 ) Vgl. hierzu auch L 136, S. 335 L 85, S. 289 ff. L 85, S. 279. Hervorhebung vom Vf. L 160, S. 189 L 85, S. 246 Vgl. L 192 Vgl. L 37, S. 169 und L 28, S. 166 Vgl. L 172, S. 95 ( die "autoradäquate" Textauffassung sei nicht die einzig autoritative oder optimale ). L 18, S. 116. Hier behauptet Husserl, das Kulturobjekt verändere nicht sei¬ ne Zuständlichkeit in der Dauer. Seine Identität (!) bestimme seinen invari¬ anten (!) Zwecksinn. In der gleichen Schrift spricht Husserl vom "Ur - Werk" mit seinem "Ur - Sinn" und unterscheidet beide von der Mannigfaltigkeit der "immanenten Werke", d.h. der Werkinterpretationen im Bewusstsein späterer Interpreten. L 37, S. 32 L 120, S. 369 L 115 L 14 ( Erstes Buch ), S. 171 L 257, S. 246 Vgl. L 35 L 76, S. 334 Vgl. L 64, S. 23 L 76, S. 318 L 76, S. 320 L 211, S. 279 L 40, S. 24

n 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)

L 331, S. 209 f. L 296 L 296, S. 45 L 296, S. 31 L 296, S. 31 L 296, S. 86 Ein enger Mitarbeiter von Greimas, Francois Rastier, hat kürzlich den Be¬ griff der Isotopie genauer untersucht und auch auf Syntaktisches wie Phoneti¬ sches erweitert. Er weist an Hand einer Gedichtanalyse nach, dass derselbe Text u. U. drei verschiedene Isotopien ( d.h. drei verschiedene Lesarten ) besitzen kann, wenn mandie metaphorische Qualität bildhafter Lexeme be¬ rücksichtigt. Rastier bemerkt: . .les lectures les plus productrices ( rendant compte d'un maximum de sememes ) ne sont pas necessairement celles des isotopies les plus apparantes. " ( L 328, S. 96 ). Die Zahl der zu einer Isotopie gehörenden Sememe, oder anders, d.h. vom Interpreten aus gese¬ hen: die Zahl der Sememe, welche eine von der Interpretation vorgeschlagene Isotopie für sich in Anspruch zu nehmen vermag, kann die Plausibilität der betreffenden Interpretation erhärten. 8) L 296, S. 123 9) L 296, S. 151 10) L 317, S. 38 11) L 317, S. 38 12) L 298, S. 47 13) L 298, S. 93 14) L 297, S. 181 15) L 297, S. 183 16) L 297, S. 181 17) L 289, S. 66 f. 18) L 310, S. 390 19) L 309, S. 21 20) L 310, S. 392 21) L 309, S. 29 22) L 309, S. 10 23) L 311, S. 25 24) L 312, S. 69 25) L 314 26) L 287, S. 206 27) L 288, S. 139 28) L 288, S. 39, S. 91, S. 280 29) L 287, S. 109

135

30) 31) 32) 33) 34)

L 287, S. 204 L 286, S. 171 L 284, S. 37 L 284 Die von uns gewählte Einteilung in Blöcke und Textzeilen korresponiert in folgender Weise mit: Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in Einzel¬ ausgaben. Gedichte und lyrische Dramen. Hrsg, von Herbert Steiner. Stock¬ holm ( S. Fischer/ Bermann - Fischer ) 1963. Nur die Zeilen des Sprechtex¬ tes wurden gezählt, also nicht: Namen, Regieanweisungen etc. 1) = 221/1

-

221/11

2) = 222/1 - 224/8 2'. 1 = 224/9 - 225/28 3) = 226/1 - 232/2 4) = 232/3 - 232/19 5) = 233/1 - 235/6 6) = 236/1 - 238/9 6.1) = 238/10 - 241/9 6. 2) = 241/10 - 246/14 7) = 246/15 - 247/15 8) = 247/16 - 250/9 9) = 250/10 - 252/23 9.1) = 252/24 - 254/24 10.) = 255/1-10

m 1) Leibfried ( L 171 ) urteilt ( S. 69 ), Ingardens Buch ( L 25 ) sei "für die Text¬ betrachtung nicht praktisch verwertbar". Die folgenden Erörterungen versu¬ chen, das Gegenteil unter Beweis zu stellen. 2) Vgl. Günter Grass: Die Blechtrommel, Frankfurt/Hamburg ( Fischer ) 1964. Fischer - Bücherei 473-474, S. 160-163 3) Hans Daiber: Plötzlich, mitten im Hauptverkehr. In: Deutsche Erzähler der Gegenwart. Eine Anthologie. Herausgegeben und eingeleitet von Willi Fehse, Stuttgart ( Reclam ) 1968, S. 91 4) Diesen Eindruck gewinnt man bei der Lektüre bestimmter Partien von Hein¬ rich Bölls Roman "Gruppenbild mit Dame" 5) Da die Erzählung übersichtlich in fünfzehn numerierte und relativ kurze Ab¬ schnitte eingeteilt ist und unsere Analyse dieser Einteilung strikt folgt, kann zur Ueberprüfung jede beliebige Ausgabe der Erzählung herangezogen werden. 6) Benno von Wiese: Die deutsche Lyrik. Form und Geschichte. Interpretationen vom Mittelalter bis zur Frühromantik. Düsseldorf ( Bagel ) 1959. Darin: Cle¬ mens Heselhaus: Hölderlin: Lebenslauf, S. 325-380

136

7) Vgl. L 123 8) Zum Begriff "iterativ - durativ" vgl. Eberhard Lämmert: Bauformen des Erzählens, Stuttgart ( Metzler ) 1955, S. 84 9) Uwe Johnson: Das dritte Buch Uber Achim, Frankfurt/M. ( Suhrkamp ) 1964 (edition suhrkamp 100 ) 10) Johnson a. a. O. S. 62 11) Johnson a. a. O. S. 63 12) Johnson a. a. O. S. 65 13) Jean Paul: Siebenkäs, Hamburg ( Rowohlt ) 1957 ( Rowohlts Klassiker 17/18 ) 14) Jean Paul a. a. O. S. 8 15) Jean Paul a. a. O. S. 8 16) Jean Paul a. a. O. S. 9 f. 17) Jean Paul a. a. O. S. 10 18) Jean Paul a. a. O. S. 10 19) Jean Paul a. a. O. S. 15

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157

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung I

5

Phänomenologie, Hermeneutik und Literatur 1. Phänomenologie und Literaturbetrachtung

7

2. Drei Exkurse a) Die literarische Konstitution eines Charakters ( Stifter: Brigitta )

28

b) Zur Anwendbarkeit des phänomenologischen Variationsprin-

35

zipes auf die Literatur c) Die Interpretation von bildender Kunst und Literatur. Ein Vergleich 3. Spezielle hermeneutische Fragen 4. Zur Theorie der Bedeutung. Mit einem Exkurs zum Eingang

42 45 50

von Goethes 'Wilhelm Meisters Lehrjahre"

n

III

5. Historizität als hermeneutisehes Problem 6. Zur Frage der Theoretisierbarkeit des Irrationalen

60 70

Textsemantik und Interpretation

75

1. Algirdas J. Greimas' strukturelle Textsemantik 2. Götz Grossklaus' semantische Analyse eines Heine - Textes 3. Walter A. Kochs textsemantische Untersuchungen

76 78 81

4. Die Textsemantik Teun A. van Dijks 5. Exkurs: Textsemantische Analyse: Hugo von Hofmannsthals "Der weisse Fächer"

85 89

Bestimmtheit und Bedeutung. Mit einem Exkurs Uber Thomas Manns "Der kleine Herr Friedemann" 1. Der Bestimmtheitsgrad in literarischen Texten

104

2. Die Bedeutungstypik literarischer Texte

115

3. Literarische und nichtliterarische Texte

125

Anmerkungen Literaturverzeichnis

^28

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Eykman, Christoph. pllanomenologie^der nterpretat

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PN81 .E9 Eykman, Christoph Phänomenologie der Interpretation

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