Petronius satyrica 79-141 ein philologisch-literarischher kommentar Band 2: Sat. 111-121 [1 ed.] 3110191091, 9783110191097

Petronius Satyrica, one of the significant fictional texts of Antiquity, stands since decades in the focus of internatio

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Petronius satyrica 79-141 ein philologisch-literarischher kommentar Band 2: Sat. 111-121 [1 ed.]
 3110191091, 9783110191097

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Statt eines Vorworts
Praktische Hinweise
Abweichungen von MÜLLERs Teubneriana
Bibliographie
Die Matrone von Ephesos
Kap. 111
Kap. 112
Kap. 113
Kap. 114
Kap. 115
Kap. 116
Kap. 117
Kap. 118

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Peter Habermehl PETRONIUS, SATYRICA 79 – 141 Band 2: Sat. 111 – 118

TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe

Herausgegeben von

Michael Dewar, Karla Pollmann, Ruth Scodel, Alexander Sens

Band 27 / 2

De Gruyter

PETRONIUS, SATYRICA 79 – 141 EIN PHILOLOGISCH-LITERARISCHER KOMMENTAR Band 2: Sat. 111 – 118

von

Peter Habermehl

De Gruyter

ISBN 978-3-11-019109-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-044108-6 ISSN 0563-3087 Library of Congress Control Number: 2020903760 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

DULCI MEMORIAE GENITORIS

traicit et fati litora magnus amor ( Prop. 1,19,12 )

Inhaltsverzeichnis Statt eines Vorworts Praktische Hinweise Abweichungen von MÜLLERs Teubneriana Bibliographie A. Mit Sigel oder Autor zitierte Literatur B. Satyrica – Editionen, Übersetzungen, Kommentare C. Sekundärliteratur ( Satyrica und allgemein ) Die Matrone von Ephesos Kap. 111 Kap. 112 Kap. 113 Kap. 114 Kap. 115 Kap. 116 Kap. 117 Kap. 118

IX XII XII XIII XIII XVI XVIII

489 503 555 580 603 652 701 726 764

Statt eines Vorworts ‚hīc nescio quid boni debet esse‘ ( Sat. 33,8 )

Vor dreizehn Jahren erschien Band eins dieses Kommentars ; bei aller berechtigten Kritik fand er in der Summe freundliche Aufnahme.1 Damals schrieb ich zuversichtlich, „der in erster Fassung abgeschlossene Kommentar zu Kap. 111-141 soll in Bälde folgen“. Hätte es gegolten, den Beweis zu führen für Encolpius’ defätistische These ‚Leben heißt Schiffbruch leiden‘ ( 115,16 ubique naufragium est ), diese dreizehn Jahre hätten ihn geliefert. Doch abgesehen von nicht wenigen kleineren wie größeren persönlichen Dramen, von denen hier nicht zu sprechen ist, gab es auch einen gewichtigen offiziellen Grund für die eklatante Verzögerung : meinen langen Ausflug in den Weinberg der alexandrinischen Bibelexegese, einer Materie, wie man sie sich ätherischer und zur quirligen Zoologie der Satyrica gegensätzlicher kaum ausdenken könnte.2 Zudem lagen bei Erscheinen von Band eins nur die Kap. 111-118 sowie 124-141 in Rohfassung vor ; das von etlichen Exegeten gut erschlossene Bellum civile sollte ursprünglich wegfallen.3 Als ich dann nach längster Pause zu Petron zurückkehrte und mich eingehender mit Eumolps epischem ‚Wurf ‘ ( impetus ; 118,6 ) befasste, wurde bald deutlich, dass sich auch zu ihm noch manches Neue beisteuern ließe. So fiel der folgenreiche Entschluss, das Epyllion mit ins Boot zu nehmen. Mit den Jahren wuchs das Manuskript zu unerwarteten Dimensionen heran und näherte sich allmählich dem Umfang der legendären Groningen Commentaries on Apuleius ( neun Bände, 1977-2015 ). In Rücksprache mit 1 2

3

Stellvertretend seien genannt V. HUNINK, Mnemosyne 61, 2008, 335-337, und N. HOLZBERG, Ancient Narrative 7, 2009, 105-112. Origenes, Die Homilien zum Buch Genesis. Hrsg., übers. und komm. von P. H. ( Werke mit deutscher Übersetzung, Bd. 1/2 ), Berlin 2011. – Origenes, Homiliae in Genesin. Hrsg. v. P. H. ( GCS N.F. 17 ), Berlin 2012. Zu nennen sind v.a. COLLIGNON, BALDWIN 1911, STUBBE, BARNES 1971, GUIDO, GRIMAL 1977 und CONNORS 1989; seit dem Erscheinen von Band eins kamen YEH und SCHMELING – SETAIOLI hinzu.

X

den Herausgebern der ‚TuK‘ und dem Verlag fiel der Beschluss, das Material auf drei Bände zu verteilen: den vorliegenden zu Sat. 111-118, einen weiteren zum Bellum civile ( der weit gediehen ist und dīs faventibus kommendes Jahr erscheint ), sowie einen abschließenden vierten zu Sat. 124,2141 ( samt Nachträgen zu Band eins, einem umfassenden Register sowie einem Rückblick auf die Satyrica ). Erleichtert haben meine Arbeit drei exzellente Kommentare jüngeren Datums : der von Natalie BREITENSTEIN zu Sat. 1-15 ( Berlin 2009 ), der seit Jahrzehnten erwartete Gesamtkommentar von Gareth SCHMELING und Aldo SETAIOLI ( Oxford 2011 ),4 sowie Giulio VANNINIs großer Wurf zu Sat. 100-115 ( Berlin 2010 ), der auf seinem neuen Text basiert und in jeder Hinsicht Maßstäbe setzt.5 Höchst hilfreich war auch das Füllhorn von Petroniana, Sonderdrucken wie Büchern, die in den vergangenen Jahren ihren Weg nach Berlin fanden. Gedankt sei dafür auch an dieser Stelle ( in der Hoffnung, niemanden vergessen zu haben ), Francesca Romana BERNO ( Rom ), John BODEL ( Providence, Rhode Island ), Alberto BORGHINI ( Turin ), Marcos CARMIGNANI ( Córdoba, Argentina ), Andrea CUCCHIARELLI ( Rom ), Basil DUFALLO ( Ann Arbor, Michigan ), Lowell EDMUNDS ( New Brunswick, New Jersey ), Thomas GÄRTNER ( Köln ), Peter GROSSARDT ( Leipzig ), Erik HAMER ( East Hampton, New York ), Gerlinde HUBER-REBENICH ( Bern ), Mario LABATE ( Florenz ), Paolo MONELLA ( Palermo ), Stefano POLETTI ( Rostock ), Gareth SCHMELING ( Gainesville, Florida ), Aldo SETAIOLI ( Florenz ), Antonio STRAMAGLIA ( Bari ) und Heather WOODS ( Minneapolis, Minnesota ). Als Segen erwies sich die philologisch präzise, und zugleich erfrischend lesbare Neuübersetzung der Satyrica von Niklas HOLZBERG ( München ), die er mir freundlicherweise zukommen ließ. Giulio VANNINI ( Florenz ) verdanke ich neben den Separata seiner Aufsätze v.a. seinen kongenialen Lustrum-Bericht, der unschätzbare Dienste geleistet hat. Mit den Publikationen ihrer rührigen Arbeitsgruppe zum römischen Roman an der Universidad de Buenos Aires versorgte mich großherzig Josefina NAGORE ( † 2014 ). Aus einer lebhaften Korrespondenz erwuchs allmählich die Idee zu einem gemeinsamen Satyrica -Seminar am Rio de la Plata. Non ita dīs visum est … Dankbar gedenke ich auch der letzten Besuche bei Konrad MÜLLER ( † 2015 ) in Spiegel bei Bern.

4 5

S. meine Besprechung, Gymnasium 120, 2013, 361-363. S. meine Besprechung, Ancient Narrative 10, 2012, 133-140.

XI

In archäologischen Fragen berieten mich Johanna FABRICIUS und Monika TRÜMPER-RITTER, in Sachen Epigraphik Ulrike EHMIG ( alle Berlin ). Licht ins Dunkel des römischen Hüttenwesens warf Hans-Georg DETTMER ( Museumsbergwerk Rammelsberg ); in montanen Angelegenheiten erteilte Annina MÜHLEMANN vom Schweizer Alpen-Club in Bern kompetent Auskunft. Einblick in den unpublizierten Thesaurus -Artikel ‚relinquo‘ gewährte mir sein Autor, Paolo PIERONI ( München ). Für ihre Sorge um das Projekt ‚Petron‘ im Hause de Gruyter fühle ich mich Torben BEHM, Katharina LEGUTKE und Florian RUPPENSTEIN verbunden. Die Anschaffung wichtiger Literatur, vor allem aber einen ungestörten Wiedereinstieg in die Arbeit am Arbiter ermöglichte die großzügige Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung ( Köln ). In textkritischen Fragen konnte ich auf den Rat von Giulio VANNINI zählen, dessen neue Petronausgabe allmählich Gestalt gewinnt. Die Lektüre des gesamten Manuskripts zu Sat. 111-118 ( Bd. 2 ) und zum Bellum civile ( Bd. 3 ) haben Marcus DEUFERT ( Leipzig ), Widu-Wolfgang EHLERS ( Karlsruhe ) und Aldo SETAIOLI ( Florenz ) auf sich genommen. Vor wie vielen Versäumnissen und peinlichen Versehen ihr unbestechlicher Scharfblick mich bewahrt hat, wie oft ihre Hinweise dabei halfen, die Argumentation zu glätten oder zu schärfen, steht mir lebhaft vor Augen. Schwerlich wird man im Folgenden eine Seite finden, der die souveräne Kritik dieser vier Autoritäten nicht heilsam zugute kam. Ihnen allen sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Berlin, im November 2019

Peter Habermehl

XII

Praktische Hinweise Zugrundegelegt ist dem Kommentar die 1995 erschienene Teubneriana Konrad MÜLLERs (nach ihr sind in der Regel auch die Fragmente Petrons zitiert ). Den einleuchtenden Hinweis einer Besprechung aufgreifend, geben in diesem Band die Lemmata stets den meines Erachtens richtigen Text an, und nicht ( wie durchgängig in Band eins ) den Text MÜLLERs auch in den Fällen, in denen im Lemma für eine andere Lesart plädiert wurde. Im Kommentar nicht nachgewiesene Konjekturen finden sich in den Ausgaben BÜCHELERs bzw. MÜLLERs (am ehesten in BÜCHELERs und MÜLLERs edd. mai.). Römische und griechische Autoren sind im allgemeinen nach OLD und LSJ zitiert. Um Missverständnisse zu vermeiden, aber auch bei selteneren Namen, erscheinen gelegentlich ausführlichere Abbreviaturen. Die passim verwendeten Kürzel TH und BC stehen für die Troiae Halosis ( Sat. 89 ) bzw. das Bellum civile ( Sat. 119-124 ). Abweichungen von MÜLLERs Teubneriana 112,6 114,3 114,4 114,11

115,12 115,19 117,10 117,12 118,1 118,6

Teubneriana

Kommentar

conditorium ‹ commune › familiari ac viro faceret † Siciliam modo ventus dabat † itaque hercules si voluerit ‹ mare › misericors eqs. percussi (…) manibus pectus ne quid de nobis relinquat sepultura ? tabulasque testamenti omnibus ‹ mensibus › renovet ‚quid vos‘ inquit eqs. Heliconem fabulosum † sententiarum tormentum †

conditorium familiari ac viro sacraret ( VANNINI ) ( ohne cruces ) itaque † hercules si voluerit misericors eqs. percussi (…) manu pectus ne quid e nobis relinquat sepultura ? t. t. omnibus ‹ occasionibus › renovet ( HABERMEHL ) ‚quid ? vos‘ inquit eqs. Helicona ( ohne cruces )

Siehe auch S. ( 615-)618 zu 114,3 Siciliam modo ventus dabat, S. 631 zu 114,7 S. 721f. zu 116,8 id est soli fortissimi eqs., und S. 798-800 zu 118,6 fabulosum sententiarum tormentum.

‹ exanimatam › ,

Bibliographie Aufgeführt ist die im Kommentar zitierte Literatur (ausgenommen Standardkommentare zu antiken Autoren, die nach den Verfassern zitiert werden; vertraute Zeitschriftentitel sind nach den Sigeln der Année Philologique abgekürzt, ansonsten aber ausgeschrieben), ergänzt um einige Arbeiten von allgemeiner Bedeutung. Die Bibliographie in Band eins unterschied zwischen ‚Allgemeiner Sekundärliteratur‘ und solcher ‚zu den Sat.‘ Diese Trennung hat sich nur bedingt bewährt. Sie ist nicht allzu nutzerfreundlich, und zudem heikel – gerade bei Arbeiten, die innerhalb eines größeren Kontextes auch auf die Satyrica zu sprechen kommen. Ab dem vorliegenden Band sind beide Kategorien vereint. Umfassend bibliographiert haben die Forschungsliteratur zu den Satyrica G.L. SCHMELING – J. H. STUCKEY, A Bibliography of Petronius, Leiden 1977; Martin S. SMITH, A Bibliography of Petronius (1945-1982), in : ANRW II 32.3, 1985, 1624-65; VANNINI 2007 ( 511 S.), und zuletzt Niklas HOLZBERG, Fiktionale antike Erzählprosa. Eine Bibliographie, München 2009 ( online ). Über die Jahre nach 2009 geben die Année Philologique sowie der regelmäßig erscheinende Petronian Society Newsletter Auskunft. A. Mit Sigel oder Autor zitierte Literatur (ohne Sat.–Ausgaben) James N. ADAMS, The Latin Sexual Vocabulary, London 1982. ANRW H. Temporini / W. Haase ( Hrsg.), Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, Berlin (seit 1972 ). Bertil AXELSON, Unpoetische Wörter. Ein Beitrag zur AXELSON Kenntnis der lateinischen Dichtersprache, Lund 1945. BAUER – ALAND == W. BAUER / K. und B. ALAND, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin 61988. Hugo BLÜMNER, Die römischen Privataltertümer, MünBLÜMNER chen 1911. ADAMS

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Die Matrone von Ephesos ( Sat. 111 – 112 ) antiquis uxor de moribus … quaeritur ? Juv. 6,45f. Kein anderer Text der Satyrica, nicht einmal die Cena, errang solchen Ruhm wie die legendäre Novelle von der Matrone von Ephesos. Sie emanzipierte sich aus dem Textcorpus und gewann ein Eigenleben, zu dessen Stationen mediävale Erbauungsbücher und John of Salisbury zählen, La Fontaine und Lessing,1 aber auch die moderne französische und angelsächsische Bühne oder das italienische Kino.2 Rätsel gibt das Vorleben des archetypischen Stoffs auf, das zu Äsops Fabeln zurückführt, und damit in die griechische Frühzeit ; 3 bis nach Fernost reichen seine narrativen Wurzeln.4 Bände füllt die Literatur zu der Frage, in welchem Verhältnis zueinander Phaedrus’, Petrons und Romulus’ Versionen der Geschichte stehen.5 Vieles spricht für die Annahme, dass alle drei weitgehend unabhängig voneinander von einer älteren, eher schlichten Vorlage inspiriert sind, und manches für den Verdacht, diese Vorlage seien Aristeides’ Milesiaka, jener hellenistische Reigen gewagter Novellen, der in Rom nicht zuletzt dank Sisennas Übersetzung Verbreitung fand.6 1 2

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G.E. LESSING, Hamburgische Dramaturgie, 36. Stück. Fragment blieb LESSINGs Lustspiel „Die Matrone von Ephesus“ ( 1784 postum veröffentlicht ). Cf. Jean COCTEAU, L’École des Veuves ( 1936 ; ders., Théâtre complet, Paris 2003, 545-559 ) ; Christopher FRY, A Phoenix Too Frequent ( 1946 ; zur ‚Matrone‘ im Theater des 20. Jh.s cf. RAGNO 2009, 403-492 ) ; FELLINI, Satyricon ( 1969 ). Auch in der frühen Psychoanalyse hinterließ die Novelle Spuren ( RANK 1913 ), oder in JOYCE’ Ulysses ( KIMBALL 1994 ). Einen ersten Einblick in die reiche Rezeptionsgeschichte vermittelt URE 1974. Fab. Aesop. 299 Hausrath ( cf. LEFÈVRE 1997, 19f. ) ; Vita Aesopi 129 rec. G, ed. B. E. Perry, Aesopica, Urbana 1952, 74 f. ( cf. VANNINI 23 und 307 ). Cf. SETAIOLI 2019. Cf. THIELE 1908, 361-368 ; WEINREICH 1931, 53-73 ; PECERE 3-14 ; C.W. MÜLLER 1980, 337-340. 352-361 ; LEFÈVRE 1997, 21-31 ; COURTNEY 2001, 166 f.; VANNINI 23-35 ( ebd. 307-309 die Texte ); VANNINI 2013. Dass Phaedrus, Petron und Romulus unabhängig voneinander auf einen lateinischen ‚Archetyp‘ zurückgehen, ist VANNINIs gut begründete Schlussfolgerung. Iunxit Aristides Milesia crimina secum ( „Aristeides reihte milesische Skandalgeschichten aneinander“ ; Ov. trist. 2,413; übers. G. LUCK ). Eine erste milesische Kostprobe gibt Eumolp in der Pinakothek zum Besten ( Sat. 85-87; cf.

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Vor allem vergangene Zeiten lasen die Novelle oft genug als schonungslose Invektive gegen das ‚schwache Geschlecht‘. So führt Eumolp sie ein ( 110,6f. multa in muliebrem levitatem coepit iactare eqs.).7 Auf dieser Note endet Phaedrus’ Fabel: sic turpitudo laudis obsedit locum ( „so verdrängte die Lasterhaftigkeit die Ehre von ihrem Platz“; app. 15,31 ). So verstand sie John of Salisbury ; 8 so verstand sie auch die Leuchte der deutschen Aufklärung ( „unstreitig die bitterste Satyre, die jemals gegen den weiblichen Leichtsinn gemacht worden“ ).9 Bestätigt sahen sich viele Leser in Lichas, der die Geschichte mit Empörung aufnimmt und ihre Protagonistin am Kreuz sehen will ( 113,2 ).10 Für diese Deutung scheinen auch die Parallelen zwischen den beiden milesischen Novellen der Sat. zu sprechen. Der ‚Ephebe‘ ( 85-87 ) will zeigen, dass Knaben ein liederliches Volk sind ( und leichte Beute für den Kenner ); die ‚Matrone‘, so der Erzähler, soll die ‚Frauen von heute‘ entlarven ( 110,6-8; s. oben ). Und auch wenn der miles, anders als Eumolp in

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Bd. I, S. XXIV f. und 92-94 ). Eher skeptisch wertete TRENKNER 1958, 174 Aristeides’ Einfluss auf die ‚Matrone‘. Ähnlich beurteilt Athenaios Homers mythischen Sänger : „Demodokos besingt Ares’ und Aphrodites Beilager nicht, weil er eine solche Leidenschaft gut heißt, sondern um die Menschen abzuhalten von frevelhaften Taten“ ( 1,14 c οὐ διὰ τὸ ἀποδέχεσθαι τὸ τοιοῦτον πάθος, ἀλλ᾿ ἀποτρέπων αὐτοὺς παρανόμων ἔργων ). Zu fragen bleibt allenfalls, inwieweit Eumolp zum Moralprediger und Sittenrichter taugt ( so u.a. HUBER 1990, 53 ). Sein Auftritt als ‚Hüter altväterlicher Sitte‘ in Pergamon ( Sat. 85-87 ) spricht Bände. Policraticus VIII,11 == vol. II, 301 Webb ( die Novelle zitiert er verbatim, ebd. p. 301-304 ). G.E. LESSING, Hamburgische Dramaturgie, 36. Stück. Milder urteilte VOLTAIRE : „La matrone d’Éphèse n’a qu’une faiblesse amusante et pardonnable.“ ( Dictionnaire philosophique Bd. 17, Paris 1878, 196 ). Auch moderne Stimmen bescheinigen der Novelle misogyne Züge : die Witwe belege „the inconstancy of womankind“ ( ZEITLIN 1971a, 658 ) und bestätige „the common Roman stereotype of women as sex-crazed“ ( RICHLIN 2009, 89; cf. LATEINER 2013, 316 : „another sex-crazed mulier (…) reveals her true, sluttish character“ ). Auch C. W. MÜLLER 1980, 351 glaubt, hinter Lichas’ Position die des Autors ausmachen zu können ( für eine konträre Position s. S. 492 und Anm. 16 ). SULLIVAN 1968, 234 hingegen vermutete, Eumolp habe den Stoff bewusst gewählt, „to twit Tryphaena and pique Lichas“. Anders FEDELI 1986, 34 f. : Eumolp hätte Lichas’ Reaktion vorhersehen und seine Geschichte mit mehr Bedacht auswählen müssen. Oder wollte er Lichas’ Zorn von seinen Freunden weg auf die involvierten Frauen lenken ?

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Pergamon, keine offenen Türen einrennt – auch in seinem Fall führen drei Etappen beharrlichen Werbens zum Ziel.11 Beide Geschichten könnten unbesorgt mit dem Sieg des listenreichen Pädagogen bzw. des unbeirrten miles enden. Doch beide Male kommt es zu einem unerwarteten Umschlag, verbunden mit einem Rollentausch, in dem der Jüngling bzw. die matrona die Regie übernehmen.12 Und beide Male ist zuletzt die Fassade wiederhergestellt – und zugleich sind alle Ideale verkauft und verloren, sind Sittlichkeit und Unschuld als Illusionen demaskiert. In beiden Fällen verstärkt das Spiel mit einem kanonischen Text ( Platons Symposion im ‚Epheben‘, hier die Aeneis ) die dunklen Untertöne. Und nicht zuletzt werfen beide Novellen Licht auf Ereignisse im Roman selbst : der ‚Ephebe‘ auf Gitons Rolle beim folgenreichen Übergriff Ascylts, die ‚Matrone‘ auf Tryphaenas und Hedyles ( und Encolpius’ ) Verfehlungen in einem verlorenen Teil des Romans ( 113,2f. ).13 Die ‚Matrone‘ ist allerdings weitaus komplexer und deutlich dunkler als der ‚Ephebe‘. Vorschnelle Festlegungen versperren dafür nur den Blick. Das gilt für die lange Tradition, die in der Novelle vor allem Sittenkritik ausmachte; das gilt aber auch für jene modernen Stimmen, die die ‚Matrone‘ in einer Art backlash ähnlich ‚monochrom‘ als „Triumph des Lebens“ über den Tod feiern. BACHTIN komprimierte sie auf die vielzitierte Formel „the tomb → youth → food and drink → death → copulation → the conceiving of new life → laughter“.14 Er fand etliche Jünger. ARROWSMITH sprach von der ‚Liebe im Grab‘ und vom ‚Leben, das sich phönixgleich aus der eigenen Asche erhebt‘. Wo Trimalchio ein Fest in ein Begräbnis verwandle, verwandle die Novelle ein Begräbnis in eine Hochzeit. Die Obsession der Satyrica mit dem Tod sei hier in ihr Gegenteil verkehrt : 11 12

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Die consolatio ( 111,8 ), die cenula ( 111,10 ) und die Verführung ( 112,1 ). Eumolp erweist sich allerdings in Pergamon ein zweites Mal als überlegener Stratege und gewinnt die Initiative zurück. Umso kopfloser im Vergleich die Reaktion des miles. Laut PECERE 41 spiegele das Dreieck matrona – maritus – miles das Dreieck Tryphaena – Lichas – Encolpius ; der Tod des maritus ‚nehme in fast surrealer Weise Lichas’ Ende vorweg‘. BAKHTIN 1981, 222 ( ebd. 222: das ‚Verschwinden‘ des Leichnams aus dem Grab stehe für die ‚Abwesenheit des Todes‘, und damit für eine ‚diesseitige Auferstehung‘ ). Dass er die Novelle als „real-life narrative “ lese ( ebd. 222 ), ohne Rücksicht auf ihre ‚literarische Komplexität‘, kritisiert RIMELL 2002, 123 f. ( s. auch PLAZA 2005, 209-215 ).

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an die Stelle der Perversion trete die ‚natürliche Ehe‘, an die Stelle der Impotenz der ‚Vollzug‘; Eros triumphiere über Thanatos.15 Auch für C.W. MÜLLER schlägt sich die matrona „auf die Seite des Lebens und der Liebe“; die Geschichte sei „ein einziges Zeugnis unbändiger Vitalität“ – wie der Roman insgesamt ( 1980, 346f. ). Als Kronzeuge tritt der Schlussvers von La Fontaines Nachdichtung auf : Mieux vaut goujat debout qu’empereur enterré ( „ein Troßknecht auf Erden ist mehr wert als ein Kaiser im Grab“; V. 350 ). SEGAL sieht in den lachenden nautae, aus denen die überbordende Lebensfreude spreche, die authentischen Rezipienten der Novelle; für FEDELI spiegelt ihr Frohsinn Petrons ureigenes Urteil.16 Sogar als Geschichte einer Heilung wurde die Novelle verstanden. Die matrona befreie sich von der insania übermäßiger Trauer und ihres Todeswunsches; sie löse sich von den alten Familienbanden und dem traditionellen Wertesystem und rette so ihr Leben – und das des miles. Ihr Mitleid bewahre ihr die ‚Aureole der Keuschheit‘. 17 Soll also auch der Leser wie das textinterne Publikum Partei beziehen und sich mit Lichas echauffieren, mit Tryphaena im Boden versinken, oder schlicht in Gelächter ausbrechen ? 18 Wohl kaum. Die Reaktionen dieses ersten Publikums sind ausgesprochen ‚subjektiv‘ und aus dem Romangeschehen heraus erklärlich; „keiner der angebotenen Standpunkte wird uns als der einzig richtige nahegelegt“ ( HUBER 1990, 53-56; zit. 55 ). Ein unbefangenerer Blick tut not. Am Anfang der Novelle sehen wir weniger eine reale Frau als ein öffentlich gefeiertes Ideal, die fleischgewordene platonische Idee der pudicitia, der weiblichen Sittsamkeit. Ungelöst bleibt das Rätsel, wie die matrona zum „Weltwunder“ werden konnte ( 111,1 spectaculum sui ; cf. S. 507f. ), zum Ziel wahrer Wallfahrten. Denn anders als beim Märchenmotiv von der ‚überirdischen Schönheit‘ ( cf. S. 507 ) blüht die Sittsamkeit eher im Verborgenen.19 Sollen wir der Erzählung dieses Detail ernstlich abkaufen ? 15 16

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ARROWSMITH 1966, 328 f. SEGAL 1973, 92f.; FEDELI 1986, 30 ( und 32f. ). S. auch PEPE 1981, 227 : jenseits der zeitgenössischen Moral und Religion bekräftige die Geschichte ‚die menschliche Solidarität‘ und das ‚unverbrüchliche Recht auf Leben und Liebe‘ ( vorsichtiger LEFÈVRE 1997, 16 ). FEDELI – DIMUNDO 1988, 70 f. Dass dieser Pluralismus verschiedene Deutungen nachgerade autorisiere, glaubt SLATER 1990, 110.

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Ihrem Ruhm scheint die ikonenhafte matrona gerecht zu werden, als ihr Mann stirbt und sie beschließt, ihm in den Tod zu folgen. Der Grund liegt auf der Hand: ihre übermächtige Liebe zu dem Toten. Doch von Liebe ist im gesamten Text überraschend verhalten die Rede. Das Volk setzt sie einfach voraus ( 111,5 illud … verum pudicitiae amorisque exemplum ); der miles glaubt sie zu sehen ( 111,8 ratus … desiderium extincti non posse feminam pati ; der Erzähler sekundiert : scilicet id quod erat ); erst ganz am Schluss öffnet die matrona selbst ihr Herz ( 112,7 duorum mihi carissimorum hominum ).20 Umso greifbarer scheint ein anderes Motiv : ihre Rolle in der Öffentlichkeit, deren Urteil, wie die wiederholten Anspielungen nahelegen, ihr die Welt bedeutet ( 111,2 non contenta vulgari more ; in conspectu frequentiae ; § 3 complorata … singularis exempli femina ab omnibus ; § 5 una igitur in tota civitate fabula erat eqs.). Nach der ‚Sittsamen‘ findet sie eine zweite Rolle, die sie perfekt spielt, ja in der sie bis zur Selbstverleugnung aufgeht : die ‚Trauernde‘.21 Nach der vollkommenen matrona wird sie zur vollkommenen vidua – und noch zu Lebzeiten zu ihrem eigenen Epitaph ( 111,5 solum illud affulsisse verum pudicitiae amorisque exemplum ).22 19

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Das weiß auch der Pirat, der Kallirhoe verkaufen will: „Theron lobte mehr ihr Wesen als ihre Schönheit ; er wusste, das Unsichtbare bedarf einer Fürsprache, die äußere Erscheinung spricht für sich selbst.“ ( Chariton 1,13,3 ἐπῄνει τὸν τρόπον μᾶλλον τῆς γυναικὸς ἢ τὸ κάλλος, εἰδὼς ὅτι τὸ μὲν ἄδηλον συνηγορίας ἔχει χρείαν, ἡ δὲ ὄψις αὑτὴν συνίστησιν ; übers. MECKELNBORG – SCHÄFER ). Ein sprechendes Gegenbeispiel liefert Ovids schöne Claudia Quinta, die „keusch war, doch nicht als keusch galt“ ( fast. 4,305-312; zit. 307 casta quidem, sed non et credita ). Greifbarer scheint männliche Tugend. So feiert bei den ludi Florales das ganze Theater Cato als Inkarnation der perfecta virtus ( Val. Max. 2,10,8 ). Phaedrus nennt ihn gleich eingangs ihren dilectum virum ( app. 15,1 ). Vom „Ehrgeiz des öffentlich zelebrierten Trauerns“ spricht einmal Seneca ( ep. 63,2 doloris ambitio ). S. auch unten S. 510 und 537 f. Zu positiv C.W. MÜLLER 1980, 342 : in der Trauer erfahre ihre Tugend „die Möglichkeit einer neuen und einzigartigen Bewährung“. Realistischer MCGLATHERY 2001, 122 f. ( „she tends to intensify her use of dramatic gestures in the presence of an audience“; u.a. 111,2 pectus in conspectu frequentiae plangere ) ; s. auch SCHMELING – SETAIOLI 430 ( „the matrona seems to play up to an audience“ ) ; DICKISON 2013, 86f. ; A. SETAIOLI in epist.: „The point of the whole story is to expose the conventionality of socially accepted values. The pudicitia, and surely the other virtues, may be a matter of reputation, but have no substance of their own and are only make-believe. The show-off may become ingrained like a sort of second nature : the matrona seriously means to starve to death ; but when a new real occasion materializes, it reveals the

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In diese heilige Sphäre weltentrückter Ideale bricht das Leben ein, in Gestalt eines ansehnlichen, nicht auf den Mund gefallenen jungen miles ( 112,2 nec deformis aut infacundus iuvenis castae videbatur ), der in mehr als nur sozialer Hinsicht Grenzen überschreitet.23 In mehreren Schritten, tatkräftig unterstützt von der Zofe der matrona, gelingt es ihm, die Trauernde ins Leben zurückzuholen. Der Wein, den er ihr im Totenreich des Grabmals reicht, wirkt wie das Blut, das Odysseus an der Schwelle des Hades die Schatten trinken lässt : ihr Marmorbild erwacht gleichsam zur Frau aus Fleisch und Bein.24 Mit der ‚Hochzeit‘, die die beiden insgeheim feiern ( 112,3 ), könnte, wie viele Interpreten sahen, die Geschichte unbesorgt enden.25 Doch nicht einmal dieser erste Part der Novelle erzählt schlicht „vom Triumph des Lebens über den Tod“.26 Eine solche Deutung blendet einen makabren Umstand völlig aus : die Geschichte spielt nicht nur in einer Gräberlandschaft, wie sie oftmals als Straßenstrich diente ( cf. Catull 59 Rufa Rufulum fellat …, saepe quam in sepulcretis | vidistis …, cum … ab semiraso tunderetur ustore, und G. FRIEDRICH ad loc.; Mart. 1,34,8 abscondunt spurcas et monumenta lupas ; 3,93,15 bustuarias moechas ; Juv. 6 frg. Ox. 16 flava ruinosi lupa … sepulchri ),27 und wie ärmere Kreise sie offenbar für Schäferstündchen nutzten.28 Nacht für Nacht werden miles und matrona in der Familiengruft in-

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superficiality of the veneer of superimposed socially conventional values – a conclusion in keeping with the message of the Sat. as a whole.“ Höchstwahrscheinlich stammt er aus einfachen Verhältnissen ; die matrona gehört, wie das aufwendige Grab und die besorgten Behörden ( 111,3 ) nahelegen, zweifelsohne zu Ephesos’ Oberschicht ( zu erotischen ‚Grenzüberschreitungen‘ s. auch 126,5-7 ). Die Szene lässt auch an Pygmalions Statue denken ( Ov. met. 10,280-294, bes. 281 visa tepere est sc. puella ; 289 corpus erat ! ). S. auch Sat. 94,8 intrat Eumolpus … meque a fatali iam metā revocat ad lucem. PECERE 125 ( er vergleicht den ‚Scheinschluss‘ im ‚Epheben‘, 87,3 irrepsi tamen et male repugnanti gaudium extorsi ) ; C.W. MÜLLER 1980, 345f. ; FEDELI 1986, 22 Anm. 20 ; CONTE 1996, 107 ; LEFÈVRE 1997, 16. LEFÈVRE 1997, 16. Dass die lupae in den Gräbern lebten und bei offener Tür mit brennender Lampe um Kundschaft warben ( so SCHMELING in SCHMELING – SETAIOLI 433 ), lässt sich aus den spärlichen Quellen nicht folgern ( s. auch SLATER 2018, 240 Anm. 10 ). Cf. J. GRIFFIN 1985, 162. – In Gräbern haust die Hexe Erictho ( Lukan 6,511f. deserta … busta | incolit et tumulos expulsis obtinet umbris ); dort treiben auch Medea ( Ov. her. 6,89 per tumulos errat passis discincta capillis ) und Werwölfe ihr Unwesen ( Sat. 62,4-6 ).

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tim, unmittelbar neben dem aufgebahrten Leichnam des geliebten Gatten.29 Das unerhörte Szenario erinnert an Lukans grandiose Beschreibung jener Römer, die während Sullas Bürgerkrieg in Gräbern Zuflucht suchten: busta repleta fugā ( i.e. fugientibus ), permixtaque viva sepultis | corpora ( 2,152f. ), und an Cynthias morbid-pathetisches Bild zweier im Beilager vereinter Gerippe ( Prop. 4,7,93f. mox sc. te sola tenebo, | mecum eris et mixtis ossibus ossa teram ).30 Doch damit nicht genug. Die Pflichtvergessenheit des miles und das leere Kreuz nötigen der matrona eine radikale Entscheidung ab. Um ihren neuen Liebsten ( 112,7 duorum mihi carissimorum hominum ) der Gefahr zu entreißen, nicht zuletzt aber aus vitalem Eigeninteresse wagt sie etwas, wozu sie wenige Tage zuvor um nichts in der Welt bereit gewesen wäre: sie opfert den geliebten Toten und rettet damit ein Leben.31 Doch zugleich tut sie dem Verstorbenen ein Unrecht an, das mit dem Tatbestand ‚Leichenschändung‘ nicht annähernd beschrieben ist. Während der namenlose Gekreuzigte am Ende doch noch die letzten Ehren empfängt ( 112,5 ), wird der tote Ehemann nicht nur seiner ‚ewigen Ruhe‘ beraubt – ihm widerfährt die ultimative Erniedrigung der Kreuzigung, die ihn als ehrlosen Kriminellen brandmarkt, der unter freiem Himmel verwest.32 Dass der perfekten Ehefrau der Exposition ( 111,1 tam notae erat pudicitiae eqs.) nur bedingt zu trauen ist, macht der Erzähler bald genug klar. Immer wieder kratzen ironische Seitenhiebe an dem Idealbild, das die matrona 29

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Dieses Detail blenden die meisten Exegesen aus ( s. aber HUBER 1990, 30 Anm. 83 ). In gewisser Weise macht die matrona den Toten im offenen Sarg ebenso zum Zeugen ihres ‚Ehebruchs‘ wie die Zimmermannsfrau ihren im Bottich werkelnden Mann ( Apul. met. 9,7,5 f. ). Beruhigend genug bekommt der Tote nach Ansicht der ancilla von dem Treiben nichts mit ( 111,12 id cinerem aut manes credis sentire sepultos ? ). S.auch unten S. 563 f. zu 112,3 iacuerunt ergo una eqs. Juvenal sähe sich in seiner Meinung über die moderne Frau bestätigt : fortem animum praestant rebus quas turpiter audent ( 6,97 : „kühnen Geist beweist sie in den Dingen, die sie sich wider alle gute Sitte traut“ ). Laut CICU 1986, 270 beherzige die matrona die Lehren von Sat. 115 : was nach dem Tod mit dem Körper geschehe, sei ohne Belang. Zu simpel ist CABANISS’ Gleichung ( 1961, 50 ) : da der Soldat sie gerettet habe, sei es nur gerecht, dass sie nun ihn rette. Cf. RASTIER 1971, 1053-56 ; BLUME 1974, 51; FEDELI 1986, 26 ; HUBER 1990, 26 Anm. 67 ; LATEINER 2013, 316 ( s. auch HENGEL 1976, 138 : die Kreuzigung bedeutet die „äußerste Schändung des Betroffenen“ ). Trimalchio sorgt testamentarisch vor, ne mortuus iniuriam accipiam ( 71,8 ).

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selbst in die Öffentlichkeit zu projizieren scheint. Dies geschieht durch die Blume, in Form abstrakter Kommentare ( 111,13 nemo invitus audit, cum cogitur … vivere ; 112,1 ceterum scitis quid plerumque soleat temptare humanam satietatem ), öfter aber ‚ad hominem‘ ( 112,2 nec deformis … iuvenis castae videbatur ; 112,3 ne hanc quidem partem corporis mulier abstinuit ; 112,7 non minus misericors quam pudica ). Selbst offene Kritik wird laut ( 111,13 passa est frangi pertinaciam suam ; ebd. avide replevit se cibo ). Durchläuft die matrona in der Novelle wirklich eine geradlinige Entwicklung von einem Extrem zum andern, von den „gesellschaftlichen Normen“ hin zu ihren ureigensten Interessen, von Entsagung und Selbstkasteiung zu „aktivem Lebensgenuss“, von der pudicitia zur libido ? Verbergen sich von Anfang an „unter der glatten Oberfläche ihrer idealisierten Vorbildlichkeit natürliche Bedürfnisse und menschliche Schwächen“ ? 33 Abstrakter formuliert : stellt die Novelle im Geiste der Milesiaka das ‚idealisierte Narrativ‘ der keuschen romantischen Heldin schlicht auf den Kopf ? 34 Oder ist ein solches Bild vielleicht zu ‚realistisch‘ ? Gegen eine vorschnelle Vereinnahmung der Novelle als Ausdruck vitaler Lebensfreude oder vernichtender Invektive gegen die Frauen oder Entzauberung romantischer Ideale spricht bereits ( abgesehen von einigen über den Text verstreuten Unwahrscheinlichkeiten )35 ihre kunstvolle, hoch artifizielle Gestaltung. Nicht unpassend wurde sie als klassisches Drama in drei Akten beschrieben, mit drei Personen und einem wiederholt ( gerade zu Anfang und Ende ) auftretenden Chor : dem Volk.36 33 34

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So HUBER 1990, 13 und 26. So CONTE 1996, 106 ; cf. WALSH 1970, 11 : die Novelle „deliberately undercuts the conventional praise of chastity and matrimonial fides enshrined in both historiography and the love-romance“. Das ‚Weltwunder‘ ( 111,1 spectaculum ) ihrer Keuschheit ; ein Soldat, der allein die Richtstätte bewacht ( 111,6 ) ; die Vergil zitierende ancilla ( 111,12; 112,2 ); die mutmaßlich tote matrona, nach der niemand sieht ( 112,3 ) ; der kopflose Plan und letzte Wunsch des miles ( 112,6 ). Akt I: 111,1-5 ( bis confitebantur ) ; Akt II : 111,5-112,4 ; Akt III: 112,5-8 ( cf. FEDELI 1986, 10; RIMELL 2002, 125 ; s. auch KARAKASIS 2016 zu den Einflüssen von Komödie und Tragödie auf die ‚Matrone‘ ). Die auffällig wiederkehrende ‚drei‘ notiert FEDELI 1986, 13f. ( s. auch THIELE 1908, 365; FEDELI 1987 a, 18f. ) : das Trikolon parentes – propinqui – magistratūs ( 111,3 ); die drei Offensiven des miles ( s. oben Anm. 11 ); die drei Reaktionen der matrona ( 111,9; 111,13; 112,2 ); die drei Interventionen der Magd ( 111,10 porrexit … victam manum ; 111,10-12 expugnare dominae pertinaciam coepit eqs.; 112,2 ); das Trikolon in der Rede der Magd ( 111,11; s. S. 545 ad loc.) ; die drei Liebesnächte ( 112,3 ).

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Zurecht wurde das Raffinement der Darstellung gepriesen. „By scrupulous selection of vocabulary and phraseology he [ Petronius ] is able to make the feelings and state of mind of the characters emerge. To do this by implication, without explicit factual intervention of the author and his narrator, is a mark of the greatest subtlety and mastery in a writer of fiction. (…) The artistry of this story is beyond all praise.“ 37 Zum Unterhaltungswert der Novelle tragen auch die ironischen Schlaglichter und jovialen Kommentare des parteiischen Erzählers bei, die das Vergnügen der Lektüre ebenso steigern wie die Reprisen der Geschichte innerhalb der Satyrica,38 und die Referenzen auf Epos, Elegie und Liebesroman, die den vielschichtigen Text bereichern.39 Vor allem Anspielungen auf D i d o s und A e n e a s ’ schicksalsträchtige Begegnung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Novelle. 40 Bereits der erzählerische Rahmen stimmt uns auf Episches ein, wenn wir Eumolp als Aeneas erleben, der an Didos Hof von Troja erzählt ( 110,8 conversis … omnium in se vultibus … sic orsus est ~ Aen. 2,1f. conticuere omnes intentique ora tenebant. | inde toro pater Aeneas sic orsus ab alto ; Aeneas’ Ankunft in Karthago liefert die Folie für den Einzug in Kroton, Sat. 116 und 124,2 ). Doch die Novelle greift den klassischen Stoff nicht nur auf, sie revidiert ihn. Beiden Geschichten gemein ist die schöne Witwe, die um ihren ver37

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COURTNEY 2001, 173. „Das hohe erzählerische Niveau, die Einflechtung intertextueller Muster, allen voran die Konsolationstopik und die Vergilzitate, das Spiel mit Ambiguitäten, die die Phantasie des Lesers anregen, ( machen ) die Lektüre so genußvoll, daß man geneigt ist, über der Freude am Erzählerischen den moralischen Wert nicht so genau zu nehmen.“ ( HUBER 1990, 51 ). „È una storia che fa pensare a Boccaccio.“ ( FRAENKEL 1974, 687 ; auf Boccaccio verweist bereits PARATORE 1933, II 351 ). Neben dem ‚Epheben‘ gibt es v.a. Parallelen zu der Geschichte von Priaps Gänserich ( 136,4 -137,12 ; so scharfäugig CONTE 1996, 107-110 ) : der erschlagene Ganter als ‚Gatte‘, Oenothea als untröstliche ‚Witwe‘, Encolpius als miles, der sie mit Gold verführt, und den sie vor dem Tod rettet ( 137,2 si magistratus hoc scierint, ibis in crucem ), indem sie ihren ‚Gatten‘ ‚kreuzigt‘ ( 137,12 totum anserem laceratum verubus confixit ). Einen Exkurs verdiente Apuleius’ Novelle um Charite und ihren ermordeten Gatten Thrasyllus ( met. 8,1-14 ), die mit der ‚Matrone‘ einige auffällige Parallelen teilt ( cf. die Lemmata zu 111,2 f. 8. 11; 112, 2 f., ferner DE SALAS 214 ; WEINREICH 1931, 66-70; CIAFFI 1960, 125 f.; WALSH 1978, 21). Cf. u.a. ZEITLIN 1971, 67 ; PECERE 22-26 ; FEDELI 1986, 27-29 ; CONNORS 1989, 38f. ; MCGLATHERY 2001, 126-130 ; RIMELL 2002, 129-131 ; DIMUNDO 2005, 134-137 ; EICKMEYER 2006, 92-97.

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storbenen Mann trauert und der Liebe abgeschworen hat. Ermutigt von einer vertrauten Seele, öffnen beide Frauen ihr Herz, feiern ‚Hochzeit‘ in einer ‚Höhle‘ – und verletzen so ihre Verpflichtung dem Toten gegenüber ( 112,3 nuptias fecerunt ~ Aen. 4,172 coniugium vocat … culpam ; auch Vergil verwendet den Euphemismus ). Dido hört auf ihre Schwester Anna und bricht den Sychaeus gegebenen Eid ( Aen. 4,24-27 sed mihi vel tellus optem prius ima dehiscat … ante, Pudor, quam te violo aut tua iura resolvo ); nach Aeneas’ Verrat stürzt sie sich in dessen Schwert. Besser ergeht es der matrona, die zunächst sterben will, sich jedoch ( ermutigt von ihrer Zofe, die Anna spielt und Anna zitiert ) 41 für die Liebe und das Leben entscheidet – und ihren ‚Sündenfall‘ übersteht. Parallelen finden sich auch bei den männlichen Protagonisten, die beide ihre Pflicht versäumen, der miles seinen Wachdienst ( und damit, nicht unähnlich der matrona, sein officium einem Toten gegenüber ), Aeneas seinen göttlichen Auftrag, seine historische Mission.42 Aeneas verlässt die Königin; der miles bleibt bei seiner ‚Dido‘. Doch konfrontiert mit den Folgen seiner Nachlässigkeit, schlüpft er unerwartet in deren Rolle und will sich mit dem eigenen Schwert richten. Vergils Dido ist verloren; den miles, der nach seinem souveränen Auftritt als Verführer zuletzt fast hilflos dasteht und dankbar ‚Befehle‘ ausführt ( 112,8 iubet … corpus mariti sui tolli eqs.), rettet die kluge matrona. 43 Wie die Novelle insgesamt, erfuhr auch das raffinierte Spiel mit der Aeneis höchst unterschiedliche Wertungen. Die epische Spiegelung degradiere Petrons Dido zum ‚Inbild flatterhafter Weiblichkeit‘, urteilte FINKELPEARL. Für FEDELI hingegen lässt Petron seiner Dido „Gerechtigkeit widerfahren“: sie finde Trost und bewahre ihren Aeneas vor dem Tod. 44 Subtiler klingt ein Argument RIMELLs. Als eine Art Unterwelt erinnere das Grab an Aeneas’ zweite Begegnung mit Dido ( und dem toten Sychaeus ) im sechsten Buch der Aeneis. Das Nachspiel der epischen Dido-Erzählung im Hades stelle als ‚subversiver Subtext‘ den guten Ausgang der Novelle infrage.45 41 42

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111,12 ( Aen. 4,34 ); 112,2 ( Aen. 4,38 ). Zu den Dichterzitaten in den Sat. insgesamt cf. SETAIOLI 2013 ( zu den beiden Aen.-Zitaten ebd. 193 f. ). Die Parallele funktioniert auch ohne epische Referenz: matrona wie miles ‚wachen‘ bei einem Toten ; beide vernachlässigen ihre ‚Pflicht‘; beide ‚verlieren‘ in der Folge den ihnen ‚anvertrauten‘ Leichnam. Wie vorher der miles die matrona von den Vorzügen des Lebens überzeugen konnte, überredet nun ihn, der sterben will, sie zum Leben ( so C. W. MÜLLER 1980, 346; COURTNEY 2001, 173 ; SCHMELING – SETAIOLI 434 f. ). FINKELPEARL 1986, 157 f.; FEDELI 1986, 28.

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Dieses Argument verweist auf den wohl verwirrendsten Aspekt der Novelle: ihr o f f e n e s E n d e . Das Volk ( als ‚Chor‘ ) erkennt den unlängst zu Grabe Getragenen ( 112,8 posteroque die populus miratus est qua ratione mortuus isset in crucem ). Den Sinn der List, den Diebstahl des Leichnams zu vertuschen, opfert der Erzähler einer krönenden Schlusspointe ( mit einer solchen endet auch der ‚Ephebe‘ ), die ihren Witz nicht zuletzt dem in der Pointe versteckten Fluch verdankt.46 Dieser Winkelzug lässt Hörer wie Leser mit der Frage zurück, wie die Geschichte weitergeht, und ermutigt sie, den Stoff fortzuspinnen. Erfährt der Statthalter von dem ‚Wunder‘ ? Werden die beiden entdeckt ? 47 Gar zur Rechenschaft gezogen ( wie es John of Salisbury zumindest der ‚Ehebrecherin‘ verspricht ) ? 48 Dass etwas an die Öffentlichkeit gedrungen sein muss, liegt auf der Hand. Wie hätte Eumolp sonst von dem Skandal erfahren ? Es wurde vermutet, die Liebschaft könne weitergehen – jedoch nur in der Geborgenheit des Grabes, geschützt vor den Augen der Öffentlichkeit. Nach seiner Pflichtverletzung müsse der Soldat untertauchen. Dafür rette die matrona ein Menschenleben, behalte ihren Liebsten – vor allem aber ihren Ruf als Leuchtturm der Sittsamkeit ( vorausgesetzt, die Welt glaube weiterhin, sie sei gestorben ).49 Das mag zutreffen. Und in gewisser Weise ist am Ende ( wie beim ‚Epheben‘ ) die ursprüngliche Ordnung tatsächlich wiederhergestellt : die matrona hat wieder einen Mann ( wenn auch einen anderen ), und das Kreuz wieder einen Toten ( wenn auch einen anderen ).50 Doch um welchen Preis ? Wie ihr miles ist die matrona dazu verdammt, fortan im Reich der Toten zu hausen, lebendig begraben wie 45 46

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RIMELL 2002, 129 f. Auch das Vokabular signalisiert dezent eine Katabasis ( cf. S. 528 zu 111,7 descendit … in conditorium, sowie S. 530f. ). Zu dem Fluch cf. unten S. 578. S. auch LEFÈVRE 1997, 18 : die Novelle endet mit einem „Schein-Schluß, der auf die augenblickliche Wirkung zielt“. Dass das ‚potentiell richtige Ende‘ sich in Lichas’ Forderung ( 113,2 ) abzeichne, scheint mir ein Trugschluss. Eine ähnliche Geschichte schildert Chariton 3,3,1-7. – Zum offenen Ende der Novelle s. auch unten S. 578. Tu historiam aut fabulam quod iis verbis refert Petronius pro libitu appellabis ; ita tamen ex facto accidisse Effesi et Flavianus auctor est, mulieremque tradit impietatis suae et sceleris parricidalis et adulterii luisse p(o)enas ( Policraticus VIII 11 == vol. II, 304 Webb; zu dem als weiterer Quelle genannten Flavianus cf. VANNINI 57 ). FEDELI – DIMUNDO 1988, 70f. 75. FEDELI – DIMUNDO 1988, 157. S. auch PEPE 1981, 227: die Kreuzigung des Toten ‚beschließe‘ die Geschichte „senza danno per alcuno“.

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Kallirhoe 51 – als erfülle sich die Warnung ihrer Dienerin ( 111,11 quid proderit … hoc tibi, … si te vivam sepelieris ? ). Sie mag das Leben und die Liebe feiern; doch zugleich ist sie der Welt abhanden gekommen.52 ~~~ Die strenge Ringkomposition des ‚Epheben‘ ( cf. Bd. I, S. 94 ) kehrt in der weitaus komplexeren ‚Matrone‘ nicht wieder. Gleichwohl finden sich Korrespondenzen und Symmetrien, die die Rede der ancilla als das heimliche Epizentrum der Novelle identifizieren: 53 A B C D E F G H I H' G' F' E' D' C' B' A'

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Das Volk bestaunt die pudica matrona ( 111,1 ) Der tote Gatte : Grablegung ( 111,2 ) Der Todeswunsch der matrona ( 111,3 ) Das Volk beweint und bewundert die matrona ( 111,3 + 5 ) Peripetie ~ Tiefpunkt : Kreuzigungen ( 111,5 ) Der miles entdeckt die matrona ( 111,6-7 ) Der miles ‚attackiert‘ ihre Trauer ( 111,8 ) Der miles bietet Nahrung an ( 111,10 ) Die große Rede der ancilla ( 111,10-12 ) Die matrona nimmt Nahrung an ( 111,13 ) Der miles attackiert ihre pudicitia ( 112,1 ) Die matrona ‚entdeckt‘ den miles ( 112,2 ) Peripetie ~ Höhepunkt : dreifache Hochzeit ( 112,3 ) Das Volk hält die matrona für tot ( 112,3 ) Der Todeswunsch des miles ( 112,6 ) Der tote Gatte : Kreuzigung ( 112,8 ) Das Volk bestaunt den Toten am Kreuz ( 112,8 )

Chariton 1,8,3 ζῶσα κατώρυγμαι, „ich bin lebendig begraben“. Bei Apuleius soll eine Mörderin lebendig mit ihrem von ihr vergifteten Mann bestattet werden ( met. 2,29,6 pessimam feminam viventem statim cum corpore mariti sepeliendam ). Nero wiederum schlug auf der Flucht vor seinen Häschern eine Höhle als Versteck aus : negavit se vivum sub terram iturum ( Suet. Nero 48,3 ). In Verdis Oper sind zuletzt Radames und Aida gemeinsam in der Krypta eingemauert. S. auch HERZOG 1989, 94 : die ‚Matrone‘ ist „die Geschichte eines Scheiterns : das Leben holt die Matrone … ein und enthüllt sich dabei als das eigentliche Dasein unter Toten.“ Kaum anders ergeht es Trimalchio in seinem Haus, halb Mausoleum, halb Unterwelt ( cf. Bd. I, S. XXX ), in dem er ‚lebendig begraben‘ sein perpetuelles Fest feiert ( HERZOG 1989, 86 ; s. auch ebd. 96 ). Ein anregendes alternatives Schema präsentiert SCHMELING 1991, 357.

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Die C h r o n o l o g i e der Novelle untersucht VANNINI 257f.: Nach dem Tod des Gatten findet wahrscheinlich am traditionellen dritten Tag die ἐκφορά statt, die Bestattung. Ab diesem Tag weilt die matrona im Grab. Wohl am fünften Tag ( 111,3 quintum iam diem ) werden die Räuber gekreuzigt. In der folgenden Nacht entdeckt der Soldat die matrona ( 111,6 proxima … nocte ); noch in derselben Nacht werden die beiden intim. Am nächsten und übernächsten Tag kehrt der miles zu später Stunde ins Grab zurück ( 112,3 postero … ac tertio die : Tag sechs und sieben ). In der dritten Liebesnacht verschwindet einer der toten Räuber ; am nächsten Morgen entdeckt der Soldat das leere Kreuz ( 112,6 postero die : Tag acht ); abends kehre er zu der matrona zurück und klage ihr sein Leid. Wahrscheinlich während dieser Nacht finde der Austausch statt ( cf. Romulus 59 rec. gall. 15f. maritum de loco levavit et in cruce nocte suspendit ). Am Morgen des neunten Tags wundere sich das Volk über den neuen Gekreuzigten ( 112,8 posteroque die eqs.).54 VANNINIs Chronologie leuchtet ein – ausgenommen für Tag acht, an dem der miles morgens das leere Kreuz entdeckt. Ist es vorstellbar, dass er einen ganzen Tag lang unter dem leeren Kreuz Wache hält, voller Furcht vor den Folgen ( 112,6 veritus supplicium … iudicis sententiam ), um erst in der folgenden Nacht der matrona seinen kopflosen Beschluss zu offenbaren ? 55 Im Text folgt die Aussprache zwischen miles und matrona unmittelbar auf die Entdeckung des Diebstahls; und der Plan der prudentissima femina wird unverzüglich in die Tat umgesetzt. Andererseits ist klar, dass die crucifixio des bedauernswerten Gatten nur in der Dunkelheit erfolgen kann. Realistischer als ein Kreuz, das ungeachtet etlicher potentieller Zeugen einen ganzen Tag lang gefährlich leer bleibt, scheint eine andere Annahme: die zum Ende drängende Erzählung vernachlässigt die Chronologie. Mit postero die ( 112, §§ 6 und 8 ) ist derselbe Morgen gemeint, § 6 allerdings das erste Morgengrauen, § 8 dann die Zeit nach Sonnenaufgang, wenn die Leute unterwegs sind. ROSE 1965, 229f. wollte das Problem lösen, indem er 112,6 postero die tilgt: der miles entdecke den Diebstahl noch in der Nacht. Doch es verleiht dem Text die nötige Spannung. Besser als e.g. ante lucem oder prima luce erinnert es den Leser an die dramatische Gefahr, die erst bei Tageslicht von dem leeren Kreuz ausgeht. 54 55

Spekulation bleiben mögliche Beziehungen zu Feiern am neunten Todestag, die VANNINI 258 hier vermutet ( cf. Sat. 65,10, ferner CORBEILL 2004, 98 f. ). So verstand bereits PECERE 131 Anm. 257 die Stelle ; zurecht skeptisch auch PEROTTI 2002, 263.

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LIT. ( in Auswahl ): WEINREICH 1931, 53-75; BAKHTIN 1981 ( zuerst 1937-38 ), 221-224 ; BLUME 1974 ; PECERE 1975 ; C.W. MÜLLER 1980; FEDELI 1986; FEDELI – DIMUNDO 1988, bes. 118-125. 150-157; HERZOG 1989, 93-96; HUBER 1990; SCHMELING 1991, 353-361; LEFÈVRE 1997, 15-32; COURTNEY 2001, 165-173; MCGLATHERY 2001; RIMELL 2002, 123-139; PLAZA 2005, 209-215 ; EICKMEYER 2006 ; RAGNO 2009; KARAKASIS 2016. – Zur Forschungsgeschichte der Jahre 1975-2005 cf. VANNINI 2007, 308-313.

Kap. 111 § 1 matrona quaedam Ephesi : Die formelhafte Ouvertüre mit dem Ort und einem zentralen Charakter hat Wurzeln v.a. im Epos ( e.g. Ilias 6,152f. ); die Historiographie folgt. Beliebt ist sie als Romanauftakt ( u.a. Xen. Eph. 1,1,1 ἦν ἐν Ἐφέσῳ ἀνὴρ τῶν τὰ πρῶτα ἐκεῖ δυναμένων, Λυκομήδης ὄνομα, „es gab in Ephesos einen Mann unter den einflussreichsten Bürgern namens Lykomedes“; Hist. Apoll. 1,1 rec. A in civitate Antiochia rex fuit quidam nomine Antiochus ; cf. S. PANAYOTAKIS ad loc.). Vager werden die Angaben in märchenhaften Kontexten ( u.a. Joseph und Aseneth 1,3 ἦν ἀνὴρ ἐν τῇ πόλει ἐκείνῃ σατράπης τοῦ Φαραώ, „es gab einen Mann in jener Stadt, einen Satrapen des Pharao“ ; ohne jede Verortung beginnt das Märchen von Amor und Psyche, Apul. met. 4,28,1 erant in quadam civitate rex et regina ; cf. GCA ad loc.); weitere Belege NORDEN 1923, 369 Anm. 1; WEINREICH 1931, 66; PECERE 42f. Das vage Indefinitpronomen erscheint auch in Phaedrus’ Fassung ( app. 15,1f. per aliquot annos quaedam dilectum virum | amisit ). matrona : Bereits das Eröffnungswort signalisiert Ehrbarkeit : „eine gewisse verheiratete Dame von Stand“ ( „indicates social rather than marital status, and, like pudicitia, conveys an air of Roman moral values“; COURTNEY 2001, 166 Anm. 11; cf. e.g. Gregor Magnus dial. 1,10,2 matrona quaedam nobilis in vicinis Tusciae partibus eqs.). Die Ambivalenz des Begriffs zeigt sich spätestens in Kroton, bei den beiden matronae Circe ( 132,2 ) und Philomela ( 140,1 matrona inter primas honesta, Philomela nomine eqs.; s. auch Sat. 55,6,10f. ut matrona … tollat pedes indomita in strato extraneo ? ; cf. ferner PECERE 46f., und zu den sozialen und politischen Konnotationen des Begriffs G. FOCARDI, Il termine maiestas e la matrona : SIFC 52, 1980, 144163 ). Die Witwe heißt in der Geschichte sechsmal mulier ( einmal im Diminutiv muliercula ), dreimal femina, und einmal markant uxor ( 112,3 expirasse super corpus viri pudicissimam uxorem ; der Begriff vidua fällt nirgendwo ). Matrona heißt sie nur noch „111,5, wenn der Soldat erstmals erwähnt wird und der Ruhm ihrer Tugendhaftigkeit in aller Munde ist, und 112,1, bevor sie seinen Verführungen erliegt – also an den entscheidenden Stellen des Geschehensablaufs.“ ( BLUME 1974, 53 Anm. 15 ). Ihre Namenlosigkeit entspricht dem archetypischen Charakter der Novelle ( cf. LATEINER 2013, 316 : „the unnamed ( because generic ) matrona / femina “ ). Ephesi : Wie der ‚Ephebe‘ ( Sat. 85-87 ) führt uns auch diese Erzählung wieder in ionisch-griechisches Milieu ( nobili Graecorum et ampla civitate

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Ephesi ; Vitruv 10 praef. 1 ). Und abermals suggeriert die genaue Ortsangabe Authentizität ( von der Geschichte könnte Eumolp während seines Aufenthalts in Pergamon erfahren haben; cf. 85,1 hospitium Pergami accepi ; s. auch VANNINI 2013, 93 ). Ephesos war eine der bedeutendsten Metropolen des römischen Reichs, und stand im Osten allein Alexandria nach ( Sen. ep. 102,21 ). Es besaß den größten Hafen Kleinasiens; mit dem Artemision beherbergte es eines der bedeutsamsten Heiligtümer Griechenlands und zugleich eines der sieben antiken Weltwunder. Damit nicht genug, unterstrichen „zahlreiche prächtig ausgestattete öffentliche Bauten ( Verwaltungs- und Regierungsbauten, Gymnasien, Thermen, Tempel, Theater, Circus, Bibliothek, Hallenbauten entlang der großen Straßen und an der Agora ), viele luxuriöse Wohnhäuser ( ‚Hanghäuser‘ ) und aufwendige Infrastrukturbauten ( Hafenanlagen, Brunnen, Zisternen, Wasserleitungen, Straßen, Latrinen ) … Wohlstand und Bedeutung der Stadt“ ( C. HÖCKER, Ephesos, DNP 3, 1997, 1078-85; zit. 1084 ). Der Name beschwört den Luxus Kleinasiens herauf – und die Sinnlichkeit und lockeren Sitten seiner Frauen. In Ephesos beginnt und endet der Liebesroman des Xenophon von Ephesos; von dort stammt die ‚lustige Witwe‘ Melite, die bei Achilleus Tatios den jungen Kleitophon bezirzt ( bes. 5,11,5 und 5,27; so PECERE 44 f. ). Auch Cicero kennt den Ruf der Metropole, wenn er eine Beleidigung des Antonius ‚aufwertet‘ : „ ‚Octavians Mutter stammt aus Aricia.‘ Man könnte glauben, er sagt ‚aus Tralles‘ oder ‚aus Ephesos‘ !“ ( Phil. 3,15 ‚ Aricina mater‘. Trallianam aut Ephesiam putes dicere ; zum Subtext cf. G. MANUWALD ad loc.). Daneben dürfte der Ort auch auf die Nähe der Erzählung zur Milesischen Novelle verweisen, zur Milesiaka ( cf. COURTNEY 2001, 166; einen eher losen Bezug sieht HARRISON 1998a, 67f. ). Vor der Kulisse Ioniens ( und dank des ‚ironischen Kontrasts‘ Ephesi – tam notae pudicitiae ; PECERE 45 ; s. auch CICU 1986, 256f.; CASTAGNA 2003, 40: „una matrona pudica ad Efeso è un ossimoro“ ) sticht die unvergleichliche Sittsamkeit der Protagonistin umso heller hervor. Der alte Lokativ Ephesi ( cf. 85,1 Pergami, und Bd. I, S. 96 ad loc.) ist hier attributiv verwendet ; cf. FRAENKEL 1968, 174 f. ( s. auch 1974, 687: „una donna di Efeso e a Efeso“; PECERE 43; VANNINI ad loc. zitiert Sall. Iug. 35,1 erat eā tempestate Romae Numida quidam nomine Massiva ). tam notae erat pudicitiae : Gleich dreimal werden Ehrbarkeit und Ruhm der namenlosen matrona thematisiert ( ferner § 3 complorataque singularis exempli femina ab omnibus ; § 5 una igitur in tota civitate fabula erat eqs.). Nach Eumolps Proöm ( 110,6-8, bes. § 7 nullam … esse feminam tam pudicam, quae

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non peregrinā libidine usque ad furorem averteretur ) sieht sich das Publikum in seinen Erwartungen zunächst einmal enttäuscht – und fragt sich zugleich neugierig, als wie beständig die gepriesene Tugend sich wohl erweist. Dass die matrona ‚fallen‘ wird, legt der Prolog nahe; aus welcher Fallhöhe, verraten die ätherischen Sphären, die ihr Ruhm ( bildlich gesprochen ) erreicht hat ( cf. BLUME 1974, 42; C.W. MÜLLER 1980, 341; HUBER 1990, 13; s. auch Claudian c. 3,22f. tolluntur in altum | ut lapsu graviore ruant ). Die Sittsamkeit war der Inbegriff und die Erztugend der römischen matrona. In Roms hehrer Frühzeit waren ihr ein Tempel und ein Altar geweiht ( cf. Liv. 10,23,5 Patriciae Pudicitiae templum ; ebd. § 7 aram … Pudicitiae Plebeiae, geweiht 296 v.Chr.; zu den historischen Hintergründen cf. S.P. OAKLEY 247-250 ad loc.). Valerius Maximus singt ihr Lob ( 6,1 praef. Unde te virorum pariter ac feminarum praecipuum firmamentum, Pudicitia, invocem ? eqs.). S. auch Verg. georg. 2,524 casta pudicitiam servat domus ; Hor. epod. 2,39f. quodsi pudica mulier … iuvet | domum atque dulcīs liberos ; c. 3,5,41 pudicae coniugis osculum ; Prop. 1,15,21f. Euadne …, Argivae fama pudicitiae ( aus freien Stücken bestieg sie den Scheiterhaufen ihres Mannes ); Sen. contr. 2,7,9 feminae quidem unum pudicitia decus est ; Sen. dial. 12,16,4 unicum tibi ornamentum, pulcherrima et nulli obnoxia aetati forma, maximum decus visa est pudicitia ; Apul. met. 7,6,3 uxor eius Plotina, quaedam rarae fidei atque singularis pudicitiae femina. „Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht !“ ( GOETHE, Faust I, 3636 ). Ins Detail geht ein Trostgedicht des Statius. Weder Paris noch die Schätze Babylons hätten Abascantus’ verstorbene Gattin verführen können: „eher stürbe sie unbefleckt in keuscher Armut und opferte lieber ihr Leben als ihren Ruf “ ( silv. 5,1,57-63, bes. 62f. mallet cum paupertate pudicā | intemerata mori vitamque rependere famae ; zum Ideal der univira cf. Prop. 4,11,35-46 und FEDELI bzw. HUTCHINSON ad loc.; zum Preis der pudicitia im römischen Epitaph cf. LATTIMORE 1942, 296 ). Noch höheren Stellenwert erlangt die Keuschheit im christlichen Milieu ( cf. Tert. apol. 50,12 confessi estis labem pudicitiae apud nos atrociorem omni poenā et omni morte reputari ; BROWN 1988, bes. 154-159; FINKELPEARL 2014, 462-464 ; s. auch HERZOG 1989, 94 ad loc.: „Wir befinden uns bereits in der Nähe frühchristlicher Aretalogie.“ ), wo sie nicht selten bereits dem eigenen Gatten gilt. Gleichsam die dunkle Kehrseite der Szene hier erlebt die Neophytin Drusiana in den apokryphen Johannesakten. Als sie sich nach ihrer Bekehrung ihrem Mann verweigert, lässt dieser sie in ein Grabmal sperren, damit sie ihren ‚Starrsinn‘ ablege – oder Hungers sterbe ( cf. W. SCHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen Bd. II, Tübingen

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163; ferner e.g. Acta Pauli et Theclae 7-14 : nach Paulus’ Predigt weist Thekla ihrem Verlobten die Tür ). Vor allem dank des tam lesen wir hier auch einen subtilen Kommentar zu den ‚gewöhnlichen‘ Ehefrauen. Eine kulturhistorische Einordnung unternimmt Juvenal. Keusch war das Goldene Zeitalter ( 6,1f. credo Pudicitiam Saturno rege moratam | in terris ), und wohl auch noch das Silberne ( 6,14 f. multa Pudicitiae veteris vestigia forsan | aut aliqua exstiterint et sub Iove ), als Verginia einen „Wettstreit der Keuschheit“ zwischen Patrizierinnen und Plebejerinnen ausrufen konnte ( Liv. 10,23,7 certamen … pudicitiae ). In späteren Epochen war die Göttin Geschichte, ihr Kult verwaist ( cf. Liv. 10,23,10 postremo in oblivionem venit sc. Pudicitia ); die Matronen der Kaiserzeit entweihen Pudicitias Kultstätte mit ihren Orgien ( Juv. 6,306-313 ). Auch Properzens Adynaton bricht den Stab über seine Zeitgenossinnen ( 2,32,49-51 tu prius … fluctūs poteris siccare marinos … , quam facere ut nostrae nolint peccare puellae ; cf. Ov. am. 1,8,43 casta est quam nemo rogavit ; her. 17,41 matrona … rara pudica est, „selten findet sich eine sittsame Matrone“; s. aber Pont. 3,1,115f. über Augustus’ Gattin als Inkarnation alter pudicitia ). Vernichtend fällt Senecas Verdikt aus: die moderne Frau betrachte die Ehe als ‚einzige Einladung‘ zum Ehebruch ( benef. 3,16,3 eo ventum est, ut nulla virum habeat, nisi ut adulterum inritet. argumentum est deformitatis pudicitia. … infrunita et antiqua est, quae nesciat matrimonium vocari unum adulterium ). Dass auf einen guten Ruf kein Verlass mehr ist, belegt ein kleiner Kranz Novellen in Apuleius’ met. IX. So täuscht sich ein argloser Walker ebenso in seinem Eheweib ( met. 9,24,1 fullonis uxor, alioquin servati pudoris ut videbatur femina, quae semper secundo rumore gloriosa larem mariti pudice gubernabat, occultā libidine prorumpit in adulterum quempiam ) wie ein eifersüchtiger Hahnrei, der seine schöne Gattin vergebens überwacht ( met. 9,17-21 ). – Zu dem Gen. qual. cf. 83,7 Komm. == Bd. I, S. 80. erat : „The use of an introductory perfect appears to be the original one in Latin, and an imperfect in this position is a later one. The imperfect is then used to present those facts which form the circumstantial background for the facts which will be told in the principal tale.“ ( M. ZIMMERMAN - DE GRAAF u.a., Apuleius, The tale of Cupid and Psyche == GCA 2004, 37 ad Apul. met. 4,28,1 erant in quadam civitate rex et regina ). ut vicinarum quoque gentium feminas ad spectaculum sui evocaret : vicinarum … gentium „aus den umliegenden Landstrichen“, vielleicht sogar „aus benachbarten Völkern“ ( HOLZBERG ). Auffällig genug beschränkt sich ihre Anziehungskraft auf das eigene Geschlecht ( feminas ). Wie diese Wallfahrten zu einer im Grunde unsichtbaren Qualität zu verstehen sind,

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bleibt offen ( cf. HUBER 1990, 14 ; s. auch SCHMELING 2005, 40: „It is difficult to know just what exactly pilgrims to Ephesus come to see and experience.“ ). So erwirbt sich Lucretia ihren Ehrentitel als dux Romanae pudicitiae erst mit ihrem Selbstmord ( Val. Max. 6,1,1; s. auch Mart. 6,27,4 testis maternae nata pudicitiae, „Zeugnis mütterlicher Sittsamkeit“ ist die dem Vater aus dem Gesicht geschnittene Tochter ). Anders sieht es aus bei dem Märchenmotiv von der überirdischen Schönheit, die Männer aus Nah und Fern magnetisch anzieht. Dies gilt für die Königstochter Psyche ( Apul. met. 4,28,3f. multi denique civium et advenae copiosi, quos eximii spectaculi rumor studiosā celebritate congregabat … ut ipsam prorsus deam Venerem ‹ venerabantur › religiosis adorationibus. iamque proximas civitates et attiguas regiones fama pervaserat eqs.; 4,29,1: auf die Kunde von Psyches Schönheit hin iam multi mortalium longis itineribus atque altissimis maris meatibus ad saeculi specimen gloriosum confluebant ); dies gilt für Kallirhoe: „Die Kunde von ihrem überwältigenden Anblick verbreitete sich überall und Freier strömten nach Syrakus …, nicht nur aus Sizilien, sondern auch aus Italien und Epirus und von den Völkern auf dem Festland.“ ( Chariton 1,1,2 φήμη δὲ τοῦ παραδόξου θεάματος πανταχοῦ διέτρεχε κτλ.; übers. C. MECKELNBORG – K.-H. SCHÄFER ; s. auch 4,7,6; 5,2,6 ). Von der bemerkenswerten Schönheit der matrona erfährt der Leser erst später ( § 7 pulcherrima muliere ). ad spectaculum sui : In der raren und fast paradoxen Wendung verschmelzen der außergewöhnliche „ A n b l i c k “ ( OLD s.v. 1: „a sight, spectacle“, und Sen. dial. 1,6,5 mundus … spectaculo sui laetus, „das All, zufrieden mit der Schau seiner selbst“), das „ S c h a u s p i e l “, die „Darbietung, Inszenierung“ ( OLD s.v. 2: „a performance … devised for entertainment, spectacle, show“, und Val. Max. 2,2,9 iuventus … urbem spectaculo sui … celebrabat, bei den Lupercalia „füllten die jungen equites die Hauptstadt mit einer eigenen Darbietung“; App. Verg. Aetna 156 miranda sui spectacula, „wunderbare Schauspiele seiner selbst“ bietet der Ätna ), aber auch der „ B l i c k “ des Publikums ( OLD s.v. 4 : „the act or faculty of looking at or viewing“, und Sat. 27,2 pueri nos … ad spectaculum duxerant, „die jungen Sklaven hatten uns zum Hinschauen verführt“ ). Gemeint ist sinngemäß „zum ureigenen Schaustück“, „zum Schauspiel ihrer selbst“, „zur Aufführung, zur Präsentation in eigener Sache“ ( s. auch MCGLATHERY 2001, 122: „the narrator presents the widow as a ‚show‘. … The verb evocare, ‚to summon‘ … suggests that the widow takes a rather aggressive and active role in creating this ‚spectacle of herself ‘.“ ). Die Wendung schmeckt nach Event und Theater.

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Vage Parallelen im Roman sind Kallirhoe als „Inbild einer jungen Frau und Zierde ganz Siziliens“ ( Chariton 1,1,1 θαυμαστόν τι χρῆμα παρθένου καὶ ἄγαλμα τῆς ὅλης Σικελίας ) und Psyche als „außergewöhnliche Augenweide“ ( Apul. met. 4,28,3 eximium spectaculum ) und „ruhmvoller Inbegriff ihres Jahrhunderts“ ( 4,29,1 saeculi specimen gloriosum ). Der relegierte Ovid erinnert seine Gattin daran, dass sie unter öffentlicher Beobachtung stehe und gleichsam auf einer ‚großen Bühne‘ agiere ( Pont. 3,1,59f. quicquid ages igitur, scaenā spectābere magnā | et pia non paucis testibus uxor eris ). Von Belang ist nicht zuletzt – zumal in Ephesos – spectaculum im Sinn von „Weltwunder“ ( die septem spectacula waren die sieben antiken Weltwunder ; cf. Vitruv 2,8,11; 7 praef. 13; Gell. 10,18,4 ). Mit anderen Worten ( ein m.W. in der Exegese der Novelle bislang unbeachtetes Detail ): die matrona macht dem Artemision Konkurrenz, dem ‚Staatsheiligtum‘ von Ephesos – und damit im Grunde der jungfräulichen Artemis persönlich ( wie in Apuleius die sterbliche Psyche der Venus; bes. met. 4,28-31 ). § 2 haec ergo cum virum extulisset : Den traumatischen Einschnitt in ihrem Leben hakt ein lapidarer Temporalsatz ab. Ihrem Mann „fällt keine andere Aufgabe zu als zu sterben“ ( C.W. MÜLLER 1980, 342 ). Zu efferre in der Bedeutung „zu Grabe tragen, bestatten“ cf. 42,6 tamen bene elatus est ; 77,7 profer vitalia, in quibus volo me efferri ; 78,2 ego gloriosus volo efferri ; 88,8 donum promittit, si propinquum divitem extulerit ; 117,6 elatum … ab Eumolpo filium, und e.g. Sen. dial. 4,33,4 eo die quo filium extulerat ; Donat ad Ter. Andr. 117 == p. 74,19f. W. efferri proprie dicuntur cadavera mortuorum ; OLD s.v. 3. – Zu dem resumptiven ergo nach einem Pronomen ( „sie also“ ) cf. 83,8 Komm. == Bd. I, S. 83; PETERSMANN 258. non contenta vulgari more … : Hektor ‚über das übliche Maß hinaus‘ zu beweinen, fordert Hekuba von den Troerinnen ( Sen. Tro. 97f. solitum flendi vincite morem : | Hectora flemus ; ferner e.g. Stat. Theb. 11,316-318 ibat | scissa comam vultūsque et pectore nuda cruento, | non sexūs decorisve memor ; für das ‚übliche Maß‘ cf. Sat. 42,6 ). Das non contenta deutet eine solche ‚unmäßige Trauer‘ dezent an ( cf. § 8 exulceratae mentes ad sanitatem revocantur ), wie sie zumindest gestandene Stoiker als Indiz innerer Schwäche verurteilten. Seneca lag das Thema am Herzen ( u.a. dial. 6,1-3: Augustus’ Schwester Octavia verwand nie den Tod ihres Sohnes Marcellus ; 12,16,1f.; ep. 63,13 annum feminis ad lugendum constituere maiores, non ut tam diu lugerent, sed ne diutius (…) quam tamen mihi ex illis mulierculis dabis vix retractis a rogo, vix a cadavere revulsis, cui lacrimae in totum mensem duraverint ? ). Auch seine Gattin Paulina ermahnt er, seinen Tod ‚nicht endlos‘ zu betrauern ( Tac. ann. 15,63,1 rogat oratque temperaret dolori ne aeternum susciperet, sed in contemplatione vitae per vir-

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tutem actae desiderium mariti solaciis honestis toleraret ; HOPKINS 1983, 218 ). Denn letztlich schließe exzessive Trauer den Trauernden „aus der Gemeinschaft der Lebenden aus“ ( Sen. dial. 6,3,3 eximes te numero vivorum ). S. auch HUBER 1990, 16f. Contentus in Verbindung mit einem adnominalen Inf. ( ferner 70,13; 134,2 ) ist seit augusteischer Zeit belegt ( u.a. Ov. met. 1,461; Manil. 1,465 contenta … stellis ostendere sidera certis ); cf. KST 1,685; PETERSMANN 211f.; Thes. IV, 680,15-57. funus … prosequi : Funus steht hier in der seltenen Bedeutung „ L e i c h e n z u g “ ( OLD s.v. 1b, und e.g. Liv. 38,55,2 prosecutis funus, „denen, die dem Leichenzug folgten“; Sen. dial. 11,11,1 cotidie praeter oculos nostros transeunt notorum ignotorumque funera ), eher aber als abstractum pro concreto für „ L e i c h n a m “ ( cf. BC 95 nostris da funera regnis, und u.a. Varro rust. 1,4,5 omnes domūs repletae … aegrotis ac funeribus ; Prop. 1,17,8 parva meum funus harena teget ?, und P. FEDELI ad loc.; Verg. Aen. 9,491 funus lacerum ; Sen. Oed. 74 fiam … regni funus extremum mei ; Val. Flacc. 7,643 hausit subito sua funera tellus ; Stat. Theb. 1,36f. tumulis … carentia regum | funera ; 9,365f. funera nati | vestigat ; 12,46f. circum funera … turba sedet ; 12,288; Ps.-Quint. decl. 12,27,4 cludunt domos, ne quis funus eripiat ; Hist. Apoll. 25,12 rec. A dedit postremo osculum funeri ; OLD 2 a ; s. auch OLD 2 b: „Toter, Schatten“; Thes. VI 1, 1605,68-1606,17 s.v. fūnus „translate“, mit ungeordneten Belegen ). – Zu prosequi als t.t. des Leichenzugs cf. unten zu prosecuta est defunctum. passis … crinibus aut nudatum pectus … plangere : Das Lösen und Raufen des Haars ( § 9 ruptos … crines super corpus iacentis imposuit ) und das Schlagen der entblößten Brust oder der Arme war in Griechenland wie in Rom fester Bestandteil des Trauerrituals ( cf. SITTL 1890, 65-78; BÖMER ad Ov. fast. 3,560 == Bd. II, 1958, 183-186; D’AMBROSIO 1994 ; M. ALEXIOU, The ritual lament in Greek tradition, Lanham, Md. 2 2002, 4-10; zur ( weiblichen ) Trauer cf. HOPKINS 1983, 217-226; CORBEILL 2004, 67106 ; weitere Sek.lit. nennt VANNINI 236 ad loc.). Zum Schlagen von Brust oder Armen cf. § 9 laceravit vehementius pectus, und S. 539 ad loc.; zum gelösten Haar cf. 89,19 crinem solutus … Laocoon ; BC 252f. crine soluto | Iustitia, und e.g. Verg. Aen. 3,65 ~ 11,35 Iliades crinem de more solutae ; 12,870 infelix crinīs scindit Iuturna solutos ; Sen. Herc. fur. 202f. maesta venit crine soluto | Megara ; Tro. 83-86 solvite crinem ; | per colla fluant maesta capilli | tepido Troiae pulvere turpes ( s. auch Sat. 105,2 horridos longosque … capillos, und Bd. I, S. 400 ad loc.).

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In der Regel geschah beides gemeinsam – wie hier ( e.g. Verg. Aen. 1,479-481; Ov. met. 4,138-141 percutit indignos claro plangore lacertos | et laniata comas amplexaque corpus amatum eqs.; 13,688f. effusae … comas et apertae pectora matres | significant luctum ; 14,420f. nec satis est nymphae flere et lacerare capillos | et dare plangorem ( facit haec tamen omnia ) ; Sen. Tro. 83-94 ; 117-123; Lukan 2,21-28; 7,38f. lacerasset crine soluto | pectora femineum … vulgus ; Apul. met. 4,34,3 quid canitiem scinditis ? quid pectora, quid ubera sancta tunditis ? ). – Markante Alliteration ( pass- pro- pect- plang-). passis … crinibus : Die seltene Junktur passis crinibus geht wohl auf Vergil zurück ( Aen. 1,479f. ad templum non aequae Palladis ibant | crinibus Iliades passis ; 2,402f. trahebatur passis … crinibus a templo Cassandra ); Livius und Ovid greifen sie auf ( Liv. 1,13,1 Sabinae mulieres … crinibus passis scissāque veste … ausae se inter tela volantia inferre ; 7,40,12 matres coniugesque crinibus passis ; 26,9,7; Ov. trist. 4,2,43 crinibus … Germania passis ; als alternative Lesart fast. 1,645 passos Germania crines ). Sie findet sich auch in der Cena ( 54,2 Fortunata crinibus passis ; PECERE 49f. vergleicht die zwei Szenen ); cf. Thes. X 1, 195,81-196,2. Zur poetischen Qualität von crinis ( im Gegensatz zu capillus ) cf. AXELSON 51. pectus … plangere : Die Junktur scheint Ovids Einfall; gleich neunmal verwendet er sie ( am. 2,6,3 ite, piae volucres, et plangite pectora pinnis ; 3,6,57f. quid … pectora … insanā plangis apertă manu ? ; her. 5,71; 11,91f.; 12,153 abscissā planxi mea pectora veste ; 15,113f. nec pectora plangi … puduit ; met. 2,584 plangere nuda meis conabar pectora palmis ; 6,248; 13,491 ). Ansonsten ist sie ausgesprochen rar ( cf. Ilias Latina 1053 abrumpunt crines laniataque pectora plangunt ; s. auch Thes. X 1, 912,41-45 ). in conspectu frequentiae : Antike Gesellschaften erlebten Trauer oft als ritualisierten öffentlichen Akt ( samt den einschlägigen theatralischen Auswüchsen ). Der um ihren toten Gatten klagenden Charite folgt die ganze Stadt, „traurig“ – und zugleich „begierig auf das Schauspiel“ ( Apul. met. 8,6,6 confluunt civium maestae catervae, secuntur obvii sc. Chariten dolore sociato, civitas cuncta vacuatur studio visionis ; s. auch Sen. Ag. 666 iuvat in medium deflere suos, „… vor aller Augen“ ). Umso bitterer ist es, wenn die Erwartungen enttäuscht werden ( wie etwa von Chrysanthus’ Witwe, Sat. 42,6 bene elatus est, vitali lecto, stragulis bonis. planctus est optime – manu misit aliquot – etiam si maligne illum ploravit uxor ). – Zur Rolle des Publikums bei der ‚Trauerarbeit‘ s. unten S. 537f. in conditorium etiam prosecuta est defunctum : In ihrem Schmerz um Marcellus „vergrub und verbarg sich“ Octavia, „bestens vertraut mit Finsternis und Einsamkeit“ ( Sen. dial. 6,2,5 tenebris et solitudini familiarissima …

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defodit se et abdidit ; s. auch 6,2,4 nullum finem per omne vitae suae tempus flendi gemendique fecit ). Nach dem Tod ihres Gatten weicht die treue Herakleïs nicht mehr von seinem Grab ( Aelian nat. anim. 8,22; zit. WEINREICH 1931, 66f. ). Cornelia, die dem ermordeten Pompeius in kein Grabmal folgen kann, sucht die Finsternis unter Deck und hofft inmitten eines Orkans auf einen Schiffbruch ( Lukan 9,110-116 caput ferali obduxit amictu | decrevitque pati tenebras puppisque cavernis | delituit, saevumque arte complexa dolorem | perfruitur lacrimis eqs.). REEVEs Tilgung von defunctum ( 1971, 327 ), die das wiederholte Verb ebenfalls an funus anschließt, schmälert das Pathos der Szene ( s. auch PECERE 48 Anm. 26 ). Bedenkenswert hingegen ist BÜCHELERs Simplex secuta ( ed.1 ad loc.). Es vermeidet die Wiederholung zu funus … prosequi ; und „in die Grabkammer ‚folgen‘ ist stärker und sachlich treffender als in die Grabkammer ‚geleiten‘“ ( M.DEUFERT in epist.; s. auch VANNINI ad loc.: „fortasse recte“ ). conditorium : Das höchst seltene conditōrium, „Grabanlage, Grabmal, Gruft“, ist hier das erste Mal belegt ( ferner § 7; 112,3. 6 ), und vereinzelt später ( u.a. Plin. nat. 7,75 in conditorio Sallustianorum adservabantur hortorum ; 37,19; Plin. ep. 6,10,5; Suet. Aug. 18,1 conditorium et corpus Magni Alexandri ; Thes. IV 147,56-64 ; ADAMIK 2003, 6f. ). prosecuta est : Prosequi im Kontext ‚Bestattung‘ findet sich seit der späten Republik ; cf. u.a. Cic. Cluent. 201 mater exsequias illius funeris prosecuta ; Tusc. 5,78 prosequentibus suis una cum viro in rogum imponitur sc. vidua; Ov. trist. 1,8,13f. ut … neque exequias prosequerēre meas ; Sen. dial. 6,3,2 longo itinere reliquias Drusi sui prosecuta sc. Livia ; 9,12,4 ; nat. 3,18,6; Apul. met. 4,34,1; 8,6,7 funus … toto feralem pompam prosequente populo deducitur ad sepulturam ; 9,30,7; Macrobius comm. 2,3,5 mortuos … ad sepulturam prosequi oportere cum cantu ; Carm. Lat. Epigr. 69,3f. populus … magno … fletu funus prosecutus est ; Thes. X 2, 2187,38-49. – Die hier erstmals belegte Junktur prosequi defunctum kehrt in flavischer Zeit wieder ( Quint. inst. 5,11,38 fletibus natos, laetitiā defunctos prosequuntur ; Tac. ann. 2,71,3 non hoc … amicorum munus est, prosequi defunctum ignavo questu ; cf. Thes. a.O. 46f. ). positumque in hypogaeo Graeco more corpus : Die minoische und mykenische Ära bettete ihre Toten zumeist unversehrt ins Grab. Eine spätere Epoche repräsentiert die Ilias mit dem Ritual der Verbrennung. Im klassischen Griechenland hielten sich Beerdigung wie Feuerbestattung die Waage. Neben dem archaischen Grabhügel ( Tumulus ) und dem schlichten Grubengrab wurden Sarkophage populär ; die Grabarchitektur entwickelte eine Vielzahl neuer Formen: Kammergräber, Totenhäuser, To-

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tenaltäre, Totentempel. Bedeutende Familien besaßen ganze Grabanlagen, Herrscher erbauten sich Mausoleen. Im frühen Hellenismus gewann die B e s t a t t u n g des unverbrannten Leichnams die Oberhand. Eine wachsende Rolle spielten unterirdische Anlagen, Hypogäen und Krypten, die für eine Familie oder eine ganze Gemeinde angelegt waren, mit Klinen, Nischen und oft genug mehreren Räumen, deren Grundriss bewusst an ein Wohnhaus erinnerte. Das frühe R o m kannte, wie archäologische Funde nahelegen, Verbrennung wie Beerdigung, wobei letztere wohl dominierte. Cicero nennt sie die ältere ( und natürlichere ) Praxis (leg. 2,56f. redditur enim terrae corpus, et ita locatum ac situm quasi operimento matris obducitur eqs.; cf. Plin. nat. 7,187 ipsum cremare apud Romanos non fuit veteris instituti ; terrā condebantur ). Doch mit der Zeit wurde die V e r b r e n n u n g immer populärer. Gegen Ende der Republik hatte sie sich weitgehend durchgesetzt ; in der frühen Kaiserzeit war sie fast synonym mit dem Romanus mos ( auch in den Sat.; cf. 115, 20; BC 66 cineres ). Von ihm wich Nero ab, als er Poppaeas Leichnam nach ägyptischem Vorbild einbalsamieren und im Mausoleum des Augustus beisetzen ließ ( Tac. ann. 16,6,2 corpus non igni abolitum, ut Romanus mos, sed regum externorum consuetudine differtum odoribus condītur tumuloque Iuliorum infertur ; s. auch hist. 5,5,3 corpora condere quam cremare e more Aegyptio sc. est, „… entspringt bei den Juden ägyptischem Brauch“; cf. W. FAUTH 76f. ad loc.). Erst in flavischer Zeit gewann die im griechischen Osten längst favorisierte Bestattung auch im Westen die Oberhand; im 3. Jh. war sie im gesamten Reich die Regel. LIT. MARQUARDT 340-385; A.D. NOCK, Cremation and burial in the Roman Empire ( 1932 ), in: ders., Essays on Religion and the Ancient World, Oxford 1972, 277-307; NILSSON 1967, 174-178; TOYNBEE 1971; G. DAVIES, Burial in Italy up to Augustus, in: R. Reece ( Hrsg.), Burial in the Roman world, London 1977, 13-19; B. KÖTTING, s.v. Grab : RAC 12, 1983, 373-380; K. STÄHLER, s.v. Grabbau : ebd. 399-417; D.C. KURTZ – J. BOARDMAN, Thanatos, Mainz 1985; I. MORRIS, Death-ritual and social structure in classical antiquity, Cambridge 1992, 31-69 ; H. KAMMERERGROTHAUS, s.v. Grabbauten : DNP 4, 1998, 1173-78. 1179-83; C. TSOCHOS, s.v. Nekropolen : DNP 8, 2000, 795-799. 801-804. – Einen originellen Katalog antiker Bestattungsrituale verdanken wir Silius ( 13,468-487 ). Zu den Nekropolen von E p h e s o s cf. C. BERNS, Untersuchungen zu den Grabbauten der frühen Kaiserzeit in Kleinasien, Bonn 2003; J.R. Brandt u.a. ( Hrsg.), Life and death in Asia Minor in Hellenistic, Roman and Byzantine times, Oxford 2017, bes. M. STESKAL, Reflections on the mortuary landscape of Ephesus, ebd. 176-187; ders., Defying Death in

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Ephesus, in: E. Mortensen u.a. ( Hrsg.), Cityscapes and monuments of western Asia Minor, Oxford 2017, 229-236. Im zeitgenössischen Kontext verweisen die Angaben Graeco more und in hypogaeo auf eine unterirdische Grabanlage hellenistischer Prägung, am ehesten eine Familiengruft, in der der Leichnam gewaschen, gesalbt und in Linnen gehüllt aufgebahrt war, entweder offen auf Stein ( cf. Lucr. 3,892 summo gelidi cubat aequore saxi ; cf. R. HEINZE bzw. E.J. KENNEY ad loc.), oder in einem Sarkophag ( 112,8 arca ). Pragmatisch besehen kam eine Feuerbestattung schon deshalb nicht infrage, da der Leichnam noch gebraucht wird. Dass der Tote auf einer Liege ( feretrum oder lectus funebris ) aufgebahrt war, wollte PECERE ( 52f. 142f. ) aus §§ 8f. folgern, wo der Leichnam eindeutig sichtbar ist. Auch im griechischen Roman ist bisweilen von der Aufbahrung auf einer κλίνη ( „Bahre“ ) die Rede, allerdings dramaturgisch begründet, um den scheinbar ‚Toten‘ ihre „Wiedergeburt“ ( Chariton 1,8,1 παλιγγενεσίαν ) bzw. ‚Auferstehung‘ zu ermöglichen ( cf. Chariton 1,6,5; Xen. Eph. 3,7,4 ; PECERE 52f.; VANNINI ad loc.). Doch ebenso eindeutig ist hier später von einem Sarkophag die Rede ( 112,8; s. auch Phaedrus app. 15,2 sarcophago corpus condidit ). Wahrscheinlich lag der Tote in einem offenen Sarkophag ( so auch VANNINI ad loc.). positum : Zu ponere für das Aufbahren eines Leichnams auf dem Totenbett oder im Grab ( lt. VANNINI ad loc. vielleicht alltagssprachlich ) cf. u.a. Lucr. 3,871 corpore posto ; Verg. Aen. 2,644 sic positum adfati discedite corpus ; 6,508; 11,30; Ov. met. 8,236; Sen. dial. 6,15,3; Apul. met. 3,9,5; CIL V, 1102 si quis post dua corpora posita hanc arcam aperuerit … et aliut corpus posuerit eqs.; Thes. X 1, 2643,46-2644,42; OLD s.v. 8b. in hypogaeo : Das Lehnwort hypogaeum ( auch -gēum ; griech. ὑπόγειον oder -γαιον ), „unterirdische Kammer“, ist selten, und vornehmlich spätantik sowie inschriftlich belegt ( u.a. Vitruv 6,8,1; Tert. an. 28,4 : Pythagoras’ unterirdisches Versteck ; Isid. etym. 15,3,12 hypogeum est constructum sub terris aedificium ; Thes. VI 3, 3157,31-46 ). In der Bedeutung „Grabkammer“ findet es sich ausschließlich hier sowie in einigen Inschriften ( Thes. a.O. 41-46; cf. MARBACH 1931, 133f.; CAVALCA 2001, 97f. ). Graeco more : Überraschend rar ist die Junktur Graeco more ( Cic. Verr. 2,1,66 invitatio ut Graeco more biberetur ; Liv. 10,47,3 palmae … tum primum translato e Graeco more victoribus datae ; Val. Max. 1,1,1 more Graeco venerari instituerant sc. Cererem; Suet. Nero 12,3 quinquennale certamen … more Graeco triplex ; zudem einige spätantike Belege ). Eine „Bestattung nach griechischem Brauch“ wünscht sich die Athenerin Thisbe in Ägypten ( Heliodor

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2,10,4 κηδείας ... Ἑλληνικῆς ). Schon die Seltenheit der Wendung macht FRAENKELs Tilgung des Abl. modi als mittelalterlicher Glosse zu hypogaeo unwahrscheinlich ( 1968, 172; ders. 1974, 688 ). Die in einer griechischen Stadt scheinbar selbstverständliche Angabe dürfte dem römischen Publikum der Novelle geschuldet sein. custodire ac flere totis noctibus diebusque coepit : So beweint auch Charite ihren toten Mann ( Apul. met. 8,7,7 diesque totos totasque noctes insumebat luctuoso desiderio ; eleganter Chiasmus ). Zu custodire mit der seltenen Färbung „die Leichenwache halten“ cf. Ulpian dig. 11,7,14,4 si quid ad corpus custodiendum vel etiam commendandum factum sit ( tacent Thes., OLD ), ferner Prop. 3,16,24 custos ad mea busta sedens ; 4,7,25 nec crepuit fissā me propter harundine custos ; Apul. met. 2,22,1 et quae … custodela ista feralis ? – Markante Alliteration ( corp- cust- coep- ). Die rare Junktur noctibus diebusque erscheint seit Seneca ( u.a. benef. 4,3,2 di … tot munera … sine intermissione diebus ac noctibus fundunt ; ferner u.a. Mart. 2,5,1f. ne valeam, si non totis … diebus | et tecum totis noctibus esse velim ; Apul. met. 1,12,4 diebus ac noctibus inlusit aetatulam meam ). Das Gleiche gilt für die seltenen totis diebus ( Sen. apocol. 7,4 ius dicebam totis diebus mense Iulio ; cf. ep. 72,2; ferner u.a. Mart. 1,19,3 potes totis tussire diebus ; 4,37,6 totis diebus … hoc mihi narras ; Thes. V 1, 1034,80-82 ). Besser bezeugt sind die „ganzen Nächte“, v.a. in der Astronomie ( e.g. Cic. nat. 2,108 corpus Draconis totis noctibus cernimus ; Lukan 6,342 lucentem totis … noctibus Arcton ) und in Liebesdingen ( 81,6 iacent nunc amatores adligati noctibus totis, ferner u.a. Prop. 1,6,7 illa mihi totis argutat noctibus ignes ; Ov. her. 16,215f. totis … noctibus ille | te tenet ; Priap. 26,2-4 membrum … totis mihi noctibus fatigant | vicinae ); als Nachtwache, wie hier, Val. Flacc. 7,166 totis adstantem noctibus anguem. – Zum Abl. der Zeitdauer cf. 79,3 Komm. == Bd. I, S. 2. In den Sat. findet sich wiederholt pleonastisches coepi samt Inf. ohne oder mit allenfalls verblasster ingressiver Qualität ( custodire … coepit, i.e. custodivit ; cf. e.g. 86,2 vereri coepit ); cf. LÖFSTEDT II, 450-452 ; KST 2,569f. ; HSZ 319 ; PETERSMANN 191f. § 3 sic afflictantem se ac mortem inediā persequentem : „The language evokes great scenes of sublime poetry“ ( CONTE 1996, 105 ). Dass es der Witwe mit ihrem Vorhaben ernst ist, erfährt der Leser im folgenden Satz ( quintum iam diem sine alimento trahebat ; cf. § 11 soluta inediā ; § 13 aliquot dierum abstinentiā sicca ). Der Todeswunsch, der in den anderen Versionen der Novelle fehlt, scheint Petrons Zutat ( VANNINI ad loc.; ders. 2013, 90; an den Inbegriff griechischer Gattentreue, Euadne, die sich nach Kapaneus’ Tod auf dessen brennenden Scheiterhaufen stürzt und stirbt,

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erinnern PEPE 1981, 223 und VANNINI ad loc.; cf. Eur. Suppl. 980-1071; Prop. 1,15,21f. Euadne …, Argivae fama pudicitiae ). Nach der Bestattung ihres Mannes will auch Charite in völliger Finsternis so ihre Tage beschließen ( Apul. met. 8,7,4 f. officiis inferialibus statim exactis puella protinus festinat ad maritum suum demeare … : inediā denique miserā et incuriā squalidā, tenebris imis abscondita, iam cum luce transegerat, „… hatte sie mit dem Leben bereits abgeschlossen“ ). Hungers will später auch der von ihr geblendete Mörder ihres Mannes sterben ( 8,14,5 inediā statuit elidere suā sententiā damnatum spiritum ). Antike Quellen kennen den ( versuchten ) Freitod durch das Verweigern der Nahrung, in mythischen Kontexten ( e.g. Ov. met. 10,73-75: Orpheus ), in fiktiven ( e.g. Chariton 6,2,8; Xen. Eph. 3,8,2 ; Apul. met. 7,24,1 inediā denique continuā … memet ipse quaerebam extinguere ), meist aber in historischen ( u.a. Cic. Tusc. 1,84 a vita quidem per inediam discedens revocatur ab amicis ; Plin. ep. 3,7,1f.: der schwerkranke Epiker Silius; cf. Sen. ep. 70,9 Socrates potuit abstinentiā finire vitam et inediā potius quam veneno mori ). Als Antwort auf Athens Niederlage im Kampf gegen die makedonische Hegemonie hungerte sich Isokrates zu Tode ( cf. K. MÜNSCHER, RE IX 2, 1916, 2219; Hinweis von A. SETAIOLI in epist.). In der Kaiserzeit beenden so bisweilen in Ungnade gefallene Aristokraten ihr Leben ( e.g. Tac. ann. 4,35,4 ; 6,26,2; Suet. Tib. 53,2; cf. Tac. ann. 11,3,2 lenem exitum : einem zum Tod Verurteilten empfiehlt man diesen „leichten Ausweg“; Y. GRISÉ, Le suicide dans la Rome antique, Montréal 1982, 118-120; D’AMBROSIO 1995 ). Mit tröstlichen Worten hielt Augustus einmal einen erblindeten und zum Hungertod entschlossenen Senator von seinem Vorhaben ab ( Suet. Aug. 53,3 Gallum Cerrinium senatorem … praesens consolando revocavit ad vitam ). Vertrauter ist das Verhalten Trauernder, jede Nahrung zu verweigern ( cf. Ilias 19,303-308; 24,601-619; Eur. Med. 24 ; Chariton 6,2,8; Lukian luct. 24 ; Hist. Apoll. 40,10 rec. A valde afflictus sum meis calamitatibus, ut non solum epulari, sed nec vivere desiderarem ; s. auch S. 518 zum Trauerfasten ). Das Sujet überschneidet sich mit zwei verwandten Motiven: der treuen Heroine und dem treuen Heros des Liebesromans, die im tiefsten Schmerz den Freitod erwägen oder gar versuchen ( cf. Bd. I, S. 257-259 ), und jenen historischen Römerinnen, die an der Seite ihres Gatten starben ( cf. Bd. I, S. 263 ; s. auch LATTIMORE 1942, 203-205: „Unwillingness to Survive the Dead“ ). afflictantem se : Das seltene reflexive se afflictare, das an § 2 flere anknüpft, steht hier übertragen: „jammern, klagen, sich quälen, grämen, abhärmen“ ( u.a. Plaut. Mil. 1032 ait … miseram cruciari et lacrumantem se adflictare ; Cic. Att. 3,12,1 hic tu me accusas quod me adflictem, cum ita sim adflictus

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ut nemo umquam ; Tusc. 3,77 ). Nicht gemeint ist die Geste des „sich die Brust Schlagens“ ( Thes.: „proprie prae luctu pectus palmis afflictare, tundere“; u.a. Sall. Cat. 31,3 ad hoc mulieres … adflictare sese, manūs supplices ad caelum tendere eqs.; Tac. ann. 2,81,1; ambivalent Apul. met. 4,25,1 vehementius adflictare sese et pectus etiam palmis infestis tundere et faciem … verberare incipit ; cf. GCA ad loc.; Thes. I, 1232,34-43 ). mortem … persequentem : Die expressive Junktur mortem ( alicuius ) persequi, „jemandes Tod rächen“, erscheint vor allem in der späten Republik ( u.a. Cic. dom. 49 mortem eius se velle persequi dixit ; fam. 12,3,2 consilium … hoc est illorum ut mortem Caesaris persequantur ; Phil. 13,38; Rab. perd. 14 ; Caes. Gall. 7,38,8 persequamur eorum mortem, qui indignissime interierunt ; Liv. 30,30,13; 40,11,10 mortem meam … persequi non poteris ; Thes. X 1, 1694,23-25 ). Singulär ist die Verwendung hier : „den Tod suchen“ ( s. auch PACCHIENI 1978, 45 ). non parentes potuerunt abducere, non propinqui : Ähnliches beschreibt Phaedrus ( app. 15,3 a quo sc. sarcophago revelli nullo cum posset modo ). VANNINI ad loc. zitiert Sen. dial. 6,1,6 omnia in supervacuum temptata sunt : fatigatae adlocutiones amicorum, auctoritates magnorum et adfinium tibi virorum ( eqs.). Auch Statius’ trauernde Mutter will nicht vom Grab ihres Mannes weichen ( silv. 5,3,241-243 seiungere matrem | iam gelidis nequeo bustis eqs.; s. auch Theb. 6,35f. laceras … super procumbere nati | reliquias ardet totiensque avulsa refertur ). Mehr Erfolg haben zunächst Charites Angehörige ( Apul. met. 8,6,6f. mariti cadaver accurrit labantique spiritu totam se super corpus effudit ac paenissime ibidem, quam devoverat, ei reddidit animam. sed aegre manibus erepta suorum invita remansit in vita ; s. auch 8,7,6: mit der Unterstützung ihrer Verwandten und Eltern gelingt es Tlepolemus, Charite zum Essen zu bewegen ). Zu dem nachdrücklichen non … non statt neque … neque cf. 63,8 non cor habebat, non intestina, non quicquam ; 109,2 non amplexum, non osculum, non coitum venere constrictum ; 114,13 non arbor erat relicta, non gubernacula, non funis aut remus ; 116,6. – Markante Alliteration ( pers- par- pot- pro- ). magistratūs ultimo repulsi abierunt : Nach Familie und Verwandtschaft versuchen zuletzt auch die Behörden ihr Glück. „Sie alle schaffen mit ihrem vergeblichen Insistieren auf dem Normalmaß nur die Kontrastfolie, vor der sich die virtus der Matrone in der Einzigartigkeit und Idealität, die man von ihr erwartet, abheben kann.“ ( C.W. MÜLLER 1980, 342 ). Der sich auf das Wesentliche konzentrierende Satz und der lapidare Schluss klingen nach einer ‚unwiderruflichen Entscheidung‘ ( FEDELI – DIMUNDO

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1988, 151 ). – Coda einer eindrücklichen Klimax : non parentes – non propinqui – magistratūs … repulsi ( am Ende das verstärkende part. coni.). Zu ( auch strukturellen ) Trikola in der Novelle cf. oben S. 496 Anm. 36. complorataque singularis exempli femina ab omnibus : Auch um die todgeweihte Psyche trauert die gesamte Gemeinde ( Apul. met. 4,33,5 sic adfectae domūs triste fatum cuncta etiam civitas congemebat ). „La matrona è pianta come se fosse già morta“ ( VANNINI ad loc.). Bereits hier klingt ihr Epitaph an; noch deutlicher § 5 ( solum illud affulsisse verum pudicitiae amorisque exemplum ). „This pious Roman wife, the model of old Roman virtue, seems to step off the stones of epitaphs“ ( SCHMELING – SETAIOLI 429 ad loc.). Augustus’ Enkelin Agrippina würdigte das Volk als decus patriae und unicum antiquitatis specimen ( Tac. ann. 3,4,2 ). Für Seneca ist Marcia, die Tochter des Historikers Cremutius Cordus, aliquod antiquum exemplar, „ein Idealbild aus alten Tagen“ ( dial. 6,1,1 ). Senecas Tante bewundert ganz Ägypten velut unicum sanctitatis exemplum ( dial. 12,19,6 ). Die Gattin eines hohen Beamten ist quaedam rarae fidei atque singularis pudicitiae femina ( Apul. met. 7,6,3 ). Didos Ruf als treue Witwe ‚erhob sie zu den Sternen‘ ( Verg. Aen. 4,321-323 te propter eundem | exstinctus pudor et, qua sola sidera adibam, | fama prior ). – Der zweite Verweis auf den Ruhm der matrona ( cf. § 1 tam notae erat pudicitiae eqs.; § 5 una igitur … fabula erat eqs.). Singularis und omnibus stehen in markantem Kontrast ( den die alternative Lesart von ( L) φ, complorataque ab omnibus singularis exempli femina, zuspitzt ; zugleich schwächt sie das markante Hyperbaton ). Singularis exempli ist Gen. qual. ( cf. PETERSMANN 74, und allgemein 83,7 Komm. == Bd. I, S. 80 ). In klassischer Prosa erscheint singularis regelmäßig im Abl. qual. ( Gen. nur Cic. Sull. 34 singularis constantiae ). Doch auch spätere Autoren hegen eine Vorliebe für den ‚konservativen‘ Ablativ ( cf. LÖFSTEDT I, 160162, bes. 161 ). Der Genetiv exempli verbindet sich meist mit einem qualifizierenden Adjektiv ( e.g. Ps.-Quint. decl. 6,4 p. 114,5f. Håk. rarissimi uxor exempli ; CIL VI, 21732 Lutatiae castae singularis exsempli feminae [ sic ] ; VI 31955 unici exempli adque egregiae castitatis feminae [ sic ] ; Carm. Lat. Epigr. 103 C 3 rari exempli femina ; weitere Belege, v.a. aus Grabinschriften von Frauen, Thes. V 2, 1334,70-1335,15 ). Petrons Junktur kehrt wieder Plin. ep. 3,1,5 ~ 8,5,1 uxorem singularis exempli ; Hist. Aug. Vopisc. quadr. tyr. 15,4 == vol. 2, 233,1 Hohl femina singularis exempli ; CIL VIII, 26150 Pomponiae castulae sponsae dulcissim(a)e singularis exempli feminae. – In der kaiserzeitlichen Prosa hat femina einen edleren Klang als mulier ( cf. AXELSON 53-57 ). In der Novelle erscheint es ferner § 8; 112,8 ( in den Sat. insgesamt zehnmal ), mulier sechsmal ( als Diminutiv zudem § 10; in den Sat. insgesamt 33 Belege ).

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quintum iam diem sine alimento trahebat : Die frühere Auskunft wird bekräftigt ( § 3 mortem inediā persequentem ; wie inedia gehört auch das zumal im Sing. seltene alimentum der gehobenen Sprache an; cf. Thes. I, 1584,723 ). Traditionell galt in Hellas und Rom ein dreitägiges Trauerfasten ( cf. P.R. ARBESMANN, Das Fasten bei den Griechen und Römern, Giessen 1929, 25-30; ders., s.v. Fasten: RAC 7, 1969, 464 f.; WEINREICH 1931, 67 ). Laut WEINREICH a.O. beweise das fünftägige Fasten den Todeswunsch der Witwe ( VANNINI ad loc. zitiert Curt. Ruf. 10,5,24 cibo pariter abstinuit et luce. quinto, postquam mori statuerat, die extincta est sc. Sisigambis). Für FEDELI 1986, 14 bildet die Wendung das „lange Sterben“ der matrona ab. Zu der raren Junktur diem trahere, „den Tag verbringen, in die Länge ziehen“, cf. Val. Max. 2,10,7 cum … dicendo in curia diem traheret sc. Cato; Asconius Mil. p. 31,2f. Clark cum … traheretur dies ; Tac. ann. 3,37,2 diem aedificationibus, noctem conviviis trahere ; Stat. Theb. 4,799; Ausonius epist. 15,5 Green nonaginta dies sine te, carissime, traxi ; Solin 32,18 ne diem longius trahat quam licebit ; Hier. ep. 53,11,3 nisi tu semper recrastinans et diem de die trahens eqs.; Corippus Ioh. 7,191f. o mihi si medios rupissent prospera luctūs | fata trahente die, „hätte doch nur ein freundliches Schicksal mich dem Kummer entrissen, in dem meine Tage sich hinziehen“; Thes. V 1, 1049,59-64 ; OLD s.v. trahō 17ab ( astronomisch: Hor. serm. 2,6,25f. bruma nivalem … diem … trahit, „der Winter führt den Schneetag empor“; Val. Flacc. 4,97 traxit … diem, „Sol brachte den Tag herauf“ ). Anders SOVERINI 1980, 104 und VANNINI ad loc., die trahere hier absolut verstehen, als „durchhalten“ ( e.g. Celsus med. 2,8,24 si quis etiam in eo morbo diutius traxit eqs.; cf. LÖFSTEDT II, 258-260), und quintum diem als Akk. der zeitlichen Erstreckung ( e.g. Caes. Gall. 6,38,1 diem iam quintum cibo caruerat ). § 4 assidebat aegrae fidissima ancilla : Die Dienerin, die gleichfalls ein Superlativ adelt, ist für die matrona das „letzte Bindeglied zur Außenwelt“ ( HUBER 1990, 41; das intime Nebeneinander aegrae – fidissima spiegelt ‚die außergewöhnliche Treue‘ der Magd; FEDELI 1986, 15 ). Ihre Aktivitäten summieren die drei Verben, assidebat – commodabat – renovabat ( exponiert am Anfang, in der Mitte und am Ende der Periode ). Dass sie nur „für die unheimliche Nachtzeit bestellt“ war, tagsüber also in den Haushalt der matrona zurückkehrt ( so WEINREICH 1931, 70 ), passt nicht recht zum Tenor der Geschichte. Aegrae umfasst die körperliche ( § 3 quintum iam diem sine alimento trahebat ) wie seelische ( lugenti ) Verfassung der matrona. Die Wendung ist typisch für das Krankenbett ( cf. Liv. 21,53,6 adsidens aegro collegae ; Ov. her.

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20,137 adsidet aegrae ; Sen. contr. 1,4,9 aegrotanti non adsidebo ; Ps.-Quint. decl. 6,22 morienti … adsedi ); Seneca verwendet sie häufig ( u.a. benef. 3,9,2 adsedisse aegro ; 4,20,3 ingratum voco, qui aegro adsidit, quia testamentum facturus est ; ep. 9,8; 95,43 amico aliquis aegro adsidet ); cf. Thes. II, 877,35ff. ( ungeordnet ). – Markante Alliteration ( ass- aegr- anc- ). simulque et lacrimas commodabat lugenti : Sie teilt den Schmerz ihrer Herrin ( cf. Cic. Att. 3,15,4 tu tantum lacrimas praebuisti dolori meo ), und verzichtet gleichfalls auf Nahrung ( cf. § 10 porrexit … victam manum eqs.). Das heisst nicht notwendig, dass sie das Los ihrer Herrin teilen will ( wie D’AMBROSIO 1995, 87 annimmt ). Die rare Junktur lacrimas commodare ( RITTERSHAUSENs schlagende Emendation des überlieferten commendabat ), „Tränen spenden, zuteilwerden lassen“, erscheint vereinzelt noch spätantik; cf. Donat ad Ter. Andr. 109,2 COLLACRIMAT, qui alienis lacrimis suas commodat ; Ennodius epist. 1,3,8 barbaras nationes … ad solacium nostrum lacrimas commodare ; Carm. Lat. Epigr. 213,7 lacrimam accommoda ( cf. COURTNEY 2001, 168 Anm. 14 : „also a funereal concept“ ); Zeno Veron. tract. 2,7,8 == CCSL 22, p. 173, 74 ; Thes. VII 2, 840,35-37. Nicht gemeint ist „mit jmd. weinen“ ( so HERAEUS 1899, 123 ), oder gar „Tränen ersetzen“, nämlich die der trauernden Herrin, wenn diese sich ausgeweint hat ( EICKMEYERs 2006, 80 Anm. 18 ). et quotienscumque : Die Mehrheit der Textzeugen liest quotie(n)s ( so u.a. MÜLLER bis ed.2 ; PECERE ; PELLEGRINO ; cf. MÜLLER1 ad loc.: „quotie(n)s L φ P: quotiensque ( i.e. quotienscumque ) B fortasse recte: quotienscunque R Ioan.“ ). Bereits die Statistik spricht für das prosaische quotie(n)scumque, das in den Sat. viermal bestens bezeugt ist ( 36,8; 85,2; 90,4 ; 117,10 hat nur der Leid. Scal. 61 quoties ), quotiens hingegen nur einmal ( 90,5 quotiens theatrum … intravi ). Ab der ed.3 entschied MÜLLER sich zurecht für die obige Lesart ( so u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ; GIARDINA – MELLONI ; VANNINI ; cf. E. VON WÖLFFLIN, Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik 11, 1900, 402f., zitiert MÜLLER 1 ad loc.; HSZ 202 ). defecerat positum in monumento lumen renovabat : „und wenn die Lampe im Begräbniss’ ausgehen wollte, so goss es wieder frisches Oel hinein“ ( HEINSE ; s. auch Sat. 22,3 lucernae … umore defectae tenue et extremum lumen spargebant ; 22,6 lucernis occidentibus oleum infuderat ). Das Versorgen der Lampe scheint die einzige Handreichung, die ihre zum Sterben entschlossene Herrin duldet ( auch Apul. met. 2,24,4-8 sind Lampe und Öl die einzigen Utensilien einer Totenwache; VANNINI ad loc.).

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Die Lampe erinnert uns daran, dass auch bei Tag kein Licht ins Grab dringt. Die Trauernde lebt längst in der Welt der Toten ( zur Grablampe im Totenkult cf. e.g. Suet. Aug. 98,4 ; Carm. Lat. Epigr. 1308,2 huic tumulo possuit ardente lucernam [ sic ], und BÜCHELER ad loc.; MARQUARDT 367f.; F. CUMONT, Lux Perpetua, Paris 1949, 48-51 ). Doch eben diese Lampe wird den miles zur Gruft locken ( so auch VANNINI ad loc.; SCHMELING – SETAIOLI 429 ). Sie lässt sich als Symbol des Lebens deuten ( so IRIBARREN 2005, 117f., mit Verweis auf § 6 lumen … clarius fulgens und § 12 vis …, quam diu licuerit, lucis commodis frui ? ), und die singuläre Junktur lumen renovare vielleicht als ein latentes ‚ins Leben zurückholen‘, ‚die Lebensgeister wiedererwecken‘ ( s. auch PACCHIENI 1978, 46 ). Und womöglich lässt sie den Leser bereits ahnen, welche Dienste sie bald als unabdingbares Requisit nächtlicher Wonnen leisten wird ( cf. Apuleius’ Apostrophe, met. 5,23,5 audax et temeraria lucerna et amoris vile ministerium …, cum te scilicet amator aliquis, ut diutius cupitis etiam nocte potiretur, primus invenerit ; zur nächtlichen Hochzeit lädt die Lampe Musaios 6f.; s. auch Mart. 10,38,6f. o quae proelia, quas utrimque pugnas | felix lectulus et lucerna vidit ! ; 14,39 ‚lucerna cubicularis‘ : dulcis conscia lectuli lucerna, | quidquid vis facias licet, tacebo ; Heliodor 7,9,4 ). – Zu monumentum als „Grab“ ( wie § 2 conditorium und hypogaeum ) cf. OLD s.v. 2a. § 5 una igitur in tota civitate fabula erat : „ein einziges Thema kannte daher die ganze Stadt“. Zum dritten Mal wird der Ruhm der matrona thematisiert ( cf. § 1 tam notae erat pudicitiae eqs.; § 3 complorataque singularis exempli femina ab omnibus ). Das markante Hyperbaton bildet die fabula ab, die in der civitas die Runde macht ( im Gegensatz zur ‚Breitenwirkung‘ auf die vicinarum quoque gentium feminas, § 1; zu fabula im Kontext ‚Klatsch‘ cf. PECERE 62 und Anm. 74 ). Analoge Wendungen finden sich seit der Komödie; cf. Plaut. Pseud. 418 ita nunc per urbem solus sermoni omnibust ( „so ist er nun in der Stadt für alle das einzige Gesprächsthema“ ); Hor. epod. 11,7f. heu me, per urbem … fabula quanta fui ; Tib. 2,3,31 fabula nunc ille est ; Ov. am. 3,1,21 fabula … totā iactaris in urbe ; met. 4,189 haec fuit in toto notissima fabula caelo ; Sen. benef. 3,23,3 sic servata sc. domina nobilis fabula et exemplum duarum urbium fuit ; Apul. met. 5,31,2 nec … vos utique domūs meae famosa fabula et non dicendi filii mei facta latuerunt ( „der infame Skandal meines Hauses und die Taten meines unsäglichen Sohns sind euch wohl kaum verborgen geblieben“ ); Chariton 5,4,4. – Zu der antithetischen Verknüpfung una – in tota ( verstärkt durch das mit una korrespondierende solum ) cf. BC 170f. omnes unum crimen vocat, omnibus una | impendet clades.

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solum illud affulsisse verum pudicitiae amorisque exemplum : „einzig jenes wahre Leuchtfeuer der Sittsamkeit und Gattenliebe habe sein Licht verbreitet“ ( den Glanz jenes Lichts bildet das markante Hyperbaton ab; zu dem an ein Epitaph gemahnenden Kompliment cf. § 3 singularis exempli femina, und ad loc.; den ironischen Zungenschlag der in der Finsternis des Grabes ‚leuchtenden‘ Witwe notiert MCGLATHERY 2001, 123 ). Der vorzeitige AcI der orat. obl. ( affulsisse ) erklärt die Frau bereits für tot. Von nun an wird die ‚Verstorbene‘ von allen ( nicht ganz realistisch ) im Grab ‚vergessen‘. Livius hatte eine Schwäche für das übertragene affulgere ( u.a. 23,32,7 Sardiniae recipiendae repentina spes adfulsit ; 24,32,9 Syracusae …, cum breve tempus libertas adfulsisset, in antiquam servitutem reciderant ). Ansonsten macht das seit augusteischer Zeit bezeugte Verb sich rar ; cf. Hor. c. 4,5,6f. instar veris … vultus … tuus | affulsit populo ( „frühlingsgleich erstrahlte dein Antlitz dem Volk“, anlässlich Augustus’ Heimkehr aus Gallien ); OLD s.v. 1 ( „to shine forth, appear“ ); Thes. I, 1247,70-82; MARBACH 1931, 82 ; PECERE 62; PACCHIENI 1978, 46f. Die Junktur mit exemplum ist singulär. – Zu amoris exemplum zitiert VANNINI ad loc. Ov. trist. 1,5,21 ~ 4,4,71 exemplum veri … amoris ). Das in einigen Textzeugen nach solum überlieferte videlicet übernahm BÜCHELER zunächst ( so u.a. auch PELLEGRINO ), um es später zurecht in den Apparat zu verbannen. Es schwächt das Kompliment. omnis ordinis homines confitebantur : Die Bewunderung zieht sich durch sämtliche Schichten der ephesischen Gesellschaft. Eine seltene ‚soziologische‘ Fußnote, die sich eher in politischen Kontexten findet ( e.g. Cic. Catil. 4,14 omnes adsunt omnium ordinum homines, omnium ‹ generum, omnium › denique aetatum ; Pis. 52 omnium generum, aetatum, ordinum omnes viri ac mulieres omnis fortunae ac loci ; Suet. Aug. 41,1 liberalitatem omnibus ordinibus … frequenter exhibuit ; Claud. 22 circa omnium ordinum statum ; bei einer Trauerfeier Ps.-Ov. cons. Liv. 199-204 ), aber auch im Roman lose Parallelen hat ( e.g. Apul. met. 11,10,1 viri feminaeque omnis dignitatis et omnis aetatis, bei einer Kultfeier ; Heliodor 10,38,3 ὁ δῆμος … πᾶσα ἡλικία καὶ τύχη, „das Volk, jeden Alters und Standes“ ). Ansonsten tritt im Roman in entscheidenden Momenten meist pauschal „das ganze Volk“ in Erscheinung ( vel sim.; e.g. Ach. Tat. 8,13,1 ὁ δῆμος … ἅπας ; cf. Chariton 1,1,11: eine Volksversammlung, ἐκκλησία ; 8,6,10f.: ganz Syrakus; Xen. Eph. 5,15,1: „ganz Rhodos“; VANNINI ad loc.). Das durative Imperfekt kontrastiert mit dem folgenden punktuellen Perfekt ( iussit ). „Die Betonung des Superlativischen wird hier gleich fünffach geleistet : una, tota, solum, verum, omnis.“ ( FRINGS 1985, 57 ).

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cum interim : „Die Verknüpfung von Haupt- und Nebensatz, obwohl rein temporal und ohne sachlichen Hintergrund, signalisiert einen kommenden Zusammenhang.“ ( C.W. MÜLLER 1980, 343 ). Zu dem ‚cum inversum‘ cf. BLUME 1974, 43; PECERE 63; FEDELI – DIMUNDO 1988, 152 : „indica che nella situazione di stasi s’introduce un elemento inatteso e perturbatore“; VANNINI 242 ad loc. ( sowie ebd. 169 ). imperator provinciae : Im frühen Prinzipat wurde die Provinz Asia von einem proconsul verwaltet, dem auch die Gerichtsbarkeit in Kapitalprozessen oblag ( cf. 85,1 Komm. == Bd. I, S. 95 ), wie hier gegen die latrones. Weitere offizielle Titel römischer Statthalter in der Kaiserzeit waren propraetor, legatus pro praetore, procurator, praefectus ( griech. Inschriften des 2. Jh.s übersetzen proconsul Asiae mit ἀνθύπατος bzw. ὁ τῆς Ἀσίας ἡγεμῶν ; cf. VANNINI ad loc.). Der Titel imperator provinciae ist ansonsten unbelegt ( Thes. VII 1, 555,34 f. ), und deshalb umso ungewöhnlicher im Munde des mit der Provinzialverwaltung wohlvertrauten Erzählers ( 85,1 in Asiam … a quaestore … eductus ). Keine Parallele ist die von ERHARD ( ap. BURMAN 664 ) zitierte Passage Sall. Iug. 24,7 me … imperatorem Numidis posuistis ( cf. E. KOESTERMANN ad loc.: „imperatorem, sc. ‚als Regenten‘ …; Übertragung eines römischen Begriffes auf fremde Verhältnisse wie häufiger bei … Historikern“ ). Gleiches gilt ( wie bereits BURMAN 664 anmerkte ) für die von WOUWEREN angeführte Stelle Cic. Pis. 38 appellatus est … illius provinciae … imperator ( cf. R.G.M. NISBET ad loc.: „after a governor had won a victory he might be hailed as imperator by his troops“ ). Gleich drei Erklärungen brachte BALDWIN 1975/ 76 ins Spiel: 1.) es handle sich um einen Colloquialismus ( wie z.B. imperator familiae, „Oberkommandeur des Gesindes“, Plaut. Capt. 307 ); 2.) es greife einen in der frühen Kaiserzeit in den Provinzen gebräuchlichen Ehrentitel der Statthalter auf, oder 3.) imperator ‚übersetze‘ den griechischen Terminus für ‚Statthalter‘, ἡγεμών ( e.g. NT Mt 10,18; 27,2; cf. BAUER – ALAND s.v. 2; letztere Theorie vertrat auch CABANISS 1954, 100 und Anm. 3; an στρατεγός dachte O. RAITH ap. SCHNUR 1975/ 76, 379; zurecht kritisch VANNINI ad loc.). Keiner dieser Vorschläge überzeugt. Der Titel eines römischen Statthalters ist kaum der Tummelplatz für Colloquialismen ( wie das saloppe casula im selben Satz ). Bei der von BALDWIN zu These 2 angeführten ‚Parallele‘ Tac. ann. 3,74,4 Blaeso tribuit ut imperator a legionibus salutaretur geht es um die Ehrung eines erfolgreichen Heerführers durch sein Heer ( cf. E. KOESTERMANN ad loc.: „Die Akklamation eines Prokonsuls durch die Soldaten zum imperator erfolgte hier zum letzten Mal“, und oben NIS-

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BET zu Cic. Pis. 38 ). Der Statthalter hier bleibt eine völlig blasse Figur, dem ein solcher militärischer Ehrentitel zu viel Präsenz und Gewicht verliehe. Ad 3: Wenn Aristeides die Vorlage zu der Novelle lieferte ( cf. S. 489 ), wäre ein griechischer Titel denkbar. Allerdings wurde Asia erst 129 v.Chr. römische Provinz. Und hätten Sisenna in seiner Übersetzung oder Eumolp einen solchen Schlüsselbegriff wirklich ‚falsch‘ übernommen bzw. ‚falsch‘ zurückübersetzt ( bereits WEINREICH 1931, 55 nahm an, Petron adoptiere Sisennas Übersetzung von Aristeides’ Terminologie )? Eine Textverderbnis andererseits ( JACOBS erwog procurator ) lässt sich so gut wie sicher ausschließen: Eumolps Terminologie kehrt bei Lichas kaum zufällig wieder ( 113,2 si iustus … imperator fuisset ). Hat am Ende KLEBS ( 1891-93, 676 ) Recht ? Petron sei „in dieser mit großer Kunst vorgetragenen Erzählung jedem Anklang an die Kanzleisprache absichtlich recht weit aus dem Wege gegangen“ ( ähnlich PECERE 4 f. 64 f. : ein offizieller Titel werde deshalb vermieden, um das Märchenhafte der Geschichte herauszustreichen ; COURTNEY 2001, 168 Anm. 16 ). Vergleichbares lässt sich bei Tacitus beobachten: „The terminology of the Roman administration was awkward or monotonous. Tacitus varies or evades it. For proconsul he can revive the archaic praetor ; he will go to any lengths or contortions rather than denominate the governor of an imperial province by the exact title ; and the convenient but prosaic neologism praeses slips in only twice.“ ( R. SYME, Tacitus, Oxford 1958, I 343f.; cf. Tac. ann. 6,41,1 praeside Syriae ; 12,45,4 ; Plin. paneg. 70,4 praesidibus provinciarum ; Trajan epist. 10,44 Moesiae praeses ; Apul. met. 1,26,5; 10,28,3 ). Ähnlich verleiht Achilleus Tatios dem römischen Statthalter Ägyptens einmal archaisierend den persischen Titel „der Satrap Ägyptens“ ( 4,11,1 τοῦ τῆς Αἰγύπτου σατράπου ; s. auch H.J. MASON, The Roman Government in Greek Sources : Phoenix 24, 1970, 150-159, bes. 157 ). Dann wäre eher zu fragen, warum Eumolp im ‚Epheben‘, der sich weder im Ton noch im Stil von der ‚Witwe‘ unterscheidet, den korrekten Titel quaestor verwendet. Weil er Teil von dessen Stab war ( 85,1 in Asiam … a quaestore … eductus )? latrones iussit crucibus affigi : Phaedrus geht ins Detail ( app. 15,6f. fanum qui compilarant Iovis, | cruci suffixi luerunt poenas numini ). Von ihren mutmaßlichen πρῶτοι εὑρεταί, den Persern, gelangte die Kreuzigung wohl über Karthago nach Rom ( wo sie erst seit den punischen Kriegen nachweisbar ist ). In der Republik war sie fast ausschließlich Sklaven vorbehalten als d a s servile supplicium ( zu der Junktur cf. Liv. 24, 14,7; 29,18,14 ; Tac. hist. 2,72,2; 4,11,3, ferner Cic. Verr. 1,13 cives Romani

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servilem in modum cruciati et necati ; Val. Max. 2,7,12; Tac. ann. 3,50,1 ). Gerade in den Provinzen starben aber auch freie Einheimische ohne römisches Bürgerrecht am Kreuz. „In der Kaiserzeit wird sie in das Arsenal staatlicher Kapitalstrafen aufgenommen und trifft nun auch Freie, besonders humiliores.“ ( S. HEID, s.v. Kreuz: RAC 21, 2006, 1100 ). Geahndet wurden u.a. Totschlag, Aufruhr und Hochverrat. Kaum ernst zu nehmen ist die Kreuzigung in Trimalchios Tagesrapport : eodem die : Mithridates servus in crucem actus est, quia Gai nostri genio male dixerat ( 53,3; sed cf. Juv. 6,219 pone crucem servo ; s. auch die Invektiven Sat. 58,2 crucis offla, corvorum cibaria, und ALESSIO 1967, 98f. ad loc.; 126,9 nec hoc dii sinant, ut amplexūs meos in crucem mittam ). Auch hier war die Gefahr in den Provinzen offenbar größer, gerade bei der Bekämpfung jeglichen Widerstands gegen die römischen Provinzialbehörden ( cf. G. SCHIEMANN, DNP 12/2, 2002, 1043). Am ehesten traf sie Angehörige der organisierten Kriminalität. „Allen latrones … genannten Banditen drohte damals bei entsprechendem Status der Person die Kreuzesstrafe.“ ( KUHN [ s. unten ] 731; weitere Quellen ebd. 731f. ; cf. Corpus iuris civilis dig. 48,19,28,15 famosos latrones in his locis, ubi grassati sunt, furcā ( i.e. cruci ) figendos compluribus placuit, ut et conspectu deterreantur alii ab isdem facinoribus et solacio sit cognatis et adfinibus interemptorum ; s. auch HENGEL 1976, 153-156, sowie zum antiken Bandenwesen R. MACMULLEN, Enemies of the Roman order, Cambridge, Mass. 1966, 255-268 ). Bei Apuleius fordert eine Alte Lucius’ Kreuzigung als ‚Bandit‘ und ‚Mörder‘ ihrer Kinder ( met. 3,9,3 prius … quam latronem istum miserorum pignorum meorum peremptorem cruciandum adfigatis eqs.; s. auch 1,15,6; Chariton 3,4,18; 4,2,6f. ). Cf. MOMMSEN 1899, 918-921; H. HITZIG, s.v. Crux, RE IV 2, 1901, 1728-31; KERÉNYI 1927, 109-150 ( im Roman ); HENGEL 1976 ( essentiell ); H.-W. KUHN, Die Kreuzesstrafe während der frühen Kaiserzeit, in: ANRW II 25.1, 1982, 648-793 ( essentiell ); N. HYLDAHL, RAC 15, 1991, 344-346 s.v. Hinrichtung ; S. HEID, s.v. Kreuz : RAC 21, 2006, 1099-1148 ; RAGNO 2009, 329-335 ; zu Sklavenstrafen allgemein cf. A. WATSON, Roman Slave Law, Baltimore 1987, 115-133. Eine Ahnung von den Qualen einer Kreuzigung vermittelt Sen. ep. 101, 12-14 ( s. auch dial. 6,20,3 ). Die Junktur cruci affigere /affigi kehrt 112,8 ( iubet … corpus … cruci affigi ) sowie 113,2 ( debuit … mulierem affigere cruci ) wieder. Belegt ist sie seit Plautus, und fast ausschließlich in Prosa ( u.a. Plaut. Persa 295; Liv. 28,37,2; Val. Max. 2,7,12; Tac. ann. 15,44,4 ; cf. Thes. IV, 1256,52-57 ). secundum illam casulam : Als Richtstätte boten sich die Ausfallstraßen an ( e.g. Cic. Verr. 2,5,169 cum Mamertini more atque instituto suo crucem fixis-

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sent post urbem in via Pompeia ), an denen in der Regel auch die Nekropolen und Grabmäler lagen ( VANNINI ad loc. zitiert Chariton 3,4,18 ἀνεσκολοπίσθη δὲ πρὸ τοῦ Καλλιρόης τάφου, „Theron wurde vor Kallirhoes Grab gekreuzigt“; NT Joh 19,41f.: Jesu Grab unweit der Richtstätte ). Nach dem Trikolon offizieller Termini ( conditorium, hypogaeum, monumentum ) wechselt der Erzähler mit dem umgangssprachlichen Diminutiv casula ( „Häuschen“; cf. § 8 cenulam ) als saloppem Euphemismus auffällig die Sprachebene. Die ältesten Belege für casula finden sich im Moretum ( 60 u. 66 ) und bei Petron ( 44,15 si perseverat haec annona, casulas meas vendam ; 46,2; 77,4 lt. HEINSIUS’ Konjektur ); Juvenal verwendet es ( 9,61; 11,153 casulam et notos tristis desiderat haedos ; 14,179 vivite contenti casulis et collibus istis ), ebenso Apuleius ( 8 x in den met.; cf. Thes. III, 572,26-573,12; MARBACH 1931, 55 ). Für ein ‚Grab‘ erscheint es vereinzelt auf Grabinschriften ( u.a. CIL VI, 9659 == Carm. Lat. Epigr. 1583, Z. 9-11 [ frühes 1. Jh. n.Chr.] Lucius Licinius … hanc casulam in parvo fecit, supremi temporis sedem eqs.; cf. Thes. III, 572,67-70 ). Das Diminutiv bringt genau da eine intime Note ins Spiel, wo der neue Protagonist in greifbare Nähe rückt – samt einer unterschwelligen Botschaft : bald wird es in dem „Hüttchen“ höchst gemütlich zugehen ( s. auch MCGLATHERY 2001, 131: „After the widow’s ‚nuptials‘, the word casula … suddenly becomes singularly appropriate, as the widow and soldier ‚play house‘ “ ). VANNINI ad loc. versteht das Diminutiv als Signal der Trauer ( casula „serve ad amplificare il carattere mesto e luttuoso della situazione“, wie § 10 muliercula ), PECERE 64 als ‚unauffällige Grabkapelle‘. Zu dem umgangssprachlichen, seit Plautus belegten secundum im Sinn von apud ( „dicht bei, neben“ ) cf. 131,10; KST 1,536 ; PETERSMANN 155; OLD s.v. 2b. in qua recens cadaver matrona deflebat : „In general cadaver is a more highly charged word than corpus, carrying a stronger sense of the physical realities of death. (…) It … is on the whole rare in high poetry ; the exception is Lucan, who insists on it to make his audience feel the ugliness of civil war.“ ( R.J. TARRANT 194 ad Sen. Thy. 724 ; cf. AXELSON 49f., und u.a. Hor. serm. 1,8,8 angustis eiecta cadavera cellis, in Gemeinschaftsgräbern ‚entsorgte‘ Sklaven; 2,5,85f. cadaver … nudis umeris tulit heres ; Verg. georg. 3,557: Tierkadaver ; Aen. 8,264 : das Ungeheuer Cacus; Ov. met. 7,602 : Seuchenopfer ). – Das intime Nebeneinander cadaver matrona notierte FEDELI 1986, 17 ( cf. § 4 aegrae fidissima ancilla ), den Umschlag von den ‚warmen‘ Begriffen vir, defunctus und positum corpus ( § 2 ) zum kalten cadaver PECERE 64 : hier deute sich ein erstes Mal die Entwertung des Toten an, die am Ende der Novelle in dessen Kreuzigung kulminiere.

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§ 6 proxima ergo nocte : Zum weiterführenden ergo cf. 83,8 Komm. == Bd. I, S. 83. miles, qui cruces asservabat : Zur selben Zeit finden am selben Ort zwei Totenwachen statt ( cf. § 2 corpus custodire … coepit sc. matrona ; C.W. MÜLLER 1980, 343 ). Auch über den zweiten Protagonisten erfährt der Leser erst im Folgenden Genaueres ( 112,2 nec deformis aut infacundus iuvenis ). „An observant reader … might be expected to connect the miles on guard with the miles amans … from amatory poetry and New Comedy. (…) With the arrival of the miles … we have all the ingredients of a love story.“ ( SCHMELING 1991, 355 ). ne quis ad sepulturam corpus detraheret : Als Strafverschärfung und zur Abschreckung konnten die Behörden die Herausgabe Hingerichteter verweigern ( cf. MOMMSEN 1899, 987-989; VANNINI ad loc. mit weiteren Quellen ). Dies galt offenbar auch und gerade bei Kreuzigungen – was Aasvögel zu Stammgästen der Richtstätten machte ( cf. Sat. 58,2 quid faciat crucis offla, corvorum cibaria ? ; Artemidor 4,49 τὸν ἐσταυρωμένον ... τὸ πολλοὺς τρέφειν οἰωνούς, „der Gekreuzigte speist viele Vögel“; s. auch unseren „Galgenvogel“ ). Der Anblick war gespenstig ( cf. Val. Max. 6,9 ext. 5 cruci adfixit sc. Polycratem, e qua putres eius artūs et tabido cruore manantia membra … Samos … aspexit ). Die Bewachung Hingerichteter oblag in der Regel offenbar kleinen Einheiten; cf. u.a. Tac. ann. 6,19,3 circumiecti custodes ; NT Mt 27,54 Vulgata centurio autem et qui cum eo erant custodientes Iesum ( cf. ebd. 28,12-15 ); Euseb. hist. eccl. 5,1,61. Dies war vermutlich auch im ‚Archetyp‘ der Novelle der Fall ( cf. Phaedrus app. 15,8f. horum reliquias ne quis posset tollere, | custodes dantur milites cadaverum ), den Petron hier erzählerisch effektiv ‚verdichtet‘ ( cf. THIELE 1908, 365f.; CABANISS 1961, 46f.; C.W. MÜLLER 1980, 358; MASSARO 1981, 224 f.; VANNINI ad loc.). – Zu asservare in der Bedeutung „etw. bewachen“ cf. Thes. II 872,59-71; OLD s.v. 2. Der im Finalsatz teilweise überlieferte Plural ( corpora L φ : corpus O Ioan.) harmoniert mit § 5 latrones. Doch der von fast allen Herausgebern gewählte Singular ist am ehesten unbestimmt zu verstehen ( „eine der Leichen“ ), oder ( so M. DEUFERT in epist.) in Verbindung mit quis : „irgendwer den Leichnam seines Angehörigen “. Zudem fokusiert die Geschichte im Folgenden ganz auf einer Leiche, und deren Ersatz ( 112,5-8 ). cum … notasset sibi [ et ] lumen inter monumenta clarius fulgens et gemitum lugentis audisset : Beide Beobachtungen geben die Perspektive des Soldaten wieder. Was ungesagt bleibt : der Lichtschein ist der Fürsorglichkeit der Dienerin geschuldet ( § 4 ), und der noch offenen Grab-

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kammer ( cf. 112,3 praeclusis … conditorii foribus ). Zur Symbolik des Lichts cf. oben S. 520 zu § 4 lumen renovabat. Anders als 127,5 (toto mihi caelo clarius nescio quid relucente ) ist clarius hier als lebhafter Positiv zu verstehen ( cf. 79,6 Komm. == Bd. I, S. 4 f. ). Zu sibi notare in der Bedeutung animadvertere cf. 6,1 non notavi mihi Ascylti fugam ; 103,5 notavit sibi … tonsorem ( und Bd. I, S. 379 ad loc. zu der vor allem nachklassischen umgangssprachlichen Verbindung des reflexiven pron. pers. als Dat. ethicus mit einem verbum sentiendi ; s. auch VANNINI 149 ad 103,5 ). PECERE 66 spricht von einem „colorito pleonasmo di uso quotidiano“ und zitiert Hist. Apoll. 13,6 rec. A cum sibi notasset iuvenis velocitatem. Dass es seine ‚schlichte Denkart reflektiere‘ ( so HUBER 1990, 27 ), ist damit kaum gesagt. [ et ] : Wie BÜCHELER zurecht anmerkte, stört das erste et ( cf. ed.1 ad loc.: „aut delendum et aut transponendum et lumen notasset sibi “; behutsamer MARZULLO – BONARIA, die das et vor notasset stellen ; beibehalten wollte es FRAENKEL 1968, 175 : der Satz gewinne an Anschaulichkeit ). Überflüssig macht es vor allem die chiastische Konstruktion ( keine Parallele ist § 8 ut et corpus iacentis conspexit et lacrimas consideravit faciemque … sectam ). BÜCHELER tilgt es zurecht ab ed.2 ; ihm folgen so gut wie alle Herausgeber. WEINREICH 1931, 68 wollte stattdessen audisset tilgen ( notasset sibi et lumen inter monumenta clarius fulgens et gemitum lugentis ; kritisch FUCHS 1938, 160 Anm. 4 ; SULLIVAN 1976, 117 ). Doch der Chiasmus hat nicht nur Parallelen ( § 8 ne perseveraret in dolore supervacuo ac nihil profuturo gemitu pectus diduceret ; zu gepaarten Verben cf. § 8 conspexit – consideravit ), er ergibt vor allem guten Sinn. Erst sieht der miles Licht, dann ( näherkommend ? ) hört er etwas. vitio gentis humanae concupiit scire : Über seiner ( vom Erzähler paraphrasierten und zugleich in seinem ersten Kommentar subtil kritisierten ) Neugier vergisst der miles seine Pflicht – und ebnet so dem späteren Unheil den Weg ( 112,6 circumscriptus dum desidet ). Die curiositas scheint eine Zutat Petrons ( „in linea con lo spirito ‚milesio‘ dell’aneddoto“, VANNINI ad loc.; s. auch ders. 2013, 90 ). Ähnlich ergeht es Apuleius’ Protagonisten Lucius, den seine curiositas seine menschliche Gestalt kostet ( zur curiositas als Leitmotiv der met. cf. u.a. 2,1,1f. nimis cupidus cognoscendi quae rara miraque sunt eqs.; 11,15,1 curiositatis inprosperae sinistrum praemium reportasti, und B. HIJMANS, GCA IX p. 362-379; GCA XI p. 383-385 ). Zum Stichwort ‚Neugierde‘ cf. Sall. hist. frg. 1,103 M. more humanae cupidinis ignara visendi, „gemäß dem menschlichen Verlangen, Unbekanntes zu

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sehen“ ( cf. ebd. frg. 1,7 vitio humani ingeni ; lt. LA PENNA 1985 a, 45f. ‚kontaminiere‘ Petron die beiden Passagen ); Lucr. 4,592-594 ( und M. DEUFERT 241f. ad loc.); Plin. ep. 5,8,4 sunt enim homines naturā curiosi ; Suet. Claud. 10,2 latentem sc. Claudium … miles, animadversis pedibus, studio sciscitandi quisnam esset, adgnovit ; Apul. flor. 19,3 propius accessit, utine cognosceret more ingenii ‹ humani ›, quisnam esset ; Chariton 1,12,6 περίεργον γὰρ ἀνθρώπου φύσις, „neugierig nämlich ist des Menschen Natur“; 8,6,5 ( zitiert auch von PECERE 68-71; cf. ebd. zur curiositas im antiken Roman ); Donat Verg. Aen. 11,236 p. 442,23 G. humana curiositas ; Eutyches GL V 447,6 Keil curiositas humanae familiaris naturae. S. auch A. SETAIOLI, Busybodies or busy bodies ? Plutarch’s Περὶ πολυπραγμοσύνης and Gellius ( erscheint in den Proceedings of the conference on Plutarch, Madeira 2019 ). Die überraschend seltene gens humana klingt lukrezisch ( cf. 5,219; im Dat. Pl. 1,727; 2,595; 5,161; 5,1306 ; cf. Append. Sall., ad Caes. de rep. 2,7,3; Cic. fin. 5,65; Liv. 1 praef. 7; Sen. ep. 104,19; Thes. VI 2, 1846,44-63 ). Wirkungsvoll verwendet sie Horaz ( c. 1,3,26 gens humana ruit per vetitum nefas ; 1,12,49 gentis humanae pater atque custos sc. Augustus ). – Der Abl. causae ersetzt elegant e.g. curiosus bzw. curiose concupiit ( eqs.). quis aut quid faceret : Passend zu der ominösen Gräberlandschaft lassen die Alternativen ( quis – quid ) an unpersönliche dunkle Mächte denken ( cf. § 7 quodam monstro infernisque imaginibus ). Die una igitur in tota civitate fabula ( § 5 ) war dem Soldaten offenkundig nicht zu Ohren gekommen. Die indirekte Frage wird meist als umgangssprachliche Brachylogie gedeutet ( PECERE 72f. vergleicht e.g. Hor. serm. 2,4,1 unde et quo Catius ? ). Auflösen lässt sie sich auf zweierlei Weise: als Verbindung des Subjekts und des Objekts von faceret ( so VANNINI ad loc.: „chi e che cosa facesse“ ; ausgefallen sei esset ; s. auch RUSSELL 1990, 143: „who it was and what he was doing“ ), oder als Ellipse mit doppeltem Subjekt ( so PECERE : „a chi o a che cosa fossero dovuti ( sc. la luce e i gemiti )“; zu ergänzen ist wohl ein id, vielleicht auch lumen et gemitum ). Mit der oben skizzierten ominösen Atmosphäre verträgt die zweite Deutung sich besser. § 7 descendit igitur in conditorium : Spätestens seit Aeneas’ Katabasis signalisiert das Verb mitunter – wie hier, passend zu einer Geschichte, die im Totenreich spielt – einen Descensus ( cf. Verg. Aen. 6,403f. Aeneas … ad genitorem imas Erebi descendit ad umbras ; 12,648f. sancta ad vos anima … descendam ; Sen. apocol. 13,1 inter Tiberim et viam Tectam descendit ad inferos ; Lukan 6,652f.; 6,808 e parvis animo descendite bustis sc. ad inferos ; Apul. met. 6,17,2 rebatur ad inferos … pulcherrime se posse descendere ).

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visāque pulcherrimā muliere : Jetzt erst ( verdichtet im temporalen Abl. abs.) ‚sieht‘ auch der Leser die matrona – durch die Augen des Soldaten ( eine in der erhaltenen antiken Literatur auffällig selten verwendete Technik; cf. AUERBACH 1959, 30f.; neutraler klingen 112,4 delectatus … formā mulieris und Phaedrus app. 15,17 videt … et aegram et facie pulchrā feminam sc. miles ). Sittsamkeit und Schönheit gehen bei ihr Hand in Hand ( cf. Cic. Verr. 2,1,64 mulierem eximiā pulchritudine ; sed eam summā integritate pudicitiāque existimari ; Juv. 10,297f. rara est adeo concordia formae | atque pudicitiae ) – mag Paris gegenüber Helena auch protestieren: aut faciem mutes aut sis non dura, necesse est ; | lis est cum formā magna pudicitiae ( Ov. her. 16,289f.; s. auch am. 3,4,41f. quo tibi formosam, si non nisi casta placebat ? | non possunt ullis ista coire modis ). Spätestens hier schwant dem vorgewarnten Leser, wie die Geschichte weitergeht ( cf. HUBER 1990, 29 ). PECERE 73f. erinnert zudem an die sprichwörtliche ‚Liebe auf den ersten Blick‘ ( e.g. Catull 64,86-93 ), die gerade im Roman ihre Macht zeigt ( e.g. Chariton 1,1,6f.; Xen. Eph. 1,3,1f.; Ach. Tat. 1,4,4 ; Longos 1, praef. 4 ; Heliodor 3,5,4-6; 3,7,5; s. auch VANNINI ad loc.). Nach fast einer Woche im Grab ( cf. § 3 quintum iam diem ) sollte ihr Äußeres gelitten haben ( s. auch CABANISS 1961, 47; EICKMEYER 2006, 103 ). Realistischer liest sich die Hist. Apoll., wo der unter Deck um Frau und Tochter trauernde Apollonius zusehends verwildert ( 40,2 rec. A quem cum vidisset squalidā barbā, capite horrido et sordido in tenebris iacentem eqs.; cf. Apul. met. 1,6,3 uxor persolutis feralibus officiis luctu et maerore diuturno deformata eqs.). Doch auch Ovid konnte über solche Realien nonchalant hinwegsehen ( ars 1,533f. clamabat flebatque simul, sed utrumque decebat ; | non facta est lacrimis turpior illa suis ; met. 7,730-733 tristis erat ( sed nulla tamen formosior illā | esse potest tristi ) desiderioque dolebat | coniugis abrepti … sic dolor ipse decebat ! ; s. auch Ps.-Sen. Herc. Oet. 393 tamen per ipsas fulget aerumnas decor ; Apul. met. 2,23,7 illa … etiam in maerore luculentam proferens faciem, von einer so attraktiven wie amoralischen Witwe ; die um ihre Mutter trauernde virgo pulchra Ter. Phorm. 104-108 nennen SCHMELING – SETAIOLI 428 ). Dass bisweilen die Lichtverhältnisse dem Betrachter einen Streich spielen, gerade bei Nacht, merkt verschmitzt Ovid an ( ars 1,249f. nocte latent mendae vitioque ignoscitur omni, | horaque formosam quamlibet illa facit ; s. auch Sat. frg. 42,1 fallunt nos oculi ). Zu dem Superlativ cf. 61,6 noveratis Melissam Tarentinam, pulcherrimum bacciballum ; 85,1 hospitis formosissimum filium ; 101,5 Tryphaena, omnium feminarum formosissima. primo quasi quodam monstro infernisque imaginibus turbatus substitit : „… hielt er zuerst, gleichsam von einer Art Spukbild und höllischen

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Erscheinungen erschrocken, inne“ ( HEINSE : „… so stutzte er, und glaubte, es sey ein Gespenst und ein Blendwerk böser Geister“ ). Gräberfeld und nächtliche Stunde stimmen den Soldaten auf Unheimliches ein ( cf. Ov. met. 14,412 attonitum monstris vulgus pavet ; zu Spuk und unterweltlichen Erscheinungen cf. Sat. 61,6-63,10; Eur. Alc. 1127 ὅρα δὲ μή τι φάσμα νερτέρων τόδ᾿ ἦι, „wenn sie nur kein Trugbild der Unterirdischen ist“, Admet beim Anblick der totgeglaubten Alkestis; zit. MÜLLER 1 ad loc.). Der markante Kontrast pulcherrima muliere und quodam monstro unterstreicht die schaurige Atmosphäre. Eine ähnliche Szene schilderte offenbar Menanders Φάσμα. Eine junge Frau, Frucht einer illegitimen Liaison, lebt verborgen in einer Kapelle. Als ihr junger Stiefbruder sie entdeckt, „erschrickt er zuerst“ über den vermeintlichen „Geist“ ( φάσμα ) – um sich alsbald unsterblich zu verlieben ( so Donats Resümee, Ter. Eun. prol. 9, bes. p. 272, 9-14 Wessner quod cum animadvertisset adulescens, primo aspectu pulchrae virginis velut numinis visu perculsus exhorruit, unde fabulae Phasma nomen est ; deinde paulatim re cognitā exarsit in amorem puellae ita, ut remedium tantae cupiditatis nisi ex nuptiis non reperiretur ; A. CASANOVA, Uno sguardo sul Phasma di Menandro, in: A. Setaioli ( Hrsg.), Apis matina. Studi in onore di C. Santini, Trieste 2016, 148-157 ). Prosaischer endet die Episode um die irrtümlich lebendig bestattete Kallirhoe, deren Mausoleum ahnungslose Grabräuber aufbrechen ( Chariton 1,8f. ). Der erste, der das Gelass betritt, stürzt sogleich wieder heraus, im Glauben, in der Gruft hause ein Daimon. Erst ihr Hauptmann Theron macht sich einen Reim auf die Geschichte ( cf. unten zu § 8 ratus scilicet id quod erat ). Auch Dionysios glaubt zuerst, er stehe der Göttin gegenüber, als er im Aphroditetempel unversehens Kallirhoe begegnet ( ebd. 2,3,5-8 ). Kaum anders ergeht es den ägyptischen Strandräubern bei Heliodor, die die wunderschöne Chariklea zunächst für ein übernatürliches Wesen halten; erst allmählich begreifen sie, dass eine niedergeschlagene junge Frau am Gestade sitzt ( 1,2 ). Parallelen zu Aeneas’ und Didos Begegnung in der Unterwelt ( Aen. 6,450-476 ) zieht EICKMEYER 2006, 96 : „Diese Szene stimmt nun in der Abfolge der Handlungen genau mit dem ersten Treffen des Soldaten mit der Witwe zusammen: Der Held bleibt stehen, er schaut, bis er endlich die leidende Geliebte erkennt. (…) Der Vergleich mit infernae imagines stützt den intertextuellen Bezug auf Aeneas’ Unterweltsreise ebenso wie die Tatsache, daß Aeneas Dido auf den Lugentes campi trifft, und der Soldat durch einen gemitus lugentis überhaupt erst neugierig wird. (…) Die Makrostruktur der Dido-Handlung wird umgekehrt, indem der Soldat seine Ge-

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liebte bereits zu Anfang gleichsam in der Unterwelt sieht, während Aeneas sie erst im Orcus wieder sehen muß.“ Die Verben am Anfang und Ende der Periode ( descendit – substitit ) ‚spiegeln‘ die Bewegung des miles ( FEDELI 1986, 17 ). Die „Ablativformen sind so angehäuft, wie die Wahrnehmung auf den Soldaten in der Gruft einstürzt, bis das prädikative turbatus erst ganz zuletzt seine Reaktion deutlich werden läßt.“ ( EICKMEYER 2006, 81 ). – Dezente Alliterationen ( mul- – mon-, infern- imag-). monstro infernisque imaginibus : Zu monstrum in der seltenen Verwendung für unterweltliche Erscheinungen cf. Verg. Aen. 3,307f. magnis exterrita monstris | deriguit, und HORSFALL ad loc.; Plin. ep. 7,27,6, und STRAMAGLIA 1999, 149f. Anm. 4 ad loc.; Thes. VIII, 1451,18-26 ( VANNINI ad loc.). Wie das griech. εἴδωλον kann imago einen „Geist“ oder eine „( unterweltliche ) Erscheinung“ bezeichnen ( cf. Verg. Aen. 2,793f. ~ 6,701f. effugit imago … volucri … simillima somno ; Apul. met. 1,18,5 mihi … nox acerba diras et truces imagines obtulit, und W.KEULEN ad loc.; OLD s.v. 5; Thes. VII 1, 408,60-82 ; für die Junktur cf. Ps.-Quint. decl. 12,13 p. 246,6f. Håk. infernis imaginibus similes ). FRAENKEL ( ap. MÜLLER1 ) wollte infernisque imaginibus als Interpolation tilgen. Doch der Pleonasmus steht der Stelle gut. § 8 deinde ut et corpus iacentis conspexit et lacrimas consideravit faciemque unguibus sectam : Feine ( von der Alliteration cor- con- con- untermalte ) Stufung : den Leichnam ‚sieht‘ er, aus den Tränen und zerkratzten Wangen der schönen Unbekannten ‚zieht‘ er seine ‚Schlüsse‘. Die Magd blendet er offenbar aus ( FEDELI 1986, 18 ). Das lädierte Gesicht als Geste verzweifelter ( zumeist weiblicher ) Trauer ist seit der Ilias bezeugt ( 19,282-285 ); s. auch Eur. Andr. 826f.; Hel. 370-374 ; Cic. Tusc. 3,62 ex hac opinione sunt illa varia et detestabilia genera lugendi : paedores, muliebres lacerationes genarum, pectoris feminum capitis percussiones ; Tib. 1,1,67f. tu manes ne laede meos, sed parce solutis | crinibus et teneris … genis ; Verg. Aen. 4,673; 12,870f. infelix crinīs scindit Iuturna solutos | unguibus ora soror foedans et pectora pugnis ; Ov. am. 2,6,3f. plangite pectora pinnis | et rigido teneras ungue notate genas ; ars 3,708 indignas sauciat ungue genas ; met. 11,726 ora, comas, vestem lacerat ; Stat. Theb. 12,109f. manant lacera ora cruentis | unguibus ; Ilias Latina 1017 saevis … arat unguibus ora ; Lukian luct. 12. Varro deutete den Brauch als Totenopfer ( Servius Aen. 3,67 dicit mulieres in exsequiis et luctu ideo solitas ora lacerare, ut sanguine ostenso inferis satisfaciant ). Das Zwölftafelgesetz suchte ihn zu unterbinden ( XII Tab. 10,4 mulieres genas ne radunto ).

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Das plastische secare, das für gewöhnlich von Instrumenten verwendet wird ( OLD s.v. 1ab ), erscheint in diesem Kontext offenbar zuerst bei Ovid ( her. 5,71f. rupique sinūs et pectora planxi | et secui madidas ungue rigente genas ; fast. 6,148 rigido sectas … ungue genas, die von Hexen „mit starrer Kralle zerfetzten Wangen“ eines Kindes; cf. Stat. Theb. 6,624f. pectora nunc maerens, nunc ora indigna cruento | ungue secat ; Ilias Latina 28f. squalidaque infestis maerens secat unguibus ora | dilaceratque comas annosaque tempora plangit ). Zu iacēre von Verstorbenen, „( tot ) daliegen“, cf. e.g. Stat. silv. 2,1,173f. mater … iacentis | maesta ; OLD s.v. 6; Thes. VII 1, 16,26-46. ratus scilicet id quod erat : „begriff er allerdings, was hier vor sich ging“. Eine ähnliche Erleuchtung erlebt Theron, nachdem seine Leute Kallirhoes Grab geöffnet und in ihm einen ‚Daimon‘ entdeckt haben ( s. oben zu § 7 ). Als er selbst die Krypta betritt und Kallirhoe sieht, die ihn anfleht, „wurde er mutiger und erkannte, schlau wie er war, die Wahrheit“ ( Chariton 1,9,4-6, zit. § 6 μᾶλλον ἐθάρρησεν ὁ Θήρων καὶ οἷα δεινὸς ἀνὴρ ἐνόησε τὴν ἀλήθειαν ; auch er registriert sofort Kallirhoes Schönheit : 1,9,6 ). Zu der Formel ( von ihr hängt der folgende AcI ab ) cf. Sall. Iug. 47,2 ratus, id quod res monebat ; 56,1 ratus, id quod negotium poscebat ; Apul. met. 6,1,5 rata scilicet nullius dei fana … neclegere se debere ; 8,26,2 rati scilicet vere quempiam hominem servulum ministerio suo paratum ; Sulpicius Severus chronicorum 1,3,3 ( von BÜCHELER1 ad loc. als mögliche imitatio Petrons zitiert ) Noë, cum iam imbrium vim destitisse et quieto in salo arcam circumferri intellegeret, ratus, id quod erat, aquas decedere, corvum … emisit. – Zur nachklassisch oft abgeschwächten affirmativen Kraft von scilicet (s. auch 95,7; 108,2 ; 137,10) cf. SCHRIJNEN – MOHRMANN 1,140 f. ; SOVERINI 1974-75, 247-251; PETERSMANN 236f. desiderium extincti non posse feminam pati : cf. Cic. Phil. 2,45 amore ardens confirmabat, quod desiderium tui discidii ferre non posset, se in exilium iturum ; Hor. c. 1,24,1f. quis desiderio sit pudor aut modus | tam cari capitis ? ; Sen. dial. 12,14,1 desiderium ipsum per se pati non potes. Wohl zu Unrecht hört SLATER hier einen „sexual overtone“ heraus ( 1990, 109 Anm. 49 ; s. auch HOFMANN 2014, 109: „desiderium … implies also ardent and unfulfilled sexual desire“ ). attulit in monumentum cenulam suam : Der Zweck dieses zunächst überraschenden Schritts wird bald klar ( § 10; zu pragmatisch COURTNEY 2001, 170: die Magd habe ihn über das Fasten ihrer Herrin aufgeklärt ). Erneut bringt ein Diminutiv eine vertrauliche Note ins Spiel ( cf. § 5 casulam ). Das wohl gleichfalls umgangssprachliche cenula ist seit Varro belegt

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( Men. 103 Astb.; cf. Sat. 90,7; 95,1; das augenfällige Nebeneinander von Diminutiv und monumentum notiert FEDELI 1986, 18 ). Die Essensrationen einfacher Soldaten waren in aller Regel bescheiden ( cf. ad 112,4 quicquid boni per facultates poterat coemebat ). Zugleich scheint das Diminutiv hier humorige Untertreibung, stärkt des Soldaten ‚frugale Vesper‘ doch in Bälde zwei ausgehungerte Frauen. coepitque hortari lugentem : Wie zuvor bereits Eltern, Verwandte und Behörden ( § 3 ). Anders als dort erfahren wir im Folgenden summarisch seine Argumente. Doch auffällig genug hören wir den ‚eloquenten jungen Mann‘ ( 112,2 nec … infacundus iuvenis ) nur ‚gebrochen‘, in oratio obliqua ( ebenso 112,6 ; s. auch PERI 2007, 39 ) – im Gegensatz zur Magd ( §11f.; 112,2 ) und zur matrona ( 112,7; in oratio obliqua 112,8 ). ne perseveraret in dolore supervacuo ac nihil profuturo gemitu pectus diduceret : „damit sie nicht in ihrem vergeblichen Schmerz beharre, und ihre schöne Brust mit unnützen Seufzern abzehre“ ( HEINSE ). Alles Weinen und Jammern sei sinnlos, erwarte doch zuletzt einen jeden der Tod ( cf. Cic. Tusc. 3,77 erit igitur in consolationibus prima medicina docere aut nullum malum esse sc. mortem aut admodum parvum, altera et de communi condicione vitae et proprie, … tertia summam esse stultitiam frustra confici maerore, cum intellegas nihil posse profici ). Seneca füllte mit dem Thema ganze Traktate ( e.g. dial. 6,6,2 si fletibus fata vincuntur, conferamus ; eat omnis inter luctūs dies, noctem sine somno tristitia consumat ; ingerantur lacerato pectori manūs et in ipsam faciem impetus fiat …; sed si nullis planctibus defuncta revocantur, si sors inmota et in aeternum fixa nullā miseriā mutatur et mors tenuit quidquid abstulit, desinat dolor qui perit ; 11,4,1 stant dura et inexorabilia sc. fata ; nemo illa convicio, nemo fletu, nemo causā movet … proinde parcamus lacrimis nihil proficientibus ). Von der Ohnmacht der Trauer angesichts des unausweichlichen Schicksals sprechen auch etliche Epitaphien ( e.g. Carm. Lat. Epigr. 995 B, 19-21 parce tuam, coniux, fletu quassare iuventam | fataque maerendo sollicitare mea. | nil prosunt lacrimae nec possunt fata moveri ; cf. LATTIMORE 1942, 217-220; zu dem Stichwort ‚Vergeblichkeit der Trauer‘ in antiken Trostschriften cf. H. JOHANN, Trauer und Trost, München 1968, 56-63 ). Diducere in Verbindung mit Organen o.ä. erscheint meist in chirurgischen Kontexten ( e.g. Celsus med. prohoem. 42 uterum … spirante homine posse diduci ; 7,5,2 caro diduci debet ferramento ; Sen. dial. 5,14,3 pectus filii in duas partes diductum ; Thes. V 1, 1018,32-41 ). Eine vage Parallele zur metaphorischen Verwendung hier ( „die Brust zerreißen“ ) bietet Ps.-Sen. Herc. Oet. 1668-70 mater in luctum furens | diduxit avidum pectus atque utero tenus | exerta ( „bis zum Schoß entblößt“ ) vastos ubera in planctūs ferit.

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Zu der Formel nihil prodesse oder quid prodesse mit Blick auf die Trauer cf. Hor. c. 1,28,4-6 nec quicquam tibi prodest | aerias temptasse domos … morituro, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Prop. 3,18,11f. quid genus aut virtus aut optima profuit illi | mater ? ; Ov. am. 3,9,21; Ps.-Ov. cons. Liv. 41f. quid tibi mores nunc prosunt eqs.? ; Sen. dial. 11,3,5 nihil ergo prodest innocentia ad omnem legem exacta eqs.; 12,19,4 si prudentiam perfectissimae feminae novi, non patietur te nihil profuturo maerore consumi et exemplum tibi suum, cuius ego etiam spectator fui, narrabit ; Stat. silv. 5,1,154 f. quid probitas aut casta fides, quid numina prosunt | culta deum ? ( weitere Belege LIER 1903, 461-463 ~ § 6 ; PECERE 77f. ). – Das Stichwort prodesse wird die Dienerin in ihrem Trikolon aufgreifen ( 111,11 quid proderit … hoc tibi eqs.). Supervacuus im selben Kontext ( OLD s.v. 2 „serving no useful purpose, unnecessary, otiose“ ) ist ein Schlüsselwort Senecas ( dial. 11,5,1; 11,18,4 ; 12,16,7 illam … nihil in tristitia supervacua stultaque detinuit ; ep. 99,4 und 6 ; COURTNEY 2001, 169f. ). – Chiastischer Finalsatz ( Verb – Substantiv – Adjektiv | Adjektiv – Substantiv – Verb; das zweite Adjektiv und Verb sind erweitert : nihil profuturo bzw. pectus diduceret ). omnium eundem esse exitum [ sed ] et idem domicilium : cf. 115,18 quicquid feceris, omnia haec eodem ventura sunt. Seit alters sind gerade der ‚Weg‘ und die ‚Wohnstatt‘ Gemeinplätze für den Tod, weit über Grabinschriften und Consolationes hinaus. Cf. u.a. Anaxagoras ap. Cic. Tusc. 1,104 undique … ad inferos tantundem viae est ; Eur. frg. 733 TrGF τοῖς πᾶσιν ἀνθρώποισι κατθανεῖν μένει. | κοινὸν δ᾿ ἔχοντες αὐτὸ κοινὰ πάσχομεν | πάντες ( „Alle Menschen erwartet der Tod. Dieses Los ist uns gemein; wir alle erleiden es gemeinsam“ ); Teles de fuga 29f. (== p. 280 Fuentes González ) ἢ οὐ πανταχόθεν … ἴση καὶ ὁμοία ἡ εἰς ᾅδου ὁδός ; ( „führt nicht von überall her ein und derselbe Weg zum Hades ?“; cf. FUENTES GONZÁLEZ 350f. ad loc.); Leonidas von Tarent A.P. 7,452,2 == HE 2384 κοινὸς πᾶσι λιμὴν Ἀίδης ( „gemein ist allen als Hafen der Hades“ ); Tymnes, A.P. 7,477,3f. == HE 3606f. ἔστι γὰρ ἴση | πάντοθεν εἰς Ἀίδην ἐρχομένοισιν ὁδός ( „denn von überall her ist es der gleiche Weg für die, die zum Hades gehen“ ); Antipater Thess., A.P. 11,23,3 == GP 279 εἰς Ἀίδην μία πᾶσι καταίβασις ( „zum Hades hinab führt alle Menschen der eine Weg“ ); AT Sap. Salom. 7,6 μία δὲ πάντων εἴσοδος εἰς τὸν βίον ἔξοδός τε ἴση ~ Vulg. unus ergo introitus est omnibus ad vitam et similis exitus ; W. PEEK, Griechische Grabgedichte, Berlin 1960, Nr. 262; 369; 452,9 πᾶσιν τοῦτο μένει ( „allen steht dies bevor“ ). Römische Autoren variieren den Topos; cf. Hor. c. 1,28,15f. sed omnīs una manet nox | et calcanda semel via leti ; 2,3,25-28 omnes eodem cogimur, omnium | versatur urna serius ocius | sors exitura et nos in aeternum | exilium inpositura

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cumbae ; 2,14 ; Prop. 2,28,58 longius aut propius mors sua quemque manet ; 3,18,21f. huc omnes, huc primus et ultimus ordo : | est mala, sed cunctis ista terenda viast ; Ov. met. 10,33-35 serius aut citius sedem properamus ad unam ; | tendimus huc omnes, haec est domus ultima, vosque | humani generis longissima regna tenetis ; Ps.-Ov. cons. Liv. 359f. tendimus huc omnes, metam properamus ad unam, | omnia sub leges Mors vocat atra suas ; Sil. Ital. 13,525 domus omnibus una ; Carm. lat. epig. 965,7-9 quid lacrumis opus est, Rusticelli carissime coniunx, | extinctos cineres sollicitare meos ? | una domus cunctis, nec fugienda viris ; 995 B, 22 hic omnīs exitus unus habet ; 1097,2 haec domus, haec requies omnibus una manet. Dies gilt insbesondere für Seneca ( u.a. dial. 6,26,3 coimus omnes in unum ; 11,9,9 omnibus illo nobis commune est iter ; 11,11,4 omnes, immo omnia in ultimum diem spectant (…) omnes … in eundem locum tendimus ; abstrakter dial. 11,1,3 in hac naturae necessitate omnia ad eundem finem revocantis, „in dieser Gesetzmäßigkeit der Natur, die alles zum selben Ende zurückruft“; ep. 70,27 finem eundem sc. esse hominibus; 77,12 eo ibis quo omnia eunt ; 99,8 omnis eadem condicio devinxit : cui nasci contigit mori restat ; nat. 2,59,6 eodem citius tardius veniendum est ; 6,1,8 ). Auf den Punkt bringt es der Chor in seinem Hercules furens ( 867-874 ): quid iuvat durum properare fatum ? | omnis haec magnis vaga turba terris | ibit ad manes eqs. ( cf. J.G. FITCH ad loc.). – LIT. OTTO 228 s.v. mors 1; Nachträge 110f. 188. 240; LIER 1903, 563-574 ( bes. §§ 16. 19-20 ); LATTIMORE 1942, 250-256; CURTIUS 1954, 90-92 ( zur ‚Topik der Trostrede‘ ). Dieser und der folgende AcI sind Teil der orat. obl. – Markante Alliteration ( eundem esse exitum et ). omnium : Den Gen. der Zugehörigkeit ( statt eines vom Verb abhängigen Dativs ) verwenden bereits Cicero und Sallust. Häufiger findet er sich seit der frühen Kaiserzeit ( in den Sat. ferner 101,2 effusus sudor utriusque spiritum revocavit ; 129,11 animum … eius candidā humanitate restitue ); cf. LÖFSTEDT I, 214-222; SVENNUNG 220f.; HSZ 87f.; PETERSMANN 76f. [ sed ] : Die effektivste Heilung der Überlieferung ist ORELLIs Tilgung von sed, das bereits in A fehlt ( so neben BÜCHELER und MÜLLER die meisten modernen Herausgeber ; „forse è un’erronea duplicazione di et “, VANNINI ad loc.). PETERSMANN ( 260f.; cf. ders. 1975, 132 ) wollte es halten und vermutete eine kolloquiale Ellipse ( sinngemäß omnium non solum eundem esse exitum, sed etiam idem domicilium ; er zitiert Suet. Aug. 31,3 sacerdotum et numerum et dignitatem, sed et commoda auxit ; Apul. met. 10,6,3 tantā … miseratione tantāque indignatione curiam, sed et plebem maerens inflammaverat ). Umgangssprachliches sed etiam ohne vorausgehendes non solum erscheint in der Tat vereinzelt bereits bei Cicero, dann wieder ab Tacitus ( sed et im

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Sinn von sed etiam ohne non solum wäre hier das erste Mal belegt ; cf. KST 2,66f.; HSZ 518f. ). Doch der Vorschlag scheitert am Inhaltlichen: mit einer Steigerung Tod ( exitum ) – Unterwelt ( domicilium ) hat der Soldat nichts im Sinn. Nicht besser machen sich zwei Ersetzungen für sed et, John of Salisburys scilicet ( übernommen von DÍAZ Y DÍAZ ), und PELLEGRINOs sicut et. Aus Eigenheiten der Hs. B ( omnium eandem esse sed eidem domicilium ) erschloss BÜCHELER1 ad loc. scharfsinnig die Lesart eandem esse sedem, idem domicilium. Doch dieser statische Pleonasmus, der den Tod ausblendet, ist hier ebenso fehl am Platz ( zurecht kritisch STRELITZ 1879, 842f.) wie ERNOUTs eundem esse exitum, eandem esse sedem, idem domicilium und WEINREICHs eundem esse exitum, sedem eandem et idem domicilium ( 1931, 69 ). – Die Entscheidung zwischen exitum esse ( L φ ; verteidigt von STRELITZ 1879, 842f.; so MÜLLER ed.2 ) und esse exitum ( RP ) ist den meisten Herausgebern leichtgefallen ( cf. FRAENKEL 1968, 175 ). et cetera : cf. 87,1 rogare coepi ephebum ut reverteretur in gratiam mecum, id est ut pateretur satis fieri sibi, et cetera quae libido distenta dictat. Das resümierende ‚etc.‘ „verrät uns, daß ( der Erzähler ) von konsolatorischer Redseligkeit nicht viel hält“ ( HUBER 1990, 31; s. auch VANNINI ad loc.: „L’intervento del soldato è costituito da argomentazioni caratteristiche della consolatoria tanto diffuse che Eumolpo può permettersi di tagliar corto.“ ). Ähnlich lapidar lässt Apuleius Tlepolemus zu Wort kommen, der Charite immer wieder zu trösten ( und ihr dabei näherzukommen ) versucht ( met. 8,7,2f. nec non interdum manūs Charites a pulsandis uberibus amovere, luctum sedare, eiulatum coercere, verbis palpantibus stimulum doloris obtundere, variis exemplis multivagi casūs solacia nectere eqs.). quibus exulceratae mentes ad sanitatem revocantur : Kaum die Einschätzung des miles ( wie EICKMEYER 2006, 82f. meint ), sondern das Urteil des Erzählers, der bei der matrona eine quasi pathologische Verfassung diagnostiziert. Gerade die ältere Stoa sah die Trauer als Krankheit der Seele, die eine Behandlung durch den philosophisch geschulten ‚Seelenarzt‘ erfordere ( ὁ τῆς ψυχῆς ἰατρός ; so u.a. Chrysipp, SVF III frg. 471; cf. KASSEL 1958, u.a. 17f., 20-22 u.ö.; s. auch Sat. 42,5 medicus … nihil aliud est quam animi consolatio ). Der medizinische t.t. exulcerare ( „sich entzünden, schwären“; OLD s.v. 1 ) wird gern metaphorisch verwendet ; e.g. Cic. Scaur. 35 putas semel exulceratum animum tam facile potuisse sanari ? ; Liv. 9,14,9 exulceratos ignominiā … animos, „die angesichts der Schmach aufgewühlten Gemüter“; Hegesippus 1,7,2 == CSEL 66, p. 11,25f. sceleris immanitas mentem exulcerabat ; Paul. Nol.

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epist. 8,3 ad tuam mentem, si in aliquo exulcerassem, deliniendam remedium ; OLD s.v. 2; Thes. V 2, 2105,22-52 ( „homines eorumque mentem, cor sim., fere i.q. laedere, lacerare, irritare, corrumpere sim.“ ). Zu revocare cf. 94,8 me … a fatali iam meta revocat ad lucem. Die höchst rare Junktur ad sanitatem revocare findet sich zuerst im Corpus Caesarianum ( Bell. Alex. 24,2 regem cohortatus sc. est ut … cives suos … ad sanitatem revocaret ); bei Caesarius von Arles kehrt sie noch einmal wieder ( serm. 67,1 == CCSL 103, p. 285f. rogo, ut … putredines peccatorum meorum … ad veram sanitatem revocare dignetur ). – Zur Ellipse des Verbum dicendi ( et cetera ‹ dixit › ) cf. 87,1 et cetera quae libido distenta dictat ; 93,4 Komm. == Bd. I, S. 250; zur Ellipse allgemein Bd. I, S. 17. § 9 at illa ignotā consolatione percussa : Von außen besehen scheinen die Trostworte sie nicht zu erreichen ( zumal die Argumente kaum über Gemeinplätze hinausgehen; s. auch Ovids Hinweise zum richtigen ‚timing‘ von Mahn- und Trostworten, rem. 123-130 impatiens animus nec adhuc tractabilis arte | respuit atque odio verba monentis habet eqs.). Doch bewegen sie etwas in ihrem Inneren – weshalb im Ansturm der widerstreitenden Gefühle die Trauergesten sich in einer Art ‚Übersprunghandlung‘ zunächst steigern ( cf. Sen. dial. 12,1,2 dolori tuo, dum recens saeviret, sciebam occurrendum non esse ne illum ipsa solacia inritarent et accenderent – nam in morbis quoque nihil est perniciosius quam inmatura medicina ; Plin. ep. 5,16,11 recens animi dolor consolationes reicit ac refugit, mox desiderat et clementer admotis adquiescit ; VANNINI ad loc. zitiert Hist. Apoll. 41,9 rec. A recentem enim mihi renovasti dolorem ). Wie sich bald zeigt, fällt eine Schlüsselrolle der Person des Trösters zu ( ignotā consolatione ist Enallage für ignoti consolatione ; diese Lesart erwog anfänglich BÜCHELER 1 ad loc., laudantibus WATT 1986, 181; EDEN 1994, 284 ; s. auch PECERE 85). Auf die Bedeutung eines Publikums beim Trauern geht Seneca des öfteren ein, u.a. dial. 9,15,6 plerique … lacrimas fundunt ut ostendant, et totiens siccos oculos habent quotiens spectator defuit ; ep. 63,2 per lacrimas argumenta desiderii quaerimus et dolorem non sequimur sed ostendimus ; nemo tristis sibi est. o infelicem stultitiam ! est aliqua et doloris ambitio ; 99,16 plus ostentatio doloris exigit quam dolor : quotus quisque sibi tristis est ? clarius cum audiuntur gemunt, et taciti quietique dum secretum est, cum aliquos videre, in fletūs novos excitantur ; tunc capiti suo manūs ingerunt …, tunc mortem comprecantur sibi, tunc lectulo devolvuntur : sine spectatore cessat dolor ( s. auch Plin. ep. 4,2,4 über die übertriebene Trauer eines Vaters: nec dolor erat ille, sed ostentatio doloris ; Mart. 1,33 amissum non flet cum sola est Gellia patrem ; | si quis adest, iussae prosiliunt lacrimae. | non luget quisquis laudari, Gellia, quaerit ; | ille dolet vere, qui sine teste dolet ; ferner S. 592 zum Stichwort ‚Krokodilstränen‘ ). Dass just die Be-

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stattung ihres Gatten ‚trauernden‘ Witwen willkommene Gelegenheit biete, die Angel neu auszuwerfen, ist Ovids verwegener Vorschlag ( ars 3,431f. funere saepe viri vir quaeritur : ire solutis | crinibus et fletūs non tenuisse decet ). Wahre Trauer hingegen „entbehrt aller theatralischen Inszenierung“ ( Sen. ep. 99,21 vidi ego in funere suorum verendos, in quorum ore amor eminebat remotā omni lugentium scaenā ). S. auch PECERE 82-86 ; VANNINI ad loc. ( der Text beschreibe „con grande finezza un complicato meccanismo psicologico“ ); SCHMELING – SETAIOLI 430 ( „Now that the matrona once again has an audience, she again lets her grief show.“ ). Zu percussa cf. Lucr. 1,922f. acri | percussit thyrso laudis spes magna meum cor ; Cic. Att. 3,12,2 percussisti autem me etiam de oratione prolata ; 4,8a,3 percussit animum ; Verg. georg. 2,475f. Musae, | quarum sacra fero ingenti percussus amore ; Aen. 1,513f. obstipuit … percussus Achates | laetitiāque metuque ; 9,197 obstipuit magno laudum percussus amore ; Hor. c. 1,7,10f. me … nec tam Larisae percussit campus opimae ; OLD s.v. percutiō 8. Der Passus sorgte für anhaltende Diskussionen, die sich vornehmlich an ignota entzündeten, aber auch an dem PPP. Viele dieser Vorschläge setzen voraus, der Trost bleibe wirkungslos oder errege gar den Verdruss der Witwe. Dies gilt für inopinatā ( RITTERSHUSIUS ; cf. BÜCHELER1 ad loc.: „inutiliter“ ), für ignoratā ( VAN THIEL 1971, 74, der zudem percussa tilgte; JACOBSON 2002 : „she took no notice of his sympathy“ ), sowie für ingratā, „unwillkommen“ ( cf. OLD s.v. 3; so ROHDE 1879 und NISBET 1962, 231; CORNELISSEN 1882, 298 schrieb ingratā consolatione repulsa ). Alle drei Konjekturen beißen sich mehr oder weniger mit dem oben skizzierten Szenario. Andere Vorschläge setzen bei percussa an. NISBET 1962, 231 erwog praeclusā, eleganter EDEN praecisā ( 1994, 284, mit BÜCHELERs ignoti : at illa ignoti consolatione praecisā, „but she, cutting short the stranger’s consolation“ angesichts der tröstlichen Platituden; zu praecīdere für „jdm. das Wort abschneiden“ cf. OLD s.v. 3b ). VAN THIEL wollte es tilgen ( s. oben). Einen Schritt weiter geht WATTs at illa ignoti consolatione ‹ non › percussa ( 1986, 181 ). Da erst der kleine Imbiss ihren Widerstand überwinde, sei ihr Entschluss zu trauern hier „n i c h t erschüttert“. Mit zwei Eingriffen operiert auch COURTNEY ( 2005, 316 ), der VAN THIELs ignoratā mit percussum kombiniert – was einen ungelenken Abl. abs. ergibt, und einen leicht tautologisch gleich zweimal ‚getroffenen‘ Busen: at illa ignoratā consolatione percussum laceravit vehementius pectus. laceravit vehementius pectus : Das Gefühlschaos verrät sich in den heftigen Trauergesten ( lacerare ist stärker als § 2 plangere ).

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Das Schlagen der entblößten Brust war Ausdruck des Schmerzes und der Trauer, und als solcher fester Bestandteil des Bestattungsrituals ( cf. § 2 nudatum pectus in conspectu frequentiae plangere ; 81,2 verberabam aegrum planctibus pectus ; 115,12 percussi semel iterumque manibus pectus, ferner u.a. Ilias 18,30f.; Cic. Tusc. 3,62; Verg. Aen. 4,589 terque quaterque manu pectus percussa decorum ; 4,673 foedans … pectora pugnis, und PEASE p. 519 ad loc.; Prop. 2,13,27 tu vero nudum pectus lacerata sequēris ( sc. seinen Leichenzug ; das PPP hat mediale Qualität ); Ov. fast. 4,454 feriunt maesta pectora nudā manu ; met. 3,480f. dumque dolet, summā vestem deduxit ab orā | nudaque marmoreis percussit pectora palmis ; Sen. Herc. fur. 1100-03; Tro. 409-411 quid … laceratis comas | miserumque tunsae pectus effuso genas | fletu rigatis ? ; dial. 6,6,2 ingerantur lacerato pectori manūs ; Lukan 7,38f. lacerasset crine soluto | pectora femineum … vulgus ; Stat. silv. 3,5,52f. exsequias amplexa … coniugis ingentes iterasti pectore planctūs ( Statius’ Gattin Claudia alljährlich am Grab ihres ersten Mannes ); Carm. Lat. Epigr. 998,3 sollicitum pectus lacerare dolore ; SITTL 1890, 19f.; Thes. VII 2, 825,50-70 zu lacerare „de maerentibus“. Der Komparativ steht nachklassisch-umgangssprachlich gerne abgeschwächt ( cf. 106,2 turbato vehementius vultu, und ad 79,6 == Bd. I, S. 4 f.), allerdings nicht notwendig hier ( s. auch VANNINI ad loc.: „qui il comparativo serve ad esaltare l’esasperazione della vedova“ ). ruptosque crines super corpus iacentis imposuit : Wieder übertrifft sie die gängigen Gesten ( cf. § 2 vulgari more funus passis prosequi crinibus ). Die Sitte war wohl Rudiment des Haaropfers am Scheiterhaufen oder auf dem Grab, das in Mythos und Epos die innige Verbundenheit mit dem Toten unterstreicht ( cf. Ilias 23,135f.; 23,150-153; Od. 4,196-198; Aisch. Choeph. 168-180; Soph. El. 51-53; 900f.; Eur. El. 90-92; 513-515; Stat. Theb. 6,195f. caesariem ferro minuit sectisque iacentis | obnubit tenvia ora comis ; L. SOMMER, Haaropfer : RE VII 2, 1912, 2105-09, bes. 2108f.; S. EITREM, Opferritus und Voropfer der Griechen und Römer, Kristiania 1915, 344415; NILSSON 1967, 136-138. 180f.; s. auch Bd. I, S. 380f. ). Auch in Rom scheren Trauernde ihr Haar oder reißen es aus ( cf. Tib. 1,1,67f. tu manes ne laede meos, sed parce solutis | crinibus et teneris … genis ; Prop. 1,17,21 illa meo caros donasset funere crines ; Ov. fast. 3,561-564 mixta bibunt molles lacrimis unguenta favillae | vertice libatas accipiuntque comas, und BÖMER 184 f. ad loc.; met. 13,427 Hectoris in tumulo canum de vertice crinem, | inferias inopes, crinem lacrimasque reliquit ; her. 11,115f.; Ps.-Ov. cons. Liv. 98 sparsit caesas per tua membra comas ). So ehrt auch Charite ihren toten Mann ( Apul. met. 8,8,2 adhuc flentem maritum, adhuc vestes lacerantem, adhuc capillos distrahentem ). Dido rauft sich angesichts der auslaufenden troischen Flotte

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das Haar ( Verg. Aen. 4,589f. terque quaterque manu pectus percussa decorum | flaventīsque abscissa comas ; zit. SCHMELING – SETAIOLI 430 ). Das überlieferte pectus ( höchstwahrscheinlich ein Echo von laceravit vehementius pectus ; zur häufigen Verwechslung von pectus und corpus in den Hss. cf. Lucr. 4,1271 und M. DEUFERT ed. ad loc.) korrigierten NODOT und BÜCHELER mit Blick auf § 8 corpus iacentis und § 12 iacentis corpus zu corpus. Ins Detail geht die Ilias : das Haar wird auf Patroklos’ gesamtem Leichnam verteilt ( 23,135f. ); und es liegt in seinen Händen ( 23,150-153 ). Wenig spricht für ROSEs ( 1965, 229 ) Tilgung : [ pectus ] iacentem imposuit. „Tutto il periodo è caratterizzato da uno studiato andamento ritmico, in cui ogni kolon è concluso da un cretico + trocheo, che nessun intervento dovrebbe compromettere.“ ( VANNINI ad loc.). § 10 non recessit tamen miles : Er macht seinem Metier Ehre ( „… gab sich nicht geschlagen“; cf. OLD s.v. 1b ). Weitere militärische Bilder folgen ( § 10 victam manum ; § 13 victa est, beide von der ancilla ; 112,1 pudicitiam eius aggressus est ; 112,2 victor … miles ; im ‚Epheben‘ bleiben sie die Ausnahme; cf. 85,6 aggressus simulantem aliquot basiolis invasi ). Seine spätere Verbündete tut es ihm gleich ( § 10 expugnare dominae pertinaciam coepit ; für § 13 passa est frangi pertinaciam suam zeichnen miles und ancilla verantwortlich ). Ein Lieblingsmotiv Ovids klingt an, die militia amoris ( e.g. am. 1,9,1 militat omnis amans ; ars 2,233 militiae species amor est ; her. 7,32; s. auch Apuleius’ amatoria militia, met. 2,18,2; zur Sache met. 2,17,3; A. SPIES, Militat omnis amans, Tübingen 1930, bes. 74 f.; ADAMS 157-159; ferner S. 543f. und 563 ). Das aggressivere Kolorit passt zur Situation, wechselt der Tonfall doch unter der Hand vom Zuspruch zur Verführung ( „l’azione del miles … da tentativo di consolazione si trasformerà in tentativo di seduzione“; VANNINI ad loc.). Seinen Reiz verdankt das Motiv hier nicht zuletzt dem Umstand, dass die Rollen vertauscht sind. Es ist nicht der amator der Liebeselegie, der militat, sondern ein veritabler miles amat ( s. auch MCGLATHERY 2001, 125f. : „Petronius takes Ovid’s parody of the elegiac language of militia amoris … one step further by literalizing the metaphor“ ). sed eadem exhortatione temptavit dare mulierculae cibum : Bereits in der Ilias redet Achill Priamos zu, sein Fasten zu brechen, und verweist auf Niobe ( 24,602-613 καὶ γάρ τ᾿ ἠΰκομος Νιόβη ἐμνήσατο σίτου κτλ., „denn auch die schönhaarige Niobe gedachte der Speise usw.“, obgleich sie zwölf Kinder verloren hatte ; cf. 19,225 γαστέρι δ᾿ οὔ πως ἔστι νέκυν πενθῆσαι Ἀχαιούς, „mit dem Magen können die Achaier keinen Toten beklagen“ ). Seneca erinnert an die berühmte Szene ( dial. 4,33,5 illum hostis

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saevissimus multis solaciis ut cibum caperet hortatus est ). Das Gleiche versucht der Verführer Thrasyllus in Apuleius’ Novelle ( met. 8,7,6 Thrasyllus instantiā pervicaci partim per semet ipsum, partim per ceteros familiares ac necessarios, ipsos denique puellae parentes extorquet tandem, iam lurore et inluvie paene conlapsa membra lavacro, cibo denique confoveret ; s. oben S. 497 Anm. 39 ). Den ‚Alltag‘ beschreibt anschaulich Lukian ( luct. 24 ; zitiert PECERE 88 ): „Endlich folgt noch der Leichenschmaus ( τὸ περίδειπνον ). Die sämmtlichen Verwandten kommen und trösten die Ältern des Verstorbenen, und nöthigen sie, wieder etwas zu sich zu nehmen ( καὶ πείθουσι γεύσασθαι ), wiewohl sie, beym Jupiter !, nach einem dreytägigen Fasten sich gern nöthigen lassen, da sie es vor Hunger kaum mehr aushalten können. (…) Sie langen also endlich zu, wiewohl Anfangs ganz verschämt ( οἱ δὲ ἅπτονται μέν, αἰσχυνόμενοι δὲ τὰ πρῶτα κτλ.), und als ob sie sich fürchteten, man möchte es ihnen übel nehmen, daß sie nach dem Tode ihrer Geliebtesten noch so viel Anhänglichkeit an das Leben zu haben fähig seyen, um die Bedürfnisse desselben zu fühlen.“ ( Übers. C.M. WIELAND 1813 ). – In dem Verb klingt die baldige Verführung bereits an ( cf. 112,1 ceterum scitis quid plerumque soleat temptare humanam satietatem ; s. auch ADAMIK 2003, 7f. ). mulierculae : Das umgangssprachliche Diminutiv, bei Petron sonst eher abwertend ( 12,3 rusticus … cum muliercula comite ; 19,4 mulierculae … infirmissimae scilicet ; für eine meretrix e.g. Plaut. Pseud. 675; Cic. Verr. 2,3,31; Val. Max. 2,9,3; cf. F. MARX ad Plaut. Rud. 52: „das Wort bezeichnet durchweg die galante Dame“; ADAMS 1983, 354 ), schmeckt hier nach ironischem Mitleid ( „dem armen Frauchen“; PECERE 87: „la poverina“; cf. Sen. ep. 63,13 illis mulierculis … vix retractis a rogo, vix a cadavere revulsis eqs.), und weniger nach einer Anspielung auf das baldige ‚Schwachwerden‘ der Frau ( so DELL’ERA 1967, 104 ; BLUME 1974, 53 Anm. 15 ) oder gar auf „die emotionale Verfassung des betörten Soldaten“, „der in der Witwe eine begehrenswerte Frau sieht“ ( HUBER 1990, 18 bzw. 32 ). SCHMELING ( in SCHMELING – SETAIOLI 430f. ) überlegt, ob mit der muliercula nicht etwa die ancilla gemeint sei. Dank des ipsa darf man getrost davon ausgehen, dass er die matrona anspricht ( primum ipsa porrexit … victam manum ; nirgendwo wendet sich der miles an die Magd ). donec ancilla vini [ certum ab eo ] odore corrupta : Der verderbt überlieferte Passus ( Varianten lauten certe ab eo ; certo ab eo ; ab eo certo ; certa abeo, i.e. certa ab eo ; in ( L) φ fehlt er ) erklärt aus Sicht des Erzählers, warum die Dienerin schwach wurde: „gewiss von diesem Weinduft “, oder, falls ab eo sich auf den miles bezieht, „gewiß von ihm durch den Weinduft verführt“

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( so SCHÖNBERGER, mit certe ab eo ; zu dem adverbial verwendeten Neutrum certum, etwa in der Verbindung certum est, cf. e.g. Ov. met. 9,53 certum est mihi vera fateri, „ich bin entschlossen, die Wahrheit zu bekennen“ ). Die plumpe zweite Deutung verwässert den raffinierten Duktus der Erzählung, die den Soldaten mit dem Wein fast offene Türen einrennen lässt ( wie Eumolp mit seinen Geschenken beim Epheben, Sat. 85-87 ). Aber auch die detailfreudige erste zerstört die Atmosphäre des Allusiven, bei der so vieles in der Schwebe bleibt. Keinen Deut besser ist DOUSAs [ certe ] adeo, „so sehr durch den Duft verführt“, das STUBBE 175 zu certe adeo variierte ( „sicher so sehr usw.“ ), oder John of Salisburys certum habeo, die NISBET empfahl ( 1962, 228; er zitiert die Parenthese Sen. contr. 10,3,2 hoc, certum habeo, unusquisque vestrum suadebat puellae ), und die WARMINGTON in den Text nahm ( „ – I’m sure of it – “ ). Alle diese ‚auktorialen Kommentare‘ wirken durch die Bank trivial. I.F. GRONOVs barockes nectareo ( so CIAFFI ; MARZULLO – BONARIA ) klingt zu blumig, COLINs aceptableo ( sein Neologismus für den ‚Essigtrunk‘ römischer Soldaten; 1953, 110 ) zu säuerlich. Kaum besser machen sich certe grato ( NODOT ), vini cibique ( BOURDELOT ), oder vini cenulaeque ( VERDIÈRE 1982, 78; er zitiert Curt. Ruf. 3,6,14 torpentem nunc cibi nunc vini odore excitavit, „bald mit der Speise, bald mit des Weins Duft weckte er den Kranken aus seiner Betäubung“ ). Mit Blick auf § 13 ( nec minus avide replevit se cibo eqs.) skizzierte ALBINI 1964 ein kleines Dramolett : ancilla, vini certe ‹ avida ›, ab eo odore corrupta. Kaum weniger umständlich klingt WEINREICHs vini certe ab eo ‹ allati › odore corrupta ( 1931, 70 ). Die beste Lösung bleibt DOUSAs und FUCHS’ ( 1938, 160f. ) von fast allen Herausgebern adoptierte Tilgung der drei Worte als Glosse eines Lesers ( cf. BÜCHELER 1 ad loc.: „vereor ne haec ita conglutinaverit excerptor“; s. auch M. COCCIA 1973, 59f.; PECERE 91; SULLIVAN 1976, 103; VANNINI ad loc.: vermutlich „un’annotazione interlineare penetrata nel testo O“ ). In der entschlackten Version präsentiert Eumolp als ‚olympischer Erzähler‘ Fakten. primum ipsa porrexit ad humanitatem invitantis victam manum : Mit der Magd ‚fällt die erste Verteidigungslinie‘ der matrona ( FEDELI 1986, 19 ). Die humanitas ist selbstredend das ironische Urteil des Erzählers, nicht das der Magd ( wie HUBER 1990, 33 annimmt ). Hinter dem abstrakten ad humanitatem invitantis ( „in Erwiderung seiner einladenden Freundlichkeit“; PECERE : „al cortese invito“; cf. OLD s.v. ad 29 u. 33 ) schimmert die konkrete Umsetzung dieser humanitas durch ( ad potionem et cibum ), in der victa manus die Geste, mit der sich der Besiegte mit ausgestreckten Armen und nach oben gekehrten Handflächen dem Sieger

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ergibt ( cf. SITTL 1890, 147-149; OTTO 211 s.v. manus 7 ). Ein Vorbild hat die personifizierende Enallage bei Ovid ( am. 1,2,20 porrigimus victas ad tua iura manūs ; her. 4,14 dabit victas ferreus ille manūs ; 21,240 do … libens victas in tua vota manūs ; s. auch PECERE 89 ). Gleichzeitig streckt sie höchst pragmatisch die Hand aus, um den Weinbecher in Empfang zu nehmen ( „a request for the sustenance to be put into it“; COURTNEY 2001, 170 ). deinde refecta potione et cibo : ‚Zuerst‘ wird die Dienerin schwach ( primum ); ‚dann‘ ( deinde ) will sie, selbst gestärkt, und damit aus dem Totenreich zurückgekehrt, ihre Herrin dem Leben zurückgewinnen ( strenger urteilt VANNINI ad loc.: raffiniert überspiele sie ihre Schwäche mit dem Anschein von Tugend; s. auch FRINGS 1985, 58: „ausgerechnet die fidissima ancilla ( wird ) zur Verführerin“ ). Die Reihenfolge potione et cibo ist mitnichten beliebig ( ‚klassisch‘ 113,6 maestus … non cibum, non potionem capiebam, und e.g. Od. 6,246 ): es ist der Wein, der sie verführt und die Wende herbeiführt ( vini … odore corrupta ; s. auch PECERE 92; an Lukians Leichenschmaus, zit. S. 541, erinnern SCHMELING – SETAIOLI 431 ). Im Hintergrund sehen wir das gerne heraufbeschworene Bild von der Trunksucht gerade älterer Frauen ( cf. 79,6 und Bd. I, S. 4 ; frg. 21 anus recocta vino | trementibus labellis ; Ov. fast. 3,542 senem potum pota trahebat anus ; N. PURCELL, Women and Wine in Ancient Rome, in: M. McDonald ( Hrsg.), Gender, Drink and Drugs, Oxford 1994, 191-208; RAGNO 2009, 346-352 ). Die köstliche Szene Plaut. Curc. 76-109 zitiert DE SALAS 214 ( bes. 96 ff. flos veteris vini meis naribus obiectust eqs., zum ‚Duft des Weins‘ ). Eindrücklich schildert Augustin die vinulentia seiner Mutter Monnica, die vom Gesinde als „Schluckspecht“ tituliert wurde ( conf. 9,8,18 meribibula ). expugnare dominae pertinaciam coepit : Mit der gleichen Metapher charakterisiert Apuleius die Offensive eines Verführers ( met. 9,18,1 atque hac ipsā potissimum famosā castitate … inflammatus … ad expugnandam tenacem domūs disciplinam totis accingitur viribus ; cf. GCA p.168 ad loc.). VANNINI ad loc. zitiert Liv. 37,56,9 senatum omni modo expugnaturum pertinaciam legatorum ( „der Senat werde auf jeden Fall die Hartnäckigkeit der Gesandten zu überwinden wissen“ ). Auch die unverhoffte Verbündete des miles agiert nun mit militärischem Vokabular – das zudem einen anzüglichen Unterton hat ( cf. Cic. Cael. 49 expugnare pudicitiam ; Liv. 1,58,5 expugnato decore muliebri ; Sen. contr. 2,3,1 expugnatam filiae pudicitiam ; Liv. perioch. 1b p. 4,2f. Rossbach expugnatam nocturnā vi … Lucretiae pudicitiam ; Laktanz inst. 1,10,12 in expugnandā feminarum pudicitiā maculosus ; cf. Sen. contr. 1 praef. 9 expugnatores alienae pudicitiae ; fer-

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ner Thes. V 2, 1809,66-76 ). Bald genug erleben wir sie in der klassischen Rolle der Kupplerin ( 112,2; s. auch HUBER 1990, 44 f. ). Pertinacia hat hier eher neutrale Qualität ( OLD s.v. b: „dogged determination, pertinacity“ ; vorsichtiger HUBER 1990, 19 ), die später wohl ins Negative umschlägt ( § 13 passa est frangi pertinaciam suam ). Auch hier handelt es sich um das Urteil des Erzählers, nicht um das des miles oder der Magd ( letzteres vermuten FEDELI – DIMUNDO 1988, 154 ). – Kaum rechtfertigen lässt sich FRAENKELs oppugnare ( 1974, 689; cf. COURTNEY 2001, 170 Anm. 19 ). §§ 11 – 12 Der Appell der ancilla Etwa in der Mitte der Novelle kommt die Dienerin zu Wort, in einer ‚Mahnrede‘ ( FEDELI – DIMUNDO 1988, 154 ), die das Herzstück der Geschichte bildet ( s. das Schema S. 500 ) und zugleich ihren epischen Subtext offenlegt ( hier das Gespräch Annas und Didos ). Dass die Novelle sich ab hier von einer Tragödie in eine Komödie verwandle ( so KARAKASIS 2016, 526 ), ist damit nicht gesagt. Bei Statius drängt Venus die verwitwete Violentilla, ihr Herz noch einmal der Liebe zu öffnen ( silv. 1,2,162-200, bes. 164-166 quis morum fideique modus ? … veniet iam tristior aetas. | exerce formam et fugientibus utere donis ; 170172 hic tibi sanguine toto | deditus … nec formae nec stirpis egens ; 182 ergo age, iunge toros ; 194 f. his mulcet dictis tacitaeque inspirat amorem | conubii ; 199f. iamque aspera coepit | flectere corda libens et iam sibi dura videri ). Die Mahnungen und Lockungen der Göttin fallen auf fruchtbaren Boden. In der Hist. Apoll. wiederum sucht die Amme die von ihrem Vater missbrauchte Königstochter vom Selbstmord abzuhalten ( 2,7 rec. A nutrix ut vidit puellam mortis remedium quaerere, vix eam blando sermonis conloquio revocat, ut a propositae mortis immanitate excederet ). Ein Vorbild liefert v.a. die Tragödie. Bei Euripides ermutigt die besorgte Amme die waidwunde Phaidra, ihrer Leidenschaft nachzugeben ( Hipp. 433-524 ). Bei Seneca zeigt sie sich vor allem Hippolyt gegenüber höchst beredt, mit ähnlichen ( wenn auch fruchtlosen ) Argumenten ( Sen. Phaed. 435-482, bes. 446-451 aetate fruere : mobili cursu fugit. | nunc facile pectus, grata nunc iuveni Venus : | exultet animus. cur toro viduo iaces ? | tristem iuventam solve ; nunc cursūs rape, | effunde habenas, optimos vitae dies | effluere prohibe eqs.; beide Texte zitieren auch BLUME 1974, 44 und Anm. 21; MCGLATHERY 2001, 124 f.; CIPRIANI 2009; KARAKASIS 2016, 519-522 ). Welche Rolle der ancilla als Mittelsfrau zwischen Herrin und Liebhaber in der römischen Elegie zukommt, bezeugt gerade Ovid ( e.g. ars 1,351-358 sed prius ancillam captandae nosse puellae | cura sit eqs.; ähnlich bereits RIMELL 2002, 131; an

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Chrysis’ Botendienst zwischen Circe und Polyaenus, Sat. 126ff., erinnert VANNINI 251 ad 111,10 ). § 11 quid proderit … hoc tibi eqs. : Während der Soldat nur in indirekter Rede zu Wort kam, hören wir die folgenreiche expugnatio der Dienerin im Wortlaut ( dem ersten und deutlich längsten der ganzen Novelle ). Das von der dreifachen Anapher (si ; cf. § 12 vis … vis …) unterstrichene Trikolon samt Parallelismus und Klimax ( ‚entkräftet‘ – ‚lebendig begraben‘ – ‚tot‘ ) im Mund der ancilla verrät erstaunliches rhetorisches Gespür ( mit dem sie dem vilicus 116,4-9 durchaus das Wasser reichen kann ). „This is superb rhetorical form and reasoning from someone who probably had little or no formal education.“ ( SCHMELING – SETAIOLI 431 ). Die wohl größte Überraschung ist ihre literarische Bildung – wobei es nicht der Ironie entbehrt, wenn sie im griechischsprachigen Ephesos gleich zweimal einen lateinischen Klassiker im Original zitiert ( so HOFMANN 2014, 109; s. auch unten zu § 12 ). Oder legt der Vergil bewundernde Erzähler Eumolp ( cf. 118,5 ) der Magd die Verse in den Mund ? Zu ‚gehäuften suggestiven Fragen‘ und der ‚deductio ad absurdum‘ als Kunstmitteln der consolatio cf. KASSEL 1958, 12. – Zu quid proderit cf. § 8 nihil profuturo gemitu ( COURTNEY 2001, 170 ). tibi : Erwähnung verdient MORGANs illi statt tibi ( 1978, 751 ): „was nutzt dein Ableben dem toten Gemahl ?“ Doch der rückt erst § 12 in den Blick ( id cinerem aut manes credis sentire sepultos ? ). Auf gleicher Linie argumentiert VANNINI ad loc. ( zu der ‚Dichotomie‘ zitiert er Sen. dial. 11,2,1 illud quoque te non minimum adiuverit, si cogitaveris nihil profuturum dolorem tuum, nec illi quidem, quem desideras, nec tibi ). si soluta inediā fueris : „wenn dir der Verzicht auf Nahrung alle Kraft raubt“. Zu soluta cf. OLD s.v. soluō 8a „( usu. of physical conditions ) to make ( the limbs, etc.) less tense or firm, slacken, relax“, speziell „of death“ ( solvī „sich auflösen, vergehen, sterben“ ); cf. Ov. am. 2,10,36 cum moriar, medium solvar et inter opus ; Ibis 146 sive manu factā morte solutus ero ( „ob ich durch gewaltsamen Tod zugrunde gehe“ ). VANNINI ad loc. versteht die Wendung als euphemistische Periphrase des Todes ( ähnlich PECERE 99f. ). Das würde das Trikolon freilich seiner Klimax berauben ( s. oben ). Dramatischer liest sich der entbehrungsreiche Weg der matrona bis zu ihrem Hinscheiden. – Zu fueris statt klassisch eris cf. 102,9 Komm. == Bd. I, S. 360. si te vivam sepelieris : Antigones Schicksal wird lebendig ( Soph. Ant. 806-943 ), und das Los verurteilter Vestalinnen ( cf. Ov. fast. 6,457-460;

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Juv. 4,8-10 corruptor …, cum quo nuper vittata iacebat | sanguine adhuc vivo terram subitura sacerdos, und COURTNEY ad loc.; Plut. Numa 10,8-13 ; zu der von Domitian verurteilten Vestalin cf. Plin. ep. 4,11,4-10; Suet. Dom. 8,3f. ). „Vivere ( nebst Synonyma und stammverwandten Begriffen wie vivus, reviviscere, lucis commodis frui ) ist das Schlüsselwort ihrer Rede.“ ( C.W. MÜLLER 1980, 344 ). – S. auch oben S. 499f. und Anm. 51f. si antequam fata poscant : Die Vorstellung der vom Schicksal vorherbestimmten Todesstunde war Gemeingut ( e.g. Verg. Aen. 10,467 stat sua cuique dies ; 10,471f. etiam sua Turnum | fata vocant metasque dati pervenit ad aevi ; Ov. trist. 3,3,29f. inplevit mea sors, quos debuit, annos, | et mihi vivendi … finis adest ; auch Stoiker vertraten sie, e.g. Sen. dial. 6,21,5-7 ) – ebenso wie die Möglichkeit, vor jener Schicksalsstunde aus dem Leben zu scheiden ( e.g. Ov. ars 3,17f. comes isse marito | fertur sc. Laodamia et ante annos occubuisse suos ; 3,739 ante diem morior ; Juv. 14,249f. morieris stamine nondum | abrupto ). Didos Sterbeszene spielt nachdrücklich auf sie an, und stand hier wohl Pate ( Verg. Aen. 4,696-699 quia nec fato meritā nec morte peribat, | sed misera ante diem eqs.; die Stelle zitieren auch DE SALAS 214 f. und COLLIGNON 124 ; siehe ferner das folgende Lemma ). Einen entschieden vergilischen Klang hat das ‚fordernde Schicksal‘ ( Aen. 4,614 sic fata Iovis poscunt ; 7,272f. hunc illum poscere fata … reor ; 8,11f. Aenean … fatis regem se dicere posci ; 8,477 fatis huc te poscentibus adfers, „hierher erscheinst du, vom Schicksal gerufen“; variiert 5,707 quae fatorum posceret ordo ; ferner Ov. fast. 1,381 poscit ovem fatum ; Vell. Pat. 2,123,2 si fata poscerent ; Sen. Tro. 352 fata si poscent, dabo ). NORDEN hielt die Wendung für ennianisch ( ad Verg. Aen. 6,45f. poscere fata | tempus, mit fata als Objekt ; er übersetzt : „jetzo gilt’s zu flehen um Schicksalsspruch“; s. auch Stat. Theb. 10,566 poscunt fata senes, „Greise verlangen nach dem Tod“ ). indemnatum spiritum effuderis ? : Wo der Soldat nicht allzu subtil mit dem schlichtesten aller Argumente operiert ( wir alle müssen einmal sterben ), appelliert die Magd an den Überlebenswillen ihrer Herrin. Der juristische Begriff indemnatus ( „unverurteilt“, vor Gericht für „unschuldig“ befunden ) wird hier übertragen verwendet : vom Schicksal ( BURMAN 669 ad loc. ergänzt a Parcis ; so auch GEORGES und Thes. ad loc.) „nicht dazu verurteilt“ sterben, und damit „aus freien Stücken“. Zu diesem höchst raren Gebrauch cf. Plaut. Capt. 908 pendent indemnatae pernae ( in der Speisekammer „hängen unverurteilte Schinken“ – denen nun Ungemach droht ); Thes. VII 1, 1134,64-68; OLD s.v. ( ad loc.). Zu dem korrespondierenden damnare cf. Verg. Aen. 4,699 Stygio … caput damnaverat Orco ( PECERE 100 sieht hier eine Anspielung auf eben diesen

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Vers der Dido-Episode; cf. die Aen.-Zitate § 12 und 112,2 ); Stat. Theb. 8,26 Fata ferunt animas et eodem pollice damnant ; Sil. Ital. 5,241f.: nur der stürzt sich in einen tödlichen Zweikampf, quem deus ima colentum | damnasset Stygiae nocti. Der Mörder Tlepolemus will in Charites Grab die von ihm selbst über sich verhängte Strafe erleiden: den Hungertod ( Apul. met. 8,14,5 inediā statuit elidere suā sententiā damnatum spiritum ). Zu spiritum effundere, „sein Leben aushauchen“, cf. Cic. Phil. 14,32 extremum spiritum in victoriā effudistis ; Verg. Aen. 1,97f. me … non potuisse tuā … animam hanc effundere dextrā ; OLD s.v. effundo 5b. Zu spiritus als Synonym für „Leben“ cf. 102,7 spiritum tamquam rem vacuam impendere ; OLD s.v. 3b. – Zu antequam mit dem Konj. cf. 88,8 Komm. == Bd. I, S. 143. § 12 id cinerem aut manes credis sentire sepultos ? : Mit einem berühmten Vers des Euripides : „da ist kein Mensch, der rundweg glücklich ist“ ( frg. 661,1 TrGF οὐκ ἔστιν ὅστις πάντ᾿ ἀνὴρ εὐδαιμονεῖ ), sucht in einer hellenistischen Komödie ein Sklave seinen Herrn zu trösten ( Philippides frg. 18 K.-A.). Mit eben diesem Vers beginnt bei Menander das Lamento eines Sklaven ( Aspis 407 ); Aristophanes legt ihn Euripides persönlich in den Mund ( ran. 1217 ). Etwas Vergleichbares geschieht hier : mit keinesfalls selbstverständlicher Bildung zitiert die Dienerin aus dem Zwiegespräch Annas mit ihrer Schwester, ihrem Appell, Dido solle ihrem Herzen folgen und der Sychaeus gelobten Treue entraten ( Aen. 4,6-53, bes. 4,34 id cinerem aut manīs credis curare sepultos ? ; 112,2 folgt Aen. 4,38 placitone etiam pugnabis amori ? ; Hieronymus schreibt einmal Aen. 4,32-34 aus ; cf. ep. 123,13 ). In Hist. Apoll. 18 zitiert der Erzähler mehrfach Verse vom Anfang des vierten Aeneis -Buchs, um das Aufblühen einer ehrbaren Liebe zu beschreiben ( A. SETAIOLI in epist.). „Petron nähert sich hier erstmals in der lateinischen Literatur der speziellen intertextuellen Form des Cento.“ ( HERZOG 1989, 94 ). Kundige Leser hören die Eröffnung von Annas Suasorie mit, die eindringliche Mahnung, ihre besten Jahre nicht kinderlos und ohne Liebe zu vertrauern – sowie Didos vorausgegangenen Treueschwur ( Aen. 4,28f. ille meos, primus qui me sibi iunxit, amores | abstulit ; ille habeat secum servetque sepulcro ). Laut MCGLATHERY 2001, 130 lese die Dienerin als „unsophisticated reader of Virgil“ die Aeneis falsch und vergesse die tragischen Konsequenzen von Annas Rat, der letztlich zu Didos Suizid führe. Unzutreffend ist freilich seine Annahme, die Novelle habe ein ‚happy end‘, und der Rat der Dienerin rette ihre Herrin vor dem sicheren Tod ( was aus seiner

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Sicht ja hieße, das exegetische ‚Missverständnis‘ der Dienerin habe sein Gutes gehabt ). Das epische Zitat rückt nicht nur die matrona endgültig in die Rolle Didos und die ancilla in die der Schwester ( s. S. 497f. ); es liefert uns zudem „ein erstes Signal für das zu erwartende Nachgeben der ephesischen Matrone“ ( C.W. MÜLLER 1980, 344 ; s. auch COURTNEY 2001, 170 ). In den ätherischen Höhen der Vorlage bewegt die imitatio sich nicht. Es geht nicht länger um die Entscheidung zwischen der Treue einem Toten gegenüber oder einer neuen Liebe; es geht um eine fundamentalere Frage: Tod, oder die Freuden des Daseins. Im Übrigen ist es nicht dieses Zitat, das den Sinneswandel der matrona bewirkt ( so SLATER 2012, 257: „it is precisely the maid’s quotation of Vergil that persuades the widow“ ). Es krönt vielmehr die Mahnung der Dienerin. sentire : Ihr Eingriff in den Text ( sentire statt curare ; letzteres übernahmen rtp φ Ioan. aus Vergil, ebenso BÜCHELER 1 ; s. auch PECERE 95-99; VANNINI 252 ad loc.) verschärft den skeptischen Ton. Während Anna den Verstorbenen Wahrnehmung zugesteht, spricht ihnen die epikureisch gesonnene Dienerin jegliche Empfindung ab. Ähnlich ( und ähnlich vorsichtig ) argumentiert Seneca in einer seiner Trostschriften: quid … iuvat dolori intabescere quem, si quis defunctis sensus est, finiri frater tuus cupit ? ( dial. 11,5,2 : „Was bringt es, sich in Schmerz zu verzehren, den – so die Hingeschiedenen Wahrnehmung besitzen – dein Bruder beendet wissen will ?“ ). Die Frage, ob den Toten irgendwelche Sinneseindrücke bleiben, hinterließ nicht nur in Mythos und Kultus Spuren; sie beschäftigte auch die Philosophie ( u.a. Plat. Menex. 248b εἴ τις ἔστι τοῖς τετελευτηκόσιν αἴσθησις τῶν ζώντων, „so die Verstorbenen etwas mitbekommen von den Lebenden“; Cic. Tusc. 1,82. 104-108 ). In einer reductio ad absurdum beweist Lukrez, dass auch eine körperlose Seele sensorische Qualitäten besitzen müsse ( 3,624 f. si inmortalis natura animaist | et sentire potest secreta a corpore nostro ). Dass auch Skeptiker vor solchen Ängsten nicht gefeit sind, räumt er später ein ( 3,874 f. quamvis neget ipse | credere se quemquam sibi sensum in morte futurum ). Für Plinius war der Fall klar ( nat. 7,188 omnibus a supremo die eadem, quae ante primum, nec magis a morte sensus ullus aut corpori aut animae quam ante natalem sc. diem eqs.); Lukans Pompeius lässt Alternativen gelten ( 3,39f. aut nihil est sensus animis a morte relictum | aut mors ipsa nihil ; zum epikureischen Hintergrund der Stelle cf. HUNINK ad loc.). Für einen hintergründigen Scherz nutzt Juvenal die Idee ( 2,153-158 ). Doch die ( meist konditional formulierte ) Frage bewegte Menschen weit über philosophische Zirkel hinaus; cf. u.a. Catull 96,1 f. si quicquam mutis gratum … sepulcris | accidere a nostro … dolore potest ; Cic. fam. 6,3,4 == 243,4

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Sh.B. si non ero, sensu omnino carebo ( und SHACKLETON BAILEY ad loc.); Phil. 9,13 si qui est sensus in morte ; Servius Sulpicius ap. Cic. fam. 4,5,6 quod si qui etiam inferis sensus est ; Prop. 4,6,83 gaude, Crasse, nigras si quid sapis inter harenas ( und G. HUTCHINSON ad loc.); Ov. trist. 4,10,85-90; Pont. 1,2, 111f. ne, si superest aliquis post funera sensus, | terreat et Manes Sarmatis umbra meos ; 2,2,98 si quid habet sensūs umbra diserta ; Ps.-Ov. cons. Liv. 469 haec sentit Drusus, si quid modo sentit in umbra ; Sen. dial. 11,9,3 si est aliquis defunctis sensus ; Persius 1,36f. ( und KIßEL ad loc.); Lukan 8,749 si quid sensus post fata relictum est ; 9,1094 f. sentiat adventum soceri vocesque querentis | audiat umbra pias ( Caesar heuchelt die Hoffnung, Pompeius’ Schatten spüre seinen Schmerz ); Ps.-Sen. Oct. 12f. tristes questūs natae exaudi, | si quis remanet sensus in umbris ; Stat. Theb. 12,214 f. si quis tibi sensus ad umbras ( eqs.). Sie taugt auch zum Fluch; cf. Prop. 4,5,2 et tua perpetuam sentiat umbra sitim ( perpetuam HEYWORTH : quod non vis codd.); Lukan 7,471 sensum post fata tuae dent, Crastine, morti ( tuae morti ~ tibi mortuo ). Gerade Grabinschriften treibt die Frage um ( e.g. Carm. Lat. Epigr. 1339,7f. suscipe nunc coniunx, si quis post funera sensus, | debita sacratis Manibus officia ; 1979,8 siquid tamen est post corpora sensus ). Cf. LIER 1904, 54 f.; LATTIMORE 1942, 59-65; VERDIÈRE 1991. vis tu reviviscere ? : „Willst du nicht wieder leben ?“ Die Grundbedeutung des Verbs schwingt mit : ( aus Sicht eines Toten ) „ins Leben zurückkehren“ ( cf. OLD s.v. 1a ). Fragen ohne Fragepartikel stehen der Umgangssprache nahe. Sie können ungläubig klingen ( e.g. 127,4 ), auftrumpfend ( e.g. 131,11 ), wie ein Ausruf ( e.g. 131,7 ), oder, wie hier, auffordernd. Verbreitet ist die Variante vis tu ( „du willst doch …“; hier anaphorisch wiederholt ohne tu ; zum Ausfall des tu im 2. Glied cf. HSZ 501 ); e.g. Hor. serm. 2,6,92 vis tu homines … praeponere silvis ? ; Liv. 39,42,11 vis tu … hunc Gallum morientem videre ? ; Sen. contr. 9,4,6 vis tu pudorem habere ? ; Plin. ep. 9,17,2 vis tu remittere aliquid ex rugis ? ( ~ „die Stirn glätten“ ); Mart. 10,83,9 vis tu simplicius senem fateri ? ( „willst du nicht einfach zugeben, dass du alt bist ?“ ); Tac. ann. 4,40,5; Juv. 5,74 f. vis tu consuetis … canistris | impleri ? ( „willst du dich bitte aus euren Brotkörben stärken ?“ ). Seneca liebt die Figur ( e.g. dial. 2,15,4 vis tu fortius loqui ? ; 5,37,5 vis tu aequo animo pati candidatus suffragia ? ; 6,9,3; 9,1,13; 10,19,2 vis tu … mente ad ista respicere ? ; ep. 47,10 vis tu cogitare … servum tuum … eodem frui caelo eqs.; 70,13; 78,19 vis tu post hoc dolorem deridere ? ; 124,23 ). Cf. KST 2,501f.; HSZ 460f.; 501; PETERSMANN 261; OLD s.v. uolō1 8 ( vis und vis tu ). Markante Alliteration auf vi- ( vis -vivis- vis ). Laut NORDEN ( ad Aen. 6,110ff.) ist das alliterierende v- „der Laut des Wehs“, laut PEASE ( 374 ad

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Aen. 4,60 ) signalisiert es Feierlichkeit, Entsetzen, oder Leid. – Zu dem emphatischen tu als pleonastischem Pers.pron. cf. 79,10 Komm. == Bd. I, S. 13. vis …, quam diu licuerit, lucis commodis frui ? : Die zweite Frage der ancilla setzt die erste voraus: „Willst du nicht wieder leben ? Und solange es geht, dich deiner Erdentage erfreuen ?“ Ein Gemeinplatz der consolatio ist die „unzählige Male ausgesprochene Aufforderung, das so kurze Leben intensiv zu genießen“ ( KASSEL 95 ); e.g. Eur. Alc. 782-784 ; Menander frg. 303 K.-A.; Amphis frg. 8 K.-A. πῖνε, παῖζε· θνητὸς ὁ βίος, ὀλίγος οὑπὶ γῇ χρόνος κτλ. ( „Trinke, scherze ! Endlich ist das Leben, kurz die Zeit hier auf Erden !“ ). Trimalchio will ihn leben ( s. das übernächste Lemma ). Im Mund der Magd gewinnen die hier angepriesenen commoda einen maliziösen Unterton: sie verweisen auf das baldige Nachgeben der matrona gegenüber ganz anderen „Lockungen“ ( VANNINI ad loc.). Zu lux als poetischem Synonym für „Leben“ cf. e.g. Cic. Tusc. 2,10 finem huius lucis ; Verg. Aen. 4,31 o luce magis dilecta sorori ; 4,452; 4,630f. haec ait sc. Dido … invisam quaerens quam primum abrumpere lucem ; 9,205 est hic, est animus lucis contemptor ; 12,873f. Juturna zu Turnus : qua tibi lucem | arte morer ? ; Thes. VII 2, 1910,6-1911,4 ; OLD s.v. 6a; PECERE 94. Nicht nur im Hauptsatz (cf. ad 87,5 == Bd. I, S. 121 ), sondern auch in Nebensätzen kann das Fut. exact. ( licuerit ) umgangssprachlich an die Stelle des einfachen Futurs treten (cf. SCHRIJNEN – MOHRMANN 2,43-45 ; KST 1,151f. ; HSZ 323 ; PETERSMANN 173f.). Sämtliche Belege der Sat., urban wie vulgär, finden sich in wörtlicher Rede (u.a. 102,11 ; 113,11; 127,2 ; 137,3; s. auch 98,3 Komm. == Bd. I, S. 305 ). discusso muliebri errore : Das „weibliche Missverständnis“, das es auszumerzen gilt, ist der Wunsch der matrona, um ihres verstorbenen Gatten willen allen irdischen Freuden abzuschwören, ja dem Leben selbst zu entsagen. Das Stichwort muliebris legt nahe, einzig Frauen erlägen solchen „Verirrungen“. Ähnlich äußert sich bereits Pacuvius ( trag. 269 R.3 fletus muliebri ingenio additus ); Cicero ( Tusc. 3,62 illa varia et detestabilia genera lugendi : paedores, muliebres lacerationes genarum, pectoris feminum capitis percussiones ; s. auch 3,70-72; 4,60 obicimus maerentibus imbecillitatem animi ecfeminati ) und Seneca sekundieren ( u.a. ep. 63,13, zit. oben S. 508; cf. dial. 6,1,1: die infirmitas muliebris animi zeige sich in übermäßiger Trauer ; 6,7,3 magis feminas quam viros … eadem orbitas vulnerat, „… derselbe Verlust“; s. auch PECERE 101f., sowie oben S. 508f. zur ‚übermäßigen‘ Trauer gerade von Frauen ). Dass auch gestandene Römer vor ‚exzessivem‘ Schmerz nicht gefeit waren,

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belegen Senecas wiederholte Kritik an „unmännlich“ trauernden Zeitgenossen ( e.g. ep. 99,2 tam molliter tu fers mortem filii ? eqs.) und Ciceros schwere Depression nach dem Tod Tullias. Die rare Wendung errorem ( errores ) discutere scheint Lukrezens Einfall ( 4,996 discussis … erroribus, von trügerischen Traumbildern; gleichfalls abl. abs.); cf. Colum. arb. 27,1 existimavimus errorem huius opinionis discutiendum ; Sen. nat. 1 praef. 2 errores nostros discutit ( sc. die Philosophie ); ep. 94,5 si ille sc. mentis error discutitur eqs.; 104,13; Thes. V 1, 1374,33-35; V 2, 818, 81f. – Die Junktur muliebris error erscheint nur noch Val. Max. 7,8,3 ( vom bewussten Verzicht einer Frau, ein ungerechtes Testament anzufechten [ ebd. § 2 ]; cf. Thes. V 2, 819,72f. ). ipsum te iacentis corpus admonere debet ut vivas : „Siehe selbst diese Leiche sollte dich belehren, wie flüchtig das Leben sey !“ ( HEINSE ). Nicht als Finalsatz ( wie hier ), sondern als Hortativ präsentiert Trimalchio seinen Gästen sein von der larva argentea untermaltes ‚memento mori‘ : eheu nos miseros, quam totus homuncio nil est ! | sic erimus cuncti, postquam nos auferet Orcus. | ergo vivamus, dum licet esse bene ( 34,10; cf. ebd. §§ 8-10; 72,2 ergo … cum sciamus nos morituros esse, quare non vivamus ? ; 99,1 und Bd. I, S. 312 ). Elegisch klingt Lukrez ( 3,914 f. brevis hic est fructus homullis ; | iam fuerit, neque post umquam revocare licebit ), stoisch Martials greiser Gatte zur jungen ‚hysterischen‘ Gattin ( 11,71,5 vir rogat ut vivat virides nec deserat annos ; zit. DE SALAS 215 ). Hier braucht es kein silbernes Gerippe: der Tote selbst dient als Mahnmal – wie in Martials Epigrammen Augustus’ Mausoleum ( 2,59,4 ipse iubet mortis te meminisse deus ; 5,64,5f. vicina iubent nos vivere Mausolea, | cum doceant ipsos posse perire deos ; s. auch LIER 1904, 56-59 ~ § 46 „adhortatur defunctus homines, ut vita fruantur“; ferner COLLIGNON 53; RAITH 1963, 43f. ). Aus dem Partizip will HUBER 1990, 46 bereits den späteren Euphemismus heraushören ( iacentis ~ 112,3 iacuerunt ergo una eqs.) – wohl zu Unrecht. § 13 nemo invitus audit, cum cogitur aut cibum sumere aut vivere : Wie das folgende itaque stimmt der Kommentar des Erzählers den Leser auf die Reaktion(en) der matrona ein ( s. auch Sen. contr. 4 exc. 1 nemo sibi ipse finem flendi facit ; pudet illos desinere, cogi volunt, „niemand hört von sich aus auf zu weinen; sie schämen sich aufzuhören, sie wollen, dass man sie zwingt“ ). Auch Charite lässt sich zunächst ‚zum Leben zwingen‘ ( Apul. met. 8,6,7 aegre manibus erepta suorum invita remansit in vita ) – ja sogar zum Essen überreden ( ebd. 8,7,6 extorquet tandem … paene conlapsa membra … cibo … confoveret ; zur Geschichte cf. oben S. 497 Anm. 39 ).

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Böse Zungen unterstellten Senecas Gattin Paulina, bei ihrem Selbstmordversuch sei sie „dem Sirenenruf des Lebens erlegen“ und habe sich bereitwillig retten lassen ( Tac. ann. 15,64,2 famam sociatae cum marito mortis petivisse, deinde oblatā mitiore spe blandimentis vitae evictam ; laut KER 2009, 110112, parodiere Petron hier Senecas Trostworte für Paulina ; s. auch KARAKASIS 2016, 523f. ). Wie vor allem nemo invitus andeutet, lässt die matrona sich die Nötigung gerne gefallen; nicht allzu schweren Herzens sagt sie der Rolle der ‚Trauernden‘ Lebewohl. Nun, da sie nicht länger das Gesicht wahren muss, brechen sich ihre natürlichen Bedürfnisse alsbald machtvoll Bahn. Der Satz vereint eine kleine Anthologie an Stilmitteln: die Litotes, die ‚fast oxymoronhafte Kombination‘ invitus – cogitur ( COURTNEY 2001, 171; s. auch BLUME 1974, 45: „ein kaum zufälliges Oxymoron zu einer Zeit, da so viele – und schließlich auch Petron selber – zum Selbstmord gezwungen wurden“ ), die Paronomasie invitus – vivere, und das in ihr enthaltene „Paradoxon, daß hier jemand zum Leben gezwungen werden soll“ ( C.W. MÜLLER 1980, 344, nach PECERE 102f.; letzterer zitiert Cic. Att. 3,3 utinam illum diem videam cum tibi agam gratias quod me vivere coëgisti ! , und erinnert an Eumolps ‚Lebensweisheit‘: nihil est tam arduum quod non improbitas extorqueat, 87,3; s. auch S. 557 zu 112,1 ut matrona vellet vivere ). Das Nebeneinander von cibum sumere und vivere ist kaum beliebig – und der Hinweis auf die eingenommene Nahrung alles andere als „ganz banal“ ( PETERSMANN 260 ): sie weckt die Lebensgeister der matrona ( eine ähnliche Beobachtung macht bereits Lukrez 5,1390f.: haec animos ollis mulcebant atque iuvabant | cum satiate cibi ; nam tum sunt omnia cordi : der Gesang der Vögel besänftigte die Herzen der Hirten von einst, wenn sie gesättigt waren; „denn dann ist alles willkommen“; M. DEUFERT in epist.). In gewisser Weise verteilen sich die beiden Aktionen auf die beiden Mahner, den miles ( zu cibum sumere cf. § 8 attulit … cenulam suam ; § 10 temptavit dare mulierculae cibum ), und die ancilla ( in vivere verdichten sich ihre lebhaften Appelle § 12: reviviscere ; lucis commodis frui ; ut vivas ). Audire hat hier den Unterton „auf jdn. hören, gehorchen“ ( BOURDELOT ap. BURMAN 670; cf. OLD s.v. 11ab ). FRAENKEL tilgte aut cibum sumere aut ( cf. 1974, 689f.: „non vedo l’opposizione tra cibum sumere e vivere “; laudantibus NISBET 1962, 228; PETERSMANN 260; SULLIVAN 1976, 118 ; so MÜLLER bis ed.2 und WARMINGTON ; Kritik äußern PECERE 104 f. und L. PEPE, in: E. Flores ( Hrsg.), La critica testuale greco-latina, oggi, Rom 1981, 271-273 ). MÜLLER 2a verwarf sie zurecht : „Die Tilgung beruhte auf der irrigen Annahme, daß aut … aut immer scharfe Gegensätze bezeichne.“ ( 491f., mit Verweis

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auf C.F.W. MÜLLER, Cic. Lael. ( ed. mai.) Leipzig 1876, 469f. ; KST 2,104 f.; für einfaches aut ohne ausschließende Kraft zitiert er Sat. 14,2,2 und 111,2 ). Banal ist SCHOPPIUS ’ Korrektur bibere ( so DÍAZ Y DÍAZ ). itaque mulier aliquot dierum abstinentiā sicca : Zu den Auswirkungen des Nahrungsverzichts cf. Catull 23,12-14 atqui corpora sicciora cornu | aut siquid magis aridumst habetis | sole et frigore et esuritione. Zu ihrem Fasten zählt auch der Verzicht auf Wein ( VANNINI ad loc.; cf. Thes. I, 192,11-15 „de potu“, und e.g. Plin. nat. 28,224 vini abstinentia ). Doch wie dem Leser bald genug schwant, zielen sowohl abstinentia als auch sicca ( „ausgezehrt“; cf. OLD s.v. 7 ) tiefer als nur auf ihren Durst und Hunger ( ähnlich PECERE 106f.; VANNINI ad loc.; SCHMELING – SETAIOLI 432 ). Zu dieser Bedeutung von sicca cf. Ov. ars 2,685f. odi, quae praebet, quia sit praebere necesse, | siccaque de lanā cogitat ipsa suā ; her. 15,133f. omnia fiunt : | et iuvat et siccae non licet esse mihi ; Mart. 11,81,2 et iacet in medio sicca puella toro ; Epigr. Bob. 36,8 ( zum entgegengesetzten Aggregatzustand cf. Mart. 11,16,7f. nequitias nostri … libelli | uda, puella, leges ; Juv. 10,321f. quid enim ulla negaverit udis | inguinibus ? ). Zu abstinentia „de eo qui abstinet rebus venereis“ ( Thes. I, 192,42-61 ) cf. u.a. Sen. contr. 1,2,13 ad omnium … obscenarum rerum abstinentiam sc. refertur castitas; 1,2,22 istam maritorum abstinentiam ( ironisch ); Val. Max. 4,3 ext. 3; Sen. ep. 49,12 alieni corporis abstinentia ; Quint. inst. 2,2,4 neque vero sat est summam praestare abstinentiam ; 11,3,19 veneris abstinentia ; des weiteren etliche christliche Belege. Eumolp greift den Wortstamm nochmals auf ( 112,2 ne hanc quidem partem corporis mulier abstinuit ). passa est frangi pertinaciam suam : „Die Atmosphäre doppeldeutiger Ironie schlägt um in offenen Sarkasmus“ ( PECERE 106; cf. ebd.: „anche il linguaggio … perde ogni dimensione spirituale per assumere una fisicità corposa“ ). Pertinacia hat weit öfter einen negativen ( OLD s.v. a: „obstinacy, stubbornness, defiance“ ) als einen neutralen Unterton ( ebd. b: „dogged determination, pertinacity“ ; so wohl § 10 expugnare dominae pertinaciam coepit ). Passend zum ironischen Subtext der Erzählung verschiebt sich hier, wo der miles sie ‚bricht‘, die Wertung ihres Verhaltens ins Negative: „ihren Eigensinn, ihre Störrigkeit, Widerspenstigkeit“. Wie sicca, wirft auf seine Weise auch passa est Licht auf das Kommende ( cf. 25,4 virum passa sum ; 87,1 ut pateretur satis fieri sibi ; zu pati in erotischen Kontexten cf. 86,1 Komm. == Bd. I, S. 107 ). Zu frangere in Gefühlsdingen cf. e.g. Cic. Sest. 20 vultu … collegae sui libidinem levitatemque franget ; Pis. 31 abiecti hominis … furorem petulantiamque fre-

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gistis ; Planc. 9 tu virtutem, tu innocentiam, tu fidem, tu labores tuos … fractos esse et abiectos et repudiatos putas ? ; Hor. c. 2,7,11 fracta sc. est virtus ; Sen. benef. 4,23,1 num dubium est, quin … solis … calore … hiemis tristitia frangatur ; Ps.Sen. Herc. Oet. 997f. frangens mala | erres per orbem ; Thes. VI 1, 1246,641247,18 „de affectibus, vitiis sim.“ Die Junktur hier verwendet Livius für militärischen Widerstand ( 38,15,10 tum demum fracta pertinacia est ). Zum erotischen Unterton des Verbs zitieren SCHMELING – SETAIOLI 432 Ovids miles im Vergleich mit dem regulären Soldaten ( am. 1,9,19f. ): ille graves urbes, hic durae limen amicae | obsidet ; hic portas frangit, at ille fores. nec minus avide replevit se cibo quam ancilla : Der Anblick der „gierig“ Schlingenden ( cf. 96,4 iniuriā Eumolpi velut quodam cibo me replebam ) hinterlässt erste Risse im makellosen Bildnis der singularis exempli femina ( § 3). Hat sie Ovids Rat vergessen, Frauen sollten auf gute Tischmanieren achten und beim Rendezvous zurückhaltend zugreifen ( ars 3,755-760, bes. 759f. Helenen avide si spectet edentem sc. Paris eqs.) ? Hier scheint mehr am Werk als nur „die wiedererwachte Lust am Leben, die sich in einem gesunden Appetit äußert“ ( C.W. MÜLLER 1980, 345; zu se cibo replere und verwandten ‚animalischen‘ Wendungen im Tierreich cf. PECERE 108 ). Seinen attraktiven neuen Mundschenk begrüßt Eumolp euphorisch ( 92,5 ‚malo te … quam balneum totum‘ siccatoque avide poculo eqs.). Die matrona reagiert wortlos, doch im Grunde gleich. Ihre Vesper ist nicht nur die Voraussetzung für ihre baldige satietas ( 112,1 ) – sie wird das ‚Vorspiel‘ bzw. hors d’œuvre zum späteren ‚Hauptgang‘. SCHMELING – SETAIOLI 429 ad loc. zitieren 24,7 cras in promulside libidinis nostrae militabit. Darf man auch an Catull denken ( 80,5f. an vere fama susurrat | grandia te medii tenta vorare viri ? ; dieselbe Assoziation hatte BOLDRINI 1988, 314 ) ? quae prior victa est : SULLIVAN 1976, 118 zog die Tilgung des Relativsatzes in Betracht. Doch wie wir von der ancilla eigens erfahren, dass sie ‚besiegt‘ ist ( § 10 victam manum ), erfahren wir es hier expressis verbis von der matrona – wenn auch ( dank des prior ) ‚durch die Blume‘. Auch ihre ‚Trutzburg‘ ( pertinacia ) ist nun ‚bezwungen‘. Der Relativsatz darf nicht fehlen.

Kap. 112 § 1 ceterum scitis : Kurz zuvor kommentierte ein schlichter Gemeinplatz das Geschehen ( 111,13 nemo invitus audit eqs.). Nun spricht Eumolp seine Zuhörer unmittelbar an ( wie bereits im ‚Epheben‘: 86,6 scis quanto facilius sit columbas … emere quam asturconem ; BLUME 1974, 54 Anm. 26 vergleicht den Kommentar Apul. met. 10,2,6 iam cetera salutis vultūsque detrimenta et aegris et amantibus examussim convenire nemo qui nesciat eqs.). Mit einem diskreten Rätsel weckt er nicht nur ihre Neugier ; augenzwinkernd macht er sie zu verschworenen Mitwissern – und verrät zwischen den Zeilen den Fortgang der Geschichte. quid plerumque soleat temptare humanam satietatem : Die nüchterne Formel klingt fast nach einem Naturgesetz ( PECERE 109 ; zu ihrer sprichwörtlichen Qualität cf. VANNINI 2011, 78 ). Die indirekte Frage umschifft elegant Begriffe wie e.g. voluptatem oder libidinem, das metonymische Abstractum ( humanam satietatem ) e.g. ein pransam et saturam matronam ( cf. unten Catull 32,10 ). Zu dem euphemistischen quid zitiert PECERE 110f. Trimalchios Prahlerei : et ipsimae satis faciebam. scitis quid dicam : taceo ( 75,11 ). Auf wen das Mahl stimulierend wirkt, lässt der Text offen. Doch nirgendwo lesen wir, der miles habe selbst zugegriffen. Gemeint ist eindeutig die Wirkung besagter Stärkung auf sein attraktives Gegenüber. Zu dieser bereits in Hellas populären Vorstellung cf. Eur. Cycl. 327f. πέπλον | κρούω … κτυπῶν ( „meinem Mantel setze ich energisch zu“; cf. Catull 32,10f. ); frg. 895 TrGF ἐν πλησμονῇ τοι Κύπρις, ἐν πεινῶντι δ᾿ οὐ ( „gesättigt verspürst du Verlangen, nicht als Hungerleider“; cf. R. KANNICHT ad loc.); Men. Heros 15-17 ( und GOMME – SANDBACH ad loc.). Nicht anders sahen es römische Autoren; cf. Plaut. Most. 690-699, bes. 694-696 non mihi forte visum ilico fuit | melius quom prandium, quam solet, dedit. | voluit in cubiculum abducere me anus ; Ter. Eun. 732 sine Cerere et Libero friget Venus ( und OTTO 366 s.v. Venus ); Catull 32,10f. pransus iaceo et satur supinus | pertundo tunicamque palliumque ; Persius 6,71-73 satur anseris extis, | cum morosa vago singultiet inguine vena, | patriciae immeiat vulvae ( und KIßEL 852f. ad loc.). Augustin notiert besorgt, wie anfällig ihn ein sättigendes Mahl für „die Schlingen der Begierde“ macht ( conf. 10,31,44 laqueus concupiscentiae ). Umgekehrt „kuriert die Arznei Hunger die Lust“ ( Marcus Argentarius A.P. 5,113,2 == GP 1340 λιμὸς φάρμακον οἷον ἔχει ); cf. Achaios frg. 6,2 TrGF πεινῶσιν … ἡ Κύπρις πικρά ( „Hungerleidern ist Kypris gram“ ); Kallimachos epigr. 46,5f. Pf. == A.P. 12,150,5f. == HE 1051f. τοῦτο ... χἀ λιμὸς ἔχει μόνον ἐς τὰ πονηρά | τὠγαθόν· ἐκκόπτει τὰν φιλόπαιδα

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νόσον, „dieses als einziges hat der Hunger bei allem Schlechten als Gutes: er treibt die Krankheit Knabenliebe aus“ ). Oft genug wird nachdrücklich dem Wein ( der auch hier im Spiel ist ) aphrodisierende Wirkung zugesprochen; cf. 130,7 hausi parcius merum, und Bakchylides frg. 20B, 6-9 Snell εὖτε νέων ἁπαλὸν γλυκεῖ ᾿ ἀνάγκα | σευομενᾶν κυλίκων θάλπησι θυμόν, | Κύπριδός τ᾿ ἐλπὶς διαιθύσσηι φρένας, | ἀμμειγνυμένα Διονυσίοισι δώροις ( „wenn der süße Zwang eilender Becher empfindsame Jünglingsherzen wärmt und die Erwartung der Kypris durch ihre Sinne stürmt, vereint mit den dionysischen Gaben“; übers. H. MAEHLER ); Eur. Bacch. 773f.; Prop. 1,3,13f. quamvis duplici correptum ardore iuberent | hac Amor hac Liber, durus uterque deus ( und FEDELI ad loc.); 3,17,1-5 o Bacche, … per te iunguntur, per te solvuntur amantes ; Ov. ars 1,229-244, bes. 237 vina parant animos faciuntque caloribus aptos ; 244 Venus in vinis ignis in igne fuit ; rem. 803-810, bes. 805f. vina parant animum Veneri, nisi plurima sumas | ut stupeant multo corda sepulta mero ; met. 12,219-221 tibi … quam vino pectus tam virgine visā | ardet, et ebrietas geminata libidine regnat ; Plin. iun. 3 FLP == Anth. Lat. 710; Mart. 4,66,11f. vilica vel duri compressa est nupta coloni, | incaluit quotiens saucia vena mero ; Ach. Tat. 2,3,3. Aus eben solchen Befürchtungen heraus verwehrte die alte Republik Frauen den Wein ( Val. Max. 2,1,5b vini usus olim Romanis feminis ignotus fuit, ne scilicet in aliquod dedecus prolaberentur, quia proximus a Libero patre intemperantiae gradus ad inconcessam venerem esse consuevit ), denn quaecumque femina vini usum immoderate appetit, omnibus et virtutibus ianuam claudit et delictis aperit ( ebd. 6,3,9; s. auch Sat. 138,3 aniculae … solutae mero ac libidine ). Apuleius findet sprechende Bilder ( met. 2,11,2 ): Veneris hortator et armiger Liber advenit ultro. vinum istud hodie sorbamus omne, quod nobis restinguat pudoris ignaviam et alacrem vigorem libidinis incutiat. hac enim sitarchia navigium Veneris indiget sola, ut in nocte pervigili et oleo lucerna et vino calix abundet. Ebenso Heliodor : „Der Trunk versetzte Arsake in einen noch stärkeren Rausch. Während sie ihn schlürfte, starrte sie Theagenes unverwandt an, und trank tiefer von der Liebe als vom Wein“ ( 7,27,3 … καὶ τοῦ ἔρωτος πλέον ἢ τοῦ κράματος ἕλκουσαν ; übers. z.T. nach R. REYMER ). quibus blanditiis impetraverat miles ut matrona vellet vivere : Quibus blanditiis meint weniger die früheren Worte des Soldaten ( als Verführung taugt die consolatio von 111,8 kaum ; und letztendlich schuldet die matrona ihren Sinneswandel vor allem ihrer Magd; zu dem alliterierenden Finalsatz und dem Stichwort vivere cf. 111,12 vis tu reviviscere ? eqs.) als sein Auftreten insgesamt: „mit eben der Liebenswürdigkeit“ ( EHLERS ; cf. 113,7 omnia … oscula …, omnes blanditiae ; 140,11 nec se reiciebat a blanditiis doctissimus puer, und e.g. Ov. am. 3,1,46 haec est blanditiis ianua laxa meis ). Aus Sicht des

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Erzählers „ergibt sich … ein bruchloser Übergang von der ersten Nachgiebigkeit der Witwe zu ihrer zweiten“ ( C.W. MÜLLER 1980, 345 ). Auch anderen Orts finden sich solche Ermutigungen zum Leben; cf. Cic. Verr. 2,5,126 quo confugient socii ? quem implorabunt ? qua spe denique, ut vivere velint, tenebuntur, si vos eos deseretis ? ; Sen. suas. 6,12 spero me Ciceroni meo persuasurum, ut velit vivere ; contr. 6 exc., 4 ut vivere vellet, uxor illi persuadere non potuit ; Justin epitoma 12,8,6: der von Alexander besiegte indische König Porus victum se adeo doluit, ut, cum veniam ab hoste accepisset, neque cibum sumere voluerit neque vulnera curari passus sit aegreque sit ab eo obtentum, ut vellet vivere ( als AcI Sen. dial. 6,18,8 respondebis velle te vivere ). īsdem etiam pudicitiam eius aggressus est : Ohne Zeit zu verlieren, gehen der Soldat und die Erzählung zum nächsten Schritt über. Kaum hat sie den letzten Bissen ‚verschlungen‘, bedrängt der miles die nächste ( und zugleich letzte ) Verteidigungslinie der matrona – mit zusehends aggressiverem Vokabular ( 111,8 coepit … hortari ; 111,10 temptavit ; 111,10 expugnare dominae pertinaciam coepit sc. ancilla ). Zur Rolle der Beredsamkeit in der Verführung cf. Ov. ars 1,459-462 disce bonas artes …, Romana iuventus …: quam populus iudexque gravis …, tam dabit eloquio victa puella manūs ( s. auch 1,477 Penelopen ipsam, persta modo, tempore vinces ). Fraglich bleibt, ob pudicitia hier wirklich als euphemistisches ‚abstractum pro concreto‘ zu verstehen ist ( parallel zu § 2 hanc … partem corporis ), wie ADAMS 255 meint. § 2 nec deformis aut infacundus iuvenis castae videbatur : Bei Achilleus Tatios heißt es von einem jungen Verführer : „er war attraktiv anzuschauen und wortgewandt und ausgesprochen überzeugend“ ( 8,17,4 ἦν δὲ καὶ ὀφθῆναι καλὸς καὶ στωμύλος, πιθανώτατος ). Auch von den Vorzügen der zweiten Hauptfigur erfährt der Leser erst verspätet. Nimmt die matrona den miles erst jetzt, wo sie sich gestärkt hat, richtig wahr ( wie einst Daphnis Chloe, „als habe er zum ersten Mal Augen und sei vorher blind gewesen“; Longos 1,17,3 ὥσπερ τότε πρῶτον ὀφθαλμοὺς κτησάμενος, τὸν δὲ πρότερον χρόνον πεπηρωμένος )? Das legt ein Detail nahe, das im Fall des miles Andeutung bleibt ( 111,7 visa ), hier aber ausgesprochen wird: das ästhetische Urteil stammt nicht vom Erzähler, sondern von ihr. Wir sehen den miles durch ihre Augen – wie bei Vergil durch die Augen Didos Aeneas ( Aen. 4,4 f. haerent infixi pectore vultūs | verbaque ; Aeneas’ vultūs entspricht hier nec deformis, seinen verba das nec infacundus ; so bereits COLLIGNON 124 f., der auch Aen. 4,10f. zitiert : quis novus hic nostris successit sedibus hospes, | quem sese ore ferens, quam forti pectore et armis ! ).

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Dank der ‚collocatio‘ iuvenis – castae ( nach 111,4 aegrae – fidissima ancilla und 111,5 cadaver – matrona die dritte ‚intime Konstellation‘ ; FEDELI 1986, 22 ) und der kaum zu überhörenden Ironie in dem „züchtig“ ( so bereits ein Anonymus ap. BURMAN 671; s. auch Priaps Warnung vor der eigenen Statue, Priap. 8 : matronae procul hinc abite castae, | turpe est vos legere impudica verba. | non assis faciunt euntque rectā : | nimirum sapiunt videntque magnam | matronae quoque mentulam libenter ) wird spätestens jetzt klar, wie ‚der Hase laufen‘ wird ( cf. HUBER 1990, 22; SCHMELING – SETAIOLI 433: „the reader … recognizes all the signs of a victorious miles “ ). Die Litotes steht in feinem Kontrast zu dem Superlativ für die matrona ( 111,7 visā … pulcherrimā muliere ). Die Qualitäten der beiden bilden zwei wohlabgestimmte Paare : wie sie ihm pulcherrima erscheint, so der Soldat ihr nec deformis ( s. auch 74,8 puer non inspeciosus ); wie sie notae … pudicitiae ist ( 111,1 ), so ist der Soldat mitnichten infacundus, sondern „wortgewandt, eloquent, zungenfertig“ ( „wenn man aber weiß, wozu er die Frau überreden will, dann wirkt ihre Feststellung, daß er seine Worte wohl zu setzen versteht ( facundus ), sehr amüsant“; BLUME 1974, 47 ; dass der Begriff hier das gesamte ‚Auftreten‘ des Soldaten beschreibe – so FRAENKEL 1974, 689 –, ist unwahrscheinlich ). Diese Beredsamkeit lässt sich noch durch den Schleier der oratio obliqua erkennen ( 111,8; noch deutlicher in den eleganten Formulierungen 112,6 ) – und in seinem baldigen ‚Sieg‘ ( § 2 victorque miles utrumque persuasit ). Das seltene infacundus hat einen Penchant für die Litotes; cf. Liv. 4,49,12 tribunus plebis, vir acer nec infacundus ; 10,19,6 ne infacundus quidem adversus eximiam eloquentiam collegae ; Suet. Claud. 40,3 principi neque infacundo neque indocto ( ohne Litotes Liv. 7,4,6 quia infacundior sit et linguā impromptus ; Gell. 18,3,6 inopi linguā et infacundum ); cf. Thes. VII 1, 1336,62-70; MARBACH 1931, 81. Eine Anspielung auf Ovids Porträt des Odysseus will hier LA PENNA 1985 a, 46 erkennen: non formosus erat, sed erat facundus Ulixes, | et tamen aequoreas torsit amore deas ( ars 2,123f. ). – Zu dem substantivisch gebrauchten Adjektiv casta cf. LABATE 1990, 186 ( „alla casta signora“ ). Zu der eleganten Kombination nec – aut ( in der Dichtung seit Prop. 2,17,15f. nec libet in triviis siccā requiescere lunā | aut per rimosas mittere verba fores ; 3,22,35f. cornua nec valuit curvare in paelice Iuno | aut faciem turpi dedecorare bove ) cf. 110,8 nec se tragoedias veteres curare aut nomina saeculis nota ; BC 197f.; KST 2,104 ; LÖFSTEDT I, 347f. Anm. 3; HSZ 522; PECERE 114. Charme besitzt ROHDEs Konjektur pastae ( cf. Sat. 130,7 cibis validioribus pastus ): „der soldat erschien der witwe nunmehr recht annehmlich, da sie, durch die eingenommene nahrung gestärkt, die dinge wieder mit andern augen anzusehen begann“ ( 1879, 847f. ). COURTNEYs konzessives ‹ quam-

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vis › castae, „ungeachtet ihrer Sittsamkeit“ ( 1970, 68 ), macht die Ironie des Urteils zunichte. conciliante gratiam ancillā ac subinde dicente : „wobei die Magd das erwachende Interesse ihrer Herrin bestärkte und immer wieder sagte“ ( modaler abl. abs.). Wieder ist es die fidissima ancilla ( 111,4 ), die dem miles zu Hilfe kommt und ins Bollwerk der matrona eine Bresche schlägt. Eben noch die Stütze ihrer trauernden Herrin, die deren Schmerz solidarisch teilte, schlüpft sie nun in die klassische Rolle der Kupplerin ( so bereits PECERE 115; s. auch KARAKASIS 2016, 512f., ferner oben S. 549f. zu 111,12 vis tu reviviscere ? ). Abermals kommt sie persönlich zu Wort, mit einem Zitat, das ein Schlüsselargument zur sententia verdichtet. Kaum anders agiert Arsakes Kammerfrau, die Theagenes die Vorzüge ihrer Herrin anpreist : „Sie enthüllte ihm die Wünsche Arsakes nicht offen und klar, sondern brachte sie ihm durch Umschreibungen und Andeutungen bei, indem sie das Wohlwollen ihrer Herrin für ihn betonte ( τήν τε περὶ αὐτὸν φιλοφροσύνην τῆς δεσποίνης ), ihm ihre Reize … vor Augen führte, … ihr liebenswürdiges und zugängliches Wesen usw.“ ( Heliodor 7,19,7; übers. R. REYMER ). Zu conciliare cf. 109,5 epulae … conciliant hilaritate concordiam, „die Köstlichkeiten sorgen für heitere Stimmung und werben für Versöhnung“; 127,5 tanta gratia conciliabat vocem, „eine solche Anmut verzauberte ihre Stimme“; 141,8 caro … arte … stomacho conciliatur averso ( cf. OLD s.v. 3 „to render a person or thing acceptable, to commend, endear“ ). Das gut bezeugte gratiam conciliare ( z.T. präzisiert durch inter aliquos oder alicuius gratiam ) kennt etliche Schattierungen: „für Wohlwollen werben“, „zu Beliebtheit verhelfen“, „Sympathien vertiefen“, „Freundschaft stiften“, „sich um Aussöhnung bemühen“ ( u.a. Plaut. Trin. 442f. me ad te misit, inter te atque nos | adfinitatem ut conciliarem et gratiam ; Cic. Cluent. 100 conciliandae gratiae causā ; Brut. 156 aequalitas vestra … vestram gratiam … conciliare videatur, „eure Gleichaltrigkeit scheint eure Sympathien zu vertiefen“; Manil. 70 Cn. Pompei gratiam mihi … conciliari, „mir Pompeius’ Wohlwollen zu erwerben“; Liv. 39,7,4 ad populi quoque gratiam conciliandam … valuerunt, „sie schafften es, ihn auch beim Volk beliebt zu machen“; Plin. nat. 21, 159; Suet. Cal. 3,1 conciliandae … hominum gratiae … studium, „sein Trachten, die Gunst der Leute zu gewinnen“; Thes. IV, 42,63-66 ). Hier oszilliert die Wendung zwischen gratiam dominae ( „das erwachende Interesse ihrer Herrin“ ) und gratiam inter eos ( „ihr Interesse füreinander“ ). Vielleicht schwingt ein ( ansonsten nicht bezeugter ) Unterton mit:

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„wobei ihr die Dienerin seinen Charme ans Herz legte“ ( cf. RAGNO 2009, 147 : „l’ancella gliene faceva la propaganda, renderglielo ben accetto“ ). HUBER 1990, 46 sieht gratia ‚erotisch aufgeladen‘ ( wie 87,1 rogare coepi ephebum ut reverteretur in gratiam mecum ; 87,6 cum puero in gratiam redii ususque beneficio eius eqs.), und deutet conciliare im Sinn der Komödie als „jdm. ein Mädchen ( im guten Sinn ) durch Werbung um sie, ( im üblen Sinn ) durch Kuppelei zur Gemahlin oder Buhlin verschaffen“ ( cf. OLD s.v. 1 b ). placitone etiam pugnabis amori ? : Das zweite Aeneis -Zitat im Mund der Magd ( 4,38; cf. 111,12 ), der die Wirkung des ansehnlichen miles auf ihre Herrin nicht entgangen ist ( placitus hat hier womöglich einen Subtext : „attraktiv, sexuell anziehend“; cf. OLD s.v. 1; SCHMELING – SETAIOLI 433: „ placito … amori == nec deformis aut infacundus “ ). Es stammt ebenfalls aus dem Gespräch Annas mit Dido. Sie erinnert ihre Schwester daran, dass sie die Hand der ungeliebten Stammesfürsten ausgeschlagen habe ; nun solle sie endlich der Stimme ihres Herzens folgen. [ nec venit in mentem, quorum consederis arvis ? ] : Den Folgevers Aen. 4,39, der in einem Teil der Textzeugen fehlt ( cf. MÜLLER1 ad loc.: „in versu omittendo quoniam φ et Memm. consentiunt, eum ab L afuisse et ex libris ordinis O in lrtp irrepsisse manifestum est“ ), tilgt die große Mehrheit neuerer Herausgeber als müßigen Einschub eines belesenen Kopisten ( cf. BÜCHELER 1 ad loc.: „nec sane hic quid declaret facile dictu est“; lt. CUCCHIARELLI 2006, 243 Anm. 2 ‚prunke der Interpolator mit seiner Vertrautheit mit der Aeneis ‘; dass die ancilla 111,12 ebenfalls nur einen Vers zitiere, erwähnen SCHMELING – SETAIOLI 433 ). Manche Exegeten wollten den Vers halten ( so auch ohne Begründung BÜCHELER ab ed.2 ; CIAFFI ). SLATER ( 1990, 170 Anm. 21 ) zufolge mache er das Zitat „spectacularly funnier“. CUPERUS ( ap. BURMAN 771 ) und ROSE ( 1968, 257f.) wollten in dem Vers einen frivolen Hintersinn ausmachen ( vergleichbar dem Vergilcento Sat. 132,11 ) und deuteten consīdere ‚sensu obsceno‘ ( cf. OLD s.v. 1a „to adopt a sitting posture, sit down“ ). Allerdings ist diese Verwendung von consīdere nicht bezeugt, nur vom etymologisch verwandten sedēre ( ROSE zitiert 126,10 numquam tamen nisi in equestribus sedeo ; 140,7 puellam … exoravit ut sederet supra commendatam bonitatem ; s. auch Mart. 11,104,14 Hectoreo quotiens sederat uxor equo ; HERESCU 1960; BOOTH 1980; ADAMS 165f. ). Abgesehen von diesem Problem könnte das Bild nur funktionieren, wenn arva hier zweifelsfrei für das ‚zu besetzende‘ männliche Genital stünde – was definitiv nicht der Fall ist ( zu agrarischen Metaphern wie „Acker, Feld“ für die weibliche Scham cf. e.g. Plaut. Truc. 149 non arvŏs hic,

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sed pascuost ager, „hier ist kein Acker-, sondern Weideland“: das seltene Adjektiv ; Lucr. 4,1107 in eost Venus ut muliebria conserat arva ; Verg. georg. 3,136 genitali arvo, von der Stute, und ADAMS 82-85; zu arvum ebd. 84 ; kritisch zu ROSE äußert sich bereits PECERE 116f. ). Vor allem aber ist die Idee viel zu derb-rustikal für den kultivierten Duktus der ancilla und der Erzählung insgesamt ( für eine noch kryptischere, noch abwegigere erotische Auslegung dieses Verses cf. RIMELL 2002, 208f. ). Nur eine Deutung scheint bedenkenswert : dass die Magd in den quorum arva ( in der Aen. die ‚Territorien‘ besagter Stammesfürsten ) die mortuorum arva sieht – und damit das unterirdische Grabmal als Vorhof des Hades, bzw. als „Totenacker“ ( so HERZOG 1989, 94 Anm. 69; ähnlich WALSH 1970, 12 Anm. 3 ). Der Vers wäre damit ein memento mori, in dem das memento amare mitschwingt. Catull formuliert den Gedanken mustergültig ( 5,5-8 nobis, cum semel occidit brevis lux, | nox est perpetua una dormienda. | da mi basia mille, deinde centum, | dein mille altera eqs.); so auch die Elegiker ( e.g. Tib. 1,1,69-72 interea, dum fata sinunt, iungamus amores : | iam veniet tenebris Mors adoperta caput eqs., und R. MALTBY 146f. ad loc.; Prop. 1,19,25f. quare, dum licet, inter nos laetemur amantes: | non satis est ullo tempore longus amor ; 2,15,23f. dum nos fata sinunt, oculos satiemus amore : | nox tibi longa venit, nec reditura dies, und FEDELI ad loc.; 2,15,49-54 ; Ov. trist. 1,3,67f. dum licet, amplectar : numquam fortasse licebit | amplius ; dezenter Hor. c. 1,9,16f., und NISBET – HUBBARD ad loc.; ferner Bd. I, S. 7 ). Als simple Maxime ( ohne erotische Komponente ) zitiert ihn Trimalchio ( 34,10,3 ): ergo vivamus, dum licet esse bene. Auf der gleichen Linie argumentiert die ancilla bereits vorher ( 111,12 ipsum te iacentis corpus admonere debet ut vivas ). Dort krönt der Gedanke allerdings ein geradliniges Argument. Ebenso schlicht und klar argumentiert die ancilla aber auch hier. Der zweite Vers trübt den Gedankengang, und blendet die Einsicht aus, dass ihre Herrin längst bezwungen ist ( cf. unten victor … miles ). Aen. 4,39 ist mit BÜCHELER zu tilgen. quid diutius moror ? : „Wozu noch viel Worte ?“ – der Ausgang der Geschichte liegt auf der Hand ( cf. Hist. Apoll. 23,4 rec. A quid multa ? dies supervenit nuptiarum ). Vielleicht auch: „was zögere ich die bittere Wahrheit hinaus ?“ ( der Erzähler heuchelt Bedauern ). Welche Wirkung die Worte der Magd entfalten, reimt sich der Leser aus Vergil zusammen ( Aen. 4,54 f. his dictis impenso animum flammavit amore | spemque dedit dubiae menti solvitque pudorem ). Die kolloquiale ( und vielfach variierte ) Floskel quid moror ?, oft im Sinn eines „was spanne ich dich ( euch ) lange auf die Folter ?“, findet sich seit der Komödie – und selbst in der augusteischen Epik ; cf. u.a. Ter. Andr.

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114 quid multis moror ? ; Verg. Aen. 6,528; Ov. ars 2,535 quid moror in parvis ? ; Corp. Tib. 3,7(4,1),147; Sen. Herc. fur. 996; Juv. 3,183 quid te moror ? ( zu der Variante quid multa ? cf. 70,11; 76,2; s. auch 76,3 ne multis vos morer ). ne hanc quidem partem corporis mulier abstinuit : Das Verb greift die abstinentia von 111,13 auf und gibt ihr in einer ‚brillanten Metapher‘ eine neue Bedeutung ( PECERE 118; zur Stelle insgesamt ebd. 118-121 ; cf. SCHMELING – SETAIOLI 433: „the irony of Eumolpus at its best“ ). Als phallischer Euphemismus ist pars gut bezeugt ( cf. 129,1 illa pars corporis, qua quondam Achilles eram ; 132,12 ea parte corporis ; ADAMS 45 ). Eher spärlich dokumentiert ist die Verwendung für das weibliche Pendant ( hanc partem, i.e. gremium ); cf. Catull 60,2 Scylla … infimā inguinum parte ( zu Scyllas Anatomie cf. Verg. ecl. 6,75 ; Prop. 4,4,40; Ov. met. 14,60-67 ); Ov. ars 2,584 partibus obscenis, von Venus und Mars ; 3,92 pars … illa ; Val. Max. 7,3 ext. 2 equae genitalem partem ( von einer Stute ); Quint. decl. 306,4 fecisset hoc … anus inverecunda, ut iuveni curioso offerret hanc fatigati corporis partem ; Mart. 12,96,12 utere parte tuā ( zu einer matrona ); ADAMS 93 und 95. Ähnlich diskret spricht Apuleius von Pudentillas viscera ( apol. 69,2 ). In amüsanter Weise missverstand BURMAN 672 die Stelle: „virilis sc. pars est intelligenda, quam impudicus Eumolpus inter narrandum nautis ab ejus ore pendentibus digito suo monstrabat“. Abstinuit ( „ließ sie darben“ ) gilt vornehmlich der matrona bzw. ihrem Magen, dem implizierten ‚ersten Körperteil‘, der sich laben durfte ( für das umgekehrte Arrangement cf. Mart. 2,51,5f. infelix venter spectat convivia culi | et semper miser hic esurit, ille vorat ), latent aber auch dem Soldaten ( „enthielt sie ihm vor“ ). Eumolps ironische Diskretion wirkt entlarvender als jede Obszönität ( s. auch MÜLLER 1 Add.: „Petronius ridicule uti videtur verbo medicis usitato abstinere “, d.h. ernährungsphysiologisch für das ‚Fasten‘; cf. Celsus, ed. MARX, p. 445 ; diese transitive Verwendung von abstineo ist ohne Parallele; cf. Thes. I, 193,37f. ad loc.: „amari se passa est“; zu transitivem abstineo im medizinischen Sinn cf. Sen. ep. 75,7 urendus, secandus, abstinendus sum, „… ich muss auf Diät gesetzt werden“; Hinweis von A. SETAIOLI in epist.). Zu der Junktur pars corporis cf. 129,1; 132,12 ( beide oben zit.); Append. Sall. in Cic. 5 cuius nulla pars corporis a turpitudine vacat ; Sen. dial. 5,6,2 quis sc. irā incitatus ullam partem corporis tenuit ? JACOBS’ von FRAENKEL 1974, 690 verteidigte Tilgung von corporis darf damit als widerlegt gelten ( so auch SULLIVAN 1970, 189f. ). – Zu den vier handschriftlichen Varianten des Passus ( partem corporis mulier O*s–›t, Ioan. : corporis partem mulier φ : mulier corporis partem lr : mulier partem corporis p ) cf. VANNINI ad loc.

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Das statt ne teilweise überlieferte nec ( lrR ) gehört in den Apparat, da der Wendung jede kopulative Qualität abgeht ( cf. 102,7 Komm. == Bd. I, S. 358, wo die Stelle hier fälschlich als kopulativ gedeutet wird; PETERSMANN 232: ne – quidem stellt „die zweifellos ältere und bessere Überlieferung“ dar ; VANNINI 134 ad loc.) victorque miles utrumque persuasit : i.e. ‹ ei › utrumque, nämlich „cibum & nuptias“ ( BURMAN 672; zur Sache cf. 87,1 rogare coepi … ut pateretur satis fieri sibi ). Im militärischen victor erfüllt sich Ovids topische militia amoris ( u.a. am. 2,12,2 vicimus ; in nostro est ecce Corinna sinu ; met. 2,437f. petit aethera victor | Iuppiter ; cf. oben S. 540 ). Nur zum Schein spielt die von Tlepolemus heftig bestürmte Charite die ‚Besiegte‘ ( Apul. met. 8,10,2 simulanter revicta ). PECERE 120f. scheint unter utrumque ‚beide Körperteile‘ zu verstehen ( wie e.g. in der Liebesnacht Apul. met. 3,20,4 mihi … puerile obtulit corollarium, „… gewährte mir eine Zugabe à la garçonne “; s. auch Mart. 9,67,3 fessus mille modis illud puerile poposci ; so bereits HEINSIUS’ launige Konjektur ne haec quidem puerilem partem corporis statt ne hanc quidem partem corporis ). Der Einfall ist abwegig ( die ‚Parallele‘ Apul. met. 9,7,6 utroque opere perfecto ist keine ), und für die delikate Erzählung viel zu drastisch – im Gegensatz zu dem eleganten, fast euphemistischen persuadere ( cf. OLD s.v. 1: „to succeed in urging ( a course of action, etc.)“; Thes. X 1, 1762,3-18: mit einem Pronomen im Akk.; cf. VANNINI ad loc.), hier quasi synonym mit „erreichen“. Zur zart adversativen Färbung des -que cf. 92,4 Komm. == Bd. I, S. 229. Von der Magd ist fortan nicht mehr die Rede. Vor dem Liebesreigen hat sie sich offenbar diskret zurückgezogen ( cf. BLUME 1974, 45 : „Hier nun ist mit amor [ im Aen.-Zitat ] das entscheidende Stichwort gefallen, und zugleich mit ihm verschwindet die Dienerin aus der Geschichte.“ ). § 3 iacuerunt ergo una non tantum illa nocte qua nuptias fecerunt : „Einen Augenblick stutzt man über die Verlängerung der selbstgewählten Einkerkerung, bis man den springenden Punkt entdeckt hat : Die Dame harrt an dem geheimen Orte aus, weil sie weiterhin mit dem Geliebten zusammen sein will !“ ( BLUME 1974, 48 ). Nach den beiden Aeneis -Zitaten § 2 und 111,12 darf man getrost auch hier an Dido denken. Das hypogaeum ( 111,2 ) erinnert an die spelunca, in der die Königin und Aeneas vor dem Unwetter Zuflucht finden ( Aen. 4,165f. ): die Grabkammer wird zum Brautgemach. Und in dem Relativsatz ( qua nuptias fecerunt ) hallt Vergils harsches Verdikt nach ( 4,171f. nec iam furtivum Dido meditatur amorem : | coniugium vocat, hoc praetexit nomine cul-

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pam ; cf. S. 498 ). Zwischen den Zeilen fällt der Erzähler sein Urteil ( s. auch S. 553 zu passa est frangi pertinaciam suam ). Umgekehrt wird das Brautgemach zur Grabkammer, wenn die Danaiden ihre jungen Ehemänner töten ( Ov. her. 14,31f. in thalamos laeti – thalamos, sua busta ! – feruntur | strataque corporibus funere digna premunt, „heiter eilen sie in die Brautgemächer – die Brautgemächer, ihre Grabkammern ! – und ruhen auf Lagern, die zum Sterbebett taugen“ ). Der griechische Liebesroman greift das Bild auf ( cf. Xen. Eph. 3,7,2 εἰς οἷόν σε θάλαμον τὸν τάφον ἄξομεν ; „in welches Brautgemach werden wir dich geleiten ? Ins Grab !“: zur scheinbar toten Anthia ; Ach. Tat. 1,13,5 τάφος μέν σοι, τέκνον, ὁ θάλαμος , „ein Grab ist dein Brautgemach, mein Kind !“; in einer Totenklage ). iacuerunt : Zu dem Euphemismus ( unā ) iacēre ( eine ‚ironische Reprise‘ des corpus iacentis, 111,8f. und 12; FEDELI 1986, 22 : „ora a giacere sono in tre !“ ) cf. 26,4 cum inclusi iacerent, consedimus ante limen thalami ; 81,6 iacent nunc amatores adligati noctibus totis, und Bd. I, S. 44 ad loc.; 128,7 non tam intactus Alcibiades in praeceptoris sui lectulo iacuit ; Thes. VII 1, 15,38-75 ; ADAMS 177 ; PECERE 122. nuptias fecerunt : Zu dem Euphemismus nuptiae ( vel sim.; „a wonderfully sardonic use of a common euphemism“, COURTNEY 2001, 171f. ) cf. 25,3 plaudentibus ergo universis et postulantibus nuptias ( sc. Gitons mit Pannychis ); 25,7 officium nuptiale ; 26,3 ne puella quidem tristis expaverat nuptiarum nomen ; Demosth. cor. 129 ἡ μήτηρ τοῖς μεθημερινοῖς γάμοις ἐν τῷ κλεισίῳ … χρωμένη, „deine Mutter, die in ihrer Kate allmittäglich ‚Hochzeit‘ feiert“; Plaut. Cist. 43f. ( eine Lena über ihr Mädchen ) haec … cottidie viro nubit, nupsitque hodie, | nubet mox noctu : numquam ego hanc viduam cubare sivi ; Rhet. Her. 4,45 eā sc. translatione utimur … obscenitatis vitandae causā, sic : ‚cuius mater cottidianis nuptiis delectatur‘ ; Sen. Phoen. 262f. proloqui hymenaeum pudet | taedasque nostras ? ; Apul. met. 7,21,2 incognitas temptat libidines et ferinas voluptates, aversāque Venere invitat ad nuptias ; 7,22,2 monstruosis nuptiis ; PECERE 122; ADAMS 159-161. Die Verbindung nuptias facere ist bereits in der Komödie belegt ( u.a. Plaut. Aul. 288f. erus nuptias | meus hodie faciet ); nicht selten hat sie – wie wohl auch hier ironisch – einen juristischen Unterton ( u.a. Liv. 30,12,21 factis nuptiis ; Sen. contr. 7,6,1 si has nuptias tyrannus fecisset ; ebd. § 2 qui facit has nuptias, aut insanus est aut tyrannus ; Plin. ep. 10,116,1 virilem togam sumunt vel nuptias faciunt ; Quint. decl. 251,3 nuptias ex aequo fecerunt ; Corpus iuris civilis dig. 1,5,19 cum legitimae nuptiae factae sint eqs.); s. auch PETERSMANN 1975, 122.

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sed postero etiam ac tertio die : cf. Apul. met. 2,17,5 his … conluctationibus ad confinia lucis usque pervigiles egimus, poculis interdum lassitudinem refoventes et libidinem incitantes et voluptatem integrantes. ad cuius noctis exemplar similes adstruximus alias plusculas. Zu den drei Liebesnächten cf. oben S. 496 Anm. 36. Hier unterstreicht die syntaktisch mit sed, etiam und ac akzentuierte Wiederholung das ‚Unerhörte des Verstoßes‘ ( VANNINI ad loc.; s. auch PECERE 122 und Anm. 229 ). Da dieses Detail bei Romulus wiederkehrt ( 59 rec. gall. 8f. rediens consolatur eam. iterum sic fecit et tertio ; ähnlich die rec. vet.), dürfte es auf die gemeinsame Quelle zurückgehen ( VANNINI ad loc.; zur Zeitrechnung der Novelle cf. oben S. 501 ). Wie illa nocte, aber auch § 4 prima statim nocte zeigen, ist postero ac tertio die zu verstehen als postera ac tertia nocte ( so auch BLUME 1974, 49 ). praeclusis videlicet conditorii foribus : cf. 91,4 praeclusis deinde foribus invado pectus amplexibus ( s. auch 15,8 praeclusis … foribus ridere acumen … calumniantium coepimus ). Dass die Grabkammer zunächst offenstand, belegt der nächtliche Lichtschein ( 111,6 ). Videlicet kommentiert ironisch ( von „splendida malizia“ sprechen FEDELI – DIMUNDO 1988, 155 ) den im modalen abl. abs. verpackten Wunsch nach ungestörten Schäferstunden ( cf. KST 1,807; HSZ 837; die von FRAENKEL 1974, 690 erwogene, von DELZ 1962, 679 geforderte Tilgung von videlicet conditorii beraubt den Satz seines Salzes ). „Die von innen verschlossene Gruft macht den Soldaten in Umkehrung des elegischen Topos vom exclusus amator zum inclusus amator, der nun die Liebesfreuden mehrerer Tage genießen kann. Dabei fungieren ausdrücklich die Türflügel (…) als seine Verbündeten, jene Bestandteile der in der Topik des Paraklausithyron trennenden Pforte, die der elegische Liebhaber oftmals um Beistand anfleht oder bekränzt.“ ( EICKMEYER 2006, 98 ). ut quisquis ex notis ignotisque ad monumentum venisset … : „Freunde wie Fremde“, „Bekannte wie Unbekannte“ – die einen aus Besorgnis, die anderen angelockt von der fabula ( 111,5 ). Zu der Junktur cf. Plaut. Curc. 280 date viam mihi, noti ignoti ; Cic. Verr. 2,1,19 putabam non solum notis, sed etiam ignotis probatam meam fidem esse ; Liv. 5,13,7 notos ignotosque … advenas in hospitium ductos ; 22,30,6 milites … ab notis ignotisque … invitati ; Curt. Ruf. 9,10,15; Sen. dial. 6,12,4 per omnem notorum, ignotorum frequentiam ; Tac. Germ. 21,2 notum ignotumque … nemo discernit ; Thes. VII 1, 320,60-69; WILLS 1996, 452 Anm. 44.

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… putaret expirasse super corpus viri pudicissimam uxorem : Mit diesem ‚Scheinschluss‘ ( samt eleganter Klausel, Creticus + Trochäus : pudicīssĭm(am) ūxōrĕm ) könnte die Geschichte unbesorgt enden ( s. S. 494 ). Die pudicissima uxor ( der Begriff uxor erscheint in der gesamten Novelle nur hier, in beißender Ironie, und dank der Position am Satzende nachdrücklich betont ; nicht minder sarkastisch kehrt dieselbe Junktur Apul. met. 9,28,1 wieder ), nebst dem morbid-pathetischen Bild zweier übereinander ruhender Leichen ( cf. Prop. 4,7,93f. mox sc. te sola tenebo, | mecum eris et mixtis ossibus ossa teram ), ist die irrige Überzeugung derer, die das Grab verschlossen finden ( PECERE 124 f. nennt den unbedarften Handwerker Apul. met. 9,5,2f., der unvermutet heimkehrt, vor verschlossenem Haustor steht und seine sittsame Frau lobt – die sich derweil drinnen mit ihrer Affäre vergnügt ), und zugleich süffisante Ironie des Erzählers ( s. auch unten zu § 8 ingenio prudentissimae feminae ). Mit diesem reizvollen Szenario will auch Phaedra Hippolytus locken: tutus eris mecum laudemque merēbere culpā ( Ov. her. 4,145, „… und gepriesen werden für deinen Fehltritt“ ). Auch Charite wirft sich auf ihren ermordeten Gatten und gibt um ein Haar den Geist auf ( Apul. met. 8,6,6 mariti cadaver accurrit labantique spiritu totam se super corpus effudit ac paenissime ibidem, quam devoverat, ei reddidit animam ). Der Gedanke liegt nahe ( auch wenn er in der immensen Literatur zur ‚Witwe‘ m.W. nirgendwo ausgesprochen wurde ), die matrona habe zumindest super corpus e i n e s Mannes inzwischen oft genug ‚den Geist ausgehaucht‘ ( cf. OLD s.v. exspīrō 3a „( intr.) to breathe one’s last, expire, die“ ). Eine Parallele zu der hier insinuierten Verwendung des elliptischen Verbs findet sich nirgendwo ( cf. Thes. V 2, 1902,81-1903,23; tacet ADAMS ). Doch Todesmetaphern ‚rebus in Veneriis‘ waren römischen Lesern wohlvertraut ; cf. 79,8,5 ego sic perire coepi ( und Bd. I, S. 9f. ad loc.; SETAIOLI, Nugae 139; die Verwendung von pereo dort ist gleichfalls singulär ), ferner e.g. Apul. met. 2,17,3 occīde moriturus ; ebd. § 4 defatigati simul ambo corruimus inter mutuos amplexūs animas anhelantes. Hier wird zudem jene Szene ironisch in ihr Gegenteil verkehrt, in der Odysseus nach dem Mord an Penelopes Freiern zum Schein Hochzeit feiern lässt, um die Nachbarschaft zu täuschen ( Od. 23,131-152 ). Im Epos ist die Hochzeit inszeniert, der Tod real – hier ist der Tod inszeniert, die ‚Hochzeit‘ im Grab real. Passend auch die Reaktion der Leute: „Da hat doch wahrhaftig einer die vielumworbene Königin heimgeführt ! Die Schlimme ! Und sie hat es nicht vermocht, das große Haus des ehelichen Gatten beständig zu bewahren ( οὐδ᾿ ἔτλη πόσιος οὗ κουριδίοιο | εἴρυσθαι μέγα δῶμα διαμπερές ), bis er gekommen wäre.“ ( Od. 23,149151; übers. W. SCHADEWALDT ; s. auch das Szenario Chariton 1,3,2 ).

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ut : Das ut lässt sich konsekutiv wie final lesen ( k o n s e k u t i v verstehen es u.a. PETERSMANN 200; C.W. MÜLLER 1980, 345; SCHÖNBERGER ; HOLZBERG ; f i n a l u.a. ERNOUT ; WEINREICH ; EHLERS ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ; HUBER 1990, 23f.; LEFÈVRE 1997, 16 ). Im ersten Fall wäre der irrige Eindruck der Besucher nur eine ungeplante Nebenwirkung des Wunsches nach Diskretion, im zweiten wäre er Absicht. Für einen Finalsatz spricht das videlicet ( so auch PECERE 123; VANNINI ad loc.), das über die oberflächliche Ironie hinaus eine Intention ahnen lässt. Ein weiteres Indiz liefert die Chronologie. Wann genau verschließen die beiden die Tür ? Da nachts mit Besuch kaum zu rechnen war, macht die Maßnahme im Grunde nur bei Tage Sinn – wenn der miles Posten bezieht, auf alle Fälle aber fort ist ( cf. S. 568 ). Mit anderen Worten: um ihre Liebschaft nicht zu gefährden, vergräbt sich die matrona tagsüber bewusst allein im verschlossenen Grab – und spielt die ‚Tote‘. Streng besehen hakt hier die erzählerische Logik. Denn wie sollte die Tote das Grab verschlossen haben ? Allenfalls die Magd käme dafür infrage. Die wiederum hätte längst die Angehörigen verständigt – und diese hätten das Grab wieder öffnen lassen. Doch der pedantische Einwand stört so wenig wie die Frage, warum jene fünf Tage im Grab der Schönheit der matrona nichts anhaben konnten. putaret : Das überlieferte putasset ( so u.a. E. THOMAS 1919, 360; ERNOUT ; CIAFFI 1967 ; DÍAZ Y DÍAZ ; FEDELI – DIMUNDO 1988 ) wäre offenbar der erste Nachweis für den erst seit Fronto, Apuleius und Tertullian belegten Konj. Plusqpf. anstelle eines Konj. Imperf. in Final- bzw. Konsekutivsätzen ( cf. HSZ 321f. 638 ). Eher aber handelt es sich um eine Verschreibung im Kielwasser von venisset und expirasse. Die meisten Hrsg. optieren für BÜCHELERs putaret ( s. auch PECERE 124 Anm. 235; COURTNEY 2001, 172 Anm. 21; vorsichtiger PETERSMANN 200f. ad loc.: der Fall sei „schwer zu entscheiden“ ). § 4 ceterum delectatus miles et formā mulieris et secreto : Zum Reiz amouröser ‚Heimlichkeiten‘ ( secreto ) cf. 127,9,7 candidiorque dies secreto favit amori. In der römischen Liebeselegie spielt das Thema überraschend genug kaum eine Rolle ( seine heimliche Affäre mit Corinnas Zofe nennt Ovid ein iucundum furtum, „ein verstohlenes Vergnügen“; am. 2,8,3 ). Zu dem diskreten delectatus cf. 45,7 cum dominam suam delectaretur, sowie das Hapax legomenon indelectatus ( 87,4 non indelectatus nequitiā meā ; Thes. VII 1, 1133,73f.). Zu dem Substantiv secretum in der seit flavischer Zeit gut belegten Bedeutung „heimlicher Umgang, geheime Zusammenkunft, geheime Unterredung usw.“ ( LÖFSTEDT 1936, 72f. ) cf. u.a. Tac. hist.

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2,4,2 petito secreto futura aperit, und H. HEUBNER ad loc.; Plin. ep. 1,5,11 secretum petit ; Suet. Tib. 25,3; Cal. 23,2 aviae Antoniae secretum petenti denegavit ; OLD s.v. 3 ( u.a. „privacy, concealment, secret dealings“ ). Auch in dem fälschlich Petron zugeschriebenen Gedicht Anth. Lat. 699,3 R. ~ frg. 49,3 Bücheler ist in erotischem Kontext von secreta longa die Rede. – Unnötig ist MARTINDALEs Erweiterung secreto ‹ amore › oder ‹ amore › secreto, „heimliche Affäre“ ( 1976, 859, nach Sat. 127,9,7 ). quicquid boni per facultates poterat coemebat : „Leckereien im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten“ ( HOLZBERG : „was er sich an guten Dingen leisten konnte“; VANNINI ad loc.: „quicquid boni : sc. ‚ad comedendum‘ “ ). An einer wohlgedeckten Tafel ist ihm gelegen ( cf. § 1 scitis quid plerumque soleat temptare humanam satietatem ; Apul. met. 9,22,3 setzt ihrerseits die pudica uxor ihrem Liebhaber ein opulentes Mahl vor ; s. auch met. 2,15,4-6 ). Für Lukriner Austern und Falerner dürfte es freilich kaum gereicht haben. Auch in der Kaiserzeit fiel der Sold römischer Soldaten in aller Regel bescheiden aus. So verdiente unter Augustus ein einfacher Legionär nur 225 Denare im Jahr, von denen teilweise noch Ausrüstung und Verpflegung abgingen ( cf. Y. LE BOHEC, DNP 11, 2001, 695-698 ). et prima statim nocte in monumentum ferebat : Der miles, der die Kreuze nachts bewacht ( 111,6 nocte … cruces asservabat ), verlässt seinen Posten nun offenbar immer bei der ersten Gelegenheit ( „bei Anbruch der Nacht“; im Gegensatz zu 111,8 attulit … cenulam suam sind die beiden Präterita iterativ ), und ‚verliegt‘ auch die beiden folgenden Nächte im Grab ( 112,3 ). Offen bleibt, was er tagsüber treibt. Realistisch besehen wären wohl seine Kameraden im Einsatz ( zur Bewachung von Richtstätten s. S. 526 ). Doch die dichte Erzählung begnügt sich mit drei Protagonisten ( sowie einem toten Statisten und dem Volk als ‚Chor‘ ). § 5 itaque unius cruciarii parentes ut viderunt laxatam custodiam : Sie haben die Richtstätte begreiflich genug im Auge behalten. – Das seltene cruciarius, „der Gekreuzigte“, ist zuerst beim älteren Seneca ( contr. 7,6,2 u.ö.) und hier belegt, die metaphorische Verwendung als Beleidigung ( „Galgenvogel“ o.ä.), zuerst bei Apuleius ( met. 10,7,7 ), und vereinzelt später ( cf. Thes. IV, 1218,15-31; FRAENKEL 1974, 690; PECERE 129f. ; cf. crux, crucis offla, furcifer ). – Die Junktur custodiam laxare findet sich nur noch Liv. 21,32,12 laxatas … sensit custodias sc. Hannibal ( Thes. VII 2, 1073,5759 ); s. auch Sil. Ital. 7,318f. trepidus laxabit iniquas | custos excubias ; Sulpicius Severus dial. 2,4,7 == CSEL 1, 202, 27f. iubet omnes custodias relaxari. – Zu der alternativen Lesart cruciarii unius ( L) φ cf. VANNINI ad loc.

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detraxēre nocte pendentem : Während Sullas Schreckensherrschaft bargen Eltern heimlich die verwesten Überreste ihrer Söhne ( Lukan 2,166168 cum iam tabe fluunt confusaque tempore multo | amisere notas, miserorum dextra parentum | colligit et pavido subducit cognita furto ). Den raffinierten Diebstahl eines bewachten Leichnams erzählt Herodot ( 2,121; zu losen Parallelen zu der Geschichte hier cf. C.W. MÜLLER, Legende – Novelle – Roman, Göttingen 2006, 153-188 ). „As soon as the reader comes to the words laxatam custodiam (…), he knows that the miles is doomed.“ ( SCHMELING – SETAIOLI 434 ). Zum Diebstahl des Gekreuzigten in den anderen Versionen der Geschichte ( Phaedrus app. 15,26 desideratum est corpus ex una cruce, „an einem der Kreuze fehlte ein Leichnam“; Romulus rec. gall. § 10 subtrahitur ille, qui in cruce pendebat ) cf. VANNINI ad loc. supremoque mandaverunt officio : Die Junktur supremum officium, „die letzte Ehre, der letzte Liebesdienst“ ( zu officium für die Bestattung cf. 116,1 hoc peracto libenter officio ; Thes. IX 2, 520,19-29 ), ist seit der frühen Kaiserzeit belegt ; cf. Val. Max. 2,6,8 supremum opprimendorum oculorum officium ; 5,1 ext. 6 ; Curt. Ruf. 3,12,11 functas supremo in regem officio ; 3,12,14 apparatum funerum, quo Persae suprema officia celebrarent ; Sen. Tro. 760f. officium parens | nato supremum reddo ; ep. 92,35; Quint. decl. 347,6 reversuros a supremis officiis servulos ; Ps.-Quint. decl. 6,1 p. 111,24 Håk. supremo prohibeor officio ; Tac. hist. 3,25,3 supremo erga parentem officio fungi ; ann. 5,2,1 supremis in matrem officiis ( zur Sache s. auch Verg. Aen. 11,61 viros, qui supremum comitentur honorem ). Singulär ist die Kombination mit dem feierlichen mandare ( cf. Thes. VIII, 261,66-73: „corpora mortuorum terrae, sepulturae sim.“, und u.a. Cic. Tusc. 3,65 est aequum tumulis mandare peremptos ; Verg. Aen. 11,22f. inhumata … corpora terrae | mandemus, qui solus honos Acheronte sub imo est ; Val. Max. 1,7 ext. 3 cum … corpus iacens sepulturae mandasset ). Die gesuchte Periphrase, die den gekreuzigten Räuber einem epischen Heroen gleichstellt, klingt so pompös wie ironisch ( PECERE 129). Oder gibt sie die Sicht der Eltern wieder ( so M.DEUFERT in epist.) ? Die variatio viderunt – detraxēre – mandaverunt notiert VANNINI ad loc. § 6 circumscriptus dum desidet : „ausgetrickst, während er seinen Dienst versäumt“ ( mit dem Unterton des ‚Verliegens‘; nicht minder ironisch Phaedrus’ custos diligens, app. 15,25 ). Zu circumscriptus cf. BC 22f. fuga mobilis aevi | circumscripta morā, „die Flucht der rastlosen Zeit, um ihre Wirkung betrogen dank des Aufschubs, welchen die Kastration bewirkt “ ( cf. Bd. III ad loc.); OLD s.v. 6 ( ihren Reiz besitzt PITHOEUS’ von HEINSIUS

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gelobte Konjektur circumspectus, „während der ‚Umsichtige‘ verliegt“ ). Zu desidet cf. Suet. Iul. 2 desedit apud Nicomeden ; OLD s.v. 2; Thes. V 1, 696, 10-31 ( „inertem morari, tempus otiose terere“ ); MARBACH 1931, 90. Auf den t.t. desidia für strafbare ‚Feigheit‘ beim Militär verweist VANNINI ad loc. ( mit Belegen ). ut postero die vidit unam sine cadavere crucem : Zur Chronologie der zum Ende drängenden Erzählung s. oben S. 501. veritus supplicium : Die römische Armee kannte drakonische Strafen. Befehlsverweigerung, Meuterei oder Aufruhr, auch Fahnenflucht, selbst das Verlassen des Postens wurden oft genug mit dem Tod geahndet ( e.g. Suet. Aug. 24,2 centuriones statione desertā, itidem ut manipulares, capitali animadversione puniit sc. Augustus ). Gefürchtet war das fustuarium, eine kollektive ( dem Spießrutenlauf ähnliche ) Prügelstrafe, die nur wenige überlebten. War eine ganze Einheit schuldig, wurde in einer ‚Dezimation‘ jeder zehnte ausgelost und von den eigenen Kameraden erschlagen. Cf. Liv. 5,6,14 fustuarium meretur, qui signa relinquit aut praesidio decedit ( und OGILVIE ad loc.); Sen. contr. 1,5,5 ‹ si › stationem deseruit, fuste ferietur ( „wenn ein Soldat seinen Posten verließ, wird man ihn zu Tode prügeln“ ); Sen. dial. 3,18,3-5; Tac. ann. 1,44,2f.; 3,21,1; 13,35,4 nec enim, ut in aliis exercitibus, primum alterumque delictum veniā prosequebatur, sed qui signa reliquerat, statim capite poenas luebat ; 14,44,4 ex fuso exercitu cum decimus quisque fusti feritur, etiam strenui sortiuntur. Selbst Kreuzigungen sind bezeugt ( Val. Max. 2,7,12 ); cf. Corpus Iuris Civilis dig. 49,16 ( de re militari ); MOMMSEN 1899, 31f. ( zu einem angeblichen Selbstmord aus Furcht vor ‚schwererer Strafe‘ cf. Sat. 102,9 servos poenam graviorem timentes praecipitasse se in mare ). Im konkreten Fall hier scheint die Todesstrafe freilich eine eher übertriebene Befürchtung ( s. auch VANNINI ad loc.: „un timore giustificato soltanto nell’economia di una novella“ ). mulieri quid accidisset exponit : Auch in seiner zweiten Rede kommt der Soldat nur in oratio obliqua zu Wort ( exponit ist hist. Präsens; zum gleichen Verb greift Phaedrus, app. 15,27 turbatus miles factum exponit mulieri ); die matrona hingegen hören wir in wörtlicher Rede ( § 7 ). nec se expectaturum iudicis sententiam : Noch im frühen Prinzipat oblag die militärische Gerichtsbarkeit dem Feldherrn oder Oberkommandierenden, der das Strafmaß ( einschließlich der Todesstrafe ) im Grunde willkürlich festsetzen konnte ( cf. J.H. JUNG, Die Rechtsstellung der römischen Soldaten, in: ANRW II 14, 1982, 882-1013, hier : 973-975 und 1002-08; kaum gemeint mit dem iudex ist der Statthalter mit seinem ius gladii, das VANNINI ad loc. anführt ). – Der liebeskranke Chaireas will den

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Ausgang des Prozesses um Kallirhoe nicht abwarten, sondern Hand an sich legen: „Ich werde dem Urteilsspruch vorgreifen; das demütigende Ende warte ich nicht ab“ ( Chariton 5,10,7 φθάσω τὴν κρίσιν· οὐ περιμένω τέλος ἄδοξον ; zit. PECERE 132 ; s. auch Gell. 10,3,3 fin.). – Zu dem nur bedingt kopulativen nec „zur Anreihung eines Satzes in etwas loser Weise“ cf. PETERSMANN 231. sed gladio ius dicturum ignaviae suae : Spätestens hier schlüpft der miles in Didos Rolle ( cf. oben S. 498 ). Mit dem Schwert will sich auch der verzweifelte Kerkermeister der Apostelgeschichte richten ( NT Acta apost. 16,27 Vulg. expergefactus autem custos carceris et videns apertas ianuas carceris evaginato gladio volebat se interficere aestimans fugisse vinctos ; COURTNEY 2001, 172 ). Bei Apuleius sucht ein Koch den Tod, nachdem ein Hund die für die Festtafel seines Herrn bestimmte Hirschkeule entführt hat. Auch ihn rettet seine Frau mit einem passenden Ersatz ( met. 8,31 ; VANNINI ad loc.). Bei Plautus will sich der junge Alcesimarchus ins Schwert stürzen; doch seine Liebste redet ihm den Selbstmord aus ( Cist. 639-650; KARAKASIS 2016, 517 ; s. auch unten S. 574 fin.). An Desertion und Flucht verschwendet der miles offenbar keinen Gedanken. Abwegig ist die These, der miles drohe nur mit dem Selbstmord, in der Hoffnung, die matrona überlasse ihm ihren Toten ( so PECERE 130133 ). Damit wäre ihr radikaler Entschluss ( §§ 7f. ) entwertet, und die Erzählung ihres Clous beraubt ( ähnlich kritisch VANNINI ad loc.). Zur übertragenen Verwendung von ius dicere cf. Ov. trist. 5,10,43 iniustum rigido ius dicitur ense ( am Pontus; gleichfalls mit dem abl. instr.); Thes. VII 2, 697,21-31. Die elegante Junktur ignaviae ius dicere ist singulär ( Thes. VII 1, 276,80 ). commodaret modo illa perituro locum : „Nur vergönne sie dem Todgeweihten einen Platz zum Sterben …“. Locum meint hier nicht die letzte „Ruhestatt“ ( was mit dem Folgenden ein Hendiadyoin ergäbe ). Wie das Part. Fut. zeigt, steht sein Ende noch aus. – Zu commodare mit Akk. cf. 101,2 miserere … morientium, id est pro consortio studiorum commoda manum ; 111,4 lacrimas commodabat lugenti ; Vell. Pat. 2,70,4 impetravit … ut manum morituro commodaret sibi ( „… dass er ihm beim Freitod zur Hand gehe“ ). Zu dem klassisch höchst seltenen, erst in der silbernen Latinität häufigeren substantivierten Partizip Fut. cf. HSZ 157 ; PETERSMANN 218f.; zu Petrons Vorliebe für das ominöse PFA periturus cf. 115,17 periturum corpus, und S. 693 ad loc. modo : Zwischen dem ‚imperativen‘ ergo ( δ s → t ; so u.a. BÜCHELER und ERNOUT ) und dem höflichen modo ( so die Mehrheit der Textzeugen

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und Hrsg.; lt. BÜCHELER 1 ad loc. angeblich „ex praecedente voce natum“ ) fällt die Entscheidung leicht. Der Gedankengang fordert eindeutig letzteres: „er werde seine Nachlässigkeit mit dem Schwerte richten, n u r möge sie ihm im Tode den Raum gewähren und das vom Schicksal bestimmte Grabmal für den Freund und den Mann herrichten.“ ( OHLERT 1900, 154 ; s. auch FRAENKEL 1968, 176 ; VANNINI 260 ad loc.: „uno stilema di cortesia usato per attenuare una richiesta“ ). et fatale conditorium familiari ac viro sacraret : „und die verhängnisvolle Gruft dem Freund und dem Mann weihen“ ( HOLZBERG ). Für den miles entpuppt sich das Grabmal in der Tat als „verhängnisvoll“ ( fatale ; PECERE 138 ). Sein ‚letzter Wille‘ hat etwas Melodramatisches: er will in derselben Gruft ruhen wie der tote Gatte der matrona, Seite an Seite mit dem „in gewisser Weise“ von ihm „gehörnten Ehemann“ ( HUBER 1990, 37f. ). So pathetisch wie komisch klingt sein Subtext : auf diese Weise habe die matrona ihre beiden Liebsten ‚bequem‘ am selben Ort vereint ( VANNINI ad loc.). Im Hintergrund erscheint das vertraute Motiv vom „Wunsch unglücklich Liebender, zumindest im Grabe vereint zu sein“ ( HUBER 1990, 37; cf. S. 641 ). Und in sublimer Ironie scheinen die Trostworte des miles wörtlicher in Erfüllung zu gehen als von ihm vermutlich antizipiert : omnium eundem esse exitum et idem domicilium ( 111,8 ; so PECERE 138 ). Mit der unerwarteten Peripetie des angekündigten Selbstmordes endet in gewisser Weise die Liebesgeschichte; der Leser erwarte nun „the husband and the lover buried by the widow in the same tomb“, gefolgt vom Tod der Witwe selbst – „a tragedy worthy of great playwrights“ ( SCHMELING 1991, 355 ). Das substantivierte familiaris bezeichnet hier den „Liebhaber“, den „Geliebten“ ( cf. 113,8 familiarem … sibi amatorem ; OLD s.v. 4 a ; s. auch 107,5 iuvenes … familiaritate vobis aliquando coniuncti ; einen ‚verweichlichten‘ Beigeschmack, wie COURTNEY 2001, 172 Anm. 22 meint, hat der Begriff hier wohl kaum ). Ac hat hier vergleichende Qualität (~ aeque ac ; SEGEBADE 1880, 34 Anm. 24 ). In Verbindung mit dem voranstehenden Lemma ein effektiver Chiasmus ( Verb – Dat.obi. – Akk.obi. | Akk.obi. – Dat.obi. – Verb ), untermalt von dreifachen Alliterationen ( com- con- com- | fat- fam- fac - ). sacraret : In seiner überlieferten Form, et fatale conditorium familiari ac viro faceret ( so u.a. ERNOUT ; MÜLLER ed.1 ; PELLEGRINO ), ergibt der Satz kaum Sinn ( SOVERINI 1980, 101-103 versteht fatale prädikativ : „e rendesse quella tomba sede di morte per l’amico e per il marito“; RUSSELL

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1990, 143, bezieht familiari ac viro nur auf den miles : „her friend and husband, as he now was“ ). Blass klingt MÜLLERs conditorium ‹ unum › familiari ac viro faceret ( ed.2 ; so WARMINGTON ), besser BÜCHELERs tentatives conditorium ‹ idem › familiari ac viro faceret ( ed.4 ); DÍAZ Y DÍAZ variiert : conditorium familiari ‹ idem › ac v. f. ). An der gleichen Idee: „das Grabmal stehe offen, stehe zur Verfügung“, versuchten sich FRAENKEL und DELZ, FRAENKEL mit pateret statt faceret ( und ut statt et ): commodaret … locum, ut fatale conditorium familiari ac viro pateret ( 1968, 174 ; cf. 1974, 690 ; sed cf. VANNINI ad loc.: „il marito si trova già nella tomba“ ), DELZ ( 1962, 683 ) mit vacaret ( er tilgt et ): commodaret … locum : fatale conditorium familiari ac viro vacaret. Originell liest sich BÜCHELERs contubernium ( ed.2 ad loc.), elegant seine Ergänzung commune nach conditorium ( ed.1 ad loc.; Ausfall bedingt durch Homoioarkton; wenig überzeugend stellt PECERE 32 es nach viro ), die u.a. MÜLLER ab ed.2 a übernahm ( ebenso ARAGOSTI und GIARDINA – MELLONI ): „und das verhängnisvolle Grabmal stelle sie dem Geliebten ebenso zur Verfügung wie dem Gemahl.“ Die bereits in der Komödie belegte Junktur aliquid commune facere ( tacent Thes., OLD ) findet sich vornehmlich in klassischer Prosa, aber auch in juristischen Texten; cf. u.a. Naevius com. 75 R.3 datatim dat se et communem facit, „im fliegenden Wechsel gibt sie sich allen hin“; Cic. Q.Rosc. 27 communem factum esse gratis cum Roscio, „er sei unentgeltlich Miteigentum des Roscius geworden“; ebd. 52 id commune societatis factum esse, „dieser Anteil sei in das gemeinsame Eigentum der Gesellschaft eingegangen“; Sen. dial. 11,1,4 mihi videtur rerum natura quod gravissimum fecerat commune fecisse, „was sie als das Schwerste gemacht hat ( i.e. den Tod ), scheint mir die Natur zum Gemeingut gemacht zu haben“; Tac. hist. 1,30,3 quiescendo commune crimen facitis ?, „wollt ihr euch durch euer Nichtstun mit dem Verbrechen gemein machen ?“; Juv. 6 frg. Ox. 14 tibi communem calicem facit uxor, „mit Gesindel heißt dich deine Frau den Becher teilen“. Weitaus ökonomischer erweist sich VANNINIs sacraret ( ad loc.; HOLZBERG und SCHMELING – SETAIOLI 434 übernehmen es ). Bedeutsam sind die epigraphischen Belege des Verbs für das „Weihen“ einer Grabstätte ( CIL VI, 3049* == Bd. VI.5, p. 210 [ Mitte 1. Jh. n.Chr.] Sextilia … hanc sedem sibi sacravit ; Carm. Lat. Epigr. 1185,1 hoc mihi noster erus sacravit inane sepulcrum ; zu consecrare in dieser Verwendung cf. Thes. IV, 381,25-29 ). Eine ferne Parallele bietet Ov. her. 7,99 est mihi marmoreā sacratus in aede Sychaeus ( das Bildnis des verstorbenen Sychaeus in Didos Grabkapelle ). Der Tritrochäus ( āc vĭrō săcrārĕt ) ist dem Creticus und ( aufgelösten ) Trochäus ( āc vĭrō făcĕrĕt ) ebenbürtig. Unter VANNINIs nicht wenigen Konjekturen zu den Sat. dürfte diese seine beste sein.

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§ 7 mulier non minus misericors quam pudica : Die nächste ironische Glosse des Erzählers ( cf. oben § 3 pudicissimam uxorem ; dass hier wohl die Sicht des Soldaten zu Wort komme, so EICKMEYER 2006, 86 Anm. 25, ist unwahrscheinlich ). Wie es um das verum pudicitiae exemplum ( 111,5 ) bestellt ist, hat sich inzwischen gezeigt ( dieselbe Saite schlägt Phaedrus’ sancta mulier an, app. 15,28). Nachgerade sarkastisch kommentiert Priap Penelopes ‚Keuschheit‘ ( Priap. 68,29f. sic casta manes, ut … fututorum sit tua plena domus ; s. auch Mart. 11,104,15f. pudica solebat | illic Penelope semper habere manum, sc. in Ulixis inguinibus ). Ähnliche Epitheta ornantia zieren Apuleius’ Ehebrecherinnen ( 9,22,3 pudica uxor ; 9,23,2 uxor egregia ; 9,28,1 pudicissima illa uxore ; PECERE 139f. ). Das ihr damit im selben Atemzug aberkannte Mitgefühl meint weniger die mangelnde Pietät dem toten Gatten gegenüber als ihr so vitales wie egoistisches Interesse an dem neuen Liebhaber ( cf. COURTNEY 2001, 172 : „This hardly suggests a high degree of compassion, and sabotages any notion that her rescue of the soldier may have been for purely altruistic motives“; HUBER 1990, 24 ; härter urteilt BLUME 1974, 50: wie ihre Sittsamkeit sei „auch ihre misericordia nur ein trügerisches Erscheinungsbild“; als einziges bewege sie, „welcher Verlust sie selbst treffen würde“; ihr Kompass seien „Selbstmitleid und Egoismus“ ). – Ihre rettenden Worte hören wir in oratio recta ( „one of the most stunning two sentences in the Satyrica “, SCHMELING – SETAIOLI 430 ). „Mit ihrer ersten Rede hat die Witwe gleichzeitig ‚das letzte Wort‘.“ ( HUBER 1990, 25 ). nec istud … dii sinant : cf. 103,1 nec istud dii hominesque patiantur … ut eqs. ( und Bd. I, S. 374 ad loc.; VANNINI 144 f. ad loc.); 126,9 nec hoc dii sinant, ut amplexūs meos in crucem mittam. Vergleichbare sakrale Formeln mit einem negierten Iussiv an die Adresse der Götter, gefolgt von einem Finalsatz mit ut, erscheinen zuerst in der augusteischen Prosa; cf. Liv. 34,24,2 ne istuc … Iuppiter optimus maximus sirit ( i.e. sierit ) eqs.; Curt. Ruf. 5,8,13 nec di siverint eqs.; 10,6,20 nec di sierint … ut Alexandri fortuna … in istos humeros ruat ; Sen. contr. 1,1,17 nec ( codd., ne edd.) di istud nefas patiantur eqs.; Plin. ep. 2,2,2 illud enim nec di sinant eqs.; Tac. ann. 1,43,2 neque enim di sinant eqs.; KST 2,225 ( für die ältere und seltenere Variante mit einem AcI cf. Cornelia Africana ap. Nepos frg. 59 Marshall ne ille sirit Iuppiter eqs.; Liv. 28, 28,11 ne istuc Iuppiter optimus maximus sirit eqs.). Zu dem seltenen nec ohne kopulative Qualität (~ non ) cf. H. HOPPE, Syntax und Stil des Tertullian, Leipzig 1903, 107; PETERSMANN 230f. In Tomis hält die Göttin Spes den verzweifelten Ovid vom Selbstmord mit dem Schwert ab ( Pont. 1,6,41-43 me quoque conantem gladio finire dolorem | arguit iniectā continuitque manu, | ‚quid … facis ?‘ ).

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ut eodem tempore duorum mihi carissimorum hominum duo funera spectem : „daß ich zu gleicher Zeit die zwei Menschen, die mir die liebsten sind, als zwei Leichen sehen muß“ ( LEFÈVRE 1997, 17 ). „Sie ( ist ) nicht gewillt, erneut den Verlust eines Menschen hinzunehmen, der ihr viel bedeutet. Sie beansprucht also nicht einmal selbst, aus rein altruistischen Motiven zu handeln. Allein das komische Pathos ihrer Worte, das Schwanken zwischen hohem Anspruch und erdnaher Realität, verleihen der Passage groteske Züge.“ „Daß die beiden ‚carissimi homines‘ einander in der Gunst der Witwe fast übergangslos ablösten, ( läßt ) an der Tiefe ihrer Gefühle für beide Zweifel aufkommen.“ ( HUBER 1990, 25 ). Eumolp hat offenbar Accius im Ohr : video sepulcra duo duorum corporum ( trag. 655 R.3 ; zit. MÜLLER 3 p. 380; über mögliche tragische Subtexte spekuliert SLATER 2018, 243 ). Cicero spitzt die Formel zu: wie in Africa Hadrianus, wäre in Sizilien beinahe Verres gewaltsam ums Leben gekommen, ut duo sepulchra duorum praetorum improborum duabus in provinciis constituerentur ( Verr. 2,5,94 ). Auf die eindringliche Verknüpfung des doppelten duo mit eodem tempore verweist FRAENKEL 1968, 176. Funus oszilliert hier zwischen „Tod“ ( cf. TH 48 accumulat ecce liberum funus parens ; frg. 43,7 M.4 funera regum ) und v.a. „Leichnam“ ( cf. S. 509 ad 111,2 ). – Pathetisches Polyptoton ( duorum … duo ). malo mortuum impendĕre quam vivum occīdere : „Lieber will ich den Toten drangeben als den Lebenden töten.“ Sie denkt den Imperativ ihrer Magd zu Ende : ipsum te iacentis corpus admonere debet ut vivas ( 111,12 ). Ähnlich argumentiert Oenothea bei Encolpius’ Rettung ( 137,7f. sollicita sum tua causa. amoris est hoc argumentum, non malignitatis. itaque dabimus operam ne quis hoc sciat ; CONTE 1996, 108; s. auch S. 495 Anm. 31 ). In unerwarteter Weise tauschen die beiden in dieser Szene die Rollen. Wie vorher der miles die matrona von den Vorzügen des Lebens überzeugen konnte, überredet nun ihn, der sterben will, sie zum Leben ( s. S. 491 ). Ihr nüchternes Kalkül ( mortuum oszilliert zwischen „den Toten“ und „einen Toten“; zu streng PECERE 141, der den beiden Begriffen mortuus und vivus „abstoßende Rohheit“ attestiert ) bricht mit dem Pathos des Vorsatzes. Im Grund ist ihr Argument rational, ja human. Zudem könnte sie ihr ‚Opfer‘ epikureisch rechtfertigen, ähnlich Encolpius, der die Sorge um den Leichnam als dementia verurteilt ( 115,19 quae ergo dementia est, omnia facere, ne quid de nobis relinquat sepultura ? ; so C.W. MÜLLER 1980, 350f. ). Anstoß nehmen ließe sich allerdings an dem dramatischen Wertverlust, den der Tote in den Augen seiner Frau erfährt, an der ultimativen Entwertung und Demütigung, die sie ihm zumutet ( s. S. 495 ).

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Zu impendĕre cf. 1,1 hunc oculum pro vobis impendi ; 102,7 spiritum tamquam rem vacuam impendere ; Sen. Med. 487 hos sc. fratris artūs quoque impendi tibi ; Thes. VII 1, 547,14-23; OLD s.v. impendō 3a: „to pay out, expend ( with emphasis on the sacrifice involved )“ ( mōrtŭ(um) īmpēndĕrĕ ist ein Dicreticus, quām vīv(um) ōccīdĕrĕ eine Sonderform desselben ). Die verbreitete Deutung als impendēre, in der Bedeutung „ans Kreuz hängen“ ( äquivalent zu suspendēre ; so e.g. SCHÖNBERGER 1992, 304 ), ist sprachlich unmöglich ( cf. OLD s.v. 1a : „to be suspended or hang above“; so zurecht BUCHWALD 1964, 184 ; s. auch BLUME 1974, 50f.; BECK 1979, 251 Anm. 47; HUBER 1990, 25; DAVIAULT 2003, 24 : „J’aime mieux qu’un mort soit suspendu ( en l’air ) qu’un vivant descende ( tombe )“; RAGNO 2009, 333f. Anm. 635; vom Wortfeld abgedeckt wäre allenfalls ein AcI: „dass der Tote hängt“ ). Doch dank der klanglichen Ähnlichkeit mit impendēre ( und der Erinnerung an § 5 pendentem ) lässt uns der Passus die List der matrona zumindest ahnen ( VANNINI ad loc.). PECERE ( 141 Anm. 283 ) vergleicht Plautus’ Wortspiel Mil. 309f. : hocine si miles sciat, | credo hercle, has sustollat aedīs totas atque hunc in crucem, „Wenn das der Hauptmann wüßt’ ! Bei meiner Treu, das ganze Haus hier schlüg’ er ans Kreuz – und mich gleich mit.“ ( cf. M. HAMMOND et al. ad loc.: „Sustollat has a double connotation, ‚he would destroy the whole house and ( he would carry off ) this ( fellow, i.e. me ) to the cross‘.“ ). § 8 secundum hanc orationem iubet ex arca corpus mariti sui tolli atque illi quae vacabat cruci affigi : Der passive AcI lässt in der Schwebe, wer den Befehl ausführt, und fokusiert die Aufmerksamkeit des Hörers ganz auf den unerhörten Vorschlag. Fast beiläufig zeigt sich, dass „alle Initiative und Entschlußkraft auf die Witwe übergegangen“ sind ( HUBER 1990, 25 ); der miles ist nurmehr williges Werkzeug ( FEDELI 1986, 24 f.; cf. ebd.: von ‚Befehlen‘ ist in der Novelle nur zweimal die Rede, beim Statthalter, 111,5 latrones iussit crucibus affigi – und hier ). Zu arca, „Sarkophag“, cf. OLD s.v. 2; Thes. II, 433,20-53 ( einen archäologischen Überblick bietet J. DRESKEN-WEILAND s.v. Sarkophag, RAC 29, 2019, 591-633 ; s. auch TOYNBEE 1971, 270-277 ). Hier ist er offenkundig nicht verschlossen ( cf. 111,9 crines super corpus iacentis imposuit, ferner S. 513 ). Zu dem temporalen secundum, „( unmitttelbar ) nach“, cf. 18,1 secundum hanc deprecationem eqs.; 104,1 videbatur mihi secundum quietem Priapus dicere ; OLD s.v. secundum 2 3. – Zu dem emotionalen pleonastischen Possessivpronomen ( sui ) bei engen persönlichen Banden cf. 63,8 dum mater amplexaret corpus filii sui ; 117,6 clientes … filii sui ; Hist. Apoll. 27,9 rec. A eam …

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in filiam suam sibi adoptavit, und S. PANAYOTAKIS ad loc.; s. auch Bd. I, S. 212 ad 90,5 o mi … adulescens ( Inschriften, u.a. CIL V, 2108 ut commemoraret memoriam dulcissimi mariti sui, zitiert VANNINI ad loc.). – Zu der Junktur cruci affigere cf. oben S. 524. usus est miles ingenio prudentissimae feminae : Usus est oszilliert zwischen „machte sich zunutze“ und „setzte den Geniestreich in die Tat um“. Die Kreuzigung selbst bleibt im Text eine Leerstelle, verborgen hinter der ‚Regieanweisung‘ ( corpus … tolli atque … cruci affigi ). Deutlicher wird Phaedrus ( app. 15,29 virique corpus tradit sc. matrona figendum cruci ). Bei Romulus legt sie selbst Hand an ( §§ 15f. rec. gall. maritum de loco levavit et in cruce nocte suspendit ; rec. vet. maritum de loco levavit et in stipitem eadem nocte affixit ; dass dem miles die längst verschwundene Magd geholfen habe, wie WEINREICH 1931, 71 vermutete, darf man getrost ausschließen ). Die Einschätzung prudentissima femina könnte die des miles sein ( so HUBER 1990, 26 ) – eher aber die des ironischen Erzählers. Unter der Hand korrigiert er das Bild, das sich die Öffentlichkeit von der Witwe gemacht hat ( 112,3 ut quisquis … putaret expirasse … pudicissimam uxorem ). Zu dem bisweilen doppelzüngigen Superlativ cf. 69,9 ego, scilicet homo prudentissimus, statim intellexi quid esset ; 105,10 homo prudentissimus … ad unicum fugitivi argumentum tam docte pervenerit ( ähnlich sarkastisch in verwandtem Kontext Juv. 6 frg. Ox. 34 prudens … uxor ; ernst gemeint Cic. ad Brut. 1,18,1 prudentissima et diligentissima femina, i.e. Brutus’ Mutter Servilia ; fam. 6,2,2 ). ingenio : Seit neronischer Zeit ist ingenium in der Bedeutung „Einfall, Geistesblitz, Geniestreich“ belegt ( „metonymice de rebus ipsis, i.q. commentum, excogitatio, inventum, opus ingeniosum sim.“; Thes., s. unten ); cf. Plin. nat. 35,10 ingenia hominum, „Geistesprodukte“; Tac. ann. 5,4,3 libidinem ingeniorum, „das Vergnügen an geistvollen Einfällen“; hist. 3,28; 5,13,4 novis ingeniis, „durch die Erfindungsgabe der Neuzeit“ ( H. HEUBNER – W. FAUTH ad loc.); OLD s.v. 6 b: „( quasi-concr.) a clever device, contrivance“; Thes. VIII 1, 1533,65-84. Ingenio prudentissimae feminae ist gewollt pleonastisch. Zu der seltenen Junktur ingenio uti cf. 64,9 Scylax, canino scilicet usus ingenio ; Liv. 27,41,6 consul ingenio hostis usus ; Curt. Ruf. 8,8,4 mihi permittunt uti ingenio meo ; Sen. dial. 11,18,4 noli ergo contra te ingenio uti tuo ; Tac. hist. 1,90,2 in rebus urbanis Galeri Trachali ingenio Othonem uti credebatur ; ann. 6,51,3 remoto pudore et metu suo tantum ingenio utebatur. posteroque die populus miratus est qua ratione mortuus isset in crucem : Mit Erstaunen erkennen die Vorbeikommenden am Kreuz ihren vornehmen Mitbürger. In gewisser Weise schließt sich der Kreis: zu Be-

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ginn der Novelle ist die pudica matrona Objekt der Be wunderung, am Ende ihr toter Gatte angesichts seiner mirakulösen Kreuzbesteigung Objekt der Ver wunderung ( FEDELI – DIMUNDO 1988, 71). Den Sinn der List, den Diebstahl des Leichnams zu verheimlichen, opfert Eumolp einer krönenden Schlusspointe, die ihren Witz nicht zuletzt dem in der Pointe versteckten Fluch ire in malam crucem verdankt ( dazu das übernächste Lemma ; an den Mimus und dessen Vorliebe für einen ‚Paukenschlag‘ am Ende des Stücks erinnert BENZ 2001, 98-101 ). Warum die Ersetzung des Leichnams nicht untersucht bzw. geahndet werde, fragen auch SCHMELING – SETAIOLI 434. Doch „for the centurion who had posted the guard at the crosses, one local corpse looked much like another, and all the crosses were filled“. Die Einheimischen wiederum könnten gemutmaßt haben, der Posten habe eine gestohlene Leiche kurzerhand durch eine andere aus einem Grab ersetzt. Aber hätten sie die Sache damit auf sich beruhen lassen ? Laut SLATER 2018, 244 f. hätten die Einheimischen ihre Entdeckung den römischen Behörden vielleicht nicht gemeldet – oder diese hätten den Vorfall bewusst ignoriert. Zum offenen Ende der ‚Matrone‘ cf. oben S. 499f. qua ratione : Zu qua ratione im Sinn von quomodo als Einleitung einer indirekten Frage cf. e.g. Caes. Gall. 7,6,3 magna difficultate adficiebatur, qua ratione ad exercitum pervenire posset ; Verg. Aen. 4,115f. qua ratione quod instat | confieri possit, … docebo. Es verleiht der Wendung „una sfumatura di ricercatezza“ ( PACCHIENI 1978, 53 ). isset in crucem : Der die Novelle abrundende Scherz basiert auf der Junktur in crucem ire für die Kreuzigung ( cf. 137,2 si magistratus hoc scierint, ibis in crucem ; verwandte griechische Wendungen zitiert COURTNEY 2001, 173, u.a. Chariton 4,3,5 ἐπιβαίνοντα τοῦ σταυροῦ , „er war im Begriff, das Kreuz zu besteigen“ ), die hier untermalt wird von „der Juxtaposition von mortuus und ire “ ( BLUME 1974, 51 ), dank derer der Tote „mit grotesker Lebendigkeit gleichsam ‚ans Kreuz spaziert‘ “ ( HERZOG 1989, 95; s. auch BAKHTIN 1981, 222: „a dead man’s corpse crawling by itself up on a cross“ ). Zugleich hören wir den von der Junktur abgeleiteten Fluch ire in malam crucem ( cf. OLD s.v. crux 2a; passim in Plautus, e.g. Trin. 598 ibit … in maxumam malam crucem ; s. auch Sat. 126,9 nec hoc dii sinant, ut amplexūs meos in crucem mittam ), der sinnverwandt ist mit dem griechischen ἐς κόρακας ἰέναι ( „sich zu den Raben scheren“; zit. PECERE 143; s. auch Sat. 58,2 crucis offla, corvorum cibaria ; VANNINI 2011, 78 ). Sehr frei übertragen : „… wie der Tote sich zum Teufel geschert habe“.

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Neben anderen ‚relevanten‘ Passagen gab auch die „Auferstehung“ eines „Gekreuzigten“ immer wieder Anlass zu christlichen Deutungen der Novelle, ja der Sat. insgesamt ( zu den frühsten Stimmen zählt GOLDAST ap. BURMAN I, 309f., zu den jüngeren PARATORE 1933, II 360-363 ; BAKHTIN 1981 ( zuerst 1937-38 ), 222f.; CABANISS 1954 und 1962; C.P. THIEDE, Ein Fisch für den römischen Kaiser, München 1998, 110-121; D. KONSTAN und I. RAMELLI, in: E.P. Cueva u.a. ( Hrsg.), A Companion to the Ancient Novel, Chichester 2014, 180-197 ; s. auch RAGNO 2009, 490f. ). Für eine kritische retractatio dieser Thesen cf. HABERMEHL 2007 ( zur ‚Matrone‘ ebd. 38f. ).

Kap. 113 Die Geschichte erregt Heiterkeit ; bei Tryphaena und Lichas jedoch rührt sie an alte Wunden. Tryphaenas Turtelei mit Giton lässt Encolpius vor Eifersucht vergehen; doch auch zwischen ihm und Lichas scheinen sich neue Vertraulichkeiten anzubahnen. LIT. PARATORE 1933, II 366-369; CIAFFI 1955, 61-63; NARDO 1993, 4449; SLATER 2012, 256f. § 1 risu excepere fabulam nautae : Schlichtere Gemüter goutieren die pikante Geschichte mit angeregtem Gelächter ; Eumolps Ziel ist erreicht ( 110,6 ne sileret sine fabulis hilaritas ; cf. Ov. trist. 2,505f. cum … fefellit amans aliquā novitate maritum sc. in mimo, | plauditur ; s. auch PERUTELLI 1990, 18-21 ). Andere zeigen sich betroffen oder empört ( Encolpius seinerseits hält sich bedeckt ; s. aber unten S. 585 zu § 6 ). Die verschiedenen Reaktionen des Publikums haben eine markante Parallele in Demodokos’ Lied von Ares’ und Aphrodites Ehebruch, das er an Alkinoos’ Hof vorträgt ( Od. 8,266-366 ): das Gelächter der männlichen Götter über die missliche Lage der beiden in flagranti Ertappten ( 8,326-343), der schamhafte Rückzug der Göttinnen ( 8,324 ), und der Ernst Poseidons, der den Skandal diplomatisch zu lösen versucht ( 8,344-359 οὐδὲ Ποσειδάωνα γέλως ἔχε κτλ., „doch den Poseidon ergriff nicht das Lachen usw.“; D. BECK ap. SLATER 2012, 256 Anm. 26 nennt als Parallele Demodokos’ Lied vom hölzernen Pferd, Od. 8,492-520, welches das Gros der Gäste erfreue, Odysseus hingegen zu Tränen rühre; dort hören wir jedoch ausschließlich von Odysseus’ Reaktion: 8,521-532 ). Zu der Junktur risu excipere cf. Quint. inst. 1,2,7 verba ne Alexandrinis quidem permittenda deliciis risu et osculo excipimus ; Tert. nat. 1,16,4 risu ac derisu exceperunt sc. Persae Oedipum in scaena trucidatis oculis ; allgemein Thes. V 2, 1252,59-82, und e.g. Mart. 10,64,2 non tetricā nostros excipe fronte iocos ( VANNINI ad loc.). – Zum Ausfall des cum vor dem Abl. der begleitenden Umstände cf. 86,4 Komm. == Bd. I, S. 112. erubescente non mediocriter Tryphaenā : „Tryphäna aber wurde darüber bis an die Ohren roth“ ( HEINSE ). Ihre delikate Reaktion ( „like a puella casta “, SCHMELING – SETAIOLI 435 ) lässt ahnen, dass sie sich von der Erzählung ertappt fühlt ( cf. den Mimen Anth. Lat. 487a 19f. R. o quotiens imitata meo se femina gestu | vidit et erubuit totaque mata fuit ! ( zu mata ~ stupefacta cf. Sat. 41,12 ); s. auch Boethius cons. 1 p. 1,14 confessus … rubore verecundiam ). Zählt sie zu den Frauen, die facile adamant und peregrinā libidine usque ad furorem avertuntur ( 110,7 ) ? Und inwieweit waren Encolpius bzw.

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Giton Objekt ihrer peregrina libido ( cf. 106,2 non totam voluptatem perdiderat )? Die peinliche Situation hält sie freilich nicht davon ab, weiter mit Giton zu turteln ( dass sie sich vom Agieren der matrona ‚gerechtfertigt‘ fühle, vermutete RASTIER 1971, 1027 ). Zu erubesco bzw. rubor als Zeichen von Verlegenheit und Scham cf. u.a. 67,13 incensissimam rubore faciem sudario abscondit ; 128,2 perfusus ego rubore manifesto eqs.; 131,10 paululum erubuit, hesternae scilicet iniuriae memor ; 132,12. – Vor erubescente überliefert O ein et ( in L fehlt es ). Der abl. abs. schließt aber nahtlos an; ein Textausfall ist unwahrscheinlich. non mediocriter : Für die seit der späten Republik belegte Litotes cf. e.g. Cic. Att. 10,15,4 scito eum non mediocriter laborare de versura ; Apul. met. 2,15,1 mihi … non mediocriter suscensebam, quod eqs. ( die Variante Plaut. Curc. 533 non … mediocri … iratus iracundiā zitiert VANNINI ad loc.). vultumque suum super cervicem Gitonis amabiliter ponente : In der zärtlichen Geste setzt sich fort, was sich nach dem Friedensschluss verheißungsvoll angebahnt hatte ( 109,8 iam Tryphaena Gitona extrema parte potionis spargebat ; cf. unten § 5 in gremio Gitonis posita … implebat osculis pectus eqs.). VANNINI ad loc. vergleicht die Szenen 67,13 composita ergo in gremio Scintillae incensissimam rubore faciem sudario abscondit ; 110,4 abscondebam … frequentius vultum intellegebamque me non tralaticiā deformitate esse insignitum eqs. Weit hergeholt ist die These DINGELs ( 2007, 32 ), das Seneca zugeschriebene Epigramm Anth. Lat. 430 R. == 428 Sh.B. ( 38 Dingel == 25 Breitenbach ) über einen attraktiven Jüngling stamme wohl aus den Sat., vielleicht sogar aus Gitons Tête-à-tête mit Tryphaena hier ( cf. V. 5-8 felix, si qua tuum conrodit femina collum, | felix, quae labris livida labra facit, | quaeque puella tuo cum pectore pectora ponit | et linguam tenero lassat in ore suam ; die vage Parallele der singulären Junktur 430,5 conrodit … collum mit Sat. frg. 3 M.4 pollice … roso übersahen DINGEL wie BREITENBACH ad loc.). Zu cervix cf. 86,7 Komm. == Bd. I, S. 115; zu dem pleonastischen relationsverstärkenden Possessivpronomen ( suum ) bei einem Körperteil cf. 90,5 Komm. == Bd. I, S. 212. Die beiden Partizipien und die beiden Adverbien rahmen den Abl. abs. in einem eleganten Chiasmus. amabiliter : Das überraschend seltene Adverb erscheint zuerst bei M. Antonius ap. Cic. Att. 14,13a,2 si humaniter et sapienter et amabiliter in me cogitare vis ; cf. Hor. ep. 2,1,147f. libertas … lusit amabiliter, „die Redefreiheit der Fescenninen trieb gesellig ihr Spiel“, und C.O. BRINK 193f. ad loc.; Sen. contr. 1,1,25 dixit nove et amabiliter illum … vexatum sensum eqs., „erfrischend originell servierte er jenen altbackenen Einfall“; Thes. I, 1807,33-49.

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§ 2 at non Lichas risit, sed iratum commovens caput : Lichas ist nicht nur gottesfürchtig ( 106,3 ) und jähzornig ( 106,1 concitatus iracundiā ; 106,2 turbato vehementius vultu ), sondern auch ein Verfechter alter Sittenstrenge – zumindest als ‚öffentliche Person‘ ( von einer anderen Seite zeigt er sich in der Begrüßung 105,9: ad inguina mea … movit officiosam manum ). Sein Zorn scheint der Unbill geschuldet, die ihm einst ( von den beiden ? ) widerfahren ist ( cf. § 3 ). In dem gehörnten und geschädigten Ehemann erkennt er sich wieder – nicht unähnlich Hephaist, den angesichts von Aphrodites Ehebruch „ein wilder Zorn ergriff“ ( Od. 8,304 χόλος δέ μιν ἄγριος ᾕρει ; zu Demodokos’ Lied s. oben zu § 1; dass die Identifikation mit dem Toten sein eigenes nahes Ende vorwegnehme, vermutet IRIBARREN 2005, 119 Anm. 19 ). Iratum caput ist personifizierende Enallage. Commovere zählt zu Petrons Lieblingsverben ( 20,7 latera commovit ; 26,5 commovebat … labra ; TH 61 commovent orbes manu ; 140,7 ut … dominum lumbis suis commoveret ; OLD s.v. 1b ). Zum Kopfschütteln als Ausdruck des Zorns cf. Od. 5,284 f. ὁ δ᾿ ἐχώσατο κηρόθι μᾶλλον, | κινήσας δὲ κάρη προτὶ ὃν μυθήσατο θυμόν ( „ärger ergrimmte er im Herzen, und das Haupt bewegend sprach er zu seinem Mut“ ); Plaut. Asin. 403 quassanti capite incedit ; Verg. Aen. 7,292 quassans caput ; 12,894 caput quassans ( von „defiant determination“ spricht R. TARRANT ad loc.); Ov. met. 1,179f. terrificam capitis concussit terque quaterque | caesariem, cum qua terram mare sidera movit ; Sen. dial. 3,19,2; Med. 853856; Apul. met. 6,9,1; SITTL 1890, 82f. Mitunter drückt die Geste auch mitfühlende Missbilligung aus ( e.g. Ilias 17,200 ), Mitleid ( e.g. Ilias 17, 442 ), oder Schwermut und Schmerz ( e.g. Caecilius com. 271f. R.3 quassante capite tristes | incedunt ; Lucr. 2,1164 ). si iustus … imperator fuisset : Lichas greift Eumolps unorthodoxe Terminologie auf ( 111,5 imperator provinciae ; cf. S. 522f. ). debuit patris familiae corpus in monumentum referre, mulierem affigere cruci : Während die Pflichtverletzung des miles Lichas keiner Erwähnung wert scheint, verdient die ( nicht nur egoistische ) Pietätlosigkeit der matrona in seinen Augen den grausamsten Tod ( man fühlt sich an die brutale Hinrichtung der treulosen Mägde erinnert, Od. 22,462-473; s. auch VANNINI ad loc.: „Nell’ottica di Lica la donna si è degradata quanto i latrones “; ferner Sat. 45,8 für ein ähnliches Urteil : Glyco … dispensatorem ad bestias dedit. … quid servus peccavit, qui coactus est facere ? magis illa matella digna fuit quam taurus iactaret ). Mit dem Titel pater familias spricht Lichas dem Toten, der sonst meist als lebloser Körper bezeichnet wird ( corpus, mortuus, cadaver, defunctus ), und

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nur viermal als ‚Ehemann‘ ( vir bzw. maritus ), als einziger Menschlichkeit und Würde zu ( IRIBARREN 2005, 119f. ). Andererseits schmückt dieser feierliche Titel in den Sat. oft genug dubiose Charaktere ( cf. 8,2; 27,2; 31,7; VANNINI ad loc.). Zu der Junktur cruci affigere s. oben S. 524. – Zum Irrealis der Verg. in der Protasis ( fuisset ) mit einem Ind. Perf. in der Apodosis ( debuit ) bei einem Ausdruck des Müssens oder Könnens, der Angemessenheit oder Billigkeit cf. KST 2,402f. § 3 non dubie redierat in animum Hedyle : Lichas ( so Encolpius’ Erklärung für dessen aufwallenden Zorn ) erinnert sich an eine Hedyle, die sich offenbar ähnlich unbesorgt über sämtliche Konventionen hinwegsetzte wie die matrona. Ihr Name lässt an eine Hetäre denken: Ἡδύλη ( „Schmankerl“ vel sim., von griech. ἡδύλος, Diminutiv von ἡδύς, „süß“; BÜCHELERs Konjektur des überlieferten hedile ). Bei Plautus ist eine Hedylium die amica der frumentarii ( Pseud. 188 ); eine Hedylion als Geliebte oder Hetäre kennt die A.P. ( 5,133 == GP 2494-99 ), eine Hedylis in dieser Rolle Martial ( 1,46, mit BENTLEYs Vokativ Hedyli ; cf. ibid. 9,57 einen pathicus namens Hedylus ). Im Text fällt ihr Name ansonsten nirgendwo. In Verbindung mit einer früheren Information ( 106,2 Lichas memor adhuc uxoris corruptae ) liegt zweierlei nahe: Hedyle war oder ist Lichas’ Frau, und sie wurde verführt. Dass Encolpius und/oder Giton hier die Finger im Spiel hatten, ist angesichts seiner Reaktion ( 106,2 turbato vehementius vultu eqs.) eine fast unausweichliche Vermutung ( s. auch CIAFFI 1955, 11-14 ). Zu in animum redire bei unerfreulichen Erinnerungen cf. 81,2 redeunte in animum solitudine atque contemptu ; Tac. hist. 4,76,3 redituram in animos formidinem fugam famemque ac … precariam vitam ; Ps.-Quint. decl. 19,11 p. 384,1 Håk. in animum meum tormenta redierunt ( VANNINI ad loc.). expilatumque libidinosa migratione navigium : „Auf einer Lustfahrt“ wurde Lichas’ Schiff von Encolpius ( und Giton ? ) „geplündert“. Was damals entwendet wurde, hören wir später aus Lichas’ Mund ( 114,5 vestem illam divinam eqs.; cf. S. 624 f. ad loc.). Mit von der Partie waren Hedyle und/oder Tryphaena ( cf. 101,5 voluptatis causa huc atque illuc vectatur ). Dass es auf jener „Lustfahrt“ hoch herging, legt neben der nur hier bezeugten callida iunctura libidinosa migratio ( Thes. VII 2, 1329,28f. ) auch das Adjektiv nahe, das in den Sat. stets in erotischen Kontexten erscheint ( § 7 mulier libidinosa ; 26,4 lusum … puerilem libidinosā speculabatur diligentiā ; 94,5 et ego iracundus sum et tu libidinosus ; 129,4 si libidinosa essem, quererer decepta, und e.g. Sen. ep. 83,20 libidinosus ne cubiculum quidem expectat eqs.; Tac. ann. 6,4,4 libidinosis vigiliis marcidus ).

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Wie SAMBUCUS setzt VANNINI nach navigium ein Komma und schließt das Folgende unmittelbar an: Encolpius erinnere sich an den Grund für Lichas’ Empörung ; dank der foederis verba und der allgemeinen hilaritas bleibe er jedoch gelassen. § 4 sed nec foederis verba permittebant meminisse : Zu besagtem foedus cf. 109,1-4. – Das klassisch bevorzugt mit ut konstruierte permittere ist seit Cicero auch mit dem Inf. belegt ( e.g. Verr. 2,5,22 ut iam ipsis iudicibus … coniecturam facere permittam ; ferner e.g. Verg. Aen. 9,240 si fortunā permittitis uti ; Liv. 25,18,12 dum imperatores consuleret, permitterentne sibi … in provocantem hostem pugnare eqs.; Tac. ann. 1,72,1 neque in acta sua iurari … permisit, und F. GOODYEAR ad loc.; in den Sat. ferner 138,7; zu permittere mit dem AcI cf. 33,2 permittitis tamen finiri lusum ; 127,3 si te adorari permiseris ; 130,6 placebo tibi, si me culpam emendare permiseris ); cf. KREBS – SCHMALZ 2,283 ; KST 2,224. 230; HSZ 345. 356 ; PETERSMANN 210. – Memini ist absolut gebraucht ( OLD s.v. 1 ), wohl kaum elliptisch als AcI ( ‹ eum id › meminisse ; cf.OLD s.v. 3 ). nec hilaritas, quae occupaverat mentes, dabat iracundiae locum : Mit seinem Zorn steht Lichas allein auf weitem Deck. Doch die dionysische Stimmung an Bord ( cf. 109,5 epulae … conciliant hilaritate concordiam ; 110,6 ne sileret … hilaritas ) zieht schließlich auch ihn in ihren Bann ( § 10 ). Das prosaische mentem occupare ist zuerst bei Cicero belegt ( Verr. 2,4, 113 tanta superstitio … mentīs omnium Siculorum occupavit eqs.; Lig. 17 ); ab der frühen Kaiserzeit kehrt es bisweilen wieder ( cf. Liv. 26,36,1 cum … torpor quidam occupasset hominum mentes ; Sen. contr. 8 exc. 6 fin. mentes gaudiis occupatae ; Sen. benef. 4,24,1 maiestas … eorum simul totam mentem occupat ; Apul. flor. 16,33 mens occupata delectatione ; Serv. georg. 3,3 fabulae, quae delectationi esse poterant, et occupare mentes curis solutas ; cf. VANNINI ad loc.). § 5 ceterum Tryphaena in gremio Gitonis posita modo implebat osculis pectus : Die Liebkosungen werden munterer ( cf. § 1 ). Juristisch ist Tryphaena auf der sicheren Seite ( 109,2 ut tu nihil imperabis puero repugnanti, non amplexum, non osculum, non coitum venere constrictum ): von ‚sich sträuben‘ kann bei Giton keine Rede sein. Zudem macht sie im Grunde nur ein früheres Versprechen wahr ( 100,4 si quis deus manibus meis … Gitona imponeret, quam bene exulem exciperem ). Wie innig das Verhältnis der beiden einmal war, ließ bereits Gitons Drohung ahnen ( 108,10 ad virilia sua admovit novaculam infestam, minatus se abscisurum tot miseriarum causam, inhibuitque Tryphaena tam grande facinus non dissimulatā missione ; s. auch 105,5-8 ; 106,2 non totam

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voluptatem perdiderat ; 110,3 bona fide puero basium dedit ; dass auch andere Frauen den Jüngling attraktiv finden, zeigt sich 24,6f. ). Das Bild hier erinnert an die frisch vermählte Braut auf dem Schoß ihres Gemahls ( cf. Juv. 2,120 gremio iacuit nova nupta mariti ; Apul. met. 6,24,1 accumbebat summum torum maritus, Psychen gremio suo complexus ; so PITHOU ap. BURMAN 677 ), und natürlich an die Geliebte im Schoß ihres Liebsten ( cf. Plaut. Bacch. 478 ut ipsus osculantem in gremio mulierem teneat sedens ? ; Catull 45,1-12 Acmen Septimius, suos amores, | tenens in gremio … Acme leviter caput reflectens | et dulcis pueri ebrios ocellos | illo purpureo ore saviata eqs.; 68,132 lux mea se nostrum contulit in gremium ; Ov. am. 2,18,6 in gremio sedit … meo sc. mea puella ; her. 5,70 haerebat gremio turpis amica tuo ; met. 7,66 tenens quod amo gremioque in Iasonis haerens ). Gitons Busen weiß auch Encolpius zu schätzen ( 91,9 exosculatus pectus sapientiā plenum ; zu Encolpius ~ „der auf dem Schoß sitzt, der am Busen liegt“ cf. Bd. I, S. XVI Anm. 19 ). Umgekehrt herzt Dido auf ihrem Schoß Amor ( in Ascanius’ Gestalt : Verg. Aen. 1,685-687 te gremio accipiet laetissima Dido … dabit amplexūs atque oscula dulcia figet ). interdum concinnabat spoliatum crinibus vultum : „bald putzte sie sein der Haare beraubtes Gesicht heraus“ ( cf. OLD s.v. 2: „to arrange suitably, set in order“; VANNINI ad loc. zitiert Colum. 1 praef. 5 capitumque et capillorum concinnatores, „Haupt- und Haarstylisten“ ), will heißen: sie spielt mit seiner Perücke ( s. auch das ‚Beautypaket‘ für den Esel Lucius, Apul. met. 6,28,5f.: iubam istam tuam probe pectinatam meis virginalibus monilibus adornabo, frontem … crispatam prius decoriter discriminabo eqs.). Zu dem Abl. sep. cf. Apul. met. 2,8,4 si cuiuslibet eximiae … feminae caput capillo spoliaveris. Die Kombination modo – interdum ( cf. 41,6; sonst in den Sat. meist modo – modo ) erscheint wiederholt bei Sallust ( Iug. 42,1; 55,8; 62,9; 74,1 ) und Horaz ( serm. 1,9,9; 1,10,12f.; 2,7,7f. ); ansonsten bleibt sie selten ( u.a. Prop. 2,15,5f.; Ov. met. 2,189f. ); cf. Thes. VIII, 1314,8-11; OLD s.v. modo 6; HSZ 521. § 6 ego maestus et impatiens foederis novi non cibum, non potionem capiebam : Nun schlüpft Encolpius vergrätzt in die Rolle der Matrone ( 111,3 mortem inediā persequentem ). Das foedus novum könnte der von Eumolp ausgehandelte Friedensvertrag sein, dessen Encolpius kurz zuvor noch dankbar gedacht hatte ( 110,6 Eumolpos … praesentis concordiae auctor ; s. auch oben § 4 ), eher aber die neuen ‚Liebesbande‘ ( foedus amoris ) zwischen Giton und Tryphaena ( so bereits DE SALAS 217; cf. VANNINI ad loc.). Zu foedus in dieser Verwendung cf. e.g. Ov. ars 2,579 veniunt ad foedus amantes ; OLD s.v. 3 „( applied to the marriage bond; also to other sexual unions )“; Thes. VI 1, 1004,80-1005,45 ; REITZENSTEIN 1912, 9-15.

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obliquis trucibusque oculis utrumque spectabam : cf. 79,11 Ascylton … truci intuens vultu ; 82,2 attonito vultu efferatoque. – Nur selten verdankt sich der ‚scheele Blick‘ einer ungünstigen Position ( Apul. met. 1,12,2 obliquo aspectu, unter dem Bett hervor ). Meist ist er Zeichen des N e i d e s ( gerade als strabo, „Scheelauge“; cf. Lucilius frg. 704 f. M. nulli me invidere, non strabonem fieri saepius | deliciis me istorum ; Varro Men. 176 Astb.: angesichts der attraktiven Dame des Hauses multi …, qui limina intrarunt integris oculis, strabones sunt facti ), der M i s s b i l l i g u n g ( cf. Apoll. Rhod. 4,475f. λοξῷ … ὄμματι, „mit scheelem Auge“ ), des Z o r n s ( cf. Kallim. Hecala frg. 374 Pf. ὄμμασι λοξὸν ὑποδράξ | ὀσσομένη, „mit den Augen scheel von unten blickend, grimmig“ ), der F e i n d s e l i g k e i t ( cf. Hor. ep. 1,14, 37f. non istic sc. rure obliquo oculo mea commoda quisquam | limat ; Ov. met. 2,787 illa sc. Invidia deam obliquo fugientem lumine cernens ; Sen. Thy. 706 adsistit aris, torvum et obliquum intuens ; Stat. silv. 2,6,102 obliquo … notat Proserpina vultu ; zu Verg. Aen. 11,336f. gloria Turni | obliquā invidiā … agitabat sc. Drancem cf. HORSFALL ad loc.), des H a s s e s ( cf. Stat. Theb. 3,377 obliquo lumine ), oder, wie hier, der E i f e r s u c h t ( s. auch Sat. 108,14,5 contemptus amor vires habet ). § 7 omnia me oscula vulnerabant, omnes blanditiae : „Jedes Küsschen war mir ein Dolch ins Herz ! Jede Schmeicheley…“ ( HEINSE ). So reagiert nicht nur der zart besaitete Geliebte (cf. Prop. 2,6,9-13 me iuvenum pictae facies, me nomina laedunt, | me tener in cunis et sine voce puer ; | me laedet, si multa tibi dabit oscula mater, | me soror et cum quae dormit amica simul. | omnia me laedent ), sondern auch der eifersüchtige Paris ( Ov. her. 16,221230; VANNINI 266 ad 113,5 sieht in der Passage hier „quasi una riscrittura“ ): paenitet hospitii, cum me spectante lacertos | imponit collo rusticus iste tuo. | rumpor et invidiā ( DAMSTÉ : invideo codd.) … membra superiecta cum tua veste fovet. | oscula cum vero coram non dura daretis, | ante oculos posui pocula sumpta meos. | lumina demitto, cum te tenet artius ille, | crescit et invito lentus in ore cibus. | saepe dedi gemitūs et te, lasciva, notavi | in gemitu risum non tenuisse meo ( s. auch 16,215f. totis indignus noctibus ille | te tenet, amplexu perfruiturque tuo ; 20,143150 ). Ovid gelesen hat offenbar auch Tryphaena ( cf. am. 2,5,13-32; 2,19,17f. quas mihi blanditias, quam dulcia verba parabat ! | oscula, di magni, qualia quotque dabat ! ; 3,7,9-11 oscula … inseruit cupidā luctantia linguā, … et mihi blanditias dixit ; 3,7,63f. at quae non tacitā formavi gaudia mente, | quos ego non finxi disposuique modos ? ). Blanditiae gewinnt hier quasi erotische Qualität : „Liebkosungen, Zärtlichkeiten“ ( cf. 140,11 nec se reiciebat a blanditiis, und FEDELI p. 248 ad Prop. 1,9,30 ; tacent Thes., OLD ). Hat Encolpius hier noch Eu-

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molps Novelle im Ohr ( zu blanditiae cf. 112,1 ) ? Die ihren Sohn verführende Agrippina ( Tac. ann. 14,2,1 iamque lasciva oscula et praenuntias flagitii blanditias adnotantibus proximis ) und die Schulung einer angehenden meretrix ( Sen. contr. 1,2,5 excipitur meretricium osculis, docetur blanditias et in omnem corporis motum confingitur ) zitiert VANNINI ad loc. – Zu den metaphorischen ‚Wunden‘ ( vulnerabant ) cf. § 8 recentem cicatricem ( und S. 591f. ad loc.). quascumque mulier libidinosa fingebat : „… welche das geile Weib dem Knaben machte !“ ( HEINSE ). Sein eifersüchtiges Urteil über Tryphaena hat Encolpius nicht revidiert ( 108,5 ni abstineret a Gitone iniuriam mulier damnata et … sola verberanda ; dass Encolpius hier „Eumolpus’ Prämisse von der Durchtriebenheit der Frauen“ auf Tryphaena projiziere, vermutet EICKMEYER 2006, 90 ). Zu libidinosus cf. oben zu § 3 libidinosa migratione ; zum ( nicht nur in den Sat.) bisweilen boshaften Unterton von mulier cf. 42,7 mulier quae mulier milvinum genus ; 81,5 mulier secutuleia ; AXELSON 53-57 ; VANNINI 104 ad 100,4. Fingebat zielt entweder auf Tryphaenas erotischen Ideenreichtum: „Liebkosungen, wie sie dem lüsternen Frauenzimmer nur einfielen“ ( cf. OLD s.v. 7: „to devise, contrive, think up ( a plan of action, etc.); ( of activities ) to bring about, produce“, auch ad loc.; so auch A. SETAIOLI in epist.), oder – weniger wahrscheinlich – er unterstellt ihr, sie täusche ihre Gefühle nur vor ( cf. Cic. fam. 9,16,2 non facile diiudicatur amor verus et fictus ; Prop. 2,24,47 dura est quae multis simulatum fingit amorem ; OLD s.v. 9b: „to make a pretence of ( doing or feeling something ), feign, simulate“; so VANNINI ad loc.; cf. HOLZBERG : „… unter dem Schein wahrer Liebe“ ). nec tamen adhuc sciebam utrum magis puero irascerer, quod amicam mihi auferret : Encolpius war offenkundig nicht nur mit Lichas intim ( cf. 105,9 ), sondern auch mit Tryphaena ( § 8 me … tamquam … aliquando gratum sibi amatorem ) – wie Giton. Neben der „guten Freundin“ ( 62,9; 136,11) ist amica vor allem die „Geliebte“, die „Gespielin“ ( 58,10; 93,2,8f. amica vincit | uxorem ; 105,3 apud communem amicam consumpserunt pecuniam ; 140,9 inter mercennarium amicamque positus ; frg. 49,2 M.4 apparet, Marti quam sit amica Venus ). an amicae, quod puerum corrumperet : Angesichts ihrer früheren ménage à trois ( bzw. à quatre ) kommt Encolpius’ Aufregung überraschend – zumal er solche Verwicklungen geahnt hatte ( 108,5, oben zit.; s. auch 106,2 Tryphaena … non totam voluptatem perdiderat ; zu der Konstellation ‚attraktiver Jüngling – reifere Frau‘ cf. Hor. c. 3,20, und NISBET – RUDD ad loc.; s. auch das bekannte pompejische Graffito nemo est bellus nisi qui amavit mulierem adulescentulus, Carm. Lat. Epigr. 233 ). Und mit Blick auf Gitons

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einschlägigen Erfahrungen ( u.a. auch mit Quartilla, 24,6f., und Pannychis, 26,3f. ) klingt die Unterstellung reichlich naiv ( zu dem Verb cf. 106,2 uxoris corruptae ; OLD s.v. corrumpō 5b: „to corrupt sexually, seduce“; ADAMS 199 ; VANNINI ad loc. zitiert Tib. 1,9,53 puerum donis corrumpere es ausus, und zu der Alternative Ps.-Quint. decl. 1,16 utrum filio irascatur an uxori ). utraque inimicissima oculis meis et captivitate praeterita tristiora : Die captivitas praeterita meint ihre missliche Lage an Bord, in den Händen alter Feinde ( VANNINI ad loc. denkt v.a. an ihre peinliche Verwandlung in Eumolps Sklaven; cf. 108,1; 110,4 f.; kaum gemeint ist das ergastulum 81,5, das SCHMELING in SCHMELING – SETAIOLI 435 zitiert ). Utraque ( Neutr. Pl.) meint beide Seiten derselben Medaille: Giton, der ihm die frühere Geliebte ausspannt, und Tryphaena, die seinem Liebling den Kopf verdreht. Das Abstractum captivitas ist erst seit neronischer Zeit belegt ( cf. Sen. dial. 9,11,7; benef. 6,35,5; ep. 85,27 u.ö.; zu Sen. contr. 7,4,5 und SCHULTINGs Konjektur cf. L. HÅKANSON ad loc.). – Zu der Ellipse inimicissima ‹ erant › cf. 108,11 Komm. == Bd. I, S. 449, zur Ellipse allgemein 80,1 Komm. == Bd. I, S. 17. § 8 accedebat huc quod : Cf. 79,2 accedebat huc ebrietas ; 101,10 accedit his quod ( eqs.), und Bd. I, S. 350 ad loc.; 141,8 accedit huc quod ( eqs.). neque Tryphaena me alloquebatur tamquam familiarem et aliquando gratum sibi amatorem : Cf. Catull 38, bes. 4-6 quem tu, quod minimum facillimumquest, | qua solatus es allocutione ? | irascor tibi. sic tuos amores ? Ignoriert hatte ihn bereits Lichas ( 110,4 me … alloquio dignum ne Lichas quidem crederet ; lt. VAN THIEL 1971, 42 Anm. 1 wird die dortige Situation hier ‚ironisch gesteigert‘ ). – Zu familiaris als „Busenfreund, Liebhaber“ cf. 112,6 familiari ac viro, und S. 572 ad loc. Vergleichendes tamquam bei einem Nomen im Sinn von ( sic)ut ( „wie“ ) erscheint vereinzelt bereits klassisch ( e.g. Liv. 24,23,7 ). Gebräuchlich wird es erst im christlichen Latein ( cf. MENGE § 393,1; SCHRIJNEN – MOHRMANN 1,136; HSZ 597; PETERSMANN 288; OLD s.v. 1a ). nec Giton me aut tralaticia propinatione dignum iudicabat : „noch Giton mich eines simplen Prosts für würdig erachtete“ ( wohl kaum als Reaktion auf Encolpius’ äußere Erscheinung, wie in Lichas’ Fall : 110,4 intellegebam … me non tralaticia deformitate esse insignitum, quem alloquio dignum ne Lichas quidem crederet ). Beim Symposion waren offene wie diskrete Gesten erotischer Verbundenheit gang und gäbe ( e.g. Tib. 1,2,21f.: Venus lehrt, beim Gastmahl

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„auch in Gegenwart des Gatten vielsagende Winke auszutauschen und Koseworte zu verbergen hinter vereinbarten Zeichen“, viro coram nutūs conferre loquaces | blandaque conpositis abdere verba notis ; cf. K.F. SMITH ad loc.; Ov. am. 1,4,15-28; ars 1,565-578; her. 17,75-90; Mart. 12,93; s. auch Sat. 109,8 iam Tryphaena Gitona extrema parte potionis spargebat, und Bd. I, S. 469 ad loc.; zum Zutrinken unter Liebenden ferner Plaut. Asin. 771-773 ). In diesem Sinne hätte Giton ihm zumindest zuprosten können. Was bei der propīnātio passiert, verrät das schon früh bezeugte Lehnwort propīnāre ( προπίνειν , „zutrinken, auf jemandes Wohl trinken“ ), „to drink ( to a person, in practice by proposing a toast, tasting the wine in one’s cup, and then handing it over to be drunk by the person honoured )“ ( OLD s.v. 1a ), und e.g. Plaut. Curc. 359 propino magnum poclum : ille ebibit ; Stich. 708 tibi propino ; Cic. Tusc. 1,96; Sen. dial. 4,33,4 ; Mart. 2,15 quod nulli calicem tuum propinas, | humane facis eqs.; 3,82,30f. nos accubamus et … nutibus propinamus ; 6,44,6 nemo propinabit, Calliodore, tibi ; Juv. 5,127f. quando propinat | Virro tibi ? Die höchst seltene propīnātio ( „the action of drinking a person’s health“; OLD s.v.; anders LUCARINI 2005, 290 Anm. 4 : ‚die Einladung zum Trinken‘ ) ist dreimal bei Seneca belegt ( dial. 4,33,6 propinationibus senem crebris, ut cura leniretur admonens, lacessebat ; benef. 2,21,5 ab eo beneficium accipiam, a quo propinationem accepturus non sum ? ; ep. 83,24 cum … propinationes tuas … vomitantes recusaverint ), hier, ferner vereinzelt in Inschriften und christlichen Texten ( e.g. CIL 5,5272; cf. Thes. X 2, 2009,73-2010,12; OLD s.v.; MARBACH 1931, 115; CAVALCA 2001, 147 ). Das verwandte propīn ( neutr. indecl., προπεῖν ), „Aperitif “, erscheint 28,3 hoc suum propin esse dicebat ( propin esse HERAEUS : propinasse codd.); cf. W. HERAEUS, RhM 70, 1915, 1-41 == ders., Kleine Schriften, Heidelberg 1937, 190-226; CAVALCA 2001, 146f.; LUCARINI 2005. Das rare tralaticius erscheint just in der Episode auf hoher See gleich viermal ( ferner 108,12 tralaticium bellum ; 110,4 tralaticia deformitate ; 114,11 tralaticia humanitate ). – Elegant liest sich FUCHS’ vel statt des ersten aut : vel tralaticiā propinatione ( 1959, 76 ; empfohlen von DELZ 1962, 683 ): „und sei es auch nur“ ( OLD s.v. 6 ), das eine Art Äquivalent zu quod minimum est bildet. Bitterer und schärfer klingt freilich aut. aut, quod minimum est, sermone communi vocabat : „oder zumindest während der allgemeinen Plauderei einmal ansprach“. Selbst diese unverfängliche Gefälligkeit verweigert Giton seinem Galan ( cf. Theokrit 14,47f. Λύκος νῦν πάντα, Λύκῳ καὶ νυκτὸς ἀνῷκται· | ἄμμες δ᾿ οὔτε λόγω τινὸς ἄξιοι οὔτ᾿ ἀριθμητοί, „Wolfi ist nun ihr ein und alles, Wolfi wird auch des Nachts Einlass gewährt. Doch unsereins

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wird keines Worts gewürdigt, noch zählen wir was“; Catull 38,4-6, oben zit.). Zu quod minimum est cf. Suet. Tib. 50,1 Iuliae uxori tantum afuit ut relegatae, quod minimum est, offici aut humanitatis aliquid impertiret ( „so entschieden war er dagegen, seiner verbannten Gattin Julia, was das Mindeste gewesen wäre, ein wenig Freundlichkeit und Menschlichkeit zu zeigen“ ). Die Junktur sermo communis besitzt verschiedene Färbungen: „die Umgangssprache“ ( Cic. de orat. 1,243; Sen. suas. 2,13 ), „die übliche Sprechweise, der gemeine Sprachgebrauch“ ( Quint. inst. 2,10,13; 2,21,20; cf. 11,3,87 omnium hominum communis sermo, „die gemeinsame Sprache der Menschheit“ ), „Gespräch, Diskussion“ ( Cic. off. 1,134 ), und – wie hier – „( allgemeine ) Unterhaltung, Alltagsgespräch“ ( Suet. Nero 38,1 dicente quodam in sermone communi ; Gell. 1,10,1 in cotidianis communibusque sermonibus ; cf. 17,14,3 sententiae … ad communem sermonum usum commendatissimae ). vocabat : Die Konstruktion mit dem überlieferten und von den meisten Herausgebern ( u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; MÜLLER ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI ) bewahrten Verb ist ungewöhnlich, jedoch nicht unerklärlich. Am ehesten bedeutet vocare hier „address by name“ ( OLD s.v. uocō 1c ad loc., und e.g. Ov. met. 5,625 ‚io Arethusa, io Arethusa !‘ vocavit ). Sermone communi ist wohl als Abl. temp. zu verstehen : „während der allseitigen Unterhaltung“ ( cf. e.g. Cic. Mur. 74 cotidianis epulis in robore accumbunt, „bei ihren täglichen Mahlzeiten liegen die Spartaner auf blankem Holz“; Vitruv 7,4,5 conviviis eorum, „während ihrer Gastmähler“; KST 1,355f.). Laut VANNINI 2007a, 221f. bräuchte es statt eines Abl. temp. oder loci in diesem Fall ein in oder ad + Akk.; dies gilt freilich nur für Konstruktionen wie e.g. Cic. leg. 1,13 in longum sermonem ( „Disput“ ) me vocas, Attice ; Sen. ep. 47,13 in sermonem illum admitte ( s. auch EHLERS’ grammatisch heikle Übersetzung : „mich … zum mindesten in die Unterhaltung zog“; G. VANNINI in epist. bleibt skeptisch: „bisogna dare all’abl. un valore locativo-temporale che non mi pare petroniano né adatto a sermo“ ). Die alte, von KRAFFERT 1888, 13 empfohlene Konjektur sermoni communi vacabat ( „… sich Zeit nahm für eine simple Unterhaltung“ ) passt nicht recht zu quod minimum est. MÜLLER 1 erwog provocabat ( cf. Sat. 70,13 coepit … dominum suum sponsione provocare, „… mit einer Wette herausfordern“ ). Auch hier bräuchte es wohl ein in bzw. ad + Akk. ( cf. Suet. Aug. 74,1 ad communionem sermonis tacentīs … provocabat, „er versuchte, die Schweigenden ins Gespräch hineinzuziehen“ ); und in Verbindung mit quod minimum est scheint das Verb zu stark ( so auch VANNINI 2007, 176 Anm. 60 ). Erwägenswert ist der alte Vorschlag, vocabat zu tilgen ( sermone communi hinge dann gleichfalls von dignum iudicabat ab ). Doch wie kam es zu dem Einschub ? Und communi klingt in dieser Konstellation eigenwillig.

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Attraktiv, als Antiklimax ‚keine Anrede‘ – ‚kein Prosit‘ – ‚bewusstes Ignorieren‘, klingt WATTs notabat ( 1986, 182 ): „took notice of me in the general conversation“ – passend zu Encolpius’ Vermutung, Giton übersehe ihn geflissentlich ( credo, veritus eqs.). Allerdings deckt das Wortfeld von notare diese Bedeutung nicht wirklich ab ( cf. OLD s.v. 3c und 13 ). Die beste Konjektur ist VANNINIs ingeniöses sermone communicabat ( 2007a, 221f. ; so HOLZBERG ), „noch mich an der allgemeinen Unterhaltung teilhaben ließ“. Diese höchst exotische Formel stützt sich freilich nur auf eine Parallele, Plaut. Mil. 51 communicabo … te mensā meā, „ich werde dich an meiner Tafel teilhaben lassen“ ( s. auch Rufin Greg. Naz. orat. 5,6,3 Engelbr. etiam si sc. me tecto et hospitio communices, ferner Thes. III, 1956,715 mit einigen weiteren, kaum hilfreichen späten Belegen ), ferner Ciceros sinnverwandte sermonis communicatio ( Att. 1,17,6, „our habitual exchange of talk“, SHACKLETON BAILEY ). credo, veritus ne inter initia coeuntis gratiae recentem cicatricem rescinderet : „aus Angst, glaube ich, mitten im Aufblühen der sich anbahnenden Aussöhnung die frische Narbe wieder aufzureißen“. Wieder einmal findet Encolpius blauäugig genug eine Entschuldigung für Gitons Verhalten: hier die angeblichen Sachzwänge der delikaten Situation. Die ‚kaum verheilte Wunde‘ bezieht sich auf den Streit an Bord ( 108,5-7 ), nicht auf frühere Ereignisse ( u.a. 106,4 ). Wie zart die neuen Bande noch sind, unterstreicht das Hendiadyoin inter initia ( „in der Frühphase“; cf. OLD s.v. initium 3d ) – coeuntis. Die diplomatische Finesse, die er Giton damit unterstellt ( nicht völlig zu Unrecht ; cf. 98,7-9 Giton longe blandior quam ego eqs. ), tröstet ihn freilich nicht. Zu gratia cf. OLD s.v. 2: „goodwill existing between two or more people, friendship, amity“, „redire in gratiam, to become reconciled“. Zu dem parataktischen credo cf. 68,4 iussus, credo, a domino suo ( eqs.); 92,10; 110,1 plura volebat proferre, credo eqs.; VANNINI 178f. ad 106,3. Zu dem spröden, ausschließlich in kaiserzeitlicher Prosa belegten inter initia ( Celsus 14 Belege; Plin. nat. 11 Belege ; sonst selten ) cf. 43,4. cicatricem : Zur Metaphorik von Wunde und Narbe cf. 91,6 in hoc pectore, cum vulnus ingens fuerit, cicatrix non est ; 99,2 omnem scabitudinem animo … delevet sine cicatrice ; ferner Cic. agr. 3,4 ne … refricare obductam iam rei publicae cicatricem viderer ( „… ich risse die vernarbte Wunde wieder auf “ ); Att. 12,18,1 quae res forsitan sit refricatura vulnus meum ( VANNINI ad loc. sieht in Cicero den πρῶτος εὑρετής dieser Metapher ); Prop. 3,24,18 vulnera … ad sanum ( „zur Heilung“ ) nunc coiere mea ; Hor. ep. 1,3,31f. an male sarta | gratia nequiquam coit et rescinditur ? ( „Oder ist eure Freundschaft wie eine

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schlecht genähte Wunde, die sich vergeblich schließt und wieder aufreißt ?“; übers. B. KYTZLER ); Ov. rem. 623 vulnus in antiquum rediit male firma cicatrix ; trist. 3,11,63f. rescindere crimina noli, | deque gravi duras vulnere tolle manūs ; 4,4,41f. neve retractando nondum coëuntia rumpam | vulnera ; Pont. 1,3, 15f. tempore ducetur longo fortasse cicatrix : | horrent admotas vulnera cruda manūs ; 1,3,87f. si possint nostra coire | vulnera, praeceptis posse coire tuis ; 1,6,22-24 ; 2,2,57f. vulneris id genus est quod, cum sanabile non sit, | non contrectari tutius esse puto. – Zu coire bei Narben ( „verheilen, sich schließen“ ) cf. Thes. III, 1419,11-31 ( VANNINI ad loc.). § 9 inundavere pectus lacrimae dolore paratae : Seinen Tränen lässt Encolpius oft genug freien Lauf ( cf. 24,1; 81,1; 91,8; 99,2; 115,12; 134,5 ). Die „dem Schmerz entsprungenen Zähren“ scheinen authentisch ( wie Stat. Theb. 9,36 deriguit iuvenis lacrimaeque haesere paratae ), auch wenn die Junktur lacrimae paratae üblicherweise ‚Krokodilstränen‘ meint ( cf. 17,2 attoniti expectavimus lacrimas ad ostentationem doloris paratas, und e.g. Publilius Syrus P 39 ~ 488 Fr. paratae lacrimae insidias, non fletum indicant ; Juv. 6,271275 simulat gemitūs … uberibus semper lacrimis semperque paratis eqs.). Fließend ist der Übergang zur Theatralik weiblicher Tränen ( e.g. Sat. 17,3 tam ambitiosus … imber, „der überaus effekthascherische Regenschauer“; Ov. am. 1,8,83f. quin etiam discant oculi lacrimare coacti eqs., und J.C. MCKEOWN 242 und 244 ad loc.; ars 3,291f. discunt lacrimare decenter eqs.). gemitusque suspirio tectus animam paene submovit : „und mein vom schweren Atmen ( HOLZBERG : „von Seufzern“ ) überdecktes Stöhnen raubte mir schier die Besinnung“. Ein Echo von Ov. her. 16,229f. saepe dedi gemitūs et te, lasciva, notavi | in gemitu risum non tenuisse meo ( so VANNINI ad loc.; cf. oben S. 586 ) ? Die Symptome verraten den Liebeskranken ; cf. 81,2 verberabam aegrum planctibus pectus et inter tot altissimos gemitūs frequenter etiam proclamabam ; Kallim. ep. 43,1f. Pf. == A.P. 12,134,1f. == HE 1103f. ἕλκος ἔχων ὁ ξεῖνος ἐλάνθανεν · ὡς ἀνιηρόν | πνεῦμα διὰ στηθέων – εἶδες ; – ἀνηγάγετο ( „Eine Wunde trug der Fremde im Verborgenen. Wie gequält er den Atem tief aus der Brust presste, sahst du es ?“ ); Plaut. Cist. 55f. hoc sis vide, ut petivit | suspirium alte ; Hor. epod. 11,9f. in quīs sc. conviviis amantem languor et silentium | arguit et latere petitus imo spiritus ; c. 3,7,10f. suspirare Chloen et miseram tuis | dicens ignibus uri ; Ov. met. 10,402f. suspiria duxit ab imo | pectore ; Apul. met. 10,2,6 suspiritus cruciatus tarditate vehementior ( s. ebd. 5,25,5 ). Lygdamus hingegen mag sich von seiner Eifersucht die gute Laune nicht verderben lassen ( Corp. Tib. 3,6,59-64 non ego, si fugit nostrae convivia mensae |

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ignotum cupiens vana puella torum, | sollicitus repetam totā suspiria nocte eqs.). – Die Junktur animam submovere ist singulär ( Thes. II, 70,30 ). §§ 10 – 13 Am Ende von Kap. 113 finden sich vier Textsplitter, deren Sinn und Zusammenhang sich nur noch bedingt erschließen lassen ( so phantastisch wie vergnüglich füllte NODOT die Lücken aus ). Im Epizentrum der Ereignisse steht offenbar Encolpius. Ein sichtlich besser gestimmter Lichas macht ihm Avancen ( § 10 ), die er sich ungeachtet einer Warnung ( § 11 ) offenbar gerne gefallen lässt. Im Nachhinein fürchtet er Eumolps Mitwisserschaft und Spott ( § 12 ); der freilich scheint ihn seiner Diskretion zu versichern ( § 13 ). – VAN THIELs Theorie, die vier Textsplitter stammten sämtlich aus anderen Kapiteln und seien hier fehl am Platz ( 1971, 47; SCHMELING – SETAIOLI 436 ziehen sie in Betracht ; skeptischer VANNINI 269 ), diskutieren die folgenden Lemmata. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Frage nach der C h r o n o l o g i e von Sat. 100-115, die sich angesichts des fragmentierten Textes nicht verbindlich lösen lässt ( s. auch CIAFFI 1955, 61-63; VANNINI 18f. und 270 ). In tiefer Nacht geht das Quartett an Bord und sticht in See ( 99,6 ); noch in selbiger Nacht kommt es zur Maskerade ( 103,5f. ad lunam ; reliquas noctis horas ). Morgens werden Encolpius und Giton enttarnt ( 104 ); in rascher Abfolge streitet, kämpft und versöhnt man sich. Das Friedensfest beginnt bei Tage ( 109,5; dafür sprechen v.a. Fisch- und Vogelfang, 109,6f. ) und dauert wohl etliche Stunden, vielleicht bis tief in die Nacht ( irgendwo zwischen 113,9 und 113,13 klingt es aus; dass sich 113,10-13 auf eine „ganze Nacht amouröser Abenteuer und Intrigen“ verteilen, nahm SULLIVAN 1968, 64 an ). Der Sturm wiederum bricht bei Tage los ( 114,1 nubes … obruēre tenebris diem ). Offen bleibt, wie lange er wütet. Die Landung scheint sich bei Tageslicht zuzutragen, wie die Ankunft der Fischer ( 114,14 ) und Eumolps Rettung ( 115,1-5 ) nahelegen, sowie die folgende traurige Nacht ( 115,6 tristissimam exegimus noctem ; cf. 115,7 postero die ). An diesem Punkt kommt ein externes Detail ins Spiel: die Distanz zwischen dem Golf von Neapel, wo die Fahrt beginnt, und der Küste Bruttiums als Ort des Schiffbruchs. Günstige Winde vorausgesetzt, ließ sich die Strecke in zwei Tagen bewältigen (cf. CASSON 281-291). Wenn Petron sich keine dichterischen Freiheiten herausnahm wie Ovid, bei dem eine gewaltige Orkanböe ein Schiff vom Golf von Tarent bis nach Latium fegt ( fast. 3,581-600, bes. 599f. figitur ad Laurens ingenti flamine litus | puppis ), sind auch hier für die Zeit zwischen der Abfahrt in Kampanien und der

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Landung unweit Krotons zumindest zwei Tage ( und Nächte ) zu veranschlagen. Das führt zu zwei möglichen Szenarien : das Fest erstreckt sich bis tief in die Nacht ; erst am nächsten Tag ( Tag zwei auf See ) tobt der Orkan. Oder aber er bricht noch am ersten Tag los ( dann wahrscheinlich gegen Abend ) und wütet zwei oder gar mehrere Tage ( der Roman kennt längere Unwetter zur Genüge ). Für Lösung zwei spräche v.a. die Windstille ( 109,6 ), die einem Sturm meist unmittelbar vorausgeht, aber auch das oft quirlige Erzähltempo der Satyrica ; mehr erzählerisches Potential verspricht wohl Variante eins, die Raum ließe für einen bunten Reigen nächtlicher Amouren und Intrigen. Die Frage bleibt am besten offen. § 10 in partem voluptatis temptabat admitti, nec domini supercilium induebat, sed amici quaerebat obsequium : „Er war darauf erpicht, an den Lustbarkeiten teilzuhaben, und er mimte nicht länger den dünkelhaften Herrn, sondern buhlte um des Geliebten Gefälligkeit.“ Wie das domini supercilium deutlich macht, redet Encolpius hier offenkundig von Lichas ( dass Eumolp sich hier an Giton heranmache, so PARATORE 1933, II 369, ist abwegig ). Er hat seinen Groll ( §§ 2f. ) inzwischen geschluckt und sich von dem ausgelassenen Treiben um ihn herum anstecken lassen ( an Juvenals moralinsauren Puritaner, der sich als mollis entpuppt, 2,1-35, erinnert VANNINI ad loc.). Doch wer ist der amicus, dem Lichas’ Avancen gelten ? VANNINI 270 ad loc. denkt an Giton; bei ihm und Tryphaena wolle Lichas den Dritten im Bunde spielen ( so bereits SULLIVAN 1968, 64 : Lichas versuche, „to get into the gay circle of Tryphaena, Giton, and Eumolpus, from which Encolpius is still excluded“ ). Encolpius beobachte die Szene wutentbrannt ; Tryphaenas ancilla ( die bereits 110,5 Interesse an ihm zeige und ihre eigene Agenda verfolge ) suche ihn aufzumuntern und ihm die Orgie madig zu machen ( § 11 ). Gegen diese einleuchtende Rekonstruktion sprechen allenfalls zwei kleine Details: sie lässt die Bruchstücke §§ 12f. unberücksichtigt, und sie setzt voraus, dass Lichas den blutjungen Giton ‚gleichberechtigt‘ als amicus anspricht ( nur in Verbindung mit Encolpius bezeichnet er die beiden einmal als solche: amici fuerunt nostri, 107,11 ). Ein harmonischeres Gesamtbild ergibt sich, wenn wir zwischen § 9 und § 10 einen größeren Textausfall annehmen und ins Epizentrum der Ereignisse Encolpius rücken, an dem Lichas offenkundig immer noch ‚manifest‘ interessiert ist ( 105,9 ad inguina mea … movit officiosam manum ; zum weiteren Szenario s. oben zu §§ 10-13; ferner CIAFFI 1955, 63 ). Bereits zu Be-

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ginn der Party wirft Lichas ein wohlgefälliges Auge auf ihn ( 109,8; unten zit.); nicht von ungefähr antizipierte Eumolps Friedensvertrag solche Ambitionen ( 109,3). Ist Lichas’ behutsames Vorgehen besagtem Dokument geschuldet ? Für VAN THIEL passt der Satz besser in die Lücke nach 110,5 : „Die erneute Schönheit des Enkolp veranlaßt auch Lichas, die Versöhnung zu suchen.“ ( 1971, 46 ). „So wie Tryphaena den Giton erst mit seiner Perücke wieder ganz in ihr Herz schließt ( 110,3 ), könnte auch Lichas seine alten Gefühle wiederentdecken. Diese parallele Entwicklung der beiden Handlungen entspräche der des Satzes 109,8.“ ( 47 Anm. 1 ). Die These ist bedenkenswert. Doch vor Eumolps ephesischer Erzählung treibt die laszive Stimmung erst zarte Knospen ( 109,8 iam Lichas redire mecum in gratiam coeperat, iam Tryphaena Gitona extrema parte potionis spargebat ; 110,3 tunc primum sc. Tryphaena … puero basium dedit ; wichtig ist zudem der ‚Rückschlag‘ 110,4 : me … alloquio dignum ne Lichas quidem crederet ). Anders hier : die pars voluptatis und das amici obsequium klingen, als ginge ein rundweg faunisch gestimmter Lichas aufs Ganze. Das passt eindeutig besser zur Situation hier ( s. auch VANNINI 231 ad 110,5 ). domini supercilium : Zu den Brauen als Spiegel seelischer Regungen cf. 91,7 supercilium altius sustulit ( und Bd. I, S. 222 ad loc.). Die Junktur supercilium induere ist singulär. Inspiriert hat sie vermutlich die ( meist um ein Adjektiv ergänzte ) Wendung vultum induere, die eine Änderung der Miene und der Stimmung anzeigt ; so zuerst Ovid ( am. 3,14,27 indue … metuentem crimina vultum ), und bes. Seneca ( dial. 11,5,5 indue dissimilem animo tuo vultum ; benef. 2,2,2 laetus facit et induit sibi animi sui vultum ; Med. 750f. vĕni | pessimos induta vultūs ; s. auch Ps.-Ov. cons. Liv. 181 urbs gemit et vultum miserabilis induit unum ; Mart. 2,41,13 vultūs indue … severos ; Anth. Lat. 409,1 R. == 405,1 Sh.B. tristes indue vultūs ). Seit Vergil beschreibt sie mitunter eine physische Metamorphose ( Aen. 1,684 notos pueri puer indue vultūs ; so e.g. Ov. met. 8,853f.; Sen. Ag. 707 induit vultūs feros ; cf. Thes. VII 1, 1263,5055 ). obsequium : Zum Unterton des Abstraktums, vom „( geduldigen ) Werben“ über die „Willfährigkeit, Hingabe“ bis hin zur „( sexuellen ) Gefälligkeit“, cf. Tib. 1,4,39-56 ( Priaps ‚ars amatoria de usu formosorum‘ ), bes. 40 obsequio plurima vincet amor ; Prop. 1,8 B, 39f. hanc … flectere … potui blandi carminis obsequio ; Ov. ars 2,179-184 ; Liv. 39,42,9; Curt. Ruf. 6,5,32; 6,7,2 exoleti … amore flagrabat obsequio uni sibi dediti corporis vinctus, „er brannte in Liebe zu einem Lustknaben, der Willfährigkeit des allein ihm hingegebenen Leibs hörig“; 10,1,25 Alexandrum obsequio corporis devinxerat sibi

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( so auch bei Tieren: Colum. 6,37,9 asellus admovetur, qui sollicitet obsequia feminae ; 6,27,10 temptavit obsequium feminae, „er testete die Bereitschaft der Stute“ ); OLD s.v. 2c ; ADAMS 164 ( „transferred euphemistically to the female and passive role in intercourse“; tacet Thes.). § 11 [ Ancilla Tryphaenae ad Encolpium ] : In diesem Fragment wird ein vir gewarnt. Das wirft drei Fragen auf : Wer wird gewarnt ? Von wem ? Und vor allem: vor wem ? Ad 1: Mit Blick auf ingenui sanguinis und vir kommen nur drei Kandidaten ernstlich in Betracht : Eumolp, Lichas und Encolpius. Doch E u m o l p spielt in den wollüstigen Wirrungen an Bord offenbar vor allem den Zaungast ( cf. §§ 12f. ). L i c h a s schneidet immerhin Encolpius die Cour ( § 10; dass Encolpius ihn vor Tryphaena warne, so SULLIVAN 1968, 65, ist abwegig ; noch abwegiger sein Einfall 1976, 94, Encolpius warne Giton vor Tryphaena ; und warum sollte er den Knaben als vir anreden ? ). Doch wer sollte ihn vor Encolpius warnen ? Und vor allem: warum ? Der wahrscheinlichste Kandidat ist E n c o l p i u s , dessen waidwunde Blicke eben noch Giton und Tryphaena töteten ( §§ 6-9 ). Ad 2: Von wem wird Encolpius gewarnt ( dass er selbst jemanden anspricht, ist so gut wie ausgeschlossen: Giton und Tryphaena ignorieren ihn; Eumolp kommt erst § 12f. ins Spiel; und als Antwort auf Lichas’ Werben ergibt § 11 schlicht keinen Sinn )? Wohl kaum von Giton und Tryphaena, die vollauf miteinander beschäftigt sind. Von Eumolp hören wir erst später ( § 12f. ). Lichas könnte ihn vor Tryphaena warnen, um ihn für sich zu gewinnen. Doch wie schon die Szene 108,5f. verrät, würde er sie kaum als scortum beleidigen ( § 11). Allenfalls könnte er gegen Giton giften ( wohl wissend, dass Encolpius aktuell auch bei dem flatterhaften Jüngling keine Chance hat ). Am ehesten kommt eine Person aus der zweiten Reihe infrage, z.B. eine mit intimen Details vertraute Magd Tryphaenas ( die ancilla von 110,1-5 ? ). Der titulus ( die Zuschreibung der Passage: ancilla Tryphaenae ad Encolpium ), der auf das Konto des Exzerptors oder eines Kopisten geht, klingt authentisch ( zu den tituli der Sat. cf. NARDO 1993; DI SIMONE 1998 ). Wie wiederholt vermutet wurde, verfolgt sie ihre eigene Agenda und redet die potentielle Konkurrenz schlecht, um sich Encolpius zu angeln ( so u.a. VANNINI 270f.; s. auch NARDO 1993, 47f.: wie 139,4 die ancilla Chrysis, könnte auch sie sich in Encolpius verliebt haben ; eher aber wolle sie ihn von einem aussichtslosen Unterfangen ablenken ; s. auch DI SIMONE 1998, 936-941 ). Dass sie kaum so respektlos über ihre Herrin reden würde ( so SULLIVAN 1976, 94 ), ist schwerlich ein Argument.

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Ad 3: Vor wem wird Encolpius gewarnt ? Vor Eumolp wohl kaum. Dürfte man dem überlieferten illam trauen ( dazu unten ), lautete die klare Antwort Tryphaena ( so u.a. PARATORE 1933, II 369: Encolpius wolle sie verführen, ihre Magd rate ihm ab ). Doch Tryphaena zeigt ihm ebenso die kalte Schulter wie Giton. Sinn macht die mit Schmähungen gewürzte Warnung nur, wenn die Magd Encolpius’ Eifersucht für sich zu nutzen sucht. Lautet die korrekte Lesart freilich illum ( s. unten ), stehen zwei Szenarien zur Wahl. Die ancilla könnte gegen Giton vom Leder ziehen ( so MÜLLER 1 ad loc.; CIAFFI ed. 287 ad loc.; COURTNEY 1970, 68; VANNINI 270f.; LATEINER 2013, 310f.: die ancilla beleidige Giton „as a male whore and paid catamite“; eher unwahrscheinlich die These NARDOs 1993, 46 : die ancilla wüte gegen ein scortum und eine spintria – Tryphaena und Giton ). Der bessere Kandidat scheint freilich Lichas. Er macht Encolpius Avancen; und später ‚passiert‘ etwas, worin Giton und Tryphaena schwerlich verstrickt waren, wovon Eumolp offenbar Zeuge wurde, und das Encolpius noch im Nachhinein erröten lässt ( § 12; cf. unten ). Die Frage muss wohl offen bleiben. „This passage is among the novel’s most difficult.“ ( A. SETAIOLI in epist.). Das überlieferte illam kann sich ausschließlich auf Tryphaena beziehen. Doch der Endung ist nicht unbedingt zu trauen ( die feminine Form könnte der gängigen Assoziation von scortum mit Frauen geschuldet sein; dass der Text von § 11 gelitten hat, belegen auch das verderbt überlieferte scortum und spintriam ). Für COURTNEYs attraktives illum ( 1970, 68 ; so MÜLLER ab ed.2 a ; VANNINI ; HOLZBERG ) spricht vor allem das fast ausschließlich für Männer verwendete spintria ( cf. VANNINI 271 ). Und es eröffnet der Deutung der Passage zwei attraktive Alternativen. si quid ingenui sanguinis habes : „Wenn auch nur ein Tropfen Bürgerbluts in deinen Adern fließt“. Ein Appell an Encolpius’ Stolz und Mannesehre ( den das folgende si vir fueris auf die gängigste Formel reduziert ). Heimisch sind solche Parolen im Kondizionalsatz; cf. Liv. 8,7,19 si quid in te nostri sanguinis est ; Ps.-Quint. decl. 12,7 p. 238,1f. Håk. si quicquam tibi humani sanguinis superest ; auf mythischer Ebene Stat. Theb. 8,742 i, precor, Atrei si quid tibi sanguinis umquam ( „… etwas von Atreus’ Blut“ ). Die Junktur sanguis ingenuus ist nur fünfmal belegt, zuerst bei Valerius Maximus ( 5,4,7 sanguinis ingenui mulierem ; 6,2,1 ingenui et Italici sanguinis ; 9,1,8 ), hier, sowie Firm. Mat. math. 1,7,5 ( cf. Thes. VII 1, 1546,6-9 ). Je nach Kontext oszilliert die Bedeutung zwischen „frei geboren“ ( wie hier ), „von edler Abkunft“ oder „von römischer Abstammung“ ( AGNATI 2000, 98, sieht hier eher eine ethische als eine soziale Kategorie am Werk ).

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non pluris illum facies quam scortum : „siehst du in ihm nichts anderes als eine Metze“ ( zu COURTNEYs illum cf. oben S. 597 ). Scortum, „Haut, Fell, Leder“, ist eine der derberen Bezeichnungen für Prostituierte; sie wurde aber auch gerne als Beleidigung verwendet ( cf. 88,6 nos vino scortisque demersi, und OLD s.v. 2 a; M. HAMMARSTRÖM, De vocibus scorti, scrattae, strittabillae : Eranos 23, 1925, 104-119, hier 104111; H. HERTER s.v. Effeminatus: RAC 4, 1959, 640f.; OPELT 1965, 46. 48. 155 ; ADAMS 1983, 321-327 ). In der gehobenen Dichtung erscheint das Wort fast nie ( cf. Hor. c. 2,11,21, und NISBET – HUBBARD ad loc.: „arrestingly unpoetical“; Corp. Tib. 3,16(4,10), 4 ). Teilweise steht es auch – wie 9,6 muliebris patientiae scortum ( Encolpius zu Ascyltos ), BC 24 f. omnibus … scorta placent, und wahrscheinlich hier – für das männliche Pendant ( „Lustknabe, Stricher“ ). Eindeutige Belege sind freilich selten ( zu zuversichtlich OLD s.v. 2 b ). Kaum entscheiden lassen sich e.g. Plaut. Poen. 17 f. scortum exoletum ne quis in proscaenio | sedeat ( cf. G. MAURACH ad loc.); Cic. dom. 49 scortum populare ; Phil. 2,44 primo volgare scortum. Zu den sicheren Stellen zählen neben den oben genannten Liv. 39,42,8 carum ac nobile scortum ; Curt. Ruf. 10,1,29 importunissimum scortum ; Justin epitoma 30,2,2 cum Agathocle fratre, ambitiosae pulchritudinis scorto ; Aurelius Victor Caes. 28,6 virilis scorti. Scortum ist PUTSCHIUS’ überzeugende, von BÜCHELER ( ab ed.3 ) und den meisten jüngeren Herausgebern übernommene Konjektur für das überlieferte sportam, das PELLEGRINO 1975 ad loc. wenig überzeugend als ‚metaphorisch‘ zu verstehendes „Sieb“ verteidigte. Noch eigenwilliger wollte ALESSIO 1967, 331 hier das höchst seltene griechische σφυρίς erkennen ( im Akk. σφυρίδα ): „Futtersack, Futterkorb“. facies : Zu facere cf. OLD s.v. 18: „classify, treat, take (as)“; zur kolloquialen Verwendung mit dem Gen. des Wertes cf. 44,17 nemo Iovem pili facit ; 58,4 matrem meam dupundii non facio ; 62,6 nullius patrimonium tanti facio ; Plaut. Curc. 579f. istas tuas magnas minas | non pluris facio quam ancillam meam quae latrinam lavat ; Epid. 661 minoris multo facio quam dudum senes ; Cic. fam. 1,9,15 non pluris fecerat Bonam Deam quam tris sorores ; HSZ 72f. ( VANNINI ad loc.). Zum umgangssprachlichen Gebrauch des Futurs als Imperativ ( facies und ibis ), mit der Erwartung, das Aufgetragene werde ausgeführt bzw. das Untersagte unterbleibe ( ferner 71,10; 129,6 ), cf. KST 1,144 ; HSZ 310f. ; PETERSMANN 171f. si vir fueris : „Wenn du ein Kerl bist …“ ( s. oben si quid ingenui sanguinis habes ; zum Fut. exact. anstelle des einfachen Futurs cf. S. 550 zu 111,12 ).

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Auch die Grundformel erscheint überwiegend im Kondizionalsatz, in der schlichtesten Version als si vir es ( u.a. Cic. fam. 9,18,3; Liv. 1,41,3; Ov. fast. 6,594 ; Sen. dial. 7,20,2; Mart. 2,69,8; Apul. met. 2,17,2 ); s. auch Cic. Att. 10,7,2 si vir esse volet ; Hor. epod. 15,12 si quid in Flacco viri est ; Curt. Ruf. 6,11,25 et nos, si viri sumus, a dis adoptabimur ; Quint. inst. 1,10,31 si quid in nobis virilis roboris manebat ; in vulgärer Variante Sat. 44,14 si nos coleos haberemus ; Persius 1,103f. haec fierent, si testiculi vena ulla paterni | viveret in nobis ? ( und W. KIßEL ad loc.); als Relativsatz Sall. Cat. 20,11 quis mortalium, quoi virile ingenium est, tolerare potest … ? ; als Feststellung Sat. 81,6 aut vir ego liberque non sum, aut noxio sanguine parentabo iniuriae meae ( und Bd. I, S. 45 ad loc.); Sall. Cat. 44,5 fac … memineris te virum esse ; Suet. Vesp. 13 ego tamen vir sum ; cf. OTTO 373 s.v. vir, und Nachträge S. 227 und 293. Dass die Wendung vir esse hier mehr besage als nur „ein Mann sein“, vermutete ERHARD ( ap. BURMAN 679: „hoc autem loco simul obscoeni quid latet“ ), sinngemäß also „seinen Mann stehen“ ( er zitierte 129,1 non intellego me virum esse, non sentio ; s. auch Apul. met. 2,17,2, die ancilla Photis zu Lucius vor der Liebesnacht : comminus in aspectum, si vir es, derige et grassare naviter et occide moriturus ). Das ist durchaus denkbar ( für VANNINI ad loc. sogar so gut wie sicher ) – falls die Zofe hier ihr Schäfchen ins Trockene bringen will. non ibis ad spintriam : „… zeigst du dem Wüstling die kalte Schulter.“ Beide Schimpfwörter, die sich auf anstößige Sexualpraktiken beziehen ( und Männern die geächtete ‚passive Rolle‘ unterstellen ), stehen stilistisch auffällig jeweils am Ende des Kolons ( VANNINI ad loc.). Das beleidigende, offenbar nur für Männer verwendete spintria ( „Tunte“, HOLZBERG ) steigert und überbietet scortum. Der seltene Neologismus ( cf. spinter, „Armreif “, und griech. σφίγκτης, „Kinäde“, von σφιγκτήρ, „Schließmuskel“; ferner MARBACH 1931, 142; VORBERG 1932, 610-613; CAVALCA 2001, 159-161 ) stammt offenbar von Tiberius’ Hof auf Capri. In sog. sellaria, eigens für den Zweck entworfenen Räumlichkeiten, vergnügten sich Mädchen, Lustknaben und spintriae vor den kaiserlichen Augen in akrobatischen Arrangements ( cf. RICHLIN 1992, 89: „sexual acrobats, apparently“ ). Als „Erfinder ungeheuerlicher Beilager“ ( Sueton; s. unten ) waren letztere zugleich Akteure wie Regisseure jener Schaustellungen, deren Name wohl nicht von ungefähr die ineinander verflochtenen Glieder eines Armbandes zitiert – und den Schließmuskel. Den maßgeblichen Beleg verdanken wir Sueton: secessu vero Caprensi etiam sellaria excogitavit, sedem arcanarum libidinum, in quam undique conquisiti puellarum et exoletorum greges monstrosique concubitūs repertores, quos spintrias appellabat, triplici serie conexi, in vicem incestarent coram ipso, ut aspectu deficientīs libidines

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excitaret ( Tib. 43,1; cf. Cal. 16,1 spintrias monstrosarum libidinum ; Vit. 3,2; Tac. ann. 6,1,1f., bes. § 2 tunc … primum ignota antea vocabula reperta sunt sellariorum et spintriarum ex foeditate loci ac multiplici patientiā, und E. KOESTERMANN ad loc.; Hist. Aug. Heliog. 33,1; s. auch Mart. 12,43,8f. zu den symplegmata, kunstvollen Arrangements mehrerer ‚Verkehrsteilnehmer‘ : quo symplegmate quinque copulentur, | qua plures teneantur a catenā ). Die Historizität der Nachrichten wurde teilweise bezweifelt ; ganz aus der Luft gegriffen scheinen sie nicht. Ire ad verweist hier euphemistisch auf Intimitäten ( ähnlich andere Verben der Bewegung ; cf. Plaut. Mil. 1276 egon ad illam eam, quae nupta sit ? ; Truc. 150 ad pueros ire meliust ; Ter. Hec. 157 ibatne ad Bacchidem ? :: cotidie ; Sen. contr. 2,4,6; Val. Max. 7,3,10; Mart. 11,7,2; Tac. ann. 13,46,1 saepe auditus est consurgens … se quidem ire ad illam sc. Poppaeam ; Thes. V 2, 639,3234 ; ADAMS 175f.; VANNINI ad loc.). Für das überlieferte spintam ( alternative Lesarten: spuitam und spuicam ) machte sich ALESSIO 1967, 331 stark ; es stamme von eben σφίγκτης ab, „Kinäde“, und meine Giton ( zustimmend NARDO 1993, 45; zurecht kritisch VANNINI ad loc.). Ähnlich unrealistisch ist HERAEUS’ sphingam, ( BÜCHELER 6, p. 286 ) nach den Μεγαρικαὶ σφίγγες ( „megarische Sphinxen“ bzw. Prostituierte; Kallias Com. frg. 28 K.-A.). § 12 me nihil magis pudebat quam ne Eumolpus sensisset, quicquid illud fuerat : „Nichts beschämte mich mehr, als dass Eumolp gemerkt haben könnte, was auch immer vorgefallen war“ ( cf. 132,6 verberum notas arte contexi, ne … Eumolpus contumeliā meā hilarior fieret ). Nach dem Stichwort obsequium ( § 10 ) und der blumigen Warnung ( § 11 ) lässt das euphemistisch-diffuse quicquid illud fuerat an ausgefallenere Aktivitäten denken ( à la Tiberius ? ). Während jener orgiastischen Stunden an Bord scheint also auch Encolpius sich weidlich amüsiert zu haben. Nicht ganz von der Hand weisen lässt sich VANNINIs Verdacht ( ad loc.), hier habe sich zum ersten Mal Encolpius’ Impotenz manifestiert, die ihm in Kroton weidlich Kopfzerbrechen bereitet ( „questo potrebbe essere il motivo per cui Encolpio è ansioso di mostrare la sua guarigione ad Eumolpo a 140,12“; ‚indisponiert‘ zeigt er sich allerdings bereits 20,2 sollicitavit inguina mea mille iam mortibus frigida und 23,5 super inguina mea diu multumque frustra moluit ). Ein kleiner Einwand bleibt : hätte Encolpius angesichts seines Malheurs mit Circe 128,2 ( zumindest als rückblickender Erzähler ) nicht auf diese erste Panne hingewiesen, wie er es bei seinem letzten Lapsus tut ( 140,11 me numen inimicum ibi quoque invenit ) ? Pure Spekulation hingegen bleibt VAN THIELs Vermutung, hier sei von Ereignissen in

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Kroton die Rede ( 1971, 47 Anm. 1: „stand vielleicht nach 128,6 oder 138,4 oder 140,11, vgl. 132,6“ ). Der vorzeitige Konj. Plusqpf. im negierten Finalsatz ( sensisset ; cf. den Konj. Imperf. vindicaret ) spiegelt wohl Encolpius’ Sorge, der Poet habe etwas von dem spitzbekommen, was zwischen Lichas und ihm vorgefallen ist ( cf. ad 86,2 == Bd. I, S. 108 ). „La costruzione è identica a quella dei verba timendi, ed esprime bene, insieme alla vergogna, il timore di Encolpio.“ ( VANNINI ad loc.). Nicht völlig ausschließen lässt sich eine umgangssprachliche Tempusverschiebung ( statt eines Imperf.; cf. HSZ 320f.). pudebat : BÜCHELERs pungebat ( ab ed.1 im Text; cf. OLD s.v. 4 a „( fig.) to break the equanimity of, trouble, vex, disturb“ ) verträgt sich mit Encolpius’ Charakter schlechter als das Schamgefühl ( e.g. 132,7 quod solum igitur salvo pudore poteram eqs.). quicquid illud fuerat : SULLIVAN wollte den Relativsatz tilgen ( 1976, 99 ). Encolpius wisse schließlich, was Eumolp beobachtet haben könnte; und sentire sei absolut zu verstehen ( wie e.g. Cic. Cat. 2,21 corruant, sed ita ut … ne vicini quidem proximi sentiant, „sie müssen bankrott gehen, doch so, dass nicht einmal die unmittelbaren Nachbarn es merken“ ). Das Argument hat Gewicht ; vermutlich bezieht sich die vage Formel jedoch auf pikante Details, die Eumolp eventuell mitbekommen hätte. et homo dicacissimus carminibus vindicaret : cf. Donat ad Ter. Eun. 6 dicaces dicuntur, qui malignis iocosis salibus maledicunt ( VANNINI ad loc.). Dass Eumolp sich auf die Kunst des Pasquills versteht, beweist nicht nur sein capillorum elegidarion ( 109,9f. ), sondern auch das Ansinnen des Hausverwalters Bargates ( 96,7 maledic illam versibus, ut habeat pudorem ). Üble Nachrede fürchtet auch Giton ( 129,2 veritus puer, ne in secreto deprehensus daret sermonibus locum, proripuit se et … fugit ). Zu homo dicacissimus, „der Kerl mit seinem äußerst beißenden Witz“ ( HOLZBERG ), cf. 96,6 o poetarum … disertissime. Der höchst seltene Superlativ ist fast nur spätantik belegt ; das könnte – wie mutmaßlich bei § 13 – der Grund sein, warum das Fragment exzerpiert wurde ( VANNINI ad loc.). Zu vindicare cf. OLD s.v. 5a: „to exact reparation for ( an offence, wrong, or sim.), punish, avenge“. Die Verwendung hier ist quasi singulär. Nach vindicaret wollte BOURDELOT ( ap. BURMAN 679 ) frg. 38 M.4 == Anth. Lat. 476 R. == 474 Sh.B. einsetzen, ein Gedicht über die Macht des Gerüchts. Allenfalls dessen Eröffnung passt im Kontext vage ( nam citius flammas mortales ore tenebunt | quam secreta tegant ).

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§ 13 iurat Eumolpus verbis conceptissimis : Der Dichter scheint tatsächlich Zeuge einer kompromittierenden Szene geworden zu sein – und schwört nun feierlich, Zunge wie Feder zu zügeln ( cf. 21,3 uterque nostrum religiosissimis iuravit verbis inter duos periturum esse tam horribile secretum ). Aus dem pathetischen Superlativ ( s. unten ) und dem Umstand, dass die Formel conceptis verbis auch bei Meineiden erscheint, folgert VANNINI ad loc., Eumolp werde den hier geleisteten Eid brechen – wie bereits sein in der Graeca urbs gegebenes Versprechen ( 90,6 ; cf. 93,1-3 ). Die gleiche Formel kehrt 133,2 wieder ( conceptissimis … iuravit verbis sibi ab Ascylto nullam vim factam ; VAN THIEL 1971, 47 Anm. 1 deutete die Stelle hier als Dublette jener Passage ). Ihr Überleben verdanken beide Passagen wohl nicht zuletzt der augenfälligen Komparation ( „frustum hoc ut servaretur, superlativus in caussa [ sic ] fuit“; BÜCHELER 1 ad loc.): der Superlativ conceptissimus ist antik ausschließlich in den Sat. belegt ( ferner 133,2 ). Komisch-übertreibende, meist aus dem Affekt geborene Superlative erscheinen in den Sat. wiederholt ( u.a. 15,4 tuberosissimae frontis ; 92,12 mutabam ego frequentissime vultum ; 95,4 os hominis palmā excussissimā pulsat, und Bd. I, S. 272f. ad loc.; 95,6 creberrimis ictibus ; 98,2 meritissimā proditione ; 133,2; cf. HOFMANN 90-92; PETERSMANN 111). Die hier zugrunde liegenden verba concepta, „feierliche, verpflichtende Formeln“, sind v.a. in iuristischen Kontexten gebräuchlich ( cf. Servius auct. Aen. 12,13 concepta … verba dicuntur iurandi formula, quam nobis transgredi non licet ), insbesondere bei Eiden ( e.g. Plaut. Bacch. 1028 ego ius iurandum verbis conceptis dedi ; Liv. 43,16,15 conceptis verbis iuravit ; Sen. ep. 67,9 conceptis sollemnibus … verbis in aciem … incucurrit ; Gell. 6,11,9 verbis conceptis coniuravisti ; Apul. met. 2,24,2 verba concepta … quodam tabulis praenotante, „während jemand die feierlichen Formeln auf Tafeln verzeichnete“ ) – aber auch beim Meineid ( u.a. Plaut. Asin. 562 verbis conceptis sciens … periuraris, „feierlich und wissentlich hast du einen Meineid geleistet“; Cic. Cluent. 134 ~ Val. Max. 4,1,10 illum verbis conceptis peierasse ; Quint. inst. 5,11,13); cf. Thes. IV, 55,6-21. Ausgefallen ist womöglich ein AcI mit Eumolps Eid. Mit einem AcI erscheint die Wendung 133,2, und u.a. Plaut. Cist. 98 conceptis iuravit verbis eqs.; Merc. 790 conceptis verbis iam iusiurandum dabo eqs.; Truc. 767; Sen. apocol. 1,3 verbis conceptis affirmavit se non indicaturum eqs.; Gell. 2,24,2.

Kap. 114 Ein unversehens aufziehender Seesturm beendet jäh das Fest. Lichas ertrinkt, Tryphaena wird ins Beiboot gebracht. Encolpius und Giton erwarten gefasst ihre letzten gemeinsamen Augenblicke. iactat tempestas navigantes minaturque naufragium Aug. conf. 8,3,7 Die Schilderung verheerender Unwetter auf hoher See geht auf das alte E p o s zurück. Den archetypischen Sturm beschreibt das fünfte Buch der Odyssee ( 5,291-381; s. auch 3,286-300; 12,403-425 ). Achtzehn Tage steuert Odysseus sein Floß bei ruhiger See heimwärts, Kalypsos Fahrwind im Segel, als Poseidon die Elemente gegen ihn empört. Der verzweifelte Heros sieht dem Tod ins Auge. Eine Woge spült ihn von Bord; nur mit Mühe schafft er es auf sein Gefährt zurück. Als Spielball der Winde treibt er in den kochenden Fluten, bis ein Brecher das Floß zertrümmert. Zwei Tage und Nächte übersteht er im Wasser, bis er zuletzt in Scheria an Land gelangt. In der mythischen Welt des Epos bringt ihn ein Gott in Gefahr – und Göttern ( v.a. Ino Leukothea und Athene ) verdankt er sein Leben. Diese Szene prägte den „genetischen Code“ aller folgenden literarischen Sturmbeschreibungen ( VANNINI 274 ); an ihr maßen sich über die Antike hinaus alle Epigonen. Dies gilt für die klassische T r a g ö d i e ( Aisch. Ag. 650-660 ), das hellenistische E p o s ( Apoll. Rhod. 2,1097-1114 ; cf. Theokrit 22,8-22 ), das altrömische D r a m a ( Pacuvius trag. 409-416 R.3 ; Plaut. Trin. 820-839 [ Hinweis von M.DEUFERT in epist.]; Rud. 148-175: die Strandung nach einem Schiffbruch; verloren ist Livius Andronicus’ Ekphrasis; s. auch Ciceros Lob, de orat. 3,157 ), das G e d i c h t ( e.g. Hor. epod. 10; Prop. 2,26 A ; 3,7; Ov. trist. 1,2; 1,11 ), aber auch die H i s t o r i o g r a p h i e ( Herodot 7,188-191; 8,12f.; Curt. Ruf. 4,3,16-18; Liv. 21, 58,3-11: ein Unwetter im Gebirge; NT Acta apost. 27,14-44 : Paulus’ Schiffbruch ).1 Den Orkan, der 16 n.Chr. in der Nordsee Germanicus’ Flotte zahllose Schiffe kostete, setzt Tacitus dramatisch in Szene ( ann. 2,23f.).2 Von jener Fahrt erzählt auch das epische Fragment des Albinovanus Pedo ( FLP p. 315-319 C. == FRP p. 373-381 H.).3

1 2 3

Zu den Parallelen des NT-Textes mit Sat. 114 cf. HILTON 2012, 281-283. Cf. E. KOESTERMANN ad loc.; J. SOUBIRAN, Pallas 12, 1964, 69-78. Cf. F. R.D. GOODYEAR, The Annals of Tacitus, books 1-6. Vol. II, Cambridge 1981, 243-245.

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Auch im r ö m i s c h e n E p o s gehört der Seesturm zum festen Inventar. Erhalten ist Ennius’ Gleichnis ( ann. 432-434 Sk., zit. S. 617 ), verloren die Sturmschilderung aus Naevius’ Bellum Poenicum ( zu ihrem Einfluss auf Vergil cf. Macrobius sat. 6,2,31 ). Wie der Sturm in Od. 5 für die griechische Literatur, so wurde für die lateinischen Autoren der Kaiserzeit V e r g i l s Orkan im ersten Buch der Aeneis zur Richtschnur ( 1,34-156, bes. 1,81-123; weitere Unwetter 3,192208, und HORSFALL ad loc.; 5,8-34 ). In ihm verdichten sich die klassischen Vorlagen Homers und des Naevius zu einem neuen Amalgam ( von einem ‚Palimpsest‘ spricht VANNINI 275 ) und Modell, in dessen Kielwasser sich alle späteren literarischen Unwetter der Römer bewegten. Wie in der Odyssee Poseidon, löst wieder eine Gottheit das Unheil aus. Mit Aeolus’ Hilfe hetzt Juno die Winde auf die Flotte der Troer, die von Sizilien aus „froh“ gen Latium segeln ( 1,34-37 vix e conspectu Siculae telluris in altum | vela dabant laeti eqs.; cf. die Stimmung an Bord von Lichas’ Schiff ). Die tyrrhenische See kocht ; Finsternis bricht herein, durchzuckt von Blitzen. Todesangst lähmt die Troer, Aeneas hadert mit dem Schicksal. Der Nord beutelt sein Schiff ; andere zerschellen oder sinken. Rettung bringt Neptun, der als deus ex machina die Elemente beruhigt ( Aen. 1,124156 ).4 In einem Seesturm gipfelt O v i d s epische Erzählung von Ceyx und Alcyone. In monumentalen, die tradierten Motive übersteigernden Bildern türmen sich die Wogen zu den Sternen, Wellentäler klaffen bis zum Meeresgrund; eine Sintflut bricht aus den Wolken; die See ‚erobert‘ metaphorisch das Schiff ( met. 11,478-569 ).5 Eine Sonderstellung im Œuvre Ovids nimmt trist. 1,2 ein, ein langes Gebet während eines Sturms, den der Autor auf der Fahrt nach Tomis offenbar tatsächlich erlebt hat ( eine blasse retractatio bietet trist. 1,4 ; s. auch S. 656f. zu trist. 1,11 ). Unterbrochen werden die autobiographischen Passagen von Schlaglichtern auf das Wüten der Elemente, die an met. 11 erinnern. Zugleich deutet Ovid den Sturm allegorisch, als das Unglück am Hof, dem er sein Exil verdankt ( cf. CUCCHIARELLI 1997 ). 4

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Cf. HEINZE 1915, 74-78 ; SAINT-DENIS 1935, 217-224 ; F. KLINGNER, Virgil, Zürich 1967, 386f. ; R.G. AUSTIN, P. Vergili Maronis Aeneidos liber primus, Oxford 1971, 51-63 ; PÖSCHL 1977, 24-26 ; BURCK 1978, 5-9 ; HARDIE 1986, 90-97. Cf. BÖMER 345-347 ad loc.; SAINT-DENIS 1935, 345-356 ; B. OTIS, Ovid as an epic poet, Cambridge 1966, 238-246; K. GALINSKY : ICS 14, 1989, 79-82. – Ein Unwetter vor der italischen Küste schildert fast. 3,581-600.

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In ihrer barocken, an der declamatio geschulten Wucht übertrumpfen zwei Texte der neronischen Ära die Vorgänger. In S e n e c a s Agamemnon berichtet ein Bote von der glücklosen Heimkehr der Griechen aus Troja ( Ag. 421-578). Zunächst gleitet die Flotte mit einer freundlichen Brise dahin. Verräterische Wetterzeichen mehren sich; mit einer Flaute bricht die Nacht an ( cf. Sat. 109,6 repentina tranquillitas intermiserat cursum ). Unversehens schwillt die See auf ; Finsternis herrscht. Die Winde bekriegen einander ; der apokalyptische Corus reißt schier den Himmel nieder und „die Welt aus ihren Festen“ ( 485-487 mundum revelli sedibus totum suis | ipsosque rupto crederes caelo deos | decidere et atrum rebus induci chaos ). Etliche Schiffe schlagen leck oder sinken, andere treiben als Wrack dahin ( cf. unten § 13 ). Mit Gebeten bestürmen die verzweifelten Krieger den Himmel; Aiax’ Hybris strafen Pallas und Neptun; mit trügerischen Leuchtfeuern lockt Nauplius etliche Steuermänner in die Klippen.6 Caesars vergeblichen Versuch, in einem Nachen von Epirus aus durch die tosende Adria Brundisium zu erreichen, überhöht L u k a n zur symbolisch aufgeladenen kosmischen Katastrophe ( 5,498-677 ; zur Historizität der Episode cf. MORFORD 1967, 37 ). Die See kocht, die Gestirne wanken, die Winde schlagen ständig um. Der wetterkundige Fischer Amyclas warnt vor dem Unterfangen, doch Caesar vertraut auf seine Fortuna und drängt zur Weiterfahrt ( 5,577-593, bes. 583f. medias perrumpe procellas | tutelā secure meā ). Der Kahn wird zum Zankapfel der entfesselten Elemente. Monsterwellen und Wolkenbrüche lassen das Meer anschwellen wie einst die Sintflut. Alle räumlichen Grenzen lösen sich auf ; das Ende der Welt scheint nahe ( 5,632-637 tum superum convexa tremunt atque arduus axis | intonuit motāque poli compage laborant. | extimuit natura chaos ; rupisse videntur | concordes elementa moras rursusque redire | nox manes mixtura deis. spes una salutis, | quod tantā mundi nondum periēre ruinā ). Caesar gibt sich geschlagen.7 Auch in der späteren E p i k wüten Seestürme; cf. Val. Flacc. 1,608656 ; 8 8,318-384 ; Stat. Theb. 1,342-382 ( ein Unwetter in den Bergen ); Sil.

6

7

Cf. TARRANT 1976, 254-285 ; F. CAVIGLIA, Elementi di tradizione epica nell’Agamemnon di Seneca : Quaderni di cultura e di tradizione classica 4-5, 1986/87, 145-164 ; C. SCHINDLER, Dramatisches Unwetter, in : S. Gödde u.a. ( Hrsg.), Skenika, Darmstadt 2000, 135-149. Cf. S. F. BONNER, Lucan and the declamation schools : AJPh 87, 1966, 257289, hier 280 f.; MORFORD 1967, 37-58 ; LINN 1971, 60-132 ; AHL 1976, 205209 ; S. BORZSÁK, Lucans Caesar im ‚Übersturm ‘, in: P. Händel u.a. ( Hrsg.), Festschrift für R. Muth (…), Innsbruck 1983, 25-32. – Zu dem Sturm in den Syrten, Lukan 9,319-347, cf. C. WICK ad loc. ( bes. 118-120 ).

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Ital. 17,236-290; 9 Quintus Smyrnaeus 14,419-658 ; Musaios 309-330; Rutilius Namatianus 1,615-644.10 Heimisch wird das populäre Thema auch in der d e c l a m a t i o. Das belegen entsprechende Regieanweisungen ( Sen. suas. 3,2 describe nunc tempestatem ), aber auch Versatzstücke pathetischer Ekphraseis ( Sen. contr. 7,1,4 ; 8 exc. 6 ). Das Faible für solche purpurei panni ( Hor. ars 15f. ) verdankte sich kritischen Stimmen zufolge dem falschen Ehrgeiz, mit Historiographie und Dichtung zu konkurrieren ( Ps.-Dion. Hal. ars rhet. 10,17 ). Von der plakativen Überzeichnung der declamatio ist es nur ein Schritt zur Satire. Den Beinahe-Schiffbruch eines Bekannten spinnt Juvenal maliziös aus, getreu seiner vielzitierten Parole von der poetica tempestas, dem „belletristischen Seesturm“ ( 12,17-82, bes. 22-24 omnia fiunt | talia, tam graviter, si quando poetica surgit | tempestas ).11 Eine feste Zutat bilden Stürme nicht zuletzt im R o m a n , wo die häufigen Reisen zur See fast ebenso häufig mit einem Orkan oder Schiffbruch enden ( cf. den Ninos-Roman frg. C == STEPHENS – WINKLER 64-67 ; Antonius Diogenes ( ? ), Pap. Dubl. inv. C 3 == ebd. 164-169 ; Chariton 3,3,10f.; Xen. Eph. 2,11,10; 3,2,12f.; Apul. met. 2,14,1f.; Heliodor 5,27,1-7 ( und ebd. 1,22,4 den erfundenen Schiffbruch ); Hist. Apoll. 11,3f., und S. PANAYOTAKIS 175-184 ad loc.; Ps.-Clemens recogn. 7,16f. == p. 204 f. Strecker ). Einen langen, ungewöhnlich realistischen Bericht von Sturm und Schiffbruch verdanken wir Achilleus Tatios ( 3,1-5 ).12 Vom Fortleben des antiken Erbes zeugen u.a. Petrarca ( Familiaria 5,5: ein apokalyptisches Unwetter im Golf von Neapel ), Rabelais ( Le Quart Livre … du noble Pantagruel, Kap. 18-22 ) und Voltaire ( zum Nachwirken von Petrons Seesturm im Candide cf. VANNINI 2011a, 97-99 ).13 8 9 10 11 12

13

Cf. BURCK 1978, 9-14 ; A. ZISSOS, Sailing and sea-storm in Valerius Flaccus, in: R. R. Nauta u.a. ( Hrsg.), Flavian Poetry, Leiden 2006, 79-95. Cf. BURCK 1978, 14-19. S. auch C. RATKOWITSCH, Vergils Seesturm bei Iuvencus und Sedulius : JbAC 29, 1986, 40-58. Cf. J. DE DECKER, Juvenalis declamans, Gand 1913, 148-150. Cf. WEHRLI 1965, 141f. ; FRÖHLKE 1977, 50-55 ; BILLAULT 1991, 195-197 ; LÉTOUBLON 1993, 175-180 ; M. CURNIS, Un tópos quasi immancabile. La tempesta marina tra teatro e romanzo, in: M. Guglielmo u.a. ( Hrsg.), Forme di comunicazione nel mondo antico (…), Alessandria 2003, 259-273. Zum antiken literarischen Seesturm allgemein cf. HUXLEY 1952; FRIEDRICH 1956 ; MORFORD 1967, 20-36 ; BURCK 1978 ; M. LABATE, s.v. Venti, in : Enciclopedia Virgiliana V.1, Rom 1990, 494-498; s. auch H. GUNDEL, RE VIII A 2, 1958, 2265-88 zu historischen und literarischen Seestürmen.

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P e t r o n s S t u r m orientiert sich im Aufbau wie im Detail an klassischen Mustern ( cf. die Lemmata ad loc.). Die zentralen Motive verdankt er vornehmlich der Aeneis und der in ihr präsenten Tradition ( cf. COLLIGNON 126f.; MORFORD 1967, 32; ZEITLIN 1971, 67f. ): den plötzlichen Wetterumschlag ( § 1 ), die Mannschaft, die hektisch versucht, das Schiff für den Sturm zu wappnen ( § 1 ), die hereinbrechende Finsternis ( §§ 1 und 3 ), das Wüten der Winde ( §§ 2f. ), die Ohnmacht des Navigators ( §§ 2f. ). Wieder geht ein Mann über Bord ( § 6 ); wieder endet ein Schiff als Wrack ( § 13 ). Spuren hat auch Ovids Erzählung von Ceyx und Alcyone hinterlassen ( cf. zu § 1 discurrunt nautae eqs.; § 6 repetitumque infesto gurgite eqs.; § 11 iuncta nos mors feret eqs.). Umso mehr stechen die Szenen heraus, die kaum oder keine Vorbilder haben: das beraubte Kultbild, Lichas’ Flehen und Tod ( §§ 4-6; zum Jonasmotiv s. unten S. 627f. ), die Flucht im Beiboot ( § 7 ), die räuberischen Fischer ( § 14 ), v.a. aber die Dramolette um Encolpius’ und Gitons Liebestod ( §§ 8-12 ) und den in extremis geretteten Dichter ( 115,1-5 ). Und auffälliger als in anderen Texten werden Sturm und Schiffbruch im Vorfeld wiederholt in origineller Weise angedeutet bzw. angekündigt ( cf. 101,7 nisi naufragium ponimus, und Bd. I, S. 346f. ad loc.; 103,5 execratusque omen, quod imitaretur naufragorum ultimum votum ; 105,2 nec in eodem futurus navigio auspicium mihi feci, und Bd. I, S. 399f. ad loc.; 108,14,7f. ne vincite pontum | gurgitibusque feris alios immittite fluctus, u.ö.; cf. BARCHIESI 1984, 174 ; LABATE 1986, 144 Anm. 26 ). Petrons Sturm wurde wiederholt als Parodie beschrieben ( u.a. von COLLIGNON 126, der dies am ‚schwülstigen Stil‘ festmachte ; von einer ‚parodistischen retractatio‘ Vergils spricht KLEIN 2015, 77f. ), als sorgfältige Ausgestaltung eines deklamatorischen Topos ( cf. MORFORD 1967, 32 : „an excellent example of declamatory description“; cf. COLLIGNON 126; CONTE 1996, 55-57 ), ja als „unbedarfte Collage verschiedener literarischer Modelle“ ( LABATE 1988, 86 ). Das greift zu kurz. Andere urteilen fairer : „Encolpius pulls out all the stops in his description of the storm, his language becomes highly poetic, and he enters the world of the writers of the past.“ ( SCHMELING – SETAIOLI 437 ). „Die Ironie, die Petrons Verweise auf die Tradition erzeugen, ist subtil, und seiner Beschreibung fehlt es nicht an Eleganz. In souveräner Weise bedient er sich der rhetorisch-schulischen Stoffe und verbindet die kanonischen Sturmmaterialien zu einer so geschmeidigen Komposition, dass hinter dem dichten Gewebe von Reminiszenzen, die den Untergrund bilden, nur selten ein konkretes Modell hervorlugt.“ ( VANNINI 276; meine Übers.).

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Petron verbindet wohldosierte Schlaglichter topischer Motive mit eigenen Elementen zu einem originellen Ganzen, das dem abgegriffenen „belletristischen Seesturm“ ( Juv. 12,23f. ) auf vergnügliche Weise neues Leben einhaucht. Mit seinen atemlosen Wechseln dramatischer und pathetischer Passagen, mit seiner gekonnten Mixtur dezenter Komik und latenter Tragik kann Sat. 114 ( ungeachtet des lückenhaften Textes ) den Unwettern Ovids und Lukans durchaus das Wasser reichen. Das Kapitel zählt zu den Höhepunkten des Werks. Zudem spielt es eine gewichtige Rolle im D r e h b u c h von Sat. 114124, das in etlichen Stationen Aeneas’ Abenteuern im ersten Buch der Aeneis folgt : die ( ab Sat. 109 ) idyllische Seereise und die heitere Stimmung an Bord ( in der Aeneis der Grund für Junos Empörung ), Sturm und Schiffbruch, die Landung an unbekannten Gestaden, das triste Mahl, die erste Orientierung, die von der Anhöhe aus erblickte Feste, die Auskunft eines Fremden, zuletzt der Aufbruch in die Stadt. In Kroton setzt sich das rabenschwarze Satyrspiel zur Aeneis fort, wenn, wie einst Aeneas in Karthago, Encolpius dort seiner Dido begegnet. Immer wieder verweisen verbale Anklänge auf die epische Matrix. Gleich eingangs signalisieren drei in der Summe unverkennbare Zitate in manifester Weise die Nähe zu Vergil ( 114,1 dum haec taliaque iactamus ~ Aen. 1,102 talia iactanti ; 114,1 inhorruit mare ~ Aen. 3,195 inhorruit unda tenebris ; 114,1 nubesque undique adductae obruēre tenebris diem ~ Aen. 1,88 eripiunt subito nubes caelumque diemque ). Dieser Rekurs auf den Klassiker ( den ansatzweise bereits BOURDELOT ap. BURMAN I 696f. notierte; s. auch COLLIGNON 126f.) ist mehr als nur gelehrtes Spiel. Wie die Stürme Vergils und Lukans, transportiert auch hier das Unwetter eine symbolische Botschaft. Der Orkan der Aeneis spielt auf die Gigantomachie an, die sich ihrerseits als Allegorie für den römischen Bürgerkrieg lesen lässt ( cf. HARDIE 1986, 90-97 ). Der Aufruhr der Elemente bei Lukan verkörpert Caesars ‚stürmische Gesinnung‘ und das aus dem Lot geratene römische Reich ( cf. MORFORD 1967, 37-58 ). Das Unwetter hier steht wohl kaum für Encolpius’ aufgewühlten Gefühle angesichts Gitons Turtelei mit Tryphaena. Vielmehr spiegelt es das Thema jenes Gedichts, das nicht von ungefähr inmitten dieses Sturms entsteht. Als kosmische Revolte, die alle Ordnung aufhebt und Chaos gebiert, verkörpert Petrons tempestas den Bürgerkrieg.14 14

S. dazu in Bd. III die Einleitung zum BC sowie zu dem Gleichnis BC 233237 ; s. auch unten S. 627-629 zur ‚Theologie‘ des Sturms, sowie oben S. 593f. zur Chronologie von Sat. 100-115.

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LIT. COLLIGNON 126f.; PARATORE 1933, II 370-374 ; HUMPHREYS – SULLIVAN 1962; WALSH 1970, 37f.; FRÖHLKE 1977, 50-57; PANAYOTAKIS 1995, 156f.; CONTE 1996, 55-57; CUCCHIARELLI 1997; ders. 1998; PATIMO 2002, 54-58; SLATER 2006; VANNINI 274-276; HILTON 2012, bes. 285-288; F. KLEIN 2015, 77f. § 1 dum haec taliaque iactamus : Falls keine größere Lücke vorliegt ( laut VAN THIEL 1971, 47 fehlt zwischen 113,9 und 114,1 „wenig oder nichts“; „vielleicht war die Seelennot des Enkolp noch etwas ausführlicher geschildert“ ), könnte hier das muntere Treiben an Bord gemeint sein ( cf. 109,5f.; 110,6 ; 113,4 ; OLD s.v. iactō 11a „to speak boastingly of, brag about“; 12a „to display, parade, show off“ ), vielleicht aber auch die peinliche Unterhaltung zwischen Encolpius und Eumolp ( 113,12f.; von einem Streit ging PARATORE 1933, II 369 aus; cf. OLD s.v. iactō 10a „to utter with force, abandon, etc., hurl ( remarks, etc.)“; s. auch PELLEGRINO 405f. ad loc.). Ungeachtet seines Eids könnte Eumolp eine ehrenrührige Bemerkung entschlüpft sein ( so VANNINI ad loc.; oder – so seine alternative Deutung – Encolpius und Giton tauschten sich über ihre jüngsten Erlebnisse aus ). Die Wendung zitiert Aeneas im Seesturm ( Aen. 1,102f. ): talia iactanti stridens Aquilone procella | velum adversa ferit eqs. ( „während er derlei ruft, peitscht heftig eine heulende Bö von Nord her das Segel“; zum Abl. Aquilone cf. AUSTIN ad loc.; zu dem Zitat ferner CONNORS 1998, 77 ). Dum geht in den Sat. gerne unerwarteten Ereignissen voraus, äquivalent zum ‚cum inversum‘ ( e.g. 95,1; 97,1; 98,4 ; VANNINI ad loc.). Die seltene Junktur haec taliaque könnte Livius’ Einfall sein ( 5,2,13 haec taliaque vociferantes ; 9,34,26; 21,53,11; 26,32,5; 27,34,14 ; 29,1,25 ); neben der Passage hier erscheint sie noch bei Gellius ( 1,3,29; 20,1,55 ) und Ammianus ( 14, 11,4 ; 16,8,10; 17,11,1 ). inhorruit mare : Nach längerer Windstille ( 109,6 ) wird die See plötzlich rauh ( cf. OLD s.v. inhorrēsco 2 „( of the sea, etc.) to become restless or agitated“; Thes. VII 1, 1601,5-10 ); ein Sturm kündigt sich an. „The suddenness with which storms arise is a traditional motif “ ( TARRANT 1976, 262 ). Cf. Od. 5,291f. ἐτάραξε δὲ πόντον | χερσὶ τρίαιναν ἑλών ( „Poseidon wühlte das Meer auf, mit den Händen den Dreizack fassend“; übers. W. SCHADEWALDT ); Pacuvius trag. 411-416 R.3 interea prope iam occidente sole inhorrescit mare, | tenebrae conduplicantur, noctisque et nimbum obcaecat nigror eqs.; Sisenna frg. 104 Peter == frg. 113 Cornell, FRH subito mare persubhorrescere caecosque fluctūs in se provolvere leniter occepit ; Cic. rep. 1,63 cum subito mare

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coepit horrescere ; Verg. Aen. 3,195 (~ 5,11 ) inhorruit unda tenebris ( „und es starrte die Woge vor Schwärze“; cf. HORSFALL 171f. ad loc.); Sen. contr. 8 exc. 6 == p. 232, 24 f. Håk. subito fluctibus inhorruit mare ; Curt. Ruf. 4,3,17 tum inhorrescens mare paulatim levari eqs.; Ach. Tat. 3,1,1; Boethius cons. 2 p. 2,8 ius est mari … procellis ac fluctibus inhorrescere ; s. auch Ov. met. 11,480f. cum mare sub noctem tumidis albescere coepit | fluctibus et praeceps spirare valentius eurus ( zu inhorrēsco bei Winden cf. BC 233 magnus inhorruit Auster, und Bd. III ad loc.). Wie VANNINI ad loc. festhält, lässt sich bei diesen Stellen nicht immer klar unterscheiden, ob sich die Wasseroberfläche kräuselt, oder ob sich der Himmel verdunkelt, und damit die Wasseroberfläche ( Thes. VII 1, 1601,40-45: „de caligine densa“; nicht im OLD ). nubesque undique adductae obruēre tenebris diem : Auch die unversehens hereinbrechende Finsternis ( oder eine sich gänzlich verdunkelnde Nacht ; s. auch § 3 tam spissae repente tenebrae lucem suppresserant eqs.) gehört zum Grundstock der Sturmbeschreibung ; cf. Od. 5,293f. σὺν δὲ νεφέεσσι κάλυψε | γαῖαν ὁμοῦ καὶ πόντον· ὀρώρει δ᾿ οὐρανόθεν νύξ ( „Poseidon verhüllte mit Wolken Land zugleich und Meer, und herein vom Himmel her brach Nacht“; übers. W. SCHADEWALDT ); Lucr. 4,168-171 modo cum fuerit liquidissima caeli | tempestas, perquam subito fit turbida foede, | undique uti tenebras omnīs Acherunta rearis | liquisse et magnas caeli complesse cavernas ; 6,250261; Hor. c. 2,16,2-4 simul atra nubes | condidit lunam neque certa fulgent | sidera nautis ; Verg. Aen. 1,88f. eripiunt subito nubes caelumque diemque | Teucrorum ex oculis ; ponto nox incubat atra ( lt. COLLIGNON 127 hier Petrons Vorbild ); 3,194 f. mihi caeruleus supra caput astitit imber | noctem hiememque ferens eqs.; 3,198f. involvēre diem nimbi et nox umida caelum | abstulit ; 5,10f.; Ov. met. 11,520f. caret ignibus aether, | caecaque nox premitur tenebris hiemisque suisque ; 11,548-550 tantā vertigine pontus | fervet, et inducta piceis e nubibus umbra | omne latet caelum, duplicataque noctis imago est ; Sen. contr. 7,1,4 emicabant densis undique nubibus fulmina et terribili fragore horridae tempestates absconderant diem ; 8 exc. 6 == p. 232, 25f. Håk. demissa nox caelo est et tantum fulminibus dies redditus ; Curt. Ruf. 4,3,16f. cum subito spissae nubes intendēre se caelo et quicquid lucis internitebat, effusā caligine extinctum est ( „alles Sternenlicht schluckte aufsteigender Nebel“ ); Sen. Ag. 470-474 cum subito luna conditur, stellae latent ; | nec una nox est : densa tenebras obruit | caligo et omni luce subducta fretum | caelumque miscet ; 493f. premunt tenebrae lumina ( i.e. oculos ) et dirae Stygis | inferna nox est ; Lukan 5,564 f. niger inficit horror | terga maris ; 5,627-631; Val. Flacc. 1,617 piceo … premit nox omnia caelo ; Stat. Theb. 5,364-366 inde horror aquis, et raptus ab omni | sole dies miscet tenebras eqs.; Sil. Ital. 17,254 noctem … freto imposuere tenebrae ; Juv. 12,18f. densae caelum abscondere tenebrae | nube unā ; Ach. Tat. 3,2,2; Pap. Dubl. inv. C 3 col. II, 49f. == STEPHENS – WINKLER 166.

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Zu dem eher seltenen und eher poetischen obruere für „in Finsternis hüllen“ cf. Enn. ann. 415f. Sk. interea fax | occidit Oceanumque rubrā tractim obruit aethrā, „derweil geht die Himmelsleuchte unter und hüllt den Okeanos allmählich in rötlichen Glanz“; Lucr. 5,650 nox obruit ingenti caligine terras ; 6,263f. neque enim caligine tantā | obruerent terras sc. nubes; Sen. suas. 1,2 ( am äußersten Erdenrand ) quod humanis natura subduxit oculis, aeterna nox obruit ; Sen. Ag. 472f. ( oben zit.); Thy. 786 tenebris … facinus obruat taetrum novis ; ep. 36,11 solem nox obruit ; OLD s.v. 8; Thes. IX 2, 151,39-48. discurrunt nautae ad officia trepidantes : Trepidantes meint zunächst die Situation ( „voller Hast“; OLD s.v. 2; cf. BC 235f. ligat alter pondera pinūs, | alter tuta sinūs tranquillaque litora quaerit ; Ov. met. 11,486-489 sponte tamen properant alii subducere remos, | pars munire latus, pars ventis vela negare ; | egerit hic fluctus aequorque refundit in aequor, | hic rapit antemnas ; Val. Flacc. 1,312314 : vor der Abfahrt ), bald aber in wachsendem Maße die Verfassung der nautae ( „voller Unruhe“; OLD s.v. 1 ). Seit Homer gehören die Ängste und hilflosen Reaktionen von Crew und Passagieren zum Repertoire des literarischen Seesturms; cf. Ilias 15,624628, bes. 627 f. τρομέουσι δέ τε φρένα ναῦται | δειδιότες· τυτθὸν γὰρ ὑπὲκ θανάτοιο φέρονται ( „es zittern im Innern die Schiffsleute, in Furcht, denn knapp nur trägt es sie unter dem Tod hinweg“ ; übers. W. SCHADEWALDT ); Od. 5,297f.; Eur. Tro. 688-693; Theokrit 22,18 ; Verg. Aen. 1,87 insequitur clamor … virum ; 1,91-94 praesentem … viris intentant omnia mortem. | extemplo Aeneae solvuntur frigore membra eqs.; Ov. met. 11,537-543 deficit ars animique cadunt totidemque videntur, | quot veniunt fluctūs, ruere atque inrumpere mortes. | non tenet hic lacrimas, stupet hic, vocat ille beatos, | funera quos maneant, hic votis numen adorat eqs.; Curt. Ruf. 4,3,18; Val. Flacc. 1,621-626 qui tum Minyis trepidantibus horror eqs.; Gell. 19,1,1-6 ; Ach. Tat. 3,1,2; Heliodor 5,27,2-4 ; Quintus Smyrnaeus 14,497-503; LINN 1971, 121-123; s. auch BC 234 f. non arma ministris, | non regimen prodest ( und Bd. III ad loc.). velaque tempestati subducunt : Subducere ist t.t. für das Einholen und Vertäuen der Segel an der Rahe ( OLD s.v. 1d ), wie es vor einem Sturm üblich war ( Ov. met. 11,483 antemnis totum subnectite velum ; fast. 3,587 parant torto subducere carbasa lino ; Sen. benef. 6,15,6 prospicienti sc. gubernatori futuras tempestates et … subito iubenti vela substringi, armamenta demitti, paratos ad incursum procellae et repentinum impetum stare ; Ag. 533f. ). Zur Konstruktion mit dem Dativ ( wie hier ) cf. Lukan 6,287 omnia subducit Circaeae vela procellae ; Claudian c. 20,6 tumidae subducit vela procellae.

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§ 2 sed nec certus fluctūs ventus impulerat : „Doch der Wind hatte, aus unbestimmter Richtung kommend, die Fluten hochgepeitscht“ ( HOLZBERG ). Der Wind springt immer wieder um ( e.g. Sen. contr. 8 exc. 6 == p. 232, 25 Håk. discordes in perniciem nostram flavere venti ; Sen. Med. 940-942 ut saeva rapidi bella cum venti gerunt, | utrimque fluctūs maria discordes agunt | dubiumque fervet pelagus ; Tac. ann. 2,23,2 variis undique procellis incerti fluctūs prospectum adimere, regimen inpedire, „die von wechselnden Böen von allen Seiten aufgepeitschten unberechenbaren Fluten nahmen die Sicht und erschwerten das Navigieren“; cf. KOESTERMANN ad loc. zu incerti fluctūs : „ohne feste Richtung hinundher flutend“ ; s. auch zu § 3 ). Zu certus ( hier prädikativ ) für das kontinuierliche Wehen in eine Richtung cf. Caes. civ. 3,25,1 certi saepe flaverant venti ; Bell. Afric. 2,5 vento certo celerique navigio vectus ; Ov. her. 21,41f. velut navis … quam certus in altum | propellit Boreas ; Vitruv 1,6,12 unde certi ventorum spiritūs oriantur ; Lukan 5,414 f. quos sc. flatūs incumbere certos | perfida … vetat inconstantia veris, „die Winterstürme brausen beständiger als jene Winde, welche die trügerische Unbeständigkeit des Frühlings unstet wehen lässt“; OLD s.v. 14 a. Das ( v.a. dank des Homoioteleutons ) ausgesucht kühne Hyperbaton imitiert das Spiel des wetterwendischen Winds mit den Wogen ( VANNINI ad loc. kritisiert es zu Unrecht als ‚ärgerlich‘; inzwischen hat er sein Urteil allerdings revidiert : „l’iperbato introdotto da Jungermann è un ottimo restauro e rende il testo più poetico“; in epist.). Hyperbata dieses Typs finden sich in den Sat. oft genug ( e.g. 31,8 locus novo more primus ; 49,9 receptā cocus tunicā ; 108,2 liquefactum per totum os atramentum ; 111,5 illud affulsisse verum pudicitiae amorisque exemplum ; 117,12 pauperem pater me reliquit ); kaum seltener ist die Variante A – B – A – B ( e.g. 101,3 inundatus hac Eumolpus invidiā ; 132,2 manifestis matrona contumeliis verberata ; frg. 5 animam nostro amplexam pectore ; im Vers e.g. 134,12,5f. zephyrique tacentia ponunt | ante meos sua flabra pedes ). Manche Hyperbata setzen das Geschilderte fast bildlich um ( u.a. 136,7 evolutam passimque per totum effusam pavimentum collegerant fabam ; 138,2 hōc crudelissima anus spargit subinde umore femina mea ). Zu impellere von Winden cf. Verg. georg. 4,305 Zephyris … impellentibus undas ; Hor. c. 4,12,2 impellunt animae lintea Thraciae ; Ov. met. 1,529 levis impulsos retro dabat aura capillos ; 15,697 impulerat levis aura ratem ; Sen. Ag. 431f. hinc aura primo lenis impellit rates | adlapsa velis ; Tac. hist. 5,6 ( von Gewässern e.g. Curt. Ruf. 9,9,25 aestus … impulit classem ; Lukan 3,232 adversum fluctūs impellit in Eurum, „der Ganges wälzt seine Fluten dem Ost entgegen“; Plin. ep. 2,17,5 Africo mare impulsum est ; Sil. Ital. 7,482 Aufidus … rubros impellet in aequora fluctūs ); cf. Thes. VII 1, 537,69-538,32; OLD 1b ( beide unsortiert ).

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certus fluctūs : Die überlieferten certos fluctūs fanden ihre Anhänger ( u.a. BÜCHELER ab ed.2 ; ERNOUT ; WARMINGTON ; SCHÖNBERGER ; VANNINI ; BÜCHELER ed.5 zitiert Tac. ann. 2,23,2 [ s. oben ], VANNINI ad loc. ergänzt Lukan 5,569f. Zephyros intendat an Austros | incertum est ; puppim dubius ferit undique pontus, „ob das Meer mit West- oder Südwind droht, ist ungewiss; den Kahn treffen von allen Seiten wechselnde Strömungen“ ). Doch nur als Enallage macht diese Lesart Sinn. ALESSIO 1967, 67 optierte für cercios, d.h. den Mistral ( ventus sei als Glosse zu tilgen; ähnlich PELLEGRINO : sed et cercius fluctūs [ ventus ] impulerat eqs.). Doch die Idee scheitert schon an der Geographie: der Mistral ist an der gallischen Mittelmeerküste zuhause ( cf. Sen. nat. 5,17,5 infestat … Galliam Circius ; Lukan 1,407f. solus sua litora turbat | Cercius, und P. ROCHE ad loc.; Plin. nat. 2,121 in Narbonensi provincia clarissimus ventorum est Circius eqs.). Zudem steht der akkurate Name dem Italici litoris Aquilo possessor ( § 3 ) besser. Zuviel des Guten will MÜLLERs cer ‹ tus commo › tos ( ed.1 ad loc.). Eine elegante Lösung bietet hingegen JUNGERMANNs certus ( so u.a. BÜCHELER 1 ; MÜLLER passim ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ; GIARDINA – MELLONI ; HOLZBERG ). nec quo destinaret cursum gubernator sciebat : Der springende Wind macht es unmöglich, Kurs zu halten, und lässt den Steuermann verzweifeln. Die Vorlage liefert Vergil : excutimur cursu et caecis erramus in undis. | ipse diem noctemque negat discernere caelo | nec meminisse viae mediā Palinurus in undā ( Aen. 3,200-202; s. auch 5,19-23 mutati transversa fremunt et … consurgunt venti … nec nos obniti contra nec tendere tantum | sufficimus. superat quoniam Fortuna, sequamur, | quoque vocat vertamus iter ). Die Parallelen mit der Passage hier notiert PATIMO 2002, 57: das einleitende nec, der ‚verlorene Kurs‘ ( quo destinaret cursum ~ meminisse viae ), und die Position des grammatischnautischen Subjekts ( gubernator sciebat ~ Palinurus in undā ). Ovid erhebt das Thema zum Topos ( met. 2,184-186 acta | praecipiti pinus Boreā, cui victa remisit | frena suus rector, quam dis votisque reliquit ; 11,492494 ipse pavet nec se, qui sit status, ipse fatetur | scire ratis rector, nec quid iubeatve vetetve : | tanta mali moles tantoque potentior arte est ; 11,537 deficit ars ; fast. 3,593f. vincitur ars vento, nec iam moderator habenis | utitur, a votis is quoque poscit opem ; trist. 1,2,31f. rector in incerto est nec quid fugiatve petatve | invenit : ambiguis ars stupet ipsa malis ; 1,4,11-16 navita confessus gelidum pallore timorem, | iam sequitur victus, non regit arte ratem eqs.; 1,11,21f. ipse gubernator tollens ad sidera palmas | exposcit votis, inmemor artis, opem ). Spätere Autoren folgen, u.a. Sen. Ag. 507 nil ratio et usus audet : ars cessit malis ; dial. 6,6,3 turpis est navigii rector cui gubernacula fluctus eripuit, qui fluvitantia vela deseruit, permisit tempestati ratem ; Lukan 5,645f. artis opem vicēre me-

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tūs, nescitque magister, | quam frangat, cui cedat aquae ; 7,125-127 victus violento navita Coro | dat regimen ventis ignavumque arte relictā | puppis onus trahitur ; Stat. Theb. 2,105-107 magnum si iam tollentibus Austris | Ionium nigrā iaceat sub nube magister | immemor armorum versantisque aequora clavi ( „wenn, während Südwinde die mächtige ionische See aufwühlen, der Steuermann unter finsteren Wolken daniederliegt, nicht eingedenk der Takelage und des Steuerruders“ ); 10,13f.; Juv. 12,32f.; Ach. Tat. 3,3,1; Heliodor 1,22,4 : „der Steuermann ergab sich der übermächtigen Not, verzagte angesichts des schlingernden Schiffs und überließ das Steuer der Tyche“ ( τοῦ κυβερνήτου … τῇ τύχῃ κυβερνᾶν ἐπιτρέψαντος ); 5,27; Quintus Smyrnaeus 14,502f. Den sturmerprobten Steuermann besingen u.a. Apoll. Rhod. 2,70-73; Liv. 24,8,12 ubi saeva orta tempestas est ac turbato mari rapitur vento navis, tum viro et gubernatore opus est ; Sen. Phaed. 1072-74 turbido rector mari | ratem retentat, ne det obliquum latus, | et arte fluctum fallit ; dial. 1,4,5 gubernatorem in tempestate, in acie militem intellegas ; ep. 30,3 magnus gubernator et scisso navigat velo et, si exarmavit, tamen reliquias navigii aptat ad cursum ; benef. 6,15,6 ; Plin. ep. 9,26,4 nequaquam par gubernatoris est virtus, cum placido et cum turbato mari vehitur : tunc admirante nullo, inlaudatus inglorius subit portum, at cum stridunt funes curvatur arbor gubernacula gemunt, tunc ille clarus et dis maris proximus. – S. auch Bd. I, S. 347 f. zu 101,8. § 3 Siciliam modo ventus dabat, saepissime [ in oram ] Italici litoris Aquilo possessor convertebat huc illuc obnoxiam ratem : „Bisweilen trieb der Wind uns gen Sizilien; meist jedoch warf der Nordost, Herr über Italiens Gestade, das wehrlose Schiff hin und her.“ „Some heavy weather has been made of the passage.“ ( HUMPHREYS – SULLIVAN 1962, 372 ). In der Tat wirft der überlieferte Satz einige Fragen auf, wie den Herausgebern nicht entgangen ist. Unbedenklich ist der exotische Kontrast modo – saepissime ( cf. BÜCHELER 1 ad loc.: „malo saepius “ ), der sich im Sinne „bisweilen – meist jedoch“ deuten lässt ( cf. Cic. orat. 70 huius sc. philosophiae ignoratione non modo in vita, sed saepissime et in poematis et in oratione peccatur ; VANNINI 278 ad loc. zitiert Hor. serm. 1,10,11, über die gute Satire: et sermone opus est modo tristi, saepe iocoso ; Sall. Iug. 45,2 ). In oram ( „Richtung Küste“; add. t ) ist mit der Mehrheit der Textzeugen und Editoren als Ergänzung von DE TOURNES zu tilgen, der offenbar übersah, dass Italici litoris von possessor abhängt ( cf. ALESSIO 1967, 68 ). Zudem beißt sich die Glosse mit huc illuc. Was aber hat es mit dem Anfang des Satzes auf sich ( Siciliam modo ventus dabat ; so u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ; in cruces

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setzt ihn MÜLLER ) ? Für seine Echtheit könnte der dezente Chiasmus sprechen ( Siciliam – ventus dabat – Aquilo convertebat – ratem ). Zuletzt votierten SCHMELING – SETAIOLI 437 für die Wendung ( „the wind would drive the ship toward the shores of Sicily“ ); zu Siciliam dabat zitieren sie Val. Flacc. 1,465 fluctibus e mediis terras dabit ille magistro ( „inmitten der Fluten wird der scharfäugige Lynceus dem Steuermann Land weisen“ ), was nicht unbedingt als Parallele taugt ( zumindest inhaltlich käme eher Xen. Eph. 5,1,1 infrage, wo der Wind ein Schiff vom Kurs abbringt und nach Sizilien treibt ). Zunächst beschreibt der Erzähler den immer wieder umspringenden Wind, der die Fluten peitscht ( § 2 ), im Anschluss dann das Schiff als hilflosen Spielball der Elemente. Und wie in Ringkomposition legt sich eine biblische Finsternis über die Szenerie ( § 1 nubes … obruēre tenebris diem ; § 3 tam spissae repente tenebrae eqs.). Laut A. SETAIOLI ( in epist.) ist der Aquilo hier nicht notwendig spezifisch als Nordost zu verstehen ( „in Latin literature, like, say, in Horace’s odes, often any name of specific winds just means ‚the wind‘ in general“ ). Er findet in den Böen in § 2 einen Schlüssel zum Verständnis der Passage: „Therefore the idea that one and the same wind is constantly blowing cannot be entertained. It is then hardly surprising that sometimes there is a wind pushing the boat toward Sicily, and sometimes the Aquilo whimsically changes the course of the ship.“ Nicht ganz von der Hand weisen lässt sich freilich noch eine andere Lesart der Szene, die das Geschehen genauer verortet und den Aquilo als genuinen, wenn auch unsteten Nordost begreift ( dafür spricht immerhin seine singuläre Titulatur als Italici litoris possessor ). Der Sturm lässt sich lokalisieren. Wie die spätere Landung unweit Krotons zeigt, tobt er kaum in der gefürchteten Straße von Messina, wie wiederholt vermutet wurde ( u.a. BÜCHELER 1 ad loc.: „navigant per fretum Siculum“; zu deren Gefahren cf. Verg. Aen. 3,410-432; Ov. am. 2,16,25 summersis ratibus saturata Charybdis ; met. 7,62-65; 14,6f. navifragum … fretum eqs.; Sen. ep. 14,8; Stat. Theb. 6,483f.; nach den dortigen Windund Strömungsverhältnissen erkundigt sich Seneca, ep. 79,1 ), sondern südlich Kalabriens im mare Bruttium, das „offenbar für seinen stürmischen Charakter nachgerade sprichwörtlich“ war ( KIßEL 804 ad Persius 6,27f. trabe ruptā Bruttia saxa | prendit amicus inops eqs.; er zitiert Sen. Thy. 577f. ubi ex alto tumuēre fluctūs | Bruttium Coro feriente pontum ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 651), vielleicht im Golf von Squillace ( ähnlich HUMPHREYS – SULLIVAN 1962, 372; FALLER 2007, 69f. ), oder weiter östlich zwischen Capo Colonna und Capo Rizzuto.

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In diesen Gewässern bläst der Nordost ein Schiff in südwestliche Richtung – wenn auch unter den hier skizzierten Umständen recht launisch und wetterwendisch. Dem überlieferten Text zufolge treibt das Schiff also mehr oder weniger die ganze Zeit gen Sizilien – was unter dem Strich wenig Sinn ergibt. Damit stehen zwei Möglichkeiten zur Diskussion. I ) Nur von einem Wind ist die Rede, dem Nordost, der beständig springt ( cf. § 2 ) und immer nur kurz in die gewohnte Richtung bläst. Doch warum wird er zweimal blass als ventus vorgestellt, dann jedoch pompös als Italici litoris Aquilo possessor ? II ) Oder aber zwei Winde tummeln sich auf der Meeresbühne, getreu dem alten Topos der ἀνέμων στάσις , dem „Kampf der Winde“, die einander das Revier streitig machen ( bisweilen gar zu dritt oder zu viert ; so auch VANNINI 278f. ad loc.). Das dramaturgisch dankbare Motiv ist in allen dichterischen Gattungen heimisch; cf. Ilias 9,4-7; 16,765-769; Od. 5,291-296; Pacuvius trag. 415f. R.3 undique omnes venti erumpunt, saevi existunt turbines, | fervit aestu pelagus ; Hor. epod. 10,3-8; Verg. georg. 1,318 omnia ventorum concurrere proelia vidi ; Aen. 1,84-86 incubuēre mari totumque a sedibus imis | una Eurusque Notusque ruunt creberque procellis | Africus, et vastos volvunt ad litora fluctus ( cf. Sen. nat. 5,16,2 ad loc., zit. S. 617 oben ); 2,416-419; 10, 356-359; Prop. 3,15,31-33; Ov. met. 11,490f. omnique e parte feroces | bella gerunt venti fretaque indignantia miscent ( und BÖMER ad loc.); trist. 1,2,25-30 inter utrumque ( i.e. pontum et aëra ) fremunt immani murmure venti. | nescit, cui domino pareat, unda maris. | nam modo purpureo vires capit Eurus ab ortu, | nunc Zephyrus sero vespere missus adest, | nunc sicca gelidus Boreas bacchatur ab Arcto, | nunc Notus adversa proelia fronte gerit ; Lukan 5,568-572 aspice, saevum | quanta paret pelagus ; Zephyros intendat an Austros, | incertum est : puppem dubius ferit undique pontus. | nubibus et caelo Notus est ; si murmura ponti | consulimus, Cori verrent mare ; 5,597-614 ; Stat. Theb. 1,346-353; 5,368f. totum … Notis certantibus aequor | pendet ( „… hängt in der Schwebe“ ); 5,704-706 sic ubi diversis maria evertere procellis | hinc Boreas Eurusque, illinc niger imbribus Auster, | pulsa dies regnantque hiemes ; Sil. Ital. 7,569-574 ; 9,282-286; 12,617-619; 17,246250 ( cf. FRIEDRICH 1956, 79f.; MORFORD 1967, 40-42 ). Auch der Roman kennt den Topos ( cf. Ach. Tat. 3,1,5f.; Hist. Apoll. rec. A 11,3f., bes. V.14 hinc Notus, hinc Boreas, hinc Africus horridus instat ); noch im Kinderbuch lebt er fort : „Der Wind, der heulend in die Segel fuhr, fing nun an, jede Sekunde umzuspringen, kam bald von Norden, dann von Süden, Osten und Westen.“ ( M. ENDE, Jim Knopf und die Wilde 13, Stuttgart 1962, 177 ).

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Meteorologisch ist diese Vorstellung nicht haltbar, wie Seneca feststellt ( nat. 5,16,2 in unam tempestatem, quod fieri nullo modo potest, congregentur sc. venti ) – was ihn nicht davon abhielt, den Topos auf die Bühne zu bringen ( Ag. 474-483 undique incumbunt simul | rapiuntque pelagus infimo eversum solo | adversus Euro Zephyrus et Boreae Notus eqs., und TARRANT ad loc.; Senecas Inkonsequenz vermerkt auch VANNINI 279 ad loc.). Doch knüpft sie an nautische Erfahrungen an. Gerade die heftigen Winterwinde drehen mitunter unvermittelt. In der Folge treffen aus unterschiedlichen Richtungen Wellenberge aufeinander und erzeugen eine gefährliche Kreuzsee, in der Schiffen eine Havarie droht ( cf. Ov. am. 2,10,9 ventis discordibus acta phaselos ; Lukan 5,570 puppem dubius ferit undique pontus ). Zurück zu Petron. Sind zwei Winde im Spiel, müsste der erste dem Aquilo entgegen blasen, also aus eher südlicher Richtung kommen. Das trifft auf mehrere Winde zu: auf den Atabulus ( Hor. serm. 1,5,78 ), den Eurus ( Ost ), den Notus ( Südost ), den glühenden Scirocco ( Südost ), v.a. aber auf den stürmischen A u s t e r ( Südost ; cf. BC 233f. magnus inhorruit Auster | et pulsas evertit aquas, und Bd. III ad loc.; Hor. c. 3,3,4 f. Auster, | dux inquieti turbidus Hadriae ) und den gefürchteten A f r i c u s , den „jähen Südwest“, der auf hoher See unversehens über seine Opfer hereinbricht ( Hor. c. 1,3,12 praecipitem Africum ; cf. NISBET – HUBBARD ad loc.; AUSTIN ad Verg. Aen. 1,86 ; MÜLLER 3 ad loc.: „exspectabam Africi mentionem, qui Aquiloni contrarius flat“ ). Vom Kampf des Aquilo mit Südwinden weiß bereits Ennius ( ann. 432434 Sk. concurrunt veluti venti, quom spiritus Austri | imbricitor Aquiloque suo cum flamine contra | indu mari magno fluctūs extollere certant, „sie prallen aufeinander wie die Winde, wenn die regenträchtige Bö des Auster und der Aquilo mit seinem Windstoß miteinander streiten, auf hoher See die Fluten aufzuwühlen“; cf. SKUTSCH ad loc.); ebenso Horaz ( c. 1,3,12f. nec timuit praecipitem Africum | decertantem Aquilonibus ), Seneca ( nat. 5,18,2 in Italiam Auster sc. nubes impellit ; Aquilo in Africam reicit ) und Plinius ( nat. 18,335 contrarius Aquilo Africo flat ). Ein solcher antagonistischer Wind passt freilich schlecht zu Siciliam modo ventus dabat. Sinngemäß müsste es etwa heißen : „Mal blies von Sizilien her der Schirokko“ ( KRENKEL ). GIARDINAs Vorschlag ‹ nam in › Siciliam modo ventus flabat, saepissime in oram Italici litoris. Aquilo … ( ed. ad loc.) löst die Probleme nicht wirklich. Attraktiver liest sich MÜLLERs modo a Sicilia ventus Africus flabat ( ed.2 ). Der abl. sep. bei flare steht stets mit Präposition ( u.a. Cic. Att. 7,2,1 flavit ab Epiro … Onchesmites ; Ov. Ibis 34 tepidus flabit ab axe notus ; Liv. 25,27,6 ab ortu solis flare … venti ; 38,10,6; Plin. nat. 5,55 etesiarum … ex adverso flantium ; Quint. inst. 12,10,67; cf. Thes. VI 1, 912,84-

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913,44 ). Dies verkennt RICHARDSON 2007, 46f., der ( in Unkenntnis MÜLLERs ? ) ‹ nam › Siciliā modo ventus flabat konjizierte ( „for now the wind would blow from Sicily …“ ). Einen ökonomischeren Weg schlugen HUMPHREYS – SULLIVAN 1962 mit Sicilia modo ventos dabat ein ( von ihren Parallelen sind zwei von Belang : Sen. nat. 1,2,9 illa regio ventum dabit ; Plin. nat. 18,328 haec sc. pars ventum Austrum dabit ( über die Windrose ); zu der Junktur s. auch Verg. Aen. 3,705 te … datis linquo ventis, „mit günstigen Winden verlasse ich dich“; Ov. her. 16,23 dedit faciles auras ventosque secundos sc. Cytherea ; Donat Verg. Aen. 3,61 p. 273,2 G. dare … ventum navi est flatibus obicere ; Thes. V 1, 1683,69-71; s. auch Verg. Aen. 3,61 dare classibus Austros, „set sail to the south wind“; lt. HORSFALL ad loc. Enallage, statt des ‚natürlicheren‘ dare classīs Austris ). In Prosa stimmiger klingt der Singular, der gleich zweimal vorgeschlagen wurde: modo Sicilia ventum dabat ( so MÜLLER 2a ), und – näher an der Überlieferung – Sicilia modo ventum dabat ( so VANNINI ed.; ebenso einst der Autor dieser Zeilen in seinem alten Exemplar von MÜLLERs ed. princ. in marg.). Für diese Lesart sprechen neben der Geographie die sprachlichen Parallelen ( s. oben; Siciliam ventus dabat hingegen hat so gut wie kein Äquivalent ). In einem Punkt ist die Konstellation hier allerdings untypisch. Beim „Kampf der Winde“ ist oft lapidar von venti die Rede – oder aber zwei ( oder mehr ) namentlich genannte Antagonisten stürmen die Arena. Wie erklärt sich das blasse ventum ( statt e.g. Africum, Eurum, Austrum ) neben dem heroischen Italici litoris Aquilo possessor ? Ist es dem Umstand geschuldet, dass besagter Süd immer nur kurz weht und sich daher nicht identifizieren lässt ? Erwähnung verdienen einige weitere Konjekturen. JACOBS’ notus ( statt ventus ) ist geographisch heikel: der Südost treibt das Schiff kaum Richtung Sizilien ( was BÜCHELER nicht davon abhielt, mit der Idee wiederholt zu liebäugeln; cf. ed.1 ad loc. modo Siciliam notus dabat ; ed.3 Text : Siciliam modo notus dabat, saepius in mare eqs.). FUCHS’ umständlicher „Ostwind“ lässt sich immerhin mit der Geographie vereinbaren: Siciliam modo ‹ subsolanus › ventus dabat ( 1959, 76 ). Das Gleiche gilt für MÜLLERs Vorschlag in der ed.1 ad loc.: [ Siciliam ] modo violenter notus flabat, saepissime in oram ‹ Siciliae › Italici litoris Aquilo possessor convertebat [ huc illuc ] obnoxiam ratem. Originell liest sich ALESSIOs sic ille sc. gubernator iam modo vento se dabat saevissimo, „so ergab der Steuermann sich schon bald dem Wüten des Sturms“ ( 1967, 67f.; er zitiert Caes. Gall. 3,13,9 accedebat, ut, cum se vento dedissent, tempestatem ferrent facilius, „… wenn sie vor dem Wind kreuzten“ ).

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Italici litoris Aquilo possessor : „der Nordost, Herr über Italiens Gestade“. Der Aquilo ( das römische Äquivalent des griechischen Boreas ) zählt zu den bedrohlichsten Winden. Dido warnt Aeneas vor den verhängnisvollen Winterorkanen, den Aquilones ( Verg. Aen. 4,310; cf. PEASE ad loc.; s.auch Hor. epod. 10,7f. insurgat Aquilo, quantus altis montibus | frangit trementīs ilices ; 13,1-3; Sall. hist. 3,64 M. crebritate fluctuum, ut Aquilone solet ; Liv. 37,12,12; Lukan 5,416-423; Gell. 2,30,2; Boethius cons. 1 m. 6, 9f. ). In dem Orkan zu Beginn des Epos stürmt er als letzter auf die Meeresbühne ( Aen. 1,102f. ). Wie er in Skythien Kraft sammelt, beschreiben die Georgica ( 3,196-201; cf. Aen. 3,285 glacialis hiems Aquilonibus asperat undas ; Accius trag. 566f. R.3 sub axe posita ad stellas septem, unde horrifer | Aquilonis stridor gelidas molitur nives ; Hor. c. 3,10,3f. incolis … Aquilonibus, „dem in Skythien heimischen Nord“; Sen. Ag. 479 Strymonius altas Aquilo contorquet nives, und TARRANT ad loc.; Lukan 5,603f. sed Scythici vicit rabies Aquilonis eqs.). „Ruchlos“ und „grausam“ nennt ihn Properz ( 3,7,13 infelix ; 3,7,71 saeve ). Das Bild hier mag von Horaz beeinflusst sein ( c. 1,3,14-16 rabiem Noti, | quo non arbiter Hadriae | maior ; 2,17,19f. tyrannus | Hesperiae Capricornus undae, v.a. 3,3,4 f. Auster, | dux inquieti turbidus Hadriae ). Das Hyperbaton bildet die Ausdehnung seiner Machtsphäre ab. Zur ‚Herrschaft‘ von Winden cf. Prop. 1,18,2 et vacuum Zephyri possidet aura nemus ; Lukan 1,406-408 non Corus in illum sc. portum | ius habet aut Zephyrus, solus sua litora turbat | Circius ; 2,454 f. ut cum mare possidet Auster | flatibus horrisonis, hunc aequora tota secuntur ( lt. COLLIGNON 163 wohl Petrons Vorbild ); 5,413f. fortius hiberni flatūs caelumque fretumque, | cum cepere, tenent ; 9,118 tenens pelagus, sed iam moderatior, Eurus. Zu der Vorstellung, ein Gebiet, in dem eine Windrichtung vorherrscht, sei das ‚Reich‘ dieses Windes, cf. e.g. Lukan 9,320f. densis fremuit niger imbribus Auster, | in sua regna furens eqs. ( und M. SEEWALD p. 190f. ad loc.). – Zu possessor mit einem ‚marinen‘ Gen. cf. Sil. Ital. 6,687f. possessor pelagi … captivas puppes ad litora victor agebat ( vom Sieger einer Seeschlacht ; zit. RICHARDSON 2007, 47 ). convertebat huc illuc obnoxiam ratem : Winde, die ein Schiff von allen Seiten beuteln, beschreibt Seneca : quem saeva tempestas a portu exceptum huc et illuc tulit ac vicibus ventorum ex diverso furentium … in orbem egit ( dial. 10,7,10; zit. VANNINI ad loc.). Als Spielball der Strömung wie der Winde beschreibt Homer Odysseus’ Floß ( Od. 5,327-332 τὴν δ᾿ ἐφόρει μέγα κῦμα κατὰ ῥόον ἔνθα καὶ ἔνθα κτλ., „Das Floß aber trug die große Woge mit der Strömung hierhin und dorthin (…) so trugen dies die Winde über die Meeresfläche hierhin und dorthin usw.“; übers. W. SCHADEWALDT ).

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ratem : Das poetische Synonym ratis ( statt e.g. navis ) ist seit Ennius bezeugt (u.a. ann. 378 Sk. caeruleum spumat sale [ Nom.] confertā rate pulsum, „die blaugrüne Salzflut schäumt, aufgewühlt vom überladenen Schiff “ ; cf. SKUTSCH ad loc.; OLD s.v. ratis 2a ). In den Sat. taucht es wiederholt auf, in der TH ( 11 und 37 ), im Seesturm ( ferner § 8 ), sowie frag. 32,3 und 46,1 M.4. – Ratem ist GOLDASTs Emendation des überlieferten partem, das ALESSIO 1967, 68 wenig glücklich als „die gefährdete Flanke“ ( obnoxiam partem ) des Schiffs verteidigte. et quod omnibus procellis periculosius erat : An der Grenze zur Hyperbel ( und zur zarten Paronomasie ). Zu dem Abl. comp. cf. 83,6 Komm. == Bd. I, S. 79. tam spissae repente tenebrae lucem suppresserant : Zur plötzlichen Finsternis in Seestürmen cf. § 1 nubesque ( eqs.), und S. 610f. ad loc.; zu dem Adjektiv cf. 79,4 spississimam noctem, und e.g. Verg. Aen. 2,621 spissis noctis se condidit umbris, und HORSFALL ad loc. ( „only to a poet can darkness appear ‚thick‘ in the same way as, let us say, porridge“ ); Ov. met. 7,528f. caelum spissā caligine terras | pressit ; Sen. Herc. fur. 710 gravibus umbris spissa caligo alligat sc. Tartari locum; Thy. 993f. spissior densis coit | caligo tenebris noxque se in noctem abdidit ; OLD s.v. 2 c; SOVERINI 1975-76, 190-193. – Zu repente cf. VANNINI 100 ad 100,3. ut ne proram quidem totam gubernator videret : Kaum besser ergeht es Aeneas’ Steuermann ( Verg. Aen. 3,201f. ipse diem noctemque negat discernere caelo | nec meminisse viae mediā Palinurus in undā ). Der in Finsternis getauchte Bug erweitert den Topos ‚Finsternis‘ klassischer Sturmbeschreibungen in origineller Weise. – Dass Lichas’ gubernator hier aus dem Text „verschwindet“, nicht unähnlich Palinurus, „für immer verschluckt vom Nichts“ ( so PATIMO 2002, 57 ), mag der fragmentarischen Überlieferung geschuldet sein ( s. unten S. 630f. zu Tryphaenas Schicksal ). § 4 itaque † hercules postquam * manifesta convaluit : Der überlieferte Text ( s. Lemma ) ergibt schlechterdings keinen Sinn. Höchstwahrscheinlich ging in dem Satz etwas verloren ( eine Lücke nach postquam signalisieren rpt, nach manifesta l ). Sicher scheint einzig das Verb, das im Kontext gut passt : etwas „erstarkte“, „gewann an Kraft“ ( s. unten ). Infrage kommen eine Naturgewalt wie der Sturm oder die See ( bzw. deren Wüten ), vielleicht auch die ‚Gefahr‘, die von ihnen ausgeht. Umgekehrt sind bei hercules Zweifel angebracht. Interjektionen mit dem Namen des populären Heroen sind aus der lateinischen Alltagssprache nicht fortzudenken: hercle oder mehercle, hercule ( 10,2; 88,3 itaque hercule )

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oder mehercule, schließlich mehercules ( 19 Belege in den Sat.). Gut bezeugt ist die Junktur itaque hercule ( Cic. Quinct. 13; Liv. 22,25,7; 23,18,14 ; Quint. decl. 259,7; 317,7; Tac. dial. 14,4 ; 30,4 ; 39,5 ). Anders sieht es für das recht ungehobelte hercules aus, das sich in den Sat. nur hier findet, und das insgesamt selten bleibt ( u.a. Cic. Brut. 62 et hercules ; Caelius ap. Cic. fam. 8,4,1 et hercules ; cf. FRIEDLÄNDER 224 ad Sat. 33,5 ; HOFMANN 29f.; PETERSMANN 108f.; VANNINI 184 f. ad 107,6 ). Die Junktur itaque hercules findet sich in der gesamten Latinität nur noch bei Velleius, an einem kritischen Punkt der Erzählung ( 2,110,5 ), und in der Sittenkritik des älteren Plinius ( nat. 19,56; 29,17 ). Hier könnte die Wendung ( abgemildert zu itaque hercule ? ) der extremen Situation geschuldet sein – wäre sie Teil einer Rede ( cf. VANNINI ad loc.: „interiezione volgare tipica del discorso diretto, hercules è inadatto alla narrazione di Encolpio, soprattutto in prossimità della tempesta letteraria“; Anstoß nahm bereits BÜCHELER, ed.1 ad loc.: „male Hercules tolerarunt omnes“ ). Denkbar wäre der Ausfall einer wörtlichen Rede ( wie der des Lichas § 5 ), von der sich einzig das Bruchstück itaque hercules erhalten hat ( so tentativ VANNINI ad loc.), vielleicht auch eine verunglückte Anspielung auf den Gott selbst ( so ein alternativer Einfall VANNINIs ebd.). Derlei Überlegungen bleiben freilich hochgradig hypothetisch. Realistischer scheint eine kleinere Textverderbnis. Die zahlreichen Vorschläge lassen sich grob in zwei Gruppen gliedern: Alternativen für das verdächtige hercules, sowie Versuche, die Lücke im Umfeld von manifesta zu schließen. Als Ersatz für hercules wurden u.a. pernicies ( THOMAS 1921, 32: itaque pernicies postquam manifesta convaluit ; so CIAFFI und ARAGOSTI ) und procella vorgeschlagen ( ROSE 1967, 135; alternativ erwog er den Gen. procellae samt ‹ vis › oder ‹ mina › : itaque procellae postquam ‹ vis › manifesta convaluit ). Beide Vorschläge klingen blass, und procella(e) im Anschluss an § 3 procellis kaum überzeugend. Nicht nur paläographisch ansprechend ist BÜCHELERs periculi ( ed.2 ad loc.; auch hier bräuchte es ergänzend ein ‹ vis › ), das mit convaluit leidlich harmoniert ( ROSE 1967, 135 variierte es zu periculum, samt der alten Lesart manifesto : itaque periculum postquam manifesto convaluit ). Andere Vorschläge setzen im Umfeld der Lücke an. Kaum in Betracht kommen postquam ‹ spes omnis › manifesto evolavit ( BOURDELOT ), postquam manifesta ‹ pestis › convaluit ( BUSCHE 1911, 456 ), postquam manifesto ‹ procella › convaluit ( PASQUALI ap. ROSE 1967, 135 ) und postquam manifesta ‹ deum ira › convaluit ( O. WEINREICH ap. KERÉNYI 1927, 49 Anm. 21; der ‚Götterzorn‘ gelte dem Reliquienraub ; weitere exotische Einfälle zitiert VANNINI ad loc.).

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Vielversprechender sind drei Versuche, manifesta umzuwandeln. PIerwog postquam tempestas bzw., etwas raffinierter, postquam maris aestus convaluit ( so DÍAZ Y DÍAZ ; VANNINI ad loc. zitiert Pacuvius trag. 416 R.3 fervit aestu pelagus ; Colum. 8,17,10 cum maris aestus intumuerit ; Thes. I, 1119,38-1120,15 ). Paläographisch besser macht sich BÜCHELERs postquam maris ira infesta convaluit ( ed.2 ad loc.; so WARMINGTON ; zu der Junktur cf. Liv. 7,30,15 ista tam infesta ira ; Sen. dial. 3,5,2 quid ira infestius ? ; 3,11,1 ira infestissima sibi, „Zorn, der sich selbst spinnefeind ist“ ); W.W. EHLERS in epist. erwägt maris vis infesta. Nicht ausschließen lässt sich eine Anspielung auf den ‚Zorn‘ gekränkter höherer Mächte, und damit auf Lichas’ nahes Ende ( VANNINI ad loc.; s. oben WEINREICHs Idee zum Reliquienraub, und unten S. 627-629 ). Doch auch maris aestus oder maris ira infesta lösen nicht das Rätsel um itaque hercules. Etliche Herausgeber setzen nach postquam einen Asteriskos ( u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; MÜLLER ; GIARDINA – MELLONI ; VANNINI ; HOLZBERG ); die Apparate signalisieren des öfteren Ratlosigkeit ( e.g. VANNINI ad loc.: „delle numerose congetture … nessuna pare veramente risolutiva“ ). Ein Lesetext mag sich für ein ansprechendes Provisorium wie BÜCHELERs itaque periculi ‹ vis › postquam manifesta convaluit entscheiden ( zu der ungewöhnlichen Position von postquam ‚quarto loco‘ cf. e.g. Cic. Verr. 2,1,49 in Asiam vero postquam venit ; Liv. 4,50,6 quod tam atrox facinus postquam est Romam nuntiatum ), nicht jedoch eine kritische Edition. Von einer Heilung ist die Stelle weit entfernt. convaluit : convalēsco, „to grow strong, thrive“ ( OLD s.v. 1a ), beschreibt meist Lebewesen ( Pflanzen, Tiere, Menschen ), bisweilen aber auch ‚übertragen‘ Naturgewalten wie das Feuer ( 136,2 ignem … modo convalescentem restinguit ; Ov. met. 8,477f. pestifer ignis | convaluit ; Quint. inst. 5,13,13 flamma … convaluerat ). Die Stelle hier deutet der Thes. metaphorisch ( IV, 811,61-812,9: „de personis vel rebus personatis“; e.g. Cic. leg. 3,17 gravitas optimatium cecidit, convaluitque vis multitudinis ). Die Verwendung für e.g. einen Sturm bzw. die See scheint singulär ( vage Parallelen liefern zwei reißende Flüsse, Solin 37,1 receptis in se aliquot amnibus convalescit sc. Euphrates ; Gregor Tur. Franc. 8,23 amnes … in tantum convaluerunt, ut plerumque naufragia evenirent ; cf. Thes. IV, 810,82-84 „de flumine accrescente“ ). – Zu manifesta cf. 108,1 quid in re manifestissima dicerem ; 128,2 perfusus ego rubore manifesto ; 132,2 manifestis matrona contumeliis verberata. Lichas trepidans ad me supinas porrigit manus : Auch Aeneas verzagt im Sturm ( Verg. Aen. 1,92-101 extemplo Aeneae solvuntur frigore membra ; | ingemit et duplicīs tendens ad sidera palmas eqs.; cf. COLLIGNON 127 ). Beiden THOU

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schneidet der Wind das Wort ab ( § 6 et illum quidem vociferantem in mare ventus excussit ~ Aen. 1,102f. talia iactanti stridens Aquilone procella | velum adversa ferit eqs.). In der Schilderung des verzweifelten Lichas erreiche Petrons Kunst ‚den Zenit ihres tragischen Potentials‘ ( so PARATORE 1933, II 371: „il vertice delle sue possibilità tragiche“ ). Wahrscheinlich berührt Lichas Encolpius’ Knie ( cf. 17,9 protendo … ad genua vestra supinas manūs petoque et oro eqs.; 80,3 tangebat utriusque genua cum fletu petebatque suppliciter eqs., und Bd. I, S. 18 ad loc.; 97,9 ad genua Ascylti procubui et … petii eqs.; 98,3 genua ego perseverantis amplector eqs.; 101,2 ). Zu den nach oben gekehrten Händen als Geste des Flehens cf. Liv. 3,50,5 supinas … tendens manūs eqs.; 26,9,8 matronae … supinas manūs ad caelum ac deos tendentes orantesque ut urbem Romanam e manibus hostium eriperent ; Ov. met. 8,681-683; Curt. Ruf. 6,6,34 barbari territi … supinas manūs tendentes orare coeperunt eqs.; Sen. Herc. fur. 1192 miserere, genitor, supplices tendo manūs ; OLD s.v. supīnus 1c; SITTL 1890, 148f. ( zur verwandten Gebetsgeste cf. BC 154 f. ambas | intentans cum voce manūs ad sidera dixit, und Bd. III ad loc.). § 5 tu … Encolpi, succurre periclitantibus : Ein verzweifelter Hilferuf ( cf. Verg. Aen. 12,653 Turne, in te suprema salus, miserere tuorum ; Hor. ars 459f. succurrite … io cives ; Apul. met. 6,10,6 Amoris uxori … periclitanti promptā velocitate succurrite ), der hier auffällig genug die in Seenot üblichen Gebete ersetzt ( cf. 103,5 naufragorum ultimum votum, und Bd. I, S. 380 ad loc., ferner Od. 5,445-450; Catull 68 B,63-65; Ov. fast. 3,593f. moderator … a votis … poscit opem ; trist. 1,2 passim ; 1,4,25-28 ; Pont. 2,10,39f. est aliquid casūs pariter timuisse marinos | iunctaque ad aequoreos vota tulisse deos ; AT Jona 1,5; Ach. Tat. 3,5,4 ; LINN 1971, 125f. ). Lichas sieht in dem Sturm ein Werkzeug göttlichen Zorns, und in Encolpius die letzte und einzige Rettung in der Not. Entsprechend wirkungslos verhallt sein Flehen ( s. auch Prop. 3,7,18 non habet unda deos ). Auffällig ist die Nähe zu der Szene 101,2 ( comprehendi Eumolpi genua et ‚miserere‘ inquam ‚morientium, id est pro consortio studiorum commoda manum‘ ; cf. SCAROLA 1986, 42 ). Zu der seltenen Junktur periclitanti(bus) succurrere cf. 96,2 succurrendum … periclitanti censebat ; Sen. contr. 1,1,14 quid, si vetes … periclitanti succurrere ? ( succurrere KIESSLING : favere vel sim. codd.); Scribonius Largus epist. 2 succurrere periclitantibus student ; Apul. met. 6,10,6 ( oben zit.); Cassian conl. 2,11. – Zu dem abundanten tu cf. 79,10 Komm. == Bd. I, S. 13. id est : Die Floskel leitet von der generellen Bitte zur Konkretisierung über (~ „und“, „will heißen“; cf. Bd. I, S. 117 ; VANNINI 115 ad 101,2 ). FRAENKELs wiederholt empfohlene Tilgung ( u.a. NISBET 1962, 228 ) ist unnötig. BÜCHELERs et wiederum schwächt den dringlichen Ton.

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vestem illam divinam sistrumque redde navigio : Wie schon das Adjektiv ( divinam ) deutlich macht, ist von zwei Kultgegenständen die Rede, die dem Schiff gehörten: einem „heiligen Gewand“ und einer metallenen „Rassel“, wie sie ausschließlich im Kult der Isis Verwendung fand ( sistrum ~ σεῖστρον ; cf. Ov. am. 2,13,11; Plut. Is. Os. 63; Apul. met. 2,28,3; 11,4,2; 11,10,2 ; H. BONNET, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin 1952, 716-720; W. KIßEL 751f. ad Persius 5,186; zu dem Lehnwort CAVALCA 2001, 156f. ). Lichas hatte wohl ein Bildnis der Göttin an Bord, das die beiden Insignien zierten ( cf. 108,13 protendit ramum oleae a tutela navigii raptum ; zu Isis’ Mantel cf. Plut. Is. Os. 77 ; Apul. met. 11,3,5-4,1, und GWYN GRIFFITHS 128-132 bzw. GCA 136-141 ad loc.; dass er nur Mantel und Rassel an Bord hatte, „als Amulet zum Schutz des Schiffes“, vermutete O. WEINREICH ap. KERÉNYI 1927, 49 Anm. 21 ). Hinter der tutela navis ( 105,4 ) verbirgt sich also weder Priapus ( 104,1 ) noch Poseidon ( 104,2 ), sondern die in der frühen Kaiserzeit bereits im gesamten Reich verehrte ägyptische Göttin, die alle Seefahrer als Patronin anriefen ( cf. Juv. 12,28 pictores sc. votivarum tabellarum quis nescit ab Iside pasci ? ; Lukian dial. deor. 7 ). Isis’ Namen trugen etliche Schiffe ( Lukian nav. 5 ; Apul. met. 11,16,4 und GWYN GRIFFITHS 262 ad loc.; CASSON 359: „most ships were named after deities … those cherished by sailors, Isis and Dioscuri, were great favorites“; FALLER 2007, 67 ). Ihr wohl berühmtestes Fest, die πλοιαφέσια bzw. Isidis navigium im März, feierte die Wiederaufnahme der Seefahrt ( Apul. met. 11,8-17, bes. 11,16,5-17,5 ; cf. GWYN GRIFFITHS 31-47 ad loc.). Wie Lichas’ Flehen zeigt, hat in seinen Augen Encolpius’ Diebstahl ( neben seiner Rasur ; cf. 103,3 ) den verheerenden Sturm heraufbeschworen. Das Jonasmotiv vom Sünder klingt an, der andere mit in den Untergang reißt ( s. unten S. 627 f. ). Bereits in der Odyssee ahndet ein Orkan den Frevel an Helios’ Rindern ( 12,127-141. 260-450; cf. HILTON 2012, 279f. ). Die Flotte von König Pyrrhus, der Persephones Tempel geplündert hat, lässt die Göttin unweit ihres Heiligtums stranden ( Val. Max. 1,1 ext. 1 ); kaum besser ergeht es auf Delos Dolabella mit den geraubten Statuen Apolls ( Cic. Verr. 2,1,46 ). Als sui numinis vindex rächt Phoibos den Diebstahl seines goldenen Mantels ( Val. Max. 1,1,18; weitere Beispiele ebd. 1,1,20f. ). Doch wann hat Encolpius die beiden Reliquien entwendet ? Bei zwei Gelegenheiten deutet Encolpius an, er habe eine vestis ergaunert. In der Episode vom Markt ( 12-15 ) wollen er und Ascyltos ein wertvolles raptum latrocinio pallium veräußern ( 12,2 ; cf. 14,7 pretiosissimam vestem ); später, auf dem Weg nach Kroton, offeriert er Eumolp ein geraubtes Gewand ( 117,3

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vestis, rapinae comes ). Beide Diebstähle liegen offenbar vor Beginn der erhaltenen Handlung. Da Encolpius und Ascyltos das pallium vom Markt verloren geben mussten ( dies legt 15,2-7 nahe ), ist die vestis höchstwahrscheinlich Beute des zweiten Raubzugs auf jener ‚Lustfahrt‘, bei der Lichas’ Schiff geplündert wurde ( 113,3 expilatum … libidinosā migratione navigium ; dass Hedyle ihm dabei zur Hand gegangen sei, mutmaßt VANNINI 265 ad 113,3; s. auch CIAFFI 1955, 14-17: den Diebstahl beging Hedyle, bevor sie mit Encolpius und Giton floh ). Das Motiv ist dem antiken Roman nicht unvertraut, wie der Diebstahl eines goldenen Kelches der Kybele zeigt ( Apul. met. 9,9,3-9,10,4 ; zum Thema Tempelraub im Mimus cf. PANAYOTAKIS 1994, 615 ). Diese vestis rechnet unter die Habseligkeiten, die Encolpius später aus dem havarierten Schiff retten kann. Es liegt nahe, dass es sich um Isis’ „heiligen Mantel“ handelt. Näherer Prüfung bedarf eine These VAN THIELs ( 1971, 44 f. ). Obgleich der Raub weit zurückliege, sei Lichas überzeugt, Encolpius besitze Mantel und Rassel noch immer. Warum fordert er sie dann nicht sofort zurück ( e.g. Sat. 106 ) ? „Könnte es sein, daß Enkolp sich der heiligen Geräte erst während des folgenden Kampfes bemächtigt hat, sozusagen als Geisel ( Tragödienparodie)?“ (45 ). Gleich mehrere Gründe sprechen gegen diese scharfsinnige Annahme. ( 1 ) In der organisch kohärenten Erzählung müsste eine Passage ausgefallen sein, die jenen Raub schilderte ( VAN THIEL zufolge am ehesten Sat. 109 Anfang ). ( 2 ) Warum stellt Encolpius dem Dichter besagtes Gewand später umständlich als rapinae comes vor ( 117,3 ), wenn Eumolp Zeuge jenes Raubes war ? ( 3 ) Bei der unverhofften Wiederbegegnung ( samt delikater Anagnorisis, 105,9 ) dominieren der Groll über den Mummenschanz und die erlittene persönliche Unbill Lichas’ Gedanken und Gefühle ( 106,2 memor adhuc uxoris corruptae iniuriarumque, quas in Herculis porticu acceperat ). Die Erinnerung an jenen Raub kommt offenbar erst deutlich später zurück, und nur kurz ( 113,3 redierat in animum … expilatum … libidinosa migratione navigium ). Die Konsequenzen jenes Sakrilegs schließlich stehen ihm erst während des Unwetters klar vor Augen ( cf. das folgende Lemma ). (4 ) Einen weiteren Grund nennt FRÖHLKE ( 1977, 56 Anm. 1 ): „Warum gibt Encolp die Gegenstände, nachdem der Friedensvertrag geschlossen und die Aussöhnung vollzogen ist, nicht wieder zurück ?“ per fidem, miserere : In tiefster Verzweiflung vergisst Lichas sein domini supercilium ( 113,10 ), ja alle einstige Feindschaft ( cf. 113,3, oben zit.; 115,11 terribilem … et implacabilem Licham ). – Zu dem beschwörenden per fidem cf. 93,3 Komm. == Bd. I, S. 248.

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quemadmodum quidem soles : Zu dieser Höflichkeitsformel cf. Ter. Phorm. 784 agedum, ut soles …, fac illa ut placetur nobis ; Cic. Att. 6,4,2 ut soles ; 11,13,5 velim, ut soles, facias eqs.; Sen. Tro. 596 tuque laetifica, ut soles ; Quint. decl. 290,5 succurre, qui soles ( VANNINI ad loc.). Quidem verleiht der Bitte Nachdruck ( „wie du ja auch sonst zu tun pflegst“ ); cf. KST 1,802. Vor diesem Hintergrund ist ROSEs potes ( statt soles ; 1967, 135f. ) zumindest bedenkenswert, während BÜCHELERs Imperfekt solebas ( ed.1 ad loc.) diesen Eindruck eher verwässert. BÜCHELER vermutete zudem, nach soles sei Text ausgefallen ( ed.1 ad loc.: „plura vereor ne interciderint in quibus ultimo Lichas vociferans induceretur“; ebenso FUCHS 1959, 76 ). Das Folgende schließt allerdings nahtlos an. Die See schneidet Lichas das Wort ab ( wie Aeneas; cf. oben S. 622f. ). § 6 et illum quidem vociferantem in mare ventus excussit : Die Szene spielt sich folglich an Deck ab. Noch während Lichas lauthals ( und kniefällig ? ) fleht, fegt der Sturm ihn über Bord ( s. unten ). Zu excutere in marinen Kontexten cf. Verg. Aen. 1,115f. excutitur pronusque magister | volvitur in caput ; 6,353f. excussa magistro … navis ( „das des Steuermanns beraubte Schiff “; zu der Enallage cf. HORSFALL ad loc.); Ov. met. 3,627f. excussum misisset in aequora, si non | haesissem … in fune retentus ; Curt. Ruf. 4,4,8 triremis … in eam sc. navem … tanta vi ‹ impulsa est ›, ut Tyrius gubernator in mare excuteretur e puppi ; Thes. V 2, 1310,30-32. – Quidem unterstreicht vociferantem : „mitten im Wort“ ( cf. KST 1,804 Anm. 1 ). repetitumque infesto gurgite procella circumegit atque hausit : „und den in einem tosenden Mahlstrom Gefangenen wirbelte eine Bö umher und verschlang ihn“ ( anders HOLZBERG : „wieder und wieder wurde er von einem gefährlichen Strudel erfasst, und eine Sturmbö drehte ihn im Kreis herum und ließ ihn versinken“ ). Was während der Windstille ein beschauliches Bild abgab ( 109,7 tollebat plumas aura volitantes, pinnasque per maria inanis spuma torquebat ; zur prophetischen Qualität jener Szene cf. Ov. ars 2,95, Daedalus über den ertrunkenen Ikarus : ‚Icare‘ clamabat ; pinnas aspexit in undis ), verwandelt der Sturm in eine tödliche Falle ( s. auch Askylts und Encolpius’ unfreiwilliges Bad in Trimalchios Impluvium, 72,7 dum natanti opem fero, in eundem gurgitem tractus sum, und Catulls Metapher, 64,149f. ego te in medio versantem turbine leti | eripui ). Die Szene bewegt sich auf mehreren Ebenen: einer mythischen, einer literarisch-intertextuellen und nicht zuletzt einer theologischen. An Lichas bewahrheitet sich die Formel nomen est omen. Sein m y t h i s c h e r Namenspatron ( Λίχας ) überbringt dem am Kap Kenaion opfernden Herakles in Deianeiras Auftrag arglos das mit Nessos’ Blut getränkte Gewand,

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das sich dem Heros ins Fleisch brennt. In seiner Qual schleudert der Alkide den glücklosen Boten ins Meer ( cf. Soph. Trach. 772-782; Ov. met. 9,211-229 ecce Lichan trepidum … aspicit, utque dolor rabiem conlegerat omnem, | ‚tune, Licha‘ dixit, ‚feralia dona dedisti ? | tune meae necis auctor eris ?‘ tremit ille, pavetque | pallidus et timide verba excusantia dicit ; | dicentem genibusque manūs adhibere parantem | corripit Alcides et terque quaterque rotatum | mittit in Euboicas tormento fortius undas eqs.; Ps.-Sen. Herc. Oet. 808-822, bes. 810f. complexus aras ille tremibunda manu | mortem metu consumpsit ; Mart. 9,65,7f. nec tibi fallax | portasset Nessi perfida dona Lichas ; Apollodor bibl. 2,7,7; so zuerst HEINZE 1899, 422 Anm. 15 : „ein prophetischer Name, hindeutend auf den Tod im Meer“; BARCHIESI 1984 notiert die verbalen Anklänge an Ovid, sowie die Rolle eines Gewands in Lichas’ Tod: § 5 vestem illam divinam … redde navigio ; linguistisch-semantische Spekulationen zu dem Namen präsentiert BORGHINI 1998 ). Auf der l i t e r a r i s c h - i n t e r t e x t u e l l e n Ebene scheint die Szene von Vergil inspiriert. Im ersten Buch der Aeneis reißt eine mächtige Woge den Steuermann Orontes in die See und wirbelt das Schiff im Kreis herum; zuletzt versinkt es im Strudel ( 1,115-118 excutitur pronusque magister | volvitur in caput, ast illam sc. navem ter fluctus ibidem | torquet agens circum et rapidus vorat aequore vertex. | apparent rari nantes in gurgite vasto ). Spuren hinterließ wohl auch Lukrezens Kriegsherr, der die Götter im Sturm um „friedliche Winde und günstige Brisen“ anfleht – „vergebens, da er nichtsdestotrotz vom gewalttätigen Wirbelwind oftmals gepackt und zu den seichten Gewässern des Todes getragen wird“ ( 5,1226-32 summa etiam cum vis violenti per mare venti | induperatorem classis super aequora verrit …, non divom pacem votis adit ac prece quaesit | ventorum pavidus paces animasque secundas, | nequiquam, quoniam violento turbine saepe | correptus nihilo fertur minus ad vada leti ? ; die Stelle zitiert auch SOMMARIVA 2004, 95 ). Auf der t h e o l o g i s c h e n Ebene schließlich kommt der gottesfürchtige Lichas als offenbar einziges Opfer des Seesturms ums Leben ( vielleicht als einziger Toter der Sat. insgesamt; so LABATE 1988, 83; an den Sturm, den umgekehrt einzig Odysseus überlebt, Od. 12,403-425, erinnert GROSSARDT 2007, 88 ); Encolpius, dessen Diebstahl und Rasur in Lichas’ Augen für das Unglück verantwortlich zeichnen, kommt ungeschoren davon. Aus Lichas’ Worten hört man das Jonasmotiv heraus vom Sünder ( Encolpius ), der andere mit in den Untergang reißt ( AT Jona 1; cf. Bd. I, S. 401 zu 105,2 ; s. oben S. 624 ) – und hier der verdienten Strafe entgeht. Auch Ovids autobiographische Sturmerzählung operiert mit der Vorstellung, sucht er doch den Göttern gegenüber ‚seine Schuld‘ zu rechtfertigen,

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die ihm die Verbannung eintrug ( trist. 1,2,64 culpa mea ). Der Himmel verzeiht ihm, der Sturm legt sich ( 1,2,107-110 fallor, an incipiunt gravidae vanescere nubes, | victaque mutati frangitur ira maris ? eqs.; so die Deutung des Dichters, mit einem hoffnungsvollen Blick in Richtung Hof ). Ihre eigene ‚marine‘ Theologie formuliert Ovids Dido ( her. 7,57-72 nec violasse fidem temptantibus aequora prodest ; | perfidiae poenas exigit ille locus eqs.). Warum fordert das Meer hier ein Opfer ? Und warum den „einzige(n) halbwegs Anständige(n) … unter all dem Gesindel“ ( BLUME 1974, 55 Anm. 33 ) ? Ist das Ganze eine Metapher für die Unwägbarkeiten des Schicksals ( ein roter Faden in Encolpius’ Suasorie Sat. 115; bes. § 10 en homo quemadmodum natat ; § 16 ubique naufragium est ), für die vergebliche Hoffnung auf eine höhere Gerechtigkeit, wie schlichtere Weltbilder sie am Werk sehen ? Doch wie schon Eumolps zweischneidiger Kommentar zu Lichas’ und Tryphaenas Doppeltraum ahnen lässt, scheinen die Dinge komplexer ( 104,3 hinc scies … Epicurum hominem esse divinum, qui eiusmodi ludibria … condemnat ; de facto widerlegen die Ereignisse Epikurs Doktrin ). Dass die göttliche Sphäre gleich mehrfach verletzt wurde, zeigt sich zumindest im wissenden Blick zurück ( bes. 103,5 execratus … omen, quod imitaretur naufragorum ultimum votum ; 114,5 vestem illam divinam … redde navigio ). Lichas sieht es als seine Mission, die Schuldigen ausfindig zu machen und zu bestrafen ( 104,4 quis … prohibet navigium scrutari, ne videamur divinae mentis opera damnare ; 105,1 attrahite ocius nocentes in medium, ut sciam quorum capitibus debeat navigium lustrari ; 105,4 itaque ut tutela navis expiaretur eqs.), die ihm die Götter aus gutem Grund in die Hände gespielt hätten ( 106,3 imprudentes noxios in nostrum induxere navigium ; ebd. ita vide ut possit illis ignosci, quos ad poenam ipse deus deduxit ). Und fast prophetisch hält er fest, die Strafe falle auf ihn selbst zurück, versäume er dies ( 106,3 vereor ne quod remisero patiar ). Doch genau dies passiert. Weder erhält Isis ihre Reliquien zurück, noch trifft die Schuldigen eine angemessene Vergeltung – und Lichas leistet Sühne für das Versäumte. In der Schiffsepisode scheint das archaische Weltbild auf beunruhigende Weise ‚in Ordnung‘. Nur kann sich der Leser hier kaum darauf verlassen, dass es ‚die Guten‘ sind, die gerettet werden ( cf. Sen. contr. 7,1,10f. magnum praesidium in periculis innocentia. saevum mare volvitur, procellae spumante impetu latera navigii urgent, pulsatur undique navis periculis; innocentia tamen tuta est. o maria iustiora iudiciis ! ). Mit anderen Worten: die Doppelbödigkeit der Satyrica erlaubt es uns, den Sturm ‚religiös‘ zu lesen, als Werk empörter höherer Mächte ( so e.g. BARCHIESI 1984, 175; SCAROLA 1986, 44 ; auf die 104,1-4 angedeutete Rolle Priaps verweisen u.a. SULLIVAN 1968, 40-42; WALSH 1970, 76-78;

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SLATER 2006 ), und ihn gleichzeitig als raffiniertes Spiel mit eben einer solchen Weltsicht zu goutieren. Die Satyrica bestätigen keinen ‚Aberglauben‘ oder spielen gar „in einem magischen Universum“, das „Apuleius und seinem magischen Weltbild“ den Weg ebne ( so REITZ 2006, 78 ). Petron ist eher ein Geistesverwandter Senecas, der im fünften Buch der Naturales quaestiones die Winde wissenschaftlich erklärt – und in dem apokalyptischen Seesturm des Agamemnon die Götter von der Leine lässt. excussit … circumegit atque hausit : Böen oder Wogen, die ihre ohnmächtigen Opfer in die Fluten reißen, gehören seit Homer zu den Topoi des Seesturms ( e.g. Od. 5,313-326; 12,417-419; A.P. 7,291 == FGE 384-391; 7,303 == HE 350-355 ). Römische Autoren faszinierte v.a. der Augenblick des Ertrinkens; cf. u.a. Ov. met. 8,229f. ( Icarus ) ora … caeruleā patrium clamantia nomen | excipiuntur aquā ; 11,568f. ecce super medios fluctūs niger arcus aquarum | frangitur et ruptā mersum caput obruit undā ; Prop. 2,26 A,112; 3,7,51-66, bes. 55f. flens tamen extremis dedit haec mandata querelis, | cum moribunda niger clauderet ora liquor ; Val. Max. 1,8 ext. 11; Ps.-Sen. Oct. 345349 ( Agrippina ) feriunt fluctūs ora loquentis, | ruit in pelagus rursumque salo | pressa resurgit ; | pellit palmis cogente metu | freta, sed cedit fessa labori ; Val. Flacc. 1,288-293 ( Helle ) fessis longe petit umida palmis | vellera, sed bibulas urgenti pondere vestes | unda trahit levique manus labuntur ab auro. | quis tibi, Phrixe, dolor, rapido cum concitus aestu | respiceres miserae clamantia virginis ora | extremasque manūs sparsosque per aequora crines ! Den langen Kampf eines im Meer Treibenden beschreibt Val. Flacc. 8,365-368, die Todesangst in solcher Not Ach. Tat. 3,4,4 f. ( cf. ebd. 3,5,2 ἅμα δὲ λέγοντα κῦμα ἐπεκάλυπτε κατόπιν, „als er dies rief, überrollte ihn eine Woge von hinten“ ). Oftmals spielen dabei Strudel eine fatale Rolle – wie hier ; cf. Prop. 3,7,65 subtrahit haec fantem tortā vertigine fluctus ( „… mit sich drehendem Strudel“ ); Ov. met. 11,557-559 cum qua sc. rate pars magna virorum | gurgite pressa gravi neque in aera reddita fato | functa suo est ; Val. Flacc. 8,332f. vorat hos vertex, hos agmine toto | gurges agit, simul in vultūs micat undique terror ; Sil. Ital. 14,556 haurit sanguineus contorta cadavera vertex ( „… die umhertreibenden Leichen“ einer Seeschlacht ). Ähnliche Gefahren lauern in Flüssen ( Ov. fast. 4,48 dicitur in Tuscae gurgite mersus aquae ; Stat. Theb. 9,276-279 Capetum … sorbebat rapidus nodato gurgite vertex ; | iam vultu, iam crine latet, iam dextera nusquam, | ultimus abruptas ensis descendit in undas ; cf. 9,502-506 ). Besser ergeht es Turnus und später Horatius Cocles mit dem ihnen wohlgesonnenen Tiber ( Aen. 9,815-818 praeceps saltu sese omnibus armis | in fluvium dedit : ille suo cum gurgite flavo | accepit venientem ac mollibus extulit undis eqs.; Val. Max. 3,2,1 neque altitudine deiectus quassatus nec pondere armorum pressus nec ullo verticis circuitu actus … tutum natandi eventum habuit ).

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Zu repetitum cf. OLD s.v. repetō 2a: „to go for or attack again ( with a weapon, etc.)“ ( MÜLLER 1 ad loc. zitiert Suet. Claud. 44,3 repetitum … toxico, den „erneut mit Gift angegriffenen“ Claudius, VANNINI ad loc. Liv. 4,19,5 adsurgentem ibi regem umbone resupinat, repetitumque saepius cuspide ad terram adfixit ). BÜCHELERs abreptumque braucht es so wenig wie HEINSIUS’ raptatumque. – Der Abl. ( infesto gurgite ) hat lokale wie instrumentale Qualität. § 7 Tryphaenam autem prope iam ‹ exanimatam › fidelissimi rapuerunt servi eqs. : Tryphaena steht offenbar unter Schock, nicht unähnlich Heliodors Heroine ( 1,29,3: „Keines Wortes mächtig, wie tödlich getroffen von dem neuen Schicksalsschlag und als ob sie mit Theagenes auch ihr Leben verloren hätte, blieb Chariklea zurück, kaum fähig zu atmen oder ein Wort zu sagen“; übers. R. REYMER ; dass Tryphaena gleichfalls fast in die Fluten gerissen wird, erwog DÍAZ Y DÍAZ ad loc.). Ihre Sklaven suchen die hilflose Herrin ( und deren gesamtes, offenbar umfängliches Gepäck ) im Beiboot an Land zu bringen ( zu der scapha cf. 102,1-5, und Bd. I, S. 353; zur Flucht im Beiboot cf. Plaut. Rud. 74 f. virgo atque … ancillula | de navi timidae desuluerunt in scapham ; 162-175; 366-371 ‹ de › navi timidae ambae in scapham insiluimus, quia videmus | ad saxa navem ferrier eqs.; Cic. inv. 2,154 ipsos quoque tempestas vehementius iactare coepit, usque adeo, ut dominus navis … in scapham confugeret eqs.; Heliodor 5,25,3; Quintus Smyrnaeus 13,309-315 ; vor der Flucht im Beiboot warnt Paulus, NT Acta apost. 27,30-32 ). Dieser Akt der Loyalität findet die Anerkennung des Erzählers ( fidelissimi klingt aufrichtig ); zugleich liefert er die übrigen auf Gedeih und Verderb dem wohl leckgeschlagenen Schiff aus. Immerhin kommt es zu keinem Kampf auf Leben und Tod um das Beiboot, wie Achilleus Tatios ihn dramatisch schildert ( 3,3,1-3,4,2 ). Ob dies tatsächlich ihre Rettung vor dem ‚sicheren Tod‘ bedeutet ( von einer solchen phantasiert einmal Horaz, c. 3,29,62-64 tunc me biremis praesidio scaphae | tutum per Aegaeos tumultūs | aura feret geminusque Pollux ), bleibt ebenso offen wie die Frage, ob das emphatische abduxēre certissimae morti rückblickendes Wissen des Erzählers wiedergibt, oder die Verzweiflung der aktuellen Situation ( zu pessimistisch, und grammatisch unhaltbar, BURMAN 683: „Abduxere ergo certissimae morti, id est, in certam mortem, & periculum, quod non evasit, quia nulla de ea post mentio“ ). Anders als Lichas, der noch einen Auftritt hat ( 115,7-20 ), verschwindet Tryphaena für immer aus den erhaltenen Teilen der Sat. Das schließt freilich nicht aus, dass sie an späterer ( verlorener ) Stelle nochmals überraschend auf-

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taucht ( cf. FRÖHLKE 1977, 135 ) – wie bereits in der Szene 100,4 ( vergleichbare Begebenheiten aus anderen Romanen zitiert VANNINI 103f. ). iam ‹ exanimatam › : Einen Ausfall nach iam vermutete bereits BURMAN 683 ( „Trifena … è totalmente passiva, ed è posta sulla scialuppa come una res “, VANNINI ad loc.; nicht überzeugen können die Versuche ALESSIOs 1967, 262f., prope als Verschreibung für properē, „unverzüglich“, zu deuten, oder prope iam als iam prope, „um Haaresbreite“ ). Von den vorgeschlagenen Ergänzungen klingen WARMINGTONs prope ‹ inanimam › und ERNOUTs ‹ immersam › blass. Paläographisch attraktiv ist VANNINIs ‹ peremptam › ( so HOLZBERG : „mit der es schon fast zu Ende war“ ). Allerdings gibt es für die hier unterstellte Verwendung so gut wie keine Parallele ( cf. Thes. X 1, 1476,36-48 zum PPP; OLD s.v. perimō 1b „to deprive of life ( esp. by violent means ), kill“ ). Am überzeugendsten bleibt BÜCHELERs ‹ exanimatam › ( ed.1 ad loc.; so MÜLLER passim, und u.a. ARAGOSTI ; GIARDINA – MELLONI ; cf. 12,4 subito exanimatus conticuit ; Ter. Phorm. 564 miseram … exanimatam metu ; Cic. Verr. 2,1,67 haec ubi filio nuntiata sunt, statim exanimatus ad aedīs contendit ; Verg. Aen. 5,804 f. cum Troia Achilles | exanimata sequens impingeret agmina muris ; Thes. V 2, 1176,74 -1177,15: „perturbatus, consternatus, commotus“; OLD s.v. 3 „faint or paralysed with fear or sim.“; zu drastisch E. ZINNs Tryphaenam autem ‹ pavore exanimatam › ( Eranion. Festschrift für H. Hommel, Tübingen 1961, 193 ). Für den Ausfall dürfte das Homoioteleuton verantwortlich sein ( iam -tam ). Eine Überlegung wert scheint vielleicht sem(i)animem, das neben der dominierenden physiologischen Bedeutung ( „halbtot“; e.g. Enn. ann. 484 Sk. semianimes … micant oculi lucemque requirunt, von einem abgetrennten Haupt ) bisweilen eine psychische Qualität gewinnt ( e.g. Ov. her. 10,32 frigidior glacie semianimisque fui, die verlassene Ariadne; Suet. Aug. 6, ein paranormales Ereignis : evenit ut post paucissimas noctis horas exturbatus inde subitā vi … paene semianimis … ante fores inveniretur ; Sil. Ital. 9,122f. membra et sensūs gelidus stupefecerat horror. | tum vox semanimi miseranda effunditur ore ), und Tryphaena in die Nähe Didos rücken würde ( Verg. Aen. 4,686 semianimem … germanam ), eher aber exanimem ( bzw. -mam ), „faint with fear, ‚petrified‘, frightened out of one’s wits“ ( OLD s.v. 3; e.g. Verg. Aen. 4,672 audiit exanimis ; cf. PEASE ad loc.), das sich mit prope besser verträgt. impositam : imponere, „aufs Schiff bringen, verladen“, wird in der Prosa in der Regel mit in und Akk. konstruiert ( e.g. Bell. Alex. 17,3 cohortes … in navigia minora scaphasque imponit ; mit dem Abl. e.g. Caesar ap. Suet. Iul. 66 vetustissimā nave impositos … iubebo avehi ; Ov. her. 19,176 impositam celeri Pha-

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sida puppe tulit sc. Iason ), in der Dichtung hingegen überwiegend mit dem Dativ ; cf. Plaut. Merc. 87f. mercīs emit, | parata navi imponit ; Hor. c. 2,3,27f. sors … nos in aeternum | exsilium impositura cumbae, „… auf der Fahrt ins ewige Exil“; Ov. met. 6,511 imposita est pictae Philomela carinae ; Lukan 8,146f. maestam … carinae | imposuit comitem ; Ps.-Sen. Oct. 127 Stygiae parentem natus imposuit rati, „aufs tödliche Schiff lud seine Mutter der Sohn“; Sil. Ital. 6,371f. rati … impositus … socium me … addo ; ferner Sat. 28,4 lecticae impositus est ; 129,12 verba … codicillis talia imposui ; OLD s.v. impōnō 4 a. abduxere certissimae morti : Die Junktur morti abducere hat erst in christlichen Texten vage Parallelen; cf. Paul. Nol. carm. 24,286-288 Paulus … lectorem sui | de mortis abduxit manu ; Theodorus Mopsuest. Expositio in psalmos, psalm. 28 inc. == CCSL 88 A, p. 128, 2f. a periculo mortis abductus ; 39,11 b == p. 186, 63f. de periculis mortis abduxeras. Zu abducere mit Dativobjekt und Akk. der Person cf. Verg. Aen. 10,79 gremiis abducere pactas, „verlobte Mädchen dem Schoß der Mutter entreißen“; Val. Flacc. 6,297f. te … durae cupiens abducere pugnae, „bemüht, dich dem harten Kampf zu entziehen“; passiv : Lukan 10,153 Etruscis abductus consul aratris ; Thes. I, 60,56-65; OLD s.v. 1b: „to lead away ( usu. persons ), carry off, remove“, „( w. emphasis on the place, etc., from which one is removed )“ ( s. auch OLD 1d ). BÜCHELER 1 ad loc. erwog subduxēre ( cf. OLD s.v. subdūcō 5: „to extricate, rescue ( from a danger, liability, etc.)“, und e.g. Verg. Aen. 10,81 tu potes Aenean manibus subducere Graium ; 10,615 pugnae subducere Turnum ; Vell. 2,72,5 quos sc. proscriptos praesenti periculo fortuna subduxerat, und v.a. Ov. trist. 1,4,27 vos animam saevae fessam subducite morti, Ovids Gebet in Seenot an die caerulei numina ponti ). Der Vorschlag ist attraktiv, doch nicht zwingend. Zu certa mors cf. Cic. Sest. 45; Verg. Aen. 2,62 certae occumbere morti ; Ov. met. 5,29; Sen. ep. 70,8; Lukan 4,272; 9,582f. me non oracula certum | sed mors certa sc. certum facit ; Thes. III, 927,39-46. – Drei Superlative auf engstem Raum grenzen ans Pathetische. §§ 8 – 12 Ein Kammerspiel Lichas und Tryphaena haben die Bühne geräumt – und Giton und Encolpius im Angesicht der drohenden Katastrophe endlich zueinander gefunden. Ein intimes Kammerspiel entspinnt sich, gewürzt mit melodramatischen Ober- und erotischen Untertönen. „Encolpius and Giton respond in the only way they know : they play the tragic lovers’ death scene, tied to each other by Giton’s belt.“ ( SLATER 1990, 112; PANAYOTAKIS 1995, 156 erkennt hier „the script of a mimicum naufragium performed on stage“,

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und vergleicht Plaut. Asin. 606-615 ). Das „euphemistische Koitus-Vokabular“, das die Szene infiltriert, notiert hellhörig OBERMAYER 1998, 321 ( § 9 amplexūs amantium und ultimum gaudium ; § 12 vinculum extremum und mortem iam non molestam ; zu ergänzen wären § 10 sic cohaerentes und v.a. § 11 iuncta mors ). § 8 applicitus cum clamore flevi : Vor applicitus ( „an Giton gepresst“; HOLZBERG ) ist etwas verloren gegangen ( eine Lücke signalisierte PITHOU ), und wohl mehr als ein schlichtes ego ( PUTSCHIUS ) oder Gitoni ( BOURDELOT ) oder ego Gitoni ( DE SALAS ; so ARAGOSTI ; einen nur kleinen Ausfall nahm CIAFFI 1955, 63f. an ). VANNINI ad loc. ergänzte e.g. ‹ cum appareret ratem non diutius maris impetum esse laturam, ego Gitoni › applicitus ( eqs.). – Zur Konstruktion cf. 25,5 maioribus me pueris applicui ; 91,1 Gitona … parieti applicitum ; 126,13 dominam … lateri … meo applicat. hoc … a diis meruimus, ut nos sola morte coniungerent : solā morte, „einzig“, eher jedoch „zumindest im Tod“ – wenn schon ( dank einem Ascyltos, einem Eumolp, einer Tryphaena ) nicht zu Lebzeiten ( zum Topos der iuncta mors cf. unten S. 639-642 ). Mit welchen Verdiensten Encolpius sich die Götter gewogen machte, bleibt sein Geheimnis. Mehrfach wurde der Satz als Frage aufgefasst ( u.a. von BÜCHELER ). Stimmiger klingt eine faktische Aussage: ‚Der Himmel ist es uns schuldig, uns zumindest gemeinsam sterben zu lassen ! Nur machen uns das Schicksal und die See einen Strich durch die Rechnung. So lass uns denn Abschied nehmen !‘ Nicht ausschließen lässt sich ein bitterer Unterton ( cf. HOLZBERG : „Das haben wir von den Göttern verdient, dass sie uns erst im Tod vereinen !“ ). sed non crudelis fortuna concedit : Im Orkan vor der Küste Siziliens beugt sich Aeneas’ Steuermann Palinurus der Macht Fortunas ( Verg. Aen. 5,22 superat quoniam Fortuna, sequamur ; s. auch Apul. met. 11,15,2 eat nunc sc. Fortuna et summo furore saeviat et crudelitati suae materiem quaerat aliam ). Zum Bild der Fortuna in den Sat. cf. 100,3 quasi destruente fortunā constantiam meam ( und Bd. I, S. 331 ad loc.; s. auch Bd. III zu BC 78 volucrem Fortunam ). Zu der Junktur crudelis Fortuna cf. Hor. serm. 2,8,61f. heu, Fortuna, quis est crudelior in nos | te deus ? ; Calpurn. Flacc. 44 o fortuna crudelis ! ( weitere Belege VANNINI ad loc.). In dem Passus hier zeichnet sich diskret eine ( nicht überzubewertende ) Hierarchie ab: § 8 dii – § 8 crudelis Fortuna – § 9 fata properantia. Auf die parallelen Formeln 98,1 at non servus publicus tam languide agit ; 113,2 at non Lichas risit ; 115,16 sed non sola mortalibus maria hanc fidem prae-

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stant verwiesen SCHÖNBERGER 1935, 1246 und FUCHS 1959, 76 ( BURMANs sed ne hoc quidem verleiht Fortuna zuviel Gewicht gegenüber den Göttern ). § 9 ecce iam ratem fluctus evertet : Ein düsterer Blick auf das nahe Ende ( das markante Futur wiederholt sich in dividet ), untermalt von der pathetischen Anapher ecce iam … ecce iam ( nur hier ; ecce etiam erscheint in den Sat. dreimal, ecce autem zweimal, beide jedoch nie in Anapher ; cf. RIMELL 2009, 66: „tragi-epic markers“ ). – Zu evertere für Schiffe in Seenot ( „zum Kentern bringen“ ) cf. frg. 43,13 M.4 premit eversam periturus navita puppem ( s. auch BC 233-237 magnus inhorruit auster | et pulsas evertit aquas eqs.); Curt. Ruf. 9,9,24 navigia … eversa fluctibus erigi iubet ; Sen. Ag. 1006 repletum ratibus eversis mare ; ep. 97,11 non gaudet navigio gubernator everso ; Lukan 5,647f. fluctus … evertere puppem | non valet in fluctum ; Juv. 12,31 alternum puppis latus evertentibus undis, ~ „weil die Wogen die Seiten des Schiffs hinund herschaukelten“; Thes. V 2, 1028,29-38; OLD s.v. 3a. – Zu dem poetischen ratem cf. oben S. 620 ( und Bd. I, S. 169 ). ecce iam amplexūs amantium iratum dividet mare : Von der ‚zornigen See‘ spricht Encolpius bereits 81,3 ( iratum etiam innocentibus mare ; cf. Bd. I, S. 34 ad loc.); weitere Anthropomorphismen aus seinem Mund sind die ‚bösartigere See‘ ( § 10 malignior fluctus ) und ihre ‚Unberechenbarkeit‘ ( 115,8 maris fidem ; 115,16 mortalibus maria hanc fidem praestant ). Giton wird Encolpius’ Rhetorik aufgreifen ( cf. § 11 iratis etiam fluctibus ). Zu der Junktur iratum mare cf. neben 81,3 ( oben zit.) frg. 40,1-3 M.4 == Anth. Lat. 478,1-3 R. == 476,1-3 Sh.B. qui non vult properare mori …, hactenus iratum mare noverit, ferner Hor. epod. 2,6; Sen. contr. 8 exc. 6 p. 232,30 Håk.; Sen. ep. 53,4 ; Hist. Apoll. 18,5 ~ 22,5 rec. A ( zudem mehrfach bei christlichen Autoren ), zur ‚zornigen See‘ e.g. Livius Andronicus frg. 18,2 Morel – Büchner mare saevom ; Lucr. 5,1002f. temere incassum frustra mare saepe coortum | saevibat ; Hor. c. 3,9,22f. improbo | iracundior Hadriā ; Plin. nat. 9,127 irascenti … mari ; carm. Einsidl. 2,36 == Anth. Lat. 726,36 R. nunc ratibus tutis fera non irascitur unda. Leander hofft, uti mare finiat iram ( Ov. her. 18,203 ). Auf der Überfahrt nach Tomis sieht Ovid den Zorn der See zuletzt ‚besiegt‘ ( trist. 1,2,108 victaque mutati frangitur ira maris ? ; zum Bild einer göttlich beseelten Natur cf. Bd. I, S. 395f. ad 104,5 nisi cum pelago ventus irascitur ). – Zu den amplexūs amantium cf. 11,1 alligo artissimis complexibus puerum. igitur, si vere Encolpion dilexisti, da oscula, dum licet : Ein melodramatisches carpe momentum, gesteigert durch den Eigennamen ( statt me ) und

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v.a. das Tempus ( Perfekt statt des zu erwartenden und allenfalls mitschwingenden Präsens; cf. 128,7 me Socratica fide diligis ). Im Angesicht des Todes ist ihre Liebe fast schon Geschichte. Zu der Bitte cf. Bion epit. Adon. 44-50, bes. 45f. τὸ δ᾿ αὖ πύματόν με φίλασον· | τοσσοῦτόν με φίλασον ὅσον ζώῃ τὸ φίλαμα κτλ., „küss’ mich noch ein letztes Mal, küss’ mich, solange der Kuss lebt“ ( Aphrodite zum sterbenden Adonis ). Dass ihm Charikleas „letzte Umarmung“ und „letzten Küsse“ verwehrt blieben, beklagt Theagenes ( Heliodor 2,1,3 ); Chloe hingegen erfüllt den letzten Wunsch des tödlich verletzten Dorkon mit „einem letzten Kuss“ ( Longos 1,30,1 φίλημα ... ὕστατον ). Vertraut ist das Motiv bei nächsten Angehörigen, die auf einen letzten Kuss ihrer Liebsten hoffen ( cf. u.a. Ov. met. 2,356f. quid faciat mater, nisi …, dum licet, oscula iungat ? ; ars 3,745f.; Sen. dial. 6,3,2 non licuerat matri ultima filii oscula gratumque extremi sermonem oris haurire ; Med. 288-290 precor, brevem largire fugienti moram, | dum extrema natis mater infigo oscula, | fortasse moriens ; Lukan 3,744 f., der Vater eines sterbenden Soldaten vor dem eigenen Selbstmord: veniam misero concede parenti, … quod amplexūs, extrema quod oscula fugi ). Die Vorstellung geht nahtlos über in die von der Seele des Sterbenden, die aus dem Mund flieht und von einem geliebten Menschen im Kuss aufgefangen wird ( cf. Cic. Verr. 2,5,118 nihil aliud orabant nisi ut filiorum suorum postremum spiritum ore excipere liceret ; Verg. Aen. 4,684 f., und PEASE ad loc.; Manil. 5,623 f. patres cupiant extrema suorum | oscula et in proprias animam transferre medullas ). Cf. ferner Bd. I, S. 8f. zu 79,8,3f., sowie SETAIOLI, Nugae 133-140; ders. 2015. Auch der romantische Alltag kennt diesen Imperativ ( cf. oben S. 551 und 561 ). – Zu der gut bezeugten Junktur oscula dare cf. 20,8 puero innumerabilia oscula dedit ; 115,9 aliquem, cui proficiscens osculum dedit ; Thes. IX 2, 1112,55-78. ROSE wollte das ad oscula der codd. ( da JUNGERMANN ) als angebliche Interpolation von § 10 tilgen ( 1965, 230; laudante SULLIVAN 1976, 118 ): ‚wenn du mich wirklich liebst, raube dem Schicksal diese letzte Freude‘ gemeinsamer Fesseln. Doch die Tilgung verrätselt den Satz unnötig ; sie lässt das dum licet in der Luft hängen; und sie misst den amplexūs amantium zuviel Gewicht bei. Die Idee, sich zusammenzubinden, stammt zudem von Giton. dum licet : Zur imperativen ( und oft existenziellen ) Qualität der Formel cf. 34,10,3 ergo vivamus, dum licet esse bene ; trag. inc. XXIX, p. 280 R.3 ( S. TIMPANARO ap. MÜLLER1 ad loc.) vive, Ulixes, dum licet, oculis postremum lumen radiatum rape ; Catull 21,12f. desine, dum licet pudico, | ne finem facias, sed irrumatus ; Cic. Rab. Post. 15; Hor. serm. 2,6,96f. dum licet, in rebus iucundis vive beatus, | vive memor quam sis aevi brevis ; c. 2,11,13-17 cur non sub … pinu

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iacentes sic temere …, dum licet, Assyriāque nardo | potamus uncti ? ; 4,12,26 ; Prop. 1,19,25f. quare, dum licet, inter nos laetemur amantes : | non satis est ullo tempore longus amor ; Ov. ars 3,61f. dum licet …, ludite : eunt anni more fluentis aquae ; met. 2,356f. quid faciat mater, nisi …, dum licet, oscula iungat ? ; 7,71 dum licet, effuge crimen ! ; 10,620 dum licet, hospes, abi thalamosque relinque cruentos ; 11,468 dum licet insequitur fugientem lumine pinum ( i.e. oculis navem ); trist. 1,3,67f. dum licet, amplectar : numquam fortasse licebit | amplius ; Sen. Med. 493f. dum licet abire, profuge teque hinc eripe : | gravis ira regum est semper ; Thy. 428; Apul. met. 6,26,7. ultimum hoc gaudium fatis properantibus rape : Encolpius’ kurze Rede endet mit tragischem Pathos ( da oscula und ultimum hoc gaudium … rape stehen chiastisch ); cf. Accius trag. 70 R.3 postremo amplexa fructum, quem di dant, cape ! ( „umarme endlich, erhasche die Freude, welche die Götter gewähren !“; amplexa ist Imperativ ); trag. inc. XXIX, p. 280 R.3 ( oben zit.); Sen. Med. 847f. celeres domum | referte gressūs, ultimo amplexu ut fruar ( Medea vor dem Mord zu ihren Kindern ). S. auch S. 561 zum Stichwort memento mori ( u.a. Prop. 2,15,49 tu modo, dum lucet, fructum ne desere vitae ). Die fata properantia umschreiben ihr bevorstehendes Ende. Die Junktur findet sich hier zum ersten Mal; in Grabinschriften kehrt sie wieder ( u.a. Carm. Lat. Epigr. 1483 cuius si tam properantia fata non fuissent, | mater in hoc titulo debuit ante legi ; cf. Thes. X 2, 1981,34-36 ). Die Fundstelle von trag. inc. XXIX, p. 280 R.3 ( s. oben ), Cic. de orat. 3,162, zitiert VANNINI ad loc.: non dixit ‚cape‘ non ‚pete‘ – haberet enim moram sperantis diutius esse victurum ( „dann hätte er nämlich die Muße dessen, der hofft, noch länger zu leben“ ) –, sed ‚rape‘. hoc verbum est ad id aptatum, quod ante dixerat, ‚dum licet‘. DE SALAS 219 zitiert Mart. 7,47,11 vive velut rapto fugitivaque gaudia carpe ( rapto ~ „on borrowed time“, SHACKLETON BAILEY ad loc.). BÜCHELER sowie u.a. ERNOUT und CIAFFI übernahmen JUNGERMANNs und GOLDASTs ‹ et › ultimum. Dringlicher klingt das Asyndeton. § 10 haec ut ego dixi : zu dem pleonastischen Pers. pron. cf. 79,10 Komm. == Bd. I, S. 13. meāque tunicā contectus exeruit ad osculum caput : Giton legt sein Obergewand ab und schlüpft unter Encolpius’ Hemd ( Echo von § 9 da oscula ). „Giton … tut also mehr, als Encolpios verlangt hat : ganz nackt drückt er sich dicht an den nackten Körper seines Freundes.“ ( LUNDSTRÖM 1967-68, 74 ). DE SALAS 220 erinnert an die Szene 11,3 ( vesticontubernium facis ? ; zu TURNEBUS’ Konjektur cf. BREITENSTEIN ad loc.), VANNINI ad loc. an die Szene 98,7 und deren platonisches Modell : Alki-

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biades, der Sokrates zu verführen sucht : „Ich stand also auf, und ohne ein Wort mehr zu verlieren, legte ich meinen Mantel um Sokrates … und kroch selbst unter den Mantel ( ἀμφιέσας τὸ ἱμάτιον τὸ ἐμαυτοῦ τοῦτον … ὑπὸ τὸν τρίβωνα κατακλινεὶς τὸν τουτουΐ ), schloß meine Arme um den Leib dieses wahrhaft herrlichen Dämons und lag so neben ihm die ganze Nacht.“ ( Plat. symp. 219bc; übers. R. KASSNER ; s. auch 128,7 hoc nomine tibi gratias ago, quod me Socratica fide diligis. non tam intactus Alcibiades in praeceptoris sui lectulo iacuit ). Die poetische Junktur caput exerere beschreibt oftmals Gottheiten oder Naturmächte ( e.g. Ov. met. 13,838 caeruleo nitidum caput exsere ponto ; Sen. Ag. 554 Neptunus imis exerens undis caput ; Herc. fur. 593f.; Lukan 5,598 ab Oceano caput exeris Atlanteo ), aber auch Menschen auf der Suche nach Höherem ( Ov. fast. 1,299f. credibile est illos … locis … altius humanis exseruisse caput ; cf. Thes. V 2, 1855,35-47 ). Um Gitons Haupt legt sich gleichsam eine Aureole. et ne sic cohaerentes malignior fluctus distraheret : In einem harmloseren Unwetter fordert Ovid seine Liebste auf, sich an ihn zu klammern ( am. 2,16,27-30 quod si Neptuni ventosa potentia vincat | et subventuros auferat unda deos, | tu nostris niveos umeris impone lacertos : | corpore nos facili dulce feremus onus ). In ihrer Angst vor endgültiger Trennung wirken Daphnis’ und Chloes „Umarmungen, als seien sie zusammengewachsen“ ( Longos 4,6,3 ὥσπερ συμπεφυκότων αἱ περιβολαί ; cf. Prop. 1,13,19 non ego complexūs potui diducere vestros ). – Das Partizip bringt eine erotische Note ins Spiel ( cf. 67,11f. mulieres sauciae inter se riserunt ebriaque iunxerunt oscula … dumque sic cohaerent eqs.; Apul. met. 10,34,5 in amplexu Venerio … nobis cohaerentibus ), die für das Simplex gut bezeugt ist ( cf. 79,8,2 haesimus calentes, und Bd. I, S. 8 ad loc.). – Zu dem Anthropomorphismus malignior fluctus cf. Stat. Theb. 1,373-374 saxa malignis | exspectat sc. navita submersa vadis, ferner § 9 iratum mare, und S. 634 ad loc. utrumque zonā circumvenienti praecinxit : Auf eben diese Weise stirbt eine Frau gemeinsam mit ihrem unheilbar kranken Mann im Comer See ( Plin. ep. 6,24, bes. § 4 hortata est ut moreretur, comesque ipsa mortis, dux immo et exemplum et necessitas fuit ; nam se cum marito ligavit abiecitque in lacum ). Das wohl hellenistische Motiv unlösbarer ‚ L i e b e s b a n d e ‘ schimmert durch; cf. u.a. Prop. 2,15,25f. utinam haerentes sic nos vincire catenā | velles ut numquam solveret ulla dies ! ( und FEDELI p. 309f. ad 1,13,15-18; lt. LUNDSTRÖM 1967-68, 78-96 Petrons Vorbild ); Tib. 2,2,17-20 utinam … advolet … flavaque coniugio vincula portet Amor, | vincula, quae maneant semper eqs.; Hor. c. 1,13,17-20 felices …, quos irrupta tenet copula nec malis | divulsus

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querimoniis | supremā citius solvet amor die ! ( „selig die Liebenden, die ein untrennbares Band eint und die nicht, auseinandergerissen von bösem Streit, eher die Liebe scheidet denn am Todestag“ ); Ov. met. 4,678f. o … digna catenis, … quibus inter se cupidi iunguntur amantes ( Perseus zu Andromeda; cf. BÖMER ad loc.); Corp. Tib. 3,11(4,5),15f. potius validā teneamur uterque catenā, | nulla queat posthac quam solvisse dies ( und H. TRÄNKLE ad loc.); Stat. silv. 5,1,43f. vos collato pectore mixtos | iunxit inabruptā concordia longa catenā ; Longos 2,11,2; Paulos Silentiarios A.P. 5,255,13-17, bes. 17 τρὶς μάκαρ, ὃς τοίοισι … δεσμοῖσιν ἑλίχθη, „dreimal selig, den solche Fesseln umschlingen“. Hinter dem Bild steht wohl die berühmte Geschichte von den Fesseln, in denen Hephaist Ares und Aphrodite fängt ( Od. 8,295-299; s. auch Ov. ars 2,561-592 ). VANNINI ad loc. zitiert Hephaists Frage an ein Liebespaar : „Begehrt ihr etwa dieses, soviel wie möglich zusammen zu sein, daß ihr euch Tag und Nacht nicht verlassen dürftet ? Denn wenn das euer Begehren ist, so will ich euch zusammenschmelzen und in eins zusammenschweißen, so daß ihr statt zweier einer seid, und so lange ihr lebt, beide zusammen als einer lebt und, wenn ihr gestorben seid, auch dort in der Unterwelt nicht zwei, sondern, gemeinsam gestorben, ein Toter seid.“ ( Plat. symp. 192de; übers. F. SCHLEIERMACHER ). Zu dem seit Plautus bezeugten, später v.a. in der Dichtung heimischen Lehnwort zona, „Gürtel“ ( ζώνη ), cf. MARBACH 1931, 144 ; CAVALCA 2001, 182f. ( zu dem in Prosa gebräuchlichen cingulum cf. u.a. 21,2; ferner 67,4 cingillum ). § 11 Gitons Adieu Die novissima verba ( Verg. Aen. 4,650; cf. Val. Flacc. 1,635-637 miscent suprema paventes | verba alii iunguntque manūs atque ora fatigant | aspectu in misero ) des Jünglings im Angesicht des Todes greifen Enkolps Worte ( §§ 8f. ) auf – und setzen seiner Verzweiflung Bilder der Hoffnung entgegen: ‚Nicht einmal im Tod werden wir vereint sein‘ ( § 8 hoc … a diis meruimus, ut nos sola morte coniungerent. sed non crudelis fortuna concedit ) – ‚wir werden im Tod vereint sein‘ ( § 11 diutius … iuncta nos mors feret ); ‚die grausame See wird uns trennen‘ ( § 9 amplexūs amantium iratum dividet mare ) – ‚ein mitfühlender Tod wird uns an Land vereinen‘ ( § 11 si voluerit sc. mors misericors ad idem litus expellere ); ‚unser letztes Glück sind flüchtige Küsse‘ ( § 9 ultimum hoc gaudium fatis properantibus rape ) – ‚unser letztes Glück ist die gemeinsame Bestattung‘ ( § 11 quod ultimum est iratis etiam fluctibus, imprudens harena componet ). Einmal mehr wird Giton seinem Ruf gerecht ( 91,9 pectus sapientiā plenum ; 94,1 raram fecit mixturam cum sapientiā forma ).

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Dass wir den Gefühlsausbruch des Jünglings ernst nehmen dürfen, ist A. SETAIOLIs ansprechende These ( in epist.): „With all his pathetic rhetoric, when facing death Giton seems to give up the ambiguity that is his constant mark in the rest of the novel. When the danger of death is real ( not a pretense, like when he ‚kills‘ himself with Eumolpus’ servant’s razor ) Giton appears to become what Encolpius has always wished to believe ( or deluded himself into believing ): a true and faithful lover, whose devotion makes even death hardly painful ( 114,12 ). Likewise Eumolpus: in the face of death this swindler appears to become a real poet, intent on writing poetry while the sea threatens to kill him ( as a true poet, like Ovid, trist. 1,11 ). Though both are still playing a part, as they do in the whole novel, the imminence of death cannot but make them aware that this is their final act. In a way death places a seal of authenticity on their respective roles. The danger of death seems to bring out the noble aspects of these characters ( or perhaps lends them a nobility which they normally do not have ). At the same time, the masterful aequilibrium with the countless literary allusions, bordering on parody, through which their final behavior is portrayed, is a sort of counterbalance to the apparent sincerity of these noble attitudes: a specimen of the difficulty ( or impossibility ) to grasp Petronius’ real intentions, and of his studied play with the reader. This is Petronius at his best.“ si nihil aliud : ‹ hoc nobis proderit ›, frei : „wenn es uns auch nicht vor dem Ende bewahren wird“. certe : Zu dem Adverb mit dem Unterton „jedenfalls, zumindest“ cf. 19,5; 50,7 malo mihi vitrea, certe non olunt ( zu certe in den Sat. cf. SOVERINI 197475, 238-243); Prop. 2,26 B,43 certe īsdem nudi pariter iactabimur oris ( nach einem Schiffbruch; cf. FEDELI p. 759 ad loc.); Ov. met. 11,441-443 certe iactabimur una, | nec nisi quae patiar metuam ; pariterque feremus, | quicquid erit, pariter super aequora lata feremur ( eine düstere Ahnung auf einer Seereise; die Nähe der beiden letzten Zitate zu der Passage hier notiert bereits LUNDSTRÖM 1967-68, 77 ). Zu der seltenen Kombination si nihil aliud, certe cf. Curt. Ruf. 4,6,28 ; Sen. contr. 1,2,1; Sen. dial. 9,3,3; nat. 5,18,11 ( VANNINI ad loc.). diutius … iuncta nos mors feret : „so wird uns zumindest der Tod länger vereint treiben lassen“ ( cf. § 8 ut nos sola morte coniungerent ). Das Motiv des g e m e i n s a m e n T o d e s einander nahestehender Menschen, namentlich Freunde oder Liebender, reicht zurück in die grie-

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chische Tragödie: „der schönste Tod: dem Geliebten vereint aus dem Leben zu scheiden, sofern ein Daimon es fügt“ ( Eur. Suppl. 1006-08 ἥδιστος γάρ τοι θάνατος | συνθνῄσκειν θνῄσκουσι φίλοις, | εἰ δαίμων τάδε κραίνοι ; übers. D. EBENER ; cf. Aug. conf. 4,6 sicut de Oreste et Pylade traditur …, qui vellent pro invicem simul mori, quia morte peius eis erat non simul vivere ). Römische Autoren griffen es dankbar auf ( s. auch 94,13 secutus … labentem … ad mortem viam quaero, und Bd. I, S. 265f. ad loc.). Verliebte wünschen sich, vereint zu bleiben bis in den Tod ( e.g. Plaut. Asin. 615 complectere :: facio lubens :: utinam sic efferamur ! ; Hor. c. 3,9,24 tecum vivere amem, tecum obeam libens ; Tib. 1,1,59f. te spectem, suprema mihi cum venerit hora, | te teneam moriens deficiente manu ; Ov. met. 8,708-710, Philemon und Baucis: quoniam concordes egimus annos, | auferat hora duos eadem, nec coniugis umquam | busta meae videam neu sim tumulandus ab illa ; Longos 2,39,2; dramatisch zugespitzt Prop. 2,28,39-42; dass Ceyx ihr die iuncta mors verweigert habe, beklagt Alcyone, Ov. met. 11,697-699 ). Auch Geschwister können so empfinden ( Verg. Aen. 4,677-679 comitemne sororem | sprevisti moriens ? eadem me ad fata vocasses, | idem ambas ferro dolor atque eadem hora tulisset ). Gerade auf See droht mitunter ein gemeinsames Ende – v.a. in der Welt des Romans. So betet Kleitophon im Orkan zu Poseidon: „Wenn du uns töten willst, so trenne nicht unser Ende. Eine Woge umhülle uns. Ist es uns aber bestimmt, Tierfutter zu werden, verzehre uns ein Fisch, ein Magen enthalte uns, damit wir selbst bei den Fischen ein Grab teilen.“ ( Ach. Tat. 3,5,4 εἰ δὲ ἡμᾶς ἀποκτεῖναι θέλεις, μὴ διαστήσῃς ἡμῶν τὴν τελευτήν. ἓν ἡμᾶς κῦμα καλυψάτω. εἰ δὲ καὶ θηρίων ἡμᾶς βορὰν πέπρωται γενέσθαι, εἷς ἡμᾶς ἰχθὺς ἀναλωσάτω, μία γαστὴρ χωρησάτω, ἵνα καὶ ἐν ἰχθύσι κοινῇ ταφῶμεν ). Nachdem ihr Schiff kentert, suchen sich Hippothoos und sein junger Geliebter Hyperanthes schwimmend zu retten. Doch der Knabe ertrinkt ; Hippothoos kann nur die Leiche bergen ( Xen. Eph. 3,2,12f.; s. auch Heliodor 5,7,2; 5,24,3; 8,11,11; Hist. Apoll. 24,8 rec. A pariter navigemus : ubicumque fueris, seu in terris seu in mari, vita vel mors ambos nos capiat ! ) Das Motiv entfaltet ein reges Nachleben. Es erscheint im Märchen: „Hätten uns nur die wilden Thiere im Wald gefressen, so wären wir doch zusammen gestorben.“ ( Gebrüder GRIMM, Hänsel und Gretel ; Hinweis von G. VANNINI ). Mit ihm endet GOETHEs Tasso ( V. 3448-51): „Zerbrochen ist das Steuer und es kracht | Das Schiff an allen Seiten. Berstend reißt | Der Boden unter meinen Füßen auf ! | Ich fasse dich mit beiden Armen an !“ Und im Bauch des Wals sagt Pinocchio zu Geppetto: „Se sarà scritto in cielo che dobbiamo morire, avremo almeno la gran conso-

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lazione di morire abbracciati insieme.“ ( C. COLLODI, Le avventure di Pinocchio, Firenze 1883, cap. 35 ). Bisweilen geht der Wunsch in Erfüllung. Nisus bricht tödlich getroffen über Euryalus’ Leichnam zusammen ( Verg. Aen. 9,444f. super exanimum sese proiecit amicum | confossus, placidāque ibi demum morte quievit ); sterbend sinkt Lycabas auf seinen toten Liebling Athis ( Ov. met. 5,73 tulit ad manes iunctae solacia mortis ; cf. LUNDSTRÖM 1967-68, 75 ), Haemon auf die tote Antigone ( Prop. 2,8,21-24 ). Als Hero am Strand Leanders Leichnam entdeckt, stürzt sie sich vom Turm und liegt im Tod vereint neben ihm ( Musaios 338-343 ; s. auch Heliodor 2,4,4 ; Quintus Smyrnaeus 14,542f. καί ῥ᾿ αἳ μὲν κατέδυσαν ἔσω ἁλὸς ἀμφιβαλοῦσαι | χεῖρας ἑοῖς τεκέεσσι δυσάμμοροι, „einige Troerinnen ertranken in der See, die Arme um ihre Kinder geschlungen, die Ärmsten !“ ). So auch in historischen Texten. Um den Häschern König Philipps zu entgehen, stürzt sich Theoxena mit ihrem Mann vom Schiff in die See ( Liv. 40,4,15 ipsa … virum comitem mortis complexa in mare sese deiecit ). Mit dem von Tiberius bedrohten Piso will auch seine Frau sterben ( Tac. ann. 3,15,1 sociam se cuiuscumque fortunae et, si ita ferret, comitem exitii promittebat ; s. auch Val. Max. 4,6,2-5; Sen. dial. 4,36,6 transfoderunt … amata corpora et in eorum quos occiderant iacuere complexibus ; 12,19,4-7; ferner Bd. I, S. 219 zum solacium mortis, und S. 263 ad 94,10 ). Gerade auf Schlachtfeldern spielen sich solche Szenen ab; cf. Sil. Ital. 9,408f. occubuere simul, votisque ex omnibus unum | id Fortuna dedit, iunctam inter proelia mortem ; 17,470f. extendit labens palmas Heriumque iacentem | amplexus iunctā lenivit morte dolores ( er umarmte den toten Bruder und „linderte seine Schmerzen im gemeinsamen Tod“ ). Denn „durch ein gewisses natürliches Gefühl des verzweifelten Geistes ist es Sterbenden höchst tröstlich, mit einem anderen zu sterben“ ( Sen. contr. 9,6,2 naturali quodam deploratae mentis adfectu morientibus gratissimum est commori ). Mitunter hoffen beide – wie hier – auf ein gemeinsames Grab. So Pyramus und Thisbe ( Ov. met. 4,154-157 hoc … estote rogati … ut quos certus amor, quos hora novissima iunxit, | componi tumulo non invideatis eodem ; cf. BÖMER 66f. ad loc.). Properz will im Fall eines Schiffbruchs auf diesen Trost verzichten, solange nur Cynthia bestattet werde ( 2,26 B,43f. certe īsdem nudi pariter iactabimur oris : | me licet unda ferat, te modo terra tegat ; s. auch Chariton 3,3,6 ). Ans Morbide grenzt die Vision der toten Cynthia von einer Vereinigung im Grab ( Prop. 4,7,93f. nunc te possideant aliae ; mox sola tenebo, | mecum eris et mixtis ossibus ossa teram ). Ein Zerrbild des gemeinsamen Todes ist der Wunsch, einen Feind mit ins Grab zu nehmen ( cf. Sen. Ag. 202 mors misera non est commori cum quo

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velis, und TARRANT ad loc.). Prädestiniert dafür scheinen Seeschlachten ( Lukan 3,694-696 saevus complectitur hostem | hostis, et implicitis gaudent subsidere membris | mergentesque mori ; Sil. Ital. 14,552-554 nec desunt, qui correptos complexibus artis | immergant pelago et … morte sua perimant ; s. auch Quintus Smyrnaeus 14,543-546 ). Die seltene Wendung iuncta mors findet sich zuerst bei Ovid ( met. 5,73 iunctae solacia mortis ); hier und im flavischen Epos kehrt sie wieder ( Stat. Theb. 4,615 iunctae sentit confinia mortis, Oedipus „spürt die Grenzmark des vertrauten Todes“, d.h. er fühlt sich dem Tod eng verbunden; Sil. Ital. 9,409 iunctam inter proelia mortem ; 17,471 iunctā lenivit morte dolores ); cf. Thes. VII 2.1, 658,43-46. – Zu ferre in der Bedeutung „aliquem ( amovere, abripere; saepe de morte )“ cf. Thes. VI 1, 559,12-41; VANNINI ad loc. Encolpius verwendet in den Sat. zweimal eine Enallage, beide Male als kolloquialen Gen. ( 33,3 omnium textorum dicta, „sämtliche Leinewebersprüche“; 69,8 omnium genera avium, „Vögel jeglicher Art“; cf. LÖFSTEDT II, 109-111; SVENNUNG 234-236; KST 1,220f.; HSZ 159f.; PETERSMANN 115-117 ). Subtiler, und zugleich pathetisch exaltiert, setzt hier Giton das Stilmittel ein ( iuncta nos mors ~ iunctos nos mors ). – Zur Textkritik siehe das folgende Lemma. vel si voluerit misericors ad idem litus expellere : i.e. ‹ nos › expellere. Eine noch tröstlichere Hoffnung : der mitfühlende Tod vereint die ertrunkenen Liebenden ‚am selben Strand‘ ( das betonte ad idem litus setzt stillschweigend voraus, dass der Gürtel sich im Wasser löst und das § 10 Befürchtete eintritt : ne sic cohaerentes malignior fluctus distraheret ). So rührselig wie ungewöhnlich ist das Bild des ‚barmherzigen Todes‘ ( eine spätantike Parallele: Donat Aen. 10,880 p. 400,11-13 G. non horreo mortem, quin potius amo. haec enim dabit finem doloribus meis, haec mihi misericors filium reddet ; sie zitieren auch LUNDSTRÖM 1967-68, 76 und Thes. VIII, 1130,4 f. ; von der misericordia mortis spricht Ambrosius, De excessu fratris Satyri 1,51 ), doch dem schwülen Pathos der Szene angemessen. Schiffbrüchige hoffen, ihr Leichnam werde an Land gespült ( e.g. Prop. 3,7,25f. reddite corpus, aquae ! … Paetum sponte tuā, vilis harena, tegas [ aquae DAMSTÉ : humo codd.]; Val. Flacc. 8,349 vos modo vel solum hoc, fluctūs, expellite corpus ) – am liebsten an heimatlichen Gestaden ( cf. A.P. 7,582,3f. ἁλὸς δέ σε μείλιχον ὕδωρ | ἐς χθόνα καὶ πατέρων ἐξεκύλισε τάφους, „doch des Meeres freundliche Flut warf dich ans Land und zu den Gräbern der Ahnen“; Ov. her. 18,197f. optabo tamen ut partes expellar in illas | et teneant portūs naufraga membra tuos ). Dort bestatten sie vielleicht geliebte Hände ( cf. Prop. 3,7,63f. at saltem Italiae regionibus evehat aestus : | hoc de me sat erit, si modo matris erit ; Ov. her. 2,135f. ad tua me fluctūs proiectam litora

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portent, | occurramque oculis intumulata tuis ; met. 11,564 f. illius ante oculos ut agant sua corpora fluctūs | optat et exanimis manibus tumuletur amicis ). Zu expellere von Schiffbrüchigen cf. u.a. Cic. Pis. 43 naufragio expulsus ; Ov. her. 18,197f. ( oben zit.); Sen. contr. 8 exc. 4 naufragos idem fluctus, qui expulit, ‹ sepelit › ; Val. Flacc. 8,349 ( oben zit.); Sil. Ital. 8,68 fatalis turbo in Laurentes expulit oras sc. Annam; Quint. decl. 388,17 corpus expulsum est ; Thes. V 2, 1637,69-81. – Misericors ist in der gesamten Latinität höchst selten für Abstrakta belegt, oder ‚Dinge‘ wie mendacium ( Cic. Lig. 16 ), natura ( Sen. contr. 1,4,5 ), Fortuna ( Curt. Ruf. 9,6,12 ) oder medicina ( Aug. epist. 82,27; cf. Thes. VIII, 1129,77-1130,5 ). Der überlieferte Text ( im eleganten Dicreticus: iūnctă nōs mōrs fĕrĕt ) wurde wiederholt infrage gestellt. Mehrere Humanisten lösten die zarte Enallage zu iunctos nos mors auf ( cf. BURMAN 684 ad loc.). Noch tiefer greift REISKEs iunctā nos morte fluctus feret in den Text ein. Die See brachten auch P. FABER und P. DANIEL mit diutius … iunctos nos mare feret ins Spiel, das mit mare ( wie REISKEs fluctus ) gleichzeitig dem folgenden misericors ein passendes Subjekt liefert ( so BÜCHELER passim ; ERNOUT ; CIAFFI ; ARAGOSTI ; die fehlerhafte Klausel kritisieren MÜLLER ed.1 und VANNINI ad loc.). MÜLLER seinerseits bewahrte das überlieferte diutius … iuncta nos mors feret, und ergänzte hinter voluerit als zweites Subjekt mare ( vel si voluerit ‹ mare › misericors eqs.; ad loc. zitiert er Ps.-Quint. decl. 6,1 p. 111,25 Håk. maris misericordiam ; GIARDINA – MELLONI folgen ihm ). Was gegen beide Vorschläge mit mare spricht, ist der Gemütszustand der See, genauer : ihre Wut, von der wir wiederholt hören ( § 6 infesto gurgite ; § 9 iratum … mare ; § 10 malignior fluctus ; § 11 iratis … fluctibus ; s. auch BÜCHELERs Konjektur maris ira infesta zu § 4 ). Warum sollte sie sich mit einem Mal ‚mitleidig‘ zeigen – zumal wir gleich im Anschluss nochmals an ihren Zorn erinnert werden ( § 11 iratis … fluctibus )? Einen anderen Akteur bringt COURTNEY auf die Bühne: vel si voluerit misericors ad idem litus ‹ ventus › expellere ( 1970, 68; zum Wind als Subjekt von expellere cf. Sil. Ital. 8,67f. iactatam sc. navem … fatalis turbo in Laurentes expulit oras ; Apul. apol. 35,4 maris eiectamenta, quae ubique litorum ventis expelluntur ; für eine Parallele in Wortstellung und Homoioteleuton cf. § 2 nec certus fluctūs ventus impulerat ). Allerdings sind im späteren Verlauf des Orkans durchgängig die See ( § 9 mare ) bzw. die ‚Fluten‘ am Werk ( §§ 9f. fluctŭs ; §§ 11 und 13 fluctibus ), einmal allgemein der Sturm ( § 13 tempestas ). Und weniger der Wind als vielmehr die Strömung trägt die Ertrunkenen zum Strand.

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Das könnte für FRAENKELs subtile Konjektur iuncta nos sors sprechen ( MÜLLER 1 ad loc.; VANNINI ad loc. lobt sie, variiert zu misericors ‹ sors › ; er zitiert Sen. dial. 6,10,6 alios per incerta nudos maria iactabit et luctatos cum fluctibus ne in harenam quidem aut litus explodet, sed in alicuius inmensae ventrem beluae decondet sc. Fortuna ). Am Klügsten scheint es freilich, den überlieferten Text zu halten ( so u.a. DÍAZ Y DÍAZ ; VANNINI ; HOLZBERG ; s. auch LUNDSTRÖM 1967-68, 75f. ). Sie werden in den Fluten umkommen, jedoch im Sterben vereint ; und ‚barmherziger‘ als die See, die sie auslöscht, bahrt der Tod sie vielleicht sogar gemeinsam auf. aut praeteriens aliquis tralaticiā humanitate lapidabit : i.e. ‹ nos › lapidabit ( zur Hoffnung auf ein gemeinsames Grab cf. oben S. 641 ). Einen gestrandeten Leichnam mit einer Handvoll Sand oder einigen Steinen zumindest symbolisch zu bestatten, war selbstverständliche Verpflichtung ( tralaticiā humanitate ) gegenüber Göttern wie Menschen; cf. Kallimachos A.P. 7,277 == HE 1265-68; Archias A.P. 7,278 == GP 365057; Hegesippos A.P. 13,12,5-8 == HE 1921-24 ; Hor. c. 1,28,23-25 tu, nauta, vagae ne parce malignus harenae | ossibus et capiti inhumato | particulam dare ; 1,28,35f. licebit | iniecto ter pulvere curras ; Verg. Aen. 6,365f. tu mihi terram | inice ; Val. Max. 1,7 ext. 3 cum … inhumatum … corpus iacens sepulturae mandasset sc. Simonides; Ps.-Quint. decl. mai. 5,6 p. 91,2-4 Håk. ignotis cadaveribus humum ‹ in › gerimus, et insepultum quodlibet corpus nulla festinatio tam rapida transcurrit, ut non quantulocumque veneretur aggestu ( „… und an einem unbestatteten Leichnam wird kein gehetzter Reisender hastig vorbeieilen, ohne ihn mit einem winzigen Grabhügel zu ehren“ ); 6,11 p. 122,12-14 Håk. ignotis quoque corporibus transeuntium viatorum conlaticia sepultura, inde iniecta ab alienis humus ; Ach. Tat. 6,9,4 πόσους ἔθαψα τῆς θαλάσσης νεκρούς ; ( „wie viele Tote aus dem Meer habe ich bestattet ?“ ); Gregor Naz. A.P. 8,210,1f. πολλάκι ναυηγοῖο δέμας κατέχωσεν ὁδίτης | κύμασι πλαζόμενον ( „oftmals bestattete ein Wanderer des Schiffbrüchigen Leib, den die Wellen verschlugen“ ); Prud. cath. 10,61-64 qui iacta cadavera passim | miserans tegit aggere terrae, | opus exhibet ille benignum | Christo pius omnipotenti. Auch Pompeius’ Torso bestattet eine treue Seele provisorisch am Strand ( cf. Lukan 8,788f. congesta … in unum sc. ossa | parvā clausit humo, und Bd. III ad BC 63 Libyco iacet aequore Magnus ). Auch fernab der See gilt diese Verpflichtung ( cf. Apul. met. 1,19,11 defletum … comitem misellum arenosā humo in amnis viciniā sempiternā contexi ). Zur Angst vor dem unbestatteten Leichnam cf. 115,17 fluctibus obruto non contingit sepultura, und S. 690f. ad loc. tralaticiā humanitate : Zu humanitas in diesem Kontext cf. Sen. benef. 5,20,5 misericordiae et humanitati dedi, ut quodlibet cadaver absconderem ( „Mitleid

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und Menschlichkeit bewies ich, indem ich einen Leichnam bestattete“ ); ebd. terram ignoto mortuo inieci … in publicum humanus ( „… menschlich handelnd der Allgemeinheit gegenüber“ ); Ps.-Quint. decl. 6,3 p. 113,9f. Håk. ignoto … corpori publica humanitas quasi quasdam fecit exequias ; Thes. VI 3, 3080,50-61. Ohne Parallele ist die zart paradoxe Junktur tralaticia humanitas ( „die landläufige Menschlichkeit“; Thes. ebd. 53f. ). Das ausgesucht seltene Adjektiv verwendet Petron just in der Episode auf hoher See gleich viermal ( cf. 108,12 tralaticium bellum ; 110,4 tralaticia deformitate ; 113,8 tralaticia propinatione ). lapidabit : Lapidare, „steinigen“ ( cf. 93,3 ), erscheint einzig hier in der Bedeutung „( einen Toten ) mit Steinen bedecken“ ( ELLIS 1882, 241 verweist auf das Kompositum dilapidare, „( etw.) mit Steinen bedecken“, e.g. Scripta gromatica p. 370,13 via … dilapidata, id est lapidibus strata, zit. nach Thes. V 1, 1160,82f. ). Das Verb trug dem eloquenten Knaben herbe Kritiken ein. GEORGE 1966, 339 nannte die sententia „plain silly“ und kommentierte: „He means: ‚will heap stones upon us to form a tomb‘, but this meaning is only achieved by a perversion of the natural use of lapidare – ‚to stone one to death ‘ (…), to produce a prima facie oxymoron.“ Laut SLATER ( 1990, 202 ) gewänne das Bild jeden „Wettstreit in Sachen Gemeinplätze“. Fairer urteilte BÜCHELER ad loc.: „in illo verbo faceta est ironia“ ( cf. Thes. VII 2, 944,72-74 ad loc.: „iocose de sepultura“; EHLERS ap. MÜLLER 3 525: „Die Bedeckung der Toten mit Steinen ist ein Ersatz für die Bestattung, wird aber hier zugleich ironisch als Steinigung gewertet.“ ). Ähnlich spitzzüngig liest sich das Vergil zugeschriebene Distichon auf einen gesteinigten Räuber : monte sub hoc lapidum tegitur Ballista sepultus eqs. ( Donat Vita Verg. Z. 54 Brummer, zit. VANNINI ad loc.). Giton beweist Galgenhumor. quod ultimum est iratis etiam fluctibus : „was auch zürnende Wogen als letzte Gunst gewähren“ ( SCHÖNBERGER ). Das ( erneut personifizierte ) Meer ist grausam genug zu töten – aber auch pflichtbewusst genug, seine Opfer zu bestatten. Zu der Junktur cf. Plin. paneg. 35,1 iratos … fluctūs ; zu dem urbanen dat. poss. iratis fluctibus in Verbindung mit esse cf. PETERSMANN 83. Nicht als Dativ, bei dem Wellen und Sand das Werk vollenden, sondern als konzessiven abl. abs. deutet VANNINI ad loc. iratis fluctibus ( ebenso HOLZBERG : „oder zu allerletzt wird uns, auch wenn die Fluten noch so erzürnt sind, ahnungslos der Sand begraben“ ). Doch wie sollte das gehen ? Der Sand kann nur ‚begraben‘, wenn die Brandung mitspielt ( cf.

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Sen. contr. 8 exc. 4 omnibus natura sepulturam dedit : naufragos idem fluctus, qui expulit, ‹ sepelit › ). LUCARINI 2003a will iratis etiam fluctibus als ‚unbeholfene Glosse des Interpolators‘ tilgen ( für die Satzstruktur vergleicht er 113,8 nec Giton me aut tralaticia propinatione dignum iudicabat aut, quod minimum est, sermone communi vocabat ). Doch die irati fluctūs bilden das Pendant zur tralaticia humanitas : ‚entweder bedeckt uns eine freundliche Seele mit Steinen – oder die nicht völlig herzlose Brandung mit Sand.‘ imprudens harena componet : i.e. ‹ nos › componet ( in drei Zeilen fällt nos dreimal aus ). Die Metapher des „fühllosen Sandes“, die mit der Serie der anthropomorphen ‚zornigen See‘ bricht, krönt Gitons barocke Rhetorik. Mitunter bedeckt Sand ( als realistischere Alternative zu den ‚Steinen‘ des lapidabit ) aus eigenen Stücken einen gestrandeten Leichnam (e.g. Prop. 1,17,8 parva meum funus harena teget ? ; 2,26 B,44 me licet unda ferat, te modo terra tegat ; Ps.-Quint. decl. 6,9 p. 120,14-16 Håk. non sepelies ? … vide, ne, dum litigas, harenam fluctus aggeret, iniciat humum misericors populus ; Marcus Aurelius ap. Fronto ad M. Caes. 1,6,5 == p.11,29f. v.d.H. sive maria naufragos devorent … sive harenae obruant ). Im gleichen Kontext spricht Horaz von vagae harenae ( c. 1,28,23 ), Properz von parva bzw. vilis harena ( 1,17,8, oben zit.; 3,7,26 Paetum sponte tuā, vilis harena, tegas, als Anrede; cf. SHACKLETON BAILEY 1956, 151: „here vilis harena stands opposed to the pia terra of 3,7,9; it buries, but only from chance and superfluity“; LUNDSTRÖM 1967-68, 78 sieht imprudens hier als bewussten Gegensatz zu Properzens sponte tuā ; s. auch Claudian c. 3,371 vili moriens condetur harenā ). Das bei unbelebten Objekten höchst seltene imprudens ( Thes. VII 1, 703,19-26 ) verbindet sich gerne mit Personifikationen ( cf. Cic. fin. 2,69 ut caveret sc. Voluptas, ne quid faceret imprudens ; Tusc. 4,42 imbecillitas … in altum … provehitur imprudens ; Phaedrus 3,13,8 ne religio peccet imprudens mea ; s. auch Bell. Afric. 11,4 ne casu imprudentes suae naves ( i.e. nautae ) in classem adversariorum inciderent ); bisweilen besitzt es passive Qualität ( cf. Sen. contr. exc. 4,3 ~ Quint. decl. 248 tit.: imprudentis caedis, „unbeabsichtigter Totschlag“ ). Die Junktur hier ist ohne Parallele. Componere in der Bedeutung sepelire ( „beisetzen, bestatten“ ) erscheint klassisch nur in der Dichtung ( e.g. Catull 68,98 prope cognatos compositum cineres ; Hor. serm. 1,9,28 omnīs composui ; Prop. 2,24,35 tu mea compones … ossa ; Ov. met. 4,156f. ut sc. nos … componi tumulo non invideatis eodem ; fast. 5,426 compositi … busta … avi, „die Leichenbrandstätte des bestatteten Ahnen“; zu Verg. Aen. 1,249 nunc placidā compostus pace quiescit cf. R.G. AUSTIN ad loc.). In Prosa belegt ist es seit Seneca ( ep. 30,5 Bassus noster videbatur mihi prosequi se et componere, „… sich selbst zum Grab zu geleiten und

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beizusetzen“; ferner u.a. Tac. hist. 1,47,2 Pisonem … uxor ac frater … composuere ; Agr. 45,5 ; Thes. III, 2116,22-32 ; OLD s.v. 4 c ). § 12 patior ego vinculum extremum : cf. 102,12 iuvenes adhuc laboris expertes statuarum ritu patiemur pannos et vincla ? „Si riferisce alla zona, ma allude metaforicamente al vinculum amoris.“ ( VANNINI ad loc.). Dass Giton sich und Enkolp an den Mast bindet ( so SLATER 2012, 257 ), geht aus der Stelle nicht hervor. – Zu ego cf. 79,10 Komm. == Bd. I, S. 13. et veluti lecto funebri aptatus : Als Bühnenrequisit darf das Sterbebett gelten, auf dem es sich am Ende der Cena Trimalchio bequem macht ( 78,5 extendit se supra torum extremum et ‚fingite me‘ inquit ‚mortuum esse‘ ). Die Junktur lectus funebris ist überraschend selten ( cf. Val. Max. 2,10,3; 4,1,12; 4,4,1 mortuo sc. Publicolae lectus funebris et rogus defuit ; s. auch Sen. contr. 6 exc. 6 mutatus … genialis lectus in funebrem ). expecto mortem iam non molestam : Gitons Nähe nimmt dem Tod seinen Stachel ( zum Trost der iuncta mors cf. oben S. 639-642 ). Das pathetische Bild des Totenlagers hat hier seine Berechtigung ( „Gitone è riuscito nel suo intento di consolare Encolpio“; VANNINI ad loc.; zu harsch LATEINER 2016, 213: „a typically self-pitying, hyperbolic simile“ ). Die Situation ( und die Gewalt des Orkans ) verkennt DE SALAS 221, der hier das ‚höchste Glück‘ zweier Liebender vor Augen hat : „in amatoriis amplexibus exhalare“ ( s. auch 79,8 V. 5 ego sic perire coepi, und Bd. I, S. 9f. ad loc.). Passender zitiert er Pindars Tod im Schoß seines jungen Geliebten ( Val. Max. 9,12 ext. 7 cum … super gremium pueri, quo unice delectabatur, capite posito quieti se dedisset, non prius decessisse cognitus est eqs.). Die Junktur mors molesta ist klassisch ohne Parallele ( Thes. VIII, 1353, 37f.; cf. Sen. ep. 12,6 molestum est … mortem ante oculos habere ); erst bei Augustin kehrt sie wieder ( civ. 13,11 p. 569,17-19 D.-K.5 tam molesta est sc. mors, ut nec ullā explicari locutione possit nec ullā ratione vitari ; cf. ebd. 13,9 p. 566,2f. D.-K.5 molestus eius sc. mortis inerat sensus sc. morientibus ). Erst 115,1 sehen wir die beiden wieder, von den Liebesbanden befreit ( cf. VAN THIEL 1971, 47: „Enkolp und Giton entdecken, daß sie noch leben, und lösen ihre Umschlingung.“ Hatte Gitons Gürtel sie bis zuletzt vereint ? ). § 13 peragit interim tempestas mandata fatorum : Der personifizierte Sturm wird zum Werkzeug des Schicksals ( fast ein Selbstzitat ; cf. § 9 ultimum hoc gaudium fatis properantibus rape ). Mit dem Begriff fatum geht Encolpius sparsam um ( cf. 137,5 anseris … fatum complorat ; 139,2,1f. me numen

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et implacabile fatum | persequitur ); kaum anders verwendet er Fortuna ( cf. oben S. 633 ). Andere Sprecher in den Sat. benutzen ausschließlich den poetischen Plural ( 108,14,5f. fata … quis raptis evocat armis ? : Tryphaena; 111,11 si antequam fata poscant : eine Magd ; 127,6 si nos fata coniunxerint : Circe ), allen voran Eumolpus poeta ( TH 21 fata … tardant manūs ; BC 6 fatis … in tristia bella paratis ; 19 peritura … fata ; 220 fatis … iubentibus uti ). „In epoca imperiale mandata è usato per lo più per gli ordini e le direttive che l’imperatore indirizzava ai governatori delle province.“ ( VANNINI ad loc.). Die Junktur mandata peragere scheint ein Einfall Ovids ( cf. met. 7,502; 11,629; 14,460; fast. 3,687; trist. 1,1,35; s. auch Val. Max. 7,3,2 ); in der neronischen Literatur kehrt sie prominent wieder ( cf. Sen. Phaed. 592; Phoen. 36 ; Lukan 9,98, und C. WICK ad loc.; Plin. nat. 7,179 ); Thes. X 1, 1177,41-44. omnesque reliquias navis expugnat : Ovids markante Metapher von der See, die das Schiff ‚erobert‘ ( met. 11,525-536 ), kehrt hier in nuce wieder. – Der martialische Terminus wird gerne übertragen verwendet ( cf. 108,12 aegre expugnavit gubernator eqs.; 111,10 expugnare dominae pertinaciam coepit ; 125,4 tandem expugnata paupertas ). Nur selten beschreibt er Naturgewalten ( cf. Sen. ep. 91,12 ‹ urbes › vetustas … expugnaverit minutatim ; Plin. nat. 5,85 Taurum expugnat sc. Euphrates; 6,139 flumina id oppidum expugnavere ; OLD s.v. 3). Callistratus’ juristische Definition zitiert VANNINI ad loc. ( Corpus iuris civilis dig. 47,9,6 ): expugnatur navis, cum spoliatur aut mergitur aut dissolvitur aut pertunditur aut funes eius praeciduntur aut vela conscinduntur aut ancorae involantur de mare. non arbor erat relicta, non gubernacula, non funis aut remus : Die Wucht der Wogen reduziert Lichas’ Schiff zum Wrack ( dass die Schäden ausführlicher geschildert wurden, zum Teil bereits nach § 7, zieht VANNINI ad loc. in Betracht ). Bulletins vom Zustand des Schiffs bzw. vom Ausmaß der Zerstörung sind feste Ingredienz des literarischen Seesturms, des griechischen ( u.a. Od. 5,316-318; 5,366-370; 12,409-411; 12,420-422; Alkaios frg. 326 L.-P.; Apoll. Rhod. 2,1108f.; Theokrit 22,12-14 ) wie des römischen; cf. Lucr. 2,552-554 naufragiis magnis multisque coortis | disiectare solet magnum mare transtra, cavernas, | antemnas, prorem, malos tonsasque natantīs ; Hor. epod. 10,4 f. rudentīs Eurus inverso mari | fractosque remos differat ; c. 1,14,3-9 nonne vides, ut | nudum remigio latus | et malus celeri saucius Africo | antemnaeque gemant eqs.; Verg. Aen. 1,122f. laxis laterum compagibus omnes | accipiunt inimicum imbrem rimisque fatiscunt ; Ov. met. 11,551f. frangitur incursu nimbosi turbinis arbor, | frangitur et regimen ; Sen. contr. 7,1,2 ( nach dem Sturm) ubi spes ? in guber-

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naculo ? nulla est. in remigio ? ne in hoc quidem est. in comite ? nemo repertus est naufragi comes. in velo ? in antemna ? omnia instrumenta circumcisa sunt, adminiculum spei nullum est ; Sen. Ag. 503-506 haec lacera et omni decore populato levis | fluitat nec illi vela nec tonsae manent | nec rectus altas malus antemnas ferens, | sed trunca toto puppis Ionio natat ; Lukan 5,594-596 avolsit laceros percussa puppe rudentes | turbo rapax fragilemque super volitantia malum | vela tulit ; sonuit victis conpagibus alnus ; Stat. Theb. 7,88f. nondum arma carinis | omnia ; Sil. Ital. 10,323-325 naufragium … operit freta, iamque per undas | et transtra et mali laceroque aplustria velo | ac miseri fluitant revomentes aequora nautae ; Ach. Tat. 3,4,3. Arbor als „Mastbaum“ ( statt des nautischen t.t. mālus ) ist seit Vergil belegt, vornehmlich in der Dichtung ( u.a. Aen. 5,504 ; Ov. met. 11,476 ; Lukan 8,179; 9,332; Stat. Theb. 5,374 ; Thes. II, 427,57-74 ). Zu gubernacula, „Steuerruder“, cf. 102,4. Auch die eher seltene Kombination non – non – aut ist vor allem in metrischen Texten heimisch; cf. BC 285f. non femina cesset, | non puer aut aevo iam desolata senectus, und u.a. Hor. c. 1,31,3-6 non … segetes …, non … armenta, non aurum aut ebur ; 3,30,3-5 non imber …, non Aquilo … aut … annorum series ; Verg. Aen. 4,86f. non … turres, non arma … aut propugnacula ; Prop. 3,18,27f. non facies, non vis … aut … opes ; Lukan 9,236-238 non barbara … regna …, non Armenium … aut Scythicum … iugum. sed quasi rudis atque infecta materies ibat cum fluctibus : „wie ein roher und unbearbeiteter Haufen Holz gieng das Schiff mit den Wellen“ ( HEINSE ). Die Naturgewalten führen das Menschenwerk in seinen Urzustand zurück ( rudis indigestaque moles nennt Ovid met. 1,7 die „rohe, formlose Masse“, aus der das All entsteht ). „Mit der Strömung“ trieb einst auch Delos übers Meer ( Sat. frg. 61 Ernout == Baehrens, PLM IV 101 Delos iam stabili revincta terrā | olim purpureo mari natabat, | et moto levis hinc et inde vento | ibat fluctibus inquieta summis eqs.). Dass die Kapitänskajüte den Orkan unbeschadet übersteht ( cf. 115,1 sub diaeta magistri ; so SCHMELING – SETAIOLI 439 ), ist nicht gesagt. Zum Unterschied zwischen māteria ( 35,2; 98,9 ego … omnium scelerum materia ) und māteriēs cf. Thes. VIII, 448,29-36: „māteriēs praevalet apud scriptores veteres et poetas … differentiā sensūs nusquam intercedente.“ Wie die Belege im OLD zeigen, verläuft die Verteilung allerdings kaum nach klaren Grenzen; gerade in technischen Kontexten ist māteriēs bis weit in die Kaiserzeit beliebt. * : Der ausgefallene Passus schilderte wohl, wie der Sturm sich legt ( cf. S. 652 zu 115,1 audimus murmur insolitum ) und das steuerlose Wrack unweit Krotons in Richtung Küste treibt, wo Einheimische es entdecken ( für

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eine ruhige See sprechen die ausfahrenden Boote ). Mediis in rebus, mit der Szenerie der gestrandeten Protagonisten, setzt Heliodors Roman ein. Eine Frage lässt sich nicht endgültig klären: dümpelt das Wrack noch draußen in der Dünung ( so u.a. VANNINI ad loc.), oder ist es gestrandet ( so vermutete u.a. VAN THIEL 1971, 47; an eine Sandbank dachte CIAFFI 1955, 64 )? Für ersteres spricht v.a. § 14 procurrere piscatores … navigiis ( d.h. sie fahren hinaus ), zudem die Gefahr, die Eumolp an Bord droht ( 115,3 in vicinia mortis ), für zweiteres die Szene 115,5 ( iubeo … in terram trahere poetam ), die eindeutig an Bord spielt und nahtlos auf festen Grund wechselt ( in terram trahere schließt eine Fahrt im Kahn aus ). Dass die Fischer das Wrack zum Strand schleppen ( so SULLIVAN 1968, 66 ), ist angesichts seiner Größe wenig realistisch. Strandet es, nachdem die Fischer es geentert haben ( ein strandendes Beiboot und das Bergen des Gepäcks beschreibt der Ninos-Roman frg. C == STEPHENS – WINKLER 64-67 ) ? § 14 procurrere piscatores parvulis expediti navigiis ad praedam rapiendam : Das Wrack weckt die Begehrlichkeiten einheimischer Fischer. Vielerorts war das Plündern gestrandeter Schiffe oder das Ausrauben Schiffbrüchiger fester Bestandteil der lokalen Ökonomie und verschaffte der örtlichen Bevölkerung ein willkommenes Zubrot. Die an den Syrten heimischen Nasamonen z.B. lebten nicht zuletzt von Überfällen auf gestrandete Schiffe ( Lukan 9,439-444 ; Sil. Ital. 3,320f. aequoreus Nasamon, invadere fluctu | audax naufragia et praedas avellere ponto ; lies naufragia ~ „Schiffe in Seenot“ ); s. auch Platon A.P. 7,268 == FGE 640645; Verg. Aen. 6,358-362 paulatim adnabam terrae ; iam tuta tenebam, | ni gens crudelis madidā cum veste gravatum … ferro invasisset praedamque ignara putasset. | nunc me fluctus habet versantque in litore venti ; Ov. trist. 1,6,7f. tu facis, ut spolium non sim, nec nuder ab illis, | naufragii tabulas qui petiere mei ; 1,11,31f. barbara pars laeva est avidaeque adsueta rapinae eqs.; Phaedrus 4,23,14-17 pauci enatant sc. naufragium. … praedones adsunt, rapiunt, quod quisque extulit, | nudos relinquunt ; Anth. Lat. 21,258-261 R. == 8,258-261 Sh.B. ; Ach. Tat. 3,9,2f.; Xen. Eph. 3,12,2; Longos 1,28-30 ( zur Rechtslage cf. Corpus Iuris Civilis dig. 47,9; FRIEDLÄNDER I, 1922, 337; DE SOUZA 1999, 205f. ). „The fisherman seems to have been a popular character in Greek mime, Greco-Roman New Comedy, and Atellane farce“ ( C. PANAYOTAKIS, Decimus Laberius, Cambridge 2010, 332; die armen Fischer Plaut. Rud. 290305, die einen Nebenerwerb zu schätzen wissen, zitiert er 1995, 157 Anm. 55 ). Das seltene parvulum navigium klingt kolloquial ( cf. Cic. Verr. 2,2,99; Bell. Afric. 34,2 Decimius quaestorius … parvulum navigium nactus conscendit ac se

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fugae commendat ; Bell. Alex. 12,4 ; Sen. nat. 4 a,2,6; Suet. Iul. 58,2 ). Zum militärischen Unterton von procurrere ( „im Sturm angreifen“ ) cf. OLD s.v. 1b. – Exuberante vierfache Alliteration auf p-. ut aliquos viderunt qui suas opes defenderent : Der eine oder andere an Bord scheint zum Kampf bereit ( bei Heliodor 5,24 f. zeigt sich die Besatzung eines großen Handelsseglers zunächst ähnlich tapfer, als Piraten angreifen; allerdings verlässt ihr Mut sie rasch). Hab und Gut der Reisenden haben den Sturm ( vermutlich unter Deck ) überstanden und werden nun geborgen ( darunter Encolpius’ früheres Diebesgut ; cf. 117,3 ). Der Relativsatz ist konsekutiv gefärbt ( ‹ tales › qui eqs.). mutaverunt crudelitatem in auxilium : Sie bringen die Überlebenden von Bord und bieten ihnen ein Obdach für die Nacht ( 115,6 casam piscatoriam subimus maerentes eqs.). Seneca wirft einmal die Frage auf, ob wir ethisch verpflichtet seien, Schiffbrüchigen zu helfen ( ep. 95,51 praecipiemus sc. philosophi, ut naufrago manum porrigat ? ). Doch im Allgemeinen konnten sie ungeachtet der oben skizzierten Gefahren mit Hilfe rechnen ( cf. Sen. clem. 2,6,2 dabit manum naufrago sc. sapiens; s. auch benef. 4,37,1 ). So erging es Paulus auf Malta ( NT Acta apost. 28,2: „Die Einheimischen waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war.“; s. auch HILTON 2012, 282f. ). Auch Diophanes erfährt die Unterstützung von Fremden wie Freunden ( Apul. met. 2,14,3 quodcumque vel ignotorum miseratione vel amicorum benivolentia contraximus eqs.). Dem schiffbrüchigen Apollonius kommt ein armer Fischer zu Hilfe ( Hist. Apoll. 12,3-11 rec. A, bes. § 7 misericordiā motus ; cf. S. PANAYOTAKIS 194 ad loc.). S. auch Lukan 5,521f. ( der Fischer Amyclas zu dem an seine Hütte klopfenden Caesar ) quisnam mea naufragus … tecta petit ?, ferner Dio Chrysost. orat. 7,2 ( zit. FRÖHLKE 1977, 57 Anm. 1 ). Einen Platz im Apparat verdient JACOBS’ cupiditatem. Doch mit der praeda rapienda verträgt sich die crudelitas besser ( cf. Verg. Aen. 6,358-362 iam tuta tenebam, | ni gens crudelis eqs., oben zit.; Cassiodor var. 4,7 crudelitatis enim genus est ultra naufragium velle desaevire, nämlich Schiffbrüchigen nicht zu helfen ). * : In der vermutlich nicht allzu großen Lücke ( cf. CIAFFI 1955, 64 ) wurde wohl die Räumung des Schiffs geschildert ( 115,1 ist sie noch in Gang ; erst 115,6 scheint sie abgeschlossen ).

Kap. 115 Selbstvergessen wirft Eumolp ein Gedicht aufs Papier und sträubt sich aufs heftigste gegen seine Rettung. Am folgenden Morgen entdeckt Encolpius am Strand den Leichnam des ertrunkenen Lichas. Er hält eine Suasorie zum Thema ‚Leben heißt Schiffbruch leiden‘; dann wird der Tote verbrannt. LIT. GOTSCHLICH 1863; COLLIGNON 58-60. 292-303; PARATORE 1933, II 370-374 ; CIAFFI 1955, 98f.; SULLIVAN 1968, 196-204 ; STÖCKER 1969, 124-126; WALSH 1970, 102f.; GAGLIARDI 1980, 113f.; ANDERSON 1982, 71f.; LABATE 1988; DANESE 1989; SLATER 1990, 112f.; DÖPP 1991, 151f.; CONTE 1996, 57-67; CUCCHIARELLI 1997; MARIOTTI 1997, 111-123; CONNORS 1998, 142-144 ; COURTNEY 2001, 175-177; STUCCHI 2002, 216-219; NAGORE 2003; STUCCHI 2005 a, 147-153; BAIER 2007, 145-147. §§ 1 – 5 Sturm und poetischer Drang Die kleine Episode um Eumolpus poeta ( nur hier erleben wir ihn bei der ‚Arbeit am Text‘ ) spielt auf zwei klassische Vorlagen an, Ovids sturmgeplagte winterliche Überfahrt nach Tomis ( trist. 1,2 und bes. trist. 1,11 ), sowie Horazens „wahnsinnigen Dichter“ ( vesanus poeta ; ars 453-476; cf. S. 660f. zu § 5 iubeoque eqs.). Gleich der Auftakt zitiert Ovids Verwunderung über sein inspiriertes Schreiben ‚inmitten der wütend heulenden See‘ ( trist. 1,11,7f. quod facerem versūs inter fera murmura ponti eqs.; cf. S. 656f. zu § 3, ferner CUCCHIARELLI 1997, 215 ). Während eines Orkans vergräbt sich auch Pompeius’ Witwe Cornelia unter Deck, allerdings um zu trauern ( Lukan 9,113-116 ). § 1 audimus murmur insolitum : Ein ungewöhnliches Geräusch an Bord weckt die Neugierde Encolpius’ und der anderen ( cf. 111,6 cum … gemitum lugentis audisset, … concupiit scire quis aut quid faceret ). Dass sie das ‚Brummen‘ hören, zeigt, dass der Sturm sich gelegt hat ( anders Ov. met. 11,485 nec sinit audiri vocem fragor aequoris ullam ). Zunächst wird der Laut lokalisiert ( sub diaeta magistri ), dann genauer beschrieben ( quasi cupientis eqs.). Das onomatopoetische Nomen deckt eine Vielzahl von Geräuschen ab, vom dumpfen Rauschen der See, das hier im Hintergrund anklingen mag ( Pacuvius trag. 417 R.3 murmur maris ; Lucr. 3,1032 murmura ponti ; Verg. Aen. 1,124 magno misceri murmure pontum ; Lukan 2,701f. murmure vasto … sonuit mare ), über den Donner, den Wind, den Wald auch Lautäußerungen

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großer Tiere ( cf. unten beluae gemitum, und e.g. Ov. met. 10,702 murmura reddunt sc. leones; Sen. Phaed. 350 silva gemit murmure saevo ; Stat. Theb. 12,170 tigridis Hyrcanae ieiunum murmur ) und Menschen ( zum murmur eines nachtaktiven Poeten cf. Stat. silv. 3,5,33-35 ). Die Junktur murmur insolitum ist singulär ( Thes. VII 1, 1933,32f. ). Zu den lautmalenden Qualitäten gehäufter u -Laute ( aUdiMUs MUrMUr insolitUM et sUb diaeta … qUasi cUpientis exire belUae geMitUM ) cf. BC 122f. cum fulgure rupta corusco | intremuit nubes elisosque abscidit ignes, und FRAENKELs Beobachtungen : sie bilden etwa „the ominous rumbling of the weapons“ ab ( 1957, 25 Anm. 3, zu Claudian c. 28,628-630 ), „die dumpfe Schwüle der Gewitterwolken“ ( Plautinisches im Plautus, Berlin 1922, 176 Anm. 1, zu Enn. trag. 3f. Joc. per ego deum sublimas subices | umidas unde oritur imber sonitu saevo et spiritu ), oder – wie hier – das dumpfe ‚Brummen‘ eines Lebewesens. sub diaeta magistri : „unter der Kajüte des Kapitäns“. Besagte Kajüte befand sich offenkundig an Deck ( achtern, also am Heck des Schiffs; CASSON 180 Anm. 63 ), der frenetische Dichter ergo unter Deck ( wie Jona im Seesturm, AT Jona 1,5 κατέβη εἰς τὴν κοίλην τοῦ πλοίου κτλ. ~ Vulg. descendit ad interiora navis et dormiebat sopore gravi ; zum Innenleben des Schiffs s. auch 110,1 Gitona in partem navis inferiorem ducit ). Ovid arbeitet während des Sturms offenbar an Deck : er sieht den Steuermann ( trist. 1,11,21f. ), und die Gischt trifft sein Manuskript ( ebd. 40 caeruleis charta feritur aquis ). Das seltene, seit Cicero bezeugte Lehnwort diaeta ( griech. δίαιτα ) erscheint zunächst nur als medizinischer Begriff ( „Lebensführung, Diät“ ), erst in flavischer Zeit in der Bedeutung „Raum, Salon, Zimmerflucht, Apartment“ ( u.a. Stat. silv. 2,2,83, und H.-J. VAN DAM ad loc.; Plin. ep. 2,17,12 u.ö.; Suet. Claud. 10,1 ). Als „Kajüte, Kabine“ ist es nur hier belegt ( cf. Thes. V 1, 947,46-948,4 ; CASSON 180 Anm. 63; CAVALCA 2001, 81 ). Magister ( in der Schiffsepisode nur hier ) meint als nautischer t.t. der Dichtung den Steuermann ( cf. u.a. Verg. Aen. 1,115; 5,176 ; 5,224 ; 5,867f. amisso fluitantem sc. ratem errare magistro | sensit ; 6,353; Ov. ars 1,6 Tiphys in Haemonia puppe magister erat ; fast. 3,589f. in … patens aequor frustra pugnante magistro | fertur sc. puppis ; Sen. Med. 617f. Tiphys …, domitor profundi, | liquit indocto regimen magistro ; Lukan 1,501 desilit in fluctūs desertā puppe magister ; Val. Flacc. 1,18; Stat. Theb. 2,106; silv. 5,3,127; Sil. 1,687f. e celsa grandaevus puppe magister | prospiciens eqs.; Juv. 12,79; OLD s.v. 3b; Thes. VIII, 80,82-81,16 ). In der Schiffsepisode heißt der Steuermann jedoch stets – wie auch sonst oft in römischen Texten – gubernator ( 101,8; 102,3; 108,8 und 12;

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114,2f. ). Die Rede ist hier vom Kapitän und Schiffseigner, Lichas, der ansonsten als dominus tituliert wird ( 100,7; 101,4 huius navigii dominus quod regit ; 101,10 ). Zu magister als „Kapitän“ cf. Lukan 2,696 pavidi classis siluēre magistri ( in Pompeius’ Flotte ); 3,558f. ( sed cf. V. HUNINK ad loc.); CASSON 317f.; OLD s.v. 3a ; zum einschlägigen Seerecht cf. VANNINI 290f. ad loc. quasi cupientis exire beluae gemitum : Raubkatzen, die aus ihrem Käfig auszubrechen suchen, beschreibt bereits Lukrez ( 6,197-199 magno indignantur murmure clausi | nubibus sc. venti, in caveisque ferarum more minantur, | nunc hinc nunc illinc fremitum per nubila mittunt eqs.; s. auch Liv. 36,7,13 ferae bestiae vinctae aut clausae et refringere claustra cupienti ; Lukan 10,445 f. fremit in parvis fera nobilis abdita claustris | et frangit rabidos praemorso carcere dentes, sowie Sat. BC 17 tigris … aeratā gradiens … in aulā ). Dank des horazischen Subtextes dürfen wir hier nicht zuletzt an den in seinem Käfig rasenden Bären denken ( ars 472-476 certe furit ac velut ursus, | obiectos caveae valuit si frangere clathros eqs.). Neben gefährlichen Prädatoren wie Wolf und Krokodil ( cf. § 13 piscibus beluisque expositus es ) bezeichnet belua auch friedliche Meeresbewohner wie Robbe, Delphin oder Wal ( cf. Hor. c. 3,27,26f. scatentem | beluis pontum ; Sil. Ital. 15,784 belua ponti ; Suet. Nero 12,1; Juv. 4,127: ein riesiger Steinbutt ), aber auch veritable mythische „Ungeheuer“ ( Cic. Tusc. 2,22; Hor. c. 2,13,34 ; Verg. Aen. 6,287 ), sowie politische Widersacher ( Cic. Phil. 7,27 taetram et pestiferam beluam, i.e. Antonius; off. 3,82 quid … interest utrum ex homine se convertat quis in beluam eqs.: Krisen erzeugen ‚Monster‘; s. auch orat. 26 ). Zeitgenössische Leser dachten hier vermutlich an Raubtiere, die meist auf dem Seeweg von den südlichen und östlichen Mittelmeerküsten zu den römischen Arenen transportiert wurden ( cf. BC 16f. fremens premit advena classes | tigris eqs.; Lucr. 6,197 f., oben zit.; Verg. Aen. 7,15f. hinc exaudiri gemitūs iraeque leonum | vincla recusantum et serā sub nocte rudentum ). Der von tyrrhenischen Seeleuten entführte Dionysos „verwandelte sich im Innern des Schiffs in einen Löwen …, gewaltig brüllte er“ ( Hom. hymn. 7,44 f. λέων γένετ᾿ ἔνδοθι νηὸς …, μέγα δ᾿ ἔβραχεν ). Die Brücke zurück zu Eumolp schlägt Kaiser Claudius, der „nicht die Stimme eines Landlebewesens hatte, sondern die für Seeungeheuer typische, rau und unartikuliert“ ( Sen. apocol. 5,3 vocem nullius terrestris animalis, sed qualis esse marinis beluis solet, raucam et implicatam ). Eine Parallele zu Eumolps und Vergils trojanischem Pferd sieht hier RIMELL ( 2002, 80f.; cf. ebd. 108f. ): Wie die Krieger im Bauch des hölzernen Tieres, sitze Eumolp gefangen im Schiffsbauch ( 115,1 audimus murmur

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insolitum et … gemitum ~ TH 24-26 fremit | captiva pubes intus, et dum murmurat, | roborea moles spirat alieno metu ~ Verg. Aen. 2,52f. stetit illa tremens, uteroque recusso | insonuere cavae gemitumque dedere cavernae ). Dass der Schein trügen mag, signalisiert quasi. § 2 persecuti igitur sonum : In ähnlicher Weise finden die Argonauten an Trojas Gestade Hesione ( Val. Flacc. 2,451-455 dum litora … legunt, vox accidit aures | flebile succedens cum fracta remurmurat unda. | attoniti pressere gradum vacuumque sequuntur | vocis iter ; zit. DE SALAS 222 ). invenimus Eumolpum sedentem membranaeque ingenti versūs ingerentem : Das brüllende Untier entpuppt sich als ältlicher Dichter ( „l’attesa di un animale pericoloso crea una suspense che si rivelerà del tutto ironica“ ; VANNINI ad loc.). Während des Sturms ( Sat. 114 ) war Eumolp als einziger Protagonist aus dem ( freilich fragmentarischen ) Text verschwunden. „The murmur … et … gemitum seems to be part of Eumolpus’s compositional practice: he is speaking his lines aloud as ( he) composes them“ ( SLATER 2012, 258; so bereits PARATORE 1933, II 373; für die Abfolge ‚suchen‘ – ‚finden‘ zitiert VANNINI ad loc. Sat. 33,8 persecutus putamen manu pinguissimam ficedulam inveni ). Nicht viel anders erging es Ovid auf der Überfahrt nach Tomis ( trist. 1,11,39f. iactor in indomito brumali luce profundo | ipsaque caeruleis charta feritur aquis ; s. auch das folgende Lemma ). Die naheliegende Frage, welche Verse der offenkundig vom Sturm inspirierte Eumolp auf das Pergament wirft ( cf. Juv. 1,5f. summi plenā iam margine libri | scriptus et in tergo necdum finitus Orestes : ein ‚Orest‘ füllt bis zum Rand beide Seiten eines liber ), wird dem Leser alsbald beantwortet : sein Lied über den Bürgerkrieg ( cf. Juv. 7,28 facis in parvā sublimia carmina cellā ). Wenig spricht für den Einfall, wie einst Ovid besinge er den Sturm selbst ( so LABATE 1988, 88; CONTE 1996, 57; VANNINI ad loc. scheint mit der Idee zu liebäugeln ). Ingerere ( „an-, aufhäufen“ ) für den Prozess intensiven Dichtens ist ungewöhnlich ( und die Junktur versūs ingerere singulär ; cf. Thes. VII 1, 1549,19f.; eine andere Qualität hat das Verb Mart. 8 praef., an Domitian : ne caelesti verecundiae tuae laudes suas … omnis versus ingereret, „damit nicht jeder Vers deine himmlische Bescheidenheit mit Lobpreis überhäufe“ ), doch schwerlich ein Indiz für ‚mangelnde Qualität‘, wie VANNINI ad loc. annimmt ( er zitiert Plaut. Asin. 927 dicta in me ingerebas, von „Beschimpfungen“; Hor. ars 457 sublimis versūs ructatur ; das folgende ingenti deutet er als Enallage, die auf Eumolps poetische ‚Weitschweifigkeit‘ ziele ). Auch die Rohfassung von Vergils Georgica war umfangreich ( Donat Vita Verg.

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22 traditur cotidie meditatos mane plurimos versūs dictare solitus eqs.). – Imitiert die vierfache i-Alliteration ( die Paronomasie INGEnti … INGErentem notiert auch CUCCHIARELLI 1998, 137 ) Eumolps murmur insolitum und beluae gemitum ? membranae … ingenti : Das aus Tierhäuten gefertigte Pergament, ein v.a. im hellenistischen Osten geschätztes Schreibmaterial ( cf. Plin. nat. 13,70; R. PFEIFFER, History of classical scholarship, Oxford 1968, 235f. ), ersetzte bereits in der späten Republik oft die gebräuchlicheren Wachstafeln ( tabulae oder codicilli ; cf. 46,3; 55,2; 109,1, und Bd. I, S. 460 ad loc.; 117,10; 129,3; 129,12 verba … codicillis talia imposui, und e.g. Catull 50,2 multum lusimus in tuis tabellis ). Es kam bei der neuen Buchform des codex zum Einsatz ( e.g. Mart. 14,184 u.ö., und T.J. LEARY p. 247 ad loc.); es bewährte sich aber auch beim Ausarbeiten literarischer Texte ( Hor. serm. 2,3,1f. sic raro scribis, ut toto non quater anno | membranam poscas ; ars 389; Quint. inst. 10,3,31; Juv. 7,23 croceae membrana tabellae, in Enallage „die krokosfarbene Seite des Pergaments“, d.h. die ‚Kladde‘ des Autors; cf. COURTNEY ad loc.), „da von ihm alles Geschriebene – ganz wie von einer Wachstafel – leicht wieder abgewischt werden konnte“ ( W. KIßEL 384 ad Persius 3,10f. ). Zu den zeitgenössischen Schreibmaterialien cf. Mart. 14,311 ( und T.J. LEARY ad loc.; zu Eumolps Tinte cf. 102,13 tamquam litterarum studiosus utique atramentum habet ). „Eumolpus had already composed the poem on tablets and is here transposing the complete poem to parchment, which is the last stage before its final form for publication ( fair copy ).“ ( SCHMELING in SCHMELING – SETAIOLI 440; so bereits DE SALAS 222 ). Doch wie verträgt sich diese ‚Reinschrift‘ mit Eumolps Protest ( § 4 sinite me … sententiam explere ; laborat carmen in fine ; s. auch 118,6 nondum recepit ultimam manum )? § 3 mirati ergo quod illi vacaret in vicinia mortis poema facere : „bass erstaunt also, dass er die Muße fand, im Angesicht des Todes ein Gedicht zu schmieden“. Das Bild des rasenden Poeten, der inmitten entfesselter Elemente Verse aufs Pergament wirft, ist Ovid geschuldet ( so bereits DE SALAS 222 ). In trist. 1,11, dem Epilog des Buchs, versichert Ovid dem Leser, der gesamte Band verdiene Nachsicht, sei er doch auf der sturmgeplagten winterlichen Überfahrt nach Tomis entstanden. Zugleich wundert er sich ( wie die personifizierten Kykladen ) über seinen Schaffensdrang inmitten solcher Widrigkeiten ( 7-12 quod facerem versūs inter fera murmura ponti, | Cycladas Aegaeas obstipuisse puto. | ipse ego nunc miror tantis animique marisque | fluctibus ingenium non cecidisse meum. | seu stupor huic studio sive est insania nomen, | omnis ab hac curā cura levata mea est ; cf. 39-42 carmina proveniunt animo

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deducta sereno ; | nubila sunt subitis pectora nostra malis. | carmina secessum scribentis et otia quaerunt ; | me mare, me venti, me fera iactat hiems : Dichtung verlange Muße, Stille, innere Ruhe; er aber habe in stürmischer See geschrieben, unter dem Schock der Verbannung ). Die ‚Todesnähe‘ bezieht sich zunächst auf den Sturm. Doch die Gefahr scheint auch jetzt noch nicht gebannt : das Wrack droht offenbar jeden Augenblick auseinanderzubrechen ( cf. Verg. Aen. 10,303-307 inflicta vadis, dorso dum pendet iniquo | anceps sustentata diu fluctūsque fatigat, | solvitur eqs.: ein auf eine Sandbank gelaufenes Schiff bricht auseinander ; nur mit Mühe rettet sich die Besatzung an Land; Ov. fast. 3,599f. figitur ad Laurens ingenti flamine litus | puppis et expositis omnibus hausta perit, „… kaum sind alle von Bord“; Val. Flacc. 8,357f. fluctu puppis labefacta reverso | solvitur effunditque viros ; Apul. met. 2,14,2 navis … variis turbinibus procellarum quassata … aegre ad ulterioris ripae marginem detrusa praeceps demersa est et nos omnibus amissis vix enatavimus ). Dass es bereits auseinandergebrochen sei, nimmt COURTNEY 2001, 174 f. an ( dass dies gerade geschehe, MALAMUD 2009, 279 ) – was sich mit den Details hier schlecht verträgt. Die rare Junktur vicinia mortis findet sich zuerst bei Lukan ( 8,569 miserae vicinia mortis, von Pompeius’ nahem Ende; für ‚Synonyme‘ cf. 4,518 quos iam tangit vicinia fati ; 5,224 f. nec te vicinia leti | territat ; ferner Ov. trist. 1,11,23 quocumque aspexi, nihil est nisi mortis imago ). Beliebt wird sie im christlichen Latein ( e.g. Aug. civ. 9,4 == p. 372,16 D.-K.; Hier. ep. 123,14 == p. 91,11 Hilberg ; cf. Sen. ap. Laktanz inst. 6,17,28 cum mortem in vicinia vidit ). Mirari, im Allgemeinen ein eher mildes Erstaunen ( cf. 16,4 ; 27,4 ; 49,2; 88,10; 90,4 ; 105,10; 112,8; 126,11 ), hat hier eindeutig mehr Gewicht. – Das seit Ciceros Korrespondenz belegte vacare mit Inf. ( und Dat. der Person ), „there is time or leisure to“ ( OLD 5 ), fand von der Umgangssprache seinen Weg in die Dichtung ( cf. KST 1,669. 675; HSZ 348; PETERSMANN 211 ). Der Konj. ( vacaret ) ist am ehesten als implizite orat. obl. zu verstehen ( cf. 62,11 mirari coepit, quod tam sero ambularem ( es folgt oratio recta ), und e.g. Sen. contr. 4 exc. 1 credo mirari aliquem, quod in forum amissis modo liberis veniam ; Sen. ep. 20,10 multum … miratus quod ad se venerint sc. divitiae ). – Zu ergo cf. 81,3 Komm. == Bd. I, S. 33f. poema : Zu dem seit Plautus und Ennius belegten Lehnwort poēma ( ποίημα ), „a metrical composition, piece of poetry, poem“ ( OLD s.v.), cf. 41,6 poemata domini sui ; 118,2; Thes. X 1, 2493,59-2496,57. Eine Schwäche für das Wort hegt Horaz ( 22 Belege ). – Zu der Junktur poēma(ta) facere cf. u.a. Catull 50,16 hoc … tibi poema feci ; Cic. Pis. 70 poema porro facit ita festivum eqs.; Rhet. Her. 4,39 poemata non facio ; Hor. ep. 2,2,109

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qui legitimum cupiet fecisse poema ; ars 303 non alius faceret meliora poemata ; Suet. gramm. 23,3 poemata faciebat ex tempore ( zu der variatio poema extruere cf. Sat. 118,2 ). extrahimus clamantem : Zunächst gilt es nur, den störrischen Dichter aus seinem Versteck zu ziehen ( von Bord gebracht wird er erst § 5; cf. BÜCHELER ad loc.: „clamaverat dum extrahitur ex secessu, iam dum in terram trahitur plane mugit“ ). Ähnliches widerfährt einmal Seneca ( ep. 65,1 aliquid scripsi et quidem intentius quam soleo, dum cum materiā difficili contendo et vinci nolo, donec intervenerunt amici qui mihi vim adferrent et tamquam aegrum intemperantem coercerent ). – FRAENKELs reclamantem ( cf. OLD s.v. 3a: „to cry out in protest, object loudly“ ) verbessert nicht den Text, sondern Petron. iubemusque bonam habere mentem : „… und befahlen ihm, doch nicht so närrisch zu seyn“ ( HEINSE ). Ein angesichts seines Zustands ( § 5 phrenetico ) frommer Wunsch. – Die bona mens ist „ein klarer Kopf, Vernunft, gesunder Menschenverstand“ ( cf. 3,1; 61,1; 84,4 ; als Segenswunsch 88,8 ne bonam quidem mentem aut bonam valetudinem petunt ; cf. Bd. I, S. 142 ad loc.). Göttliche Ehren wurden ihr zuteil, als man ihr nach der Niederlage am Trasimenischen See auf dem Kapitol einen Tempel weihte ( 215 v.Chr.; cf. WISSOWA 313-315 ; LATTE 239f. ). Verehrung erfuhr die Mens Bona aber auch im privaten Kult ( cf. Prop. 3,24,19 Mens Bona, si qua dea es ; Ov. am. 1,2,31 ). Überraschend selten ist in republikanischen Texten von ihr die Rede ( e.g. Cic. fam. 8,17,1 mihi sentio bonam mentem iracundiā … ablatam ); das Blatt wendet sich in der kaiserzeitlichen Prosa, gerade bei Seneca ( dort meint sie oft die „solide seelische Verfassung“, die „rechte innere Haltung“ ). Die Junktur bonam mentem habere erscheint in den Sat. noch zweimal ( 70,3 quia bonam mentem habet eqs., ~ „weil er so ein aufgewecktes Kerlchen ist“, Trimalchio über seinen Koch; 131,3 ecquid bonam mentem habere coepisti ?, ~ „siehst du jetzt wieder klarer ?“, Circe zu Encolpius ). Ansonsten macht sie sich rar ( cf. Sen. contr. 7,6,15 habuit bonam mentem sc. servus ; Sen. ep. 110,1 te saluto et iubeo habere mentem bonam eqs.; 117,12; dann wieder Aug. civ. 4,21; 7,3 et al.). Nicht belegen lässt sich COURTNEYs Deutung : „guter Dinge sein, Mut schöpfen“ ( 2001, 175: „to be of good cheer“; cf. SCHMELING in SCHMELING – SETAIOLI 440: „we told him not to worry“ ). Einen engeren Bezug zu Eumolps Poetologie in Sat. 118 vermutet A. SETAIOLI ( in epist.): „I believe that bonam habere mentem means ‚to sober up‘, and that the idea in the background is ‚poetic frenzy‘ or ‚poetic folly‘ in the Platonic sense. In the face of death Eumolpus behaves like a real

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poet carried away by enthusiastic inspiration. His more prosaic companions merely try to bring him back to reason.“ § 4 sinite me … sententiam explere : „lasst mich den Gedanken noch ausführen“ ( cf. OLD s.v. sententia 6 ), oder, einfacher, „lasst mich den Satz beenden“ ( ebd. 8; so u.a. VANNINI ad loc.). Als rhetorische Wendung, die auf stilistische Qualität zielt, erscheint die Junktur sententiam explere zweimal bei Cicero ( orat. 40 primus instituit … mollioribus numeris explere sententias sc. Isocrates, „… seinen Sätzen durch weichere Rhythmen größere Fülle zu verleihen“, übers. B. KYTZLER ; 230 nihilo … aptius explet concluditque sententias ; Thes. V 2, 1718,6-12: „techn. in arte rhetorica, de sententiis, quae numero plenae et quasi rotundae finguntur“ ). laborat carmen in fine : „Dem Schluss fehlt noch die letzte Hand.“ ( zu hypothetisch VANNINI ad loc.: es gehe um die Schlusspartie, die bei einem literarischen Werk stets besondere Sorgfalt verlange ). Eumolps Bitte liefert das entscheidende Indiz, dass er an seinem Bellum Civile feilt, von dem es wenig später heißt : nondum recepit ultimam manum ( 118,6; cf. u.a. STUBBE 68f.; CONNORS 1994, 229f., ferner unten S. 806 ). Auf Nachsicht mit seinen auf stürmischer See entstandenen Versen hofft auch Ovid ( trist. 1,11,35-40 quo magis his debes ignoscere, candide lector, | si spe sunt, ut sunt, inferiora tuā eqs.). Zu laborare in literarischen Kontexten cf. Quint. inst. 8,3,23; 9,4,33 cum accidit sc. vocalium concursus, hiat et intersistit et quasi laborat oratio ; 9,4,117; Thes. VII 2, 806,48-52 ). Die Junktur in fine laborare ist singulär ( Thes. ebd. 48f. ). CONNORS 1998, 143 erinnert an laborare für Schiffe in Seenot ( von „manövrierunfähig, havariert sein“ bis „kentern“; cf. Cic. nat. 3,89 multas alias sc. naves laborantīs ; Caes. civ. 2,6,5; Ov. Pont. 2,6,22 laborantem … ratem, und M. HELZLE ad loc.; Thes. VII 2, 805,82-806,4 ) und sieht in dem Verb ( wohl zu Unrecht ) eine Metapher für Eumolps Probleme mit dem Gedicht. Zu carmen als Synonym für epische Dichtung cf. Cic. Cato 16 notum … vobis carmen sc. Ennii est ; Sall. hist. frg. Maur. 1,101; Verg. Aen. 9, 446 si quid mea carmina possunt ; Thes. III, 466,43-57. § 5 inicio ego phrenetico manum : „ich packe den Wahnsinnigen“ ( cf. Hor. serm. 2,7,117 aut insanit homo aut versūs facit ). Das Bild, das Eumolp abgibt, passt bestens zu seiner inneren Verfassung, jenem Zustand heiliger Raserei, den seine ars poetica einklagt ( 118,6 furentis animi vaticinatio ; cf. S. 801-804 ad loc.; ein weiteres Indiz für die Identifikation des carmen hier mit dem BC ). COURTNEY 2001, 175 sieht phreneticus, „lunatic“, als An-

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spielung auf die vorausgehende bona mens und den ‚poets are mad‘-Topos ( s. auch SCHMELING – SETAIOLI 440: „ phrenetico : not having a bonam mentem “ ). Ähnlich selbstkritisch beschreibt Ovid seinen Zustand während der stürmischen Überfahrt ( trist. 1,11,11 seu stupor huic studio sive est insania nomen ). Der Gräzismus phreneticus ( φρενητικός ) findet vornehmlich im medizinischen Bereich Verwendung ( cf. 63,10 post paucos dies phreneticus periit, von einem verhexten Hünen; Mart. 11,28 ). Ausgesprochen selten wird er übertragen gebraucht, „de iis, qui quasi insanientes prava agunt, cogitant“ ( ferner Varro men. 271,2 Astb.; Sen. contr. 10,5,27 ; Thes. X 1, 2056,6774 ). Karriere macht das Adjektiv im christlichen Latein ( „sc. de peccatoribus vel de iis, qui infestant Christianos eorumve fidem sim.“; Thes. X 1, 2056,74 -2057,16; zum Substantiv phrenesis cf. Juv. 14,136, und COURTNEY ad loc.). Die Wendung manum ( alicui ) inicere klingt selten freundlich ( 91,9 inieci cervicibus manūs ), umso häufiger feindselig ( 8,4 iam ille mihi iniecerat manum ; 133,4 extra … vestibulum me iniecta manu duxit ; cf. Thes. VII 1, 1613,671614,15 ). VANNINI ad loc. zitiert Sen. apocol. 13,1 inicit illi sc. Claudio manum Talthybius deorum et trahit … ad inferos. Als t.t. des römischen Prozessrechts signalisiert sie Besitzansprüche ( cf. 14,5 iniecit utramque laciniae manum magnaque vociferatione latrones tenere clamavit, und BREITENSTEIN 196 ad loc.; M. KASER – K. HACKL, Das römische Zivilprozeßrecht, München 2 1996, 131-145 ; Thes. VII 1, 1617,31-40 ). iubeoque Gitona accedere et in terram trahere poetam mugientem : Erst jetzt wird Eumolp von Bord geholt. – Die ganze Szene verweist auf Horazens poeta vesanus ( so zuerst COLLIGNON 253f.; zuletzt CARMIGNANI 2013 a, 41-44 ). Der Vergleich des Dichters mit einem eingesperrten Raubtier ( § 1 quasi cupientis exire beluae gemitum ) zitiert das Ende der Ars poetica, die berühmte Karikatur des vesanus poeta ( s. oben phrenetico ), der „Verse rülpsend“ durch die Gegend stolpert, versehentlich in eine Grube stürzt – und rast wie ein Bär im Käfig ( ars 457-460 hic, dum sublimis versūs ructatur et errat, | si veluti merulis intentus decidit auceps | in puteum foveamve eqs.; 472-476 certe furit ac velut ursus, | obiectos caveae valuit si frangere clathros eqs.). Der wenig schmeichelhafte Vergleich ‚outet‘ Eumolp als Poeten, der unfähig ist, seine ehrgeizigen Einfälle in Kunst zu verwandeln – und der sich an seinem Publikum festsaugt wie ein Blutegel und es mit seinen Lesungen ‚umbringt‘ ( ars 474-476 indoctum doctumque fugat recitator acerbus. | quem vero arripuit, tenet occiditque legendo, | non missura cutem nisi plena cruoris hirudo ). Doch auch seine Zuhörer bekommen ihr Fett ab. Encolpius und Giton schlagen Horazens eindringliche Warnung in den Wind, einen solchen

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Schöngeist aus seiner misslichen Lage zu befreien ( ars 460-467 non sit qui tollere curet eqs. (…) sit ius liceatque perire poetis. | invitum qui servat, idem facit occidenti ; in den Sat. ersetzt die Kajüte Horazens Grube ). So müssen sie mit den Konsequenzen leben – und werden bald genug überrollt von einer nicht enden wollenden Lawine von Hexametern. Freundlicher deutet SETAIOLI ( Nugae 6 ) den Verweis: „In the shipwreck, he turns to poetry not to seek a famosa mors, like Horace’s vesanus poeta ( AP 455-469 ) ( he has not planned to die ), but to face death in his real and true capacity – as a poet, as Giton and Encolpius face it as lovers.“ ( s. auch BERNO 2015, 296f.: selbst im Schiffbruch zeige Eumolp stoische Apatheia ). VANNINI ad loc. erinnert an die vaticinatio furens der Sibylle ( Verg. Aen. 6,98-100 talibus ex adyto dictis Cumaea Sibylla | horrendas canit ambages antroque remugit, | obscuris vera involvens ), die ihrerseits mit der von Eumolp geforderten orakelhaften Inspiration des Dichters verwandt sei ( 118,6 furentis animi vaticinatio ). CARMIGNANI 2011 a, 172 zitiert Ov. trist. 4,1,37-48, den furor des verzweifelten Dichters, der dem Rasen der Mänade gleicht, die ‚auf den Höhen des Ida heult‘ ( 4,1,42 Idaeis exululata iugis ; s. auch ders. 2015, 114-116 ). – In der Wendung in terram trahere will CUCCHIARELLI 1998, 127 eine Doppelbödigkeit entdecken: „an Land bringen“ – und den in seinem poetischen Furor Gefangenen „auf die Erde“, d.h. auf den Boden der Tatsachen „zurückholen“ ( ähnlich VANNINI ad loc.: „trarre il poeta recalcitrante sulla terraferma ma anche riportare l’invasato alle cose terrene“ ). Wie OLD und OTTO bestätigen, hat dieses Bild im Lateinischen allerdings kein Äquivalent. Mūgientem krönt die Lautwörter der Episode ( § 1 murmur insolitum und beluae gemitum ; § 2 sonum ; § 3 clamantem ) – als ‚muhtiere‘ der Dichter mehr und mehr zum widerborstigen Rindvieh. Das onomatopoetische ‚Muhen‘ oder ‚Brüllen‘ der Rinder wird von früh an auch auf Unbelebtes übertragen, etwa eine Tuba ( Lucr. 4,543 tuba depresso graviter sub murmure mugit ; Verg. Aen. 8,526 ), einen Kessel ( Verg. Aen. 3,92 ), einen sturmgeschüttelten Mastbaum ( Hor. c. 3,29,57f. si mugiat Africis | malus procellis ), auf Wälder oder die See ( Hor. ep. 2,1,202 Garganum mugire putes nemus aut mare Tuscum, und C.O. BRINK p. 229 ad loc.; Hist. Apoll. 11,4 rec. A mugit mare conturbatum ), auf Höhlen ( Lukan 3,418 cavas motu terrae mugire cavernas ) oder das Erdreich ( Verg. Aen. 6,256, und HORSFALL ad loc.; Stat. Theb. 7,796 inferno mugit iam murmure campus ), ja auf den Himmel ( Stat. Theb. 10,921f. coeperat … arcanum mugire polus ). Nur selten steht es für Laute menschlichen Ursprungs; cf. Enn. frg. inc. 7 V. tibicina maximo labore mugit ( ~ „die Flötenspielerin blökt mit geblähten

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Backen“ ); Mart. 3,46,8 tibi tergeminum mugiet ille ‚sophos‘ ; Fronto ad Marc. Aurel. 3,17,3 == p. 49,20f. v.d.H. mugiunt vel stridunt potius sc. oratores veteres; Claudian c. 3,65f. cruentum | mugiit sc. Allecto; OLD s.v. 1b ; Thes. VIII, 1559,4-23. Die Kategorien sprengt Phalaris’ Stier, in dem Mensch und Tier verschmelzen ( Cic. rep. 3,42 inclusorum hominum gemitu mugiebat taurus ; Ov. trist. 3,11,48 mugiet, et veri vox erit illa bovis ; 5,1,53f. permisit in aere | edere mugitūs et bovis ore queri ; Val. Max. 9,2 ext. 9 mugitūs resonantem spiritum edere cogebantur ). poetam : Charme besitzen zwei alte marine Konjekturen für den verderbt überlieferten ‚Dichter‘ ( portam l, porcam rtp ; poetam SCALIGER ): DOUSAs phocam und JUNGERMANNs orcam. § 6 hoc opere tandem elaborato : Nicht nur einen widerspenstigen Künstler galt es an Land zu bringen, auch weitere Überlebende sowie Gepäck und Proviant waren zu bergen ( ähnlich VANNINI ad loc.; s. auch BURMAN 689: „Tantae scilicet molis erat poëtam insanum & reluctantem à membranis suis abstrahere, qui maluisset vitam, quam carmina, perdere, nisi forte quaedam interjecta fuerint de difficultate terram prehendendi navigiis illis parvis.“ ). Dass es bei dem opus allein um Eumolps Rettung ging und das Folgende nahtlos anschließe ( so CIAFFI 1955, 64, der die Lücke vor § 6 verwirft ; auch VAN THIEL 1971, 47 erkennt keine Lücke ), ist als Szenario weniger realistisch. Für einen Textausfall bringt VANNINI ad loc. ein schlagendes Argument : „al § 5 Eumolpo è trattato come un forsennato [ ein Rasender ], mentre al § 6 sembra che la compagnia sia concorde.“ casam piscatoriam subimus maerentes : cf. 114,14 piscatores … mutaverunt crudelitatem in auxilium. – ‚Niedergeschlagen‘ nach dem Schiffbruch sind auch Aeneas und die Seinen ( Verg. Aen. 1,197 dictis maerentia pectora mulcet sc. Aeneas ). Das PPA maerens wird ( wie hier ) gerne adjektivisch verwendet ( ~ maestus ; cf. § 8 tristis ); cf. BC 225 maerentia tecta ; 229 maerentia pectora, ferner u.a. Ov. her. 11,93 f. vultu maerente … venit ; Liv. 39,53,11 maerens … et gemens ; Phaedrus 3,3,5f. monstro territus | ad consulendos currit maerens hariolos ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 717 thalamis … maerens intuli gressum meis ; Ps.-Sen. Oct. 16 tua … maerens vulnera vidi ; Apul. met. 9,28,4 maerens profugit ; Claudian c. 3,33 scisso maerens velamine Luctus ; Thes. VIII, 40,79f. Die căsa piscatoria ist die ärmliche „Fischerhütte“, wie Lukan sie einmal schildert ( 5,515-518; cf. Stat. silv. 3,1,4 tectum … vagis habitabile nautis ). Die Junktur ist singulär ( Thes. III, 511,21f.; X 1, 2200,71; s. auch MARBACH

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1931, 37 ); es gibt jedoch verwandte Formeln: pastoralis casa ( Val. Max. 7,6,1 ); agrestis casa ( Amm. Marc. 31,13,14 ); caprilis casa, „Ziegenstall“ ( Orosius hist. 5,21,7 ). cibisque naufragio corruptis utcumque curati : Die Hilfsbereitschaft der Fischer ( 114,14 ) erstreckt sich offenbar nicht auf eine Verköstigung der Schiffbrüchigen. Die Nähe zur Aeneis ( cf. S. 608 und 701 ) verrät sich auch in stimmigen Details wie der ersten Mahlzeit an Land, die bei den geretteten Troern gleichfalls vom Salzwasser ‚verdorben‘ ist ( 1,177-179 tum Cererem corruptam undis Cerealiaque arma | expediunt fessi rerum eqs.; s. auch das folgende Lemma ). – Zu curare cf. OLD s.v. 1b „to refresh oneself with food, sleep, etc., attend to one’s bodily needs (also pass.)“; zu utcumque cf. 87,8 Komm. == Bd. I, S. 124. – Markante Alliteration auf c-. tristissimam exegimus noctem : cf. 26,6 abiecti in lectis sine metu reliquam exegimus noctem ; 103,6 ad ordinem tristitiae redimus, silentioque compositi reliquas noctis horas male soporati consumpsimus ; Varro Men. 272 Astb. caduci, naufragi … alte maesti in terram cecidimus ( cf. W.A. KRENKEL ad loc.); Plin. ep. 6,20,19 curatis utcumque corporibus suspensam dubiamque noctem spe ac metu exegimus ( während des Vesuvausbruchs ; zit. DE SALAS 223; dass Petron hier Plinius im Ohr habe, wie PEPE 1958, 293f. glaubte, ist unwahrscheinlich). In der ruhelosen Nacht schimmert wieder Vergil durch ( Aen. 1,305-308 at pius Aeneas per noctem plurima volvens eqs.). Verwandte Formen der Enallage verwendet Ovid, rem. 585 tristior idcirco nox est quam tempora Phoebi ; trist. 1,3,1 illius tristissima noctis imago ( VANNINI ad loc.). Zu der Junktur noctem exigere cf. 26,6 ( oben zit.); Ov. her. 19,69 tot viduas exegi frigida noctes ; Val. Max. 8,14 ext. 1 noctes inquietas exigentem sc. Themistoclem; Sen. dial. 10,16,4 noctes … in complexu scortorum … exigunt ; Lukan 10,106 exigit infandam corrupto iudice noctem sc. Cleopatra ; Plin. ep. 6,20,19 (oben zit.); Tac. ann. 3,16,2; Thes. V 2, 1465,36-42. „Come nel caso di 26,6 reliquam exegimus noctem e della notte tormentata di 103,6, la giornata si chiude con una buona clausola [ Creticus und Trochäus ]. Terminava probabilmente qui il libro XVIII.“ ( VANNINI ad loc.). § 7 postero die cum poneremus consilium cui nos regioni crederemus : Der folgende Morgen beginnt mit einer Beratung, welchen Weg sie einschlagen sollen. Dass sie unweit Krotons gestrandet sind, haben die Fischer offenbar nicht verraten ( cf. 116,2 Crotona esse cognovimus ). Umgekehrt erfährt der Leser erst später, dass sie sich für einen Weg entschieden haben ( 116,1 destinatum carpimus iter ). – Abermals gibt es diskrete Parallelen zu den unweit Karthagos gestrandeten Troern, die die Umgebung er-

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kunden ( Verg. Aen. 1,306-309 ut primum lux alma data est, exire locosque | explorare novos, quas vento accesserit oras, | qui teneant …, hominesne feraene, | quaerere constituit ). Zu dem reflexiven credere ( hier in der indirekten Frage ) mit dem Dat. cf. 107,2 cum omnis vector nihil prius quaerat quam cuius se diligentiae credat ; Ov. met. 13,900f. neque enim medio se credere ponto | audet ; Sen. nat. 6,1,5 penates suos deserit ac se publico credit ; Lukan 3,331 nostris … velis te credere muris ; AT Sirach 32,25 Vulg. ne credas te viae laboriosae ; OLD s.v. 1d; Thes. IV, 1132,65-1133,6. Die Junktur mit regioni ist singulär ( ebd. 1132,75 ). cum poneremus consilium : Die Wendung consilium ponere in der Bedeutung „eine Diskussion führen, diskutieren“ ( meist consilium capere oder inire ; cf. OLD s.v. consilium 1 ), wahrscheinlicher „einen Beschluss fassen“, ist ausgesprochen rar. VANNINI ad loc. zitiert Sen. nat. 7,4,1 opiniones huius ponamus, „lasst uns seine Ansichten vorstellen“; Plin. nat. 20,84 Graecorum quoque opiniones … poni convenit, „es ist nur fair, wenn auch die Meinungen der Griechen dargelegt werden“; Quint. inst. 3,1,22 non … pigebit meam … posuisse sententiam, „niemand wird daran Anstoß nehmen, dass ich auch die eigene Meinung geäußert habe“; Boethius in herm. comm. sec. 6,14 p. 468,16f. Meiser ponatur opinio quaedam vera, contra eam duae falsae ; Eugraph. ad Ter. An. 702 secundum consilium, quod Pamphilus posuit. Dass hier der Ausdruck calculum ponere Pate gestanden habe ( § 16 si bene calculum ponas ; so SCHÖNBERGER 1935, 1246 ), bleibt Hypothese. Zu consilium ponere in der Bedeutung „einen Plan ad acta legen“ cf. Plin. ep. 1,22,10 vitae mortisque consilium vel suscipere vel ponere ingentis est animi, „einen Entschluss über Leben und Tod zu fassen oder aufzugeben, zeugt von innerer Größe“; zu consilium poni in mit Abl., ~ „beruhen auf “, cf. Cic. Cluent. 146 consilium et sententia civitatis posita est in legibus ( „Zweck und Idee des Staats beruhen auf den Gesetzen“ ); Att. 14,17,1 omne consilium in fortuna positum sc. esse ( „jeder Plan hänge vom Zufall ab“ ). Die exotische Junktur wurde wiederholt vereinfacht. Unwahrscheinlich klingen FRAENKELs ‹ pro › poneremus consilia ( MÜLLER 1 Add.) und DELZ’ pon ‹ d › e ‹ ra › remus [ consilium ] ( 1962, 683 ). BÜCHELERs temptatives caperemus ( ed.1 ad loc.) bzw. iniremus ( passim ad loc.) ist so naheliegend wie banal. Und wie kam es zu der Verschreibung ? Paläographisch attraktiv liest sich MÜLLERs promeremus consilia, „als wir unsere Meinungen äußerten“ ( ab ed.3 ad loc.; er zitiert 101,7 sententiam promere sowie Cic. Att. 9,18,2 promenda tibi sunt consilia ; s. auch Juvencus 3,169f. secreto cordis promuntur noxia vitae | consilia ). Doch dieser Vorschlag erfordert nicht nur zwei Eingriffe; er verleiht der Situation einen fast geschäftsmäßigen Charakter. Die beiden überlieferten singulären Wendungen geben ein gutes Paar ab.

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§§ 7 – 19 Encolpius’ Leichenrede Die Szene §§ 7ff. hat ein unverkennbares Vorbild bei O v i d ( cf. DE SALAS 223; COLLIGNON 265f. ; LABATE 1988 vergleicht beide Passagen im Detail ). Ceyx, der gegen den Willen seiner Gattin Alcyone aufbricht, um ein Orakel zu befragen, kommt in einem Orkan um ( met. 11,478-569 ). Später entdeckt Alcyone an der heimischen Küste in der Brandung einen Leichnam. Mitleidig beklagt sie den Unbekannten; erst aus der Nähe erkennt sie ihren Mann ( met. 11,710-728; s. auch die folgenden Lemmata ): mane erat. egreditur tectis ad litus et illum maesta locum repetit, de quo spectarat euntem; dumque … fretumque prospicit, in liquidā spatio distante tuetur nescioquid quasi corpus aquā, primoque quid illud esset erat dubium; postquam paulum adpulit unda, et, quamvis aberat, corpus tamen esse liquebat, qui foret ignorans, quia naufragus, omine mota est et, tamquam ignoto lacrimam daret, ‚heu ! miser‘ inquit, ‚quisquis es, et si qua est coniunx tibi.‘ fluctibus actum fit propius corpus ; quod quo magis illa tuetur, hōc minus et minus est mentis suă, iamque propinquae admotum terrae, iam quod cognoscere posset, cernit : erat coniunx. ‚ille est !‘ exclamat et unā ora, comas, vestem lacerat tendensque trementes ad Ceyca manūs ‚sic, o carissime coniunx, sic ad me, miserande, redis ?‘ ait.

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Encolpius’ Rede ( in der tragischen Rolle Alcyones ) ist nicht nur seine zweitlängste in den erhaltenen Sat. ( §§ 8-19; deutlich länger ist nur die declamatio Sat. 1-2 ; ‚tertio loco‘ folgt 81,3-6 ) – denkwürdig ist sie auch in anderer Hinsicht. Sie gliedert sich in zwei ungleiche Hälften. Die erste, wenig mehr als ein Aperçu zu der unbekannten Wasserleiche, evoziert in kurzen Schlaglichtern die hoffnungsvolle Familie ( in dem emotionalen Trikolon Gattin – Sohn – Vater ), die fest mit der Rückkehr des Toten rechnet ( § 9 secura … uxor ), als sprechendes Bild für die Vergeblichkeit all unserer Pläne und Wünsche: der Mensch ist dem Schicksal ausgeliefert ( § 10 en homo quemadmodum natat ). Der deutlich längere zweite Teil folgt auf die Anagnorisis, wenn stille Trauer ( § 8 tristis ; umentibus oculis ; § 11 ignotum deflebam ) um-

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schlägt in akuten Schmerz ( § 12 non tenui … diutius lacrimas ; percussi … pectus ). Was der erste Teil anreißt, kehrt in diesem affektiven Ausbruch wieder, komplexer und thematisch breiter gefächert. Vier Kernpunkte kristallisieren sich heraus, um die sich einzelne Gedanken lose gruppieren ( zu streng CONTE 1996, 64 : „the various parts of his speech are stitched together without even an attempt at the logical coherence of argumentation“ ): ( 1 ) D e r T o d r a u b t u n s a l l e s. Selbst allmächtige Tyrannen reduziert er zu einem ohnmächtigen Nichts ( §§ 12f. ). ( 2 ) Umsonst wälzte Lichas seine Bücher und notierte den Tag seiner Heimkehr ( § 15 ), denn a l l e s P l a n e n u n d H o f f e n ist v e r g e b e n s ( § 14 ; cf. § 10 ). ( 3 ) Ü b e r a l l l a u e r t d e r T o d , draußen in der Welt wie im trauten Heim. Den Punkt illustriert neben einem kleinen Katalog letaler Gefahren ( § 16 ) der leitmotivisch wiederkehrende, zuletzt zum Aphorismus erhöhte Topos vom Schiffbruch ( § 10 en homo quemadmodum natat ; § 13 ne tabulam quidem naufragus habes ; § 15 quam longe a destinatione sua iacet ; § 16 si bene calculum ponas, ubique naufragium est ). Der Refrain ( der bereits Teil eins der Rede beschließt ) ist stets derselbe: der Mensch ist ein Spielball des Schicksals. ( 4 ) Der letzte Punkt erweitert das Argument ins Eschatologische: die f e h l e n d e B e s t a t t u n g , die ( so der implizite Subtext ) tote Schiffbrüchige aller Hoffnung auf das Jenseits beraube ( §§ 17f. ). Den hypothetischen Einwand entkräftet Encolpius gut epikureisch: es spiele keine Rolle, was mit einem Leichnam geschehe bzw. was ihn vernichte – ob Wasser oder Verwesung, ob wilde Tiere oder der Scheiterhaufen; das Resultat bleibe stets dasselbe ( § 18 omnia haec eodem ventura sunt ). Denn mit dem Tod ( auch das bleibt unausgesprochen ) ende unwiederbringlich alles. Jede Bestattung sei folglich überflüssiger Aufwand ( § 19 quae ergo dementia est, omnia facere, ne quid de nobis relinquat sepultura ? ). Wie ernst dürfen wir den jungen scholasticus nehmen ? Ist der ganze Vortrag nur deklamatorische Pose, ein Sammelsurium banaler Gemeinplätze, eine einzige ‚komische Maskerade‘ ( CÈBE 1966, 265 )? So e.g. WALSH : „The entire scene is yet another declamatory performance, the entire purpose ironical. This is obvious … from the shower of sententious clichés and the blatant incorporation of all the rhetorical figures in the handbook.“ ( 1970, 103; s. auch GAGLIARDI 1980, 113f.; eine stilistische Analyse der Rede unternimmt NAGORE 2003, 225f. ). Für eine solche Deutung plädiert vor allem CONTE ( 1996, 57-67 ). Auf den ersten Blick wirke das Ganze wie die Parodie einer Prunk- declamatio ( wie Ps.-Quint. decl. 6 ). Bei genauerem Hinsehen erkenne man freilich hinter der ‚sklavischen imitatio‘ den Pastiche: „a deforming caricature in

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which all the structural elements of the mannered declamation are accumulated“ ( ebd. 62 ). Der ganze Monolog vermische in unsachgemäßer Weise Topoi der Totenklage und der consolatio mit Argumenten verschiedener philosophischer Schulen ( 64 Anm. 43 ). So entstehe „a sermon of unbelievable banality (…) that seeks to reinforce the poverty of its arguments by loading them with magnificent gestures. Rhetorical questions in anaphora, apostrophes at the highest end of the emotional register, sententiae for grand effect – this is the traditional armament recommended by any manual of declamatory rhetoric.“ ( 62; cf. VANNINI 299: ‚als fahrender Scholast liebe Encolpius die ausgetretensten und billigsten Motive der Rhetorenschule‘ ). Ein spezifischeres Ziel machte GOTSCHLICH 1863 aus: Encolpius schlüpfe deshalb in die Rolle des ernsten Stoikers, weil Petron mit der ganzen Szene Seneca parodiere. SULLIVAN griff die Idee auf. Sorgfältig ineinander verwobene senecanische Topoi und die imitatio von Senecas Rhetorik und Ton zielten klar auf eine Parodie des Philosophen ( 1968, 196204 ; Anklänge an die kynische Diatribe fand RAITH 1963, 14 ). Doch wie bereits COLLIGNON geltend machte, erinnern nur einzelne Wendungen an Seneca; an etlichen Stellen bestehen allenfalls lose Beziehungen; von einer genuinen Parodie kann keine Rede sein ( 292-303; ähnlich kritisch M.S. SMITH, Petronii Arbitri Cena Trimalchionis, Oxford 1975, 217-219 ). Stilistisch steht die Rede der declamatio näher als Senecas dialogi oder epistulae ; und punktuelle Berührungen mit dort traktierten Themen belegen mitnichten eine planvolle Karikatur stoischer Seelenführung – zumal Lukrez nicht minder essentiell ist für Encolpius’ Rede ( bes. 3,870-893; cf. E.J. KENNEY, Lucretius De rerum natura book III, Cambridge 1971, 202 : „Petronius … incorporates the theme into a burlesque declamation, from which it may be inferred that by the latter part of the first century A.D. it had become intolerably trite.“ ). Andere Stimmen fanden hier eine seriöse Botschaft, ja beinahe Lebenshilfe im Geiste des Kepos. PARATORE attestierte der ganzen Passage „un tono di profonda, dolorante austerità“, der im gesamten Roman kaum seinesgleichen habe. Petron habe die Szene ‚mit höchster Finesse‘ ausgeführt und ihr ‚einen Charakter von gleichsam marmorner, nachdenklicher Schönheit‘ verliehen ( 1933, II 374 ). Das Ganze beginne mit konventionellen Topoi; doch dann gewänne ‚aufrichtiges Gefühl‘ die Oberhand ( II 370f. ). Ähnlich ARROWSMITH 1959, 207: „What appears to begin as a standard rhetorical showpiece on the theme of the mutability of human fortunes and the vanity of ambition suddenly takes on real power of speech and perception and closes with an extremely unconventional atti-

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tude to death.“ ( s. auch ders. 1966, 327f. ). PERRY zitierte die Rede, in der er Petrons „best artistic efforts“ am Werk sah, als Hauptzeuge für den existentiellen Unterton, den er in den Sat. ausmachte – „a sadness akin to that of tragedy in the contemplation of humanity in the large“ ( 1967, 200; s. auch CIAFFI 1955, 98f. ). Auf keinen Fall trifft es zu, dass die Rede ernst beginne, nach der Anagnorisis aber in Ironie, ja Schadenfreude umschlage ( so ANDERSON 1982, 71 ). Vor allem für letztere fehlt jedes Indiz; und zarteste Parallelen zu literarischen Totenklagen ( Ach. Tat. 1,13f.; Lukian luct. 13 ) sind per se noch kein Indiz für Ironie. Das gilt auch für SLATERs Dichotomie ( 1990, 112f. ): „His first short lament for the man is quite moving, the more so because it seems quite sincere.“ Doch nachdem er Lichas erkannt habe, fühle Encolpius sich zu mehr verpflichtet. „Rhetoric takes over, and the lament becomes a sententious reflection on the uncertainty of life.“. Auch wenn nach der Anagnorisis der Ton an Dringlichkeit gewinnt – der Stil bleibt unverändert ( cf. die folgenden Lemmata ). Ungeachtet ihrer Teilung ist die Rede aus einem Guss. Dass sie ironische Versatzstücke enthält, steht außer Frage. Sie spart nicht mit Übertreibungen ( e.g. § 14 opes … per mille annos disponite ), Bestien ( § 13 piscibus beluisque expositus es ; § 18 ferae … corpus lacerabunt ), bizarren Bildern ( § 16 illum diis vota reddentem penatium suorum ruina sepelit ; vehiculo lapsus properantem spiritum excussit ; cibus avidum strangulavit ). Eine ihrer sententiae hat das Zeug zum Kalauer ( § 10 en homo quemadmodum natat ; lt. COLLIGNON 59 warne eben dieser Passus „de ne pas prendre au sérieux cette belle tirade“ ). Wie so vieles in den Sat., ist auch diese Passage durch und durch ambivalent – hier v.a. dank des hochgradig unnatürlichen Kontextes ( zu ‚biographisch‘, als genuinen Ausdruck von Encolpius’ „gesamte(r) Lebensauffassung“, liest sie DÖPP 1991, 151 ). Lichas, der jämmerlich ums Leben kam, und der dem Protagonisten einmal sehr nahe stand, hätte persönlichere Worte verdient ( wie sie e.g. Ach. Tat. 1,13f. fallen ), kaum aber eine stereotype Monodie über die triste conditio humana, samt einem düsteren Abgesang an alle Jenseitshoffnung. Den Misston erzeugen die per se ernsten, doch der Situation ( menschlich betrachtet ) kaum angemessenen Ausführungen. Rhetorisches Pathos und Sonntagsphilosophie ersetzen alle Empathie; Theatralik tritt an die Stelle der Trauer. Eine andere Perspektive bringt A. SETAIOLI ( in epist.) ins Spiel: „Encolpius’ speech perfectly portrays what we know of his ‚education‘ : he has been brought up on ( imperfectly digested ) scraps of rhetoric and literature. No doubt he believes he has uttered a speech perfectly fit for the occasion – exactly reflecting the characteristics the ‚hidden author‘ ( to use

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CONTE’s terminology ) has chosen to lend his starry-eyed Encolpius. Consequently, it may appear somewhat pointless to inquire about the seriousness ( or lack thereof ) of his speech. It is again Petronius playing with the reader.“ Treffend charakterisierte COLLIGNON 59f. die Rede : „Et peut-être, après tout, le morceau tout entier, même dans les parties … sérieuses, n’est-il qu’un contraste cherché et une longue ironie ? Ces scènes tragiques et funèbres sont en quelque sorte un assaisonnement de cette épopée libertine. Un naufrage, une mort survenue tout à coup au milieu des plaisirs de cette nef flottante qui semblait ne porter que les joies effrénées des amours pervers, c’est comme le condiment macabre de cette orgie sans fin. Le cadavre de Lichas remplit l’office du squelette que Trimalchion fait circuler au début du festin. Il nous crie à sou tour : Ergo vivamus dum licet esse bene. Et après qu’on a rendu à Lichas les derniers honneurs … , l’on ne songe plus dans toute la bande qu’à vivre gaîment. En route maintenant pour Crotone !“ repente video corpus humanum circumactum levi vertice ad litus deferri : Der erste Verweis auf die Geschichte um Ceyx und Alcyone. In der Brandung entdeckt Alcyone einen Leichnam und äußert ihr Mitleid ( met. 11,715-721 in liquidā … tuetur | nescioquid quasi corpus aquā eqs.). Das Spiel der Brandung mit dem Leichnam ( „von leichter Dünung im Kreis gedreht“; HOLZBERG ) erinnert wie ein fernes Echo an Lichas’ Ende ( 114,6 repetitumque infesto gurgite procella circumegit atque hausit ), und illustriert die sententia vom Ausgeliefertsein des Menschen ( § 10 en homo quemadmodum natat ). Für Lichas erfüllt sich, was Giton im Falle ihres Ablebens für sich und Encolpius erhofft hatte ( 114,11 si voluerit sc. nos mors misericors ad idem litus expellere ). Von angespülten Toten ist auch anderen Orts die Rede ( e.g. Apoll. Rhod. 1,1003-11; cf. Verg. georg. 3,541-543 maris immensi prolem et genus omne natantum | litore in extremo ceu naufraga corpora fluctus | proluit : die Flut schwemmt Tierkadaver an Land „wie Leichen Schiffbrüchiger“; Aen. 5,871 nudus in ignotā, Palinure, iacebis harenā ; 6,362 nunc me fluctus habet versantque in litore venti ; Gregor Tur. de miraculis Andreae apost. 24 : angespülte Leichen erweckt der Apostel wieder zum Leben ). Auch Pompeius’ Torso treibt in der Brandung ( BC 63 Libyco iacet aequore Magnus ; cf. Bd. III ad loc.). Ähnlich spricht Catull von einem Lebenden ( 68,3 naufragum … eiectum spumantibus aequoris undis ). Von einer Wasserleiche handelt Ps.-Quint. decl. 6 ( auch sie wird nicht sofort identifiziert : 6,8 p. 114,15f. Håk. putes adpulsum ad litus aliquem esse piratam ; VANNINI ad loc.).

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Zu repente cf. VANNINI 100 ad 100,2. – Video ist historisches Präsens ( cf. oben cum poneremus consilium ). § 8 substiti ergo tristis : Die Beratung fand also am Strand statt, und offenbar ‚ambulant‘ ( der Erholung zuliebe erging sich auch Seneca gerne am Meer ; cf. ep. 55,1f. ). An den von einer Anhöhe aus Ausschau haltenden Aeneas erinnert NAGORE ( 2003, 221 Anm. 2 ): Aen. 1,187 constitit hīc sc. Aeneas. coepique umentibus oculis maris fidem inspicere : Tränen entlockt die See den Troerinnen, die ihre lange Irrfahrt leid sind ( Verg. Aen. 5,614 f. cunctae … profundum | pontum aspectabant flentes ), und Attis, dem die Heimkehr verwehrt bleibt ( Catull 63,48 maria vasta visens lacrimantibus oculis ; auch hier folgt eine Klage, 50-73 ). Und ‚feuchten Auges‘ sieht Alcyone Ceyx in den Untergang segeln: sustulit illa | umentes oculos stantemque in puppe recurvā eqs. ( Ov. met. 11,463-466; cf. DE SALAS 223; LABATE 1988, 85 ). Im Angesicht des Todes „le style s’élève soudain“ ( COLLIGNON 59 ). Bei inspicere klingt neben der optischen Ebene ( „ins Auge fassen“; cf. OLD s.v. 1 ) auch die geistige an ( „bedenken, betrachten“, OLD s.v. 4, bzw. „begreifen“, OLD s.v. 5 ). Die zumeist mit Trauer und Tod assoziierten umentes oculi sind zuerst bei Ovid bezeugt ( met. 11,463f., oben zit.; 14,734, Iphis vor dem Selbstmord ), später bei Lukan ( 4,521-523 cum sidera … oculis umentibus omnes | aspicerent, aus Angst angesichts des nahen Todes ), Statius ( silv. 5,3,32 cinerem … oculis umentibus hausi, in Trauer um den toten Vater ) und Claudian ( c. 28,266f. oculis umentibus Alpes | aspicit ; s. auch Sil. Ital. 9,30 oculos atque ora umentia ). maris fidem : Die ‚Unberechenbarkeit‘ bzw. ‚Treulosigkeit‘ des Meeres ist topisch ; cf. u.a. Lucr. 2,557-559 infidi maris insidias virisque dolumque | ut vitare velint neve ullo tempore credant, | subdola cum ridet placidi pellacia ponti ; 5,1004 f.; Verg. georg. 1,254 infidum … marmor ; Aen. 5,848f. mene salis placidi vultum fluctūsque quietos | ignorare iubes ? mene huic confidere monstro ? ; Ov. trist. 4,4,60 nec minus infidā terra timetur aquā ; Sen. Med. 301f. freta … perfida ; ep. 4,7 noli huic tranquillitati confidere : momento mare evertitur ; nat. 4 praef. 7 dubiam fortunam maris, ~ „die wechselnden Gewinne der Seefahrt“; Val. Flacc. 1,416 maris insidias ; Tert. pall. 2,2 mari fides infamis. Auch Häfen blieb dieser Vorwurf nicht erspart ( Prop. 3,7,35f. haud ulla carina | consenuit ; fallit portus et ipse fidem ); ebenso wenig dem Wind ( Ach. Tat. 5,15,4 ). ‚Verlässlichkeit‘ wird der See selten attestiert ( cf. Hist. Apoll. 11,2 ~ 39,1 rec. A mutata est pelagi fides, vor Anbruch eines Sturms ). Bei der Wiederaufnahme der Seefahrt nach den Wintermonaten kehrt das Vertrauen

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zurück ( Verg. Aen. 3,69 inde ubi prima fides pelago eqs.). Vor der herbstlichen Ausfahrt prüft Rutilius Namatianus die See ( 1,205 explorata fides pelagi ter quinque diebus ). Der einem Seesturm entkommene Charmides bedankt sich bei Neptun: entgegen seinem Ruf habe der Gott sich ‚verlässlich‘ gezeigt ( Plaut. Trin. 832 fidus fuisti : infidum esse iterant ). Hier hingegen ist maris fidem durch und durch ironisch zu verstehen ( WEINREICH : „diesen Treuebeweis des Meeres“; cf. unten § 16 non sola mortalibus maria hanc fidem praestant ). Für diese Ironie gibt es kaum Parallelen. Sarkasmus trieft aus Theopropides’ Dank, dessen Vertrauen in Neptun nach einer knappen Rettung aus Seenot ‚erschöpft‘ ist ( Plaut. Most. 431-437, bes. 437 quod crediturus tibi fui, omne credidi, „was ich dir je zu vertrauen hatte, ist alles aufgebraucht“ ). Die „Menschlichkeit“ des Meeres klagt der von Piraten gefangene Kleitophon an ( Ach. Tat. 3,10,6 φιλανθρωπία ). In vergleichbarer Situation und Stimmung beginnt die Jeremiade des schiffbrüchigen Apollonius ( Hist. Apoll. 12,2 rec. A stans Apollonius in litore nudus, intuens tranquillum mare ait : ‚o Neptune, rector pelagi, hominum deceptor innocentium‘ eqs.; cf. S. PANAYOTAKIS ad loc.). Zu dem Anthropomorphismus cf. 114,9 iratum … mare, und S. 634 ad loc. – Zu der Junktur fidem inspicere zitiert VANNINI ad loc. Ov. trist. 1,5,26 tempore sic duro est inspicienda fides sc. amici. Der durch die ‚Wiederholung‘ ( § 16 maria hanc fidem praestant ) so gut wie gesicherte Passus erregte unnötig Verdacht. MÜLLERs ‹ malam › fidem ( ed.4 ad loc.) simplifiziert die Wendung zur oft angesprochenen ‚Unzuverlässigkeit‘ des Meeres ( s. oben ), und beraubt sie damit ihres ironischen Zungenschlags. RICHARDSON 2007, 47 will inspicere durch einen Ausdruck wie e.g. increpare ersetzen, „anklagen“. Das beißt sich freilich mit tristis und umentibus oculis. FRAENKEL sah maris fidem als Import von § 16 und wollte es durch mortuum ersetzen ( coepique umentibus oculis mortuum inspicere ; lt. SULLIVAN 1976, 118 erwägenswert ). Mortuum leitet zwar gut zu § 9 hunc über ; doch maris fidem ist hier so originell wie eindeutig genuin ( s. auch 12,6 fidem oculorum, „die Zuverlässigkeit der Augen“ ) – und liefert quasi die Überschrift zum folgenden sermo. § 9 hunc forsitan … in aliqua parte terrarum secura expectat uxor : So erging es Senecas Mutter, die einen Onkel verlor ( dial. 12,2,4 avunculum indulgentissimum, optimum … virum, cum adventum eius expectares, amisisti ; s. auch Plin. ep. 5,21,3 illud plane non triste solum, verum etiam luctuosum, quod … decessit in nave, procul a fratre amantissimo, procul a matre, a sororibus ). Voller Unruhe und düsterer Ahnungen wartet Alcyone auf den längst ertrunkenen Ceyx ( Ov. met. 11,573 tantorum ignara malorum, eqs.). Als sie später

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am Strand einen Leichnam entdeckt, denkt sie zunächst voll Mitgefühl an dessen Frau ( ebd. 11,720f. ‚heu ! miser‘ inquit, | ‚quisquis es, et si qua est coniunx tibi.‘ ) – nur um allzubald Ceyx zu erkennen. Auf der stürmischen Überfahrt nach Tomis gelten Ovids Gedanken seiner Gattin, die von seiner Not nichts ahnt ( trist. 1,2,37-40 at pia nil aliud quam me dolet exule coniunx : … nescit in inmenso iactari corpora ponto, | nescit agi ventis, nescit adesse necem ). Dem Hausherrn, den eine umgekippte Ladung Marmor erschlagen hat, richtet sein Gesinde derweil Essen und Bad ( Juv. 3,257-267, bes. 261-263 domus interea secura patellas | iam lavat et bucca foculum excitat eqs.). Eine Art komplementäres Bild zeichnet Seneca: manch einer vergnügt sich in Zirkus oder Theater, während zuhause eine Katastrophe auf ihn wartet ( dial. 7,28,1 alienum fortunae vestrae vultum geritis, sicut plurimi quibus in circo aut theatro desidentibus iam funesta domus est nec adnuntiatum malum ). Verwandt ist die topische Klage Sterbender um ihre Hinterbliebenen ( Lucr. 3,894-896 iam iam non domus accipiet te laeta, neque uxor | optima nec dulces occurrent oscula nati | praeripere et tacitā pectus dulcedine tangent ; s.auch Plin. ep. 8,23,7f. zum plötzlichen Ende des Iunius Avitus ( zit. VANNINI ad loc.): tot spes tot gaudia dies unus in diversa convertit. modo designatus aedilis, recens maritus recens pater intactum honorem, orbam matrem, viduam uxorem, filiam pupillam ignaram patris reliquit ). Als letzte Bilder stehen sie Ceyx und den anderen Ertrinkenden vor Augen ( Ov. met. 11,542-545 subeunt illi fraterque parensque, | huic cum pignoribus domus et quod cuique relictum est. | Alcyone Ceyca movet, Ceycis in ore | nulla nisi Alcyone est ). forsitan ignarus tempestatis filius aut pater : So erwartet wohl Euander seinen längst toten Sohn Pallas ( Verg. Aen. 11,49f. et nunc ille quidem spe multum captus inani | fors et vota facit cumulatque altaria donis ); so warten Chaireas’ und Kallirhoes Eltern auf die Rückkehr ihrer Kinder ( Chariton 3,10,8 ). Eine Anspielung auf Odysseus’ Familie: Penelope, Telemach und Laertes, mit Lichas in der Rolle des fernen Heros, sieht hier GROSSARDT 2007, 88f. ( er zitiert Eumaios’ Klage, Od. 14,171-173: „Odysseus aber möge kommen, wie ich es von ihm wünsche und Penelopeia und Laertes, der Greis, und der gottgleiche Telemachos“; übers. W. SCHADEWALDT ). Das überlieferte patrem lässt sich nur halten, wenn man nach filius interpungiert : hunc forsitan … expectat uxor, forsitan … filius, aut patrem utique reliquit aliquem eqs. ( so ERNOUT und CIAFFI ) – was angesichts des lieblosen „irgendeinen Vater“ schwer vorstellbar ist. SEGEBADEs ( 1880, 49 ) Tilgung des aut wiederum ergibt einen sperrigen Chiasmus: hunc forsitan … secura expectat uxor, forsitan ignarus tempestatis filius patrem ; utique ( eqs.). JACOBS änderte patrem zu fratrem ( so BÜCHELER 1 ; cf. ad loc.: „scripsi

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fratrem qualem Gitona Encolpius habebat“ ). Doch auch fratrem utique reliquit aliquem ( eqs.) klingt zu beliebig. FRAENKEL ergänzte ein zweites aut ( cf. MÜLLER 1 p. 212 ): ignarus tempestatis filius, aut patrem ‹ aut › utique reliquit aliquem eqs., das auf holprige Weise eine vierte Person einführt ( zurecht kritisch NISBET 1962, 232 ). Die organischste Lösung bietet BÜCHELERs pater ( ab ed.2 ; so u.a. MÜLLER ab ed.2 ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ; GIARDINA – MELLONI ; VANNINI ), das ein elegantes Trikolon dreier zentraler Familienmitglieder ergibt. LABATE 1988, 84 f. stützt pater mit zwei intertextuellen Argumenten aus Ovid. Nicht allein dem Vater gebühre ein Abschiedskuss, wie das überlieferte patrem es will ( cf. Ov. met. 11,713 hōc mihi discedens dedit oscula litore, und das folgende Lemma ). Und die Paarung filius aut pater zitiere Ceyx’ letzte Gedanken ( met. 11,542-545 subeunt illi fraterque parensque, | huic cum pignoribus domus et quod cuique relictum est eqs.; Ovids quod cuique relictum est kehre in utique reliquit aliquem als ‚Echo‘ wieder ). utique reliquit aliquem, cui proficiscens osculum dedit : Nicht nur die Perser kannten den Abschiedskuss ( cf. Xen. Cyrop. 1,4,27: die Verwandten küssen den abreisenden Kyros „nach persischer Sitte zum Adieu auf den Mund“, φιλοῦντας τῷ στόματι … νόμῳ Περσικῷ ); in Hellas war er so verbreitet wie in Rom; e.g. Plaut. Asin. 940 da savium etiam prius quam abi ‹ t › is ; Ov. trist. 1,3,58 ( vor Ovids Abreise nach Tomis ) quasi discedens oscula summa dedi ; her. 5,51 oscula dimissae quotiens repetita dedisti ! ( „wie oft schicktest du mich fort – und riefst mich zurück für mehr Küsse !“ ); Sen. Med. 289 extrema natis mater infigo oscula ; Suet. Nero 37,3; NT Acta apost. 20,37f.; Hist. Apoll. 25,3 rec. A. ( bisweilen unterbleiben sie: Ov. her. 3,14 discedens oscula nulla dedi ; 15,101 non oscula nostra tulisti ). So auch bei Ceyx’ Abschied ( Ov. met. 11,713 hōc mihi discedens dedit oscula litore ). Cf. SITTL 1890, 78-80; K. THRAEDE, RAC 22, 2008, 545-576 s.v. Kuss, hier 549. – Zu dem Adverb utique cf. 80,4 Komm. == Bd. I, S. 19. § 10 haec sunt consilia mortalium, haec vota [ magnarum cogitationum ] : Kritik an blinder Zuversicht und naiven Zukunftsträumen wird auch anderen Orts laut ; cf. u.a. Hor. c. 1,4,15 vitae summa brevis spem nos vetat inchoare longam ; Sen. dial. 6,11,4 in quantas cogitationes oblitum condicionis suae venit ! ; ep. 101,4 quam stultum est aetatem disponere ne crastini quidem dominum ! o quanta dementia est spes longas inchoantium eqs.; Persius 1,1 o curas hominum, o quantum est in rebus inane ! ( und KIßEL 109-112 ad loc.); Ps.-Sen. Oct. 924926 regitur fatis mortale genus | nec sibi quidquam spondere potest | firmum et stabile eqs. – Encolpius’ sententia unterscheidet feste „Pläne“ ( consilia ) von unverbindlichen „Hoffnungen“ und „Wünschen“ ( zu vota s. auch Persius

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6,28f. remque omnem surdaque vota | condidit Ionio, „allen Besitz, und die tauben Gelübde barg der Schiffbrüchige im Ionischen Meer“ ). – Markante Anapher ( haec ; cf. § 9 forsitan ). [ magnarum cogitationum ] : Wie passt zu jenen „Wünschen“ der Zusatz magnarum cogitationum, „gewaltiger Überlegungen, Absichten“, den die meisten Herausgeber halten ( u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI )? Hier klingt er aufgeplustert, und mit dem Wechsel vom Gen. subi. ( mortalium ) zum Gen. obi. ( magnarum cogitationum ) zudem ungelenk. VANNINI ad loc. merkt zurecht an, Encolpius tadle das menschliche Streben erst, nachdem er Lichas erkannt habe ( er verweist zudem auf die dank der Tilgung bessere Klausel: Creticus und Trochäus, anstelle eines Ithyphallicus ). Da dieselbe Junktur § 14 erneut erscheint ( magnis cogitationibus, wieder unweit eines mortales ), und dort unverzichtbar ist, liegt eine Interpolation nahe ( so FRAENKEL ; wohlwollend SULLIVAN 1976, 118 ). MÜLLER und VANNINI tilgen sie zurecht. en homo quemadmodum natat : „Schau her : der Mensch, ein Spielball der Wellen“ ( i.e. des Schicksals ). Die eitlen Hoffnungen der Menschen und die vielfältigen Klippen, an denen sie scheitern, besang bereits Semonides ( 7. Jh. v.Chr.): „Kein Sterblicher zweifelt je, daß übers Jahr in Glück und Reichtum zu ihm die Erfüllung kommt. Jedoch das widerliche Greisentum ereilt den einen, ehe er zum Ziel kam ; andre trifft unsel’ge Krankheit tödlich ; andre schlägt der Feind im Krieg, und Hades führt sie in das schwarze Reich. Der Kaufmann in dem Schiffe, ringend mit dem Sturm und mit den vielen Wellen der purpurnen See, sinkt, stirbt – daß er sein Leben friste, zog er aus ; und mancher knüpft zu grausem Tod die Schlinge, um aus eigner Wahl dem Licht der Sonne zu entfliehn.“ ( 1,9-19 West ; übers. H. FRÄNKEL, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums, München 1962, 230; für eine seelenverwandte Litanei menschlichen Unglücks cf. Ov. Pont. 4,3,3158 ). Encolpius spielt mit der Doppeldeutigkeit von natare, „ s c h w i m m e n , im Wasser treiben“ ( auch nach einem Schiffbruch; cf. Hor. c. 1,2,11f., von Damwild in einer Sintflut : superiecto pavidae natarunt | aequore dammae ; Prop. 3,7,8 nova longinquis piscibus esca natat, und HEYWORTH – MORWOOD ad loc.: „grimly ironic of a body that can no longer swim“; 3,12,32 totque hiemis noctes totque natasse dies ; 4,1,116 natat exuviis Graecia pressa suis ; Ov. her. 19,185f. nautae metuunt … natare ; | exitus hic fractis puppibus esse solet ; Sen. contr. 5 exc. 1 naufragi natant ; Juv. 10,257 Ithacum … natantem ; cf. COLLIGNON 302: „natare est pris au sens propre de : faire effort en nageant pour

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se sauver“ ), aber auch übertragen: „schwanken“, unentschlossen oder hilflos „ d a h i n t r e i b e n “ ( OLD s.v. 5, und e.g. Cic. nat. 3,62 magis tu mihi natare visus es quam ipse Neptunus ; Hor. serm. 2,7,7f. pars multa natat, modo recta capessens, | interdum pravis obnoxia, „ein Großteil der Menschen treibt ziellos umher, bald das Rechte ergreifend, bisweilen dem Schlechten verfallend“; Sen. ep. 35,4 mutatio voluntatis indicat animum natare …, prout tulit ventus ; s. auch Sen. ep. 22,12 nemo cum sarcinis enatat ). In der Sentenz ‚verschwimmen‘ der Schiffbrüchige, der darum kämpft, über Wasser zu bleiben, und der im Wasser treibende Ertrunkene zum Sinnbild der menschlichen Hinfälligkeit ( cf. MARIOTTI 1997, 112-114 ; VANNINI ad loc.). Mit einem Schiffbrüchigen vergleicht Lukrez das ins Leben ‚geworfene‘ Neugeborene ( 5,222-227 tum porro puer, ut saevis proiectus ab undis | navita, nudus humi iacet, infans, indigus omni | vitali auxilio, cum primum in luminis oras | nixibus ex alvo matris natura profudit, | vagituque locum lugubri complet, ut aecumst | cui tantum in vita restet transire malorum ; zit. MARIOTTI ebd.). Gut möglich, dass Encolpius zudem Plautus im Ohr hatte : hui, | homunculi quanti estis ! eiecti ut natant ! ( Rud. 154 f., über an Land treibende Schiffbrüchige; zit. COLLIGNON 302; COURTNEY 2001, 176: „Puny men, how worthless you are ! How they swim after being thrown overboard.“ ). PARATORE 1933, II 374 lobte die Sentenz als „einen dieser köstlichen Geistesblitze Petrons“, die immer wieder in den Sat. aufleuchten. Zu der deiktischen Interjektion en (~ ecce ) cf. KST 1,273f.; HOFMANN 35; PETERSMANN 110; zu dem halb exklamatorischen, halb fragenden quemadmodum ( „wie“ ) cf. HSZ 459. 540; PETERSMANN 264 ; OLD s.v. 1. § 11 adhuc tamquam ignotum deflebam : i.e. ‹ eum › tamquam ignotum ( cf. 111,5 recens cadaver matrona deflebat ). Nirgendwo wird Ovids Vorbild greifbarer. Am Strand sieht Alcyone eine Leiche im Wasser treiben und beweint den Unbekannten ( bes. met. 11,717-721 postquam paulum adpulit unda, … qui foret ignorans, quia naufragus, omine mota est | et, tamquam ignoto lacrimam daret, ‚heu ! miser‘ inquit | ‚quisquis es, et si qua est coniunx tibi‘ ). Als die Wellen ihn näher tragen, erkennt sie Ceyx. In den met. verrät tamquam den Wissensvorsprung des olympischen Erzählers; hier ‚verrät‘ der narrator Encolpius sich selbst. Zu der ansatzweise bereits bei Cicero greifbaren und von Livius an gebräuchlichen Beziehung von adhuc auf die Vergangenheit („bis dahin, noch“ ) cf. 88,2; 99,5 ( ebenfalls gefolgt von einem cum ‚inversum‘, wie 11,2 ); HSZ 484f. ; PETERSMANN 125 ; OLD s.v. 3b.

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cum inviolatum os fluctus convertit in terram : Die Brandung wirft den Toten Encolpius vor die Füße ( cf. Ov. met. 11,721f. fluctibus actum | fit propius corpus ). Sein ‚unversehrtes Gesicht‘ verdankt Lichas dem kurzen Kontakt mit dem Meer, der kaum länger als einen Tag währte ( offensichtlich erspart blieb ihm die marine Fauna ; cf. § 13 ). Dass Salzwasser Leichen verunstaltet, war Alltagswissen ( cf. Lukan 2,189f. informes veniunt ad litora trunci | qui medio periere freto ; Ps.-Quint. decl. 6,23 per tot fluctūs volutatum corpus intumuit, tot inlisum scopulis, tam spatiosis tractum harenis ). Selbst der bei den Phaiaken gestrandete Odysseus ist „entstellt von der Salzflut“ ( Od. 6,137 κεκακωμένος ἅλμῃ ). Oft war eine Identifikation illusorisch ( cf. Quint. decl. 388,18 quomodo … potuit confusā facie agnosci ? ; Ps.-Quint. decl. 6,3 p. 113,12-14 Håk. iam hominis figuram vetustas paene consumpsit, iam lenta tabes in terram defluxit, iam soluta cute ossa nudantur, von einer Wasserleiche ). Einzig das fehlende Haupt identifiziert Pompeius’ vom Meer geschundenen Leib ( Lukan 8,708-711 pulsatur harenis, | carpitur in scopulis hausto per vulnera fluctu, | ludibrium pelagi, nullāque manente figurā | una nota est Magno capitis iactura revulsi ; cf. Bd. III ad BC 63 ). – Zum cum ‚inversum‘ in den Sat. cf. VANNINI 169 ad 105,7. agnovique terribilem paulo ante et implacabilem Licham pedibus meis paene subiectum : So erkennt Alcyone in dem Unbekannten ihren Ceyx ( met. 11,723-725 iamque propinquae | admotum terrae, iam quod cognoscere posset, | cernit : erat coniunx. ‚ille est !‘ exclamat ; zit. auch DE SALAS 223 ). Agnovi ist doppelbödig. Encolpius erkennt nicht nur den Ertrunkenen, sondern auch den dramatischen Unterschied zwischen Lichas’ Bedrohlichkeit zu Lebzeiten und seiner Nichtigkeit im Tod. In pedibus subiectum schwingt das archaische Bild des Siegers mit, der seinen Fuß auf den „unterworfenen“ Besiegten setzt ( e.g. Lucr. 1,78f. religio pedibus subiecta … opteritur ; Verg. georg. 2,491f. inexorabile fatum | subiecit pedibus ; Liv. 45,31,3 hic eventus … obnoxios pedibus eorum subiecit ; OLD s.v. subiciō 2a bzw. pēs 7c; Thes. X 1, 1907,4-20 ; cf. unten § 20 inimicis manibus ; so auch MARIOTTI 1997, 122 Anm. 99 ), aber auch das fundamentalere „Ausgeliefert-, Preisgegebensein“ ( cf. OLD s.v. subiciō 5 bzw. subiectus 1 5 ): vom Schicksal ‚bezwungen‘ liegt ihm Lichas zu Füßen ( das Bild ist umso dramatischer, als Encolpius „ja wohl noch von der grotesken Rasur und Markierung als Sklave gezeichnet ist“; BAIER 2007, 146; die Tätowierung hat allerdings nicht überlebt ; cf. 108,2 ). Die Spannung steigert der bis fast zum Satzende aufgesparte Name. § 12 non tenui igitur diutius lacrimas : Die längst feuchten Dämme ( § 8 umentibus oculis ) brechen. Wie nah Encolpius am Wasser gebaut hat,

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stellt er oft genug unter Beweis ( cf. 24,1 non tenui ergo diutius lacrimas [ ergo optime VANNINI 2007a, 216 : ego codd.]; 81,1; 91,8; 99,2; 113,9; 134,5 ). Zu der Junktur cf. ferner 75,3 non tenuit ultra lacrimas Trimalchio ; Sall. Iug. 82,2 ; Caes. Gall. 1,39,4 ; Cic. Verr. 2,5,172 lacrimas in morte misera … nauarchorum non tenebamus ; Att. 2,21,3 vide mollitiem animi : non tenui lacrimas cum illum … vidi de edictis Bibuli contionantem ; Ov. met. 11,539f. non tenet hic lacrimas, stupet hic, vocat ille beatos, | funera quos maneant eqs.; Quint. decl. 260,10 quotiens infelicem vidi aliquem …, lacrimas tenere non possum ; Thes. VII 2, 840,42-44. percussi semel iterumque manu pectus : Ähnlich reagiert Alcyone ( met. 11,725-728 ‚ille est !‘ exclamat et una | ora, comas, vestem lacerat tendensque trementes | ad Ceyca manūs eqs.; zum Schlagen der Brust cf. 111,9, und S. 539 ad loc.). Hecuba hingegen ‚versteinert‘, als sie an Trojas Gestade den Leichnam ihres in Sicherheit geglaubten Sohnes Polydorus entdeckt ( Ov. met. 13,536-544 aspicit eiectum Polydori in litore corpus | factaque Threiciis ingentia vulnera telis eqs.). Die überraschend seltene Formel semel iterumque erscheint in den Sat. gleich fünfmal ( 34,9; 94,12; 135,2; 140,10 ); ferner Cic. div. 1,54 ; Pomponius Mela 1,16; 2,67; 3,3; Quint. decl. 339,11 contra Persas semel iterumque pugnavimus ; Sil. Ital. 6,440; Florus epit. 2,13,71 gladio … pectus semel iterumque percussit sc. Cato; Thes. VII 2, 559,39-42. manu : Die ‚Hand‘ ist im Singular wie im Plural überliefert ( manu rtp : manibus l ). So gut wie alle Herausgeber wählen den Plural ( u.a. BÜCHELER ; MÜLLER ; ERNOUT ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI ). Für den Singular votiert VANNINI ( 2005, 216-218; HOLZBERG folgt ) mit der Klausel ( Choriambus und Trochäus: ( ite)rūmquĕ mănū pēctŭs ; im Plural Dispondeus, mit aufgelöster erster Länge: mănĭbūs pēctŭs ) sowie einer Liste von Parallelen ( Verg. Aen. 12,155 terque quaterque manu pectus percussit honestum ; Ov. am. 3,6,58 pectora … insanā plangis aperta manu ? ; 3,9,10 pectora … infestā tundat aperta manu ; met. 4,590 nuda manu feriens exclamat pectora coniunx ; fast. 3,864 et ferit attonitā pectora nuda manu ; 4,454 et feriunt maestā pectora nuda manu ; trist. 3,3,48 et feries pavidā pectora fida manu ? ; Mart. 10, 50,2 plange … saevā pectora nuda manu ), allen voran Dido ( Aen. 4,589 terque quaterque manu pectus percussa decorum ; Vergils terque quaterque kehre hier als semel iterumque wieder ). Angesichts der recht verschiedenen Situationen ist die Nähe zur verlassenen Königin kaum zwingend; in der Summe geben VANNINIs Argumente freilich den Ausschlag für manu. ubi nunc est … iracundia tua, ubi impotentia tua ? : „Wo sind jetzt dein Zorn, wo deine Maßlosigkeit ?“ ( cf. § 13 paulo ante iactabas vires imperii

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tui, und Sen. contr. 5 exc. 5 init. est hoc impotentiae, sine fine concupiscere, sine modo irasci ; OLD s.v. 2: „lack of self-restraint, immoderate behaviour, violence, lawlessness, etc.“ ). Mit einem stilistischen Paukenschlag ( doppelte rhetorische Frage, Anapher, Alliteration, Epipher ) eröffnet Encolpius seine Suasorie zum Thema ‚Leben heißt Schiffbruch leiden‘ ( cf. § 16 ), zu der ihn das Ende seines einstigen Liebhabers und nachmaligen Erzfeindes inspiriert. Mehrere literarische Vorbilder klingen an: Lukans Nachruf auf den gefallenen Curio, der nun in Africas Wüstensand liegt ( 4,799-804 quid nunc rostra tibi prosunt turbata forumque ? … quid prodita iura senatūs ? eqs.; die Stelle zitiert bereits COLLIGNON 164 ; cf. 294 ); Aeneas’ Verhöhnung des todgeweihten Mezentius zu seinen Füßen ( Verg. Aen. 10,897f. ubi nunc, Mezentius, acer et illa | effera vis animi ?, und HARRISON ad loc.; zit. LABATE 1988, 87 ); der archetypische Tyrann der declamatio, der sich maßlos überschätzt und vom Tod in seine Schranken verwiesen wird ( CONTE 1996, 61 Anm. 39; er zitiert Plin. nat. 7,43f. tu qui corporis viribus fidis, … tu cuius imperatoria est mens, … tanti perire potuisti ! ); nicht zuletzt Pompeius Magnus, dessen Torso in der Brandung treibt ( MARIOTTI 1997, 115f.; cf. Bd. III zu BC 65f. ). BALDWIN 1911, 49 verglich Encolpius’ Apostrophe mit Hamlets Rede auf dem Kirchhof ( Szene 18; The New Oxford Shakespeare, Oxford 2016 ): „Why may not that be the skull of a lawyer ? Where be his quiddities now, his quillets, his cases, his tenures, and his tricks ?“ ( Z. 80-82 ; „… Wo sind nun seine Klauseln, seine Praktiken, seine Fälle und seine Kniffe ?“ ); „Alas, poor Yorick ! … Where be your gibes now, your gambols, your songs, your flashes of merriment that were wont to set the table on a roar ?“ ( Z. 151-156 ; „… Wo sind nun deine Schwänke ? Deine Sprünge ? Deine Lieder, deine Blitze von Lustigkeit, wobei die ganze Tafel in Lachen ausbrach ?“; übers. A.W. VON SCHLEGEL ). Zum bitteren ( bisweilen auch sarkastischen ) Duktus der Frage ( „che esalta la differenza fra la disgrazia presente e la condizione passata“; VANNINI ad loc.) cf. Accius trag. 324 R.3 ubi nunc terricula tua sunt ? ; Lucilius frg. 709 M. ubi Graeci ? ubi nunc Socratici carti ? ( „wo sind jetzt die griechische, wo die sokratische Philosophie ?“ ); Verg. Aen. 5,391-393 ubi nunc nobis deus ille eqs.? ; Tib. 2,3,27 Delos ubi nunc, Phoebe, tua est, ubi Delphica Pytho ? ; Ov. ars 1,703 vis ubi nunc illa est ? ; her. 4,150 ubi nunc fastūs altaque verba ? ; met. 13,92 ubi nunc facundus Ulixes ? ; Phaedrus 1,9,4 f. ( der Spatz zum vom Adler verfolgten Hasen ) ubi pernicitas | nota … illa est ? quid ita cessarunt pedes ? ; Val. Flacc. 4,649f. ubi nunc promissa superba | ingentesque minae eqs. ? ; Sil. Ital. 7,106f. en, ubi nunc Gracchi atque ubi sunt nunc fulmina gentis | Sci-

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piadae ? ; Ps.-Quint. decl. 1,17 p. 19,17f. Håk. ubi nunc meae vires, ubi impetus, ubi dextra tam fortis ? Seinen ertrunkenen Sohn fragt ein verzweifelter Vater ( Ps.-Quint. decl. 6,22 p. 134,5-7 Håk.): fefellit te ingenitus honestis animis gloriae amor, spes tibi perpetuae laudis inposuit : ubi virtus, ubi pietas ? peristi, miser, et male audis. § 13 nempe : In den Sat. erscheint nempe ausschließlich in wörtlicher Rede des Encolpius: hier, § 15 ( in Anapher ), sowie 125,4. Zur beteuernden Qualität der Partikel cf. HSZ 511; PETERSMANN 235. piscibus beluisque expositus es : Zur Furcht, im Magen von „Fischen und Seeungeheuern“ ( cf. § 1 beluae ) zu enden, cf. Od. 14,135 τόν γ᾿ ἐν πόντῳ φάγον ἰχθύες, „ihn fraßen im Meer die Fische“; 15,480f.; Apoll. Rhod. 1,1011 ἄμφω ἅμ᾿ οἰωνοῖσι καὶ ἰχθύσι κύρμα γενέσθαι, „beide wurden zugleich Vögeln und Fischen zur Beute“; Leonidas von Tarent A.P. 7,273,5f. == HE 2349f. πόντῳ δινεύμενος ἰχθύσι κύρμα | οἴχημαι, „im Meer umhergewirbelt starb ich, Fischen zur Beute“; Hegesippos A.P. 7,276 == HE 1925-31; Plaut. Rud. 513 piscibus in alto … praebent pabulum ; Prop. 3,7,8 nova longinquis piscibus esca natat ; Ov. trist. 1,2,55f. sperare sepulcra | et non aequoreis piscibus esse cibum ; Sen. dial. 6,10,6 alios per incerta nudos maria iactabit et luctatos cum fluctibus ne in harenam quidem aut litus explodet, sed in alicuius inmensae ventrem beluae decondet sc. Fortuna ; HUXLEY 1952, 122f. Die Seevögel fürchtet die verlassene Ariadne ( Ov. her. 10,123 ossa superstabunt volucres inhumata marinae ? ). Als Fluch ( ‚die Fische sollen dich fressen‘ ) Ilias 21,122-127 ; Verg. Aen. 10,559f. gurgite mersum | unda feret piscesque impasti vulnera lambent ; Stat. Theb. 9,300 ibitis aequoreis crudelia pabula monstris ( s. auch 9,516f. pelagi crudelibus ibit | praeda feris ? ). Den Methymnäern, die Chloe geraubt haben, droht Pan an, sie „zum Fraß der Fische“ zu machen ( Longos 2,27,3 βορὰν ἰχθύων ). Die Vorstellung lieferte sogar ein Argument gegen die Auferstehung der Toten ( cf. Athenagoras resurr. 4,1 φασὶν πολλὰ μὲν σώματα τῶν ἐν ναυαγίοις ἢ ποταμοῖς δυσθανάτων ἰχθύσιν γενέσθαι τροφήν, „es heißt, viele Leiber derer, die bei Schiffbrüchen oder in Flüssen jämmerlich umkamen, seien Nahrung für Fische geworden“ ). Vor diesem Los will Cordus den toten Pompeius bewahren ( Lukan 8,764-767 ne ponti belua quidquam, | ne fera … audeat, exiguam … accipe flammam eqs.). – S. auch unten S. 690-692 zu § 17 fluctibus obruto non contingit sepultura. et qui paulo ante iactabas vires imperii tui : „und hast du kurz zuvor noch mit deiner Befehlsgewalt geprahlt“. Zu Lichas’ imperium cf. u.a. 105,1

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( attrahite ocius nocentes in medium, ut sciam quorum capitibus debeat navigium lustrari ); 106,3. de tam magna nave ne tabulam quidem naufragus habes : Einen ähnlichen Schicksalsschlag schildert Persius ( 6,27-31 ): trabe ruptā … iacet ipse in litore et unā | ingentes de puppe dei iamque obvia mergis | costa ratis lacerae, „nach dem Bersten der Schiffsbohlen liegt er am Ufer, samt den gewaltigen Göttern vom Heck, und schon ist umringt von Möwen die Rippe des zertrümmerten Schiffs“ ( cf. KIßEL 806 ad loc.: „Die ungeheuren Ausmaße des Schiffes … dokumentieren die Größe der Tragödie und damit auch die Größe des Verlustes, den der Freund erlitten hat.“; zur Größe von Lichas’ Schiff cf. 101,9 magna … navigia ). Die tabula ist hier nicht das „ W e i h b i l d “, das ein Überlebender für seine Rettung aus dem Meer im Tempel weiht ( Cic. nat. 3,89 nonne animadvertis ex tot tabulis pictis, quam multi votis vim tempestatis effugerint in portumque salvi pervenerint ? ; Hor. c. 1,5,13-16 me tabula sacer | votiva paries indicat uvida | suspendisse potenti | vestimenta maris deae ; ars 20f.; Persius 1,88-90, und KIßEL 229f. ad loc.; Juv. 12,27f. ) oder schlicht zum B e t t e l n benutzt ( Phaedrus 4,23,24 f. ceteri tabulam suam | portant rogantes victum ; Juv. 14, 298-302 cuius votis modo non suffecerat aurum …, frigida sufficient velantes inguina panni | exiguusque cibus, mersā rate naufragus assem | dum rogat et pictā se tempestate tuetur – dem schiffbrüchigen Reeder bleiben nur Lumpen, Almosen und ein Bild des Orkans ). Vielmehr ist, wie auch de tam magna nave deutlich macht, die „ P l a n k e “ gemeint, an die ein Schiffbrüchiger sich klammert ( OLD s.v. 1b) – und die Lichas hätte retten können ( MARIOTTI 1997, 116 ). Cf. Ov. met. 11,427f. aequora me terrent et ponti tristis imago ; | et laceras nuper tabulas in litore vidi ; trist. 1,6,8 naufragii tabulas … mei ; Curt. Ruf. 9,9,20 strati erant campi sarcinis, armis, avulsarum tabularum remorumque fragmentis ; Sen. benef. 3,9,3 dedi … naufrago tabulam ; Lukan 3,688 ne mergantur, tabulis ardentibus haerent ; Ps.Sen. Oct. 323 f. lacerae puppis tabulis | haerent nudi fluctūsque secant ; Hist. Apoll. 12,1 rec. A unusquisque sibi rapuit tabulas … omnes perierunt. Apollonius vero unius tabulae beneficio in Pentapolitarum est litore pulsus, und S. PANAYOTAKIS ad loc.; cf. Ach. Tat. 3,5,1; in Periphrase Ov. Ibis 17 quassa meae complectar membra carinae ; metaphorisch-ironisch Cic. Att. 4,19,2 haec enim me una ex hoc naufragio tabula delectat ( s. auch die surreale Diskussion Cic. off. 3,89 f.). Zu dem nachdrücklicheren tam magnus an Stelle von tantus cf. 2,9 ; 92,10; 129,6 ; LÖFSTEDT II, 339f.; HSZ 206. 848 ; PETERSMANN 114f. – Die bereits in der Komödie belegte umgangssprachliche Umschreibung des klassischen Gen. part. ( tam magnae navis ) mit dem de partitivum erscheint in den Sat. meist in ‚vulgären‘ Partien ( 44,10 unus de nobis ; 46,7;

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58,8f. qui de nobis [ ter ]; 66,3; 75,11 non sum de gloriosis ), in urbanen Partien ferner 26,9; 72,9; 115,19 ne quid e nobis relinquat sepultura ; cf. LÖFSTEDT 1911, 106-109; ders., Synt. I, 136-147, bes. 145-147; SVENNUNG 206-210; SCHRIJNEN – MOHRMANN 1,100f.; V. VÄÄNÄNEN, Introduction au latin vulgaire, Paris 1963, 121f. == § 250; KST 1,425-427. 499; HSZ 52-59, bes. 58f.; PETERSMANN 72f. § 14 ite nunc mortales : I(te) nunc (et) „frequently introduce(s) ironic encouragement to perform some pointless or destructive act“ ( HEYWORTH – MORWOOD ad Prop. 3,7,29 ). „Ironie“ bescheinigt auch Quintilian solchen Wendungen ( inst. 9,2,48f. εἰρωνεία ); oft genug streifen sie den Sarkasmus. Zu dieser Formel, die ungeachtet ihres ‚kolloquialen Beigeschmacks‘ ( VANNINI ad loc.) zuerst in der augusteischen Dichtung erscheint, cf. Verg. Aen. 4,381 i, sequere Italiam ventis ( und PEASE ad loc.); 7,425 i nunc, ingratis offer te, inrise, periclis ( und HORSFALL ad loc.); Prop. 3,7,29 ite, rates curvas et leti texite causas, „zimmert euch bauchige Schiffe und Todesursachen“ ( FEDELI ad loc. sieht hier Petrons Vorbild ); 3,18,17 ; Hor. ep. 1,6,17f. i nunc, argentum et marmor vetus … suspice ( „… begaffe“ ); 2,2,76 i nunc et versūs tecum meditare canoros ( und C.O. BRINK ad loc.); Ov. am. 1,7,35; her. 3,26; Persius 4,19f. i nunc … suffla ( „dann los, blas’ dich auf !“, und KIßEL 523 ad loc.); Quint. decl. 312,8; Mart. 1,42,6 ; 9,2,13 i nunc et miseros, Cybele, praecide cinaedos ; Juv. 10,310 i nunc et iuvenis specie laetare tui ; 12,57f. i nunc et ventis animam committe dolato | confisus ligno ; Anth. Lat. 438,3 R. ite, novas toto terras conquirite mundo ; Carm. Lat. Epigr. 950,3 i nunc, ventis tua gaudia … crede ( „… vertrau’ den Winden deine Wonnen an“ ). Seneca hat eine Schwäche für die Formel ( u.a. Herc. fur. 89 i nunc, superbe, caelitum sedes pete ; Med. 650 ite nunc, fortes, perarate pontum ; 1007; dial. 10,12,8 i nunc et mimos multa mentiri ad exprobrandam luxuriam puta ! ; 12,10,10 i nunc et puta pecuniae modum ad rem pertinere, non animi ; benef. 6,35,5; ep. 88,37 i nunc et longam esse vitam nega ! ; nat. 1,16,3 ). Cf. Thes. V 2, 632,37-56; COLLIGNON 295f.; D. GAGLIARDI, I nunc … Per la storia di uno stilema poetico, in: E. Livrea u.a. ( Hrsg.), Studi in onore di A. Ardizzoni, Rom 1978, Bd. I, 373-379; HSZ 471 ( „ironisch-sarkastische Formel der Abmahnung“; zur Verbindung mit dem Imperativ ebd. 837 ). et magnis cogitationibus pectora implete : „… und schwellet eure Busen mit grossen Gedanken auf !“ ( HEINSE ). Der Gedanke von § 10 kehrt wieder ( haec sunt consilia mortalium, haec vota ) – doch angesichts des toten Lichas mit neuer Dringlichkeit ( zur Idee cf. Sen. dial. 6,11,5 inmortalia, aeterna volutat animo et in nepotes pronepotesque disponit, cum interim longa conantem eum mors opprimit ; 10,9,1 cogitationes suas in longum ordinant eqs.).

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ite cauti, et opes fraudibus captas per mille annos disponite : Der erste Imperativ richtet sich an alle, die naiv große Pläne schmieden, der zweite an die ‚Umsichtigen‘, die mit unredlich erworbenen Mitteln für eine utopische Zukunft vorsorgen wollen ( die Anapher ite cauti variiert ite nunc mortales ; s. auch oben S. 673f. zu § 10 haec sunt consilia mortalium ). Abstrakter klingt der Vorwurf bei Seneca; cf. dial. 10,20,5 quidam vero disponunt etiam illa quae ultra vitam sunt ( „manche aber planen auch Dinge, die jenseits ihres Lebens liegen“ ); ep. 13,16f. intelleges quam foeda sit hominum levitas cotidie nova vitae fundamenta ponentium, novas spes etiam in exitu inchoantium eqs.; 99,31 hoc sc. tempus quod vivimus proximum nihilo est ; et tamen, o dementiam nostram, late disponitur ( „… plant man ausufernd“ ); 101,1 omnis dies, omnis hora … aeterna meditatos respicere cogit ad mortem ( „… zwingt uns, die wir für die Ewigkeit planen, den Tod zu bedenken“ ); cf. 101,4-6 ille qui et mari et terrā pecuniam agitabat … in ipso actu bene cedentium rerum, in ipso procurrentis pecuniae impetu raptus est. … quam stultum est aetatem disponere ( ~ „die eigene Zukunft zu organisieren“ ) ne crastini sc. diei quidem dominum ! o quanta dementia est spes longas inchoantium eqs.; 120,17 nos corpus tam putre sortiti nihilominus aeterna proponimus eqs. ( ~ „… planen für die Ewigkeit“ ). An das Gleichnis vom reichen Bauern, NT Lk 12,16-21 erinnert A. SETAIOLI ( in epist.; cf. bes. V.19 ἔχεις πολλὰ ἀγαθὰ κείμενα εἰς ἔτη πολλά· ἀναπαύου, φάγε, πίε, εὐφραίνου, „du hast große Vorräte, die für viele Jahre reichen; ruh dich aus, iss, trink, freu dich des Lebens !“ ). Fällt die Formel opes fraudibus captas ein Urteil über die Gegenwart allgemein – oder denkt Encolpius auch an sich selbst ( cf. 12,2 raptum latrocinio pallium ; 117,3 vestis, rapinae comes ; s. auch COURTNEY 2001, 176: „opes fraudibus captas … is highly ironical from the mouth of Encolpius and is meant to mock the frequent hollowness of such moralizing declamation“ )? In Kroton wird das Quartett bald opulent von opes fraudibus captas leben. Ohne Parallele, jedoch durch den Kontext gesichert ist disponere als ökonomischer Begriff : „( Geld auf unbestimmte Zeit ) anlegen“ ( cf. Thes. V 1, 1425,75f., unter „aliquid praeparare, administrare, iubere, velle“ ). S. auch deponere für das „Anlegen“ von Kapital o.ä. ( 117,8 habere … trecenties sestertium fundis nominibusque depositum, mit den singulären Junkturen fundis bzw. nominibus deponere ; cf. S. 746 ). – NISBETs in statt per, und seine Deutung von disponite ( „set out for display“, „stellt eure Schätze tausend Jahre lang zur Schau“; 1962, 232 ) übertreiben die Pointe. per mille annos : Zu der Hyperbel ‚tausend Jahre‘ cf. Plaut. Mil. 1079; Verg. Aen. 6,748 mille rotam volvēre per annos ( zur Eschatologie cf. HORSFALL ad loc.); Phaedrus app. 26,7 senectam mille in annos prorogo ; Sen. dial. 10,6,4 vestra … vita, licet supra mille annos exeat, in artissimum contrahetur ; ep.

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77,11 stultissimus … flevit quod ante annos mille non vixerat eqs.; Claudian c. 18,475 mille per annos ; Aug. civ. 15,27 per annorum milia ( u.ö.). Zu ‚tausend‘ in den Sat. cf. 10,5 mille causae nos quotidie collident ; 20,2 inguina mea mille iam mortibus frigida ; BC 259f. ora … mille | vulneribus confossa ; 127,10 mille osculis lusimus ; 132,8,6 confugerat in viscera mille operta rugis ; 135,4 sincipitis vetustissima particula mille plagis dolata ; zur Zahl mille in römischen Autoren cf. E. WÖLFFLIN, Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik 9, 1896, 180-184 ; HSZ 211. § 15 nempe hic proxima luce patrimonii sui rationes inspexit : Vom Allgemeinen ( § 14 ) kommt Encolpius zum konkreten Fall : Lichas ( § 15; markiert durch die Anapher nempe ). Die vier Sätze sind chiastisch geordnet : Pläne ( § 14 magnis cogitationibus eqs.) – Finanzen ( § 14 opes fraudibus captas eqs.) – Finanzen ( patrimonii sui rationes ) – Pläne ( diem etiam eqs.). Hier bleibt Encolpius beim Stichwort ‚Vermögen‘ ( cf. § 14 opes ): „Bestimmt saß Lichas noch gestern über seinen Rechnungsbüchern“ ( statt auf Seneca zu hören; cf. ep. 17,2 suadebit tibi sc. philosophia, ne ad calculos sedeas, „…nicht über Bilanzen zu brüten“; s. auch ep. 101,4-6 [ zit. S. 682 ]: den Kaufmann rafft es inmitten seiner Geschäfte dahin ). Als t.t. der Finanzsprache bedeutet rationes (a) abstrakt „Finanzen“, ( b) „Rechnungen“ ( 30,1 procurator rationes accipiebat ), und – wie hier – (c) „Abrechnungen, Bilanzen, Rechnungsbücher“ ( 53,8 fundi empti … in rationes meas inferri vetuo ; 117,10 sedeat praeterea quotidie ad rationes ; Prop. 3,23,19f.; Sen. dial. 12,10,9 aere alieno oppressus sc. Apicius rationes suas … inspexit ; Plin. ep. 5,14,8 rationes legebam invitus et cursim ; Apul. met. 8,22,3; s. auch Sen. dial. 2,6,7 feneratores perdiderunt tabellas, quibus avaritia falso laeta divitias imaginatur, „die Wucherer verloren ihre Rechnungsbücher, in denen die Habgier sich illusorisch erträumter Reichtümer erfreut“; benef. 7,10,5 patrimonii sui liber magnus ). Einen Blick in ein solches Rechnungsbuch lässt uns Martial werfen ( 4,37 ). – Zu nempe cf. oben S. 679. nempe diem etiam, quo venturus esset in patriam, animo suo fixit : Das Illusorische von Lichas’ Plänen spiegelt sich in der ‚subjektiven‘ coniugatio periphrastica futuri ( venturus esset ). Fixit ist OEVERINGs einleuchtende, von den Herausgebern mehrheitlich adoptierte Konjektur ( so u.a. BÜCHELER ab ed.3 ; ERNOUT ; MÜLLER ab ed.2 ; CIAFFI ; ARAGOSTI ; VANNINI ; das finxit der codd. hielten u.a. BÜCHELER bis ed.2 ; MÜLLER 1 ; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI ). dii deaeque : Die Wendung ist seit der Komödie belegt ( e.g. Plaut. Cist. 481 di deaeque illam perdant ; Epid. 396 di deaeque te adiuvant ). Im genuinen

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Gebet bleibt sie selten ( Plaut. Poen. 1274 ; Verg. georg. 1,21; Aen. 6,64 dique deaeque omnes eqs.; Liv. 6,16,2 ). Als formelhaften Götteranruf verwenden sie erst neronische Autoren ( cf. 79,8,1 qualis nox fuit illa, di deaeque ; 125,4 dii deaeque, quam male est extra legem viventibus ; ferner Sen. benef. 7,11,1 di deaeque, quam pusillo animo illum aut honorare voluit aut corrumpere ! ; Plin. nat. praef. 24 ; Quint. decl. 246,9 quam ego, dii deaeque, perdidi occasionem ! ; zahlreich in Ps.-Quint. decl., e.g. 14,7 p. 295,8f. Håk. dii deaeque, quantum in hoc contumeliae est ! ). quam longe a destinatione sua iacet : Die alte Angst klingt durch, fernab der Heimat begraben zu sein; cf. Catull 68,97-100; Prop. 3,7,9f. mater non iusta piae dare debita terrae | nec pote cognatos inter humare rogos, „die Mutter vermag der frommen Erde nicht die erforderlichen Opfergaben darzubringen“ ( cf. S.J. HEYWORTH, Cynthia, Oxford 2007, 571 ad loc.) oder „vermag dir nicht die erforderliche Gabe frommer Erde zu spenden“ ( cf. FEDELI ad loc.); Ov. trist. 3,3,29-31 si tamen inplevit mea sors, quos debuit, annos …, quantum erat, o magni, morituro parcere, divi, | ut saltem patriā contumularer humo ! ; 4,3,45f.; Sen. Med. 619-621 litore externo, procul a paternis | occidens regnis tumuloque vili | tectus ignotas iacet inter umbras. – Das Nomen destinatio ist erst seit Livius belegt, und nur in Prosa ( cf. MARBACH 1931, 10 ). Verbirgt sich hinter dem „Bestimmungsort“, dem „Reiseziel“, auch die ( weder im Thes. noch im OLD belegte ) Bedeutung „Bestimmung“ ? § 16 sed non sola mortalibus maria hanc fidem praestant : Zur maris fides cf. S. 670f. zu § 8. Die ( von der Alliteration beleuchtete ) Juxtaposition mortalibus – maria lässt die ‚tödliche See‘ lebendig werden. Es folgt „a fine piece of rhetorical moralizing“ ( SCHMELING – SETAIOLI 442 ), ein kleiner K a t a l o g der multa et varia genera mortis ( Cic. Phil. 14,34 ); cf. Semonides ( zit. S. 674 ); Hor. c. 1,28,17f. ( Krieg und Seefahrt ; cf. NISBET – HUBBARD ad loc.); Sen. contr. 7,1,9 multas rerum natura mortis vias aperuit …: laqueus, gladius, praeceps locus, venenum, naufragium, mille aliae mortes insidiantur huic miserrimae animae ; Stat. silv. 2,1,212-219, bes. 213-215 hos bella, hos aequora poscunt ; | his amor exitio, furor his et saeva cupido, | ut sileam morbos ; Firm. Mat. math. 1,9,1. Omnipräsent ist das Thema bei Seneca, gerade im Kontext der consolatio ( u.a. dial. 6,11,3f.; 6,18,8; 6,22,3; 9,11,7; ep. 66,42f. alter adulescens decessit, alter senex, aliquis protinus infans … alius inter cenandum solutus est; alterius continuata mors somno est ; aliquem concubitus extinxit. his oppone ferro transfossos aut exanimatos serpentium morsu aut fractos ruinā aut per longam nervorum contractionem extortos minutatim. … mors quidem omnium par est ). Auch Petrarca variiert den Topos ( Familiaria 22,12,15 hic ferrum metuens naufragio periit ; ille procellam dum vitat equoream, hosti iugulum dedit in litore ;

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illum prelio fugientem equi lapsus allisit ; hunc parcentem laboribus sopor et requies oppressere ). illum bellantem arma decipiunt : Cf. Semonides 1,13f. West τοὺς δ᾿ Ἄρει δεδμημένους | πέμπει μελαίνης Ἀΐδης ὑπὸ χθονός, „andre schlägt der Feind im Krieg, und Hades führt sie in das schwarze Reich“ ( übers. H. FRÄNKEL ); Hor. c. 1,28,17f. dant alios Furiae torvo spectacula Marti, | exitio est avidum mare nautis ; Stat. silv. 2,1,213 hos bella … poscunt. Zuversichtlicher schildert Eumolp das Los von Kaufmann und Soldat ( 83,10,1f. qui pelago credit, magno se faenore tollit ; | qui pugnas et castra petit, praecingitur auro ). Bellantem ist ( wie das folgende reddentem ) prädikativ zu verstehen: „im Krieg“. Die Wendung arma decipiunt beschreibt fast euphemistisch den Tod. – Anaphorisches Polyptoton ( illum – illum – ille ). Zur Alltagssprache zählt das abgeschwächte ille im Sinn von is ( cf. 80,5; 92,5; 140,5 u.ö.). Mitunter verstärkt es pleonastisch das Subjekt im Sinn eines pron. pers. der 3. Person (e.g. 85,5; 86,1. 4; 137,8). Cf. HSZ 184f. 191f.; PETERSMANN 47f. 134-136. illum diis vota reddentem penatium suorum ruina sepelit : Auch für Seneca eine typische Todesursache ( dial. 9,11,7 saepe a latere ruentis aedificii fragor sonuit sc. in vicinia mea ; nat. 2,59,3 omnia quae ad mortem ducunt … sive illa bella sunt, sive naufragia, seu morsus ferarum, seu ruinarum subito lapsu procidentium pondera ; 6,1,9 nihil … interest utrum me lapis unus elidat, an … supra me domūs unius onus veniat et sub exiguo eius cumulo ac pulvere expirem ; benef. 6,9,2; ep. 13,11; 90,8 haec cum tanto habitantium periculo inminentia tecta ; 90,43 magna pars nostri metūs tecta sunt ; 103,1f.; cf. nat. 6,1,5: bei einem Erdbeben, ubi tecta crepuerunt et ruina signum dedit, … praeceps quisque se proripit et penates suos deserit ac se publico credit ). Gerade in den ärmeren Vierteln der Metropolen mit ihren Billigimmobilien stellte neben Feuersbrünsten der Kollaps von Wohnhäusern eine eminente Gefahr dar ( cf. Catull 23,8f. nihil timetis, | non incendia, non graves ruinas eqs.; Prop. 2,27,9 domibus flammam domibusque ruinas sc. timetis ; Juv. 3,7f. lapsūs | tectorum adsiduos ; Firm. Mat. math. 1,9,1 ille cadentium tectorum ruinā comprimitur ; zu den Folgen eines solchen Einsturzes cf. Lukan 2,187f. sic mole ruinae | fracta sub ingenti miscentur pondere membra ; zu Sicherungsmaßnahmen cf. Sen. benef. 6,15,7 labentem domum suscipit et agentem ex imo rimas insulam incredibili arte suspendit ; selbst Dichtern und Königen droht solches Ungemach: Val. Max. 1,4 ext. 2; 1,8 ext. 7 ; ebenso den Besuchern einer Kolonnade : Mart. 1,82 ). Juvenals Schilderung heimischer Katastrophen beginnt und endet in Ringkomposition mit dem Stichwort ruina

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( 3,190-196 quis timet aut timuit gelidā Praeneste ruinam eqs.? … vilicus … securos pendente iubet dormire ruinā ; cf. OLD s.v. 3a ). Hier nimmt das Drama tragikomische Züge an, ereilt das böse Geschick doch einen Heimkehrer, der alle Fährnisse seiner Reise heil überstanden hat und den Göttern gerade ein Dankopfer darbringt, genauer : seine Gelübde einlöst ( ähnlich Ov. am. 3,9,37f. cole sacra : colentem | Mors gravis a templis in cava busta trahet, „… mitten im Gottesdienst“ ). „Voyez cet homme qui, au moment même où il est en prières, est écrasé par la chute de sa maison. Belle récompense de la piété !“ ( COLLIGNON 299 ). Zu vota reddere, „ein Gelübde einlösen“ ( hier für die unversehrte Rückkehr ), cf. OLD s.v. reddō 9c. – Der metonymische Gebrauch der penates für das „Heim“ findet sich erst in augusteischer Zeit ( OLD s.v. 3 ). Hören wir zwischen den Zeilen auch vom „Versagen“ der das Haus hütenden Penaten ( cf. OLD s.v. ruina 5a ) ? Die den Katalog gliedernde Anapher illum – illum ( cf. HSZ 191; PETERSMANN 1977, 135 ) setzt das folgende ille in variatio fort. ille vehiculo lapsus properantem spiritum excussit : Wohl kaum eine Szene aus einer heroischen Schlacht ( Verg. Aen. 10,590 excussus curru moribundus volvitur arvis ; 10,595f. tendebat inertīs | infelix palmas, curru delapsus eodem ), und ebenso wenig aus den Wagenrennen im Circus Maximus, eher eine reale Gefahr gerade bei rasanten Ausfahrten auf dem Land ( cf. Lucr. 3,1063f. currit agens mannos ad villam praecipitanter eqs.; Prop. 4,8,17f. 21f.; Ov. fast. 6,743-745 exciderat curru, lorisque morantibus artūs … lacero corpore raptus erat | reddideratque animam ; Juv. 1,60f. pervolat axe citato | Flaminiam sc. viam puer Automedon ; 8,146-150 ). Zu den ‚selteneren Schicksalsschlägen‘ zählt Seneca naufragium facere, vehiculo everti ( ep. 103,1 ). Properantem ( „… den sich flugs verabschiedenden Lebensgeist “ ) steht auch in Enallage ( ille properans ). VANNINI ad loc. versteht das Partizip als Synonym des ‚gehetzten‘ Zeitgenossen ( „l’uomo affaccendato“ ). Excutere beschreibt meist den bewusst provozierten Sturz von Pferd oder Wagen ( cf. Liv. 8,7,10 cum equus prioribus pedibus erectis magnā vi caput quateret, excussit equitem ; Ov. met. 15, 524 excutior curru ; Curt. Ruf. 3,11,11 equi … iugum quatere et regem curru excutere coeperant ; Thes. V 2, 1310,38-41 ). Vergil schätzt das Verb ( u.a. Aen. 10,590, oben zit.; 11,638-640 alta … iactat … arrecto pectore crura sc. sonipes, | volvitur ille excussus humi ; 12,469f. media inter lora Metiscum | excutit et … lapsum … relinquit, Juturna stößt Turnus’ Wagenlenker vom Wagen ). Die markante Verschiebung, die hier mit spiritum excutere ins Spiel kommt ( „l’espressione è ricercata“; VANNINI ad loc.), ist ohne Parallele: als ‚werfe‘ der gehetzte Reisende ‚sein Leben‘ willentlich ‚fort‘ ( cf. 102,7

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spiritum tamquam rem vacuam impendere ; zu der seit Cicero belegten Metonymie spiritus für das „Leben“ cf. VANNINI 133f. ad loc.; OLD s.v. 3b ). Die exotische Junktur ( tacet Thes.) kehrt erst in der Spätantike wieder, in der Beschreibung eines Exorzismus ( Gregor Magnus dial. 1,10,6 Dei famulus ex obsesso quodam homine inmundum spiritum excussit ; zu spiritus als Subjekt cf. Sen. nat. 6,10,1 partes sc. terrae, quas … spiritus violentiā excusserit, „Teile der Erde, die Wind mit Gewalt durchschüttelte“ ). Der eindrückliche Abl. separativus ( den KRAFFERT 1888, 12 zu ‹ e › vehiculo normalisieren wollte ) ist ein Phänomen der Dichtung und der poetisch gefärbten Kunstprosa ( e.g. Verg. Aen. 12,364 sternacis equi lapsum cervice Thymoeten ); cf. LÖFSTEDT I, 291-296, bes. 294 ; KST 1,361-375 ( bes. 369 zu 101,11 ); HSZ 102-107; PETERSMANN 86f. Unabhängig voneinander vermuteten STÖCKER ( 1969, 124 ; cf. ders. 1970 ) und WALSH ( 1970, 103 Anm. 2 ) hier scharfsinnig einen Textausfall. Am Anfang steht ein Paar ( Krieger und Heimkehrer ), ebenso am Ende ( Gierschlund und Hungerleider ). Das spräche für ein weiteres Duo in der Mitte ( zustimmend VANNINI ad loc.: „un saut du même au même potrebbe aver causato la perdita di un esempio opposto a quello dell’affannato passeggero.“; s. auch S. 749 zu dem Textausfall in 117,9 ). WALSH erwog e.g. ille vehiculo lapsus, ‹ ille pedibus › properan ‹ s › spiritum excussit. Einen lebhafteren Kontrast hatte STÖCKER vor Augen ( s. oben: „exemplum desidentis videtur excidisse“ ), also jemanden, der es eilig hat, und einen Müßiggänger. Ein solches Paar findet sich in Augustins großer Litanei menschlichen Leids ( civ. 22,22 == II 606 Z. 10-13 D.–K.5 de foro quidam rediens domum sanis pedibus suis cecidit, pedem fregit et ex illo vulnere finivit hanc vitam. quid videtur sedente securius ? de sella, in qua sedebat, cecidit Heli sacerdos et mortuus est ). cibus avidum strangulavit, abstinentem frugalitas : „Der Braten erstickt den Gierschlund, den Hungerleider sein Darben.“ ( Chiasmus mit Alliteration der Schlüsselbegriffe; strangulavit steht zeugmatisch ). Ähnliche Paare stellt Seneca zusammen: ipsos voluptas habet, cuius aut inopiā torquentur aut copiā strangulantur ( dial. 7,14,1, über Menschen, die einzig dem Genuss leben ). VANNINI ad loc. zitiert dial. 6,11,3 ( über den Menschen allgemein ) alimenta metuens sua, quorum modo inopiā ‹ deficit, modo copiā › rumpitur ( add. P. THOMAS ). Apuleius’ Held Lucius schildert anschaulich, wie er beinahe an einem Löffel Gerstengraupen erstickt wäre ( met. 1,4,1 ). In Plinius’ langer Liste kurioser Todesfälle verdanken sich mehrere Beispiele dem Stichwort ‚Nah-

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rungsaufnahme‘ ( nat. 7,180-185; s. auch Sen. nat. 6,2,5 extimescam emotum sedibus suis mare …, cum quosdam strangulaverit potio male lapsa per fauces ? ). An einer Rosine soll der Dichter Anakreon erstickt sein ( Val. Max. 9,12 ext. 8; Plin. nat. 7,44 ), an einer Traube Sophokles ( A.P. 7,20 == FGE 895f. ), an einer Birne Kaiser Claudius’ kleiner Sohn Drusus ( Suet. Claud. 27,1 ). Die diversen Todesursachen werden immer knapper und gehetzter abgehandelt – als ziehe sich das Netz letaler Gefahren immer rascher zu. si bene calculum ponas : „Zieht man Bilanz …“. Calculum ponere ist t.t. der Buchhaltung : „Buch führen, abrechnen“, mit Blick auf Gewinne und Verluste ( zum Rechnen mit Rechentafel und Steinen cf. 80,9,2 calculus in tabula mobile ducit opus, und Bd. I, S. 28 ad loc.; e.g. Juv. 9,40-42 ponatur calculus, adsint | cum tabula pueri eqs.; OLD s.v. calculus 3b; es geht definitiv nicht um Brettspiele, an die SCHMELING in SCHMELING – SETAIOLI 442 hier denkt ). Die Wendung wird gerne metaphorisch verwendet ( cf. Sen. dial. 11,9,1 nihil … minus bono viro convenit quam in fratris luctu calculos ponere, „… als mit der Trauer um den Bruder ein Kalkül zu verfolgen“; ep. 81,6; Plin. ep. 1,14,9; 2,19,9 omnes … quos ego movi in utraque parte calculos pone, „stelle alle Punkte in Rechnung, die ich pro und contra vorgelegt habe“; paneg. 20,5; Quint. decl. 273,8; Boethius cons. 2 p. 3,9 visne igitur cum Fortuna calculum ponere ? ; Thes. III, 143,67-73; OLD s.v. pōnō 18c ). GOTSCHLICH 1863, 29 verglich Senecas verwandte Junktur si bene computes ( dial. 6,21,7 incrementa ipsa, si bene computes, damna sunt, „genau besehen, bedeutet eben unsere biologische Entwicklung Verlust“; 11,9,4 si bene computes, plus illi remissum quam ereptum est, „genau besehen, ist ihm dank seines Todes mehr erspart geblieben als entrissen worden“ ). Der Konditionalsatz lautet also sinngemäß : „wer Soll und Haben sauber aufrechnet“, oder kurzum: „nüchtern betrachtet …“ ( zur Differenz der Modi zwischen dem Potentialis im Konditionalsatz und dem Indefinitus im Hauptsatz cf. KST 2,394 f.; PETERSMANN 287 ). ubique naufragium est : „… so lauert überall Schiffbruch.“ ( „in the midst of shipwreck, of course shipwreck is everywhere“; CONNORS 1998, 78 ). Passend zu den aktuellen Ereignissen enden alle drei Abschnitte – die allgemeinen Betrachtungen ( §§ 9f. und 14-16 ) wie die Gedanken zu Lichas ( §§ 12f. ) – mit einem nautischen Aphorismus ( § 10 en homo quemadmodum natat ; § 13 de tam magna nave ne tabulam quidem naufragus habes ; § 16 si bene calculum ponas eqs.). Oedipus’ kleine Liste potentieller Selbstmordmöglichkeiten endet mit der Quintessenz ubique mors est ( Sen. Phoen. 146153, hier 151; zit. COLLIGNON 299 ).

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Dank ihrer Vielseitigkeit war die Metapher des Schiffbruchs bereits in Hellas populär ( e.g. Theophrast ap. Diog. Laert. 5,55 ἑωρῶμεν Ἵππαρχον … ἐν τοῖς ἰδίοις μάλα νεναυαγηκότα, „ich sah Hipparchos in seinen Angelegenheiten übel Schiffbruch erleiden“; Kebes Pinax 24,2 ὡς ναυαγοῦσιν ἐν τῷ βίῳ, „wie sie Schiffbruch erleiden im Leben“; Asklepiades A.P. 5,209,5 == HE 984 χὠ μὲν ἐναυάγει γαίης ἔπι, „Schiffbruch erlitt er auf festem Grund“; Kallimachos A.P. 7,277 == HE 1265-68 ). Auch römische Texte nutzen die Metapher für Fährnisse des privaten wie des öffentlichen Lebens ( e.g. Cic. inv. 1,4 cum ad gubernacula rei publicae … audaces homines accesserant, maxima ac miserrima naufragia fiebant ; Ov. trist. 1,5,36 date naufragio litora tuta meo ; 5,9,15-18 cum … naufragium … meum tumulo spectarit ab alto ( sc. ein Großteil von Ovids Freunden ), | nec dederit nanti per freta saeva manum ; cf. OLD s.v. naufragium 1a, „in fig. phrs.“ ). Fort- und zuende gedacht wird im Grunde das alte Bild vom Leben als Seefahrt ( cf. Sat. 137,9 quisquis habet nummos, securā navigat aurā eqs., und ad loc.; H. BLUMENBERG, Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher, Frankfurt 41993, bes. 9-11 ). Hier erlaubt die Metapher zwei Lesarten: „… lauert allgegenwärtig das Verhängnis“, oder, radikaler, als Blick auf unsere conditio humana: „… endet alles notwendig mit dem Tod“. Die vorausgegangenen Beispiele für ein plötzliches Ende weisen in die zweite Richtung ( der Thes. IX 1, 215,64-71 s.v. naufragium sortiert die Stelle als ersten Beleg zum Sublemma „sc. naufragium eorum, qui moriuntur“, mit ansonsten ausschließlich christlichen Belegen, u.a. Tert. an. 52,4 naufragia sunt vitae etiam tranquillae mortis eventūs, „ein Schiffbruch des Lebens ist auch das Eintreten eines ruhigen Todes“; s. aber Ps.-Sen. Herc. Oet. 118: wer den Tod verachtet, solus non poterit naufragium pati ). Als consolatio soll der Topos die ephesische Matrone trösten ( 111,8 omnium eundem esse exitum et idem domicilium ; cf. 55,1 quam in praecipiti res humanae essent ). Seneca schmückt die Metapher bisweilen maritim aus, u.a. dial. 11,9,6 omnis vita supplicium est. in hoc profundum inquietumque proiecti mare … numquam stabili consistimus loco … et aliquando naufragium facimus, semper timemus ; in hōc tam procelloso … mari navigantibus nullus portus nisi mortis est ; ep. 49,11 erras si in navigatione tantum existimas minimum esse quo ‹ a › morte vita diducitur : in omni loco aeque tenue intervallum est. non ubique se mors tam prope ostendit : ubique tam prope est ( es ist falsch zu glauben, nur auf See trenne einzig eine dünne Schiffswand das Leben vom Tod – er lauert überall ). Tröstlicher klingt sein Bild vom Leben als Seefahrt, die im Hafen endet ( ep. 70,2f.; s. auch ep. 81,2 post naufragium maria temptantur, „auch nach einem Schiffbruch sticht man wieder in See“; ferner BERNO 2015, bes. 287-296 ).

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Metapher und Realität verschmelzen, wenn Nero sich seiner Mutter auf hoher See entledigen möchte ( cf. Tac. ann. 14,3,3 nihil tam capax fortuitorum quam mare ; et si naufragio intercepta sit, quem adeo iniquum, ut sceleri adsignet, quod venti et fluctūs deliquerint ?, „… wer sei dann so ungerecht, als Mord anzusehen, was Wind und Wogen verbrochen hätten ?“ ), und wenn in Lukans Gleichnis vom sturmgebeutelten Staatsschiff die Mannschaft in die Fluten springt, noch bevor die Planken brechen: naufragium sibi quisque facit ( 1,503; cf. ROCHE ad loc.: „By abandoning ship, each sailor damns his own chances for survival, and … thus contributes to the foundering of his ship“; s. auch Bd. III zu BC 233-237, dem Gleichnis vom Seesturm ). – Wohl ex memoria zitierte VOLTAIRE den Passus: „ubicumque calculum ponas, ibi naufragium invenies. Comptez que le monde est un grand naufrage, et que la devise des hommes est, Sauve qui peut.“ ( nach VANNINI 2011a, 98 ). In mehreren Petron zugeschriebenen Gedichten der Anth. Lat. kehren die Themen ‚See‘ und ‚Schiffbruch‘ wieder ( auch metaphorisch ); cf. Sat. frg. 32,3f. M.4 == Anth. Lat. 470,3f. R. == 468,3f. Sh.B.; frg. 39 M.4 == Anth. Lat. 477 R. == 475 Sh.B.; frg. 40 M.4 == Anth. Lat. 478 R. == 476 Sh.B.; frg. 46,1f. M.4 == Anth. Lat. 692,1f. R. naufragus eiecta nudus rate quaerit eodem | percussum telo, cui sua fata fleat eqs. ( s. auch CONNORS 1998, 78-80 ). Zu dem klassisch distributiven ubique, das seit augusteischer Zeit die selbständige Bedeutung eines „überall“ gewinnt, cf. ferner 45,3; 58,12; HSZ 200; PETERSMANN 125f. § 17 at enim : At (enim) führt in der Tradition der Gerichtsrede und der declamatio den Einwand eines gedachten Gegenüber ein ( cf. 107,11 at enim amici fuerunt nostri, und Bd. I, S. 432 ad loc.; Thes. II, 996,48ff. ; KST 2,85f. ). Gleiches gilt für die variatio tamen ( § 18 ). fluctibus obruto non contingit sepultura : Der erste von zwei hypothetischen Einwürfen ( der zweite folgt § 18 ferae tamen eqs.). In beiden Fällen beginnt die Widerlegung mit tamquam ; beide Male mündet sie in einer Sentenz ( hier § 18 quicquid feceris, omnia haec eodem ventura sunt ; s. auch STÖCKER 1969, 125 ). Die Angst davor, unbestattet zu bleiben, saß in der Antike tief. Denn nach alter Vorstellung war eine solche Seele dazu verdammt, ‚heimatlos‘ zwischen Diesseits und Jenseits zu wandern; einzig eine Bestattung sicherte ihr die Aufnahme ins Totenreich ( deshalb Patroklos’ und Elpenors Bitte um eine ordnungsgemäße Bestattung, Ilias 23,71-74 ; Od. 11,71-80; s. auch Od. 5,308-312; Hor. epod. 5,99f., und L.C. WATSON ad loc.; Verg. Aen. 6,325-330 haec omnis, quam cernis, inops inhumataque turba est eqs., und NORDEN bzw. HORSFALL ad loc.; Ov. trist. 1,2,51-56 nec letum timeo, genus

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est miserabile leti ; | demite naufragium, mors mihi munus erit eqs.; ROHDE, Psyche, Leipzig 21898, I, 216-218; J.H. WASZINK, Q. Septimi Florentis Tertulliani De anima, Amsterdam 1947, 564-567; J.N. BREMMER, The early Greek concept of the soul, Princeton 1983, 89-108; S.I. JOHNSTON, Restless Dead, Berkeley 1999, bes. 9f. ). Niemanden traf dieses Los eher als einen auf hoher See Ertrunkenen ( cf. Hesiod erga 687 δεινὸν δ᾿ ἐστὶ θανεῖν μετὰ κύμασιν, „schrecklich ist’s, zu sterben inmitten der Wogen“; Ach. Tat. 5,16,2 λέγουσι δὲ τὰς ἐν ὕδατι ψυχὰς ἀνῃρημένας μηδὲ εἰς Ἅιδου καταβαίνειν ὅλως, ἀλλ᾿ αὐτοῦ περὶ τὸ ὕδωρ ἔχειν τὴν πλάνην, „man erzählt, Seelen, die im Wasser umkamen, stiegen überhaupt nicht in den Hades hinab, sondern irrten über dem Wasser umher“; s. auch LATTIMORE 1942, 199-202 ). Quälend war weniger die Vorstellung, in einem Fischmagen zu enden ( cf. S. 679 zu § 13 ), als überhaupt und für alle Zeit eines Grabes zu entraten. Auch deshalb Aeneas’ Klage im Seesturm ( Verg. Aen. 1,94-101 o terque quaterque beati, | quīs … Troiae sub moenibus altis | contigit oppetere ! eqs.; cf. Agrippinas Stoßseufzer in den Fluten, Ps.-Sen. Oct. 342-344 en, ut merui, ferar ad manes | inhumata tuos, | obruta saevis aequoris undis ; ferner Prop. 3,7, 8-12 et nova longinquis piscibus esca natat, | et mater non iusta piae dare debita terrae | nec pote cognatos inter humare rogos, | sed tua nunc volucres astant super ossa marinae, | nunc tibi pro tumulo Carpathium omne mare est ; Ov. met. 11,539f. vocat ille beatos, | funera quos maneant ; fast. 3,597f. tunc primum Dido felix est dicta sorori | et quaecumque aliquam corpore pressit humum ; Sen. Ag. 512-516; Ach. Tat. 3,23,3: Kleinias kam auf See um, „damit er nicht nur sein Leben verliere, sondern auch seine Bestattung“, ἵνα μὴ τὴν ψυχὴν μόνον ἀπολέσῃ, ἀλλὰ καὶ τὴν ταφήν ). Kenotaphe für auf See Umgekommene waren auf antiken Totenäckern ein vertrauter Anblick ( cf. Ov. met. 11,429 saepe in tumulis sine corpore nomina legi, sowie etliche Grabinschriften, e.g. A.P. 7,271-275; W. PEEK, Griechische Grabgedichte, Berlin 1960, u.a. Nr. 18, 225, 235 ). Aus diesem Grund wünscht sich Chaireas, der glaubt, er habe Kallirhoe getötet, nach seiner Hinrichtung keine Bestattung : „versenkt meinen verruchten Leib im tiefen Meer“ ( Chariton 1,5,5 τὸ ἀσεβὲς καταποντώσατε σῶμα ). Die Vorstellung taugt auch als Fluch ( Enn. Thyestes 296-299 Joc. ipse summis saxis fixus asperis, evisceratus, | latere pendens, saxa spargens tabo sanie et sanguine atro. | neque sepulcrum quo recipiat habeat, portum corporis, | ubi remissā humanā vitā corpus requiescat malis ). Nur der vom Orkan geschlagene Caesar kann auf ein Grab verzichten; ihm genügen die Furcht und die Sehnsucht der Nachwelt ( Lukan 5,668-671 mihi funere nullo | est opus, o

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superi : lacerum retinete cadaver | fluctibus in mediis, desint mihi busta rogusque, | dum metuar semper terrāque expecter ab omni ). Zu der raren Junktur fluctibus obrui cf. Liv. 31,45,14 saevā coortā tempestate prope obruti fluctibus dispersi … in terram effugerunt sc. nautae; Val. Max. 1,7 ext. 3 fluctibus et procellis … obruti sunt ; Juv. 14,296f. ( ein über Bord Gespülter ) cadet fractis trabibus fluctuque premetur | obrutus ; Thes. IX 2, 153,10f. ( verwandt e.g. Sen. Tro. 1030f. mille … ponto pariter carinas | obrui vidit ; Mart. 5,42,6 mercibus extructas obruet unda rates ; 9,40,7f. mersus fluctibus obrutusque ponto … Diodorus enatavit ). contingit : Statt des unsinnigen überlieferten Perfekts ( contigit ) adoptieren die modernen Herausgeber fast ausnahmslos GOLDASTs Präsens. Mit Blick auf das Futur lacerabunt ( § 18 ) erscheint auch BARTHs continget eine Überlegung wert. Doch de facto beschreiben die beiden fiktiven Einwände eine Chronologie: die rituelle Bestattung fällt von Anfang an ‚ins Wasser‘ ( § 17 ); die ‚Bestattung‘ in den Tiermägen erfolgt später ( § 18 ). tamquam intersit, periturum corpus quae ratio consumat, ignis an fluctus an mora : Die religiösen Skrupel lässt Encolpius nicht gelten. Wie der vergängliche Leib ende, sei ohne Belang. Solche Überlegungen werden in der hellenistischen Philosophie populär, bei Epikureern, Kynikern und in der Stoa; von dort aus ziehen sie ihre Kreise. Cf. u.a. Teles de fuga 31 (== p. 282 F. G.) τὶ διαφέρει ὑπὸ πυρὸς κατακαυθῆναι ἢ ὑπὸ κυνὸς καταβρωθῆναι ἢ … ὑπὸ κοράκων κτλ. ( „Welchen Unterschied macht es, von Feuer verzehrt oder von einem Hund oder Raben verschlungen worden zu sein usw.“; cf. FUENTES GONZÁLEZ 353f. ad loc.); Lucr. 3,880 corpus uti volucres lacerent in morte feraeque, fürchten die Menschen zu Unrecht ; 3,888-893 ( cf. R. HEINZE 167-170 ad loc.; COLLIGNON 245; A. SETAIOLI, Sepulcro y herencia de afectos, in: Anales de la Academia Nacional de Ciencias de Buenos Aires 2010, 73-90, bes. 75 ); Cic. Tusc. 1,102-108, bes. 102 Theodori quidem nihil interest, humine an sublime putescat ; 104 Diogenes … proici se iussit inhumatum. tum amici : ‚volucribusne et feris ?‘ ‚minime vero‘ inquit, ‚sed bacillum propter me, quo sc. eas abigam, ponitote.‘ ‚qui poteris ? … non enim senties.‘ ‚quid igitur mihi ferarum laniatus oberit nihil sentienti ?‘ ; Sen. contr. 8 exc. 4 omnibus natura sepulturam dedit : naufragos idem fluctus, qui expulit, ‹ sepelit › ; Sen. dial. 9,14,3 ( der mit der Hinrichtung bedrohte Philosoph Theodoros von Kyrene ) quod ad sepulturam pertinet, o te ineptum, si putas mea interesse supra terram an infra putrescam ; ep. 92,35 diserte Maecenas ait : ‚nec tumulum curo : sepelit natura relictos‘ ; Marcus Aurelius ap. Fronto ad M. Caes. 1,6,5 == p.11,29-31 v.d.H. sive maria naufragos devorent sive flumina praecipites trahant sive harenae obruant sive ferae lacerent sive volucres discerpant, corpus huma-

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num satis sepelitur, ubicumque consumitur ; Minucius Felix 11,4 nec intersit utrum ferae diripiant sc. corpus an maria consumant an humus contegat an flamma subducat. Als Stoiker liebäugelte Seneca mit dieser Einstellung, e.g. ep. 92,34 f. ille divinus animus egressurus hominem, quo receptaculum suum conferatur, ignis illud excīdat ( BRAKMAN : excludat vel exurat codd.) an terra contegat an ferae distrahant, non magis ad se iudicat pertinere quam secundas ( „Plazenta“ ) ad editum infantem. utrum proiectum aves differant an consumatur ‚canibus data praeda marinis‘, quid ad illum qui nullus ‹ est › ? eqs.; 102,27 scindetur, obruetur, abolebitur : quid contristaris ?, „dein Leichnam wird zerstückelt, verscharrt, vernichtet werden – was quält es dich ?“; remed. fort. frg. 5,2 Haase p. 449 quid interest, ignis me an fera consumat an tempus, ultima omnium sepultura ? ( zit. GOTSCHLICH 1863, 29 ). So auch sein Neffe ( Lukan 7,809-811 tabesne cadavera solvat | an rogus, haud refert ; placido natura receptat | cuncta sinu, finemque sui sibi corpora debent, über die Toten von Pharsalos, denen Caesar die Bestattung verweigert ; 7,818f. capit omnia tellus | quae genuit ; caelo tegitur qui non habet urnam ). periturum : Zu Petrons Schwäche für das ominöse Part. fut. act. ( HSZ 390 ) cf. u.a. 21,3; TH 53 peritura Troia ; 112,6 commodaret … perituro locum ; BC 19 peritura … fata ; BC 83 perituram … molem ; BC 208 periturorum … Gigantum ; 137,12; frg. 43,13 M.4 periturus navita. Sie hat ein Vorbild in Vergil ( cf. georg. 2,498 peritura … regna ; Aen. 2,408 sese medium iniecit periturus in agmen ; 2,660 periturae … Troiae ; 2,675 si periturus abis, et nos rape in omnia tecum ; 11,856 ). ratio : Der Thes. s.v. ‚ratio‘ verbucht die Stelle unter dem Stichwort „id, quod in rerum natura est, evenit“, also quasi ‚Naturgesetz‘ ( XI 2, 195,67196,20; cf. OLD s.v. 12a ). Treffender scheint „Methode, Weise, Weg“ ( e.g. Verg. Aen. 4,115f. qua ratione quod instat | confieri possit, paucis … docebo ; Ov. ars 3,611 qua vafer eludi possit ratione maritus eqs.; OLD s.v. 14 a: „a manner, method, means“ ). mora : Mora umschreibt euphemistisch die „Zeitspanne“ zwischen Tod und Verwesung ( zu der Vorstellung cf. Ov. met. 15,156f. corpora, sive rogus flammā seu tabe vetustas | abstulerit, mala posse pati non ulla putetis ; Lukan 7,809-811, oben zit.; 7,844-846 Latiae pars maxima turbae | fastidita iacet, quam sol nimbique diesque | longior Emathiis resolutam miscuit arvis ). Zu mora im Sinn von tempus zitiert MÜLLER 1 212 Ov. met. 15,362f. nonne vides, quaecumque morā fluidoque calore | corpora tabuerint, in parva animalia verti ? ; rem. 83 teneras mora percoquit uvas ; trist. 5,2,9; s. auch Pont. 4,11,14, und OLD s.v. 4 : „lapse of time“. – Überflüssig sind Eingriffe wie terra ( CRUSIUS ) oder aura ( BÜCHELER ad loc.); s. auch VANNINI ad loc.

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§ 18 quicquid feceris, omnia haec eodem ventura sunt : „Welchen Weg man auch wählt“, um den Leib zu vernichten ( cf. § 19 omnia facere, ne eqs.) – „alles läuft aufs Gleiche hinaus“. Hat Encolpius noch die Worte des miles im Ohr ( 111,8 omnium eundem esse exitum et idem domicilium )? Die coniugatio periphrastica ( ventura sunt ) drückt hier die ‚Notwendigkeit‘ bzw. ‚Gesetzmäßigkeit‘ des Prozesses aus ( cf. KST 1,160f. ). Zur Inkongruenz zwischen dem Neutrum Sg. des verallgemeinernden Relativpronomens ( quicquid, umgangssprachlich für quaecumque ) und dem Neutrum Pl. des Demonstrativpronomens cf. LÖFSTEDT 1911, 307-310; ders., Synt. II, 145 ; HSZ 431f.; PETERSMANN 51. Das augenfällig nachgestellte Demonstrativpronomen ( haec ) betont das pleonastische omnia. Das Phänomen ist typisch für die ‚vulgären‘ Partien ( cf. 39,5 caelus hic ; 49,4 porcus hic ; in metrischen Partien: BC 106 pectore in hoc ; cf. HSZ 407f.; PETERSMANN 134 ). ferae tamen corpus lacerabunt : Ein zweites potentielles Argument in Sachen gestörter Totenruhe liefert der postmortale Tierfraß ( cf. § 13 piscibus beluisque expositus es ; die ferae lassen eher an Landtiere denken, wie e.g. Od. 14,133f.; Pacuvius trag. 197-199 R.3 mater, te appello, … surge et sepeli natum ‹ tuum › … prius quam ferae | volucresque ). So geschieht es auf dem S c h l a c h t f e l d ( cf. Ilias 1,4 f. αὐτοὺς δὲ ἑλώρια τεῦχε κύνεσσιν | οἰωνοῖσί τε πᾶσι, „die toten Heroen selbst aber machte er zur Beute den Hunden und Vögeln allesamt“; Val. Max. 1,6,11 corpus imperatoris inter promiscuas cadaverum strues avium ferarumque laniatibus obiectum ; Lukan 4,809f. Libycas … pascit aves nullo contectus Curio busto ; 7,825846 : Wölfe, Löwen, Bären, Geier laben sich in Pharsalos; Stat. Theb. 10,352f. teneant quem sc. regem iam fortasse volucres | Thebanique canes ; 10,429f. ego infandas potior satiare volucres, | me praebete feris ). Oder es wird zur S t r a f e über den Tod hinaus ( cf. Soph. Ant. 205f. ἐᾶν δ᾿ ἄθαπτον καὶ πρὸς οἰωνῶν δέμας | καὶ πρὸς κυνῶν ἐδεστὸν αἰκισθέν τ᾿ ἰδεῖν, Polyneikes soll man „unbestattet lassen, einen Leib für Vögel und für Hunde zu verspeisen und als geschändet anzusehen“; übers. W. SCHADEWALDT ; Ov. her. 11,83f. dari parvum canibusque avibusque nepotem | iusserat ; Stat. Theb. 12,565-567 ipsae | pabula dira ferae campumque odere volucres | spirantem tabo et caelum ventosque gravantem : die Aasfresser verschmähen die verrotteten Leichen vor Theben, denen Kreon die Bestattung verweigerte ; Apul. met. 5,27,3 per saxa cautium membris iactatis atque dissipatis et … laceratis visceribus suis, alitibus bestiisque obvium ferens pabulum interiit ). Mit diesem Los rechnet auch die verlassene Ariadne ( Catull 64,152f. dilaceranda feris dabor alitibusque | praeda ; Ov. her. 10,83f. iam iam venturos aut hac aut suspicor illac, | qui lanient avido viscera dente, lupos ). Auch

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Hingerichtete wurden wilden Tieren und Vögeln überlassen oder vorgeworfen ( e.g. Hist. Apoll. 50,12 rec. A ; Verres’ Kerkermeister droht den Angehörigen zum Tode Verurteilter, dass illorum … corpora feris obicientur, Cic. Verr. 2,5,119 ). Diese Strafe traf die Gracchen ( Val. Max. 6,3,1d ), aber auch Seians Mitverschwörer ( Tac. ann. 6,19,2f. ). Wie wilde Tiere einen verhassten Toten zerfleischen, malt sich der F l u c h aus ( e.g. Hor. epod. 5,99f. post insepulta membra different lupi | et Esquilinae alites ; 10,21f.; Ov. Ibis 169-172. 515f.; Sen. Thy. 747-751 obiecit feris | lanianda forsan corpora atque igne arcuit ? (…) feris … triste pabulum saevis trahat eqs.; 1032f. utrumne saevis pabulum alitibus iacent, | an beluis vorantur, an pascunt feras ? ; Mart. 10,5,10-12 cum supremae fila venerint horae …, sentiat canum litem | abigatque moto noxias aves panno : um den Sterbenden sammeln sich Hunde und Aasvögel; s. auch Theokrit 3,53 τοὶ λύκοι ὧδέ μ᾿ ἔδονται, „hier werden die Wölfe mich fressen“ ). Trost fanden christliche Märtyrer in der Vorstellung. Ignatios von Antiochia schreibt vor seinem Blutzeugnis ( ad Romanos 4,1f. ): „Lasst mich das Mahl der Bestien sein ( ἄφετέ με θηρίων εἶναι βοράν ), durch die ich Gott erreichen kann. Weizen Gottes bin ich, und von Raubtierzähnen werde ich gemahlen, auf dass ich als reines Brot Christi erfunden werde. Reizt die Tiere lieber, damit sie mein Grab werden ( ἵνα μοι τάφος γένωνται ) und nichts übrig lassen von meinem Leib, damit ich niemandem zur Last falle, wenn ich entschlafen bin.“ tamquam melius ignis accipiat : i.e. ‹ corpus › accipiat, „als wenn das Feuer barmherziger mit ihm umgienge !“ ( HEINSE ). Den fiktiven Einwand widerlegt eine sarkastische variatio des Arguments von § 17 ( tamquam intersit, periturum corpus quae ratio consumat eqs.: „als verfahre der Scheiterhaufen freundlicher mit dem Leichnam“ ). Hier schwingt die Idee mit, der Tote spüre ohnehin nichts mehr ( cf. 111,12, und S. 548f. ad loc.). Ähnlich sarkastisch kommentiert Lukrez den Irrglauben von der Notwendigkeit einer ordentlichen Bestattung ( 3,884-893; cf. R. HEINZE 168-170 bzw. E.J. KENNEY 202 ad loc.). immo : Zu der Partikel cf. ROSÉN 2003 ; VANNINI 123 ad 101,8 ( s. auch Bd. I, S. 329 zu der Verbindung immo vero ). hanc poenam gravissimam credimus, ubi servis irascimur : cf. Trimalchios scherzhafte Drohung 78,2 alioquin te vivum comburam ; Sen. ep. 24,5 acerbum est uri ; 78,19 plus est flamma et eculeus et lamina et vulneribus ipsis intumescentibus quod illa renovaret et altius urgueret inpressum ; Tert. mart. 4,2 summa ignium poena ( sowie 102,9 Komm. == Bd. I, S. 359f. zur Brutalität mancher

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Sklavenstrafen; s. auch BLÜMNER 292-296 ; Thes. VII 1, 291,37-63: „igne interficiuntur aut torquentur animantia“ ). Als Strafe war die Verbrennung in Rom wohl schon seit ältester Zeit gebräuchlich, bei politischen Verbrechen und wahrscheinlich bei vorsätzlicher Brandstiftung. In der Kaiserzeit zählte sie neben decollatio und crux zu den summa supplicia und galt als schwerste Todesstrafe. Vollzogen wurde sie in erster Linie an Unfreien; teilweise drohte sie aber auch Freien niedrigeren Standes ( humiliores ). Historische Belege zu ihrer Anwendung sind für die klassische Zeit rar. Das Bild ändert sich mit den Christenprozessen ( e.g. Tert. apol. 50,3; Amm. Marc. 29,1,38f.; im Roman u.a. Apul. met. 6,31,1 ut primus vivam cremari censeret puellam ; Hist. Apoll. 46,8 rec. A, und S. PANAYOTAKIS ad loc.; H. HITZIG, RE IV 2, 1901, 1700-02 s.v. Crematio ; E. CANTARELLA, I supplizi capitali in Grecia e a Roma, Mailand 1991, 223-237; N. HYLDAHL, RAC 15, 1991, 348 s.v. Hinrichtung ). Eine Sonderform war die tunica molesta ( cf. Sen. ep. 14,5; Juv. 8,235, und COURTNEY ad loc.; Ps.-Quint. decl. 12,14 p. 246,21f. Håk. circumdati sunt quidam flammis, ipsa tamen poena habuit sepulturam, „… die Bestrafung war aber gleichzeitig die Bestattung“, und A. STRAMAGLIA ad loc.), in der u.a. etliche Christen als nächtliche Fackeln Neros Gärten beleuchteten ( lt. Tac. ann. 15,44,4 verbrämte Feindseligkeit gegenüber einem obskuren neuen Kult : multitudo ingens haud proinde in crimine incendii quam odio humani generis convicti sunt ). Eine gerade Sklaven gegenüber angewendete Vorstufe der crematio war die Folter mit glühenden Eisen ( cf. den Eid 117,5 uri, vinciri, verberari ferroque necari, ferner Plaut. Asin. 548-550, in einer Liste gebräuchlicher tormenta für das Gesinde; Cic. Verr. 2,5,163 ignes ardentesque laminae ceterique cruciatūs admovebantur ; Prop. 4,7,35 Lygdamus uratur ; candescat lamina vernae, „… es glühe das Eisen für den Haussklaven“; Val. Max. 6,8,1 candentibus … lamminis ustus sc. servus in iudicio ; Juv. 14,21f. ). Zu temporalem ubi in Verbindung mit dem Indiktiv Präs. cf. 107,10 quid debent laesi facere, ubi rei ad poenam confugiunt ?, und PETERSMANN 274 f. § 19 quae ergo dementia est, omnia facere, ne quid e nobis relinquat sepultura ? : „Was für ein Wahnsinn also, alles daran zu setzen, damit die Bestattung ja nichts von uns übrig lasse !“ ( den pointierten Gegensatz ‚alles – nichts‘ notierte SCHNUR 1968, 231 ). Der Begriff sepultura deckt eine Feuerbestattung ebenso ab wie eine Beisetzung. Da die im Finalsatz beschriebene physische Vernichtung alles andere als gewährleistet ist, hat facere hier wohl konative Qualität ( ähnlich 107,9 quid … omnia fecisti, ut quos tuebaris absconderes ? ; Mart. 2,14,14 omnia cum fecit, sed

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renuente deo ; die Wendung selbst ist seit der Komödie gebräuchlich, e.g. Ter. Haut. 1055 pater, omnia faciam ); cf. KST 1,120-122 ( ebd. 121 zum konativen Inf. Präs., wie hier ); HSZ 316. e nobis : Fast alle jüngeren Herausgeber ersetzen das überlieferte e durch JACOBS’ de ( u.a. BÜCHELER bis ed.4 ; ERNOUT ; MÜLLER ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ; GIARDINA – MELLONI ; HOLZBERG ). MÜLLER1 ad loc. zitiert Juv. 3,259 quid superest de corporibus ? ( alii codd. e ), VANNINI ( 2005, 218f. ) ferner Ov. met. 12,615f. iam cinis est, et de tam magno restat Achille | nescioquid, parvam quod non bene compleat urnam ( s. auch § 13 de tam magna nave ne tabulam quidem … habes ). Doch zugunsten der Überlieferung ( so BÜCHELER 6 ) führt VANNINI andere Stellen ins Feld: Ov. am. 3,9,59f. si tamen e nobis aliquid nisi nomen et umbra | restat, in Elysia valle Tibullus erit ; Sen. Med. 165 nihil … superest opibus e tantis tibi ; Thy. 1030f. quidquid e natis tuis | superest habes. Die Liste lässt sich erweitern: Ov. am. 3,9,40 vix manet e tanto sc. Tibullo, parva quod urna capit ; Stat. Theb. 8,111 nil ex me sociis patriaeque relictum, „nichts von mir ist meinen Gefährten und meiner Heimat geblieben“ ( Amphiaraus in der Unterwelt ). ( Kaum relevant sind Plaut. Aul. 21 is sc. pater ex se hunc reliquit … filium ; Cic. S.Rosc. 13 unus relictus ex illorum nefaria caede restat ; Lukan 9,265f. unum Fortuna reliquit | iam tribus e dominis.) Ätherisch klingt VANNINIs Argumentation ad loc.: de nobis beschränke die Aussage auf den ‚materiellen Aspekt‘ ( „del nostro corpo“, i.e. „von unserem Körper“ ); e nobis erweitere das Bild ins allgemein Menschliche ( „di noi“, „di ciò che eravamo e proveniva da noi“, i.e. „von uns“, „von dem, was wir waren und was aus uns hervorging“ ). Die zitierten Belege stützen diese semantische Unterscheidung nur bedingt. Abgesehen davon sind beide Varianten selten bezeugt ( tacet OLD s.v. relinquō 13a: „to leave remaining ( after taking, eliminating, etc., the rest ), leave as a residue“; für die Einsicht in den unpublizierten Thes.-Artikel relinquō und das Zitat Stat. Theb. 8,111 danke ich P. PIERONI ), die zweite mit e(x) allerdings etwas besser. Das spricht unter dem Strich für die Überlieferung. * : In der vermutlich kleinen Lücke dürfte die Entscheidung gefallen sein, Lichas die letzten Ehren zu erweisen ( lt. CIAFFI 1955, 64 habe Encolpius dies beschlossen, oder die anderen hätten ihn überzeugt ); und man traf Vorbereitungen für die Feuerbestattung ( VANNINI ad loc. zitiert Lukan 8,698-793 ). § 20 Licham quidem rogus inimicis collatus manibus adolebat : Wieder schimmert die Aeneis durch, hier Misenus’ Bestattung ( Aen. 6,149-152

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iacet exanimum tibi corpus amici | ( heu nescis ) … sedibus hunc refer ante suis et conde sepulcro ; 6,160-189, mit der ausführlich beschriebenen Zurüstung des Scheiterhaufens; cf. ZEITLIN 1971, 70; die Blaupause liefert Elpenors Verbrennung, Od. 12,8-15 ). Zur provisorischen Bestattung Schiffbrüchiger cf. 114,11 praeteriens aliquis tralaticiā humanitate lapidabit ( und S. 644 f. ad loc.). Bildet das doppelte Hyperbaton ( rogus inimicis collatus manibus ) die schichtenden Hände und den emporwachsenden Scheiterhaufen ab ? Ungeachtet seiner epikureisch gefärbten Haltung zur Totenruhe ( §§ 1719 ) gewährt Encolpius seinem einstigen Liebhaber und späteren Erzfeind in humaner Gesinnung das supremum munus einer traditionellen Feuerbestattung. Er handelt dabei nicht zwangsläufig gegen seine eben dargelegte Überzeugung ( so COLLIGNON 302 ; MARIOTTI 1997, 120f. ). Auch gestandene Epikureer dürften im Familien- und Freundeskreis mehrheitlich reguläre Bestattungen vollzogen ( und ihrerseits erhalten ) haben. Die inimicae manūs zitieren e contrario Ceyx’ letzten Wunsch vor dem Ertrinken: Alcyones ‚lieben Hände‘ mögen ihn bestatten ( Ov. met. 11,563565 illam sc. Alcyonen meminitque refertque, | illius ante oculos ut agant sua corpora fluctūs | optat et exanimis manibus tumuletur amicis ; so LABATE 1988, 88f. ; s. auch Ov. trist. 3,3,43f. cum clamore supremo | labentes oculos condet amica manus ). Doch von ‚Feindseligkeit‘ ist hier nur retrospektiv die Rede. Das spätere libenter ( 116,1 hoc peracto libenter officio ) straft die inimicae manūs Lügen. Wie schon die Tränen bewiesen ( § 12 non tenui igitur diutius lacrimas ), endet aller Hader mit dem Tod ( ähnlich VANNINI ad loc.). Dass man auch Todfeinden ein ehrenvolles Begräbnis gewähren kann, bewies zu wiederholten Malen Hannibal ( Val. Max. 5,1 ext. 6 ). adolebat : zu adolēre in der seltenen Verwendung „in Rauch aufgehen lassen, verbrennen“ cf. u.a. Ov. met. 1,492 leves stipulae demptis adolentur aristis ; Colum. 12,31 corpus … igne adoleatur ; Stat. silv. 2,4,34 Assyrio cineres adolentur amomo ; OLD s.v. adoleō 1b ; Thes. I, 794,9-15. Eumolpus autem dum epigramma mortuo facit : Das Epitaph für Lichas’ Grabmal entwirft der Dichter ( reichlich Anregung bot ihm gegebenenfalls die A.P., Buch VII ). Das Grab seines jungen Geliebten Hyperanthes, der mit ihm Schiffbruch litt und im Meer umkam, ehrt Hippothoos mit einer Inschrift ( Xen. Eph. 3,2,12f.; s. auch Trimalchios inscriptio, 71,12 ). Eine impressionistische Lektüre dieser kleinen Szene offeriert FEDELI 1987, 5f. – Zu dem Lehnwort epigramma ( ἐπίγραμμα ), „Epigramm“ oder allgemeiner „Gedicht“, cf. 55,4, sowie GERSCHNER 1997, 147f. ( zu dem Sonderfall 103,4 cf. Bd. I, S. 378 ).

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oculos ad arcessendos sensus longius mittit : Ein entrückter Eumolp lässt seinen Blick „in die Ferne schweifen“ ( longius ist kaum temporal zu verstehen: „eine gute Weile“ ), wohl zum Horizont ( cf. Cic. Att. 9,10,2 dies et noctes tamquam avis illa mare prospecto ; Ov. rem. 595 longum spectabat in aequor ; kaum ins Landesinnere, wie LEÃO 2008, 119 meint ), „um poetische Einfälle herbeizulocken“ ( cf. OLD s.v. sensus 9a: „that which occurs to the mind, an idea, thought“; als rhetorischer t.t. 9c: „an epigrammatic notion, conceit“, also „Idee, Pointe“; cf. Sen. suas. 1,13; Quint. inst. 12,10,46 ). Soll ihn die todbringende See inspirieren ( cf. Plin. ep. 1,9,6 o mare, o litus, verum secretumque μουσεῖον, quam multa invenitis, quam multa dictatis ! , „O Meer und Strand, mein wahrer und heimlicher Musentempel ! Wie viele Ideen schenkt ihr mir, wie viele Worte gebt ihr mir ein !“ ) ? Dass Eumolp hier zum ersten Mal nicht auf ‚Fertigware‘ zurückgreife, sondern tatsächlich improvisiere, mutmaßt SLATER ( 2012, 258 ). Die rare Junktur oculos mittere feiert bei Manilius Premiere ( 4,906f. ad sidera mittit | sidereos oculos propiusque aspectat Olympum ). Sie kehrt bei Seneca wieder ( im Sg.: ep. 33,4 quocumque miseris oculum ; cf. nat. 2,9,1 oculi statim per multa milia aciem suam mittunt ), zudem bei Quintilian ( inst. 10,7,16 si per aliquam rectam viam mittamus oculos ), und bisweilen in christlichen Texten ( e.g. Prud. ham. 882 oculos in Tartara mittit ); cf. Thes. VIII, 1171,42-49. BÜCHELER ed.1 ad loc. wollte ‹ et › oculos lesen und diesen Part bis mittit noch dem Temporalsatz zuschlagen ( Eumolpus autem dum epigramma mortuo facit ‹ et › oculos ad arcessendos sensus longius mittit …); der Hauptsatz sei ausgefallen ( „legebatur opinor et oculos quae particula cum praetermitteret apodosin librarius periit“ ). VANNINI ed. wirbt entschieden für BÜCHELERs ‚Geistesblitz‘ und vermutet, Eumolp erblicke in der Ferne etwas, das bei der destinatio itineris ( 116,1 ) eine Rolle spiele. Doch die kleine Szene bildet ein organisches Ganzes : während im Hintergrund der Scheiterhaufen lodert, meditiert der Dichter über sein Epikedeion. * : In der verlorenen Passage, in deren Anschluss unsere Helden aufbrechen, war am ehesten vom Bergen und Bestatten der Asche die Rede ( cf. 116,1 hoc peracto libenter officio ; ähnlich CIAFFI 1955, 64 ). Aber was hat es mit dem Epigramm auf sich, auf das Eumolp sich poetisch einstimmt ? Ging es gleichfalls verloren, wie CIAFFI ( 1955, 64 ) und SLATER ( 2012, 259 ) vermuten ? Oder ist es am Ende erhalten ? Zwei Kandidaten wurden genannt, Sat. frg. 39 M.4 == Anth. Lat. 477 R. == 475 Sh.B., vor allem aber frg. 46 M.4 == Anth. Lat. 692 R. ( naufragus eiecta nudus rate quaerit eodem | percussum telo, cui sua fata fleat eqs.; so GAGLIARDI 1969/ 70; MARIOTTI 1997, bes. 121-

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123; dass Eumolp vergebens auf Inspiration gehofft habe, vermutet FICK 2004, 57 ). Gerade angesichs der Einstimmung wirkt die Szene stärker, wenn das Epigramm ‚Leerstelle‘ bleibt, und damit der Phantasie des Lesers überlassen.

Kap. 116 Von einer Anhöhe aus erblicken Encolpius und die anderen eine Stadt. Ein vorbeikommender Landmann lässt sie wissen, vor ihnen liege das alte, inzwischen niedergegangene Kroton, in dem die Pest der Erbschleicherei wüte. Nach dem Aufenthalt in der Graeca urbs ( 1-99 ) und der Seereise ( 100115 ) beginnt mit Kap. 116 der letzte zusammenhängende Part des Romans, soweit wir ihn kennen: die Abenteuer unseres Quartetts in Kroton. Im Hintergrund durchzieht ein epischer roter Faden die Handlung. Denn in seinen groben Umrissen folgt das Drehbuch von Sat. 114-124 Aeneas’ Weg im ersten Buch der Aeneis : Seesturm und Schiffbruch, die Landung an unbekannten Gestaden, die erste Orientierung, die von der Anhöhe aus erblickte Feste, die Auskunft eines Fremden, der Aufbruch in die Stadt ( cf. oben S. 608 ). Auch in Sat. 116 unterstreichen dies wiederholt verbale Anklänge, so bei der E r k u n d u n g der Örtlichkeiten ( § 3 cum … exploraremus qui homines inhabitarent nobile solum ~ Aen. 1,306-309 locos … explorare novos eqs.; s. auch S. 663f. zu 115,7 postero die eqs.), beim B l i c k auf die S t a d t ( § 1 in montem … conscendimus, ex quo … impositum arce sublimi oppidum cernimus ~ Aen. 1,419f. ascendebant collem, qui … aspectat desuper arces ) und bei deren I d e n t i f i z i e r u n g ( § 2 urbem antiquissimam eqs. ~ Aen. 1,12f. urbs antiqua fuit eqs.). Für den vilicus, der über Kroton Auskunft erteilt, stand Venus Modell, die ihrem Sohn Karthago beschreibt ( Aen. 1,335-368; Venus ihrerseits hat ein blasses Vorbild in der Tochter des Laistrygonenkönigs, die in der Wildnis Odysseus’ Kundschafter zum Haus ihres Vaters weist, Od. 10,105-111; so COURTNEY 2001, 178 ). Im Hintergrund wirken drei weitere Passagen nach: Euander, der Aeneas durch das künftige Rom führt ( Aen. 8,306361 ), Caesar, der die Ruinen Ilions besucht ( Lukan 9,961-999 ), und die Erzählung von der Gründung Krotons ( Ov. met. 15,12-59 ), die das Kontrastprogramm zu dem dekadenten Zerrbild hier liefert ( CONNORS 1995, 146f. ). Analogien zwischen Sat. 116 und Odysseus’ Begegnung mit Silen ( Eur. Cycl. 96-192 ) entdeckt PATIMO 2007, 585f.: den Schiffbruch, den unbekannten Strand, den Auskunft erteilenden Fremden ( u.a. Cycl. 113 τίς δ᾿ ἥδε χώρα καὶ τίνες ναίουσί νιν ; „was für ein Land ist das, und wer bewohnt es ?“ ~ 116,3 qui homines inhabitarent nobile solum ). An Hermes, der Odysseus vor Kirke warnt und ihm genaue Handlungsanweisungen erteilt ( Od. 10,274-309 ), erinnert CARMIGNANI 2011, 367-369.

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Bedeutsamer sind die Parallelen zu O d y s s e u s ’ Heimkehr nach Ithaka ( Od. 13 ). Athene als junger Hirt unterrichtet den Heros über Land und Leute ( 13,221-440; cf. 13,232f. ~ 116,3 cum deinde diligentius exploraremus qui homines inhabitarent nobile solum eqs.; hier mag die noble Diktion des vilicus ein Vorbild haben ) und verwandelt ihn in einen unansehnlichen betagten Bettler ( 13,429-438 ; cf. Od. 4,244-258: als Knecht verkleidet gelangt Odysseus unerkannt nach Troja ). Auf das Treffen des Heros mit dem ‚Gutsverwalter‘ Eumaios in Od. 14 verweist GROSSARDT 2007, 89 ( auch ihm gehe ein Aufstieg auf eine Anhöhe voraus: Od. 14,1-3 ). Das Szenario setzt sich in Kroton fort, wenn Eumolp die umworbene Penelope gibt, die Erbschleicher in die glücklose Rolle der Freier schlüpfen und Encolpius als Odysseus – Polyaenos eine weitere neue ‚Identität‘ annimmt ( cf. FEDELI 1988 a, 72-74 ; TALIERCIO 1990, 63-65 ; CUGUSI 2001, 126f.; PATIMO 2007, 580-591; s. auch unten S. 709f. zu § 3 ). Das Herz des Kapitels ist freilich die Schilderung Krotons. Das Porträt, das der vilicus von der Gemeinde zeichnet, ist kein Abbild historischer Gegebenheiten, sondern ein fiktives Konstrukt : die von der „moralistischsatirischen Literatur kodifizierte dekadente Stadt“ ( CONTE 2008, 114 ; zum historischen Kroton cf. S. 708f. und 711 ). Vergils Karthago ist ein blühendes Gemeinwesen, in dem Wohlstand, Ordnung und sozialer Friede zuhause sind ( Aen. 1,421-438; s. auch die Anspielung 117,8 familiam … tam magnam …, ut possit vel Carthaginem capere ); in der Graeca urbs ( Sat. 1-99 ) als ‚realem‘ Beispiel moderner Urbanität floriert der Handel, funktionieren die politischen Institutionen, sind Kultur und Studien ebenso heimisch wie die Annehmlichkeiten des zeitgenössischen Alltags. Kroton hingegen verkörpert in jeder Weise die Kehrseite solcher urbanen Qualitäten. Es ist eine Stadt im Verfall, die ihren Zenit längst überschritten hat ( § 3 post attritas bellis frequentibus opes ; Karthago hingegen ist eine vitale Neugründung ), gezeichnet von moralischer wie geistiger Dekadenz. In diesem lebensfeindlichen Ambiente hat die klassische Familie ausgedient, geht niemand einer geregelten Erwerbstätigkeit nach, gelten Geist, Kultur, die alten Werte nichts. Das soziale Leben liegt darnieder, reduziert auf die infamen Spielregeln des einen Metiers, das ein Auskommen gewährt – der captatio. Das allbeherrschende Thema der Stadt ist der Tod: auf ihn setzen, auf ihn lauern die captatores ( cf. DÖPP 1991, 157; von einer ‚Dystopie‘ spricht TEIXEIRA 2008, 79 ). Als Mikrokosmos ist Kroton fast eine Karikatur des zeitgenössischen R o m s , wie das BC es skizziert. Wie eine Seuche wüten Gier und Zwist in der Stadt ( § 9 pestilentia ; cf. BC 54 f. tabes … intra membra … errat ; 58-

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60 hōc mersam caeno Romam eqs.), die ebenfalls unter einem ‚Bürgerkrieg‘ leidet ( § 6 in duas partes esse divisos ; § 9 nihil aliud est nisi cadavera quae lacerantur aut corvi qui lacerant ; ein solcher bricht bereits auf Lichas’ Schiff aus, bes. 108,7 navigii turbam diducit in partes ; ZEITLIN 1971, 69-73 ; RIMELL 2002, 84-88; in nuce vertritt diese These bereits DE SALAS 225 ). Wie in der ‚ v e r k e h r t e n W e l t ‘ Krotons alle Regeln des sozialen Miteinander aufgehoben sind, hat FEDELI exemplarisch analysiert ( 1987 ; zum Topos der ‚verkehrten Welt‘ allgemein cf. CURTIUS 1954, 104-108 ). Dies betrifft u.a. den Status der Personen ( Encolpius und Giton werden ‚Sklaven‘, 117,4-6 ) oder deren erotische Präferenzen ( Circe steht auf Maultiertreiber und Mimen, Chrysis auf den Ritterstand, 126,5-11 ); es zeigt sich in der Sprache ( die ‚aristokratische‘ Diktion des vilicus und der Chrysis ) wie im poetischen Talent, das Eumolp in Kroton im Stich zu lassen scheint ( nach dem BC verstummt er als poeta ; cf. WOODS 2012, 89: „It is almost as if Eumolpus has internalized his self-constructed role to such a degree that he has begun to be the man he pretends“ ) – um in Encolpius ein schier unerschöpfliches neues ‚Medium‘ zu finden ( cf. 126,18; 127,9; 128,6; 131,8; 132,8 und 11; 133,3; 135,8; 136,6; 137,9; 139,2 ). Bedeutsam sind nicht zuletzt die Indizien, die Kroton von Anfang an als Unterwelt zeichnen, und damit den Besuch dort ( wie den Aufenthalt in Trimalchios Haus ) als K a t a b a s i s : Lichas’ Bestattung erinnert an die des Misenus ( cf. 115,20, und S. 697f. ad loc.); Encolpius’ Unpässlichkeit vor Ort zeigt ihn metaphorisch als ‚Toten‘ ( cf. 129,1 funerata est illa pars corporis eqs.; 129,6 medius iam peristi ; 132,10 hoc de te merui, ut me … ad inferos traheres ? ; ARROWSMITH 1966, 310; ZEITLIN 1971, 70f., bes. zu der Szene 132,8 ); Kroton selbst ist ein Niemandsland voller Leichen und Aasvögel ( § 9; der zentrale Referenztext des Kapitels, Horazens Erbschleichersatire, serm. 2,5, ist in der homerischen Unterwelt angesiedelt ). Und das Ende der Episode spielt in derber Weise auf eine berühmte Hadesfahrt der attischen Komödie an ( 117,11-13; cf. S. 754 ). LIT. PARATORE 1933, II 374-377; D. SCHMID 1951, 26-31; WALSH 1970, 103f.; ZEITLIN 1971, 68-73; FEDELI 1987, 7-12; HERZOG 1989, 90f.; SLATER 1990, 114 f.; TALIERCIO 1990; FEDELI 1991; CONNORS 1995, 146-148; SCHMELING 1996a, 475-479; GENONI 1997; CONNORS 1998, 130f.; COURTNEY 2001, 178f.; RIMELL 2002, 84-88; BODEL 2003; STUCCHI 2005, 71-73; PATIMO 2007; CARMIGNANI 2011; WOODS 2012, 49-96 ; CARMIGNANI 2013.

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§ 1 hoc peracto libenter officio : Das officium war selbstredend Lichas’ Bestattung ( zu dem abl. abs. cf. 131,5 hoc peracto carmine ; Verg. Aen. 7,5 exsequiis … rite solutis, die Bestattung von Aeneas’ Amme ). „Are Encolpius and company ‚willing‘ to give Lichas ‚the last rites‘ ( 112.5 supremo … officio ) or are they ‚glad‘ to do so ?“ ( SCHMELING – SETAIOLI 444 ). Ein Blick auf die anderen Passagen mit libenter gibt eine klare Antwort ( 54,1 hominem tam putidum, cuius etiam cervices fractas libenter vidissent ; 85,1 Pergami … cum libenter habitarem ; 91,1 scires non libenter servire ; 129,12 libenter quidem parui ancillae ): „gerne, von Herzen, mit Vergnügen“. destinatum carpimus iter : Bei der morgendlichen Diskussion haben sie sich offenbar für einen Weg entschieden ( ein weiterer zarter Anklang an die Aeneis : 1,418 corripuere viam ) – ohne zu wissen, wohin dieser sie führt ( cf. 115,7 cum poneremus consilium eqs., und S. 663f. ad loc.). Die Junktur destinatum iter sah PARATORE ( 1933, II 374 ) als Indiz für seine Theorie, die Ereignisse in Kroton stellten die ‚Schlusspartie‘ des Romans dar, und LEÃO ( 2008, 120-129, bes. 121 ) für seine kühne Hypothese, Sat. 116 f. spielten auf die Demeter- und Dionysosmysterien an. Doch sie beschreibt nur die „beschlossene Route“ ( z.B. einer Armee, Vell. Pat. 2,82,2 ; s. auch Plin. nat. 36,116 ) oder die „fixe Bahn“ von Himmelskörpern ( Sen. nat. 7,8,2 cometarum sc. motus est … compositus et destinatum iter carpens ). carpimus iter : Die fast ausschließlich in der Dichtung heimische Junktur stammt wohl von Horaz ( serm. 1,5,94 f. Rubos … pervenimus, … longum | carpentes iter et factum corruptius imbri, und FEDELI ad loc.: „iunctura ricercata, quasi esclusivamente poetica“; c. 2,17,11f. supremum | carpere iter comites parati, „bereit, den letzten Weg einzuschlagen als dein Gefährte“ ). Ovid liebt sie ( met. 2,549f. non utile carpis … iter ; 10,708f. iunctis … per aëra cycnis | carpit iter sc. Venus; 14,122 iter horrendum per opaca crepuscula carpit sc. Aeneas; fast. 3,604 secretum nudo dum pede carpit iter sc. Aeneas; 5,88 aetherium volucri … pede carpit iter sc. Maia; 5,666; her. 18,34 ; trist. 1,10,4 remige carpit iter sc. navis ). Bei anderen frühkaiserzeitlichen Autoren kehrt sie vereinzelt wieder ( cf. Phaedrus app. 23,1; Sen. nat. 7,8,2, oben zit.; Lukan 6,572f. deserta per arva | carpit iter ), ebenso im flavischen Epos ( cf. Val. Flacc. 2,44 ; Stat. Theb. 12,143f.; Sil. Ital. 1,243 ); Thes. III, 493,83494,4. ac momento temporis in montem sudantes conscendimus : Dass es sich bei dem mons nur um eine Anhöhe handelt, zeigt der rasche Aufstieg ( cf. Verg. Aen. 1,419 iamque ascendebant collem, sowie das folgende Lemma; s. auch 1,180 Aeneas scopulum interea conscendit, um Ausschau zu halten nach

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der vom Sturm zerstreuten Flotte; zit. PERUTELLI 1998, 24 ; CARMIG2011, 374 ). Schwitzen lässt sie wohl nicht zuletzt das umfängliche Gepäck ( cf. 117,11f. ). Bei dem Aussichtspunkt könnte es sich um die Landzunge von Lacinium handeln ( h. Capo Colonna ), das für sein Heraheiligtum berühmt war ( cf. das nächste Lemma, und S. 708 ). – Conscendere steht klassisch mit dem bloßen Akk. ( cf. PETERSMANN 147 ). ex quo haud procul impositum arce sublimi oppidum cernimus : „von wo aus wir unweit eine auf ragender Höh’ gelegene Siedlung gewahren“. Das erhabene Panorama der Feste inspiriert Encolpius zu stilistisch höheren Tonlagen. Erneut schimmert die Aeneis durch, jene fast märchenhafte Szene, in der Aeneas und die Seinen von einer Anhöhe aus Karthago erblicken ( 1,418-440 corripuere viam interea, qua semita monstrat, | iamque ascendebant collem, qui plurimus urbi | imminet adversasque aspectat desuper arces. | miratur molem Aeneas eqs.; LA FICO GUZZO 58 zitiert zudem den Blick auf das künftige Rom, 8,98f. muros arcemque procul ac rara domorum | tecta vident ). „Encolpius continues to see himself as Aeneas and to encourage his listeners to do the same.“ ( SCHMELING – SETAIOLI 444 ). Die gleiche feierliche Stimmung will auch hier aufkommen – zumal die Auskunft des vilicus den verheißungsvollen ersten Eindruck des Quartetts zunächst zu bestätigen scheint. Umso harscher der ernüchternde Blick hinter die epische Fassade, der auf den Fuß folgt ( und der sich in dem warnenden aliquando § 2 bereits andeutet ; cf. FEDELI 1987, 8f. ~ 1991, 225 ). – Kaum Zufall ist die ( m.W. bislang unnotierte ) Verwandtschaft der Szene mit dem BC ( 153 f. summo de vertice montis | Hesperiae campos late prospexit ; cf. Bd. III ad loc.): wie dort Caesar sein künftiges Imperium vor Augen hat : Italien, so hier ‚Caesar‘ Eumolp seine baldige Beute ( cf. 117,2 rapinam istam ): Kroton. Den topographischen Karten zufolge säumten nur wenige Erhebungen das flache Umland der Stadt, namentlich Capo Colonna und Capo Rizzuto. „Kroton lag in einer von Hügeln umschlossenen Ebene an der Mündung des Aisaros, der als Hafen diente.“ ( A. MUGGIA s.v. Kroton, DNP 6, 1999, 870f.; cf. J. MORTER, The Chora of Croton 1, Austin 2010, 16; TALBERT 46 F 3 ). Innerhalb des weitläufigen Areals befand sich auch Krotons Stadtburg ( Liv. 24,3,8 arx Crotonis, una parte imminens mari, altera vergente in agrum, situ tantum naturali quondam munita, postea et muro cincta est ), allerdings in einem der Viertel, die mit dem Niedergang der Stadt aufgegeben wurden ( ebd. § 2 erat et arx procul eis sc. partibus urbis, quae habitabantur ). Die 194 v.Chr. an gleicher Stelle neugegründete römische Bürgerkolonie lag „auf dem NANI

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Hügel von Castello im heutigen historischen Zentrum“ ( MUGGIA [ s. oben ] 871; cf. unten zu § 2 ). Wollen wir der Szenerie ein Minimum an Realismus zugestehen, ist hier von jener jüngeren römischen Siedlung die Rede. Die arx ist dann nicht Krotons „Burgfeste“ ( cf. OLD s.v. 1 ), auch wenn die Beschreibung fast eine griechische Akropolis heraufbeschwört, sondern der „Gipfel“ ( cf. BC 205 Caucaseā … arce ; 209 tumidas … arces ; Val. Flacc. 3,565f. umbrosis … arcibus ornum | depulerat ; OLD s.v. 5a ). Arx sublimis ist poetische Übertreibung ( cf. Sil. Ital. 11,18 alta Croton ; Kroton sieht aus, „quasi fosse sospesa nel cielo“ bzw. „appare collocata in un’olimpica e quasi inaccessibile altezza“; FEDELI 1987, 7 ). Dachte Petron hier auch an die charakteristische exponierte Lage etlicher italischer Landgemeinden ? Cf. Verg. georg. 2,156 tot congesta manu praeruptis oppida saxis, „so viele von Menschenhand auf ragendem Fels errichtete Städte“; Aen. 6,774 hi Collatinas imponent montibus arces ; Hor. c. 4,14,11f. arces | Alpibus impositas tremendis ; ep. 2,1,252f. arces | montibus impositas ; Sen. Thy. 186f. altis montium structae iugis | arces ( und TARRANT ad loc.: „towns perched on hilltops were ( and are ) a distinctive feature of the Italian landscape“ ); ep. 91,10 uni tamen inposita sc. civitas Lugdunum et huic non latissimo monti ; Orosius hist. 6,11,21 hoc oppidum sc. Uxellodunum in editissima montis arce pendebat. – Zu haud cf. PETERSMANN 227. impositum arce sublimi oppidum : Die seltene Konstruktion aliquid imponere mit dem Abl. loci entspricht Encolpius’ gehobener Tonlage. S. auch 133,3,4 templum … tuis imponit Hypaepis ( kein Dat. comm.; cf. SETAIOLI, Nugae 267 ); 135,8,3f. crate salignā | impositum Cereris vacuae nemus ( beide Stellen in poetischen Einlagen Enkolps ); Caes. ap. Suet. Iul. 66 vetustissima nave impositos ; Sen. Thy. 455 vertice alti montis impositam domum ; Thes. VII 1, 653,40-45. Eher als Dativ denn als Ablativ zu verstehen sind Verg. Aen. 6,774 hi Collatinas imponent montibus arces ; Hor. c. 4,14,11f. arces | Alpibus impositas tremendis ; ep. 2,1,252f. arces | montibus impositas ( cf. e.g. Apicius 4,132 patinam … impones cineri calido ). Dank der in den Sat. mehrfach bezeugten Konstruktion mit dem Abl. sind Eingriffe wie BÜCHELERs arci unnötig ( ed.1 ; ebenso PELLEGRINO ; ab der ed.2 schrieb BÜCHELER wie die meisten neueren Herausgeber arce ). Zu weit vom Text entfernt sich MÜLLERs conspicuum ( ed.3 ad loc.), zu weit vom Sinn STOWASSERs imo situm ( statt impositum ; 1885, 43 ). Den Blick auf die hier kaum gemeinte Stadtburg fixiert CUPERUS’ impositam arcem sublimem oppido. Erwähnung verdienen munitum ( BÜCHELER ed.2 ad loc.) und suppositum arci ( BÜCHELER ab ed.3 ad loc. und G. FRIEDRICH, Catulli Veronensis Liber, Leipzig 1908, 434 ).

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§ 2 nec quod esset sciebamus errantes : Das augenfällige Panorama hat die Neugierde der Wanderer geweckt. Zu errantes cf. OLD s.v. errō 3: „( of a person, his opinion, etc.) to be in doubt or uncertainty, waver, vacillate“; FEDELI 1987, 7f. ( „essere in stato d’ignoranza, essere in errore“; s. auch Anm. 7 zu errare in den Sat.). Eine Anspielung auf Aeneas’ Wort zu Venus sieht hier PERUTELLI 1998, 24 : ignari hominumque locorumque | erramus ( Verg. Aen. 1,332f.; auf das ‚epische Kolorit‘ der Wendung und das in Aen. 1 siebenmal erscheinende errare verweist CARMIGNANI 2011, 369 ). quod : Quod ( sc. quod ‹ oppidum › ) ist BÜCHELERs Konjektur für das überlieferte quid ( so u.a. ERNOUT ; CIAFFI ; ARAGOSTI ; HOLZBERG ). Quid statt quod im Relativsatz oder adjektivisch im Fragesatz ist bei Plautus belegt ( Amph. 364 quid nomen tibi est ? ; Poen. 829 quid illuc est genus ! u.ö.), dann wieder im Spätlatein. Aus klassischer Zeit finden sich nur vereinzelte, oft genug strittige Belege ( Catull 81,6 nescis quod facinus facias ?, und THOMSON 1997 ad loc.: „quod ζη : quid V, fortasse recte“; Caelius ap. Cic. fam. 8,3,3 == 79,3 Sh.-B. aliquod ad nos … σύνταγμα conscribas, mit der weit besser bezeugten Lesart aliquid ; cf. SHACKLETON BAILEY ed. mai. p. 388 ad loc.: „aliquid ( adj.) may possibly be right“ ). Cf. HERAEUS ap. FRIEDLÄNDER p. 280 zu Sat. 50,7; F. LEO, Plautinische Forschungen, Berlin 2 1912, 315-318; LÖFSTEDT II, 81 Anm. 2; HSZ 554 ; PETERSMANN 267-269; A.S. GRATWICK zu Plaut. Men. 847. Beispiele für dieses Phänomen finden sich auch in den Sat. ( s. auch PETERSMANN 268 ): 41,2 duravi interrogare …, quid me torqueret, im Relativsatz an der Grenze zur indirekten Frage ( cf. W.B. SEDGWICK, The Cena Trimalchionis, Oxford 1925 ad loc.); 50,7 ignoscetis mihi quid dixero, im einfachen Relativsatz des sermo vulgaris; im indirekten Fragesatz hier und 124,2 heredipetarum sciscitantium quid genus hominum aut unde veniremus. Hier sowie 41,2 und 124,2 ‚normalisiert‘ eine deutliche Mehrheit der Herausgeber das überlieferte quid mit BÜCHELER zu quod ( etwas bunter wird das Bild 50,7, wo mit Blick auf den sermo vulgaris u.a. BÜCHELER 6, PELLEGRINO, SCHÖNBERGER und HOLZBERG quid beibehalten; für MUNCKERs quod entschieden sich u.a. BÜCHELER bis ed.4, MÜLLER, ERNOUT, DÍAZ Y DÍAZ, GIARDINA – MELLONI und ARAGOSTI ). Da in den Sat. auch eindeutige Verschreibungen von quid statt quod vorliegen ( cf. 104,1, und VANNINI 153 ad loc.; 115,3; 137,9,9 ) und sich, von Plautus abgesehen, sichere Parallelen kaum finden, ist die Skepsis der Herausgeber angebracht.

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a vilico quodam : Die Aufgaben eines vilicus, in der Regel ein Sklave oder Freigelassener, variierten je nach Epoche und Umständen zwischen denen eines einfachen Aufsehers und denen eines Gutsverwalters mit weitreichenden Befugnissen und Vollmachten ( ein Bild seiner Aktivitäten vermitteln Cato agr. 5; Hor. ep. 1,14, und R. MAYER ad loc.; Colum. 11,1; cf. K. SCHNEIDER s.v. Vilicus: RE II A 8, 1958, 2136-41; D. RATHBONE s.v. Vilicus: DNP 12/2, 2002, 209f. ). Auch Trimalchio war einst als vilicus tätig ( 69,3 ). Crotona esse cognovimus, urbem antiquissimam et aliquando Italiae primam : Antwort erhalten sie von einem Mann vom Lande, der so freimütig wie illusionslos über die nahe Stadt Auskunft erteilt. Die oratio obliqua ( zu Crotona esse ergänze ‹ oppidum › oder ‹ id › ) lässt in der Schwebe, wem wir diese Charakterisierung Krotons verdanken – dem rückblickenden Icherzähler oder ( wie das a vilico … cognovimus nahelegt ) dem eloquenten Landmann. Der elegante Ausdruck, der mit der bald folgenden oratio recta harmoniert, spricht für Letzteres. Crotona : Die Kolonie K r o t o n , Ende des 8. Jh.s von achaiischen Siedlern gegründet ( urbem antiquissimam ), stieg Anfang des 5. Jh.s zur Hegemonialmacht der Magna Graecia auf ( aliquando Italiae primam ); ihr Herrschaftsgebiet erstreckte sich von der tyrrhenischen See bis zur Adria. Maßgeblich verantwortlich für diese Epoche der Blüte ( etwa 510 bis 450 v.Chr.) war Krotons pythagoreische Oligarchie. In jenen Tagen war die luxusliebende Gemeinde, die für ihr gesundes Klima bekannt war, nicht nur die Wahlheimat von Pythagoras’ Anhängern ( um 530 hatte Pythagoras sich dort niedergelassen ; s. auch Ov. met. 15,60-478 ); sie beherbergte eine bedeutende medizinische Schule, ihre Athleten siegten in den panhellenischen Spielen, die umliegenden Stämme pilgerten zum Λακίνιον, einem berühmten Heratempel auf einer Landzunge südöstlich der Stadt ( cf. Cic. inv. 2,1; Verg. Aen. 3,552 attollit se diva Lacinia, und HORSFALL p. 386 ad loc.; Liv. 24,3,3-7 ). Ihr Ruhm spiegelte sich in dem geflügelten Wort „Es verblaßt neben Kroton eine jegliche Stadt“ ( Scholia in Theocrit. 4,33 μάταια τἄλλα παρὰ Κρότωνα τἄστεα ; cf. Cic. inv. 2,1 Crotoniatae quondam, cum florerent omnibus copiis et in Italia cum primis beati numerarentur eqs.; Liv. 23,30,6 Crotonem, Graecam urbem … opulentam quondam armis virisque ; 24,2,7 nobilem atque opulentam urbem ; dass Krotons Ruhm längst verblasst ist, legt, parallel zu aliquando hier, das quondam nahe ). Jene goldene Ära endete Mitte des 5. Jh.s in inneren Wirren, die mit der Vertreibung der Pythagoreer einhergingen. Anfang des 4. Jh.s fiel die Stadt Dionysios I. von Syrakus in die Hände; in späteren Jahrzehnten erlebte sie

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wiederholt die Tyrannis. 277 wurde sie von den Römern erobert, im zweiten Punischen Punischen Krieg von Hannibal besetzt und geschunden, gegen Ende jenes Krieges ganz aufgegeben. Die römische Bürgerkolonie, die 194 v.Chr. an gleicher Stelle entstand, war, wie die spärlichen Nachrichten belegen, nur ein Schatten einstiger Größe ( cf. Cic. Lael. 13 Magnam … Graeciam, quae nunc quidem deleta est, tum florebat ; s. auch Apul. met. 9,4,4 devertimus ad quempiam pagum, urbis opulentae quondam, ut memorabant incolae, inter semiruta vestigia conditum ). Zumindest Krotons Hafen – der einzige Naturhafen der gesamten Küste zwischen Tarent und Rhegium – wurde gegen Ende der Republik noch genutzt ( Cic. Att. 9,19,3 ). Zur Gründung Krotons cf. Ov. met. 15,12-59 ( und BÖMER ad loc.); s. auch Strabo 6,1,12; ferner U. KAHRSTEDT, Hermes 53, 1918, 180-187; H. PHILIPP s.v. Kroton 1: RE XI 2, 1922, 2020-26 ; D. RANDALL-MacIVER, Greek Cities in Italy and Sicily, Oxford 1931, 54-67 ; P. LARIZZA, Crotone nella Magna Grecia, Reggio Calabria 1934 ; T.J. DUNBABIN, The Western Greeks, Oxford 1948, bes. 26-28. 83-85. 358-372; A. MUGGIA s.v. Kroton, DNP 6, 1999, 870f.; MALAMUD 2009, 281f. urbem antiquissimam : Die Junktur findet sich seit Cicero ( cf. Verr. 2,1,56 urbem antiquam et omnibus rebus auctam et ornatam ; Varro ling. 6,24 ; Verg. Aen. 2,363 urbs antiqua ruit multos dominata per annos ; Phaedrus 4,23, 18 antiqua fuit urbs ; Sen. nat. 5,18,7; Lukan 1,27; zum Superlativ cf. Pomponius Mela 2,123 urbium antiquissimae Caralis et Sulci ). In der Formel spiegelt sich Vergils Karthago ( Aen. 1,12f. urbs antiqua fuit eqs.; s. auch CARMIGNANI 2011, 371-374 ). § 3 cum deinde diligentius exploraremus qui homines inhabitarent nobile solum : Krotons angedeutete glorreiche Vergangenheit weckt die Neugier des Quartetts ( dass ihnen die Stadt nicht gänzlich unbekannt ist, zeigt sich wenig später ; s. S. 711 zu post attritas bellis frequentibus opes ). Die gewählte Diktion des vilicus färbt auf sie ab ( cf. FEDELI 1987, 9 ). Im Hintergrund sehen wir eine archetypische Situation des Epos: den ortsfremden Neuankömmling fernab der Heimat. Die Odyssee spielt sie in allen Varianten durch. Der Fremde fragt sich, wohin es ihn verschlagen habe ( e.g. 13,200-202 τέων αὖτε βροτῶν ἐς γαῖαν ἱκάνω ; κτλ., „In das Land von welchen Sterblichen bin ich abermals gekommen ? Sind es Unbändige und Wilde und nicht Gerechte oder gastfreundlich und haben sie einen Sinn, der die Götter scheut ?“; übers. W. SCHADEWALDT ). Oder er erkundet die Gegend ( e.g. 10,100f. „Da schickte ich Gefährten voraus, die hingehen und erkunden sollten, welches die Männer seien, die in dem Lande das Brot äßen“, οἵ τινες ἀνέρες εἶεν ἐπὶ χθονὶ σῖτον ἔδοντες ;

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übers. W. SCHADEWALDT ). Bisweilen trifft er auf Einheimische, die ihn befragen ( e.g. 1,170 τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν ; πόθι τοι πόλις ἠδὲ τοκῆες ; „Wer bist du und woher unter den Männern ? Wo ist deine Stadt und deine Eltern ?“; übers. W. SCHADEWALDT ; ähnlich neugierig zeigen sich Sat. 124,2 Krotons Erbschleicher : incidimus in turbam heredipetarum sciscitantium quod genus hominum aut unde veniremus ). Oder aber ( das Szenario, das auch hier anklingt ) der Fremde befragt die Einheimischen ( e.g. 10,105-111: Odysseus’ Kundschafter treffen in der Wildnis auf die Tochter des Laistrygonenkönigs, die sie zum Haus ihres Vaters weist; zu Parallelen zu der Szene hier cf. COURTNEY 2001, 178; FEDELI 1988 a, 71f.; PATIMO 2007, 583f.; ferner e.g. Od. 13,233-235 τίς γῆ, τίς δῆμος, τίνες ἀνέρες ἐγγεγάασιν ; κτλ., „Welches Land ist das, welches Volk, welche Männer sind hier geboren ? usw.“; Theokrit 22,54 χαῖρε, ξεῖν᾿, ὅτις ἐσσί. τίνες βροτοί, ὧν ὅδε χῶρος ; „Sei gegrüßt, Fremder, wer du auch bist. Was für Menschen sind’s, denen dies Land gehört ?“ ). Zugleich schimmert erneut die Landung der Troer unweit Karthagos durch, genauer : ihr Plan, die Gegend zu ‚erkunden‘ ( Verg. Aen. 1,306-309 ut primum lux alma data est, exire locosque | explorare novos, quas vento accesserit oras, | qui teneant …, hominesne feraene, | quaerere constituit ; cf. COURTNEY 2001, 178: „the animals [ sc. ferae ] in the case of Petronius will in a moment turn out to be birds of prey“; gemeint sind die corvi qui lacerant, § 9 ; s. auch CARMIGNANI 2011, 375 ), und Aeneas’ Frage an Venus ( 1,331-333 quo sub caelo tandem, quibus orbis in oris | iactemur doceas : ignari hominumque locorumque | erramus vento huc vastis et fluctibus acti ; s. auch Aen. 7,131f. quae loca, quive habeant homines, ubi moenia gentis, | vestigemus ). Inhabitare ist erst seit neronischer Zeit belegt, und fast ausschließlich in Prosa ( cf. Thes. VII 1, 1585,19f.; MARBACH 1931, 98 ). „Qui == quales “ ( SCHMELING – SETAIOLI 444 ). – Zur oratio obliqua hier cf. PERI 2007, 43. quodve genus negotiationis praecipue probarent : „und was für Gewerbe sie hauptsächlich trieben“ ( HEINSE ). Die hohen Erwartungen an den „ehrwürdigen Grund“ ( nobile solum ), den die vier nun betreten, und die sich sprachlich des weiteren in genus negotiationis und dem eleganten alliterierenden praecipue probarent niederschlagen, stehen in ironischem Kontrast zur Antwort des vilicus. Zu dem ökonomischen t.t. negotiatio ( bzw. § 4 negotiatores ) cf. 38,14 quam honestam negotiationem exercuit ; 76,9 postquam coepi plus habere quam tota patria mea habet, … sustuli me de negotiatione et coepi ‹ per › libertos faenerare, ferner e.g. Cic. fam. 6,8,2; 13,66,2; OLD s.v. 1: „business, trade; a commer-

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cial transaction“; MARBACH 1931, 11f. Eumolp greift den Begriff später mit einem Augenzwinkern auf ( 117,4 facite ergo me dominum, si negotiatio placet ). – Zu dem Adverb praecipue in den Sat. cf. SOVERINI 1974-75, 224226. Markante Alliteration ( prae- pro- po- ). post attritas bellis frequentibus opes : Dass Eumolp ( und die anderen ? ) von Kroton bereits gehört haben, verrät ihre zumindest oberflächliche Vertrautheit mit seiner Geschichte ( ähnlich SCHMELING – SETAIOLI 444 : „As soon as he hears the name of the city, Encolpius feels compelled to display a knowledge of its history.“ ). Oder steckt hinter dem urbem antiquissimam et aliquando Italiae primam ein kleiner historischer Exkurs des vilicus, als Antwort auf die neugierigen Fragen des Quartetts ( diligentius exploraremus ) ? Die „zahllosen Kriege“, welche die Stadt ausgeblutet haben, liegen lange zurück : die Konflikte mit den Nachbargemeinden Siris, Lokroi und Sybaris im sechsten Jh. ( cf. Cic. nat. 2,6 und PEASE ad loc.), die Niederlage gegen Dionysios I. ( 390-388 ), die Auseinandersetzungen während des Pyrrhoskrieges ( 280-275 ), zuletzt im zweiten Punischen Krieg die karthagische Besatzung ( 215 v.Chr.; cf. Liv. 23,30,6 Bruttiorum exercitus Crotonem, Graecam urbem, circumsedit, opulentam quondam armis virisque, tum iam adeo multis magnisque cladibus adflictam, ut omnis aetatis minus duo milia civium superessent ). In den Bürgerkriegen der späten Republik spielte Kroton keine Rolle. Zur metaphorischen Verwendung von attritus cf. 133,3,8f. inops et rebus egenis | attritus facinus … feci, und e.g. Apul. met. 11,28,1 viriculas patrimonii peregrinationis adtriverant impensae, „meine Reiseausgaben hatten die mageren Reserven meines Erbes aufgezehrt.“ Die Junktur opes atterere gehört v.a. zur Historiographie ( FEDELI 1987, 9 Anm. 10; er zitiert u.a. Sall. Iug. 5,4 ; Sen. suas. 5,3; Tac. hist. 1,10,1; Amm. Marc. 28,2,12 ). In den opes klingt wieder die Aeneis an ( Aen. 1,13f. Karthago … dives opum studiisque asperrima belli ). §§ 4 – 9 Ein Sittenbild Die Jeremiade des Gutsverwalters über den Niedergang der Beredsamkeit und der Bildung und wider die captatio ist nicht nur zu kunstfertig für einen Mann vom Lande ( gerade auch im Vergleich mit den Reden der Freigelassenen in der Cena ; s. auch BECK 1973, 45f.; SLATER 1990, 114 ) – in gewisser Weise straft sie seine Klagen Lügen. Für FEDELI ist der Stil des vilicus ein Kronzeuge für seine These von Kroton als ‚verkehrter Welt‘, welche die gesamte Episode präge ( 1987, 11; 1991, 226 nennt er den Stil

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des vilicus eine „singolarità“; s. auch S. 701 zum epischen Vorbild ; warum diese Diskrepanz zwischen Stil und Status den vilicus zu einem „personaje poco confiable“ mache, bleibt CARMIGNANIs Geheimnis; 2013, 183 ). Der einzigartige Stil des vilicus verrät sich in der Wahl feierlicher Wörter ebenso wie im raffinierten Bau seiner Perioden, die mit P a r a l l e l i s m e n arbeiten ( §§ 4 f. si … estis, mutate … quaerite – sin autem … sustinetis … curritis ; §§ 6f. in hac enim urbe non …, non …, non …, sed … – in hac urbe nemo …, non ad …, non ad …, sed …; § 6 aut captantur aut captant ; § 8 soli militares, soli fortissimi ; § 9 nisi cadavera quae lacerantur aut corvi qui lacerant ), C h i a s m e n ( § 4 mutate propositum aliudque vitae praesidium quaerite ), T r i k o l a ( § 6 non litterarum studia celebrantur, non eloquentia locum habet, non frugalitas sanctique mores laudibus ad fructum perveniunt ), A s y n d e t a ( § 7 non ad cenas, non ad spectacula admittitur ; ibid. omnibus prohibetur commodis, inter ignominiosos latitat ; § 8 soli militares, soli fortissimi … habentur ), Hyperbata, Alliterationen. Sein Vokabular passt zu dem mahnenden und sentenziösen Ton, der in scitote ( § 6 ) und dem dreifach wiederholten in hac urbe gipfelt ( §§ 6f. ; cf. CAMPANILE 1957, 64 ; FEDELI 1987, 10f.; SCHMELING 1996a, 475-479; laut CARMIGNANI 2013, 187f. stehe der „estilo oracular“ des vilicus in drastischem Gegensatz zu Teiresias’ vielen Vulgarismen in Hor. serm. 2,5 ). Wiederholt wurde die Rede als P r o l o g der Komödie gedeutet, die Eumolp und seine Truppe in Kroton aufführen werden. Genauer : der vilicus selbst ist der ‚personifizierte‘ Prolog, der die Bühne beschreibt, auf der das Stück spielt ( samt der Schwierigkeiten, die sie dort erwarten ) – und der mit der Welt dort nichts zu schaffen hat ( „esattamente come le divinità dei prologhi delle commedie“; GENONI 1997, 459 und passim ; cf. FEDELI 1988, 12f.; SCHMELING 1996a, 475; BODEL 2003, 10; anders CICU 1992 a, 124 f., der die Szene 117,4-10 als Prolog identifiziert ). § 4 o mi … hospites : Ohne nähere Begründung warnt bei Apuleius ein Einheimischer vor einem Ort ( met. 8,19,2 ille diu capite quassanti : ‚vos autem‘ inquit ‚de cibo vel poculo … nunc cogitatis ? an nulli scitis quo loco consederitis ?‘ ; wie sich 8,21,3 herausstellt, treibt dort ein Drache sein Unwesen). – Die emphatische Apostrophe in Verbindung mit hospes findet sich überwiegend in der Dichtung ( cf. Thes. VI 3, 3029,19-41; FEDELI 1987, 10). Zu der kolloquialen Anrede cf. 90,5 o mi … adulescens ( und Bd. I, S. 212 ad loc.). si negotiatores estis : Die Antwort des vilicus auf das mehrdeutige quodve genus negotiationis praecipue probarent ( § 3 ). „By an ironical inversion of the prevailing Roman snobbery, he implies that the traders are the honesti, and that the idle upper class is the scum.“ ( WALSH 1970, 103 ).

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mutate propositum aliudque vitae praesidium quaerite : Die naheliegende Übersetzung von mutate propositum, „so ändert euren Reiseplan“ ( FISCHER ) bzw. „… euer Vorhaben“ ( HOLZBERG ; zu propositum als „Plan, Vorhaben“ cf. 107,13 curationis propositum ), beißt sich mit aliud vitae praesidium, „einen anderen Lebensunterhalt“. Propositum hat hier wahrscheinlich die erst kaiserzeitlich belegte Bedeutung „innere Einstellung, Lebenswandel“ ( OLD s.v. 2a, und u.a. Juv. 5,1; 9,20f. flexisse videris | propositum et vitae contrarius ire priori ; 10,325 ): „wechselt euren Beruf und sucht euch ein anderes Auskommen“. Im folgenden Satz schlägt der vilicus zynisch eine solche Alternative vor. Die seltene Junktur vitae praesidium erscheint zuerst bei Cicero ( Cato 73 de praesidio et statione vitae decedere, als Paraphrase des Selbstmords: „den Posten verlassen, auf den das Leben uns gestellt hat“; fin. 1,35 laudem et caritatem, quae sunt vitae sine metu degendae praesidia firmissima, „Anerkennung und Wertschätzung bieten die beste Gewähr für ein angstfreies Leben“; off. 1,58 necessaria praesidia vitae, „die lebensnotwendige Unterstützung“ schulde man insbesondere seinen Eltern und Kindern; in allen drei Belegen dominiert der Gedanke des ‚Schutzes‘ ). Sie kehrt vereinzelt in kaiserzeitlicher Prosa wieder ( cf. Vitruv 6 praef. 2 ea vera praesidia sunt vitae eqs., Bildung und Wissenschaft sind „die wahre Lebensversicherung“; Apul. mund. 359 omne … humanae vitae praesidium ingenio eius est paratum, „alles, was seinen Lebensunterhalt sichert, verschaffte dem Menschen sein Verstand“; Amm. Marc. 17,13,14 cunctis vitae praesidiis circumcisis, „aller überlebensnotwendige Schutz war ringsum abgeschnitten“; Servius ecl. 8,29 faces … rapiunt tamquam vitae praesidia, „… als Lebensversicherung“ auf der nächtlichen Wanderung ). Zu praesidium cf. OLD s.v. 1a: „a source or means of security ( physical or otherwise )“ ( auch ad loc.). § 5 sin autem urbanioris notae homines : „seid ihr jedoch etwas moderner eingestellt“ ( wörtlicher : „… Leute feineren Schlags“; cf. 132,12 severioris notae homines ). Ähnlich wie urbanitas ( cf. ad 109,8 == Bd. I, S. 470 ) wird das Adjektiv verwendet : „schlagfertig, witzig“ ( 7,2; 48,5 ), aber auch „elegant, weltgewandt“ ( 16,4 iuvenes tam urbanos ). Der Komparativ würzt den sarkastischen Zungenschlag des Landmannes. In urbanioris notae sieht BODEL 2003, 7 eine Anspielung auf Odysseus’ homerisches Epitheton ornans in Hor. serm. 2,5,3. Das mehrdeutige πολύτροπος ( Od. 1,1; „much wandered“, eher aber „turning many ways, of many devices, ingenious“; St. WEST 69 ad loc.), das Horazens Teiresias mit dolosus auf die negativen Qualitäten reduziere, gewinne im Mund des vilicus ironisch seine epische Ambivalenz zurück ( „weit herumgekom-

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men“, aber auch „listig, verschlagen, einfallsreich“ ). – Zu nota cf. 126,7 ex hac nota domina est mea ; OLD s.v. 5c „( fig.) quality, character, stamp ( of persons or things )“. Wie 132,12 severioris notae ist urbanioris notae Gen. qual. ( den Petron dem Abl. qual. gegenüber klar bevorzugt ; cf. PETERSMANN 74-76 ), eher aber Gen. part. (~ ex hac urbaniore nota ; cf. e.g. Catull 68,28 quisquis de meliore nota ; so PETERSMANN 73 ). Autem verstärkt klassisch das adversative, in den Sat. nur hier belegte sin ( cf. OLD s.v. autem 1c ; s.v. sīn 2 ; KST 2,432f.; HSZ 669f.; PETERSMANN 248 ). sustinetis semper mentiri : „… und habt die Chuzpe, permanent zu lügen“. Zu mentiri cf. 100,2 coepi somnum … mentiri ; Mart. 12,40,1 mentiris: credo ( „du lügst mir ins Gesicht, und ich kauf ’ es dir ab“ ); Juv. 3,41 quid Romae faciam ? mentiri nescio ( zu den bei Juvenal mit mentiri gemeinten verlogenen ‚Komplimenten‘ cf. ebd. 3,86-108; zur Unmöglichkeit, sich in Rom auf ehrliche Weise zu ernähren, cf. e.g. Mart. 4,5). Gerade die captatio setzt permanentes und konsequentes Lügen voraus ( CARMIGNANI 2013, 185; als sinnverwandte Begriffe bei Horaz zitiert er dolosus, serm. 2,5,3, und astutus, ebd. 2,5,23 ). Pythagoras’ einstige Wahlheimat ist die ideale Bühne für einen ausgefuchsten Schwindel. Hier klingt das Schlüsselwort der Krotoner Komödie an: mendacium, „Bubenstück, Betrug, Bauernfängerei“ ( cf. 117,2 quod praeberet mendacio fidem, und S. 730f. ad loc.). Und hier schlummert der Keim zu der Idee, mit der Eumolp alsbald seine Freunde überraschen wird ( 117,4 quid ergo … cessamus mimum componere ? ; cf. 117,10 ne quid scaenae deesset ; FEDELI 1987, 15f. ~ 1988, 12 ). Sustinere „even in a affirmative context usually connotes an unfavourable sense, ‚men who dare to lie always‘.“ ( SCHMELING – SETAIOLI 444 ; cf. OLD s.v. 6: „( w. inf. ) to be able ( to do something ) without succumbing, have the necessary courage, will, endurance, etc. ( to ) ( esp. in neg. context )“ ). Mit dem Inf. ist es zuerst bei augusteischen Autoren belegt ( cf. KREBS – SCHMALZ 2,636; KST 1,675; PETERSMANN 210 ). recta ad lucrum curritis : „lauft ihr geradenwegs dem Reichtum in die Arme“. Zu rectā ‹ viā › cf. 41,10 nihil est melius quam de cubiculo rectā in triclinium ire. § 6 in hac enim urbe non litterarum studia celebrantur, non eloquentia locum habet, non frugalitas sanctique mores laudibus ad fructum perveniunt : Ein durch dreifache Anapher und variatio der sinnverwandten Verbformen ( samt wachsenden Gliedern: celebrantur – locum habet – ad fructum perveniunt ) strukturiertes Trikolon eröffnet die elegante

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Periode. Die kulturellen Werte Bildung und Beredsamkeit, und die Bürgertugenden Mäßigung und Sittlichkeit haben in Kroton ihre Daseinsberechtigung verloren ( wem der vilicus seine gediegene Bildung verdankt, bleibt offen ). Der Niedergang der Künste, den eingangs Agamemnon und Encolpius beklagen ( Sat. 1-5 ), und später Eumolp ( Sat. 88 ), geht mit dem Niedergang der Moral Hand in Hand ( s. auch BC 1-60; ZEITLIN 1971, 73f. ). Passend zu urbanioris notae und zum latent universellen Charakter seiner Aussage spricht der Landmann von einer urbs ( statt von oppidum, § 1 ). Ein Kontrastprogramm zu Krotons sozialem, kulturellem und moralischem Verfall bildet die vitale Graeca urbs ( Sat. 1-99 ), die u.a. eine Rhetorikschule ihr eigen nennt ( FEDELI 1991, 227 ). An Sallusts ‚antithetisches‘ Sittengemälde des alten Roms erinnert STUCCHI ( 2005, 71 Anm. 4 ): domi militiaeque boni mores colebantur ; concordia maxuma, minuma avaritia erat ; ius bonumque apud eos non legibus magis quam naturā valebat eqs. ( Cat. 9,1 ). non frugalitas sanctique mores laudibus ad fructum perveniunt : „noch finden Mäßigung und tadellose Sittlichkeit in der Hochachtung ihre Belohnung“. Im römischen Wertekanon ist die Anerkennung der Mitbürger der wahre Lohn für einen strengen Lebenswandel im Geiste altväterlicher Gesinnung. – GEORGE 1967, 131 wollte laudibus tilgen ( lt. SULLIVAN 1976, 119 „plausible“; zurecht kritisch hingegen CARMIGNANI 2009, 7f. ): es gehe hier nicht um Anerkennung, sondern um den materiellen Unterhalt. Doch der rückt erst ab § 8 in den Blick. Im klassischen Wertesystem stellt den eigentlichen ‚Gewinn‘ das ‚Lob‘ dar. sed quoscumque homines in hac urbe videritis : BÜCHELERs kritischer Hinweis auf das dreifache in hac urbe ( §§ 6f. ) bewog MÜLLER ursprünglich zur Tilgung der Wendung hier ( bis ed.2 ; SULLIVAN 1976, 119 wollte zudem das dritte in hac urbe tilgen ). Ab der ed.3 beließ er sie zurecht im Text. Wie mit Hammerschlägen unterstreicht die markante iteratio die Botschaft des vilicus ( ähnlich FEDELI 1988, 12, der die ‚deiktische‘ Qualität der Wendung betont ). scitote in duas partes esse divisos : Wie das Rom der späten Republik ist Kroton ein Hort moralischer Dekadenz – und eine Stadt im Bürgerkrieg ( cf. BC 265f. omnis regia caeli | in partes diducta ruit, und Bd. III ad loc.). Elegante Klausel ( Creticus + Spondeus: ēssĕ dīvīsōs ). nam aut captantur aut captant : Krotons ‚zwei Parteien‘ ( duas partes ) sind die alleinstehenden betagten Wohlhabenden und deren ‚Jäger‘, die Erbschleicher ( letztere treten 124,2-4 und 140-141 leibhaftig auf ).

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Der E r b s c h l e i c h e r e i begegnen wir seit dem frühen Hellenismus, in Griechenland, bald aber auch in Rom, wo sich die captatio von der späten Republik an mit zunehmender Ehe- und Kinderlosigkeit zum gesellschaftlichen Phänomen entwickelt. Die Gepflogenheiten römischer amicitia, die man sich durch beharrliche Aufmerksamkeiten erwarb, die Sitte, im eigenen Testament auch Freunde mit einem Legat zu bedenken, und nicht zuletzt das römische Erbrecht, das es erlaubte, mit dem eigenen Erbe nach Gutdünken zu verfahren, öffneten dem Missbrauch Tür und Tor. Vornehmlich kinderlose und vermögende, im Idealfall zudem kränkliche Männer und Frauen vorgerückten Alters gerieten in den Fokus der captatores und hērēdipetae ( cf. Sen. ep. 19,4 mutabunt testamenta destituti senes, „… vereinsamte Greise“; zu Petrons Neologismus hērēdipeta cf. Bd. IV ad 124,2 ). Potentielle Opfer umwarben sie mit Komplimenten, Einladungen, Geschenken sowie allerlei Gefälligkeiten von der allmorgentlichen salutatio über die Krankenpflege ( cf. Plaut. Mil. 705-715; Mart. 12,40; Juv. 10,198202 ) bis hin zu sexuellen Gunstbeweisen ( cf. Hor. serm. 2,5,75-83; Juv. 1,37-41: manch einer verdient sich eine Erbschaft im Bett und „empfängt sein Legat entsprechend den Maßen seines Gemächts“, partes quisque suas ad mensuram inguinis heres ; 10,236-239 ; noch weiter geht Sat. 140 Philomela, die einst sich selbst und später ihre Kinder feil bietet ). Seneca erklärt die Erbschleicherei sarkastisch zur ‚Kunstform‘ ( benef. 6,38,4 captandorum testamentorum artem ; s. auch Mart. 11,55,3 ars … captandi ; knapper Sat. 140,1 artem suam ). Moralapostel und Philosophen verbissen sich in das Thema ( e.g. Cic. off. 3,74 mihi quidem etiam verae hereditates non honestae videntur, si sunt malitiosis blanditiis, officiorum non veritate sed simulatione quaesitae ; Sen. benef. 6,38,4 ; Plin. ep. 2,20, und SHERWIN-WHITE ad 2,20,7; CHAMPLIN 1991, 99f. ). Für Komödie, Epigramm und Satire war es ein gefundenes Fressen ( cf. u.a. Plaut. mil. 705-715; Hor. serm. 2,5 ( und N. RUDD, The satires of Horace, Cambridge 1966, 224-242; STUCCHI 2002, 219-221; BODEL 2003; s. auch unten ); ep. 1,1,77-79 sunt qui | frustis et pomis viduas venentur avaras | excipiantque senes quos in vivaria mittant ; Mart. 4,56; 6,63; 11,44 u.ö.; Juv. 5,132140; 12,93-130; Lukian dial. mort. 15f. ). Eine Art captator war auch Trimalchio, der als deliciae seines Herrn ein Vermögen erbte ( 75,10-76,2; cf. FEDELI 1987, 32 ~ 1991, 230f. ). Das Phänomen existierte fraglos, doch wohl kaum in dem Umfang, den Moralisten und Satiriker uns glauben machen wollen ( so CHAMPLIN 1991 ). Römische Vermögen wurden überwiegend innerhalb der Familie vererbt. Zudem verschwimme in vielen historischen Fällen im Vorfeld von Erbschaften die Grenze zwischen Freundschaftsdienst und captatio.

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Der Hass, den der captator als ‚stock character‘ provoziert habe, gelte eher seiner symbolischen Rolle, zeige er doch exemplarisch die zersetzenden Auswirkungen des Reichtums auf Roms Gesellschaft : materielle Besitztümer zerstören Freundschaften und reißen Familien auseinander ( CHAMPLIN 1991, 96-100 ). LIT. O. RIBBECK, Kolax, Leipzig 1883, bes. 60f.; MOERING 1915, 11f.; FRIEDLÄNDER I, 1922, 248-253; D. SCHMID 1951; ACHATZ 1965, 175-177; TRACY 1980; HOPKINS 1983, 238-242; CHAMPLIN 1991, 87102 ( ebd. 201f. eine umfassende Liste antiker Quellen ); WOODS 2012. S. auch J.T. FITZGERALD, Last wills and testaments in Graeco-Roman perspective, in: ders. u.a. ( Hrsg.), Early Christianity and classical culture, Leiden 2003, 637-672. Ein Schlüsseltext ist Horazens „Katechismus der Erbschleicherei“ ( D. SCHMID 1951, 26 ), serm. 2,5 – auch für Petron ( ihn zitiert bereits DE SALAS 226 ). Unseren Helden an der Küste Bruttiums ergeht es kaum anders als Odysseus, der nach Krieg und Irrfahrt mittellos ist und von Teiresias wissen will, wie er seine Kasse aufbessern könne ( serm. 2,5,1-3 hoc … responde, quibus amissas reparare queam res | artibus atque modis ). Und wie Odysseus einen Crashkurs in Sachen captatio erhält, empfängt unser Quartett von dem vilicus die entscheidenden Stichworte und Informationen zu Kroton. Petron knüpft an das literarische Spiel an, das Horaz begründet und geprägt hat. Und wie sich Kap. 117 zeigen wird, ist Eumolpus-Ulixes seiner Rolle als captator mehr als gewachsen ( „he will live up to his reputation for guile and turn disadvantage into profit“; BODEL 2003, 7 ). Zu serm. 2,5 und Sat. 116 cf. COLLIGNON 257f.; TALIERCIO 1990; BODEL 2003; WOODS 2012, bes. 89-91. 94-96 ; CARMIGNANI 2013, bes. 182-189. captantur aut captant : Als Bild für die Erbschleicherei prägte Horaz die Wendung ( testamenta ) captare ( serm. 2,5,23f. captes astutus ubique | testamenta senum, und KIESSLING – HEINZE bzw. FEDELI ad loc.) und den seltenen Neologismus captator ( a.O. 57; s. auch Sat. 125,3 und Bd. IV ad loc.; 141,1 ). In neronischer Zeit waren ‚ Jagd‘ und ‚Fischfang‘ feste Metaphern für das Phänomen; cf. u.a. Sat. 141,10; Sen. dial. 10,7,7 avaritiam captantium ; benef. 6,38,4 ( oben zit.); Mart. 6,63,1f. ( unten zit.); 9,88; 11,55,3; 12,10,1 habet Africanus miliens, tamen captat ( Thes. III, 378,1-6 ; 379,80-380,8 ). In den Sat. verdüstert sich das Bild: „Petronius’ captators are not really fishermen like their Horatian counterparts. … Rather, they are scavengers, or worse – cannibals, living solely off of the decomposing dead.“ ( WOODS 2012, 90f. ).

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Zu dem Polyptoton ( captantur – captant ) im Kontext der captatio cf. § 9 lacerantur – lacerant ; Mart. 6,63,1f. scis te captari, scis hunc qui captat, avarum, | et scis qui captat quid … velit. Für verwandte Alternativen cf. Verg. Aen. 1,395f. terras … aut capere aut captas iam despectare videntur sc. cycni ( als Anspielung zit. PERUTELLI 1998, 24 ); Sen. Thy. 203 aut perdet aut peribit ( lt. TARRANT ad loc. eine ‚symmetrische Phrase‘ ). § 7 in hac urbe nemo liberos tollit : ~ „… bekennt sich niemand zum eigenen Nachwuchs“ ( tollere ist der juristische t.t. für den römischen Vater, der das Neugeborene vom Boden aufhebt und damit als leiblichen Nachkommen und potentiellen Erben anerkennt ; OLD s.v. 2a ; cf. COURTNEY ad Juv. 9,84 ). Denn „in diesem Jahrhundert, in dem angesichts der Vorteile der Kinderlosigkeit die meisten bereits ein Einzelkind als Belastung empfinden“ ( Plin. ep. 4,15,3 eo saeculo quo plerisque etiam singulos filios orbitatis praemia graves faciunt ), verleugneten manche Zeitgenossen offenbar den eigenen Nachwuchs, um die Aufmerksamkeiten der Erbschleicher zu genießen ( Sen. dial. 6,19,2 in civitate nostra plus gratiae orbitas confert quam eripit, adeoque senectutem solitudo, quae solebat destruere, ad potentiam ducit ut quidam odia filiorum simulent et liberos eiurent, orbitatem manu faciant ; cf. Plaut. Mil. 705 quando habeo multos cognatos, qui opus est mihi liberis ? ). Wer Kinder hat, muss angeblich auf solche Annehmlichkeiten zumeist verzichten ( Juv. 5,137-140; 12,93-98; immerhin bleibt so das Erbe in der Familie: Stat. silv. 4,7,33-40 ) – es sei denn, das Kind ist kränklich ( Hor. serm. 2,5,45-50 si cui … validus male filius in re | praeclarā sublatus aletur eqs.). Doch nicht alle ‚Opfer‘ spielten fair. Ein zu Lebzeiten heftig umworbener Greis hinterließ sein riesiges Erbe Verwandten, und musste sich postum von seinen captatores als „falsch, undankbar und vergesslich“ beschimpfen lassen ( Plin. ep. 8,18,3 fictum ingratum immemorem loquuntur, seque ipsos … turpissimis confessionibus produnt, ut qui de patre avo proavo quasi de orbo querantur ). In einer Reflexion zum Niedergang Roms sieht der ältere Plinius einen Zusammenhang zwischen der Fixierung auf materielle Werte, dem Verfall der Künste und Wissenschaften und den Phänomenen Kinderlosigkeit und captatio ( nat. 14,5 postquam coepere orbitas in auctoritate summā et potentiā esse, captatio in quaestu fertilissimo ac sola gaudia in possidendo, pessum iere vitae pretia omnesque a maximo bono liberales dictae artes in contrarium cecidere ; für weitere zeitgenössische Stimmen cf. STUDER 1843, hier 217f. ). quia quisquis suos heredes habet : Die iuristische Formel sui heredes, „eigene Erben“, meint ( verkürzt gesagt ) unmittelbare Erben aus dem eigenen Hausstand, vornehmlich Ehefrau, Kinder, Enkel ( cf. Juv. 10,236f. über einen seine Söhne enterbenden Vater : codice saevo | heredes vetat esse

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suos, und COURTNEY ad loc.; A. MANIGK, RE IV A1, 1931, 664-675 s.v. sui heredes ; KASER 1971, 95-101 ; U. MANTHE, DNP 11, 2001, 1091f. s.v. sui heredes ). non ad cenas, non ad spectacula admittitur, sed omnibus prohibetur commodis : Die „Annehmlichkeiten“ des privaten ( cenas ) wie des öffentlichen Amüsements ( spectacula ; zur Formulierung cf. Plaut. Mil. 712 me ad se ad prandium, ad cenam vocant ). Das überlieferte scenas „would preserve the alliteration“ ( SCHMELING – SETAIOLI 445 ); doch der Unterschied zu den spectacula ist gering ; und BONGARS’ cenas deckt einen gewichtigen Teil der sozialen Interaktion ab ( CARMIGNANI 2009, 8-10 verweist zudem auf 3,3 cenas divitum captant ; 5,5 cliens … cenas impotentium captet ). So elegant wie unnötig ist JACOBS’ prohibitus. inter ignominiosos latitat : „( er muss ) unter den Hefen des Volkes im verborgenen leben“ ( HEINSE ). Eines der Ziele von Augustus’ Ehegesetzen, die Förderung kinderreicher Familien ( das sog. ius trium liberorum ), u.a. durch Privilegien und Vergünstigungen wie den leichteren Zugang zu öffentlichen Ämtern, wird in Kroton quasi pervertiert ( cf. D. SCHMID 1951, 28 ). Die Gesetze verfehlten ihren Zweck freilich weitgehend, „war doch der Trend zur Kinderlosigkeit mächtiger“ ( Tac. ann. 3,25,1 nec ideo coniugia et educationes liberum frequentabantur praevalidā orbitate ). Das seit Cicero bezeugte Adjektiv wird hier ein erstes Mal für Personen verwendet ( cf. Thes. VII 1, 306,4-35 ). Latitare ( OLD s.v. 1a: „to be or remain in hiding“ ) erscheint in den Sat. nur hier. § 8 qui vero nec uxores umquam duxerunt : sc. in matrimonium ( cf. OLD s.v. dūcō 5a: „( of a man ) to bring home as a wife, marry“. BÜCHELERs Singular uxorem ( ed.1 ad loc.; so MÜLLER bis ed.3, WARMINGTON und ARAGOSTI ) ist bedenkenswert, angesichts des Plurals necessitudines jedoch kaum notwendig. – Zu dem Adverb vero in den Sat. cf. SOVERINI 1974-75, 251. nec proximas necessitudines habent : Die Periphrase proximae necessitudines, „nahe Verwandte“ ( OLD s.v. necessitūdō 2; MARBACH 1931, 15f. ), erscheint noch einmal bei Festus für die ‚nächste weibliche Verwandte‘ der Braut ( p. 364,26f. L. rapi simulatur virgo ex gremio matris, aut, si ea non est, ex proxima necessitudine ; s. auch Thes. IX 1, 398,47 ). Für eine andere Periphrase naher Verwandter cf. Apul. met. 11,18,2 familiares … mihi proximo nexu sanguinis cohaerebant ( und GCA XI, p. 327 ad loc.).

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ad summos honores perveniunt : Hier kaum „die höchsten Ämter“ des cursus honorum, eher „die größte Hochachtung“ von Seiten der heredipetae ( auch in Form von Lobeshymnen, wie sie im Folgenden exempli gratia anklingen ). Wie Tacitus notiert, „werde den Kinderlosen Gewinn genug zuteil, dass sie in umfassender Sorglosigkeit und bar jeglicher Strapazen Gunst, Ehren, schlichtweg alles leicht zur Hand hätten“ ( ann. 15,19,2 satis pretii esse orbīs, quod multā securitate, nullis oneribus gratiam honores, cuncta prompta et obvia haberent ; cf. Plut. mor. 497c : „die Reichen bewirten, die Mächtigen umwerben die Kinderlosen; für sie allein ziehen Anwälte vor Gericht … Viele, die viele Freunde hatten und viel Ehre, beraubte die Geburt eines einzigen Kindes ihrer Freunde wie ihrer Macht.“ ). Ein Beispiel aus dem Alltag liefert Juvenals kinderloser Krösus, dem nach dem Niederbrennen seines Hauses alle Welt zu Hilfe eilt ( 3,212-222; s. auch CHAMPLIN 1991, 91f. ). id est : „mit anderen Worten“, „das heißt“ ( cf. 87,1 Komm. == Bd. I, S. 117 ). Das Folgende malt die summi honores aus. DÍAZ Y DÍAZ wollte id est zu ii ändern, BÜCHELER weitaus stimmiger zu et. Der Vorschlag ist bedenkenswert ( s. auch das folgende Lemma ). soli militares, soli fortissimi atque etiam innocentes habentur : „und gilt somit allein als kriegstauglich, allein als höchst tapfer und auch als unbescholten“ ( HOLZBERG ). Ein Auszug aus den kauzigen Komplimenten der Erbschleicher. – „Notice the gradation: in a perverted society such as Croton’s having no children or heirs makes men brave ( here militares is nothing but a particular specimen of fortissimi ). Therefore, this is a praise falsely attributing to the childless a quality they do not really have, but it does not necessarily obliterate all the shortcomings they may have. Innocentes goes a step futher – as duly emphasized by Petronius : etiam ( ‚even‘ ) innocentes. Being childless erases all the faults and shortcomings. After militares and fortissimi it builds a sort of climax.“ ( A. SETAIOLI in epist.). Nicht minder blumig vergleicht Juvenals Schmeichler „den Gänsehals eines Schwächlings mit dem Nacken des Herakles, der Antaios emporstemmt“ ( 3,88f. longum invalidi collum cervicibus aequat | Herculis Antaeum procul a tellure tenentis ; s. auch Hor. serm. 2,5,93-98; Sen. ep. 59,11 si invenimus qui nos bonos viros dicat, qui prudentes, qui sanctos, adgnoscimus. non sumus modicā laudatione contenti : quidquid in nos adulatio sine pudore congessit, tamquam debitum prendimus. optimos nos esse, sapientissimos adfirmantibus adsentimur, cum sciamus illos saepe multa mentiri eqs.; nat. 4 a, praef. 8). Zu der Formulierung cf. Lucilius frg. 1225f. M. nondum etiam ‹ qui › haec omnia habebit, | formonsus dives liber rex solus feretur ( „aber noch nicht einmal

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der, welcher das alles hat, wird allein als schön, reich, frei, als König uns gelten“; übers. W. KRENKEL ), und Varros Häme über den idealen Stoiker, Men. 245 Astb. solus rex, solus rhetor, solus formonsus, fortis, aecus eqs. ( SCHÖNBERGER 1992, 305 ad loc. vermutete hier „Spott auf die stoische Definition des Weisen solus iustus, solus rex etc.“; SCHMELING – SETAIOLI 445 zitieren Sen. dial. 10,15,5 solus generis humani legibus solvitur sc. sapiens ). Zu militares cf. OLD s.v. 3 „( of persons ) engaged in military service ( usu. with implication of experience, professionalism, or sim.)“; Thes. VIII, 952,47-66: „i.q. militiā probatus, fortis, belli peritus, arti bellicae deditus“, und e.g. Sen. dial. 1,4,4 bzw. Tac. Agr. 41,2 militares viri ( „experienced or professional soldiers of the officer-class“, OGILVIE – RICHMOND ad loc.). „The word is normally an adjective in classical Latin; exceptions seem to refer to military men as a class or type“ ( NISBET – HUBBARD ad Hor. c. 1,8,5 ). Zu dem seltenen Nomen, „Militär, Offizier“, cf. u.a. Quint. inst. 11,1,33 simpliciora militarīs decent ( „für Soldaten gebührt sich eine schlichtere Diktion“ ); Amm. Marc. 14,5,3; 15,5,12; 15,6,1. Hier steht es wohl, parallel zu fortissimi und innocentes, als substantiviertes Adjektiv. An Militärpersonal, das per Privileg noch zu Lebzeiten des Vaters ein Testament verfassen durfte, dachte TANDOI 1992 a, 631 Anm. 20 ( cf. Juv. 16,51f., und COURTNEY ad loc.). Ungeachtet dieser plausiblen Deutung bleiben leise Zweifel am Text. Nicht zuletzt der Antagonismus militares – innocentes ( „harmlos, unbescholten, rechtschaffen, Ehrenmann“ ) sorgte für Irritationen. KRAFFERT ( 1888, 12 ) und FRAENKEL wollten id est soli militares als Interpolation tilgen ( so MÜLLER bis ed.2 und WARMINGTON, adsentientibus NISBET 1962, 229; COCCIA 1973, 51; SULLIVAN 1976, 119 ). Die Anapher stellt G. VANNINI infrage ( in epist.: „anche la ripetizione di soli è sospetta, e non escluderei che il secondo sia un’erronea ripetizione del primo“ ). Attraktiv, gerade in Verbindung mit BÜCHELERs et ( s. oben ), ist TANDOIs familiares ( statt militares ; 1992 a, 631 Anm. 20; s. auch G. VANNINI in epist.: „ familiares risolverebbe tutte le difficoltà“ ). Verwunderlich genug hat m.W. bisher niemand an den exotischen innocentes Anstoß genommen. Ist stattdessen vielleicht impotentes zu lesen ? Meist hat das Adjektiv einen negativen Unterton ( cf. OLD s.v. 3a: „lacking in self-control, headstrong, wild, violent, intemperate, etc.“ ). Doch ausgerechnet der einzige Beleg der Sat. liefert das erste eindeutige Beispiel einer neutralen Wertung ( 5,5 cliens … cenas impotentium captet ; cf. Thes. VII 1, 671,52-58: „evanidā fere intemperantiae notione i. q. ( valde ) potens“; ferner u.a. Prud. cath. 5,37f. populus sc. Iudaeorum … maiorum meritis tutus et inpotens ; eher negativ klingt Sat. 115,12 das Substantiv : ubi

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nunc est … impotentia tua ? ). Und in Kroton wird Eumolp tatsächlich ‚mächtig‘ ( impotens ; cf. 125,1 adeo ut iactaret neminem gratiae suae ibi posse resistere eqs.). In der Summe ergäbe dies folgende alternative Lesart: ( die Ehe- und Kinderlosen ) ad summos honores perveniunt et soli familiares, soli fortissimi atque etiam impotentes habentur. Ein kleiner Einwand bleibt : das etiam lässt einen Gegensatz erwarten, zumindest aber eine Steigerung, die pointierter ausfallen könnte als der Schritt von den ‚Löwenherzen‘ ( fortissimi ) zu den ‚Mächtigen‘ ( impotentes ). § 9 adibitis … oppidum tamquam in pestilentia campos : Die Ekphrasis endet mit einer ‚apokalyptischen Vision‘ ( FEDELI 1987, 12 ), die Kroton mit einem verseuchten Landstrich gleichsetzt. Zugleich stellt dieses Schlusstableau einen essentiellen Ausschnitt jenes Mosaiks dar, das die Stadt als Totenreich identifiziert ( s. S. 703 ). Das Szenario erinnert an das von der Pest heimgesuchte Heerlager der Griechen (Ilias 1,4 f. αὐτοὺς δὲ ἑλώρια τεῦχε κύνεσσιν | οἰωνοῖσί τε πᾶσι, „die toten Heroen selbst aber machte er zur Beute den Hunden und Vögeln allesamt“; FEDELI 1988, 31), aber auch an die „Leichengefilde“ der Athener Pest ( Lucr. 6,1138-40 haec ratio … morborum et mortifer aestus | finibus in Cecropis funestos reddidit agros | vastavitque vias, exhausit civibus urbem ). Den Antagonismus Plebs – Optimaten im Italien des zweiten punischen Kriegs beschreibt Livius als ‚Infektion‘ ( 24,2,8 unus velut morbus invaserat omnes Italiae civitates, ut plebes ab optimatibus dissentirent eqs.; zit. CONNORS 1998, 111 Anm. 32 ). Die gleiche Metapher verwendet Plinius für den ‚Aberglauben‘ der Christiani ( ep. 10,96,9 neque civitates tantum, sed vicos etiam atque agros superstitionis istius contagio pervagata est ). An verwandte Bilder in Eumolps BC erinnert ZEITLIN ( 1971, 70 ): nulla est certa domus, nullum sine pignore corpus, | sed veluti tabes tacitis concepta medullis | intra membra furens curis latrantibus errat ( 53-55 ); tuque ingenti satiare ruina, | pallida Tisiphone, concisaque vulnera mande ( 119f., Fortunas Aufforderung an Tisiphone; s. auch Sat. 2,7 animos … veluti pestilenti quodam sidere afflavit sc. loquacitas ). Die Metapher fällt umso mehr ins Gewicht, als Kroton einst synonym für Gesundheit stand ( Strabo 6,1,12 == p. 154,32f. Radt ). Der Ort blieb von Epidemien verschont ( Plin. nat. 2,211 ); und seine Ärzte zählten zu den besten Griechenlands ( Herodot 3,131,3; CONNORS 1998, 111 Anm. 32 ). Manche Pestschilderungen konzentrieren sich auf die Stadt, in der die Seuche wütet ( e.g. Thukyd. 2,47-54 : Athen ; Tac. ann. 16,13,1f.: Rom ). Doch oft gerät das Umland mit in den Blick ( in Athen etwa verschärft

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sich die Lage durch den Zustrom der Landbevölkerung, Lucr. 6,11381286, bes. 1259f. nec minimam partem ex agris is maeror in urbem | confluxit ; s. auch Sen. Oed. 37-70. 110-201; Sil. Ital. 14,580-617 ). Mitunter sucht die Epidemie gerade Wald und Flur heim ( cf. Verg. georg. 3,478-566 : die Viehseuche in Noricum; Ov. met. 7,523-613 : die Pest auf Aegina; Sen. nat. 6,27 ). Eine Seuche, die zahllose Tiere dahinrafft und die Felder mit Kadavern füllt, beschreibt Apuleius ( met. 4,14,1f.; s. auch Ov. met. 7,547-550 silvisque agrisque viisque | corpora foeda iacent, vitiantur odoribus aurae. … non illa canes avidaeque volucres, | non cani tetigere lupi ; Sen. Oed. 145 incubant agris pecudes relictae ). S. auch H.H. GARDNER, Pestilence and the Body Politic in Latin Literature, Oxford 2019. inquit : Das Verbum dicendi „markiert den letzten Satz der Rede mit seiner makabren Pointe“ ( M. DEUFERT in epist.; zu dessen pleonastischer Verwendung innerhalb der oratio recta cf. PETERSMANN 49 ). BÜCHELER erwog itaque, STRELITZ 1879, 843 schlug igitur vor. Doch der Übergang zu dem Gleichnis kommt unvermittelt und verträgt keine Begründung. in quibus nihil aliud est nisi cadavera quae lacerantur aut corvi qui lacerant : Groteske variatio von aut captantur aut captant ( § 7 ), mit Alliteration ( cadavera – corvi ) und Polyptoton ( lacerantur – lacerant ). Alles, was von der einst so stolzen Gemeinde noch übrig ist, sind ( noch lebendes ) Aas und Aasfresser in einer verstörenden Symbiose ( cf. HERZOG 1989, 90: „Die Erblasser ( werden ) als Leichen, die Erbschleicher als Aasvögel sichtbar ; die Stadt ist menschenleer.“ ). Die Kadaver kehren wieder ( 134,1 quod purgamentum nocte calcasti in trivio aut cadaver ? ; 141,2; beide zit. SCHMELING 1996a, 478 ). Bereits Plautus vergleicht Erbschleicher mit Aasfressern ( Stich. 605 illic homo tuam hereditatem inhiat quasi esuriens lupus ). Catull tut es ihm gleich ( 68,124 suscitat a cano vulturium capiti : einen entfernten Verwandten, der „wie ein gieriger Geier … das Haupt des Alten umflattert, verscheucht“ der als Erbe eingesetzte Enkel; W. KROLL ad loc.); ebenso Horaz ( serm. 2,5,55-57 plerumque recoctus | scriba ex quinqueviro corvum deludet hiantem | captatorque dabit risus Nasica Corano ); s. auch Sen. benef. 4,20,3 ut aves, quae laceratione corporum aluntur, lassa morbo pecora et casura ex proximo speculantur ( „belauern“ ), ita hic imminet morti et circa cadaver volat ; ep. 95,43 amico aliquis aegro adsidet : probamus. at hoc hereditatis causā facit : vultur est, cadaver expectat ; Mart. 6,62,4 cuius vulturis ( i.e. captatoris ) hoc erit cadaver ? Dass Aasfresser Pestleichen nicht anrühren ( oder aber nach deren Verzehr verenden; cf. Thukyd. 2,50,1; Lucr. 6,1215-18; Liv. 41,21,7 ), rückt die captatores in ein noch unheilvolleres Licht ( nach DE SALAS 226 ).

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Lebendig wird die Metapher von den corvi und dem cadaver in Eumolps ‚kannibalischem‘ Testament und dem dramatischen Schlussbild, in dem die Themen Habgier, Völlerei und Tod zum kongenialen Tableau verschmelzen ( ZEITLIN 1971, 69f. ). – Laut GENONI signalisiert das ‚wissende‘ Futur ( adibitis ) das Ende des Prologs und den Beginn des eigentlichen Stücks ( 1997, 458; cf. oben S. 712 ). – Zu lacerare in den Sat. cf. RIMELL 2009, 78. corvi : Zu Raben als Aasfressern cf. Sat. 58,2 quid faciat crucis offla, corvorum cibaria ? ; Teles de fuga 31 ( zit. S. 692 ); Catull 108,5 effossos oculos voret atro gutture corvus ; Hor. ep. 1,16,48 non pasces in cruce corvos ; Juv. 8,251f. ad Cimbros stragemque volabant | qui numquam attigerant maiora cadavera corvi ; Diog. Laert. 6,4 ( zit. S. 756 ); Hier. tract. in psalm. 146 == CCSL 78, p. 333, 148f. semper persequuntur cadavera mortuorum sc. corvi; Macrobius sat. 7,5,11 videmus omnibus inhiare cadaveribus sc. corvi atque cornices. Öfter ist vage von aves oder volucres die Rede ( e.g. Lukan 6,627f.: vom Schindanger fugēre revulsis | unguibus impastae volucres ; 8,507 Thessalicas saturat pars magna sc. senatūs volucres ; Stat. Theb. 9,27-31 subtexunt astra catervae | incestarum avium eqs.). An den Leichen von Pharsalos laben sich unzählige Aasvögel ( Lukan 7,831-840 ; s. auch S. 694 f.; OTTO 379f. s.v. vulturius 1 ). * : In der Lücke fehle der Abschied des Landmanns und Encolpius’ und Gitons ersten verdutzten Kommentare zum eben Gehörten; so PARATORE ( 1933, II 377 ). „Wahrscheinlich äußerte Enkolp … mit schwungvollen Gemeinplätzen seinen Abscheu. Oder er empfahl, um die Stadt einen weiten Bogen zu machen.“ ( VAN THIEL 1971, 48; s. auch Sen. nat. 6,1,6 in pestilentia mutare sedes licet ). Dass Encolpius und/oder Giton als spontane Reaktion auf die ‚unerhörten Verhältnisse‘ in Kroton ( 117,1 novitatem rei ) fliehen wollen, wurde wiederholt gemutmaßt ( cf. D. SCHMID 1951, 32; SULLIVAN 1968, 66 ; FEDELI 1988, 9; GENONI 1997, 455 ; LABATE 2014, 181 ). Das legt nicht zuletzt der Fortgang der Szene nahe, wenn Eumolp solchen ersten Vorschlägen eine ‚klügere Idee‘ entgegenhält ( 117,1 prudentior Eumolpus eqs.). CIAFFI ( 1955, 103 ) wollte in der Lücke frg. 44 M.4 unterbringen, als ‚Eumolps poetischen Kommentar zu den Auskünften des Landmanns‘. Allerdings geht das Gedicht, von einer kurzen Erwähnung von Raben abgesehen, am Kontext hier völlig vorbei. BODEL 2003, 7f. will die Lücke mit dem langen Bruchstück 140,15 füllen, Encolpius’ Auslassungen über Hochstapler und Betrüger. Drei Gründe sprechen gegen den verlockenden Vorschlag. Encolpius antwortet im Rahmen einer offenbar längeren

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Diskussion ( omnia … ista vera sunt ). Seine Worte klingen viel zu reflektiert, um als spontane Reaktion auf den vilicus durchzugehen. Vor allem aber argumentiert er auf Eumolps Linie ; auch für ihn steht außer Frage, dass sie die Leute ‚ködern‘ müssen ( homines non caperentur, nisi spei aliquid morderent ). Der Punkt scheint eher, womit.

Kap. 117 Eumolp entwirft einen Schlachtplan, wie sie in Kroton mit einer Posse ihr Glück machen können. Der Plan findet allgemeinen Zuspruch; dann bricht das Quartett auf, begleitet von den Protesten eines überladenen Maultiers. LIT. PARATORE 1933, II 377-380; D. SCHMID 1951, 32-37; LABATE 1986; FEDELI 1987, 15-26; ders., 1988, 9-13; SLATER 1990, 115f.; FEDELI 1991; CICU 1992 a, 124-128; TANDOI 1992 a; RUDEN 1993, 86f.; PANAYOTAKIS 1995, 158-160; PLAZA 2000, 186-188; COURTNEY 2001, 179-181; RIMELL 2002, 88f.; BODEL 2003, 11-15; CONTE 2005, 208210; STUCCHI 2005, 73-75; NÚÑEZ 2010, 152-154. § 1 prudentior Eumolpus convertit ad novitatem rei mentem : Wie der Erzähler im Rückblick neidlos anerkennt, reagiert Eumolp auf die verstörenden Auskünfte des vilicus ‚kreativer‘ ( prudentior ; „con maggior senso pratico“; CONTE 2005, 209) als seine mutmaßlichen Vorredner ( cf. S. 724 und 735f. ; dass prudentior, wie M. DEUFERT in epist. in Betracht zieht, a vilico prudentior factus bedeute, ist nicht allzu wahrscheinlich ). Das gleiche Kompliment macht Encolpius Eumolp bereits in der Pinakothek ( 88,1 consulere prudentiorem coepi ). Während im Superlativ nicht selten ein ( selbst )ironischer Ton mitschwingt ( cf. 69,9 ego, scilicet homo prudentissimus ; 105,10; 112,8 ingenio prudentissimae feminae ), klingt der Komparativ hier so aufrichtig wie in der Gemäldegalerie. – Zu novitas rei cf. 35,1 novitas sc. ferculi … omnium convertit oculos. genusque divinationis sibi non displicere confessus est : „und gestand, ein solcher Blick in die Zukunft mißfalle ihm keineswegs“ ( WEINREICH ). Die seltene Junktur genus divinationis ist omnipräsent in Ciceros Schrift De divinatione ( e.g. 1,3 u.ö.; im Plural e.g. 1,5 u.ö. divinationis genera, bzw. 1,34 duo genera divinationum ; als Gerundium e.g. 1,9 ea genera divinandi ; s. auch Sen. suas. 3,4 divinandi genus certum ): „Art, Methode, Weise der Weissagung“. In diesem pragmatisch-technischen Sinn ist die Wendung auch hier zu verstehen. Als ausgefuchster urbanioris notae homo greift Eumolp die sarkastische Anregung des vilicus auf ( 116,5 sin autem urbanioris notae homines sustinetis semper mentiri ) und lässt sich zu einem ‚Blick in die Zukunft‘ ( divinatio ) inspirieren, genauer : zu eben dem Coup, der ihnen den prophezeiten ‚Gewinn‘ verschaffen wird ( rectā ad lucrum curritis ; ebenso ungeniert geht in Horazens Erbschleichersatire Odysseus Teiresias an, serm. 2,5,21f.: tu protinus, unde | divitias aerisque ruam, dic, augur, acervos ). So verstehen die Stelle u.a. auch FEDELI 1987, 15f.; LABATE 2014, 182.

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Nicht halten lässt sich BÜCHELERs These, hier sei das „Gewerbe betrügerischer Hellseher“ gemeint ( „divinorum fraudulentum artificium“, ed.1 ad loc.), das Giton vorgeschlagen, und auf das Eumolp mit einer Alternative reagiert habe ( ebd.: „tulerat Giton aut monstraverat eam conditionem ut tanquam divinatores urbem intrarent“; „Gallorum opinor conditionem aspernatis aliam proposuit Eumolpus“ ). Das Quartett wollte demnach als divinatores in Kroton einziehen, als bettelnde Kybelepriester oder Galli ( cf. § 3; für boshafte Porträts der in aller Regel entmannten Galli cf. Juv. 6,511-521; Mart. 3,91; Apul. met. 8,24-9,10; nüchterner Lucr. 2,610-643 ), die sich u.a. mit Weissagungen ein Almosen verdienten ( cf. Apul. met. 9,8,6 ad istum modum divinationis eqs.; 8,29,2: „mit der Lüge einer erfundenen Weissagung“, fictae vaticinationis mendacio, luchsen sie einem Bauern einen fetten Widder ab ). Zupasse kämen ihnen ihre kahlen Köpfe, und Isis’ Mantel Eumolp für seinen Auftritt als Archigallus. Diese These ( ausgebaut von TANDOI 1992 a ) decken weder die dünnen sprachlichen Indizien ( divinatio ) noch der Kontext. Für einen Auftritt als Bettelpriester bräuchten sie nach ihrem Schiffbruch keine largior scaena ( cf. CONTE 2005, 209 Anm. 7 ). Vor allem aber antwortet Eumolp nicht auf einen solchen hypothetischen Vorschlag – er bringt etwas völlig Neues ins Spiel ( ähnlich COURTNEY 2001, 179 Anm. 1; LABATE 2014, 181 ). Der einzige seriöse Anhaltspunkt für BÜCHELERs und TANDOIs Deutung findet sich in Encolpius’ verklausuliertem Vorschlag, in Kroton als falsche Galli zu betteln ( § 3; s. unten S. 735 ). Doch das bleibt ein spontaner, zudem erst später geäußerter Einfall. Von einem ausgefeilten Plan kann keine Rede sein. – SCHNUR rückt in seiner Übersetzung hier frg. 47 M.4 == Anth. Lat. 693 R. ein; einen Bezug des Gedichts zu Kap. 117 vermutete bereits ERNOUT ad loc. Dieser Bezug ist freilich mehr als lose. divinationis : Wenig hilfreich sind die Versuche, die Überlieferung ( divinationis ltp ; so u.a. BÜCHELER und MÜLLER passim ; GIARDINA – MELLONI ; HOLZBERG ; divitionis Memm. r ) zu verbessern. GRUTERUS prägte den unbelegten Neologismus divitationis ( „this mode of wealthification“, WOODS 2012, 57 Anm. 55; nach divitiae und dem nur in der alten Tragödie zu findenden divitare, „bereichern“; cf. Thes. V 1, 1637,13-17; so ERNOUT, CIAFFI und ARAGOSTI ), DOUSA das gleichfalls unbelegte Nomen ditationis ( nach ditare, „bereichern“, und ditiae, metrisch bedingte Kontraktion von divitiae am Versende der Komödie; cf. Thes. V 1, 1632,53-57; empfohlen von DELZ 1962, 683 und BODEL 2003, 8 ). HEINSIUS schlug diae bzw. liquidae rationis vor, I.F. GRONOVIUS simulationis, JACOBS mendi-

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cationis. Ihren Reiz besitzen die beiden Hapax legomena ( divitationis und ditationis ); mehrheitlich klingen die Vorschläge jedoch banal. Kaum besser machen sich MÜLLERs id venationis ( ed.2 im Text ; so WARMINGTON und DÍAZ Y DÍAZ ) und RICHARDSONs divisionis ( 2007, 47f.: „the strict division of the citizens of Croton into ‚hunters‘ and ‚hunted‘ “ ). Originell ist HAASEs ( 20f. ) id invitationis ( das NISBET 1962, 229 um id kürzte ), doch schwerlich besser als Eumolps profane ‚Prophezeiung‘. – Cf. zu der Stelle auch CARMIGNANI 2010, 329f. § 2 iocari ego senem poetica levitate credebam : Eumolps Auftritt an Bord scheint noch nicht ganz vergessen ( 115,5 inicio ego phrenetico manum eqs.); doch das Bild wird sich bald wandeln ( § 5 nemo ausus est artem damnare nihil auferentem ; cf. PARATORE 1933, II 378 ). Der Ablativ bezieht sich auf Eumolps Person ( „mit der Leichtfertigkeit des Dichters“ ) oder seine noch dunklen Andeutungen ( „in einer dichterischen Grille“; cf. Thes. X 1, 2520,67-78 s.v. poeticus : „quae spectant potius ad poetas“, bezogen auf Abstrakta wie ingenium, facultas, studium ; e.g. Cic. de orat. 1,69 de rebus rusticis … Nicandrum … poeticā quadam facultate … scripsisse praeclare ). Als stilistische Kategorie kehrt die Junktur in Ausonius’ Technopaegnion wieder ( 25,2 poeticam vel sophisticam levitatem, „dichterische bzw. intellektuelle Eleganz“ ). FEDELI 1988, 9 sieht in der Wendung das erste Signal in dem Kapitel für eine veritable ‚Bühnenaufführung‘ ; es folgen scaena ( §§ 2 und 10 ), vestis humanior und instrumentum lautius ( § 2 ), mendacium ( §§ 2 und 5 ), mimum componere ( § 4 ), dominus ( § 4 ) und serviliter ficti ( § 6 ). cum ille : Zum Fortfall des verbum dicendi cf. 93,4 Komm. == Bd. I, S. 250 ( zur Ellipse allgemein cf. Bd. I, S. 17 ). BÜCHELER fügte nach utinam quidem ein inquit ein ( bis ed.2 ; ab ed.4 im App.; so ERNOUT und CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ersetzt quidem durch inquit ). VAHLEN ( 1880, 272 ) widersprach und verwies auf mehrere Cicero-Stellen, wo in vergleichbarem Kontext ( „inprimis in hoc transitu a narratione ad orationem relatam“ ) ein inquit fehlt. – S. auch PERI 2007, 19 Anm. 19; 21 und Anm. 23. utinam quidem sufficeret largior scaena : „Hätte ich nur eine stattliche Staffage zur Hand“. Als t.t. des Theaters meint scaena die „Bühne“ ( 80,9,5; 126,6; OLD s.v. 2 ), die einzelne „Vorführung, Vorstellung“ ( 5,7f.; 33,5; OLD s.v. 3 ), sowie generell „das Schauspiel, die Inszenierung“ – auch außerhalb des Theaters ( § 10 ne quid scaenae deesset ; OLD s.v. 5ab ). Wie das Folgende zeigt, denkt Eumolp an ‚Requisiten‘ ( eine seltene Verwendung von scaena ; der t.t. ist choragium, griech. χοράγιον ) für seine Posse in Krotons Orchestra.

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Eine mehr denn ephemere Rolle spielt die Maskerade bei Plautus. Akteure verkleiden sich für Intrigen aller Art, etwa als Kapitän ( Mil. 1281-83 incedit | ornatu quidem thalassico eqs.), als persische Sklavenhändler ( Persa 462f. exornatu’s basilice ; | tiara ornatum lepida condecorat schema ), oder schlicht mit höchstem Aufwand ( Poen. 577 basilice exornatus incedit et fabre ad fallaciam, „königlich herausgeputzt und bereit für den Streich …“; Trin. 843860 ). In Heliodor tarnen sich Kalasiris und Chariklea vergnügt als Bettler, um sich unerkannt durchzuschlagen ( 6,10f.; die Szene zitieren auch ANDERSON 1982, 72; COURTNEY 2001, 180: „their harmless deception … is characterized by the theatrical term ὑπόκρισις [ 6,12,1 ], play-acting“ ). Zu largus cf. OLD s.v. 3: „furnished liberally, plentiful, bounteous, unstinted, copious“. Der Komparativ ist abgeschwächt ( wie bei vestis humanior und instrumentum lautius ; zum Komparativ als lebhaftem Positiv cf. 79,6 Komm. == Bd. I, S. 4 f. ). id est vestis humanior, instrumentum lautius : „nämlich elegantere Kleidung, erlesenere Accessoires“. Ein angesichts seines üblichen Habitus begreiflicher Wunsch ( 83,7 cultu non proinde speciosus ; s. auch Ov. am. 1,8,26 dignus corpore cultus abest, die besorgte alte Kupplerin zu Ovids Liebster ). – In seiner Bedeutung hier ( OLD s.v. 5b: „cultured, cultivated“ ) steht humanus meist bei Personen oder Abstrakta. Eumolp verwendet es in singulärer Weise für Kleidung ( cf. Thes. VI 3, 3093,31-33 ad loc.: „usu secundario vel novato spectat ad decorem, commoditatem, iucunditatem“; wohl deshalb tilgte BÜCHELER in seiner ed.2 id est vestis humanior ). – Zu der Formel id est ( „das heißt“ ) cf. 87,1 Komm. == Bd. I, S. 117. instrumentum : instrumentum ( l, t marg. : vestimentum rtp ) bezeichnet Gerätschaften aller Art, auch Mobiliar, Hausrat, Garderobe, wie man sie etwa auf einer Reise benötigt ( e.g. Cic. Att. 12,32,2 quid viatici, quid instrumenti satis sit, „was als Reisekasse genüge, was an Ausrüstung“ ), oder für den häuslichen Komfort ( e.g. Sall. Catil. 25,2 instrumenta luxuriae, „Werkzeuge des Wohlstands“, lt. K. VRETSKA ad loc. „wohl Toiletten- und Kosmetikutensilien“; Ov. fast. 5,279 cetera luxuriae … instrumenta, in der Frühzeit fehlten „die üblichen Luxusartikel“; Sen. dial. 7,25,2: zum prunkvollen Haushalt gehört „eine prächtige Einrichtung“, instrumenta splendentia ), oder – unserer Stelle wohl am nächsten – als Staffage und Dekoration ( cf. Sen. dial. 6,10,1 conlaticiis … instrumentis scaena adornatur, „mit geborgten Dekorationen staffiert man die Bühne aus“; so auch FEDELI 1988, 10, der ferner Festus p. 45,19 L. zitiert, CHORAGIUM instrumentum scaenarum ; s. auch Suet. Iul. 37,1 primum … triumphum egit Gallicum, sequentem Alexandrinum …, diverso quemque apparatu et instrumento ; zit. PANAYOTAKIS 1995, 159 Anm. 60 ).

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lautius : Die Mehrzahl moderner Herausgeber übernimmt GULIELMIUS’ lautius ( cf. OLD s.v. lautus 3: „sumptuous, luxurious“; so u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; MÜLLER ; DÍAZ Y DÍAZ ; CIAFFI ; ARAGOSTI ; GIARDINA – MELLONI ). Das überlieferte latius ( so u.a. PELLEGRINO ; ALESSIO 1967, 249 votierte für vestimentum latius ) verteidigte TERZAGHI als „bello, nobile, ricco“ ( 1955, 30 Anm. 9 ), und zitierte u.a. Hor. serm. 2,3,183 latus ut in circo spatiēre ( „damit du aufgeblasen im Zirkus umherstolzierst“ ); Sen. ep. 76,31 praesente populo lati incesserunt et coturnati sc. actores ; Quint. inst. 12,10,23 nonne his latior et audentior et excelsior ? ( „ist Aischines nicht ausufernder, kühner und hochstrebender als diese ?“ ). Doch wie die Beispiele zeigen, wird latus nur für Personen verwendet, mit einem metaphorischen Unterton ( cf. OLD s.v. 3a: „( of the body, or parts of it, implying strength or sturdiness ) broad; ( also, as a sign of grossness )“; 3c: „occupying a wide space ( through wearing excessively full clothing )“ ), bzw. genuin metaphorisch für Abstrakta ( e.g. Tac. ann. 4,62,3 latior … metus ; OLD s.v. 4 b ). Die Verwendung für konkrete Objekte ( wie hier ) sprengt das Wortfeld ( ähnlich bereits FUCHS 1959, 76 ). ROSE 1965, 230f. wollte das erste und dritte Adjektiv vertauschen: latior scaena … instrumentum largius, denn „lautius is not really appropriate, since Eumolpus will have to pose in Croton as shipwrecked and almost destitute“. Doch inwiefern ergeben eine ‚weitgefächerte Staffage‘ und ‚reichhaltige Gerätschaften‘ mehr Sinn ? Und zumindest rudimentär sollte Eumolps Gepäck ( soweit ‚erhalten‘ ) seinen angeblichen Reichtum spiegeln. Einen Schritt weiter geht VANNINI ( 2007a, 222f. ), der das pleonastische Trikolon largior scaena – vestis humanior – instrumentum lautius mit einer ‚Verdrehung‘ verschlankt : … largior scaena, id est vestis humanior, instrumentum, quod latius praeberet mendacio fidem ( so HOLZBERG, der übersetzt : „eine Ausstattung, die einem Schwindel größere Glaubwürdigkeit verleihen würde“; so auch CARMIGNANI 2010, 330f. ). Zu latius ~ „in weiterem Sinn“ zitiert VANNINI Cic. off. 3,19 exempli causā ponatur aliquid quod pateat latius ; s. auch Cael. 6 meus hic forensis labor … demanavit ad existimationem hominum paulo latius, „… hat sich ziemlich weit verbreitet“; Thes. VII 2, 1023,7184 ). Doch neben den beiden ersten Elementen klingt instrumentum dann beinahe ‚nackt‘. Zudem haben wir hier eine saubere Gleichung : largior scaena == vestis humanior + instrumentum lautius, die in sich stimmig ist ( schon deshalb verbietet sich FRAENKELs Tilgung von id est ; infrage käme allenfalls ANTONs von BÜCHELER empfohlenes ‹ et › instrumentum ). quod praeberet mendacio fidem : „( Accessoires ), die dem Schwindel Glaubwürdigkeit verleihen würden“. Wie die Farce vom reichen Erbonkel im Einzelnen aussieht, erfährt der Leser §§ 6-10. Mendacium liefert das

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Stichwort zur Krotoner Komödie: „Streich, Betrug, Schwindel“ ( cf. § 5 ut duraret inter omnes tutum mendacium ; 125,3 mendacium … nostrum ; 140,7 ut constaret mendacio fides ; OLD s.v. mendācium 2: „a false impression or appearance, illusion, counterfeit“; s. auch 116,5 sin autem … sustinetis semper mentiri ). Dass bei einem solchen Bubenstück die Details stimmen müssen, weiß auch Giton ( 102,14 tamquam … non multa unā oporteat consentiant, ut omni ratione mendacium constet ). non mehercules rapinam istam differrem : Das überlieferte Objekt ( penam bzw. poenam ) ergibt keinen Sinn. Abwegig sind TERZAGHIs Deutung als „Überdruss“ ( 1955, 30f.: „questa noia, questo fastidio“, wie e.g. Plin. nat. 2,27 quod sc. deus homini dedit optimum in tantis vitae poenis, i.e. den Selbstmord; zurecht kritisch FUCHS 1959, 76 ) und TANDOIs Hypothese ( 1992 a, 627; cf. oben ), hier sei die Selbstgeißelung der Galli gemeint, die Apuleius einmal poena nennt ( met. 8,28,1 ). Manche Konjektur bleibt ein Kuriosum; so JACOBS’ spem ( CARMIGNANI 2010, 330 verweist auf die Junktur spem differre, e.g. Ov. met. 11,306 spem Veneris differt in tempora noctis ; Liv. 33,38,7 ), P. THOMAS’ Gräzismus technam ( i.e. τέχνην, „listigen Plan“; 1921, 32 ), PALMERIUS’ peram (~ πεῖραν, „Versuch“; ap. BURMAN 697 ), oder ALESSIOs paenulam, „Kapuzenmantel“ ( 1967, 249; übernommen von PELLEGRINO ). Zu weit von der Überlieferung entfernt sich FUCHS’ non mehercules ‹ ali › quem mimum differrem ( 1959, 76 ). Ohne jede Parallele wäre MÜLLERs pugnam in der Bedeutung fallaciam, als Synonym für mendacium ( ed.1 Add.; DELZ 1962, 684 verweist auf 124,3 statim opes suas summo cum certamine in Eumolpum congesserunt ). Ungelenk klingt DELZ’ pecuniam ( ebd.; als Objekt von differre stehe statt einer Handlung deren Resultat ), solider MÜLLERs praedam ( ed.2 Text ), für das LABATE 2014, 183 sich stark macht ( im Sinn von ‚actio praedandi‘, Thes. X 2, 527,66-528,21: Eumolp stelle seinen Leuten fette Beute in Aussicht ). Mehrere Vorschläge erzeugen mit dem Begriff ‚Armut‘ eine Spannung zu den folgenden magnae opes ; so GEORGE 1967, 131f. mit penuriam, GIARDINA 1983, 243 mit inopiam, und PITHOEUS mit peram, einem im Kontext zu kryptischen Symbol der ‚Armut‘ : „Zwerchsack, Ranzen“ ( cf. Sat. 11,4 lorum de pera solvit ; 14,2,3 Cynicā traducunt tempora perā ; Mart. 14,81 ), das HEINSIUS raffiniert zu peram istam diu ferrem erweiterte. Aber denkt Eumolp in diesem inspirierten Augenblick überhaupt an ihre Armut ? Wohl kaum. Sein Blick richtet sich nach vorne, auf den Plan. Dazu passen JUNIUS’ operam ( so ERNOUT ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ), BÜCHELERs pompam, „Schaustellung“ ( ed.1 ad loc.; cf. OLD s.v. 3 ), I.F. GRONOVs sc(a)enam, und am wohl besten BÜCHELERs rapinam ( ad

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loc. ab ed.2 ; so u.a. MÜLLER ab ed.2 a ; HOLZBERG ). Die baldige Wiederkehr des Wortes ( § 3 rapinae comes ) muss nicht beunruhigen – zumal zwischen beiden Passagen eine unbestimmte Menge Text ausgefallen ist ( cf. unten ). sed continuo vos ad magnas opes ducerem : cf. Sen. ep. 119,1 docebo quomodo fieri dives celerrime possis. … ad maximas te divitias conpendiaria ducam. Die ‚Schätze‘ ( magnas opes ) zitieren den vilicus ( 116,5 recta ad lucrum curritis ). LABATE 2014, 182 nennt zwei weitere Parallelen zwischen der ‚Prophezeiung‘ des vilicus und Eumolps Versprechen : die Stichwörter ‚Eile‘ ( 116,5 recta … curritis ~ 117,2 non … differrem bzw. continuo ) und ‚Lüge‘ ( 116,5 mentiri ~ 117,2 mendacio ). § 3 atquin promitto … : Nach der vollmundigen Verheißung kommt die adversative Konjunktion überraschend ( zu atquin cf. PETERSMANN 250 ). Mehrere Herausgeber ( u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ) zogen die zwei Wörter zu Encolpius’ Antwort : atquin promitto, quicquid exigeret, „ungeachtet e.g. der skizzierten Schwierigkeiten sagte ich alles zu, was er verlangte“ ( promitto wäre in dem Fall historisches Präsens, gefolgt von einem konsekutiven Relativsatz ). Einen nahtlosen Anschluss ergäbe HEINSIUS’ ad quae ( statt atquin ). Doch wie glaubwürdig klingt diese bedingungslose Zustimmung fast im Anschluss an das iocari ego senem … credebam ? KRAFFERT hingegen ließ Eumolps Rede mit diesen Worten abbrechen und postulierte eine Lücke nach promitto ( 1888, 12; so u.a. MÜLLER ; TANDOI 1992 a, 625 Anm. 2; GIARDINA – MELLONI ; HOLZBERG ; eine Lücke vor atquin zog bereits BÜCHELER 1 ad loc. in Betracht ). Dass die zwei Worte noch Eumolp gehören, stand für BÜCHELER außer Frage ( ed.1 ad loc.: „certum autem est Eumolpum haec loqui, non quem vulgo loquentem faciebant Encolpium“ ). In der Summe passt das ‚Versprechen‘ organischer zu den verheißenen „großen Schätzen“ als zum problemlosen Bereitstellen von Requisiten. Angesichts des hoffnungsvollen promitto kann atquin freilich kaum einen strikten Gegensatz einführen, eher eine das Versprechen ergänzende Anmerkung ( cf. OLD s.v. 1b: „in continuous discourse, introducing an answer to an imagined question“ ), e.g. atquin promitto vos quoque illa in fabula primas partes agere, „ich werde euch reich machen – allerdings versichere ich euch, dass auch ihr in dem Stück eine wichtige Rolle zu spielen habt.“ ( s. auch CONTE 2005, 209 ). Das von BÜCHELER erwogene atque ( statt atquin ) entschärft die Diskrepanz zwischen atquin und promitto. In diesem Fall könnte man mit VAN

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THIEL 1971, 48 vermuten, Eumolp habe „die zu erwartenden Annehmlichkeiten ausgemalt“ ( er verweist auf 125,1f. ). Der naheliegende Eingriff beraubt die Wendung aber auch ihrer authentisch klingenden Spannung. Für eine Lücke spricht v.a. e i n Argument. Was genau er vorhat, legt Eumolp nirgendwo offen. Entweder gestehen wir Encolpius und Giton eine quasi prophetische Auffassungsgabe zu, die nähere Erläuterungen überflüssig macht, oder, realistischer, Eumolp hat seinen mimus ( § 4 ) irgendwo skizziert – entweder hier, eher aber im Anschluss an § 3, wo BÜCHELER hellsichtig einen Textausfall annahm. In der Tat macht sich eine Verzögerung dramatisch besser. Gehört atquin promitto aber noch zu Eumolps Worten, ging auf jeden Fall hier ebenfalls etwas verloren – auch wenn offen bleiben muss, was. quicquid exigeret : Encolpius kann mit der nötigen largior scaena ( § 2 ) dienen – sowohl mit einer vestis humanior als auch einem instrumentum lautius. „In providing costumes Encolpius is performing the function of the choragus ( producer ) in the Roman theatre.“ ( COURTNEY 2001, 179 ). Zu Wort kommt er offenbar nur in indirekter Rede ( ausgefallen ist sinngemäß e.g. exclamo offerre me posse ; HOLZBERG ergänzt „wir versprachen ihm alles, was er verlangen würde“; meine Kursiva ). dummodo placeret vestis, rapinae comes : Von der vestis scheint Eumolp hier das erste Mal zu hören. Gemeint ist höchstwahrscheinlich Isis’ heiliger Mantel, den Encolpius in einer verlorenen Episode geraubt hatte ( cf. 114,5 vestem illam divinam sistrumque redde navigio, und S. 624 f. ad loc.). Die Junktur rapinae comes ist singulär ( Thes. III, 1773,12 ). Ungewöhnlich scheint auch comes selbst. Kaum schlüssig klingt die orthodoxe Verwendung ( e.g. HOLZBERG : „das Gewand …, der Komplize unseres Raubzuges“; SCHMELING in SCHMELING – SETAIOLI 446: „the clothes which I had worn for the burglary“ ). Nicht nur syntaktisch gewagt zieht SCHÖNBERGER 1992, 305 rapinae comes als Subjekt zu exigeret, sinngemäß „was auch immer der Komplize unseres geplanten Raubzugs fordere“ ( gemeint wäre am ehesten Eumolp, in einem mit Blick auf § 1 prudentior und § 4 dominum fast zu jovialen Ton ). Eher ersetzt es euphemistisch e.g. praeda, also etwa „Dreingabe meines Raubzugs“ ( neben dem Sistrum; cf. Thes. III, 1775,46-54 „de re corporea, saepe fere de eo quod simul fertur, portatur“; zu dem Gen. cf. e.g. Cic. Verr. 3,187 anulum … abs te donatum comitem pecuniae iudicamus, „… als Anhängsel des Geldes“ ). – Einen Platz im Apparat verdient ROSEs rapinae merces ( 1967, 136 ). Manche Herausgeber setzen nach placeret ein Komma : quicquid exigeret, dummodo placeret, vestis rapinae comes, et quicquid Lycurgi villa grassantibus prae-

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buisset, „was auch immer er verlange, sofern es für ihn in Ordnung sei: ein Mantel usw.“ ( u.a. BÜCHELER ed.1 ). Flüssiger liest sich der Satz ohne Komma. Und die einzelnen Abschnitte harmonieren besser mit Eumolps Wunschliste ( utinam … sufficeret largior scaena ~ quicquid exigeret / id est vestis humanior ~ dummodo placeret vestis, rapinae comes / instrumentum lautius eqs. ~ et quicquid Lycurgi villa … praebuisset ). et quicquid Lycurgi villa grassantibus praebuisset : „und alles, was Lykurgs Landhaus uns Plünderern freundlich überlassen hätte“ ( zu dem Partizip cf. 82,2 miles … nocturnus grassator ). Isis’ Gewand soll offenbar die vestis humanior liefern, die Beute aus der villa ( zu der die vestis nicht gehört ; et quicquid trennt beides klar voneinander ) das instrumentum lautius. Die lapidare Erwähnung Lykurgs darf als Indiz gelten, dass von ihm bereits die Rede war. In einer anderen verlorenen Episode bediente Encolpius sich offenbar am Hab und Gut eines Lykurg. Wo und wann besagter Überfall auf die villa stattfand, und ob Ascyltos beteiligt war ( grassantibus ), muss offen bleiben. Einziges Indiz für ein Zusammentreffen mit einem unerfreulichen Zeitgenossen dieses Namens ist Encolpius’ Stoßseufzer in der Pinakothek ( 83,6 hospitem Lycurgo crudeliorem ). Als mutmaßlicher Gastgeber Enkolps ( und Gitons ? Ascylts ? ) zeigte er sich offenbar nicht von seiner besten Seite; der Raubzug dürfte Encolpius’ Rache gewesen sein. nam nummos in praesentem usum deum matrem pro fide sua reddituram … : „denn die nötige Barschaft für den täglichen Bedarf werde die Göttermutter dank ihres Beistands beisteuern“ ( in einer verlorenen Passage der Sat. will jemand von Apollon wissen: dic mihi, qui nummos non habet, unde petat ; frg. 47,6 M.4 == Anth. Lat. 693,6 R. == COURTNEY 68 ). Mit deum matrem meint Encolpius kaum die von ihm profanierte Isis, die gleichfalls diesen Titel trägt ( Apul. met. 11,5,2 Phryges Pessinuntiam deum matrem sc. me appellant ; cf. GWYN GRIFFITHS ad loc.; für sie votieren CIAFFI 1955, 15-17 und SCHMELING – SETAIOLI 446 ), sondern die ansonsten nirgendwo im erhaltenen Text erwähnte Magna Mater / Kybele. Eine mögliche Deutung präsentierte VEYNE 1964 a. Es gehe um Geld, das die Protagonisten in einer verlorenen Episode nach gängiger Sitte in einem ( Kybele-)Tempel deponiert hätten ( cf. Plaut. Bacch. 306-313; CIL III, 11009 dankt jemand der Terrae matri … ob commendatam et restitutam fidem, i.e. depositum ). Für diese Theorie spräche reddere ( im vollen Wortsinn „zurückgeben“ ). Das würde freilich voraussetzen, dass Encolpius früher schon einmal in Kroton oder einer Nachbargemeinde war. VAN THIELs Vorschlag ( 1971, 48 Anm. 1 ) wiederum, vielleicht hätten sie aus dem

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Tempel ein fremdes Depositum gestohlen, beißt sich mit dem Inf. Futur ( reddituram sc. esse ). – Offen bleibt, woher Encolpius in Kroton zwei Goldmünzen hat ( 137,6 ). Encolpius hat wohl ein bescheideneres Bubenstück im Sinn, das ihnen einen Notgroschen sichern soll. Als nummi kämen die Almosen infrage, mit denen Kybeles Anhänger die Galli unterstützten, die Bettelpriester der Göttin ( cf. Lucr. 2,626f.; Tib. 1,4,67-70; Ov. fast. 4,350; Pont. 1,1,39f.; zu deren Einkünften cf. Apul. met. 8,28,5 stipes aereas, immo vero et argenteas multis certatim offerentibus ; 9,8,1 vaticinationis … crebris mercedibus suffarcinati purissimi illi sacerdotes, „jene blitzsauberen Priester, vollgestopft mit den üppigen Einkünften ihrer Prophezeiung“ ; 9,8,6 ad istum modum divinationis astu captioso conraserant non parvas pecunias ; zum t.t. stips cf. Sen. ep. 14,17 nunc ad cotidianam stipem manum porrigis ). Wollte er mit den anderen in Kroton als Galli auftreten ( cf. oben zu § 1; vom Betteln redet er auch einmal in Kroton, 125,4 rursus fugiendum erit et tandem expugnata paupertas novā mendicitate revocanda ; s. auch 140,15 ) ? Eumolps weitaus raffinierteren Plan kennt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ( s. das folgende Lemma ). Zu der Wendung nummos in praesentem usum cf. 137,9,9f. quod vis nummis praesentibus opta, | et veniet. – Zu dem scheinbar anknüpfenden oder weiterführenden nam ( „was das betrifft“ ), das die Begründung zu einem ausgelassenen Gedanken liefert, cf. 91,5 Komm. == Bd. I, S. 221. Zu ergänzen ist hier etwa: ‚Um das Übrige brauche man sich nicht zu sorgen ; denn das tägliche Taschengeld (usw.)‘. – Zu dem finalen in cf. 88,4 Komm. == Bd. I, S. 134 ; zu dem kontrahierten Gen. Pl. deum ( ferner 109,9,5; BC 127 und 247 ) cf. Thes. V 1, 886,25-37. … : Encolpius’ Vorschlag könnte Kommentare provoziert haben. Vor allem aber dürfte Eumolp den anderen in ein, zwei Sätzen seinen Geistesblitz ( will heißen: seinen mimus, § 4 ) skizziert haben. Das geschah am ehesten hier, wo BÜCHELER überzeugend einen Textausfall annahm. SOMMARIVA 1991, 116 will hier tentativ frg. 38 M.4 == Anth. Lat. 476 R. == 474 Sh.B. einsetzen, ein Gedicht über die Macht des Gerüchts. Der Bezug zu der Szene ist freilich mehr als lose ( s. auch S. 757 ). § 4 quid ergo … cessamus mimum componere ? : Ähnlich wie auf Lichas’ Schiff ( 101,8-103,2 ), doch unter deutlich entspannteren Umständen, gilt es wieder einen Schlachtplan zu entwerfen, ein ‚Textbuch‘ für die Krotoner Komödie ( cf. PARATORE 1933, II 378: „una scena di indescrivibile vivacità“; D. SCHMID 1951, 34 : „eine Szene von sprühendem Witz: die Spitzbuben hecken ihren Plan aus“; LABATE 1986, 135 ). Wieder stammt der entscheidende Vorschlag von Eumolp, der diesmal von An-

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fang an die Initiative an sich reißt ( cf. ROSENBLÜTH 1909, 47f.; PARATORE 1933, II 378; SLATER 1990, 115; GENONI 1997, 455f.; NÚÑEZ 2010, 152 ). Unüberhörbar ist die Theatermetaphorik, genauer : das veritable Bühnenspiel, das Eumolp aufführen will ( cf. SANDY 1974, 345; PANAYOTAKIS 1995, 120: „a first-class trickster with a theatrical imagination“ ). In Personalunion gibt er den Regisseur und den Protagonisten: den kranken Alten als Köder für die captatores. Seine Sklaven spielen Encolpius und Giton, die ihre kahlen Schädel für die Rolle prädestinieren ( SLATER 1990, 116 ). Damit sind die Partien im Mimus vom Dives Fugitivus, den sie einstudieren, ‚typologisch‘ perfekt verteilt ( cf. PANAYOTAKIS 1995, 158-160; COLLIGNON 279 taufte den Mimus „le Faux riche“ oder „le Captateur de testaments“ ). Gegen das alternative Szenario, einen Auftritt als aktive captatores, wie ihn bei Horaz Teiresias Odysseus ans Herz legt, sprechen zwei Gründe : dem Quartett fehlen dafür die nötigen Ressourcen; vor allem aber wäre ein solches Unterfangen zu zeitaufwendig, und sein Ausgang höchst ungewiss ( cf. WOODS 2012, 56f. ). Mimum componere heißt hier nicht „die Posse in Szene setzen“, also ‚aufführen‘ ( so sinngemäß die meisten Übersetzer ), sondern „entwerfen“ ( OLD s.v. compōnō 8a und 10a ; cf. Tac. ann. 13,21,3 per concubinum Atimetum et histrionem Paridem quasi scaenae fabulas componit, Domitia „heckt mit ihrem Buhlen Atimetus und dem Mimen Paris eine Art Bühnenstück aus“ – eine Intrige bei Hof ). Als ‚Autor‘ des Schwanks für Krotons Erbschleicher avanciert Eumolp zum metaliterarischen Alter ego Petrons. Zum Stichwort mimus cf. 80,9,5 grex agit in scaena mimum ( und Bd. I, XXV -XXVII ; CAVALCA 2001, 113f.; FEDELI 1988, 10-12 ). Hier steht S. der Begriff ( vordergründig betrachtet ) übertragen: „a sham, farce, pretence“ ( OLD s.v. 2b ), wie e.g. Sen. contr. 1,5,2 quam bene mimum egit ! quomodo raptam se questa est, qua vociferatione ! ; Juv. 13,110 mimum agit ille, | urbani qualem fugitivus scurra Catulli ( „er spielt Theater – wie der flüchtige Tagedieb in den Mimen des Witzbolds Catull“ ); 6 frg. Ox. 27 aliis hunc mimum sc. age ! ( „anderen servier’ dieses Schmierentheater !“, der gehörnte Hausherr zum ‚impotenten‘ Eunuchen ); Suet. Otho 3,2. Für geistesverwandte Metaphern cf. Plaut. Poen. 774 compositast fallacia ( „geschmiedet ward ein Komplott“ ); Cic. Phil. 2,34 si meus stilus ille fuisset …, non solum unum actum, sed totam fabulam confecissem ( zum Attentat auf Caesar ); Heliodor 1,26,5 φυλακτέον … καθάπερ πάλαισμα τὸ πλάσμα ( „wir müssen meine Finte tarnen wie eine Kriegslist“; über Charikleas vorgetäuschte Einwilligung in die Ehe mit Thyamis ).

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Den Tonfall der Komödie bringt die auffordernde Frage ins Spiel ( cf. Plaut. Asin. 125 sed quid ego cesso ire ad forum ? ; Men. 878 quid cesso abire ad navem ? ; Persa 112 sed quid cessamus proelium committere ? ). facite ergo me dominum : Dominus meint ebenso die Rolle des „Herrn“ über seine familia von ‚Sklaven‘ ( zur Sklavenrolle cf. § 6 serviliter ficti dominum consalutamus ; § 10 quotienscumque aliquem nostrum vocare temptasset eqs.; zu Theaterrollen allgemein cf. 80,9,6 nomen divitis ille tenet ), in die Eumolp bereits auf Lichas’ Schiff geschlüpft war ( allerdings mit überschaubarem Erfolg ), wie den „Direktor“ und „Regisseur“ ( und ‚Autor‘ ) der grex, der Schauspieltruppe ( cf. Plaut. Asin. 2f. res vertat bene | gregique huic et dominis ; FEDELI 1988, 11; COURTNEY 2001, 179; C. WILLIAMS 2010, 39). si negotiatio placet : „wenn euch der Handel schmeckt“, nämlich die verheißenen Einkünfte ( § 2 magnas opes ) im Tausch gegen die Zumutungen des anrüchigen sozialen Status. Der hier scherzhaft gebrauchte Begriff zitiert das Gespräch mit dem vilicus ( 116,3 quodve genus negotiationis praecipue probarent ; 116,4 si negotiatores estis eqs.). § 5 nemo ausus est artem damnare nihil auferentem : „Keiner wagte einen Plan abzulehnen, bei dem nichts zu verlieren war“ ( SCHÖNBERGER ). Zu der Idee cf. BC 57 inops audacia tuta est, und Bd. III ad loc.; zu ars cf. OLD s.v. 3a: „a craftly action, trick, wile, stratagem“. In der Regel meint nihil auferre „nichts Eigenes oder Fremdes wegnehmen“ ( e.g. Cic. Flacc. 39 nihil istis praeter litteras abstulerunt ; Sen. contr. 1,7,2; Sen. dial. 7,22,5 divitiae … nihil auferent nisi semet ipsas, „der zerronnene Reichtum wird nichts wegnehmen außer sich selbst“; OLD s.v. auferō 4 ; zu der Variante „nichts gewinnen“ cf. Plaut. Mil. 696 quia nihil abstulerit, suscenset ceriaria, „die Mehlverkäuferin ist sauer, weil für sie nichts abfiel“ ). Die Verwendung hier, im Sinn von „nichts verlieren“, ist singulär ( cf. Thes. II, 1336,14 f.; eine vage Parallele Plin. ep. 5,1,10 ut … tibi nihil abstulerit reverentia mei, „damit deine Hochachtung mir gegenüber dir nicht schade“ ). ut duraret inter omnes tutum mendacium : ~ „damit unser Ensemble das Schelmenstück erfolgreich auf die Bühne bringe“. Zu mendacium cf. § 2 quod praeberet mendacio fidem, und S. 730f. ad loc.; zur Formulierung cf. 140,7 ut constaret mendacio fides. – Tutum steht prädikativ. in verba Eumolpi sacramentum iuravimus : Zur Absicherung des riskanten Unterfangens binden sich alle Mitspieler durch einen feierlichen Eid, den ( wie 109,1 beim Friedensvertrag ) als ihr neuer dominus Eumolp diktiert. – Das Stichwort sacramentum verleiht der Wendung etwas Offizielles, zitiert es doch den Fahneneid, den Soldaten auf eine Formel ihres

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Kommandanten oder eines hohen Beamten schworen ( u.a. Liv. 2,32,1 quoniam in consulum verba iurassent, sacramento teneri militem rati, „weil sie ihn auf die Konsuln abgelegt hätten, glaubten die Senatoren, die Soldaten seien noch durch den Fahneneid gebunden“; 22,11,8; 28,29,12 milites nominatim apud tribunos militum in verba P. Scipionis iurarunt ; Tac. hist. 2,79 ). In dem Eid, der die religiöse Sphäre verletze, findet FEDELI 1987, 18f. ein weiteres Indiz für Krotons ‚verkehrte Welt‘. Die spätantik ( v.a. bei christlichen Autoren ) gut bezeugte Wendung sacramentum iurare erscheint hier das erste Mal, danach Sil. Ital. 10,447f. dictata … iurant | sacramenta deis. Zur Junktur in verba ( alicuius ) iurare cf. Hor. epod. 15,4 in verba iurabas mea ( „i.e. Horace dictated the terms of the oath“; D. MANKIN ad loc.); ep. 1,1,14 nullius addictus iurare in verba magistri, „gebunden, auf keines Meisters Worte zu schwören“ ( cf. R. MAYER ad loc.: „addictus, ‚bound‘, keeps up the metaphor of the gladiator, who enslaved himself by oath to his master“ ); Aug. Res gest. V,25 iuravit in mea verba tota Italia ; Sen. ep. 12,11; Tac. hist. 2,16,2; OLD s.v. iūrō 5a; Thes. VII 2, 676,48-59. – FRAENKELs Tilgung von sacramentum als Interpolation aus § 6 ( so MÜLLER bis ed.2, laudante NISBET 1962, 228 ) beraubt die Stelle eines zentralen ironischen Elements. uri, vinciri, verberari ferroque necari, et quicquid aliud Eumolpus iussisset : Diesen Eid, das auctoramentum ( Juv. 11,8 leges et regia verba lanistae ), legten die sogenannten auctorati ab, römische Bürger, die sich aus freien Stücken für die Arena verdingten ( cf. Hor. serm. 2,7,58f. quid refert, uri virgis ferroque necari | auctoratus eas ; Ps.-Acro ad loc. gladiatores ita se vendunt et cautiones faciunt : uri flammis, virgis secari, ferro necari ; Sen. ep. 7,5 ( die Rufe im Amphitheater ) ‚occide, verbera, ure !‘ ; 37,1 illius turpissimi auctoramenti verba sunt : uri, vinciri ferroque necari ; 71,23 quid miraris si uri vulnerari occidi alligari iuvat ? ; s. auch das folgende Lemma ). Tibull will lieber von seinem Liebsten wie ein Sklave oder Gladiator bestraft werden, als dass dieser sich prostituiere ( 1,9,21f. ure meum potius flammā caput et pete ferro | corpus et intorto verbere terga seca ; cf. A. RAMÍREZ DE VERGER, A Note on Tibullus 1.9.2122 : AJPh 107, 1986, 109f. ). Noch einen Schritt weiter als das Krotoner Quartett ging angeblich Catilina, um sich seiner Mitverschwörer zu vergewissern ( Sall. Cat. 22,1f. ): fuēre … qui dicerent Catilinam … quom ad ius iurandum popularis sceleris sui adigeret, humani corporis sanguinem vino permixtum in pateris circumtulisse ; inde quom post execrationem omnes degustavissent, sicuti in sollemnibus sacris fieri consuevit, aperuisse consilium suom ( eqs.). In Lollianos’ Phoinikika opfert eine Bande Gesetzloser einen Knaben ( oder Sklaven: παῖς ), verzehrt gemeinsam sein Herz und schwört ihrem Hauptmann auf das Blut ihres Opfers, „dass sie

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weder aufgeben würden noch Verrat üben, nicht einmal, wenn man sie hinausführe ins Gefängnis oder sie foltere usw.“ ( B.1 recto, 15-17 == STEPHENSWINKLER p. 338f. ; Textergänzungen kursiv ; s. auch A. HENRICHS ap. G.N. SANDY, Notes on Lollianus’ Phoenicica : AJPh 100, 1979, 367-376, hier 375; A. CASANOVA, Ambienti e luoghi nei frammenti di Lolliano, in: G. Bastianini u.a. ( Hrsg.), I papiri del romanzo antico, Florenz 2010, 121137, hier 128-130 ). Die als bekannt vorausgesetzte konditionale Protasis ( „wenn wir den Eid brächen“ vel sim.) zu dem übergeordneten AcI ( ‹ nos › uri eqs.) fehlt. Zur Ellipse des Verbs ( e.g. et ‹ pati › quicquid eqs.) cf. 80,1 Komm. == Bd. I, S. 17; PETERSMANN 44. Der Konj. verdankt sich der oratio obliqua ( iussisset, abhängig von iuravimus ). Zur umgangssprachlichen Tempusverschiebung vom Konj. Imperf. zum Konj. Plusqpf. bes. in Relativ-, Temporaloder Konditionalsätzen cf. § 10 quotienscumque aliquem nostrum vocare temptasset, alium pro alio vocaret eqs.; 139,5 recte ergo me facturum, si excusationem … praeparassem ; KST 1,141; HSZ 321f.; PETERSMANN 198-201. tamquam legitimi gladiatores domino corpora animasque religiosissime addicimus : „Wie waschechte Gladiatoren ergeben wir uns unserem Herrn inbrünstig mit Leib und Leben.“ Römische Bürger, die sich freiwillig für die Arena verpflichteten, überantworteten für die Laufzeit ihres Kontrakts ihre bürgerlichen Rechte ( und damit im Grunde ihre gesamte bürgerliche Existenz ) dem Gladiatorenmeister ( cf. Ps.-Quint. decl. 9,22 nomen gladiatoris accipere, subire dominum lanistam ), ein Schritt, den sie mit einem Eid besiegelten. Der t.t. für diese Gladiatoren war auctorati ( ~ legitimi ; cf. Sen. apocol. 9,3 novos auctoratos, und P.T. EDEN ad loc.; s. auch G. VILLE, La gladiature en Occident des origines à la mort de Domitien, Rom 1981, 246-255 ). Hier wird das Ritual als Possen reproduziert, wenn sich freie Bürger, als ginge es um ‚Leib und Leben‘ ( corpora animasque ), ihrem Schauspieldirektor ( dominus ) verschreiben: der Theaterbetrieb kannte solche Eide nicht ( cf. SLATER 1990, 204 ; für dezente Bezüge dieser Passage zu Hor. serm. 2,7 cf. CARMIGNANI 2012a ). Die Junktur legitimi gladiatores ist singulär ( cf. Thes. VI 2, 2006,40f.; VII 2, 1114,9; zu legitimus cf. OLD s.v. 5: „properly so called, genuine, real“ ). Anima steht hier nachklassisch synonym für vita ( e.g. Lukan 9,392f. qui … capitur … animae dulcedine, „wen das süße Leben verführt“; Stat. Theb. 9,677f. hosti … cruento | dant animas, in der Schlacht „opfern sie dem blutigen Feind ihr Leben“; OLD s.v. 3b; 7a ). Der rare Superlativ schlägt einen feierlichen Ton an ( cf. 21,3 uterque nostrum religiosissimis iuravit verbis eqs., und u.a. Cic. inv. 2,1 Crotoniatae … templum Iunonis … religiosissime colebant ; Plin. ep. 3,15,2 poeticen ipsam religiosis-

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sime veneror ; 4,10,3 cum religiosissime soleas custodire defunctorum voluntatem ; 5,8,5 historias … religiosissime scripsit ). – Zu addicere cf. Sen. contr. 9,5,13 huic … animum meum addixeram ; OLD s.v. 6a: „to give over ( to ), hand over, surrender“; Thes. I, 576,78-577,17: „( se ) tradere vel dedere alicui“ ( bes. 577,11-13; s. auch Hor. ep. 1,1,14, zit. S. 738 ). § 6 post peractum sacramentum : Vereinzelt ersetzen bereits klassische Texte einen ( meist temporalen ) Abl. abs. durch eine Konstruktion mit post und einem PPP; cf. 58,1 post hoc dictum ; 63,10 post hoc factum ; KST 1,767; HSZ 243; PETERSMANN 154. serviliter ficti dominum consalutamus : Trimalchios Sklaven begrüßen ihren Herrn mit einem ave Gai ( 74,7 ). Die Arena zitieren SCHMELING – SETAIOLI ad loc.: have imperator, morituri te salutant ! ( Suet. Claud. 21,6 ). Die Metamorphose ist vollendet. Das singuläre serviliter ficti meint „nach Sklavenart gekleidet, herausgeputzt“ ( cf. Tac. ann. 13,25,1 Nero itinera urbis et lupanaria … veste servili in dissimulationem sui compositus pererrabat ; hist. 3,73,3 elapsi … servili habitu, „sie entkamen in Sklaventracht“; OLD s.v. fingō 4 b : „( refl. or pass.) to change one’s appearance, clothes, etc., transform oneself “ ), wohl mit dem Unterton „sich benehmen, sich aufführen wie Sklaven“ ( cf. HOLZBERG : „spielten wir die Sklavenrolle“; SCHMELING – SETAIOLI 446: „posing as slaves“ ). Passenderweise sind Giton und Encolpius kahl ( 103,3; offen bleibt, ob die Perücken, die sie Sat. 110 empfangen haben, den Sturm überlebten ). Göttlicher Hilfe bedurfte es, Odysseus in einen Bettler zu verwandeln ( Od. 13,397-403 ). Vertrauter klänge e.g. tamquam ficti servi. Die exotische Variante ‚substantiviert‘ das PPP ( „als fiktive Personen aus dem Sklavenmilieu“ ) – und bringt in der Enallage den für das Szenario gleichfalls notwendigen fictum dominum ins Spiel ( so GEORGEs überflüssige Konjektur : „our pretended master“; 1967, 132 ). Einen metaliterarischen Subtext macht CONNORS ( 1989, 43f. ) hier aus. In dem Mimus, den der ‚auctor -Autor‘ Eumolp entwerfe, werden Encolpius und Giton ficti, „fictional characters“, die sich expressis verbis der Autorität ihres ‚Schöpfers‘ unterwerfen. serviliter : Das seltene Adverb hat zwei Bedeutungen: „nach Sklavenart, wie ein Sklave“ ( u.a. Florus epit. 1,17,23 quibus sc. feneratoribus in terga quoque serviliter saevientibus ; Apul. met. 4,24,4 in … isto saxeo carcere serviliter clausa, und GCA IV p. 183 ad loc.; cf. OLD s.v. 1 ), und „sklavisch, in sklavischer Gesinnung“ ( u.a. Cic. Tusc. 2,55 ne quid serviliter muliebriterve faciamus ; Tac. hist. 1,36,3 Otho protendens manūs adorare volgum, iacere oscula, et omnia serviliter sc. facere pro dominatione, „… um an die Macht zu kommen“;

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cf. OLD s.v. 2 ). Die Stelle hier fällt eindeutig in die erste Kategorie ( cf. MÜLLER ad loc.: „id est servorum specie ac simulatione“ ). Wenig hilfreich ist DÍAZ Y DÍAZ’ Konjektur, servi iterum ficti, „fingiéndonos por segunda vez sus siervos“ ( das erste Mal 102,13 tamquam servi Aethiopes ). ficti : Im PPP von fingere schwingt oft die Idee des Vorspielens oder Vortäuschens mit ; cf. 3,3 sicut ficti adulatores cum cenas divitum captant ; 97,9 ut fidem haberent fictae preces ; 132,16 fictā severitate, und e.g. Verg. Aen. 2,107 ficto pectore fatur ( ~ „heuchlerisch“ ); Ov. met. 7,741 fictus adulter ( der den Ehebrecher nur ‚spielt‘ ); 9,767 ficto languore moram trahit ( „mit einer simulierten Krankheit spielt sie auf Zeit“ ); 14,323 fictā … imagine ( „künstlerische bzw. künstliche Darstellung“ ); Sen. Phaed. 915 ficta maiestas viri ; nat. 1 praef. 6 frons ficta, „das verstellte Antlitz“; Stat. Theb. 11,233 magnos ficto premit ore timores, „drängende Sorgen verbirgt er hinter verstellter Miene“. Kaum zu überzeugen vermögen zwei Alternativen für ficti, MÜLLERs cincti ( ed.2 ), und NISBETs vestiti ( 1962, 232; verworfen in seinen „Addenda“ 1995, 431; s. auch MÜLLER ad loc.: „ficti ne deleamus neve fictum scribamus numerus obstat.“ ). elatumque ab Eumolpo filium : „Eumolp habe einen Sohn zu Grabe getragen“ ( sc. ‹ esse ›, AcI; zu efferre cf. 111,2 cum virum extulisset, und S. 508 ad loc.). Zu dem Schicksalsschlag, ein eigenes Kind begraben zu müssen ( thematisch verwandt mit der mors immatura ), cf. Sat. frg. 46,5f. M.4 == Anth. Lat. 692,5f. R. orbi … parentes | coniungunt gemitūs, ferner Kallim. epigr. 14 Pf. == A.P. 7,519 == HE 1241-44 ; epigr. 19 Pf. == A.P. 7,453 == HE 1249f.; Hor. epod. 5,101 parentes, heu, mihi superstites, und L.C. WATSON ad loc.; Verg. catal. 11,7f. perversi, dicite, Manes, | hunc superesse patri quae fuit invidia ? ( „… welcher Neid verwehrte es, dass er den Vater überlebt ?“, und WESTENDORP BOERMA ad loc.); ecl. 5,22f. complexa sui corpus miserabile nati | atque deos atque astra vocat crudelia mater ; Aen. 6,307f. pueri innuptaeque puellae, | impositique rogis iuvenes ante ora parentum ; 9,481-497 ; 11,53 infelix, nati funus crudele videbis, und HORSFALL ad loc.; 11,158f. ( der Vater des toten Pallas ) o sanctissima coniunx, | felix morte tuā neque in hunc servata dolorem ! ( s. auch 8,578-583 ); Sen. dial. 6,17,7 nullum non acerbum funus est quod parens sequitur ; Lukan 3,607f. ( nach dem Tod seines Zwillingsbruders „hält“ der Überlebende „den Schmerz“ der Eltern „lebendig“ als ) aeternis causam lacrimis ; tenet ille dolorem | semper et amissum fratrem lugentibus offert ; Mart. 1,114, bes. 5 ad Stygias aequum fuerat pater isset ut umbras ; Juv. 10,240f. ducenda … sunt | funera natorum, und COURTNEY ad loc.; 15,138-140; Ps.Quint. decl. 6,1 non contingit mihi, quod ceteris miserrimum est, filium efferre ; 6,23;

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Apollonides A.P. 7,389 == GP 1153-58 καὶ τίς, ὃς οὐκ ἔτλη κακὸν ἔσχατον υἱέα κλαύσας; κτλ. ( „wer, der einen Sohn beweint hat, ertrug nicht den bittersten Kummer ? usw.“ ); Asklepiades A.P. 13,23 == HE 962-967; Carm. Lat. Epigr. 1478-1486. Cf. LIER 1903, 456-460 == § 4 „de liberis parentibus morte ereptis“; LATTIMORE 1942, 187-191; E. GRIESSMAIR, Das Motiv der Mors immatura in den griechischen metrischen Grabinschriften, Innsbruck 1966. pariter condiscimus : „und pauken im Chor …“ ( cf. COLLIGNON 276: „ils apprenent leurs rôles“; COURTNEY 2001, 179: „they learn their lines“ ). Die Details von Eumolps persona, dem steinreichen Greis mit kleiner Entourage, werden von den Akteuren in einer Art ‚Brainstorming‘ gemeinsam entwickelt und gleichzeitig einstudiert ( wie in Palliata und Praetexta ; cf. Plaut. Poen. 580 fac modo ut condocta tibi sint dicta ad hanc fallaciam, „behalte das für unseren Trug Einstudierte gut im Kopf “; zu pariter ~ „im Chor“ cf. Juv. 6,328 ac pariter toto repetitus clamor ab antro ). S. auch unten § 9 secundum hanc formulam ( „auf der Basis dieses Textbuchs“ ) und 124,3 ex praescripto … consilii communis ( „nach dem Drehbuch für unseren gemeinsamen Schlachtplan“ verkaufen sie Krotons Erbschleichern ihre Geschichte ). Zuerst skizziert der Protagonist seine Rolle ( §§ 6-8, in oratio obliqua; dass bis § 8 nicht er redet, sondern die anderen seine Vorgaben wiederholen, signalisieren senem und § 7 illum, statt se ); dann steuern die anderen ihre Einfälle bei ( §§ 9f. ). Wie PANAYOTAKIS 1995, 159f. zurecht festhält, hätten einige wenige Details gereicht : ein kinderloser Eumolp auf Geschäftsreise, und ein Schiffbruch. „The additional details, however, give a melodramatic tone to the past life of that unfortunate millionaire who thus becomes a perfect bait for the legacy-hunters“. Die persona des dominus, die im Folgenden vor den Augen des Lesers entsteht ( §§ 6-10 ), weist überraschende Parallelen zu Trimalchio auf, namentlich die enormen Ländereien ( § 8 ~ 48,3 ), die Verdauungsprobleme ( § 9 ~ 47,2-6 ), den fehlenden Überblick über die eigene familia ( § 10 ~ 37,9 ), zuletzt den inszenierten Tod ( 141,2-11 ~ 78,5 ; s. auch RIMELL 2002, 89; dass Encolpius und Giton vielleicht Trimalchio vor Augen hatten, vermutet W.-W. EHLERS in epist.). iuvenem ingentis eloquentiae et spei : Der Todesfall ist umso tragischer, als den jungen Mann eine glänzende Zukunft erwartete ( cf. 3,1 adulescens … sermonem habes non publici saporis et, quod rarissimum est, amas bonam mentem ; Val. Max. 4,1,15 duos egregiae indolis filios suos … occisos cognovit sc. M. Bibulus ; 5,10,3 filium summae pietatis, magnae spei et … unicum amisit ; 8,1

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amb. 2 optimae indolis iuvenem … occisum ; Plin. ep. 3,16,3 filius decessit eximiā pulchritudine, pari verecundiā ; Stat. silv. 4,4,45 iuvenīs facundia praeterit annos ). „The term spes has dual meaning here, meaning both ‚promise‘ in the general sense of expectations for success in life and ‚prospects‘, indicating the fortune which Eumolpus’ imaginary heir stood to inherit from him in this fiction.“ ( WOODS 2012, 88 Anm. 82 ). de civitate sua miserrimum senem exisse : Nach dem Tod seiner Tochter und seiner Frau verlässt Charikles verzweifelt seine Heimat ( Heliodor 2,29,4 f. ). Augustin flieht aus seiner Vaterstadt Thagaste, um dem Schmerz über den Verlust seines liebsten Freundes zu entkommen ( conf. 4,7; zit. DE SALAS 227 ). Im nachklassischen Latein setzt sich lokales de allmählich gegen die beiden verwandten Präpositionen ab und ex durch, gerade im Abl. sep. (s. auch 92,6; 95,5 ; 95,8 ; 110,2 ; 127,9,5 ; 131,4 ; 134,9 ; 135,4 ) ; cf. LÖFSTEDT 1911, 103 ; KST 1,497f. ; HSZ 261 ; PETERSMANN 157f. sepulcrum quotidie causam lacrimarum : In der frischen Trauer ist der tägliche Besuch des Grabs den Hinterbliebenen Bedürfnis wie Trost. Statius’ Mutter etwa weicht nicht von der Ruhestätte ihres Gatten ( silv. 5,3,241-243 seiungere matrem | iam gelidis nequeo bustis ; te sentit habetque, | te videt et tumulos ortuque obituque salutat ); die ephesische Matrone will dort sterben ( Sat. 111,2 corpus custodire ac flere totis noctibus diebusque coepit ). Ihr mutmaßliches äsopisches Urbild sucht es immerhin jeden Tag auf ( fab. Aesop. 299 Hausrath γυνή τις προσφάτως τὸν ἴδιον ἄνδρα ἀπολέσασα καθ᾿ ἡμέραν πρὸς τὸ μνῆμα αὐτοῦ ἔκλαιεν, „Eine Frau, die vor kurzem ihren Mann begraben hatte, besuchte täglich das Grab, um dort zu weinen“; übers. LEFÈVRE 1997, 19 ). § 7 accessisse huic tristitiae proximum naufragium : An diesem einen Punkt verschmelzen Fiktion und ( Roman-)Realität ( „the one nugget of truth in Eumolpus’s brilliant improvisation“; SLATER 1990, 116 ). Doch waren Schiffbrüche auch der Theaterbühne nicht fremd ( cf. Plaut. Rud. 148-219; ferner Sen. dial. 4,2,5 ad conspectum mimici naufragii ; cf. PANAYOTAKIS 1994, 600f. ). Zu accedere mit Dat. cf. 106,4 Komm. == Bd. I, S. 421. quo amplius vicies sestertium amiserit : „über zwei Millionen“ Sestertien – eine ansehnliche Reisekasse ( cf. Sen. dial. 12,12,4 eo temporum luxuria prolapsa est ut maius viaticum exulum sit quam olim patrimonium principum fuit, „inzwischen hat die Verschwendung derartige Ausmaße angenommen, dass die Brieftasche Verbannter dicker ist als einst das Vermögen führender Männer“ ). Dreißig Millionen will Trimalchio mit einer kleinen Flotte

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verloren haben ( 76,4 uno die Neptunus trecenties sestertium devoravit ). Zu Eumolps vorgeblichem Besitz in Africa cf. § 8. Der Konj. Perf. ( amiserit ) des Relativsatzes in der oratio obliqua anstelle des nach accessisse zu erwartenden vorzeitigen Konj. Plusqpf. fällt unter die zahlreichen „Abweichungen von der herkömmlichen Norm“ selbst bei den besten Autoren römischer Kunstprosa ( PETERSMANN 197f.; s. auch § 10 et ne quid scaenae deesset eqs., und ad loc.). nec illum iacturā moveri : „und nicht der Verlust rühre ihn“ ( „a good ploy this“; COURTNEY 2001, 180 ). Ähnlich souverän reagiert Trimalchios Schatzmeister ( 30,10 non tam iactura sc. vestimentorum me movet … quam neglegentia nequissimi servi ; s. auch 64,11 Trimalchio ne videretur iacturā motus eqs.), weniger gelassen der schiffbrüchige Apollonius an König Archistrates’ Hof ( Hist. Apoll. 14,8-10 rec. A ): respiciens aurum, argentum, mensam et ministeria, flens cum dolore omnia intuetur. Der König deutet den Schmerz richtig : iuvenis iste non bonis meis aut fortunae meae invidet, sed, ut arbitror, plura se perdidisse testatur. Der Königstochter antwortet Apollonius ( ebd. 15,6 ): si de thesauro quaeris, in mare perdidi. sed destitutum ministerio non agnoscere dignitatem suam : „sondern seines Personals verlustig, erkenne er nicht länger seinen wahren Rang“. Das öffentliche Ansehen definierte sich auch über die Zahl eigener Sklaven ( cf. Juv. 3,141f. ‚quot pascit servos ? quot possidet agri | iugera ? quam multā magnāque paropside cenat ?‘ ). Trimalchio lässt sich die ( angeblichen ) aktuellen Zahlen täglich rapportieren ( 53,2 in praedio Cumano … nati sunt pueri XXX, puellae XL ; cf. Sen. dial. 9,8,6 numerus illi sc. Demetrio Pompeiano cotidie servorum velut imperatori sc. numerus exercitūs referebatur ). – Das vorausgehende illum gilt auch für agnoscere. ministerio : Den Verlust seiner „Dienerschaft“ beklagt Eumolp in eleganter Diktion. Die Verwendung eines Abstraktums als ‚konkreten Kollektivs‘ beginnt in der lateinischen Prosa wohl mit Cicero; e.g. servitium statt servi ( Verr. 2,5,9; har. resp. 25 ), comitatus statt comites ( Balb. 62; „Gefolge“ ), peregrinitas statt peregrini ( fam. 9,15,2 in urbem nostram est infusa peregrinitas ). Erst nachklassisch belegt ist das kollektive ministerium ( „pro ministris“, G. ERHARD ap. BURMAN 702 ; hier im abl. sep.); cf. Liv. 4,8,4 scribarum ministerium, „der Stab der Schreiber“; Sen. frg. 124 Haase homo … lictorum insignis ministerio ; Plin. nat. 12,10; Quint. decl. 301 tit. erat in ministerio puella pauperis ; Apul. met. 5,28,7 de mearum Gratiarum ministerio ; 11,11,2 simulacrum, quod … proferebat unus e ministerio ; im Plural e.g. Sen. ep. 119,13 paribus ministeriis, „von ähnlichen Dienern“; Quint. decl. 301,5 cenulam … instructam

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ministeriis ; 321,21 venenum aliquis circumstante familiā, praesentibus ministeriis daret ? ; Apul. met. 3,2,9 publica ministeria ; Thes. VIII, 1013,30-53; OLD s.v. 5 ; LÖFSTEDT 1936, 213f.; HSZ 747f. § 8 praeterea habere in Africa trecenties sestertium fundis nominibusque depositum : „Des weiteren habe er ( sc. illum ) in Africa dreißig Millionen in Ländereien und Schuldtiteln angelegt.“ Solche ‚Reichtümer‘ machen Eumolp zum Traum eines jeden captator, der dort auf Pirsch geht, res ubi magna nitet domino sene ( Hor. serm. 2,5,12 ). Ein Teil dieses fiktiven Vermögens ist Grundbesitz, ein weiterer zirkuliert in Form privater Darlehen ( cf. 53,10 nomina vilicorum, „die Schulden der Gutsverwalter“; 76,9 postquam coepi plus habere quam tota patria mea habet, … sustuli me de negotiatione et coepi ‹ per › libertos faenerare ; OLD s.v. nōmen 23: „a debt or loan“ ). Zu diesen beiden typischen Standbeinen römischer Wirtschaft cf. Hor. serm. 1,2,13 dives agris, dives positis in faenore nummis ( „… reich dank der auf Zins verliehenen Gelder“; cf. FEDELI ad loc.); Sen. ep. 87,7 divitem illum putas …, quia in omnibus provinciis arat, quia magnus kalendari liber volvitur ( „… ein dickes Schuldbuch wälzt“ ), quia tantum suburbani agri possidet eqs.; Plin. ep. 3,19,8 sum quidem prope totus in praediis, aliquid tamen fenero ( „fast mein gesamtes Vermögen besteht aus Grundbesitz, einiges jedoch aus verliehenem Kapital“ ); Tac. ann. 14,53,5 tantis agrorum spatiis, tam lato faenore exuberat ( „er prosperiert mit immensem Ackerland, mit breit gestreuten Kreditgeschäften“ ); VERBOVEN 2009, 135f. Mit seinem finanziellen Engagement im Überseehandel und im Kreditwesen brüstet sich bereits Theophrasts ‚Aufschneider‘ ( ἀλαζών ; char. 23,2 und 6 ). in Africa : Die römische Provinz Africa proconsularis, die das heutige Tunesien sowie große Teile Algeriens und Libyens umfasste ( Hauptstadt war die 29 v.Chr. gegründete Colonia Iulia Concordia Carthago ), wurde von Anfang an agrarisch intensiv genutzt ; dank reicher Erträge v.a. an Öl und Getreide war sie bald eine der wirtschaftlichen Säulen des Reiches ( Hor. c. 1,1,9f. illum sc. iuvat, si proprio condidit horreo | quidquid de Libycis verritur areis ). Die Latifundien ( saltus ) rühriger Großgrundbesitzer, um deren Herrenhäuser ganze Siedlungen entstanden, prägten die Infrastruktur. In der frühen Kaiserzeit bedeckten die Ländereien von nur sechs Magnaten die halbe Provinz ( Plin. nat. 18,35; s. auch unten zu per agros Numidiae ). Cf. W. HUSS, Afrika 3 : DNP 1, 1996, 222-224 ; Y. LE BOHEC, Histoire de l’afrique Romaine ( 146 avant J.-C. – 439 après J.-C.), Paris 2005, 137-147. – Zum klassischen Abl. der Ortsruhe mit Präposition bei Ländernamen ( cf. 135,8,15 in Actaea quondam … terrā ) cf. HSZ 146.

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trecenties sestertium : „Dreißig Millionen Sestertien“ stehen in den Sat. auch sonst regelmäßig topisch für ein gewaltiges Vermögen ( cf. 45,6 ; 71,12 : auf Trimalchios Epitaph; 76,4 : Trimalchios gesunkene Flotte; 88,8 ). Dass in der Lebenswelt der Sat. solche Summen eher ins Reich der Phantasie gehören ( cf. DUNCAN-JONES 1982, 238-248; VERBOVEN 2009, 135f.; SCHMELING 2013, 58f. ), zeigen Zahlen der julisch-claudischen Ära. Augustus erhöhte den Zensus für Senatoren auf 1,2 Mio. Sestertien ( Sen. Aug. 41,1 ). Jeweils zehn Mio. Sestertien Wiederaufbauhilfe empfingen die von Katastrophen heimgesuchten Städte Sardes ( Tac. ann. 2,47,2 ) und Bononia ( ebd. 12,58,2 ), hundert Mio. die Opfer einer verheerenden Feuersbrunst auf dem Aventin ( ebd. 6,45,1 ). Hundert Mio. schenkte Nero König Tiridates bei dessen Abreise aus Rom ( Suet. Nero 30,2 ); hundert Mio. verschlang Apicius’ langjährige Gourmandise ( Sen. dial. 12,10,9 ), immerhin zehn Mio. ein Bankett Caligulas ( ebd. § 4 ). 200 Mio. waren Crassus’ Ländereien wert ( Plin. nat. 33,134 ); 300 Mio. besaß Claudius’ Finanzminister Pallas ( Tac. ann. 12,53,3 ), 400 Mio. sein Sekretär Narcissus ( Dio Cass. 60,34,4 ). 1.400 Mio. erbte Augustus von Freunden ( Suet. Aug. 101,3 ). Sagenhafte 2.200 Mio. verschenkte Nero ( Tac. hist. 1,20,1 ), davon 300 Mio. allein an Seneca ( ann. 13,42,4 ; solche weltlichen Reichtümer wußte der Stoiker eloquent zu rechtfertigen; cf. dial. 7,23 ). depositum : Zu deponere für das „Anlegen“ von Kapital o.ä. cf. Thes. V 1, 582,17-31. Die Wendung fundis bzw. nominibus deponere ist singulär ( ebd. 27f. ). S. auch 115,14 opes … per mille annos disponite ( und S. 682 ad loc.), mit disponere in der ansonsten unbelegten Bedeutung „( Geld ) anlegen“. FUCHS ( 1938, 164 ) verstand deponere hier als Ersatz für das Simplex in der Wendung ponere in aliqua re, „Geld anlegen“, und schlug ( keineswegs zwingend ) ‹ in › fundis vor. nam : Zu dem scheinbar anknüpfenden oder weiterführenden nam ( „was das betrifft“ ), das hier einen ausgelassenen Gedanken begründet, cf. 91,5 Komm. == Bd. I, S. 221. Zu ergänzen ist etwa: ‚Doch besitze er nicht nur Grund und Boden; denn …‘. familiam quidem tam magnam per agros Numidiae esse sparsam, ut possit vel Carthaginem capere : Eine Trimalchios würdige Hyperbel ( cf. 48,3 nunc coniungere agellis Siciliam volo, ut cum Africam libuerit ire, per meos fines navigem ), die Eumolp zum Scipio redivivus erhöht ( nebenbei erinnert sie an Didos Pflanzstadt, und damit an die Aeneis ; ZEITLIN 1971, 69 ). An Großgrundbesitzern, deren Ländereien veritable Völker nährten und ganze Provinzen bedeckten, nahm Seneca Anstoß ( dial. 3,21,2 provinciarum

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nominibus agros colit eqs., „… Ländereien, die Provinzen Konkurrenz machen“; 9,8,6 ( zit. S. 744 ); ep. 89,20 ager uni domino qui populum cepit angustus est ? quousque arationes vestras porrigetis, ne provinciarum quidem spatio contenti circumscribere praediorum modum ? eqs.; 90,39; benef. 7,10,5 vasta spatia terrarum colenda per vinctos … et familia bellicosis nationibus maior ; s. auch Colum. 1,3,12 possident finīs gentium, quos ne circumire quoque valent eqs.; Ps.-Sen. Herc. Oet. 633-635: mancher wünscht sich, ut presso vomere semper | numquam cesset curvus arator | vel mille secent arva coloni ; Juv. 9,54 f.; von mancipiorum legiones spricht Plinius, nat. 33,26 ). – S. auch S. 753f. zu § 10 quotienscumque aliquem nostrum vocare temptasset eqs. Numidiae : Das Königreich Numidien machte Caesar 46 v.Chr. zur Provinz Africa nova; 27 v.Chr. vereinigte Augustus die Provinzen Africa vetus und Africa nova zu Africa proconsularis. Ab 37 n.Chr. wurde Numidien de facto selbständig von den Legaten der dort stationierten legio III Augusta verwaltet. Die fruchtbaren Täler des Tellatlas versorgten den römischen Markt u.a. mit Öl, Getreide und Holz ( zu Numidiens Wirtschaft cf. Bd. III zu BC 11 hinc Numidae ). Berühmt war Numidien auch für seinen Reichtum an Rindern, Zuchtpferden und anderen Nutztieren; Roms Arenen belieferte es mit Großwild. Einen Großteil des Landes nahmen Latifundien ein. – Zu dem unterstreichenden quidem cf. OLD s.v. 2a: „( emphasizing a whole sentence ) assuredly, in fact, at all events“. § 9 secundum hanc formulam : „auf der Basis dieses Schlachtplans“ oder eher „Drehbuchs“ ( cf. OLD s.v. formula 7ab; Thes. VI 1, 1117,3752: „fere i.q. concepta verba pacti, conventi, testamenti sim.“ ). Die ‚juristischen Konnotationen‘ des Nomens, an die SLATER 1990, 204 hier denkt ( cf. 109,1 tabulas foederis signat, quīs haec formula erat, und Bd. I, S. 460 ad loc.), sind wohl kaum gemeint. – Die Junktur secundum hanc formulam ist singulär ( cf. Thes. VI 1, 1117,50 ). imperamus Eumolpo : Nachdem zunächst vornehmlich Eumolp seine Rolle umrissen hat ( §§ 6-8 ), kommen nun die anderen mit eigenen Vorschlägen zu Wort ( §§ 9f. ). In oratio recta stünden sie im umgangssprachlichen Iussiv der 2. Person: „plurimum tussias, sis modo eqs.“ ( cf. HSZ 335f. ). ut plurimum tussiat : Das Simulieren von Krankheiten gehörte zum Spiel ( cf. Sen. dial. 10,7,7 ille ad inritandam avaritiam captantium simulatus aeger, „um die Gier der Erbschleicher anzufüttern, spielt er krank“; Plin. nat. 20,160 ; Mart. 2,40; Lukian dial. mort. 15,2; 16,4 ). Die erste Wahl war hier offenbar die ( in der Antike meist tödlich verlaufende ) Schwindsucht. Zu

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ihrer Rolle in der captatio cf. Hor. serm. 2,5,106-109 siquis | forte coheredum senior male tussiet eqs.; Mart. 1,10; 2,26 quod querulum spirat, quod acerbum Naevia tussit, | inque tuos mittit sputa subinde sinūs, | iam te rem factam, Bithynice, credis habere ? | erras : blanditur Naevia, non moritur ( blandiri hier ~ „etw. vorgaukeln“ ); 5,39,5f. signa rarius sc. tabulas, aut semel fac illud, | mentitur tua quod subinde tussis ; 11,86. ut sit ‹ modo astrictioris › modo solutioris stomachi : „dass ihn bald Verstopfung, bald Durchfall plage“ ( für einen anderen physiologischen Antagonismus cf. 115,16 cibus avidum strangulavit, abstinentem frugalitas ). Gemeint ist selbstredend das öffentliche Lamento über seine ‚Malaise‘. Auch Trimalchio erbaut seine Gäste mit Bulletins über seine Konstipation ( 47,2 multis iam diebus venter mihi non respondit ). Andere Symptome legt sich Eumolp in Kroton zu ( 140,6 et podagricum se esse lumborumque solutorum omnibus dixerat ). Weit über die ärztliche Fachliteratur hinaus waren Magen- und Darmbeschwerden Thema bis in die höchsten Kreise ( e.g. Cic. fam. 8,13,2 stomacho est Magnus nunc ita languenti ut vix id quod sibi placeat reperiat, „Pompeius hat derzeit einen so gereizten Magen, dass er kaum noch etwas findet, das er verträgt“; eine humorige Anekdote gewinnt Cicero der eigenen Diarrhöe ab, fam. 7,26,2 ). Nicht unbemerkt blieb der Zusammenhang mit den seit der späten Republik veränderten Essgewohnheiten ( u.a. Hor. serm. 2,2,42f. mala copia … aegrum sollicitat stomachum, „schädliche Fülle lässt den kranken Magen der Schlemmer rebellieren“; 2,2,73-76; 2,4,27-29; Sen. nat. 4 b,13,5f.; ebd. 7 stomachus ille solutus et aestu suo languidus ; ep. 89,22 quantulum ex istā ferā periculose captā dominus crudus ac nauseans gustat ? ; Plin. nat. 26,43 alias … cibos non transmittit sc. alvus, alias non continet, alias non capit, alias non conficit, eoque mores venēre, ut homo maxime cibo pereat ; Mart. 12,48,9f.; s. auch das Lob des Vollkornbrots, Sat. 66,2 panem autopyrum … ego malo quam candidum ; et vires facit, et cum meā re causā facio, non ploro ). Zu a(d)stringere et sim. für die Obstipation und solvere et sim. für die Diarrhöe cf. e.g. Laberius frg. 45 Panayotakis foriolus | esse videre : in coleos cacas, und Nonius ad loc.: foriolus, qui foria ( „flüssigen Stuhl“ ) facile emittat, soluti scilicet ventris ( cf. PANAYOTAKIS p. 316f. ad loc.); Celsus med. 1,3,13 alios adstricta, alios resoluta alvus exercet ( alvus ~ „Unterleib; Stuhlgang“ ); 1,3,14 alvum firmare īs, cui fusa, solvere īs, cui adstricta est ; 1,3,33 quibus iuvenibus fluxit alvus, plerumque in senectute contrahitur : quibus in adulescentia fuit adstricta, saepe in senectute solvitur. melior est autem in iuvene fusior, in sene adstrictior sc. alvus; Juv. 14,199 trepidum solvunt tibi cornua ventrem ; OLD s.v. astrictus 3; astringō 5b; soluō 10; solūtus 5b; Thes. II, 961,49-962,8.

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‹ modo astrictioris › : Manche Herausgeber ( u.a. ERNOUT ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; ARAGOSTI ) edieren die überlieferte Passage ohne Ergänzung. Doch in den urbanen Partien der Sat. erscheint modo durchweg mit einem Gegenpart, meist modo, gelegentlich interdum ( 41,6; 113,5 ). Diesen Gegenpart hier in plurimum zu suchen ( einzige Parallele wäre 114,3 modo – saepissime ), ist schon angesichts des Satzbaus kaum denkbar. Sehr wahrscheinlich ist etwas ausgefallen, am ehesten durch einen saut du même au même ( MÜLLER 2 a zitiert Sen. ep. 74,8 modo in hanc partem, modo in illam respicimus, wo in einigen Hss. modo in hanc partem fehlt, G. VANNINI in epist. Sen. nat. 2,44,2 Iovem modo ‹ gravioribus, modo › levioribus fulminibus … uti, mit FICKERTs Ergänzung ; s. auch S. 687 zu dem Textausfall in 115,15 ). Eine Verlegenheitslösung ist CASAUBONs Tilgung von modo ( so MÜLLER1 ; GIARDINA – MELLONI ). MARTINDALE 1976, 859 kontrahierte modo solutioris zu molestioris, bzw. ( falls es um Appetitlosigkeit gehe ) modestioris stomachi. Effektiver klingen Alternativen. BÜCHELER schlug u.a. ‹ modo marcentis › vor ( ed.1 ad loc.), FUCHS ‹ modo adstricti › ( 1959, 76 ). Besser zu solutioris passt ein Komparativ, ‹ modo tardioris › ( BÜCHELER 1 ad loc., bzw. ‹ modo astrictioris › ( WEHLE 1861, 46f.), das MÜLLER ab der ed.2 zurecht adoptierte ( BÜCHELER 6 erwog es ; s. auch CARMIGNANI 2009, 12 ). cibosque omnes palam damnet : Nicht das Zurückweisen jeglicher Nahrung aus diätetischen Gründen ( in der Öffentlichkeit, wohlverstanden ), sondern ständiges Mäkeln an Auswahl und Qualität der ihm servierten Speisen – wie es sich für den kulinarisch übersättigten Zeitgeist gehört ( cf. 93,2; BC 30-38 ). Anders A. SETAIOLI ( in epist.): „cibosque omnes palam damnet refers to dietary reasons rather than to the finicky tastes of a spoiled rich man. Eumolpus is asked to reject not merely simple and inexpensive fare, but all foods, including the rare and expensive fare mentioned in BC 30-38. His stomach should appear not to be able to digest any food.“ loquatur aurum et argentum fundosque mendaces et perpetuam terrarum sterilitatem : Das stimmige Kurzportät eines stets grantelnden Parvenus ( SCALIGERs felicitatem statt sterilitatem verkennt diesen Punkt ). Die personifizierten fundosque mendaces, „die enttäuschenden Ländereien“, sind Horaz entlehnt ( c. 3,1,30 fundusque mendax, in verwandtem Kontext ; cf. ep. 1,7,87 spem mentita seges, der als Bauer dilettierende Städter verzweifelt an der „Aussaat, die fälschlich Hoffnung verhieß“; Ov. ars 1,401 nec semper credenda Ceres fallacibus arvis ; Manil. 4,401 quantae mercedis erunt fallacia rura ). Zum Gegenbild cf. Cic. fam. 16,17,1 ager etiam fidelis dici potest ; Hor. c. 3,16,30 segetis certa fides meae ; App. Verg. Aetna 264 haec sc. tellus dura et melior pecori silvisque fidelis.

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Loqui mit einem klassischen Inhaltsakk., „von nichts anderem reden als …“, findet sich vereinzelt bereits bei Cicero ( bes. in den Briefen, e.g. Att. 9,2a,3 nihil nisi classīs loquens et exercitūs ; cf. Hor. serm. 1,3,13 omnia magna loquens ; Mart. 5,41,4 theatra loqueris eqs.; KREBS – SCHMALZ 2,35f.; KST 1,264 ; HSZ 828; PETERSMANN 66f. ). § 10 sedeat praeterea quotidie ad rationes : Wohlhabende Römer führten penibel Buch über ihre Schuldner, in Geldgeschäften wie bei persönlicheren Gefälligkeiten ( Sen. ep. 87,5; cf. 87,7 divitem illum putas …, quia magnus kalendari liber volvitur, „… weil er ein großes Schuldbuch wälzt eqs.“; benef. 7,10,5 patrimonii sui liber magnus, ferner die Warnung ep. 17,2 suadebit tibi sc. philosophia, ne ad calculos sedeas, „… nicht über Rechnungen zu brüten“ ). Zu rationes, „Rechnungsbücher, Bilanzen“, cf. 115,15 patrimonii sui rationes inspexit ( und S. 683 ad loc.). Die Junktur ad rationes ist singulär ( Thes. I, 526,36 ). tabulasque testamenti omnibus ‹ occasionibus › renovet : Regelmäßige Änderungen des Testaments waren in den einschlägigen Kreisen ein bewusst eingesetztes Lock- und Druckmittel prospektiver ‚Opfer‘ der captatores ( e.g. Mart. 5,39,1f. supremas tibi triciens in anno | signanti tabulas, „dreißigmal im Jahr schreibst du dein Testament um und signierst es“ – und nimmst dankbar meine Geschenke entgegen ). Von skrupellosen Erbschleichern, die vermögende Alte dazu bringen, ihr Testament zu ihren Gunsten zu ändern, berichtet Plinius ( ep. 2,20,5 illa … credula poscit codicillos, legatum Regulo scribit ; ebd. § 7 Velleius Blaesus … cupiebat mutare testamentum. Regulus qui speraret aliquid ex novis tabulis, quia nuper captare eum coeperat eqs.; ebd. § 11 coegit mulierem aperire tabulas ac sibi tunicas … legare ; observavit scribentem, inspexit an scripsisset ; s. auch Juv. 12,122-126 ). Auch Trimalchio macht aus seinem Testament kein Geheimnis – und sonnt sich in den enthusiastischen Liebesbezeugungen seines Gesindes und seiner Freunde ( 71, bes. § 3f. ‚et haec ideo omnia publico, ut familia mea iam nunc sic me amet tamquam mortuum‘. gratias agere omnes indulgentiae coeperant domini, cum ille … exemplar testamenti iussit afferri et totum a primo ad ultimum ingemescente familiā recitavit ). Öffentlich verlesen wird offenbar auch Eumolps Testament ( 141,2 omnes qui in testamento meo legata habent eqs.). Dass der letzte Wille bisweilen öffentlich zugänglich war, legt Seneca sen. nahe: wer kinderlose Greise beerben will, solle „über den Testamenten brüten und die Wirtschaftsbücher prüfen“ – nämlich die möglicher Opfer ( contr. 1,6,6 aliquis capere orbos senes vult et suas spes in alienas mortes diffundere : excutiat testamenta, scrutetur censūs ). Teiresias schildert dem angehenden captator Odysseus das Szenario eines potentiellen Erblassers, der ihm

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sein Testament zeigen wolle. Zum Schein solle er ablehnen – und diskret umso eifriger auf das Schriftstück schielen ( Hor. serm. 2,5,51-55 qui testamentum tradet tibi cumque legendum, | abnuere et tabulas a te removere memento eqs.). Das Schreibmaterial kam den häufigen Revisionen entgegen: „Roman wills were written out on the common writing material of waxed tablets, each page of which was a cera “ ( COURTNEY ad Juv. 4,19 ). Zu renovare cf. OLD s.v. renovō 4 a „to renew ( a treaty, law, contract, etc.)“ ( s. auch das folgende Lemma ). Der gängige Terminus ist tabulas mutare ( e.g. Juv. 14, 55 ) bzw. testamentum mutare ( e.g. Plin. ep. 2,20,7 ). Die Junktur tabulas renovare ist quasi singulär ( Augustins tabulae renovatae sind Moses’ neuen Gesetzestafeln ; quaest. hept. 6,30 == CSEL 28.2, S. 448, Z. 3 ). ‹ occasionibus › : In seiner überlieferten Form, tabulasque testamenti omnibus renovet, lässt sich der Text allenfalls als dat. comm. verstehen: „er solle sein Testament für alle potentiellen Kandidaten umschreiben“; so die von CARMIGNANI 2010, 331f. verfochtene Deutung alter französischer und italienischer Lexica; mit ihr sympathisiert auch G. VANNINI in epist.: „credo che omnibus possa essere difeso come dativo di vantaggio“ ). Doch in vergleichbaren Kontexten bedeutet renovare so gut wie immer einen Vertrag o.ä. in seiner alten Form verlängern oder erneuern ( cf. OLD s.v. 4 a [ oben zit.], und v.a. die iuristischen Belege, e.g. Ulpian dig. 29,1,15,1 renovatum testamentum intellegitur, „das Testament gelte als in seiner ursprünglichen Gestalt wieder in Kraft gesetzt“ ). Wahrscheinlicher ging eine Information verloren. Nicht wenige Philologen erwarteten – parallel zum vorausgegangenen quotidie – eine zweite Zeitangabe. DOUSA ergänzte horis, was selbst als Übertreibung zu dick aufträgt. PUTSCHs diebus ( das GIARDINA – MELLONI übernehmen ) beißt sich mit dem vorausgehenden quotidie ( so G. VANNINI in epist.: „sarebbe pleonastico“ ). Einen monatlichen Rhythmus erwarten idibus ( so CARCOPINO 1940, 398f. und CIAFFI ed.; für das Aus- bzw. Zurückzahlen von Krediten waren Kalenden und Iden die etablierten Termine ; e.g. Hor. epod. 2,69f., und L.C. WATSON ad loc.) bzw. mensibus ( so BÜCHELER, dem u.a. MÜLLER und ARAGOSTI folgen ). Doch wie ROSE 1967, 136 zurecht einwendet, sind monatliche Erneuerungen unrealistisch, da die Täuschung kaum so lange halten dürfte, und tägliche zu aufwendig ; zudem dürfte ein fester Turnus Verdacht erregen. Keine seriöse Alternative bietet WEHLEs nominibus ( 1861, 47 ). Der Sache näher kommen ROSEs astantibus ( 1967, 136; er zitiert 141,2 omnes qui in testamento meo legata habent … hac condicione percipient quae dedi, si corpus meum … astante populo comederint ), und MÜLLERs ‹ coram › omnibus ( ed.4 ad

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loc.; akzeptiert von SCHMELING in SCHMELING – SETAIOLI 447 ). Doch wie z.B. Plinius nahelegt, fanden Testamentsänderungen eher in kleinem Kreise statt – und bei passendem Anlass ( wenn etwa der Schlachtplan eines captators aufging ). Eine passendere Ergänzung bietet ein Lieblingswort unseres Erzählers: omnibus ‹ occasionibus › ( cf. 12,2 uti occasione opportunissimā coepimus atque in quodam angulo laciniam extremam concutere ; 78,8 nos occasionem opportunissimam nacti … fugimus ; 95,7 ego autem nactus occasionem vindictae Eumolpum excludo ; 109,1 utitur paenitentiae occasione dux Eumolpos eqs.; in anderem Munde 25,1 cur non, quia bellissima occasio est, devirginatur Pannychis nostra ? ; 62,2 nactus ego occasionem eqs.). Den Ausfall bedingten Homoioarkton und Homoioteleuton. Bei Petron erscheint das Wort ansonsten stets im Singular, zudem in festen Formeln ( occasio est, occasione uti und v.a. occasionem nactus / nacti ), und zielt meist auf konkrete Situationen. Aus diesem Grund schlug A. SETAIOLI ( in epist.) eine Erweiterung um ein PPP vor, das besagte occasiones präzisiert. In die engere Wahl kommen omnibus d a t i s occasionibus ( e.g. Cic. Phil. 7,18 quid is occasione datā faciet inimico ? ; Sall. Cat. 56,4 hostibus occasionem pugnandi non dare ; Liv. 3,18,3 nunquam parem occasionem daturos deos ), omnibus o b l a t i s occasionibus ( e.g. Cic. Manil. 4 occasionem sibi ad occupandam Asiam oblatam esse arbitratur ; Phil. 3,34 hanc igitur occasionem oblatam tenete ; Liv. 4,26,9 occasionem oblatam rati tribuni augendae potestatis ; das ob- könnte den Ausfall erleichtert haben ), oder omnibus q u a e s i t i s occasionibus ( cf. Liv. 10,6,4 undique criminandorum patrum apud plebem occasionibus quaesitis … eam actionem susceperunt sc. tribuni plebis; ebenfalls mit abl. abs. und Plural; ferner Sen. benef. 7,16,4 occasiones reddendi nihilo minus quaeras ; Suet. Tib. 61,1 Seianum quaerenti occasiones sumministrasse, „Seianus habe ihm auf eigenen Wunsch Anlässe geliefert“ ). SETAIOLI favorisiert Variante drei : „Eumolpus is asked to take an active part in the scheme, including looking for chances to change his will when this seems to be profitable. He is asked to feign poor health, to speak of his wealth, to pretend to keep in order the books of his finances, etc. No doubt actively creating all possible pretexts to change his will, in order to keep his captatores on edge, is part of the scheme.“ Das klingt überzeugend. Gleichwohl erklärt sich der Verlust von gleich zwei Wörtern schwerer als der Ausfall nur eines Worts. Zudem kommt gerade die Junktur omnis occasio ( im Singular wie im Plural ) oft genug ohne Erweiterungen aus; u.a. Liv. 26,39,21 intentus in omnes occasiones gerendae rei ( „… einen Militärschlag auszuführen“ ); Sen. contr. 1,6,10 timere se, ne haec … piratis occasiones omnes indicaret ( „… sie verrate den Piraten sämtliche Ge-

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legenheiten für Raubzüge “ ); 1,8,9 non debere omnem occasionem fortiter faciendi ab uno occupari ( „nicht jede Gelegenheit, Tapferkeit zu beweisen, dürfe einzig von einem allein genutzt werden“ ); Plin. ep. 7,28,1 tamquam amicos meos ex omni occasione ultra modum laudem ( „… als lobte ich meine Freunde bei jeder Gelegenheit über Gebühr“ ); paneg. 16,1 idcirco ex occasione omni quaeris triumphos ; Suet. Claud. 11,2 fratris memoria per omnem occasionem celebrata ; 42,1 amorem … linguae occasione omni professus ( „seine Liebe zu dieser Sprache bekannte er bei jeder Gelegenheit“ ); gramm. 9 antisophistas … omni in occasione laceravit ( „… verlästerte er bei jeder Gelegenheit“ ); Apul. met. 6,23,3 tollenda est omnis occasio ( „jede Gelegenheit für Ausschweifungen muss man ihm nehmen“ ). et ne quid scaenae deesset : „one final and very subtle touch to Eumolpus’s portrayal of the dying rich man“ ( SLATER 1990, 116 ). Zu scaena, „Inszenierung“, cf. oben S. 728. Der unvermittelte Wechsel vom Haupt- ins Nebentempus in der oratio obliqua ( cf. BÜCHELER ad loc.: „paulo insolentior a praesenti tempore ad imperfectum transitus“ ) lässt sich auf keinen Bedeutungsunterschied zurückführen, sondern fällt unter die zahlreichen „Abweichungen von der herkömmlichen Norm“ selbst bei den besten Autoren römischer Kunstprosa ( cf. § 7 quo amplius vicies sestertium amiserit ; PETERSMANN 197f. ). quotienscumque aliquem nostrum vocare temptasset, alium pro alio vocaret ( eqs.) : Umgeben von Scharen Bediensteter verloren wohlhabende Römer bisweilen den Überblick ( cf. Sen. contr. 2,1,26 non me delectant ignoti servorum domino greges ; Sen. dial. 7,17,2 ‹ cur › turpiter aut tam neglegens es ut non noveris pauculos servos aut tam luxuriosus ut plures habeas quam quorum notitiae memoria sufficiat ? ; so auch Gutsverwalter : Ps.-Quint. decl. 13,13 ad excolendos agros procedet ignota etiam vilicis familia ). Kaum besser ergeht es Trimalchio ( cf. 47,12, und COURTNEY 2001, 102 ; umgekehrt kennt nur ein Bruchteil von Trimalchios Sklaven ihren Herrn: 37,9 non … puto decumam partem sc. familiae esse quae dominum suum noverit ). Der Fall hier liegt etwas anders. Eumolp hat seine große familia zuhause ( cf. § 7 destitutum ministerio eqs.) mitnichten ‚vergessen‘, sondern glaubt sie immer noch präsent ( ‚Schwierigkeiten‘ angesichts der vielen Namen kamen allenfalls als ‚Sahnehäubchen‘ hinzu ). „There is genius to the economy of this device. It demands interpretation from the spectators, and both possible interpretations are favorable: first, that the old man is failing, since he does not even recognize his servants, and second, that he must be wealthy, owning so many slaves that he cannot keep them straight. … If Eumolpus should slip and call one of his fellows by his real

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name, the incident will fit into the pattern established here.“ ( SLATER 1990, 116 ). Für FEDELI liefern die vertauschten Namen ein weiteres Indiz für die ‚verkehrte Welt‘ Krotons – wie die unten § 11 mit dem Gebet verletzte religiöse Sphäre ( 1987, 18f. ). Eine ähnliche Posse veranstaltet ein mittelloser Angeber : cum puerum respicit hunc unum …, alio nomine appellat, deinde alio atque alio. ‚at eho tu‘, inquit, ‚veni, Sannio, ne quid isti barbari turbent‘, ut ignoti, qui audient, unum putent selegi de multis. … deinde exclamat, ut omnes audiant : ‚videto, ut diligenter numeretur, si potest, ante noctem !‘ puer, qui hanc bene naturam norit : ‚tu illo plures mittas oportet‘, inquit, ‚si hodie vis transnumerari.‘ ‚age‘, inquit, ‚duc tecum Libanum et Sosiam.‘ ‚sane.‘ ( Rhet. Her. 4,63; zit. WOUWEREN ap. BURMAN 703 ; SCHMELING – SETAIOLI 447 zitieren Athen. 6,230cd ). Der Konj. Plusqpf. ( temptasset ) statt des erwarteten Konj. Imperf. ( cf. BÜCHELER 1 ad loc.: „potius tentaret “ ) gehört zur umgangssprachlichen Tempusverschiebung vom Imperf. zum Plusqpf. bes. in konjunktivischen Temporal-, Konditional-, oder ( wie hier ) Relativsätzen; cf. oben § 5 et quicquid aliud Eumolpus iussisset, und S. 739 ad loc. §§ 11 – 13 Ein verstimmtes Packtier Die Szene um den flatulierenden Corax zitiert den Prolog der aristophaneischen Frösche : Dionysos auf dem Weg ins Schattenreich, begleitet von seinem Sklaven Xanthias, der gepäckbeladen auf einem Esel thront, sich wortgewaltig über sein Elend beschwert und en passant seine skatologischen Scherze aus der Mottenkiste der Alten Komödie an den Gott zu bringen versucht – angedrohte Fürze und Defäkationen inclusive ( ran. 137; so scharfäugig DE SALAS 229; cf. u.a. SANDY 1974, 344 ; COURTNEY 2001, 180f.; PANAYOTAKIS 2006, 496-498; Parallelen zum Mimus zieht PANAYOTAKIS 1995, 160 ). Aristophanes’ Prolog verdankt seinen Witz nicht zuletzt seiner metaliterarischen Ebene ( „comic actors speaking of the enactment itself as a theatralical event“; K. DOVER 191 ad loc.; Seitenhiebe auf Aristophanes’ Konkurrenz bei den Lenäen kommen hinzu ). Eine solche zweite Ebene schimmert auch hier zart durch, denn in gewisser Weise beschließt die Szene um Corax und Giton die Generalprobe für die Krotoner Inszenierung ( mit Eumolp als Alter ego Petrons ). Zugleich bringen die beiden ‚Underdogs‘ das von Xanthias nur angedrohte Solo konzertant auf die Bühne und lassen im schnurrigen Duett ordentlich Dampf ab. Durch Bruttiums Einöde weht der ‚Geist der Saturnalien‘ ( PARATORE 1933, II 380 ).

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§ 11 his ita ordinatis : „Nachdem dies alles geregelt war …“. Der abl. abs. gilt dem ‚Textheft‘ ihrer Inszenierung ( cf. § 4 quid … cessamus mimum componere ? ). ‚quod bene feliciterque eveniret‘ precati deos : Typisches Kurzgebet um den Segen der Götter ( den Schutz der Dioskuren erfleht Encolpius vor der Seereise; 99,6 adoratis sideribus intro navigium ). Pikant genug soll der Himmel hier einen Schwindel absegnen ( göttlicher Beistand in ähnlich dubiosen Umständen wird auch Lucilius frg. 206f. M. erbeten ; s. auch Bd. I, S. 102 zum verwandten Thema ethisch fragwürdiger Gebete ). Zu der Gebetsformel cf. Plaut. Aul. 787f. quae res tibi … bene feliciterque vortat : ita di faxint ; Cato agr. 141,1 cum divis volentibus quodque bene eveniat eqs.; Cic. Mur. 1 precatus a dis immortalibus sum … more institutoque maiorum …, ut ea res … populo plebique Romanae bene atque feliciter eveniret eqs.; div. 1,102 omnibus rebus agendis ‚quod bonum faustum felix fortunatumque esset‘ praefabantur, und PEASE ad loc.; Att. 7,2,4 bene eveniat ! ; Caes. Gall. 4,25,3 qui decimae legionis aquilam ferebat, obtestatus deos, ut ea res legioni feliciter eveniret eqs.; Varro ling. 6,86 ; Liv. 1,39,4 evenit facile, quod dis cordi esset ; 21,17,4 adorati di, ut bene ac feliciter eveniret, quod bellum populus Romanus iussisset (verkürzt Sat. 99,4 quod bene eveniat, und e.g. Plaut. Trin. 715 bene quod agas eveniat tibi ! ; Pomponius com. 35 R.3 bene evenat ! ; Cic. fam. 9,8,2 emptionem feliciter evenire volo ; Liv. 31,5,4 ea res uti populo Romano … bene ac feliciter eveniret ). – Zu harsch klingt NISBETs Tilgung der oratio obliqua ( quod bene feliciterque eveniret ; „the unadorned insolence of precati deos would suit Petronius“; 1962, 232 ). neque Giton sub insolito fasce durabat : Offenbar schleppen Giton und Corax alles gerettete Gepäck, während Eumolp und Encolpius vorauseilen ( properantibus ; mehr Empathie verrät Eumolp in literarischen Angelegenheiten, 118,6: belli civilis ingens opus quisquis attigerit nisi plenus litteris, sub onere labetur ; s. auch unten S. 758, § 11 fin.). „Insolitum vocat, quia ingenuus natus servilibus ministeriis adsuetus non erat.“ ( BURMAN 704 ; zu Gitons sozialem Stand als wahrscheinlich freiem Bürger cf. Bd. I, S. XIX ). Immerhin war ihm diese undankbare Rolle nicht ganz unvertraut ( 26,10 Gitona libentissime servile officium tuentem ; cf. 91,1 scires non libenter servire ). Für Corax war sie offenkundig Alltag ( cf. 99,6 mercennarium suum … exire cum sarcinis iubet ). Kaum besser ergeht es dem von Räubern zwangsverpflichteten Esel Lucius ( Apul. met. 3,29,1 iamque rerum tantarum pondere et montis ardui vertice et prolixo satis itinere nihil a mortuo differebam ; 4,4,2 ).

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Den agrarischen fasces ( cf. App. Verg. Moretum 79 venalīs umero fasces portabat in urbem ) verhalf Vergil zu literarischen Ehren ( cf. ecl. 9,65 ego hōc te fasce levabo ; georg. 3,347 iniusto sub fasce viam cum carpit ; OLD s.v. fascis 2: „a bundle to be carried, burden, load“ ). mercennarius Corax : Eumolps Lohndiener betritt bereits in der Graeca urbs die Bühne ( 94,12 ). Doch sein Name fällt das erste Mal hier ( dann nochmals 140,7 und 9), wo er als Person greifbar wird und ( im erhaltenen Text das einzige Mal ) zu Wort kommt. Es ist einer der vielen ‚sprechenden‘ Namen in den Sat. ( griech. κόραξ , Rabe ; Plaut. Capt. 657 erscheint ein Corax in einer Liste phantastischer Sklavennamen; cf. W.M. LINDSAY ad loc.; SCHMELING 1969, 6 ), galten Raben doch als vorlaut, verfressen, diebisch und eitel ( cf. Hor. ep. 1,17,50f. tacitus pasci si posset corvus, haberet | plus dapis et rixae multo minus invidiaeque ; Phaedrus 1,13 VULPIS ET CORVUS ; Iamblich Babyloniaka frg. 74 b17 == STEPHENS – WINKLER 206: „die Raben flattern umher, auf und ab, beschweren sich lauthals und lärmen voller Unverfrorenheit – wie die Raben eben krächzen“, οἷον οἱ κόρακες λαρυγγίζουσι ). An die avis edacissima erinnerte DE SALAS 83, an ihr unmusikalisches Krakeelen GOLDMAN 2008 ( „a nice Petronian irony for the companion of ‚Good Song‘ [ i.e. Eumolpus ] to be ‚Croaker‘.“ ), an die lose etymologische Verwandtschaft von corvus und cornix mit crepare und crepitus ( cf. § 13 crepitūs eius ) BORGHINI 1998 a, 31. – Zum Raben cf. KELLER 2, 92-109; D.W. THOMPSON, A Glossary of Greek Birds, London 1936, 159-164 ; J. POLLARD, Birds in Greek Life and Myth, London 1977, 111f. 127f.; G. SCHMIDT, RAC 28, 2017, 613-625 s.v. Rabe, bes. 615-617 ( s. auch Bd. III ad BC 177 Delphicus ales ). Ungeachtet des Bildes 116,9 ( corvi qui lacerant sc. cadavera ) verbindet nichts in dem Text Corax mit Krotons captatores ( so zurecht LABATE 1986, 139 ). Deshalb dürfte der Name kaum auf ein Bonmot des Kynikers Antisthenes anspielen, in dem es auch um Erbschleicher geht: „Es ist besser, auf Krähen zu treffen als auf Schmeichler. Die einen fressen nämlich Tote, die anderen Lebende.“ ( Diog. Laert. 6,4 κρεῖττον ... εἰς κόρακας ἢ εἰς κόλακας ἐμπεσεῖν· οἱ μὲν γὰρ νεκρούς, οἱ δὲ ζῶντας ἐσθίουσιν ; so BODEL 2003, 13-15 ). Auf soliderem Fundament steht LABATEs Theorie, in Kroton trete Corax in die Fußspuren eines mythischen Vorbilds ( LABATE 1986; s. auch CARMIGNANI 2010a ). Die Geschichte vom unseligen Verrat des Raben kannten bereits Hesiod ( frg. 60,1 M.-W.) und Kallimachos ( Hecala frg. 74,15-20 Hollis ; ebd. V.7 κακάγγελον, „Unglücksbote“ ). Die ausführlichste Version erzählt Ovid. Der einst schneeweiße Vogel beobachtet die Untreue der Coronis, Apolls Geliebter, und meldet ihren Seitensprung

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dem Gott. Coronis kostet die Enthüllung das Leben, den geschwätzigen Denunzianten sein weißes Gefieder ( met. 2,531-632, bes. 2,535 corve loquax ; ein Goldversteck verrät ein Rabe Plaut. Aul. 669-672 ). Wie Lichas’ Name seinen Tod im Meer vorwegnehme ( s. S. 626f. ), so lasse der Name des mythischen Schwätzers einen Schatten auf die Krotoner Komödie fallen; wie ein Damoklesschwert schwebe sein potentieller Verrat über dem Trio. Tatsächlich äußert Encolpius in Kroton einmal Zweifel an Corax ( 125,3 quid, si … mercennarius praesenti felicitate lassus indicium ad amicos detulerit totamque fallaciam invidiosa proditione detexerit ? ). Doch quasi bis zum Ende des erhaltenen Textes spielt Corax seinen Part in dem Betrug engagiert mit ( cf. 140,7-9 ). Wenn er je in seine klassische Rolle als Verräter geschlüpft ist, dann am Schluss, wo die Scharade sich allmählich auflöst ( Sat. 141 ). Als Indiz führt LABATE frg. 38 M.4 == Anth. Lat. 476 R. == 474 Sh.B. an, in dem Midas’ Diener an der Aufgabe scheitert, das Geheimnis seines Herrn zu bewahren. Bereits CIAFFI 1955, 105 Anm. 2 dachte bei dem Gedicht an Corax und stellte es tentativ zu Encolpius’ Monolog Sat. 125,3f. Laut LABATE 146 passt es besser zu dem Moment, in dem Corax die Bombe platzen lässt – was nicht vor c. 141 geschehen könne. Die Idee ist durchaus verlockend. detractator ministerii : Über die Situation hinaus zielt das seltene detractator ( auch -trect-), „Drückeberger, Verweigerer“, als ironisches Epitheton ornans auf Corax’ Diensteifer allgemein ( kurz zuvor hatte er noch wie die anderen Eumolp als dessen ‚Sklave‘ Treue geschworen; cf. FEDELI 1988, 21; einen ‚moralisierenden Ton‘ attestiert PLAZA 2000, 188 der Wendung ). Es leitet sich von detractare ab, „( das Joch ) abschütteln“ ( cf. Verg. georg. 3,57 iuga detrectans ; Prop. 2,3,47 primo taurus detrectat aratra ; Ov. am. 1,2,14 detractant prensi dum iuga prima ), was bestens zur Stelle passt ( übertragen Tert. ieiun. 15,3 detractatores huius officii, „ihr Herabwürdiger dieses Dienstes“, nämlich des Fastens; als „Leugner“ Liv. 34,15,9 haud sane detractator laudum suarum, Cato „stellte seine Ruhmestaten mitnichten unter den Scheffel“; cf. Thes. V 1, 834,54-69 ). Zu ministerium als „Pflicht, Aufgabe“ cf. 22,6 redierant ad ministerium ; 103,5; 108,8 navis ministerium ; 118,2 forensibus ministeriis exercitati ( anders 118,6 deorum … ministeria, „das Eingreifen der Götter“ ). positā frequentius sarcinā male dicebat properantibus : Maledicere wird klassisch mit Dat. konstruiert ; so auch in den Sat. in urbaner Diktion ( 53,3 ; 74,9 ; 132,13 ventri male dicere solemus ; zum umgangssprachlichen Akk. cf. 58,13 cave, maiorem maledicas ; 96,7 maledic illam versibus ); cf. KST

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1,309 ; HSZ 34 ; PETERSMANN 60f. – Zum Komparativ als lebhaftem Positiv (~ frequenter ) cf. ad 79,6 diutius == Bd. I, S. 4 f. affirmabatque se aut proiecturum sarcinas aut cum onere fugiturum : Die angesichts seiner aktuellen Mühen wenig realistische zweite Option entlarvt ihn als störrisches Maultier ( cf. § 12 iumentum me putatis esse ), das seine Last abwirft ( cf. Caes. civ. 1,59,2 ex medio itinere proiectis sarcinis refugiebant ) oder mit selbiger das Weite sucht. Der von ihm angedrohte ‚sciopero‘ zeigt anschaulich „the dislike for hard work typical of the slave in Roman comedy“ ( PLAZA 2000, 187 ). Einem Bekannten namens Asina, der Augustus Buchrollen des Dichters überbringen soll, rät Horaz verschmitzt, er solle, falls die Last zu arg drücke, sie lieber unterwegs abwerfen als vor dem Kaiser – es sei denn, er wolle seinem ‚Namen Ehre machen‘ ( ep. 1,13,6-9 si te forte meae gravis uret sarcina chartae, | ābicito potius, quam quo perferre iuberis | clitellas ferus impingas ( „… als dass du die Packsättel ungestüm erst dort abwirfst, wo du sie abliefern sollst“ ) Asinaeque paternum | cognomen vertas in risum et fabula fias ). Den Esel Lucius beseelt die Aussicht, künftig solcher Lasten ledig zu sein ( Apul. met. 7,15,1 gaudens … praecurrebam sarcinis et ceteris oneribus iam nunc renuntiaturus ). Seneca transformiert das Bild zur philosophischen Metapher ( dial. 5,6,6 facile est levia aptare cervicibus et in hanc aut illam partem transferre sine lapsu ; at quae alienis in nos manibus inposita aegre sustinemus, victi in proximo effundimus ( „… werfen wir überfordert bei nächster Gelegenheit ab“ ) ; etiam dum stamus sub sarcina, inpares oneri vacillamus ; s. auch 5,29,1 ). – Einige ( nicht in jeder Hinsicht überzeugende ) Parallelen zwischen dem unter seiner Last wankenden Corax und Eumolp, der das gewichtige Epos vom Bürgerkrieg ‚schultert‘ ( 118,6 belli civilis ingens opus quisquis attigerit …, sub onere labetur ), zieht CONNORS ( 1998, 117 ). Der AcI der indirekten Rede ( sc. esse ) ist chiastisch konstruiert. § 12 quid ? vos : Siebenmal in den Sat. treffen das Interrogativpronomen quid und tu ( vos ) in wörtlicher Rede aufeinander. In fünf Fällen schreibt MÜLLER mit allen jüngeren Herausgebern ‚quid tu ?‘ bzw. ‚quid vos ?‘. Basierend auf etlichen Belegen von Plautus bis Apuleius postulierte RICOTTILLI 1982 ( cf. 1978 ) ‚quid tu ?‘ bzw. ‚quid vos ?‘ als feste Formel. Doch in den meisten Fällen – die Komödie ausgenommen – steht in den maßgeblichen Editionen das Interrogativpronomen allein ( quid ? ). Wo die kolloquiale Formel ‚quid tu ?‘ bzw. ‚quid vos ?‘ bei Plautus und Terenz auftaucht, wird meist gezielt ein Gegenüber angesprochen, oft mit dem Unterton „und du ?“ / „und ihr ?“ ( e.g. Plaut. Aul. 183 quid tu ? recten

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atque ut vis vales ?, ~ „und wie geht’s dir ? alles bestens ?“; Most. 450 quid vos ? insanin estis ? ; Pseud. 610 quid tu, servon es an liber ? ; Rud. 1304 quid tu ? num medicus, quaeso, es ? ; Stich. 528; Truc. 797; Ter. Haut. 595 ). An MÜLLERs fünf Stellen in den Sat. fehlt dieser Unterton meistens. Die Versuchung, die beiden Pronomina als Einheit zu lesen, rührt gewiss auch daher, dass an allen fünf Stellen ein die oratio recta unterbrechendes inquit folgt. In der Summe ist es stimmiger, quid separat zu nehmen: „ Quid ? is a common way of getting attention for a subsequent question (…) The full expression would read something like ‚quid dicitis ? vos … ?‘ Vos acts as a kind of vocative and creates a sequence common in Petronius.“ ( SCHMELING – SETAIOLI 83 ad 26,9, mit Verweis auf HOFMANN 43f. ; so SCHMELING – SETAIOLI und HOLZBERGs Tusculana passim ; so RICHARDSON 2007, 48 ad loc.). An zwei Stellen hat MÜLLER sich für eine Trennung entschieden, 24,2 ( ‚quid ? tu non intellexeras cinaedum embasicoetan vocari ?‘ ) und 127,4 ( ‚quid ? tu‘ inquit illa ‚donas mihi eum sine quo non potes vivere … ?‘ ). Dafür spricht nicht zuletzt auch die Parallele 20,5 ( ‚quid ? ego‘ inquit ‚non sum dignus qui bibam ?‘ ; s. auch Quint. inst. 6,3,90, zit. im folgenden Lemma ). Zu lesen ist hier also ‚quid ? vos eqs.‘. Dies gilt auch 26,9 ‚quid ? vos‘ inquit ‚nescitis, hodie apud quem fiat ?‘ ; 74,6 ‚quid ? vos‘ inquit ‚adhuc non cenastis ?‘ ; 134,7. Eine Ausnahme macht dank des Vokativs 82,3, wo ‚quid tu, commilito ?‘ zu verstehen ist ( ‚quid tu‘ inquit ‚commilito, ex qua legione es aut cuius centuria ?‘ ). iumentum me putatis esse : Vor diesem Missverständnis warnte bereits Seneca ( ep. 47,5 alia … inhumana praetereo, quod ne tamquam hominibus quidem sed tamquam iumentis abutimur sc. servis ; cf. clem. 1,18,1 ). Zum iumentum degradieren rebellierende Legionäre ihren Lagerpräfekten ( Tac. ann. 1,20,1 praefectum castrorum … sarcinis gravant aguntque primo in agmine, per ludibrium rogitantes an tam immensa onera, tam longa itinera libenter ferret ). S. auch Quint. inst. 6,3,90 ‚quid ? tu‘ inquit ‚me Hippocentaurum putas ?‘ ( zit. MÜLLER 2a ). Nicht jedes Nutztier war gleichermaßen als Transportmittel geeignet ; cf. Cic. nat. 2,159 quid de bubus loquar ; quorum ipsa terga declarant non esse se ad onus accipiendum figurata eqs.; Catull 63,33 veluti iuvenca vitans onus indomita iugi ; Sen. dial. 10,18,4 tanto aptiora portandis oneribus tarda iumenta ( „unbeholfenes Zugvieh“ ) sunt quam nobiles equi, quorum generosam pernicitatem ( „rassige Behendigkeit“ ) quis umquam gravi sarcinā pressit ? ; ep. 76,8 quam fortia dorso iumenta sint quaeris, quorum hic unus est usus, sarcinam ferre ; s. auch Hor. serm. 1,9,20f. demitto auriculas, ut iniquae mentis asellus, | cum gravius dorso subiit onus ( „… wie ein beleidigter Esel, der sich mit einer allzu schweren Last abschleppte“ ). Zum prosaischen iumentum cf. AXELSON 59.

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aut lapidariam navem ? : Die lapidaria navis ist Hapax legomenon ( Thes. VII 2, 942,3f.; cf. Sat. 58,7 lapidarias litteras, „Blockbuchstaben“; 65,5 lapidarius, „Steinmetz“; Vorbild war wohl die oneraria navis, e.g. Cic. Verr. 2,1,46; Caes. Gall. 4,22,4 ; s. auch das sog. „Steinschiff “, Grimmsches Wörterbuch 18, 2150 ). Edler Marmor aus Übersee wurde meist auf Frachtern nach Italien transportiert ( cf. Plin. nat. 36,2 naves … marmorum causā fiunt eqs.; Hinweis von M. DEUFERT in epist.). So gelangte auch der Obelisk nach Rom, der heute den Petersplatz ziert ( Plin. nat. 16,201 ). hominis operas locavi : Die Wendung operam ( operas ) locare, ~ „sich als Lohnarbeiter verdingen“, entstammt wohl der Alltagssprache ( e.g. Plaut. Trin. 843f. operam meam | tribus nummis … locavi ad artīs nugatorias ), fand aber ihren Weg in Jurisdiktion und Philosophie ( u.a. Sen. benef. 3,22,1; dial. 10,8,2 aut laborem aut operam aut diligentiam suam locant sc. annuis, „… für das Jahreseinkommen“; Plin. ep. 10,74,1 pistoribus … operas suas locaverat ; Thes. VII 2, 1559,30-43 ). Zu den ökonomischen und sozialen Hintergründen solcher Lohnarbeit cf. MARTINI 1961, 343-345 Anm. 5. non caballi : Eindeutig zur Umgangssprache gehört caballus samt seinen Konnotationen, ‚onerarius equus‘ bzw. ‚equus castratus‘, und ihren despektierlichen Untertönen: „Arbeitspferd, Gaul, Wallach“ ( cf. Thes. III, 3,61-77 s.v.). Die Satire schätzt das Wort ( zuerst Lucilius frg. 163 M. taetri tardique caballi ; cf. Sat. 134,2 lassus tamquam caballus in clivo, „schlappschwänzig wie ein Klepper am Hang“; STEFENELLI 1962, 145f.; V. VÄÄNÄNEN, Introduction au latin vulgaire, Paris 1963, 80 == § 150 ). nec minus liber sum quam vos : Auch Dionysos’ Xanthias kommt auf seinen sozialen Status zu sprechen ( Aristoph. ran. 33f., und K. DOVER ad loc.; s. oben S. 754 ). Zu dieser Betonung der eigenen Stellung als freien Bürgers cf. u.a. Aristoph. nub. 1414 καὶ μὴν ἔφυν ἐλεύθερός γε κἀγώ, „auch ich bin doch frei geboren“ (zit. MÜLLER 2 a ad loc.); Suet. Claud. 40,3 si quem alium, et se liberum esse ; OTTO 192 s.v. liber ( zu Eumolps, Encolpius’ und Gitons wahrscheinlich bürgerlichem Status cf. Bd. I, S. XVIIIXIX ; zu Corax’ Situation cf. MARTINI 1961; LABATE 1986, 136 ). An die nach Claudius’ Tod wiedererlangte Freiheit erinnert Senecas ego scio me liberum factum ( apocol. 1,1; cf. P.T. EDEN ad loc.: „free to decide whether or not to speak at all“ ). etiam si pauperem pater me reliquit : Die Sperrung pauperem … me macht implizit auch Corax’ Vater zum pauper ( s. auch Trimalchios launiges Bonmot : quid est pauper ? ; 48,5 ). Parallelen zwischen Corax’ kleiner Rede und Hermeros’ Verteidigung seiner Ehre ( Sat. 57,5f. ) notiert PLAZA 2000, 187.

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nec contentus maledictis tollebat subinde altius pedem et strepitu obsceno simul atque odore viam implebat : Um was für ein „anstößiges Krachen“ es sich handelt, verrät bereits die Geste, die Corax’ Provokation augenfällig begleitet ( der t.t. crepitus ‹ ventris › – JUNIUS’ überzeugende Konjektur aus dem überlieferten strepitus – fällt erst § 13 ). Dass zumindest in Hellas’ und Roms besseren Kreisen Flatulenzen verpönt waren, bezeugen etliche Anekdoten, soziologische Reflexionen und literarische Anspielungen ( ein kulturhistorisches Kleinod zu dem Thema ist L. RADERMACHERs RE-Artikel s.v. πορδή , Bd. XXII 1, 1953, 235-240; s. auch SITTL 1890, 99f. ). Nicht von ungefähr waren einschlägige Scherze das Futter der Alten Komödie ( cf. Aristoph. ran. 1-37, bes. 9f.; HENDERSON 1991, 195-199; bei Plautus schleicht sich das Thema ‚durch die Hintertür‘ ein: Poen. 609 crepuerunt clare sc. fores; zu Fürzen im römischen Mimus cf. CICU 1992 a, 128; s. auch Mart. 7,18,9f. pedere te mallem … risum res movet ista simul ). Auch hellenistische Autoren inspirierte das windige Sujet zu poetischen Höhenflügen ( e.g. Sotades [ 3. Jh. v.Chr. ] ap. Athen. 14,621b ). Selbst in der geophysikalischen Diskussion hinterließ die inflatio ihre Duftmarke ( cf. Sen. nat. 5,4,2 ). Mit gerümpfter Nase notiert Cicero die Empfehlung der Stoa, „wir müssten ebenso ungehemmt furzen wie rülpsen“ ( fam. 9,22,5 Stoici … etiam crepitūs aiunt aeque liberos ac ructūs esse oportere ). Sensible Seelen erwogen angesichts eines solchen Malheurs in Gesellschaft sogar den Freitod ( Diog. Laert. 6,94 ; harmloser endet der Fauxpas Mart. 12,77 ). Nur in intimeren Kontexten wie der Leibeshygiene waren Vapeurs zulässig ( Cic. fam. 9,22,4 suppedit, flagitium est ; iam erit nudus in balneo, non reprehendes, „Er furzt. Skandal ! Er steht nackend im Bad. Dann passt’s !“ ). Eigene Regeln galten im Patronat, wo der abgehärtete Klient sich gegebenenfalls taub stellt ( Mart. 12,40,3 pedis : dissimulo ; s. auch 4,87 ) – oder dem ‚konzertierenden‘ Patron applaudiert ( Juv. 3,106-108; s. auch Diodoros von Sinope frg. 2,38-40 K.-A. ). Brisanz besaß das Thema aus medizinischer Sicht, glaubte man doch, unterdrückte Winde könnten töten ( u.a. A.P. 11,395; cf. Anth. Lat. 473 R. == 471 Sh.B., und SOMMARIVA 2004, 127-143 ). Aus diesem Grund wollte Claudius angeblich Flatulenzen bei Tisch offiziell tolerieren ( Suet. Claud. 32 dicitur etiam meditatus edictum, quo veniam daret flatum crepitumque ventris in convivio emittendi, cum periclitatum quendam prae pudore ex continentia repperisset ). So informiert und human wie der Kaiser zeigt sich Trimalchio ( 47,4-6 nemo nostrum solide natus est. ego nullum puto tam magnum tormentum esse quam continere. hoc solum [ vetare del. KAIBEL ] ne Iovis potest. … nec tamen in

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triclinio ullum vetuo facere quod se iuvet, et medici vetant continere. … credite mihi, anathymiasis in cerebrum it et in toto corpore fluctum facit. multos scio sic periisse, dum nolunt sibi verum dicere ; zu dem Hapax anathymiasis, „Darmwind“, im Kontext der Cena cf. STAR 2012, 161-164 ; PELLEGRINO 2016 ). In der claudischen Ära entfalten Blähungen bisweilen politische Sprengkraft. Seneca ließ Kaiser Claudius flatulierend und defäzierend aus dem Leben scheiden ( apocol. 4,3 ultima vox eius haec inter homines audita est, cum maiorem sonitum emisisset illā parte, qua facilius loquebatur : ‚vae me, puto, concacavi me.‘ ; s. auch STAR 2012, 142-144 ; zu der taktvollen Periphrase des Afters inspirierte Seneca offenbar der Kyniker Demetrios; cf. ep. 91,19 eleganter Demetrius noster solet dicere eodem loco sibi esse voces inperitorum quo ventre redditos crepitūs. ‚quid enim‘ inquit ‚mea, susum isti an deosum sonent ?‘ ). Und als der bei Nero in Ungnade gefallene Lukan einen heftigen Darmwind in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt trocken mit einem Vers des Princeps kommentierte, kam es unter seinen ( mit dem kaiserlichen Œuvre offenkundig bestens vertrauten ) ‚Beisitzern‘ zur panischen Massenflucht ( Suet. poet. 47, p. 51,5-10 Reiff. neque verbis adversus principem neque factis extantibus post haec temperavit, adeo ut quondam in latrinis publicis clariore cum crepitu ventris hemistichium Neronis magnā consessorum fugā pronuntiarit : „sub terris tonuisse putes“ [ Nero frg. 5 FLP ]; dass unsere Episode auf jene Anekdote anspiele – so ROSE 1971, 62 –, ist abwegig ). Corax’ Blähungen haben etwas Apotropäisches ( auf dem Esquilin verscheucht Priap so eine Horde Hexen ; Hor. serm. 1,8,46f.; s. auch Hom. hymn. Herm. 295f., und zu weiteren apotropäischen Winden R.W. DANIEL, Laughing Stones : ZPE 61, 1985, 127-130 ). Nicht zuletzt aber sind sie ein Zeugnis der Respektlosigkeit, aus dem Repertoire und im Geist der Alten Komödie ( s. oben, und e.g. Mart. 10,15,9f. nil aliud video, quo te credamus amicum, | quam quod me coram pedere, Crispe, soles ; laut CARMIGNANI 2010a, 272 avisiere diese ‚aggressive Geste‘ Corax’ ( mutmaßlichen ) späteren Verrat ). strepitu obsceno : GIARDINAs crepitu ( ed.; cf. ders. 1997-2000, 189 ) verwarf K. MÜLLER scharf als „unerträglich plump und überhaupt unvereinbar mit subinde und mit dem Plural im nächsten Satz“ ( Gnomon 70, 1998, 497 ). Vor allem macht es das dann quasi tautologische obsceno überflüssig ( so auch CARMIGNANI 2009, 12-14 ; cf. ders. 2010a, 271f. ). § 13 ridebat contumaciam Giton et singulos crepitūs eius pari clamore prosequebatur : „Giton lachte über seine Dreistigkeit und beantwortete jeden seiner Fürze mit gleichem Donnern“. Lacht hier ein sympathisierender Leidensgenosse ( cf. § 11 neque Giton sub insolito fasce durabat ;

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s. auch 58,1 post hoc dictum Giton … risum iam diu compressum etiam indecenter effudit, und zur Wortstellung 65,5 risit hanc trepidationem Agamemnon )? Als Lautwort steht clamor bei Menschen meist in Zusammenhang mit dem Mund ( „i.q. vociferatio ( sc. hominum), non raro etiam acclamantium clamor i. plausus“, Thes. III, 1255,14 f. ). Die Verwendung hier ist singulär ( ebd. 1256,23f. ), und erinnert an Demetrios’ Bonmot ( Sen. ep. 91,19, zit. S. 762 ). Eine ferne Parallele hören wir im lauten „Gebrüll, Getöse, Donnern“ der Natur ( e.g. Verg. Aen. 3,566 ter scopuli clamorem inter cava saxa dedere ; 4,303 nocturnus … vocat clamore Cithaeron ; Hor. c. 3,29,38f. non sine montium | clamore ; cf. OLD s.v. 5; zu crepitus und weiterem ‚Windvokabular‘ cf. ADAMS 249f. ). Dies rechtfertigt freilich kaum die Auffassung v.a. älterer Interpreten, Giton imitiere Corax’ Laute nur ( „Imitabatur enim Giton ore strepitum obscoenum; quod & hodie pueros lascivos facere videmus.“, BURMAN 705; cf. DE SALAS 229; HEINSE ). Zwischen Corax und Giton tobt ein Agon der unfeineren Art ( ein solcher eröffnet Louis de Funès’ Komödie mit dem sprechenden Titel La soupe aux choux, 1981 ). * : „Wahrscheinlich fehlt nur der Übergang. Es dürfte Eumolpos nicht schwer gefallen sein, einen Anknüpfungspunkt für seine Erörterung zu finden.“ ( VAN THIEL 1971, 48 ). Der Gegensatz ist auf alle Fälle effektiv. „We may probably assume that it [ die Szene §§ 11-13 ] was meant as a contrast to the inflated aesthetic doctrine and the epic poem of Corax’ employer Eumolpus.“ ( PLAZA 2000, 188 ). CIAFFI 1955, 103 wollte in der Lücke frg. 35 M.4 unterbringen, ein Epigramm über Darmwinde. Heimischer dürfte es sich Sat. 47 fühlen, wo Trimalchio das explosive Thema ventiliert.

Kap. 118 Eumolps Ars poetica. Bevor Eumolp auf der Straße nach Kroton seinen wehrlosen Tross mit einer epischen Kostprobe delektiert, kommt er auf den zeitgenössischen Literaturbetrieb zu sprechen, aber auch auf die Herausforderungen anspruchsvoller Dichtung, wie sie zum Beispiel ein Lied über den ‚Bürgerkrieg‘ darstelle. Viele Amateure suchten in der Dichtkunst Erholung vom stressigen Gerichtsalltag, in dem Irrglauben, ein Gedicht sei leichter verfasst als eine geschliffene Streitrede ( § 2 controversia ) – als machten bereits ein korrektes Versmaß und eine etwas elegantere Syntax den Dichter. Sie unterschätzen die Aufgabe dramatisch. Belanglose Inhalte ( § 3 vanitas ) und abgedroschene Phrasen haben in der Dichtung nichts verloren. Gefordert sind eine gehobene Diktion und Sentenzen, die sich in Ton und Stil organisch in den Text einfügen ( § 5 sententiae … intexto vestibus colore niteant ). Zudem muss ein ambitionierter Autor die Klassiker – Homer, die griechischen Lyriker, Vergil, Horaz – eingehend rezipiert und sich zu eigen gemacht haben ( § 3 mens … ingenti flumine litterarum inundata ), ‚bezeugen‘ sie doch ( § 5 testis ), wie Literatur in Vollendung aussieht. Vor allem Horazens Programm hat es Eumolp angetan, dessen Anspruch auf ‚Exklusivität‘ er feierlich zitiert ( § 4 odi profanum vulgus eqs.), und dessen virtuose Verknüpfung von ingenium und ars er seinerseits in der kongenialen Formel Horatii curiosa felicitas einfängt ( § 5 ).1 Ob er dem hehren Vorbild gewachsen ist, steht auf einem anderen Blatt ( s. unten ). Seine Thesen exemplifiziert Eumolp am Beispiel ‚Bürgerkrieg‘. Wer sich einer so gewaltigen Aufgabe stellen wolle, müsse mit der literarischen Tradition intim vertraut sein ( § 6 belli civilis … opus quisquis attigerit nisi plenus litteris, sub onere labetur ; die einzige thematische Doppelung in dem Kapitel unterstreicht den Stellenwert dieser Forderung ). Überraschend genug fehlt jeder Hinweis auf die historischen Quellen. Diese ‚Leerstelle‘ erklärt sich am ehesten als Abgrenzung. Es gehe nicht darum, historische Ereignisse zu versifizieren ( § 6 non … res gestae versibus comprehendendae sunt ): Geschichtsschreibung ist die Domäne der Historiker ( quod longe melius historici faciunt ), oder – so dürfen wir zwischen den Zeilen heraushören – von Epikern, die diese Gattungsgrenze ignorieren und wie Historiker schreiben ( s. unten ). 1

Zu Horazens Rolle in Sat. 118 cf. bes. CONTE 1996, 68-72; ESPOSITO 1996 ; WOODS 2012, 60-73.

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Was es stattdessen für diese Aufgabe brauche, umreißt eine mäandernde Periode, die unvermittelt an die platonische Poetologie anknüpft, und die sich fast wie die Erfüllung ihrer Bedingungen liest. Die göttlich inspirierte ‚Raserei‘ des Dichters 2 bricht sich Bahn in ‚Abschweifungen‘ ( ambages ), Interventionen höherer Mächte ( deorum ministeria ) und mythischen Stoffen in epischem Gewand ( fabulosum sententiarum tormentum ). Das Resultat ist kein historischer Tatsachenbericht, sondern „die prophetische Offenbarung eines ekstatischen Geistes“ ( § 6 furentis animi vaticinatio ; übers. HOLZBERG ) – als singe Vergils Sibylle. Ungeachtet der mitunter eigenwilligen Formulierungen machen diese Aussagen mehrheitlich Sinn; cum grano salis hätte wohl auch Petron sie unterschreiben können.3 Eine faktisch akkurate Darstellung historischer Ereignisse ist in der Tat Aufgabe der Geschichtsschreibung. Die kreative Auseinandersetzung mit den literarischen Ahnen und Zeitgenossen war ein elementarer Bestandteil antiker Schriftstellerei und für jeden ambitionierten Autor de rigueur – auch im Falle eines ‚Bürgerkriegs‘. Gerade das Plädoyer für die Orientierung an den Klassikern klingt authentisch. Nicht einmal die Forderung am Ende jener langen Liste pragmatischer Imperative kommt überraschend: die Vorstellung von der göttlichen Inspiration des Dichters, mit der auch der Rhetoriklehrer Agamemnon liebäugelt ( 5,13f. mox … mittat habenas | liber ). Sie steht in einer langen Tradition, die in die frühe hellenische Klassik zurückreicht und sich noch in der Kaiserzeit prominenter Fürsprecher erfreute ( s. unten S. 801-804 ). 4 Verrät Eumolps Poetik etwas über den zeitgenössischen Literaturbetrieb ? 5 Gleich eingangs kritisiert er, den poetischen Amateuren mangele es an der nötigen Bildung, an klaren Vorstellungen von den Voraussetzungen literarischer Arbeit, und nicht zuletzt an Qualitätsbewusstsein.6 Doch die dilettierenden Hobbydichter sind nur ein Nebenschauplatz, wenig mehr als ein launiger Aufhänger. Dass er ernsthaftere Konkurrenz im Blick hat, verrät sich spätestens beim Stichwort ‚Bürgerkrieg‘. Doch 2 3 4 5 6

Encolpius scheint mit der Vorstellung vertraut ( cf. 90,6 hodiernam bilem, und Bd. I, S. 214 f. ad loc.; 115,5 phrenetico ). E.g. COURTNEY 1962, 93 Anm. 1 ; CONTE 1996, 68 : „sound principles which the author might well share“ ( s. auch S. 767f. ). Zu den Parallelen zu Ps.-Longin s. unten S. 803. Eine aufschlussreiche Parallele bildet seine Diatribe zum Niedergang der schönen Künste, die seiner TH vorausgeht ( Sat. 88; s. Bd. I, S. 127f. ). „Eine grundsätzliche Stellungnahme zur poetischen Produktion der eigenen Zeit“ sah hier BURCK 1979, 204.

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auch wenn sein Name nirgendwo fällt, und viele von Eumolps Prohibitiven und Jussiven ihn nicht betreffen ( oder, was klassische Belesenheit angeht, von ihm mustergültig erfüllt werden ): 7 ist es vorstellbar, dass zeitgenössische Leser beim Thema Bellum civile nicht unweigerlich an den prominenten, von Nero zum Tod verurteilten Autor des heiß diskutierten gleichnamigen Bestsellers dachten ? 8 Drei Indizien sprechen dafür ( die in Eumolps BC versteckten Zitate aus den Pharsalia nicht mitgerechnet ).9 Lukans sententiae waren berühmt.10 Sein Werk wurde als ‚unpoetisch‘ und ‚historisierend‘ kritisiert ( cf. § 6 quod longe melius historici faciunt ).11 Vor allem aber fehlt den Pharsalia etwas, das für Ennius und Vergil ( oder später die Flavier ) unverzichtbar zum Epos gehört – und das Eumolp nachdrücklich einklagt : der klassische Götterapparat ( cf. § 6 deorum … ministeria ). Diese ‚Leerstelle‘ machte Lukans Lied corvo rarior albo. Sein Bellum civile stand eindeutig auf Eumolps Agenda. 7 8

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Zu Lukans umfassender (Aus-)Bildung cf. FANTHAM 2011, 5. Bei lebenden Zeitgenossen war es gängige Praxis, den Namen zu verschweigen ( e.g. Ov. trist. 2,467f. praestantia candor | nomina vivorum dissimulare iubet, „der Anstand gebietet es, wichtige Namen noch Lebender diskret zu behandeln“ ; cf. W. TEUFFEL : RhM 4, 1846, 514 ). Zu Lukans Prominenz cf. Mart. 7,23; 10,64,3f. ille tuus vates, Heliconis gloria nostri, | Pieriā caneret cum fera bella tubā ; 14,194 ‚Lucanus‘. Sunt quidam qui me dicant non esse poetam : | sed qui me vendit bybliopola putat ( und AHL 1976, 74 f. ); Tac. dial. 20,5 poeticus decor … ex Horatii et Vergilii et Lucani sacrario ; Juv. 7,79 f. contentus famā iaceat Lucanus in hortis | marmoreis, „von seinem Ruhm erfüllt mag Lukan in seinen Marmorgärten die Muße genießen“ ; Anth. Lat. 233 R. == 225 Sh.B. ( s. auch HÄUßLER 1978, 231-244 ; RUDICH 1997, 230f. ). Für eine Liste dieser Zitate s. Bd. III. Ein erstes solches ‚Zitat‘ beendet bereits Eumolps Ars poetica ( Lukan 1,68 f. ; cf. S. 791 ). Um Verwechslungen zu vermeiden, erscheint im Folgenden für Lukans Epos bisweilen der unhistorische Titel Pharsalia ( cf. Lukan 9,985 Pharsalia nostra ). Bes. 1,128 victrix causa deis placuit, sed victa Catoni ( Boethius cons. 4 p. 6, 33 zitiert das Aperçu ). Cf. Quint. inst. 10,1,90 Lucanus ardens et concitatus et sententiis clarissimus et … magis oratoribus quam poetis imitandus. Cf. Isidor etym. 8,7,10 officium autem poetae in eo est ut ea, quae vere gesta sunt, in alias species obliquis figurationibus cum decore aliquo conversa transducant. unde et Lucanus ideo in numero poetarum non ponitur, quia videtur historias conposuisse, non poema ( s. auch Servius Aen. 1,382 Lucanus … ideo in numero poetarum esse non meruit, quia videtur historiam composuisse, non poema ; Lucani Commenta Bernensia 1,1 Lucanus dicitur a plerisque non esse in numero poetarum, quia omnino historiam sequitur, quod poeticae arti non convenit ; Iordanes Get. 5,43 Lucano plus storico [ sic ] quam poeta testante ). Das Urteil geht wahrscheinlich auf Sueton zurück ( De poet. praef., p. 13f. Rostagni ). Cf. HÄUßLER 1978, 231-244.

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Ist seine Ars poetica also ernst gemeint ? 12 Dass sie aus dem Mund eines Dichters kommt, dessen Verse meist wenig Anklang finden, muss nicht verwundern. Auch ein schlechter Poet kann literarische Urteilskraft besitzen.13 ( Zudem stand Petron auch für ernst gemeinte Botschaften ausschließlich das schillernde Personal der Sat. zur Verfügung. ) Auf alle Fälle sind große Partien seines Programms ( wie schon oben notiert ) konsensfähig und knüpfen an eine bedeutsame Tradition an.14 Die vielzitierte Formel Horatii curiosa felicitas fand etliche Bewunderer.15 Für Irritationen sorgt allenfalls die exaltierte Schlussperiode, die am Ende des so engagierten wie nüchternen Vortrags mit einem Mal Götterapparate einfordert und tief eintaucht in die platonische Poetologie – als sei wahre Dichtkunst letztendlich ein Geschenk der Götter.16 Nicht zu übersehen sind auffällige Parallelen zu dem Bildungsprogramm, das der Rhetoriklehrer Agamemnon entwirft ( Sat. 4 f. ).17 Die jungen Eleven absolvieren und absorbieren einen strengen Kanon klassischer exempla ( 4,3 ), der auf hellenischem Boden mit hellenischen Autoren beginnt ( 5,9-14 ). Römische Quellen folgen, unter ihnen das Epos und Ciceros Reden ( 5,15-20 ). Am Ende seiner Lehr- und Wanderjahre schöpft der junge Meister aus einem reichen Fundus und ‚verströmt‘ sich in eigenen Werken ( 5,21f. ).

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Dass Eumolp hier Petron vertrete, vermuteten u.a. COLLIGNON 106 ; PARA1933, II 381 ; ATKINS 1952, 164 ; SULLIVAN 198 Anm. 3 ; PELLEGRINO 411 ; GUIDO 337 f.; MUELLER-GOLDINGEN 2006, 52-56. RUDICH 1997, 229. „Stripped … of their metaphors …, his principles seem straightforward, conservative, supremely sensible“ ( CONNORS 1989, 45 ) ; „His theories sound reasonable and even attractive, and most scholars give them high marks“ ( SCHMELING – SETAIOLI 449 ). BYRON zitiert sie in seinem Don Juan ( Canto 16, Vers 862 ) ; ebenso DRYDEN, POPE und Samuel JOHNSON ( cf. ATKINS 1952, 165f. ; BALDWIN 2005, 2 ). Für nicht wenige Exegeten spiegelt sie Petrons persönliches Urteil ( u.a. SOVERINI 1985, 1749; CARMIGNANI 2010 b, 42 ; vorsichtiger BECK 1982, 207 ). Nicht minder irritierend ist die Klausel appareat ( § 6 ut potius furentis animi vaticinatio appareat ), die Eumolps Forderung im Grunde zur Fassade reduziert ( s. unten S. 803 ). Zu Sat. 4 f. cf. NELSON 1956; HÄUßLER 1975; KENNEDY 1978; KIßEL 1978; PELLEGRINO 1986, 97-164 ; BREITENSTEIN 2009, 21-90 ; VANNINI 2009, und v.a. SETAIOLI, Nugae 15-49. TORE

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Legt hier Petron als ‚hidden author‘ Agamemnon persönliche Ideen in den Mund ? 18 „It is of course impossible to ascertain whether Petronius approved or disapproved of this program and whether he judged it appropriate or not appropriate to the situation and needs of Roman culture at the time; but it must be realized that what is presented here are ideas that had full right of citizenship in the contemporary cultural debate.“ 19 SETAIOLIs Einschätzung zu Sat. 5 gilt eins zu eins auch hier. Doch Vorsicht ist angebracht. Eumolp feiert v.a. Horaz als sein Vorbild und bringt seine Wertschätzung in der callida iunctura Horatii curiosa felicitas kongenial auf den Punkt. Ob er diesem hehren Anspruch gewachsen ist, steht auf einem anderen Blatt. Wie mehrere Exegeten anmerken, lasse seine Poetik Horazens Balance zwischen ingenium und ars missen; ‚der furor des enthousiasmos gewinne die Oberhand‘.20 Dies gilt auch für Eumolps ‚Dichterwerkstatt‘. Wie uns der kritisch gestimmte Erzähler bescheinigt, hatte Eumolp bei der Arbeit am BC eine Art poetischer ‚Ekstase‘ ergriffen ( 115,5 inicio ego phrenetico manum ).21 Doch die ganze Szene liest sich wie eine Farce, wie eine Persiflage authentischer Kreativität. Auch wenn kaiserzeitliche Theoretiker die alte Kunde von der ‚heiligen Raserei‘ weiterhin engagiert vertreten: die Frage, wie moderne Autoren diesen archaischen semi-religiösen Zustand schöpferischer Ekstase erreichen, bleibt stets unbeantwortet. Wohl schon zu Kallimachos’ Zeiten war die Idee nur noch eine bildgewaltige Fiktion. Horazens Karikatur versetzt dem poeta vesanus den Todesstoß.22 Damit nicht genug, deckt sich auch Eumolps Hochachtung vor den Klassikern nicht nahtlos mit Petrons entspanntem Umgang mit Vergil & 18 19 20

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So e.g. KIßEL 1978, 327f. ( zurecht vorsichtiger SETAIOLI, Nugae 23-25 ). SETAIOLI, Nugae 6 ( s. auch Nugae 25-27 ). CONTE 1996, 68 ( s. auch ESPOSITO 1996, 161f. ; WOODS 2012, 60-73 ). Noch strenger geht HÄUßLER 1978, 124-126 mit Eumolp ins Gericht : er verzerre und verkenne Horazens ‚Fiktion‘ einer amabilis insania ( c. 3,4,5 f. ). Insgesamt erscheint Eumolps brachiale Kombination exoterischer wie esoterischer Maximen in Sat. 118 nur bedingt praxistauglich. Siehe S. 659f. ad loc. Dass Eumolp in seinem Furor den limae labor ( Hor. ars 291 ), kurz : den Anteil der ars an seinem Kunstwerk nicht ganz aus den Augen verliert, zeigt sich 115,4 ( sinite me … sententiam explere ; laborat carmen in fine ). Cf. u.a. ars 295-303 zum vesanus poeta ( und SLATER 1990, 191-194 ; CARMIGNANI 2013 a ). Erhellend ist KROLLs Unterscheidung zwischen der von Platon ( mit ironischer Distanz ) propagierten göttlichen „Begeisterung“ als ‚Ideal‘ dichterischen Schaffens, und der von Aristoteles repräsentierten Realität ‚technisch‘, d.h. handwerklich verfertigter Texte ( 1924, 24-43 ).

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Co., dem wir in den Sat. auf Schritt und Tritt begegnen ( der köstliche Aeneis -Cento 132,11 spricht Bände ).23 Zudem steht Eumolps Nachdruck auf Bildung, sprachlicher Eleganz und phantastischen Elementen in einer gewissen Spannung zu dem anderen Orts propagierten Ideal „neuer Einfachheit“ und „Offenheit“ ( 132,15,2 novae simplicitatis opus bzw. V. 4 candida lingua ), das nicht wenige Philologen als persönliches Bekenntnis Petrons lasen und lesen.24 In der Summe ist es eher unwahrscheinlich, dass Eumolp hier als Sprachrohr Petrons agiert – wie nicht zuletzt die Frage nahelegt, ob Eumolps poetisches ‚Experiment‘ ( impetus ) den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Wie steht es um seinen prophetischen Wurf, der ars und ingenium vereinen sollte ? Die Bilanz fällt nüchtern aus. Sein BC hat in der Tat seine Stärken, aber auch seine Schwächen.25 Nicht alle sententiae sind gelungen; manches ragt sperrig aus dem Text, manches erleidet Schiffbruch.26 Und bringt er den klassischen Götterapparat auf die Bühne, der ihm so am Herzen liegt ? Es sind überwiegend abstrakte Mächte der Unterwelt, die den Text bevölkern und sich in langen Tiraden ergehen; doch anders als im klassischen Epos sehen wir sie nirgendwo ins Geschehen eingreifen. Zwischen Eumolps Theorie und Praxis knirscht es. Und auf beiden Feldern lässt er Federn.27

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Ähnlich RUDICH 1997, 229f. Das ändert nichts an der Wertschätzung Vergils insgesamt ( die im Übrigen auch der Erzähler bekundet ; 68,5 ). „Besides Horace Eumolpus also appreciates Romanus Vergilius : like Seneca’s Vergilius noster he is the national poet of Rome. The disrespectful way Virgil is treated in the Cento does not contradict this. Such a blasphemous travesty is all the more enjoyable because of the target’s high standing.“ ( A. SETAIOLI in epist. ). Eine umfassende Forschungsgeschichte und meisterliche Exegese dieses vieldiskutierten Gedichts verdanken wir A. SETAIOLI ( Nugae 243-264 ). Auch er votiert letztlich für eine confessio des Autors Petron. Mehr dazu in der Einleitung von Bd. III. Neben Gelungenem ( e.g. 13 ecce aliae clades et laesae vulnera pacis ; 57 inops audacia tuta est ; 67-75 der Unterweltseingang ; 271-282 Discordias Auftritt ) steht auch manches Durchwachsene ( e.g. 47 namque – hoc dedecoris populo morumque ruina – ; 158-166, in Caesars Rede; 221-223, in der Flucht aus Rom ). S. auch ESPOSITO 1996, 167 ; RUDICH 1997, 232. Wohlwollender urteilt ZEITLIN 1971, 75 : das BC erfülle Eumolps Forderungen ( 118,6 ) : ein Großteil des Gedichts handle von Göttern ( bes. deorumque ministeria ); es gebe etliche Anspielungen auf andere Texte ( plenus litteris ) ; sein Ton sei ‚leidenschaftlich‘ ( furentis animi vaticinatio ).

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LIT. COLLIGNON 101-108. 185-190; STUBBE 1933, 50-67; ATKINS 1952, 162-166 ; GRIMAL 1977, 1-43; HÄUßLER 1978, 112-130; FEENEY 1991, bes. 262-264 ; CONTE 1996, 68-72; ESPOSITO 1996 ; RUDICH 1997, 228232; CONNORS 1998, 114-117. 131-134 ; COURTNEY 2001, 181-184 ; YEH 2007, 538-553; SCHMELING – SETAIOLI 449-453; WOODS 2012, 60-73; CARMIGNANI 2013 a. § 1 ‚multos‘, inquit Eumolpus ‚o iuvenes, carmen decepit‘ : carmen meint hier kaum das einzelne poetische „Werk“, sondern die „Dichtung“ oder „Dichtkunst“, die viele ihrer Jünger nicht ( subjektiv ) „ent-“, sondern ( objektiv ) „getäuscht hat“. Was wahre Dichtung ausmacht, bleibt ihnen verschlossen. „Daß der Dichter, der kurz zuvor beinahe durch ein carmen um sein Leben ‚betrogen‘ worden ist [ 115,3 quod illi vacaret in vicinia mortis poema facere ], seine Ausführungen mit dem Satz ‚multos (…) carmen decepit ‘ beginnt“, entbehrt nicht der Ironie ( EICKMEYER 2006, 76 Anm. 9 ). Zurecht sah man hier eine zarte Anspielung auf Horazens Mahnung : maxima pars vatum, pater et iuvenes patre digni, | decipimur specie recti ( ars 24 f.; so zuerst COLLIGNON 101 ). Horaz geht es allerdings um Fragen des Stils, und das Verb setzt einen anderen Akzent : das angestrebte ‚Ideal‘ ( rectum ) wird ‚verfehlt‘ ( cf. C.O. BRINK 106f. ad loc.; STUBBE ebd. zitiert ferner Quint. inst. 8,3,56; s. auch LA PENNA 1988; WOODS 2012, 69-71; CARMIGNANI 2013 a, 36-38 ). Carmen, „Dichtung, Dichtkunst“, kehrt § 2 ( ad carminis tranquillitatem ) und § 5 wieder ( viam … ad carmen ; s. auch 2,8 ). Der kollektive Singular entstammt der hohen Diktion augusteischer Dichtung ( cf. Prop. 1,7,10; 2,5,6 ; Hor. ep. 2,2,59: „lyrische Dichtung“; Ov. trist. 2,87; 4,1,30 ); cf. Thes. III, 473,78-81; OLD s.v. 3; PETERSMANN 55. Die Stelle hier deutet der Thes. III, 468,21-33 als ersten Beleg „de opere carminum faciendorum“ ( wie §§ 2 und 5 ). inquit Eumolpus : Nur O überliefert die zwei Worte; die Textzeugen von L ergänzen mehrheitlich Eumolpus vor multos ( in marg.; die Florilegia schreiben multos nimirum carmen decepit ; cf. BRANDIS – EHLERS 1974, 95 ). BÜCHELER tilgte sie in BURMANs Fußspuren als Einschub eines Epitomators ( so u.a. ERNOUT ; CIAFFI ; PELLEGRINO ; ARAGOSTI ; ebenso MÜLLER bis ed.2 ; s. auch ESPOSITO 1996, 155; BÜCHELER 1 folgte teilweise den Florilegia, multos nimirum iuvenes carmen decepit ). Doch insbesondere bei markanten Sprecherwechseln ist die Formel omnipräsent ( u.a. 99,4 ‚ut scias‘ inquit Eumolpus ‚verum esse‘ eqs.; 104,3 ‚hinc scies‘ inquit Eumolpus ‚Epicurum‘ eqs.; 105,2; 117,4 ‚quid ergo‘ inquit Eumolpus

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‚cessamus mimum componere ?‘ ; s. auch e.g. 20,7 inquit Quartilla ; 35,7 inquit Trimalchio ; 45,1 inquit Echion ; 67,10 inquit Habinnas ; 101,6 inquit Giton ; 107,15 inquit Lichas ; für eine längere, etwas andere Liste cf. LA PENNA 1988, 261 ). Gerade weil offenbleiben muss, wieviel Text zwischen Sat. 117 und 118 verlorenging, aber auch angesichts der guten Klausel ( Creticus + Trochäus: īnquĭt Eūmōlpŭs, bzw. Dicreticus: īnquĭt Eūmōlpŭs ō ; s. auch MÜLLER 4 ad loc.: „haec ipsius Petronii esse numerus ostendit“ ), gilt hier ‚in dubio pro reo‘. o : BÜCHELER tilgte darüber hinaus das o ( das in δ s fehlt ; cf. ad loc.: „apparet non posse Gitonem cum Encolpio … appellari o iuvenes “; ebenso u.a. ERNOUT ; STUBBE ; CIAFFI, der es allerdings übersetzt : „o giovani“; SULLIVAN 1985, 163 ). MÜLLER 1 ad loc. zweifelte zurecht an der Tilgung ( „secl. Bücheler, nescio cur“ ). Mit Parallelen in den Sat. ( 90,5 o mi … adulescens ; 96,6; 106,3; 127,1 o iuvenis ), mit Juvenals Appell an den dichterischen Nachwuchs ( 7,20f. hoc agite, o iuvenes ! ), v.a. aber mit der Anspielung auf Hor. ars 24 f. ( oben zit.; s. auch ars 291f. vos, o | Pompilius sanguis ; 366 o maior iuvenum ) votierte LA PENNA 1988 für den Verbleib der Interjektion ( s. auch CARMIGNANI 2009, 14 f. ). nam ut quisque versum pedibus instruxit sensumque teneriore verborum ambitu intexuit : „kaum nämlich hat jemand eine Zeile in ein Versmaß gegossen und einen Einfall in eine leidlich elegante Periode gekleidet“. Ungeachtet der stehenden Wendung ambitus verborum für die rhetorische „Periode“ ( bzw. die Wiedergabe des griechischen t.t. περίοδος ; e.g. Cic. Brut. 162; orat. 204 ; cf. OLD s.v. ambitus 5b ; STUBBE 53 ) sind hier, wie v.a. in Helicona venisse verdeutlicht, metrische Genera gemeint ( versum ; s. auch A. SETAIOLI in epist.: „Both correct metric and elegant composition are needed to reach Helicon. When oratio refers to prose as the opposite of poetry, it is usually ( though not always ) accompanied by soluta.“ ). Dass sich dank des Metrums Verse leichter schreiben als Prosa, meint Cicero ( orat. 198 difficilius est oratione uti quam versibus, quod in illis certa quaedam et definita lex est, quam sequi sit necesse eqs.). teneriore : Cicero beschreibt den geschmeidigen Fluss der Rede als tener ( de orat. 3,176 nihil est … tam tenerum neque tam flexibile neque quod tam facile sequatur quocumque ducas quam oratio ; Brut. 38 primus inflexit orationem et eam mollem teneramque reddidit sc. Demetrius ; 274 nihil tam tenerum quam illius sc. Calidii comprensio verborum ; orat. 52 est oratio mollis et tenera et ita flexibilis, ut sequatur quocumque torqueas ; cf. OLD s.v. 3e: „( transf., of style, speech ) malleable, pliable“; für zarte kallimacheische Anklänge in der Wendung teneriore verborum ambitu cf. CONNORS 1998, 133 ).

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Die Kritik steckt im Komparativ ( cf. Hor. ars 245f. ne … nimium teneris iuvenentur versibus umquam, die Faune mögen sich hüten, „jemals in überfeinerter Verskunst zu dilettieren nach Jünglingsart“; cf. C.O. BRINK ad loc., auch zu dem Hapax iuvenari ; zu tenerum carmen ~ ‚Liebesgedicht‘ cf. Ov. am. 3,8,2 ). In Enallage verbirgt sich hier auch der ‚leidlich elegante Einfall‘ ( sensum … teneriorem ; so die Mehrzahl der Handschriften und etliche Herausgeber, u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; CIAFFI ; MÜLLER 1 ; s. auch PELLEGRINO 1980, 147; SOVERINI 1985, 1746 ). Der raffiniertere Abl. ( teneriore B; GRIMAL 1977, 3; MÜLLER ab der ed.3 ; s. auch CARMIGNANI 2009, 15f. ) lenkt den Blick auf das Satzgefüge insgesamt ( beide ‚Lesarten‘ verbindet WALSHs Übersetzung : „and have woven their subtler thoughts into elaborate diction“ ). Rustikaler klingt Horazens Warnung serm. 1,4,4042: Versmaß und Alltagssprache machten noch keinen Dichter ( neque enim concludere versum | dixeris esse satis neque, siqui scribat uti nos | sermoni propiora, putes hunc esse poetam ). Zu ut cf. OLD s.v. 19: „ut quisque … ( expr. a recurrent situation to which there is a constant response ), in each case that any …, whenever a …“. Nicht nur paläographisch reizvoll ist teretiore ( MÜLLER 2 ; cf. OLD s.v. teres 2: „( of style or tone ) that does not jar, smooth, rounded“, und e.g. Gell. 13,21,15 Ciceroni mollius teretiusque visum … ‚fretu‘ scribere quam ‚freto‘ ). intexuit : Die Metapher des W e b e n s ( selten auch Flechtens ) für die literarische Produktion ( cf. § 5 intexto vestibus colore ) dürfte auf Pindar zurückgehen ( Nem. 4,44 f. ἐξύφαινε, γλυκεῖα, καὶ τόδ᾿ …, φόρμιγξ, | Λυδίᾳ σὺν ἁρμονίᾳ μέλος, „web aus, süße Harfe, auch dies in lydischer Tonart, dieses Lied“; übers. D. BREMER ; 4,94 ῥήματα πλέκων, „Worte flechtend“; Ol. 6,86f.; Pyth. 4,275; frg. 179 M. ὑφαίνω δ᾿ Ἀμυθαονίδαισιν ποικίλον | ἄνδημα, „ich webe den Amythaoniden ein kunstreiches Haarband“ ). Bakchylides griff es auf ( 5,9f. ὑφάνας | ὕμνον, „einen Hymnos gewoben habend“ ), später Kallimachos ( Aitia 26,5 Pf. καὶ τὸν ἐπὶ ῥάβδῳ μῦθον ὑφαινόμενον, „the story which is woven while the singer is holding the staff“; übers. A. HARDER ; cf. ead. ad loc.; s. auch NÜNLIST 1998, 110-118 ). In Rom zählt Lukrez zu den ältesten Zeugen ( 1,418 ut repetam coeptum pertexere dictis ; 6,42 ); s. auch Verg. ecl. 10,71 gracili fiscellam texit hibisco ; Liv. 7,2,11 ridicula intexta versibus ; Corp. Tib. 3,7(4,1 ), 5f. nec tua praeter te chartis intexere quisquam | facta queat ; Quint. inst. 8,5,28; 12,9,18 nec liber est inpetus nec cura contexta, der Rede „fehlen der freie Schwung und der wohlüberlegte innere Zusammenhang“; App. Verg. Ciris 9 coeptum detexere munus ; 21 magno intexens … peplo ( und R. LYNE 101 bzw. 109 ad loc.); OLD s.v. texo 3b sowie s.v. intexo 4 b ( zum Gegenbild des ‚aufgetrennten‘ literarischen

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‚Stoffs‘ cf. Ov. rem. 12 nec nova praeteritum Musa retexit opus ). Die von Horaz geschmähten unorganischen „Flicken“ stören im ‚Gewebe‘ des Textes ( ars 14-16 inceptis gravibus … purpureus, late qui splendeat, unus et alter | adsuitur pannus ; cf. C.O. BRINK 96 ad loc.; WOODS 2012, 62f. ). putavit se continuo in Helicona venisse : „glaubte er sich sogleich auf dem Helikon angelangt“ ( i.e. „zum Dichter berufen“ ). Ähnlich bricht Cicero über amateurhafte Historiker den Stab: „kaum haben sie irgendein lückenhaftes Flickwerk produziert, wie sie es auch ohne Mentor zustande gebracht hätten, halten sie sich für Thukydides höchstpersönlich“ ( orat. 32 cum mutila quaedam et hiantia locuti sunt, quae vel sine magistro facere potuerunt, germanos se putant esse Thucydidas ). Die Selbstüberschätzung dilettierender Poetaster nimmt Horaz wiederholt aufs Korn ( bes. serm. 1,4,39-44 ; ep. 2,1,108-110; ebd. 117 scribimus indocti doctique poemata passim ; 2,2,106-108 ridentur mala qui componunt carmina ; verum | gaudent scribentes et se venerantur et ultro, | si taceas, laudant quidquid scripsere beati ; ars 382-384 qui nescit versūs, tamen audet fingere eqs.; zur Plage allerorten rast- und rücksichtslos rezitierender Dichterlinge cf. serm. 1,4,7378, ferner e.g. Mart. 3,44 und 50 ; an die von Persius 1,92-102 karikierten ästhetischen Ambitionen zeitgenössischer Schöngeister erinnern SCHMELING – SETAIOLI 450; s. auch Bd. I, S. 208 ad 90,1 lapides in Eumolpum recitantem miserunt ). „Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache, | die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein ?“ ( F. SCHILLER, Dilettant == Votivtafeln 51; zitiert SCHNUR 232 ad loc.). Helicona : Das Gebirgsmassiv des Helikon in Böotien war den Musen heilig. An seinem östlichen Ausläufer, in Thespiai, lag ihr berühmtes Heiligtum; im nahen ‚Musental‘ erschienen sie einst Hesiod, „lehrten ihn schönen Sang“ ( καλὴν ἐδίδαξαν ἀοιδήν ) und weihten ihn zum Dichter ( theog. 22-34, zit. V. 22; cf. KAMBYLIS 1965, 31-68 ). Im Prolog seiner Aitia erzählte offenbar auch Kallimachos, wie er im Traum auf den Helikon entrückt wird, wo die Musen ihn von der heiligen Quelle trinken lassen und ihm das Amt des Dichters anvertrauen ( frg. 2-2j Harder ; cf. KAMBYLIS 1965, 69-123; A. HARDER vol. II, 93-98 ad loc.). Ähnliches will Ennius erlebt haben ( zu dessen Musenweihe im verlorenen Proöm der Annales cf. KAMBYLIS 1965, 191-204 ; SKUTSCH 1985, 147-153, ferner Lucr. 1,117f. Ennius ut noster cecinit, qui primus amoeno | detulit ex Helicone perenni fronde coronam ; Prop. 3,3,5f. parvaque iam [ GUYET : tam codd.] magnis admoram fontibus ora, | unde pater sitiens Ennius ante bibit ; Sil. Ital. 12,411413 resonare docebit | hic Latiis Helicona modis nec cedet honore | Ascraeo famāve seni ; der Ascraeus senex ist Hesiod ).

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Auch in Rom wird der Helikon samt seinen Quellen Hippokrene und Aganippe zum Symbol poetischer Inspiration ( e.g. Verg. Aen. 7,641 ~ 10,163 pandite nunc Helicona, deae, cantūsque movete, in der Eröffnung des Italiker- bzw. des Etruskerkatalogs, und HORSFALL 422 ad 7,641; Prop. 3,3; Hor. ep. 2,1,214-218: auch ‚populäre‘ Poeten bedürfen des Ansporns, ut studio maiore petant Helicona virentem ; Ov. ars 1,27f.; Persius chol. 1-7, und KIßEL 73-81 ad loc.; Mart. 7,63,11f., über Silius Italicus: emeritos Musis et Phoebo tradidit annos | proque suo celebrat nunc Helicona foro ). Spätestens bei den Augusteern klingt das Bild nicht selten nach einem Gemeinplatz oder gar Klischee ( e.g. Ov. trist. 4,10,23f. Helicone relicto | scribere temptabam verba soluta modis ). Während der griechische Akk. bestens bezeugt ist ( u.a. Verg. Aen. 7,641 ~ 10,163; Prop. 2,10,1; 3,5,19; Hor. ep. 2,1,218; Ov. met. 5,254 ; 8,534 u.ö.; z.T. oben zit.), findet sich die Form Heliconem neben der Stelle hier nur noch Plin. nat. 4,8, und vereinzelt spätantik ( Servius Aen. 7,641; 10,163; georg. 3,291; Aug. ord. 1,3,8; Mart. Cap. 6,651 ). Dass auch die Klausel die Form Helicona erfordere, hielt MÜLLER 4 ad loc. fest ( gemeint ist Petrons Lieblingsklausel, Creticus + Trochäus: -cōnă vēnīssĕ ; s. auch GIARDINA 1988-89, 325; SCHMELING 2013, 58 ). Höchstwahrscheinlich stand auch in Petrons Manuskript Helicona. § 2 sic forensibus ministeriis exercitati : Redner, die ihr Können auf dem Forum über die Jahre in Prozessen bewiesen haben, nennt Quintilian forensibus certaminibus exercitatos et quasi militantīs ( inst. 10,5,17; zu den anstrengenden Auftritten auf jener Bühne s. auch Sen. contr. 3 praef. 13; Laus Pisonis 81f. age, Calliope, positā gravitate forensi, | limina Pisonis mecum pete ; letzteres zit. CASTELLI MONTANARI 1980, 58 ). Der Debütant aus der Deklamatorenschule fühlt sich dort in eine andere Welt versetzt ( Sat. 1,2 ut cum in forum venerint, putent se in alium orbem terrarum delatos ). Die Junktur forense ministerium ist ausschließlich hier und Val. Max. 8,8,2 belegt ( im folgenden Lemma zit.; Thes. VI 1, 1053,41-43 ). Zu ministerium als „Aufgabe, Pflicht“ cf. 22,6 redierant ad ministerium ; 103,5; 108,8 navis ministerium ; 117,11 detractator ministerii ( anders unten § 6 deorum … ministeria, „das Eingreifen der Götter“ ). Damit sind vor allem Auftritte in Prozessen gemeint ( e.g. GRIMAL 1977, 38: „leurs fonctions judiciaires“; RUSSELL – WINTERBOTTOM 1972, 298: „the duties of the courts“ ). Zu exercitatus in der seltenen Verwendung „vexatus, lassus, fatigatus sim.“ ( Thes. V 2, 1389,42-48 ) cf. 83,7 exercitati vultūs, und Bd. I, S. 80 ad loc.; Apul. met. 9,13,5 variis … fortunis exercitatum ( „von wechselnden Schicksalsschlägen umhergeworfen“ ); OLD s.v. 2: „vexed, troubled“.

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frequenter ad carminis tranquillitatem … refugerunt : Vom Stress der Amtsgeschäfte und Verpflichtungen erholten sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens z.B. beim Ballspiel ( Val. Max. 8,8,2 ad hoc deverticulum animum suum forensibus ministeriis fatigatum transferre solebat sc. Scaevola ; deverticulum ~ „Ablenkung“ ) oder in den Bädern, nicht selten aber auch beim Dichten. Dies gilt für berühmte Redner wie Plinius ( ep. 4,14,2 hendecasyllabos nostros, quibus nos in vehiculo in balineo inter cenam oblectamus otium temporis ; 7,4,4 coepi reputare maximos oratores hoc studii genus et in oblectationibus habuisse et in laude posuisse ; 7,9,12-14 ; s. auch Sentius Augurinus frg. 1,5 FLP mavolt versiculos foro relicto sc. Plinius ), aber auch für Politiker wie Caesar ( der u.a. laudes Herculis und einen Oedipus schrieb; cf. Suet. Iul. 56,7 ) oder Augustus ( der seine dichterischen Distraktionen eher kritisch sah; cf. Suet. Aug. 85,2 tragoediam magno impetu exorsus, non succedenti stilo [ „als es mit dem Schreiben haperte“ ], abolevit quaerentibusque amicis, quidnam ‚Aiax‘ ageret, respondit Aiacem suum in spongiam incubuisse ). Einen Katalog namhafter Hobbydichter erstellt Plinius ( ep. 5,3,3-5 ). Umgekehrt erlaubt es Tacitus’ Aper den Rednern, die nicht imstande sind, Prozesse zu führen, Gedichte zu schreiben ( dial. 11,1 me … arte quadam mitigavit, concedendo iis, qui causas agere non possent, ut versūs facerent ). Wie abträglich ein hektischer Alltag der poetischen Produktion ist, beschreibt in anschaulichen Farben Horaz ( ep. 2,2,72-80 u.ö., bes. 77 scriptorum chorus omnis amat nemus et fugit urbem ). Zu der Formulierung ( „zur Muße der Dichtung“ ) cf. Lucilius frg. 626 M. quodque te in tranquillum ex saevis transfert tempestatibus ( Kontext unklar ); zu dem kollektiven Singular carmen, „die Dichtung“, cf. S. 770. tamquam ad portum feliciorem : Als Rückzug aus dem Lärm der Welt preist der Redner Maternus die Dichtkunst ( Tac. dial. 12,1 nemora … et luci et secretum ipsum … tantam mihi adferunt voluptatem, ut inter praecipuos carminum fructūs numerem, quod non in strepitu … componuntur, sed secedit animus in loca pura atque innocentia fruiturque sedibus sacris ; 13,5f. ‚me vero dulces‘ ( ut Vergilius ait ) Musae‘, remotum a sollicitudinibus et curis … in illa sacra illosque fontīs ferant, nec insanum ultra … forum … trepidus experiar eqs.). Ernsthafte Dichter meiden die Betriebsamkeit des Forums ganz ( Ov. ars 3,542 contempto colitur lectus et umbra foro ). Zu der vertrauten Metapher portus als „refuge, haven“ ( OLD s.v. 2 ) cf. e.g. Cic. Sull. 41 quo facilius … posset in malis rei publicae portum aliquem suorum malorum invenire ; fam. 7,30,2 quae … ego non ferrem nisi me in philosophiae portum contulissem ; Tusc. 1,118; 5,117; Ov. trist. 4,5,5f. portūs aperire fideles | fulmine percussae … rati ; 5,6,1f. tu … mihi confugium, … mihi portus eras ; Sen. dial. 12,18,1 in illum portum quem tibi studia promittunt pervenis ( von den Wissenschaften in den Wechselfällen des Lebens ); Apul. met. 11,15,1 ( mit

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einer religiösen Note ) multis et variis exanclatis ( „erduldeten“ ) laboribus magnisque Fortunae tempestatibus et maximis actus procellis, ad portum Quietis et aram Misericordiae tandem … venisti. Die Junktur portus felix ist singulär ( Thes. VI 1, 447,3-5 ). Im Munde Eumolps, dessen BC auf hoher See entstand, inmitten eines Orkans, gewinnt das Bild eine ironische Note ( CONNORS 1989, 157 Anm. 8 ). feliciorem : So gut wie alle Hss. lesen faciliorem ( am ehesten ein ‚Echo‘ des unmittelbar folgenden facilius poema extrui posse ). Nur zwei Textzeugen ( der Messanensis und der Indianensis Notre Dame 58 ) schreiben feliciorem, vermutlich eine glückliche Emendation der ursprünglichen Lesart, die fast alle jüngeren Herausgeber übernehmen ( PELLEGRINO hält faciliorem ; unglücklich MÜLLERs Tilgung des Komparativs bis ed.2 ). Dass hier ein Begriff wie feliciorem erwartet werde, räumte auch LÖFSTEDT ein ( 1908, 37f. ). Gleichwohl seien Texteingriffe unnötig, da eben diese Bedeutung bereits in facilis stecke : „Sowohl in älterer wie in späterer Zeit lässt sich nämlich bei facilis eine psychologisch sehr natürliche Bedeutungsentwicklung beobachten, wodurch dieses Adjektivum etwa den Sinn von ‚angenehm‘, ‚glücklich‘ oder dergleichen erhält. (…) In später Zeit ( erscheint es ) fast gänzlich im Sinne von ‚froh‘.“ ( er zitiert u.a. Plaut. Epid. 243f. quam facile et quam fortunate evenit illi … mulieri, quam liberare volt amator ; Liv. 23,11,2, ein Orakel: si ita faxitis …, vestrae res meliores facilioresque erunt ; s. auch OLD s.v. facilis 9a : „complaisant, indulgent, accommodating“ ). LÖFSTEDTs Beobachtung ändert freilich nichts an der irritierenden Nachbarschaft der beiden Komparative in markant verschiedener Bedeutung ( ad portum faciliorem refugerunt, credentes facilius poema extrui posse eqs.). Realistischer scheint eine Verschreibung ( s. oben ). Zudem hat feliciorem gute Parallelen in den Sat. ( u.a. 5,12 Maeonium … bibat felici pectore fontem ; 11,1 fruor … votis usque ad invidiam felicibus ; 117,11 ‚quod bene feliciterque eveniret‘ ; s. auch 118,5 Horatii curiosa felicitas ). credentes facilius poema extrui posse : Die literarische Verwendung von ex(s)truere, „anfertigen, verfassen“, ist ausgesprochen ungewöhnlich ( der Thes. V 2, 1940,58f. nennt keine Parallele; s. aber Rhet. Her. 4,44 verba … ad poeticum quendam extruere numerum ). Das Part. coni. ist modal, eher aber kausal gefärbt ( „glauben sie doch“; gefolgt vom AcI ). Zu dem seit Plautus und Ennius belegten Lehnwort poēma ( ποίημα ), „a metrical composition, piece of poetry, poem“ ( OLD s.v.), cf. S. 657f. quam controversiam sententiolis vibrantibus pictam : „als ein mit glitzernden Bonmots herausgeputztes Plädoyer“. – Die controversia ist ein hypothetischer Rechtsfall, den Studenten der Rhetorik in improvisierten ‚sta-

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tements‘ aus Sicht der Anklage wie der Verteidigung erörtern ( 48,4 f. ‚pauper et dives inimici erant‘ … et nescio quam controversiam exposuit ), aber auch, wie hier, die ausgearbeitete und gehaltene Gerichtsrede. Blutarme Deklamationen, die einzig durch die eine oder andere „markige Pointe“ etwas Farbe gewinnen, tadelt Quintilian ( inst. 2,11,7 magnas … sententias ). Ein Füllhorn solcher sententiae aus den zeitgenössischen Hör- und Gerichtssälen überliefern die Controversiae des älteren Seneca. sententiolis : Das seltene Diminutiv, „a pointed remark, epigram, bon mot ( dim. usu. carrying derogatory sense )“ ( OLD s.v.), erscheint zuerst in einer ironischen Spitze Ciceros gegen Antonius ( Phil. 3,21 sententiolas edicti cuiusdam, „some verbal gems from one of his edicts“; übers. SHACKLETON BAILEY ). Quintilian verwendet es mehrfach ( inst. 5,13,37; 9,2,98; 11,1,52 sententiolisne flendum erit ?, „ gehören zu einem Schuldbekenntnis gewitzte Sentenzen und Tränen ?“; 12,10,73 vitiosum et corruptum dicendi genus, quod aut verborum licentiā exultat aut puerilibus sententiolis lascivit eqs.), ebenso Gellius ( 9,16,7; 17,12,3 ). In der Spätantike kehrt es wieder ; Hieronymus liebt es. HERAEUS 1899, 26 [ fehlt im Nachdruck, S. 98 ] und COURTNEY 2001, 181 hören hier einen verächtlichen Ton heraus; vorsichtiger MARBACH 1931, 62 und SCHMELING – SETAIOLI 450 ad loc. vibrantibus : Das anschauliche vibrare beschreibt u.a. optische Phänomene, etwa die See ( „schimmern, glitzern“; e.g. Sen. Ag. 440 sulcata vibrant aequora ; Lukan 5,446 solis imagine vibrat sc. pontus; Sil. Ital. 2,664 in tremulo vibrant incendia ponto, „auf der zitternden See irrlichtern die Feuer“; Claudian rapt. 2,2f. tremulis vibratur in undis | ardor ; hier verortet der OLD s.v. 6 unsere Passage: „fig.“; cf. COURTNEY 2001, 181: „scintillating epigrams“ ). Doch auch das rasche „Schwirren“ der Bonmots klingt an ( cf. 47,1 eiusmodi fabulae vibrabant ; Catull 36,4 f. si … desissem … truces vibrare iambos ; Cic. Brut. 326 erat oratio cum incitata et vibrans tum etiam accurata et polita ; Quint. inst. 10,1,60 cum validae tum breves vibrantesque sententiae ; 11,3,120 sententias vibrantīs ; 12,9,3; OLD s.v. 4 a: „to propel ( a weapon, etc.) suddenly, shoot out, flash“, trans.; 5b: „( fig., of utterance ) to fly swiftly“, intrans.). § 3 ceterum : Die Partikel hat hier adversative Kraft ( „doch“; cf. Bd. I, S. 213 zu 90,6 ). Im Folgenden führt Eumolp mehrere Kriterien an, die die Spreu vom Weizen trennen, bzw. den wahren Künstler vom Dilettanten. neque generosior spiritus vanitatem amat : vanitas meint das triviale „Kunsthandwerk“ der Amateure ( auf gleicher Linie kritisiert Encolpius den ‚Schwulst‘ und das ‚Wortgeklingel‘ des zeitgenössischen Rhetorik-

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unterrichts: 1,2 nunc et rerum tumore et sententiarum vanissimo strepitu hoc tantum proficiunt eqs.; s. auch 2,2 levibus … atque inanibus sonis ludibria quaedam excitando effecistis ut corpus orationis enervaretur et caderet ; ein zarter Bezug besteht auch zur verborum vilitas, unten § 4 ). Der Begriff ist kein t.t. der Literaturkritik ( cf. OLD s.v. 1a: „unsubstantial or illusory quality, emptiness“ ). Quintilian verwendet ihn einmal für eine „geschwollene Ausdrucksweise“ ( inst. 8,2,2 ). Entfernt verwandt sind die vanae species, die „nichtssagenden Einzelteile“, die für Horaz ein Kunstwerk ohne innere Kohärenz ausmachen ( ars 6-8 credite … isti tabulae fore librum | persimilem cuius, velut aegri somnia, vanae | fingentur species, „einem solchen Gemälde eines Mischwesens wäre ein Buch täuschend ähnlich, dessen einzelnen Elemente so wunderlich ausgesponnen sind wie die Träume eines Fieberkranken“ ). Die Junktur generosus spiritus ist rar ; sie erscheint einige Male in der frühen Kaiserzeit, und ganz vereinzelt in der Spätantike, fast immer mit einer ethischen Note: „nobler Geist, edle Gesinnung“ ( cf. Val. Max. 3,7 ext. 7 capax generosi spiritūs … dictum, „Zeugnis eines noblen Geistes“; 7,6,1a cedit … interdum generosus spiritus utilitati, Roms „nobler Geist“ im Krieg mit Karthago; Sen. dial. 1,4,12 quid mirum, si dure generosos spiritūs deus temptat ? ; ep. 24,8: Cato besaß generosum illum contemptoremque omnis potentiae spiritum ; Plin. nat. 8,55; 8,149 imperator generosi spiritūs ). Singulär ist die Kombination mit dem Komparativ ( s. auch die Periphrase Val. Max. 3,3 praef. patientiam … non … minus generoso spiritu abundantem, „die innere Stärke, die nicht minder reich ist an nobler Gesinnung“ ). Vom generosior animus, der sich in der Redekunst entfaltet, spricht einmal Quintilian ( inst. 1,2,30 ). „Edler in jungen Mannesjahren“, d.h. künstlerisch ‚gereifter‘ und dem hehren Sujet gewachsen, besingt Lukan den Bürgerkrieg ( Stat. silv. 2,7,64-66 mox coeptā generosior iuventā … Philippos | et Pharsalica bella detonabis ). – Zu FRAENKELs Tilgung von neque ( so MÜLLER 1 und WARMINGTON ) cf. COCCIA 1973, 101f.; CONTE 1996, 69 Anm. 51. vanitatem : Prominente Fürsprecher fand das überlieferte sanitatem ( so MÜLLER bis ed.2 ; NISBET 1962, 232; U. KLEIN 1965, 176-178; WARMINGTON ; COCCIA 1973, 101f.; GRIMAL 1977, 4 ; CASTELLI MONTANARI 1980, 55f.; GIARDINA – MELLONI ; CONTE 1996, 68; MONELLA 2007, 20-22; VANNINI 293). Die Hauptargumente liefern Eumolps Plädoyer für die poetische Raserei ( § 6 praecipitandus est liber spiritus, ut … furentis animi vaticinatio appareat ), und Demokrits Verbannung ‚vernünftiger Dichter‘ vom Helikon ( Hor. ars 296f. excludit sanos Helicone poetas | Democritus ; s.auch c. 3,4,5f. an me ludit amabilis | insania ? ; 3,19,18 insanire iuvat ; ep. 2,1,117-119).

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An Wendungen wie sanitas oratoris ( Cic. Brut. 278 ) oder sanitas eloquentiae ( Tac. dial. 25,4 ) erinnert STARK 1964 ; auf die ‚Semantik‘ sanus / insanus in den Sat. verweist CARMIGNANI ( 2015, 111-114 : 2,8 ac ne carmen quidem sani coloris enituit ; 3,2 doctores … necesse habent cum insanientibus furere ; 92,8 me … tamquam insanum … deriserunt ; zu zitieren wäre auch 111,8 exulceratae mentes ad sanitatem revocantur ). Doch denkt Eumolp hier bereits an sein eigenes Programm ? Alle Kritik gilt zunächst der Oberflächlichkeit und mangelnden Bildung der Dilettanten ( ähnlich HÄUßLER 1978, 124 Anm. 45 ; COURTNEY 2001, 181 Anm. 2; SCHMELING – SETAIOLI 450 ). Jeder ( auch verdeckte ) Hinweis auf die dichterische Ekstase wäre hier fehl am Platz; mit diesem ‚coup de foudre‘ wartet Eumolp bis zuletzt. Das spricht für PITHOEUS’ vanitatem ( weniger überzeugend BÜCHELERs tentatives inanitatem, das MÜLLER 2a und SULLIVAN 1970, 190 empfahlen, letzterer mit Sen. ep. 40,5 multum … habet inanitatis et vani, sc. die manipulative Rede ). neque concipere aut edere partum mens potest : Die biologische Metapher vom schöpferischen Prozess als Empfängnis und Geburt geht auf Platon zurück. Im Symposion spricht Diotima vom Vermögen der Seele, schwanger zu werden und „Kinder“ zu gebären: Kunstwerke, Gesetze, philosophische Erkenntnis ( 208e-209e, bes. 208e-209a εἰσὶ γὰρ οὖν … οἳ ἐν ταῖς ψυχαῖς κυοῦσιν … ἃ ψυχῇ προσήκει καὶ κυῆσαι καὶ τεκεῖν, „denn es gibt Menschen, die in der Seele empfangen, was der Seele zu empfangen und zu gebären gebührt“; zu den „Kindern“ cf. 209d παῖδας bzw. ἔκγονα ). Auch bei lateinischen Autoren wirkt das Bild nach. Der um den Bruder trauernde Catull meint, sein Geist habe nicht mehr die Kraft, dulcīs Musarum expromere fetūs ( 65,3; „ fetus, ‚births of the Muses‘, perhaps“; C.J. FORDYCE ad loc.; s. auch W. KROLL ad loc.). Ovid verwendet die Trope in seiner Exildichtung, vor allem trist. 3,14,13-18 Palladis exemplo de me sine matre creata | carmina sunt ; stirps haec progeniesque mea est eqs. ( s. auch 1,1,105-116; 1,7,20 und 35; 3,1,57 und 65f.; Pont. 1,1,21f.; 4,5,29; zum Fortleben der Metapher cf. CURTIUS 1954, 143f. ). Eumolps ‚weibliche‘ Sicht der literarischen Kreativität greift mit der ‚Empfängnis‘ ( concipere ; s. unten inundata ) und der ‚Geburt‘ ( edere partum ) auf Diotimas Bildsprache zurück. Eine neue Facette gewinnt die Metapher mit der Verzückung der delphischen Seherin, die von Apollon besessen ihre Verse ‚gebiert‘ ( § 6 furentis animi vaticinatio ; s. unten ). Als ‚Schwangerschaft‘ und ‚Geburt‘ beschreibt Ps.-Longin 13,2 die Ekstase und Verkündigung der Pythia: über dem Erdspalt im Tempelinnern „wird sie von dort mit der dämonischen Macht geschwängert und kündet sogleich die einge-

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gebenen Weissagungen“ ( αὐτόθεν ἐγκύμονα τῆς δαιμονίου καθισταμένην δυνάμεως παραυτίκα χρησμῳδεῖν κατ᾿ ἐπίπνοιαν ; übers. R. BRANDT ). nisi ingenti flumine litterarum inundata : „wenn er nicht überschwemmt ist von einer ungeheuren Flut an Literatur“. Eumolp predigt eine poetische Maxime der Alexandriner, die eine umfassende Kenntnis der Klassiker als ‚conditio sine qua non‘ literarischer Produktion ansahen ( sie steht als Motto CURTIUS’ Studie Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter voran ). Auch in Rom war der Gedanke ‚en vogue‘, wie Horazens Ratschlag bezeugt : vos exemplaria Graeca | nocturnā versate manu, versate diurnā ( ars 268f.; cf. C.O. BRINK 305-307 ad loc.; WOODS 2012, 68f. ). Der Punkt ist für Eumolp so elementar, dass er ihn ein zweites Mal aufgreift ( § 6 plenus litteris ). In welchem Maße der Autor Petron diese Voraussetzung erfüllt, zeigt COURTNEY ( 2001, 214-222 ). Ein solches ( gleichfalls mit aquarischen Metaphern ‚getränktes‘ ) Bildungsprogramm entwirft der Rhetoriklehrer Agamemnon ( Sat. 5 ; s. oben S. 767; zu den ‚Wasserbildern‘ cf. 4,3 ut studiosi iuvenes lectione severā irrigarentur ; 5,11f. det primos versibus annos | Maeoniumque bibat felici pectore fontem ; 5,15 hinc Romana manus circumfluat ; 5,21f. his animum succinge bonis : sic flumine largo | plenus Pierio defundes pectore verba ; zu SCALIGERs defundes [ diffundes codd.] cf. SETAIOLI, Nugae 49 sowie BREITENSTEIN 90 ad loc., ferner BC 102 defudit pectore voces ). Juvenal variiert das Bild ( 7,231f. ut … auctores noverit omnes | tamquam ungues digitosque suos : ein guter Lehrer kennt die Klassiker ‚wie seine Westentasche‘ ), Cicero erweitert es ( de orat. 3,121 onerandum complendumque sc. est pectus maximarum rerum et plurimarum suavitate, copiā, varietate ; s. auch Statius’ Bildungsprogramm, silv. 5,3,148-158, und B. GIBSON ad loc.). Auf die Parallelen zu Ps.-Longin 13,2f. verweist SETAIOLI, Nugae 6 ( s. auch SCHMELING – SETAIOLI 450, und zu literarischen ‚Wasserbildern‘ in den Sat. RIMELL 2002, 25-30 ). flumine litterarum : Den Fluss als literarische Metapher entdeckte Kallimachos ( cf. WIMMEL 1960, 222-233 ). Das Bild kennt zwei Facetten, eine ‚passive‘ und eine ‚aktive‘ : den von den Klassikern ‚getränkten‘ ( hier und e.g. Ps.-Longin 13,3 ), und ( deutlich häufiger ) den Literatur ‚verströmenden‘ Autor ( cf. 124,2 cum haec Eumolpos ingenti volubilitate verborum effudisset ). Die Eloquenz und Sprachfülle von Rednern und Schriftstellern charakterisiert Cicero bisweilen als flumen orationis ( de orat. 2,62 ; Brut. 325 ; nat. 2,20 u.ö.) oder flumen verborum ( orat. 53 flumen aliis verborum volubilitasque cordi est ); ähnlich Quintilian ( e.g. inst. 9,4,61 prono decurrentis orationis flumine ; 10,1,61 eloquentiae flumine ), Tacitus ( dial. 30,5 ex multa eruditione et

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plurimis artibus et omnium rerum scientiā exundat et exuberat illa admirabilis eloquentia ) und Plinius ( ep. 1,16,2 aptae crebraeque sententiae, gravis et decora constructio, sonantia verba et antiqua … impetu quodam et flumine pervehuntur ). Horaz vergleicht gelungene dichterische Betätigung mit einem „reinen Strom“ ( ep. 2,2,120f. vemens et liquidus puroque simillimus amni | fundet opes Latiumque beabit divite linguā, „wild und klar, einem reinen Strom gleich, wird er seinen Reichtum ausgießen und Latium beglücken, reich an Sprache“; cf. C.O. BRINK 339f. ad loc.; ähnlich e.g. Prop. 3,3,15f.; s. auch LUNDSTRÖM 1967-68, 70 ). Die ‚aktive‘ und die ‚passive‘ Facette verschmelzen, wenn er Pindars poetische Urgewalt als reißenden Gebirgsfluss von inspirierender Kraft rühmt ( c. 4,2,5-8 ). Die ‚beunruhigende Diskrepanz‘ zwischen Eumolps Bild des „gewaltigen Stroms“ und Kallimachos’ „programmatic imagery, in which bad poetry is compared to a big river while good poetry is compared to the drops of fine spray gathered by bees at a pure fountain“ ( hymn. 2,105-112 ), notiert CONNORS 1989, 45f. inundata : Petron schätzt das Verb ( 21,6 vino etiam Falerno inundamur ; 101,3 inundatus hac Eumolpus invidiā iurat eqs.; 113,9 inundavere pectus lacrimae dolore paratae ). Ohne Parallele ist die Verwendung hier ( Thes. VII 2, 248,82f. ), in der sich im Licht von Diotimas und Ps.-Longins Metaphorik ein zartes ( und wohlgemerkt unbelegtes ) „geschwängert“ andeutet. GRIMAL 1977, 5 übernimmt das inundante einiger Hss. ( neque concipere … mens potest nisi ingenti flumine litterarum inundante ; s. auch das folgende Lemma ). Der verquere Abl. abs. klingt nicht allzu vertrauenerweckend. § 4 refugiendum est ab omni verborum, ut ita dicam, vilitate : „Man lasse die Hände von aller ( mit Verlaub gesagt ) sprachlichen Billigware …“. Das ut ita dicam ( „man könnte sagen, sozusagen“ ) entschuldigt gleichsam die poetologische Zweckentfremdung eines ökonomischen Begriffs. Die Forderung an sich ist kaum neu; cf. Cic. de orat. 3,150 in propriis … est verbis illa laus oratoris, ut abiecta atque obsoleta fugiat, lectis atque inlustribus utatur ; Sen. contr. 1,2,23 longe recedendum est ab omni obscenitate et verborum et sensuum ; Tac. dial. 32,3; Juv. 7,53-55 ( zit. S. 783f. ). Auch Quintilian grenzt gute Rhetorik „von der gewöhnlichen vulgären Sprechweise“ ab ( inst. 9,3,3 a volgari dicendi genere ). Das äquivalente Adjektiv ( vilis ) überträgt Horaz auf den epischen Kyklos ( ars 132 vilem patulumque … orbem ; cf. N. RUDD ad loc.: „something trite and vulgar“ ). – „Pathetische Spitzenstellung des Prädikats“ ( BLÄNSDORF 2007, 119 ).

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refugiendum : Refugiendum ( effugiendum codd.) ist BÜCHELERs schlagende, von so gut wie allen neueren Herausgebern adoptierte Schlussfolgerung aus dem Text von O ( inundanter effugiendum ), in dem das Gerundiv seinen Anfangsbuchstaben an das Adverb verloren hat. et sumendae voces a plebe semotae : „und wähle Wendungen, die dem Volksmund entrückt sind“ ( cf. 3,1 Agamemnons Lob für Encolpius: sermonem habes non publici saporis ). Zum bewussten sparsamen Einsatz rarer Vokabeln und unvertrauter Wendungen rät die Rhetorica ad Herennium, „damit der permanente Gebrauch neuer Wörter nicht zum Überdruss führe“ ( 4,42 hoc genere raro est utendum, ne novi verbi adsiduitas odium pariat ; sed si commode quis eo proferat et raro, non modo non offendet novitate, sed etiam exornat orationem ). Die rechte Wortwahl in der Dichtung thematisiert auch Horaz, verknüpft mit einem Plädoyer für Archaismen und Neologismen ( ep. 2,2,111-119, und C.O. BRINK p. 331f. ad loc.; ars 46-72; s. auch S. 790f. ). Markante strukturierende Alliterationen ( verborum – vilitate ; sumendae sc. sunt – semotae ). semotae : Zu dem ( im Kontext passend ) exklusiven semovere cf. u.a. Cic. Tusc. 1,80 semotas a mente et disclusas putat sc. eas partes animi eqs.; fin. 2,39 sententias … eorum, in quibus nulla inest virtutis adiunctio, omnino a philosophia semovendas putabo ; Tac. dial. 2,1 fabulas … et disputationes et arcana semotae dictionis ( „Gespräche, Diskussionen und häusliche Rhetorikübungen in intimer Runde“ ) ; Apul. met. 11,23,4 semotis procul profanis. Das überlieferte summotae ( wahrscheinlich ein Echo von sumendae ; so u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; STUBBE ; PELLEGRINO ; SCHÖNBERGER ; s. auch PELLEGRINO 1980, 157 ) passt im Kontext deutlich schlechter : „vom Volk ( bewusst ) zurückgewiesene, aufgegebene Wendungen“ ( cf. 113,9 gemitus … animam paene submovit ), oder, neutraler, „dem Volksmunde fremde Wörter“ ( so GEORGES s.v.). Das von PIUS konjizierte rare PPP trifft den Sinn bestens. „An semotae statt des wesentlich geläufigeren remotae “ ( e.g. Quint. inst. 8,2,12 obscuritas fit verbis iam ab usu remotis ; Gell. 16,9,2 remotiora verba invenimus ; 18,4,6 remotorum … verborum medullas ; 19,10,13 remotus huiusce versūs sensus ) „lässt sich gut zeigen, wie wichtig Petron die Klauseln sind“ ( M. DEUFERT in epist.; gemeint sind plēbĕ sēmōtae, Creticus + Spondeus, bzw. plēbĕ rĕmōtae, clausula heroica ). ut fiat : „damit sich das Wort erfülle“ ( SCHÖNBERGER ). Horazens berühmtes Diktum wird eingeführt wie eine Offenbarung ( „the lofty diction is a fitting prelude to the quotation from Horace“; SCHMELING – SETAIOLI 451 ).

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Mit derselben Formel präsentiert Martial ein Trinkspiel ( 11,36,7f. quincunces et sex cyathos besemque bibamus, | ‚Gaius‘ ut fiat ‚Iulius‘ et ‚Proculus‘, „lass uns fünf Maß und sechs und acht trinken, damit ‚Gaius Iulius Proculus‘ entstehe“ – pro Buchstabe je ein Maß ), und Hygin ein von ihm kritisiertes Vergilzitat ( ap. Gell. 5,8,2 nam si nihil … deesse animadverterimus, videtur ita dictum, ut fiat „lituo et trabea subcinctus“, quod est … absurdissimum ). MÜLLER 4 zitiert Lucilius frg. 231f. M. ‹ nil › ut discrepet ac τὸν δ᾿ ἐξήρπαξεν Ἀπόλλων fiat ( „dass es sich in nichts unterscheide und ein ‚ihn rettete Apoll‘ geschehe“; für eine höchst spekulative Rekonstruktion des Kontexts cf. MARX vol. II, 92f. ad loc.). ‚odi profanum vulgus et arceo‘ : Am Ende seiner kleinen Liste literarischer Kronzeugen und Leitsterne nennt Eumolp Horaz namentlich ( § 5 Horatii curiosa felicitas ; zu Horaz’ Bedeutung für Eumolps Ars poetica s. auch S. 764 und Anm. 1 ). In der feierlichen Eröffnung seiner Römeroden ( c. 3,1,1 ) zitiert der ‚Dichterpriester‘ Horaz das Ritual der Mysterienkulte, das alle Ungeweihten aus dem Heiligtum verbannt ; seine hohe Kunst und seine Lehren seien nicht für die Ohren der Menge bestimmt ( mit einer eher komischen Reminiszenz an das Ritual beginnt Alkibiades’ Erzählung von seiner Nacht mit Sokrates, wenn er ‚die Ungeweihten und Ungebildeten‘ mahnt, ihre Ohren zu verschließen; Plat. symp. 218b; s. auch Hor. c. 1,1,29-32 me doctarum hederae praemia frontium | dis miscent superis, me gelidum nemus | Nympharumque leves cum Satyris chori | secernunt populo, und NISBET – HUBBARD ad loc.; 2,16,37-40 mihi … spiritum Graiae tenuem Camenae | Parca … dedit et malignum | spernere vulgus ). Eumolp ging gewiss davon aus, dass gebildete Leser ( ~ ingenti flumine litterarum inundati ) den Fortgang des Gedichts mithören: carmina non prius | audita Musarum sacerdos … canto ( c. 3,1,2-4 ; anders CARMIGNANI 2010 b, 43-45 : Eumolp verkenne den Kontext ). Das Ideal literarischer Exklusivität auf eigenen, nicht ausgetretenen Wegen verkündete Horazens Vorbild Kallimachos: „Verhaßt ist mir das kyklische Gedicht, und nicht freue ich mich an der Straße, die viele hierhin und dorthin bringt (…), und nicht vom Brunnen trinke ich: Widerlich ist mir alles Öffentliche.“ ( epigr. 28,1-4 Pf. == A.P. 12,43,1-4 == HE 1041-44 ἐχθαίρω τὸ ποίημα τὸ κυκλικόν, οὐδὲ κελεύθῳ | χαίρω, τίς πολλοὺς ὧδε καὶ ὧδε φέρει· … οὐδ᾿ ἀπὸ κρήνης | πίνω· σικχαίνω πάντα τὰ δημόσια ; übers. M. ASPER ; ferner WIMMEL 1960, 103-111; CONNORS 1998, 134 ; zu Kallimachos s. auch S. 781 ). Auch Juvenal bekennt sich zu ihm. ‚Herausragend‘ ist der Dichter, „der keine öffentlichen Adern schürft, der nichts Alltägliches abzufassen pflegt und kein triviales Lied von gewöhnlicher Prägung schlägt“ ( 7,53-55 vatem

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egregium, cui non sit publica vena, | qui nihil expositum soleat deducere, nec qui | communi feriat carmen triviale monetā ; zur ‚monetären‘ Metaphorik cf. COURTNEY ad loc.). – FRAENKELs Tilgung der gesamten Phrase ( ut fiat — arceo‘ ; so MÜLLER ed.1 ) ist abenteuerlich ( s. auch U. KLEIN 1965, 178; GRIMAL 1977, 5f.; BALDWIN 2014, 438 ). § 5 praeterea curandum est : „des weiteren ist Sorge zu tragen …“. Das dritte Gerundiv in Folge ( zwei weitere stehen noch aus ) lässt Eumolps Poetik leicht schulmeisterlich klingen ( cf. § 4 refugiendum est ab omni verborum … vilitate et sumendae voces a plebe semotae, ferner § 6 non enim res gestae versibus comprehendendae sunt und per ambages … praecipitandus est liber spiritus ). ne sententiae emineant extra corpus orationis expressae, sed intexto vestibus colore niteant : „dass die Sentenzen nicht ausgeprägt aus dem Sprachkörper herausstechen, sondern wie im Stoff verwobene Farben schimmern“ ( freier SULLIVAN 1985, 163: „one must be careful that witty lines are not made to stand out from the body of the narrative, but add their color and brilliance to the texture of the poem“; FANTHAM 1992, 229: „the sententiae must blend unobtrusively into the body of the text, matching its tone and style“ ). Über die Rhetorik hinaus gilt diese Forderung für die Kunstprosa wie die Dichtung. Der Finalsatz vereint zwei rhetorische t.t., sententia und color, mit zwei rhetorischen Metaphern, dem ‚Körper der Rede‘ ( corpus orationis ) und dem ‚Weben‘ ( intexto … colore ; Abl. instr.). Mit einer Ausnahme erscheinen sie bereits in Encolpius’ declamatio über den Niedergang der Beredsamkeit. Nach Griechenlands klassischer Blüte verfiel die Literatur ; „nicht einmal die Dichtung entfaltete den Glanz gesunder Farbe“ ( 2,8 ac ne carmen quidem sani coloris enituit ). Das „leere Lärmen der Sentenzen“ wiederum ( 1,2 sententiarum vanissimo strepitu ) sei charakteristisch für die weltfremden modernen Schulreden, unter deren ‚Spielereien‘ der ‚Körper der Rede‘ gelitten habe ( 2,2 levibus enim atque inanibus sonis ludibria quaedam excitando effecistis, ut corpus orationis enervaretur et caderet ; cf. BREITENSTEIN ad loc.). Eumolp gebraucht die Begriffe ‚didaktisch‘, als Antidot gegen ein zuvor kritisiertes Phänomen ( § 2 controversiam sententiolis vibrantibus pictam ), im Kielwasser namhafter Rhetoriker, die einen maßvollen Einsatz von Sentenzen empfehlen; cf. Rhet. Her. 4,16 omne genus orationis … dignitate adficiunt exornationes … ; quae si rarae disponentur, distinctam, sicuti coloribus, si crebrae conlocabuntur, oblitam reddunt orationem, „Jeder Redegattung … verleihen die Ausschmückungen … Würde; wenn diese selten verteilt werden, machen sie die Rede deutlich und bestimmt wie durch Farben, werden sie aber häufig gesetzt, beschmutzt.“ ( übers. Th. NÜßLEIN ); 4,24f.; Quint. inst.

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8,5,31 nec multas plerique sententias dicunt, sed omnia tamquam sententias ; 8,5, 33f.; 12,10,48 feriunt animum sc. sententiae et uno ictu frequenter inpellunt et ipsā brevitate magis haerent et delectatione persuadent ; Tac. dial. 21,8 oratio …, sicut corpus hominis, ea demum pulchra est, in qua non eminent venae nec ossa numerantur, sed temperatus ac bonus sanguis implet membra et exurgit toris ipsosque nervos rubor tegit et decor commendat, „Aber eine Rede ist wie ein menschlicher Körper beschaffen: nur die Rede ist schön, in der nicht die Adern hervortreten, nicht die Knochen zu zählen sind, sondern ein warmes und gesundes Blut die Glieder füllt, in den Muskeln emporschwillt und die Röte sogar die Sehnen bedeckt und das schöne Äußere zur Empfehlung gereicht.“ ( übers. H. VOLKMER ). Epikurs klugen Umgang mit Sentenzen lobt Seneca ( ep. 33,1; zit. SETAIOLI 2000, 161 Anm. 250 ). sententiae : „Den Sentenzen ( sententiae, griech. γνῶμαι ) kam in der zeitgenössischen Rhetorik große Bedeutung zu; sie waren einer der wichtigsten Bestandteile einer Schulrede. Als griffige Formulierung oder geistreiche Pointe schmückten sie den rhetorischen Vortrag ( z.B. Cic. orat. 79 ). Quintilian, der ihnen ein ganzes Kapitel widmet ( inst. 8,5 ), empfiehlt den maßvollen Gebrauch ( 8,5,34 ). Seneca Rhet. berichtet von der Effekthascherei durch Sentenzen ( contr. 9 praef. 1 ).“ ( BREITENSTEIN 33 ad 1,2; s. auch OLD s.v. 6b: „any tense and pointed observation, esp. of a moralistic tone, a maxim, epigram, etc.“ ). Wie schnell sie zur Zielscheibe des Spotts werden können, verrät Sat. 6,2 iuvenes sententias rident ordinemque totius dictionis infamant. emineant : Zu ēminēre cf. e.g. Rhet. Her. 4,10 in dicendo, ne possit ars eminere et ab omnibus videri, facultate oratoris occultatur ( vollendete Redekunst ‚verschwindet‘ hinter der gehaltenen Rede ); Cic. de orat. 3,101 ( Lob ist wohldosiert und „schattiert“ zu verwenden ), quo magis id, quod erit inluminatum, extare atque eminere videatur ; Quint. inst. 2,12,7 sententiae … magis eminent, cum omnia circa illas sordida et abiecta sunt ; 8,5,29; Tac. dial. 21,8 ( oben zit.); Thes. V 2, 492,68-78; OLD s.v. 2: „( of details in a painting, etc.) to stand out against a background“. corpus orationis : Oratio ist in der Regel die Rede, oder allgemeiner die Sprache bzw. der Stil eines Prosaautors ( e.g. Cic. div. 1,78 singulari illum suavitate orationis fore, über Platon; OLD s.v. 3a ). Fast immer wird der Begriff von der Dichtung klar abgegrenzt ( oft durch den Zusatz soluta ; e.g. Cic. orat. 70 et in poëmatis et in oratione ; Varro rust. 1,1,9 solutā oratione vs. versibus ; Sen. contr. 3 praef. 8, zit. S. 789 ; Gell. 13,21,1 aut versum … pangis aut orationem solutam struis ).

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Das spiegeln auch die Sat., in denen oratio die Kommunikation des Alltags bezeichnet ( 106,4 ; 112,8; 126,8; 132,9 ), aber auch die declamatio als Teil der rhetorischen Ausbildung, bzw. die öffentliche Rede ( 2,2 effecistis ut corpus orationis enervaretur et caderet ; 2,6 ~ 4,3 grandis oratio ). Umso auffälliger Eumolps Poetik, wo oratio über die Rede bzw. die Prosa hinaus offenkundig jede Art literarischer Äußerung abdeckt – auch und gerade die Dichtung ( cf. § 6 religiosae orationis … fides ; so auch einmal Varro, ling. 6,97 tris libros …, de oratione solutā duo, sc. de oratione poeticā unum ). Das Bild vom „Körper“ oder „Organismus der Rede“ ist erstmals in der Rhet. Her. belegt ( 4,58 hic locus … tamquam sanguis perfusus est per totum corpus orationis ; hic locus meint das Herzstück der Rede, das den Fall zusammenfasst ). Cicero verwendet es ( orat. 126 toto corpore orationis ~ „die ganze Ausdehnung der Rede“; s. auch de orat. 2,325; 3,96 ), ebenso Quintilian ( inst. 3,11,23; cf. Thes. IV, 1006,58-64 ) – und Encolpius ( 2,2; s. oben ). expressae : Exotisch klingt hier exprimere, „to stamp ( a design on a surface ); ( pass., w. acc. or abl.) to be stamped ( with a design )“ ( OLD s.v. exprimō 5 ); cf. e.g. Cic. Verr. 2,105 tu in tabulis publicis expressa ac recentia reliquisti sc. tua vestigia, „du hast in öffentlichen Protokollen deine eigenen Spuren frisch eingeprägt hinterlassen“; Fronto ad ver. Imp. 2,1,20 == p. 128, 23f. v.d.H. ipsa subieci Catonis verba, in quibus consiliorum tuorum expressa vestigia cerneres, „ich schließe Catos eigene Worte an, in denen du das eindrückliche Pendant deiner Maßnahmen entdecken kannst“. Wie die Beispiele zeigen, meint das Verb in der Regel „( nach innen ) aus-“, d.h. „einprägen, eindrücken“ ( dass die Metapher aus der Bildhauerei stamme, vermutete BARNES 1971, 150 Anm. 19 ). Hier ist jedoch eindeutig eine Art ‚Expansion‘ gemeint ( der Thes. V 2, 1785,44 f. deutet die singuläre Metapher als „fere i. q. ex corpore extrudere, emittere“ ). Diese Verkehrung der klassischen Bedeutung bildet die herausstechenden sententiae ebenso ab wie das dreifache alliterierende e -/ex - ( s. auch das kontrastierende in -, sowie den dezenten Chiasmus: ne sententiae emineant extra … expressae, sed intexto … colore niteant ), und nicht zuletzt der gewollte Kontrast der beiden Bilder : des mechanischen ‚Prägens‘ und des organischen ‚Webens‘. Eumolps Stilideal sucht solche stilistischen Extravaganzen zu meiden; sein Ziel ist ein homogenes hohes Niveau. Grammatisch einfacher, zugleich inhaltlich banaler liest sich der Satz, zieht man expressae zu orationis ( so STUBBE 51: „daß die Sentenzen nicht aus dem Körper der geformten Darstellung herausragen, sondern in einer den Kleidern wirklich eingewebten Farbe glänzen“; ähnlich HOLZBERG ). FRAENKELs Tilgung von expressae ( wohlwollend ESPOSITO 1996, 155, kritisch COCCIA 1973, 103f. ) beraubt den Satz seines irritierenden Kerns.

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Wiederholt wurde der harsche Übergang zur zweiten Hälfte des Finalsatzes adressiert. BOSCHIUS wollte nach sed ein ‹ ut › ergänzen, BÜCHELER ein ‹ velut › ( wohlwollend MÜLLER ad loc.); so auch SHACKLETON BAILEY, doch nach intexto ( ‹ velut › vestibus ; 1987, 462 ). intexto : Zur Metapher des W e b e n s für die literarische Produktion cf. § 1 intexuit ( und S. 772f. ad loc.). Das Bild der ‚eingewobenen Farben‘ stammt aus der Textilproduktion ( cf. Rhet. Her. 4,60 cum clamyde purpureā coloribus variis intextā, „in einem purpurnen Mantel griechischen Stils, in den vielfältige Farben eingewebt waren“; Ov. met. 3,556 pictis intextum vestibus aurum ; 6,166 vestibus intexto Phrygiis … auro ). vestibus : Ihre Meriten hat die alternative Lesart versibus ( RP : so u.a. BÜCHELER ed.1 ; PELLEGRINO ; laudante NISBET 1962, 229; vestibus (L)B ). Im metaphorischen Kontext stimmiger lesen sich die ‚Gewänder‘. colore : Der Begriff color ( bzw. colores ) bezeichnet in Theorie und Praxis der Rhetorik das Kolorit eines Textes, seine ‚Färbung‘, seinen ‚Ton‘, im Einklang mit den Metaphern vom Text als ‚Gemälde‘ ( e.g. Rhet. Her. 4,16; Cic. de orat. 3,217; orat. 65; Quint. inst. 11,3,46 ) oder als ‚Körper‘ ( so Sat. 2,8 ac ne carmen quidem sani coloris enituit ). Die colores meinen aber auch den ‚Schmuck‘ eines Textes, d.h. Stilfiguren und Tropen, die ihm stilistischen Glanz verleihen. „In school rhetoric color mostly indicates a special twist given by the declaimers to the controversia ’s theme, in order to treat it from the point of view most favorable to their contention. Seneca the Elder introduces specimens of these special twists with the formula ‚X hoc colore usus est ‘.“ ( A. SETAIOLI in epist.; s. auch Thes. III, 1720,43-68; M.B. ROLLER, s.v. Color, in: Th.O. Sloane ( Hrsg.), Encyclopedia of Rhetoric, Oxford 2001, 115-119 ). – JACOBS’ von BÜCHELER gelobter Eingriff, ‹ ut › intexti vestibus colores, gibt den colores zu viel Gewicht gegenüber den zentralen sententiae. niteant : Zu nitēre in rhetorischen Kontexten cf. e.g. Hor. ars 351 plura nitent in carmine ; Quint. inst. 8,5,29; OLD s.v. 6 : „( of style, language ) to be polished or brillant“. Homerus testis et lyrici Romanusque Vergilius et Horatii curiosa felicitas : Eumolps kanonisches Stilideal verkörpern die beiden großen Epiker, ferner Griechenlands lyrische Tradition ( cf. 2,4 Pindarus novemque lyrici Homericis versibus canere timuerunt ), und als ihr Erbe Horaz. Die gleiche traditionelle Wertschätzung der Klassiker finden wir bei Quintilian, der Homer mit dem höchsten Lob bedenkt ( inst. 10,1,46-51; s. auch Val. Max. 8,8 ext. 2 Homerus …, ingenii caelestis vates ), aber auch die griechischen lyrici

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( allen voran Pindar, zudem Stesichoros, Alkaios und Simonides; 10,1,6164 ; cf. Sen. ep. 27,6 ) und Vergil ( 10,1,85f. ). Eher kollegial klingt Horazens Anerkennung für die Hirtenlieder seines älteren Zeitgenossen ( serm. 1,10,44 f. molle atque facetum | Vergilio adnuerunt gaudentes rure Camenae ; „die Beiworte charakterisieren aufs beste die weiche Anmut der Bukolika“, KIESSLING – HEINZE ad loc.; s. auch FEDELI ad loc.); hymnisch fällt sein Urteil über Pindar aus ( c. 4,2,1-27, bes. 10f. per audacīs nova dithyrambos | verba devolvit ). Die vier Namen ergeben ( nach Genre bzw. Sprache geordnet ) vier Paare : Homer und Vergil stehen für das Epos, die lyrici und Horaz wiederum für die zur Lyra gesungene Dichtung ; Homer und die lyrici vertreten Hellas, Vergil und Horaz wiederum Rom. Romanus … Vergilius : Das Adjektiv signalisiert zunächst nur den Wechsel zu lateinischen Autoritäten; doch wie in Senecas Formel Vergilius noster ( ep. 21,5; 95,69 und passim ; Hinweis von A. SETAIOLI in epist.) schwingt unüberhörbar der Stolz auf den Dichter des ‚römischen Nationalepos‘ mit. Welches beispiellose Ansehen Vergil bereits zu Lebzeiten genoss, bezeugt eine Anekdote aus dem Theater : ipse populus … auditis in theatro Vergili versibus surrexit universus et forte praesentem spectantemque Vergilium veneratus est sic quasi Augustum ; Tac. dial. 13,2 ). Horatii curiosa felicitas : „Forse la miglior definizione dell’arte oraziana“ ( PARATORE 1933, II 382 ; cf. BALDWIN 1911, 110: „if Petronius’s reputation as a critic rested on these two words alone, it would still be very high“; zu der singulären Junktur – notabene ein eleganter Dicreticus: (cūrĭ)ōsă fēlīcĭtās – cf. Thes. VI 1, 432,60 ). Eumolps unübersetzbare Formel, in der die beiden Kernbegriffe der horazischen Poetik verschmelzen: ingenium und ars, wurde zurecht als callida iunctura charakterisiert ( Hor. ars 47f.; cf. COLLIGNON 102f. ), bzw. als Oxymoron im Kielwasser berühmter horazischer Oxymora wie concordia discors ( ep. 1,12,19 ), facilis saevitia ( c. 2,12,26 ), strenua inertia ( ep. 1,11,28 ) oder aurea mediocritas ( c. 2,10,5 ; so MANTOVANELLI 1972, 68; s. auch BALDWIN 2005; GALLI 2005, 223-225 ad loc.). Curiosa fängt die poetische Sorgfalt ein, die cura der künstlerischen Ausarbeitung, den limae labor ( ars 291 ) des beharrlichen Suchens, Formens, Feilens ( cf. Sat. 29,4 omnia diligenter curiosus pictor cum inscriptione reddiderat ; 135,5 ; OLD s.v. 1b ad loc.), vielleicht mit einem Hauch von ‚Wagemut‘ und ‚Neugier‘ ( cf. OLD s.v. 3a : „eager for knowledge, inquiring“ ), felicitas aber die traumwandlerische Sicherheit in der Wahl des perfekten Worts, kurzum : Horazens ingenium oder „Genie“ – dem die Hierarchie Adjektiv –

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Substantiv den höheren Rang zuspricht ( MANTOVANELLI 1972, 68; s. ebd. 59f.; zu eindimensional der Thes. IV, 1493,45f. ad loc.: „curiosa felicitas nova inveniendi“). Neben Ovid ( trist. 4,10,49f. tenuit nostras numerosus Horatius aures, | dum ferit Ausoniā carmina culta lyrā ) ist der Passus eines der frühesten Rezeptionszeugnisse zu Horaz ( cf. ESPOSITO 1996, 159 ). „No phrase could better describe that quality of practised effortlessness and formal perfection so characteristic of the best of Horace.“ ( ARROWSMITH 1959, 208 ). COLLIGNON 73 übersetzte „le curieux bonheur d’expression“, ATKINS 1952, 163 „that exquisite finish of his art rivalling nature in its freshness“, A. SETAIOLI ( in epist.) „Horazens glückliche Suche“: „Curiositas refers to Horace’s careful and relentless exploration of all the resources and possibilities of the language and the poet’s art, felicitas to the successful result of this exploration.“ Mit welchem fast religiösen Eifer Horaz um den perfekten Ausdruck rang, bezeugt er selbst zu wiederholten Malen ( bes. c. 4,2,27-32: das Resultat seines ‚Bienenfleißes‘ sind ‚arbeitsträchtige Lieder‘, 31f. operosa … carmina ; ep. 2,2,109-125 ; ars 46-72; 240-243; cf. WOODS 2012, 64-66 ). Besonderes Augenmerk verdient Quintilians Urteil über den Lyriker, das sich in einem Punkt auffällig mit Eumolps Lob überschneidet : „unfehlbar glücklich in der Kühnheit seiner Wortwahl“ ( inst. 10,1,96 at lyricorum sc. Romanorum idem Horatius fere solus legi dignus. nam et insurgit aliquando et plenus est iucunditatis et gratiae et varius figuris et verbis felicissime audax ). Anderen Orts notiert er Vergils einzigartige Wortwahl ( inst. 8,3,24 ornamento sc. antiquorum verborum propriorum acerrimi iudicii P. Vergilius unice est usus ; s. auch die generellen Hinweise zum felicissimus sermo, inst. 9,4,27 ). Allerdings – so Seneca sen. – trete diese nur im Vers zutage ( contr. 3 praef. 8 Vergilium illa felicitas ingenii in oratione solutā reliquit, „in Prosa ließ jene glückliche Wortgewandtheit Vergil im Stich“ ). Die ideale Rede beschreibt Cicero einmal als perfectum ingenio, elaboratum industriā ( Manil. 1 ), und bescheinigt Lukrez „eine Fülle an genialen Schlaglichtern, aber auch Kunstfertigkeit“ ( Q. fr. 2,10,3 Lucreti poemata ut scribis ita sunt, multis luminibus ingeni, multae tamen artis ; cf. SHACKLETON BAILEY ad loc.; S. GATZEMEIER, Ut ait Lucretius. Die Lukrezrezeption in der lateinischen Prosa bis Laktanz, Göttingen 2013, 27-42 ; s. auch Stat. silv. 2,7,76 docti furor arduus Lucreti ). Ennius war Ovid zufolge genial, doch mangelte es ihm an Kunst ( trist. 2,424 Ennius ingenio maximus, arte rudis ; Seneca seinerseits adelte Ovid einmal als ille poetarum ingeniosissimus ; nat. 3,27,13 ). Umgekehrt zeigte der Epiker Silius laut Plinius mehr cura denn ingenium ( ep. 3,7,5 scribebat carmina maiore curā quam ingenio ). Laut Ps.-Longin war Theokrit in seinen Bukolika „aufs Glücklichste erfolgreich“ ( 33,4

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ἐπιτυχέστατος ; zit. STUBBE 58 ). Dass Horazens Urteil über die frühen römischen Tragiker Eumolp inspiriert habe: nam spirat tragicum satis et feliciter audet ( ep. 2,1,166; cf. C.O. BRINK 209f. ad loc.; so CARMIGNANI 2010 b, 41-43 ), ist unwahrscheinlich. – Ins Kuriositätenkabinett gehören die beiden Konjekturen GIARDINAs, curiosa facilitas ( 1970-72, 182-185 ), und curiosa subtilitas ( 2010, 288 ). Zu der ‚Sparsamkeitsellipse‘ in einer Aufzählung ( i.e. Homerus testis ‹ est › eqs.; so BÜCHELERs tentative Konjektur ed.1 ad loc.) cf. HSZ 420; PETERSMANN 42; zur Ellipse in den Sat. allgemein cf. 80,1 Komm. == Bd. I, S. 17. ceteri enim aut non viderunt viam qua iretur ad carmen, aut visam timuerunt calcare : Kaum von ungefähr klingen hier die beiden eben genannten lateinischen Vorbilder an: in dem markanten ire ad carmen das sic itur ad astra des Romanus Vergilius ( Aen. 9,641 ), und in der callida iunctura viam calcare Horazens calcanda semel via leti ( c. 1,28,16; so bereits COLLIGNON 103; zu der höchst raren übertragenen Formel viam calcare cf. Thes. III, 135,72-78, mit v.a. spätantiken Belegen; s. auch Sen. contr. 10,1,1 non calcabis vestigia mea ). Mit ceteri ist „der große Haufe der gegenwärtigen Nichtskönner“ gemeint ( STUBBE 58; strenger COLLIGNON 188: „Pétrone condamne en bloc tous les modernes“ ). Das Bild vom Weg gebraucht Eumolp nicht zum ersten Mal ( cf. 88,7 sapientiae … via, und Bd. I, S. 140f. ad loc.; s. auch 1,2 tolerabilia essent, si ad eloquentiam ituris viam facerent ). Als Metapher für die Dichtung verwenden es bereits Pindar und Bakchylides. Ins Persönliche wendet es Kallimachos, wenn Apollon ihn beauftragt, „unberührte Pfade“ einzuschlagen, fernab der ‚befahrenen Straßen‘ ( Aitia 1 frg. 1,25-28 Pf. ): „I also urge you to go where big waggons never go ( τὰ μὴ πατέουσιν ἅμαξαι ), to drive your chariot not in the same tracks as others and not along a wide road, but along untrodden paths ( ἀλλὰ κελεύθους | ἀτρίπτους )“ ( übers. A. HARDER ; cf. ead. vol. II, 63-68 ad loc.; NÜNLIST 1998, 228-264 ). Kallimachos’ Ästhetik findet auch in Rom Jünger. Lukrez „durchstreift die pfadlosen Orte der Pieriden, die keines Menschen Fuß je berührt“ ( 1,926f. avia Pieridum peragro loca nullius ante | trita solo ). „Unerforschte Pfade“ schlägt Properz ein ( 3,1,17f. opus hoc de monte Sororum | detulit intactā pagina nostra viā ; s. auch 3,1,14 non datur ad Musas currere lata via ; 3,3,18 mollia sunt parvis prata terenda rotis ; 3,3,26 nova muscoso semita facta solo est ). Ovid zitiert Kallimachos’ „feingeistigen Pfad“ ( Pont. 4,16,31f. cum … Callimachi Proculus molle teneret iter ). Cf. WIMMEL 1960, 103-111; M. ASPER, Onomata allotria, Stuttgart 1997, 21-107.

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Wie CONNORS 1998, 132-134 zeigt, bricht Eumolp mit Kallimachos’ Metaphorik, wenn er just den Weg einschlägt, vor dem Apoll den Alexandriner warnt. Das gewalttätige calcare als gängige Übersetzung von πατέω zitiert die Wagen, die auf den ‚ausgefahrenen Straßen‘ der Dichtung verkehren ( s. oben ) – aber auch Caesars Weg über die Alpen ( BC 152 haec … calcavit Caesar iuga ). „Eumolpus makes the activity of producing the poem, ‚treading‘ violently on the path of poetry, congruent with the action of his character Caesar ‚treading‘ violently through the Alps.“ ( 133f.; s. auch CONNORS 1989, 46-48 ). Zu carmen, das hier neben der „Dichtung“ allgemein bereits das einzelne „Kunstwerk“ meint ( cf. § 6 belli civilis … opus ), s. oben S. 770. – Markante Alliterationen auf ce-/ca- und vi-. Alliterationen auf v- drücken seelischen Schmerz aus ( „der Laut des Wehs“; E. NORDEN ad Aen. 6,110ff. ), Entsetzen, oder, wie hier, Feierlichkeit ( PEASE 374 ad Aen. 4,60 ). – Visam ist LE FÈVREs schlagende Emendation des überlieferten versum ( wenig überzeugend STUBBEs Kritik, der visam „überflüssig“ nannte und veram bzw. ein Äquivalent zu difficilem vorschlug ). § 6 ecce : „zum Beispiel“. „Ecce … marks a transition and suggests something which is before the eyes, i.e. contemporary“ ( COURTNEY 2001, 182; er übersetzt „let me point out“ ). Zur demonstrativen Qualität der Interjektion cf. PETERSMANN 107f.; C. DIONISOTTI, Ecce : BICS 50, 2007, 7591 ( bes. 83: „Insofar as it has a definable meaning, it is that of expressing immediacy and engagement, in relation to happenings, people or thoughts, whether visible or not.“ ); s. auch BLÄNSDORF 2007, 119. belli civilis ingens opus : „the massive subject of the civil war“ ( AHL 1976, 68 ). Was zunächst wie ein Beleg für Eumolps These aussieht, bereitet unter der Hand die Rezitation seiner Kostprobe vor. Unter bellum civile verstand die frühe Kaiserzeit am ehesten die fast zwei Jahrzehnte währenden Auseinandersetzungen am Ende der Republik, von Cäsars Überquerung des Rubikon ( 49 v.Ch.) bis zu Octavians Sieg bei Actium ( 31 v.Ch.; in Enallage schwingt belli civilis ingentis mit ). Opus oszilliert hier zwischen der „Aufgabe“, der „Arbeit“, der „Anstrengung“, und deren Ergebnis – das Eumolp bereits im Gepäck ( und im Gedächtnis ?; s. S. 807f. ) mit sich führt. Auch Lukan bezeichnet seine Pharsalia eingangs als opus ( 1,67-69 fert animus causas tantarum expromere rerum, | immensumque aperitur opus, quid in arma furentem | impulerit populum eqs.; cf. ROCHE ad loc.). Nicht zuletzt dank der dezenten Parallelen ( belli civilis ~ in arma furentem … populum ; ingens ~ immensum ) klingt die Stelle hier wie ein subtiler Hinweis auf Eumolps ‚Quelle‘.

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Zu opus als literarischem „Werk“ cf. Sat. 132,15,2 novae simplicitatis opus ( und SETAIOLI, Nugae 243-264 ), ferner u.a. Cic. Att. 16,11,1 nostrum opus tibi probari laetor ; Hor. serm. 2,1,1f.; ep. 2,2,91f. carmina compono, hic elegos. mirabile visu | caelatumque novem Musis opus ; Verg. Aen. 7,45 maius opus moveo ; Ov. ars 3,338 ( über die Aeneis ) nullum Latio clarius extat opus ; 3,414 Ilias, aeternum … opus ; Plin. nat. 7,108 pretiosissimum humani animi opus sc. Homeri ; Vell. Pat. 2,9,5 opus belli civilis … post aliquot annos ab eo … editum est ; OLD 9c ; Thes. IX 2, 849,66-850,20. quisquis attigerit nisi plenus litteris : Der anspruchsvolle Stoff verlangt versierte und belesene Literaten ( cf. § 3 neque concipere … mens potest nisi ingenti flumine litterarum inundata, und S. 780f. ad loc.). Attingere in der Bedeutung „ein literarisches Projekt in Angriff nehmen“ ist zuerst und wiederholt bei Cicero bezeugt ( orat. 35 quem ipsum numquam attigissem tempora timens inimica virtuti eqs., nämlich sein liber über Cato; ebd. 41 omnibus, qui umquam orationes attigerunt ; Arch. 19 Cimbricas res adulescens attigit, „eine Schilderung der Kimbernkriege …“; ebd. 28 quas res nos in consulatu nostro … gessimus, attigit hic versibus atque inchoavit ); weitere Belege sind eher rar ( cf. Catull 22,15 poemata attigit ; Nepos Att. 18,5 attigit poeticen ; Plin. ep. 4,3,4 ; Thes. II, 1145,70f. s.v. attingo; vager ist der Bezug zu „in dicendo vel scribendo commemorare aliquid“, Thes. II, 1145,84 -1146,26 ). Mit Blick auf die Junktur vermutete SLATER ( 2007, 303f.; s. auch ders. 2012, 261 ), Petron zitiere hier Grattius’ Lob eines thessalischen Hengstes, dem man keine rustikalen Arbeiten zumuten dürfe ( cyn. 505 ne tamen hoc attingat opus, „let him not touch this work“ ). „Throughout the Satirae Petronius uses the ablative after plenus instead of the more common genitive.“ ( BALDWIN 1911, 110 ). sub onere labetur : An großen Aufgaben scheitern bisweilen auch große Geister ( cf. Quint. inst. 10,1,24 nam et labuntur aliquando et oneri cedunt ). Die Aufgabe, Augustus’ Triumph zu beschreiben, hätte selbst einen Vergil an seine Grenzen geführt ( Ov. Pont. 3,4,83f. res quoque tanta fuit, quantae subsistere summo | Aeneidos vati grande fuisset onus ). Horaz mahnt, nur einen Stoff ‚zu schultern, dem die eigenen Kräfte gewachsen sind‘ ( ars 38-40 sumite materiam vestris, qui scribitis, aequam | viribus et versate diu, quid ferre recusent, | quid valeant umeri ; s. auch ep. 2,1,169f. habet comoedia tanto | plus oneris, quanto veniae minus, „comedy puts a greater burden on the playwright, because it is judged more critically“; N. RUDD ad loc.; zit. COLLIGNON 103 ). „The almost farcical mismatch of metaphors in plenus and labetur “ notiert SLATER 2012, 261: „how does being weighed down with a load of literature help the poet carry another burden ?“

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Kurz zuvor erscheint das Stichwort ‚Überlastung‘ auffällig genug als ‚Satyrspiel‘, wenn Giton und Corax unter ihrem Gepäck ächzen und sich ‚Erleichterung‘ verschaffen ( 117,11f. neque Giton sub insolito fasce durabat eqs.). Mit einer dramatischen Note kehrt es in Eumolps Epyllion wieder, wenn Fortuna dem Koloss Rom nicht länger gewachsen scheint ( BC 82f. ecquid Romano sentis te pondere victam, | nec posse ulterius perituram extollere molem ?, und Bd. III ad loc.; s. auch CONNORS 1998, 116f. ). non enim res gestae versibus comprehendendae sunt : „one should not attempt to use poetry as a medium for setting forth the facts of history“ ( AHL 1976, 68 ). Wie v.a. Naevius’ Bellum Poenicum und Ennius’ Annales belegen, behandelten bereits römische Autoren des 3. und 2. Jhdt.s geschichtliche ( incl. zeitgeschichtlicher ) Themen in historischen Epen. Wohl auch unter dem Einfluss des hellenistischen Verdikts gegen die große Versform dauerte es eine gute Weile, bis sich Nachfolger fanden wie Cicero mit seinem Marius und den Liedern über sein Konsulat ( Consulatus suus ) und sein Exil ( De temporibus suis ), oder Silius mit den Punica ( zur dichterischen Aufarbeitung römischer Geschichte cf. FEENEY 1991, 267-269; FANTHAM 1992, 3-7 ). Dichterische Auseinandersetzungen mit dem B ü r g e r k r i e g ( belli civilis … opus ) haben meist episodischen Charakter, wie Horazens Epoden 7 und 16 oder einige Passagen Vergils ( georg. 1,461-514 ; Aen. 6,826-835 ; 8,671-713 ). Verloren oder nur fragmentarisch erhalten sind das Carmen de Bello Actiaco ( FLP p. 334-340 ), das Gedicht des Sextilius Ena über die Proskriptionen 43 v.Chr. ( Sen. suas. 6,27 ; cf. FLP p. 329 ), C. Rabirius’ Lied zum Tod des Antonius ( Sen. benef. 6,3,1 ; cf. FLP p. 332f. ), und Cornelius Severus’ Bellum Siculum ( FLP p. 320 ; dasselbe Thema behandelte wohl Augustus’ Sicilia ; cf. Suet. Aug. 85,2 ). Boethos von Tarsos feierte Antonius’ Sieg bei Philippi in einem griechischen Epos ( Strabo 14,5,14 ). Wichtige zeitgenössische oder frühkaiserzeitliche h i s t o r i s c h e Quellen zum Bürgerkrieg, wie die Historiae des Asinius Pollio, die Annales des Cremutius Cordus oder die entsprechenden Bücher des Livius, sind verloren. Erhalten hat sich neben dem Corpus Caesarianum vor allem Ciceros Briefwechsel. quod longe melius historici faciunt : Antike Stimmen grenzten die Geschichtsschreibung in aller Regel streng von der Dichtung ab. So bereits Aristoteles ( poet. 9, 1451a36 - b6 ); so Rhet. Her. 1,13 fabula est, quae neque veras neque veri similes continet res, ut eae sunt, quae tragoediis traditae sunt. historia est gesta res, sed ab aetatis nostrae memoriā remota. Mit fast identischen Formulierungen trennt Quintilian die historia, in qua est gestae rei expositio, vom My-

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thos, der fabula, quae versatur in tragoediis atque carminibus non a veritate modo, sed etiam a forma veritatis remota ( inst. 2,4,2 ). Auch Cicero kommt auf das Thema zu sprechen: intellego te … alias in historia leges observandas putare, alias in poemate. :: quippe cum in illa ad veritatem … ‹ cuncta › referantur, in hoc ad delectationem pleraque ( leg. 1,5; add. ZIEGLER ; s. auch leg. 1,4 zur Kritik an seinem Epos Marius : faciunt inperite, qui in isto periculo [ „Versuch“ ] non ut a poeta sed ut a teste veritatem exigant ). Ovid berührt das Thema eher spielerisch. Niemand erwarte von einem Dichter historische Akkuratesse ( am. 3,12,19 nec tamen ut testes mos est audire poetas ); er dürfe sich mit den Wundergeschichten des Mythos amüsieren ( ebd. 41f. exit in immensum fecunda licentia vatum | obligat historicā nec sua verba fide ). Und Plinius fragt im Vorfeld seiner Delphingeschichte ( ep. 9,33,1 ): incidi in materiam veram sed simillimam fictae … magna auctori fides : tametsi quid poetae cum fide ? Aufschlussreich ist diese Anmerkung Eumolps aus einem Grund vor allem: sie passt wie maßgeschneidert auf einen Epiker, dem die kaiserzeitliche Literaturkritik den Rang eines Dichters absprach ( s. oben S. 766 Anm. 11 ), und an dem Eumolp seine eigene epische Kostprobe misst – Lukan ( s. auch die Einleitung zu Bd. III, und FEENEY 1991, 262-264 ). sed per ambages deorumque ministeria et fabulosum sententiarum tormentum : „sondern durch Abschweifungen und Interventionen der Götter und die mythensatte Tortur der Perioden …“. In einem wachsenden Trikolon von einem, dann zwei, zuletzt drei Wörtern umreißt Eumolp formale und vor allem inhaltliche Charakteristika eines epischen ‚Bürgerkriegs‘. Auf dem Weg zu seiner ‚Offenbarung‘ meistert der ekstatische Dichter gleichsam Stationen ( per eqs.), die Form und Stil betreffen, vor allem aber Fragen des Inhalts: Exkurse, Götterapparate und mythische Stoffe, die der inspirierte Geist des Poeten unter Qualen gebiert und ins epische Gewand der Hexameter kleidet. per ambages : In ambages klingt oft das ‚Verrätselte, Doppeldeutige, Labyrinthische‘ an, wie es typisch ist für Zaubersprüche ( e.g. Ov. met. 14,57f. obscurum verborum ambage novorum … carmen magico demurmurat ore ) oder Traumbilder ( e.g. Lukan 7,21f. per ambages solitas, „über die vertrauten Umwege“, zeigt ein Traum das Gegenteil des Kommenden ), v.a. aber für O r a k e l ( e.g. Ov. met. 7,761 immemor ambagum vates obscura suarum, von der Sphinx; Sen. Oed. 214 f. ambage flexā Delphico mos est deo | arcana tegere, „in gewundenem Dunkel …“; Lukan 1,637f. flexā sic omina Tuscus | involvens multāque tegens ambage canebat, „… sie hüllend und bergend in umschreibender und langer Zweideutigkeit“; Stat. Theb. 1,494-497; Tac. ann.

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2,54,4 ferebatur Germanico per ambages, ut mos oraculis, maturum exitium cecinisse ). „Furchtbare Rätsel“ singt die cumäische Sibylle ( Verg. Aen. 6,98100 talibus ex adyto dictis Cumaea Sibylla | horrendas canit ambages …, obscuris vera involvens ). Als literarischer t.t. tritt der Begriff kaum in Erscheinung ( cf. OLD s.v. 2: „long-winded, obscure or evasive speech, a circumlocution, digression, evasion“; NORDEN ad Aen. 6,99 paraphrasiert die metaphorische Bedeutung mit „Umschweif “ ). Mit ihm kritisiert Seneca Maecenas’ „verrätselten Satzbau“ ( ep. 114,8 istae ambages compositionis ). Vergil gibt den Lesern der Georgica das Versprechen, er wolle sie ebenso wenig „mit Abschweifungen aufhalten wie mit langen Vorreden“ ( 2,45f. non hīc te carmine ficto | atque per ambages et longa exorsa tenebo ; cf. R.F. THOMAS ad loc.; etwas anders M. ERREN ad loc.: ambages und longa exorsa seien „Epexegese zu carmine ficto “ und stünden als Hendiadyoin für „weitschweifige Einleitung“ ). Das führt zu zwei möglichen Deutungen der Stelle hier : Eumolp meint „Exkurse“ bzw. „Ekphraseis“ ( sinnverwandte Begriffe wären egressio bzw. excessus ; cf. Quint. inst. 3,9,4 ), wie sie sich in etlichen Epen finden ( etwa Lukans langer, vielleicht von seinem Onkel inspirierter ‚Ausflug‘ zu den Nilquellen, 10,172-331; cf. Sen. nat. 4 a ) – auch in Eumolps BC ( 67-75 der Unterweltseingang, 126-140 die Vorzeichen des Bürgerkriegs, 144-151 der Alpenpass, 271-281 das Porträt Discordias; s. auch das Proöm zum Niedergang der Republik, 1-66 ). So verstanden u.a. KOSTER ( „die epeisodische Struktur“; 1970, 139 ), BURCK ( „dichterische Umwege“; 1979, 202 ) und WATT die Stelle ( ambages „refers to narrative technique“; 1986, 182 ; s. auch STUBBE 63; RUSSELL – WINTERBOTTOM 1972, 299: „complexities of plot“ ). Oder aber Eumolp meint eine rätselhafte, dem Orakelstil nachempfundene Sprache ( cf. Thes. I, 1834,78-80 ad loc.: „de dictis obscuris, suspensis“ ): „allegoriae et alia orationis ornamenta“ ( MÖßLER 1857, 9f. Anm.), „révélation oraculaire“ ( GRIMAL 1977, 33, wohl nach COLLIGNON 218 Anm. 3; s. auch GRIMAL 1977, 18-22 ), „oracular equivocations“ ( FANTHAM 1992, 229 ), „dark messages“ ( SCHMELING – SETAIOLI 452 ), „oblique representations“ ( FEENEY 1991, 263; cf. ebd. 264 : gemeint seien die ‚göttlichen Elemente‘ in der mythischen Erzählung des Epos ), „mysterious utterances“ ( COURTNEY 2001, 182 ), „a delicately mystical touch“ ( AHL 1976, 68 ), kurz: „the language of the furentis animi vaticinatio “ ( SCHMELING – SETAIOLI 452 ; überflüssig ist FUCHS’ Ergänzung per ‹ oraculorum › ambages ; 1959, 76f. ). Dass die wahre Beredsamkeit einem Orakel gleiche, behauptet der Redner Maternus ( Tac. dial. 12,2 sic oracula loquebantur ).

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Am besten lässt man der Wendung ihre Ambivalenz und hört beides heraus, die erzählerischen „Abschweifungen“ und die „dunkle orakelhafte Sprache“. deorumque ministeria : „und das Eingreifen der Götter …“. Mit diesen „Interventionen“ sind Unsterbliche gemeint, die sich in das irdische Geschehen einmischen ( und es bisweilen in Gang setzen ), kurz: der klassische ‚Götterapparat‘ Homers und Vergils als fester Bestandteil des Epos bis in die Spätantike – auch ( wie Ennius, Cicero oder Silius belegen ) des historischen ( „die Götterhandlung“: KOSTER 1970, 139; „divine machinery“: RUSSELL – WINTERBOTTOM 1972, 299; „agencies of the gods“: FEENEY 1991, 263 ). Die hier mit solchem Nachdruck vertretene Forderung klingt wie eine Replik auf das einzige erhaltene historische Epos Roms ohne Götterapparat – Lukans Pharsalia. Die Junktur ist singulär ( Thes. V 1, 902,12 ); zu ministerium als „intercessio, intercedens actio“ cf. Thes. VIII, 1011,51-71 ( die Belege mit religiösem Bezug sind mit Ausnahme der Stelle hier allesamt christlich; e.g. NT Acta apost. 21,19 Vulg. quae fecisset Deus in gentibus per ministerium ipsius ; s. auch GRIMAL 1977, 22-29 ). Anders HÄUßLER 1978, 127 Anm. 55: dieser „Götterdienst“ ziele auf den Dichter als ‚Sängerpriester‘ der Götter und Musen ( cf. Hor. c. 3,1,3 Musarum sacerdos ; Ov. am. 3,8,23 ego Musarum purus Phoebique sacerdos ). Dazu passt CONNORS’ Beobachtung ( 1989, 50 ), ministerium beschreibe in aller Regel das Agieren Untergebener, und in religiösem Kontext Priester und Priesterinnen, die den Göttern dienten. et fabulosum sententiarum tormentum : „und die mythensatte Tortur der Perioden“. Der überlieferte Text, insbesondere aber tormentum ( so u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; CIAFFI ; GUIDO ; SOVERINI 1985, 1746; FANTHAM 1992, 229) ist hochgradig verrätselt, ja streift das Unverständliche ( cf. Hor. ars 25f. brevis esse laboro, | obscurus fio ). fabulosum : Mehrere Facetten kommen bei fabulosus ins Spiel : „dealing with legendary subjects; concerned with, or involving, legends“ ( OLD 1b ); „resembling an invented tale, incredible, fabled“ ( ebd. 2 ; cf. die fabulosa pollicitatio 135,1, Oenotheas Litanei ihrer magischen Macht ; s. auch Plin. ep. 8,4,1: für eine literarische Darstellung biete der Dakerkrieg eine tam recens, tam copiosa, … tam poetica et quamquam in verissimis rebus tam fabulosa materia ) oder „unhistorical, false, fictitious, mythical“ ( ebd. 3 ). Das Spektrum der Bedeutungen reicht von „unglaubwürdig, unglaublich“ über „unhistorisch, fiktiv, erfunden“ bis zu „mythenhaltig, mythisch, mythologisch“. Hier dürfte Letzteres gemeint sein. „Fabulosum looks absolutely in place, since the whole point of the passage is the difference between

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history and fable ( i.e., myth or epic ).“ ( FEENEY 1991, 263 Anm. 52; s. auch WILKINSON 1946/47: „consisting of, or coloured by, mythology“; CONNORS 1998, 115: „mythical inventions“, „mythical narrative“; COURTNEY 2001, 182: fabulosum meine μῦθοι als Stoff der Dichtung „as opposed to history“; ATKINS 1952, 164 : Petron betone die Notwendigkeit ‚des Wunderbaren und des Mythischen‘ im Epos ). sententiarum : Die sententiae erscheinen bereits § 5 in poetischem Kontext. COURTNEY stellte sie infrage ( 1970, 68; zustimmend MÜLLER ed.4 ad loc.). Hier gehe es um Erzähltechnik, genauer : um den Götterapparat ; in diesem Kontext seien stilistische Begriffe fehl am Platz. WATT und HARRISON wandten zurecht ein, Hinweise zum Stil seien gerechtfertigt. Denn mit dem historischen Epos beginne ein neues Thema ( WATT 1986, 182 ); und Eumolps BC sei voller sententiae ( HARRISON 2003, 133 ). tormentum : Genuine Schwierigkeiten bereitet v.a. das vieldeutige tormentum, das weder als „Seil, Fessel“ noch als „Winde, Katapult“ ( oder damit abgefeuertes „Geschoss“ ) wirklich Sinn ergibt, weder als „Folter(werkzeug )“ noch ( im übertragenen Sinn ) als „Zwang, Marter, Qual“ ( cf. Horazens Oxymoron über den Weinkrug, c. 3,21,13f. tu lene tormentum ingenio admoves | plerumque duro, „you apply gentle torture to minds that are usually stiff “; NISBET – RUDD 245f. ad loc.; im Exorzismus werden laut Minucius Felix 27,5 tormentis verborum Dämonen ausgetrieben ). GRIMAL verstand die Wendung als ausgefallene ‚Definition des epischen Stils‘: sie beschreibe das Prokrustesbett der Metrik, in das der Dichter ( anders als der Redner ) seine Sätze einpassen müsse: „le supplice légendaire des sententiae “ ( 1977, 30-32; s. auch KOSTER 1970, 139 ). Von einer „supernatural barrage of aphorisms ( the metaphor is from artillery )“ spricht FANTHAM 1992, 229 ( ähnlich bereits CONNORS 1989, 50: „he deploys his sententiae like missiles“ – passend zu dem ‚Angriff‘ des impetus ; s. auch YEH 2007, 547 : „la machine créative à lancer des sententiae “; in praecipitandus est liber spiritus setze sich das Bild fort ; ebd. 549-551 ). Andere schweben frei über dem Text : „the projection of thought through the realms of the imagination“ ( BALDWIN 1911, 111 ); „the ideas should be carefully intertwined with the fabric of myth“ ( AHL 1976, 68 ); „the twists of fabulous pronouncements“ ( RUDICH 1997, 229 ); „the contorted style of mythological narrative“ ( RIMELL 2002, 182 ); „die sich in den Einfällen ausdrückende wundersame Verzückungsqual“ ( HOLZBERG ). HÄUßLER 1978, 128 Anm. 56 dachte an „ein tormentum, welches der vates selbst erleidet“, bes. „die eruptive Stauung, die der Verkündigung voraus-

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geht“ ( bei der Sibylle, Verg. Aen. 6,46-51 u.ö.; bei Kassandra, Sen. Ag. 710-719; bei der Pythia, Lukan 5,165-174 u.ö.). Den gleichen Gedanken hatte CONTE ( 1996, 71f.; ohne Kenntnis HÄUßLERs ); er verknüpfte ihn allerdings enger mit dem epischen Subtext. Die originelle Phrase sei beeinflusst von Vergils ‚mise en scène‘ der cumäischen Sibylle in ihrem prophetischen furor ( Aen. 6,77-80 at Phoebi nondum patiens immanis … bacchatur vates, magnum si pectore possit | excussisse deum ; tanto magis ille fatigat | os rabidum, fera corda domans, fingitque premendo ; 6,102 ut primum cessit furor et rabida ora quierunt ). Sie schildere „the tortuous elaboration with which the prophetic poet ( like the Sibyl ) marks his discourse, the effort necessitated by the struggle to ‚expel‘ the spirit of divine inspiration ( cf. excussisse deum ). The verbal violence contained in tormentum seems to match the violence contained in Virgil’s text : rabidum, premendo and above all the verb fatigare, which is a virtual synonym of torquere.“ Die Idee ist brillant, auch wenn die Frage bleibt, wie ‚frei‘ ein von der Inspiration derart gemarterter Geist überhaupt sein kann ( liber spiritus ) – und warum Eumolp seine Idee so hermetisch verklausuliert ( wobei er auf verbale Signale in Richtung Vergil verzichtet, abgesehen vielleicht von ambages ; cf. horrendas … ambages, die „furchtbaren Rätsel“ der cumäischen Sibylle, Aen. 6,100 ), dass seine Intention allenfalls zu ahnen ist. Eine T e x t v e r d e r b n i s ist definitiv nicht auszuschließen. MÜLLER und e.g. DÍAZ Y DÍAZ oder GIARDINA – MELLONI setzten die Wendung zumindest teilweise in cruces ( so wohl auch VANNINI in seiner Ausgabe: „al momento preferirei le cruces “; in epist. ). Die Liste der Konjekturvorschläge ist lang. Inspiriert von einem Vergleich Vergils, erwog COURTNEY 1970, 68 fabulosum argumentum velut ( oder tamquam ) tormento ( ~ „der Geist muss durch eine mythenreiche Erzählung hetzen wie vom Katapult geschleudert“; cf. Aen. 11,615-617 excussus Aconteus | fulminis in morem aut tormento ponderis acti | praecipitat longe : ein wie das Geschoss eines Katapults vom Pferd geworfener Krieger ; zu argumentum cf. Sat. 88,1 quaedam argumenta mihi obscura ) – eine recht rabiate Lösung. Etliche Philologen versuchten sich an tormentum. Die drei besten unwahrscheinlichen Varianten sind tonitrum ( mit fabulosarum ; WARMINGTON ), fermentum ( „Hefe, Gärung“, in der übertragenen Bedeutung „Triebkraft“; PELLEGRINO 1972, 162; s. auch ders. 1980, 153; lt. GIARDINA – MELLONI „fort. recte“ ) und commentum ( STUBBE : „die Taten beteiligter Götter wie ihrer Ratschlüsse mythische Erfindung“; cf. OLD s.v. 3: „a fabrication, invention, fiction“ ). FUCHS 1959, 76f. variierte Letzteres zu fabularum sententiosa commenta ; U. KLEIN 1965, 178f. schlug fabulosa sententiarum portenta vor, „sagenhafte Phantasiedarstellungen“.

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Anklang fanden vor allem zwei Vorschläge. WILKINSON konjizierte ornamentum, „Zierat“ ( 1946/47; er verglich Cic. Brut. 140 in sententiarum ornamentis et conformationibus, Antonius’ „elaboration of figures of thought“; A.E. DOUGLAS ad loc.). Der „mythenreiche Zierat der Perioden“ klingt allerdings fast zu delikat für das folgende aggressive praecipitare. WATT zog das Nomen gleichwohl in Betracht ( 1986, 182; s. unten ); MÜLLER 2 ad loc. erweiterte es zu deorumque ministeria [ et ] fabulosa ‹ et › sententiarum ornamenta – was dem Götterapparat zuviel Gewicht beimisst. BARTHIUS’ torrentem, „Sturzbach“, harmoniert mit dem folgenden praecipitandus est … spiritus und taucht in poetologischen Kontexten des öfteren als Bild auf ; cf. Plin. ep. 5,20,4 est plerisque Graecorum … pro copia volubilitas : tam longas tamque frigidas perihodos uno spiritu quasi torrente contorquent ( „bei fast allen Griechen ersetzt der Wortschwall die rednerische Fülle – so lange und nichtssagende Satzgetüme schleudern sie in einem Atemzug hervor wie einen Sturzbach“ ); Tac. dial. 24,1 quo torrente, quo impetu saeculum nostrum defendit ! ; Juv. 10,9f. torrens dicendi copia multis | et sua mortifera est facundia ( „tosende Fülle des Worts und ihre Beredsamkeit bringt vielen den Tod“ ); 10,128 torrentem et pleni moderantem frena theatri ( Athen bewundert Demosthenes, „der mitreißend spricht und das volle Theater an der Kandare führt“ ). Laut Macrobius verdankte Vergil seinem Vorbild Homer u.a. „das Eingreifen der Götter, die Glaubwürdigkeit der Mythen, den Wohlklang seiner strömenden Sprache“ ( sat. 5,13,41 hinc deorum interpositio, … auctoritas fabulosorum, … torrentis orationis sonitus ). Die beste Parallele liefert Quintilian ( inst. 10,7, 23 ): muss eine Rede improvisiert werden, ist es besser, langsam zu sprechen und auf die Aussage zu achten, „als sich zu einem seichten Wortschwall hinreißen zu lassen“ ( quam se inani verborum torrenti dare ): auch sie verbindet torrens mit einem Genetiv, und sie greift zu einer ähnlichen Enallage ( fabulosum ~ inani ; hier ist fabulosarum sententiarum zu verstehen ). G. VANNINI ( in epist.) erinnert an die rhetorischen Wassermetaphern in Sat. 5 ( bes. 12 Maeoniumque bibat … fontem ; 21f. flumine largo | plenus Pierio defundes pectore verba ). FRAENKEL, WINTERBOTTOM und WATT übernahmen es, jeweils ergänzt um eigene Eingriffe. WATT ( 1986, 182 ) verwandelte es in et fabulas cum sententiarum torrente ( oder ornamento ; deorum gehöre als Gen. subi. zu ministeria und als Gen. obi. zu fabulas, „myths about the gods“ ): „und durch Götter mythen im Sturzbach ( bzw. Zierat ) der Perioden“ – was unorganisch klingt und die ansprechende Symmetrie des Trikolons mit erst einem, dann zwei, dann drei Wörtern verletzt. WINTERBOTTOM ( 1972, 11 ) verknüpfte das Adjektiv mit den sententiae : et fabulosarum sententiarum torrentem ( „und durch den Sturzbach my-

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thenträchtiger Perioden“; cf. RUSSELL – WINTERBOTTOM 1972, 299: „a torrent of mythological material“ ). Besser liest sich freilich die Enallage. Inspiriert von Vergil ( Aen. 7,566f. medioque fragosus | dat sonitum saxis et torto vertice torrens ; cf. HORSFALL ad loc.), schrieb FRAENKEL ( ap. MÜLLER 1 Add.) fragosum sententiarum torrentem ( „und durch den tosenden Sturzbach der Perioden“ ). Seinen Vorschlag adoptieren SCHMELING ( in SCHMELING – SETAIOLI 452 ) und HARRISON ( 2003, 133: Eumolp deute an, dass „the poet is freer than the historian to use verbal as well as mythological ornament“; er zitiert Quint. inst. 9,4,7 tanto, quae conexa est et totis viribus fluit, fragosā atque interruptā melior oratio, „eine Rede, die innerlich kohärent und voller Kraft dahinströmt, fließt weitaus harmonischer als eine holprige und stotternde“; hier kritisiert fragosus allerdings die fehlende stilistische ‚Glätte‘ ); zumindest einen Platz im Apparat spricht ihm G. VANNINI zu ( in epist.). FRAENKELs Einfall ist raffiniert ; zugleich raubt er der Wendung die authentisch klingende mythische Komponente ( fabulosum ). Anders sieht es aus mit torrentem allein, das mit minimalem Aufwand vorzüglichen Sinn ergibt : „der mythensatte Sturzbach der Perioden“ ( cf. SULLIVAN 1985, 163f.: „a fabulous torrent of gnomic expressions“ ) und das Trikolon inhaltlich harmonisch abrundet. Es ist auch MÜLLERs elegantem Einfall fabulosam seriem argumentorum überlegen, „ein mythensatter Reigen von Geschichten“ ( ed.4 ad loc.), der gleich mehrere Eingriffe erfordert. Gut denkbar, dass es in Petrons membrana ingens ( 115,2 ) stand. praecipitandus est liber spiritus : „… muss der Geist entfesselt voranstürmen …“ ( „unrestrained inspiration must rush headlong through eqs.“; COURTNEY 2001, 182 ). Eine in jeder Hinsicht außergewöhnliche Wendung, die höchstes Lob fand ( „Praecipitandus est liber spiritus, says Petronius most happily. The epithet, liber, here balances the preceding verb; and it is not easy to conceive more meaning condensed in fewer words.“; S.T. COLERIDGE, Biographia Literaria, London 1817, ch. 14, zit. nach BRANHAM – KINNEY 175 ). Zu spiritus als „Inspiration“ cf. 83,8 poeta sum … non humillimi spiritūs ( und Bd. I, S. 83 ad loc.). Die seltene Junktur liber spiritus findet sich zuerst bei Cicero, als die „freie Luft“, die Gefangenen verwehrt bleibt ( Verr. 2,5,23 a libero spiritu atque a communi luce seclusum ), danach bei Seneca, für den „freien Atem“, der den Menschen ausmacht ( nat. 5,15,3 recto spiritu liberoque ), sowie in einem vulkanologischen Exkurs der App. Verg. ( Aetna 111f. liber spiritus intra | effugiens molitur iter, „im Innern frei zirkulierende Luft bricht sich auf dem Weg nach draußen Bahn“ ). Bei Tertullian und anderen späten Autoren kehrt sie wieder ( Thes. VII 2, 1285,78 ). Ohne Parallele ist die übertragene Verwendung hier für die dichterische Inspi-

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ration ( an das verwandte liber in Sat. 5,13f. mittat habenas | liber erinnert STUBBE 66 ; s. auch COURTNEY 2001, 182 Anm. 4 ). Ähnlich singulär ist die Übertragung des ‚aggressiven‘ Verbs ( cf. 94,9 me utraque manu impulsum praecipitat super lectum ; 102,5 custodem … praecipitari viribus ) auf die psychische Ebene, wenn „der Geist“ gewaltsam durch die Stationen des kreativen Prozesses „gehetzt wird“ ( cf. OLD s.v. 6a : „to cause to move in disordered haste, drive headlong“; 6b: „to drive precipitately ( to an action )“ ). Zwei angebliche Parallelen kommen nicht in Betracht, Val. Flacc. 1,755f. ( zit. Thes. X 2, 468,57-62; s. aber A. ZISSOS 390f. ad loc.) und Tac. ann. 3,19,1 ( zit. STUBBE 66; s. aber E. KOESTERMANN ad loc.). Vage verwandt ist Verg. Aen. 2,316f. furor iraque mentem | praecipitat ( „frenzy and rage overrun my mind“; übers. N. HORSFALL ). Vertrauter ist die ‚aktive‘ Facette des Bildes. Pindars Poesie bricht mit der Urgewalt eines Wasserfalls hervor ( Hor. c. 4,2,1-32, bes. 7f. fervet immensusque ruit profundo | Pindarus ore ; s. auch ars 217-219 tulit eloquium insolitum facundia praeceps eqs., in der alten Tragödie „brachte eine sich überschlagende Beredsamkeit eine unvertraute Sprache hervor“, deren Dunkelheit dem delphischen Orakel Konkurrenz machte; lt. CARMIGNANI 2013 a, 39 spiele Eumolp auf diesen Passus an, verkenne aber Horazens kritischen Ton ; s. auch CONTE 1996, 70f. ). Bei Ps.-Longin „bricht sich“ die begeisterte Inspiration des Dichters „Bahn wie ein Sturzbach“ und schüttet zuhauf Metaphern aus ( 32,1 τὰ πάθη χειμάρρου δίκην ἐλαύνεται ; cf. 32,4 ; zit. SETAIOLI, Nugae 41 Anm. 171; s. auch 124,2 cum haec Eumolpos ingenti volubilitate verborum effudisset, und STÖCKER 1969, 49f. ). – Das fünfte und letzte Gerundiv in Folge ( cf. oben S. 784 ). ut potius furentis animi vaticinatio appareat : „so dass das poetische Werk eher der Offenbarung eines verzückten Geistes gleicht …“. Bereits Homer bittet die Muse um Inspiration ( Ilias 1,1-7, und G.S. KIRK 51 ad loc.; Od. 1,1-10, und St. WEST 67-69 ad loc.); Hesiod ist ihr Sprachrohr ( theog. 30-34 ). Das Bild gewinnt eine religiöse Dimension, wenn Demokrit die Dichtung preist, die nach dem Vorbild von Delphi in prophetischer Trance entsteht ( frg. 68B18 D.-K. ποιητὴς δὲ ἅσσα μὲν ἂν γράφῃ μετ᾿ ἐνθουσιασμοῦ καὶ ἱεροῦ πνεύματος, καλὰ κάρτα ἐστίν, „was der Dichter in Verzückung und göttlicher Inspiration schreibt, das fürwahr ist schön“ ). Die Vorstellung wird ein integraler Teil von Platons Ästhetik ( Ion 533d-534 e ; apol. 22bc ; Phaidros 245a) ; Aristoteles integriert sie in seine Dichtungstheorie ( poet. 17, 1455a32-34 ). Cf. KROLL 1924, 24-43, bes. 24-34 ; E.R. DODDS, The Greeks and the irrational, Berkeley 1951, 64-82, bes. 80-82 ; CURTIUS 1954, 467f.; G. NAGY, Poetry and inspiration, in: G.A. Kennedy ( Hrsg.), The Cambridge History of Literary

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Criticism, Cambridge 1989, 24-29; G. FERRARI, Plato and poetry : ebd. 92-148; M. FUHRMANN, Dichtungstheorie der Antike, Darmstadt 2 1992, 77-81; K. THRAEDE, RAC 18, 1998, 332-340 s.v. Inspiration ). Die Vorstellung fasst auch in Rom Fuß ( s. Bd. I, S. 214 f. ). Cicero zitiert sie (div. 1,80 negat … sine furore Democritus quemquam poetam magnum esse posse, quod idem dicit Plato ; de orat. 2,194 saepe enim audivi poetam bonum neminem – id quod a Democrito et Platone in scriptis relictum esse dicunt – sine inflammatione animorum existere posse et sine quodam adflatu quasi furoris ; Tusc. 1,64 ; Arch. 18 accepimus … poetam naturā ipsā valere et mentis viribus excitari et quasi divino quodam spiritu inflari ). Die Augusteer adoptieren sie ( e.g. Ov. ars 3,549f. est deus in nobis et sunt commercia caeli ; | sedibus aetheriis spiritus ille venit ), ebenso die Flavier ( e.g. Stat. Theb. 1,32f. tempus erit, cum Pierio tua fortior oestro | facta canam, „die Zeit wird kommen, da ich, gestärkt in pierischer Raserei, deine Taten besinge“, an Domitian; s. auch 10,829f. non mihi iam solito vatum de more canendum ; | maior ab Aoniis poscenda amentia lucis, „… ein mächtigerer Wahn ist von den aonischen Hainen zu fordern“; silv. 2,7,3; Martial 7,22,1 nennt Lukan einen vates Apollineus ). Auch in der Spätantike genießt sie Heimatrecht ( Claudian z.B. „drängt sein inspirierter Geist“, Proserpinas Raub zu besingen; rapt. 1,4 mens concussa iubet ; zum Text cf. J.B. HALL ad loc.). Ihr Prophet in Rom wird Horaz. Als vates verwandelt er sich in einen Schwan, dessen inspirierten Verse ihn ‚hoch fliegen‘ lassen ( c. 2,20; cf. NISBET – HUBBARD 332-337 bzw. S. HARRISON ad loc.; s. auch c. 2,19 und 3,25, sowie FRAENKEL 1957, 257-259, ferner unten zu vaticinatio ). Überhaupt kommt er oft auf den dichterischen ‚Wahnsinn‘ zu sprechen, ohne mit seiner ironischen Reserve hinter dem Berg zu halten (e.g. c. 3,4,5f. an me ludit amabilis | insania ? ; serm. 2,7,117 aut insanit homo aut versūs facit ; ep. 1,19,1-11). Dies gilt vor allem für die Ars poetica ( 295-303; cf. C.O. BRINK 325-334 ad loc.), die mit einem boshaften Porträt des vesanus poeta schließt ( 453-476, und C.O. BRINK 421-431 ad loc.; D.C. INNES, Horace, in: G.A. Kennedy ( Hrsg.), The Cambridge History of Literary Criticism, Cambridge 1989, 254-267, bes. 266 : die ars ende mit der „splendid caricature … of untutored madness“ ). In den Sat. kehrt die Idee mehrmals wieder. Agamemnon deutet sie an ( 5,13f. mox … mittat habenas | liber ); Encolpius diagnostiziert Eumolp wiederholt als williges Opfer poetischer ‚Verzückung‘ ( 90,4 quotiescumque coeperis a te exire ; 115,5 inicio ego phrenetico manum ; die zweite Stelle legt nahe, Eumolp habe während des Orkans in dieser Verfassung gearbeitet ); Eumolps Ars poetica schließlich reklamiert sie.

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Auf eine auffällige Übereinstimmung zwischen Agamemnon, Eumolp und Ps.-Longins wohl etwas älterer Schrift περὶ ὕψους macht SETAIOLI aufmerksam ( Nugae 40f. ): „Both Agamemnon and Eumolpus advocate, almost with the same words, an ideal literary writing in which the swing of enthusiastic inspiration is reconciled with a solid and uninterrupted connection with the great literary tradition. (…) Both endeavor to save both ars and ingenium ; and this is where they coincide with the position defended in the treatise On the sublime. There is more: the attempt at reconciling enthusiastic swing with a close link with the great classics is significantly paralleled in the same work, down to the employment of metaphors that closely resemble those we find in Petronius.“ Nirgendwo wird dies deutlicher als de subl. 13,2 : zur erhabenen Rede führt „das Nachahmen und Nacheifern großer Schriftsteller und Dichter früherer Zeiten ( ἡ τῶν ἔμπροσθεν μεγάλων συγγραφέων καὶ ποιητῶν μίμησίς τε καὶ ζήλωσις ). (…) Viele Autoren nämlich werden ergriffen von einem fremden Anhauch, der sie inspiriert ( πολλοὶ γὰρ ἀλλοτρίῳ θεοφοροῦνται πνεύματι ) – genauso, wie man es von der pythischen Priesterin sagt (…). So entströmen wie aus heiliger Tiefe dem Genius der Alten Kräfte und dringen in die Seelen derer, die ihnen nachstreben ( οὕτως ἀπὸ τῆς τῶν ἀρχαίων μεγαλοφυΐας εἰς τὰς τῶν ζηλούντων ἐκείνους ψυχὰς ... ἀπόρροιαί τινες φέρονται ; übers. R. BRANDT ; cf. D.A. RUSSELL 112-115 ad loc.). Just bei diesem Satz gilt es auf ein Wort zu achten, das hinter den gewichtigen Nomina beinahe verschwindet : appareat. Mit ihm räumt Eumolp fast ungewollt ein, dass seine göttliche Inspiration mehr ‚Schein‘ denn Sein ist ( cf. CONNORS 1989, 49: „appareat precludes any claim to true divine inspiration“; vorsichtiger SULLIVAN 1970, 190: „epic poetry should give the impression ( appareat ) of furentis animi vaticinatio “ ). Das wirft im Nachhinein Licht auf jene Szene, die ihn bei der Arbeit am Bellum civile zeigt ( 115,1-5 ), und kaum als den apollinischen vates in den Fußspuren Vergils und Horazens, als den er sich selbst offenkundig sieht, vielmehr in der komischen Rolle des rasenden Verseschmieds. Letztendlich ähnlich kollidieren Anspruch und Wirklichkeit hier : in Eumolps Theorie kreißen die Gipfel platonischer Poetik; doch geboren wird als ridiculus mus Horazens vesanus poeta. vaticinatio : Das überraschend seltene Nomen beschreibt die religiöse „Prophezeiung“ oder „Weissagung“ ( e.g. Cic. nat. 2,10 multa ex Sibyllinis vaticinationibus, multa ex haruspicum responsis commemorare possum ; Val. Max. 1,8,10 veridica Pythicae vaticinationis fides ). Ohne Parallele ist der literarische Einsatz hier, für die Kunst des göttlich inspirierten Dichters ( zu säkular

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BURCKs Periphrase als „frei gestaltenden genialen Schwung“; 1979, 202 ). Dezent schimmert der von Apoll beseelte Sänger-Dichter der Augusteer durch, der vates, dem wohl zuerst Vergil und Horaz zu literarischen Ehren verhalfen; cf. Verg. ecl. 7,28; 9,33f. ( und W. CLAUSEN 278 ad loc.); Aen. 7,41 tu vatem, tu, diva, mone ; Hor. epod. 16,66 vate me ( und L.C. WATSON ad loc.); 17,44 ; c. 1,1,35f. quodsi me lyricis vatibus inseres, | sublimi feriam sidera vertice ( und NISBET – HUBBARD 15 ad loc.: „The word was ennobled in the Augustan period to describe the poet in his inspired aspect“ ); 2,20,1-3 non usitatā nec tenui ferar | pinnā biformis per … aethera | vates ; 3,19,14 f. ternos ter cyathos attonitus petet | vates ; 4,6,43f. carmen … vatis Horati ; OLD s.v. 2. Das Bild im Hintergrund liefert die vom delphischen Gott besessene, in Ekstase prophezeiende Pythia ( e.g. Lukan 5,190-193 spumea … rabies vaesana per ora | effluit et gemitus et anhelo clara meatu | murmura, tum maestus vastis ululatus in antris | extremaeque sonant domitā iam virgine voces ; den ἐνθουσιασμός der Pythia beschreibt 5,165-169 tandemque potitus | pectore Cirrhaeo non umquam plenior artus | Phoebados inrupit Paean mentemque priorem | expulit atque hominem toto sibi cedere iussit | pectore ; s. auch Ps.-Longin 13,2, oben zit.). religiosae orationis sub testibus fides : „… als der Zuverlässigkeit eines durch Gewährsleute verbürgten Tatsachenberichtes“ ( cf. FEENEY 1991, 263: „sworn testimony under oath before witnesses“; spezifischer COURTNEY 2001, 182 : „testimony in a court case“ ). In einer Art Enallage ( statt e.g. quam religiosa ac sub testibus fidelis oratio ) wird hier das Epos selbst von der maßgeblichen Qualität des Werks vertreten, seiner fides. Die literarische Alternative zur ‚prophetischen Offenbarung‘ bildet die von Gewährsleuten bestätigte, wahrheitsgetreue Berichterstattung, insbesondere die historiographische Wiedergabe geschichtlicher Ereignisse ( quod longe melius historici faciunt ). Solche ‚Authentizität‘ reklamiert Plinius einmal als magna auctori fides bei der Wiedergabe einer ‚wahren Geschichte‘ ( ep. 9,33,1 materiam veram ). Umgekehrt lehnt sie Seneca im Prooem seiner apocol. ab ( 1,2 quis umquam ab historico iuratores exegit ?, „who ever demanded sworn referees from a historian ?“; übers. P.T. EDEN ; zit. PASCHALIS 2009, 112; s. auch nat. 4 b,3,1 ). Auch laut Eumolp dürfe der Leser bei der künstlerischen Gestaltung zeitgenössischer Themen eine solche ‚zeugnishafte‘ Wiedergabe nicht erwarten. Cicero verwahrte sich gegen entsprechende Kritik an seinem Epos Marius ( leg. 1,4 ; zit. S. 794 ). Ovid nahm potentiellen Kritikern den Wind aus den Segeln: niemand lese einen Dichter als Zeitzeugen ( am. 3,12,19 nec tamen ut testes mos est audire poetas ; s. auch S. 794 ; bei Cicero und Ovid rückt allerdings, anders als hier, der Autor selbst in die Rolle des ‚Gewährsmannes‘ ).

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religiosae : Zu religiosus cf. e.g. Cic. Brut. 44 rerum Romanarum auctorem … religiosissumum, und OLD s.v. 8b: „scrupulous with regard to accuracy or correctness“ ( auch ad loc.). Die höchst rare religiosa oratio kehrt noch einmal bei Ennodius wieder ( dictio 11 == CSEL 6, p. 459, 21f. insinuandum orbitatis miseratio, orationem religiosum commendat officium ). sub testibus : Das formelhafte sub testibus im Sinn eines coram testibus, „unter Berufung auf Zeugen“, ist hier das erste Mal belegt ; erst in der Spätantike kehrt es wieder ( neunmal allein bei Hilarius von Poitiers, und u.a. bei Augustin, Hieronymus, Sulpicius Severus oder Faustus von Riez, de grat. 1,12 ); cf. HSZ 279; PETERSMANN 160f. ; OLD s.v. sub 16 : „( w. ref. to authenticity, reliability, etc.) under the authority or guarantee of “. In der flavischen Ära findet sich wiederholt der Singular ; u.a. Val. Flacc. 7,418f. sic te sub teste remitti | fas mihi ?, „ist es rechtens, dass man mich so zurückschickt, vor deinen Augen ?“; Stat. silv. 2,3,76 ~ 5,3,227 te sub teste, „in deiner Gegenwart“ ~ „von dir bezeugt“; Ach. 2,153 nec duri tanto sub teste labores, „… angesichts eines solchen Zeugen“; Sil. Ital. 11, 608 ; Juv. 15,26 haec Ithacus nullo sub teste canebat, Odysseus erzählt seine ‚Märchen‘ „ohne Zeugen“ – alle seine Gefährten sind tot. fides : Zu fides als „Zuverlässigkeit“ cf. OLD s.v. 9a : „the quality of being worthy of belief, credibility“; Thes. VI 1, 683,14-27 „de dictis vel rebus fictis, quae ad credendum apta sunt“. Die Junktur orationis fides verwendet fast ausschließlich Cicero ( cf. de orat. 2,156 inminuit … orationis fidem sc. suspicio artificii ; 3,104 ; part. 44 ; Thes. IX 2, 885,14 f.; mit dem Dat. e.g. orat. 120 commemoratio … antiquitatis … et auctoritatem orationi affert et fidem ; s. auch Lucr. 1,400f. possum … fidem dictis conradere nostris ). tamquam, si placet : „wie zum Beispiel, wenn’s recht ist …“. Zu nachklassischem tamquam im Sinn von velut, „wie etwa, wie zum Beispiel“, cf. HSZ 597; PETERSMANN 288; OLD s.v. 3. – BÜCHELER ed.1 ad loc. erwog zwei Varianten: tamquam mihi placet hic impetus ( „fortasse mihi placet ut tanquam valeat exempli caussa “: „beispielsweise gefällt mir …“ ), oder alternativ videte itaque si placeat hic impetus. In beiden Fällen schließe das BC nahtlos an. hic impetus : „dieser Wurf “. Im Kontext literarischen Schaffens ( Thes. VII 1, 610,32-45 ) hat impetus im Wesentlichen zwei Bedeutungen: „ d e r i n n e r e S c h w u n g “ eines Autors/Redners bzw. des fertigen Werks ( cf. OLD s.v. 4 b, und e.g. Sen. contr. 4 praef. 9; Sen. nat. 3,27,13 tantum impetum ingenii et materiae im Œuvre Ovids; ep. 46,2 ; Tac. ann. 14,16,1 species ipsa carminum …, non impetu et instinctu nec ore uno fluens, „die äußere Form der Gedichte Neros, denen es an Schwung, Inspiration und einem homo-

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genen Stil fehlte“ ), öfter aber „ E i n g e b u n g , d i c h t e r i s c h e r I m p u l s , S c h a f f e n s d r a n g “ ( cf. OLD s.v. 5, und e.g. Ov. Pont. 3,4,21f. impetus idem | rebus ab auditis … venit ; 4,2,25 impetus ille sacer … vatum pectora nutrit ; Phaedrus 4,26,7; Sen. benef. 1,10,1 longius nos impetus evehit provocante materiā ; Quint. inst. 10,3,17 primo decurrere per materiam stilo quam velocissimo volunt et sequentes calorem atque impetum ex tempore scribunt, manche Redner werfen „in der Hitze und dem Impuls des Augenblicks“ einen Entwurf aufs Papier ; 10,7,17: der spontane „Geistesblitz“ während einer Rede; Stat. silv. 4,4,96; Suet. Aug. 85,2 tragoediam magno impetu exorsus ). Bisweilen kommt eine fast religiöse Note ins Spiel, e.g. Ov. fast. 6,5f. est deus in nobis, agitante calescimus illo : | impetus hic sacrae semina mentis habet ( hier gleicht der impetus dem ἐνθουσιασμός ; s. auch Pont. 4,2,25f. impetus ille sacer, qui vatum pectora nutrit eqs.). Anders RUDICH 1997, 228, der den Begriff hier als „Improvisation“ versteht. Impetus für das ‚fertige Werk‘ selbst ist nur hier belegt ( cf. Thes. a.O. 44 f. ad loc.: „meton. de opere poetico“ ). Dass dank seines turbulenten Charakters jenes Nomen bestens zu einem während eines Unwetters entstandenen Gedicht passe ( so CUCCHIARELLI 1998, 137; s.auch CONNORS 1995, 144 : „in calling his own poem an impetus, Eumolpus seems to highlight the violent side of his own poetic production“ ) oder als „militärische Metapher“ ironisch auf das BC vorverweise ( so BARNES 1971, 147 ), ist damit nicht gesagt. etiam si nondum recepit ultimam manum : Der Hinweis ist eines der stärksten Indizien für die Annahme, der „Entwurf “ ( impetus ) jenes „riesenhaften Werks über den Bürgerkrieg“ ( § 6 belli civilis ingens opus ) sei identisch mit den Versen, die Eumolp im Sturm „auf einen riesenhaften Bogen Pergament wirft“ ( 115,2 membranae … ingenti versūs ingerentem ) – und denen gleichfalls die ‚letzte Feile fehlt‘ ( 115,4 sinite me … sententiam explere ; laborat carmen in fine ; s. oben S. 659, sowie Bd. III, die Einleitung ). Dass der angeblich noch ausstehende ‚letzte Schliff‘ „nur die übliche eitle Bescheidenheit“ und „ein raffinierter Verfremdungseffekt“ sei ( so EHLERS ap. MÜLLER 3 528 ), mit anderen Worten, eine simple captatio benevolentiae, wird kaum glauben, wer sich an Eumolps wütende Proteste angesichts seines unfertigen Texts erinnert ( 115,1-5 ). Um Nachsicht mit seinen auf stürmischer See entstandenen Gedichten bittet Ovid ( trist. 1,11,918; zit. CUCCHIARELLI 1998, 137 Anm. 35 ). Wie manus summa oder manus extrema, beschreibt auch die manus ultima den Abschluss einer ( ursprünglich handwerklichen ) Arbeit oder Tätigkeit ( e.g. Ov. ars 3,226 aptius a summā conspiciēre manu, ~ „besser, man sieht dich erst fertig geschminkt“; met. 8,200f.; her. 16,117 imposita est factae … manus

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ultima classi, „letzte Hand wurde an die gebaute Flotte gelegt“; Sen. ep. 12,4 potio extrema … ebrietati summam manum inponit ; 71,28; 101,8; Plin. nat. 36,16 huic sc. Veneri summam manum ipse Phidias inposuisse dicitur ; cf. OTTO 212 s.v. manus 18 ). Nicht selten signalisieren solche Wendungen das Ende eines Kriegs ( Ov. rem. 113f. supremam bellis imposuisse manum sc. Philoctetes ; met. 13,403 imposita est sero tandem manus ultima bello ; Vell. Pat. 2,33,1; 2,87,1 ultimam bellis civilibus imposuit manum sc. Octavius; 2,88,1 ultimam bello Actiaco Alexandrinoque Caesar imponit manum ; zum Beginn eines Kriegs cf. Verg. Aen. 7,572f. extremam Saturnia bello | imponit regina manum ). Ovid verwendet sie in seiner Exilsdichtung wiederholt für seine Metamorphosen ( trist. 1,7,27-30 nec tamen illa legi poterunt patienter ab ullo, | nesciet his summam siquis abesse manum. | ablatum mediis opus est incudibus illud, | defuit et coeptis ultima lima meis ; 2,555f. quamvis manus ultima coeptis | defuit ; 3,14,21f. si non prius ipse perissem, | certius a summā nomen habere manu ; s. auch CARMIGNANI 2011 a, 175f. ). Auch sonst erscheinen sie – wie hier – in literarischen Kontexten ( cf. Cic. Brut. 126 manus extrema non accessit operibus eius, „der letzte Schliff fehlt Gracchus’ Werken“; Ov. Pont. 2,10,14 : Macer dichtet über den epischen Kyklos, ne careant summā Troica bella manu ; Plin. ep. 8,4,7; Gell. 17,10,5, über Vergil: quae reliquit perfecta expolitaque quibusque inposuit censūs atque dilectūs sui supremam manum ( „die letzte Hand seiner Prüfung und Auswahl“ ), omni poeticae venustatis laude florent ). Vom summam in eloquentiā manum imponere spricht Quintilian ( inst. 1 prooem. 4 : „in der rhetorischen Ausbildung letzte Hand anlegen“ ). Legendär ist Vergils Bitte, die Aeneis zu verbrennen, der eben jener „letzte Schliff“ fehle ( Donat Vita Verg. 35 anno aetatis quinquagesimo secundo inpositurus Aeneidi summam manum eqs.; s. ebd. 39-42 zur Verbrennung ). * : Nach manum signalisieren Lt eine Lücke ( cf. BÜCHELER ed.1 ad loc.). Ausgefallen ist höchstens eine überleitende Floskel des Erzählers, e.g. ac deinde ( carmen ) exorsus est ( cf. 61,5 ‚haec ubi dicta dedit‘, talem fabulam exorsus est ; s.auch VAN THIEL 1971, 49: „keine Lücke erkennbar“ ). Anders als im Fall der TH, die Eumolp aus dem Stegreif improvisiert ( cf. 89,1 itaque conabor opus versibus pandere, und Bd. I, S. 150 ad loc.), hat der Dichter hier einen ‚fertigen‘ Entwurf zur Hand – den er im Folgenden aber frei zu rezitieren scheint ( 124,2 cum haec Eumolpos ingenti volubilitate verborum effudisset ). Offenbleiben muss, wann er Gelegenheit hatte, die fast dreihundert Verse zu memorieren ( dass er den Text einstudiert habe, vermutet SLATER 2012, 262 ). Oder war er mit dem Gedächtnis eines Seneca maior oder eines Hortensius gesegnet ( cf. Cic. Brut. 301 memoria tanta,

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quantam in nullo cognovisse me arbitror, ut quae secum commentatus esset, ea sine scripto verbis eisdem redderet, quibus cogitavisset eqs.; s. auch Aug. conf. 10,8,15 magna ista vis est memoriae, … penetrale amplum et infinitum )?