Petronius satyrica 79-141 ein philologisch-literarischher kommentar Band 3: Bellum civile (Sat. 119–124) [Annotated] 3110582740, 9783110582741

Petrons Satyrica, einer der maßgeblichen fiktiven Texte der antiken Literatur, stehen seit den sechziger Jahren im Brenn

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Petronius satyrica 79-141 ein philologisch-literarischher kommentar Band 3: Bellum civile (Sat. 119–124) [Annotated]
 3110582740, 9783110582741

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Peter Habermehl PETRONIUS, SATYRICA 79 – 141 Band 3: Bellum civile (Sat. 119 – 124)

TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe

Herausgegeben von

Michael Dewar, Karla Pollmann, Ruth Scodel, Alexander Sens

Band 27 / 3

De Gruyter

PETRONIUS, SATYRICA 79 – 141 EIN PHILOLOGISCH-LITERARISCHER KOMMENTAR Band 3: Bellum civile (Sat. 119 – 124)

von

Peter Habermehl

De Gruyter

ISBN 978-3-11-058274-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-058459-2 ISSN 0563-3087 Library of Congress Control Number: 2021936030 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

PER

LAURA

questa sola fra noi del ciel sirena

Inhaltsverzeichnis Gratiarum actio Praktische Hinweise Abweichungen von MÜLLERs Teubneriana Bibliographie A. Mit Sigel oder Autor zitierte Literatur B. Satyrica – Editionen, Übersetzungen, Kommentare C. Sekundärliteratur ( Satyrica und allgemein ) Das Bellum civile ( Einleitung ) Lukan Das Personal der Pharsalia Die Pharsalia als ‚Anti-Aeneis ‘ Die Götter der Pharsalia Die Ursachen des Bürgerkriegs Das Bellum civile Der Aufbau des Bellum civile Die Ursachen des Bürgerkriegs ( BC 1-66 ) Die Götterwelt Caesar Der erzählerische Rahmen Das Anliegen des Bellum civile Eine politische Agenda ? Das Bellum civile ( Gliederung ) Vergil im Bellum civile Lukan im Bellum civile Zur Metrik Das Bellum civile ( Lesetext )

IX XI XI XII XII XV XVII

809 809 811 813 814 815 816 818 820 822 824 827 830 835 840 842 844 846 848

Kommentar ( und größere Exkurse ) BC 1-66 : Die Krise der Republik Kastration Zitrustische Luxusdelikatessen Cato

859 899 916 928 945

BC 67-125 : Dis und Fortuna Der Unterweltseingang Fortuna Der Bauluxus Die Schlachten des Bürgerkriegs

986 988 1010 1024 1071

BC 126-143 : Die Zeichen stehen auf Krieg Vorzeichen des Bürgerkriegs Kometen

1109 1109 1130

BC 144-208 : Caesars Alpenübergang Die Gigantomachie

1139 1218

BC 209-244 : Panik in Rom

1221

BC 245-295 : Der Krieg der Götter Die bösen Mächte Die Erinyen Furor Discordia

1287 1305 1310 1320 1338

Gratiarum actio Was ich vor Jahresfrist über die Rückkehr zu Petron geschrieben habe, bedarf keiner Wiederholung.1 Mit umso größerem Vergnügen knüpfe ich an die Danksagungen des zweiten Bandes an. Erleichtert haben meine Arbeit drei exzellente Kommentare jüngeren Datums : der von Natalie BREITENSTEIN zu Sat. 1-15 ( Berlin 2009 ), der Gesamtkommentar von Gareth SCHMELING und Aldo SETAIOLI ( Oxford 2011 ),2 sowie Giulio VANNINIs großer Wurf zu Sat. 100-115 ( Berlin 2010 ), der in jeder Hinsicht Maßstäbe setzt.3 Höchst hilfreich war auch das Füllhorn von Petroniana, Sonderdrucken wie Büchern, die in den vergangenen Jahren ihren Weg nach Berlin fanden. Gedankt sei dafür auch an dieser Stelle ( in der Hoffnung, niemanden vergessen zu haben ), Francesca Romana BERNO ( Rom ), John BODEL ( Providence, Rhode Island ), Alberto BORGHINI ( Turin ), Marcos CARMIGNANI ( Córdoba, Argentina ), Leonardo COSTANTINI ( Freiburg), Andrea CUCCHIARELLI ( Rom ), Basil DUFALLO ( Ann Arbor, Michigan ), Lowell EDMUNDS ( New Brunswick, New Jersey ), Thomas GÄRTNER ( Köln ), Peter GROSSARDT ( Leipzig ), Erik HAMER ( East Hampton, New York ), Gerlinde HUBER-REBENICH ( Bern ), Mario LABATE ( Florenz ), Paolo MONELLA ( Palermo ), Gareth SCHMELING ( Gainesville, Florida ), Aldo SETAIOLI ( Florenz ), Antonio STRAMAGLIA ( Bari ) und Heather WOODS ( Minneapolis, Minnesota ). Als Segen erwies sich die philologisch präzise, und zugleich erfrischend lesbare Neuübersetzung der Satyrica von Niklas HOLZBERG ( München ), die er mir freundlicherweise zukommen ließ. Gareth SCHMELING übersandte mir seinen exquisiten neuen Petron für die ‚Loeb Classical Library‘. Giulio VANNINI ( Florenz ) verdanke ich neben den Separata seiner Aufsätze v.a. seinen kongenialen Lustrum-Bericht, der unschätzbare Dienste geleistet hat. Mit den Publikationen ihrer rührigen Arbeitsgruppe zum römischen Roman an der Universidad de Buenos Aires versorgte mich 1 2 3

Cf. Bd. II, S. IX-X. S. meine Besprechung, Gymnasium 120, 2013, 361-363. S. meine Besprechung, Ancient Narrative 10, 2012, 133-140.

X

großherzig Josefina NAGORE ( † 2014 ). Aus einer lebhaften Korrespondenz erwuchs allmählich die Idee zu einem gemeinsamen Satyrica -Seminar am Rio de la Plata. Non ita dīs visum est … Dankbar gedenke ich auch der letzten Besuche bei Konrad MÜLLER ( † 2015 ) in Spiegel bei Bern. In archäologischen Fragen berieten mich Johanna FABRICIUS ( Berlin ), Christian KUNZE ( Regensburg ), Monika TRÜMPER-RITTER ( Berlin ), Ralf VON DEN HOFF ( Freiburg ) und Detlev WANNAGAT ( Rostock ), in historischen Angelegenheiten Ernst BALTRUSCH und Wilfried NIPPEL ( beide Berlin ). Licht ins Dunkel des antiken Hüttenwesens warf HansGeorg DETTMER ( Museumsbergwerk Rammelsberg bei Goslar ); in montanen Angelegenheiten erteilte Annina MÜHLEMANN vom Schweizer Alpen-Club in Bern kompetent Auskunft. Ein epigraphisches Rätsel löste Ulrike EHMIG ( Berlin ), ein alttestamentarisches Martin RÖSEL ( Rostock ). Einblick in unpublizierte Fahnen des Thesaurus gewährte dessen Generalredaktor, Michael HILLEN ( München ). Niklas HOLZBERG verdanke ich die willkommene Gelegenheit, die Einleitung dieses Bandes dem bajuwarischen Ableger der ‚Petronian Society‘ vorzustellen. Im Hause de Gruyter trugen Torben BEHM, André HORN, Benedikt KRÜGER, Katharina LEGUTKE und Florian RUPPENSTEIN Sorge um das Projekt ‚Petron‘. Stefano POLETTI ( Freiburg i.Br.) stellte seine Dissertation zur Verfügung, die in keiner Bibliographie erscheint, und von deren Existenz ich erst kurz vor Abgabe meines Manuskripts erfuhr. Seine umfängliche Exegese und sein Zeilenkommentar zu BC 1-155 zählen zum Besten, was über dieses Gedicht geschrieben wurde. In textkritischen Fragen konnte ich abermals auf Giulio VANNINIs kundigen Rat zählen, dessen neue Petronausgabe allmählich Gestalt gewinnt. Die Lektüre des gesamten Manuskripts haben Marcus DEUFERT ( Leipzig ), Widu-Wolfgang EHLERS ( Karlsruhe ) und Aldo SETAIOLI ( Florenz ) auf sich genommen. Vor wie vielen Versäumnissen und peinlichen Versehen ihr unbestechlicher Scharfblick mich bewahrt hat, wie oft ihre Hinweise dabei halfen, die Argumentation zu glätten oder zu schärfen, steht mir lebhaft vor Augen. Schwerlich wird man im Folgenden eine Seite finden, der die souveräne Kritik dieser vier Autoritäten nicht heilsam zugute kam. Ihnen allen sei auch an dieser Stelle von Herzen gedankt. Berlin, am 27. Februar 2021

Peter Habermehl

XI

Praktische Hinweise Zugrunde gelegt ist dem Kommentar die 1995 erschienene Teubneriana Konrad MÜLLERs ( für die Abweichungen von MÜLLERs Text s. unten ); nach ihr werden auch die Fragmente der Sat. zitiert. Im Kommentar nicht nachgewiesene Konjekturen finden sich in den edd. mai. BÜCHELERs und MÜLLERs. Angesichts des ‚eigenständigen‘ Charakters des Bellum civile ist diesem Band ausnahmsweise ein Lesetext beigefügt ( S. 848-857 ), ohne kritischen Apparat, jedoch mit einigen Hinweisen zu Lesarten und Konjekturen. Römische und griechische Autoren sind gemeinhin nach OLD und LSJ zitiert ; gelegentlich erscheinen ausführlichere Abbreviaturen. Die passim verwendeten Kürzel BC und TH stehen für das Bellum civile ( Sat. 119-124 ) bzw. die Troiae Halosis ( Sat. 89 ). Abweichungen von MÜLLERs Teubneriana 9 11 17 22 23 28 31 32 36 47 49 51 110 220 236 294

MÜLLER ed.4

Kommentar

Ephyre † cum † † accusatius † aerata ( BROUKHUSIUS ) nobilis ( Lücke am Versende ) ( überlieferte Versfolge ) circum venit esurit renovent ( Vers getilgt ) iam ( SCALIGER ) plebem ( BURMAN ) cremare ( auf 220 folgen 233-237; EHLERS ) ( Lücke am Versende ) humano

Ephyrae captum ( MAGNELLI ) attulerant ( BOUHIER, FUCHS ) aurata mobilis ( ohne Lücke ) ( Vers 28 nach 29 ) circumvenit extruit ( MÖßLER ) renovant ( DEUFERT ) ( Vers bleibt ) tam praedam armare ( GRONOVIUS ) ( überlieferte Versfolge )

Geänderte Interpunktion: 2 und 147f.

( ohne Lücke ) Romano ( CORNELISSEN )

Bibliographie Aufgeführt ist die im Kommentar zitierte Literatur (ausgenommen Standardkommentare zu antiken Autoren, die nach den Verfassern zitiert werden; vertraute Zeitschriftentitel sind nach den Sigeln der Année Philologique abgekürzt, ansonsten aber ausgeschrieben), ergänzt um einige Arbeiten von allgemeiner Bedeutung. Die Bibliographie in Band eins unterschied zwischen ‚Allgemeiner Sekundärliteratur‘ und solcher ‚zu den Sat.‘ Diese Trennung hat sich nur bedingt bewährt. Sie ist nicht allzu nutzerfreundlich, und zudem heikel – gerade bei Arbeiten, die innerhalb eines größeren Kontextes auch auf die Satyrica zu sprechen kommen. Ab Band II sind beide Kategorien vereint. Umfassend bibliographiert haben die Forschungsliteratur zu den Satyrica G.L. SCHMELING – J. H. STUCKEY, A Bibliography of Petronius, Leiden 1977; Martin S. SMITH, A Bibliography of Petronius (1945-1982), in : ANRW II 32.3, 1985, 1624-65; VANNINI 2007 ( 511 S.), und zuletzt Niklas HOLZBERG, Fiktionale antike Erzählprosa. Eine Bibliographie ( 2009, online ). Über die Jahre nach 2009 geben die Année Philologique sowie der regelmäßig erscheinende Petronian Society Newsletter Auskunft. A. Mit Sigel oder Autor zitierte Literatur (ohne Sat.–Ausgaben) ADAMS

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GUERLE

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Das Bellum civile bella truci memorata canore „Kriege, besungen in trutzigem Lied …“ ( Sat. 5,19 )

Als auf hoher See der Sturm ausbricht, und auf Lichas’ Schiff das Chaos, scheint nur einer die Contenance zu bewahren: der Dichter Eumolpus. Er zieht sich unter Deck zurück, wo er im Tosen der Winde, im Stampfen der See, inspiriert von der martialischen Wut der Elemente, ein Gedicht zu Papier bringt über den welthistorischen Waffengang zwischen Caesar und Pompeius.1 Lukan Die meisten Exegeten sind sich einig, dass Petrons Bellum civile ( Sat. 119124,1 ) als Reaktion ( genauer : als wohl erste uns bekannte Reaktion) auf einen der erfolgreichsten zeitgenössischen Texte zu lesen ist – Lukans gleichnamiges Epos.2 Das junge Ausnahmetalent aus Corduba erlebte einen kometenhaften Aufstieg, als erste poetische Lorbeeren ihm die Freundschaft des zwei Jahre älteren kunstbegeisterten Kaisers eintrugen. Wohl schon wenig später, beglänzt vom frühen Ruhm, begann er mit der Arbeit an seinem „Bürgerkrieg“.3 Das Sujet war so ungewöhnlich wie heikel. Denn thematisch gab es kaum Vergleichbares.4 Vor allem aber verlangte dieses Thema von seinem Autor fast unweigerlich eine Parteinahme – sei es als Plädoyer für die unterlegenen Republikaner um Pompeius und Cato, oder als Apologie oder gar Apotheose Caesars.5 Lukan wagte den Stich ins Hornissennest – und 1 2 3

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Zum erzählerischen Rahmen des Bellum civile ( kurz BC ) cf. S. 827-830. Cf. S. 830-835. Zur Rezeption Lukans cf. S. 814 Anm. 26. Lukans Bellum civile entstand in den fünf Jahren vor dem Selbstmord des Dichters im April 65 ( cf. AHL 1976, 352 f. ; FANTHAM 2011, 13 ). Erste Orientierung in der immensen Lukan-Bibliographie bieten AHL 1976 ; LIEBESCHUETZ 1979, 140-155 ; FEENEY 1991, 269-301 ; RADICKE 2004 ; ROCHE 2009 ; Tesoriero ( Hrsg. ) 2010 ; Asso ( Hrsg.) 2011. Um Verwechslungen vorzubeugen, erscheint im Folgenden für Lukans Epos meist der unhistorische Titel Pharsalia ( cf. Lukan 9,985 f. Pharsalia nostra | vivet ). Zur historischen Epik Roms und zur dichterischen Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg cf. Bd. II, S. 793. Die im frühen Prinzipat entstandenen Texte zum Bürgerkrieg deuteten die Ereignisse wohl meist aus augusteischer Perspektive ( cf. FANTHAM 1992, 4-7 ; ROCHE 2009, 3 ; J. D. REED, in : Asso ( Hrsg.) 2011, 21f. ). Bereits Horaz

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machte von den ersten Versen an keinen Hehl aus seinen Sympathien für die Verlierer der Geschichte. Die Pharsalia zeichnen ein düsteres Bild der späten Republik und des aus dem Bürgerkrieg hervorgegangenen Prinzipats. Bereits die drei Eingangsbücher, die Lukan noch öffentlich rezitierte, brechen den Stab über Caesar.6 Mit Buch sieben radikalisiert sich seine Position. In einer Generalabrechnung deutet er Pharsalos als Beweis, dass es keine Götter gebe ( 7,385-459; hier 7,445f. sunt nobis nulla profecto | numina ), oder ärger, dass ihnen Roms Schicksal gleichgültig sei ( 7,454 f. mortalia nulli | sunt curata deo ) 7 – und erklärt in einer fast blasphemischen Volte die Herrschaft vergöttlichter Caesaren zur Rache Roms an illoyalen Göttern ( 7,455-459 ). Über die Motive dieses Frontalangriffs auf den Stammvater der julischclaudischen Dynastie und die historischen Grundfesten des Prinzipats lässt sich nur spekulieren. Allerdings verkehrte der Neffe Senecas in den Kreisen des ( politisch de facto entmachteten) Senats, in denen republikanische Ideen und Ideale eine Renaissance erlebten. Mit Wehmut oder gar Wut gedachte man des verlorenen Gemeinwesens, feierte Cato als Märtyrer wahrer freiheitlicher Gesinnung und hegte mehr oder minder offene Ressentiments gegen das neue System. Lukans radikaler Blick auf die Geschichte war die Antwort auf die Sinnkrise der römischen Aristokratie, die für den Umbruch von der Republik zum Prinzipat einen hohen Preis gezahlt hatte.8

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warnte Asinius Pollio vor dem Thema ( c. 2,1,1-8, bes. 6 periculosae plenum opus aleae ), das leicht als Kritik am Prinzipat verstanden werden konnte ( cf. ROCHE 2009, 3 ). Im oppressiven literarischen Klima der flavischen Ära fand Lukan keinen Nachfolger – dafür aber eifrige Käufer ( AHL 1976, 80 f. ). Probleme bereitet vielen Exegeten der Lobpreis Neros ( 1,33-66 ; cf. FEENEY 1991, 298-301 ; FANTHAM 1992, 13 f. ; ROCHE 2009, 8 f.; Ch. MARTINDALE, in : Tesoriero ( Hrsg.) 2010, 275 f. ). Lukans Hymnus ist ernst gemeint ( wie antike Panegyrik generell ; cf. e.g. Hor. c. 1,2,45-52 ; Ov. trist. 2,155-178; Stat. Theb. 1,22-31; Sil. Ital. 3,625-629 ; s. auch Sen. dial. 11,12,3-13,2 ). Doch das Epos hebt ihn im Folgenden förmlich auf. Die eingangs verheißene Wiedergeburt Roms wird nirgendwo greifbar – überall hingegen Italiens Niedergang, und die Versklavung eines freien Volks. Von Anfang an stehen die Götter auf der moralisch schlechteren Seite – der des künftigen Kaiserhauses ( 1,128 victrix causa deis placuit, sed victa Catoni ). Nach Kriegsende nahm Cicero Lukans Theologumenon zähneknirschend vorweg ( Lig. 19 melior sc. Caesaris pars iudicanda est, quam etiam dī adiuverunt ). Viel zitiert wurde F. MARX’ Bonmot über Lukans Epos als dem „Parteigedicht der Opposition“ gegen das Kaisertum ( RE I 2, 1894, 2229 ).

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Gleich der erste Vers des Epos nennt die damaligen Ereignisse bella … plus quam civilia, „Kriege jenseits von Bürgerkriegen“ – da sie alle früheren Bürgerkriege verblassen lassen. Denn nicht eine Partei besiegte die andere – in einer Art kollektivem politischen Selbstmord richtete die res publica sich selbst ( 1,2f. populum … potentem | in sua victrici conversum viscera dextrā ).9 Der Untergang der Republik wird zur Geburtsstunde des Prinzipats, dem fast systemimmanent der Konflikt zwischen zwei fundamentalen politischen Prinzipien innewohnt, Freiheit und Kaisertum, oder, in Lukans Worten, der ‚Zweikampf ‘ zwischen dem ‚Gladiatorenpaar‘ Libertas und Caesar ( 7,695f. par quod semper habemus, | Libertas et Caesar ) – wobei Caesar nicht nur Pompeius’ Gegenspieler meint, sondern auch ( als Titel ) Roms künftige Monarchen. Das Personal der Pharsalia Drei Protagonisten beherrschen in den Pharsalia das Geschehen: Caesar, Pompeius und Cato. Caesar wird fast plakativ dämonisiert. Eiskalt greift er nach der Alleinherrschaft, die Fortuna ihrem Liebling verheißt.10 Das Leben seiner Soldaten gilt ihm nichts ( 5,339-343 ); sein Schmerz über Pompeius’ Tod ist nur geheuchelt ( 9,1035-46 ); umso unverhohlener frönt er seiner Grausamkeit.11 Er ist ein Tyrann, der den Tragödien Senecas entstiegen scheint, ein skrupelloser Machtmensch, ja „die Inkarnation des Bösen schlechthin“.12 Von Anfang an steht er im Zentrum der Ereignisse. Caesars eigener Bürgerkriegsbericht beginnt mit den dramatischen Senatssitzungen Ende 50 / Anfang 49 v.Chr., die ihm den Krieg ‚aufzwangen‘ (cf. S. 1363f. und 1366 ). Lukans Erzählung hingegen setzt später ein, am Rubikon, den Caesar entgegen der bitteren Mahnung der Patria überquert, und mit der Einnahme Ariminums. Bereits seine ersten Auftritte entlarven ihn als Aggressor, der Roms Freiheit beerdigt.

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Cf. LINTOTT 1971, 247. Die alte Republik war unwiederbringlich verloren – auch wenn sie nach offizieller Lesart ‚wiederhergestellt‘ war ( e.g. Vell. Pat. 2,89,3 f. finita … bella civilia, … revocata pax, sopitus ubique armorum furor, … prisca illa et antiqua rei publicae forma revocata ). Ein Sieg der Senatspartei hätte daran nichts geändert ( cf. Lukan 2,320-322 ). U.a. 1,226 te, Fortuna, sequor ; 5,301-303. 509 f. 592 f. ; cf. WEINSTOCK 1971, 112-116. U.a. 2,439-446 ; 3,360-372 ; 7,557-581 ; 7,786-803. BURCK – RUTZ 1979, 182.

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Sein zerstörerisches Potential unterstreichen einprägsame Metaphern. Caesar schlägt in die Geschichte ein wie ein Blitz, der Pompeius’ altersschwache Eiche gnadenlos zerschmettert.13 Andere Passagen setzen Pompeius mit Eis und Wasser gleich, das Caesars ‚Feuer‘ weichen muss: der Imperator bezwingt erst die vereisten Alpen ( 1,183 iam gelidas Caesar cursu superaverat Alpes ), danach den reißenden Rubikon, der sich bei Lukan ( geographisch unkorrekt ) aus alpinen Schmelzwassern speist.14 Gebirge und Fluss verschmelzen zu e i n e r großen Grenze, die Caesar verletzt, real – und als Symbol für die Grenzüberschreitung des Bürgerkriegs. Sein Gegenspieler Pompeius, verweichlicht von langen Jahren der Muße und verlassen vom früheren Glück, ist nur noch ein Schatten einstiger Größe.15 Dass auch seine politische Agenda nicht über jeden Zweifel erhaben ist, macht ausgerechnet Cato klar : auch Pompeius liebäugele mit der Alleinherrschaft ( 2,320-322 ).16 Doch viel zu lange schon ergibt sich Roms ehemaliger primus inter pares der Trägheit, getrieben allein von den Ereignissen und seiner Entourage. Als ‚Akteur‘ erscheint er in Buch eins nur einmal, reduziert auf einen vernichtenden Ablativus absolutus: Pompeio fugiente timent ( 1,522 ), „Pompeius kneift – und Rom verfällt in Panik.“ 17 Doch Pompeius durchlebt eine unerwartete Entwicklung. Seine Niederlage wird seine Rettung, ja sie macht ihn im Rückblick zum moralischen Sieger. Denn Pharsalos bewahrt ihn vor der Gefahr, zum Kriegsverbrecher zu werden wie Caesar. Und er begreift seine Rolle in diesem Konflikt: gemeinsam unterzugehen mit der Republik. In seiner Todesstunde am Strand von Ägypten zeigt er Haltung – und bewährt sich so im Angesicht der Nachwelt. Sein Märtyrertod rehabilitiert ihn.18 Den Dritten im Bunde, Cato, feiern die Pharsalia als Patrioten und tugendhaften Leuchtturm der Senatspartei, der die Freiheit Roms kompro13 14 15

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In stimmiger Reihenfolge schildert Lukan erst die Eiche ( 1,136-143 ), dann den Blitz ( 1,151-157 ; s. auch FANTHAM 1992, 30 ). Cf. J. A. ROSNER-SIEGEL, in : Tesoriero ( Hrsg. ) 2010, 188f. 2,699-701. 725-736. Zu Pompeius cf. AHL 1976, 156-175. Pompeius’ Schwäche wird zum Symbol für die Schwäche der Republik, „for the republic too is old before its time, senile and ready to collapse“ ( AHL 1976, 157 ). So urteilten auch Zeitgenossen ( e.g. Cic. fam. 4,9,2 ). Pharsalia I zeigt Pompeius konstant auf dem Rückzug bzw. auf der Flucht ( FANTHAM 1992, 26 ; s. auch seine mutlose Rede 2,526-609 ). Catos Nekrolog feiert Pompeius als einen Politiker, der fast die unumschränkte Staatsgewalt erlangt hatte, jedoch dem Staat gegenüber loyal blieb ( 9,190214 ). Zuletzt adelt ihn eine Apotheose: als Geistwesen fährt er auf in den Himmel ( 9,1-18 ).

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misslos verteidigt. Nicht den Kaisern – ihm, dem wahren „Vater des Vaterlandes“, gebührt die Apotheose.19 Vor allem nach Pompeius’ Ermordung wird er zur letzten Hoffnung der Republik und wächst in der Wüste Libyens über sich hinaus. Sein Freitod schließlich ( Catonis | nobile letum ; Hor. c. 1,12,35f. ) wird zur vernichtendsten Anklage des neuen autokratischen Regimes.20 Die Pharsalia als ‚Anti- Aeneis ‘ Wie viele Exegeten zurecht betonen, sind die Pharsalia ein Gegenentwurf zum ( zumindest an der glänzenden Oberfläche ) affirmativen Geschichtsbild der Aeneis. Als Gründungsdokument des Prinzipats feiert Vergils Epos Roms Geburt in einer Erzählung, die vorausblickt und hinausläuft auf das augusteische Reich. Von der legendären Vergangenheit führt ein klar konturierter Weg in die Gegenwart und mündet in einem Goldenen Zeitalter, mit dem alle Geschichte endet.21 Dieser Aetas aurea geht der Bürgerkrieg voraus, den auch Vergil als kosmischen Konflikt begreift.22 Doch mit seinem Sieg bei Actium stellt Augustus die Weltordnung wieder her ( aus gutem Grund rückt die Schildbeschreibung als kosmische Ikone die Seeschlacht ins Zentrum: Aen. 8,675713 ). Lukan hingegen verwirft Vergils versöhnlichen Mythos von Roms großer Vergangenheit und größerer Zukunft, die kanonischen Prophezeiungen einer göttlich autorisierten Geschichte. Caesars Sieg bedeutet nichts anderes als den Untergang aller republikanischen Werte. Und die Bürgerkriege enden nicht mit Caesars Machtergreifung und Augustus’ Prinzipat – letztendlich heben sie Despoten vom Schlage Neros auf den Thron. Lukan sagt sich los von Vergils teleologischer Geschichtsdeutung.23

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9,601-604. An Cato werden in den Pharsalia alle gemessen. Zu Lukans Cato cf. bes. PECCHIURA 1965, 75-86 ; AHL 1976, 231-279. 316-326. Der überzeugendsten These zufolge sollte das Epos, das im 10. Buch abrupt abbricht, zwölf Bücher umfassen und in Catos Freitod gipfeln ( so u.a. BURCK – RUTZ 1979, 162 f.; cf. AHL 1976, 306-326 ). Auch für Seneca wäre in einem Gedicht über den Bürgerkrieg Cato der Held ( ep. 95,69f. ). HARDIE 1993, 1-3. S. auch CONNORS 1998, 104-106 : nach dem Ende des latinischen ‚Bürgerkriegs‘ stiftet Aeneas als Prototyp des Princeps eine neue Ordnung, die im Keim das Kaisertum in sich birgt. Die Geburt des Prinzipats aus dem Chaos der Bürgerkriege ist das Telos der Aeneis. Georg. 1,461-514 ( s. auch FANTHAM 1992, 7 ). CONNORS 1998, 104-106. Cf. BURCK 1971, 51 : Lukan „setzt der Aeneis Vergils, dem Gründungsepos der Römer, das Untergangsepos Roms entgegen“.

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Die Götter der Pharsalia Dieser desillusionierte Blick auf die Geschichte war wohl der entscheidende Grund, warum Lukan mit einer seit Homer vertrauten Tradition brach, die auch im historischen Epos Fuß gefasst hatte.24 Die Pharsalia verzichten auf eine klassische Zutat des Epos: den Götterapparat – und verwischen so die etablierte Grenze zwischen Heldenlied und Historiographie. Den mythologischen Überbau des republikanischen und augusteischen Epos sucht man vergebens; kein Olympier greift in das irdische Geschehen ein und kämpft für oder gegen das Telos der römischen Geschichte: die Hegemonie über die Mittelmeerwelt.25 Als viel kritisierter Ikonoklast 26 verwirft Lukan das theologische Fundament des klassischen Epos, und bricht mit Vergils Vorstellung von Schicksal und Götterwelt. In der Aeneis verbürgen sich Juppiter und das Fatum für Roms künftigen Siegeszug. Lukan hingegen macht die Olympier verantwortlich für den tragischen Fall der Republik. Nirgendwo wirken gerechte Götter oder eine wohltätige Fortuna. Im Gegenteil: der Himmel zürnt Rom ( 2,1f. iamque irae patuere deum, manifestaque belli | signa dedit mundus ). Die Tragödie von Pharsalos aber belegt, dass die Götter ohnmächtig, oder dass die Menschen ihnen gleichgültig sind. Oder es gibt keine Götter.27 24

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ZIEGLER führt diese Neuerung auf hellenistische Autoren zurück ( 2 1966, 2528 ). Dank des Götterapparats ließen sich die Erfolge eines Herrscherhauses theologisch deuten und legitimieren ( ebd. 67 ). In Ciceros Consulatus suus tritt Urania auf ( s. auch Juppiters Rede über Caesar, Ov. met. 15,760-851 ). Zu Lukans Verzicht auf den Götterapparat cf. E. FRAENKEL ( 1927 ), in : Rutz ( Hrsg.) 1970, 37 f.; A. THIERFELDER ( 1934 ), ebd. 52-54 ; O. SCHÖNBERGER ( 1958 ), ebd. 492-496 ; AHL 1976, 68 f.; HÄUßLER 1978, 96-98 ; BURCK – RUTZ 1979, 187-190 ; FEENEY 1991, 269-301 ; WIENER 2010, 157-159. Eine Rolle mag auch Lukans Lehrer gespielt haben, L. Annaeus Cornutus, der überzeugt war, die Mythologie der Dichter verfälsche die ursprüngliche Botschaft des Mythos ( cf. A. SETAIOLI, IJCT 10, 2004, 358 f.). Zu den wichtigsten antiken Rezeptionszeugnissen zu Lukan zählen Quintilian, der ihn in die Nähe der Rhetorik rückt ( inst. 10,1,90 Lucanus ardens et concitatus et sententiis clarissimus et … magis oratoribus quam poetis imitandus ), Statius, der ihm postum ein Geburtstagsgedicht widmet ( silv. 2,7 ; cf. H. J. VAN DAM 450-455 ad loc.; C. NEWLANDS, in: Asso ( Hrsg.) 2011, 435-451 ), sowie Martial ( 7,21-23 ; 14,194 ‚LUCANUS‘ : Sunt quidam qui me dicant non esse poetam : | sed qui me vendit bybliopola putat ). Zu der verbreiteten, bis in die Spätantike prominenten Einschätzung Lukans als ‚historischen Autors‘ ( so u.a. bei Sueton ) cf. Bd. II, S. 766.

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Umso aktiver arbeiten finstere Mächte am Untergang der Republik. An die Stelle des Olymps tritt das verhängnisvolle Fatum, assistiert von Fortuna und ihrem Favoriten Caesar.28 Breiten Raum gewährt Lukan zudem den dunklen Seiten römischer religio. Es gibt eine Unterwelt ; und wir hören von Zauberei und Nekromantie, von Prodigien und Orakeln, von Astrologie und Traumerscheinungen und einem veritablen Kaleidoskop paranormaler Aktivitäten.29 Die Ursachen des Bürgerkriegs Die finsteren Mächte, die bei Lukan im Hinter- und Untergrund operieren, sind freilich v.a. als Metaphern zu verstehen. Lukan ist Rationalist genug, den Ausbruch des Bürgerkriegs historisch zu erklären, mit den Verhältnissen in der späten Republik. Er unterscheidet dabei zwischen „Kriegsursachen“ ( 1,158-182 publica belli | semina eqs.) und konkreten „Auslösern“ ( causae ). Letztere verantwortet das politische Personal ( 1,84-157 ; cf. 1,67 causas tantarum … rerum ; 1,158 hae ducibus causae ) – allen voran das Triumvirat, und insbesondere Caesars und Pompeius’ eifersüchtige Konkurrenz um die Alleinherrschaft.30 Nach Crassus’ und Julias Tod kam es unweigerlich zum Bruch, der die Republik ins „kollektive Unglück“ stürzte ( 1,6 in commune nefas ). Lukan beschreibt das Phänomen aber auch abstrakt, als selbstverschuldeten Kollaps einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft.31 Entfällt die Bedrohung von außen, sucht sich der politische Ehrgeiz der Römer ein Ventil im Innern. So besehen, war der Bürgerkrieg im Grunde unvermeidlich. Die „Ursachen“ des Kriegs ( belli semina ) wurzeln tiefer. Die sozialen, politischen, moralischen Verwerfungen, die z.T. noch in der Kaiserzeit virulent waren, reichen zurück in die Zeit nach den punischen Kriegen, als 27

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S. oben S. 810. Lukans Theologie ergibt freilich kein kohärentes Bild. In vielen Passagen stehen ‚Zufall‘ und ‚Schicksal‘ fast willkürlich nebeneinander. Letztlich bleibt offen, ob die Götter oder die stoische Vorsehung den Untergang der Republik verantworten, oder ob purer Zufall die Welt beherrscht ( cf. FEENEY 1991, 279-284 ; FANTHAM 1992, 10 ). Zu Lukans Fortuna cf. bes. FRIEDRICH 1938, 81-89 ; J. BRISSET, Les idées politiques de Lucain, Paris 1964, 53-65. Cf. COLLIGNON 210 ; SCHETTER 1978, 68. Die Patria und die Erinye treten persönlich auf ( 1,185-194 bzw. 1,572-577 ). Zum Triumvirat cf. S. 970. 1,70-82 ( cf. S. 1018 f. ). Diese Passage erhöht den Bürgerkrieg zur kosmischen Katastrophe : die Auflösung der menschlichen Gesellschaft stürzt das Universum ins Chaos ( cf. LAPIDGE 1979, bes. 309 f.; ROCHE 2009, 28. 33 ).

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Roms militärischen Erfolge ungeahnte Reichtümer nach Italien spülten. Die Kritik an der gesellschaftlichen Entwicklung im Kielwasser jener Eroberungen hat Tradition. Bereits Sallust und Livius deuten den Bürgerkrieg als Folge der Probleme, die im öffentlichen Leben grassieren: Konkurrenzdruck, korrupte Institutionen, manipulierte Wahlen, massive Verschuldung weitester Kreise.32 Doch ungeachtet aller ökonomischen und politischen Faktoren war die Krise, die Rom heimsuchte, für Lukan im Kern eine moralische.33 Sitte und Gesetz waren nur noch ‚die Schatten großer Namen‘.34 Das Bellum civile Eumolps Epyllion gliedert sich organisch in zwei fast gleich lange Handlungsstränge : die Zeit vor dem Krieg ( 1-143 ), und den Kriegsausbruch ( 144-295 ). Beide teilen sich wiederum in je drei Abschnitte von variierender Länge.35 Ohne Proöm oder Musenanruf beginnt der Text mit einer Art Inventur der aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Krise der Republik ( 1-66; cf. S. 859 ).36 Gegen diese Krise hilft nur ein radikaler Aderlass – Krieg : „Das in diesem Unflat versunkene, vom Schlaf betäubte Rom, welche Künste konnten es auf wirksame Weise wachrütteln, wenn nicht Ra32

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Cf. Sall. Cat. 10-13 ; Liv. 1 praef. 9. 11 f. Bereits Poseidonios machte für Roms inneren Niedergang das Ende Karthagos verantwortlich ( cf. KROLL 1933, 30, und allgemein LINTOTT 1972 ; EDWARDS 1993, bes. 1-33; ferner E. BALTRUSCH, RAC 23, 2010, 718-724 s.v. Luxuskritik : Rom ). Cf. LINTOTT 1971, 253. Cf. Lukan 1,135 magni nominis umbra ( sc. Pompeius ). SETAIOLI, Nugae 8-10 charakterisiert das BC so kurz wie prägnant ( s. auch S. 840 f. den inhaltlichen Überblick ). „A strange beginning for an epic poem by a poet who wishes … to make his poem on the Civil War seem divinely inspired ( Sat. 118,6 ).“ ( CONNORS 1989, 63 ). Ohne Eumolps Vorgabe ( 118,6 ecce belli civilis ingens opus ) erwartete nach diesem Auftakt kein Leser ein Bürgerkriegsepos ( SLATER 1990, 194 f. ). In gewisser Weise ersetzt die Schilderung von Roms innerem Verfall ( 1-66 ) als Prämisse des Kriegs allerdings ein Proöm. Wohl kaum zufällig ist dieser Abschnitt ebenso lang wie Lukans Eröffnung ( 1,1-66; so bereits SOUBIRAN 1987, 60 ) – die gleichfalls neue Akzente setzt, wenn sie auf Götter und Musen verzichtet und den Kaiser zur Inspiration erklärt ( cf. FEENEY 1991, 272 f. 275 ). Sechsundsechzig Verse umfasst nicht zuletzt Horazens Bürgerkriegslied ( epod. 16; so YEH 2007, 123 f.; zum ‚Vorbild Horaz‘ cf. Sat. 118,5 ).

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serei und Krieg und die vom Schwert angestachelte Blutlust ?“ ( 58-60 hōc mersam caeno Romam somnoque iacentem | quae poterant artes sanā ratione movere, | ni furor et bellum ferroque excita libido ? ). An diesem Punkt rücken unvermittelt die drei Akteure in den Blick, die den Krieg auf den Weg bringen – Crassus, Pompeius und Caesar. In einem räumlichen wie zeitlichen Zoom, der zugleich die wachsende historische Bedeutung der Ereignisse spiegelt, schildert ein Trikolon den Tod der drei Triumvirn im Partherreich, in Ägypten und in Rom: „Drei Heerführer hatte Fortuna hervorgebracht, die allesamt weitab voneinander unter Bergen von Waffen begrub die verderbenbringende Enyo. Crassus ist Beute der Parther, im libyschen Meere liegt Magnus, Julius überströmte mit seinem Blut das undankbare Rom. Und als könne die Erde so viele Tote nicht tragen, verteilte sie die Asche.“ ( 61-66 tres tulerat Fortuna duces, quos obruit omnes | armorum strue diversā feralis Enyo. | Crassum Parthus habet, Libyco iacet aequore Magnus, | Iulius ingratam perfudit sanguine Romam eqs.). Die epische Handlung beginnt mit einer Szene in der chthonischen Gräber- und Todeslandschaft der campi Phlegraei, in der sich zwei göttliche Wesen treffen: der Herr der Unterwelt und Fortuna ( 67-125 ). Dis macht seinem Zorn über Rom Luft, das die Grenzen des Kosmos verletze und sich selbst zugrunde richte. Um dem Chaos Einhalt zu gebieten, fordert er Fortuna auf, die Republik in einen Bürgerkrieg zu stürzen und die Unterwelt mit Toten zu fluten: „Drum auf, Fortuna ! Verwandle die friedliche Miene in Krieg und hetze die Römer auf und fülle mein Reich mit Toten ! Längst schon laben wir nicht mehr mit Blut unsere Kehlen, und nicht badete meine Tisiphone die lechzenden Glieder, seit Sullas Schwert Blut trank und die Erde entsetzt zutage brachte blutgenährte Feldfrucht.“ ( 9499 quare age, Fors, muta pacatum in proelia vultum | Romanosque cie ac nostris da funera regnis. | iam pridem nullo perfundimus ora cruore, | nec mea Tisiphone sitientes perluit artus, | ex quo Sullanus bibit ensis et horrida tellus | extulit in lucem nutritas sanguine fruges ). Mit anderen Worten: wie der Erzähler, verordnet auch Dis der kranken Republik einen gewaltigen Aderlass. Seine Klage trifft auf offene Ohren. Schon längst bereut Fortuna ihre einstige Gunst, die Rom zum Imperium erhob, und sie verspricht Dis nicht nur zahllose Tote, sondern den Untergang der Stadt. In einem vaticinium ex eventu prophezeit sie die entscheidenden Schlachten des bevorstehenden Kriegs, gipfelnd in Actium ( 111-115 ). Ein Blitz Juppiters und eine ganze Serie von Vorzeichen besiegeln ihre Worte (122-140 ). Und wie die folgenden Verse verraten, gehen die Omina in Erfüllung : Caesar setzt sich in Marsch ( 141-143 ).

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Die zweite Gedichthälfte beschreibt den Kriegsausbruch. In fast epischer Breite, und dramatisch im Tonfall, schildert sie zunächst Caesars Weg über die Alpen ( 144-208 ). Nach einer atmosphärisch dichten Ekphrasis der Passhöhe und einer Ansprache Caesars an sein Heer ( gefolgt von günstigen Vorzeichen) beginnen der Abstieg nach Italien – und die Schwierigkeiten. Denn das vereiste Terrain stellt Truppen und Tross vor die größten Probleme. Zu allem Unglück bricht ein apokalyptisches Unwetter über sie herein. Nur einer trotzt dem Chaos wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung – der gottgleiche Imperator, der ungerührt aus der Eiswüste herabsteigt, seine von den Göttern gesegnete Mission fest im Blick ( 203-208 ).37 Die Reaktionen auf sein Nahen lassen nicht auf sich warten. Als Fama in Rom ihre Halbwahrheiten ausstreut, bricht Panik aus, und viele fliehen – auch die Konsuln und Pompeius ( 209-244 ). Doch nicht einmal vor der Götterwelt macht der Krieg halt ( 245-295 ). In fast allegorischen Bildern lösen sich die stabilisierenden politischen Kräfte auf und das Chaos gewinnt die Oberhand: Pax, Fides, Justitia und Concordia ziehen sich in die Unterwelt zurück, ihre dunklen Widersacher ( unter ihnen Vergils Furor ) steigen von dort empor. Während der Kosmos wankt, ergreifen die Olympier Partei in dem Konflikt. Zuletzt betritt Concordias Gegenspielerin die Bühne, Discordia, die Zwietracht, und entfacht mit prophetischen Worten und Befehlen an die Völker und Führer die längst schwelende Glut zum Flächenbrand. Der Aufbau des Bellum civile 38 In seinem Aufbau, gerade in der Disposition des historischen Materials, zeigt das BC klare Parallelen zum ersten Buch der Pharsalia ( was kaum überrascht, orientieren sich doch beide an den realen Ereignissen und deren Darstellung in der zeitgenössischen Historiographie ): 39 1.) Ursachen 37

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Zwei verwandte Szenen schildert Lukan: in einem heiligen Hain fällt Caesar eine riesige Eiche ( 3,399-449, nach Ov. met. 8,738-776 ; wohl ein Verweis auf das Pompeius-Gleichnis ; s. S. 812 ) ; im Seesturm trotzt er übermächtigen Elementen ( 5,504 -702 ; cf. Bd. II, S. 605 ). Zur Struktur des BC cf. S. 840 f., und BALDWIN 1911, 112 ; STUBBE 78-81 ; BARNES 1971, 121-123 ; BURCK 1979, 202 f. ; CONNORS 1989, IV ; COURTNEY 2001, 184 f.; SCHMELING – SETAIOLI 453 f. ; CANALI – STUCCHI 2014, 175 f. Cf. u.a. COLLIGNON 191-195 ; G. P. GOOLD ap. BARNES 1971, 113-115 ; ROSE 1971, 87 f. ; SOUBIRAN 1987, 60-62 ; CANALI – STUCCHI 2014, 176 f. – Zu Lukans historischen Quellen cf. FANTHAM 1992, 19 f.; RADICKE 2004 ; ROCHE 2009, 43.

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des Bürgerkriegs ( Lukan 1,67-182 ~ BC 1-66 ); 2.) Caesars Invasion in Italien ( Lukan 1,183-465 ~ BC 144-208 ); 40 3.) Reaktionen in Rom ( Lukan 1,466-695 ~ BC 209-244 ).41 Auch auf der Ebene der Erzählstruktur teilen sich die beiden Texte eine Reihe von Motiven und Eigenheiten. Beide arbeiten mit raschen, wohlkalkulierten Szenenwechseln und präsentieren jeweils mehrere Reden im typischen Umfang von zwanzig bis dreißig Versen. Beide Texte greifen zu rhetorischen und poetischen Komponenten wie Ekphraseis, mythischen Vergleichen, Gleichnissen, Aphorismen, Omina und Vorzeichen, Wetterkatastrophen, psychologischen Analysen, auktoriellen Kommentaren ( e.g. BC 19 und 58-60 ).42 Ein Markenzeichen Lukans ist die persönliche, subjektive Erzählweise des Autors, der sich „beständig mit empörten und teilnehmenden Fragen, Ausrufen und Anreden sowie mit leidenschaftlich bewegten Zwischenreden einschaltet“.43 Was unmittelbare Kommentare angeht, gibt sich der Erzähler des BC bedeckter ( 238 quid tam parva queror ? ; 243 pro pudor ). Andererseits machen sein Bericht über die Zustände in Rom ( 1-60, bes. 13 ecce aliae clades et laesae vulnera pacis ; 19 heu, pudet effari perituraque prodere fata ) oder der zynische Kommentar zu Pompeius’ Flucht ( 238-244 ) kein Geheimnis aus seinem Urteil über die Zeitläufte. Auch innerhalb des BC selbst teilen sich die beiden großen Handlungsstränge ‚Vor dem Krieg‘ ( 1-143 ) und ‚Kriegsausbruch‘ ( 144-295 ) mehrere Parallelen im Aufbau. Beide beginnen mit einer fast gleich langen Ekphrasis ( 67-75: der Unterweltseingang ; 144-151: der Alpenpass; neun bzw. acht Verse ) sowie einer gleich langen Rede ( 79-99 Dis; 156-176 Caesar ).44 In beiden Partien folgen den Worten göttliche Vorzeichen ( 122-125 Juppiters Blitz; 177-182 die omina laeta ). In beiden ergreift Caesar im Anschluss an die Vorzeichen die Initiative ( 141-143 Aufbruch aus Gallien; 183-208 Abstieg von den Alpen).45 Beide Handlungsstränge enden mit verbindlichen Verweisen auf den bevorstehenden Kriegsaus40 41

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Der Szene am Rubikon ( Lukan 1,183-227 ) entspricht Caesars Auftritt in den Alpen ( BC 141-155 ). Zu Caesars Reden bei Lukan und im BC cf. S. 1156-59. Wie in der historiographischen Tradition, folgen auf die Invasion bei beiden Dichtern die Gerüchte ( 1,469-486 ~ BC 209-217 ) und die Flucht aus Rom ( 1,486-522 ~ BC 218-244 ). Cf. FANTHAM 1992, 229 ; ROCHE 2009, 45-47. SCHETTER 1978, 68. Beide Reden umfassen je 21 Verse, die Fortunas 19 Verse. Die Flucht aus Rom ( 209-244 ) und der Krieg der Götter ( 245-295 ) haben im ersten Handlungsstrang keinerlei Entsprechung.

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bruch ( 126-140 die Vorzeichen; 283-294 Discordias Imperativ ) 46 und dem lapidaren Vermerk, dass die Vorzeichen bzw. Discordias Aufruf sich erfüllen ( 141-143 haec ostenta brevi solvit deus eqs. ~ 295 factum est in terris, quicquid Discordia iussit ). Die Ursachen des Bürgerkriegs ( BC 1-66 ) 47 Die Weltmacht Rom beutet den Globus aus. Immense Reichtümer gelangen nach Italien; unzählige Luxusgüter werden importiert, die in der Bevölkerung immer neue Bedürfnisse wecken und die Nachfrage anheizen. Das BC nennt exemplarisch vier Bereiche, in denen sich diese Veränderungen symptomatisch manifestieren : das Amphitheater, das Sittenleben, die Wohn- und die Tafelkultur.48 Das Lied kartographiert eine veritable ‚Weltkarte des Luxus‘: korinthische Bronze, numidisches Tuch, arabische Gewürze, Raubkatzen aus Kleinasien und Afrika, chinesische Seide.49 Und es notiert nicht nur die Auswirkungen des Konsums in der Kapitale, sondern auch an den Rändern des Reiches: unter Roms Dekadenz leiden selbst abgelegene Regionen Asiens und Afrikas. Modern formuliert: es dokumentiert die ökologischen Folgen von Roms Raubbau.50 Der Verfall der Sitten, der mit dem Luxus einhergeht, vergiftet das politische Klima. Korruption durchdringt und lähmt alle Bereiche des öffentlichen Lebens. An der Symbiose bestechlicher Politiker und käuflicher 46

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Ein Detail unterstreicht diesen Befund. Sowohl der Prodigienkatalog als auch Discordias Appell enden mit Blut, das die Erde tränkt ( 140 sanguineoque recens descendit Iuppiter imbre ~ 294 Thessalicosque sinus Romano sanguine tingue ). Der Text spart nicht mit Hinweisen, wieviel Blut dieser Bürgerkrieg kosten wird. Cf. BALDWIN 1911, 21 f.; GRIMAL 1977, 44-97 ; HÄUßLER 1978, 134 f. ; CONNORS 1989, 52-66 ; RUDICH 1997, 233 f.; CONNORS 1998, 106 f. 110 ; RIMELL 2002, 91 f. 189 ; ROCHE 2009, 45 f.; WIENER 2010, 159-161. Nirgendwo sonst in antiken Texten kommen Amphitheater und Sittenleben zur Sprache, wenn von den Ursachen der Bürgerkriege die Rede ist. Cf. CONNORS 1998, 104-107 ( cf. 106 : „a global map of luxury“ ). Auch Statius kartographiert Roms Luxusimporte, etwa Gold aus Hispanien und Dalmatien, Perlen aus dem Indischen Ozean, massylisches Zitrusholz und indisches Elfenbein ( silv. 3,3,89-95 ). BC 12. 14 f. 36-38 ( cf. 85-93 ). Ähnlich äußert sich bereits Seneca ( dial. 12,10,5 quid opus est … vastatione silvarum ? quid profundi perscrutatione ? ). Juvenal beklagt die Überfischung italischer Gewässer ( 5,93 f. omne peractum est | et iam defecit nostrum mare ). Zu dem Thema cf. J.D. HUGHES, Environmental problems of the Greeks and Romans, Baltimore 2014.

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Bürger scheitert selbst ein charismatischer Staatsmann wie Cato.51 Mit diesem System geht eine Verschuldung einher, die etliche Angehörige nicht nur der Oberschicht in den Ruin treibt. Jene Zutaten – Luxus, Korruption und Verschuldung – bilden die explosive Gemengelage, die die Grundfesten der Republik erschüttert und schließlich im Bürgerkrieg ihr Ventil findet.52 Dis ergänzt die auktoriale Analyse um zwei weitere Punkte : die schiere Größe des Reichs, die es von innen kollabieren lässt und dabei selbstzerstörerische Energien freisetzt ( 82-86 ), und das gigantomane Bauen der Römer, das gegen die Natur verstößt ( 87-89 ).53 Rom verletzt alle räumlichen Grenzen, ja es vergreift sich an den drei kosmischen Regionen Himmel, Meer und Unterwelt.54 Was hat die Analyse der römischen Misere im BC mit Lukans Urteil über den Verfall von Staat und Gesellschaft ( 1,158-182 ) gemein ? Nicht von ungefähr deckt sich ihre pessimistische Einschätzung der Lage. Denn das sog. ‚Dekadenzmodell‘ war ein vertrauter Topos der antiken Historiographie und brachte es zum rhetorischen Gemeinplatz.55 Die Unterschiede liegen in Gewichtung und Akzentuierung. Die Analyse des BC ist ausführlicher, engagierter, persönlicher als die Lukans. Die Klage über den Niedergang der Republik und Roms unersättlichen Materialismus als Wurzel allen Übels mausert sich zur veritablen Predigt.56

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BC 45-50. Auffällig genug erscheint Cato im BC nur hier ( cf. 132,15,1 quid me constrictā spectatis fronte Catones ; 137,9,6 peragat causas sitque Catone prior ). Die politische Lage wird in einer Art Ringkomposition am Anfang und am Ende des Abschnitts BC 1-66 diskutiert ( 1-7 bzw. 58-66 ). Dass Rom sich gegen die Natur versündige, wird gleich zweimal betont ( BC 24 quaerit se natura nec invenit ; 89 permutatā rerum statione rebellant ; s. auch Anm. 50 ). Historisch relevant sind auch die Anspielungen auf Juppiters, Neptuns und Plutos Streit um die Aufteilung des Kosmos ( BC 122-125 ; cf. S. 1102 f. ad loc.) und auf die Gigantomachie ( BC 206-208 ; cf. S. 1218 f. ad loc.). Zur Unterwelt cf. BC 90-93. Cf. FUCHS 1938 b, 8 f. Erste Kostproben liefern Eumolps Gedichte 83,10 und 93,2 ( s. auch Sat. 88, und das Gedicht des ‚Publilius Syrus‘ Sat. 55,6 ). Es trägt zum Raffinement des Textes bei ( nicht notwendig aber zu seiner Glaubwürdigkeit ), dass wir die Klage über Roms sexuelle Dekadenz aus dem Mund eines bekennenden Wüstlings und Päderasten hören ( s. auch RUDICH 1997, 233 f. ).

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Vor allem aber setzt das BC andere Akzente. Es rückt die politischen Faktoren in den Hintergrund; sie kommen wie ein Nachgedanke ins Spiel ( ab BC 39 ). Stattdessen konzentriert es sich auf die gesellschaftlichen Auflösungserscheinungen. Von der moralischen Korruption, die mit dem Luxus einhergeht, schwenkt der Blick zur Korruption im politischen Alltag – die aber mehr Symptom des allgemeinen Sittenverfalls ist als Ursache per se. Der Niedergang der staatlichen Institutionen ist Teil einer universalen Krise. Beide Ursachen nennt auch Lukan, doch in umgekehrter Reihenfolge und Gewichtung. Die politischen Faktoren ( allen voran das Triumvirat ) erscheinen ausführlich am Anfang seiner Analyse ( in Anlehnung an die historiographische Tradition ); erst danach folgt der Abgesang auf den mos maiorum.57 Doch ungeachtet aller ökonomischen und politischen Ursachen war die Krise auch für Lukan im Wesentlichen eine moralische.58 Die Götterwelt Anders als in den Pharsalia spielen im BC Götter beim Ausbruch der Feindseligkeiten eine prominente Rolle. Wie in Eumolps Poetik gefordert, erweitert das Epyllion die Geschichte um einen Götterapparat ( cf. 118,6 deorum … ministeria ). Zwei der drei großen Handlungsblöcke gehören übernatürlichen Wesen: der erste Dis und Fortuna, der dritte einem ganzen Reigen von Gottheiten; auf der historischen Ebene bewegt sich einzig der Mittelteil.59 Mit wenigen Ausnahmen treten die Götter des BC bereits bei Lukan auf. Und auch Lukans erstes Buch endet mit übernatürlichen Begebenheiten – mit Vorzeichen und verstörenden Visionen des drohenden Bürgerkriegs.60 Doch nur zwei Gottheiten greifen in den Pharsalia diskret in die

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1,84-157 : politische Faktoren ( 74 Verse ) ; 1,158-182 : moralischer Niedergang ( 25 Verse ; cf. ROCHE 2009, 45 f. ). Das BC beginnt mit dem moralischen Niedergang ( 1-38 ; 38 Verse ) ; es folgen die politischen Faktoren ( 3966 ; 28 Verse ). Cf. S. 815 f. Zur Diskrepanz zwischen dem alten ‚Gemeinplatz‘ vom sittlichen Niedergang und der historischen Wirklichkeit der späten Republik cf. GRUEN 1974, 498 f. COLLIGNON 208 spricht vom „développement historique“ ( BC 1-66 und 141-244 ) und vom „développement fabuleux“ ( BC 66-140 und 245-295 ). Über zwanzig Gottheiten zählt PARATORE im BC ( 1933, II 398 ). Sie bilden ein Trikolon aus Vorzeichen ( 1,522-583 ), astrologischen Beobachtungen ( 1,639-672 ) und einer Vision ( 1,673-695 ).

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Handlung ein: Fama und Fortuna. Das BC hingegen rückt die jenseitigen Mächte vom Hinter- entschlossen in den Vordergrund.61 Die Olympier als Stammpersonal des klassischen Epos sind allerdings nur am Rande am Geschehen beteiligt ( sie senden Vorzeichen und ergreifen später Partei im irdischen Machtkampf ; cf. 264-270 ). Ihre marginalisierte Rolle zeigt sich vor allem in Juppiter, der zwei kurze Cameos hat (als Blitz und Blutregen, 122f. bzw. 140 ) – und sich befremdlich genug von Rom bedroht sieht ( 240f. quem … Iuppiter horruerat ).62 Umso mehr engagieren sich die Mächte der Finsternis, allen voran Dis und ( in diskreter Homonymie ) Discordia.63 Letztlich unklar bleibt Fortunas Rolle. Sie macht die Triumvirn groß ( 61 tres tulerat Fortuna duces ); sie sieht Pompeius fliehen ( 244 ut Fortuna levis Magni … terga videret ); Caesar erklärt sie zur Schiedsrichterin des Waffengangs ( 174 iudice Fortunā cadat alea ). Doch ungeachtet ihres großen Auftritts ( 67-125 ) agiert sie bestenfalls hinter den Kulissen.64 Es ist Discordia, die den Bürgerkrieg zur Chefsache macht : s i e hetzt die Völker aufs Schlachtfeld.65 Einer bekannten These zufolge verzichtete Lukan deshalb auf Götter, weil ihre Teilhabe am Bürgerkrieg Caesars Sieg letztlich theologisch legitimiere.66 Das BC hingegen verleihe dem Blutbad den tieferen Sinn einer Katharsis und betrachte den Sieger mit Nachsicht oder gar Wohlwollen.67 Verglichen mit Lukan, scheint das BC Caesar und seiner Sache tatsächlich Sympathien entgegenzubringen. Der Krieg war notwendig ( BC 58-60 ), und Caesar Roms Wohltäter ( 64 Iulius ingratam perfudit sanguine Romam ). 61

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Cf. COLLIGNON 216-218. Bei Lukan fehlen mehrere allegorische Personifikationen des BC : Fides, Letum, Insidiae, Furor und Discordia. Zudem gibt es im BC drei vaticinia ex eventu ( vom Erzähler: 61-66 ; von Fortuna : 111-115 ; von Discordia : 288-294 ). Schlimmer ergeht es Dis, der den Bruder fürchtet ( 125 pavitans fraternos palluit ictūs ) u n d die Menschen ( 90-93 etiam mea regna petunt eqs. ; s. auch POLETTI 2017, 122-125 u.ö.). Es gibt Parallelen zur Aeneis. Dis’ Worte erinnern an Junos Bitte um Beistand ( BC 79-99 ~ Aen. 1,65-75; cf. ARAGOSTI 1995, 451 ), Discordias Auftritt an den Allectos (BC 271-295 ~ Aen. 7,323-571 ; s. S. 1306 ). Doch anders als bei Vergil erteilt hier der höchste Gott dem dunklen Treiben seinen Segen ( BC 122 f. ; cf. FRIEDRICH 1938, 72 f. ). Zur Rolle Fortunas in den historischen und literarischen Quellen zum Bürgerkrieg cf. S. 1012 f. Dis hätte sich gleich an sie wenden können ( FRIEDRICH 1938, 73 Anm. 9 ). FRIEDRICH 1938, 72. Genau dies tut Cicero ( Lig. 19 ; zit. S. 810 Anm. 7 ). So in der Essenz die Deutung WIENERs 2010 ( s. S. 836 und Anm. 130 ).

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Manche Passagen scheinen ihn von einer Verantwortung zu entbinden und in gewissem Maße zu entlasten.68 Ja er wird mit Herakles und Juppiter verglichen, in Bildern, wie man sie aus der augusteischen Propaganda und Panegyrik kennt.69 Das ist freilich nur die halbe Wahrheit. Während die Olympier weitgehend im Hintergrund bleiben, sind es v.a. Unterweltsgottheiten und dunkle Mächte, die den Konflikt verkörpern – als effiziente Symbole für die zerstörerischen politischen Kräfte und Prozesse, die hier am Werk sind. Die Regie im Bürgerkrieg übernimmt der Acheron. Noch pointierter erklärt POLETTI den Götterapparat des Gedichts.70 Das BC greife deshalb zu Figuren jenseits des traditionellen Personals, weil sich mit dem Olymp der Ausbruch eines Bürgerkriegs nicht mehr ‚angemessen‘ erklären lasse. Notwendig sei ein neues bösartiges und blutrünstiges Pantheon, das Vergils zornige Juno und Allecto beerbe, den unsichtbaren Mächten der Pharsalia ein Gesicht verleihe ( allen voran Lukans ‚grausamer Vorsehung‘, die nun als Fortuna leibhaftig die Bühne betritt ) u n d die Personifikationen und Allegorien vorwegnehme, die im flavischen Epos die klassischen Götter verdrängen. Über das Schicksal des Reichs entscheiden die „Interventionen“ ( 118,6 ministeria ) dieser so selbstsüchtigen wie feindseligen ‚neuen‘ Gottheiten. Caesar 71 Vor allem aber auf das Bild Caesars fallen Schatten. Indizien liefert bereits der Prodigienkatalog. Er orientiert sich an den Vorzeichen, die die Georgica von Caesars Tod berichten – allerdings mit einer entlarvenden Verkehrung von Vergils Botschaft : nicht das blutige Ende des Imperators stürzt die Welt ins Chaos, sondern sein Marsch auf Rom. Die Prodigien entlarven Caesar als den Mann, dessen Machtgier das Reich erschüttert.72 Dies zeigt bei näherer Betrachtung vor allem sein Auftritt in den Alpen. Während Lukan Caesar das Gebirge in nur einem Vers überqueren lässt ( 1,183 iam gelidas Caesar cursu superaverat Alpes ), um sich dann ausführlich 68 69 70 71

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Bes. BC 177-182 ( cf. HÄUßLER 1978, 135f. ). BC 203-208 ( cf. RUDICH 1997, 236 ). POLETTI 2017, 122-125 u.ö. Die historische Bühne des BC gehört eindeutig Caesar. Cato und Pompeius bleiben Statisten. Auf einen Vergleich zwischen Pompeius und Caesar verzichtet das BC ( für eine solche Synkrisis cf. Lukan 1,129-157, und u.a. Vell. Pat. 2,49,1-3 ; Cassius Dio 41,54 ). Nach CONNORS 1989, 106 ( cf. ebd. 100 ; ferner S. 1112 ).

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den Ereignissen am Rubikon zu widmen, erweitert das BC die Alpenpassage zur veritablen ( und wohlgemerkt unhistorischen) Episode.73 Dass im BC die Alpen den Rubikon ersetzen, rückt die Vorgänge in ein neues Licht. Der Alpenpass wird zur dramaturgisch weit eindrucksvolleren Wasserscheide.74 An die Stelle des kleinen Flusslaufs in der Ebene tritt das Gebirgsmassiv, dessen Passhöhe eine Art Jenseitsschwelle darstellt : Caesar überschreitet weit mehr als nur geographisch-politische Grenzen.75 Paradox genug hat die Szene aber auch Züge eines Descensus, hinab in die Hölle des Bürgerkriegs.76 Anspielungen und Gleichnisse verstärken diese Wirkung. Wir sehen Caesar auf den Spuren des siegreich heimkehrenden Herakles, der einst mit den Rindern des Geryon als erster die Alpen überquerte und sie damit für die Menschen erschloss. Der Glanz des heroischen Kulturbringers fällt auch auf den Imperator ( cf. 144-146; 205f. ). Doch hinter Herakles tauchen dunklere Bilder auf : Erinnerungen an den Galliereinfall, auf den einmal explizit angespielt wird,77 und v.a. an Hannibal, der ebenfalls auf dem Alpenpass, Italien vor Augen, seinen Truppen Mut machte, und dessen Heer auf dem Weg hinab ebenfalls mit größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.78 Dank dieses Manövers bestätigt das BC jene zeitgenössischen Stimmen, die in Caesar einen zweiten Hannibal sahen, und damit eine eminente Gefahr für das Vaterland.79 73

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Zu Beginn des Jahres 49 war Caesar längst in Ravenna und hatte seine Legionen strategisch in Position gebracht. Sein Bericht vermeidet geflissentlich eine Erwähnung des Rubikon, an dem sein legales Kommando endete ( cf. civ. 1,8,1; ferner CONNORS 1998, 125-131 ). Caesars erster Auftritt bei Lukan zeigt ihn am Rubikon, seine erste Szene im BC am alpinen Rubikon. Dies unterstreicht nicht zuletzt die Anspielung auf das berühmte Würfelzitat ( 174 iudice Fortunā cadat alea ). Chronologisch wie geographisch wird der Rubikon vorverlegt. Auf die Parallele zwischen Alpen und ‚Unterwelt‘ verweist bereits die Formel est locus, die beide Orte verknüpft ( 67 ~ 146; cf. S. 991 f. und 1142 ). Der Abstieg ist auch deshalb so gefahrenreich, weil Caesar sich – übertragen gesprochen – rechtlich wie politisch auf abschüssigem Gelände bewegt. Zu einem anderen Descensus cf. Bd. II, S. 528. BC 161 f. Gallos iterum Capitolia nostra petentes | Alpibus excludo ( und S. 1171 f. ). Zur ‚gallischen Gefahr‘ s. auch BC 143 Gallica proiecit, civilia sustulit arma ; 213f. per Alpes | fervere Germano perfusas sanguine turmas. Cf. S. 1198. Cf. Cic. Att. 7,11,1 utrum de imperatore populi Romani an de Hannibale loquimur ? Zwischen den Zeilen verurteilt auch Vergil Caesar als neuen Hannibal, und Pompeius als orientalischen Eroberer ( Aen. 6,826-835 ; cf. J.D. REED, in : As-

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Auch einige entlarvende sententiae seiner Rede trüben das Bild, wie victores ite furentes ( „auf denn, ihr siegverwöhnten Berserker“; 168 ), causam dicite ferro ( „das Urteil fälle euer Schwert“; 169 ), oder sumite bellum ( „auf in den Krieg“; 174 ). Die omina laeta schließlich, die Caesars Worte zu bejahen scheinen, werden in der Folge gleich doppelt infrage gestellt. Sie kommen offenbar von Apollo ( 177 f. de caelo Delphicus ales | omina laeta dedit eqs. ); doch der ergreift alsbald Partei für Pompeius ( 269 f. ).80 Und das apokalyptische Unwetter ( 196-202 ) erscheint wie ein Votum des Himmels, der sich gegen den Usurpator verschwört. Als Bild kosmischer Auflösung, in der die räumlichen und physikalischen Grenzen zerfließen, ist es letztlich eine Metapher für Caesars furor, der den Staat zu vernichten droht.81 Entlarvend ist nicht zuletzt ein subtiles Vergilzitat. In der Aeneis beschwört Anchises den künftigen Imperator, die Waffen ruhen zu lassen und keinen Bürgerkrieg zu beginnen ( 6,834 f. ): tuque prior, tu parce, … proice tela manu ! Wie die Antwort auf Anchises’ fruchtlose Mahnung liest sich BC 143: Gallica proiecit, civilia sustulit arma. Denn Caesar ‚legt‘ die Waffen eben n i c h t ‚aus der Hand‘ – er erhebt sie gegen die Heimat. Der Vers bezeugt ‚Caesars Verwandlung vom Helden Roms in Roms Erzfeind‘, und identifiziert ( noch deutlicher als Vergil ) den Imperator als den eigentlichen Aggressor in dem Konflikt. 82

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so ( Hrsg.) 2011, 24 ). Auch Lukan vergleicht Caesar mit dem Punier ( 7,797803 ). Sein Caesar verwahrt sich gegen die Vorwürfe: Rom tue, als stiege Hannibal von den Alpen ( 1,303-305 ). Discordias höhnischer Appell BC 290-293 zielt wohl ebenfalls auf diese Parallele ( s. auch HÄUßLER 1978, 135f. ). Das wohl größte Rätsel des BC bleiben die wiederholten Seitenwechsel Apolls ( cf. S. 1336 ). Zunächst scheint er Caesar zu favorisieren ( 177 f. ; 181 f. ), um dann auf Pompeius’ Seite zu wechseln ( 269 ). Zuletzt kämpft er für Caesars Adoptivsohn Octavian ( 115 Apollinis arma timentes ). Zur kosmischen Katastrophe in den Alpen cf. S. 1139 und 1207. Ähnliche Bilder gebraucht Lukan ( cf. S. 815 Anm. 31 ). Dies gilt auch für den Seesturm, der über Caesar hereinbricht ( bes. Lukan 5,632-637 ) : „Cosmic dissolution is imminent. … The furor of this cosmic storm, which threatens to destroy the universe, is thus a metaphoric correlative of the furor of Caesar, which similarly threatens to destroy the state.“ ( LAPIDGE 1979 , 319 f. ; cf. AHL 1976, 205-209 ; NARDUCCI 2002, 42-46 ; zur Metaphorik cf. e.g. Cic. har. resp. 4 tum vidi … quanta tempestas excitaretur, quanta impenderet procella rei publicae ). Cf. CONNORS 1989, 109-111 ( bes. 110 : „the transformation of Caesar from Rome’s champion into Rome’s enemy“ ; s. auch dies. 1998, 126 f. ). SYME verstand Aen. 6,834 f. zurecht als Verurteilung Caesars ( 1939, 317 : „Save for

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Selbst das pathetische Schlussbild der Alpenszene, Caesar in der Doppelrolle als Herakles – Juppiter ( 206 Amphitryoniades aut … Iuppiter ), wendet die Dinge nicht notwendig zum Besseren. Denn Herakles wird später auf Pompeius’ Seite kämpfen ( 270 ). Und Juppiter ist nicht der versöhnliche Göttervater der Aeneis, der Venus mit der Aussicht auf Roms lichte Zukunft tröstet ( 1,254-296 ); er ist der vernichtende Kriegsherr, der politische Widersacher gnadenlos zermalmt wie einst die Giganten. Dabei trifft Caesar auf den denkbar schwächsten Gegner. Denn in seinen kurzen Gastauftritten im BC kommt Pompeius höchst unvorteilhaft weg, als Feigling und Versager, der selbst nach dem Sieg von Dyrrachium kläglich scheitert.83 Es ist ein weiter Weg zu der Absolution, die ein versöhnlich gestimmter Lukan Pompeius in seinen letzten Büchern erteilt. Der erzählerische Rahmen 84 Das BC hören Encolpius und die anderen auf dem Weg nach Kroton. Das alte Motiv munterer Lieder oder unterhaltsamer Geschichten klingt an, die Reisenden den Weg versüßen ( was letztlich auch auf die ‚Matrone von Ephesus‘ zutrifft ).85 Doch mit dem Stichwort ‚Unterhaltung‘ ist seine Rolle längst nicht erschöpft. Wo und wie Eumolps epische Kostprobe entstanden ist, liegt auf der Hand – auch wenn der erhaltene Text dies nirgendwo eindeutig festhält. Alles spricht für die Annahme, dass der „Entwurf “ ( 118,6 impetus ) dieses „gigantischen Werks“ ( 118,6 belli civilis ingens opus ) identisch ist mit den „Versen“, die Eumolp im Schiffsbauch „auf einen gigantischen Bogen Pergament wirft“ ( 115,2 membranae … ingenti versūs ingerentem ).86

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that veiled rebuke, no word on Caesar in all the epic record of Rome’s glorious past.“ ). 238-244 gemino cum consule Magnus … fugit eqs.; 292-294. Auf Pompeius zielt auch Caesars ignavus ( 168 ; cf. S. 1177 f. ad loc.). Selbst die Todesnachricht klingt dank des Oxymorons doppelbödig ( 63 Libyco i a c e t aequore M a g n u s ). Cf. bes. CONNORS 1998, 141-146 ; CUCCHIARELLI 1998, 136-138. Cf. Publilius Syrus C 20 comes facundus in via pro vehiculo est ; Verg. ecl. 9,64 cantantes licet usque ( minus via laedet ) eamus ; Aen. 8,309 vario … viam sermone levabat ; Ov. met. 14,120 f.; Pont. 2,10,35 f. saepe brevis nobis vicibus via visa loquendi eqs. ( „… dank der Kurzweil des Plauderns“ ); Sen. dial. 10,9,5 aut sermo aut lectio aut aliqua intentior cogitatio iter facientīs decipit et pervenisse ante sciunt quam adpropinquare ; Apul. met. 1,2,6 simul iugi quod insurgimus aspritudinem fabularum lepida iucunditas levigabit ; 1,20,5 f. ( auf dem Weg nach Hypata – wie hier unser Quartett auf dem Weg nach Kroton ; cf. COLLIGNON 41 ; CIAFFI 1960, 9 f. ); Heliodor 6,2,2. Das Motiv nennt bereits STUBBE 69.

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Denn wenige Kapitel zuvor erleben wir den Poeten an Bord von Lichas’ Schiff, wo er offenbar seit dem Sturm, inspiriert von der Wut der Elemente, wie im Rausch Verse aufs Papier wirft 87 – bis ihn zuletzt Encolpius und Giton gegen seinen Willen an Land zerren ( 115,1-5 ). Doch warum sträubt er sich so vehement gegen die Rettung ? Einen Satz wolle er noch fertigstellen; denn „das Gedicht ist am Ende Stückwerk“ ( 115,4 sinite me … sententiam explere ; laborat carmen in fine ; cf. Bd. II, S. 659 ). Das gleiche Argument kehrt wieder, wenn er vor der Rezitation anmerkt, seinem „Entwurf fehle noch der letzte Schliff“ ( 118,6 impetus … nondum recepit ultimam manum ; cf. Bd. II, S. 806f. ). Gleich zweimal verweist Eumolp also nachdrücklich auf das unfertige Ende. Bei einem Gedicht zum Thema Bürgerkrieg lässt dies aufhorchen – erinnert dieser Umstand doch unweigerlich an ein anderes unvollendetes Bellum civile, dem ebenfalls die ultima manus fehlt – das Epos Lukans.88 Beide Texte entstehen und v.a. ‚enden‘ im Grenzland zwischen Leben und Tod. Eumolp, der im Angesicht des drohenden Untergangs mit einem poetischen Torso ringt ( 115,3 mirati ergo quod illi vacaret in vicinia mortis poema facere ), wird zum Wiedergänger Lukans, den der von Nero verordnete Suizid daran hindert, die Pharsalia zu vollenden.89 Dazu passt, dass ( zumindest dem erhaltenen Text zufolge ) Eumolp nach dem BC nie mehr dichten wird. Wie im Falle Lukans, wird auch sein BC sein Schwanensang. Blumiger formuliert : Die Rahmengeschichte des Epyllions setzt Lukan ein Denkmal. Lichas’ Schiff bringt zudem eine metaphorische Ebene ins Spiel. Denn an dem Ort, an dem das BC entsteht, tobt selbst ein ‚Bürgerkrieg‘ – und dies gleich zweimal : in nuce, als der Streit zwischen Lichas’ Leuten und Eu86

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S. oben S. 809. So u.a. STUBBE 68 f. ; ROSE 1966, 298 ; CONNORS 1989, 157; CUCCHIARELLI 1997, 223 ; MALAMUD 2009, 279. Dieses Szenario verleiht der Metapher, man flüchte sich in die Dichtung „wie in einen sichereren Hafen“ ( Sat. 118,2 tamquam ad portum feliciorem ), einen ironischen Zungenschlag ( CONNORS 1989, 157 Anm. 8 ). Zu der Frage, ob Eumolp seinen Entwurf aus dem Gedächtnis rezitiert, cf. Bd. II, S. 807 f. Zu den Parallelen zu Ovid, der auf der Reise nach Tomis einem Seesturm das Gedicht trist. 1,11 abringt, cf. Bd. II, S. 656 f. 659. 806. So CONNORS 1994, bes. 231 f. ( cf. dies. 1998, 141-146 ). Dieses Argument setzt voraus, dass die Pharsalia tatsächlich unvollendet sind ( cf. S. 813 Anm. 20 ) – und Petron dies wusste. Dafür spricht, dass der Schluss des BC wohl auf das erhaltene Ende der Pharsalia anspielt ( cf. S. 1372 f. ). Angeblich übersandte Lukan seinem Vater noch eine Liste ‚Corrigenda‘ ( Suet. poet. 47, p. 51,20 f. Reiff. codicillos … corrigendis quibusdam versibus suis exaravit ).

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molps Partei eskaliert ( 108,7-14 ),90 und später potenziert als ( und zugleich intertextuell verborgen im ) Seesturm vergilischer Provenienz, in dem das Epyllion wohlgemerkt entsteht ( 114 ).91 Damit nicht genug, erinnert das Szenario an die vertraute Allegorie vom Staatsschiff.92 Das BC spielt selbst auf sie an, in einer Art Rückkopplung, im Gleichnis vom Schiff im Sturm ( 233-237 ).93 Denn über den literarischen Topos hinaus reflektiert das Gleichnis Eumolps realen Erlebnisse, als sein Gefährt in dem Unwetter Schiffbruch leidet – wie eben das Staatsschiff. Die Botschaft liegt offen zutage: in Bürgerkriegen nimmt das Gemeinwesen kein gutes Ende. Doch Petron wäre nicht Petron, hätte er auf der literarischen Metaebene nicht noch eine P e r s i f l a g e des Bürgerkriegsszenarios in der Hinterhand. Denn wie Caesar von den Alpen herab gegen das verlotterte Rom zieht, so in der Rahmengeschichte Eumolp mit seinen ‚Gladiatoren‘ ( 117,5 tamquam legitimi gladiatores eqs.) von einer Anhöhe herab gegen Kroton, jenen Hort des Lasters, der Dekadenz, der Zwietracht, in dem gleichfalls ein ‚Bürgerkrieg‘ wütet. Als malader Mikrokosmos spiegelt Kroton den kranken Moloch Rom.94 Etliche Details tragen zu der Spiegelung bei: der Blick von der Anhöhe auf die ‚Beute‘ ( Sat. 116,1 ~ BC 153f. ), der Sittenverfall in beiden Städten ( 116,2-9 ~ BC 1-60 ), das riskante Unterfangen ( 117,2-10 ~ BC 167-176 ), die eingeschworene Gefolgschaft ( 117,5 ~ BC 168-171 ), das Gebet um den Segen der Götter ( 117,11 ~ BC 156 ), vielleicht sogar die günstigen omina ( 117,12f. ~ BC 177-183 ).95

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Bes. 108,7 Tryphaena … totius … navigii turbam diducit in partes. Der Streit endet erst, als Tryphaena mahnend Lukan ‚zitiert‘ ( 108,14,1 quis furor … pacem convertit in arma ? ~ Lukan 1,8 quis furor, o cives, quae tanta licentia ferri ? ). Der Seesturm zu Beginn der Aeneis spielt auf die Gigantomachie an, die sich ihrerseits als Allegorie für den römischen Bürgerkrieg lesen lässt ( cf. Bd. II, S. 608 ; zu Naturkatastrophen als historischen Metaphern cf. DEMANDT 1978, 135-139 ; zu Petrons Seesturm als Symbol für den Bürgerkrieg cf. CUCCHIARELLI 1998, 127 ). Horaz verwendet sie exemplarisch in seinem c. 1,14, wenn er navem pro re publicā, fluctūs et tempestates pro b e l l i s c i v i l i b u s , portum pro pace atque concordiā einsetzt ( Quint. inst. 8,6,44 ; cf. NISBET – HUBBARD ad c. 1,14 ). Cf. S. 1260-63. Das unmittelbare Vorbild liefert Lukans Gleichnis ( 1,498504 ). – Siehe auch S. 835 Anm. 125 zum ‚Schiff der Dichtung‘. Cf. bes. Sat. 116,6 f. und 9 ( und Bd. II, S. 702 f. ) ; BECK 1979, 247 f.; CONNORS 1998, 108 f.

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Die Persiflage gipfelt in einem Zerrbild, wenn Eumolp, der dekadente Päderast und Poetaster, den genialen Heerführer und späteren dictator perpetuus Caesar mimt. Boshafter konnte Petron den Ahnherrn und Stammvater der julisch-claudischen Dynastie nicht ins Lächerliche ziehen. Das Anliegen des Bellum civile 96 Der anspielungsreiche erzählerische Rahmen beantwortet noch nicht die Frage nach der Aufgabe des Bellum civile innerhalb der Satyrica – und über die Satyrica hinaus. Das Gedicht ist fraglos eine Reaktion auf den maßgeblichen zeitgenössischen Text zu dem Thema – eben die Pharsalia, deren ersten drei Bücher der junge Lukan noch selbst publiziert hatte.97 Wie die kontroversen Reaktionen der Zeitgenossen bezeugen, warf dieses radikale Werk Fragen auf – auf historisch-politischer Ebene wie auf künstlerischer. Und das BC gibt einige Antworten. Auf keinen Fall ist es die leichtfüßige S a t i r e , die VOLTAIRE in ihm sah.98 Ebenso wenig handelt es sich um eine P a r o d i e Lukans.99 Denn 95 96

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Als ein solches omen deutet BECK 1979, 248 Corax’ Flatulenzen ( 117,12 f. ; s. auch RIMELL 2002, 140 ). Zur Forschungsgeschichte cf. BALDWIN 1911, 9-12 ; PARATORE 1933, II 385388 ; STUBBE 72 f.; SOCHATOFF 1962, 449-452 ; SULLIVAN 1968, 173 f.; GUIDO 1976, 344-351 ; SOVERINI 1985, 1754-59 ; CONNORS 1989, 9-22 ; VANNINI 2007, 55 f. 288-294. So bereits PITHOU und GOLDAST ( cf. ROSE 1971, 62 Anm. 3 ); s. auch ERHARD ap. BURMAN I 708. Das Hauptargument ist der unmissverständliche Verweis auf den traditionellen Götterapparat als festen Bestandteil auch des historischen Epos ( 118,6 deorum ministeria ), der bei Lukan so auffällig fehlt. – Umstritten ist, welche Partien der Pharsalia Petron kannte ( cf. u.a. COLLIGNON 162 ; BALDWIN 1911, 27-32 ; HÄUßLER 1978, 106-112 ; COURTNEY 2001, 185 f. ). Etliche Exegeten begrenzen die Liste auf die publizierten Bücher I-III. Wahrscheinlich war er aber auch mit Buch VII vertraut, sowie mit zentralen Passagen anderer Bücher – etwa aus Lesungen ( s. auch ROSE 1971, 64-67 ; ferner S. 844-846 die Liste der Lukanzitate im BC ). „M. Bouhier … traduisit le Poëme de Pétrone sur la Guerre Civile; non qu’il pensât que cette déclamation pleine de pensées fausses, approchât de la sage & élégante noblesse de Virgile : il savoit que la Satire de Pétrone, quoique semée de traits charmans [ sic ], n’est que le caprice d’un jeune homme obscur, qui n’eut de frein ni dans ses mœurs, ni dans son style.“ ( VOLTAIRE, Des effets de la poésie sur le génie des langues, 1746 ; cf. VANNINI 2011 a, 95 ). So u.a. WESTERBURG 1883 ; WALSH 1970, 49 f. Ein schlagendes Gegenargument lieferte BALDWIN 1911, 12 : „Criticism and parody do not go well together, and it seems utterly unnatural that, having stated his objections to Lu-

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eindeutig parodierende Elemente fehlen in dem Gedicht. Schon die zahlreichen intertextuellen Verweise auf ( und sprachlichen Anleihen bei ) Vergil beißen sich mit einer gezielten Attacke auf Lukan.100 Und nicht zuletzt finden jene zentralen Partien des BC, die in der Sphäre der Götter angesiedelt sind, bei Lukan so gut wie keine Entsprechung – ein im Fall einer Parodie eher kontraproduktives Vorgehen.101 Kaum überzeugender ist der Versuch, das BC als T r a v e s t i e Lukans zu lesen, die versuche, das politisch explosive Thema, das für regimekritische Äußerungen geradezu prädestiniert war, zu diskreditieren und zu banalisieren. Mitunter wird Petron unterstellt, er mache seinem Ärger über den bei Hof in Ungnade gefallenen Moralisten Lukan Luft.102 Vor allem letztere These ist, mit Verlaub gesagt, kühn. Schon Petrons wiederholte Anspielungen auf den unfertigen Zustand der Pharsalia, und damit implizit auf das tragische Ende des jungen Epikers,103 wecken Zweifel an der Vorstellung, er habe Lukan in irgendeiner Weise verunglimpfen wollen. Doch es gibt noch weitere Argumente ( s. unten ). Wie sieht es mit der wohl populärsten These aus, die den Text als programmatische K r i t i k a n L u k a n versteht, als künstlerisch ernstgemeinten Beitrag, der demonstrieren soll, wie ein solches Sujet tatsächlich zu behandeln sei – in Einklang mit Eumolps Ars poetica ( 118,6 ) ? 104 Beschwört das Lied die Rückkehr zu den traditionellen epischen Formen und Normen ? Ist es als Korrektiv zu Lukans Bruch mit den Konventionen

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can’s method in a sober and reasonable manner, he should immediately nullify them all by offering in support of his own theory a mere burlesque, or a poem so absurd and tasteless as to discredit all that he had taken the trouble to say.“ Andere sprachen von einer Parodie des zeitgenössischen Epos allgemein ( u.a. PARATORE 1933, II 385 ; SLATER 1990, 198. 246 ; s. auch SOCHATOFF 1962, 457 f. ). COLLIGNON wandte zurecht ein : „Parodier tout le monde, c’est en réalité ne parodier personne.“ ( 178 ). Cf. SETAIOLI, Nugae 9 : „Given Eumolpus’ attitude ( at 118.5 he calls Virgil Rome’s national poet : Romanus Vergilius ), the reader expects him to stick to Virgilian expressive modes.“ Doch im BC durchlaufen die ‚Virgilian elements‘ „an almost morbidly sinister transfiguration (…) to fit a dark and hopeless overall picture“. Für eine Liste der ‚Virgilian elements‘ s. S. 842-844. Cf. RUDICH 1997, 232. RUDICH 1997, 237 f. Im Grunde entwickelt er KINDTs These weiter, der das BC als „Apologie Caesars“ und als kaiserfreundliche Antwort auf die Pharsalia verstand ( 1892, 358 ). Cf. S. 828. Zu Eumolps Ars poetica cf. Bd. II, S. 764-769.

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des Heldenlieds zu lesen ? Liefert es ein klassizistisches, an Vergil ausgerichtetes Modell des historischen Epos ? 105 Diese These trifft auf eine seriöse Schwierigkeit. An seinen besten Stellen erreicht das BC ein Niveau, das sich durchaus mit Passagen Lukans messen darf ( niemand dürfte Versen wie 36-38 oder 71-75 poetischen Glanz absprechen, Versen wie 16-18 oder 34-36 den Reiz des Paradoxen, oder Versen wie 119-121 oder 271-277 morbide Prägnanz ).106 Doch aufs Ganze gesehen lässt sich die durchwachsene Qualität des Gedichts kaum leugnen.107 Um einige moderne Stimmen zu zitieren: Eumolps Entwurf fehle „staying power“; die einzelnen Themen seien „poorly expressed and quickly exhausted“.108 „The Bellum civile (…) is a tiresome poem – not truly dreadful but without significant literary merit.“ 109 „The entire effusion is pompous and vacuous, replete with clichés and platitudes, in style as well as in content.“ 110 Das ist wohl zu harsch formuliert. Doch es gibt Problemzonen genug in dem Text. Ein schlagendes Beispiel liefern die konkurrierenden, fast inflationären Auftritte diverser Höllengeister und Personifikationen, die sich gegenseitig fast in die Quere kommen, und deren Absichten sich unglück105

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Cf. u.a. MÖßLER 1857, 3 ; RIBBECK 1892, 124 f. 163 ; BALDWIN 1911, 25 ; STUBBE 73 f. ; LUCK 1972, 133. GRIMALs origineller These zufolge diente Petrons Gedicht Lukan als Vorbild ( 1977 ; für eine ausführliche Entkräftung cf. PARATORE 1987 ). Laut MARTIN 1975, 206-224 ist das BC eine Reaktion auf Silius’ Werk, und Eumolp eine Art Blaupause des flavischen Epikers. Eine fast schon vergilische Sprachgewalt bescheinigte ANTON 404 f. dem BC. BALDWIN entdeckte in ihm „the power of a strong imagination to visualize“ und „bits of great beauty“ ( 1911, 33 ; cf. 35 : „If it falls short of the brilliance of Lucan’s best work, it escapes his worst bathos. … It is in every way superior to the Bellum Punicum of Silius.“ ), CONNORS „strange power and beauty“ sowie „bold and startling images“ ( 1989, 2 f. ). S. auch MARTIN 1975, 210 : das BC sei „un pastiche d’une grande subtilité, … un tour de force, un authentique chef-d’œuvre“. Cf. COLLIGNON 225 : „Pétrone … n’a pu songer à opposer son impetus à l’œuvre considérable et achevée de Lucain.“ Es handle sich um eine ältere Fingerübung ( „cet exercice d’école“, „un essai, de jeunesse peut-être“ ), die er später in die Sat. eingefügt habe ( s. auch PARATORE 1933, II 388 ). FANTHAM 1992, 230. SLATER 1990, 119. RUDICH 1997, 232 ( dem BC fehlten Lukans ‚sorgfältige Komplexität‘ und ‚verbale Virtuosität‘, seine ‚existentielle Angst‘ und die ‚Suche nach Theodizee‘ ( ebd. 232 bzw. 237 ). Kaum jemand urteilte über das Epyllion so hart wie PARATORE 1933, II 396-399.

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lich überschneiden.111 Encolpius’ allergische Reaktion auf Eumolps „uferlosen Wortschwall“ am Ende des Vortrags trifft einen wunden Punkt.112 Dass es durchaus anders geht, belegen andere metrische Partien des Romans. Das BC wollte und sollte nicht besser sein als Lukan. Auch in abgewandelter Form vermag diese These nicht zu überzeugen. SULLIVAN etwa meinte, Petron habe das BC nicht als große Dichtung gesehen; „but he clearly implies that even a bad poet could handle the epic theme of the Civil War with all its contemporary political significance in a more acceptable fashion than Lucan.“ 113 Laut BURCK habe es Petron gereizt, das Thema ohne Lukans ‚Modernismen‘ zu behandeln, „mit rascher Improvisation und leichter Hand“, im Geist der epischen Tradition. Dies geschehe nicht polemisch oder aus grundsätzlicher Gegnerschaft heraus; dank der ‚Autorschaft‘ Eumolps liege über dem Ganzen „der Schein leichter Ironie“. Petron gestalte das Thema in schöpferischer Weise neu.114 Mit anderen Worten: es handle sich um spielerische Kritik unter Kollegen – eine These, die dem ernsten Subtext des Gedichts kaum gerecht wird. Andere Ansätze nehmen weniger Lukan als das zeitgenössische literarische Ambiente in den Blick. HÄUßLER zufolge sei das BC bewusst in parodistischer Absicht verfasst. Doch treibe es seinen Spott nicht mit Lukan, sondern mit seinen Kritikern.115 Indem es deren Vorhaltungen am praktischen Beispiel umsetze, stelle es deren Schwächen bloß.116 Das BC repräsentiere „karikierend Durchschnittskritik und Durchschnittsepik neronischer Zeit“.117 111

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Cf. FANTHAM 1992, 230 ; KIRICHENKO 2014, 47 : das BC „ist mit übernatürlichen ( vor allem infernalischen ) Gestalten nicht weniger übervölkert als die Welt der Tragödien Senecas.“ Auch Statius’ Thebais gewährt dämonischen Allegorien eine essentielle Rolle im Plot ( cf. FUHRMANN 1968, 64 ). 124,2 cum haec Eumolpos ingenti volubilitate verborum effudisset, tandem Crotona intravimus. „There is relief in his ‚finally‘ [ sc. tandem ]“ ( SLATER 1990, 120 ). 1982, 153 ( cf. ders. 1968, 173-186 ; ders. 1985, 161-172 ). BURCK 1979, 206. HÄUßLER 1978, 138. Es gehe um Literaten, „die glauben es so viel besser zu machen und es in Wirklichkeit schlechter machen als Lucan“ ( HÄUßLER 1978, 145 ). HÄUßLER 1978, 146. Cf. ebd. 130 : Eumolp mag das BC als ernsthaften Gegenentwurf zu Lukan verstehen – auf keinen Fall aber Petron. HUTCHINSON 1982 zufolge repräsentiere das BC satirisch das Mittelmaß zeitgenössischer epischer Dichtung im Kielwasser Vergils ( ähnlich FANTHAM 1989, 282 ).

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Ein pointierteres Bild zeichnet COURTNEY. Eumolp bleibe der Rolle treu, die ihm Petron schon früher in den Sat. zugewiesen habe, als fesselnder Erzähler, scheinheiliger Moralist – und bestenfalls mediokrer Verseschmied. Witzig genug stecke er sich als Dichter ehrgeizige Ziele, hungere nach dem Helikon und propagiere in seiner ‚Poetik‘ Vergil als episches Vorbild ( Sat. 118 ). Seine klassizistische Ästhetik lasse ihn glauben, er könne Lukan übertreffen. Doch in der Praxis scheitere er an den eigenen Idealen. Er verfalle in Lukans Manierismen, ohne freilich dessen sprachliche Exzellenz oder existentielle Ernsthaftigkeit zu erreichen. Mit anderen Worten: das BC ist tatsächlich eine Art Parodie. Es zeige, was in den Händen eines mäßig talentierten Epigonen Vergils aus dem Stoff wird.118 Eine etwas andere Perspektive wählt POLETTI.119 Er versteht das BC als Reflexion über Lukans literarische Revolution, die am althergebrachten Epos die Axt anlege. In seiner ‚Poetik‘ kritisiere der ‚Klassizist‘ Eumolp Lukans Innovationen und inspiriere sich am Romanus Vergilius, nach dessen Vorbild er seinen ‚Bürgerkrieg‘ schreiben will – samt traditionellem Götterapparat. Doch gerade auf der göttlichen Ebene zeige sich Lukans Einfluss; das BC beweise, dass ungeachtet aller epischen Nostalgie gerade beim Thema Bürgerkrieg der alte Götterapparat ausgedient habe. Indem Petron diesen Widerspruch zwischen ‚Theorie‘ und ‚Praxis‘ mit subtiler Ironie herausarbeite, zeige er, dass selbst entschiedene Apologeten des Klassizismus dem ‚Erbe‘ Lukans nicht entkommen. HÄUßLERs, COURTNEYs und POLETTIs Thesen tragen dem BC wie seinem Kontext Rechnung. Und sie lassen sich in einem Punkt weiterspinnen. Gerade weil Petron mit „mimetische(r) Virtuosität“ 120 vorführt, wie ein minder begnadeter Poetaster mit dem anspruchsvollen Stoff Schiffbruch leidet, lässt der blasse Abklatsch die Qualitäten der Vorlage umso heller zutage treten. Das BC beweist Lukans eminente literarische Relevanz. Dass wir Eumolps zuversichtliches Selbstverständnis als Poet nicht unbedingt beim Wort nehmen sollten, macht zudem eine deutliche Anspielung auf Horaz klar.121 Der Vergleich des dichtenden Eumolp mit einem 118

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COURTNEY 2001, 187 f. Ein subtiles Indiz für die Makel des BC liefere der Hinweis auf die ‚fehlende Schlusspolitur‘ ( 118,6 nondum recepit ultimam manum ). S. auch ERNOUT 135 Anm. 1; WALSH 1968. POLETTI 2017, 26-28 u.ö. HÄUßLER 1978, 139. So zuerst COLLIGNON 253-255 ( s. auch LABATE 1988, 88 ; SLATER 1990, 192194 ; LABATE 1995, 156-162 ; CONTE 1996, 58 f. ; CONNORS 1998, 144 ; RIMELL 2002, 80 f. ). – Der folgende Text deckt sich weitgehend mit Bd. II,

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eingesperrten Raubtier ( 115,1 audimus … quasi cupientis exire beluae gemitum ) zitiert unüberhörbar das Ende der Ars poetica, die berühmte Karikatur des vesanus poeta, des „wahnsinnigen Dichters“ ( cf. Sat. 115,5 inicio ego phrenetico manum ), der „Verse rülpsend“ durch die Gegend stolpert, versehentlich in eine Grube stürzt – und rast wie ein Bär im Käfig.122 Der wenig schmeichelhafte Vergleich ‚outet‘ Eumolp als Dichter, der unfähig ist, seine ehrgeizigen Einfälle in Kunst zu verwandeln – und der sich an seinem Publikum festsaugt wie ein Blutegel und es mit seinen Rezitationen ‚umbringt‘ ( ars 474-476 ).123 Doch auch seine Zuhörer bekommen ihr Fett ab. Encolpius und Giton schlagen Horazens eindringliche Warnung in den Wind, einen solchen Schöngeist aus seiner misslichen Lage ( in diesem Fall: unter Deck ) zu befreien.124 So müssen sie mit den Konsequenzen leben – und werden überrollt von einer nicht enden wollenden Lawine von Hexametern. Deutlicher hätte Petron nicht signalisieren können, dass das BC wohl kaum als Epik in Vollendung zu verstehen sei.125 Eine politische Agenda ? Eine Frage ist noch offen. Hat das BC, wie das Epos Lukans, eine politische Botschaft ? Liefert es als ‚semi-historisches Dokument‘ auch einen

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S. 660 f. ( zu Sat. 115,5 ); s. auch A. SETAIOLIs Präzisierungen in HABERMEHL 2020 a, 243. Ars 457-460 hic, dum sublimis versūs ructatur et errat eqs. ; 472-476 certe furit ac velut ursus, | obiectos caveae valuit si frangere clathros eqs. Diese Schlussfolgerung ( samt ihren Konsequenzen für das Publikum ; s. unten ) ist CONNORS 1998, 144 und anderen Exegeten entgangen. Ars 460-467. Horazens Grube mutiert in den Sat. zum Schiffsbauch. Diesen Punkt verdeutlicht eine weitere intertextuelle Ebene. Denn hinter dem Staatsschiff ( s. oben S. 829 ) segelt eine zweite Allegorie – das S c h i f f d e r D i c h t u n g . Bei Pindar sticht es ein erstes Mal in See ( u.a. Pyth. 11,39 f. ; Nem. 6,28 f. ); römische Autoren adoptieren es ( u.a. Verg. georg. 2,39-46 ; Prop. 3,3,22-24, und P. FEDELI p. 134 f. ad loc. ; Hor. c. 4,15,1-4 ; Ov. ars 3,99 f. u.ö., und R.K. GIBSON, Ovid. Ars amatoria book 3, Cambridge 2003, 4 f. ; fast. 1,4, und F. BÖMER bzw. CUCCHIARELLI 1997, 216 f. ad loc.; Plin. ep. 8,4,5 ; Stat. Theb. 12,809 ; Claudian rapt. 1 praef.; cf. Quint. inst. 12,10,37 ; CURTIUS 2 1954, 138-141 ; KAMBYLIS 1965, 149-155 ; BRAMBLE 1974, 166-168 ; NÜNLIST 1998, 265-276 ; s. auch Bd. I, S. 353 f. zur Kunst als Seefahrt ). Eumolp spielt einmal auf es an ( 118,2 ad carminis tranquillitatem tamquam ad portum feliciorem refugerunt ) – was ihn nicht daran hindert, ebenso zu scheitern wie Lichas’ Schiff. Als Metapher für die Widrigkeiten des Stoffs fallen poetischer und realer Schiffbruch in eins ( cf. CONNORS 1994, 229 ; 1998, 142 ).

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Kommentar zur eigenen Epoche, der Regentschaft Neros ? 126 Die Frage ist umso berechtigter, als auch die TH eine politische Deutung erlaubt.127 SULLIVAN sah das BC als Schlüsselbeweis für seine Theorie von einer literarischen Fehde an Neros Hof. Eumolps Poetik ( Sat. 118 ) und sein Epyllion richteten sich eindeutig gegen Lukan – aus Unmut über dessen episches Experiment, oder um Neros Eifersucht auf den jungen Erfolgsautor anzustacheln.128 Das BC rehabilitiere den Eroberer Galliens als Rächer Roms und der eigenen Ehre. Diese Apologie Caesars legitimiere zugleich seine Erben, das julisch-claudische Kaiserhaus – und dessen letzten Vertreter : Nero.129 Andere bescheinigen dem BC eine „positive teleologische Geschichtsauffassung“. Ein wichtiges Indiz liefere das Eingreifen höherer Mächte. Eine strafende Gottheit entfessle den Bürgerkrieg als „therapeutische Radikalkur für die verkommene Menschheit“. Wenn die Therapie aber anschlage, so die Folgerung, sei das Reich im Prinzipat geheilt. Das BC postuliere also einen guten Ausgang der Geschichte in der neronischen Ära.130 Ein wenig erinnert dieses Argument an Lukans berühmt-berüchtigten Lobpreis Neros ( 1,33-66 ), in dem er für die furchtbaren Verbrechen des Bürgerkriegs mildernde Umstände geltend macht. Sie seien ein historisch notwendiges Übel auf dem Weg zum Kaisertum. Denn ohne Bürgerkrieg hätte Nero niemals den Thron bestiegen.131 Doch die Indizien für eine solche affirmative Deutung des BC sind dünn gesät. Im Gegenteil: fast nirgendwo zeigt sich ein Hoffnungsschimmer oder die Aussicht auf eine friedvolle Zukunft ; nirgendwo sind Heilung oder Versöhnung in Sicht. Der einzige vermeintlich zuversichtliche Hinweis im ganzen Lied entpuppt sich als Trugbild. In der Tat klingt die kryptische Bemerkung, das betäubt darniederliegende Reich könne aus seiner Ohnmacht gerissen wer126 127

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Die kritische Stimmung gegenüber dem Kaisertum im ersten und frühen zweiten Jh. n.Chr. schildert AHL 1976, 17 f. Cf. Bd. I, S. 159 f. – Aus der Perspektive des BC liest sich die TH wie ein Prélude : „The Troiae Halosis negates Vergil’s Troy, the Bellum Ciuile his Rome.“ ( ZEITLIN 1971, 82 ). Laut YEH 2007, 168 sei der Fall Trojas, der sich in der Schlusspartie der TH ankündige, die Ouvertüre all jener historischen Ereignisse, die im römischen Bürgerkrieg mündeten. SULLIVAN 1968 a , bes. 459f. SULLIVAN 1982, 153 f. WIENER 2010, 159-161 ( Zitate von S. 161 bzw. 159 ). Bes. 1,44 f. multum Roma tamen debet civilibus armis | quod tibi res acta est ( cf. ROCHE 2009, 129-137 ad loc.; s. auch oben S. 824 Anm. 7 ).

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den ( 58-60 ), als gäbe es eine Therapie für Roms kranken Volkskörper ( 54 f. tabes … intra membra furens … errat ) und das chronische Siechtum des Reichs. Doch die medizinische Terminologie kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass dem maladen Gemeinwesen nicht mehr zu helfen ist. Denn wie das BC gleich im Anschluss andeutet, überleben die Rosskur weder der Patient: das dem Untergang geweihte Rom ( 83 perituram … molem ), noch die ‚Ärzte‘: die Triumvirn. Nur so erklärt sich jenes befremdliche Detail, das bislang kaum Beachtung und m.W. keine adäquate Deutung gefunden hat. Wir lernen die T r i u m v i r n als T o t e kennen ( 61-66 ). Noch vor Beginn der eigentlichen Handlung hält das BC nachdrücklich fest, dass alle drei im Umfeld der Bürgerkriege gewaltsam ums Leben kommen. Just die Urheber und Verantwortlichen der Feindseligkeiten fallen dem gewaltigen Aderlass zum Opfer. Die ‚römische Revolution‘ frisst ihre eigenen Kinder.132 Es ist auch kaum Zufall, dass die spärlich gestreuten Zeitangaben allesamt auf den Winter verweisen.133 Die dunkle Jahreszeit samt ihren Konnotationen – Kälte, Stillstand, Erstarrung, Tod – liefert die passende Bühne für den globalen Konflikt. Und gleich zwei Szenen zeugen von der Auflösung der kosmischen Ordnung : das Unwetter in den Alpen, und die Flucht der guten Götter, Bild eines radikalen Umschlags der universalen Kräfteverhältnisse. Was dies für die Republik bedeutet, macht Fortunas Prophezeiung klar, die auch Philippi erwähnt und mit Actium endet. Denn Actium als Schluss- und Höhepunkt jener Orgie der Zerstörung stellt Vergils kanonische Deutung des Seegefechts als Triumph einer neuen Friedensordnung und eines neuen Äons infrage ( Aen. 8,675-713 ) – und untergräbt damit seine Verklärung der augusteischen Geschichte.134 Über die Konfrontation zwischen Caesar und Pompeius hinaus fasst Fortuna die Bürgerkriege insgesamt in den Blick – und damit zugleich das Resultat jenes langen Konflikts: die Geburt des Prinzipats aus dem Blut der späten Republik. Wie übel es um Rom steht, verrät ( aus dieser Warte betrachtet ) bereits die Rahmengeschichte. Denn während Aeneas auf seinem Weg nach Latium gleich zwei lichte Visionen von Roms künftiger Größe zuteil werden, in der Heldenschau ( Aen. 6,756-853 ) und der Schildbeschreibung ( 8,626731 ), sehen sich Encolpius und die anderen auf ihrem Weg nach Kroton 132 133 134

Cf. R. SYMEs Klassiker : „The Roman Revolution“ ( 1939 ), und S. 970-972. Konkretere Angaben liefert einzig die Ekphrasis der Alpen ( 144-151, bes. 147 hiemps und 150 hiemis … pruinis ). Cf. unten S. 1073 ; s. auch CONNORS 1989, 92.

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mit der finsteren Ära der Bürgerkriege und dem Scheitern der Republik konfrontiert.135 Die Aeneis erzählt vom Furor der Bürgerkriege, der endlich unter Kontrolle ist, und beschwört das hoffnungsvolle Bild einer neuen Gesellschaft herauf, das in Augustus’ Rom gipfelt.136 Das BC schildert Furors Sieg im frühen Prinzipat. In Vergils Hades sieht Aeneas den künftigen Triumph seines Volkes. In der Unterwelt des BC sehen wir nur Dis, Fortuna und Tisiphone, die nach Blut und neuen Toten gieren. „The tone of the entire Bellum Civile is one of overwhelming despair“.137 Furor und Discordia beherrschen das Reich; das letzte Wort hat der fratzenhafte Dämon der Zwietracht. Und die Mächte der Hölle kennen nur e i n Ziel: Roms Vernichtung. Dis’ und Fortunas Worte könnten deutlicher nicht ausfallen: Rom ist – in einer Formel, die kaum zufällig an die von Juppiter vernichteten Giganten erinnert – ein „dem Untergang geweihter Koloss“ ( 83 peritura moles ; cf. 208 periturorum … Gigantum ). Und Fortuna höchstpersönlich wird ihn vernichten: „Diesen Koloss wird zertrümmern dieselbe Gottheit, die einst ihn groß gemacht.“ ( 108f. destruet istas | idem, qui posuit, moles deus ). Nachdenklich stimmt nicht zuletzt das düstere Sittengemälde, mit dem der Text so unvermittelt einsetzt, und das merkwürdig zeitlos anmutet. Es könnte fast als Bilanz der neronischen Ära durchgehen.138 Im Blick zurück schwant dem Leser, dass sich im Grunde nichts geändert hat – oder eher, dass die Dinge sich zum Schlechteren gewendet haben. Auch Neros Reich 135 136 137

138

Nach ZEITLIN 1971, 70. Mit einer ähnlichen Botschaft endet Ovids Epos ( met. 15,807-870 ). ZEITLIN 1971, 80. „Aeneas’ Katabasis ( war ) ein Symbol römischer Verheißung, während in Plutos Anabasis [ BC 76 ff. ] sich römischer Untergang ankündigt.“ ( STÄRK 1995, 81 ). S. auch BURCK 1971, 94 : „Die augusteische Dichtung kennt eine Hoffnung auf das Gute im Menschen und in der Weltordnung. Die frühkaiserzeitlichen Dramen und Epen aber enthüllen … das Böse in der Seele des Menschen ; sie lassen die infernalischen Mächte zum Zuge kommen und spüren die Dunkelheit, die sich über die Welt gelegt hat.“ Auch deshalb erinnert es an Eumolps frühere Klagen über Roms moralischen Niedergang in der Gegenwart ( Sat. 83,10; 88 ). Während die historisch-politischen Referenzen – Bestechung, Verschuldung, Cato, die Triumvirn – auf die späte Republik zielen, gibt es immerhin zwei unstrittig kaiserzeitliche ‚Anachronismen‘ : den Tiger ( BC 16-18 ) und die Kastraten ( BC 19-24 ; cf. MÖßLER 1842, 56-60 ; COLLIGNON 207 ; RUDICH 1997, 234 ). Auch Lukan zieht wiederholt Parallelen zur eigenen Epoche und charakterisiert den Prinzipat als Monarchie oder Tyrannis ( e.g. 1,670-672 ).

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ist die Domäne von Furor und Discordia. Denn in diesem Hades auf Erden herrscht chronischer Bürgerkrieg zwischen dem Caesar und seinen Untertanen.139 Zwischen den Zeilen malt das BC Lukans pessimistisches Geschichtsbild konsequent zu Ende.140 LIT. ( in Auswahl ): MÖßLER 1842 – 1891; COLLIGNON 149-226; BALDWIN 1911; STUBBE 67-151; BARNES 1971, 107-161; ZEITLIN 1971; GUIDO 1976; GRIMAL 1977; CONNORS 1989; CONNORS 1998, 100146; COURTNEY 2001, 184-189; RIMELL 2002, 77-97; YEH 2007, bes. 195-385; POLETTI 2017. ~~~

139

140

Der Sieger des Bürgerkriegs wird das Volk unterdrücken ( Sen. benef. 5,15,4-6, bes. civibus caesis perfusi cruore cognato urbem subrectis intrate vexillis. obmutescat inter militaria signa libertas, et ille victor pacatorque gentium populus remotis procul bellis, omni terrore compresso, intra muros obsessus aquilas suas horreat ). Kein Blatt vor den Mund nimmt Nero in der ps.-senecanischen Octavia ( 492-498 munus deorum est, ipsa quod servit mihi | Roma et senatus eqs. ). ZEITLIN 1971, 80 vergleicht den ‚abgründigen politischen Pessimismus‘ der Octavia mit dem BC ( zu Silius’ düsterem Bild der Bürgerkriege und des Prinzipats cf. SCHETTER 1978, 77 f. ). Das BC widerspricht auch dem Optimismus eines Calpurnius Siculus ( 1,4288 : dank Neros seien Bellona und Discordia überwunden, der Bürgerkrieg Geschichte, Pax allgegenwärtig, das Goldene Zeitalter zurückgekehrt ).

Das Bellum civile

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Das Bellum civile ( Gliederung ) 1-143

VOR DEM KRIEG

143 V.

1-66

Die Krise der Republik

66 V.

1-38 1-7 7-12 13-18 19-27 27-32 33-38 39-60 39-44 45-50 51-60 61-66 67-125

Rom im Konsumrausch Die Ausbeutung des Globus Die Gier nach Luxusimporten Die venationes Entmannte Knaben Zitrustische Luxusdelikatessen Die verkaufte Republik Die korrupte Kapitale Der Fall Cato Die Schuldenkrise Die toten Triumvirn Dis und Fortuna

67-75 76-99 76-78 79-85 85-93 94-99 100-121 100-102 103-108 108-110 111-115 116-121 122-125 126-143

59 V.

Der Unterweltseingang ( Ekphrasis ) Dis’ Auftritt Sein Erscheinen „Du hast genug von Rom, das sich selbst zerstört“ „Rom sprengt alle räumlichen Grenzen“ „Zettle einen Bürgerkrieg an !“ Fortunas Antwort Der Handschlag „Ich hasse meine Geschenke an Rom“ „Rom wird zugrunde gehen“ Die Prophezeiung: die Schlachten des Bürgerkriegs Die Toten des Bürgerkriegs Juppiters Blitz

Die Zeichen stehen auf Krieg

126-140 Vorzeichen des Bürgerkriegs 127-131 Astronomische Vorzeichen 131-133 Geologische Vorzeichen 134-135 Akustische Vorzeichen

18 V.

Das Bellum civile

841

135-138 Chthonische Vorzeichen 139-140 Kometen und Blutregen 141-143 Caesar verlässt Gallien 144-295

KRIEGSAUSBRUCH

152 V.

144-208

Caesars Alpenübergang

65 V.

144-151 152-176 152-155 156-157 158-166 167-176 177-182 183-208 183-195 196-202 203-208 209-244

Panik in Rom

209-216 216-221 222-232 233-237 238-244 245-295

Der Alpenpass ( Ekphrasis ) Caesars Rede Der Blick auf Italien Götteranrufung „Rom behandelt mich als Feind“ „Ich muss und werde mich rächen“ Günstige Vorzeichen Der Abstieg nach Italien Aufbruch und erste Schwierigkeiten Das Unwetter Caesars ‚Aristie‘ 36 V.

Famas Auftritt Eine Stadt unter Schock Szenen der Flucht ( Ekphrasis ) Das Schiffsgleichnis Pompeius sucht das Weite Der Krieg der Götter

245-253 254-263 264-270 271-295 271-282 283-294

51 V.

Der Rückzug der guten Mächte Der Aufmarsch der bösen Mächte Die Theomachie Discordia Discordias Auftritt ( Ekphrasis ) Discordias Ansprache

Zur Struktur des BC s. auch BALDWIN 1911, 112 ; STUBBE 78-81 ; BARNES 1971, 121-123 ; BURCK 1979, 202 f.; CONNORS 1989, IV ; COURTNEY 2001, 184 f. ; SCHMELING – SETAIOLI 453 f. ; CANALI – STUCCHI 2014, 175 f.

Das Bellum civile

842 Vergil im Bellum civile

141

ecl. 7,60 Iuppiter … laeto descendet plurimus imbri ~ BC 140 sanguineo … recens descendit Iuppiter imbre georg. 1,236 glacie concretae ~ BC 150 glacie concreta georg. 1,240 arduus arces ~ BC 205 arduus arce georg. 1,467 ferrugine texit ~ BC 128 caligine texit ( eadem sede metrica ) georg. 1,489-492 inter sese paribus concurrere telis | Romanas acies iterum vīdere Philippi; | nec fuit indignum superis bis sanguine nostro | Emathiam et latos Haemi pinguescere campos ~ BC 111f. cerno equidem geminā iam stratos morte Philippos | Thessaliaeque rogos georg. 1,495 scabrā robigine pila ~ BC 274 scabrā rubigine dentes ( jeweils Versende ) georg. 2,172 ~ BC 107 Romanis arcibus ( cf. BC 293 Romanas arces ) georg. 2,173 ~ BC 156 Saturnia tellus georg. 2,376 canā concreta pruinā ~ BC 185 canā vincta pruinā georg. 3,194 ~ BC 258 ceu liber habenis georg. 3,552 ~ BC 120 pallida Tisiphone ( jeweils Versbeginn ) georg. 4,417 spiravit crinibus aura ~ BC 38 adspirant frondibus aurae Aen. 1,37f. ~ BC 82f. victam | nec posse Aen. 1,127 placidum caput extulit ~ BC 272 extulit … Stygium caput Aen. 1,234-236 Romanos … fore ductores …, qui mare, qui terras omnīs dicione tenerent ~ BC 1f. orbem iam totum victor Romanus habebat, | qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque Aen. 1,296 u.ö. ~ BC 127 ore cruento ( cf. BC 96 ora cruore ) Aen. 1,408 dextrae iungere dextram ~ BC 100 dextrae coniungere dextram Aen. 1,425 optare locum ~ BC 153 optavitque locum Aen. 2,185 immensam … attollere molem ~ BC 83 perituram extollere molem Aen. 2,265 urbem somno vinoque sepultam ~ BC 58 hōc mersam caeno Romam somnoque iacentem Aen. 2,294 ~ BC 293 moenia quaere Aen. 2,369 et plurima mortis imago ~ BC 257 et lurida Mortis imago Aen. 2,416 rupto … turbine venti ~ BC 197 rupti turbine venti Aen. 3,9 Anchises dare fatis vela iubebat ~ BC 237 hic dat vela fugae Fortunaeque omnia credit Aen. 3,121 u.ö. ~ BC 211 Fama volat ( jeweils Versbeginn ) 141

Die Vergilzitate im BC listet auch COLLIGNON 165-169. 205-207 auf ; s. ferner BALDWIN 1911 und STUBBE passim.

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Aen. 4,66-69 ēst … flamma medullas | interea et tacitum vivit sub pectore vulnus. … Dido … vagatur … furens ~ BC 54 f. tabes tacitis concepta medullis | intra membra furens … errat Aen. 4,66 ~ BC 106 flamma medullas ( jeweils Versende ) Aen. 4,258 ~ BC 269 Cyllenia proles ( jeweils Versende ) Aen. 5,215 exterrita pinnis ~ BC 210 conterrita pinnis ( jeweils Versende ) Aen. 5,316 limen … relinquunt ~ BC 227f. relinquit | limen Aen. 6,237 spelunca alta fuit vastoque immanis hiatu ~ BC 67 est locus exciso penitus demersus hiatu Aen. 6,266 sit mihi fas audita loqui ~ BC 104 si … vera mihi fas est … profari Aen. 6,288 flammisque armata Chimaera ~ BC 256 facibusque armata Megaera Aen. 6,546 melioribus utere fatis ~ BC 220 fatisque iubentibus uti Aen. 6,673 nulli certa domus ~ BC 53 nulla est certa domus Aen. 6,835 proice tela manu ! ~ BC 143 Gallica proiecit … arma Aen. 7,38 advena classem ~ BC 16 advena classes Aen. 7,100f. qua sol utrumque recurrens | aspicit Oceanum ~ BC 2 qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque Aen. 7,325f. cui tristia bella … cordi ~ BC 109f. et mihi cordi … armare viros Aen. 7,326 iraeque insidiaeque ~ BC 257 Letumque Insidiaeque Aen. 7,353 membris lubricus errat ~ BC 55 intra membra furens … errat Aen. 7,562 Cocyti … petit sedem supera … linquens ~ BC 278 Cocyti tenebras … liquit Aen. 7,563-571 ( Unterweltseingang ) ~ BC 67-75 Aen. 8,39 hīc tibi certa domus ~ BC 53 nulla est certa domus Aen. 8,329 ~ BC 156 Saturnia tellus Aen. 8,391 ~ BC 122 rupta corusco ( eadem sede metrica ) Aen. 8,432 flammis … sequacibus ~ BC 180 flammā … sequenti Aen. 8,487 sanie taboque fluentīs ~ BC 275 tabo lingua fluens Aen. 8,702 scissā gaudens vadit Discordia pallā ~ BC 253 maerens lacerā Concordia pallā Aen. 8,704 Actius haec cernens arcum intendebat Apollo ~ BC 114 f. cerno … Actiacosque sinus et Apollinis arma timentes Aen. 9,472 atroque fluentia tabo ~ BC 275 tabo lingua fluens Aen. 9,733 ~ BC 136 fulmina mittit ( jeweils Versende ) Aen. 9,766 Martem … cientīs ~ BC 134 f. Martem … ciet Aen. 10,3f. terras unde … omnīs | castraque Dardanidum aspectat ~ BC 280f. unde omnes terras atque omnia litora posset | aspicere Aen. 10,12 ~ BC 107 Romanis arcibus ( cf. BC 293 Romanas arces ) Aen. 10,18 o hominum rerumque aeterna potestas ~ BC 79 rerum humanarum divinarumque potestas

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844

Aen. 10,667 duplicīs cum voce manūs ad sidera tendit ~ BC 154 f. ambas | intentans cum voce manūs ad sidera Aen. 10,761 ~ BC 120 pallida Tisiphone ( jeweils Versbeginn ) Aen. 10,762 ingentem quatiens Mezentius hastam ~ BC 268 ingentem quatiens Mavortius hastam Aen. 11,130 attollere moles ~ BC 83 extollere molem ( jeweils Versende ) Aen. 11,492-494 abruptis … vinclis | tandem liber equus eqs. ~ BC 258 abruptis ceu liber habenis Aen. 11,526 summoque in vertice montis ~ BC 153 summo de vertice montis ( jeweils Versende ) Aen. 11,544 f. iuga longa petebat | solorum nemorum ~ BC 211 summi … petit iuga celsa Palati Aen. 11,624 gurgite pontus ~ BC 241 gurgite Pontus ( jeweils Versende ) Aen. 12,178 et pater omnipotens et tu Saturnia coniunx ~ BC 156 Iuppiter omnipotens, et tu, Saturnia tellus Aen. 12,336 Iraeque Insidiaeque ~ BC 257 Letumque Insidiaeque Aen. 12,398 ingentem nixus in hastam ~ BC 203 magnam nixus in hastam ( eadem sede metrica ) Aen. 12,527 nescia vinci ~ BC 176 nesciŏ vinci Lukan im Bellum civile

142

Sechs unstrittige ‚Zitate‘ stehen in ‚fett‘ (e.g. „2,1-4“ ); auf vage oder unsichere Anspielungen verweist ein Fragezeichen ( e.g. „1,68f. ( ? )“ ). 1,8 quis furor, o cives, quae tanta licentia ferri ? ~ Sat. 108,14,1 quis furor … pacem convertit in arma ? 1,13-17 quantum terrae … pelagique …, | unde venit Titan et Nox ubi sidera condit | quaque dies … et qua bruma eqs. ~ BC 2 qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque 1,42f. premit aspera classes | Leucas ~ BC 16f. premit advena classes | tigris 1,68f. ( ?) immensumque aperitur opus, quid in arma furentem | impulerit populum ~ Sat. 118,6 ecce belli civilis ingens opus ( cf. Bd. II, S. 791 ) 1,109f. populi … potentis, | quae mare, quae terras, quae totum possidet orbem ~ 1f. victor Romanus …, | qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque 142

Zu den Lukananspielungen im BC s. auch COLLIGNON 150-163 ; BALDWIN 1911, 71-88 ; PARATORE 1933, II 391-395 ; SULLIVAN 1968, 174 f. ; BARNES 1971, 144 ; ROSE 1971, 88-94 ; GEORGE 1974, 122-130.

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1,128 ( ?) victrix causa deis placuit, sed victa Catoni ~ BC 45 pellitur a populo victus Cato 1,146f. ( ?) indomitus, quō spes quōque ira vocasset, | ferre manum ~ BC 158f. testor, ad has acies … invitas me ferre manūs 1,178 ( ?) rapti fasces pretio ~ BC 46 fascesque pudet rapuisse Catoni 1,204 moras solvit belli sc. Caesar ~ BC 141f. exuit omnes … moras Caesar 1,225-227 hīc pacem … relinquo ; | te, Fortuna, sequor eqs. ~ BC 174 iudice Fortunā cadat alea 1,330f. ( ?) Sullanum solito tibi lambere ferrum | durat, Magne, sitis ~ BC 98 ex quo Sullanus bibit ensis 1,466-522 ~ BC 209-244 1,498-504 qualis, cum turbidus Auster | reppulit … aequor eqs. ~ BC 233-237 ac velut … cum magnus inhorruit Auster | et pulsas evertit aquas eqs. 1,679f. ( ?) video Pangaea nivosis | cana iugis latosque Haemi sub rupe Philippos ~ BC 111f. cerno equidem geminā iam stratos morte Philippos | Thessaliaeque rogos 1,694 vidi iam … Philippos ~ BC 111 cerno … iam … Philippos 2,1-4 iamque irae patuere deum manifestaque belli | signa dedit mundus eqs. ~ BC 126f. continuo clades hominum venturaque damna | auspiciis patuere deum ( patuere deum eadem sede metrica ) 2,6 noscant venturas ut dira per omina clades ~ BC 126f. continuo clades hominum venturaque damna | auspiciis patuere deum 2,443f. ( ?) non tam portas intrare patentīs | quam fregisse iuvat ~ BC 291 non frangis portas … ? 2,535f. ( ?) Gallica per gelidas rabies effunditur Alpes, | iam tetigit sanguis pollutos Caesaris enses ~ BC 213f. totasque per Alpes | fervĕre Germano perfusas sanguine turmas 3,16-19 praeparat innumeras puppīs Acherontis adusti | portitor … vix operi cunctae dextrā properante Sorores | sufficiunt, lassant rumpentīs stamina Parcas ~ BC 117-119 vix navita Porthmeus | sufficiet simulacra virum traducere cumbā ; | classe opus est 5,30 ~ BC 225 maerentia tecta 5,436 ( ?) Bosporos undas ~ BC 242 Bosphoros undā 6,642-651 ( ?) ~ BC 67-75 6,479 ( ?) dimaduēre nives ~ BC 189 incaluēre nives ( jeweils Versbeginn ) 7,68f. ( ?) hoc … te … precatur, | uti se Fortuna velis ~ 220 fatis … iubentibus uti 7,713 ( ?) victum … caput ~ 250 victum caput 7,151f. non tamen abstinuit venturos prodere casūs | per varias Fortuna notas ~ BC 126f. clades hominum venturaque damna | auspiciis patuere deum

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7,424 f. ( ?) ut tibi nox, tibi tota dies, tibi curreret aether, | omniaque errantes stellae Romana viderent ~ BC 2 qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque 7,473 Thessaliam Romano sanguine tinxit sc. Crastini lancea ~ BC 294 Thessalicosque sinūs Romano sanguine tingue 7,591f. nec tibi fatales admōveris ante Philippos, | Thessaliā periture tuā ~ BC 111f. cerno equidem geminā iam stratos morte Philippos | Thessaliaeque rogos 7,649-651 stetit aggere campi, | eminus unde omnīs sparsas per Thessala rura | aspiceret clades ~ BC 279-281 alta petit … iuga …, unde omnes terras atque omnia litora posset | aspicere 8,33f. Peneius amnis | Emathiā iam clade rubens exibat in aequor ~ BC 294 Thessalicosque sinūs Romano sanguine tingue 10,133f. ( ? ) infelix ferro mollita iuventus | atque exsecta virum ~ BC 20f. male pubescentibus annis | surripuere viros 10,545f. ad campos, Epidamne, tuos, ubi … obsedit … calcantem moenia Magnum ~ BC 293 Epidamni moenia quaere Zur Metrik Wie YEHs minutiösen Untersuchungen belegen, folgt der Hexameter des BC insgesamt klassischen Vorbildern, vornehmlich dem Romanus Vergilius (118,5).143 Daneben finden sich archaisierende Eigenheiten (u.a. der spondeenlastige Rhythmus, v.a. im 1., 4. und 6. Fuß ), wie man sie bei Ennius antrifft, aber auch bei Cicero oder Silius, nicht jedoch bei Lukan oder den älteren flavischen Epikern.144 Zudem reflektieren feine metrische Nuancen in den verschiedenen Abschnitten des Gedichts deren Charakter – etwa Empörung im Prolog, Pathos in der Rede Fortunas, Feierlichkeit in der Ansprache Caesars. „Chaque discours et chaque tableau sont mis en relief par des effets stylistiques riches de sens.“ ( YEH 2007, 385 ). Nicht zu übersehen ist auch die Vorliebe für bukolische Dihäresen, die bisweilen gelungene Akzente setzen ( e.g. BC 108f. oder 131f. ).145 Das wohl augenfälligste metrische Stilmittel des BC sind die vier versūs aurei, 143

144

YEH 2007, 195-385 ( s. auch J. SOUBIRANs Besprechung, Latomus 68, 2009, 184-186 ). Zur Metrik des BC cf. ferner STUBBE 95-103 ; BARNES 1971, 124128 ; GUIDO 1976, 293-332 ; SETAIOLI, Nugae 9 ( und zur Sprache des BC allgemein cf. BALDWIN 1911, 40-63 ; STUBBE passim ; GUIDO 1976, 243-289 ). Zu den sechzehn Holospondeen des BC ( 1, 38, 58, 77, 79, 82, 93, 101, 128, 171, 176, 187, 261, 274, 291 und 295 ) cf. YEH 2007, 230-232 ; zu den acht Holodaktylen ( 3, 12, 33, 42, 115, 136, 178 und 272 ) cf. ebd. 243-246.

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ein ‚klassischer‘ ( BC 277 sanguineam tremulā q u a t i e b a t lampada dextrā ; nach dem Muster abVAB : Adjektiv a – Adjektiv b – Verb – Nomen A – Nomen B ), sowie drei ‚chiastische‘ ( BC 38, 140 und 204 ; nach dem Muster abVBA : Adjektiv a – Adjektiv b – Verb – Nomen B – Nomen A ; e.g. BC 38 solae desertis a d s p i r a n t frondibus aurae ).146 Alle vier spielen eine Rolle in der Architektur des Epyllions: BC 204 leitet zu den beiden mythischen Vergleichen über ; die drei anderen Verse beenden jeweils markant einen Abschnitt : BC 38 das Sittengemälde ( 1-38 ), 140 den Katalog der Vorzeichen ( 126-140 ), und 277 Discordias Ekphrasis ( 271-277 ).

145

146

Ferner BC 24, 31, 34, 45, 85, 134, 141, 146, 170, 174, 190, 212, 219, 226, 231, 246, 250, 255, 259, 262, 272, 292 ( unsicher bleibt BC 221 ) ; s. auch YEH 2007, 273-276. Cf. WILKINSON 1963, 215-217 ; s. auch NORDEN 4 1957, 393-398.

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Bellum civile ( Lesetext ) orbem iam totum victor Romanus habebat, qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque – nec satiatus erat. gravidis freta pulsa 1 carinis iam peragebantur ; si quis sinus abditus ultra, si qua foret tellus, fulvum quae mitteret aurum, hostis erat, fatisque 2 in tristia bella paratis quaerebantur opes. non vulgo nota placebant gaudia, non usu plebeio trita voluptas. aes Ephyrae captum 3 laudabat miles; in imā 4 quaesitus tellure nitor certaverat ostro; hinc Numidae attulerant,5 illinc nova vellera Seres, atque Arabum populus sua despoliaverat arva. ecce aliae clades et laesae vulnera pacis. quaeritur in silvis Tauri 6 fera, et ultimus Hammon Afrorum excutitur, ne desit belua dente ad mortes pretiosa ; fremens 7 premit advena classes tigris et auratā 8 gradiens vectatur in aulā, ut bibat humanum populo plaudente cruorem. heu, pudet effari perituraque prodere fata: 9 Persarum ritu male pubescentibus annis surripuere viros exsectaque viscera ferro in venerem fregere, atque ut fuga mobilis 10 aevi circumscripta morā properantes differat 11 annos,12 quaerit se natura nec invenit. omnibus ergo 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

5

10

15

20

pulsa : pressa AF fatisque : ratibusque HARRISON Ephyrae captum MAGNELLI : Ephyrae raptum STAGNI : Ephyrae coctum MÜLLER : Ephyrae mixtum ego dubitanter : Ephyreiacum HEINSIUS : aesepyre cum B in ima GIFANIUS : in unda codd. : in Inda DOUSA pater et BOUHIER attulerant BOUHIER, FUCHS : accusatius vel sim. codd. : crustas SCALIGER Tauri BUSCHE : circo IUNIUS : Mauris PITHOEUS : auro codd. fremens BOUHIER : fames codd. aerata BROUKHUSIUS perditura … facta ego dubitanter nobilis alii codd. differt VANNINI lacunam post annos indicavit MÜLLER

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scorta placent fractique enervi corpore gressūs et laxi crines et tot nova nomina vestis, quaeque virum quaerunt. ecce Afris eruta terris ponitur ac maculis imitatur vilius aurum citrea mensa, greges servorum ostrumque renidens,13 quae sensum trahat. hoc sterile ac male nobile lignum turba sepulta mero circumvenit, omniaque orbis praemia correptis miles vagus extruit 14 armis. ingeniosa gula est. Siculo scarus aequore mersus ad mensam vivus perducitur, atque Lucrinis eruta litoribus vendunt conchylia cenas, ut renovant 15 per damna famem. iam Phasidos unda orbata est avibus, mutoque in litore tantum solae desertis adspirant frondibus aurae. nec minor in campo furor est, emptique Quirites ad praedam strepitumque lucri suffragia vertunt. venalis populus, venalis curia patrum, est favor in pretio.16 senibus quoque libera virtus exciderat, sparsisque opibus conversa potestas, ipsaque maiestas auro corrupta iacebat. pellitur a populo victus Cato; tristior ille est, qui vicit, fascesque pudet rapuisse Catoni. namque – hoc dedecoris populo morumque ruina – 17 non homo pulsus erat, sed in uno victa potestas Romanumque decus. quare tam 18 perdita Roma ipsa sui merces erat et sine vindice praeda. praeterea gemino deprensam gurgite praedam 19 faenoris ingluvies ususque exederat aeris. nulla est certa domus, nullum sine pignore corpus, sed veluti tabes tacitis concepta medullis

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28 post 29 collocavit GRONOVIUS extruit MÖßLER : esurit codd. renovant DEUFERT : renovent codd., edd. et favor in pretio est HEINSIUS ruinae ego dubitanter | versum delevit MÜLLER cum BROUKHUSIO iam SCALIGER ( commendante SHACKLETON BAILEY ) : tum DEUFERT plebem BURMAN parsque maior editorum

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intra membra furens curis latrantibus 20 errat. arma placent miseris, detritaque commoda luxu vulneribus reparantur. inops audacia tuta est. hōc mersam caeno Romam somnoque iacentem quae poterant artes sanā ratione movere, ni furor et bellum ferroque excita libido ? 120. tres tulerat Fortuna duces, quos obruit omnes armorum strue diversā feralis Enyo. Crassum Parthus habet, Libyco iacet aequore Magnus, Iulius ingratam perfudit sanguine Romam, et quasi non posset tellus tot ferre sepulcra, divisit cineres. hos gloria reddit honores. est locus exciso penitus demersus hiatu Parthenopen inter magnaeque Dicarchidos arva, Cocyti perfusus aquā ; nam spiritus, extra qui furit effusus, funesto spargitur aestu. non haec autumno tellus viret 21 aut alit herbas caespite laetus ager, non verno persona cantu mollia discordi strepitu virgulta loquuntur, sed chaos et nigro squalentia pumice saxa gaudent ferali circum tumulata cupressu. has inter sedes Ditis pater extulit ora bustorum flammis et canā sparsa favillā, ac tali volucrem Fortunam voce lacessit : „rerum humanarum divinarumque potestas,22 Fors, cui nulla placet nimium secura potestas, quae nova semper amas et mox possessa relinquis, ecquid Romano sentis te pondere victam, nec posse ulterius perituram extollere molem ? ipsa suas vires odit Romana iuventus et quas struxit opes, male sustinet. aspice late luxuriam spoliorum et censum in damna furentem. aedificant auro sedesque ad sidera mittunt, expelluntur aquae saxis, mare nascitur arvis, et permutatā rerum statione rebellant. 20 21 22

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lacerantibus SCALIGER viget BÜCHELER : floret DEUFERT ( cf. Verg. georg. 2,5 f. ) magistra DÍAZ Y DÍAZ ( cf. CLE 255,3 rerum humanarum divinarumque magistra )

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en etiam mea regna petunt. perfossa dehiscit molibus insanis tellus, iam montibus haustis antra gemunt, et dum vanos lapis invenit usūs, inferni manes caelum sperare fatentur. quare age, Fors, muta pacatum in proelia vultum Romanosque cie ac nostris da funera regnis. iam pridem nullo perfundimus ora cruore, nec mea Tisiphone sitientes perluit artūs, ex quo Sullanus bibit ensis et horrida tellus extulit in lucem nutritas sanguine fruges.“ 121. haec ubi dicta dedit, dextrae coniungere dextram conatus rupto tellurem solvit hiatu. tunc Fortuna levi defudit pectore voces: „o genitor, cui Cocyti penetralia parent, si modo vera mihi fas est impune profari, vota tibi cedent ; nec enim minor ira rebellat pectore in hoc leviorque exurit flamma medullas. omnia, quae tribui Romanis arcibus, odi muneribusque meis irascor. destruet istas idem, qui posuit, moles deus. et mihi cordi quippe armare 23 viros et sanguine pascere luxum. cerno equidem geminā iam stratos morte 24 Philippos Thessaliaeque rogos et funera gentis Hiberae et Libyae ; cerno tua, Nile, gementia claustra Actiacosque sinūs et Apollinis arma timentes. iam fragor armorum trepidantes personat aures.25 pande, age, terrarum sitientia regna tuarum atque animas accerse novas. vix navita 26 Porthmeus sufficiet simulacra virum traducere cumbā ; classe opus est. tuque ingenti satiare ruinā, pallida Tisiphone, concisaque vulnera 27 mande: ad Stygios manes laceratus ducitur orbis.“ 23 24 25 26 27

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armare GRONOVIUS : cremare codd., edd. gemino … Marte SCALIGER 113 post 115 collocaverunt SURINGAR et BÜCHELER omnia POLETTI ( „glossema ad porthmeus pertinens in textum irrepsit“ ), fortasse recte funera vel viscera COLLADONIUS

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122. vixdum finierat, cum fulgure rupta corusco intremuit nubes elisosque abscidit ignes. subsedit pater umbrarum, gremioque reducto telluris pavitans fraternos palluit ictūs. continuo clades hominum venturaque damna auspiciis patuere deum. namque ore cruento deformis Titan vultum caligine texit : civiles acies iam tum spectare 28 putares. parte aliā plenos extinxit Cynthia vultūs et lucem sceleri subduxit. rupta tonabant verticibus lapsis montis iuga, nec vaga passim flumina per notas ibant morientia ripas. armorum strepitu caelum furit et tuba Martem sideribus tremefacta ciet, iamque Aetna voratur ignibus insolitis et in aethera fulmina mittit. ecce inter tumulos atque ossa carentia bustis umbrarum facies diro stridore minantur. fax stellis comitata novis incendia ducit, sanguineoque recens descendit Iuppiter imbre. haec ostenta brevi solvit deus. exuit omnes quippe moras Caesar, vindictaeque actus amore Gallica proiecit, civilia sustulit arma. Alpibus aeriis, ubi Graio numine pulsae descendunt rupes et se patiuntur adiri, est locus Herculeis aris sacer. hunc nive dura claudit hiemps canoque ad sidera vertice tollit. caelum illinc 29 cecidisse 30 putes : non solis adulti mansuescit radiis, non verni temporis aurā, sed glacie concreta rigent 31 hiemisque pruinis: totum ferre potest umeris minitantibus orbem. haec ubi calcavit Caesar iuga milite laeto optavitque 32 locum, summo de vertice montis 28 29 30 31 32

spectare CRUSIUS : spirare codd. illuc MÖßLER cessisse VANNINI rigent LIPSIUS : riget vel rigens codd. : ingens BOUHIER optavitque SAMBUCUS : arripuitque POLETTI : obtinuitque HARRISON : oravitque codd.

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Hesperiae campos late prospexit et ambas intentans cum voce manūs ad sidera dixit : „Iuppiter omnipotens, et tu, Saturnia tellus, armis laeta meis olimque onerata triumphis, testor, ad has acies invitum accersere Martem, invitas me ferre manūs. sed vulnere cogor, pulsus ab urbe mea, dum Rhenum sanguine tingo, dum Gallos iterum Capitolia nostra petentes Alpibus excludo, vincendo certior exul. sanguine Germano sexagintaque triumphis esse nocens coepi. quamquam quos gloria terret, aut qui sunt qui bella vetent ? 33 mercedibus emptae ac viles operae, quorum est mea Roma noverca. at reor, haud impune, nec hanc sine vindice dextram vinciet ignavus. victores ite furentes, ite mei comites, et causam dicite ferro. namque omnes unum crimen vocat, omnibus una impendet clades. reddenda est gratia vobis, non solus vici. quare, quia poena tropaeis imminet et sordes meruit victoria nostra, iudice Fortunā cadat alea. sumite bellum et temptate manūs. certe mea causa peracta est : inter tot fortes armatus nesciŏ vinci.“ haec ubi personuit, de caelo Delphicus ales omina laeta dedit pepulitque meatibus auras. nec non horrendi nemoris de parte sinistrā insolitae voces flammā sonuere sequenti. ipse nitor Phoebi vulgato laetior orbe crevit et aurato praecinxit fulgure vultūs. 123. fortior ominibus movit Mavortia signa Caesar et insolitos gressu prior occupat ausūs. prima quidem glacies et canā vincta pruinā non pugnavit humus mitique horrore quievit. sed postquam turmae nimbos fregere ligatos et pavidus quadrupes undarum vincula rupit, incaluere nives. mox flumina montibus altis 33

vetent MÖßLER : vetant GRONOVIUS : vident codd.

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undabant modo nata, sed haec quoque – iussa putares – stabant, et vinctā fluctūs stupuere ruinā, et paulo ante lues iam concidenda iacebat. tum vero male fida prius vestigia lusit decepitque pedes; pariter turmaeque virique armaque congestā strue deplorata iacebant. ecce etiam rigido concussae flamine nubes exonerabantur, nec rupti turbine venti derant aut tumidā confractum grandine caelum. ipsae iam nubes ruptae super arma cadebant, et concreta gelu ponti velut unda ruebat. victa erat ingenti tellus nive victaque caeli sidera, victa suis haerentia flumina ripis; nondum Caesar erat, sed magnam nixus in hastam horrida securis frangebat gressibus arva, qualis Caucaseā decurrens arduus arce Amphitryoniades, aut torvo Iuppiter ore, cum se verticibus magni demisit Olympi et periturorum disiecit 34 tela Gigantum. dum Caesar tumidas iratus deprimit arces, interea volucer motis conterrita pinnis Fama volat summique petit iuga celsa Palati atque hōc Romanos 35 tonitru ferit omnia fingens: 36 iam classes fluitare mari totasque per Alpes fervere Germano perfusas sanguine turmas. arma, cruor, caedes, incendia totaque bella 37 ante oculos volitant. ergo pulsata 38 tumultu pectora perque duas scinduntur territa causas. huic fuga per terras, illi magis unda probatur et patriā pontus iam tutior ; est magis arma qui temptare velit fatisque iubentibus uti.39 34 35 36 37 38 39

disiecit GULIELMIUS : deiecit codd. Romanos BOUHIER : Romano codd. fingens WATT : miscens DEUFERT : signa codd. : omina ( IUNIUS ) firmans LABATE totaque bella : corpora, bella DEUFERT pulsata : sunt pulsa DEUFERT 233-237 post 220 posuerunt EHLERS, MÜLLER

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[ quantum quisque timet, tantum fugit ocior ipse.] 40 hos inter motūs populus, miserabile visu, quo mens icta iubet, desertā ducitur urbe. gaudet Roma fugā, debellatique Quirites rumoris sonitu maerentia tecta relinquunt. ille manu pavidā natos tenet, ille penates occultat gremio deploratumque relinquit limen et absentem votis interficit hostem. sunt qui coniugibus maerentia pectora 41 iungant grandaevosque patres … 42 onerisque ignara iuventus id pro quo metuit, tantum trahit. omnia secum hic vehit imprudens praedamque in proelia ducit. ac velut ex alto cum magnus inhorruit Auster et pulsas evertit aquas, non arma ministris, non regimen prodest, ligat alter pondera pinūs, alter tuta sinūs tranquillaque litora quaerit,43 hic dat vela fugae Fortunaeque omnia credit. quid tam parva queror ? gemino cum consule Magnus, ille tremor Ponti 44 saevique repertor Hydaspis et piratarum scopulus, modo quem ter ovantem Iuppiter horruerat, quem fracto gurgite Pontus et veneratus erat submissā Bosphoros undā, pro pudor, imperii deserto nomine fūgit, ut Fortuna levis Magni quoque terga videret. 124. ergo tanta lues divum quoque numina vicit,45 consensitque fugae caeli timor. ecce per orbem mitis turba deum terras exosa furentes deserit atque hominum damnatum avertitur agmen. Pax prima ante alias niveos pulsata lacertos abscondit galeā 46 victum caput atque relicto 40 41 42 43 44 45 46

221 delevit MÖßLER pignora STEWECH lacunam indicavit MÜLLER lacunam post quaerit indicavit MÜLLER Poeni STOWASSER vicit JACOBS, G. HERMANN, BÜCHELER : vidit codd. : cepit DEUFERT pallā SCHRADER, JACOBS

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orbe fugax Ditis petit implacabile regnum. huic comes it submissa Fides et crine soluto Iustitia ac maerens lacerā Concordia pallā. at contra, sedes Erebi qua rupta dehiscit, emergit late Ditis chorus, horrida Erinys et Bellona minax facibusque armata Megaera Letumque Insidiaeque et lurida Mortis imago. quas inter Furor, abruptis ceu liber habenis, sanguineum late tollit caput oraque mille vulneribus confossa cruentā casside velat ; haeret detritus laevae Mavortius umbo innumerabilibus telis gravis, atque flagranti stipite dextra minax terris incendia portat. sentit terra deos mutataque sidera pondus quaesivere suum; namque omnis regia caeli in partes diducta ruit. primumque Dione Caesaris arma 47 sui ducit, comes additur illi Pallas et ingentem quatiens Mavortius 48 hastam. Magnum cum Phoebo soror et Cyllenia proles excipit ac totis 49 similis Tirynthius actis. intremuere tubae ac scisso Discordia crine extulit ad superos Stygium caput. huius in ore concretus sanguis, contusaque lumina flebant, stabant aerati 50 scabrā rubigine dentes, tabo lingua fluens, obsessa draconibus ora, atque inter torto laceratam pectore vestem sanguineam tremulā quatiebat lampada dextrā. haec ut Cocyti tenebras et Tartara liquit, alta petit gradiens iuga nobilis Appennini, unde omnes terras atque omnia litora posset aspicere ac toto fluitantes orbe catervas, atque has erumpit furibundo pectore voces: „sumite nunc, gentes, accensis mentibus arma, sumite et in medias immittite lampadas urbes. 47 48 49 50

arma PASSERAT : acta codd. Mars fortius BUECHELER 1 ad loc. tantis NISBET arrosi HARRISON

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vincetur, quicumque latet ; non femina cesset, non puer aut aevo iam desolata senectus; ipsa tremat tellus lacerataque tecta rebellent. tu legem, Marcelle, tene. tu concute plebem, Curio. tu fortem ne supprime, Lentule, Martem. quid porro tu, dive, tuis cunctaris in armis, non frangis portas, non muris oppida solvis thesaurosque rapis ? nescis tu, Magne, tueri Romanas arces ? Epidamni moenia quaere Thessalicosque sinūs Romano 51 sanguine tingue.“ factum est in terris, quicquid Discordia iussit.

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Romano CORNELISSEN : humano codd.

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1 – 143 VOR DEM KRIEG 1 – 66 Die Krise der Republik BC 1-66 stellt eine Art Bestandsaufnahme dar, eine Bilanz der aktuellen Situation Roms in ökonomischer, sozialer und nicht zuletzt politischer Hinsicht ( cf. S. 820-822; die eigentliche Handlung beginnt BC 67 ). Rom beherrscht die Mittelmeerwelt. Die Provinzen bluten, der Überseehandel blüht, Luxus bestimmt den Alltag der Oberschicht und die Sehnsüchte der Masse; zugleich lähmen Korruption und Verschuldung das öffentliche Leben. Als Kronzeuge für den Niedergang der Republik tritt Cato auf. 1 – 38 Rom im Konsumrausch 1 – 7 Die Ausbeutung des Globus 1 orbem iam totum victor Romanus habebat : „Den gesamten Erdkreis beherrschte längst der siegreiche Römer.“ Nüchtern, fast ernüchtert, skizziert der Eröffnungsvers den Status quo ( cf. Sen. dial. 12,7,7 ubicumque vicit Romanus, habitat ). Zum Einsatz kommen das durative Imperfekt, das lapidare Attribut victor ( „als Sieger“; cf. Val. Max. 1,8,5 Romanus exercitus victor abibit ; Anth. Lat. 402,1f. R. Pompeius totum victor lustraverat orbem ), vier Spondeen ( BC 1 ist der erste von sechzehn Holospondeen des Epyllions – wie in Ringkomposition Vers 295 ), und nicht zuletzt der kollektive Singular, der gerade vor dem Hintergrund des drohenden Bruchs Roms innere Einheit unterstreicht. Dieses historische Urteil kann allenfalls hyperbolisch gelten. Denn wie BC 2 zeigt, steht orbis nicht im engeren Sinn für die Mittelmeerwelt, sondern für die Erde insgesamt ; die BC 11f. zitierten Araber und Serer waren jedoch nie Teil des Reichs. Andererseits sahen die meisten Zeitgenossen den orbis terrarum in jenen überschaubaren Dimensionen, wie der hellenistische Universalgelehrte Eratosthenes sie berechnet hatte ( cf. WITTKE 2007, 5 Karte C ). Demnach beherrschte Rom fast ganz Europa und Afrika, sowie große Teile Asiens ( realistischer bewertete Cicero rep. 6,16 die geopolitischen Verhältnisse: ipsa terra ita mihi parva visa est, ut me imperii nostri, quo quasi punctum eius attingimus, paeniteret ). Diese geographische Weltsicht verband sich nahtlos mit der Idee vom römischen Weltreich, das die Imperien der Assyrer, Perser und v.a. Alexanders beerbe ( sie kam wohl nach dem Ende Karthagos auf ; cf. u.a. Poly-

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bios 1,2,7 f., und F.W. WALBANK ad loc.; Aemilius Sura ap. Vell. Pat. 1,6,6 Assyrii principes omnium gentium rerum potiti sunt, deinde Medi, postea Persae, deinde Macedones ; exinde … summa imperii ad populum Romanum pervenit ). Im politischen Denken der späten Republik war sie omnipräsent ( u.a. Rhet. Her. 4,13 imperium orbis terrae, cui imperio omnes gentes, reges, nationes … consenserunt, cum … a populo Romano superati essent ; Cic. Verr. 2,5,168; Sall. Cat. 36,4 ). Solche Phantasien entzündeten sich v.a. an den Feldzügen des Pompeius, der in den Augen etlicher Zeitgenossen die gesamte Oikumene unterwarf ( u.a. Cic. Manil. 56; Sest. 67 Pompeius … omnibus bellis terrā marique compressis imperium populi Romani orbis terrarum terminis definisset ; Ov. Pont. 4,3,41-43 Magno … totus terrarum paruit orbis ; Plut. Pomp. 45,6 f.). Lukans Pompeius beschreibt sich als Bezwinger des Erdkreises ( 2,584 tota tenetur | terra meis … tropaeis ; zur Propaganda des historischen Pompeius cf. Diodor 40,4 ; Plin. nat. 7,97f.; s. auch S. 1275-77 zu BC 239 ). Die Augusteer, allen voran V e r g i l , erhoben Roms Hegemonie zum politischen Programm. Als Hoffnung inmitten blutiger Bürgerkriege beschwört sie die vierte Ekloge ( 4,17 pacatum … reget … orbem sc. ille puer ). Dem von Augustus erneuerten Rom verheißt Iuppiter ein Weltreich für die Ewigkeit ( Aen. 1,278f. ): nec metas rerum nec tempora pono sc. Romanis : | imperium sine fine dedi ( cf. 6,781 f. Roma | imperium terris, animos aequabit Olympo ; 7,258 totum … occupet orbem, und N. HORSFALL ad loc.). Vergil verknüpft seine Vision ausdrücklich mit den Iuliern ( Aen. 1,286-288 Caesar, | imperium Oceano, famam qui terminet astris, | Iulius, und R.G. AUSTIN ad loc.; 6,792-805 Augustus Caesar … super et Garamantas et Indos | proferet imperium eqs., und R.G. AUSTIN ad loc.; 8,714-728, und C.J. FORDYCE ad 8,720ff.; WILLIAMS 1968, 433-435; HARDIE 1986, 362-366; s. auch S. 1065 zu BC 107 ). Ins gleiche Horn stößt O v i d ( cf. met. 15,435 immensi caput orbis erit sc. Roma ; 15,830f. quodcumque habitabile tellus | sustinet, huius sc. Augusti erit ; 15,858-860; fast. 1,85 f. Iuppiter arce suā totum cum spectet in orbem, | nil nisi Romanum, quod tueatur, habet ; 2,136-138; 4,857-862; 5,556-558 ( und F. BÖMER ad loc.). So auch andere Augusteer ; cf. Hor. c. 3,3,45-56; Liv. 1,16,7 caelestes ita velle, ut mea Roma caput orbis terrarum sit ; Tib. 2,5,57-60; Vitruv 6,1,11 divina mens civitatem populi Romani egregiā temperatāque regione conlocavit, uti orbis terrarum imperii potiretur. Mit anderen Worten : der erste Vers des BC erklärt Roms historische Mission, die etliche Zeitgenossen vollmundig propagiert hatten, für erfüllt. Auch Augustus schlägt im heroischen Auftakt seines Tatenberichts solche Töne an: Rerum gestarum divi Augusti, quibus orbem | terrarum imperio populi Romani subiecit. – Cf. BOUHIER 91-93; F. CHRIST 1938 ; J. VOGT, Orbis,

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Freiburg 1960, 151-171; WEINSTOCK 1971, 42-53; P.A. BRUNT, Roman imperial themes, Oxford 1990, 297-302; C. NICOLET, Space, geography, and politics in the early Roman empire, Ann Arbor 1991, 15-56. Realistischer beschreibt Lukans Proöm die geopolitische Lage. Roms Hegemonie war zum Greifen nahe – hätte es sein enormes aggressives Potential weiterhin nach außen gerichtet ( 1,13-20 ): heu, quantum terrae potuit pelagique parari hōc quem civiles hauserunt sanguine dextrae, unde venit Titan et Nox ubi sidera condit quaque dies medius flagrantibus aestuat oris et qua bruma rigens ac nescia vere remitti astringit Scythico glacialem frigore pontum ! sub iuga iam Seres, iam barbarus isset Araxes et gens si qua iacet nascenti conscia Nilo.

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Es gibt Parallelen zur Passage hier. Zu 1,13 quantum terrae … pelagique cf. BC 2 qua mare, qua terrae ; zu 1,15 unde venit Titan et Nox ubi sidera condit cf. BC 2 qua sidus currit utrumque. Beide Texte verwenden in ähnlicher Weise die Anapher qua ( 1,16 f. quaque dies … et qua bruma rigens bzw. BC 2 qua mare, qua terrae eqs.). Lukan zählt allerdings alle vier Himmelsrichtungen auf, das BC nur Morgen und Abend ( sowie summarisch Meer und Land ). Vor allem jedoch komprimiert ( und verfälscht ) es Lukans berechtigte Klage zum propagandistischen Gemeinplatz. orbem iam totum : Seit der späten Republik gehört die Wendung totus orbis ( terrarum ) zum geographischen und politischen Vokabular ( oft genug als Klischee, e.g. Sat. 140,2 illum esse solum in toto orbe terrarum eqs.; cf. ferner BC 281 toto fluitantes orbe catervas ) – auch und gerade mit Blick auf die römische Vorherrschaft ( wobei orbis auch ‚kleinteiliger‘ verwendet wurde: „Unter ‚Welt‘ war hier das verstanden, was im Gesichtskreise der Völker des Altertums lag, die Länder um das Mittelmeer“; KROLL 1933, 7; s. auch F. CHRIST 1938, 4-18, bes. 10-14 ). Cicero bietet etliche Belege ( e.g. Balb. 16 totum orbem terrarum nostro imperio teneri ), ebenso die Augusteer ( e.g. Verg. georg. 1,511 saevit toto Mars impius orbe ; als Prophezeiung Aen. 4,231 totum sub leges mitteret orbem ) – und Augustus persönlich ( Res gest. I,3 bella terrā et mari civilia externaque toto in orbe terrarum saepe gessi ). Oft genug wird die Formel mit dem Bürgerkrieg verknüpft ; cf. u.a. Hor. ep. 2,1,254 totum confecta duella per orbem ; Sen. suas. 6,6 vidimus furentia toto orbe civilia arma ; contr. 1 praef. 11 bellorum civilium furor, qui tunc orbem totum pervagabatur ; Sen. dial. 1,3,14 toto terrarum orbe pro causa bona … militet sc.

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Cato ; Lukan 3,169 f. totum Magni fortuna per orbem | secum casuras in proelia moverat urbes ; 5,266 f.; 8,503 toto iam pulsus ab orbe sc. Pompeius. Als Auftakt des BC signalisiert die markante Formel Roms hegemonialen Ambitionen – und die imperiale Themenstellung des Gedichts ( cf. CONNORS 1998, 105: „( the poem’s ) subject is the world, as the poem’s first word, orbem, signals“ ). victor Romanus : Der kollektive Singular erscheint zuerst bei Livius und wird fast sein Markenzeichen ( u.a. 2,27,1 victor tot … bellis Romanus ; 6,29,5; 9,36,13; 10,32,5 Romanus totiens victor ; 28,4,7 terra marique victor Romanus ; cf. Quint. inst. 8,6,20 Livius saepe sic dicit : ‚Romanus proelio victor‘ [ 31,36,3 ], cum Romanos vicisse significat ; s. auch Cic. de orat. 3,168, der als Beispiel Enn. ann. 560f. Sk. zitiert : Romanus homo … corde suo trepidat, und O. SKUTSCH ad loc.). Verwandt ist Ciceros populus Romanus, victor omnium gentium ( Phil. 4,15; de orat. 2,76; s. auch Phil. 6,12 populi Romani victoris dominique omnium gentium ; Ov. fast. 4,389 victrix Roma ). 2 qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque : „alles Meer, alles Festland, vom Osten bis zum Westen“. Gleich der Auftakt des Gedichts verstrickt den Leser in ein intertextuelles Vexierspiel. BC 1f. knüpft an Lukan 1,109-111 an: dividitur ferro regnum, populique potentis, | quae mare, quae terras, quae totum possidet orbem, | non cepit fortuna duos ( „… und das Glück eines mächtigen Volkes, das die See, das die Länder, das den gesamten Erdkreis beherrscht, genügte nicht länger zwei Individuen “, nämlich Caesar und Pompeius; cf. P. ROCHE ad loc.; COLLIGNON 151 ). Lukan wiederum zitiert Juppiters Versprechen eines grenzenlosen römischen Reichs: Romanos olim … fore ductores …, qui mare, qui terras omnīs dicione tenerent eqs. ( Verg. Aen. 1,234-237; Vergil hatte seinerseits vielleicht Lucr. 1,278f. im Ohr : quae mare, quae terras, quae denique nubila caeli | verrunt, i.e. die Winde ). Lukan ‚aktualisiert‘ Vergil. Das von Juppiter versprochene grenzenlose Reich ist längst Wirklichkeit. Doch die Vorzeichen haben sich verkehrt. Jenes mächtige Imperium, das den Erdkreis beherrscht, wird zerrissen von inneren Konflikten. Auf diesen neuralgischen Moment in Roms Geschichte zielt auch das doppelbödige Zitat des BC ; doch statt der politischen rücken die folgenden Verse die ökonomischen Wurzeln jener Konflikte in den Fokus. Das Reich, das Vergil zufolge dem Erdkreis den Frieden bringt, entpuppt sich als unersättlicher Leviathan. Das Rom des BC ist nicht minder düster als das Lukans. Die Anapher qua ( cf. WILLS 1996, 365 ) und das zeugmatische currit untermalen das Trikolon kosmischer Räume ( e.g. Enn. ann. 556 Sk. terram

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mare caelum ). Zur gleichen Anapher in vergleichbaren Kontexten cf. Hor. c. 3,3,45-56 horrenda late nomen in ultimas | extendat oras sc. Roma, qua medius liquor | secernit Europen ab Afro, | qua tumidus rigat arva Nilus eqs.; Tib. 2,5,57-60 Roma, tuum nomen terris fatale regendis, | qua sua de caelo prospicit arva Ceres, | quaque patent ortūs, et qua fluitantibus undis | Solis anhelantes abluit amnis equos ; App. Verg. Catal. 9,3f. victor adest …, victor qua terrae, quaque patent maria ; Lukan 1,13-18 ( zit. S. 861 ). Für einfaches qua cf. Verg. Aen. 7, 100 f. qua sol utrumque recurrens | aspicit Oceanum ; Hor. c. 4,14,5f. o, qua sol habitabiles | illustrat oras : in Augustus’ Reich geht die Sonne nicht unter. qua mare, qua terrae : „soweit Meer und Länder (sich erstrecken)“. Auch dank des fehlenden Verbs ( zu mare und terrae steht currit zeugmatisch, statt e.g. qua mare fluit, qua terrae iacent ) erinnert die Wendung nicht von ungefähr an den vertrauten Lokativ terrā marīque, der ähnlich wie totus orbis gerne römische Herrschaftsansprüche umschreibt und gerade gegen Ende der Republik den gleichen Status quo postuliert wie hier die beiden Eingangsverse ; cf. e.g. Cic. Manil. 56 ; Sest. 67 ( zit. S. 860 ); Liv. 1,19,3 post bellum Actiacum ab imperatore Caesare Augusto pace terrā marique partā ; Hor. c. saec. 53-56 iam mari terrāque manūs potentīs | Medus … timet eqs.; Lukan 1,201 f. victor terrāque marique | Caesar. Augustus selbst erhob diesen Anspruch: bella terrā et mari … toto in orbe terrarum saepe gessi ( Res gest. I,3 ) – auch bei Seneca : in hŏc terrā marique pacem peperi ? ideo civilia bella compescui ? ( „Dafür habe ich zu Land und zur See Frieden gestiftet, deshalb die Bürgerkriege beendet ?“; apocol. 10,2 ). Ähnlich ‚imperial‘ äußert sich Trimalchio ( 39,8 et in mari et in terra multa possideo ; CONNORS 1998, 112-114 ). mare steht hier nicht verkürzt für das mare nostrum ( e.g. Sall. hist. frg. 1,11 inter mare nostrum et Oceanum ), sondern auch für fernere Gewässer, v.a. den Ozean, der im Osten und Westen die bewohnte Welt umschließt und oft als Grenze des römischen Reichs erwähnt wird ( e.g. Verg. georg. 3,33 triumphatas utroque ab litore gentīs ~ Prop. 3,9,53 currūs utroque ab litore ovantes ; Hor. c. 3,3,45-56 ( oben zit.); Ov. met. 15,829f. quid tibi barbariam gentesque ab utroque iacentes | Oceano numerem ? ; Plut. Pomp. 38,4 f.; Tac. ann. 1,9,5 (dank Augustus) mari Oceano aut amnibus longinquis saeptum imperium ). S. auch das folgende Lemma. qua sidus currit utrumque : „… wo das Sonnengestirn doppelt seine Bahn zieht.“ Mit den Himmelsrichtungen Ost und West deuten wiederholt augusteische Dichter die Ausdehnung des Reiches an ( cf. Verg. Aen. 7,100 f. omnia sub pedibus, qua sol utrumque recurrens | aspicit Oceanum, vertique regique videbunt sc. Romani, und N. HORSFALL ad loc.; Hor. c. 4,15,14-16 imperi | porrecta

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maiestas ad ortūs | solis ab Hesperio cubili ; Tib. 2,5,59f.; Ov. fast. 4,831f. longa sit huic sc. urbi aetas dominaeque potentia terrae, | sitque sub hac oriens occiduusque dies ; Pont. 1,4,29 f. solis ab ortu | solis ad occasūs utraque terra tremit sc. Augustum ). An die Achse Nord – Süd scheint Lukan 7,421-425 zu denken: omne tibi sc. Romae bellum gentīs dedit, omnibus annis | te geminum Titan procedere vidit in axem ; | haud multum terrae spatium restabat Eoae ( „im Osten“ ), | ut tibi nox, tibi tota dies, tibi curreret aether, | omniaque errantes stellae Romana viderent ( cf. O. DILKE ad loc.; für Ost – West votiert D. GAGLIARDI ad loc.). Die Junktur sidus utrumque steht zum einen für die verstirnten D i o s k u r e n (Ov. fast. 5,720 sidus utrumque ; cf. Sat. 99,6 adoratis sideribus, und Bd. I, S. 323 ad loc.), die mit Roms Größe wenig zu tun haben, zum anderen für S o n n e u n d M o n d ( Plin. nat. 2,53; 2,57 u.ö.; Macrobius sat. 1,19,18; s. auch Stat. Theb. 8,311f. te sc. Tellurem currus uterque | circumit ; so deuten den Passus u.a. BURMAN 711; GRIMAL ; HOLZBERG : „wo beide Gestirne ihre Bahn ziehen“ ). Doch inwiefern ist hier die Bahn des Mondes von Belang ? Auf die richtige Fährte ( so bereits BARTHIUS ap. BURMAN 710 ) führen zeitgenössische hyperbolische Beschwörungen der Sonne, oft im Sinn eines „von Ost bis West“, „implying that the sun never set on the Roman Empire“ ( BALDWIN 1911, 114 ); e.g. Cic. Catil. 4,21 Pompeius, cuius res gestae … isdem, quibus solis cursus, regionibus ac terminis continentur ( „… dessen Taten dieselben Gebiete und Grenzen erreicht haben wie die Sonnenbahn“ ); Sall. Cat. 36,4 ad occasum ab ortu solis gehorche alles römischen Waffen; s. auch Sat. frg. 31,5 M.4 ~ Anth. Lat. 469,5 R. quique renascentem Phoebum cernuntque cadentem. In dieser Verwendung ist sidus utrumque singulär. Doch ein passendes Vorbild lieferte Ovids verwandte Junktur Phoebus uterque für die auf- und untergehende Sonne ( met. 1,338 litora … sub utroque iacentia Phoebo ). Ovid variiert das Bild vielfach; e.g. her. 9,16 Solis utramque domum ( im fernen Osten und Westen); met. 3,145 sol ex aequo metā distabat utrāque ( mittags ist die Sonne „gleich weit entfernt von beiden Wendepunkten“ ); 5,445 solis ab occasu solis … ad ortūs ; 15,829 f. gentes … ab utroque iacentes | Oceano ; fast. 2,136 hoc duce sc. Augusto Romanum est solis utrumque latus ; Pont. 1,4,29 f. ( oben zit.; zu uterque polus als Synonym für das Firmament cf. met. 2,294 f. ; fast. 2,489 f. ). Noch in der Spätantike wirkt das Bild fort ; cf. Claudian c. 15,48 ad solem victrix utrumque cucurri ; 19,35 utraque … gemino sub sidere regia ( vom Hof in Rom und Konstantinopel ); Rutilius Namatianus 2,28 qua fert atque refert Phoebus uterque diem. – Zu sidus für die Sonne ( bzw. den Mond ) cf. e.g.

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Manil. 3,18f.; Sil. Ital. 9,326f.; OLD s.v. 2 c; GETTY 1951, 28f.; s. zu dem Vers auch POLETTI 2017, 181-183. currit : Currere beschreibt das Kreisen der Gestirne ( e.g. Verg. Aen. 2,694 stella … multā cum luce cucurrit ; Ov. fast. 3,111f. libera currebant … sidera ; Sen. Oed. 503 lucida dum current annosi sidera mundi ; Phaed. 332 f. per ipsum candida mundum | sidera currunt ; Thy. 698f. e laevo aethere … cucurrit … sidus ; Lukan 7,424 tibi curreret aether ; 9,694 f. per recta cucurrit | signa sc. luna ; App. Verg. Aetna 233 f. quae certo sidera currant | ordine ; Thes. IV, 1513,57-1514,9 ), aber auch das Strömen von Quellen und Flüssen ( e.g. Verg. Aen. 1,607 in freta dum fluvii current ; Ov. fast. 2,274 citis Ladon in mare currit aquis ), so gut wie nie jedoch das Meer ( den Bosporus nennt Horaz ep. 1,3,4 freta … currentia ). Zu mare und terrae steht currit zeugmatisch ( s. oben; skeptisch POLETTI 2017, 183 ). 3 nec satiatus erat : „und war doch nicht satt.“ Mit der eben beschworenen politisch-militärischen Hegemonie gibt Rom sich nicht zufrieden; der ‚Hunger‘ des unersättlichen Leviathan gilt den Schätzen aus den Provinzen und aus Übersee ( cf. Sen. nat. 3 praef. 10 quid praecipuum in rebus humanis est ? non classibus maria complesse … nec, deficiente ad iniurias terrā, errasse in oceano ignota quaerentem ; s. auch GRUEN 1974, 503: „Foreign territories were considered to be little more than ripe pickings for Rome’s governing class.“ ). Roms materielle Gesinnung kritisiert bereits Ovid: „Als die Fortuna dieses Orts ihr Haupt erhob und Rom mit seinem Scheitel die Götter berührte, wuchsen die Reichtümer als auch die rasende Gier nach Reichtümern, und obgleich sie endlos viel besitzen, wollen sie mehr. Reichtümer zu erwerben, um sie zu verschwenden, das Verschwendete wiederzuerlangen wetteifert man, und eben dieser Kreislauf nährt die Laster.“ ( fast. 1,209-214 postquam Fortuna loci caput extulit huius | et tetigit summo vertice Roma deos, | creverunt et opes et opum furiosa cupido, | et, cum possideant plurima, plura petunt. | quaerere ut absumant, absumpta requirere certant, | atque ipsae vitiis sunt alimenta vices ). Kaum anders urteilen betroffene ‚Barbaren‘ über Rom; so der Britanne Calgacus ( Tac. Agr. 30,4 raptores orbis … quos non Oriens, non Occidens satiaverit ; cf. S. 870f. ), der Germane Arminius ( Tac. ann. 2,15,3 meminissent modo avaritiae crudelitatis superbiae sc. Romanorum ), und Hannibal ( Sil. Ital. 9,200f. raptor per saecula longa … edomitum vobis spoliaverit orbem ). Mit aktuellen Untertönen beschreibt Ps.-Sen. Herc. Oet. 621-631 die rastlose Habgier der Mächtigen: cupit hic gazis implere famem, | nec tamen omnis plaga gemmiferi |

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sufficit Histri | nec tota sitim Lydia vincit eqs. ( es folgt ein Katalog reicher exotischer Länder vom Atlantik zum Ganges ). Seneca erweitert die Idee ins Politische, wenn ihm zufolge den Machthunger der Triumvirn totus orbis in tres divisus satiare non poterat ( dial. 2,2,2 ). Ähnlich Lukan: Caesar „reichte die Weite des römischen Erdkreises nicht, und selbst ein Reich vom phönizischen Gades bis zu den Indern scheint ihm gering“ ( 10,456 f. hic, cui Romani spatium non sufficit orbis, | parvaque regna putet Tyriis cum Gadibus Indos ). BC 3 ist einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions. satiatus erat : Übertragenes satiare oszilliert zwischen der Verwendung für materielle Güter ( e.g. Pall. inc. LXVIII, p. 148 R.3 avarus animus nullo satiatur lucro ; Cic. parad. 1,6 neque … umquam expletur nec satiatur cupiditatis sitis ; Tac. hist. 4,38,2 cupiditates externis quoque bellis inexplebiles nulla umquam civilis victoria satiavit, „die schon in auswärtigen Kriegen unersättliche Gier der Sieger stillte niemals ein Sieg im Bürgerkrieg“; symptomatisch Verres’ Reaktion angesichts eines prachtvollen Leuchters, Cic. Verr. 2,4,65 : nequaquam se esse satiatum sc. aspectu ) und dem martialischen ‚Blutdurst‘ ( cf. Sat. 97,9 satia iracundiam tuam: praebeo ecce cervicem, funde sanguinem ; 136,5 nec satiatus defunctorio ictu, morte me anseris vindicavi, und u.a. Cic. Marc. 18 di immortales, … qui civile bellum tantum … excitaverunt, vel placati iam vel satiati aliquando eqs.; Sall. hist. frg. 1,55,5 non tot exercituum clade … satiatus sc. Sulla, sed tum crudelior eqs.; Val. Max. 9,2,1 adversus mulieres quoque gladios destrinxit, quasi parum caedibus virorum satiatus ; Sen. suas. 6,19 satiatus … caedendis civibus sc. Antonius ; Lukan 7,802 nondum satiata caedibus ira ). S. auch S. 1097 zu BC 119 tu … ingenti satiare ruinā. Der Passus erinnert an den ‚unstillbaren‘ Hunger Erysichthons, Ov. met. 8,830-836 quod pontus, quod terra, quod educat aer | poscit eqs. (…) utque fretum recipit de totā flumina terrā | nec satiatur aquis eqs. ( FUCECCHI 2013, 41). – Zur absoluten Verwendung des Verbs cf. GUIDO 1976, 84 f. 3-4 gravidis freta pulsa carinis | iam peragebantur : „Schon wurden die Meere gepeitscht, durchfurcht von beladenen Kielen.“ ( HOLZBERG ). Die schwer beladenen Frachter stehen für Roms Überseeimporte, die die Nachfrage nach exotischen Gütern zu befriedigen suchen ( cf. Cic. off. 1,151 mercatura … magna et copiosa, multa undique apportans eqs., „der Großhandel …“; Tib. 1,3,39f., zit. S. 925f.; Juv. 14,275-280 aspice portūs | et plenum magnis trabibus mare : plus hominum est iam | in pelago. veniet classis quocumque vocarit | spes lucri eqs.; s. auch VERBOVEN 2009, 132-134 zur herausragenden Rolle des Seehandels in der römischen Ökonomie ).

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Nicht ganz von der Hand weisen lässt sich LEMAIREs Idee, hier werde Roms Kriegsmarine im Einsatz beschrieben; gravidis meine ‚beladen mit Soldaten‘ ( 1824, 90; cf. e.g. Enn. trag. 72 Joc. gravidus armatis equus ). Doch der gleich folgende Katalog von Gütern, nach denen Rom ‚hungert‘ ( 3 nec satiatus erat ), spricht deutlich für den Handel. Das Hyperbaton ( gravidis freta pulsa carinis ; cf. Val. Flacc. 1,154 invisae … freta tuta carinae ) verkehrt das klassische Bild – die weite See trägt die Schiffsleiber (oder verbirgt sie gar ; cf. Lukan 3,47 abscondit … fretum classes ) – in suggestiver Hyperbole in sein Gegenteil : das Meer verschwindet förmlich unter den Handelsflotten ( cf. Manil. 3,20 magnā pontum sub classe latentem ; App. Verg. Eleg. Maec. 1,45 freta Niliacae texerunt lata carinae, „Schiffe vom Nil bedeckten bei Actium weithin die Fluten“ ). Die Junktur gravidis carinis ist singulär ( „schwer beladen“, „schwanger“ mit Konsumgütern; zu gravidus im Sinn von plenus, onustus cf. e.g. Verg. georg. 1,111 ne gravidis procumbat culmus aristis, „damit der Halm nicht mit prallen Ähren zu Boden sinke“; Thes. VI 2, 2271,70-78 ). Syntaktisch gehört sie ebenso zu pulsa ( „die von den überladenen Kielen aufgewühlten Fluten“ ) wie zu peragebantur ( „wurden durchpflügt von überladenen Kielen“ ); zu dem gravitätischen Pentasyllabon peragebantur, das sich bis zur Penthemimeres erstreckt, cf. YEH 2007, 361. freta … peragebantur : Die seltene Junktur freta peragere ( ~ „unablässig aufwühlen“ ) erscheint zuerst Ps.-Ov. epist. Sapph. 65 agili peragit freta caerula remo („an unusual extension of such familiar phrases as cursus or iter peragere “, P.E. KNOX ad loc.); s. auch Juv. 5,93f. omne peractum est … mare ( „… ist leergefischt“ ); Ampelius 7,1 Athlanticum sc. mare, quod commerciis totius generis humani peragitur ; Eustathius, Basilii in Hexaemeron hom. lat. 7,6, 12 ignorant quantum spatii velificando peregerint. Fretum bzw. freta ( „Meerenge, Sund, Kanal“ ) für das Meer insgesamt verrät poetisches Kolorit ( e.g. Hor. c. 1,15,1f. pastor cum traheret per freta navibus | Idaeis Helenen ; Verg. Aen. 10,147 mediā Aeneas freta nocte secabat ; Ov. met. 2,298 si freta, si terrae pereunt, si regia caeli ; OLD s.v. 3a ; Thes. VI, 1313,51 ff. „latiore sensu i.q. mare planum“ ). pulsa : In Verbindung mit Gewässern beschreibt pellere die Wirkung von Körpern oder Kräften, mitunter fast im Sinn von „verdrängen“ ( cf. Thes. X 1, 1018,8-20 ), u.a. von W i n d e n ( e.g. Tac. ann. 6,33,3 pulso … introrsus freto ), von einem S c h w i m m e r ( e.g. Tib. 1,4,12 niveo pectore pellit aquam ; Corp. Tib. 3,5,30 facilis lentā pellitur unda manu ; Ps.-Sen. Oct. 348 f. pellit palmis … freta [ BÜCHELER : fata codd.] ), oder – wie hier – von S c h i f f e n ( cf. TH 33f. premunt classes mare | pulsumque marmor abiete im-

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positā gemit, und u.a. Enn. ann. 378 Sk. caeruleum spumat sale [ Nom.] confertā rate pulsum, „die blaugrüne Salzflut schäumt, aufgewühlt vom überladenen Schiff “ ; Manil. 2,59 propriā rate pellimus undas ) bzw. R u d e r n ( cf. Catull 64,58 pellit vada remis sc. Theseus ; Cic. acad. p. 21,1f. Plasberg unda cum est pulsa remis, purpurascit ). Zu der Junktur freta pellere cf. Ps.-Sen. Oct. 348 f. ( oben zit.; cf. ebd. 315 resonant remis pulsata freta ); Tac. ann. 6,33,3 ( oben zit.); Avienus Arat. 1291. carinis : Zu carina als poetischer Synekdoche ( ‚pars pro toto‘ ) für „Schiff“ cf. e.g. Enn. ann. 376 Sk. labitur uncta carina ; Catull 64,249 prospectans cedentem … carinam sc. Ariadna ~ Prop. 1,3,1 Theseā iacuit cedente carinā sc. Ariadna, und P. FEDELI ad loc.; Hor. c. 1,35,7 f. Bithynā lacessit | Carpathium pelagus carinā ; Verg. Aen. 5,115 quattuor ex omni delectae classe carinae ; Ov. met. 6,444 f. iubet ille carinas | in freta deduci ; Lukan 1,403 Latias … carinas ; OLD s.v. 2 a ; Thes. III, 457,53 ff.; CAVALCA 2001, 55. 4-5 si quis sinus abditus ultra, | si qua foret tellus, fulvum quae mitteret aurum : „wenn irgendeine Bucht in der Ferne versteckt lag, wenn es irgendein Land gab, das gleißendes Gold lieferte“ ( nach SCHÖNBERGER ). Als Zahlungsmittel wie Wertanlage spielte Silber unter den antiken Edelmetallen die Hauptrolle. Höher im Kurs stand freilich das Gold ( cf. Bd. I, S. 147 ), seit den Sumerern und Ägyptern augenfälliges Symbol und Synonym des Reichtums – in Kult und Kunst, in der Architektur ( cf. S. 1026f. zu BC 87 aedificant auro ), aber auch als Schmuck ( cf. Sat. 32,3 f. habebat … anulum grandem subauratum eqs.; 67,6-9; Plin. nat. 33,40 f. ). Gewonnen wurde es mancherorts als Flussgold, hauptsächlich aber im Tage- und Bergbau ( e.g. Ov. ars 3,123 terrae lentum subducitur aurum ; Manil. 5,522-526 ; Lukan 4,297f. ; Claudian c. 1,48-54 ; Anth. Lat. 719b R. aurum quod nigri manes, quod turbida versant | flumina, quod duris extorsit poena [ „der Stäfling“ ] metallis eqs.). BC 4-6 beschreibt die Rücksichtslosigkeit, mit der Rom seine ökonomischen Interessen durchsetzte, aber auch die Distanzen, die man dabei in Kauf nahm. Die geographischen Koordinaten treffen in doppeltem Sinne zu: die maßgeblichen Vorkommen lagen in Thrakien, Aquitanien sowie im Süden und Nordwesten Hispaniens ( Dakien und das Noricum, Wales und Nubien kamen hinzu; cf. DNP 4, 1998, 1133f. ) – also an der Peripherie des Reiches oder jenseits seiner Grenzen ( cf. OLD s.v. sinus 9 : „a natural hollow or recess ( esp. as forming a remote part of a country, etc.)“, und e.g. Ps.-Sen. Herc. Oet. 267 quid excutis telluris extremae sinūs ? ). Zugleich erinnert sinus nicht nur an die Nähe vieler Fundstätten zum Meer, sondern auch an die goldhaltigen Flussläufe v.a. der Alpen, der

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Pyrenäen und Kleinasiens ( cf. Plin. nat. 33,66 ; zu sinus für Buchten oder Meerbusen, in die Flüsse münden, cf. e.g. Liv. 38,4,3 amnis Aratthus … cadit in sinum maris eqs.; Pomponius Mela 3,39 multi in eo sinu sc. Caspio … amnes fluunt ; Plin. nat. 6,99 flumen Hyperis in medio sinu Persico ; s. auch Lukan 7,755 quidquid Tagus expulit auri ). – Die Konstellation sinus – tellus erinnert an BC 2 mare – terrae ( beide Male mit Anapher ). Kaiserzeitliche Autoren übten vielfach K r i t i k am Gold. Abgesehen von den Risiken des Erwerbs ( e.g. Sen. Med. 612 f.: wer als raptor externi auri ferne Küsten ansteuert, riskiert den Tod auf See ) wird v.a. sein schlechter Einfluss auf den Charakter notiert ( s. das folgende Lemma, und S. 945 zu 44 auro corrupta ). Die topische Verurteilung des Bergbaus zielt auf die Wurzel des Übels: der Menschheit erginge es besser, bliebe das Gold in der Erde ( e.g. Hor. c. 3,3,49-52 aurum, irrepertum et sic melius situm | cum terra celat eqs., und NISBET – RUDD ad loc.; Ov. met. 1,138-143, und F. BÖMER ad loc.; Sen. ep. 94,57-59; Plin. nat. 33,1-3, zit. S. 1040 ). Fulvus, „goldblond“, ist spätestens seit Tibull ( 1,1,1 divitias alius fulvo sibi congerat auro ) poetisches Epitheton ornans des Goldes ( in Prosa eher flavus ); e.g. Verg. Aen. 7,279 u.ö. ( und C.J. FORDYCE zu Aen. 7,76 ); Ov. met. 10,648 u.ö.; Sen. Med. 820; zu poetischen Junkturen mit fulvus cf. Gell. 2,26,11. Zu mittere für den Export cf. OLD s.v. 18, und e.g. Verg. georg. 1,57 India mittit ebur, molles sua tura Sabaei ; Prop. 3,13,5 Inda cavis aurum mittit formica metallis ( mit derselben Junktur ); Ov. fast. 1,341 tura nec Euphrates nec miserat India costum ; Juv. 6,466. – Abditus gilt auch für tellus ( e.g. EHLERS : „und barg ein stilles Gestade, barg ein entlegener Grund…“ ). Zu ultra cf. BALDWIN 1911, 116 : „beyond the regular Roman ‚sphere of influence‘.“ Dank seiner faktischen Qualität ist der Konditionalsatz nicht als Irrealis der Gegenwart zu verstehen, sondern als seltener Potentialis, der „eine Wiederholung einer als Bedingung aufgestellten Handlung“ ausdrückt ( KST 2,398 ): „so oft ein ferner Landstrich Gold versprach …“. Der Relativsatz ist konsekutiv gefärbt. Forem (etc.) ersetzt bisweilen essem (etc.), „especially from the Augustan period“ ( OLD s.v. sum1 ; hier vermeidet es die Synalöphe si qu(a) esset ). Die futurische Qualität scheint bisweilen noch durch ( cf. Sat. 19,5 si depugnandum foret eqs.). – Zu adjektivisch verwendetem (ali)quis cf. 84,1 si quis … inimicus ; 100,4 si quis deus ( und e.g. Hor. serm. 1,1,15 si quis deus ; Verg. ecl. 7,44 si quis pudor ; Aen. 4,328 f. si quis … Aeneas ; Ov. met. 14,192 si quis … casus ). Die Doppelung erinnert an Vergil ( e.g. Aen. 3,433f. si qua est Heleno prudentia vati, | si qua fides ; cf. GUIDO 1976, 87 ad loc.).

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Für die lectio difficilior fulvum quae ( L ; quae fulvum O, so u.a. BÜCHEGUIDO ) spricht nicht zuletzt die imitatio dieses Verses bei Heiricus von Auxerre ( 9. Jh.; vita S. Germani 1,113 == Monumenta Germaniae Historica. Poetae Latini aevi Carolini Bd. III, ed. L. TRAUBE, Berlin 1896, 442 ): si qua fuit regio, fulvum quae gigneret aurum. LER 1 ; STUBBE ;

6 hostis erat : „… galt es als Feind“. Antiken Stimmen zufolge war die Goldgier ein Phänomen späterer, ‚zivilisierter‘ Epochen; der aetas aurea war sie ironisch genug unbekannt. Mit der klassischen Lehre von den Zeitaltern verknüpfte sie vor allem Vergil ( Aen. 8,326 f. deterior … aetas | et belli rabies et amor successit habendi ; vager georg. 2,503-512 sollicitant alii remis freta caeca, ruuntque | in ferrum eqs.; cf. Sen. nat. 5,18,10 per hominum et deorum iras ad aurum ibitur ; Ps.-Sen. Oct. 425 f. cupido belli crevit atque auri fames | totum per orbem ; 433 f. luxuria victrix orbis immensas opes | iam pridem avaris manibus, ut perdat, rapit, und R. FERRI ad loc.). Zum ‚Hunger nach Gold‘ cf. ferner Verg. Aen. 3,56f. quid non mortalia pectora cogis, | auri sacra fames ! ; Sen. Phaed. 527f. auri … caecus cupido ; Lukan 3,118f. solus ferrum mortemque timere | auri nescit amor ; Ps.-Sen. Oct. 425 ~ Laus Pisonis 219f. auri fames ; Plin. nat. 33,48 exarsit rabie quadam non iam avaritia, sed fames auri ; Sil. Ital. 2,500 furias auri ; 5,264 f. auri | numquam exstincta sitis ; Anth. Lat. 21,194-214 R. == 8,194-214 Sh.B. Das Thema war hochpolitisch. Die unheilvolle Symbiose von Roms materiellen Interessen und seiner aggressiven Außenpolitik war ein offenes Geheimnis ( e.g. Cic. Verr. 2,3,207 lugent omnes provinciae, queruntur omnes liberi populi, regna denique etiam omnia de nostris cupiditatibus et iniuriis expostulant [ „beschweren sich“ ]; locus intra Oceanum iam nullus est neque tam longinquus neque tam reconditus, quo non per haec tempora nostrorum hominum libido iniquitasque pervaserit eqs.; Tac. hist. 4,74,3 aurum et opes, praecipuae bellorum causae ). Ein schlagendes Beispiel bot Caesar. Einer der mutmaßlichen Gründe für seine gallische Kampagne waren die immensen Goldreserven jenes Landes. Als das dort erbeutete Edelmetall in Rom auf den Markt kam, brach der Goldpreis um ein Viertel ein ( Suet. Iul. 54,2 ); dennoch erlöste Caesar über 600 Mio. Sesterzen ( Vell. Pat. 2,56,2 ; cf. KROLL 1933, 88; BADIAN 2 1968, 89-91 ). Bei Sallust und Tacitus kommen die Betroffenen selbst zu Wort ; so der numidische König Jugurtha ( Sall. Iug. 81,1 ): Romanos iniustos, profundā avaritiā, conmunīs omnium hostīs esse ; eandem illos causam belli cum Boccho habere, quam … cum aliis gentibus, lubidinem imperitandi, quīs omnia regna advorsa sint ; … uti quisque opulentissumus videatur, ita Romanis hostem fore ; so der Britanne Calgacus ( Tac. Agr. 30-32, bes. 30,4 ): raptores orbis sc. Romani, postquam

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cuncta vastantibus defuere terrae, mare scrutantur ; si locuples hostis est, avari, si pauper, ambitiosi, quos non Oriens, non Occidens satiaverit ; soli omnium opes atque inopiam pari adfectu concupiscunt. auferre trucidare rapere falsis nominibus imperium … appellant ( cf. OGILVIE – RICHMOND ad loc.); so König Mithradates ( in seinem Schreiben an den Partherkönig Arsakes, Sall. hist. frg. 4,69,5 ): Romanis cum nationibus, populis, regibus cunctis una et ea vetus causa bellandi est, cupido profunda imperi et divitiarum ( s. auch §§ 16f. scio … tibi magnas opes virorum, armorum et auri esse ; et eā re … ab illis ad praedam peteris eqs.; § 20 Romani arma in omnīs habent, acerruma in eos, quibus victis spolia maxuma sunt ; § 22 latrones gentium ). Roms ‚Hunger nach Gold‘ beantwortete Mithradates mit einer sprechenden Geste. Dem römischen Feldherrn Manius Aquilius, der von ihm Reparationszahlungen verlangte, ließ er geschmolzenes Gold in den Mund gießen ( Plin. nat. 33,48 ). Gleiches widerfuhr dem toten Crassus ( Hinweis von A. SETAIOLI in epist.; cf. Florus epit. 1,46,11 aurum … liquidum in rictum oris infusum est, ut cuius animus arserat auri cupiditate, eius etiam mortuum et exsangue corpus auro ureretur ; Festus brev. 17; Cassius Dio 40,27,3; Servius Aen. 7,606 ). Zu der Formulierung cf. Curt. Ruf. 5,6,4 ( Alexanders Soldaten bei der Plünderung von Persepolis ): inter ipsos victores ferro dimicabatur : pro hoste erat, qui pretiosiorem occupaverat praedam. An die Formeln in hostium numero habere bzw. ducere erinnert BALDWIN 1911, 117 ad loc. 6-7 fatisque in tristia bella paratis | quaerebantur opes : „und während alle Zeichen auf bitteren Krieg standen, jagte man Schätzen hinterher“. Bei der Suche nach Bodenschätzen und anderen Reichtümern nahm man e x t e r n e K r i e g e als Kollateralschaden billigend in Kauf ( BC 6 führt geradenwegs vom hostis zu den tristia bella ; für Korrespondenzen zwischen den Abschnitten BC 6-12 und 13-18 s. S. 887 ); cf. e.g. Prop. 3,5,11 f. vento iactamur, et hostem | quaerimus, atque armis nectimus arma nova ( „vom Wind lassen wir uns treiben auf der Suche nach Feinden, und an Kriege reihen wir neue Kriege“ ); Manil. 4,402f. Martem … sequemur | in praedas, „die Hoffnung auf Beute lässt uns in den Krieg ziehen“; Sen. dial. 12,10,6 ( in der Luxuskritik ) quid deducitis naves ? quid manūs … armatis ? quid tanto tumultu discurritis ? quid opes opibus adgeritis ? ( s. auch das Lemma zu BC 6 hostis erat ). Dies gilt auch für den Einzelnen. Nicht zuletzt in der Hoffnung auf lukrative Gewinne beteiligte sich die römische Oberschicht an Militärkampagnen ( cf. 83,10,2 qui pugnas et castra petit, praecingitur auro ). Ciceros ironi-

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scher Kommentar galt dem jungen Trebatius, der in Gallien unter Caesar diente ( fam. 7,7,1 in Britannia nihil esse audio neque auri neque argenti ; id si ita est, … suadeo … ad nos quam primum recurras ; s. auch 7,16,3 ). Auch Augustus’ geplante Partherexpedition weckte solche Erwartungen ( cf. Prop. 3,4,1-3 arma sc. ferre deus Caesar dites meditatur ad Indos, | et freta gemmiferi findere classe maris eqs., und HEYWORTH – MORWOOD 126-128 ad loc.; s. auch 3,7; 3,12; Hor. c. 1,29 und NISBET – HUBBARD 338 f. ad loc.; Lukan 2,255 castra petunt magnā victi mercede ). Doch hinter dieser ersten Deutung taucht eine zweite auf : man war blind für den B ü r g e r k r i e g , der sich am Horizont längst zusammenbraute ( BALDWIN : „… while the Fates unholy strife prepared“; auf die Bürgerkriege bezog bereits ANTON 364 die Stelle ). Wie etliche verstreute Hinweise zeigen, rechnet auch Lukan Roms Raubzüge an der Peripherie des Reiches zu den Ursachen des Bürgerkriegs; cf. bes. 1,160 f. opes nimias mundo Fortuna subacto | intulit ( „Schätze im Übermaß importierte Fortuna, nachdem die Welt unterworfen war“ ); 1,166f. toto … accersitur orbe, | quo gens quaeque perit ( „… woran ein jedes Volk zugrunde geht“ ); 2,351 iam fato in bella vocante ( „längst ruft das Schicksal zum Bürgerkrieg“; wie hier abl. abs. ); 10,149 f. nefando | Marte paratus sc. Caesar opes mundi quaesisse ruinā. fatis … paratis : Die aktive Variante ist in der Kaiserzeit gut bezeugt ( e.g. Verg. Aen. 2,121 cui fata parent sc. mortem; Sen. Oed. 28 iam aliquid in nos fata moliri parant ; Lukan 6,332 Emathiam, bello quam fata parabant ; Tac. hist. 2,69,1 principium interno simul externoque bello parantibus fatis, „während das Schicksal den inneren und äußeren Krieg zugleich vom Zaun brach“; cf. Thes. VI 1, 362,44-46 ). Singulär ist die passive Junktur hier mit ihrem ominösen Unterton böser Vorahnung ( Thes. a.O. l. 46 ). Der Abl. abs. ist am ehesten modal zu verstehen ( „während …“ ), vielleicht auch konzessiv ( cf. EHLERS : „wo das Los entschied für entsetzliche Kriege, wollte man nichts als Besitz“ ). Die konditionale Variante (e.g. HOLZBERG : „und wenn das Schicksal bereit war zu bitteren Kriegen, suchte man nach Schätzen“ ) beißt sich mit hostis erat – der Krieg war längst da. HARRISONs ratibusque ( statt fatisque ; 2003, 134 ) erweitert die Skizze von Roms nautischem Imperialismus um ein drittes Bild ( 3 gravidis … carinis ; 4 sinus abditus ultra ; 6 ratibus ). Doch im Grunde wiederholt es gravidis carinis – und raubt dem Text das Raunen dunkler Ängste. tristia bella : Servius nennt triste das epitheton bellorum perpetuum (ecl. 6,7 ). Die poetische Junktur ist seit der späten Republik belegt, im Singular

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( u.a. Cic. div. 1,18 Phoebi fax, tristis nuntia belli ; Verg. Aen. 8,29 tristi turbatus pectora bello ; App. Verg. Culex 26f.; Ps.-Sen. Oct. 300 ) wie im Plural ( u.a. Verg. ecl. 6,7 tristia condere bella ; Aen. 7,325; Hor. ars 73 ). quaerebantur : „The regular word for a laborious and far-reaching search“ ( BALDWIN 1911, 117 ); cf. BC 10 quaesitus … nitor ; 14 quaeritur … fera ( beide Male ebenfalls nachdrücklich als Versbeginn ); 93,2,10 quicquid quaeritur, optimum videtur, und u.a. Lukan 10,156f. quod luxus … furens toto quaesivit in orbe ; Epigr. Bob. 37,30f. omnia bellorum terrā quaesita marique | praemia. – Die Junktur opes quaerere schätzte v.a. Ovid ( cf. u.a. am. 1,10,21f. meretrix … miseras … quaerit opes ; 2,10,33 quaerat avarus opes ; 3,8,66 tam male quaesitas … opes ; s. auch Lukan 10,149 f., oben zit.; Plin. nat. 33,2 in sede Manium opes quaerimus ). S. auch POLETTI 2017, 185. 7 – 12 Die Gier nach Luxusimporten 7-8 non vulgo nota placebant | gaudia, non usu plebeio trita voluptas : „Nicht länger mundeten die dem Mann von der Straße vertrauten Genüsse, das vom gemeinen Gebrauch schal gewordene Vergnügen“. Eumolp zitiert sich selbst : vile est quod licet … ales Phasiacis petita Colchis | atque Afrae volucres placent palato, | quod non sunt faciles : at albus anser | et pictis anas involuta pennis | plebeium sapit. ultimis ab oris | attractus scarus atque arata Syrtis | si quid naufragio dedit, probatur : | mullus iam gravis est. … quicquid quaeritur, optimum videtur ( 93,1f.; cf. Bd. I, S. 240-248 ad loc.). Das hier angesprochene Thema bringt Seneca wiederholt zur Sprache : für Roms Gourmets zählt nur noch das Außergewöhnliche und Exotische; cf. u.a. ep. 114,9 f. ad cenas lautitia ( „der feine Geschmack“ ) transfertur et illic commendatio ex novitate et soliti ordinis commutatione captatur (…) adsuevit animus fastidire, quae ex more sunt, et illi pro sordidis solita sunt ( „… und das Vertraute gilt ihm als Unflat“ ); dial. 12,10,5 ( zit. S. 935 ); nat. 3,18,3 tantum ad sollertiam luxuriae superbientis accedit, tantoque subtilius cotidie et elegantius aliquid excogitat furor usitata contemnens ! ( „so sehr versteigt sich die Findigkeit dieser nimmersatten Genießer, dass sie Barben bei Tisch sterben lassen, und tagtäglich fällt ihrem das Vertraute verachtenden Wahnwitz etwas ungleich Raffinierteres und Exklusiveres ein“ ); Phaed. 204-208 quisquis secundis rebus exultat nimis | fluitque luxu, semper insolita appetit. … non placent suetae dapes eqs. ( dass man die schlichte Kost von einst verachtet, hält auch Lukan fest ; 1,163f. mensas … priores | aspernata fames ). Senecas Kritik gilt ausschließlich der römischen Oberschicht. Auch im BC zielen die parallelen Wendungen auf Roms Elite ( usu plebeio trita volup-

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tas ~ gaudia nota vulgo ; cf. BALDWIN 1911, 141: „delights which the masses shared quickly came to seem shabby and commonplace to the rich“ ); Luxusartikel wie korinthische Bronze oder Seide ( BC 9-11 ) blieben begreiflicherweise den Wohlhabenden vorbehalten. Zugleich lässt sich aus dem ambivalenten non vulgo nota placebant gaudia ein „nicht länger mundeten dem Volk die vertrauten Genüsse“ heraushören. Unter der Hand weitet sich der Blick auf die breite Masse, die sich vom Luxus der Optimaten anstecken lässt und ihren Teil vom Kuchen will ( für die Architektur bestätigt Pompeji diesen Befund: selbst bescheidene Bürgerhäuser imitieren den Baustil der Oberschicht, bisweilen bis zur Parodie; cf. S. 1025 ). Der Wohlstand hat den gesamten Volkskörper infiziert ( BC 54 f. veluti tabes tacitis concepta medullis eqs.). Die Junkturen usus plebeius und trita voluptas sind singulär ( s. aber Verg. georg. 3,130 nota voluptas ; Sen. ep. 122,9 res sordida est tritā ac vulgari viā vivere ; zu trita voluptas cf. VOUT 2009, 112 ). Die nota gaudia stehen bei Martial einmal metonymisch für Ganymed ( 9,36,2 Phryx puer, alterius gaudia nota Iovis ). Zu dem prosaischen plebeius cf. GUIDO 1976, 89f. ad loc. Das Verspaar schwankt nicht nur zwischen Hendiadyoin und Tautologie; dank der Anapher ( non ; cf. BC 234 f. non arma … non regimen eqs.; 285f. non femina … non puer eqs.; 291 ), dem Enjambement ( gaudia ), dem Parallelismus ( nota gaudia – trita voluptas ; diskreter ist die Parallele vulgo und usu plebeio ) und der ‚chiastischen Alliteration‘ ( vul- pla- ple- vol- ; GUIDO 1976, 280 ) ist es stilistisch so überfüttert wie Roms Bevölkerung. 9 aes Ephyrae captum laudabat miles : „an der in Ephyre geraubten Bronze fand der einfache Soldat Gefallen“. Nach seiner Eroberung Korinths 146 v.Chr. brachte L. Mummius ganze Schiffsladungen Beutekunst nach Rom, wo sie schon bald Liebhaber fand (cf. Liv. perioch. 52,14 signa aerea marmoreaque et tabulas pictas in triumpho tulit ; Plin. nat. 33,149 ; Frontin str. 4,3,15 Corinthō captā non Italiam solum, sed etiam provincias tabulis statuisque exornavit ; s. auch Plin. nat. 37,12 victoria … Mummi ad Corinthia et tabulas pictas sc. mores inclinavit ). Gegen Ende der Republik waren Bronzen aus Korinth, v.a. Gefäße und Statuen, gefragte Statussymbole im patrizischen Haushalt ( cf. Cic. S.Rosc. 133 domus referta vasis Corinthiis et Deliacis ; Verr. 2,2,46 ; 2,4,1; 2,4,98 tu videlicet solus vasis Corinthiis delectaris, tu illius aeris temperationem, tu operum liniamenta sollertissime perspicis, „… die Legierung jener Bronze, die Zeichnung der Reliefs …“; 2,4,131; parad. 1,13: die Häuser der römischen Oberschicht Corinthiis operibus abundant ). In der frühen Kaiserzeit schließlich explodierten die Preise ( cf. Suet. Tib. 34,1 Corinthiorum vasorum pretia in immensum exarsisse ; s. auch

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Sen. dial. 10,12,2 Corinthia, paucorum furore pretiosa eqs.). Für Vergil zählen sie zu den typischen Luxusprodukten ( georg. 2,464 ). Augustus sammelt sie begeistert ( Suet. Aug. 70,2 ); ein Trimalchio weiß sie zu schätzen ( 31,9 asellus … Corinthius ; 50,1 poculum … in lance … Corinthiā ; 50,2-4 solus sum qui vera Corinthea habeam eqs.), in ironischem Anachronismus aber auch Senecas Medea ( Med. 796 pretiosa … aera Corinthi ). ‚Korinthische Bronze‘ steht als Markenname für ein berühmtes Zentrum künstlerischer Metallverarbeitung, wie die Äginetische oder Delische Bronze ( cf. Ov. met. 6,416 nobilis aere Corinthus ; Plin. ep. 3,6 ) – aber auch für spezifische Legierungen, mit denen die dortigen Gießereien arbeiteten ( cf. Plin. nat. 34,8 ; für Werke klassischer korinthischer Künstler steht der Begriff nat. 34,7 ). Ins Reich der Legende gehört die Geschichte, beim Brand Korinths 146 v.Chr. seien Gerätschaften und Kunstwerke aus Gold, Silber und Kupfer zufällig zu einer neuen Legierung verschmolzen ( cf. Sat. 50,5f. zu Trimalchios Version; s. auch A. MAU, RE IV 1, 1900, 1233f.; D. EMANUELE, Aes Corinthium : Phoenix 43, 1989, 347-358; T. GRÜLL, Trimalchio’s Corinthian Ware : Acta antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 36, 1995, 101-105 ). Der Vers markiert den Umschlag von Mummius’ Marodeuren, die mit Korinths Kunstschätzen wenig anzufangen wussten und wie die Vandalen hausten ( cf. Polybios 39,2; Vell. Pat. 1,13,4 ; Juv. 11,100-110 Graias mirari nescius artes | urbibus eversis … magnorum artificum frangebat pocula miles eqs., und E. COURTNEY ad loc.; Florus epit. 1,32,6f. ), zu Sullas Legionären, die sich für Kleinasiens Kleinodien erwärmten ( 89-85 v.Chr.; cf. Sall. Cat. 11,6 ibi primum insuevit exercitus populi Romani amare potare, signa tabulas pictas vasa caelata mirari, ea privatim et publice rapere, delubra spoliare eqs.). Dass Eumolps kleiner Katalog mit korinthischer Bronze beginnt, hat laut CONNORS 1989, 53f. gute Gründe: sie erinnere an den Fall Korinths und Karthagos im selben Jahr, und damit an jenen Wendepunkt der römischen Geschichte, mit dem die innere Auflösung einsetzt ( cf. Sall. Iug. 41,1-5; Cat. 10; Vell. Pat. 2,1,1f.; Plin. nat. 33,149f.; Florus epit. 1,47 ) – und damit der lange Weg zu den Bürgerkriegen. Miles ist kollektiver Singular ( cf. BC 32 miles vagus ; 152 milite laeto, und e.g. Verg. Aen. 2,495 late loca milite complent ; Ov. met. 13,662 miles adest et … bella minatur ; Sen. ep. 56,9 imperatores, cum male parēre militem vident eqs.; Lukan 5,319f.; 7,250f., und passim ; R.G. AUSTIN ad Verg. Aen. 2,20; Thes. VIII, 945,18-946,13 ). Ephyrae captum : Der Vers ist verderbt überliefert. Dem ursprünglichen Text am nächsten kommt wohl die Hs. B mit aesepyre cum ( samt dem Versende in unda ; zu den anderen Hss. cf. BÜCHELER 1 und MÜL-

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LER 1 ad loc.). Neben aes, „Bronze“, ist mit einiger Sicherheit der alte, seit Homer bezeugte Name Korinths fassbar, Ἐφύρη ( Ilias 6,152 ), lat. Ephyra bzw. Ephyrē, -ēs. Römischen Autoren war der Name vertraut ( e.g. Vell. Pat. 1,3,3 Corinthum, quae antea fuerat Ephyre ; Plin. nat. 4,11 colonia Corinthus, antea Ephyra dicta ; Gell. 14,6,4 ; Servius georg. 2,464 Ephyre est Corinthus ), zumal den Dichtern ( e.g. Ov. her. 12,27 Ephyren bimarem, „das von zwei Meeren bespülte Ephyre“; met. 2,240, und F. BÖMER ad loc.; Lukan 6,57 ; Stat. silv. 2,2,34, und H.-J. VAN DAM ad loc.; Sil. Ital. 15,310 ). „Der archaische Name der Stadt läßt die kostbaren Gegenstände noch kostbarer erscheinen.“ ( M. ERREN ad Verg. georg. 2,464 Ephyreïaque aera ). Er verrät nicht nur antiquarische Interessen – er verleiht dem Passus auch einen ( ironisch gebrochenen) heroischen Klang, der dem profanen Corinthus abgeht ( cf. e.g. Sat. 50,2 vera Corinthea ). Die vielen älteren wie jüngeren Heilungsversuche ( eine repräsentative Auswahl diskutieren TANDOI 1967; MAGNELLI 2001; SOUBIRAN 2007, 78; POLETTI 2017, 186-189 ) bewahren in der Regel den Namen, als Substantiv oder Adjektiv ( „korinthisch“ ). Letzteres ist in vier Varianten belegt ( die beiden ersten Silben sind stets kurz ): Ephyraeus ( -ae- Diphthong ; e.g. Ov. ars 1,335; Lukan 6,17 Ephyraea … moenia ), deutlich seltener Ephyrēus ( e.g. Apul. met. 1,1,3 Isthmos Ephyrea ) und Ephyrēïus ( zuerst Verg. georg. 2,464, oben zit.). Nur als Fem. bezeugt ist Ephyrēias, -adis. Harmlos klingt STUBBEs aes Ephyraeum tum laudabat miles in undā, raffinierter dank der zarten Enallage NOVÁKOVÁs aes Ephyrēā tum laudabat miles in undā ( 1960, 10: „Damals lobte der Soldat im Korinthischen Golf die Bronze …“ ) bzw. SALEMMEs aes Ephyrēā cum laudabat miles in undā, das an BC 7f. anschließt ( 1970-72, 71: „… als im Korinthischen Golf …“ ). Gegen alle drei Vorschläge spricht neben der heiklen Metrik ( cf. MAGNELLI 2001, 260f. Anm. 12 ) die problematische Lesart in unda ( cf. das übernächste Lemma ). Unbelegt ist HEINSIUS’ aes Ephyrēiacum. Ungeachtet mancher Kritik ( cf. MÜLLER1 ad loc.: „HEINSIUS forma valde dubitabili“ ) fand das gravitätische Hexasyllabon viel Beifall ( u.a. von BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ). HERAEUS ( Gnomon 12, 1936, 650 ) verglich das seltene synonyme Corinthiacus ( Liv. 26,26,2; Ov. met. 15,507 ), YEH 2007, 360 das ebenso seltene Salamīniacus ( Lukan 5,109; Sil. Ital. 14,282 ). TANDOI 1967, 270-272 verwies auf zwei Neologismen der Sat., 47,10 Penthiacum ( wohl „Frikassee à la Pentheus“ ) und BC 68 Dicarchis ( s. S. 994 ). Andere Lösungen erweitern Ephyre zu dem Lokativ Ephyrae und das überlieferte cum zu einem PPP oft metallurgischer Provenienz. HELM ( 1956, 230 ) konjizierte aes Ephyrae c ū s u m , „die zu Korinth gehämmerte

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Bronze“ – ein spröder t.t., der als PPP erst spätantik belegt ist ( klassisch bezeugt ist das Kompositum; cf. Verg. georg. 1,274 f. lapidem … incūsum, ein „behauener“ Mühl- oder Schleifstein; Persius 2,52f. incūsa … pingui | auro, „Getriebenes aus purem Gold“, und W. KIßEL ad loc.). W.-W. EHLERS (in epist.) schlug aes Ephyrae f ū s u m vor. Seit der frühen Kaiserzeit ist fundere als t.t. der Gießerei greifbar : „schmelzen, gießen“ – allerdings fast ausschließlich in technischer Prosa ( u.a. Vitruv 8,6,4 ; Sen. nat. 2,52,2 ferrum et aes fundit sc. fulmen; ep. 65,5; Plin. nat. 22,44 effigies ex aere fusa est ; 33,94 ; 34,5 fundendi aeris pretiosi ratio, „die Kunst, edle Bronzen zu gießen“; 34,46; Justin epit. 24,7,10 statuas … solido auro fusas ; OLD s.v. 2 ; Thes. VI 1, 1565,39-70 ). Besser macht sich MÜLLERs aes Ephyrae c o c t u m , „das in Korinth gekochte Erz“ ( ed.2 ; cf. OLD s.v. coquo 2b, und e.g. Lukan 6,405 immensis coxit fornacibus aera ). Eine Überlegung wert wäre vielleicht auch aes Ephyrae m i x t u m , „das in Korinth legierte Erz“ ( cf. OLD s.v. misceō 2: „to produce (a substance) by mixing, compound, concoct, or. sim.“, und Prop. 3,5,6 mixta aera … clade, Corinthe, tuā, „Bronzen, legiert in deinem Untergang, Korinth“ ( mixta RUHNKEN : miser codd.); Plin. nat. 34,5 aes confusum auro argentoque miscebatur ; 34,6 Corinthium sc. aes … casus miscuit Corintho, cum caperetur, incensā, „die korinthische Bronze mischte der Zufall, als Korinth bei seiner Einnahme in Flammen aufging“; der Ausfall könnte auf eine Art saut du même au même zurückgehen: mixtum – miles ). Die historischen Hintergründe evozieren MAGNELLIs aes Ephyrae c a p t u m ( 2001; empfohlen von VANNINI 2007, 179; in epist. zitiert er Cic. Verr. 2,4,82 signum … Carthagine captum, und Horazens sinnverwandte sententia, ep. 2,1,156 Graecia capta ferum victorem cepit ; cf. HOLZBERG : „Bronze, in Ephyre erobert, pries der Soldat“ ), und E. STAGNIs r a p t u m ( oder ereptum, mit dem Dativ Ephyrae oder dem abl. sep. Ephyre, kaum dem Lokativ Ephyrae ; ap. POLETTI 2017, 186-189; dieser zitiert Claudian c. 26, 612 raptaque flagranti spirantia signa Corintho ; Prud. c. Symm. 2,352 hoc signum rapuit bimaris de strage Corinthi ). Der Fall Korinths klingt an ( der miles wird zu Mummius’ Soldat ) – und die im Kontext bedeutsame römische Raffgier. Unter dem Strich kommen drei Vorschläge in die engere Wahl, HEINSIUS’ behäbiges Hapax aes Ephyrēiacum, sowie STAGNIs aes Ephyrae raptum ( cf. BC 46 fasces … rapuisse ; 292 thesauros rapis ) und MAGNELLIs aes Ephyrae captum. Besser zu dem ‚aggressiven‘ Ton der Passage ( cf. BC 1; 6 hostis erat und tristia bella ; 7 quaerebantur ; 10 quaesitus und certaverat ) passen die beiden Partizipien – ungeachtet ihrer kleinen ‚anachronistischen Unschärfe‘: die historischen Quellen betonen die Achtlosigkeit von Mum-

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mius’ Leuten im Umgang mit den Schätzen Korinths; erst Sullas Legionäre erwärmen sich für den Luxus des Ostens ( s. oben ). Eine Nuance prägnanter klingt captum. 9-10 in imā | quaesitus tellure nitor certaverat ostro : „der im tiefsten Erdreich geschürfte Glanz hatte mit dem Purpur gewetteifert“. Der Wettstreit zwischen dem ‚Glanz‘ aus der Erde und dem aus dem Meer ( nitor meint auch den Purpur : ~ certaverat ostri nitori ; cf. e.g. Ov. met. 10,211 f. Tyrio … nitentior ostro | flos ; Sen. Ag. 877 ostro lectus Iliaco nitet ) umschreibt elegant die edlen Materialien, die den patrizischen Haushalt aufwerten; zugleich erinnert er an die höchst verschiedenen Fundorte der gefragten Naturschätze ( zu quaesitus cf. BC 7 quaerebantur, ebenfalls am Versanfang ). Auch Ovid setzt Preziosen aus Bergbau und See nebeneinander ( ars 3,123 f. terrae lentum subducitur aurum, | lectaque diverso litore concha venit ), ebenso Plinius ( nat. 12,2 caedi montes in marmora, vestes ad Seras peti, unionem in Rubri maris profundo, zmaragdum in imā tellure quaeri, „man zerschneidet Berge zu Marmor, importiert Kleider von den Serern, sucht Perlen in den Tiefen des Roten Meers, Smaragde im Erdinnern“; s. auch Philo quod omnis probus 65f. ). Mit dem unter Tage gewonnenen nitor ( die Wirkung vertritt metonymisch, als abstractum pro concreto, das Material ) ist kaum Gold gemeint, von dem bereits BC 4-6 die Rede ist, sondern am ehesten E d e l s t e i n e ( so u.a. BOURDELOT ap. BURMAN 714; CONNORS 1989, 54 ; zu deren Beliebtheit cf. Sat. 55,6,12-14 ; Manil. 4,398f. ut veniant gemmae, totus transibitur orbis, | nec lapidum pretio pelagus cepisse pigebit ; Plin. nat. 37,12: in der späten Republik kommen Perlen und Edelsteine in Mode; s. auch nat. 12,2, oben zit.; Tac. ann. 3,53,4 lapidum causā pecuniae nostrae ad externas aut hostilīs gentīs transferuntur ). Zu quaeri mit in + Abl. cf. Ov. met. 13,153 virtutis honor spoliis quaeratur in istis, „der Tapferkeit Lohn suche man in dieser Rüstung“; fast. 6,667 quaeritur in scaenā cava tibia ; her. 16,212 in mediis quaeritur umor aquis ; Sen. ep. 90,45 non aurum nec argentum nec perlucidos ‹ lapides in › imā terrarum faece quaerebant ; Lukan 8,719 mediis quaesitum corpus in undis. – Zu certare + Dativ cf. OLD s.v. 1b: „to contend for superiority in any field ( w. rival, adversary, etc. expr.)“, und e.g. Verg. georg. 2,99 argītis … minor ( eine Rebsorte ), cui non certaverit ulla sc. vītis ; Hor. c. 2,6,15f. viridi … certat | baca Venafro ; Ps.Sen. Herc. Oet. 1807 natum laude certantem Iovi ; Mart. 4,42,7 lumina sideribus certent. in imā : Das überlieferte in unda ( so u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ) macht im Kontext nur bedingt Sinn ( e.g. WALSH : „Soldiers on troopships

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praised Corinthian bronze“ ). Der betonte Transport der Bronzen zu Wasser passt zwar zur Betriebsamkeit der umliegenden Verse ( cf. 3f. freta … peragebantur ; 7 quaerebantur opes ; 14 quaeritur in silvis Tauri ; 14f. ultimus Hammon … excutitur ; 16f. premit … classes | tigris ), die Rom als Zentrum eines mächtigen Handelsimperiums zeigen. Gleichwohl spricht einiges gegen die Überlieferung. Dank der unda liest sich BC 9 fast wie eine Anspielung auf Mummius’ Flotte (cf. S. 874 ) – was sich mit dem Kontext ‚Späte Republik‘ beißt. Der gut bezeugte poetische abl. loci in unda setzt – anders als hier – meist einen un mittelbaren Kontakt mit dem Wasser voraus ( e.g. Cic. div. 1,106; Verg. Aen. 3,384 Trinacriā lentandus remus in unda ; Prop. 2,12,7 alternā … iactamur in unda ; Ov. met. 1,640 f. conspexit in unda | cornua ; 8,857 piscis in unda ; Lukan 3,572f. cruor altus in unda | spumat ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 662 lapis Eoā lectus in unda ; Stat. silv. 1,5,62 ). Nur vereinzelt erscheint er als Bild der Seefahrt ( stets verstärkt mit mediā : Verg. Aen. 3,202 mediā … in unda ; Ov. rem. 577 f. mediā navem … in unda | deserit ; Sil. Ital. 14,412 mediā subsedit sc. ratis in unda ). Nicht zuletzt klingt tellure für sich allein recht anämisch. Von den vorgeschlagenen Konjekturen ( etwa dem kryptischen in udā sc. tellure, laut SOUBIRAN 2007, 80-82 eine Anspielung auf murrinische Gefäße aus Flussspat ) kommen nur zwei ernstlich in Betracht. DOUSAs ( und BOUHIERs ) in Indā sc. tellure bringt einen ersten exotischen Schauplatz ins Spiel ( cf. BC 11f. Numidae und Seres, 12 Arabum populus usw.; ferner 135,8,1 Indum … ebur ; so u.a. CASTORINA 1970, 214 ; POLETTI 2017, 190-194 ). Gemeint wäre vielleicht das Gold Indiens, von dem bereits Herodot fabuliert ( 3,102-105; s. auch Prop. 3,13,5; Pomponius Mela 3,62 ; Plin. nat. 11,111 ), oder indisches Elfenbein ( cf. Sat. 135,8,1 non Indum fulgebat ebur ; Verg. georg. 1,57 India mittit ebur ; so TANDOI 1967, 275-284, der et Indā vorschlug ), das gerne purpurn koloriert wurde ( e.g. Verg. Aen. 12,67f. Indum sanguineo veluti violaverit ostro | si quis ebur, „wie wenn jemand indisches Elfenbein gefärbt hat mit blutrotem Purpur“ ). Organischer im Kontext klingt die Lesart in ima ( GIFANIUS ; FUCHS 1938, 168; so u.a. MÜLLER ab ed.2 ; GIARDINA – MELLONI ; lt. G. VANNINI in epist. wird sie als einzige dem PPP quaesitus gerecht ). Sie variiert die vertrautere Junktur tellure sub ima ( cf. Verg. Aen. 6,459 si qua fides tellure sub ima est ; Germanicus c. 109,1 == Poet. Lat. Min. IV, 102 Bae.; Sil. Ital. 1,485 ; als Nominativ Verg. Aen. 4,24 tellus … ima dehiscat ; Sen. Med. 691; Sil. Ital. 5,615 f. ). Mit quaeri und Edelsteinen verbindet sie auch Plinius ( nat. 12,2 zmaragdum in imā tellure quaeri ; s. auch Sen. ep. 90,45, zit. S. 878;

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94,57 nec erubescimus summa apud nos haberi, quae fuerant ima terrarum, i.e. Silber und Gold ). Das kleine Enjambement imitiert den Weg hinab in die Tiefe. ostro : Das poetische ostrum, „Purpur“ ( bzw. purpurne Kleidung ), vertritt das weit häufigere, v.a. in der Prosa heimische purpura. Den kostbaren Farbstoff gewann man aus bestimmten Meeresschnecken, wobei für nur ein Gewand rund zehntausend Tiere benötigt wurden. Purpurne Kleidung war damit ein Privileg der Oberschicht und spielte als Sinnbild des gesellschaftlichen Ranges – v.a. als Farbe des Triumphators und des Kaisers – auch politisch eine gewichtige Rolle ( cf. Plin. nat. 9,125-138 ; BLÜMNER 1875, 224-240; M. REINHOLD, History of Purple as a Status Symbol in Antiquity, Brüssel 1970; H. SCHNEIDER, DNP 10, 2001, 604f. ). In kritischem Ton verbindet bereits Vergil korinthische Bronze und tyrisches Purpurtuch als Synonyme des Luxus ( georg. 2,464 f. Ephyreiaque aera, | alba … Assyrio fucatur lana veneno ; s. auch Sil. Ital. 14,655-659 ). 11 hinc Numidae attulerant : „Von hier hatten Numider neuartige Vliese geliefert …“. Numidien war kaum bekannt für den Export von Stoffen ( eine regionale Wollproduktion erwähnt Y. MODÉRAN, s.v. Numidia, RAC 25, 2013, 1206 f.; der umfangreiche RE-Artikel zu dem Land weiß nichts von einer einheimischen Textilindustrie: F. WINDBERG, RE XVII 2, 1937, 136370). Auch an die „dünne Wolle“ der Atlaszeder ist kaum zu denken, aus der sich Plinius zufolge „seidenartige Kleidung“ fertigen lasse ( Plin. nat. 5,14 quales e bombyce vestes ; s. auch Solin 24,8 comae cupressi similes vestiuntur lanugine sericis velleribus nihilo viliore ; Mart. Cap. 6,667 arbores … gignit sc. Atlas …, quae lanam obducunt instar serici pretiosam ). Gemeint ist die dichte Behaarung der Zeder mit einer Flechte, die für Textilien nicht taugt. Doch vermutlich steht Numidien hier ‚pars pro toto‘ für nordafrikanische Tuchwaren ( so TANDOI 1967, 289-294 ; cf. HELM 1956, 230 ). Infrage käme die Baumwolle, die u.a. in Ägypten heimisch war ( cf. Plin. nat. 12,38f.; 19,14 ), eher aber Libyens und Mauretaniens Purpurstoffe ( u.a. Hor. ep. 2,2,181 vestes Gaetulo murice tinctas ; Sil. Ital. 16,568f. serva albentes invertere lanas | murice Gaetulo docta ; s. auch Strabo 17,3,18; Pomponius Mela 3,104 ; Plin. nat. 5,12 ). Berühmt waren v . a . die doppelt gefärbten dibaphae Tyriae bzw. dibaphae vestes ( cf. Hor. epod. 12,21 muricibus Tyriis iteratae vellera lanae, und L.C. WATSON ad loc.; c. 2,16,35-37 te bis Afro | murice tinctae | vestiunt lanae, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Ov. fast. 2,107; Corp. Tib. 3,8 (4,2),15f., und H. TRÄNKLE ad loc.; Lukan 10,123f.; Plin. nat. 9,137; Ps.-Sen. Herc. Oet. 663f.; Mart. 4,4,6 bis murice vellus inquinatum ).

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Für diese Deutung sprechen nicht zuletzt zwei Stellen, die gleichfalls nahöstliche und fernöstliche Gewebe verknüpfen, Sen. Phaed. 388f. procul sit muricis Tyrii rubor, | quae fila ramis ultimi Seres legunt, und v.a. Verg. georg. 2,120f. nemora Aethiopum molli cānentia ( „schimmernd“ ) lanā, | velleraque … foliis depectant tenuia Seres ( s. auch CARCOPINO 1940, 394-396; SOUBIRAN 2007, 83 ). Unterstrichen von hinc – illinc, und v.a. von dem e i n e n Verb und dem e i n e n Objekt, inszeniert das BC hier den Handelsverkehr als Dramolett : fast als Konkurrenten werfen Numider wie Serer vom Süden bzw. vom Osten her ihre Waren auf den römischen Markt ( z.T. nach G. VANNINI in epist.). Zu hinc – illinc v.a. bei Vergil ( e.g. georg. 1,509 hinc movet Euphrates, illinc Germania bellum ) und Lukan cf. GUIDO 1976, 92f. attulerant : Das zweite Problem der lädiert überlieferten Passage BC 911 sind die Lesarten accusatius, accusati bzw. accusant in 11, die keinen Sinn ergeben und z.T. metrisch unmöglich sind ( bedenkenswert W.-W. EHLERS ’ Überlegung in epist.: „accusatius etc. scheint der Hinweis eines Bearbeiters zu sein, dass ein Akkusativ ausgefallen ist; es kann m.E. keinesfalls Grundlage für eine Konjektur bilden“; s. auch POLETTI 2017, 195-197 ). BÜCHELER erwog einen Textausfall in bzw. nach BC 11 ( ed.1 ; ihm folgen ERNOUT und MÜLLER 1 ), SCALIGER nach BC 12. Doch mit Gold und Bronze, Edelsteinen und Purpur, Seide und Spezereien ist die Liste der Luxusimporte gut gefüllt. Eine ökonomischere Lösung ist gefragt. An einen Exportschlager Numidiens dachte SCALIGER : seinen Marmor ( cf. Plin. nat. 5,22 nec praeter marmoris Numidici ferarumque proventum aliud insigne ei sc. terrae, „abgesehen von der Produktion numidischen Marmors und wilder Tiere bringt das Land nichts Besonderes hervor“ ), der seit der späten Republik gefragt war ( cf. Hor. c. 2,18,4 f. columnas ultimā recisas | Africā, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Sen. ep. 115,8; Plin. nat. 36,49 ; Mart. 9,75,7f.; Juv. 7,182 ). Seine Konjektur crustas ( empfohlen u.a. von SCHMELING ad loc.) meint dünne, meist aus Marmor geschnittene „Platten“, mit denen u.a. Mauerwerk verkleidet wurde ( e.g. Vitruv 7,5,1; Sen. ep. 86,6 Numidicis crustis, „numidisches Mosaik“; Plin. nat. 35,3; 36,53; OLD s.v. 3 a ). Doch crustas verwandelt BC 11 in eine trockene nominale Konstruktion, die im gesamten Gedicht keine Parallele hat. Höchstwahrscheinlich fehlt ein Prädikat zu den beiden Subjekten ( ‚Numider und Serer‘ ) und dem gemeinsamen Objekt ( nova vellera ; dass despoliaverat in Vers 12 sich zeugmatisch auch auf Numider und Serer bezieht, ist schon dank der Richtungsangaben hinc – illinc ausgeschlossen ), im Kontext am ehesten ein „lieferten“ oder „hatten geliefert“. Denn wie BÜCHELER zurecht anmerkte, verlangt der Kontext hier ein Imperfekt

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oder Plusquamperfekt – parallel zu den bis BC 9 dominierenden Praeterita, oder zu 10 certaverat und 12 despoliaverat ( ed.1 ad loc.; cf. CONTE 2005, 210-212; SOUBIRAN 2007, 83; s. auch TANDOI 1967, 282 ). Mit diesem Detail beißen sich etliche Vorschläge, u.a. STUBBEs coccum dant ( „von hier liefern die Numider Scharlach“ ), GIARDINAs abwegiger Waffenimport : arcūs dant ( 1978/79, 388 ), HEINSIUS’ accumulant, COLLADONIUS’ advectant und PARATOREs accersunt ( 1933, II 399 ). Der letzte Vorschlag lässt zudem eher an Importe als an Exporte denken – ein Problem, mit dem auch BÜCHELERs Plusquamperfekt accierant kämpft ( „hatten herbeikommen lassen“; ed.1 ad loc.; so u.a. CIAFFI ; CANALI – STUCCHI ; als unbelegtes Contractum accirant u.a. ERNOUT ). Deutlich besser, ungeachtet der zarten Diskrepanz zwischen dem Plusquamperfekt und den n o v a vellera, macht sich BOUHIERs attulerant ( 1737, 96; so wohl unabhängig FUCHS 1959, 77 ), das dem Vers Dynamik verleiht. Die expressive Synalöphe hat Vorbilder ( e.g. Verg. Aen. 4,86 non coeptae adsurgunt turres ; 8,580 dum curae ambiguae ; 10,97 caelicolae adsensu vario, alle drei eadem sede metrica ). Es fand viel Zustimmung ( u.a. GRIMAL ; SOUBIRAN 2007, 83), ja wurde als „congettura palmare“ gelobt ( cf. TANDOI 1967, 287; CONTE 1999, 205 Anm. 5; ders. 2005, 210-212; VANNINI 2007, 179). 11 illinc nova vellera Seres : „… von dort neuartige Vliese die Serer“. Bereits im fünften Jh. v.Chr. gelangte chinesische Seide nach Hellas. Doch erst während der Han-Zeit ( 206 v.Chr. – 220 n.Chr.), als Chinas Seidenproduktion aufblühte, nahm der Textilhandel mit dem Westen seinen Aufschwung. Über die Seidenstraße ( cf. WITTKE 2007, 205 ) lieferten chinesische Händler ab dem frühen ersten Jh. v.Chr. größere Kontingente an Garnen und Stoffen in den Nahen Osten und den Mittelmeerraum. Weniger die langen Lieferwege als Chinas bis zum Ende der Antike ungebrochenes Monopol verbürgten die Exklusivität von Seidenprodukten – sowie exorbitante Preise ( cf. Sen. benef. 7,9,5, unten zit.; Hist. Aug. Aurel. 45,5; s. auch Plin. nat. 12,84 : für die Luxusimporte aus Arabien, Indien und China zahlt Rom jährlich „mindestens 100 Mio. Sesterzen“ ). Viele antike Autoren hielten Seide für ein pflanzliches Produkt ( u.a. Verg. georg. 2,121 vellera … foliis depectant tenuia Seres, „zartes Vlies kämmen die Serer vom Laub“; Strabo 15,1,20 ; Sen. Phaed. 389 fila ramis ultimi Seres legunt ; Plin. nat. 6,54 ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 665-667 ). Dass sie aus dem Kokon der Maulbeerspinnerraupe gewonnen wird, war lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis ( cf. Mart. 8,33,16 tam leve nec bombyx pendulus urget opus, „noch spinnt die Seidenraupe in ihrem Kokon einen so zarten Faden“,

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und Ch. SCHÖFFEL ad loc. [ Hinweis von A. SETAIOLI in epist.]; Servius georg. 2,121 apud Aethiopiam, Indos et Seras sunt quidam in arboribus vermes et bombyces appellantur, qui in aranearum morem tenuissima fila deducunt, unde est sericum ; zum verwandten koischen Seidenspinner cf. Plin. nat. 11,77 f. ). Römische Quellen erwähnen Seide erst in der späten Republik (zu nova cf. BC 26 tot nova nomina vestis ). Verwendung fand sie in der extravaganten Inneneinrichtung, etwa für Kissen ( Serici pulvilli, cf. Hor. epod. 8,15 f.; Mart. 3,82,7 ) und Decken ( cf. Prop. 1,14,22 variis serica textilibus, „Seide verschiedenster Textur“; cf. W.A. CAMPS, L. RICHARDSON und P. FEDELI ad loc.). Bei den Feiern zu seinem vierfachen Triumph 46 v.Chr. ließ Caesar angeblich ein Amphitheater mit Seide überspannen ( Cassius Dio 43,24,2 ). Zur Geltung kam sie v.a. in der Haute Couture, schmeichelte sie doch „dem verwöhnten Geschmack vornehmer Damen“ ( Cassius Dio 43,24,2 ἐς τρυφὴν τῶν πάνυ γυναικῶν περιττήν ; übers. nach O. VEH ; cf. Lukan 10,141-143 zu Kleopatras Seidenrobe ). Seneca echauffierte sich über den neuen Trend ( benef. 7,9,5 video sericas vestes, si vestes vocandae sunt, in quibus nihil est, quo defendi aut corpus aut denique pudor possit, quibus sumptis … nudam se non esse iurabit sc. matrona ; hae ingenti summā ab ignotis etiam ad commercium gentibus accersuntur, ut matronae nostrae ne adulteris quidem plus sui in cubiculo quam in publico ostendant ); Plinius sekundierte ( nat. 6,54 : Seide werde importiert, ut in publico matrona traluceat, „… sich so gut wie nackt zeige“ ; s. auch Sat. 55,6,15f.; K.F. SMITH ad Tib. 2,3,53 ). Bissige Seitenhiebe erntete nicht zuletzt die seidene Männermode, wie sie die kaiserzeitliche Gesellschaft v.a. bei Hof schätzte ( cf. Sen. ep. 90,15; Plin. nat. 11,78 zur koischen Seide: nec puduit has vestes usurpare etiam viros levitatem propter aestivam ). Tiberius erließ gar ein decretum …, ne vestis Serica viros foedaret ( Tac. ann. 2,33,1; cf. F. GOODYEAR ad loc.). LIT. H. BLÜMNER, RE II A 2, 1923, 1724-27; MARQUARDT II, 491499; NISBET – HUBBARD zu Hor. c. 1,12,56; A. SETAIOLI, I Seres e la seta in Orazio, in: C. Santini ( Hrsg.), Andrea da Perugia, Rom 1994, 93-104 ; A. PEKRIDOU-GORECKI, DNP 11, 2001, 347-349. vellera : Zu vellus ( „Wolle, Vlies“ ) für „Seide“ cf. u.a. Verg. georg. 2,121 ( oben zit.); Sen. Thy. 379 Seres vellere nobiles ; Sil. Ital. 6,4 Seres lanigeris repetebant vellera lucis ( „wieder pflückten die Serer Vlies in ihren wolletragenden Hainen“ ); 14,664 depexa … vellera ramis ; Claudian c. 1,179f.; 7,211 vellera sc. dabunt Seres ; 18,226 te foliis Arabes ditent, te vellere Seres ; Boethius cons. 2 m. 5,8 lucida vellera Serum ; anon. carm. frg. 7 FLP p. 456 noti vellere Seres ; Anth. Lat. 21,104 R. == 8,104 Sh.B.

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Sēres : Die „Seidenleute“ ( griech. Σῆρες, von altchin. sië, „Seide“ ; zur griechischen Pluralform Sēres cf. NISBET – RUDD 355 zu Hor. c. 3,29,27 ) werden erstmals in der augusteischen Literatur erwähnt. Zeitgenössischen Quellen zufolge lebten sie zurückgezogen am östlichen Ozean, jenseits der Skythen und Inder ( cf. Pomponius Mela 3,60; Plin. nat. 6,54 ; Sil. Ital. 6,3f. primi … novo Phaethonte retecti | Seres ; NISBET – HUBBARD ad Hor. c. 1,12,56; J. FERGUSON, ANRW II 9.2, 1978, 581-603; B. BRENTJES u.a., DNP 11, 2001, 452 f. ). Wie unbekannt die räumlichen Dimensionen waren, verraten augusteische Phantasien, die die Serer als potentielle Bedrohung sahen ( Hor. c. 3,29,27 f.) – oder als künftigen Teil des Reiches ( ebd. 1,12,55 f. subiectos Orientis orae | Seras et Indos ; cf. Lukan 1,19: ohne den Bürgerkrieg sub iuga iam Seres, iam barbarus isset Araxes ). Erstaunlich genug erreichte offenbar eine Gesandtschaft Mark Aurels den chinesischen Kaiserhof. 12 atque Arabum populus sua despoliaverat arva : „und der Araber Volk hatte seine Fluren geplündert.“ In antiken Tagen galt die arabische Halbinsel als fast mythischer Ort, in dessen „Wäldern“ bzw. „Plantagen“ ( arva ) im südwestlichen Hochland man die Harze aromatischer Hölzer gewann, Weihrauch und Myrrhe, die als Arznei, Gewürz und Räucherwerk Verwendung fanden (cf. Herodot 3,107. 110-112; Diodor 2,49; 3,46; Verg. georg. 1,57 sua tura sc. mittunt Sabaei ; 2,117 solis est turea virga Sabaeis, „Weihrauchzweige ernten einzig die Sabäer“ ; Ov. fast. 4,569 turilegos Arabas ; Sen. Herc. fur. 910 Arabes … odoris quidquid arboribus legunt ; Plin. nat. 12,51 principalia … in illa sc. Arabia tus atque murra ; Arrian anab. 7,20,2; Heliodor 10,26,1 ). Eine zentrale Rolle spielte Arabien zudem als Drehscheibe des Gewürzhandels. Aus Südostasien importierten arabische Händler u.a. Zimt ( casia, cinnamum u.ä.) und Pfeffer, um sie im Mittelmeerraum loszuschlagen. Im fernen Rom hielt man diese exotischen Waren nicht selten für regionale arabische Produkte ( e.g. Prop. 3,13,8 cinnamon … sc. praebet Arabs ; Pomponius Mela 3,79; Sen. Oed. 117 cinnami silvis Arabas beatos ; informierter zeigt sich Plin. nat. 12,82 : non sunt eorum sc. Arabum cinnamomum aut casia ). Cf. W.W. MÜLLER, RE Suppl. XV, 1978, 700-777; N. GROOM, Frankincense and myrrh, London 1981, bes. 96-120 ; G.W. BOWERSOCK, Roman Arabia, Cambridge/ Mass. 1983 ; Ch. HÜNEMÖRDER, DNP 12/2, 2002, 418; SOUBIRAN 2007, 84 ; WITTKE 2007, 204 f. Dank seiner Exporte gelangte Arabien zu beträchtlichem Wohlstand ( cf. Hor. c. 1,29,1 f. beatis nunc Arabum invides | gazis …? ; 2,12,24 plenas … Arabum domos ; 3,24,1f.; Tib. 2,2,3 f. odores, | quos tener e terrā divite mittit

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Arabs ; Sen. Med. 711 divites Arabes ; Plin. nat. 6,161 Sabaeos ditissimos silvarum fertilitate odoriferā ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 792 f. ), der ihm bereits im klassischen Hellas den Beinamen ἡ εὐδαίμων Ἀραβία erwarb ( „gesegnetes Arabien“; e.g. Eur. Bacch. 16 ; Heliodor 10,26,1 ; zur äquivalenten Arabia Felix cf. u.a. Plin. nat. 5,87 ; 12,51 Arabiae divitias …, quae cognomen illi felicis ac beatae dedere ). In der frühen Kaiserzeit weckten Arabiens Reichtümer römische Begehrlichkeiten. Doch die große Militärexpedition des ägyptischen Statthalters Aelius Gallus endete offenbar mit schweren Verlusten ( ca. 26/25 v.Chr. ; cf. Strabo 16,4,22-24 ; NISBET – HUBBARD 338 ad Hor. c. 1,29; S. JAMESON, JRS 58, 1968, 71-84 ). Abgesehen von der Provinz Arabia, die im 2./3. Jh. n.Chr. einen kleinen Ausschnitt im Norden der arabischen Halbinsel umfasste, war Arabien nie Teil des römischen Reiches. Das Plusquamperfekt klingt, als seien die Bestände inzwischen erschöpft ( was definitiv nicht der Fall war ; das Tempus ist letztlich wohl metrisch bedingt, wie BC 10f. ). Wie das Laserpicium zeigt, kam dergleichen jedoch vor. Dank eines ungezügelten Raubbaus waren die Vorkommen dieser wilden Heilpflanze aus der nordafrikanischen Kyrenaika bereits in neronischer Zeit erschöpft ( cf. Plin. nat. 19,38 f.; s. auch Sat. 35,6 de Laserpiciario mimo ). Ähnlich verwendet Statius das Simplex spoliare ( silv. 1,2,122f. ): Seras avaros | angustum spoliare nemus, für die Seidenproduktion „beuten die geizigen Serer zu wenig Wald aus“. Zu arva als „Plantagen“ cf. Corp. Tib. 3,8(4,2),17 f. metit quidquid bene olentibus arvis | cultor odoratae dives Arabs segetis ; Stat. silv. 1,4,104 odoriferis Arabum … in arvis ( zu silva in diesem Kontext cf. Pomponius Mela 3,80 silva … odores … generat ; Sen. Oed. 117, oben zit.; Phaed. 67 Arabs divite silvā ; Plin. nat. 6,161, oben zit.). Die markante Alliteration streicht die Arabes heraus. BC 12 ist einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions. Nur noch einmal findet sich in der klassischen lateinischen Dichtung eine sechssilbige Verbform, Calpurnius 6,6 exsuperaverit ( in gleicher metrischer Position; YEH 2007, 354 ). 13 – 18 Die venationes Die römische Unterhaltungsindustrie verbrauchte ganze Populationen wilder Fauna meist exotischer Provenienz. Man zeigte sie in Menagerien und Tierparks, zumeist aber in den Amphitheatern Italiens und der Provinzen, wo sie Kunststücke vorführten ( e.g. Sen. ep. 85,41 domitores ferarum … sae-

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vissima animalia … usque in contubernium mitigant : leonis faucibus magister manum insertat, osculatur tigrim suus custos, elephantum minimus Aethiops iubet subsidere in genua et ambulare per funem ; cf. COLEMAN 2006, 114-117 ), meist jedoch in eigens inszenierten Tierhetzen, sog. venationes, gegeneinander oder gegen Menschen kämpfen mussten ( e.g. Calpurn. Sic. 7,57-72; Stat. silv. 2,5,28f. tot Scythicas Libycasque … feras … perdere vile est ; Gell. 5,14,5-7 in circo maximo … venationis amplissimae pugna populo dabatur. … multae ibi saevientes ferae, magnitudines bestiarum excellentes, omniumque invisitata aut forma erat aut ferocia ). Bei besonderen Anlässen kamen in der späten Republik und während des Prinzipats mitunter Hunderte afrikanischer Großkatzen zu Tode, sechshundert Löwen und vierhundert Leoparden z.B. bei den Spielen des Pompeius 55 v.Chr., vierhundert Löwen 46 v.Chr. bei Caesars Triumph. Rund dreitausendfünfhundert bestiae Africanae starben bei Augustus’ venationes ( Aug. Res gest. IV,22 ), bei einer einzigen Hatz des Titus fünftausend Tiere ( Suet. Tit. 7,3 ). Einen traurigen Rekord stellte Trajan auf, dessen Sieg über die Daker elftausend Tiere das Leben kostete ( cf. FRIEDLÄNDER II, 1920, 77-92; F. DREXEL, ebd. IV, 1921, 268-275; TOYNBEE 1983, 1-11 ). Kein anderer römischer Text zu den Ursachen des Bürgerkriegs erwähnt die venationes ( von Capuas Dekadenz zeugt auch das Vergnügen an blutigen Spektakeln; Sil. Ital. 11,33-54 ) – was die Verse umso bemerkenswerter macht, und nebenbei die Frage aufwirft, warum nicht auch von Gladiatorenkämpfen die Rede ist ( cf. Sat. 45,4-6 und 11-13, bes. § 6 ferrum optimum daturus est, sine fuga, carnarium in medio, ut amphitheater videat ; WISTRAND 1992, 15-29 ). Implizit monieren sie den enormen logistischen Aufwand für die ‚Maschine Amphitheater‘ – was nahtlos an die Kritik der Luxusimporte in den Versen davor und danach anknüpft. Explizit geht es um die Verrohung der Zuschauer, die auch Seneca wiederholt beklagt ( cf. S. 897f. zu BC 18 populo plaudente ). Kein Thema hingegen ist offenbar das Leid der Tiere, die für das Vergnügen der Massen qualvoll starben ( und nebenbei ausgerottet wurden; cf. BC 15 excutitur, sowie BC 36-38 ). Mehr Empathie zeigte Cicero anlässlich Pompeius’ venationes ( fam. 7,1,3 quae potest homini esse polito delectatio, cum aut homo imbecillus a valentissima bestia laniatur aut praeclara bestia venabulo transverberatur ? eqs.). Wie eine Paraphrase von BC 13-18 liest sich Salvian, de gubernatione Dei 6,10 ( 5. Jh.; zit. DE SALAS 232 ad loc.): in spectaculis … summum deliciarum genus est mori homines aut … lacerari, expleri ferarum alvos humanis carnibus, comedi homines cum circumstantium laetitiā, conspicientium voluptate, hoc est non minus paene hominum aspectibus quam bestiarum dentibus devorari. atque ut hoc fiat, orbis impendium est ( „… hat die Erde das Nachsehen“ ). … adeuntur etiam loca abdita,

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lustrantur invii saltūs, peragrantur silvae inexplicabiles, conscenduntur nubiferae Alpes, penetrantur inferae valles, et ut devorari possint a feris viscera hominum, non licet naturam rerum aliquid habere secretum. S. auch Manil. 4,222-226 ( über die im Sternzeichen Skorpion Geborenen; zit. POLETTI 2017, 198 ): quin ipsa sub armis | pax agitur : capiunt saltūs silvasque peragrant, | nunc hominum, nunc bella gerunt violenta ferarum, | nunc caput in mortem vendunt et funus harenae, | atque hostem sibi quisque parat, cum bella quiescunt. Einen gewissen Reiz besitzt MÖßLERs Idee ( 1865, 13 ), BC 13-18 hinter BC 38 zu stellen: der furor circensis ginge unmittelbar dem furor in Campo voraus ( s. aber das folgende Lemma ). 13 ecce aliae clades : „Sieh da andere Unheilsschläge“ ( STUBBE ). Subtile Korrespondenzen verknüpfen die beiden Abschnitte BC 6-12 und 13-18 ( 6 tristia bella ~ 13 aliae clades und laesae vulnera pacis ; deutlicher 7 quaerebantur opes ~ 14 quaeritur … fera ). Mit anderen Worten: den Luxusimporten und der Unterhaltungsindustrie zuliebe führt man Krieg. Zugleich signalisiert ecce ( im Kontrast zu der älteren Zeitebene iam, BC 1 und 4 ) eine neue Stufe moralischer Korruption: ‚Sex und Spiele‘ ( z.T. nach M. DEUFERT bzw. G. VANNINI in epist.). Gleich zweimal findet sich im Corpus Senecanum die Formel ecce alia clades ( „und hier neues Unheil“ ), wo sie gleichfalls größere Widrigkeiten ankündigt ( Ag. 528 f., während eines Seesturms: ecce alia clades. fulmine irati Iovis | armata Pallas eqs.; Ps.-Sen. Herc. Oet. 815 ecce alia clades : Hercules perimit Lichan ; als Parallelen nennt R.J. TARRANT ad Ag. 528 u.a. Eur. Phoen. 1427 ἄκουε δή νυν καὶ τὰ πρὸς τούτοις κακά, „nun höre auch das Unheil, das sich zudem zutrug“; Juv. 12,24 genus ecce aliud discriminis !, „eine andere Art Katastrophe“ ). Die aliae clades erscheinen auch bei Lukan ( 7,632 f. non istas habuit pugnae Pharsalia partes | quas aliae clades, Pharsalos spielt historisch eine gewichtigere Rolle „als andere Katastrophen“ ) und Tacitus ( hist. 1,50,4 bellum aliud atque alias clades horrebant ). Laut TARRANT ( ebd.) ziehe das BC jene Formel bewusst ins Lächerliche ( „the formula … is used with deliberate ineptitude“ ). Eher jedoch zielt sie auf barocke gravitas, wie TH 29 ecce alia monstra ( die mörderischen Schlangen tauchen auf ; s. auch Sat. 68,4 ecce alius ludus, Encolpius anlässlich eines unerwarteten ‚Kunstgenusses‘ ). 13 et laesae vulnera pacis : „und Wunden, dem verletzten Frieden geschlagen.“ ( HOLZBERG ). Die dunkle Wendung beschreibt in alexandrinischer Metaphorik ( „elegantissime“; ERHARD ap. BURMAN 716 ) Roms Verhalten jenen fernen

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Ländern gegenüber, deren Fauna die Arenen füllte, aber auch – ähnlich ambivalent wie BC 6 fatisque in tristia bella paratis ( s. S. 871f. ) – die latenten Aggressionen, die das blutige Schauspiel der Arena im Herzen des Reichs weckt, und die den inneren Frieden gefährden ( cf. BALDWIN 1911, 122 ad loc.: „laesae is proleptic“ ). Die singulären Junkturen laesa pax und vulnera pacis zeichnen den Frieden als verletzliches Lebewesen ( STUBBE ad loc. will Pacis schreiben ). Gegen Ende des BC tritt Pax persönlich auf – als geschlagene Gottheit ( 249-251 Pax … abscondit galeā victum caput eqs.). Die metaphorischen ‚Wunden‘ des Staats gehören fest zu Ciceros politischem Vokabular ( u.a. Verr. 2,5,179 cum tantum res publica vulnus acceperit eqs.; Sest. 17 vulnera … inusta rei publicae, „dem Staat eingebrannte Wunden“; 31 maximum … rei publicae vulnus ; Vat. 20 vulnera, quibus rem publicam putasti deleri ; nat. 2,8 cum magno rei publicae vulnere ). 14 quaeritur in silvis Tauri fera : „die Wälder des Taurus durchkämmt man nach Raubwild“. Das mächtige Taurusgebirge ( h. Toros Dağları ; cf. Tib. 1,7,15f. aetherio contingens vertice nubes | frigidus … Taurus ; Sen. Med. 682f., unten zit.; Lukan 3,225 Tauri … nemus ) erstreckt sich vom Südwesten der heutigen Türkei entlang der Mittelmeerküste über Kilikien bis zum Hochland des Ararat ; als natürliche Barriere schied es Kleinasien von Syrien ( cf. Manil. 4,675 in caelum surgentis moenia Tauri ). Der Taurus war bekannt für sein Großwild ; noch heute leben dort Wölfe und Bären, in Ostanatolien angeblich vereinzelt Leoparden. Wie wenige andere Regionen versorgte der Taurus die römischen Arenen mit Nachschub. Einblicke in die damalige Praxis gewährt Ciceros Korrespondenz, der sich als Statthalter Kilikiens um Leoparden bemüht ( 51/50 v.Chr.; fam. 2,11,2 ; 8,4,5 ; 8,6,5 ; 8,8,10; 8,9,3; cf. Plut. Cic. 36,6 ). Der Name bildet ein stimmiges Gegengewicht zum folgenden zweiten Lokal, dem ultimus Hammon | Afrorum ( 14f. ); auf eine wildreiche Wildnis der nördlichen Hemisphäre folgt eine der südlichen. Ähnlich ruft Medea die Ungeheuer Libyens und des Taurus herbei ( Sen. Med. 681-683 pestes vocat quascumque ferventis creat | harena Libyae quasque perpetuā nive | Taurus coercet frigore Arctoo rigens ; einen Katalog der Regionen, die Roms Amphitheater füllen, erstellt Claudian c. 17,291-310 ). Die Verben und die Ortsangaben ( je drei Wörter ) bilden einen Chiasmus : quaeritur in silvis Tauri fera, et ultimus Hammon Afrorum excutitur ( für ‚parallele‘ Ortspaare im BC cf. 239 ille tremor Ponti saevique repertor Hydaspis ; 241f. fracto gurgite Pontus | et … submissā Bosphoros undā ).

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Das ‚Wild‘ des Taurus bildet das erste Element des animalischen Trikolons fera – belua – tigris : (a) 14 quaeritur in silvis Tauri fera ; ( b) 14 -16 et ultimus Hammon eqs. ( mit negiertem Finalsatz ); (c) 16-18 fremens premit eqs. ( mit Finalsatz ). Die einzelnen Glieder wachsen nicht nur im Umfang ( 5, 12 bzw. 17 Wörter ) – auch die Bilder werden immer anschaulicher, sowohl was Fang und Transport der Tiere angeht ( quaeritur – excutitur – fremens premit eqs.: erst im letzten Element ‚sehen‘ wir das Tier ), als auch ihre Rolle in der Arena ( keine Auskunft – sie töten – sie trinken Menschenblut ). Tauri : Das auro der Hss. ( vielleicht unter dem Einfluss von BC 17 aurata aula ) fand seinen Weg in etliche Editionen ( u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; STUBBE ; MÜLLER 1 ). Doch im Kontext bleibt es blass, ob als abl. pretii ( e.g. GRIMAL : „à prix d’or“ ) oder als abl. causae ( HOLZBERG : „Für Gold sucht man … wilde Tiere“ ). Stimmiger klingt IUNIUS ’ circo ( „für die Arena“ ; so u.a. MÖßLER 1865, 10; WALSH : „for the Circus mob“; für vage Parallelen cf. Sen. dial. 10,13,6 in circo leones … dedit ; Plin. nat. 8,131 Domitium … ursos … in circo dedisse ; Suet. Nero 4,1 venationes … in circo … dedit ). Wiederholt brachte man die Mauren ins Spiel, als Genetiv Mauri ( ed. Torn.), oder Mauro bzw. Mauris ( beide PITHOU : Mauro als dat. auctoris, Mauris als Adjektiv zu silvis ; letztere Lesart verteidigt POLETTI 2017, 198-201 ) – was sich als ‚Dublette‘ mit dem folgenden ultimus Hammon Afrorum beisst. HEINSIUS schlug Euri vor, der Ostwind als Metonymie des Orients ( cf. Pomponius Mela 3,89; Lukan 8,812; Val. Flacc. 1,538 immenso … ab Euro, „vom unermesslichen Osten“ ; Sil. Ital. 15,80; Claudian c. 22,417 extremo … ab Euro, „vom fernsten Osten“ ), und BUSCHE 1911, 456f. Tauri – was bestens passt ( so MÜLLER ab ed.2 ; GIARDINA – MELLONI ). 14-15 et ultimus Hammon | Afrorum excutitur : „und fern im tiefsten Afrika wird Ammon leergefegt“. Gemeint ist der Fang afrikanischer Raubtiere für die Arena, ein Lieblingsmotiv römischer Mosaiken ( die ‚Große Jagd‘ von Piazza Armerina zeigt u.a. den Fang von Leoparden, Antilopen, Wildschweinen, Nashörnern und Tigern u.a. in Mauretanien und Numidien, aber auch den Transport der Tiere ). Nordafrika war der Hauptlieferant für Berberlöwen, Leoparden und Bären ( cf. Varro Atac. frg. 12 FLP feta feris Libye ; Hor. c. 1,22,15f. Iubae tellus …, leonum | arida nutrix ; Vitruv 8,3,24 Africa parens et nutrix ferarum bestiarum ; Mart. 1,104,5 Libyci … ursi ; Juv. 4,99f. ursos … Numidas ; s. auch Manil. 4,662-667 zu Afrikas Tierwelt : varias pestes diversa-

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que monstra ferarum … horrendos angues … et vastos elephantas habet sc. Libya, saevosque leones | in poenas fecunda suas parit horrida tellus eqs.). Hammon : In der Oase Siwa in der libyschen Wüste lag das berühmte und uralte, wahrscheinlich von Pharao Amasis im sechsten Jh. v.Chr. neuerbaute Heiligtum des Amun. Die einheimischen semitischen Stämme nannten ihn Baal Chammon, die Griechen, die ihn mit Zeus gleichsetzten, Ammon ( cf. Lukan 3,292 corniger Hammon ). Neben Delphi und Dodona war es das wohl bedeutendste Orakel der Antike ( cf. Cic. div. 1,3, und A.S. PEASE ad loc.; Diodor 17,50; Lukan 9,511-543; Curt. Ruf. 4,7,16-24 ; Arrian anab. 3,4 ). Perseus und Herakles hatten es befragt, in historischen Zeiten u.a. Kroisos ( Herodot 1,46,2f. ) und Hannibal ( Sil. Ital. 3,6-13. 647-712; Paus. 8,11,11 ). Alexander begrüßten die Priester als „Sohn des Zeus“ ( cf. A. BOSWORTH, Conquest and Empire, Cambridge 1988, 282f. ). In römischer Zeit verlor das Ammoneion seine herausragende religiöse Bedeutung ( lt. Strabo 17,1,43 war es im frühen Prinzipat „so gut wie verwaist“ ; unhistorisch ist Lukans Anekdote um Cato und das Orakel, 9,564-586 ); es blieb aber weiterhin – auch als Knotenpunkt für den Karawanenhandel zwischen Zentral- und Nordafrika – eine zentrale Wegmarke in den endlosen Weiten der Sahara ( cf. BONNET 2 1971, 23-25; H.W. PARKE, The Oracles of Zeus, Oxford 1967, 194-252 ; K.P. KUHLMANN, Das Ammoneion, Mainz 1988 ; TALBERT 73 C 4 ). Die verkürzte Bezeichnung des Heiligtums mit dem Namen seines Gottes war gängige Praxis (e.g. Sen. nat. 2,30,2; Lukan 4,673 a medio confinis Syrtibus Hammon, „zentral gelegen, an die Syrten grenzend, Hammon“; Curt. Ruf. 4,8,1 Alexander ab Hammone rediens ; anders e.g. Plin. nat. 5,31 Hammonis oraculum ). Lukan setzt Hammon als Nom. stets ans Versende ( 3,292; 4,673; 9,514 ; 9,518; 9,525; 9,572; 10,38) – wie hier. Der ultimus Hammon Afrorum ( „im tiefsten Herzen Afrikas“; cf. WALSH : „in darkest Africa, by Ammon’s shrine“; GRIMAL : „au bout du monde“ ) klingt nach dem altlibyschen Namen des Orts, „die fernste Oase“ ( „the oasis … at the farthest point“; K.P. KUHLMANN, Mitteilungen des DAI Abt. Kairo 57, 2001, 200); für vage Parallelen cf. Hor. c. 3,11,47 extremos Numidarum in agros ( lt. NISBET – RUDD ad loc. bedeute extremos „at the end of the earth“ ); Lukan 9,430 extremo … mensas … petimus ab orbe ; Plin. nat. 8,31 in extremis Africae, qua confinis Aethiopiae est ; Tac. hist. 5,2,1 novissima Libyae, „die äußersten Regionen Libyens“ ( Lukan 9,863878 klagen Catos Legionäre, sie seien im tiefsten Afrika verloren, am ‚Weltende‘ ).

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ultimus : Das Epitheton beschreibt gerne geographische Grenzräume; cf. Sat. frg. 31,3 M.4 == Anth. Lat. 469,3 R. == 467,3 Sh.B. ultimus Hister, und e.g. Cic. Verr. 2,5,157 ex ultima Syria atque Aegypto ; Catull 29,4 ultima Britannia ; Verg. georg. 1,30 ultima Thule ; Hor. c. 1,35,29f. ultimos | orbis Britannos ; 2,18,4 f. columnas ultimā recisas | Africā, „Säulen, herausgeschnitten im tiefsten Afrika“; Ov. met. 4,632 ( Atlas’ Reich ) ultima tellus ; trist. 1,1,127f. nobis habitabitur orbis | ultimus ; 3,4,52; Pont. 2,7,66 ultima me tellus, ultimus orbis habet ; Lukan 10,273f. per ultima terrae | Aethiopum entsendet Alexander eine Expedition zu den Nilquellen ; Plin. nat. 4,104 ultima omnium … Tyle ; vager Sat. 93,2,5f. ultimis ab oris | attractus scarus. excutitur : Excutere meint hier kaum „( eine Gegend gründlich ) erkunden, erforschen“ ( e.g. Ov. fast. 5,244 Tartareos excutiam … sinūs ; Plin. nat. 6,167 primus Trogodyticen excussit sc. Ptolemaeus ; Sil. Ital. 15,771 Pindi nemora excutiens ; so GUIDO 1976, 94 ad loc.), sondern vielmehr „( jdn. oder etw. seiner Ressourcen ) berauben“ ( cf. OLD s.v. 8c : „to empty (of wealth or other resources)“, und u.a. Cic. har. resp. 37 te iudices emiserunt excussum et exhaustum ; Persius 6,75f. (als Händler ) vende animam lucro, mercare atque excute sollers | omne latus mundi ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 267 quid excutis telluris extremae sinūs ? ). Eher lose verwandt ist Sat. 128,4 excussit … vestem, „sie schüttelte ihr Gewand aus“ ( s. auch 22,4 ; 60,3; 88,1; 98,6; 114,6; 128,6,5f., ferner Lukan 1,76f. tellus … excutiet … fretum, beim Weltenbrand „wird das Festland das Meer abschütteln“ wie ein Gewand; Stat. Theb. 1,377f. vasto metuenda umbone ferarum | excutiens stabula, „mit seinem mächtigen Schild scheucht Polyneikes die gefährlichen Unterschlupfe wilder Bestien auf “ ). 15-16 ne desit belua dente | ad mortes pretiosa : „damit das Untier nicht fehle, das dank seines Gebisses für das Blutbad unersetzliche“. Ähnlich nebulös beschreibt Claudian die für die Arena bestimmte Fauna ( c. 24,317-320 quodcumque tremendum | dentibus aut insigne iubis aut nobile cornu | aut rigidum saetis capitur, decus omne timorque | silvarum, „alles, was mit seinen Zähnen Furcht einflößt …“ ). Wegen des ( auch durch den Versschluss ) betonten, in dezenter Enallage „kostbaren“ Zahns (~ dente pretioso ) wurde die belua oft als E l e f a n t identifiziert ( e.g. EHLERS : „denn der Stoßzahn teurer Kolosse soll bei dem Mord nicht fehlen“ ; ALESSIO 1967, 273; GRIMAL ; SOUBIRAN 2007, 77; zum Elefant cf. KELLER 1, 372-383; TOYNBEE 1983, 24-47 ). Bei Konflikten im östlichen und südlichen Mittelmeerraum lernten die Römer schon früh Kriegselefanten kennen ( selbst im Bürgerkrieg kamen sie zum Einsatz, etwa 46 v.Chr. in Thapsos ; dazu passt die kuriose Kon-

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jektur von ALESSIO 1967, 273: ad Martem pretiosa, „al combattimento“ ). Bereits im 3. Jh. gelangten Elefanten nach Rom; zu Beginn des ersten Jh.s traten sie in der Arena auf. Bei den großen Spielen des Pompeius 55 v.Chr. wurde eine ganze Herde abgeschlachtet ( cf. Plin. nat. 8,21; Cassius Dio 39,38,2-5 ; das Mitleid der Zuschauer schildert Cic. fam. 7,1,3 ). Caesar ließ die Kolosse mit Soldaten kämpfen; später traten sie gegen Gladiatoren an ( Plin. nat. 8,22 ). Ein ‚Klassiker‘ war offenbar der Kampf Elefant – Stier ( Mart. spect. 22(19 ), und K. COLEMAN ad loc.). Und auch wenn Nachrichten über solche Kämpfe eher spärlich sind – wie viele Tiere in der Arena den Tod fanden, legt nicht zuletzt der Umstand nahe, dass die nordafrikanischen Bestände ( zumeist Waldelefanten aus dem Hinterland des heutigen Maghreb, dem ultimus Hammon Afrorum ) wohl noch zu römischer Zeit ausgerottet wurden. Ein kleiner Einwand bleibt. Römische Quellen erwähnen die mächtigen Stoßzähne der Tiere meist als Wertobjekt und Material für Götterbilder ( e.g. Plin. nat. 8,31 dentibus sc. elephantorum ingens pretium et deorum simulacris lautissima ex his materia ), jedoch nur selten als Waffe. Plinius nennt sie einmal arma ( nat. 8,7 ); cf. ferner Mart. spect. 22(19), 3 occubuit tandem cornuto dente petitus ( ein Stier im Kampf mit einem Elefanten; dente NISBET : abore vel adore codd.); Anth. Lat. 195,4 R. == 186,4 Sh.B. spondeat … saevis dentibus interitum ( „mag auch der Elefant mit wilden Zähnen den Tod versprechen“ ). Karthagos Kriegselefanten schildert Silius ( 9,581-590 stat niveis … vallum | dentibus eqs., bes. 584 f. per membra … exigit Ufentis sceleratum belua dentem ). Wahrscheinlicher ist eine R a u b k a t z e gemeint ( cf. u.a. BURMAN 718; MÖßLER 1865, 10; BALDWIN 1911, 122f. ), deren mächtiges Gebiss mit den prominenten Reißzähnen sie zur Attraktion jeder venatio machte ( cf. Claudian c. 24,317f. quodcumque tremendum | dentibus eqs., oben zit.; an das Adjektiv dentātus für Raubkatzen und andere Fleischfresser erinnert BALDWIN 1911, 123, e.g. CIL VIII 7969 venationem vari generis dentatarum ferarum ; Amm. Marc. 19,6,4 dentatae in caveis bestiae ; Thes. V 1, 548,30-44 ; OLD s.v. 1b ). Da der Tiger am Ende des Trikolons eigens genannt wird, geht es hier wohl um den Star der römischen Arena, den L ö w e n ( so u.a. STUBBE ad loc.; cf. e.g. Rhet. Her. 4,51 ex cavea leo emissus … volitabit et vagabitur in foro, acuens dentes in unius cuiusque fortunas eqs.; Ov. met. 4,112-114 divellite corpus | et scelerata fero consumite viscera morsu, … leones ! ), dessen zahllose Auftritte im Amphitheater Schrift- wie Bildzeugnisse sattsam dokumentieren ( cf. TOYNBEE 1983, 54-64 und Tafeln 16-18, und e.g. Sil. Ital. 10,241246 ). Noch um die Zeitenwende war er nicht nur in Vorderasien hei-

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misch, sondern v.a. in etlichen Regionen Nordafrikas. Dank der gnadenlosen Bejagung brachen die Bestände im Laufe der Kaiserzeit jedoch im gesamten Mittelmeerraum zusammen ( cf. S. 885f. ). Der markante Sg. dente kollidiert effektiv mit dem exzentrischen Plural mortes ( blasser das mortem der Hs. l ). Es handelt sich um einen abl. causae, und keinen abl. qual. ( so CASTORINA 1970, 215: „la belva dalla preziosa zanna mortale“ ) oder abl. instr. ( so GUIDO 1976, 21 ad loc.; e.g. Mart. spect. 21(18 ), 3 saeva sc. tigris ferum rabido laceravit dente leonem ). ad mortes : Die Junktur lässt sich passiv verstehen: „für das Sterben“, „um zu sterben“ ( cf. Sen. nat. 5,18,8 parum … ad mortes nostras terra late patet : ‚unserer Todessehnsucht zuliebe‘ führen wir selbst in Übersee Krieg ; Quint. decl. 326,5 nihil ad hominum mortes sc. pertinet haec lex, „mit dem Tod von Menschen hat dieses Gesetz nichts zu schaffen“; s. auch Sat. 94,13 eodem ferramento ad mortem viam quaero ; 130,1 numquam … ante hunc diem usque ad mortem deliqui ). Der Kontext erfordert aber eindeutig einen aktiven Sinn: „für das Morden“. STUBBE ad loc. paraphrasiert „ad necandos homines“ und zitiert Lukan 9,619f. Libycus … aer | fertilis in mortes ( „Libyens Klima, das den Tod in sich trägt“ ); s. auch 9,706f. inde petuntur | huc Libycae mortes ( „von dort importiert man libysche Tode“; gemeint sind Schlangengifte ). So ist wohl auch Senecas ambivalentes locatus ad mortem zu verstehen ( nat. 7,31,3, von einem Gladiator ): „gemietet zum Töten/Sterben“. 16-17 fremens premit advena classes | tigris : „knurrend beschwert der importierte Tiger die Flotte …“. Mit einem gefangenen Raubtier vergleicht Lukan den in Alexandria von ägyptischen Truppen eingeschlossenen Caesar : sic fremit in parvis fera nobilis abdita claustris | et frangit rabidos praemorso carcere dentes ( 10,445 f.; s. auch 4,237-242 zu blutdürstigen Bestien im Käfig ). Den letzten Platz im Trikolon nimmt das seltenste Tier ein. T i g e r waren im Mittelmeerraum nie heimisch. Man kannte sie aus Indien und Teilen Vorderasiens ( genauer : Armenien und Hyrkanien, südlich des Kaspischen Meers; zum Kaspischen Tiger cf. Sat. 134,12,7 Hyrcanae … tigres ), doch blieben sie stets ein exotischer Anblick ( Mart. spect. 21(18 ), 2 tigris, ab Hyrcano gloria rara iugo ). Nach Italien gelangten sie erstmals im frühen Prinzipat, als eine indische Gesandtschaft Kaiser Augustus einige Tiere überreichte ( 20/19 v.Chr.; cf. Suet. Aug. 43,4 ; Cassius Dio 54,9,8 ). Staunen erregten auch die vier Katzen, die Claudius präsentierte ( Plin. nat. 8,65; Domitian tat es ihm gleich: Mart. 8,26 ). In der Arena traten sie offenbar v.a. in Dressurakten auf ( cf. Manil. 5,707 tigrim rabie solvet pacique

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domabit ; Sen. ep. 85,41; Mart. 1,104,2f. ). Als Sensation vermeldet Martial einen Kampf zwischen Tiger und Löwen ( spect. 21(18 ),4 res nova, non ullis cognita temporibus ). Cf. KELLER 1, 61f.; A. STEIER, RE VI A 1, 1936, 946952; TOYNBEE 1983, 64-69. Die bildenden Künste liebten das Thema Tigerjagd, um die sich manche Mythe rankte ( Pomponius Mela 3,43; Plin. nat. 8,66 ; Val. Flacc. 1,489493; Sil. Ital. 12,458-462; TOYNBEE 1983, 66f. und Tafel 22-24 ). „Bedenkt man, in welch ausnehmend schwer zugänglichen Landstrichen der Tigerfang sich abspielte, sowie die immensen Entfernungen, die auf dem Transport zu überwinden waren, so begreift man wohl, daß Tiger zu allen Zeiten in den Ländern des Mittelmeerraumes ein vergleichsweise seltener Anblick gewesen sein müssen.“ ( TOYNBEE 1983, 64 ). Den immensen logistischen Aufwand von Jagd und Transport beschreibt hyperbolisch das fast paradoxe Bild von dem einen Tier, das ganze Flotten überfrachtet ( cf. BC 3 gravidis freta pulsa carinis ; classes ist nicht notwendig Synekdoche für navem, wie e.g. HOLZBERG annimmt : „lastet drückend auf dem Schiff “; zum Tiertransport s. auch Claudian c. 24,325f. ratibus pars ibat onustis | per freta ). Der Lärm steht markant am Anfang ( fremens ). Noch bevor man es sieht, hört man das rastlose Tier ( cf. 115,1 audimus murmur insolitum et … quasi cupientis exire beluae gemitum ). Seinen Auftritt untermalen Alliterationen und Assonanzen ( frem- prem- / -vena – vect- / advena – aerata – aula ); das gehäufte -r- imitiert sein Knurren ( fre- pre- tigr- aer- gra- -tur ). Auffällig ist nicht zuletzt die Juxtaposition von aktiver und passiver Bewegung ( gradiens vectatur, „wandernd wird er transportiert“; cf. OLD s.v. uecto 2: „( pass.) to be conveyed, ride, drive, travel ( on horseback, in a vehicle, in a ship, etc.)“, und Sat. 101,5 voluptatis causā huc atque illuc vectatur ). Zu gradi in Verbindung mit Tieren ( fast nur in Prosa ) cf. GUIDO 1976, 96 ad loc. fremens : Das onomatopoetische fremere ( „knurren, fauchen“ ) ist der typische Laut großer Feliden, v.a. der Löwen (e.g. Sen. dial. 3,1,6 leones fremunt ; Claudian rapt. 2,243 fremant inpune leones ; cf. Thes. VI 1, 1282,2-14 ). Für Tiger erscheint es hier zum ersten Mal, später bisweilen bei den Flaviern (cf. Val. Flacc. 2,260 fremunt … tigres ; Stat. Theb. 7,584 immane frementes ; cf. Thes. VI 1, 1282,14-18; ferner TH 24 f. fremit | captiva pubes intus ). Suetons Enzyklopädie der Tierlaute hatte Eumolp offenbar nicht zur Hand ( prat. 161 leonum est fremere vel rugire, tigridum rancare, pardorum felire, pantherarum caurire eqs.). Großer Popularität erfreut sich bis heute die statt fremens überlieferte fames ( sc. advena ; so u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; MÜLLER 1 ; DÍAZ Y DÍAZ ; GRIMAL : „la faim … venue de l’étranger“; POLETTI 2017,

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204 f. ): der „importierte Hunger“, der das Raubtier aus der Fremde quält. Die metonymische fames für ausgehungerte Tiere und andere Lebewesen findet sich meist in spätantiken Texten ( u.a. Claudian c. 20,377 f. Cyclopia … fames : Polyphem; Dracontius Orestes 856 inferna fames : Tantalus ; laud. Dei 1,282 Massyla fames : ein Löwe ). Als klassische Belege gelten Catull 47,2 scabies famesque mundi ( zwei Schmarotzer ; Text wie Sinn sind umstritten); Lukan 1,319 iussam servire famem ( vom leidenden römischen Volk ); Mart. 3,7,4 quid cogitatis, o fames amicorum ?, und v.a. Stat. Theb. 12,172 illa fames ( ein Tiger ); cf. Thes. VI 1, 233,64-78 ( an die personifizierte Fames im Klagelied eines Hunger leidenden Parasiten erinnert M. DEUFERT in epist.: Plaut. Stich. 155-170 Famem ego fuisse suspicor matrem mihi eqs.). Auf den ersten Blick scheint das ausgehungerte Raubtier, das bald in der Arena seinen Hunger stillen wird, gut zu passen. Doch warum wird es zuerst in dunkler Metonymie vorgestellt, nur um gleich im nächsten Atemzug als tigris identifiziert zu werden ? ( Noch unwahrscheinlicher wären gleich vier Tiere in dem Passus: 14 fera – 15 belua – 16 fames – 17 tigris.) Zudem beißt sich der ‚Hunger‘ mit dem BC 18 angedeuteten ‚Durst‘ des Tiers. Und wie verträgt sich die Metonymie stilistisch mit der Hyperbel von dem einen Tier, das ganze Flotten ‚versenkt‘ ( premit ) ? Vielleicht greift auch ein pragmatischer Einwand: lässt man die Großkatze hungern, damit sie in der Arena umso aggressiver agiert ( so CONNORS 1989, 55 ) ? Angesichts der ohnehin hohen Verluste beim Transport dieser heiklen Fracht ( cf. Apul. met. 4,14,2f. ) wäre jede Zwangsdiät fatal. Fames ist kaum zu halten. Kaum besser klingt ORELLIUS’ famē : „voll Hunger“ ( cf. Sat. 69,7 fame perire ; zum Ablativ „mit üblicher Konservierung der Länge aus der ē -Deklination“ ( NORDEN 4 1957, 243 ad Verg. Aen. 6,421) cf. u.a. Ov. met. 8,784 ; trist. 1,6,9; Thes. VI, 228,76-229,4 ). Hilfreicher erweist sich REISKEs furens ( cf. BC 55), v.a. aber BOUHIERs fremens, mit dem alle Teile des Puzzles an ihren Platz fallen ( so u.a. MÜLLER ab ed.2 ; GIARDINA – MELLONI ; laut POLETTI 2017, 205 klinge der Binnenreim fremens – gradiens „platt“ ). premit : Zu dem poetischen premere in nautischen Kontexten cf. TH 33 premunt classes mare ; frg. 43,13 M.4 premit eversam periturus navita puppem, und u.a. Verg. georg. 1,303 pressae … portum tetigēre carinae ; Tib. 1,3,40 presserat … navita merce ratem ; Prop. 4,1,116 natat exuviis Graecia pressa suis ( die beutebeladene griechische Flotte ); Sen. ep. 76,13 fiscis atque opibus regiis pressa est sc. navis ; Lukan 5,585 Caesare pressam sc. puppem ; Val. Flacc. 1,203 pressam regibus alnum ; Tac. hist. 3,77,2 nimio ruentium onere pressas sc.

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naves mare hausit ; OLD s.v. 13: „to press from above, press on ( as with a load ), weigh down, burden“. Inspiriert hat Petron vermutlich eine parallele Wendung Lukans ( 1,42 f., mit der gleichen Verschränkung ): quas premit aspera classes | Leucas ( „die Flotten, denen das raue Actium zusetzte“ ). Ein zweiter Einfluss war das fast identische Versende Verg. Aen. 7,38f. advena classem | cum primum Ausoniis exercitus appulit oris, „als zuerst der ankommende Verband seine Flotte zu Ausoniens Küsten lenkte“ ( zu advena mit dem Unterton „Eindringling, Aggressor“ cf. N. HORSFALL ad loc.). 17 et auratā gradiens vectatur in aulā : „… und wird transportiert, während er den vergoldeten Käfig durchwandert“. Käfige dienten dem Fang wie dem Transport von Großkatzen ( e.g. Curt. Ruf. 5,1,21 leones … et pardales caveis praeferebantur ; s. auch Claudian c. 24,317-332 ; TOYNBEE 1983, 18 f. ). Bei der Überfahrt standen sie meist an Deck; nach der Ankunft in Rom warteten sie in den Schiffswerften unweit der Tiberinsel auf den Weitertransport ( Plin. nat. 36,40 ). Im Alltag der Tiertransporte zwischen Schiffsdeck und Docks hätte man „vergoldete Käfige“ vergebens gesucht ( cf. Claudian c. 24,322-325 clausa feruntur | ilignis domibus. fabri nec tigna polire | sufficiunt ; rudibus fagis texuntur et ornis | frondentes caveae, „eingesperrt in hölzernen Behausungen transportiert man sie; die Zimmerleute reichen nicht aus, die Bohlen zu glätten; aus roher Buche und Eiche werden die belaubten Käfige gezimmert“; für Käfige aus Eisen cf. Liv. 41,27,6 caveas ferreas, per quas bestiae intromitterentur ). Das Verladen der Tiere in hölzernen Kisten zeigt auch das Mosaik der ‚Großen Jagd‘ von Piazza Armerina. Das scheint für BROUKHUSIUS’ aeratā zu sprechen ( so u.a. MÖßLER 1865, 12; MÜLLER ab ed.2 (ed.1 empfohlen ); ALESSIO 1967, 273; GIARDINA – MELLONI ). Gleichwohl fand das überlieferte auratā bis heute zurecht etliche Anhänger ( u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; STUBBE ; DÍAZ Y DÍAZ ; POLETTI 2017, 206 ). Die Luxusvoliere von Atedius Meliors Papagei zierten silberne Gitterstäbe ( Stat. silv. 2,4,12 virgarum argenteus ordo ); ein Kaiser Nero fischte mit güldenem Netz ( Suet. Nero 30,3 piscatus est rete aurato ); im goldenen Käfig sitzt Trimalchios Elster ( Sat. 28,9 cavea … aurea ). Als solche exzentrische Übertreibung – verstärkt von der nicht minder exotischen ( von der Alliteration untermalten ) aula – ist auch die Stelle hier zu verstehen: als kostbarste Fracht überhaupt reist der Tiger gleichsam ‚erster Klasse‘. – S. auch den gleichen Versauftakt Stat. Theb. 9,685f. equus, quem discolor ambit | tigris et auratis adverberat unguibus armos ( ein Tigerfell; zitiert POLETTI 2017, 206 ).

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aula : Etablierte Begriffe für „Käfig“ sind carcer ( e.g. Lukan 4,237f. in carcere clauso … ferae ; Stat. silv. 2,4,15; OLD s.v. 2 c ), claustra ( e.g. Liv. 36,7,13 refringere claustra cupienti sc. bestiae; Stat. silv. 2,5,4 f. in claustra reverti | suetus sc. leo ; OLD s.v. claustrum 2 a ) und v.a. c a v e a ( e.g. Rhet. Her. 4,51 ex cavea leo emissus ; Hor. ars 472 f. ursus, | obiectos caveae valuit si frangere clatros ; Sen. dial. 9,3,2 ut leonum … impetus caveis coercetur ; Plin. nat. 36,40 ; Apul. met. 4,15,3; Amm. Marc. 19,6,4 ; OLD s.v. 1ab ). Dem höchst gesuchten Ausdruck hier bereitet aula in der seltenen Bedeutung „Gehege, Stall, Hof “ den Weg ( cf. Thes. II, 1455,61-71; OLD s.v. 1: „the yard or enclosure attached to a house“ ), die auf griechische Wurzeln zurückgeht ( αὐλή ; cf. Servius Aen. 9,59 Graeci αὐλάς vocant animalium receptacula, und e.g. Ilias 5,138, und G.S. KIRK ad loc.: „a courtyard or open space“; Od. 14,5, und A. HOEKSTRA ad loc.). Belege aus klassischer Zeit sind rar ; cf. Prop. 3,13,39f. vacuam pastoris in aulam | dux aries … reduxit oves ( „Schafhürde, Pferch“ lt. P. FEDELI ad loc., „Innenhof“ lt. L. RICHARDSON ad loc.); Hor. ep. 1,2,66 cervinam pellem latravit in aula sc. canis ( cf. KIESSLING – HEINZE ad loc.: „der Hof für das Vieh, wo der Hundezwinger sich befindet“ ); Grattius cyn. 167. Das kretische Labyrinth nennt Seneca aula ( Phaed. 174 ), Silius eine Schlangenhöhle ( 6,216 feralem … aulam ). Die Stelle hier ist der einzige Beleg für aula im engeren Sinn als „Käfig“ ( das OLD s.v. 3c ad loc. nennt die Verwendung hier ‚scherzhaft‘; tacet Thes.; s. auch CAVALCA 2001, 35 ). 18 ut bibat humanum populo plaudente cruorem : „damit er vor tobender Menge Menschenblut trinkt“. Wessen Blut hier fließt, bleibt offen. Bei den venationes kamen professionelle Tierkämpfer zum Einsatz ( bestiarii oder venatores ), aber auch ad bestias Verurteilte, die den Tieren bisweilen wehrlos ausgeliefert waren ( cf. Sat. 45,8 Glyco … dispensatorem ad bestias dedit ; 66,6 ursus homuncionem comest ; an die damnatio ad bestias dachte bereits G. HERMANN ap. MÖßLER 1865, 10 ). Entsprechend mussten dressierte Raubkatzen „verlernen, Menschen zu morden“ ( Stat. silv. 2,5,2 humanas … dediscere caedes ). Ein Besuch Senecas im mittäglichen Amphitheater illustriert das hier Angedeutete ( ep. 7,3-5 ): casu in meridianum spectaculum incidi, lusūs expectans et sales et aliquid laxamenti, quo hominum oculi ab humano cruore adquiescant. contra est : quidquid ante pugnatum est, misericordia fuit ; nunc … mera homicidia sunt. … mane leonibus et ursis homines, meridie spectatoribus suis obiciuntur eqs. ( cf. 90,45: Zeichen unserer Dekadenz ist es, ut homo hominem … tantum spectaturus occīderet, „… einzig aus Sensationsgier“; 95,33 homo … per lusum ac iocum occīditur ; dial. 10,13,6f. ). Die Reaktion seines Freundes auf die Arena schil-

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dert Augustin ( conf. 6,7,11-6,8,13, bes. 6,8,13 ut … vidit illum sanguinem, inmanitatem simul ebibit et … hauriebat furias et … delectabatur scelere certaminis et cruentā voluptate inebriabatur eqs.). S. auch Sat. 45,6 carnarium in medio, ut amphitheater videat ; Val. Max. 2,9,3 meretricis oculos humano sanguine delectatos ( bei einer Hinrichtung ); Tert. spect. 19; Quintus Smyrnaeus 6,531-536; Prud. ham. 371-374 sanguinis humani spectacula publicus edit | consensus legesque iubent venale parari | supplicium, quo membra hominis discerpta cruentis | morsibus oblectent hilaram de funere plebem ; c. Symm. 1,379-385; 2,1091-1101. Zur Faszination der Arena cf. G.G. FAGAN, The Lure of the Arena. Social Psychology and the Crowd at the Roman Games, Cambridge 2011. Die Begriffe humanum und populo stehen fast synonym ( cf. BALDWIN : „that for man’s sport man’s blood may drench his jaws“ ), und offenbaren zwischen den Zeilen die Blindheit der Römer für ihre prekäre Lage: das Volk, das dank des Hyperbatons (humanum … cruorem ) gleichsam begeistert im vergossenen Blut badet, wird dadurch nicht nur ‚befleckt‘, und somit schuldig ( so der implizite Kommentar ; cf. 64 Iulius ingratam perfudit sanguine Romam, und S. 982 ) – bald wird es selbst der ‚Bestie‘ Bürgerkrieg zum Opfer fallen ( zum ‚Blutdurst‘ des Hades cf. 96 iam pridem nullo perfundimus ora cruore, und S. 1045-47 ). bibat … cruorem : Bibere sanguinem bzw. cruorem wird in der Regel metaphorisch verwendet, von Gewässern ( e.g. Stat. Theb. 9,395 nostrum bibit unda cruorem ), vom Erdreich ( e.g. Sil. Ital. 17,412 gentilem … bibit tellus invita cruorem ), von Altären und Gräbern ( e.g. Sen. Ag. 700 bibēre tumuli sanguinem atque arae meum ; Tro. 1164 totum sanguinem tumulus bibit ; Herc. fur. 483 f. foci | bibēre … sanguinem Busiridis ), prägnant auch von Waffen ( e.g. Verg. Aen. 11,803 f. hasta … alte bibit acta cruorem ; Sil. Ital. 15,629 tela bibunt … cruorem ; in allen Zitaten beendet cruorem wie hier den Hexameter ). Zwischen Metapher und Wirklichkeit oszilliert die Wendung bei animalischen M e n s c h e n ( e.g. Cic. Phil. 11,10 cuius sanguinem non bibere censetis sc. Antonium ? ; Sen. contr. 9,6,18 non bibam sanguinem istius ? ; Sen. clem. 1,12,2 avide humanum sanguinem bibit sc. Sulla ; Suet. Tib. 59,1 bibit hunc sc. cruorem avide ) und dämonischen Wesen ( Claudian c. 3,77f. quaesitum cognatā caede cruorem … bibit sc. Megaera ). Realität wird sie – wie hier – bei T i e r e n ( cf. Phaedrus 5,3,9, zu einer Mücke : delectaris bibere humanum sanguinem ). Zum Blutdurst des Löwen cf. Verg. Aen. 10,727f. lavit improba taeter | ora cruor ; Stat. Theb. 2,676f. sanguine multo | luxuriata fames ( sein „mit reichlich Blut sattsam gestillter Hunger“ ); zum Tiger cf. Lukan 1,327-329 ferae tigres numquam posuēre furorem, | quas … altus caesorum pavit cruor armentorum ( s. auch Ov. met. 15,87 dapibus cum sanguine gaudent, Raub-

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tiere „erfreuen sich am blutigen Mahl“ ). Die gehäuften u- Laute lassen uns das Schlürfen der Raubkatze hören. populo plaudente : Der abl. abs. geht wohl auf Ovid zurück ( am. 3,13,13, bei einer Opferfeier : ducuntur niveae populo plaudente iuvencae ; Ibis 165 carnificisque manu populo plaudente trahēris ; beide Male in gleicher metrischer Position). S. auch Sat. 25,3 plaudentibus ergo universis ; Cic. Tusc. 5,73 me … plaudente ; fam. 7,33,1 te plaudente ; Q.fr. 1,2,6 plaudente totā provinciā ; 2,4,1 dis hominibusque plaudentibus ; Lukan 7,18 plaudente senatu ; Persius 4,31 pueris plaudentibus ollam ; Stat. silv. 1,2,252 Coo plaudente ; Carm. Lat. Epigr. 2099,12 plaudentis populi gaudia. 19 – 27 Entmannte Knaben Als Erbe der persischen Großkönige ( cf. ad 20 Persarum ritu ) zählten Eunuchen ( lat. spado, castratus, eunuchus, semimas ) seit den Tagen Alexanders zur Dienerschaft hellenistischer Monarchen. Wie vertraut der Anblick solcher Luxussklaven im vornehmen griechischen Haushalt schon bald war, lässt Menanders Εὐνοῦχος ahnen ( die verlorene Vorlage von Terenz’ Eunuchus ). In Rom sah man sie erst im frühen Prinzipat im Gefolge wohlhabender Städter ( was die Kritik hier leicht anachronistisch wirken lässt ). Zu Maecenas’ Personal zählten spadones duo, magis tamen viri quam ipse ( Sen. ep. 114,6 ); Trimalchio folgt seinem Beispiel ( Sat. 27,3 ). Spätestens unter Tiberius gelangten Eunuchen auch an den Kaiserhof ( cf. Tac. ann. 4,10,2 ). Im Laufe des Prinzipats wurden Kastraten im Umfeld hochrangiger Römer zur Selbstverständlichkeit ( e.g. Suet. Tit. 7,1: Titus umgaben exoletorum et spadonum greges ; Amm. Marc. 14,6,17 mutilorum hominum agmina … multitudo spadonum a senibus in pueros desinens eqs., „… in allen Altersklassen“ ). Dass sie auch in bodenständigeren Milieus auftauchen, belegt neben den zahlreichen Erwähnungen Martials ( u.a. 2,54 ; 3,58,32; 3,81; 3,82,15-17; 10,52; 11,81 ) auch Sat. 23,2-24,4 ( zu den kastrierten Priestern Kybeles, den Galli, cf. Bd. I, S. 448f. ). Bösen Zungen zufolge schätzten römische Ehefrauen den Umstand, dass Sklaven, die nach der Pubertät kastriert wurden, nicht selten noch verkehrstüchtig waren, jedoch nicht länger zeugungsfähig ( cf. u.a. Mart. 6,2,6 o mores ! et spado moechus erat ; 6,39,20f.; 6,67 cur tantum eunuchos habeat tua Caelia quaeris, | Pannyche ? vult futui Caelia nec parere ; 10,91; Juv. 6,366378 sunt quas eunuchi inbelles ac mollia semper | oscula delectent et desperatio barbae | et quod abortivo non est opus eqs., und E. COURTNEY ad loc. ; Firm. Mat. math. 6,31,23; Hier. adv. Iovin. 1,47 in longam securamque libidinem exectus

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spado ; Isidor etym. 10,93; cf. HOPFNER 1938, 393-397; GUYOT 1980, 6366 ). Anders lag der Fall, wurde die Kastration im Kindes- oder Jugendalter durchgeführt. Dann diente sie dazu, „die Geschlechtsreife und die sekundären Geschlechtsmerkmale hintanzuhalten, die in ihrer vollen Entwicklung den Mann charakterisieren, während ihre Unterdrückung den Knaben nicht nur körperlich, sondern auch seelisch dem Mädchen annähert“ ( HOPFNER 1938, 382 f. ). Stimmbruch und Körperbehaarung blieben aus, die ganze Erscheinung wirkte feminin. Weit über die Pubertät hinaus bewahrten die Betroffenen ihr jugendliches Äußeres ( cf. Quint. inst. 5,12, 17f. mancipiorum negotiatores formae puerorum virilitate excisā lenocinantur eqs., „mit der Kastration steigern die Sklavenhändler die Attraktivität der Knaben“ ). Auch mancher Kaiser hatte ein Faible für derlei Kost ( cf. Suet. Nero 28,1 puerum Sporum exectis testibus etiam in muliebrem naturam transfigurare conatus … pro uxore habuit sc. Nero; zu Domitian s. unten ). Vor diesem Hintergrund wird wiederholt Kritik an der Kastration laut, die in ‚widernatürlicher Weise‘ die Jugend verlängere und „diese anmutigen und ansehnlichen Verstümmelten“ niemals erwachsen werden lasse, damit sie umso länger der Lust ihrer Herren dienten ( Sen. contr. 10,4,17 castratorum greges habent sc. principes viri, exoletos suos, ut ad longiorem patientiam inpudicitiae idonei sint, amputant, et, quia ipsos pudet viros esse, id agunt, ut quam paucissimi sint. his nemo succurrit delicatis et formosis debilibus ; s. auch Sen. dial. 3,21,3 libido … puerorum greges castrat ; nat. 7,31,3; ferner S. 910f. ). Kaiser Domitian verbot die Kastration per Edikt ( 82/83 n.Chr.; sein junger Geliebter Earinus war kastriert ; cf. Mart. 6,2, und F. GREWING ad loc.; 9,7(8 ),7 f. teneris nuper succurrit ephebis, | ne faceret steriles saeva libido viros ; Stat. silv. 3,4,65-77 ; 4,3,13-15 fortem vetat interire sexum | et censor prohibet mares adultos | pulchrae supplicium timere formae ; Suet. Dom. 7,1 ; Cassius Dio 67,2,3; Amm. Marc. 18,4,5 ). Wie wenig das Verbot fruchtete, belegen etliche spätere Erneuerungen ( cf. HOPFNER 1938, 433f. ). LIT. E. MAASS, Eunuchos und Verwandtes : RhM N.F. 74, 1925, 432476; A.D. NOCK, Eunuchs in Ancient Religion ( 1925 ), in: ders., Essays on Religion and the Ancient World, Oxford 1972, 7-15 ; HOPFNER 1938, 382-434 ; G.M. SANDERS, RAC 8, 1972, 984-1034 ; GUYOT 1980, bes. 5966 ; P. GUYOT, DNP 4, 1998, 256-258; R. MUTH, RAC 20, 2004, 285342.

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19 heu, pudet effari : „Ach, man schämt sich, es auszusprechen“. Das heikle neue Stichwort ‚Kastration‘ beginnt mit einem der seltenen Kommentare des Erzählers. Als Ausdruck der Verlegenheit variiert pudet effari das bekannte pudet dicere ( e.g. Plaut. Bacch. 1155a pudet dicere me tibi quiddam ; Cas. 897 ; Ter. Haut. 1041f. pudet | dicere hac praesente verbum turpe ; Cic. Quinct. 79 ; Sall. hist. frg. 1,58 Maur. tanta flagitia in tali viro pudet dicere ; Sen. ep. 97,1 pudet dicere, numquam apertius … peccatum est ; cf. Ov. rem. 407 et pudet, et dicam ). Als ‚terminus technicus‘ der Auguralsprache ( cf. OLD s.v. 2 ) hat effari bisweilen einen fast prophetischen Unterton ( e.g. Cic. rep. 5,1 versum … tamquam ex oraculo quodam mihi esse effatus videtur sc. Ennius ; Verg. Aen. 6,262 tantum effata furens sc. Sibylla ; Apul. mund. praef. 288 prophetae … effantur ceteris, quae divino beneficio soli vident ), den prodere aufgreift. Als gängige Interjektion des Kummers und Schmerzes ist heu Teil der Umgangssprache ( cf. 42,4 heu, eheu ; 44,12 heu, heu, quotidie peius ; 64,3 ), seit Ennius ( ann. 126 Sk. u.ö.) aber auch der hohen Dichtung. Cf. HOFMANN 14 und Nachträge 187. 19 perituraque prodere fata : „… und zu enthüllen zum Untergang führendes Verhängnis“ ( HOLZBERG ). Fata prodere erscheint noch Val. Flacc. 4,479-481 fata loquax mentemque Iovis … prodideram ; Justin epit. 3,4,15 civium fata prodere, „das Schicksal der Mitbürger verraten“ ( i.e. die Mitbürger selbst; Thes. VI 1, 365,14 ); zu peritura fata cf. Ps.-Quint. decl. 8,1 nec persuaderi miserae potest perituro laborasse fato, „und die Arme ließ sich nicht überzeugen, ihr Sohn habe an einer unheilbaren Krankheit gelitten“ ( zum unsicheren Text der Passage cf. L. HÅKANSON ad loc.). Die singuläre Junktur peritura fata prodere ( e.g. GRIMAL : „et de faire connaître des destins de mort“; ARAGOSTI : „rivelare i venturi fati di rovina“; cf. Thes. VI 1, 362,51f.) verleiht Eumolps Offenbarung „un sapore oracolare“ ( POLETTI 2017, 208 ). Die Wendung könnte sich als abstractum pro concreto auf das Schicksal Roms beziehen ( peritura fata sc. Romae; cf. Thes. VI 1, 358,70 ad loc.). ZEITLIN 1971, 74 zitiert TH 53 peritura Troia ( zu Petrons Vorliebe für das ominöse PFA cf. BC 83 perituram … molem, und B. II, S. 693 ); s. auch Jugurthas berühmtes Diktum zu Rom, Sall. Iug. 35,10 urbem venalem et mature perituram ; Verg. georg. 2,498 res Romanae perituraque regna ( die regna werden oft als regna externa gedeutet, genauer : als die östlichen Königtümer an der Seite Mark Antons im Bürgerkrieg ; cf. M. ERREN ad loc.; doch „it may be the supremacy of Rome itself that is at risk to perish“; so R. MYNORS ad loc.). Denkbar wäre eine Enallage: fata periturae Romae vel

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sim. ( cf. Thes. X 1, 1334,42f. ad loc.; BALDWIN 1911, 124 : „Peritura is transferred from the doomed Romans to the Fates that have doomed them.“; s. auch Ps.-Quint. decl. 4,16 periturorum fata populorum ). Eine ferne Parallele wäre Amphiaraus’ Prophezeiung des bevorstehenden Bruderkriegs um Theben ( Stat. Theb. 3,626f. vobis ventura … pandere maestus eo ). Doch eine solche Botschaft müsste früher im Text erscheinen ( z.B. bei BC 3 oder nach BC 12; eine Entsprechung hätte sie BC 6 in fatisque in tristia bella paratis ; s. S. 872 ). Eher stimmt die Wendung ominös raunend und etwas ungelenk auf das Thema des Abschnitts ein: „die dem Untergang geweihten Einzel schicksale“ der castrati ( cf. ANTON 368: „quae … quibusdam horrenda et nefanda acciderant“; SULLIVAN 1965 : „to reveal those doomed lives“ ), samt den gesellschaftlichen Folgen ( cf. CONNORS 1989, 55: „sacrificing future offspring for present indulgence destroys a society“; G. VANNINI in epist.: „il destino di Roma dipende da quello dei suoi viri, che per mera lussuria vengono resi incapaci di procreare“ ). Die merkwürdige Wendung lud wiederholt zu Konjekturen ein. BURMAN erwog facta – was die Aussage eher abschwächt, MÜLLER 4 perversaque … facta, „widernatürliche Übergriffe“ ( als Adverb e.g. Cato orat. frg. 221 Malc.2 si quid perverse taetreque factum est a muliere ; Fronto princ. 14 == p. 211,3 v.d.H. graviora … perverse facta ). Doch diese platte Botschaft beißt sich mit dem alexandrinischen Duktus der Passage ( samt figura etymologica: -fari – fata, und markanter Alliteration: pu- per- pro- Per- pu-). Aber auch SHACKLETON BAILEYs praefandaque … facta überzeugen nicht ( 1987, 463, mit BURMANs facta : „Taten, die Nachsicht erfordern“; cf. OLD s.v. praefor 1d, zum Gerundiv : „requiring apology or indulgence“; belegt nur in Prosa : Plin. nat. 7,171; Quint. inst. 8,3,45 ). Denn wer oder was sollte hier Nachsicht üben ? Klänge perditura facta überzeugender : „Taten, die den Untergang heraufbeschwören“ ? 20 Persarum ritu : „Nach Persersitte …“. Griechische Quellen beschreiben die Kastration als orientalischen Brauch, der insbesondere im persischen Reich verbreitet war ( auf die Assyrer oder Parther führt ihn Claudian zurück, c. 18,339-345; ähnlich Amm. Marc. 14,6,17 ). Seit etwa dem 6. Jh. v.Chr. wurden dort u.a. Kriegsgefangene und als Tribut gelieferte Knaben ‚verschnitten‘. Für Nachschub sorgten offenbar auch Raubzüge und Entführungen; parallel entwickelte sich ein schwunghafter Handel mit jungen Kastraten. Eunuchen dienten in persischen Fürstenhäusern und beim ‚König der Könige‘ ( Heliodor 8,17,4 ). Im politischen Alltag des Hofs spielten sie eine eminente Rolle und folgten den Königen sogar ins Feld ( Herodot 7,187,1 ; Curt. Ruf.

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3,3,23 ). Selbstredend waren auch sexuelle Motive im Spiel ( cf. u.a. Dio Chrysost. orat. 21,4 ). Dareios’ Lustknabe Bagoas eroberte angeblich das Herz Alexanders ( Curt. Ruf. 6,5,23 specie singulari spado atque in ipso flore pueritiae, cui et Dareus adsuetus fuerat et mox Alexander adsuevit ). Cf. HOPFNER 1938, 409-411. – Die Junktur Persarum ritu scheint singulär ( GUIDO 1976, 98 ad loc. vergleicht Verg. Aen. 7,741 Teutonico ritu, ebenfalls Versbeginn ). 20-21 male pubescentibus annis | surripuere viros : „… entrissen sie kaum mannbaren Jahren die Mannheit“. Die Kastration wurde in der Regel chirurgisch durchgeführt ( cf. HOPFNER 1938, 383-389 ). Das von Columella für Kälber Geschilderte lässt sich übertragen ( 6,26 ): castrare vitulos Mago censet, dum adhuc teneri sunt, neque id ferro facere, sed fissā ferulā ( „mit einer gespaltenen Gerte“ ) conprimere testiculos et paulatim confringere, idque optimum genus castrationum putat, quod adhibetur aetati tenerae sine vulnere. … hoc modo nec eruptione sanguinis periclitatur iuvencus nec in totum effeminatur ademptā omni virilitate formamque servat maris, cum generandi vim deposuit eqs. ( s. auch Stat. silv. 3,4,68-71, und F. VOLLMER ad loc.; Claudian c. 18,44-53 ). Die Maßnahmen beschränkten sich zumeist auf die Hoden, die unbrauchbar gemacht oder entfernt wurden; bisweilen wurde auch der Penis amputiert. Die Beschreibung hier klingt nach der gängigsten Variante jener Operation, der „Ausschneidung“ der Hoden ( ἐκτομή ~ BC 21 exsecta viscera ferro ). Nicht ohne Witz verknüpft die Wendung ein ‚abstractum pro concreto‘ ( male pubescentibus annis ~ pueris ; cf. TH 9 irata virtus ~ „die zornigen Männer“ ) mit einem ‚concretum pro abstracto‘ ( viros ~ virilitatem ; cf. DE SALAS 233: „Viros : Genitalia“; HOUSMAN 1972, 1178; ADAMS 70; HSZ 751; OLD s.v. uir 1e ): „entrissen sie den zarten Jahren die Männer“, d.h. „betrogen sie Knaben um ihre prospektive Männlichkeit“. ( Hier zeigt sich die ‚rhetorische und metaphorische Hypertrophie‘ am klarsten, die POLETTI 2017, 214 dem Passus BC 19-24 bescheinigt.) Ohne Umschweife benannt wird der Eingriff e.g. Ov. am. 2,3,3 pueris genitalia membra recidit ; Sen. dial. 1,3,13 exoletus … exsectae virilitatis ; Colum. 6,26,3 ademptā omni virilitate ; Mart. 9,5(6 ),4 f. puer … sectus … virilitatis damna maeret ereptae ; Apul. met. 7,23,2 exsectis genitalibus ( diskreter e.g. Sen. ep. 66,53 aliquis in mulierculam ex viro versus ; Anth. Lat. 108,1f. R. == 97,1f. Sh.B. quem natura marem dederat, fit femina ferro ; | nam teneri pubes viribus exuitur, „… denn die Scham des Zarten wird ihrer Kraft beraubt“ ). Im Präfix von surripere, „widerrechtlich“ bzw. „heimlich wegnehmen, stehlen“, dürfte hier die lokale Komponente mitschwingen: ‚von unten‘.

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male pubescentibus annis : „boys who had hardly ( male ) reached puberty“ ( SCHMELING – SETAIOLI ad loc.); cf. Stat. Theb. 1,21 vix pubescentibus annis ( „an der Schwelle zur Pubertät“ ); Sil. Ital. 16,678 puer vix pubescente iuventā. Zu anni in der Bedeutung „Jugend“ cf. e.g. Sen. Phaed. 231 ( Hippolytus ) annos caelibi vitae dicat ; Lukan 8,496; 9,1087 parcimus annis ; OLD s.v. 6 c. In der Regel tritt jedoch ein klärendes Adjektiv hinzu, e.g. crescentes anni ( Ov. met. 10,24 ); iuvenes anni ( ebd. 7,295 ); iuvenales anni ( Stat. Theb. 1,486 ); pubescentes anni ( ebd. 9,765; Ausonius Parent. 23,7 ); anni tumentes ( Stat. Ach. 1,292 ). – Male wird hier fast zur euphemistisch gemilderten Negation ( cf. 86,4, und Bd. I, S. 110 ad loc.; BC 30 male nobile lignum, und S. 924 ). viros : Die markante Verwendung von vir als virilitas, „Manneskraft, Männlichkeit“, stammt wohl aus Catulls Schilderung von Attis’ Selbstentmannung ( 63,5 f. devulsit ili acuto sibi pondera silice. … relicta sensit sibi membra sine viro ). In späteren Attistexten kehrt sie wieder ( Ov. fast. 4,237-242 saxo corpus laniavit acuto … onus inguinis aufert, | nullaque sunt subito signa relicta viri ; Arnobius 1,41 Attin … abscisum et spoliatum viro ; 5,13 ut ille se viro … privaret ; 5,39 sibi Attis virum demessis genitalibus abstulit ; Aegritudo Perdicae 30 desertus … viro ), aber auch in anderen verwandten Kontexten ( u.a. Manil. 5,151: für effeminierte Männer ist es typisch, odisse virum, „ihre Männlichkeit zu verfluchen“; Sen. Phaed. 925 scelere tanto placuit ordiri virum ?, und COFFEY – MAYER ad loc.; Lukan 10,133f. infelix ferro mollita iuventus | atque exsecta virum, zu Kleopatras Gesinde zählen junge, „ihrer Männlichkeit beraubte“ Kastraten ( lt. COURTNEY 2001, 186 vielleicht das Vorbild von BC 21 ); Juv. 9,85 argumenta viri, „Beweise der Männlichkeit“, und E. COURTNEY ad loc.; Luxorius, Anth. Lat. 295,1 R. == 290,1 Sh.B. execti species viri ; s. auch Ov. ars 1,689f. Achilles | veste virum longā dissimulatus erat. Nicht wenige Exegeten verstehen die viros wörtlich: „Nach dem Brauche der Perser entführten sie M ä n n e r , wenn knapp deren Jahre reiften“ ( STEINMANN ; cf. u.a. STUBBE ; GRIMAL ; HOLZBERG ). In diesem Fall wird die zweite Satzhälfte ( 21f. exsectaque viscera ferro eqs.) zu einer neuen Information und nicht zum Hendiadyoin, das denselben Sachverhalt leicht variiert beschreibt ( unterstrichen von dem Binnenreim surripuēre und fregēre ). Doch wie vertragen sich die gestandenen viri mit den male pubescentibus annis ( Dativobjekt, kaum abl. temp. bzw. temporaler abl. abs.) ? Für seine Konjektur virum desectaque hat SHACKLETON BAILEY ( 1987, 463 ) ein starkes Argument : der Plural viros für virilitatem sei ohne Parallele ( zu dem Verb, das die Synalöphe vermeidet, zitiert er App. Verg. Aetna 268 desecto … campo, von einem Feld ‚nach der Mahd‘ ; Apul. met. 1,13,2 virilia desecamus ). Tatsächlich steht vir in dieser Verwendung stets im Sin-

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gular ( bei den Attiszitaten aus gutem Grund, da es allein um Attis geht ). Gleichwohl ist die Überlieferung zu halten: der Plural korrespondiert mit den parallelen annis ; zudem schwingt in dem Plural eine kleine Pointe mit, die erst das Versende offenbart ( cf. das Lemma zu 21 viscera ). 21-22 exsectaque viscera ferro | in venerem fregēre : „und brachen die mit dem Skalpell herausgeschnittenen Weichteile fürs eigene Vergnügen.“ Die eher metaphorische Information 20f. ( male pubescentibus annis | surripuere viros ) wird auf medizinischer Ebene präzisiert und um den Zweck jener Aktion erweitert ( in venerem ; zu dem emaskulierenden Werkzeug cf. Sat. 132,8,3 ferrum timui ; Anth. Lat. 108,1 R. == 97,1 Sh.B. quem natura marem dederat, fit femina ferro ). Die Wendung weist eine leichte Unschärfe auf. Trotz des PPP geschehen beide Handlungen gleichzeitig – wobei sich exsecta wie fregēre auf viscera beziehen. Mehr : beide Verben beschreiben einund dasselbe, das ‚Herausschneiden‘ bzw. ‚Brechen‘ der Hoden, kurzum: die Kastration ( sinngemäß e.g. visceribus ferro exsectis fregerunt pueros in venerem ; in fregēre klingt auch zart die alternative Methode an, das Zerquetschen der Hoden; cf. Colum. 6,26 conprimere testiculos et … confringere ). Spiegelt die rabiate Formulierung die Barbarei jenes Eingriffs ? exsecta : Der prosaische t.t. ex(s)ecare, „entmannen, kastrieren“, wird für Mensch wie Tier verwendet ( e.g. Cic. nat. 2,63 esse exsectum Caelum a filio Saturno ; Bell. Alex. 70,6 exsectis virilitatem restituere, „Kastraten die Männlichkeit zurückgeben“; Sen. dial. 1,3,13 exoletus … exsectae virilitatis ; Suet. Nero 28,1 puerum … exectis testibus … pro uxore habuit ; Apul. met. 7,23,2 exsectis genitalibus ; Laktanz inst. 1,17,7 adulescentem … exsectis virilibus semivirum reddidit ; Aug. civ. Dei 7,26 == p. 308,3f. D.-K. Romanorum exsecando virilia virorum ; s. auch Apul. met. 8,15,4 detestabilem illum exsectorem virilitatis meae, mit dem Wortspiel der in detestabilis verborgenen testes, „Hoden“ ). In der Dichtung erscheint es nur vereinzelt : in neronischer Zeit noch bei Lukan ( 10,133f. iuventus … exsecta virum ), in flavischer bei Martial ( 6,2,2 immeritos execuisse mares ) und Valerius Flaccus ( 7,636 exsectos … comatos, „die entmannten Hippies“ ); cf. OLD s.v. 3; Thes. V 2, 1833,25-31. Zum vornehmeren recīdere cf. Sat. 23,3,4 Deliaci manu recisi, „die von des Deliers ( Apollon oder Asklepios ) Hand Verschnittenen“ ( samt einer Anspielung auf die Delikatesse der Insel, den delischen Kapaun; cf. P. BRUNEAU, Bulletin de correspondance hellénique 109, 1985, 547-549; ARAGOSTI – COSCI – COTROZZI 1988, 108f.; COURTNEY 1991, 19f. ). viscera : Der Euphemismus viscera für die Hoden ( „pro, testiculos, coleos“; ERHARD ap. BURMAN 720) ist ohne Parallele ( cf. VORBERG 1932,

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685; der von GEORGES und OLD s.v. uiscus1 3 c zitierte Passus Plin. nat. 20,142 weckt starke Zweifel; zu viscera für die weiblichen Genitalien cf. ADAMS 95, für den Anus ebd. 116 ). Das wirft Licht auf die viros am Versbeginn, die sich gleichfalls ( und ebenfalls ohne Parallele ) euphemistisch als ‚Hoden‘ lesen lassen ( die Alliteration viros – viscera unterstreicht die Beziehung ). Damit hat sich SHACKLETON BAILEYs virum desectaque ( s. oben ) erledigt. – Zu der Klausel viscera ferro in blutigen Kontexten cf. Ov. am. 1,10,51 traiecit viscera ferro ; met. 8,532 acto per viscera ferro ; Lukan 4,511 calido fodiemus viscera ferro ( POLETTI 2017, 212 ). in venerem fregēre : Die ambivalente Wendung erlaubt zwei Deutungen: 1.) a k t i v e r S e x ist den Betroffenen künftig unmöglich ( e.g. HOPFNER 1938, 420 : „ihr Inneres zerstörend mit dem Messer, so daß zum Liebeswerk sie nicht mehr taugen“ ; ERNOUT : „mutilant leur chair, le fer les condamne à ignorer l’amour“; SCHÖNBERGER : „und machten die mit dem Messer verschnittenen Teile zur Liebe untauglich“ ), oder 2.) sie werden zum O p f e r sexueller Übergriffe ( e.g. STUBBE ad loc.: „entmannten (sie) … zum Zweck der Liebesduldung“; HELM 1956, 231: „die Kastration wird vorgenommen, um zum Liebesgenuß geeignet zu machen“; cf. Senecas Beschreibung eines Lustknaben, dial. 1,3,13: exoletus omnia pati doctus, exsectae virilitatis aut dubiae ). Der gängige Gebrauch der poetischen Formel in Venerem weist klar in die zweite Richtung. Vereinzelt meint es mit modaler Färbung „ b e i d e r P a a r u n g , b e i m A k t “ ( cf. Verg. georg. 4,199 nec corpora segnes | in Venerem solvunt sc. apes ; Apul. met. 9,24,1 uxor … cum … iuvene miscebatur in Venerem ; s. auch 3,20,4 nudati bacchamur in Venerem, mit dem Unterton „zu Venus’ Ehren“ ). Meist jedoch heißt es mit finaler Färbung „ f ü r d i e P a a r u n g , z u r P a a r u n g “ ( cf. Verg. georg. 3,64 mitte in Venerem pecuaria ; 3,97 frigidus in Venerem senior ; Hor. c. 2,5,3 f. tauri ruentis | in Venerem ; Ov. met. 6,459f. pronum … genus … in Venerem est ; fast. 1,397 in Venerem Satyrorum prona iuventus ; Colum. 6,27,10 si admissarius sc. equus iners in Venerem est eqs.; Val. Flacc. 2,625 suus in Venerem raptat deus sc. Lampsacum ; Gell. 19,2,3 libidines in cibos atque in Venerem prodigae ; Hier. ep. 43,2, unten zit.; zu finalem in cf. HSZ 274 ; s. auch Sat. 132,1 ipsa corporis pulchritudine me ad se vocante trahebat ad venerem ). Aufschlussreich ist die Passage Apul. met. 7,23,2 f., die gewissermaßen die Kehrseite der Medaille beschreibt. Während im BC die Kastration bedauernswerte Knaben „auf den passiven Verkehr“ vorbereitet, soll die gleiche Arznei den unglücklichen Esel „für den aktiven Verkehr“ untauglich machen: „man müsse das geile Tier nicht töten“, cum … exsectis genitalibus

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possit neque in venerem nullo modo surgere. (…) scio … ferocissimos equos, nimio libidinis laborantes …, adhibitā tali detestatione mansuetos ac mites exinde factos. fregēre : Zu übertragenem frangere, „to take away the vigour or masculine qualities of, enervate, weaken, relax ( a person, his disposition, speech, etc.)“ ( OLD s.v. 8 ), cf. u.a. Cic. fam. 5,13,3 fractum debilitatumve sc. membrum rei publicae ; Ov. Pont. 1,4,11f. cernis, ut … fortia taurorum corpora frangat opus ; Stat. silv. 3,4,74 f. frangere sexum | atque hominem mutare. Dies gilt auch für christliche Autoren, u.a. Cyprian ep. 2,2 docens quemadmodum masculus frangatur in feminam et sexus arte mutetur ; ad Don. 8 plus … illic placet, quisque virum in feminam magis fregerit ; Arnobius 3,10 fractis dissolutisque corporibus voluptatis enervatione ; Hier. ep. 43,2 idem histrio … nunc mollis in Venerem frangitur ( er ‚opfert‘ seine Männlichkeit für eine Frauenrolle ); 79,9 histrio fractus in feminam ; Thes. VI 1, 1246,6-18 ( s. auch POLETTI 2017, 213 ). 22-24 atque ut fuga mobilis aevi | circumscripta morā properantes differat annos, | quaerit se natura nec invenit : „und damit die Flucht der rastlosen Zeit, betrogen dank des Aufschubs, die eilenden Jahre hinauszögere, sucht die Natur sich selbst – und findet sich nicht.“ Ähnliches berichtet Seneca ( ep. 47,7 ) von einem jungen Mundschenk, der nachts epiliert und in Frauenkleidern seinem Herrn zu Diensten ist ( „im Bett“ allerdings „als Mann“, d.h. in der aktiven Rolle : vini minister in muliebrem modum ornatus … tota nocte pervigilat, quam inter ebrietatem domini ac libidinem dividit et in cubiculo vir, in convivio puer est ). Denn „mit seinem Alter liegt er im Streit : er darf den Knabenjahren nicht entfliehen, man holt ihn zurück“ ( cum aetate luctatur : non potest effugere pueritiam, retrahitur ). Auch die Jugend dieses Ganymed wird fast gewaltsam ( mit dem Skalpell ? ) ‚konserviert‘. Noch zu Claudians Zeit ist die Klage aktuell: „Mit dem Messer unterband parthische Lüsternheit, dass sich auch nur ein Hauch von Flaum zeige, und indem sie die Knabenblüte lange bewahrte, zwang sie die künstlich verlängerte Jugend, der Venus zu dienen.“ ( c. 18,342-345 Parthica ferro | luxuries vetuit nasci lanuginis umbram | servatoque diu puerili flore coegit | arte retardatam Veneri servire iuventam ). Die sibyllinische Formulierung von der die Jugend konservierenden Wirkung der Kastration stellt nicht nur die Übersetzer auf die Probe ( die sich oft genug in bisweilen blumige Paraphrasen flüchten; e.g. ERNOUT : „dans cet effort pour retarder la fuite précipitée des ans“; EHLERS : „und damit die köstliche Jugend nimmer entflieht, ihren hastigen Gang die Jahre verhalten“ ). Denn wie kann die „Flucht der Zeit“ „eilende Jahre“ ‚aufhalten‘ ? Beide Wendungen, fuga mobilis aevi und properantes annos, schildern ein und dasselbe: den biologischen Reifungsprozess. Frei paraphrasiert :

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‚man entmannt Knaben, damit die so verlangsamte Alterung ihr Erwachsenwerden hinauszögert‘. Der Satz schwankt zwischen Tautologie und Paradox. Der Schlüssel zum Verständnis liegt in dem Einschub, der ‚bremsend‘ zwischen die doppelt ‚flüchtige Zeit‘ tritt : circumscripta morā, „verlangsamt dank des Aufschubs“ ( für gewöhnlich nämlich fugiunt freno non remorante dies ; Ov. fast. 6,772 ). Indem sie die biologische Entwicklung verzögert, und so für einen ‚Aufschub‘ ( mora ) sorgt, ‚betrügt‘ ( circumscripta ) die Kastration die Zeit um ihre Wirkung. Das Paradox liegt letztlich in dem Umstand, dass „auch die mora die eilenden Jahre nicht aufhalten kann, sondern nur die Begleitumstände, den mit den Jahren einhergehenden Verlust knabenhafter Schönheit“ ( M. DEUFERT in epist.). Mit anderen Worten: nicht die Zeit selbst wird entschleunigt, nur das Verblassen der Attraktivität. fuga mobilis aevi : Von der „Flucht“ der Zeit sprechen bereits hellenistische Texte ( e.g. Theokrit 2,92 ὁ δὲ χρόνος ἄνυτο φεύγων, „es schwand dahin die fliehende Zeit“; cf. A.S.F. GOW ad loc.), bevor sie als Leitmotiv des Horaz in der römischen Literatur heimisch wird ( serm. 2,6,40 septimus … iam fugerit annus ; c. 1,11,7 f. dum loquimur, fugerit invida | aetas ; 2,11,5 f. fugit retro | levis iuventas et decor ; 2,14,1 f. eheu fugaces … labuntur anni ; 3,29,48 fugiens … hora ; 3,30,5 fuga temporum ); ferner e.g. Verg. georg. 3,66f. optima quaeque dies miseris mortalibus aevi | prima fugit ( zu diesem Zitat cf. Sen. dial. 10,9,3f.; ep. 108,24 -29 ); 3,284 fugit interea, fugit inreparabile tempus ; Ov. am. 1,11,15 dum loquor, hora fugit ; met. 15,179-185, bes. 183 tempora sic fugiunt ; Colum. 11,1,29 praelabentis … temporis fuga ; Persius 5,153 ~ Sil. Ital. 15,64 fugit hora ; Sat. frg. 33,12 M.4 vitae fugientis tempora ; OTTO 112f. s.v. dies 1, und Nachträge 154. 268; Thes. VI 1, 1468,7-12 ; 1474,52-56. Womöglich nachantik ( cf. RIESE I,2, 2 1906, 344 ), und kaum ein Echo Petrons sind die Verse Anth. Lat. 931,96-98 R.: nulla sui certa est hora, nec ulla fuit, | cumque nihil possit longi fuga mobilis aevi, | se tamen hac semper mobilitate fugit (~ „… und obgleich die lebenslange schnelle Flucht nichts ausrichtet, flieht sie gleichwohl stets mit dieser Schnelligkeit vor sich“; zu dem seltenen reflexiven se fugere cf. Cic. rep. 3,33 ipse se fugiet, „er wird vor sich selbst fliehen“; Hor. c. 2,16,19f. patriae quis exsul | se quoque fugit ? ; Ov. met. 4,461 volvitur Ixion et se sequiturque fugitque ). mobilis aevi : Merkwürdig klingt das überlieferte nobilis ( so u.a. BÜCHELER ; MÜLLER ; GRIMAL ; GIARDINA – MELLONI ). Zu dem poetischen aevum ( cf. PELLEGRINO 414 ; zu aevum als „Kindheit, Jugend“ cf.

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Thes. I, 1166,40-75 ) treten gerne präzisierende Partizipien oder Adjektive ( e.g. Lucr. 2,743 ex ineunte aevo, „von Kindesbeinen an“; 5,888 aevo florente, „im blühenden Knabenalter“; Prop. 3,7,7 primo … aevo, „in der Jugendblüte“; Ov. trist. 3,1,7 viridi … in aevo ; Sen. dial. 6,20,1 iuvenile aevum ; Sil. Ital. 8,370 tenero … in aevo ). Nobile aevum kann hier also kaum die ‚reifen Erwachsenenjahre‘ meinen, allenfalls das „edle Alter“ als Synonym für die Jugend ( so e.g. GRIMAL : „la fuite de l’âge le plus beau“ ). Eindeutig mehr Sinn ergibt im Kontext freilich die Lesart mobilis, die sich einige Hss. der α -Klasse teilen. Es setzt auf ein vertrautes epitheton ornans der Zeit ( e.g. Verg. georg. 3,165: Kälber sind an Arbeit zu gewöhnen, dum faciles animi iuvenum, dum mobilis aetas ; Hor. ep. 2,2,172 puncto … mobilis horae, „im Wimpernschlag einer flüchtigen Stunde“; ars 157 mobilibus … annis, und C.O. BRINK ad loc.: „with the changing years“; Sen. Phaed. 446 aetate fruere : mobili cursu fugit ; 1141f. volat ambiguis mobilis alis | hora ; Thes. VIII, 1199,43-49 ) – und eine Parallele zu properantes liefert : „die rastlose Lebenszeit“ ( so u.a. ANTON 368; MÖßLER 1842, 41 Anm. 31; BALDWIN 1911, 125f.; ERNOUT ; STUBBE ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; s. auch Sat. 131,8,1, wo HEINSIUS die nobilis platanus der Hss. schlagend zur mobilis platanus änderte; mehr Bd. IV ad loc.). circumscriptă morā : Zu circumscribere als „einengen, beschränken, begrenzen, verkürzen“, hier konkreter „verlangsamen, hinauszögern“ ( parallel zu differre ), cf. u.a. Sen. dial. 12,19,7 laudes eius … circumscribere est tam parce transcurrere, „ihr Lob so flüchtig streifen heißt, es beschneiden“; ep. 87,41 satius est … expugnare adfectūs, non circumscribere, „besser ist es, die Leidenschaften zu überwinden, nicht nur einzudämmen“; Arnobius 5,14 taediosi operis circumscribentes moras ( von Weberinnen ); Thes. III, 1161,741162,19 ; OLD 2bc. Kaum zu überhören ist freilich der hier mitschwingende Unterton, „betrügen“; cf. OLD s.v. 6: „to impose on, cheat, defraud, circumvent“, und Sat. 112,6 miles circumscriptus dum desidet ; s. auch Sen. ep. 81,6 vir bonus utrosque calculos sic ponit ut se ipse circumscribat eqs. ( „… dass er sich täuscht und verkalkuliert“ ). differat : Zu differre, „to postpone, defer, adjourn“ ( OLD s.v. 4 a ), cf. Cic. Phil. 6,19 venit tempus … ita maturum, ut differri iam hora non possit ; Liv. 3,46,5 cum dilatum tempus iniuriae esset ; Ov. met. 1,724 nec tempora distulit irae ( „… die Stunde der Rache“ ); Thes. V 1, 1070,74 ff. Eine ansprechende Variation bringt G. VANNINIs Indikativ ins Spiel ( in epist.), mit kausalem ut ( OLD s.v. 21 ) und einem spondeischen fünften Versfuß ( „passend zum retardierenden Kontext“ ): atque ut fuga mobilis

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aevi | circumscripta morā properantes differt annos ( „und weil die Flucht der rastlosen Zeit … die eilenden Jahre hinauszögert, sucht die Natur sich selbst …“ ). Prägnanter scheint freilich der Finalsatz. Ein Problem stellt dessen syntaktische Einbindung dar. Schließt er leicht holprig an die erste finale Konstruktion an ( in mit Akk.: viscera … in venerem fregere, atque ut fuga eqs.): ‚man kastriert sie zum eigenen Vergnügen – und damit ihre Jugend länger währe‘ ( so e.g. STUBBE )? Dann stünde allerdings der folgende Hauptsatz ( quaerit se natura eqs.) recht unvermittelt im Raum ( heikel wäre zudem die consecutio temp. mit differat nach den beiden Perfecta ). Ist nach BC 23 Text ausgefallen ( so BÜCHELER 1 ; ihm folgen MÜLLER ab ed.2 und GIARDINA – MELLONI )? Doch der Gedankengang ‚Kastration und verzögerte Reife‘ ist in sich leidlich geschlossen ( so auch G. VANNINI in epist.: „che cosa si poteva dire di più a proposito della castrazione dopo exsectaque viscera ferro | in venerem fregere ?“ ). Syntaktisch wie sachlich passt BC 22f. am ehesten zum folgenden Hauptsatz ( so u.a. ERNOUT und ARAGOSTI ): ‚damit ihre Jugend länger währe, geht ihre Männlichkeit unwiderruflich verloren‘. Die Partie BC 22-24 gehört insgesamt zu den schwächeren des BC ; und auch wenn eine Lücke wenig wahrscheinlich ist – eine subtile Textverderbnis lässt sich nicht ausschließen. quaerit se natura nec invenit : Die ‚Natur‘ bzw. das ‚Widernatürliche‘ liefern Senecas Sittenkritik entscheidende Stichworte ( e.g. nat. 3,17,2 quotiens naturam aut mentitur aut vincit sc. luxuria ? ; ep. 122,5-9 omnia vitia contra naturam pugnant, omnia debitum ordinem deserunt ; hoc est luxuriae propositum, gaudere perversis. … non videntur tibi contra naturam vivere, qui commutant cum feminis vestem ? ; s. auch Oed. 371 natura versa est, angesichts von Oedipus’ Inzest „steht die Natur Kopf“ ). Dies gilt zumal für die Kastration ( ep. 122,7 ): non vivunt contra naturam, qui spectant, ut pueritia splendeat tempore alieno ( „… über ihre Zeit hinaus“ ) ? … numquam vir erit sc. puer, ut diu virum pati possit ? et cum illum contumeliae sexus eripuisse debuerat, non ne aetas quidem eripiet ? ( „… und wo ihn sein männliches Geschlecht vor der Schmach hätte retten müssen, wird ihn nicht einmal seine Jugend retten ?“ ). Ähnlich bereits Sen. contr. 10,4,17 principes … viri contra naturam divitias suas exercent : … exoletos suos, ut ad longiorem patientiam inpudicitiae idonei sint, amputant. Als ‚Erfinderin‘ dieser Unsitte kritisiert Ammianus Königin Semiramis ( 14,6,17 ): teneros mares castravit omnium prima velut vim iniectans naturae, eandemque ab instituto cursu retorquens ( „… wodurch sie der Natur gleichsam Gewalt antat und selbige an ihrer festgelegten Entwicklung hinderte“ ).

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Was Seneca von außen betrachtet, den Verstoß „gegen die Natur“ und ihre Gesetze, wird hier zur Innensicht : was „sich vergebens sucht“, ist die verlorene Männlichkeit der castrati ( cf. Sen. ep. 122,7 numquam vir erit ). Sie leiden unter dem Verlust ihrer ursprünglichen biologischen Identität ( G. VANNINI in epist. entdeckt hier ein ‚hysteron – proteron concettuale‘: dank des Eingriffs erkenne die Natur sich nicht mehr : BC 24 ; erst dann folge das verzögerte Altern: BC 22f. ). Catull illustriert den Punkt, wenn er den frisch entmannten Attis grammatisch zum Femininum erklärt ( 63,8 citata ; 63,27 notha mulier, „fälschlich Frau“, u.ö.; cf. W. KROLL 131 ad 63,8; s. auch Anth. Lat. 109,5f. R. == 98,5f. Sh.B. castrator … docuit neutri esse hominem sc. recisum generis, „… dass ein Verschnittener keinem Geschlecht angehöre“ ). Umgekehrt schämen sich effeminierte Männer ihres Geschlechts ( Manil. 5,154 naturae pudet ). quaerit se : Zu reflexivem se quaerere cf. Manil. 4,910 se quaerit in astris ( „der Mensch sucht sich selbst in den Sternen“ ); Sen. nat. 7,25,2: unser Geist begreift so wenig von der Welt, ut adhuc ipse se quaerat ( „… dass er sich selbst noch ein Rätsel ist“ ); Quint. inst. 12,11,2: der alternde Redner muss darauf achten, ne se quaerat priorem ( „… dass ihm sein früheres Ich nicht abhanden kommt“; s. auch Mart. 2,83,2f. se, qui fuerant prius, requirunt | trunci naribus auribusque vultūs, von verstümmelten Gesichtern ). Die Junktur quaerit se natura ist singulär. se … invenit : Zu dem umgangssprachlichen reflexiven se invenire cf. Ps.-Ov. epist. Sapph. 113f. postquam se dolor invēnit, nec pectora plangi | nec puduit … exululare ( „nachdem mein Schmerz sich selbst gefunden hatte …“, d.h. abgeklungen war ; cf. DÖRRIE 1975, 137 ); Sen. contr. 3 praef. 13 vix se inveniunt ( „kaum zurecht finden sich“ weltfremde declamatores, die zum ersten Mal das Forum erleben ); Sen. benef. 5,12,6 opulentissimis … plurimum aestūs subest minusque se inveniunt, quo in maiorem materiam inciderunt ( „am meisten leiden Millionäre unter Stress, und je mehr Wohlstand sie erlangt haben, desto weniger finden sie zu sich selbst“ ); Thes. VII 2, 136,16-34 und 138,14-18. S. auch Sat. 47,2 venter mihi non respondit. nec medici se inveniunt ( „… finden sich nicht zurecht“ ). 24-25 omnibus ergo | scorta placent : „Allen also gefallen diese Huren“ ( HOLZBERG ). Ungeachtet der von der bukolischen Dihärese markierten Pause kein neues Stichwort ( so u.a. WALSH : „hence all sought their joy in harlots“ ), sondern – „wie aus ergo V. 24 hervorgeht“ ( STUBBE ad loc.) – das Thema ‚Kapaun‘ wird weitergesponnen ( s. auch Quint. inst. 5,12,19

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libidinem iuvet ipsum effeminati sexūs mendacium, „die vorgetäuschte Weiblichkeit der Kastraten dürfte die Lust anregen“ ). Scorta steht am ehesten attributiv ( „so gefallen sie allen als Buhlen“ ). Das Folgende schließt syntaktisch glatt an (~ „samt ihrem mädchenhaften Gang usw.“ ). Zu scortum, „Haut, Fell, Leder“, einem der derberen Namen für Prostituierte, den die gehobene Dichtung strikt meidet, sowie zu dessen gelegentlicher Verwendung für das männliche Pendant, wie hier ( „Lustknabe, Stricher“ ), siehe 113,11 non pluris illum facies quam scortum ( illum COURTNEY : illam codd.), und Bd. II, S. 598 ad loc. 25 fractique enervi corpore gressūs : „und der dank ihrer femininen Figur verweichlichte Gang“. Spätestens seit dem Ende der Republik echauffieren sich mehr und mehr Stimmen über Zeitgenossen, die mit dem alten Ideal römischer Männlichkeit brechen ( die sog. molles vel sim., ~ „Tunten, Schwuchteln, Tucken“ ). Anstoß erregte ebenso ihr Erscheinungsbild ( Frisur, Kleidung etc.) wie ihre Körpersprache ( Gestik, Mimik, Gang etc.). Seneca hat eine Schwäche für das Thema ( u.a. nat. 1,17,10; 7,31,2 levitate et politurā corporum muliebres munditias antecessimus …, tenero et molli ingressu suspendimus gradum – non ambulamus, sed incedimus eqs.; ep. 52,12 inpudicum et incessus ostendit et manus mota et unum interdum responsum et relatus ad caput digitus et flexus oculorum ). So bereits sein Vater ( contr. 1 praef. 8 cantandi saltandique obscena studia effeminatos tenent, capillum frangere et ad muliebres blanditias extenuare vocem, mollitiā corporis certare cum feminis et inmundissimis se excolere munditiis nostrorum adulescentium specimen est, „… ist das Markenzeichen der jungen Generation“; s. auch Manil. 5,146-156 illis cura sui cultūs frontisque decorae | semper erit : tortos in fluctum ponere crines … pumicibusque cavis horrentia membra polire | atque odisse virum teretīsque optare lacertos eqs.). Polemische Übertreibung ist seine Behauptung, spezielle ‚Studios‘ lehrten „das effeminierte Auftreten“ ( Sen. ep. 90,19 officinae … molles corporis motūs docentium ). Bände spricht auch Chrysis’ erster Eindruck von Encolpius ( 126,2 quo enim spectant flexae pectine comae, quo facies medicamine attrita et oculorum quoque mollis petulantia ? eqs.). Als augenfällige Charakteristika galten v.a. mangelnde K ö r p e r s p a n n u n g ( enervi corpore ) und ein affektiert-verspielter, als unnatürlich bzw. feminin empfundener G a n g ( fracti gressūs ; cf. Sat. 126,2 incessus arte compositus et ne vestigia quidem pedum extra mensuram aberrantia, und e.g. Sen. nat. 7,31,2, oben zit.; dial. 9, 17,4 ; ep. 114,3 non vides, si animus elanguit, trahi membra et pigre moveri pedes ? si ille effeminatus est, in ipso incessu apparere mollitiam ? ; CORBEILL 2004, 120-123 ).

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In diesem Zusammenhang fallen regelmäßig die Begriffe gressus und fractus. Das poetische g r e s s u s ( cf. BC 184 ; 204 securis … gressibus ; 133,3,17 ; in urbaner Prosa 30,7 ) beschreibt auch den ‚typischen‘ Gang käuflicher Frauen und verweichlichter Männer ( cf. Manil. 5,153 ficti … placent ad mollia gressūs, „… ein gezierter, gekünstelter Gang“ ; Phaedrus 5,1,13 gressu delicato et languido ; Stat. Ach. 1,837 molles gressūs ; Caelius Aurelianus chron. 4,131; Thes. VI 2, 2326,68-72 ). fracti : Gleiches gilt für das PPP fractus, „kraftlos, gebrochen“. „Frangere Latinis est idem ac effeminare, robur virile in muliebrem mollitiem corrumpere“ ( I. CASAUBON, zitiert BRAMBLE 1974, 76 ); e.g. Cic. fin. 5,35 flexi fractique motūs, quales protervorum hominum aut mollium esse solent, contra naturam sunt ; Tusc. 4,64 videndum est … ne quid humile, summissum, molle, ecfeminatum, fractum abiectumque faciamus ; Persius 1,18 patranti fractus ocello ( ein Dichterling rezitiert „schwül und schmachtenden Äugleins“ ); Hier. ep. 79,9 histrio fractus in feminam. Mit Vorliebe charakterisiert es die S t i m m e ( e.g. Phaedrus App. 10,2 f. fracte loquendo et ambulando molliter | famam cinaedi traxerat ; Tac. ann. 14,20,5; Plin. ep. 2,14,12 pudet referre, quae quam fractā pronuntiatione dicantur ; Juv. 2,111 f.; Apul. met. 8,26,2 fractā et raucā et effeminatā voce clamores absonos intollunt sc. cinaedi ) und den G a n g ( e.g. Quint. inst. 5,9,14 corpus vulsum, fractum incessum, vestem muliebrem dixerit mollis et parum viri signa, „den epilierten Leib, den schwächlichen Gang, die Frauenkleider könnte man Indizien eines verweichlichten, unmännlichen Mannes nennen“; Hier. ep. 22,13 solutis genibus fractus incessus ; Salvian de gubernatione Dei 7,83; cf. OLD s.v. fractus 4 ; Thes. VI 1, 1252,71-1253,3 ; H. HERTER, RAC 4, 1959, 635f. ). Mit gressus, wie hier, verbindet es sich erst wieder in späten Texten ( cf. Hegesippus 4,25,2 == CSEL 66, p.279,24 f. fracto gressu incedebant ; Hier. de virg. Mariae 20; Petrus Chrysologus serm. 174,2 fractis gressibus, corpore dissoluto, diiuncta conpage membrorum ). enervi : Auch das Adjektiv ēnervis wird einschlägig verwendet, „kraftlos, verzärtelt, effeminiert, tuntig“; u.a. Val. Max. 2,7,15 enerves animos odisse virtus solet ; 3,5,3 enervem et frigidam iuventam egit ; 9,13 praef. enerves et effeminatos sc. excessūs e vita ; Sen. ep. 92,8 humilem, languidam, voluptatibus deditam … enervem et abiectam ( „… kraftlos und verworfen“; über die niederste Seelenregion ); Apul. met. 1,4,4 puer in mollitiem decorus insurgit inque flexibus tortuosis enervam et exossam saltationem explicat ( „ein ansehnlicher junger Akrobat mit femininer Ausstrahlung …“; cf. W.H. KEULEN ad loc.); OLD s.v. ( s. auch Sat. 2,2 ut corpus orationis enervaretur et caderet ). Enervi corpore ist Abl. causae.

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Bisweilen treten die Reizwörter f r a c t u s und e n e r v i s wie hier gemeinsam auf ( cf. Sen. dial. 7,13,4 qui voluptatem sequitur, videtur enervis, fractus eqs.; Tac. dial. 18,5 Ciceronem … tamquam solutum et enervem, … tamquam fractum atque elumbem sc. dicere ; Plin. paneg. 33,1 visum est spectaculum inde non enerve nec fluxum, nec quod animos virorum molliret et frangeret eqs.). 26 et laxi crines : „und das wallende Haar“. Selbst für das Haar von Frauen ist laxus bzw. laxare höchst selten; cf. Ov. ars 3,145 huic decet inflatos laxe iacuisse capillos ( „ihr steht es, das üppige Haar locker fallen zu lassen“ ); Apul. met. 2,16,7 in effusum laxa crinem et capillo fluenter undante eqs. ( „löse dein Haar und lass’ es herabfließen“ ). Die Junktur laxi crines ist singulär ( cf. Thes. VII 2, 1076,6 f. ). Zu femininen Männerfrisuren cf. 126,2 flexae pectine comae, und u.a. Cic. Pis. 25 erant illi compti capilli et madentes cincinnorum fimbriae eqs.; Manil. 5,147-149 tortos in fluctum ponere crines eqs.; Mart. 10,65,6 flexā nitidus comā ( „looking smart with your hair in curls“; SHACKLETON BAILEY ). 26 et tot nova nomina vestis : „und all die schicken neuen Sachen zum Anziehen“. Einen langen ( nicht allzu ernstgemeinten ) Katalog der aktuellen Haute Couture präsentiert Plautus, garniert mit dem Hinweis auf die „neuen Namen“, die die römische Damenwelt in Modedingen „alljährlich“ aus dem Hut zaubert ( Epid. 224-234 inpluviatam, ut istae faciunt vestimentis nomina … istae, quae vesti quotannis nomina inveniunt nova ! | tunicam rallam, tunicam spissam, linteolum caesicium, | indusiatam, patagiatam, caltulam aut crocotulam, | subparum aut subnimium, ricam, basilicum aut exoticum, | cumatile aut plumatile, carinum aut cerinum … laconicum ; cf. G. DUCKWORTH ad loc.; s. auch Ov. ars 3, 169-192 zur reichen Farbpalette der modernen Damenmode ). Valerius Maximus missbilligt „die Modenschauen“ der Römerinnen, „die tagtäglich vom noch kostspieligeren dernier cri überboten wurden“ ( 9,1,3 muliebres apparatūs …, quibus cotidie aliquid novitatis sumptuosius adiectum est ; zum Thema Mode allgemein H.O. MAIER, RAC 21, 2006, 9-16 ). Dass jeder Tag ‚neue Frisuren‘ zeitige, behauptet Ovid ( ars 3,152 adicit ornatūs proxima quaeque dies ). Von „neuen Begriffen“ in der Philosophie spricht Cicero ( nat. 1,44 sunt … rebus novis nova ponenda nomina ; fin. 3,3 sunt imponenda … nova rebus novis nomina ). Hier geht es jedoch weniger um die aktuelle Kollektion für Roms Matronen als vielmehr um die vielkritisierte Vorliebe gewisser Männerkreise für Frauenkleider ; cf. u.a. Sen. contr. 5 exc. 6 sic illum vestis sc. muliebris sumpta decuit, ut videretur non tunc primum sumpsisse ; Manil. 5,152; Sen. ep.

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122,7 commutant cum feminis vestem ; nat. 7,31,2 colores meretricios matronis quidem non induendos viri sumimus ; Lukan 1,164f. cultūs gestare decoros | vix nuribus rapuere mares, „um Kleider, die kaum junge Frauen hätten tragen dürfen, rissen sich ‚Männer‘ …“ ( auf die tunica talaris, die u.a. Verres und Anhänger Catilinas trugen, verweist P. ROCHE ad loc.; cf. Cic. Verr. 5,31; Catil. 2,22; Gell. 6,12,1 ); Plin. nat. 11,78 nec puduit has vestes usurpare etiam viros levitatem propter aestivam ; Sil. Ital. 11,40f. madefacta veneno | Assyrio maribus vestis ; 13,353f. virum de corpore vestes | femineae ; Tac. ann. 3,53,4 promiscas viris et feminis vestes ( und WOODMAN – MARTIN ad loc.); Juv. 2,66; Prud. ham. 287-295 Eoo ex orbe petitis | ramorum spoliis fluitantes sumere amictūs | gaudent eqs.; Macrobius sat. 3,13,4 f.; H. HERTER, RAC 4, 1959, 629631. Bände spricht Ciceros Schilderung von Clodius’ Aufmachung ( har. resp. 44 a crocota, a mitra, a muliebribus soleis purpureisque fasceolis, a strophio … est factus … popularis ). Mit dem ungewöhnlichen kollektiven Gen. Sing., der von einem Plural abhängt ( gemeint sind tot vestes novi nominis ), vergleichen SCHMELING – SETAIOLI ad loc. Sen. dial. 4,2,5 timor, qui … lectoris percurrit animos ( REYNOLDS’ ed. Oxon. hat allerdings FICKERTs lectorum im Text ). Zum kollektiven Sing. s. auch SETAIOLI 2000, 76f. 27 quaeque virum quaerunt : „und was alles nach Männern schreit.“ Das unpersönliche quaerere ( das Verb erscheint in BC 1-27 gleich fünfmal, meist am Versbeginn ) könnte hier eine spezielle Bedeutung haben, die fast ohne Parallele wäre: „( passiv ) anziehen, anmachen, verlocken, verführen“ ( ähnlich illicere ; cf. GEORGES s.v. I 2 a α : „zu gewinnen suchen, gewinnen“, und ANTON 369 ad loc.: „i.e. omnia, quae virum ad libidinem possint allicere“ ) – im Geiste von Juvenals böser Homerparodie: „denn von selbst zieht die Tucke den Mann an“ ( 9,37 αὐτὸς γὰρ ἐφέλκεται ἄνδρα κίναιδος ; nach Od. 16,294 bzw. 19,13, wo statt „der Tucke“, κίναιδος, „das Eisen“ steht, σίδηρος ). Gemeint ist aber eher eine gängigere Bedeutung : das aggressive „fordern, verlangen“ ( e.g. Cic. Phil. 2,35 virum res illa quaerebat ), wie Ov. ars 1,524 si quis male vir quaerit habere virum, „wenn ein sog. ‚Mann‘ auf Kerle steht“ ( s. auch Calvus ap. Sen. contr. 7,4,7 digito caput uno | scalpit. quid credas hunc sibi velle ? virum ). Ähnlich den molles buhlen die jungen Kastraten mit allen Mitteln um die männliche Gunst ( s. auch Sat. 87,7 ephebus … annis ad patiendum gestientibus eqs.; so auch A. SETAIOLI in epist.: „und was sonst alles Verlangen nach dem Mann zeigt“ ). – Quaeque == et quae ( cf. 132,15,4 quodque facit populus ; frg. 31,5 M.4 quique renascentem Phoebum cernuntque cadentem ).

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27 – 32 Zitrustische Zitrusbäume ( genauer : die Zitronatzitrone, Citrus medica L.) blühten offenbar bereits in kampanischen Gärten der frühen Kaiserzeit – auch wenn die damals kultivierten Arten mit den uns heute vertrauten wenig gemein hatten (cf. Verg. georg. 2,126-135, und M. ERREN ad loc.; Plin. nat. 13,103; W.F. JASHEMSKI u.a., The Natural History of Pompeii, Cambridge 2002, 101-103 ). Doch das Holz für die citreae mensae, von denen hier die Rede ist, lieferte der Sandarakbaum, ein Zypressengewächs, das im westlichen Nordafrika heimisch ist, namentlich auf dem Atlas ( Tetraclinis articulata, auch bekannt als Berberthuja; KIßEL 1990, 179 : „der lateinische Name ist aus κέδρος [ „Zeder“ ] entstellt“ ). Wertvoll machten ihn die knolligen Auswüchse seiner Wurzeln, die als Furnier gemessert und zu Höchstpreisen gehandelt wurden ( cf. Sen. benef. 7,9,2 mensas et aestimatum lignum senatorio censu, eo pretiosius, quo illud in plures nodos arboris infelicitas torsit , „Tische und Holz im Wert eines Senatorenvermögens, desto kostbarer, je mehr Knoten das verquere Wachstum des Baumes wuchern ließ“ ; Plin. nat. 16,231 ). Noch heute kommt es als ‚Thuya Maser‘ auf den Markt. Das Holz fand in der Inneneinrichtung und im Möbelbau Verwendung ; cf. Cato ap. Festus p. 282,7-9 L. villae atque aedes aedificatae atque expolitae maximo opere citro atque ebore ; Varro rust. 3,2,4 : citrum aut aurum zieren das vornehme Landhaus; Prop. 3,7,49; Sen. dial. 9,9,6 armaria ‹ e › citro atque ebore ( Bücherregale ); Persius 1,52f. lectis … in citreis ( cf. W. KIßEL ad loc.); Stat. silv. 1,3,35 ( Türpfosten ); Apul. met. 2,19,1. Dies galt insbesondere für Tische. Deren Wert bestimmten vor allem drei Kriterien: der F a r b t o n des Furniers ( favorisiert wurden warme Bernsteintöne, deren dunkler Schimmer mit dem glänzenden Elfenbein harmonierte, auf dem die Platte ruhte; cf. Mart. 2,43,9 Libycos Indis suspendis dentibus orbīs ; 9,22,5 ut Mauri Libycis … stent dentibus orbes, und Ch. HENRIKSÉN ad loc.; 10,98,6 citrum vetus Indicosque dentes ), die M a s e r u n g ( u.a. apiatum, „getüpfelt“, pantherinum, „leopardengefleckt“, tigrinum, „getigert“; cf. Sen. dial. 5,35,5 mensam … crebris distinctam venis, „… verziert mit einer lebhaften Maserung“; 9,1,7 mensa … varietate macularum conspicua ; Plin. nat. 13,96 f.), und nicht zuletzt die G r ö ß e der meist runden Platten. Prachtexemplare maßen im Durchmesser 120 cm und mehr ( Plin. nat. 13,93 f. ; cf. Strabo 17,3,4 : Mauretanien liefert den Römern „die am buntesten gemaserten und mächtigsten Tische aus einem Stück“, τὰς … μονοξύλους τραπέζας ποικιλωτάτας καὶ μεγίστας ).

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Zitrustische kamen erst gegen Ende der Republik in Mode, entwickelten sich aber bald zum begehrten Statussymbol. Ein Verres schätzte sie ebenso wie Cicero, dem ein Exemplar eine halbe Million Sesterzen wert war ( Plin. nat. 13,92 ; zu Verres cf. Cic. Verr. 2,4,37 maximam et pulcherrimam mensam citream … abstulisti ). Kleopatras Speisesaal zierten sie ebenso wie den Domitians ( Lukan 10,144-146; Stat. silv. 4,2,38 f., und K. COLEMAN ad loc.). Im Prinzipat erzielten Luxusausführungen bald Phantasiepreise von einer Million und mehr ( cf. Plin. nat. 13,92; s. auch Sen. dial. 9,1,7 ). Die inflationären Preise verdankten sich z.T. aber auch dem Umstand, dass in flavischer Zeit die besten Bestände bereits abgeholzt waren ( Plin. nat. 13,95; cf. Mart. 12,66,6 Maurusiaci pondera rara citri ). – Cf. Plin. nat. 13,91102 ( und R. KÖNIG – G. WINKLER ad loc.); BLÜMNER 1879, 273-277; F. OLCK, RE III 2, 1899, 2621-24 ; BLÜMNER 1911, 124 f. ; B. KRUSE, RE XV 1, 1931, 943; R. MEIGGS, Trees and Timber in the Ancient Mediterranean World, Oxford 1982, 286-292. Die Kritik an dieser Liebhaberei blieb verhalten. Lukan notierte verstimmt den Import dieses Edelmobiliars ( 9,426-430, bes. 429f. in nemus ignotum nostrae venēre secures, | extremoque epulas mensasque petimus ab orbe ). Seneca versicherte, er brauche keine Zitrustische ( dial. 9,1,7 ) – was ihn nicht davon abhielt, sie zu hunderten zu sammeln ( Cassius Dio 61,10,3 ). 27 ecce : „Schau“. „Ecce emphasizes the visual impact of the banquet scene. (…) Eumolpus directs us to look at the image of the banquet reflected in the shining surface of the table.“ ( CONNORS 1989, 57 ). Zu der Interjektion cf. Bd. I, S. 177 ad TH 29. 27 Afris eruta terris : „afrikanischer Erde entrissen …“. Die singuläre Afra terra hat einen Ahnen in Ennius’ Africa terra (ann. 309 Sk. Africa terribili tremit horrida terra tumultu ; sat. 11 Vahlen), die mehrfach wiederkehrt ( u.a. Verg. Aen. 4,37 ; in Prosa v.a. als terra Africa, u.a. Scipio Africanus orat. frg. 3 Malc.3 ; Bell. Afric. 3,5; 24,3 ; Liv. 29,23,10 ). Das kühne Bild „der Erde entrissener Tische“ ( cf. Sen. contr. 2,1,12 ad delicias dementis luxuriae lapis omnis eruitur ) passt nicht nur bestens in der Sache ( die Wurzelknollen des Sandarakbaums wurden in maurischen Böden gerodet ; G. VANNINI in epist. spricht von einer „metonimia ardita, comprensibile solo se si considera che queste costosissime tavole erano fatte di radica“ ); es überspringt auch den langen Weg vom Import des Wurzelholzes zum fertigen Produkt. Matt im Vergleich klingen Silius’ mensae … aliā tellure petitae ( 13,354 ).

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eruta : Als t.t. für das Fällen von Bäumen impliziert eruere oft – wie auch hier – den schwierigsten Part der Arbeiten : das Roden des Wurzelstocks ( e.g. Verg. georg. 2,209 f. cum stirpibus imis | eruit sc. arator arbores ; 4,329 ipsā manu felicīs erue silvas ; Aen. 2,626-628 ornum … bipennibus instant | eruere agricolae, und N. HORSFALL ad loc.; s. auch Sil. Ital. 6,196 evertit sc. arborem fundo et radicibus eruit imis, „… mitsamt allen Wurzeln“ ). Leichtes Spiel haben Stürme ( cf. Catull 64,106-108 quercum … indomitus turbo contorquens flamine robur | eruit eqs.; Verg. Aen. 4,441-443 quercum | Alpini Boreae … eruere inter se certant ; 5,449: die radicitus eruta pinus fällt dem Alter zum Opfer ). Zur seltenen Konstruktion mit dem abl. sep. cf. BC 34 f. Lucrinis | eruta litoribus … conchylia ; Hor. epod. 5,17 sepulcris caprificos ( „wilde Feigenbäume“ ) erutas. 29 ponitur ac maculis imitatur vilius aurum : „wird aufgestellt – und äfft mit seiner Maserung das schnödere Gold …“. Das ‚Gold‘ des Zitrustischs meint sein markantes honig- oder bernsteinfarbenes Furnier. – Zu der vertrauten Junktur mensam ponere, „den Tisch aufstellen, richten, decken“, cf. e.g. Hor. serm. 2,3,148 mensam poni iubet ; Ov. met. 8,660 f.; 11,119 mensas posuere ministri ; Sen. dial. 4,25,1 mensa neglegentius posita. – Zur Stellung von BC 29 vor 28 s. unten S. 922f. maculis : Zu macula als „Fleck, Maserung“ des Holzes cf. Sen. dial. 9,1,7 mensa … varietate macularum conspicua ; Plin. nat. 13,98 maculae … discolores ( „mehrfarbige Flecken“ im Zitrusholz); 16,66 crispo macularum discursu ( „von einer krausen Maserung durchzogener Ahorn “ ); 16,231 ; Tert. pall. 5,5 ligneas maculas ; AT Sap. Salom. Vulg. 13,14 ; Thes. VIII, 27,66-71. vilius aurum : Die gleiche Hyperbel gebraucht auch Martial ( 14,89 ): MENSA CITREA . Accipe felices, Atlantica munera, silvas : | aurea qui dederit dona, minora dabit ( cf. T. LEARY ad loc.). Zu den exorbitanten Preisen dieser Tische cf. Plin. nat. 13,92f., und oben. Der alte Komparativ „wertvoller als Gold“ ( cf. Thes. II, 1527,811528,9 ; OTTO 49 s.v. aurum 1, und Nachträge 138; das überlieferte unsinnige vilibus emendierte GRONOV sen.) kehrt in drei Zusammenhängen immer wieder : 1.) bei immateriellen Werten ( e.g. Plat. Rep. 1,336 e δικαιοσύνην …, πρᾶγμα πολλῶν χρυσίων τιμιώτερον, „die Gerechtigkeit, eine Sache, herrlicher als viel Gold“ ~ Cic. rep. 3,8 iustitiam …, rem multo omni auro cariorem ; Hor. ep. 1,1,52 vilius argentum est auro, virtutibus aurum ; Ov. am. 3,8,3 ingenium quondam fuerat pretiosius auro ); zu ihnen gehören auch weise Worte ( Aisch. Choeph. 372 κρείσσονα χρυσοῦ, Worte, „kostbarer denn Gold“ );

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2.) in Herzensangelegenheiten ( e.g. Catull 107,3 f. nobisque est carius auro, | quod te restituis, Lesbia, mi cupido, „… meiner Leidenschaft“ [ nobisque est

HAUPT : nobis quoque codd.]; Tib. 1,8,31 carior est auro iuvenis, und K.F. SMITH ad loc.; Ov. ars 2,299 ipso tibi sit pretiosior auro sc. puella ; met. 8,79 mihi est auro pretiosior sc. crinis paternus ); 3.) bei wertvollen Materialien – wie hier ; cf. 51,6 si scitum esset sc. conditura vitreorum, aurum pro luto haberemus, und e.g. Kallim. iamb. frg. 202,33 Pf. παίχνια χρυσοῖο τιμηέστερα, „Spielsachen, wertvoller denn Gold“; Ov. Pont. 2,8,5 argentum felix omnique beatius auro ( ein mit Kaiserporträts verziertes Relief ); Sen. benef. 7,10,1 quot rerum caritate aurum … victum est ! omnia ista in maiore honore pretioque sunt ( i.e. Luxusartikel wie Zitrustische, Glas, Seide ); dial. 5,35,5 auro pretiosiora sc. marmora ; ep. 110,14 caelata et auro et argento et iis, quae pretium auri … vicerunt ( „getriebene Arbeiten aus Gold und Silber und aus Materialien, die den Wert von Gold übertrafen“ ); Stat. silv. 2,2,68 aera … auro potiora ( „Bronzen, kostbarer denn Gold“ ). Plinius zufolge „behaupte Gold“ nach Edelsteinen, Perlen usw. „in der Preishierarchie gerade einmal Platz zehn“ ( nat. 37,204 auro, circa quod omnes mortales insaniunt, decumum vix esse in pretio locum ). 28 citrea mensa, greges servorum ostrumque renidens : „der Tisch aus Zitrusholz, der Scharen von Sklaven und Purpur spiegelt“. Die polierte Tischplatte reflektiert den Saal, samt der regen Betriebsamkeit ( die überlieferte aurea mensa – wohl ein ‚Echo‘ von BC 29 aurum – emendierte PUTEOLANUS schlagend zu citrea mensa ). Auf die Heerscharen Bediensteter in den Palästen der Patrizier und vermögender Equites und Liberti kommt gerade Seneca immer wieder zu sprechen ( e.g. dial. 9,1,8 vestita et auro culta mancipia et agmen servorum nitentium ; 12,11,3 servorum turbam, quae quamvis magnam domum angustet ; ep. 17,3 turba servorum, ad quos pascendos transmarinarum regionum est optanda fertilitas ; 31,10; s. auch Sil. Ital. 13,360 immensi … greges famulae ad convivia turbae ). Für die mancipiorum legiones in ihren Häusern brauchen die Reichen einen eigenen nomenclator ( Plin. nat. 33,26; s. auch Sat. 117,8 familiam … tam magnam eqs., und Bd. II, S. 753f. ). Zu der Junktur greges servorum cf. Sen. contr. 2,1,26 ignoti servorum domino greges ; Curt. Ruf. 8,8,9 ( von Kriegsbeute) servorum greges ducunt ; Juv. 12,116 de grege servorum ; ferner e.g. Plin. nat. 33,26 mancipiorum legiones ; Stat. silv. 3,4,57 famulum … greges ( in Domitians Palast ); 5,1,21 famulos … greges ; Tac. ann. 3,53,4 familiarum numerum et nationes ; Amm. Marc. 14,6,16 familiarium agmina.

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ostrum : ostrum ( cf. BC 10 ostro, und S. 880 ad loc.) steht hier für die purpurfarbene K l e i d u n g von Gastgeber und Gästen ( so CONNORS 1998, 109 ad loc.: „purple trim on togas“; cf. e.g. Verg. Aen. 11,72 vestīs auroque ostroque rigentīs ; Hor. ars 228 regali … in auro … et ostro, und C.O. BRINK ad loc.; Sen. Thy. 955 f. Tyrio saturas ostro … vestes ; Mart. 12,38,3 perlucidus ostro ; dass womöglich die Sklaven Purpur tragen, erwägt M. DEUFERT in epist.), eher aber für die D e c k e n und B e z ü g e im Triclinium ( lt. HEINSIUS ap. BURMAN 724 die „lectos conviviales“; cf. Sat. 83,10,3 vilis adulator picto iacet ebrius ostro, und e.g. Lucr. 2,35 f. textilibus si in picturis ostroque rubenti | iacteris ; Verg. georg. 2,506 Sarrano dormiat ostro ; Aen. 1,700 strato … super discumbitur ostro ; Ov. her. 12,179 Tyrio iaceat … in ostro ; Sen. Ag. 877 ostro lectus Iliaco nitet ; Mart. 3,82,7 effultus ostro Sericisque pulvillis sc. iacet ; Val. Flacc. 2,342 Tyrio vibrat torus igneus ostro ; App. Verg. Ciris 440 non Libys Assyrio sternetur lectulus ostro, „nicht wird die libysche Bettstatt bedeckt werden mit assyrischem Purpur“ ). Für verwandte Szenen der Flavier cf. Stat. Theb. 1,515-519; Ach. 1,741f. mensas famularis turba torosque | instruit ; Sil. Ital. 11,272-282 ( zit. POLETTI 2017, 218 Anm. 113 ). renidens : Renidēre, „(er)glänzen, (er)strahlen, blitzen, funkeln“, beschreibt oft den Glanz metallener Oberflächen ( e.g. Lucr. 2,27 domus argento fulget auroque renidet ; Verg. georg. 2,281f. ( vor einer Schlacht) fluctuat … aere renidenti tellus ; Hor. c. 2,18,1f. aureum … renidet in domo lacunar ; Stat. Theb. 10,660 sparsa orichalca renident, „das gesprenkelte Messing glänzt“ ), aber auch Haar ( cf. Apul. met. 3,19,5 ), Pflanzen ( cf. Calpurn. Sic. 2,81 renidenti … cortice chias, „Feigen mit schimmernder Schale“ ; Apul. met. 11,7,5 arbores … germine foliorum renidentes ), Himmelskörper ( cf. Hor. c. 2,5,19 f. ut pura nocturno renidet | luna mari ), Landschaften ( cf. Stat. silv. 4,5,7 iam pontus ac tellus renident ). Für poliertes Holz, wie hier, verwendet es einmal Horaz ( epod. 2,66 renidentīs Lares ; s. auch serm. 2,2,4 mensas … nitentīs ; Apul. met. 2,19,1 opipares citro et ebore nitentes, „Festtafeln, die von Zitrus und Elfenbein glänzen“ ). Klassisch singulär ist die transitive Konstruktion mit der Angabe, w a s sich auf der glänzenden Fläche spiegelt ( cf. OLD s.v. renīdeō 1b ad loc.: „( with internal acc.) to reflect“ ). Erst im 4. Jh. kehrt sie wieder ; cf. Avienus orb. terr. 1084 Emesus fastigia celsa renidet ( „Emesa spiegelt die ragenden Giebel“ ihrer turres in caelum nitentes, Vers 1086; zitiert im noch unpublizierten Thes.-Art. zu renīdeō ); Ambrosius Virg. 1,8,45 hortus … fraglat oleam, rosam renidet ( „… spiegelt das Rot der Rosen“; zit. POLETTI 2017, 219 Anm. 117 ). Auch Statius beschreibt maurische Tischplatten und „Scharen“ aufwartender Sklaven, notiert jedoch keine Reflexionen ( silv. 4,2,39

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robora Maurorum famulasque ex ordine turmas ). – Zu renidens s. auch POLETTI 2017, 219-221. 30 quae sensum trahat : „der die Sinne fesselt“. MÜLLER 1 paraphrasiert die Wendung treffend: „quae convivarum oculos animosque in se convertat“, und zitiert Sen. dial. 9,1,7 ( als Hausrat genügt u.a.) mensa non varietate macularum conspicua …, sed in usum posita, quae nullius convivae oculos nec voluptate moretur nec accendat invidiā ( s. auch Stat. silv. 1,3,38: in einem prächtigen Saal huc oculis, huc mente trahor ; POLETTI 2017, 222f. zitiert Hor. serm. 2,2,4 f. inter lances mensasque nitentīs, | cum stupet in vanis [ PEERLKAMP : insanis codd.] acies fulgoribus ). Für den konjunktivischen Relativsatz kommen drei Färbungen infrage: eine k a u s a l e ( „der Tisch wird aufgestellt, w e i l er mit seinem Glanz die Sinne fesselt“ ), eine f i n a l e ( „ d a m i t er die Sinne betört“ ; so e.g. GUIDO ; GRIMAL : „elle doit seulement attirer l’attention“ ; CONNORS 1998, 109: „to beguile the senses“; G. VANNINI in epist.), oder – die wohl beste Lösung – eine faktisch- k o n s e k u t i v e ( „so dass er die Sinne fesselt“; so e.g. EHLERS : „sie schlägt … Augen und Herzen in Bann“; s. auch Sen. dial. 9,1,7, oben zit.). Die Junktur sensum trahere scheint singulär ( zur Idee cf. e.g. Stat. Theb. 6,668f.: ein Athlet vor dem Wettkampf simul omnes | abstulit in se oculos ). Zu sensus cf. OLD s.v. 2: „any one of the five physical senses“ ( hier die Augen); zu trahere cf. OLD s.v. 9b: „to attract, draw ( a person, his attention, etc.)“ – stets in poetischen Kontexten ( u.a. Ov. trist. 2,325 trahunt oculos radiantia lumina solis ; Ps.-Ov. cons. Liv. 351 ad te oculos auresque trahis ; Stat. Ach. 1,843 munera virgineos visūs tractura ; Sil. Ital. 13,806 vultūs … Lavinia traxit, „Lavinia zog die Blicke auf sich“ ). Die erratische Überlieferung ( neben trahat u.a. trahant und turbant, beide bezogen auf maculis – und unmetrisch; s. auch BÜCHELER 1 ad loc.) ist wohl der eigenwilligen Wendung geschuldet ( cf. MÜLLER 1 ad loc.: „sententia mire expressa“ ). Fürsprecher fand v.a. LIPSIUS’ censum ( für die Korruptel cf. Sat. 87,4 sensum, das P. DANIEL zwingend zu censum änderte; ferner Ov. fast. 3,829; Manil. 1,12; 2,69; Tert. adv. Val. 29,3; WISTRAND 1988, 163; VANNINI 2007, 179 Anm. 62 ), zu verstehen als „( vergeudetes ) Vermögen“ ( so MÖßLER 1865, 13 Anm.; cf. BC 86 censum in damna furentem, und S. 1023 ad loc.; s. auch BC 36 ut renovant per damna famem ). HELM kombinierte censum mit trahat ( 1956, 231; so u.a. auch WISTRAND 1988, 163 ), HEINSIUS mit dem metrisch unmöglichen turbant ( BALDWIN 1911 wählte den gleichfalls unmetrischen Sg.: censum turbat ).

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Die Bedeutung „verschwenden“ ist allerdings für beide Verben so gut wie unbelegt ( zu trahere käme infrage Sall. Cat. 20,12 omnibus modis pecuniam trahunt vexant ; cf. K. VRETSKA ad loc.; OLD s.v. 5a ; zu turbare nennt OLD s.v. 5c als einzigen Beleg Juv. 14,94 ). Vor allem aber deutet bereits BC 29 die absurden Preise der Tische an; die Aussage wäre eine merkwürdige Dublette. – Zu dem Relativsatz s. auch POLETTI 2017, 222-224. Fast alle modernen Editoren bewahren die überlieferte Abfolge dieses Abschnitts ( u.a. ERNOUT ; MÜLLER ; CIAFFI ; GIARDINA – MELLONI ): ecce Afris eruta terris citrea mensa, greges servorum ostrumque renidens, ponitur ac maculis imitatur vilius aurum, quae sensum trahat.

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Doch es gab mehrere Vorschläge, die Reihenfolge zu ändern. SCALIGER stellte BC 28 hinter 30, MÖßLER ( 1842, 43 Anm. 32) BC 29 hinter 30 – beides wenig glückliche Lösungen. Umso überzeugender vertauschte GRONOVIUS BC 28 und 29 ( ihm folgten zurecht u.a. BOUHIER, ANTON, BÜCHELER [ mit AMARs quae secum trahit ] und BALDWIN ): ecce Afris eruta terris ponitur ac maculis imitatur vilius aurum citrea mensa, greges servorum ostrumque renidens, quae sensum trahat.

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Dank dieser Umstellung gewinnt der Text : Der Relativsatz rückt näher an sein Bezugswort mensa und v.a. an das part. coni. renidens, das erst jetzt wirklich Sinn ergibt ( erst wenn der Tisch aufgestellt ist, kann die Dienerschaft sich in ihm spiegeln; und eben jenes ‚Spiegeln‘ insgesamt ist es, das ‚die Sinne fesselt‘ – und nicht etwa die golden schimmernde Maserung ( so der Einwand von M. DEUFERT in epist.; in dem Fall wäre eher ein – unmetrisches – quibus sensum trahat zu erwarten ). Vor allem aber gewinnt die kleine Ekphrasis an Dramatik, wenn der Hörer zunächst rätselt, was da ( pointiert am Versanfang ) „aufgestellt“ wird und das „billigere Gold“ in die Schranken weist ( POLETTI 2017, 218f. wie G. VANNINI in epist. erscheint die ‚Retardierung‘ des Subjekts zu forciert ; s. aber POLETTI ebd. 219: „un passo … scientemente costruito con gusto per l’ambiguità e per l’obscuritas “ ). Ähnlich, in kleinerem Maßstab, operieren u.a. BC 16 f. fremens premit advena classes | tigris ; 34 f. ( ebenfalls mit eruta ) atque Lucrinis | eruta litoribus

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vendunt conchylia cenas ; 36f. iam Phasidos unda | orbata est avibus, und v.a. 37f. mutoque in litore tantum | solae desertis adspirant frondibus aurae : auf die Schlüsselinformation ( tigris, conchylia, avibus, aurae ) muss der Leser stets warten. Und auch die beiden vorausgehenden Themen, venationes und Kastration, beginnen als ‚Rätsel‘ ( 13-18 ecce aliae clades et laesae vulnera pacis. | quaeritur eqs.; 19-27 heu, pudet effari perituraque prodere fata: | Persarum ritu eqs.). Eben dieses ‚Rätsel‘ könnte einen Kopisten irritiert und zu der ‚Korrektur‘ veranlasst haben. 30 hoc sterile ac male nobile lignum : „um dieses nutzlose und minderwertige Holz …“. Von ihrem ästhetischen Reiz abgesehen, besitzen Zitrustische keinerlei praktischen Mehrwert, wie das Epitheton sterile deutlich macht ( „ertraglos, unfruchtbar“ ). Oft beschreibt es wirtschaftlich wertlose Pflanzen und Bäume, e.g. Flughafer ( Verg. ecl. 5,37 steriles … avenae ) oder Bergeschen ( georg. 2,111 steriles … orni ; cf. 2,440-453 den Katalog der steriles silvae, der ‚nicht fruchttragenden Baumarten‘ ); s. auch Ov. met. 8,789 sterilis sine fruge, sine arbore tellus ; Quint. inst. 8,3,8 sterilem platanum … quam maritam ulmum et uberes oleas praeoptaverim ? ( „ziehe ich die fruchtlose Platane der weinumrankten Ulme und strotzenden Ölbäumen vor ?“ ); Apul. met. 11,7,5 arbores … earum tantum umbrā contentae steriles ; cf. OLD s.v. 2 a. „Raising trees that bore no fruit was considered the height of decadence“ ( SCHMELING – SETAIOLI ad loc., mit Verweis auf Sen. dial. 7,17,2 cur arbores nihil praeter umbram daturae conseruntur ?, sowie das bedeutungsgleiche infelix lignum, e.g. Catull 36,8; cf. G. FRIEDRICH ad loc.). – Vielleicht ist die ‚Unfruchtbarkeit‘ auch ein Vorgeschmack auf den tödlichen Konflikt ( cf. 31 turba sepulta ), dessen lange Schatten über Rom fallen. Das singuläre male nobile wurde recht verschieden wiedergegeben, e.g. „ignobly prized“ ( BALDWIN ), „sinistrement célèbre“ ( ERNOUT ), „foolishly celebrated“ ( CONNORS 1998, 109 ), „unworthy of fame“ ( SCHMELING ad loc.); „regrettably celebrated ( prized )“ ( A. SETAIOLI in epist.). Nobile kann negativ verwendet werden: „notorisch, berüchtigt“ ( cf. SCHÖNBERGER : „dieses übel berüchtigte Holz“, und e.g. Plaut. Rud. 619 se scelere fieri nolunt nobiles ; Cic. Verr. 2,82 facinus nobile ; Ov. am. 2,18,37 nobile crimen ; Sen. Ag. 566 scelere Lemnon nobilem, und R.J. TARRANT ad loc.). Hier behält es jedoch seine genuine Qualität, in Verbindung mit male sinngemäß also „mitnichten hochwertig“ ( cf. WALSH : „this wood, so lowborn“; HOLZBERG : „dieses gar nicht edle Holz“ ). Das Material steht metonymisch statt des Tischs ( cf. e.g. Verg. Aen. 2,45 hōc inclusi ligno … Achivi, und N. HORSFALL ad loc.).

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Zu male als euphemistisch gemilderter Negation, die aus der Umgangssprache auch den Weg in die gehobene Dichtung fand ( e.g. Hor. c. 1,9,24 digito male pertinaci ; Tib. 1,10,51 ~ Ov. fast. 6,785 male sobrius, „sturzbesoffen“ ), s. auch BC 20 male pubescentibus annis ; 85 opes male sustinet ; 193 male fida sc. lues ; ferner Bd. I, S. 110; HOFMANN 145 ; HSZ 455 ; PETERSMANN 228f. ; Thes. VIII, 243,18-244,12. 31 turba sepulta mero circumvenit : „… lagert der Haufe, begraben vom Wein“. Ihre Flüssigkeiten abweisende polierte Oberfläche macht diese Tische zum idealen Möbel fürs Gelage: „Wein greift ihre Maserung nicht an – als seien sie für den Wein geboren“ ( Plin. nat. 13,99 nec vinis laeduntur ut his genitae ). Zitiert Eumolp sich selbst ? In der Troiae Halosis heißt es sepultos Priamidas nocte et mero ( TH 56; cf. Bd. I, S. 197f.), in Anspielung auf Vergils Troja ( Aen. 2,265 invadunt urbem somno vinoque sepultam ). Wie einst die Troer nach dem vermeintlichen Abzug der Griechen weinselig feierten, umlagern nun ihre Nachfahren, die siegreichen Römer, trunken die Festtafel ( cf. BC 58 hōc mersam caeno Romam somnoque iacentem ) – und sind wie die Troer verantwortlich für den eigenen Untergang. „A comparison between the drunken Romans and the drunken Trojans mischievously reinterprets Rome’s decadence as a legacy of the legendary past.“ ( CONNORS 1998, 110; cf. dies. 1989, 59; RIMELL 2002, 95 Anm. 37: „too concerned with present pleasures“, habe Rom aus den alten Fehlern nichts gelernt ). Kurzum: Rom wird wie Troja untergehen. Bei Seneca geschieht das Gleiche in Mykene, wenn Agamemnon trunken einen Sieg feiert, der ihm den Tod bringt ( wie kurz zuvor die Troer, und nun in bitterer Ironie die Römer ). In Kassandras Vision verschmelzen Agamemnons Siegesfest und Priamos’ letztes Mahl ( Ag. 875-878 epulae regiā instructae domo, | quales fuerunt ultimae Phrygibus dapes, | celebrantur : ostro lectus Iliaco nitet | merumque in auro veteris Assaraci trahunt ; cf. R.J. TARRANT ad loc.; nach YEH 2007, 181f. ). Von der zunächst fast neutralen Ekphrasis der mensa citrea führt der Weg über die harsche Verurteilung des Möbels ( sterile und male nobile ) zu der dem Untergang geweihten Festgesellschaft. mero : Das plastische merum hat in den Sat. etliche Auftritte ( meist im Abl.: 79,9 solutus mero ; TH 56 sepultos … mero ; TH 62 graves … mero ; 105,3 mero … perfusos ; 138,3 solutae mero ac libidine ; s. auch 88,6 nos vino scortisque demersi ). Oft genug verweist es auf den unvermischten Wein und den Rausch ( e.g. Hor. c. 1,13,10 f. immodicae mero | rixae ; 1,18,8 f. rixa super

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mero | debellata ; Ov. ars 1,600 ( bei Taktlosigkeiten) credatur nimium causa fuisse merum ; Sen. Herc. fur. 778 f. Centauri … multo in bella succensi mero ; ep. 83,21 ( zu den Symptomen des Rauschs zählen ) stomachi tormenta, cum effervescit merum ac viscera ipsa distendit ; Mart. 6,89,8 desine mirari, Rufe : merum biberat ( s. auch YEH 2007, 180-182 ). circumvenit : Fast alle neueren Herausgeber schreiben circum venit getrennt, als wäre zu lesen turba venit circum hoc lignum ( u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; MÜLLER ; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI ). Doch das Simplex ergibt im Kontext kaum Sinn ( metrisch unmöglich ist das leidlich denkbare Perfekt ). Zurecht unterstreichen die Übersetzer durch die Bank das Statische der Szene ( e.g. WALSH : „Around this wood … a drunken mob reclines“; HOLZBERG : „Dieses … Holz umlagert eine vom Wein begrabene Schar“ ). Zu schreiben ist also mit den älteren Editoren circumvenit ( so u.a. BOUHIER ; BURMAN ; ANTON ; DE GUERLE ; s. auch MÖßLER 1842, 43 Anm. 32; STUBBE 102 ; GUIDO ); cf. Sat. 92,8 frequentia ingens circumvenit sc. Ascylton; 114,10 utrumque zonā circumvenientī praecinxit. 31-32 omniaque orbis | praemia correptis miles vagus extruit armis : „und sämtliche Güter des Erdenrunds türmt mit gezückter Waffe der in Übersee stationierte Soldat auf“. Vagi milites ( hier kollektiver Sg. wie BC 9 und 152 ) tauchen wiederholt bei Livius auf, später bei Tacitus und Silius. Im Kontext hier geht es nicht um „Söldner“ ( WALSH : „soldiers of fortune“ ) oder Feldzüge ( STUBBE : „im Kriege“ ), beides nicht belegte Verwendungen der Junktur. Es handelt sich auch nicht um Patrouillen ( Tac. hist. 2,96,2 vagis per urbem militibus ), schnelle Eingreiftruppen ( Sil. Ital. 4,826 ), im Gelände versprengte Einheiten ( e.g. Liv. 35,2,8 vagos milites de exercitu P. Africani ) oder Soldaten, die sich außerhalb des Lagers frei bewegen ( e.g. Liv. 28,22,3; 33,29,2 ) und marodieren ( e.g. Liv. 8,34,9; Tac. ann. 1,21,1 vagi sc. milites circumiecta populabantur ; 2,55,3 vagum ac lascivientem per agros militem ). Gemeint ist vielmehr Roms Armee, die in Übersee die ökonomischen Interessen des Reichs sichert, mit einem wachen Auge für eigene Einkünfte ( „miles vagus refers to all the Roman soldiers, who have gone a long way to camps in all parts of the empire and greedily take away all the riches they can lay their hands upon. The miles is vagus because he is ready to wander all over the world to pillage.“; A. SETAIOLI in epist.; s. auch die lose Verbindung zu BC 6f. fatisque in tristia bella paratis | quaerebantur opes ). Nicht anders Roms Kaufleute, die in den ( und jenseits der ) Provinzen Handel treiben und auf Profit spekulieren; cf. Tib. 1,3,39f. vagus ignotis repetens compendia terris | presserat externā navita merce ratem ( „unterwegs in un-

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bekannten Landen, auf Gewinn bedacht, hatte der Seefahrer das Schiff mit fremdländischer Ware überfrachtet“; cf. K.F. SMITH ad loc.); Hor. ars 117 mercator … vagus ( N. RUDD : „the much-travelled merchant“ ); Manil. 1,87 f. vagus in caecum penetravit navita pontum, | fecit et ignotis iter in commercia terris ( „the roving sailor made his way into the uncharted sea and established trade-routes between lands unknown to each other“; übers. G.P. GOOLD ). Der Passage hier am nächsten kommt Vergils Priamel, die der Ausbeutung der Provinzen eine Schlüsselrolle in den politischen Verwerfungen der späten Republik zuweist : sollicitant … remis freta caeca, ruuntque | in ferrum, penetrant aulas et limina regum ; | hic petit excidiis urbem miserosque penatīs, | ut gemmā bibat et Sarrano dormiat ostro eqs. ( georg. 2,503-512; cf. R. MYNORS bzw. M. ERREN ad loc.). Markant sind sowohl die Alliteration als auch das Enjambement ( omniaque orbis | praemia ; zu der Elision cf. SOUBIRAN 1966, 465 ). praemia : Zu praemia cf. Sulpicia conquestio 30f. ( == epigr. Bob. 37,30f. ): dank seiner militärischen Erfolge verfügt Rom über omnia bellorum terrā quaesita marique | praemia. Doch die Beute aus Übersee verführt zu Luxus und Verschwendung ( Lukan 1,160-162 opes nimias mundo Fortuna subacto | intulit et rebus mores cessere secundis | praedaque et hostiles luxum suasēre rapinae ; s. auch 3,130 non feret e nostro sc. aerario sceleratus praemia miles : der Volkstribun Lucius Metellus zu Caesar, der den römischen Staatsschatz konfiszieren will; cf. S. 1370 zu BC 292 ). correptis … armis : Zu der erst kaiserzeitlich belegten Junktur arma corripere ( u.ä.; bisweilen ~ „to go to war“ ) cf. 132,8,1 corripui … manu bipennem, und u.a. Verg. Aen. 2,479 correptā durā bipenni ; 12,260f. ferrum | corripite ; 12,278f. missile ferrum | corripiunt ; Vell. Pat. 2,110,2 Pannonia … arma corripuit ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 873 corripite tela ; Sil. Ital. 4,414 ; Tac. ann. 3,46,3 correptis securibus ; Florus epit. 1,3,6 populus Romanus … arma pro libertate corripuit ; Thes. IV, 1040,54-66 ; OLD s.v. corripio 1a ( s. auch BC 143 civilia sustulit arma ). BALDWIN 1911, 129 empfahl BOURDELOTs corruptis : die ‚ehrlosen Waffen‘ seien „infinitely more expressive and imaginative“; in Enallage zielten sie auf „the soldier’s character and the purposes for which his arms are employed“. Doch der moralische Zeigefinger passt eher zu der turba sepulta ( 31 ), den empti Quirites ( 39 ), dem venalis populus und der venalis curia patrum ( 41 ). Hier liegt der Akzent auf Roms aggressivem Auftritt in Übersee.

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extruit : Das überlieferte ēsurit ergibt im Kontext nur bedingt Sinn. Meist wird es wörtlich verwendet ( cf. 98,5 esuriens Cyclops ; 141,11 ). Übertragen ( „hungern nach“ ) erscheint es klassisch nur selten; u.a. Val. Max. 9,4,3 scelesta sc. auri fames in has usque … iniurias esurire non debuit ; Sen. ep. 47,8 sciunt …, quid illo die esuriat ( gute Domestiken wissen, wonach es den Herrn gerade „gelüstet“ ); Curt. Ruf. 7,8,20 quid tibi divitiis opus est, quae esurire te cogunt ? ; Ps.-Quint. decl. 12,27 pater liberos esurit. Unter dem Strich ist die Passage BC 9-38 klar strukturiert: auf einen kleinen Katalog hochpreisiger Konsumgüter ( 9-12: Bronze, Edelsteine, Purpur, Stoffe, Spezereien) folgen vier Themen, die ausführlicher dokumentiert werden ( Arena, Kastration, Mobiliar, Delikatessen ). Im Detail zeigt sich ein organischer Gedankengang von den Lustknaben über die Tische zu den auf ihnen servierten Leckerbissen ( 34 ad mensam eqs.). Gleich zwei Bindeglieder unterstreichen diesen Zusammenhang : die scorta ( BC 25 ) tummeln sich unter den greges ( BC 28 ); und ein Trikolon von gleich drei „Tischen“ verknüpft die Stichworte ‚Mobiliar‘ und ‚Delikatessen‘: um den Tisch lagert die trunkene Meute ( BC 30f., bes. 30 lignum ) – Roms Heere decken ihn ( BC 31f., bes. 31 orbis, „Erdkreis“, wie BC 1, als auch „Tisch“; erster Beleg Lukan 10,145; cf. OLD s.v. orbis 2f ) – auf ihm endet der Seepapagei ( 33f., bes. 34 mensam ; cf. CONNORS 1998, 110; s. auch KERSHAW 1991). Diesen Fluss unterbricht der „gierige Soldat“ wie ein Fremdkörper – zumal vom miles bereits die Rede war ( BC 9 aes Ephyrae captum laudabat miles ). Keine Lösung ist SHACKLETON BAILEYs Vorschlag, die drei Verse BC 30-32 als ‚belangloses Geschwätz‘ zu tilgen ( 1987, 463 ). Damit gingen nicht nur ein, zwei passable Verse verloren, sondern auch die Symmetrie der Passage insgesamt ( deren Elemente im Schnitt jeweils sechs Verse umfassen ). Extruit hingegen, eine Konjektur von δ, verbessert den Gedankengang merklich: „häuft Schätze auf “ ( ed. Torn.; so u.a. BURMAN ; MÖßLER 1842, 48 Anm. 41; cf. Sat. 84,2 qui solas extruere divitias curant, und e.g. Cic. Pis. 67 exstructa mensa … multa carne subrancidā ; Tusc. 5,62 mensae conquisitissimis epulis exstruebantur ; Hor. c. 2,3,19f. exstructis in altum | divitiis ; Ov. met. 11,119f.; Thes. V 2, 1938,84-1939,12: „mensam abundanter cibis onerare, instruere“; OLD s.v. 1b ). BC 31f. wird fast zur logistischen Fußnote zu 30f.: der miles vagus, Synonym für die Symbiose aggressiver römischer Außen- und Handelspolitik, sorgt für steten Nachschub ( cf. BALDWIN 1911, 130: „the whole tremendous power of the armed Empire is made to serve the appetites of the besotted turba at Rome“; s. auch

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M. DEUFERT in epist.: „Hier schlösse sich ein Kreis mit BC 3-7 : nur aggressive Eroberungspolitik sichert den Luxus.“ ). Gleichwohl bleibt ( abgesehen von der Frage, wie die überlieferte lectio difficilior zustande kam ) ein gewisses Unwohlsein. Von der Gewalt in Übersee war bereits die Rede ( BC 4-7, bes. 6f. hostis erat, fatisque in tristia bella paratis | quaerebantur opes ) – und ebenso vom miles ( BC 9; gedanklich knüpft BC 31f. eher an BC 9 an ). Zeigt sich gerade hier die flüchtige Hand des ‚ersten Wurfs‘ ( 118,6 impetus )? 33 – 38 Luxusdelikatessen Eumolps Schlaglichter auf den römischen Konsum gipfeln in einem Akkord von Papageifisch, Auster und Fasan ( für kulinarische Trikola cf. Sen. contr. 10 praef. 9 quidquid avium volitat, quidquid piscium natat, quidquid ferarum discurrit, nostris sepelitur ventribus ; Lukan 10,155-157, unten zit.). Auster und Papageifisch vereint auch Horaz ( epod. 2,49f. non me Lucrina iuverint conchylia | magisve … scari ; serm. 2,2,21f. neque ostrea | nec scarus … poterit … iuvare ). Das Thema Haute Cuisine erscheint in der griechischen und römischen Literatur vielerorts, nicht selten eingebettet in Sittenkritik. Gerade Seneca käut es breit wieder, wobei er zwei Punkte v.a. herausstreicht : ohne Rücksicht auf den aberwitzigen Aufwand und die ökologischen Folgen importieren wir aus Übersee exotische Delikatessen – die als amuse-gueules einzig der Stimulierung überreizter Sinne und übersättigter Gaumen dienen: „Von überall her schleppt man für verwöhnte Gaumen alles Bekannte zusammen ; was der vom Schlemmen angegriffene Magen kaum noch verträgt, wird vom äußersten Ozean herbeigeschafft ; man erbricht sich, um zu essen, man isst, um sich zu erbrechen, und Speisen, die man auf dem gesamten Erdkreis zusammensucht, werden nicht einmal richtig verdaut“ ( dial. 12,10,3 undique convehunt omnia nota fastidienti gulae ; quod dissolutus deliciis stomachus vix admittat, ab ultimo portatur oceano ; vomunt ut edant, edunt ut vomant, et epulas, quas toto orbe conquirunt, nec concoquere dignantur ; cf. ebd. § 5 quid opus est tot artibus ventri servientibus ? … quid vastatione silvarum ? quid profundi perscrutatione ? eqs.; ep. 89,22 profunda et insatiabilis gula hinc maria scrutatur, hinc terras, alia hamis, alia laqueis, alia retium variis generibus cum magno labore persequitur : nullis animalibus nisi ex fastidio pax est ; quantulum ex istis epulis per tot comparatis manūs fesso voluptatibus ore libatis ? quantulum ex istā ferā periculose captā dominus crudus ac nauseans gustat ?, „… der an Verdauungsproblemen und Übelkeit leidet“; 95,19 vide quantum rerum per unam gulam transiturarum

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permisceat luxuria, terrarum marisque vastatrix ; die physiologischen Folgen der Gefräßigkeit beschreibt er anschaulich ep. 95,16f. ). Wog das Problem bereits gegen Ende der Republik so schwer, wie parteiische Zeitgenossen vermuten lassen ? Die Wendung nec minor in campo furor est ( BC 39 ) impliziert im Umkehrschluss, dass der furor auch im Speisesaal wütet – was Lukan bestätigt : bei Kleopatras Gastmahl tischt man auf, „was rasende Verschwendungssucht in eitlem Eifer auf der ganzen Welt zusammengetragen hat“ ( 10,155-168 infudēre epulas auro, quod terra, quod aer, | quod pelagus Nilusque dedit, quod luxus inani | ambitione furens toto quaesivit in orbe eqs.; s. auch die Tirade gegen den Tafelluxus 4,373-376 o prodiga rerum | luxuries numquam parvo contenta paratis | et quaesitorum terrā pelagoque ciborum | ambitiosa fames et lautae gloria mensae ). Doch in jenen Krisenjahren blieb das Phänomen wohl eher eine Randerscheinung ( das Macrobius sat. 3,13,11f. beschriebene Galamenü des pontifex maximus Metellus fand 70 v.Chr. statt ). In seiner Diagnose des innenpolitischen Verfalls der Republik streift Sallust den Punkt nur ( Cat. 13,3 vescendi causā terrā marique omnia exquirere ). Erst mit dem Prinzipat beginnt die Epoche der römischen Haute Cuisine – „wozu der Aufschwung des Handels nach Wiederherstellung des Weltfriedens und namentlich die Eröffnung des Verkehrs mit Ostindien und ganz Asien über Alexandria ohne Zweifel sehr wesentlich beitrug.“ ( FRIEDLÄNDER II, 1922, 287; s. auch MOMMSEN 111917, 525f., bes. 526: „Kein Naturforscher kann eifriger die Länder und Meere nach neuen Tieren und Pflanzen durchsuchen als es von den Eßkünstlern jener Zeit wegen neuer Küchenelegantien geschah“ ). – LIT. FRIEDLÄNDER II, 1922, 282-312; EDWARDS 1993, 186-190; E. GOWERS, The loaded table, Oxford 1993 ; STEINHÖLKESKAMP 2002; dies., Essen ohne Grenzen : Hermes 142, 2014, 162180 ( ferner Bd. I, S. 241f. ). Die Sat. bringen den Tafelluxus wiederholt zur Sprache. In der Cena zitiert Trimalchio ein angebliches Gedicht des Publilius, das für Roms Niedergang gleichfalls die kulinarischen Exzesse verantwortlich macht ( 55,6 luxuriae rictu Martis marcent moenia eqs., „Im Rachen der Völlerei wird Rom mürbe …“; cf. SETAIOLI, Nugae 113-132 ) und u.a. edles Importgeflügel auflistet, nach dem es verwöhnte Gaumen verlangt ( 55,6,2-8: Pfau, Perlhuhn, Kapaun und Storch). Bereits in Kampanien versucht sich Eumolp an dem Thema, wenn er in seinen Hendecasyllaben die heimische Kost mit exotischen Importen vergleicht ( 93,2; Fasan und Perlhuhn stechen Gans und Ente aus, der Papageifisch die Barbe; cf. Bd. I, S. 241-248 ad loc.). Es gibt Parallelen zur Passage hier. Beide Male geht es um Geflügel und Fische / Muscheln

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( 93,2,1-5 Geflügel; 93,2,5-8 Fische ; BC 33-36 Fische / Austern; BC 3638 Geflügel – eine Art ‚Chiasmus auf Distanz‘ ). Zudem beginnt sein erster Text mit dem Fasan, sein zweiter endet mit ihm – wie in einer Ringkomposition, und vielleicht mit einem Hintergedanken: w e i l man dem Tier am Phasis „nachstellte“ ( 93,2,1 ales Phasiacis petita Colchis ), ist es dort nun ausgestorben ( BC 36f. iam Phasidos unda | orbata est avibus ). Beide Texte unterstreichen die Herkunft aus Übersee ( 93,2,1f. ales Phasiacis petita Colchis bzw. Afrae volucres ; 93,2,5-7 ultimis ab oris eqs.; BC 33 Siculo … aequore ; 36-38 Phasidos unda ). Und beide betonen die kulinarische Qualität der Produkte, mit einer markanten Verschiebung : 93,2 sind es Exotik und Exklusivität, die die besagten Gerichte aufwerten ( bes. 93,2, 2f. placent palato, | quod non sunt faciles ; cf. e.g. Pacatus Paneg. Lat. 2,14,2 Mynors appositas dapes non sapore sed sumptu aestimantes ). Hier rückt v.a. die aufwendige Logistik in den Blick, in einem Trikolon vom Import lebender Fische ( 33f. ) über die Austernzucht ( 34-36 ) zu den erschöpften Beständen am Phasis ( 36-38 ); mit letzteren klingt der Passus in fast melancholischem Ton aus. 33 ingeniosa gula est : „Erfinderisch ist unser Gaumen !“ Geht es um innovative kulinarische Sinnesreize, „lässt unser Gaumen sich gerne etwas einfallen“. Ähnlich klagt Plinius über den „Wahnwitz des Bauchs“ ( nat. 19,54 heu prodigia ventris ! ; cf. Juv. 5,94 gula saevit ). Gula ( cf. 132,13 ventri male dicere solemus aut gulae capitique ) steht hier metonymisch ( als concretum pro abstracto ) für „voracitas, exquisitae cenae appetitus, luxus sim.“ ( Thes. VI 2, 2356,8f. ), wie in Sallusts inritamenta gulae, „Gaumenkitzel“ ( Iug. 89,7; cf. Plin. nat. 16,31 boletos suillosque, gulae novissima inritamenta, „Champignons und Schirmpilze, als Gaumenkitzel dernier cri “ ; Tac. hist. 2,62,1 ex urbe atque Italiā inritamenta gulae gestabantur ; Amm. Marc. 28,4,3). Der Begriff erscheint auch in der öffentlichen Diskussion; e.g. Sen. benef. 3,28,4 libidinis et gulae servus ; Colum. 8,16,4 periurium multorum subtiliorem fecit gulam, doctaque et erudita palata fastidire docuit fluvialem lupum, „das vernichtende Urteil eines Gourmets machte den Geschmackssinn vieler Leute noch anspruchsvoller und lehrte erprobte Gaumen, den Flussbarsch zu verschmähen“; Gell. 6,16 tit. delicatorum hominum luxuriantem gulam, „die ausschweifende Gaumenlust der Leckermäuler“. Als „Gourmet par excellence“ wurde Apicius betitelt ( Schol. Juv. 4,23 Wessner exemplum gulae ). Martial hegt eine Schwäche für den plastischen Begriff ( 12 x gula, 10 x gulosus ), teils negativ gefärbt, als Inbegriff gierigen Schlingens ( e.g. 1,20,3 quid dignum tanto … ventre gulāque ; 5,70,5 o quanta est gula, centiens comesse !,

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„was für ein Schlund, der zehn Mio. verfrisst !“ ), teils – wie hier – positiv, als „Geschmack(ssinn)“ ( e.g. 6,11,5 f. tu Lucrina voras, me pascit aquosa peloris : | non minus ingenua est et mihi, Marce, gula ; 14,220,2 cocus domini debet habere gulam ). Zum Gaumen als Sitz des Geschmackssinnes cf. OLD s.v. 2 b; Thes. VI 2, 2356,8ff. Das Adjektiv ingeniosus taucht bisweilen in kulinarischen Kontexten auf. Seneca prangert die ingeniosa luxuria an, die „experimentierfreudige Genußsucht, die nur das Teure zu schätzen weiß“ ( nat. 4 b,13,4 adeo nihil illi potest placere nisi carum ; cf. ep. 88,18 et cocos et ceteros voluptatibus nostris ingenia accommodantes sua, Teil des modernen Lebens sind „die Köche und die anderen, die unserem Genuss ihren Einfallsreichtum widmen“ ). Freundlicher urteilt Martial ( 14,117 ): LAGONA NIVARIA. Non potare nivem, sed aquam potare rigentem | de nive commenta est ingeniosa sitis ( „EISWASSERKRUG. Nicht Schnee zu trinken, sondern Wasser, eiskalt von Schnee: auf diesen Geniestreich kam findiger Durst.“; s. auch Plin. paneg. 49,7: Trajans Gastmähler verdienten Bewunderung für die exquisita ingenia cenarum, „die exklusive Kreativität ihrer Menüs“; zit. WERNSDORF 1782, 31 ). Hierher gehört auch jenes Distichon Martials zum Thema ‚Masthähnchen‘ ( 13,62 ), an dessen Ende dasselbe Aperçu auftaucht : GALLINAE ALTILES. Pascitur et dulcī facilis gallina farinā, | pascitur et tenebris. ingeniosa gula est (cf. T.J. LEARY ad loc.). Das Distichon bringt zwei Innovationen auf den Punkt, die bedauernswerten Tiere effektiver zu mästen: eine für Hühner untypische Kost aus in Honigwasser aufgeweichten Körnern, sowie Dunkelheit ( und die damit einhergehende fehlende Bewegung ). Diese auffällige Dublette spielt eine Rolle in der Diskussion um die Entstehungszeit des Romans. Die Pointe passt bestens zu Martials Diktion – und zu seiner geistesverwandten ingeniosa sitis ( 14,117,2 [ s. oben ], ebenfalls am Versende ; s. auch 1,73,4 ~ 7,9,2 ingeniosus homo ). Doch genauso gut leitet sie einen Exkurs zur römischen Gourmandise ein. Die Frage der Priorität lässt sich m.E. nicht entscheiden – zumal die Möglichkeit besteht, dass Petron wie Martial den sentenziösen Halbvers beide aus älteren Quellen schöpften ( cf. COLLIGNON 172f.: „Ceci a tout l’air d’un vers proverbial que les deux auteurs peuvent avoir repris à Lucilius ou à Varron, ou (…) aux Heduphagetica d’Ennius“; STUBBE 83f.; GUIDO 1976, 104 ; COURTNEY 2001, 188 ; VANNINI 2011, 76 ). BC 33 ist einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions ( cf. YEH 2007, 243-246 ).

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33-34 Siculo scarus aequore mersus | ad mensam vivus perducitur : „Der Papageifisch, verborgen in der sizilischen See, wird noch lebend zur Tafel geleitet“. Der scarus ist der Europäische Papageifisch ( cf. Bd. I, S. 246 ), der in der Antike v.a. vor den Felsküsten des östlichen Mittelmeers heimisch war, bes. zwischen Rhodos, Kreta und Kleinasien ( cf. Colum. 8,16,9 scarus … totius Asiae Graeciaeque litore Siciliā tenus frequentissimus exit eqs.; Plin. nat. 9,62 ). Während der Republik kamen Seepapageien in Italien nur auf den Markt, „wenn welche aus den östlichen Gewässern donnernd ein Wintersturm in dieses Meer treibt“ ( Hor. epod. 2,50-52 scari, | si quos Eois intonata fluctibus | hiems ad hoc vertat mare ; cf. L.C. WATSON ad loc.). Entsprechend selten und kostspielig war der dem Urteil der Kenner zufolge beste aller Speisefische ( Plin. nat. 9,62 principatus scaro datur ). Zu denken gibt allerdings, dass er ‚lebend aufgetragen‘ wurde. Das passt zur Meerbarbe ( Mullus barbatus L.; so bereits DE SALAS 234 ad loc.), deren silbrige Haut sich im Todeskampf lebhaft rötlich verfärbt, weshalb sie bei Festmählern oft vor den Augen der Gäste sterben musste ( cf. Sen. nat. 3,17,2 parum videtur recens [ „frisch“ ] mullus, nisi qui in convivae manu moritur. vitreis ollis inclusi afferuntur et observatur morientium color, quem in multas mutationes mors luctante spiritu vertit ; 3,18,1 nihil est … mullo expirante illis formosius ; ipsā colluctatione animae deficientis rubor primum, deinde pallor suffunditur eqs.; ebd. § 3 ad hunc fastum pervenit venter delicatorum, ut gustare non possint, nisi quem in ipso convivio natantem palpitantemque viderunt ; Plin. nat. 9,66 ; Mart. 13,79, und T.J. LEARY ad loc.; ferner Bd. I, S. 247 ). Die verflochtenen Hyperbata ( Siculo scarus aequore mersus ) und die Alliteration ( Sic- scar-) imitieren das Verschmelzen des Seepapageis mit seinem natürlichen Element ; das abrupte und alliterierende Enjambement ( mersus | ad mensam ) spiegelt den Verlust seines Habitats ( Ähnliches geschieht BC 34 f. der Auster ; cf. das Lemma zu eruta ). Drei Spondeen begleiten als marche funèbre seinen Weg zur Tafel ( ád mensám vivús per -). mersus : Das PPP, das sich gerne mit dem abl. loci verbindet, bezeichnet hier die Heimat des Seepapageis in Siziliens Gewässern : „in der sizilischen See zuhause“ ( cf. Thes. VIII, 835,71 f. zu mersus : „pro adi.: i.q. in profundo situs, submersus“, und e.g. Ov. ars 3,402: hätte Apelles Aphrodite nicht gemalt, mersa sub aequoreis illa lateret aquis ; Manil. 4,897f. animalia … mersa vadis ; Sen. Thy. 593: bei ruhiger See mersos numerare pisces ; ep. 108,20 pecudibus ferisve aut aquā mersis : „Vieh, Wild oder Fisch“ ). Vom Fang der Meerbarbe und Muräne in der Straße von Messina berichtet Juvenal ( 5,92f. mullus …, quem | Tauromenitanae rupes sc. miserunt ; 5,99f. muraena … maxima vēnit | gurgite de Siculo ; s. auch Mart. 13,80 ).

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Historisch heikel ist WALSHs Übersetzung des Passus: „the wrasse, imported in Sicilian water“. Tatsächlich gelang es zu Claudius’ Zeit, den Seepapagei in den Gewässern vor Latium und Kampanien heimisch zu machen ( Plin. nat. 9,62f. ; Macrobius sat. 3,16,10 ). Dass dies auch vor Sizilien geschehen sei, ist nirgendwo belegt. 34-35 atque Lucrinis | eruta litoribus vendunt conchylia cenas : „und den Lukriner Gestaden entrissene Austern stimulieren den Appetit“. Die „Königin der Festtafel“ ( Plin. nat. 32,59 palma mensarum ) war bereits zu republikanischen Zeiten eine begehrte Delikatesse. Ihre appetitanregende Wirkung ( 36 ut renovant … famem ) prädestinierte die Auster zum Entrée ( cf. Sen. ep. 108,15 oblectamenta sunt ad edendum saturos cogentia ; Macrobius sat. 3,13,12 ; als Nachtisch lässt sie Trimalchio servieren: Sat. 70,6 ). Celsus zählt sie zu den bekömmlichen und gut verdaulichen Nahrungsmitteln ( med. 2,29,2; zu Muscheln als Laxativ cf. Hor. serm. 2,4,27 f. ); auch Plinius lobt ihre medizinalen Eigenschaften ( nat. 32,64 f. stomachum unice reficiunt, fastidiis medentur eqs.; kritischer Sen. ep. 95,25 ostrea, inertissimam carnem caeno saginatam, nihil existimas limosae gravitatis inferre ?, „Austern, ein höchst fades, kotgemästetes Fleisch, verursachen deiner Meinung nach keine Magengeschwüre ?“ ). Während der Republik wurden meist nur einheimische Arten verzehrt. Dank einer ausgefeilten Logistik spielten später auch zunehmend Importe aus den Kolonien eine Rolle ( im frühen Prinzipat u.a. aus Britannien; cf. Sen. dial. 12,10,2 non est necesse … conchylia ultimi maris ex ignoto litore eruere ). Connaisseure erkannten am ersten Biss, aus welchen Gewässern sie stammten ( Juv. 4,140-142 Circeis nata forent aut | Lucrinum ad saxum Rutupinone edita fundo | ostrea callebat primo deprendere morsu ; cf. E. COURTNEY ad loc.). Cf. Plin. nat. 32,59-65 ; A. MARX, RE II 2, 1896, 2589-92; K. SCHNEIDER, RAC 1, 1950, 1028-30; W. KRENKEL, Marcus Terentius Varro, Saturae Menippeae, St. Katharinen 2002, Bd. 3, S. 959f. Lucrinis … litoribus : In der Antike war der lacus Lucrinus, eine ausgedehnte Lagune bei Baiae, deutlich größer als der nahe Averner See. Vom Golf von Puteoli trennte ihn eine schmale Landzunge, die via Herculanea. Während der Bürgerkriege verband Agrippa die Lagune mit dem Meer und dem Averner See und schuf so einen neuen Kriegshafen, den Portus Iulius ( 37 v.Chr.). Der Ausbruch des Monte Nuovo im Jahre 1538 ließ den Lukrinersee nahezu gänzlich verschwinden ( MAIURI 4 1967, 6668 ; NEUMEISTER 2005, 22 f. ). Das Potential der Lagune für Meeresfrüchte entdeckte in der Ära Sullas ein findiger Unternehmer, der dort die ersten Aquakulturen anlegte ( cf.

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Val. Max. 9,1,1; Plin. nat. 9,168 ; Macrobius sat. 3,15,3 ). Schon bald standen Lukriner Austern bei Feinschmeckern hoch im Kurs und galten als eine der besten oder gar als beste Sorte überhaupt ( u.a. Hor. epod. 2,49 Lucrina … conchylia ; Sen. ep. 78,23; Plin. nat. 9,168 optimum saporem ostreis Lucrinis adiudicavit ; Mart. 3,60,3 ostrea … stagno saturata Lucrino ; 6,11,5 tu Lucrina voras, me pascit aquosa peloris, „… die wässrige Gienmuschel“ ). Generell zahlte man für Austern gesalzene Preise ( „tausende Sesterzen“ laut Lucilius für ein ordentliches Entree, frg. 440f. M.). Entsprechend tiefer griff man für vorzügliche Qualitäten wie die Lukriner in die Toga ( cf. BC 36 per damna ). Cf. ANDRÉ 1961, 106-109 ; D ’ARMS 1970, 18-21; COLEMAN 1994 ; NEUMEISTER 2005, 93-96. eruta : Die verflochtenen Hyperbata ( Lucrinis eruta litoribus … conchylia ; cf. 33 Siculo scarus aequore mersus ), v.a. aber das Verb lassen ahnen, wie fest die Austern mit ihrem Untergrund verwachsen sind ( cf. Sen. dial. 12,10,2 conchylia … ex ignoto litore eruere ; s. auch Mart. 8,28,14 Erythraeis eruta gemma vadis, über die schwierige Perlenernte im Roten Meer ; zu eruere mit dem abl. sep., Lucrinis litoribus, cf. 27 Afris eruta terris sc. mensa, und S. 917f. ad loc.). Das alliterierende Enjambement ( Lucrinis | eruta litoribus ; s. auch con- – cen-) zeigt, wie man sie ihrem Untergrund ‚entreißt‘. vendunt … cenas : Vendere erscheint hier in der seltenen übertragenen Bedeutung „werben für, Appetit machen auf, schmackhaft machen, empfehlen“ ( cf. OLD s.v. 4 : „to promote the sale of, obtain customers or admirers for“ ; GEORGES s.v. II : „öffentlich rühmen, empfehlen“ ); so Cic. Att. 7,2,1 hunc σπονδειάζοντα … pro tuo vendito ( „diesen spondeischen Vers gib meinetwegen als dein Werk aus“ ); 13,12,2 Ligarianam praeclare vendidisti ( „für meine Rede für Ligarius hast du bestens die Werbetrommel gerührt“ ); Prop. 1,2,4 te … peregrinis vendere muneribus sc. quid iuvat ( „… dich herauszuputzen mit fremdländischen Gaben ?“; cf. P. FEDELI ad loc.); 3,9,16 Praxitelen propriā vendit ab urbe lapis ( „den Praxiteles preist der heimatliche Marmor“; vindicat codd. : vendit at HOUSMAN, corr. BARBER ); Hor. ep. 2,1,75 iniuste totum ducit venditque poema ( „zu Unrecht empfiehlt eine gelungene Passage das ganze Gedicht und wirbt für es“ ); Juv. 7,135 f. purpura vendit | causidicum, vendunt amethystina sc. vestimenta ( „der purpurne, der amethystfarbene Anzug machen den Anwalt“ ); cf. MAURACH 153f. „One might add that vendere also includes the idea of value, making these dinners desirable, including the idea of monetary value ( these dinners are made valuable and an object of admiration by the expensive oys-

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ters from Lucrinus ), which prepares what comes immediately after : these precious appetizers cause economic ruin.“ ( A. SETAIOLI in epist.). conchylia : Das Lehnwort conchylium ( griech. κογχύλιον ) bezeichnet allgemein Muscheln oder Schalentiere ( e.g. Cic. div. 2,33; Hor. serm. 2,4,30 lubrica nascentes implent conchylia lunae ). Nur vereinzelt steht es spezifisch für die Auster – wie hier ( u.a. Hor. epod. 2,49 Lucrina … conchylia ; Val. Max. 9,1,1 ), die meist ostrea heißt ( cf. Sat. 70,6, und e.g. Varro Men. 501 ostream Lucrinam ; Hor. serm. 2,4,33 ostrea Circeis … oriuntur ; Sen. ep. 78,23; Plin. nat. 9,168 ; Mart. 13,82,1 OSTREA. ebria Baiano veni modo concha Lucrino, und T.J. LEARY ad loc.). 36 ut renovant per damna famem : „da sie für teures Geld den Hunger neu wecken“. Bereits Horaz notiert, dekadente Gourmets reizten einzig die Unsummen, die sie für ihre Gastmähler investierten ( serm. 2,2,25f.: sie lieben den Pfau nur, quia vēneat auro | rara avis ; cf. ebd. 95f. grandes rhombi … grande ferunt una cum damno dedecus ; 2,3,245 luscinias soliti impenso prandere coemptas, „gerne schmausen sie mittags für teures Geld erstandene Nachtigallen“ ). Seneca sekundiert ( dial. 12,10,5 o miserabiles, quorum palatum nisi ad pretiosos cibos non excitatur ! pretiosos autem non eximius sapor aut aliqua faucium dulcedo, sed raritas et difficultas parandi facit. (…) omnes regiones pervagantur, maria traiciunt et, cum famem exiguo possint sedare, magno inritant, „… wo sie den Hunger wohlfeil stillen könnten, reizen sie ihn für teures Geld“ ). S. auch Mart. 10,96,9 pretiosa fames conturbatorque macellus ( „der Appetit geht ins Geld, und der Feinkostmarkt ruiniert die Leute“; Juv. 11,16 magis illa iuvant quae pluris ementur ; Claudian c. 20,329f. ventrem invitant pretio ( „den Magen reizen sie mit teurer Kost“ ) eqs. – Zu der den Appetit stimulierenden Wirkung der Austern s. oben. ut renovant : Das überlieferte renovent ist kaum f i n a l zu verstehen ( in diesem Fall wären die conchylia am ehesten das Objekt des Hauptsatzes ): „man verkauft Austern als Abendessen, damit sie den Appetit anregen“ ( so e.g. HOLZBERG : „… Austern machen Gastmähler kostspielig, um durch hohen Geldverlust den Appetit wiederzubeleben“ ) – eine triviale Aussage, die sich mit der Prägnanz und Eleganz der beiden anderen Elemente des Trikolons beißt. Stimmiger klingt die k o n s e k u t i v e Lesart : „die Austern machen Appetit auf das Abendessen, so dass sie unter hohen Kosten den Gaumen neu reizen“ ( so A. SETAIOLI in epist.: „so that hunger is stimulated (rene-

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wed ) at great financial loss“; laut G. VANNINI in epist. unterstreiche diese Lesart „l’assurdità del danno finanziario che alimenta la fame“ ). Am ehesten aber ist ut hier k a u s a l zu verstehen. Diese seit Plautus bezeugte Verwendung ( e.g. Pseud. 278 in pauca, ut occupatus nunc sum, confer quid velis ) findet sich auch in klassischen Autoren ( e.g. Cic. S.Rosc. 33 aiunt hominem, ut erat furiosus, respondisse ; Caes. Gall. 6,7,7; Sall. Cat. 59,2 uti planities erat inter … montīs …, cohortīs in fronte constituit ; Hor. serm. 1,9,42f. ut contendere durum sc. est | cum victore, sequor ; Liv. 21,47,3 transire pontem non potuit, ut extrema resoluta erant eqs.); cf. OLD s.v. ut 21a: „(causal ) as may (might) be expected from the fact that, inasmuch as“; HSZ 635. Doch das kausale ut steht archaisch wie klassisch fast exklusiv im Indikativ ( der Konjunktiv ist erst seit Tertullian sicher belegt ; cf. LÖFSTEDT 1907, 10-14 ; HSZ 647f. ). Aus diesem Grund schlägt M. DEUFERT ut renovant vor ( in epist.; eine Lesart, die sich laut G. VANNINI in epist. als Variante bereits im cod. München, Bayer. Staatsbibl. Clm 23713 findet ). per damna : Die seltene Junktur per damna zielt im Allgemeinen eher auf physisches Unheil ( u.a. Hor. c. 4,4,59f. per damna, per caedes … ducit opes animumque, „aus Not, aus Blut entspringen Roms Macht und Mut“, und Porphyrio ad loc.: Romani per damna caedis suae fortiores effecti sunt ; Sen. contr. 10,5,6 Philippum … per tot damna a dis … tortum, „… mit so vielen Verletzungen gestraft“; ähnlich der Singular : Ov. met. 9,192 f. nec profuit hydrae | crescere per damnum, „… durch den Verlust von Köpfen “; Servius Aen. 5,801 Venus nata per damnum, nämlich Uranos’ Kastration). – S. auch TH 14 mens … in damnum potens ( „unser Sinn, der stets nur Unheil stiftet“; cf. Bd. I, S. 171 ); BC 86 censum in damna furentem. Hier thematisiert sie jedoch den Preis der Meeresfrüchte ( e.g. GUIDO : „col danno della borsa“ ; GRIMAL : „au prix d’énormes dépenses“; WALSH : „at what cost ! “; so bereits ANTON 371f.: „totarum coenarum pretiis conchylia comparantur … ut ipsa caritas eorum appetitum excitet“ ). Besser als Lukriner Austern mundet dem Kredithai Alfius das „ungekaufte Mahl“ aus eigener Produktion, von der Landfrau bereitet ( Hor. epod. 2,48f. dapes inemptas apparet. | non me Lucrina iuverint conchylia eqs.). 36-37 iam Phasidos unda | orbata est avibus : „Längst ist des Phasis Woge ihrer Vögel beraubt“. Der ursprünglich (wie noch heute) an den Ufern des Kaspischen Meeres heimische Fasan ( die Phasiana avis ; cf. 93,2,1 ales Phasiacis petita Colchis, und Bd. I, S. 243 ad loc.) wurde bereits in klassischer Zeit in Hellas gezüchtet. Nach Italien kam er wohl erst zu Beginn des Prinzipats. Die frühesten Belege erwähnen den Vogel als exotischen Import und entspre-

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chend kostspielige Delikatesse ( cf. Manil. 5,375-377 Numidarum pascimur oris | Phasidos et lucis eqs.; Sen. dial. 12,10,3 ultra Phasin capi volunt, quod ambitiosam popinam instruat [ „was die Nouvelle Cuisine verlangt“ ], nec piget a Parthis … aves petere ; Colum. 8,8,10 ). Erst flavische Texte nennen ihn häufiger ; e.g. Plin. nat. 19,52 aves ultra Phasim amnem peti ne fabuloso quidem terrore tutas, immo sic pretiosiores eqs.; 26,43 huic sc. alvo navigatur ad Phasim, huic profundi vada exquiruntur, „für diesen Bauch …“; Mart. 3,77,4 ; 13,45,1; Stat. silv. 4,6,8f. a miseri, quos nosse iuvat quid Phasidis ales | distet ab hibernā Rhodopes grue ( „bedauernswerte Gourmets, die gerne diskutieren, wie sich das Federvieh des Phasis vom Winterkranich aus dem Rhodopegebirge unterscheidet“ ). Damals züchtete man ihn bereits in Italien, bisweilen in eigenen Fasanerien ( cf. Plin. nat. 10,132; Mart. 3,58,16; Palladius agric. 1,29 ). Cf. M. WELLMANN, RE VI 2, 1909, 2001f.; KELLER 2, 145-148 ; D.W. THOMPSON, A Glossary of Greek birds, Oxford 1936, 298-300; ANDRÉ 1961, 135; CAPPONI 1979, 408f.; TOYNBEE 1983, 246f.; Ch. HÜNEMÖRDER, DNP 4, 1998, 433. Phasidos unda : Die Junktur stammt von Ovid ( met. 7,6 rapidas limosi Phasidos undas ; der griech. Gen. Phasidos erscheint bereits Catull 64,3 Phasidos ad fluctūs ; cf. C.J. FORDYCE ad loc.), und kehrt bei Lukan wieder ( 2,585 gelidas ad Phasidos undas ; 2,715 Phasidos undas ; cf. Val. Flacc. 6,641 Phasidis undas ; 7,564 Phasidis unda ), stets – wie hier – am Versende. Phasis hießen sowohl der Fluss, der ins Schwarze Meer mündet ( h. Rioni ), als auch die griechische Pflanzstadt an seiner Mündung. Der Strom steht hier metonymisch für das „verwaiste“ Umland ( cf. Mart. 3,77,4 nec Libye mittit nec tibi Phasis aves ). An die epischen Untertöne des Namens, der die Abenteuer der Argo heraufbeschwört, erinnert FANTHAM 1992, 219. orbata est : Keine andere Quelle erwähnt, der Fasan sei wegen intensiver Bejagung in seiner Heimat ausgestorben. Zumindest in hellenistischer Zeit gab es die Tiere am Phasis noch in großer Zahl ( Athen. 9,387c; cf. ebd. 9,386e-387e zum Fasan ). Die Stelle übertreibt also gleich doppelt : während der Republik wurde Fasan in Rom selbst bei Festmählern der Aristokratie kaum serviert. Und am Phasis war der Vogel offenbar alles andere als bedroht. Der Passus beklagt eher plakativ die Auswüchse römischer Tafelfreuden ( COURTNEY 2001, 188 sah in BC 36-38 „exaggerations and startling and novel expressions“ ). Vielleicht darf man ihn aber auch als Zeugnis römischen Raubbaus an der Natur werten – und als Indiz für ein wachsendes Bewusstsein aufmerksamer Zeitzeugen für ‚Umweltsünden‘ (cf. BC 14 f. ultimus Hammon | Afrorum excutitur, und oben S. 820 Anm. 50 ).

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Zu metonymisch gebrauchtem orbari ( mit abl. sep.) cf. u.a. Cic. Brut. 6 Forum … voce eruditā sc. Hortensī … spoliatum atque orbatum ; Ov. met. 14,88 orbata … praeside pinus ( i.e. navis ); Sil. Ital. 6,13 tumulis orbata cadavera ; Tac. ann. 1,79,3 Tiberim … accolis fluviis orbatum ( „… seiner Nebenflüsse beraubt“ ); Thes. IX 2, 925,46-57 ( s. auch POLETTI 2017, 227: „L’enfatico orbare (…) prepara l’umanizzazione delle aurae solitarie sulla spiaggia“ ). 37-38 mutoque in litore tantum | solae desertis adspirant frondibus aurae : „und am stummen Gestade lispeln einzig einsame Lüfte im verlassenen Laub.“ Am Ende des Sittengemäldes BC 1-38 fällt ein fast wehmütiger Blick in eine entvölkerte Flusslandschaft ( ähnlich hyperbolisch Stat. Ach. 2,120 saevo vacuos iam murmure saltūs, Thessaliens leergejagten Wälder ‚verstummten‘ ) – als lebten am Schwarzen Meer nur Fasane, und als wäre das Tucken und Krächzen dieser Hühnervögel vergleichbar mit dem melodischen Lied von Rotkehlchen oder Nachtigall ( für verwandte Bilder düsterer Vorahnung cf. 109,7 tollebat plumas aura volitantes, pinnasque per maria inanis spuma torquebat ; BC 72 f. non verno persona cantu | mollia discordi strepitu virgulta loquuntur ; cf. CONNORS 1998, 107: „The extent of Rome’s power is whispered by the breezes on Phasis’ empty shore.“ ). Gleich fünf Begriffe unterstreichen die Leere ( orbata, muto, tantum, solae, desertis ); der gravitätische Holospondeus ( 38 sōlae dēsertīs adspīrant ) untermalt die bedrückende Stille. Der elegante Chiasmus des ‚versus aureus‘ ( s. S. 846f. ) imitiert das Spiel der Lüfte im Laub ( solae desertis … frondibus aurae ; cf. Sen. Phaed. 474 solis … aer pervius ventis erit : sterben die Vögel, „werden einzig die Winde die Lüfte durchstreifen“ ); ihr Säuseln klingt nach in den markanten s -Lauten ( s olae des ertis ads pirant frondibus ; GRIMAL 1977, 96 Anm. 58 sieht hier Vergil als Vorbild, georg. 4,417 dulcis compositis spiravit crinibus aura, „eine sanfte Brise spielte mit dem frisierten Haar“). Auf einer ähnlichen Note klingt Properzens Gleichnis vom Seesturm aus, der sich legt: magnos cum ponunt aequora motūs, | Eurus et adversus desinit ire Noto, | litore sub tacito sonitus rarescit harenae ( 3,15,31-33; HEYWORTH’ ed. Oxon. ersetzt sub tacito mit RICHARDSONs subtractae ). Zur pleonastisch geschilderten Stille cf. Sen. Herc. fur. 536 mutis tacitum litoribus mare ( „die an ihren stummen Küsten schweigsame See“; cf. J.G. FITCH ad loc.: „an imaginative touch which … increases the similarity of this Gegenwelt to the underworld“ ). Zu adspirant ( hier mit Dat.) cf. OLD s.v. aspīrō 2a: „( intr., of winds, draughts ) to blow or breathe (on); (also tr.)“, und e.g. Catull 68,63f. ( in

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einem Sturm ) nautis | lenius aspirans aura secunda venit ; Verg. Aen. 7,8 adspirant aurae in noctem ( „… bis in die Nacht“ ); Sil. Ital. 15,162f. levis inde secundā | adspirans aurā propellit carbasa flatus ; Minucius Felix 2,4 aura adspirans ( „die heranwehende Brise“ ). – Der poetische Gräzismus aura erscheint auch BC 149; 178; Sat. 109,7; 127,5; 137,9,1 ( cf. CAVALCA 2001, 35f. ). Zu der nachklassischen abundanten Verbindung von tantum mit solus cf. u.a. Plin. nat. 14,13 tot differentias vel sola tantum Italia recipit ( „derartige Unterschiede weist sogar allein schon Italien auf“ ); Mart. 9,28,6 solā tantum scaenicus arte feror ( „einzig und allein ob meiner Kunst nennt man mich Schauspieler“ ); Sidonius carm. 2,97 solum hoc tantum mutatur in illis ; LÖFSTEDT II, 178f. ; HSZ 526; COURTNEY 1970, 68 ( anders liegt der Fall Sat. 20,6 solus tantum medicamentum ebibisti ? ). – COURTNEYs tentatives tandem verleiht der Aussage eine falsche Finalität : „the shore is at last silent“ ( 1970, 68 ). 39 – 60 Die verkaufte Republik 39 – 44 Die korrupte Kapitale So alt wie die Bestechlichkeit selbst sind die Klagen über jenes Übel, etwa als Diatribe gegen korrupte Richter ( e.g. Cic. Verr. 1,1: wie die Erfahrung mit den heutigen Gerichten lehre, pecuniosum hominem, quamvis sit nocens, neminem posse damnari ; Hor. serm. 2,2,8f. male verum examinat omnis | corruptus iudex, „… wägt die Wahrheit schlecht“; Sen. apocol. 12 poem. 28 o causidici, venale genus ; Tac. ann. 11,5,2 nec quicquam publicae mercis tam venale fuit quam advocatorum perfidia ; Apul. met. 10,33,1 toti nunc iudices sententias suas pretio nundinantur ; s. auch Sat. 14,2,5f. iudicium nihil est nisi publica merces, | atque eques, in causā qui sedet, empta probat, ~ „… urteilt zugunsten des Käufers“ ). Gegen Ende der Republik erreichte das Phänomen beispiellose Dimensionen. Die Korruption grassierte nicht nur vor Gericht, sondern auch in der Politik, v.a. bei den Wahlen zu öffentlichen Ämtern ( cf. ambitus, „Bestechung, Korruption“; OLD s.v. 6 ), ebenso im Heer oder bei in Rom akkreditierten Diplomaten, und nicht zuletzt bei etlichen Bürgern, die sich ihre Stimme bei Wahlen gut bezahlen ließen. „Die Bestechung hatte das Volk gründlich verdorben und die meisten betrieben den Verkauf ihrer Stimme schon gewerbsmäßig“ ( Plut. Cato min. 44,3; übers. nach K. ZIEGLER ; s. auch Appian b.civ. 2,69; KROLL 1933, 52-55. 106-110 ). Im Jahr 54 z.B. wurde in Rom das Bargeld knapp, und der Zinssatz verdoppelte sich, weil die massive Bestechung der Wähler, aber auch der

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Konsuln exorbitante Summen verschlang ( Cic. Att. 4,15,7 ; 4,17,2f.; cf. MEIER 1982, 353 ). Selbst Cato gab dem Übel seinen Segen, als es galt, die Wahl des Caesargegners Bibulus zum Konsul zu sichern ( 60 v.Chr.; cf. Suet. Iul. 19,1 ). Alle Versuche, dieser Entwicklung mit immer strengeren Gesetzen gegenzusteuern, blieben offenbar ohne durchgreifenden Erfolg ( ironisch genug brachte ausgerechnet Pompeius 52 v.Chr. eine lex Pompeia de ambitu auf den Weg, die viel Lob fand; cf. GRUEN 1974, 236f. ). Mit den gleichen Schlagworten wie hier schildert Lukan die Verhältnisse gegen Ende der Republik : „Von da an stahl man sich die höchsten Ämter gegen Bares, und das Volk selbst verschacherte seine Gunst, und der für Rom tödliche politische Ehrgeiz arrangierte alljährlich Wahlkämpfe auf dem korrupten Marsfeld. Von da an gab es gefräßige Zinsen und Kredite, die auf den Zahltag schielten. Das Vertrauen war zerrüttet – und vielen kam ein Krieg höchst gelegen.“ ( 1,178-182 hinc rapti fasces pretio sectorque favoris | ipse sui populus letalisque ambitus urbi | annua venali referens certamina Campo ; | hinc usura vorax avidumque in tempora fenus | et concussa fides et multis utile bellum ; cf. 4,816f. perdita tunc urbi nocuerunt saecula … ambitus et luxus et opum metuenda facultas, „… und die furchtbare Macht des Geldes“ ). 39 nec minor in campo furor est : „Nicht minderer Wahnwitz herrscht auf dem Marsfeld“. Ein harscher Schnitt wechselt von den Ausläufern des Imperiums ins hektische Herz des Reiches – und vom Konsum ( BC 1-38: der in nec minor implizierte andere furor, der in Rom wütet ) zur politischen Korruption. Die lärmigen Verse 39f. ( bes. furor und strepitum ) stehen in auffälligem Kontrast zur vorausgegangenen Stille ( 36-38 ): am verwaisten Phasis herrscht kein ‚Wahnwitz‘. In campo ( sc. Martio, wie e.g. Cic. agr. 2,100 in campo sunt consules facti ; Catil. 2,1 non in campo, non in foro, non in curia ) meint eines der politischen Zentren Roms, das fast synonym für Volksabstimmungen und Wahlen steht. Auch Lukans Schilderung der politischen Korruption gegen Ende der Republik spricht vom „käuflichen Marsfeld“ ( 1,179f. venali … Campo ; cf. Varro Men. 497 Astb. ubi tum comitia habebant, ibi nunc fit mercatus ). Zu dem Schlüsselbegriff furor ( der hier im Hyperbaton das Marsfeld fest im Griff hat ) und seinen Assoziationen mit dem Bürgerkrieg cf. S. 969 zu BC 60. Vom insanum forum spricht einmal Vergil ( georg. 2,502; so auch Prop. 4,1,134 ; Tac. dial. 13,5 ).

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39 emptique Quirites : „und gekaufte Quiriten …“. Der Begriff Quirites ( cf. BC 224 debellati … Quirites ) gilt in aller Regel den Bürgern Roms in ihrem Status als Zivilisten ( cf. MOMMSEN 1887/88, Bd. III, 5f.; zur ungeklärten Etymologie cf. R. OGILVIE ad Liv. 1,13,5; F. BÖMER ad Ov. fast. 2,475; s. auch H. GALSTERER, DNP 10, 2001, 727 ). Der offiziöse und mitunter feierliche Titel klingt hier freilich nicht minder sarkastisch als bei Caesar, der im Bürgerkrieg meuternde Soldaten einmal mit der Anrede Quirites beschämte ( Suet. Iul. 70 ). Zu emere, „to win over, gain the favour of ; ( usu., in a bad sense ) to bribe, hire, suborn“ ( OLD s.v. 3 ), cf. BC 165 f. mercedibus emptae | ac viles operae, und e.g. Cic. Verr. 2,3,145 vicisse Verrem, emptos habere iudices ; Sen. ep. 94,62 aut vicerat Philippus aut emerat sc. tot civitates ; Lukan 1,314 empti … clientes ; Tac. ann. 13,5,1 ne quis ad causam orandam mercede aut donis emeretur ( niemand dürfe sich „durch Geld oder Geschenke zum Führen eines Prozesses gewinnen lassen“ ). Die empti Quirites ( die Junktur ist singulär ; cf. Thes. V 2, 515,35f. ) sind streng besehen nicht synonym mit dem venalis populus ( BC 41). Die beiden Begriffe stehen in einem dezenten Hysteron – Proteron : erst sind die Bürger ‚käuflich‘, dann ‚gekauft‘ ( das PPP hat keinerlei nachzeitige Qualität, wie manche Übersetzer suggerieren, u.a. CASTORINA 1970, 217 : „pronti a vendersi“; HOLZBERG : „bereit, sich zu verkaufen“ ). 40 ad praedam strepitumque lucri suffragia vertunt : „… verschachern gegen ein Handgeld, für klingende Barschaft ihre Stimme“. In der Junktur ad praedam klingt meist noch die ‚Beute‘ durch : „zum Beutemachen“, „zur Beute“, „als Beute“; cf. Sat. 22,5 venerant ad praedam, und u.a. Caes. civ. 2,39,3 ad praedam, ad gloriam properate ; Cic. Phil. 4,9 sibi urbem … ad praedam proposuerunt ; Liv. 5,21,14 ad praedam miles … discurrit ; Tac. hist. 4,78,1 pugnam ciebant, … Germanos ad praedam instigantes ( mit einem Gerundiv Sat. 114,14 procurrere piscatores … ad praedam rapiendam ). Ad strepitum lucri bildet mit ad praedam ein Hendiadyoin. Das ungewöhnlich verwendete strepitus evoziert hier am ehesten den Klang von Metall ( cf. BC 134 armorum strepitu caelum furit, und S. 1123f. ad loc., ferner e.g. Verg. Aen. 6,559 strepitum sc. tractae catenae ; Plin. ep. 7,27,5 strepitus vinculorum ), genauer : das ‚Prasseln‘ von Münzen. Eine Parallele liefert Ps.Quintilians duplae pecuniae strepitus ( decl. 12,19,2, „der Klang des mit Geschäften verdoppelten Geldes“ ). Die Junktur strepitus lucri ist singulär. In suffragia ad praedam vertunt ( statt e.g. vendunt ; cf. Juv. 10,77 f. suffragia nulli | vendimus ) steht vertere im Sinn von „verwenden, benutzen“ ( GEORGES s.v. I B 1 b β ; cf. OLD s.v. 19: „(w. ad, in + acc.) to turn or apply

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( to a purpose, use)“, und e.g. Liv. 34,6,16 omnium privatorum pecuniae in usum publicum vertendae erant ; Tac. hist. 2,44,1 neque … civilibus bellis capti in praedam vertuntur ; 3,49,2 seditiosa … in praedam vertebat, „den Aufruhr nutzte er zu seiner Bereicherung“ ). Hier schwingt das „Drehen, Wenden“ noch mit ( vgl. unser „sein Fähnchen nach dem Wind drehen“ ). Auch die Junktur suffragia vertere ist singulär. Zu ad cf. OLD s.v. 33a: „( expr. occasion or cause ) at, in response to ; at the sight of ; at the thought of “, und e.g. Prop. 2,16,21 ( im idealisierten Rom der Urzeit ) numquam venales essent ad munus amicae, „… für ein Geschenk“ ( laut TRÄNKLE 1960, 89 ad loc. statt eines abl. pretii ). 41 venalis populus, venalis curia patrum : „Käuflich ist das Volk, käuflich die Kurie der Väter“ ( HOLZBERG ). Ähnliche Vorwürfe erhob Cato dem Senat gegenüber ( Sall. Cat. 52,23 ubi vos … pecuniae aut gratiae servitis, eo fit, ut impetus fiat in vacuam rem publicam ; s. auch Ps.-Cic. in Sall. 17: quem honorem ita gessit, ut nihil in eo non venale habuerit, cuius aliquis emptor fuerit, „dieses ehrwürdige Amt nutzte Sallust so, dass er in seiner Amtszeit nichts für unverkäuflich ansah, für das sich ein Käufer fand“ ), und Sallust ( ?) gegenüber dem römischen Volk ( in Cic. 1 ubi querar … diripi rem publicam atque audacissimo cuique esse praedae ? apud populum Romanum ? qui ita largitionibus corruptus est, ut se ipse ac fortunas suas venales habeat. an apud vos, patres conscripti ? quorum auctoritas turpissimo cuique et sceleratissimo ludibrio est ; s. auch MOMMSEN 11 1917, 528 : „um Geld verkaufte der Staatsmann den Staat, der Bürger seine Freiheit.“ ). Den damaligen Ausverkauf des Staats beklagt auch Seneca ( dial. 2,2,1 ): hinc P. Clodius, hinc Vatinius ac pessimus quisque venundabat sc. rem publicam et caecā cupiditate correpti non intellegebant se, dum vendunt, et vēnīre. Das Lied von der Macht des Geldes und der Käuflichkeit der Menschen stimmen die Sat. des öfteren an; u.a. 14,2 quid faciunt leges, ubi sola pecunia regnat ? eqs. ( und N. BREITENSTEIN 181-188 ad loc.); 88,2 pecuniae … cupiditas haec tropica instituit ; 88,9 ipse senatus … mille pondo auri Capitolio promittere solet eqs.; bes. 137,9 quisquis habet nummos, securā navigat aurā eqs. Das Stichwort venalis kehrt leitmotivisch bei Sallust wieder, u.a. Iug. 8,1 ~ 20,1 Romae omnia venalia esse ; 31,25 domi militiaeque res publica venalis fuit ; Cat. 10,4 avaritia … omnia venalia habere edocuit ( cf. Append. Sall. ad Caes. 2,5,4 : während der Republik begann die plebs libertatem suam cum re publica venalem habere ; in Cic. 1, oben zit.) – v.a. in Jugurthas berühmtem Diktum: urbem venalem et mature perituram, si emptorem invenerit ( Iug. 35,10; kaum das Vorbild von BC 41, wie vielfach vermutet ). S. auch Lukans Urteil über Curio ( 4,824 ): hic vendidit urbem.

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Die Junktur venalis populus erscheint auch bei Plinius sen. ( nat. 3,134 Trumpilini, venalis cum agris suis populus, „… ein Volk, das sich samt seinem Gebiet verkauft hat“ ). Zu der Anapher cf. Sen. dial. 12,6,2 quidam venalem formam attulerunt, quidam venalem eloquentiam, „manche brachten ihre käufliche Schönheit nach Rom …“ ( laut STUBBE 88 ist diese „pointierte Wiederholung … bezeichnend für feierlich-gravitätische, religiöse Rede wie für salbungsvoll-rhetorischen Stil“ ). 42 est favor in pretio : „die Gunst folgt dem Geld“. Die Sentenz bringt das Phänomen Korruption lapidar auf den Punkt: ‚Wer ( am besten ) schmiert, gewinnt Prozesse, Anhänger, Wahlen.‘ Zu pretium cf. OLD s.v. 10 : „money given or received for dishonourable purposes, a bribe“, und e.g. Ov. fast. 1,217f. in pretio pretium nunc est, dat census honores, | census amicitias ( „heute kommt es darauf an, was man investiert ; das Vermögen verschafft Ämter wie Freundschaften“ ); Lukan 1,178f. ( zit. S. 940 ). Ein Platz im Apparat gebührt HEINSIUS’ et favor in pretio est. BC 42 ist einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions ( cf. YEH 2007, 243-246 ). 42-43 senibus quoque libera virtus | exciderat : „Den alten Herren war sogar die Tugend der Freiheit entglitten“ ( nach HOLZBERG ). Quoque scheint auf eine dritte Gruppe neben populus und curia zu verweisen. Doch gelten Roms Senioren als eigene Fraktion ( samt Macht und ökonomischen Ressourcen; cf. 43f. )? Wohl kaum. Mit den senes ist also nicht die Generation gemeint, die noch Marius und Sulla miterlebt hat ( bei Lukan erinnern sich die Alten an die Greuel jener Ära ; 2,227-232 ), und die sich den traditionellen politischen Werten verpflichtet fühlen sollte ( so e.g. GRIMAL : „même pour les vieillards“; WALSH : „even men of old“; s. auch Sil. Ital. 11,46f. temeraria pubis | delicta augebat pollutior ipsa senectus, „die dreisten Vergehen der Jugend übertrafen die noch korrupteren Alten“ ). Es geht noch immer um die ‚elder statesmen‘ der curia patrum ( BC 41), um den recti bonique praeceptor ( Sat. 88,9; in diese Richtung weisen v.a. die Stichwörter potestas und maiestas, BC 43f. ). Die Passage BC 39-44 widmet sich also erst den Bürgern ( 39b-41a), danach, und ausführlicher, dem Senat (41b-44 ). Quoque hat folglich steigernde Qualität ( cf. OLD s.v. 4 a), und beschreibt die Konsequenzen der Korruption: dank ihrer Käuflichkeit verliert Roms höchste Institution ihre Freiheit, und damit Macht und Ansehen (43f. ). libera virtus : Die libera virtus ( metonymisch für virtus libertatis, „die Tugend der Freiheit“ ) mag Ciceros Prägung sein ( de orat. 1,226 virtus, …

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quae et semper et sola libera est ; Tusc. 5,52 nos virtutem semper liberam volumus ); sie kehrt u.a. bei Seneca (dial. 2,5,4 ) und Apuleius wieder ( Plat. 236 virtutem liberam et in nobis sitam eqs.; ein vages Vorbild Plato Alc. 1, 135c6 ἐλευθεροπρεπὲς δὲ ἡ ἀρετή, „die Tugend ist freier Menschen würdig“ ). exciderat : Zu excidere mit dem Dat. der betroffenen Person cf. u.a. Plaut. Most. 732 nobis omnia haec exciderunt ‹ bona › ; Ov. met. 2,601 f. pariter vultusque deo plectrumque colorque | excidit ; fast. 6,393 spes excidit sc. Gallis ; trist. 1,1,48 ingenium sc. Homero ipsi tantis excidet omne malis ; Sen. Thy. 32 superbis fratribus regna excidant ( „… mögen entgleiten“ ); Thes. V 2, 1238, 43-49. Vielleicht standen hier zwei Zitate des Horaz Pate, c. 3,5,29 vera Virtus, cum semel excidit, und ars 282 in vitium libertas excidit ( „der Freigeist der Alten Komödie schlug um in Zügellosigkeit“ ). Der Verlust der virtus spiegelt sich im Enjambement. 43 sparsisque opibus conversa potestas : „und weil üppige Summen flossen, war die Amtsgewalt korrumpiert“. BC 43 f. ließe sich auch auf das Volk beziehen, den korrumpierten Souverän, der Macht und Ansehen verloren hat ( cf. 41 venalis populus ; so e.g. GRIMAL ). Doch der Fokus bleibt auf der venalis curia patrum ( 41 ). Im Blick sind aber wohl auch jene Kreise, deren finanziellen Mittel ( sparsis opibus ) ihnen hinter den Kulissen enormen Einfluss verschaffen – allen voran die ersten Triumvirn ( zu Caesars Ressourcen beim ‚Kauf ‘ politischer Unterstützung cf. Suet. Iul. 26,2-28,1). Spargere ( im kausalen abl. abs.) evoziert opulente Geldgeschenke ( cf. OLD s.v. 1 c: „to scatter ( money, presents, and the like to audiences in the theatre, etc.); ( transf. ) to give indiscriminately“, und e.g. Cic. Phil. 3,16 nummos populo de rostris spargere solebat ), hier allerdings kaum an die Wähler, sondern an bestechliche Senatoren. – Convertere meint im Kontext weniger „to move from one place to another, shift, transfer“ ( OLD s.v. 7a, auch im übertragenen Sinn; so POLETTI 2017, 228-230 ad loc.: ‚da die Vermögen der Senatoren aufgebraucht waren ( e.g. Sen. dial. 4,36,6 opes suas spargere ), ging die Macht auf andere über‘ ), sondern, wie der inhaltlich verwandte Folgevers nahelegt ( bes. iacebat ), „fere i.q. evertere“ ( Thes. IV, 867,8, sowie ibid. 75 f. ad loc.; s. auch BC 48 in uno victa potestas ). 44 ipsaque maiestas auro corrupta iacebat : „und selbst ihr hohes Ansehen lag, vom Gold bestochen, darnieder.“ ( HOLZBERG ). Roms Senat hat seine Würde längst verloren ( cf. Append. Sall. in Cic. 1, zit. S. 942; Florus epit. 2,5,3 senatus … omne decus maiestatis amiserat ). Der Abschnitt vereint ein Trikolon positiver Abstrakta mit negativen Auswir-

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kungen: libera virtus – potestas – maiestas bzw. exciderat – conversa – corrupta iacebat. Dank der Wortverteilung ( 2 – 1 – 1 bzw. 1 – 1 – 2 ) verschiebt sich das Gewicht von Hell zu Dunkel ( s. auch BALDWIN 1911, 135: „This closes the series ( libera virtus, potestas, maiestas ) of attributes of the state embodied in the person of her magistrates and degraded by their corruption.“ ). Zu iacebat cf. Lucr. 5,1136f. regibus occisis subversa iacebat | pristina maiestas soliorum ( „nach dem Königsmord lag die einstige Majestät der Throne darnieder“ ); Sen. contr. 9,2,11 maiestas populi Romani per omnes nationes, per omnīs diffusa provincias, in sinu meretricum iacet ( zit. MONELLA 2007, 14 ). auro corrupta : Die verderbliche Wirkung des Goldes ist ein Mantra antiker Moralkritik; cf. Sat. 88,10, und e.g. Lucr. 5,1113 f. aurum … facile et validis et pulchris dempsit honorem ; Tib. 1,9,18 saepe solent auro multa subesse mala ; 1,10,7 divitis hoc vitium est auri ( Mord und Krieg sind „Schuld des reich machenden Goldes“; cf. K.F. SMITH ad loc.); Verg. Aen. 1,349 auri caecus amore ; Hor. c. 3,24,48f. aurum … inutile, | summi materiem mali ; Prop. 3,13,48-50 aurum omnes victā iam pietate colunt. | auro pulsa fides, auro venalia iura, | aurum lex sequitur eqs.; Thes. II, 1527,50-63; OTTO 50 s.v. aurum 6, und Nachträge 139; 262f. Konzilianter urteilt Ovid ( ars 2,277 f. aurea sunt vere nunc saecula : plurimus auro | venit honos, auro conciliatur amor ). Zu der Junktur auro corrumpere cf. u.a. Sall. Iug. 32,3 fuere qui auro corrupti elephantos Iugurthae traderent ; Liv. 1,11,6 virginem auro corrumpit ; Ov. fast. 2,661 nullo corrumperis auro ; Mart. 5,69,5 impius infando miles corrumpitur auro ( implizit Ov. am. 3,8,29 f. Iuppiter, admonitus nihil esse potentius auro, | corruptae pretium virginis ipse fuit ). 45 – 50 Der Fall Cato Bereits in jungen Jahren erwarb sich M. Porcius Cato, der Urenkel des berühmten Censors, einen Ruf als so unbestechlicher wie unversöhnlicher Politiker ( s. auch Sat. 132,15,1 quid me constrictā spectatis fronte Catones ). Die realen Machtverhältnisse hinter den Fassaden der alten Res publica analysierte er illusionslos ( cf. Plut. Cato min. 35,6; s. auch Ciceros bissiges Bonmot, Att. 2,1,8: „er spricht im Senat, als lebe er in Platos Staat, und nicht in Romulus’ Kloake“, dicit enim tamquam in Platonis πολιτείᾳ, non tamquam in Romuli faece, sententiam ). Er forderte nicht nur entschieden die Todesstrafe für die verhafteten Catilinarier, sondern stellte sich bereits früh mit aller Entschlossenheit Pompeius und Caesar entgegen, v.a. als Volkstribun ( 62 v.Chr.) und Prätor (54 v.Chr.).

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Als der Machtkampf zwischen Pompeius und Caesar eskalierte und sich am Horizont ein Bürgerkrieg abzeichnete, trat Cato ungeachtet aller Bedenken und politischen Differenzen auf Pompeius’ Seite (zu seiner Einschätzung Caesars cf. Plut. Cato min. 33,5 ); im Bürgerkrieg kämpfte er bis zuletzt für die Sache der Republik. Vor allem dank seines Einsatzes wurde nach Pharsalos und Pompeius’ Tod Africa zur letzten Bastion der Senatspartei ( seinen dreißigtägigen Marsch durch die libysche Wüste mit zehntausend Mann besingt Lukan 9,300-949 mit heroischen Untertönen; zu seinem Engagement als Kommandant von Utica und seinem Freitod im April 46 cf. unten S. 1084 ). Zu seinen Lebzeiten schieden sich die Geister an dem arroganten Aristokraten ( cf. Hor. c. 2,1,24 atrocem animum Catonis ); doch nach seinem Selbstmord feierten ihn Cicero, Brutus und andere als Märtyrer der alten Republik. Spätere Stimmen, gerade im jungen Prinzipat, verklärten ihn nachgerade (e.g. Vell. Pat. 2,35,2 homo Virtuti simillimus et per omnia ingenio diis quam hominibus propior ), und niemand entschiedener als Seneca ( u.a. dial. 1,2,9-12; 2,1,3-2,2,3, bes. 2,2,2 congressus … cum potentiae inmensā cupiditate sc. der Triumvirn …, adversus vitia civitatis degenerantis et pessum suā mole sidentis stetit solus et cadentem rem publicam … tenuit ; 9,7,5: die späte Republik war die Catoniana aetas, die „Ära Catos“; ep. 14,12 f.; 71,8-12 ; 95,69-72; 104,29-33; zum Selbstmord ep. 24,6-8 ; cf. PECCHIURA 1965, 59-71; s. auch NISBET – HUBBARD 156 f. ad Hor. c. 1,12,35 ). Seinem unbestechlichen Gerechtigkeitssinn verdankt er sein Richteramt in der Unterwelt ( Verg. Aen. 8,670 ). Als Schlüsselmomente seiner Biographie nennt Seneca (dial. 1,3,14 ) neben dem Kampf gegen das Triumvirat, seinem unbeirrten Einsatz für die verlorene Republik im Bürgerkrieg und dem Freitod etwas überraschend auch Catos Niederlage bei seiner ersten Bewerbung um die Prätur 55 v.Chr. ( es gewann Vatinius, ein engagierter Parteigänger Caesars, der diesem vier Jahre zuvor das außerordentliche Kommando in Gallien verschafft hatte ) – eben die Geschichte, auf die hier angespielt wird ( Plut. Cato min. 42; übers. W. WUHRMANN ): Nachdem ungeachtet Catos Widerstand Pompeius und Crassus zu Konsuln gewählt waren, „bewarb sich (Cato) nun seinerseits um die Praetur, damit er den Kampf gegen die beiden aus sicherer Position führen könne und nicht als Privatmann gegen Männer im Amt opponieren müsse. Sein Entschluss stürzte Pompeius und Crassus in neue Sorgen, sahen sie doch voraus, dass die Praetur durch Catos Persönlichkeit stark genug würde, um dem Konsulat das Gleichgewicht zu

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halten.“ In einer Nacht- und Nebelaktion „beförderten sie ihre Kreaturen und Freunde zur Praetur, wobei sie selber die Bestechungsgelder lieferten, selber bei der Wahl den Vorsitz führten. Doch Catos Ruf und Rechtschaffenheit machten auch diesen Kunstgriff zuschanden; denn in den meisten Wählern war das Ehrgefühl stark genug, dass sie es nicht über sich brachten, einen Mann in der Abstimmung zu verkaufen, den als Praetor für die Stadt zu gewinnen kein Preis zu hoch gewesen wäre.“ Doch Pompeius beendet diesen Wahlgang mit einem Vorwand. „Wiederum floss nun ein Strom von Bestechungsgeldern ins Volk, und nachdem die redlich Gesinnten vom Marsfeld vertrieben waren, konnte die Gewalt sich durchsetzen: zum Praetor wurde nicht Cato, sondern Vatinius gewählt. Man erzählt, die Bürger, die sich hergegeben hatten für diese recht- und gesetzwidrige Wahl, seien sogleich davongelaufen, als hätten sie Angst vor der Strafe. Die andern aber schlossen sich zusammen, um ihrem Zorn Luft zu machen. Ein Tribun eröffnete auf der Stelle eine Volksversammlung, Cato trat vor die Menge und sagte wie ein gottbegeisterter Prophet die Zukunft der Stadt voraus. Er warnte die Bürger vor Pompeius und Crassus, die sich mit so gefährlichen Hintergedanken und politischen Absichten trügen, dass sie Angst haben müssten, Cato könnte ihnen als Praetor in die Quere kommen. Als er nach Hause ging, folgte ihm eine Volksmenge, die größer war als sämtliche Ehrengeleite der eben gewählten Praetoren zusammen.“ Welche Beachtung dieser Eklat fand, belegen etliche zeitgenössische und spätere Stimmen ( u.a. Val. Max. 7,5,6 ut comitiorum maximum crimen referam, M. Porcius Cato, plus moribus suis praeturae decoris adiecturus quam praetexto eius splendoris ipse laturus, consequi illam a populo aliquando non potuit eqs.; Sen. dial. 2,2,3; 12,13,5; ep. 118,4 scio … Catones repelli, Vatinios fieri ). GRIMAL 1977, 77f. glaubte, hier werde auf Catos Niederlage bei der Bewerbung um das Konsulat des Jahres 51 angespielt ( cf. Plut. Cato min. 49f. ). Doch keines seiner Argumente greift. Fasces ( BC 46 ), also Liktoren, standen auch einem Prätor zu ( cf. S. 950 ). Und die Plutarch-Passage, die angeblich Catos Widersachern Schamgefühle bescheinigt ( cf. BC 45f. ), schildert die Reaktion von Catos Freunden, die der Ausgang der Wahl „beschämte“ ( Plut. Cato min. 50,1 σὺν αἰσχύνῃ τινί ). Vor allem aber verliefen die Konsulatswahlen jenes Jahres für römische Verhältnisse ‚korrekt‘ ( wie Cato selbst einräumte; cf. ebd. 50,3 ), während man ihm 55 v.Chr. den so gut wie sicheren Sieg gestohlen hatte. Dass es um die Wahl

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zum Prätor geht, machen nicht zuletzt die vielen Passagen deutlich, in denen Seneca eben dieses Ereignis als exemplarisches politisches Paradigma anführt. – LIT. PECCHIURA 1965 ; TANDOI 1992, 386-423 ( zuerst 1965/66 ); CHRIST 1979, 378-380; R.J. GOAR, The legend of Cato Uticensis from the first century B.C. to the fifth century A.D., Brüssel 1987; F.K. DROGULA, Cato the Younger, Oxford 2019. 45 pellitur a populo victus Cato : „Zurückgewiesen vom Volk wird der besiegte Cato“ ( HOLZBERG ). Der victus Cato verbindet den Satz lose mit Lukans berühmtem Bonmot von der victa causa der Pompeianer und der Republik, die kein gutes Licht auf die Götter fallen lässt : victrix causa deis placuit, sed victa Catoni ( 1,128; für eine kongeniale Exegese des Verses cf. AHL 1976, 304 f. ). Die dezente Anspielung auf Lukan ( so bereits COURTNEY 2001, 188 ) erinnert daran, dass – moralisch betrachtet – Cato stets auf der richtigen Seite stand, bei der Prätorenwahl ( als die Triumvirn ihren Favoriten durchboxten ) wie im Bürgerkrieg. Das pauschale a populo wird den Fakten, wie u.a. Plutarch sie schildert, allerdings kaum gerecht. Nur ein Teil der Bürgerschaft hatte Vatinius zum Amt verholfen – gegen Bezahlung ; und es gab energische Proteste. Zu dem militärischen t.t. pellere cf. OLD s.v. 5: „to repulse in battle, defeat“ ( zur übertragenen Verwendung cf. BC 48 non homo pulsus erat, und e.g. Cic. Att. 10,7,1 regnandi contentio est, in qua pulsus est modestior rex, i.e. Pompeius; Sen. dial. 1,3,3 levi comminatione pelletur sc. ein Hasenfuß; Thes. X 1, 1011,18-25 ). Das martialische Vokabular erklärt Cato fast zum Staatsfeind. Zugleich klingt in dem Verb die repulsa an, „die Wahlniederlage“ (cf. OLD s.v. 1, und Liv. perioch. 105,2 M. Cato in petitione praeturae praelato Vatinio repulsam tulit ; Sen. dial. 12,13,5 Catonis … duplicem in petitione praeturae et consulatūs repulsam ; ep. 71,8 nihil interest inter praeturam Catonis et repulsam ? ), sowie das Kompositum repelli in der Bedeutung „nicht gewählt werden“ (cf. Sen. ep. 118,4 scio … Catones repelli ). Die Tempora zeichnen sich durch eine gewisse Unschärfe aus. Beide Ereignisse – das Präsens pellitur und das PPP victus – finden nicht nur zeitgleich statt, sie sind letztlich identisch. Zugleich gewinnt der Ausdruck als Hysteron – Proteron Prägnanz : Cato wird erst ‚besiegt‘, dann ‚verstoßen‘. 45-46 tristior ille est, | qui vicit : „doch trauriger dran ist der Sieger“ ( SCHÖNBERGER ).

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Dass Cato nicht nur „geschlagen“ ( victus ), sondern „niedergeschlagen“ ist (sc. tristis ), verrät erst der als Aussage über den ‚Sieger‘ ( als Periphrase: ille, qui vicit ) fast paradoxe, von der bukolischen Dihärese zusätzlich akzentuierte Komparativ. Keine der historischen Quellen berichtet, Vatinius ( dessen Name hier wie in einer damnatio memoriae nirgendwo fällt ) habe seinen erkauften Sieg bedauert oder als blamabel empfunden ( cf. BC 46 pudet ). Im Gegenteil: Caesars arroganter Protegé prahlte, die Gunst der Triumvirn und die errungene Prätur garantierten ihm das Konsulat ( cf. Cic. Vat. 6 tu impudenter vaticinando sperare te saepe dixisti sc. consulatum ; Catull 52,3 per consulatum peierat Vatinius, „auf sein künftiges Konsulat schwört fälschlich Vatinius“, und G. FRIEDRICH, W. KROLL und C.J. FORDYCE ad loc.; s. auch Sen. dial. 2,17,3 Vatinium, hominem natum et ad risum et ad odium ). Ähnlich verhält es sich mit der Cato unterstellten Trauer (~ tristis est Cato ). Seine energische Adresse an das Volk spricht eine andere Sprache. Caesar immerhin berichtet, die gescheiterte Bewerbung um das Konsulat drei Jahre später habe Cato sich zu Herzen genommen (civ. 1,4,1 Catonem veteres inimicitiae Caesaris incitant et dolor repulsae ). Anderen Quellen zufolge reagierte er damals jedoch so gelassen, dass seine Freunde Anstoß nahmen (cf. Sen. ep. 104,33 eodem quo repulsus est die in comitio pilā lusit ; Plut. Cato min. 50,1f. ). Catos politisches Schicksal wurde des öfteren mit Wortspielen kommentiert, die meist auf aktivem wie passivem vincere basieren ( gerne als Polyptoton, wie hier ); cf. Manil. 4,87 invictā devictum mente Catonem ( „unbezwungenen Geistes in der Niederlage“ ); Sen. ep. 71,8 nihil interest utrum Pharsalicā acie Cato vincatur an vincat? … victis partibus non potest vinci ( „trotz der Niederlage seiner Partei …“ ); 104,32 sibi et victo et victori ; Anth. Lat. 397 R. == 393 Sh.B. ( Seneca zugeschrieben ) invictum victis in partibus, omnia Caesar | vincere qui potuit, te, Cato, non potuit ; Lukan 1,128 ( zit. zu BC 45 ); Plut. Cato min. 64,8f. Für ähnliche Paradoxa cf. e.g. Sen. contr. 7,7,1 tristiorem istum vidimus, cum filius imperator renuntiatus est, quam cum captus ; Sen. Tro. 1160f. timidum Phryges | misēre gemitum, clarius victor gemit ; Ps.-Quint. decl. 11,10 sequebar captivos meos tristior victor, und v.a. Lukan 7,706 vincere peius erat : angesichts all der Übel, die der Bürgerkrieg brachte, „wäre es für Pompeius schlimmer gewesen, zu siegen“. Eine Klimax der Trauer auf einem Gemälde schildert Quintilian ( inst. 2,13,13 cum … pinxisset tristem Calchantem, tristiorem Ulixem, addidisset Menelao … summum … maerorem ; cf. Cic. orat. 74 cum immolandā Iphigeniā tristis Calchas esset, maestior Ulixes, maereret Menelaus ).

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victus … vicit : Zahllose Beispiele bezeugen die Beliebtheit dieses paradoxen Polyptotons; cf. Sat. 59,2 qui vincitur vincit, und e.g. Enn. ann. 182 Sk. vici sc. invictos viros victusque sum ab isdem ; Cic. Att. 7,1,4 : kommt es zum Bürgerkrieg, video cum altero sc. Pompeio vinci satius esse quam cum altero sc. Caesare vincere ; Brut. 254 vincebamur a victa Graecia ; Publilius Syrus N 22 non vincitur, sed vincit, qui cedit suis ( „… wer den Seinen gehorcht“ ); Sall. Iug. 42,3 bono vinci satius est quam malo more iniuriam vincere ; Ov. met. 13,386 invictum … virum vicit dolor ; fast. 1,523 victa tamen vinces …, Troia ! ; Manil. 5,571f. victor … Medusae | victus in Andromeda est ; Sen. Ag. 754 victamque victricemque sc. animam ; Herc. fur. 278 venias victor ad victam domum ; dial. 4,34,5 victus est qui vicit ; clem. 1,9,8 tam felix … es, ut victo victores invideant ; ep. 51,5 armis vicit sc. Hannibal, vitiis victus est ; Lukan 4,362 hoc petimus, victos ne tecum vincere cogas ; 10,6 victoris victique caput ; Sil. Ital. 10,71 et victus dabit et victor per saecula nomen ; Anth. Lat. 415,22 R. == 413 Sh.B. victus vincere posse putat ; 462,36 R. == 460,36 Sh.B. ( ‚De malo belli civilis‘ ) victorem et victum condidit una manus ; WILLS 1996, 251-253. 46 fascesque pudet rapuisse Catoni : „und er schämt sich, die Rutenbündel einem Cato entrissen zu haben.“ Die fasces, mit roten Riemen geschnürte Bündel aus Ulmen- oder Birkenzweigen, waren vermutlich etruskischen Ursprungs. Als Zeichen ihrer Amtsgewalt wurden sie hohen römischen Magistraten in der Öffentlichkeit von Amtsdienern ( lictores ) vorangetragen. Einen Prätor oder Proprätor begleiteten sechs Liktoren, einen Konsul oder Prokonsul zwölf, den dictator vierundzwanzig. Außerhalb Roms war als Symbol absoluter Befehlsgewalt über Soldaten und Provinzialen zudem ein Richtbeil in die fasces gebunden ( cf. MOMMSEN 1887/88, Bd. I, 373-393; C. GIZEWSKI, DNP 7, 1999, 180f.; L. DE LIBERO, DNP 12/2, 2002, 962f. ). Hier stehen sie metonymisch für das Amt des Prätors. Fasces rapere, „die Rutenbündel gewaltsam an sich reißen“, verschärft die vertrauteren Varianten mit den Komposita ( arripere, corripere ); cf. Bell. Hisp. 42,6 fasces imperiumque sibi arripuit ; Sall. Cat. 18,5 fascibus conreptis ; Vell. Pat. 2,58,3 cum … fasces atque insignia corripuisset consulis ; Thes. VI 1, 304,7678. So bereits Lukan 1,178 rapti fasces pretio ( „… mittels Korruption“ ). „Petronius, in a reminiscence of this phrase, specifically applies it to the case of Cato, the champion of the Republican freedom.“ ( SULLIVAN 1985, 166 ). – Zu ergänzen ist ‹ eum › pudet eqs. 47 namque – hoc dedecoris populo morumque ruina – : „Denn – was dem Volk die eigene Schande bewies und seinen Sittenverfall –“.

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Von Catos Wahlniederlage leitet BC 47 ( nicht allzu elegant ) zur Bewertung der Ereignisse über : die Geschichte bricht den Stab über das Volk, das Cato mehr Unrecht angetan hat als der immerhin ‚reumütige‘ Wahlsieger ( 45f. tristior ille eqs.; laut G. VANNINI in epist. geben die Verse 48f. die Perspektive des geläuterten Vatinius wieder ). Sprachlich wirft der unsicher überlieferte Vers gleich mehrere Fragen auf. Insgesamt gehört er zu den schwächsten des BC ( s. auch die ‚Wiederholungen‘ 45 populo, 49 decus ). Das ist aber noch kein Grund, ihn mit BROUKHUSIUS zu tilgen ( so u.a. MÖßLER 1842, 43f. Anm. 33; BÜCHELER 1 ; GIARDINA – MELLONI ; MÜLLER ; von einem christlichen Interpolator geht POLETTI 2017, 231-233 aus, da sich die Junktur morum ruina sonst nur bei Kirchenschriftstellern finde, u.a. Aug. civ. Dei 19,23 == p. 397,31f. D.-K.; Salvian de gubernatione Dei 6,77 et rerum ruina … et morum ; Gregor Magnus hom. in evang. 2,39,3 ). Denn es braucht einen Übergang von BC 46 zu 48 ( wie eben das einleitende namque, das etwas in der Luft hängt und am ehesten zu BC 48 zu ziehen ist ; s. auch BALDWIN 1911, 137 ). Die Herausgeber und Übersetzer lassen den Vers denn auch mehrheitlich stehen ( so BÜCHELER ab ed.2, und u.a. STUBBE ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; GUIDO ; GRIMAL ). Dedecus ist im Nominativ, Genetiv und Dativ überliefert ( kaum in Betracht kommen HEINSIUS’ pathetischen Vokative bzw. Akkusative des Ausrufs: o dedecora ! o populi morumque ruinae bzw. ruinas ! ). Platt klingt der von BALDWIN empfohlene Nominativ ( 1911, 137: „two chiastic pairs of words parallel also in construction“ ): namque hoc dedecus est populi eqs. ( est add. IUNIUS ; populi STEPHANUS ). Etwas besser macht er sich mit dem Dat. populo ( hoc dedecus est populo ; so IUNIUS ). Der Dativ ( namque hoc dedecori populo eqs., bzw. mit ANTON dedecori ‹ est › populo ) ergibt einen leicht sperrigen doppelten Dativ : „dies gereichte dem Volk zur Schande“. Kaum überzeugen kann der Versuch, den Dativ mit dem Abl. ruinā zu verbinden: namque hoc dedecori populo, morumque ruinā non homo pulsus erat eqs. ( BROŻEK 1965: „… und im Niedergang der Sitten war nicht ein Mensch geschlagen …“ ). Die Editoren entscheiden sich mehrheitlich zurecht für die lectio difficilior des adverbialen Gen. poss. dedecoris ( u.a. BÜCHELER ; BALDWIN 1911, 137: „public disgrace and the overthrow of all moral standards“; ERNOUT ; STUBBE ; MÜLLER ; GIARDINA – MELLONI ): „Zeichen, Ausdruck, Inbegriff der Schande“ ( e.g. ‹ signum › dedecoris, mit Ellipse von est oder eher erat ; cf. KST 1,453; HSZ 62 ; NM § 303: „Genetivus proprietatis“, und e.g. Tac. ann. 6,32,4 exemplar … adulatorii dedecoris habetur, „er gilt als typischer rückgratloser Schmeichler“; für spätantike Parallelen cf.

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Thes. V 1, 255,14-20; für einen final gefärbten Gen. qual., wie 102,5 stationis perpetuae, votierte PETERSMANN 75f. ). Doch zu was ist morumque ruina zu ziehen: zu hoc ( das wohl gleichermaßen auf Catos Wahlniederlage zielt als auch proleptisch auf 48f. verweist ), oder zu dedecoris ? Im ersten Fall ist zu lesen namque hoc, et ruina morum sc. erat populo dedecoris ( so u.a. STUBBE : „Denn dies gerade und der Sittenverfall war das Zeichen der Schande für das Volk“ ). Doch warum sollte hier unvermittelt allgemein vom ‚Sittenverfall‘ die Rede sein ? Im zweiten Fall ist zu lesen namque hoc populo dedecoris, et ruina morum ( so u.a. GRIMAL : „Car, c’était le déshonneur du peuple et l’effondrement de la morale“). Die zweite Lesart fügt sich organischer in den Kontext – auch wenn der merkwürdige Kasus- bzw. Konstruktionswechsel vom gen. poss. dedecoris zum schlichten Nominativ ruina am Versende ein wenig verwundert. Ging eventuell ein -e verloren, und zu lesen sind z w e i adverbiale Genetive ( hoc dedecoris populo morumque ruinae, „denn – dies war dem Volk ein Zeichen der Schande und des Verfalls seiner Sitten“ ) ? 48-49 non homo pulsus erat, sed in uno victa potestas | Romanumque decus : „nicht ein Mensch war geschlagen, sondern in dem einen Roms Macht und Ehre besiegt.“ Das Aperçu bringt den Symbolgehalt jener Episode auf den Punkt. Wie der victor Romanus ( BC 1) kollektiv für das siegreiche Rom steht, so der ‚geschlagene Cato‘ ( i.e. die ihm geraubte Wahl ) kollektiv für Roms moralischen Bankrott. Bereits seine Zeitgenossen gossen Catos historische Bedeutung in griffige sententiae. Zu seiner angeblichen Veruntreuung von Staatsgeldern schrieb Porcius Latro: quae maior indignitas illius saeculi esse potuit quam aut Pulcher accusator aut reus Cato ! ( ap. Sen. contr. 10,1,8 ). Cicero meinte, „wenn Cato Rom nicht braucht, so doch Rom Cato“ ( εἰ μὴ Κάτων τῆς Ῥώμης, ἀλλ᾿ ἡ Ῥώμη δεῖται Κάτωνος ; ap. Plut. Cato min. 32,10 ). Sallust hielt fest, quo minus petebat gloriam sc. Cato, eo magis illum sequebatur ( Cat. 54,6 ). Respekt zollt ihm selbst die berühmte Anekdote von den Klienten, die früh am Morgen den bezechten Cato ‚ertappen‘ ( ap. Plin. ep. 3,12,3: putares non ab illis Catonem, sed illos a Catone deprehensos ). Nicht anders äußerte sich die Nachwelt, etwa Valerius Maximus ( 3,2,14 magnum hominibus documentum dedisti, quanto potior esse debeat probis [ „rechtschaffenen Männern“ ] dignitas sine vita quam vita sine dignitate ; 6,2,5 libertas sine Catone ? non magis quam Cato sine libertate ; 7,5,6 non Catoni tunc praetura, sed praeturae Cato negatus est ) oder Seneca ( dial. 2,2,2 neque … Cato post liber-

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tatem vixit nec libertas post Catonem ). In verwandtem Geist charakterisiert Plinius den schwerkranken Dichter Titius Aristo ( ep. 1,22,1 ): nihil est … illo gravius sanctius doctius, ut mihi non unus homo, sed litterae ipsae omnesque bonae artes in uno homine summum periculum adire videantur. Denn Cato zählt zu jenen herausragenden Individuen, die repräsentativ für das Gemeinwesen stehen ( cf. Cic. Catil. 1,11 non est saepius in uno homine summa salus periclitanda rei publicae, „es darf nicht wiederholt in e i n e r Person das gesamte Staatswohl in Bedrängnis geraten“; cf. A. DYCK ad loc.: „unus is sometimes used expressively of the one man who makes all the difference“; s. auch Enn. ann. 363 Sk. unus homo nobis cunctando restituit rem sc. publicam ). Die Verben von BC 45 kehren in BC 48 wieder, in gleicher Reihenfolge ( 45 pellitur ~ 48 pulsus ; 45 victus ~ 48 victa ). Das Trikolon victus ( 45 ) – vicit ( 46 ) – victa ( 48 ) schlägt die Brücke vom ‚geschlagenen‘ Cato über den traurigen ‚Sieger‘ zum eigentlichen ‚Verlierer‘ – der Republik. Decus ist hier nicht auf Cato persönlich gemünzt ( cf. e.g. Cic. Phil. 2,54 Cn. Pompeium … imperi populi Romani decus ac lumen ; Fronto ad M.Caes. 2,12 p. 31,23 f. v.d.H. Caesar, decus patriae et Romani nominis ). Zu dem singulären Romanum decus cf. u.a. Liv. 45,38,3 triumphum … universi populi Romani esse decus ; Lukan 9,747 decus imperii ; Plin. nat. 7,95 decus imperii Romani ; Tac. ann. 2,55,1 decus Romani nominis. – Die Verknüpfung von potestas und decus ist singulär ( keine Parallele ist die Thes. V 1, 247,69 zitierte Schlussformel der Passio Petri 17, Hs. A, ed. Lipsius vol. I, p. 22 ). 49-50 quare tam perdita Roma | ipsa sui merces erat : „Deshalb war das in solchem Maße verlorene Rom höchstselbst die eigene Belohnung …“. Wie der Fall Cato symptomatisch zeigt, betreibt Rom den eigenen Ausverkauf : „she was plunderer, plundered, and plunder all in one“ ( BALDWIN 1911, 139; cf. Append. Sall. in Cic. 1 rem publicam … audacissimo cuique esse praedae eqs., zit. S. 942 ). Vor allem aber deutet sich in der „schutzlosen Beute“ Roms Rolle im Bürgerkrieg an: „Die Parteiführer ( griffen ) einander … mit starken Heeren an, und das Vaterland lag als Siegespreis ( ἆθλον ) zwischen ihnen“ ( Appian b.civ. 1,240; übers. O. VEH ; s. auch Cassius Dio 41,10,1: Rom lag Caesar als „Siegespreis“ ( ἆθλον ) zu Füßen ). Schon während der Bürgerkriege 88-86 v.Chr. betrachteten Marius und Sulla „das Vaterland gleichsam als Siegespreis und Beute“ ( Plut. Brutus 29,6 ἆθλον ἐν μέσῳ καὶ λείαν προθέμενοι τὴν πατρίδα ; ähnlich Val. Max. 7,6,4 über jene dunkle Zeit : praemium victoriae res erat publica ).

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Mit den gleichen Stichworten ermutigt Caesar in Pharsalos seine Leute, das Lager der Pompeianer zu plündern ( Lukan 7,736-738 non magno hortamine miles | in praedam ducendus erat. ‚victoria nobis | plena, viri‘ dixit ; ‚superest pro sanguine merces‘ ). Zu dem eher konsekutiv als kausal gefärbten quare cf. OLD s.v. 5: „( introducing a fresh sentence) for which reason, therefore, hence“ ; HSZ 541f.; zur prosaischen Qualität der Partikel ( ferner BC 94, 172 ) cf. AXELSON 80f. Anm. 67. tam : Zu dem emphatisch alleinstehenden tam cf. Sall. Cat. 14,1 in tanta tamque corrupta civitate eqs. ( zit. POLETTI ( 2017, 233f. ). SHACKLETON BAILEY 1987, 463 machte sich für iam stark ( ed. Torn., und wohl SCALIGERs Konjektur ; cf. POLETTI 2017, 233 ). Es verleiht der Wendung eine folgernde oder sogar zeitliche Dimension: „längst“ – und damit das Air des Unausweichlichen ( s. auch BC 36 f. iam Phasidos unda | orbata est avibus ; 91 f. iam montibus haustis | antra gemunt ; 111 gemina iam stratos morte Philippos ; 113 iam fragor armorum trepidantes personat aures ; 213 iam classes fluitare mari ; laut M. DEUFERT in epist. träte mit tum die zeitliche Dimension deutlicher zutage ). Es verdient zumindest einen Platz im Apparat. ipsa sui merces : Merces steht hier nicht in der Bedeutung „Ware“ ( cf. Sat. 14,2,5 iudicium nihil est nisi publica merces, und OLD s.v. 5: „an article put up for sale, commodity“ ), sondern äquivalent zu praeda bzw. praemium ; cf. Lukan 2,227f. ~ 2,655f. bellorum maxima merces | Roma, ferner Vell. Pat. 2,22,5 ut … sui quisque periculi merces foret ( während der Proskriptionen 88-86 v.Chr. „wurde jeder Reiche zur Belohnung für die eigene Ermordung“ ); Florus epit. 2,1,5 misera res publica in exitium sui merces erat ( „das desolate Gemeinwesen wurde die Belohnung für den eigenen Untergang“; s. auch OLD s.v. 4 a ). „The Romans fighting in the corrupt political arena or in the civil war regard Rome itself as an object of prey and the reward for their fighting.“ ( A. SETAIOLI in epist.). 50 et sine vindice praeda : „… und die schutzlose Beute.“ In römischen Zivilprozessen bürgte ein vindex für das Erscheinen eines Vorgeladenen vor dem Magistrat. Waren Vermögenswerte im Spiel, haftete er mit dem eigenen Besitz ( Ch. PAULUS, DNP 12/2, 2002, 228 f. ). Im übertragenen Sinn ist ein vindex jemand, der „auch amtlich … Recht und Gerechtigkeit verbürgt. … Daraus abgeleitet ist dann die Bedeutung ‚Rächer‘.“ ( F. BÖMER ad Ov. met. 1,89 ; cf. POLETTI 2017, 233: „in tal senso il vindex sarebbe potuto essere, per esempio, un Catone“ ).

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Abgesehen von den Sat. ist die Junktur sine vindice ( cf. BC 167 f. nec hanc sine vindice dextram | vinciet ignavus ) ausschließlich bei Ovid belegt, der gern zu juristischem Vokabular greift ( cf. S. 1024 ). Teilweise besitzt sie ihr volles Gewicht : „ohne Rächer“ ( her. 8,7 non sum sine vindice ; met. 1,89-93 vindice nullo, | sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat sc. aurea aetas. … erant sine vindice tuti ; Ps.-Ov. cons. Liv. 185 iura silent mutaeque tacent sine vindice leges ). Mitunter aber wird sie abgeschwächt verwendet : „ungestraft“ ( fast. 3,551 invadunt … sine vindice regnum ) – wie hier und BC 167. Erst bei Bernhard von Cluny taucht sie wieder auf ( 12. Jh.; De contemptu mundi 1,466 sine vindice iudex ). S. auch Liv. 3,38,2 deploratur in perpetuum libertas, nec vindex quisquam exsistit aut futurus videtur. praeda : Mit dem Stichwort praeda ( hier synonym zu merces ) klingt die Passage augenfällig aus ( cf. 39 f. empti … Quirites | ad praedam … suffragia vertunt ). Als einen der Gründe für den Bürgerkrieg nennt Tibull die Aussicht auf ‚Beute‘ ( 2,3,35-46, bes. 37f. praeda feras acies cinxit discordibus armis : | hinc cruor, hinc caedes mors propiorque venit ; hier mit dem Unterton „Gier nach materiellem Gewinn“ ). Prägnanter setzt Lukan das Nomen ein: feige lässt man Rom Caesar als ‚leichte Beute‘ zurück ( 1,510-522, bes. 513 facilem venturo Caesare praedam ). Bereits Cicero nennt Rom Caesars ‚Beute‘ im Bürgerkrieg ( Att. 7,13,1 huic tradita urbs est nuda praesidio, referta copiis. quid est quod ab eo non metuas, qui illa templa et tecta non patriam, sed praedam putet ? ). Caesar streitet solche Motive ab ( Lukan 1,350 neque praeda meis neque regnum quaeritur armis ). 51 – 60 Die Schuldenkrise Die dramatische Verschuldung gerade senatorischer Kreise beschleunigte in der späten Republik die Erosion der staatlichen Institutionen. Die immensen Kosten einer politischen Karriere ( des cursus honorum ) – das standesgemäße Leben, die materielle Unterstützung von Freunden, Verbündeten, Klienten, die Bestechung von Richtern und Wählern, Spiele und öffentliche Bauten – führten gerade die jüngere Generation oft genug an den Rand des Bankrotts. Doch insgesamt „war die römische Oberschicht in geradezu spektakulärer Weise verschuldet“ ( M. CRAWFORD, DNP 11, 2001, 262; cf. Cic. fam. 7,3,2 maximum … aes alienum amplissimorum virorum ; Sall. Cat. 16,4 aes alienum per omnīs terras ingens erat ; 33,1f.). Kaum besser erging es der Plebs, die v.a. in der Hauptstadt unter den hohen Lebenshaltungskosten stöhnte. Ein Auskommen hatten am ehesten noch die equites,

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aus deren Reihen sich das Gros der Importhändler und Geldverleiher rekrutierte. Eines der zentralen Versprechen Catilinas war ein Schuldenschnitt ( Cic. Catil. 2,18-21, bes. § 18 tabulas novas … a Catilina exspectant ; § 20 in tantum aes alienum inciderunt ut, si salvi esse velint, Sulla sit iis ab inferis excitandus ; Sall. Cat. 21,2 Catilina polliceri tabulas novas ). Überhaupt war seine Verschwörung Symptom wie Symbol jener anarchischen Zeitläufte, enthüllte sie doch „das ganze Ausmaß und die Vielfalt der Verelendung und Unzufriedenheit großer Bevölkerungsgruppen in Rom selbst wie in Italien“ ( CHRIST 1979, 267 ); sie barg das Potential eines Bürgerkriegs in sich ( s. auch Sall. Cat. 36,4-37,11, und Ciceros bösen Scherz nach dem Kauf von Crassus’ Haus auf dem Palatin, fam. 5,6,2: me scito tantum habere aeris alieni ut cupiam coniurare, si quisquam recipiat ). Der wachsende Schuldenberg zerstörte etliche Karrieren und führte zu der paradoxen Situation, dass viele ihre Hoffnung auf einen Bürgerkrieg setzten ( s. auch Caesars zynischen Rat an Bankrotteure, Suet. Iul. 27,2 : his plane palam ‚bello civili opus esse‘ dicebat ; ferner Lucr. 3,70-72 sanguine civili rem conflant divitiasque | conduplicant avidi eqs.; Cic. Phil. 2,4 ). Auch Lukan nennt dieses Phänomen explizit : „Von da an gab es gefräßige Zinsen und Kredite, die auf den Zahltag schielten. Das Vertrauen war zerrüttet – und vielen kam ein Krieg höchst gelegen.“ ( 1,181f. hinc usura vorax avidumque in tempora fenus | et concussa fides et multis utile bellum ; s. auch 2,253-255: manche treibt „die mit dem Untergang der Welt zu tilgende Verschuldung“ in den Bürgerkrieg, mundi … ruinae | permiscenda fides. … castra petunt magnā victi mercede ). LIT. MOMMSEN 11 1917, 526-528; M.W. FREDERIKSEN, Caesar, Cicero and the problem of debt : JRS 56, 1966, 128-141; MEIER 1982, 194 f.; C. NICOLET, in: CAH 9, 1994, 640-643; J. ANDREAU, Banking and Business in the Roman World, Cambridge 1999, 100-111. 51-52 praeterea gemino deprensam gurgite praedam | faenoris ingluvies ususque exederat aeris : „Zudem hatte der Rachen des Wuchers und das Aufnehmen von Krediten sein von diesem doppelten Strudel erfasstes Opfer zerfleischt.“ Ein dezentes Hysteron – Proteron leitet das neue ( praeterea ) Thema ein: die aufgenommenen K r e d i t e ( usus aeris ‹ alieni › ) und die anfallenden hohen Z i n s e n , die nicht mehr bedient werden können ( faenoris ingluvies ), zermalmen wie zwei Kiefer ihre in diesem ‚doppelten Strudel‘ oder ‚Schlund‘ ( gemino gurgite ) gefangenen Opfer. Auf irritierende Weise verschmelzen hier zwei Bilder : ein klaffendes Maul, und ein gähnender Mahl-

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strom ( s. unten ). Ein solcher ‚Strudel‘ verschlingt auch Lichas ( 114,6 repetitum … infesto gurgite procella circumegit atque hausit ) – und in Trimalchios Atrium beinahe Encolpius und Askylt ( 72,7 dum natanti opem fero, in eundem gurgitem tractus sum ). Zum Stichwort ‚Kredit‘ cf. OLD s.v. aes 4 a ( aes alienum ), bzw. OLD s.v. usus 4 a ( die etymologische Anspielung auf usura in usus aeris notiert POLETTI 2017, 239; er zitiert Isidor etym. 5,25,15 usura est incrementum fenoris, ab usu aeris crediti nuncupata ). Implizit schwingt die ‚Geldverschwendung‘ mit ( cf. WALSH : „borrowed money spent“ ). Zu den ‚Zinsen‘ ( faenoris ingluvies, ~ „die Gefräßigkeit der Zinsen, die nagenden Schulden“ ) cf. OLD s.v. faenus 1: „interest (on capital )“; 2: „a debt carrying interest“ ( zu faenus als „Profit“ cf. Sat. 83,10,1 magno se faenore tollit ). Auch Lukan zählt die drückende Verschuldung zu den Ursachen des Bürgerkriegs ( 1,181f., oben zit., mit dem gleichen Hysteron – Proteron Zinsen – Kredite ). Ähnlich kritisch beurteilte Tacitus das römische Kreditwesen ( ann. 6,16,1 vetus urbi faenebre malum et seditionum discordiarumque creberrima causa ). Selbst ein Kredithai konnte in jenen turbulenten Jahren vom idyllischen Landleben träumen, „befreit von aller Zinslast“ ( Hor. epod. 2,4 solutus omni faenore ). GUIDO 1976, 33 ad loc. verstand usus als Genetiv : ingluvies faenoris usūsque aeris ( „der Rachen des Wuchers und des Gebrauchs von Krediten“ ). Sprachlich wie sachlich mehr Gewicht hat der Chiasmus ( faenoris ingluvies – usŭs aeris ), der mitsamt den Alliterationen ( prae- -pren- prae- / gem- gurg- ) und den Hyperbata ( gemino deprensam gurgite praedam ) die Verse herausstreicht. gemino deprensam gurgite : Zum metaphorischen gurges cf. Cic. Sest. 93 profundissimum libidinum suarum gurgitem ; Liv. 39,16,5; Val. Max. 3,6 praef. in imo gurgite turpitudinis suae ; Thes. VI 2, 2361,23-54 : „latiore sensu pertinet ad quamlibet voraginem malorum“. Die ominösen Untertöne von geminus ( cf. TH 35 angues orbibus geminis ; BC 111 geminā iam stratos morte Philippos ), mehr jedoch das Stichwort gurges, in dem das klaffende Maul und der Mahlstrom verschmelzen ( s. oben ), evozieren unweigerlich das Bild zweier eng verbundener Übel, zwischen denen ein Opfer hilflos zugrunde geht ( praedam … exederat ) – die mythischen Monster S k y l l a und C h a r y b d i s ; cf. Cic. har. resp. 59 Charybdim …, quae tantos exhaurire gurgites possit ; Sall. hist. frg. 4,28 Charybdis … inlata navigia sorbens gurgitibus occultis eqs.; Verg. Aen. 3,420-432 dextrum Scylla latus, laevum implacata Charybdis | obsidet, atque imo barathri ter gurgite vastos | sorbet in abruptum fluctūs eqs.; Corp. Tib. 3,7(4,1 ), 70-75 illum inter

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geminae nantem confinia mortis | nec Scyllae saevo conterruit impetus ore …, nec violenta suo consumpsit more Charybdis, … si interrupto nudaret gurgite pontum. Das Verb deprendere bringt auch App. Verg. Ciris 60f. ins Spiel: Dulichias vexasse rates et gurgite in alto | deprensos nautas canibus lacerasse marinis ( „Skylla habe Dulichions Schiffe heimgesucht und die im tiefen Meeresschlund gepackten Schiffer mit ihren Seehunden zerfleischt“ ). „Deprensos refers to the fact that the mariners are caught in the narrows between Scylla and Charybdis. Deprendo is in fact almost a uox propria of people being caught unawares, at a disadvantage, for one reason or another … at sea.“ ( R. LYNE ad loc.). A. SETAIOLI in epist. zitiert Verg. georg. 4,421 deprensis … statio tutissima nautis ( eine Höhle als Zuflucht für vom Sturm überraschte Seefahrer ). Cicero vergleicht Schulden einmal metaphorisch mit Skylla ( Sest. 18 in Scyllaeo illo aeris alieni tamquam in fretu, „in jener gleichsam skyllahaften Schuldenflut“ ); „Charybdis“ hingegen verwirft er als unglückliche Metapher für einen Bankrott ( de orat. 3,163 ). Piso und Gabinius nennt er geminae voragines scopulique rei publicae ( Pis. 41; zu gemino ~ duōbus cf. BC 238 gemino cum consule, und S. 1274 ad loc.). praedam : Auf den ersten Blick wirkt das überlieferte praedam ( so u.a. STUBBE ; ARAGOSTI ; HOLZBERG ) wie eine versehentliche Dublette des Schlusses von Vers 50 ( s. auch praeterea und deprensam im selben Vers ). Von den vorgeschlagenen Konjekturen kommt nur eine ernstlich in Betracht, BURMANs plebem ( so u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; MÜLLER ; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI ). POLETTI 2017, 234-237 verweist auf die destabilisierende Rolle der verschuldeten Plebs ( cf. Sall. hist. frg. 1,11 maxume fenore oppressa plebes ; s. auch Cat. 37,1 cuncta plebes ; 37,4 urbana plebes ), räumt freilich ein, dass die Verschuldung sämtliche sozialen Schichten getroffen habe – was eher einen kollektiven Begriff erfordere. In der Tat passt plebem im Kontext schlechter als praedam, das hier synonym für Romam steht ( so MÖßLERs Konjektur, 1865, 14 ). Denn am härtesten traf die Verschuldung die Oberschicht. Praedam greift bewusst, wenn auch nicht unbedingt elegant ( cf. die ‚Dublette‘ BC 79f. ) das Stichwort von BC 50 auf : Roms Elite versinkt nicht nur in Korruption ( 39-44 ) und folgenschweren Machtkämpfen ( 45-50 ), sondern auch im Strudel ihrer Schulden. Und nicht zuletzt passt eine „Beute“ ( bzw. ein „Opfer“ ) weit besser zwischen ‚zermalmende Kiefer‘ ( ingluvies … exederat ) als das „einfache Volk“. ingluvies : Das illuvies der Hss., „Schmutz, Dreck, Morast“ ( so u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; MÜLLER 1 ; CIAFFI ; MONELLA 2007,

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11f.: „filthiness that had consumed ( like a disease ) the plebs“ ), erscheint nachklassisch vereinzelt auch übertragen ( cf. Fronto de orat. 8 p. 156,3 v.d. H. verborum sordes et illuvies ; Fulgentius myth. 3,11 == p. 79,18 Helm fenerantium vitam rapinae inluviē esse sordidam [ ingluviē var. lect.]; Thes. VII 1, 401,23-27; OLD s.v. illuuiēs 1b ad loc.). MÜLLER entschied sich ab ed.2 zurecht für PALMERs ingluvies ( wie u.a. DE SALAS ; ANTON ; STUBBE ; NISBET 1962, 232 ; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI ). Erstens ist die übertragene illuvies nur spärlich und spät belegt ; vor allem aber passen zermalmende ‚Kiefer‘ ( cf. OLD s.v. ingluuies 1: „the gullet, jaws (esp. of an animal )“ eqs.) deutlich besser zu exederat als der ominöse „Morast des Wuchers“ ( SCHÖNBERGER ). – Die Junktur faenoris ingluvies ist singulär. exederat : Zu exedere ( v.a. metri causa im Sing.), „( i.q. delere, evertere ): urbem, rem publicam, plebem“ ( Thes. V 2, 1318,35-41; allgemeiner OLD s.v. exedō 2 c : „( fig.) to eat away“ ), cf. Verg. Aen. 5,785 f. exedisse … urbem ( vom ‚ausgemerzten‘ Troja ); Tac. ann. 2,27,1 per tot annos rem publicam exēdēre ( politische Machenschaften „zersetzten den Staat“; cf. F. GOODYEAR ad loc.); Nazarius Paneg. Lat. 4,27,5 Mynors exedendae urbis. Als pathologischer Befund kann es auch einen ‚zerfressenen‘ Körper beschreiben ( cf. BC 54 f. ). 53 nulla est certa domus, nullum sine pignore corpus : „Kein Haus bleibt verschont, kein Leib ohne Pfändung“. Auch wenn die Schuldknechtschaft in Rom schon lange abgeschafft war – die Schuldenkrise bedeutete für die Betroffenen nicht selten das Ende ihrer bürgerlichen Existenz ( cf. Sall. Cat. 33,1 miseri, egentes violentiā atque crudelitate faeneratorum plerique patriae, sed omnes famā atque fortunis expertes sumus. neque quoiquam nostrum licuit … amisso patrimonio liberum corpus habere : tanta saevitia faeneratorum … fuit, „verarmt und mittellos dank der Brutalität und Grausamkeit der Kredithaie, haben die meisten von uns die Heimat, wir alle jedoch unseren guten Ruf und unser Vermögen verloren usw.“; cf. K. VRETSKA ad loc.). Dazu gehörte auch ein Leben ‚ohne festen Wohnsitz‘ – wie Bauern es führten, die Haus und Hof verloren hatten ( cf. Append. Sall. ad Caes. 2,5,4 eos … expulsos agris inertia atque inopia incertas domos habere subegit ). Dass gegen Ende der Republik das Damoklesschwert des finanziellen Ruins über ‚jedem Haus‘ hing, ist poetische Hyperbel. Die Junktur certa domus klingt wie ein Echo Vergils. Sie erinnert an die ‚feste Wohnung‘, die im Elysium niemand mehr braucht ( Aen. 6,673 nulli certa domus ), v.a. aber an das feierliche Versprechen, das der Flussgott Tiberinus Aeneas gibt, als er endlich seine neue Heimat erreicht ( Aen.

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8,39 ): hīc tibi certa domus. In der späten Republik verkehrt sich dieses heilige Versprechen in sein Gegenteil: etliche Römer verlieren ihre Heimat. BC 53 gehört zu den „pointed reversals of Virgilian descriptions“ in dem Epyllion ( SETAIOLI, Nugae 9 ). Wie in einem Zoom verengt sich der Fokus vom ‚Opfer‘ Rom ( praeda ) über domus zu corpus, das hier prägnant statt homo steht, „Mensch“ ( cf. OLD s.v. corpus 9 ). Anapher, Polyptoton und Hyperbaton verstärken den Effekt ( nulla … domus, nullum … corpus ). Zu pignus cf. OLD s.v. 1c ad loc.: „a pledge as a transaction, mortgage“, und Mart. 12,25,1 rogo te nummos sine pignore ( „ohne Sicherheit“ ). – Zur Kombination zweier negierter Aussagen mit einer positiven ( nulla … nullum … sed …) cf. BC 71-74 und 148-150 (non …, non …, sed …). 54-55 sed veluti tabes tacitis concepta medullis | intra membra furens curis latrantibus errat : „sondern gleichsam ein im stummen Mark ausgebrochener Infekt irrt rasend umher in den Gliedern mit bellenden Sorgen.“ Das prägnante Bild einer ansteckenden Krankheit ( vom Ausbruch: concepta medullis, zur Ausbreitung : intra membra errat ) beschreibt die Auswirkungen der ökonomischen Krise auf die Betroffenen ( cf. POLETTI 2017, 243: „un gioco di esagerato virtuosismo“ ). Bereits bei Livius fressen die Schulden eines Centurios zuerst dessen Besitz ; „zuletzt griffen sie wie eine Seuche auf seinen Leib über“ ( 2,23,6 postremo velut tabem pervenisse ad corpus ). Betroffen ist nach verbreiteter Metaphorik aber v.a. der ‚Volkskörper‘ ( wie in Menenius Agrippas Fabel, Liv. 2,32,8-12, bes. § 10 hac irā … ipsa unā membra totumque corpus ad extremam tabem venisse ). Vom erkrankten Staat spricht auch Cicero ( Catil. 1,31 periculum … residebit … penitus in venis atque in visceribus rei publicae eqs.). Sallust vergleicht den Verfall der Sitten mit einer Seuche ( Cat. 10,6 ubi contagio quasi pestilentia invasit, civitas inmutata, imperium ex iustissumo atque optumo crudele intolerandumque factum ; s. auch Cat. 11,3; Iug. 32,4 ), aber auch die inneren Unruhen, die zu Catilinas Verschwörung führten ( Cat. 36,5 tanta vis morbi atque uti tabes plerosque civium animos invaserat ). Ähnlich beschreibt Livius die Konflikte zwischen Volk und Optimaten während des zweiten Punischen Kriegs ( 24,2,8 unus velut morbus invaserat omnes Italiae civitates, ut plebes ab optimatibus dissentirent eqs.). Eine Seuche wütet nicht zuletzt in Kroton ( Sat. 116,9 adibitis … oppidum tamquam in pestilentia campos eqs.; cf. Bd. II, S. 722f. ) – das auch für Rom steht ( ebd. S. 702f., ferner CONNORS 1989, 60f. ).

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Die Krankheit bricht im ‚Mark‘ aus, d.h. in der Elite, und verbreitet sich ‚in den Gliedern‘, d.h. bei Bürgern und Volk. Die mit der Infektion einhergehenden „bellenden Sorgen“ ( curis latrantibus ist abl. modi oder modaler abl. abs.) symbolisieren die psychischen Traumata des ‚Volkskörpers‘. Dass diese Epidemie im Furor des Bürgerkriegs enden wird, deutet furens an ( cf. BC 60 furor et bellum ferroque excita libido, und S. 1292f. zu 247 terras … furentes ). Furere erscheint nur selten bei physischen Krankheitsbildern ( u.a. Apul. apol. 50,4 : die Epilepsie venis omnibus furens pervasit ; met. 10,26,6 perniciem caecam totis visceribus furentem medullae penitus adtraxerant, „das Mark hatte das unsichtbare Verderben, das in allen Eingeweiden raste, gänzlich absorbiert“; tacet Thes.), oft hingegen in Verbindung mit dem Wahnsinn ( cf. Sat. 3,2 cum insanientibus furere, und e.g. Cic. Verr. 2,4,39 usque eo commotus est, ut … insanire omnibus ac furere videretur ; Grattius cyn. 476; Sen. dial. 7,12,1 hilarem insaniam insanire ac per risum furere ; Quint. decl. 256,4 furere et agi dementiā videbar ). Unübersehbar ist hier der Einfluss zweier kanonischer Szenen der Aeneis : der liebeswund durch Karthago irrenden Dido ( 4,66-69 ēst mollis flamma medullas | interea et tacitum vivit sub pectore vulnus. | uritur infelix Dido totāque vagatur | urbe furens ), und Allectos Schlange, die Königin Amatas Geist vergiftet ( 7,353 membris lubricus errat, „schlüpfrig gleitet sie über ihre Glieder“; s. auch S. 1306 ). Auch jene Vergiftung endet im Bürgerkrieg ( zu BC 53-55 s. auch ZEITLIN 1971, 70f. ). Zu veluti, „sozusagen, gleichsam“, cf. OLD s.v. 4 : „( in apologizing for a strong or unusual phrase, metaphor, etc.) as it were, so to speak“ ( hier leitet es keinen Komparativsatz ein; cf. BC 200 concreta gelu ponti velut unda ruebat ; 233 ac velut ex alto eqs.). Alliterationen ( tab- tac- ; med- mem- ), ‚Echos‘ ( con- -cep- ; inTRA laTRAnt- ), und die doppelte markante Penthemimeres ( séd velutí tābés | tacitís concépta medúllis || íntrā mémbra furéns | cūrís latrántibus érrat ) verleihen dem Vergleich Nachdruck. tabes tacitis concepta medullis : Zu Krankheiten oder Giften ( tabes, „Siechtum, Seuche; Fäulnis; Verfall, Zersetzung, Verwesung ; Gift“; s. auch NORDEN 4 1957, 249f. ), die ins Mark dringen – nach alter Vorstellung Sitz von Vitalität und Lebenskraft –, cf. Ov. met. 9,129f. sanguis … mixtus Lernaei tabe veneni ( „tabes, ‚Saft‘, ‚Jauche‘, ‚giftige Flüssigkeit‘, fast synonym mit venenum “; F. BÖMER ad loc.); 9,174 f. caecā … medullis | tabe liquefactis ( „als vom verborgenen Gift das Mark schmolz“ ); Manil. 1,880882 gravibus morbis et lentā corpora tabe | corripit exustis letalis flamma medullis | labentīsque rapit populos ( „mit schweren Krankheiten und langsamem Siechtum packt tödliches Feuer die Körper im versengten Mark und rafft wel-

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kende Völker dahin“ ). Von „der schleichenden Auflösung des Luxus“, unter der Rom leide, spricht Seneca ( nat. 7,31,1 deliciarum dissolutio et tabes ). Das „stumme Mark“ ( tacitis medullis ; cf. Lukan 5,811 flammā tacitas urente medullas, „Feuer durchlodert das stumme Mark“, und OLD s.v. tacitus 8: „hidden, concealed, secret“ ) ist wohl als Enallage zu lesen, statt tacitē ( cf. EHLERS : „eine Pest hat verstohlen das Mark ergriffen“ ), oder statt tacita ( sc. tabes ; cf. das ‚stille Gift‘ Lukan 9,741 f.: subit virus tacitum, carpitque medullas | ignis edax calidāque incendit viscera tabe, „unmerklich steigt das Vipern gift hoch, verzehrende Glut greift das Mark an und lässt die Eingeweide in fiebriger Fäulnis schwelen“, und C. WICK ad loc.; Ps.-Sen. Herc. Oet. 536-538 virus … mentem per artūs adeat et tacitum intumas | intret medullas, „das Gift ergreife den Geist durch die Glieder und dringe verstohlen ins innerste Mark“ ). Zu concipere mit einfachem Abl. loci cf. 127,9,3 toto concepit pectore flammas, und e.g. Lukan 6,659 trepidā conceptos mente timores ; GUIDO 1976, 113f. ad loc. – Zu dem ‚Feuer‘, das ‚im Mark brennt‘, cf. S. 1063f. zu BC 106. curis latrantibus : „… (und wütet ) mit brüllenden Qualen“ ( HOLZBERG ). Hinter den singulären und originellen curae latrantes ( cf. Thes. IV, 1474,46 ), die zu tacitis einen feinen Kontrast abgeben, steht wohl das homerische Bild des „bellenden Herzens“ ( Od. 20,13 κραδίη δέ οἱ ἔνδον ὑλάκτει, „das Herz bellte ihm drinnen“ ). Ennius entlehnt es ( ann. 481 Sk. animus … in pectore latrat ), später Statius ( silv. 2,1,13 admoto latrant praecordia tactu, „es bellt das Herz bei tröstender Berührung“, und H.-J. VAN DAM ad loc.; Theb. 2,338 magnas latrantia pectora curas, „große Sorgen bellt heraus die Brust“ ). Von den „bellenden“ ist es nicht weit zu Horazens „beißenden“ oder „nagenden Sorgen“ ( c. 1,18,4 mordaces … sollicitudines, und NISBET – HUBBARD ad loc.; cf. 2,11,18 curas edacīs ; Lukan 2,681 curis … mordacibus ). Ein Platz im Apparat gebührt SCALIGERs attraktivem lacerantibus ( NOVÁKOVÁ 1960, 11 vergleicht Cic. Tusc. 3,29 ne me inparatum cura laceraret repens ; App. Verg. Culex 61 lacerant avidas inimico pectore mentes sc. curae ; Sen. Ag. 665 magis exurunt quos secretae | lacerant curae ). 56 arma placent miseris : „Waffen gefallen den Unglückseligen“. Die drei Worte knüpfen unmittelbar an die curae latrantes an. Als Antwort auf die ökonomische Krise setzen viele auf einen Bürgerkrieg ( cf. S. 955f. ). Im Grunde das Gleiche meint Lukans rhetorische Frage zu Beginn seines Epos ( 1,12 ): bella geri placuit nullos habitura triumphos ? Das Verb verknüpft BC 56f. auf subtile Weise mit BC 7f. non vulgo nota placebant | gaudia : das Vergnügen am exotischen Luxus weicht der Sehnsucht nach Krieg, der paradox genug die leeren Geldtruhen wieder füllen

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soll ( CONNORS 1989, 61 ). Von ferne klingt Manilius’ düsteres Gemälde der gewalttätigen letzten Tage der Republik an ( 2,596-607 ). Die Junktur arma placent erscheint zuerst bei Seneca ( Tro. 731 an sola placent Herculis arma ? ), und wiederholt in der flavischen Literatur ( u.a. Stat. Theb. 7,562 arma … furiaeque placent, ~ „der Wahnwitz des Krieges …“; 11,497 f. accensae stimulis maioribus irae : | arma placent ; Tac. hist. 4,23,1 vis et arma satis placebant ). arma : Zu der vertrauten Metonymie für „Krieg“ cf. 108,14,1 quis furor … pacem convertit in arma ?, und e.g. Cic. Mil. 11 silent … leges inter arma ; fam. 14,5,1 ad arma rem spectare ; de orat. 3,167 ( zur Stilfigur ) arma ac tela pro bello sc. appellare; Verg. Aen. 1,1 arma virumque cano ; Ov. fast. 5,665 f. pacis et armorum … arbiter ( cf. OLD s.v. 4 : „arms as an instrument of policy, military action, fighting, war“; 6 a ), ferner Wendungen wie in arma ire, ad arma venire. Entsprechend stehen die arma civilia für den „Bürgerkrieg“ ( e.g. Cic. fam. 2,16,3 me … nihil tam fugisse quam arma civilia ; Sall. hist. frg. 1,6; Sen. suas. 6,6 vidimus furentia toto orbe civilia arma ; Sen. benef. 3,32,5 debellata arma civilia ; Lukan 1,44 multum Roma tamen debet civilibus armis, u.ö.; Tac. ann. 1,9,3 ). 56-57 detritaque commoda luxu | vulneribus reparantur : „und den in Saus und Braus vergeudeten Wohlstand soll Blutvergießen zurückgewinnen.“ Die ungewöhnliche Metapher vulnera für den Krieg hat kaum Parallelen ( cf. OLD s.v. 4 : „an injury to one’s interests, well-being, etc.“ ); s. aber Verg. Aen. 12,528 ( Aeneas und Turnus im Entscheidungskampf ) totis in vulnera viribus itur ; Ov. am. 3,8,9 recens dives parto per vulnera censu (der eques ist reich dank des „im Krieg erlangten Vermögens“ ); Val. Max. 2,8,7 volnera rei publicae ( militärische Erfolge in den Bürgerkriegen ). Für zwei andere originelle Verwendungen von vulnera cf. BC 13 laesae vulnera pacis und 120 concisa … vulnera mande. – Die singuläre Junktur vulneribus reparare schmeckt nach Oxymoron ( cf. STUBBE 84 ). BALDWIN 1911, 142 verglich Mark Antons Befehl, ihn zu töten: „Come, then, for with a wound I must be cured.“ ( Shakespeare, Antony and Cleopatra 4. Akt, 14. Szene, V. 78 ). Die commoda detrita luxu erinnern an die von Livius diagnostizierte „Sucht“ der Zeitgenossen, „durch Luxus und Ausschweifung alles zu vernichten und zu verderben“ ( 1 praef. 12 desiderium per luxum atque libidinem pereundi perdendique omnia ), das commoda vulneribus reparare an Sallusts Beobachtungen zum Verfall der Werte: „Dieser stiftete die jungen Leute, kaum war das Familienvermögen aufgebraucht, zu Verbrechen an. Ihr von bösen Begierden erfülltes Herz wollte ungern auf sein Vergnügen verzichten;

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um so hemmungsloser widmete es sich mit allen Mitteln Erwerb und Verbrauch“ ( Cat. 13,4 f. haec iuventutem, ubi familiares opes defecerant, ad facinora incendebant : animus inbutus malis artibus haud facile lubidinibus carebat ; eo profusius omnibus modis quaestui atque sumptui deditus erat ). Zu deterere ( „schwächen; verschleißen“ ) cf. MARBACH 1931, 91; zu dem klassisch höchst selten adjektivisch verwendeten PPP cf. BC 261 detritus … Mavortius umbo ; Thes. V 1, 805,84-806,11. Zu commodum als „Einkünfte, Güter, Wohlstand“ cf. e.g. Cic. Phil. 5,53 de commodis militum … augendis ; fam. 13,11,1; Vitruv 1 praef. 2; Ov. ars 1,131 militibus … dare commoda, und A.S. HOLLIS ad loc.; Suet. Nero 32,1; Thes. III, 1928,78-1929,20 ; OLD s.v. 4. Neben seiner Grundbedeutung, „to recover ( something lost, or its equivalent ), make good, get back, restore“ ( OLD s.v. 1 ), hat reparare hier den Sinn „to obtain as a due return, obtain in exchange ( for )“ ( OLD s.v. 2 ). Zur Verbindung mit dem abl. pretii ( GRIMAL : „au prix de blessures“ ) cf. e.g. Hor. c. 1,31,12 vina Syrā reparata merce ; Sen. ep. 66,40 pax … multo reparata sanguine. – Zu dem konativen Ind. Präsens ( e.g. HOLZBERG : „versuchen sie … wiederzugewinnen“ ) cf. HSZ 316. 57 inops audacia tuta est : „mittelloser Wagemut agiert gefahrlos“. Materielle Not fördert die Risikobereitschaft – so die Botschaft der ( auch dank des Oxymorons audacia tuta ) gelungenen Sentenz: „Wer nichts zu verlieren hat, darf alles wagen.“ Der Gedanke, der in nuce bereits 117,5 erscheint ( nemo ausus est artem damnare nihil auferentem ; cf. Bd. II, S. 737 ), ist ein Leitmotiv in Sallusts Catilina ( 17,2 omnīs convocat sc. Catilina, quibus maxuma necessitudo et plurumum audaciae inerat ; 18,4 ad perturbandam rem publicam inopia atque mali mores stimulabant sc. Pisonem ; 37,3 odio suarum rerum mutari omnia student, turbā atque seditionibus sine cura aluntur, quoniam egestas facile habetur sine damno ( „zutiefst unzufrieden mit ihrer Lage, trachten Catilinas Parteigänger nach einer radikalen Veränderung und leben aufs Geratewohl in Unrast und Aufruhr, weil Armut keinen Schaden zu fürchten hat“; cf. K. VRETSKA ad loc.); 58,20 necessitudo … etiam timidos fortīs facit, „eine Notlage …“ ). Überhaupt ist die Idee in vielen Facetten verbreitet ; cf. Hor. c. 2,10,21f. rebus angustis animosus atque | fortis appare ( als kategorischer Imperativ : „in Bedrängnis zeige dich beherzt und tapfer“ ); Verg. Aen. 2,354 una salus victis nullam sperare salutem ( „nur ein Heil gibt es für Besiegte: kein Heil zu erhoffen“ ); Ov. Pont. 2,2,31f. fortuna miserrima tuta est, | nam timor eventūs deterioris abest ; Sen. nat. 2,59,5 animus ex ipsa desperatione sumatur. … nullus perniciosior hostis est, quam quem audacem angustiae faciunt eqs.; Oed. 597: der

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blinde Oedipus ist audax … damno ( „kühn dank seiner Versehrung“ ); Lukan 3,58 nescit plebes ieiuna timere ( „ein hungriges Volk kennt keine Furcht“ ); 5,509 vix famulis audenda parat ( Caesar „rüstet sich für ein Unterfangen, das kaum Sklaven wagen dürften“ – die nichts zu verlieren haben ); 5,692-694 sors ultima rerum | in dubios casūs et prona pericula morti | praecipitare solet ( „die Ärmsten [ wörtl. „das ärmste Los“ ] pflegen sich in bedrohliche Situationen, ja in Lebensgefahr zu stürzen“ ); Mart. 11,56,15f. rebus in angustis facile est contemnere vitam : | fortiter ille facit qui miser esse potest ; Tac. ann. 14,57,3 Sullam inopem, unde praecipuam audaciam ( s. auch OTTO 380 s.v. zona ). Cicero machte Caesars audacia verantwortlich für den Bürgerkrieg ( Att. 7,13,1 ita civile est sc. bellum, ut non ex civium dissensione, sed ex unius perditi civis audacia natum sit ). Zu dem ‚abstractum pro concreto‘ audacia cf. Vitruv 6 praef. 6; Phaedrus 3,5,9 spes fefellit impudentem audaciam ; STUBBE 83; OLD s.v. 2a fin. Zu der seltenen Verbindung von inops mit Emotionen cf. Lucr. 4,1142 in adverso … atque inopi sc. amore ( „in unglücklicher, hoffnungsloser Liebe“ ; „the nearest Greek equivalent [ sc. to inops ] is ἄπορος [ „schwierig, verzweifelt, unmöglich“ ]“, R.D. BROWN ad loc.); Hor. ep. 1,18,98 ne te semper inops agitet vexetque cupido ; Corippus Ioh. 3,370 ardor inops numquam satiatur avaris ; Thes. VII 1, 1755,60-67. Zu tutus cf. OLD s.v. 1 b: „safe from the consequences of one’s actions, unpunished“ ; 5 a : „( of activities, undertakings, etc.) free from risk, safe“, und e.g. Sen. ep. 97,13 tuta scelera esse possunt, ‹ secura esse non possunt › ( suppl. HENSE ). 58-60 hōc mersam caeno Romam somnoque iacentem | quae poterant artes sanā ratione movere, | ni furor et bellum ferroque excīta libido ? : „Das in diesem Unflat versunkene und vom Schlaf betäubte Rom, welche Künste konnten es auf wirksame Weise wachrütteln, wenn nicht Raserei und Krieg und die vom Schwert angestachelte Blutlust ?“ Das Schlussbild des ersten Abschnitts ( 1-60 ) verdichtet die Misere der späten Republik auf zwei Schlagwörter : die moralische Krise ( caenum ) und den politischen Stillstand ( somnus ). Die personifizierte Kapitale liegt in der Gosse ( cf. e.g. Cic. Vat. 17 unus tu emersus e caeno ; Liv. 10,15,9 ex caeno plebeio, und S.P. OAKLEY ad loc.: „appropriate to political invective“ ) und schläft nach der langen Orgie ihren Rausch aus ( cf. Append. Sall. ad Caes. 2,8,7 desidia et inertia, stupor eos atque torpedo invasit sc. Roms nobilitas ). Kaum von ungefähr erinnert das Bild an die turba sepulta mero ( BC 31 ); das kurze Schlaglicht dort wird nun zur Diagnose. Vor allem aber zitiert es Vergils Troja, das trunken das vermeintliche Kriegsende feiert ( Aen. 2,265 urbem somno vinoque sepultam ~ TH 56 sepultos Priamidas nocte et mero ). Rom

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wird zur Wiedergängerin der ‚Mutterstadt‘ Troja, die Wein und Schlaf hilflos dem Feind ausgeliefert hatten ( diese Überblendung trunkener Troer und Römer „mischievously reinterprets Rome’s decadence as a legacy of the legendary past“; CONNORS 1998, 110 ). Die mythische Feste wird zur Folie für das Rom der Bürgerkriege; die Geschichte wiederholt sich. Denn beide Male versagt die politische Elite, missversteht die Zeichen der Zeit und weiß sich nicht zu verteidigen gegen einen Feind, der längst in ihrer Mitte lauert. Die rhetorische ( und zugleich leicht kryptische ) Frage deutet an, es gebe eine Therapie für das krank darniederliegende Reich. Doch das Resümee ist verstörend: der einzige Ausweg aus der Krise ist Krieg ( cf. EHLERS ap. MÜLLER 3 529: es gelte, „Wahnsinn mit Wahnsinn zu heilen“ ). Vermag freilich diese Arznei die ‚Seuche‘ im Volkskörper ( BC 54 f. tabes tacitis concepta medullis eqs.) zu besiegen ? Die medizinische Terminologie ( cf. 111,8 exulceratae mentes ad sanitatem revocantur ) kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass der ‚body politic‘ sich im Endstadium befindet : diese Rosskur überleben weder der Patient, die dem Untergang geweihte Republik ( BC 83 perituram … molem ; cf. S. 1020f. ), noch die ‚Ärzte‘, die Triumvirn ( cf. BC 61-66 ; s. auch Cic. Att. 1,18,2 in re publica … vulnus etiam atque etiam ipsa medicina efficit : in Staatsgeschäften schade die Arznei selbst regelmäßig dem Patienten ; Liv. 1 praef. 9 ad haec tempora, quibus nec vitia nostra nec remedia pati possumus, perventum est : der Sittenverfall nahm solche Ausmaße an, dass Rom ‚weder die Krankheit verträgt noch die Kur‘ ). Der Holospondeus BC 58 bildet die bleierne Schwere ab, die über Rom liegt ( ähnlich YEH 2007, 231), das Hyperbaton Roms missliche Lage ( hoc mersam caeno Romam somnoque iacentem). Neben dem Trikolon mit wachsenden Gliedern ( furor – bellum – ferro excita libido ) enthält BC 60 eine Art Chiasmus mit den Stichwörtern ‚Wahnsinn‘ und ‚Krieg‘ ( furor – bellum – ferro – libido ). Zu BC 58-60 cf. GRIMAL 1977, 83f.; CONNORS 1989, 6163; dies. 1998, 110f.; MONELLA 2007, 16. Romam … iacentem : Der in quae artes und sanā ratione angedeutete medizinische Jargon greift die Metapher vom ‚ k r a n k e n V o l k s k ö r p e r ‘ auf ( cf. BC 54 f. ), der vom ‚Kopf ‘ aus das Reich infiziert ( cf. Plin. ep. 4,22,7 ut … in corporibus sic in imperio gravissimus est morbus, qui a capite diffunditur ) und einer radikalen Kur bedarf. Ähnliche Bilder tauchen bereits in der zeitgenössischen Diskussion der aktuellen politischen Krise auf. C i c e r o äußert sich Pompeius gegenüber wiederholt in diesem Sinn: „der Staat liegt nun darnieder und kann einzig durch einen katastrophalen Bürgerkrieg wiederbelebt werden“ ( Att. 8,11 D,6 [ 27.2.49 ] nunc adflicta est sc. res publica nec excitari sine civili perniciosissimo bello potest ). Hoffnungsvol-

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ler klang er vor Kriegsausbruch ( Mil. 68 [ 52 v.Chr.] quis non intellegit omnīs tibi rei publicae partīs aegras et labantīs, ut eas his armis sanares et confirmares, esse commissas ? „… dass man dir diese Waffenmacht anvertraut hat, mit ihr alle kranken und beschädigten Teile unseres Staatswesens zu heilen und wieder in Ordnung zu bringen“; übers. M. FUHRMANN ; vager e.g. Att. 2,1,7 non minus esset probanda medicina quae sanaret vitiosas partīs rei publicae quam quae exsecaret ; Phil. 8,15 in rei publicae corpore, ut totum salvum sit, quicquid est pestiferum amputetur ; s. auch Sull. 76; Sest. 135 ). Gegen Ende der Republik „wagten es viele schon öffentlich auszusprechen, einzig durch die Monarchie könne der kranke Staat gesunden ( πλὴν ὑπὸ μοναρχίας ἀνήκεστον εἶναι τὴν πολιτείαν ), und ein Arzt, der größte Schonung walten lasse, müsse diesen Heiltrank reichen ( τὸ φάρμακον τοῦτο χρῆναι τοῦ πρᾳοτάτου τῶν ἰατρῶν ἀνασχέσθαι προσφέροντος ; Plut. Caes. 28,6; übers. nach W. WUHRMANN ; ähnlich Appian b.civ. 2,72 ). Lukan beschreibt Sulla als Arzt, dessen radikaler Eingriff dem Volkskörper weit mehr schadete als gut tat ( 2,140-143 quod exiguum restabat sanguinis urbi | hausit ; dumque nimis iam putria membra recidit | excessit medicina modum eqs., „das bisschen Blut, das der Stadt noch geblieben war, ließ er zur Ader ; und während er die faulenden Glieder allzu großzügig amputierte, ließ seine Arznei jedes Augenmaß missen“; cf. Sen. benef. 5,16,3 Sulla … patriam durioribus remediis, quam pericula erant, sanavit, „… mit härteren Mitteln, als die Krise erforderte“ ). Nach Ende der Bürgerkriege ‚heilten‘ die kranken ‚Glieder‘ des Staates ( Vell. Pat. 2,90,1 sepultis … bellis civilibus coalescentibusque rei publicae membris …, quae tam longa armorum series laceraverat ). Die Metapher bleibt auch in der Kaiserzeit aktuell. Tiberius etwa vergleicht Roms aktuelle moralische Verfassung mit einer chronischen Erkrankung, die nach einer harten Arznei verlange ( Tac. ann. 3,54,1; s. auch 1,9,4 non aliud discordantis patriae remedium fuisse quam ut ab uno regeretur ; Sen. clem. 1,5,1 ). – Zu iacēre in dem Kontext s. auch Sat. frg. 34,7 M.4 == Anth. Lat. 472,7 R. == 470,7 Sh.B. virtus medio iacet obruta caeno. mersam : Metaphorisch gebrauchtes mergere ( cf. 88,6 nos vino scortisque demersi ) erscheint vereinzelt bei augusteischen Autoren (cf. Liv. 41,3,10 vino somnoque … mersos iacere ; Manil. 5,246 : der Zecher merget … in pocula mentem ), später v.a. bei Seneca ( u.a. benef. 7,31,3 tenebris mersi ; dial. 9,17,8 non ut mergat nos sc. ebrietas ; 10,18,2 ; ep. 12,4 potio extrema ( „das letzte Glas“ ) … mergit, … ebrietati summam manum inponit ; 83,15 virum … mersum vino et madentem ; 94,58 mersa et involuta caeno suo iacent, von den Bodenschätzen, mit der gleichen Junktur ); s. auch Lukan 7,170 mersos nocte furores ; Florus epit. 1,47,8 mersam … vitiis suis … rem publicam pessum dedere ( die im-

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portierten Luxusgüter „richteten den in seinen Lastern versunkenen Staat zugrunde“ ). somno … iacentem : Vergils somno iacēre geht gerne bösen Überraschungen voraus ( ecl. 6,14 Silenum pueri somno vīdēre iacentem ; georg. 4,404 facile ut somno adgrediare iacentem ; cf. Ov. am. 1,4,53 bene compositus somno vinoque iacebit ; her. 14,33 cibo vinoque graves somnoque iacebant ; variiert met. 11,238 ut somno vincta iacebas ; Liv. 41,3,10 vino somnoque … mersos iacere. S. auch Bd. I, S. 197f. ad TH 56 sepultos … nocte et mero. artes : Gemeint sind hier weniger „Fähigkeiten“ ( HOLZBERG ; cf. OLD s.v. ars 1a ) als „Mittel“ ( EHLERS u.a.; cf. OLD s.v. 3a : „a crafty action, trick, wile, stratagem; craftiness, guile“ ), fast „Allheilmittel, Zaubermittel“ ( cf. OLD s.v. 5d ). Eine vage Parallele liefert Tac. ann. 1,9,3 arma civilia … neque parari possent neque haberi per bonas artes, „mit anständigen Mitteln konnte der Bürgerkrieg weder vorbereitet noch geführt werden“ ( cf. E. KOESTERMANN ad loc.: „auf ehrenvolle Weise“ ). Nicht zuletzt dank der Nachbarschaft zu sana ratione gewinnt der Begriff hier einen medizinischen Unterton: „Arznei, Therapie“. sanā ratione : Die Junktur ist höchst selten ( cf. Val. Max. 9,13,3 sanae rationis modum ; Aug. epist. 155,16 nulla sana ratio dubitaret ). Besser belegt sind Kombinationen von ratio und Begriffen derselben etymologischen Wurzel wie sanus ( u.a. sanare und sanitas ), v.a. bei Cicero, und meist in philosophisch-ethischen Kontexten ( e.g. Tusc. 3,58 ratio quaedam sanat illos, „jene heilt eine gewisse Überlegung“; 4,24 ratio quasi quaedam Socratica medicina, quae sanaret eam cupiditatem sc. pecuniae ; 4,38), aber auch in politischen ( e.g. Verr. 2,2,98 ne tum quidem te potuit … salutis tuae ratio ad officium sanitatemque reducere ?, und bes. Catil. 2,11 domesticum bellum manet, … intus est hostis : cum luxuria nobis, cum amentia, cum scelere certandum est. … quae sanari poterunt, quacumque ratione sanabo ; quae resecanda erunt, non patiar ad perniciem civitatis manere ; cf. BALDWIN 1911, 143; MONELLA 2007, 13f. ). Die Wendung wurde bisweilen final verstanden (~ ad san(and)am rationem ; e.g. SCHÖNBERGER : „zu Vernunft und Gesundheit“ ). Eher ist sie als abl. instr. oder modi zu lesen ( „mit einer effektiven Therapie“; cf. e.g. STUBBE : „in vernünftigem Verfahren“; GRIMAL : „selon une saine raison“ ; HOLZBERG : „auf vernünftige Weise“ ). Sie steht in fast paradoxem Kontrast zur Therapie: furor, bellum und libido. S. auch M. DEUFERT in epist.: „Die Konnotation ‚auf vernünftige Weise‘ schwingt auf jeden Fall mit ( cf. mens sana ) und erzeugt ein scharfes Oxymoron mit furor : die vernünftige Heilweise ist das Rasen des Kriegs.“

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movere : cf. OLD s.v. 12 a: „to stir ( a person ) from rest or inactivity, rouse“, und e.g. Verg. Aen. 7,312 flectere si nequeo superos, Acheronta movebo ; Lukan 3,229 movit et Eoōs bellorum fama recessūs ( „auch den fernsten Osten wühlte die Kunde vom Krieg auf“ ); Val. Flacc. 6,402-406 Romanas … legiones | Tisiphone regesque movet eqs.; ferner OLD s.v. 14 a: „to cause a change of attitude, opinion, etc., in ( a person, his mind ), influence, affect“, und e.g. Cic. Att. 8,1,4 unus Pompeius me movet, beneficio non auctoritate ; Prop. 4,11,7 vota movent superos ; Lukan 7,281f. Armeniosne movet, Romana potentia cuius | sit ducis ? ( „Kümmert es die Armenier, welcher der beiden Feldherrn die Macht über Rom erringt ?“ ). Die Klausel ratione movere imitiert Lukrezens ratione moveri ; cf. 1,341f. multa modis multis variā ratione moveri | cernimus ; 4,754 scire licet mentem simili ratione moveri ( s. auch Manil. 1,64 totum aeternā mundum ratione moveri ); verbunden mit posse, wie hier : 1,335f. quod si non esset, nullā ratione moveri | res possent ( cf. RUDONI 2014, 193f. ). ni : Die archaische konditionale Konjunktion ( ferner 79,6; 98,6; 108,5 ) erscheint zunächst in der Umgangssprache und in Gesetzestexten, seit Sallust auch in archaisierender Prosa, und seit Lukrez im Vers ( cf. KST 2,421-423; NORDEN 4 1957, 232f.; HSZ 667f.; PETERSMANN 285f.). furor : Der Schlüsselbegriff furor beschwört für römische Ohren unüberhörbar die Schrecken der Bürgerkriege ( cf. Hor. epod. 7,13f. furorne caecos an rapit vis acrior | an culpa ? ; c. 4,15,17f. furor | civilis ; Verg. Aen. 1,294-296 ; Sen. contr. 1 praef. 11 bellorum civilium furor ). Etliche Belege liefert Lukan, u.a. 1,8 quis furor, o cives, quae tanta licentia ferri ? ( ‚zitiert‘ Sat. 108,14,1 quis furor … pacem convertit in arma ? ; cf. Bd. I, S. 453 ); 1,668f. multos … exibit in annos | hic furor ; 1,681f. quis furor hic, o Phoebe, doce, quo tela manūsque | Romanae miscent acies bellumque sine hoste est ? ; 2,292-296 furorem | Hesperium … Romanaque bella eqs.; 7,95 quis furor, o caeci, scelerum ? ( Gleiches gilt auch für das Verb; cf. BC 247 terras … furentes, und S. 1292f. ). Den furor des Bürgerkriegs beschreibt Seneca einmal treffend im Imperativ ( benef. 5,15,5 ): pugnate contra coniuges, pugnate contra liberos ! aras, focos, penates armis incessite ! Bei Lukan schwört der Centurio Laelius, auf Caesars Befehl hin werde er die eigene Familie abschlachten, Tempel niederbrennen, Götterbilder einschmelzen, ja Rom dem Erdboden gleichmachen ( 1,374-386 ). – Zum personifizierten Furor cf. S. 1320-22 zu BC 258. excīta : Excīta, JUNIUS’ Korrektur des überlieferten excisa, steht hier mit langer Mittelsilbe ( wie e.g. Verg. Aen. 3,676 excītum ; Ov. met. 11,384 excīta ; kurz e.g. Verg. Aen. 12,445 excĭta tellus ; Ov. met. 2,779 vigilacibus excĭta curis ; zum PPP von excīre bzw. exciēre cf. Thes. V 2, 1245,59-64 ).

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61 – 66 Die toten Triumvirn Als sich 60 v.Chr. der Konflikt zwischen den Optimaten und den beiden mächtigsten Männern Roms, Pompeius mit seinem Heer von Klienten und Crassus mit seinen unerschöpflichen finanziellen Ressourcen, zuspitzte, erkannte der aufstrebende Caesar die Gunst der Stunde. Als designierter Konsul des Folgejahres schmiedete er mit den beiden eine Allianz, um ihre gemeinsamen Interessen gegenüber dem Senat durchzusetzen und ihnen letztlich die Kontrolle über den Staat zu sichern. Diese informelle Absprache ging als ‚erstes Triumvirat‘ in die Geschichte ein, mit einschneidenden Folgen für die Geschicke der Republik ( der t.t. triumvirātus ist allerdings erst für Octavians, Antonius’ und Lepidus’ Bündnis bezeugt ; cf. OLD s.v.; ebd. s.v. triumuir 2 ). Cf. Cassius Dio 37,54-58; M. POHLENZ, Kleine Schriften 2, Hildesheim 1965, 139-148 ( zuerst 1927 ); SYME 1939, 8 f.; MEIER 1966, 280-287; GRUEN 1974, 83-120; CHRIST 1979, 289f.; BALTRUSCH 2004, 50-53. 79-89. Bereits Cato sah Pompeius’ und Caesars Pakt als den Anfang vom Ende der Republik ( cf. Plut. Caes. 13,5f. ; Pomp. 47,4 ; s. auch Cic. fam. 6,6,4 [ Okt. 46 ] plurimi sunt testes me et initio, ne coniungeret se cum Caesare monuisse Pompeium et postea, ne seiungeret. coniunctione frangi senatūs opes, diiunctione civile bellum excitari videbam ; Vell. Pat. 2,44,1, und A.J. WOODMAN ad loc.). Mit dem Triumvirat begann Asinius Pollio seine Geschichte des Bürgerkriegs ( cf. Hor. c. 2,1,1-5, und NISBET – HUBBARD ad loc.). Auch Lukans Chronik des Bürgerkriegs nimmt das Triumvirat zum Ausgangspunkt ( und spricht dabei wie das BC Fortuna eine Schlüsselrolle zu ): „Großes kommt zu Fall; und nicht fremden Völkern überlässt Fortuna ihren Groll auf eine Nation, die Land und See beherrscht. Du allein bist Ursache deiner Leiden, Rom, wurdest du doch zum Gemeingut dreier Herren; und nie zuvor gab es den tödlichen Pakt einer Tyrannei, die sich ein Trio teilte“ ( 1,81-157 in se magna ruunt … nec gentibus ullis | commodat in populum terrae pelagique potentem | invidiam Fortuna suam. tu causa malorum | facta tribus dominis communis, Roma, nec umquam | in turbam missi feralia foedera regni eqs.). Nicht anders das BC – das freilich einen ungewöhnlichen Zugang wählt. In einer Art Trikolon und räumlichem Zoom von der Peripherie des Reiches in dessen Herz schildert der Text in chronologischer Ordnung und als historische Klimax den gewaltsamen T o d der drei Triumvirn im Partherreich ( Crassus, 53 v.Chr.), in Ägypten ( Pompeius, 48 v.Chr.) und in Rom ( Caesar, 44 v.Chr.; zumindest Caesars Tod blickt über den Bürgerkrieg hinaus ).

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In dem maßgeblichen Verspaar (63f. ) hat Crassus drei, Pompeius vier und Caesar fünf Wörter – entsprechend ihrem historischen Gewicht ( s. auch die asyndetische Reihung, und den markanten Wechsel vom Präsens ins historische Perfekt : habet – iacet – perfudit ). Zudem teilen sich Crassus und Pompeius einen Vers ( und mit den beiden markant an den Anfang und das Ende des Verses gesetzten Namen im Wechselspiel mit den beiden ‚Ortsangaben‘ einen Chiasmus: Crassum Parthus – Libyco … aequore Magnus ); Caesar hat BC 64 für sich allein ( mit dem ‚Gegengewicht‘ Romam am Versende ). Auch Lukan geht in Buch eins auf das Ableben der drei Triumvirn ein ( so bereits Cicero in seinem Exkurs über clarissimorum hominum nostrae civitatis gravissimos exitūs, div. 2,22-24 ). Er verteilt die Nachrichten allerdings auf zwei Passagen – und präsentiert die historischen Ereignisse organischer : Crassus ist längst tot ( 1,104 f. Crassus | Assyrias Latio maculavit sanguine Carrhas ), Pompeius’ und Caesars Ende hingegen steht noch aus, und ist deshalb Teil einer Prophezeiung ( 1,685f. flumineā deformis truncus harenā … iacet ; 1,691 inpia … in medio peraguntur bella senatu ). Die sechs Verse wurden treffend als Epigramm charakterisiert ( MÖßLER 1842, 9-11; STUBBE 115; KINDT 1892, 356 Anm. 1 verglich Mart. 5,74 [ zit. S. 984 ], M. DEUFERT in epist. Vergils Epitaph, Donat Vita Verg. Z. 136f. Brummer : Mantua me genuit, Calabri rapuere, tenet nunc | Parthenope ; cecini pascua rura duces ), wie es eher zum Ende des Kriegs bzw. des Textes passt. Wiederholt wurde betont, die Verse seien hier fehl am Platz, und womöglich nachträglich eingefügt ( u.a. MÖßLER a.O.; BALDWIN 1911, 145: „it is possible … that Petronius … inserted it here without taking the trouble to adjust it perfectly to its surroundings“; SCHMELING ad loc.: „a purpureus pannus sewn on a tapestry it does not fit“ ). Doch trotz des ‚Bruchs‘ mit seiner Umgebung sollte der elegante und in sich homogene Passus ( „un momento virtuosistico del retore Eumolpo“; POLETTI 2017, 245 ) an Ort und Stelle verbleiben. Nirgendwo sonst fügt er sich organisch in das Gedicht ein. Zudem stellt er nach der gesichtslosen Masse der ersten Verse nun die Protagonisten des Dramas vor – und führt Fortuna ein ( BC 61 ), die alsbald persönlich die Bühne betritt ( 78 ). In gewisser Weise bildet diese Topographie des Todes auch ein morbides Gegengewicht zur Weltkarte römischer Dekadenz ( BC 9-18 und 33-38; zu den Landkarten des BC cf. CONNORS 1998, 107 ). Vor allem aber beenden die sechs Verse den ersten Akt des BC so unerwartet wie effektiv. In einer Art ‚crónica de una muerte anunciada‘ lernen wir die Triumvirn zuerst als Tote kennen – zudem in unheroischen Rollen, als Spielfiguren Fortunas und Opfer Enyos, die leblos im Wüsten-

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sand liegen, in der Brandung, oder im eigenen Blut. Nachdrücklicher ließe sich nicht festhalten, dass alle drei gewaltsam in dem von ihnen forcierten politischen Umbruch ihr Leben verloren. Mit anderen Worten: die Verantwortlichen für den Bürgerkrieg fallen dem gewaltigen Aderlass selbst zum Opfer ( s. auch S. 837 ). Den gleichen Gedanken verknüpft Lukan mit Curio: „der Bürgerkrieg riss seinen Urheber in den Abgrund“ ( 4,738f. bellum … trahebat | auctorem civile suum ; s. auch 4,805f. has urbi miserae vestro de sanguine poenas | ferre datis, luitis iugulo sic arma, potentes, „Das gebt ihr dem armen Rom, dass ihr diese Strafe mit eurem Blut zahlt; so büßt ihr mit eurem Leben für den Bürgerkrieg, ihr Mächtigen.“; cf. P. ASSO ad loc.). 61 tres tulerat Fortuna duces : „Drei Heerführer hatte Fortuna hervorgebracht“. Bereits Lukan sieht hinter Pompeius und Caesar Fortuna am Werk – und die Triumvirn damit als Spielball höherer Mächte ( cf. 1,81-86, zit. S. 970 ). Aufschlussreich ist auch jener Passus, der die Gräuel der älteren Bürgerkriege mit der Katastrophe vergleicht, die von Pompeius und Caesar droht : „Für die beiden Marii war der höchste Kriegslohn das zurückeroberte Rom, und dem siegreichen Sulla reichte es, die verhassten Gegner allesamt auszulöschen. Pompeius und Caesar berufst du zu Größerem, Fortuna, und längst schon Mächtige treffen aufeinander. Keiner der beiden begänne einen Bürgerkrieg, wäre er mit dem zufrieden, womit ein Sulla es war.“ ( 2,227-232 Mariis bellorum maxima merces | Roma recepta fuit, nec plus victoria Sullae | praestitit invisas penitus quam tollere partes : | hos alio, Fortuna, vocas, olimque potentes | concurrunt. neuter civilia bella moveret | contentus quo Sulla fuit ; s. auch Juv. 10,108-111: numina maligna, „trügerische Götter“, brachten die Triumvirn an die Macht – und zu Fall ). tulerat : Zu ferre in der eher seltenen Bedeutung „hervorbringen“ ( statt e.g. proferre ) cf. OLD s.v. 25 b: „(of places, circumstances, etc.) to produce, give rise to“, und e.g. Cic. Brut. 44 haec … aetas prima Athenis oratorem prope perfectum tulit ; Hor. c. 3,6,46f. aetas parentum … tulit | nos nequiores ; Verg. Aen. 3,94 f. vos a stirpe parentum … tulit tellus ; Ov. trist. 4,10,125 tulerint magnos cum saecula nostra poetas ; Sen. Herc. fur. 31f. quidquid pontus aut aer tulit | terribile ; ep. 97,10 omne tempus Clodios, non omne Catones feret ; Ps.-Sen. Oct. 824 Roma … viros tales tulit ; Tac. ann. 3,55,5 nostra quoque aetas multa laudis et artium imitanda posteris tulit.

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duces : Dux kann hier dreierlei bedeuten: „Staatsmann“ ( OLD s.v. 3 a: „a person who acts as leader or guide in an action, policy, etc.“ ), „führender Politiker, politischer Führer“ ( OLD s.v. 3 c : „the chief or leader ( of a group, party, etc.)“ ), oder aber „Feldherr“ ( OLD s.v. 4 a : „a leader in war, commander, general“; cf. TH 58 temptant in armis se duces ; ironisch Sat. 109,1 dux Eumolpos ; 136,4 dux ac magister saevitiae ). Die Betonung ihres militärischen Engagements ( 61f. ) weist in die dritte Richtung. Lukan verwendet den Begriff häufig, reserviert ihn jedoch im Fall der Triumvirn für Pompeius und Caesar ( u.a. 1,99f. pax … fuit non sponte ducum ; nam sola futuri | Crassus erat belli medius mora ; 1,103 f. saeva | arma ducum dirimens … Crassus ; cf. P. ROCHE ad 1,99: „Crassus is pointedly excluded from the status of a dux “ ). Doch der ‚Zivilist‘ Pompeius hat längst „verlernt“, als dux zu handeln ( 1,131 dedidicit iam pace ducem ). Kaum freundlicher wertet Cicero Pompeius’ Versäumnis, den Erfolg von Dyrrachium zu nutzen ( fam. 7,3,2 ex eo tempore vir ille summus nullus imperator fuit ; zu Dyrrachium cf. S. 1370-72 ). Das BC verleiht den Titel großzügiger. Vers 61 beginnt und endet mit den Triumvirn ( tres … omnes ; zu den lautmalenden Vokalen u und o in dem Vers cf. STUBBE 90 ). 61-62 quos obruit omnes | armorum strue diversā feralis Enyo : „die allesamt weitab voneinander unter Bergen von Waffen begrub die verderbenbringende Enyo“. Lukan formuliert abstrakter ( 6,806 f. ): veniet quae misceat omnīs | hora duces, „die Stunde wird kommen, die alle Feldherrn des Bürgerkriegs gleichmacht“, nämlich dem Tod weiht. So sind Fortuna und Enyo hier auch weniger göttliche Mächte als Metaphern für historische Prozesse: politisches Geschick und glückliche Umstände führten die Triumvirn nach oben, Konflikte und Kriege nahmen ihnen das Leben. Armorum strue diversā steht als abl. instr. bzw. loci ( „unter verstreuten Bergen von Waffen“; cf. BC 195 arma … congestā strue … iacebant, „Waffen lagen im chaotischen Haufen“ ), oder aber metaphorisch für den Krieg ( BALDWIN 1911, 145: „in war’s destruction“; STEINMANN : „im Waffengetümmel“ ). Zu diversā cf. OLD s.v. 4 a : „situated apart, away, on the opposite side, etc. ( from another, in each case), separate ; distant ; remote“ ( s. auch 3a, und e.g. Lukan 1,683 quo diversa feror ?, „zu welch’ verschiedenen Orten werde ich entrückt ? “ ) – hier mit dem Unterton „auf verschiedenen Seiten kämpfend“ ( OLD s.v. 7 b: „(of persons) fighting on the other side“, und e.g. Lukan 2,43 bella viri diversaque castra petentes ; 3,327 diversi … fratres ).

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Zu obruit cf. OLD s.v. 3b: „to crush beneath the weight or by the force ( of missiles, etc.), overwhelm ( with )“, und e.g. Verg. Aen. 10,808-810 obrutus undique telis | Aeneas nubem belli … sustinet ; Lukan 4,773-775 iuventus … hastis | obruitur. Gleich vier Spondeen verbildlichen das ‚Begraben‘ ( ármōrúm strŭĕ dívērsá fērálĭs Ĕnýō ). – Zu feralis cf. OLD s.v. 2: „bringing death or ruin, fatal“, wie e.g. Lukan 10,59 feralis Erinys ; ferner BC 75 feralī … cupressu, und S. 1005 ad loc. Enyo : In der Ilias ist die „Herrin Enyo“ ( 5,592 πότνι᾿ Ἐνυώ ) eine „städtezerstörende“ ( 5,333 πτολίπορθος ) Kriegsgöttin an Ares’ Seite ( in späteren Texten gilt sie als seine Mutter oder Tochter oder Amme ). Ihr Element sind das Schlachtgetümmel und der blutige Nahkampf ; ihr zur Seite steht Kydoimos, das „Kriegsgebrüll“ ( 5,593 Κυδοιμός ). Wo römische Autoren auf Enyo zu sprechen kommen, wird hinter ihr oft eine zweite Gottheit greifbar, die bereits die Griechen mit Enyo gleichsetzten: die anatolische Mâ, „eine andere Verehrungsform derselben mütterlichen Naturgottheit, die als Magna Mater in Rom bereits seit Ausgang des 3. Jahrhunderts v.Chr. ihren Kult besaß“ ( WISSOWA 348 ). Die Römer, die Mâ wohl während Sullas Asienfeldzug in Kappadokien kennenlernten, identifizierten sie mit ihrer eigenen Kriegsgöttin Bellona, „wofür namentlich der kriegerische und blutige Charakter des Ceremoniells maßgebend war, das ihre Priester bei ihren Umzügen zur Darstellung brachten. In unheimlich düsterer Gewandung führen sie, durch die anreizende Musik (…) in heilige Raserei versetzt, wilde Tänze auf, bei denen sie sich mit dem eigentümlich geformten Doppelbeile selbst an Leib und Armen verwunden, um schließlich durch den Anblick oder gar den Genuß des aus den eigenen Wunden strömenden Blutes in Verzückung zu geraten und zukunftkündende Sprüche zum besten zu geben.“ ( WISSOWA 349). Ihren womöglich ersten Auftritt in der römischen Literatur hat Enyo als „Raserei verursachende“ Gottheit ( Ps.-Ov. epist. Sapph. 139 furialis Enyo ; im Hexameter steht ihr Name stets am Versende). Lukan sieht sie im Bürgerkrieg am Werk ( 1,687 f. Libyen, quo tristis Enyo | transtulit Emathias acies ; cf. Mart. 6,32,1 belli civilis Enyo ). Bei den Flaviern erscheint sie als Metonymie ( Mart. spect. 27 ( 24 ), 3 navalis Enyo ~ „Seeschlacht“ ), v.a. aber als Gottheit ( Val. Flacc. 4,604 ; Stat. Theb. 5,155 tu Martia … Enyo ; 8,655 f. serpentibus horrens | et face mutatā bellum integrabat Enyo, „… ließ Enyo den Kampf wieder aufflammen“ ; 11,84 ; Sil. Ital. 10,202 f. veluti nondum satiasset Enyo | iras saeva truces ). Cf. WISSOWA 348-351; LATTE 281f.; R.M. GAIS, Enyo I : LIMC III 1, 1986, 746 f.

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Römer verbanden mit Enyo – Mâ – Bellona v.a. die ekstatische Raserei und rituelle Selbstverstümmelung ihrer Priester, die ihr Blut der Gottheit oder den Gläubigen darbrachten ( cf. Tib. 1,6,43-56; Tert. apol. 9,10 ). Unter den Vorzeichen des Bürgerkriegs nennt Lukan Jünger Bellonas, die blutverschmiert den unheilvollen Willen der Götter verkünden ( 1,565-567 quos sectis Bellona lacertis | saeva movet eqs.). – Schwingt hier zwischen den Zeilen die Andeutung mit, Rom zerfleische sich selbst ? 63 Crassum Parthus habet : „Crassus ist Beute der Parther“ ( STEINMANN ).

Seit Pompeius 64 v.Chr. größere Teile des Nahen Ostens annektierte, stand die neue Provinz Syrien im Brennpunkt fortwährender Konflikte mit ihren östlichen Nachbarn, den militärisch rührigen Parthern, deren Reich sich bis ins heutige Pakistan und Afghanistan erstreckte, und die sich als einzige Großmacht des Ostens der römischen Expansion erfolgreich widersetzten – auch wenn römische Politiker immer wieder davon träumten, das Imperium bis nach Mesopotamien auszudehnen. Auch Crassus, der 55 v.Chr. mit Pompeius’ und Caesars Unterstützung Statthalter Syriens wurde, hoffte auf militärische Lorbeeren, als er 53 v.Chr. gegen die Parther zog. Doch die ohne offizielle Kriegserklärung begonnene, in Rom von Anfang an unpopuläre Invasion endete im Desaster. In der Wüste bei Carrhae ( TALBERT 67 H 3 ) erlitt Crassus eine verheerende Niederlage. Rom verlor seine Standarten, zwanzigtausend Soldaten fielen, unter ihnen der Feldherr und sein Sohn, zehntausend Römer gerieten in Gefangenschaft ( Plut. Crassus 31,8 ) und wurden offenbar im Partherreich heimisch. – Cf. Hor. c. 3,5,5-12 ( und NISBET – RUDD 80. 84-86 ad loc.); Val. Max. 1,6,11 M. Crassus, inter gravissimas Romani imperii iacturas numerandus ; Plut. Crassus 17-33; Cassius Dio 40,12-27; CHRIST 1979, 313319 ; A.N. SHERWIN-WHITE, Roman Foreign Policy in the East, London 1984, 279-290; E. GRUEN, in: K. Raaflaub ( Hrsg.), Between Republic and Empire, Berkeley 1990, 396-399; T.P. WISEMAN, in: CAH 9, 1994, 402f.; G. TRAINA, La resa di Roma, Rom 2010. Dieses kollektive Trauma wurde zum Refrain augusteischer Autoren, die immer wieder Roms Verantwortung beschworen, Carrhae und Crassus zu rächen ( u.a. Hor. c. 1,2,21f. 51f.; 1,12,53f.; 3,2,1-4 ; 3,5,1-12; Verg. Aen. 7,606 Parthos … reposcere signa ; Prop. 3,4 ; 4,3,63-68; s. auch Lukan 1,10f. cum … superba foret Babylon spolianda tropaeis | Ausoniis umbraque erraret Crassus inulta, „obgleich man dem hochmütigen Babylon die ausonischen Standarten hätte entreißen müssen …“; 8,417-439 ).

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Caesars geplantem Partherfeldzug kamen die Iden des März zuvor. 39/38 v.Chr. errang Prokonsul Ventidius mehrere Erfolge gegen die Parther ; Antonius’ Expedition 36 v.Chr. hingegen scheiterte auf ganzer Linie ( Plut. Antonius 37-52 ; Hor. c. 3,6,9-12 ). Vor diesem Hintergrund war ein neuer Feldzug für Augustus ein unwägbares Risiko. Seine militärischen Drohgebärden gegenüber dem von inneren Spannungen geschwächten Partherreich führten schließlich zum Erfolg : 33 Jahre nach Carrhae gelangten die Standarten nach Rom zurück, wo Augustus sie im Tempel des Mars Ultor weihte ( cf. Aug. Res gest. V,29; Vell. Pat. 2,91,1; Strabo 16,1,28; Suet. Aug. 21,3). Die zeitgenössischen Dichter feierten den Erfolg ( Hor. c. 4,15,4-8 tua, Caesar, aetas … signa nostro restituit Iovi | derepta Parthorum superbis | postibus ; ep. 1,12,27f.; 1,18,56; 2,1,256 formidatam Parthis te principe Romam ; Prop. 4,6,79-84 ; Ov. fast. 5,579-594 ; s. auch ars 1,177-228, und A.S. HOLLIS 65-73 ad loc.); der Brustpanzer des Kaisers auf der Statue von Prima Porta verewigt ihn. Die lapidare Formel ( s. auch die zweite Vershälfte) erinnert daran, dass Crassus’ Leichnam im Gewahrsam der Parther blieb ( zu dem kollektiven Sg. cf. BC 1 victor Romanus ); eine Bestattung in heimischer Erde blieb ihm versagt ( cf. Sen. contr. 2,1,7 tu, Crasse, … urbis Romanae divitissimus civis, nunc apud Parthos eges sepulchro quoque ; Val. Max. 6,9,9 de Crassi manibus in hostili solo miserabiliter iacentibus ; Lukan 8,394 Crasso quaerente sepulchrum ). Der Schädel des glücklosen Feldherrn erlebte einen Auftritt als Requisite in einer Aufführung der euripideischen Bakchen vor dem Partherkönig Orodes ( Plut. Crassus 33,3-6; s. auch S. 871 ). Anschaulicher als das diskrete Bild hier evoziert Lukan Crassus’ Ende – und dessen Konsequenzen für den schwelenden Konflikt zwischen Pompeius und Caesar : „Als Crassus, der die furchtbaren Waffen der zwei Generäle auseinanderhielt, durch seinen unseligen Tod das assyrische Carrhae mit latinischem Blut besudelte, entfesselte die parthische Katastrophe die römische Raserei. Mehr hat jene Schlacht für euch erreicht, als ihr Arsakiden glaubt : ihr habt den Besiegten den Bürgerkrieg geschenkt.“ ( 1,103108 ubi saeva | arma ducum dirimens miserando funere Crassus | Assyrias Latio maculavit sanguine Carrhas, | Parthica Romanos solverunt damna furores. | plus illā vobis acie, quam creditis, actum est, | Arsacidae : bellum victis civile dedistis ). habet : Gleich mehrere Beispiele für diese ‚räumliche‘ Verwendung von habere liefert Vergil; cf. Aen. 1,555f. te … pontus habet Libyae ( vom vielleicht ertrunkenen Aeneas); 4,633 suam sc. nutricem patriā antiquā cinis ater habebat ( „ihre eigene Amme lag im dunklen Staub der einstigen Heimat“ ); 5,733f. non me impia … Tartara habent ; 6,362 nunc me fluctus habet ; s. auch Ov. met. 11,701 te pontus habet ; trist. 3,4,46 Scythicus cetera Pontus habet

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( Ovids Name weilt noch in Rom; „den Rest besitzt der skythische Pontus“ ); Claudian c. 8,93 hunc Alpes, hunc pontus habet ; Thes. VI 3, 2431,5369. 63 Libyco iacet aequore Magnus : „im libyschen Meere liegt Magnus“. Pompeius, nach Pharsalos auf der Flucht, wurde unweit von Pelusion, wo er an Land gehen wollte, von zwei ehemaligen römischen Offizieren im Sold Ptolemaios’ XIII. ermordet und enthauptet – vor den Augen seiner Gattin und seines Sohns ( cf. Plut. Pomp. 78-80; MOMMSEN 11 1917, 435f. ; GELZER 2 1959, 240-243). Mit seiner eindringlichen Schilderung der gespenstischen Szene setzte Lukan Pompeius ein literarisches ‚Grabmal‘ ( 8,595-711; cf. Statius’ postumes Geburtstagsgedicht auf Lukan, silv. 2,7,70-72: tu Pelusiaci scelus Canopi | deflebis pius et Pharo cruentā | Pompeio dabis altius sepulchrum, „… ein Grabmal, erhabener als der blutige Pharos“; s. auch NARDUCCI 1973). Seine sterblichen Überreste wurden später nach Rom überführt, wo seine Witwe sie auf ihrem Landgut bei Alba beisetzen ließ ( Plut. Pomp. 80,10; cf. GELZER 2 1959, 243 ). Die historische Miniatur zeigt Pompeius’ im seichten Wasser mehr liegenden denn treibenden Leichnam ( cf. 115,7 video corpus humanum circumactum levi vertice ad litus deferri ; die Junkturen iacet aequore und iacet Magnus haben beide einen leicht paradoxen Beigeschmack; die zweite kehrt im Mund eines ägyptischen satelles wieder, der Caesar von dem Mord berichtet : Lukan 9,1019f. Magnus … ense iacet nostro ). Letztlich kommen hier zwei Bilder zur Deckung : der Leichnam „im libyschen Meer“, und dessen ärmliche Bestattung „am libyschen Meer“. Vergils toter Priamos an Trojas Gestade war Servius zufolge von Pompeius inspiriert : iacet ingens litore truncus | avulsumque umeris caput et sine nomine corpus ( Aen. 2,557 f.; cf. Servius ad loc.: Pompei tangit historiam ; s. auch Sen. Tro. 141, zu Priamos: Sigea premis litora truncus ). Lukan gibt Vergils Formulierung dem toten Pompeius zurück ( 1,685 f. flumineā deformis truncus harenā … iacet ). Anderen Orts beschreibt er den im Meer treibenden Torso ( 8,698f. litora Pompeium feriunt, truncusque vadosis | huc illuc iactatur aquis ; 8,708-711 pulsatur harenis, | carpitur in scopulis hausto per vulnera fluctu, | ludibrium pelagi, nullāque manente figurā | una nota est Magno capitis iactura revulsi ). Eine treue Seele birgt und bestattet ihn provisorisch am Strand ( 8,712872, bes. 718-726 victum pietate timorem | compulit, ut mediis quaesitum corpus in undis | duceret ad terram traheretque in litora Magnum eqs., „er drängte seine vom Pflichtgefühl bezwungene Furcht …“ ). Pompeius’ „im Meer liegender“ Leichnam hat eine vage Parallele bei Lukan, wenn die Strömung den bereits geborgenen Toten fast wieder in

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die Fluten hinauszieht (8,753 f. truncum, qui fluctu paene relatus | litore pendebat ; s. auch 9,52f.: Cornelia treibt die Furcht um, ne forte repulsus | litoribus Phariis remearet in aequora truncus ). Pompeius’ provisorisches Grab am Strand ( gerade auch im Kontrast zu seinen weltumspannenden Eroberungen ) entlockte nicht nur Dichtern melancholische Kommentare. Cf. u.a. Cic. div. 2,22 an Cn. Pompeium censes tribus suis consulatibus, tribus triumphis, maximarum rerum gloriā laetaturum fuisse, si sciret se in solitudine Aegyptiorum trucidatum iri …, post mortem vero ea consecutura, quae sine lacrimis non possumus dicere ? ; Val. Max. 5,1,10; Manil. 4,50-55 quis te Niliaco periturum litore, Magne, | post victas Mithridatis opes pelagusque receptum | et tris emenso meritos ex orbe triumphos …, crederet, ut corpus sepeliret naufragus ignis | eiectaeque rogum facerent fragmenta carinae ? ; Anth. Lat. 402,3 R. == 398,3 Sh.B. membra … Libyco posuit male tecta sepulcro ; 404 R. == 400 Sh.B. maxima civilis belli iactura sub isto es | ( quantus quam parvo vix tegeris ! ) tumulo ( statt quantus erwog RIESE Magnus ); 438 R. == 436 Sh.B.; Anth. Pal. 9,402 ( und WILLIAMS 1978, 208f.; D.L. PAGE, Further Greek Epigrams, Cambridge 1981, 564 f. ). Gerade Lukan reizte das Sujet ; cf. 2,733 Phariae busto damnantur harenae ( „Ägyptens Sand ist zu deinem Grab verdammt“ ); 6,810 tumulum Nili … adluat unda ; 8,314-316; 8,390-394 ; 8,713f. Pompeio raptim tumulum Fortuna paravit, | ne iaceat nullo vel ne meliore sepulchro ; 10,380f. tumulum … e pulvere parvo | aspice Pompei non omnia membra tegentem, und v.a. die Schlüsselpassage 8,786-822 ( bes. 8,793-805 ‚hic situs est Magnus‘. placet hoc, Fortuna, sepulchrum | dicere Pompei eqs.). Sein Tod vollendet Pompeius’ Fall vom Gipfel der Macht ins tiefste Unglück, der den Topos von Fortunas Wankelmut wie aus dem Bilderbuch illustriert ; cf. u.a. Ov. Pont. 4,3,41-43 quid fuerat Magno maius ? tamen ille rogavit | submissā fugiens voce clientis opem, | cuique viro totus terrarum paruit orbis [ desunt sequentia ]; Vell. Pat. 2,53,3: „Nach drei Konsulaten und ebenso vielen Triumphen [ cf. S. 1279 ] und der Bändigung des Erdkreises fand der ehrwürdigste und tüchtigste Mann, der Höhen erreicht hatte, die sich nicht mehr übertreffen ließen, dieses Lebensende – wobei Fortuna sich bei jenem Mann in solchem Maße selbst untreu war, dass ihm, dem eben noch Land zum Besiegen gefehlt hatte, nun Erde für ein Grab fehlte“ ( hic post tres consulatūs et totidem triumphos domitumque terrarum orbem sanctissimi atque praestantissimi viri, in id evecti super quod ascendi non potest, … vitae fuit exitus, in tantum in illo viro a se discordante Fortunā, ut, cui modo ad victoriam terra defuerat, deesset ad sepulturam ); Lukan 8,701-708 ( zit. S. 1017 ); Juv. 10,283-288. Bereits Seneca vereinte das Todeslos der beiden Trium-

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virn ( ep. 4,7 de Pompei capite pupillus et spado tulere sententiam, de Crasso crudelis et insolens Parthus ). Libyco … aequore : Im engeren Sinn bezeichnet die „Libysche See“ die einstigen punischen Hochheitsgewässer um Karthago, also die See zwischen den Syrten und Sizilien ( cf. Verg. georg. 2,105; Aen. 11,265 Libyco … habitantīs litore Locros ; Ov. fast. 3,567f. Melite … insula, quam Libyci verberat unda freti ). Pompeius starb allerdings unweit der östlichsten Nilmündung, und damit am Aegyptium mare ( e.g. Plin. nat. 5,54 ). Doch wie Libya oft synonym für ganz ( Nord-)Afrika steht ( cf. S. 1085 ), so auch die „Libysche See“ kollektiv für die Gewässer vor der südlichen Mittelmeerküste ( u.a. Varro Atac. frg. 20 FLP cingitur sc. Africa Oceano, Libyco mare [ Abl.], flumine Nilo ; Verg. Aen. 7,718 quam multi Libyco volvuntur marmore fluctūs ; Pomponius Mela 1,21 mare quo cingitur sc. Africa a septentrione Libycum, a meridie Aethiopicum, ab occidente Atlanticum dicimus ; Plin. nat. 5,1 Africam Graeci Libyam appellavere et mare ante eam Libycum ). Auch Lukan lokalisiert Pompeius’ Grab am „Libyschen Meer“ ( 8,862 Libyco pulsatur in aequore saxum ; cf. Anth. Lat. 456,2 R. == 454,2 Sh.B. infidā, Magne, iaces Libyā ; s. aber Manil. 4,50 te Niliaco periturum litore, Magne ; Anth. Lat. 845,6 R.: er stirbt Phariis … in undis ). Zu dem abl. loci cf. PETERSMANN 98 Anm. 62. Zu iacēre als ‚tot daliegen‘ cf. TH 51 iacet sacerdos inter aras victima ; 115,15 dii deaeque, quam longe a destinatione sua iacet ; Verg. Aen. 5,871 nudus in ignotā … iacebis harenā ; Lukan 4,803 ante iaces quam dira duces Pharsalia confert ( „du liegst tot da, bevor …“ ); Stat. Theb. 9,358f. parma natat ; iacet ipse procul eqs.; OLD s.v. 6. Magnus : Nach Pompeius’ sensationellem Blitzsieg über die Anhänger des Marius in Africa feierten seine Truppen den jungen General mit dem Ehrentitel ‚der Große‘. Auch Sulla begrüßte ihn bei seiner Rückkehr nach Rom öffentlich als Magnus ( 81 v.Chr.). Er selbst adoptierte das cognomen erst vier Jahre später ( cf. Ov. fast. 1,603 Magne, tuum nomen rerum est mensura tuarum ; Plin. nat. 7,96; Plut. Pomp. 13,6-11; GELZER 2 1959, 39 f. ). Sein bereits früh gehegter Ehrgeiz, Alexander dem Großen „in Wort und Tat nachzueifern“, empfing damit gleichsam den öffentlichen Segen ( Sall. hist. frg. 3,88 Pompeius a prima adulescentia, sermone fautorum similem fore se credens Alexandro regi, facta consultaque eius quidem aemulus erat ; Manil. 4,51-53 post victas Mithridatis opes … et tris emenso meritos ex orbe triumphos, | cum te iam posses alium componere Magnum, „… als du dich längst mit einem anderen ‚Großen‘ vergleichen konntest“; Plut. Pomp. 2,2-4 ; MICHEL 1967, 35-67;

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WEINSTOCK 1971, 37; zu den Anleihen von Pompeius’ Porträtbüsten bei Alexanders Ikonographie cf. ZANKER 2 1990, 20f. ). Der Name Pompeius fällt im BC nirgendwo ( oft hingegen bei Lukan ). Stattdessen taucht Magnus fünfmal auf ( 63, 238, 244, 269, 292 ), oft genug mit ironisch-sarkastischem Unterton ( 238, 244, 292 ). Hier bildet der Ehrentitel im Zusammenspiel mit iacet ein Oxymoron. Auch Lukan verwendet ihn emphatisch ( cf. bes. 1,135 stat Magni nominis umbra ; 8,549f. si meruit tam claro nomine Magnus | Caesaris esse nefas ) – auch in den Schlussversen von gleich vier Büchern ( 2,735f. Romana … tellus | inmaculata sui servetur sanguine Magni ; 5,815; 8,872; 10,546 calcantem moenia Magnum ). „Pompeius’ name of ‚Magnus‘ is an anachronism, a reproach, a promise which he has outlived and can no longer fulfil.“ ( FEENEY 1986, 239f. ). Seneca unterstellt ihm als Motiv all seiner Feldzüge insanus amor magnitudinis falsae ( ep. 94,64 ). Erst in seiner Todesstunde habe er „die eitle Vermessenheit seines Beinamens erkannt“ ( dial. 10,13,7 intellectā inani iactatione cognominis sui ). 64 Iulius ingratam perfudit sanguine Romam : „Julius überströmte mit seinem Blut das undankbare Rom“. An den Iden des März floss Caesars Blut in der Kurie ( cf. Florus epit. 2,13,95 ille, qui terrarum orbem civili sanguine inpleverat, tandem ipse sanguine suo curiam inplevit ). Als er am Sockel der Pompeiusstatue zusammenbrach, „spritzte sein Blut über die Plastik, so dass es schien, Pompeius persönlich beaufsichtige die Rache an seinem Feind“ ( Plut. Caes. 66,13 πολὺς καθῄμαξεν αὐτὴν ὁ φόνος, ὡς δοκεῖν αὐτὸν ἐφεστάναι τῇ τιμωρίᾳ τοῦ πολεμίου Πομπήϊον ); zu dem Attentat cf. u.a. Cic. div. 2,23 si divinasset sc. Caesar fore ut … in curiā Pompeiā ante ipsius Pompei simulacrum … a nobilissumis civibus … trucidatus … iaceret eqs.; Ov. met. 15,760-851; fast. 3,697-710; Manil. 4,57-62; Suet. Iul. 81 f.; Plut. Caes. 63-68 ; Appian b.civ. 2,479-493; Cassius Dio 44,19; GELZER 6 1960, 304 f.; MEIER 1982, 576-578 ). Dass Caesar bereits in Alexandria einem Attentat hätte zum Opfer fallen können, kommentiert Lukan bitterböse: Ptolemaios’ Minister Pothinus „hält seine käuflichen Hände für würdig, auch in d e m Blut zu baden, in dem Fortuna die besiegten Senatoren baden will – und die Strafe für den Bürgerkrieg, die Rache des Senats, hätte beinahe einem Lakaien oblegen“ ( 10,338-341 dignatur viles isto quoque sanguine dextras | quo Fortuna parat victos perfundere patres, | poenaque civilis belli, vindicta senatūs, | paene data est famulo ). Mit dem „undankbaren Rom“ sind die ‚besiegten und blutgebadeten Väter‘ Lukans gemeint ( cf. Plut. Brutus 17,7: nach dem Attentat waren sie „allesamt mit Blut bespritzt“, πίμπλασθαι δὲ τοῦ αἵματος ἅπαντας ).

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Das Volk hatte Grund genug, Caesar zu lieben ( u.a. für die Eroberung Galliens, die Rom um eine prosperierende Provinz bereicherte, und für sein spektakuläres Bauprogramm ); dies bezeugen die Reaktionen auf seinen Tod. Anders große Teile des Senats, die sich und die Republik als Verlierer jenes Machtkampfs sahen. Doch warum sind die Aristokraten „undankbar“ ? Dass enttäuschte Anhänger Caesar getötet hätten, weil er nach seinem Sieg ihre „überzogenen Erwartungen“ nicht erfüllen konnte, ist abwegig ( Sen. dial. 5,30,4 divum Iulium plures amici confecerunt …, quorum non expleverat spes inexplebiles eqs.). „Undankbar“ ( zumindest aus Caesars Sicht ) waren sie eher, weil sie ihm die Gnade nicht vergalten, die er während und nach dem Bürgerkrieg Gegnern gegenüber in etlichen Fällen hatte walten lassen – und auf deren Wirkung er offenbar vertraute ( cf. Vell. Pat. 2,57,1 dictitans mori se quam sc. mortem timere malle, dum clementiam, quam praestiterat, exspectat, incautus ab ingratis occupatus est, „… wurde er eiskalt von den Undankbaren abserviert“; zu dem Attentat s. auch Lukan 1,691 inpia … in medio peraguntur bella senatu ; Ps.-Sen. Oct. 498-502 Brutus in caedem ducis, | a quo salutem tulerat, armavit manūs … Caesar nefando civium scelere occĭdit ). Wohl auch mit Blick auf Caesar verurteilte Valerius Maximus das Attentat auf Romulus, das Rom auf immer ‚befleckt‘ habe: „Den Vater unserer Stadt zerfleischte der Senat in der Kurie, und er hielt es nicht für Unrecht, dem das Leben zu rauben, der dem römischen Reich dauerhafte Lebenskraft verliehen hatte. Ein unbändiges Zeitalter, bei dem nicht einmal die innigste Frömmigkeit der Nachwelt leugnen kann, dass es mit dem Blut seines Gründers abscheulich befleckt war“ ( 5,3,1, in dem Kapitel DE INGRATIS : urbis nostrae parentem senatus … in curia laceravit, nec duxit nefas ei vitam adimere, qui aeternum Romano imperio spiritum ingeneraverat. … ferox saeculum, quod conditoris sui cruore foede maculatum ne summa quidem posteritatis dissimulare pietas potest ). „Undankbar“ zeigte sich Rom auch dem älteren Scipio Africanus gegenüber, der im zweiten Punischen Krieg bei Zama Hannibal bezwang, und den seine Heimatstadt später „verstieß“ ( Liv. 38,50,7 duas … urbes ingratas … in principes inventas, Romam ingratiorem, si quidem victa Carthago victum Hannibalem in exsilium expulisset, Roma victrix victorem Africanum expellat ). Verbittert über die Nachstellungen seiner Gegner zog er sich nach Kampanien auf sein Landgut zurück, wo er nach seinem Tod ( 183 v.Chr.) auf eigenen Wunsch auch bestattet wurde, ne funus sibi in ingrata patria fieret ( Liv. 38, 53,8). Seine Grabinschrift lautete: INGRATA PATRIA, NE OSSA QUIDEM MEA HABES ( Val. Max. 5,3,2b ).

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Nicht überhören sollte man den religiösen Unterton, der in der ‚sakralen‘, an ein Opfer gemahnenden Formulierung mitschwingt. Pompeius kam im fernen Osten zu Tode, damit sein Blut ‚römische Erde nicht beflecke‘, und damit entweihe ( Lukan 2,734-736 parcitur Hesperiae. procul hōc et in orbe remoto | abscondat Fortuna nefas, Romanaque tellus | inmaculata sui servetur sanguine Magni ; cf. E. FANTHAM ad loc.: „an apotropaic wish“ ). Auch Crassus’ Blut befleckte nur Partherland ( Lukan 1,105 Assyrias Latio maculavit sanguine Carrhas ). Anders bei Caesar : sein Blut entweihte Rom. Die Stadt wurde nicht nur befleckt – sie lud eine Blutschuld auf sich. Und Caesars ‚Blutopfer‘ ( wie Cato es für Rom darbringen wollte; cf. Lukan 2,312f. hic redimat sanguis populos, hac caede luatur, | quidquid Romani meruerunt pendere mores, „dieses Blut kaufe die Völker los, dieser Tod wasche ab, was auch immer römische Unart zu zahlen verdient hat“ ) brachte nicht die Republik und den Frieden zurück – es ließ den Bürgerkrieg neu aufflammen. Zu der Junktur perfundere sanguine cf. BC 96 nullo perfundimus ora cruore, und S. 1047f. ad loc.; zu den Komposita von fundere im BC ( 64, 69, 70, 96, 102, 214 ) cf. RIMELL 2002, 27f. 203-205. Das Hyperbaton ( ingratam … Romam ) bildet die blutgebadete Kapitale ab. 65-66 et quasi non posset tellus tot ferre sepulcra, | divisit cineres : „und als könne die Erde so viele Tote nicht tragen, verteilte sie die Asche“. Das Motiv dreier großer Toter, deren Gräber sich auf die drei Kontinente verteilen, entdecken offenbar erst neronische Autoren. Seneca verwendet es einmal für Pompeius, Cato und Pompeius’ Sohn Gnaeus ( ep. 71,9 tam magni ruina imperii in totum dissiliet orbem : aliqua pars eius sc. imperii in Aegypto, aliqua in Africa, aliqua in Hispania cadet, „der Sturz eines so mächtigen Reichs wird im gesamten Erdkreis nachhallen …“; zu Gnaeus’ Tod cf. S. 1083f.; s. auch Anth. Lat. 413 R. == 410 Sh.B.). Meist aber gilt es P o m p e i u s und seinen beiden S ö h n e n , die in den Bürgerkriegen umkamen ( der jüngere, Sextus, wurde 35 v.Chr. in Milet hingerichtet ); cf. Lukan 6,817-820 Europam, miseri, Libyamque Asiamque timete : | distribuit tumulos vestris Fortuna triumphis eqs. ( „… entsprechend euren Triumphen“ ); Mart. 5,74 ( unten zit.). Dass den dreien kein gemeinsamer Tod vergönnt war, beklagt Seneca ( dial. 11,15,1 quid referam … Pompeios ? quibus ne hoc quidem saeviens reliquit Fortuna, ut unā denique conciderent ruinā ; zum Motiv der iuncta mors cf. Bd. II, S. 639-642 ). Vor allem zwei kleine Zyklen der Anthologia Latina variieren das Ende des Pompeius und seiner Söhne: 400-404 R. ( 396-399 Sh.B.) und 454-456

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R. ( 452-454 Sh.B.); cf. u.a. 400-401 R. Magne, premis Libyam ; fortes tua pignera nati | Europam atque Asiam. nomina tanta iacent ! | quam late vestros duxit Fortuna triumphos, | tam late sparsit funera, Magne, tua ; 402 R. Pompeius totum victor lustraverat orbem, | at rursus toto victus in orbe iacet : | membra pater Libyco posuit male tecta sepulcro ; | filius Hispanā est vix adopertus humo ; | Sexte, Asiam sortite tenes. divisa ruina est : | uno non potuit tanta iacēre solo ; 456 R. Diversis iuvenes Asia atque Europa sepulcris | distinet ; infidā, Magne, iaces Libyā eqs. ( DINGEL 2007, 28 zieht als Autor Seneca in Betracht ; BREITENBACH 2009, 14 f. datiert die Zyklen ins 2. Jh. n.Chr.; s. auch CONNORS 1989, 6870; BREITENBACH 2009, 71-88. 528-536 ). Allein das BC reserviert das Motiv der drei Gräber auf drei Kontinenten für die T r i u m v i r n – und umspannt mit dieser ‚globalen Vision‘ den gesamten Kriegsverlauf: erst nach Crassus’ Tod eskalierte der Konflikt ; Pompeius verlor den Kampf, Caesar gewann. Zugleich stellt das Trikolon der drei Toten den Auftakt des Gedichts infrage, die Vision von Roms Weltherrschaft : Rom ‚besitzt den Erdkreis‘ ( 1 orbem iam totum victor Romanus habebat ) – jedoch als Totenacker ( cf. CONNORS 1989, 69 ). Ein weiteres Motiv kommt hinzu. Noch im Tod setzt sich jenes Paradox fort, das für Pompeius und Caesar zu Lebzeiten galt : e i n Weltreich ist den beiden unversöhnlichen Kontrahenten nicht genug ( Lukan 1,109111, zit. S. 862 ). Das Bild geht wohl auf Livius zurück ( cf. Florus epit. 2,13,14 sic de principatu laborabant, tamquam duos tanti imperii Fortuna non caperet ; s. auch Plut. Pomp. 53,10 ἑαυτοῖς οὐκ ἐνόμιζον ἀρκεῖν δυσὶν οὖσι τὴν Ῥωμαίων ἀρχήν : während drei Götter die Welt unter sich aufteilten und so einen blutigen Streit vermieden, „glaubten“ Caesar und Pompeius, „für sie beide sei das römische Reich nicht groß genug“; Sen. dial. 2,2,2 erweitert das Szenario um Crassus: totus orbis in tres divisus satiare non poterat sc. potentiae inmensam cupiditatem ). Bei Lukan beendet der Tod diesen Streit – und führt ihn zugleich ad absurdum ( 6,810 f. quem tumulum Nili, quem Thybridis alluat unda | quaeritur, et ducibus tantum de funere pugna est ). Inspiriert war das Bild wohl vom Bonmot Philipps über seinen Sohn Alexander : „Makedonien ist zu klein für dich“ ( Plut. Alex. 6,8 Μακεδονία … σ᾿ οὐ χωρεῖ ; wörtlich: „… fasst dich nicht“ ). Es traf den Geschmack römischer Deklamatoren ( u.a. Cestius Pius ap. Sen. suas. 1,5 orbis illum suus non capit ; cf. Verg. Aen. 9,644 nec te Troia capit : Apollo zu Ascanius; Stat. Ach. 1,151f. illum sc. Achillem non Ossa capit, non Pelion ingens | Pharsaliaeve nives ). Kritischer sah Lukan Alexander, jene „globale Katastrophe“ ( 10,34 terrarum fatale malum ): seine Gebeine hätte man über die gesamte Erde verstreuen müssen ( 10,22f. totum spargenda per orbem | membra viri ).

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Originell ist die Physik, die hier unterschwellig am Werk scheint. Um angesichts dieser drei politischen Schwergewichte die Balance zu halten ( e.g. Ov. met. 1,12 f. circumfuso pendebat in aere Tellus | ponderibus librata suis, und F. BÖMER ad loc.), muss die Erde sie entsprechend verteilen – sonst ergeht es ihr ähnlich wie Fortuna mit dem ‚übergewichtigen‘ Rom ( BC 82f. ecquid Romano sentis te pondere victam, | nec posse ulterius perituram extollere molem ? ). Gleiches gilt für die Ätherregion: wenn Nero dereinst zum Himmel auffahre, möge er in dessen Mitte verweilen, damit das Firmament nicht wanke ( Lukan 1,53-58, bes. 56f. aetheris inmensi partem si presseris unam, | sentiet axis onus ; cf. P. ROCHE ad loc.). Weniger physikalisch denn pietätvoll begründen andere Texte die Verteilung der toten Pompei : jeder Erdteil soll an ihnen Anteil haben ( Anth. Lat. 456,3f. R. == 454,3f. Sh.B. distribuit Magnos mundo Fortuna sepultos, | ne sine Pompeio terra sit ulla suo ); denn diese „Katastrophe“ ist zu bedeutend, um nur e i n e n Ort zu treffen ( Mart. 5,74 Pompeios iuvenes Asia atque Europa, sed ipsum | terra tegit Libyes, si tamen ulla tegit. | quid mirum toto si spargitur orbe ? iacēre | uno non poterat tanta ruina loco ; Anth. Lat. 402,5f. R. == 398,5f. Sh.B. divisa ruina est ; | uno non potuit tanta iacēre solo ). Welche mächtige Gottheit „verteilte“ ( divisit ) den Tod und die Gräber der Triumvirn auf die drei Erdteile ? Fortuna ( BC 61 )? Enyo ( BC 61f. )? Tellus ? Für Enyo plädiert SCHMELING ad loc. Doch warum sollte sich ausgerechnet die personifizierte Vernichtung Sorgen machen um den Fortbestand der kosmischen Ordnung ? Für Fortuna wiederum sprächen zwei Argumente. In den Texten über die Pompei ist sie omnipräsent ( cf. Sen. dial. 11,15,1; Lukan 6,818; Anth. Lat. 401 R. == 397 Sh.B.; 456,3 R. == 454,3 Sh.B.; alle oben zit.). Und „ein Ring schlösse sich: 61 tres tulerat Fortuna duces – 66 divisit cineres “ ( M. DEUFERT in epist.). Doch angesichts all der Informationen zwischen BC 61 und 66 bräuchte es hier einen klareren Hinweis auf ihre Rolle. Bleibt als das grammatisch nächstliegende Subjekt Tellus ( so auch POLETTI 2017, 247 ) – die zudem ein genuines Interesse an einer stabilen Position im Kosmos hat. tellus … ferre : Das poetische tellus verwendet das BC deutlich häufiger als die profanere terra ( 11 bzw. 5 Belege ). In Prosa erscheint es nur in der ausgefeilten Periode Sat. 99,3 ( aratro domefacta tellus ). Zu dem „von den meisten Dichtern streng vermieden(en)“ quasi cf. AXELSON 88f. Mit der Junktur tellus (terra ) fert verbinden sich für gewöhnlich freundliche Bilder : das Wachsen der Früchte (e.g. Lucr. 5,941f. arbita … plurima tum tellus … ferebat ; Ov. met. 1,109 fruges tellus inarata ferebat ), der Erdenwandel geliebter Menschen (e.g. Hor. serm. 1,5,41f. animae, qualīs neque candidiores | terra tulit eqs.; Ov. Pont. 1,2,98 alma nihil maius Caesare terra ferat ),

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gewährtes Gastrecht ( e.g. Sen. Oed. 259 hospitalis exulem tellus ferat ). Ohne Parallele ist die Verwendung hier für das ‚Ertragen‘ von Gräbern bzw. Toten ( vier Spondeen lassen die drückende Last ahnen). Für die besser überlieferte Variante tellus tot entschieden sich neben MÜLLER u.a. DÍAZ Y DÍAZ ; GRIMAL ; GIARDINA-MELLONI ; die Alternative tot tellus wählten u.a. BÜCHELER ; ERNOUT ; STUBBE ; CIAFFI. sepulcra : Sepulcrum hat hier die höchst seltene Nebenbedeutung „Tote“; cf. OLD s.v. c : „( pl., meton.) the dead“, und Catull 96,1 f. si quicquam mutis gratum … sepulcris | accidere a nostro … dolore potest ; Ov. fast. 2,33 placatis sunt tempora pura sepulcris ( „sind die Toten mit Opfern besänftigt, bleiben die Zeiten rein“ ); Stat. silv. 2,7,103 das solacia grandibus sepulchris ( der tote Lukan im Hades ). Auch die cineres stehen hier metonymisch für die „Toten“ ( nicht im OLD; s. aber s.v. cinis 4 b: „( as a stage in existence ) death, ‚the grave‘ “ ). 66 hos gloria reddit honores : „Solche Ehren erntet der Ruhm.“ Nach römischer Vorstellung sind ‚Ruhm‘ und ‚Ehre‘ ( wie im Deutschen) äquivalente, fast synonyme Begriffe, die oft genug als Hendiadyoin nebeneinander treten ( e.g. Plaut. Trin. 272f. boni sibi haec expetunt : rem, fidem, honorem, | gloriam et gratiam ; Cic. Cael. 72 ad honorem, gloriam, dignitatem ; part. 91 quis enim honorem, quis gloriam … expetivit ? ; Tusc. 5,45 da divitias, honores, imperia, opes, gloriam ; Q. fr. 3,5,3 nec sitio honores nec desidero gloriam ; Phaedrus 1,7,3 f. honorem et gloriam | Fortuna tribuit ; s. auch Ciceros prägnante Definition des Ruhms, Phil. 1,29 est autem gloria laus recte factorum magnorumque in rem publicam fama meritorum, quae cum optimi cuiusque, tum etiam multitudinis testimonio comprobatur ). Die tautologische sententia ist purer Zynismus: Alles, was ihr irdischer ‚Ruhm‘ den Triumvirn an postumen ‚Ehren‘ verschaffte, sind ein blutiges Ende – und gleich zwei unscheinbare Gräber an der Peripherie des Reichs. Ähnlich sarkastisch kommentiert Anth. Lat. 455 R. == 453 Sh.B. das Los der Pompei : Patria, diverso terrarum litore Magnos | spectas compositos, heu, sine nominibus, | Europāque Asiāque simul Libyāque sepultos. | victores victā sic potiuntur humo ! ( „… so herrschen Sieger über besiegtes Land“ ).

67 – 125 Dis und Fortuna di immortales … civile bellum tantum et tam luctuosum excitaverunt Cic. Marc. 18

In den chthonischen campi Phlegraei unweit Puteolis ( zu den Örtlichkeiten s. S. 996f. ) treffen die beiden göttlichen Protagonisten aufeinander, die das irdische Geschehen in Gang setzen, Dis und Fortuna. Der Herr des Hades spricht Fortuna an, die – untypisch für die epische Erzählung – wie aus dem Nichts zugegen ist ( als kosmische Macht wird sie BC 61 erwähnt ). In zwei fast gleich langen Reden ( Dis 21 Verse, Fortuna 19 ) kommt es zu einem Austausch von historischer Tragweite. Das Reich, das Fortuna einst groß machte ( Dis deutet es an: 79-83; sie bestätigt es: 107-109 ), steuert auf eine Katastrophe zu. Rom vergeudet seine Ressourcen; seine Bauwerke erklären der Natur den Krieg ( 89 ); die Umwelt leidet ; nicht einmal der Hades ist vor Rom sicher ( 90-93). Deshalb fordert Dis die Göttin auf, einen Krieg zu provozieren und die Unterwelt mit Toten zu füllen ( 94-99 ). Im Grunde bilden seine beiden letzten Punkte eine logische Folge: wenn die Römer unbedingt in sein Reich wollen ( 90 en etiam mea regna petunt ), dann sollen sie auch ( 95 Romanosque cie ac nostris da funera regnis )! In gewisser Weise geht Dis’ Ankündigung in Erfüllung. Gegen Ende des Epyllions gelangen tatsächlich Wesen aus dem Orcus auf die Erde – wenn auch nicht die Seelen der Verstorbenen, die es zum Tageslicht zieht ( 93 inferni manes caelum sperare fatentur ), sondern böse Mächte ( 254-263; 271-294 ). In einer Abwandlung des Motivs von der ‚verkehrten Welt‘ drängen die Menschen hinab in die Tiefe, die Hölle empor an die Oberwelt. Fortuna pflichtet Dis bei: sie verzweifelt am selbstzerstörerischen Kurs ihres Protegés, auch sie hasst Rom – und sie wird es vernichten. Wie zum Beweis prophezeit sie die großen Schlachten des bevorstehenden Bürgerkriegs. Und noch vor dem eigentlichen Prodigienkatalog bekräftigt Juppiters Blitz als erstes Vorzeichen Dis’ und Fortunas Worte. Nach der Ouvertüre ( 1-66 ) setzt der zweite Abschnitt des Gedichts ( 67125 ) die Geschichte in Bewegung, getreu Eumolps Maxime, die höheren Mächte hinter den historischen Ereignissen zu zeigen ( 118,6 deorum … ministeria ; cf. CONNORS 1998, 121-125). Zugleich folgt er einem bewährten epischen Modell, wenn im Anschluss an den Prolog unterweltliche Mächte die Bühne betreten ( CONNORS

BC 67-125 : Dis und Fortuna

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1995, 160f.). Zu Beginn der Aeneis entfesselt eine infernalische Juno die anarchischen Winde ( 1,50-80; cf. 7,312 Acheronta movebo ). Zum Auftakt von Statius’ Thebais beschwört Oedipus Tisiphone, seine Söhne in einen ‚Bruderkrieg‘ zu hetzen ( 1,46-87 ). Die Dämonin lässt umgehend Taten folgen; und als genüge dies nicht, stachelt zudem Fortuna den blutigen Streit an ( 1,408 f. ambobus rabiem Fortuna cruentam | attulit ). Die Episode zitiert aber auch Junos Verhandlung mit Allecto, die Latium mit Bürgerkrieg überzieht ( Verg. Aen. 7,286-340; cf. S. 1306, sowie ZEITLIN 1971, 76; LUCK 1972, 138 ) – und in gewisser Weise den Götterrat, in dem Venus Junos Intrige anprangert und Juppiter bittet, die Zwietracht zu beenden und Frieden zu stiften ( Aen. 10,1-117; so POLETTI 2017, 93-95 ). Denn das BC verkehre dieses Anliegen in sein Gegenteil, wenn Fortuna auf Dis’ Bitte hin den Kosmos ins Chaos stürzen soll. Bei Statius empört sich Pluto nach Amphiaraus’ Höllensturz über das Eindringen der Menschen in sein Reich ( Theb. 8,52-58 ~ BC 90 en etiam mea regna petunt ); dort wie hier fordert er eine Göttin auf, einen Bürgerkrieg zu provozieren ( Theb. 8,65-79 ~ BC 94 f. ); und beide Male ist Tisiphone mit von der Partie ( Theb. 8,66 ~ BC 97 und 120; laut M. DEWAR p. 88 zu Stat. Theb. 9,148ff. imitiere besagte Szene das BC ; s. auch RIPOLL 2002, 174 f. ). Inspiration für die Episode bot nicht zuletzt Ovids kritische Schilderung des eisernen Zeitalters ( met. 1,127-150 ) und der auf den Fuß folgende Götterrat, in dem ein zorniger Juppiter die verderbte Menschheit anklagt und deren Vernichtung beschließt ( 1,163-252, bes. 1,241 qua terra patet, fera regnat Erinys ; cf. POLETTI 2017, 95-99 ). Warum aber begegnen sich Dis und Fortuna in den campi Phlegraei ( unweit des von der Aeneis geadelten Averner Sees ) ? Als ‚Schnittstelle‘ zwischen Oberwelt und Unterwelt bildet diese chthonische Lokalität einen idealen Treffpunkt für die beiden Götter. Zudem kommen hier mythische, historische und literarische Assoziationen ins Spiel, die zeitgenössischen Lesern wohlvertraut waren ( cf. CONNORS 1989, 71-78; 1998, 122f. ). Nicht nur das griechische Phlegra galt als Schauplatz der G i g a n t o m a c h i e ( u.a. Pind. Nem. 1,67f.; Val. Flacc. 2,16-23 ; Stat. Theb. 2,595-601; Ach. 1,484490; zum Mythos cf. S. 1218f. ), sondern seit alters auch die campi Phlegraei unweit Neapels ( u.a. Timaios FGrHist 566 F 89 ~ Diodor 4,21,5-7; Prop. 2,1,39; 3,9,48; Strabo 5,4,4 u.ö.; Sil. Ital. 12,133-146 ). Diese Assoziation ist von Belang. Horaz und Properz vergleichen Octavians Sieg im Bürgerkrieg mit Juppiters Triumph über die Titanen bzw.

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Giganten ( cf. Hor. c. 3,4,37-64, und NISBET – RUDD ad loc.; Prop. 2,1,1742 ). Den Bürgerkrieg nach Neros Tod schildert Statius als Gigantomachie mit „phlegraeischen Schlachten“ ( silv. 5,3,195-197 subitam civilis Erinys … facem Phlegraeaque movit | proelia ). Für Lukan wird Pharsalos gleichsam zur Neuauflage der Gigantomachie ( cf. 6,410-412; 7,144-150 ). Das BC wiederum zitiert sie im Gleichnis, wenn Caesar nach Italien hinabsteigt, um ‚die Giganten zu vernichten‘ ( 208 periturorum disiecit tela Gigantum ; cf. 209 tumidas iratus deprimit arces ). Doch dank der campi Phlegraei klingt der geschichtsträchtige Mythos schon hier an. Ein historisches Ereignis kommt hinzu : Pompeius’ schwere Erkrankung in Kampanien ( 50 v.Chr.), kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs. Wie Cicero resümierte, hätte sein Tod damals den Kurs der Geschichte geändert : Non enim cum socero bellum gessisset, non inparatus arma sumpsisset, non domum reliquisset, non ex Italia fugisset, non exercitu amisso nudus in servorum ferrum et manūs incidisset … qui, si mortem tum obisset, in amplissimis fortunis occidisset, is propagatione vitae quot, quantas, quam incredibilīs hausit calamitates ! ( Tusc. 1,86; s. auch Prop. 3,11,33-38; Sen. dial. 6,20,4 ; Juv. 10,283-286 ). Pompeius’ Genesung galt den Zeitgenossen als Werk Fortunas ( die damit auch ‚real‘ hinter den Kulissen als Kriegstreiberin waltete ). Gerade die öffentliche Begeisterung über seine Rückkehr auf die politische Bühne begünstigte den Ausbruch des Bürgerkriegs. Beflügelt von neuem Selbstvertrauen, überschätzte Pompeius sich dramatisch; ebenso dramatisch unterschätzte er seinen Gegenspieler ( cf. CONNORS 1989, 78 ). Dass Dis und Fortuna just am Ort von Pompeius’ Genesung ihren fatalen Plan schmieden, erinnert an die historische Begebenheit – und an Fortunas Hand in den Ereignissen. 67 – 75 Der Unterweltseingang Ort der Begegnung ist eine unwirtliche ( und unwirkliche ) Schlucht unter freiem Himmel ( cf. 122 f. ), in der weder Herbst noch Frühling ihren Zauber entfalten ( wie in jener anderen Todeszone, den Alpen; cf. 146-150; an einen Vulkankrater denkt POLETTI 2017, 261 ). Die einzigen Lebewesen dort sind Totenbäume ( cf. 75 ). Wie ein Bühnenbild illuminiert die morbide Hadeslandschaft das Thema Krieg und Vernichtung. Über der Szene wabert ein Pesthauch, der alles vergiftet und die Welt mit Zerstörung und Tod tränkt ( 69 f. ). „This landscape of chaos … prefigures the

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chaos that will soon sweep across Italy and the Roman world.“ (CONNORS 1989, 78). Der topographische Exkurs ( die ἔκφρασις τόπου bzw. ecphrasis loci ) ist seit Ilias und Odyssee das Mittel der Wahl, um den Fluss des epischen Geschehens zu stauen und zugleich Spannung aufzubauen, v.a. aber, um mit der Schilderung erhabener, anmutiger, düsterer Örtlichkeiten eine für Atmosphäre wie Handlung passende Kulisse zu erschaffen. Zu den ältesten Motiven zählt die Beschreibung des Hadeseingangs. Wo die homerische Nekyia sich noch mit einer vagen Skizze begnügt ( Od. 10,508-515), werden spätestens mit dem Hellenismus die Bilder einfallsreicher und detailfroher ; cf. u.a. Apoll. Rhod. 2,734-745 ( am Acherusischen Kap); Verg. Aen. 6,237-241 ( Cumae ); Ov. met. 4,432-446 ; Sen. Herc. fur. 662667 ( am Tainaron; cf. bes. 664-666 hīc ora solvit Ditis invisi domus | hiatque rupes alta et immenso specu | ingens vorago faucibus vastis patet eqs., „hier öffnet seinen Rachen das Haus des verhassten Dis, tief klafft der Fels, und in der unermesslichen Höhle dehnt ein ungeheurer Abgrund seinen weiten Schlund“ ); Stat. Theb. 2,32-54 ( am Tainaron); 4,419-442. – Cf. HEINZE 3 1915, 396-403; R. GANSCHINIETZ, Eingänge zur Unterwelt : RE X 2, 1919, 2377-87 ; E.R. CURTIUS 2 1954, 191-209; WILLIAMS 1968, 634-681; S. HINDS, The metamorphosis of Persephone, Cambridge 1987, 36-38; D. FOWLER, Roman Constructions, Oxford 2000, 64-107 ; D. OGDEN, Greek and Roman necromancy, Princeton 2001, 61-74. Dezente Parallelen bestehen zu einer anderen Ekphrasis Vergils, dem Unterweltseingang am Ampsanctussee ( Aen. 7,563-571 ): est locus Italiae medio sub montibus altis, | nobilis et famā multis memoratus in oris, | Ampsancti valles ; densis hunc frondibus atrum | urget utrimque latus nemoris, medioque fragosus | dat sonitum saxis et torto vertice torrens. | hic specus horrendum et saevi spiracula Ditis | monstrantur, ruptoque ingens Acheronte vorago | pestiferas aperit fauces eqs. ( cf. N. HORSFALL ad 7,569f.: „The uorago is created by the bursting out of Acheron …, here clearly understood as the river and not the whole underworld. … The fauces both emit … noxious vapours ( as they still do ) and serve as a passage for the pestis herself, Allecto.“ ). GRIMAL 1977, 100f. sieht diese Passage als Vorbild des BC ( s. auch SCHMELING – SETAIOLI ad loc.: „in both we find the volcanic topography of the place and the foul, sulphur-laden air … which rushes up from the underworld“; ferner A. SETAIOLI, Le Porte del Sonno nel VI libro dell’Eneide : Aevum Antiquum 10, 2010, 13-38 ). Silius lässt Hannibal die mythischen Stätten im Umland Puteolis besuchen ( 12,113-157 ), v.a. den Averner See ( 12,122-129 tum tristi nemore atque

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umbris nigrantibus horrens | et formidatus volucri letale vomebat | suffuso virus caelo … huic vicina palus ( fama est Acherontis ad undas | pandere iter ) caecas stagnante voragine fauces | laxat et horrendos aperit telluris hiatūs | interdumque novo perturbat lumine manes ) und die Phlegräischen Felder ( 12,133-146 sulphure et igni | semper anhelantes coctoque bitumine campos | ostentant. tellus atro exundante vapore | suspirans ustisque diu calefacta medullis | aestuat et Stygios exhalat in aera flatūs eqs.; cf. 8,537f. sulphure pingues | Phlegraei … sinūs ; STÄRK 1995, 72-75; POLETTI 2017, 249f. ). Die Ekphrasis hier beschreibt allerdings keinen klassischen Hadeseingang, sondern eine Stätte, die ihre düstere Natur ( als eine Art locus inamoenus oder foedus ) als ‚Schnittstelle‘ zwischen Oben und Unten definiert. Solche Orte schildern wiederholt Senecas Tragödien, etwa den Hain, in dem Tiresias Laius’ Geist heraufbeschwört ( Oed. 530-547 ), den Hain, in dem Atreus seine Neffen opfert ( Thy. 650-679 ), oder Achills Grab, dem seine ingens umbra entsteigt ( Tro. 171-180, bes. 178-180 scissa vallis aperit immensos specūs | et hiatus Erebi pervium ad superos iter | tellure fractā praebet ). Ein solcher ‚Korridor‘ zwischen Ober- und Unterwelt ist auch die thessalische Höhle, in der Erictho ihre Totenbeschwörung vollzieht ( Lukan 6,642-651 haud procul a Ditis caecis depressa cavernis | in praeceps subsedit humus, quam pallida pronis | urguet silva comis et nullo vertice caelum | suspiciens Phoebo non pervia taxus opacat. | marcentes intus tenebrae pallensque sub antris | longā nocte situs [ „Moder“ ] numquam nisi carmine factum | lumen habet … , maestum mundi confine latentis | ac nostri eqs., „… traurige Grenzmark zwischen der verborgenen Welt und der unsrigen“; lt. LUCK 1972, 137 ein Vorbild für die Stelle hier ; s. auch SETAIOLI 2015a ). Der Blick des Lesers fällt in die tief eingeschnittene Landschaft ( das Hyperbaton 67 exciso … hiatu und das markant „zwischen“ Neapel und Puteoli positionierte inter bilden das zerklüftete Terrain ab ), auf das Höllengewässer und den emporsteigenden giftigen Nebel ( 69 f. ). Das Kontrastbild der freundlichen Jahreszeiten ( 71-73 ) unterstreicht das Unwirtliche und Lebensfeindliche jener Region; die vom Herbst zum Frühling ‚rückwärts‘ laufende Zeit ( ungenannt bleibt der dort utopische Sommer ) spiegelt das Widernatürliche jenes Orts. Die Schlussverse runden das beklemmende Bild ab: Einöde ( chaos ), starrender Fels, Totenbäume ( 74 f. ). Die einzelnen Elemente entstammen allesamt dem klassischen Repertoire – die präzise Lokalisierung ( hier die Phlegräischen Felder ), die Felsen, die unheilvolle Flora, die Unterweltsgewässer, die giftigen Dämpfe, nicht zuletzt die tief eingeschnittene Landschaft als Tor zwischen den Wel-

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ten ( cf. S. 992f. ). Doch die Kombination der Versatzstücke verrät einen kreativen Umgang mit den Vorbildern. Geographischer Realismus ist eher nicht zu erwarten. Wie der Averner See der Aeneis nur noch wenig mit dem Gewässer gemein hatte, das zu Vergils Zeit zur Marinebasis ausgebaut wurde, so gleicht auch die hier geschilderte Landschaft nur vage den realen Phlegräischen Feldern, die Petron vor Augen hatte (s. S. 996f.; ferner STÄRK 1995, 11-31. 48-62 ). Doch das Bild schafft Atmosphäre: vor unseren Augen entsteht eine kahle Mondlandschaft, durchwabert von mephitischen Dünsten. Stilistisch fallen v.a. der Einsatz von Alliterationen ( bes. 69 f. das vierfache -fu - ; cf. S. 997 ) und die Häufung der ‚malenden‘ Vokale a und u auf ( bes. 67 und 74 f. ), die E. NORDEN bereits in der Beschreibung der Grotte der Sibylle ausmachte ( Aen. 6,237-241 spelunca alta fuit eqs.; cf. 4 1957, 201 ad 237f. ). Die düstere Bühne lässt sich als symbolische Botschaft lesen. Sie gibt aber auch ( wie Vergils Hadeseingang am Ampsanctussee, Aen. 7,563-571; s. oben ) einen Vorgeschmack auf das Personal, das dort auftreten wird. „The details of Ampsanctus are ( many of them ) a final invocation of Allecto herself in her full horror. … Virgil’s language is thus often both aptly topographical, yet specifically evocative of Allecto.“ ( N. HORSFALL 369f. ad loc.). 67 est locus : „Es liegt ein Ort …“. Typische Formeln ( cf. BC 144 -146 Alpibus aeriis … est locus Herculeis aris sacer ) stimmen den Leser auf eine Ekphrasis ein, bei einer Ortsbeschreibung etwa das homerische ἔστι δέ τις ( „es gibt da …“; e.g. Ilias 2,811; Od. 4,844 ). In allerlei Variationen zieht es sich durch die griechische Tragödie und Komödie bis ins hellenistische Epos (e.g. Aisch. Pers. 447 νῆσός τις ἐστι κτλ., „es gibt da ein Eiland …“; Apoll. Rhod. 1,936 ; 2,360 ). Ennius adoptierte die Formel für die römische Dichtung (ann. 20 Sk. est locus Hesperiam quam mortales perhibebant, „… den die Menschen Hesperien nannten“ ). Vergil folgt seinem Beispiel ( u.a. Aen. 1,530 est locus, Hesperiam Grai cognomine dicunt eqs.; 7,563 est locus Italiae medio sub montibus altis eqs.: ein Hadeseingang ; lt. STÄRK 1995, 81 mit Aen. 6,237 spelunca alta fuit vastoque immanis hiatu die zentrale Inspiration für den Vers hier ), v.a. aber Ovid ( u.a. met. 8,788 est locus extremis Scythiae … in oris eqs.; fast. 2,491 est locus, antiqui Caprae dixere paludem ; her. 16,53 est locus in mediae nemorosis vallibus Idae eqs.; Pont. 3,2,45 est locus in Scythia ), später u.a. die Flavier ( Stat.

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Theb. 2,32-54 : ein Hadeseingang ; silv. 5,1,222 est locus ante urbem eqs.; Sil. Ital. 11,505 ) und Claudian ( c. 5,466 f. est locus infaustis quo conciliantur in unum | Cocytos Phlegethonque vadis eqs.). Die Formel kennt etliche Varianten und Spielarten ( e.g. Sall. Cat. 55,3 est in carcere locus, quod Tullianum appellatur ( „pathetische Ekphrasis in der Tradition episierender Historie“; K. VRETSKA ad loc.); Verg. Aen. 1,159 est in secessu longo locus eqs.; 4,480-482 ). Nicht selten ersetzen präzisere Begriffe den vagen locus ( e.g. Verg. georg. 4,418 est specus ingens eqs.; Aen. 1,12 urba antiqua fuit eqs., und R.G. AUSTIN ad loc.; 2,21 est in conspectu Tenedos eqs., und R.G. AUSTIN bzw. N. HORSFALL ad loc.; Prop. 4,4,3 lucus erat felix eqs.; 4,6,15; Ov. met. 1,168 est via sublimis eqs.; 11,229 est sinus eqs., und F. BÖMER ad loc.; 11,592 est prope Cimmerios longo spelunca recessu eqs.; Stat. silv. 2,2,1-3 est … celsa Dicarchei speculatrix villa profundi eqs., und H.-J. VAN DAM ad loc.). 67 exciso penitus demersus hiatu : „… tief versunken in klaffendem Schlund“. Hiatus, -ūs m. ( cf. OLD s.v. 2 b: „a fissure in the earth, chasm“; „im allgemeinen ein Wort epischen Charakters zur Bezeichnung großer Dimensionen“; F. BÖMER ad Ov. met. 3,162 ) steht nicht selten für tiefe Risse im Erdreich oder gähnende Höhlen, die bis in die Unterwelt reichen können ( wie hier ; s. auch 101 rupto tellurem solvit hiatu ), bisweilen auch mehr oder weniger für die Unterwelt selbst; cf. u.a. Lucr. 5,375 patet immani et vasto respectat hiatu sc. leti ianua ( das Tor zur Unterwelt ); Verg. Aen. 6,237 ( s. oben ); Prop. 4,8,5 sacer abripitur caeco descensus hiatu ( „ein heiliger Pfad verliert sich in finsterem Schlund“ ); Ov. met. 7,409 specus est tenebroso caecus hiatu ; Lukan 6,714 f. primo pallentis hiatu | haeret adhuc Orci sc. anima ; Ps.Sen. Oct. 725 f. diducta subito patuit ingenti mihi | tellus hiatu ; Stat. Theb. 8,19 f. dissiluisse novo penitus telluris hiatu | Tartara ( „geborsten bis in die Tiefe im plötzlichen Aufklaffen der Erde sei der Tartaros“ ); Sil. Ital. 3,483 Tartareus regni pallentis hiatus ; 12,128; 14,239 f. specus ingentem laxans telluris hiatum | caecum iter ad manes … pandit ; Claudian rapt. 2,259 inmanes Erebi … hiatūs ( zu hiatus als dunkler Metapher für den ‚Rachen des Todes‘ cf. Sat. frg. 39,5 M.4 == Anth. Lat. 477,5 R. == 475,5 Sh.B. inmanes mors obvia solvit hiatūs, „auf dem Meer reißt der lauernde Tod seinen riesigen Schlund auf “; Sen. Oed. 164 f. Mors atra avidos oris hiatūs | pandit ). Offen bleibt, wie der ‚gähnende Abgrund‘ ( die Junktur excisus hiatus ist singulär ) entstand. Hat ein Erdbeben ihn aufgerissen (cf. Sen. nat. 6,9,2 tunc chasmata, tunc hiatūs vasti aperiuntur )? Hat das Wasser des Kokytos ihn

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‚ausgeschnitten‘ ? – Zu excidere cf. Cic. Verr. 2,5,68 totum est e saxo in mirandam altitudinem depresso et … penitus exciso ( der Steinbruch von Syrakus „besteht ganz aus Fels, der in phantastische Tiefen hinabreicht und vollständig abgetragen ist“ ); Verg. Aen. 6,42 excisum Euboicae latus ingens rupis in antrum ( E. NORDEN : „Die Seite des gewalt’gen Bergs von Kyme ist ausgehauen tief zu einer Grotte“ ). Das Adverb pĕnĭtus bezieht sich apo koinu auf exciso ( e.g. STEINMANN : „in tief klaffendem Schlund versunken“ ), vor allem aber auf demersus ( s. oben ), wie das symmetrische Hyperbaton nahelegt, das die ‚Geologie‘ des Ortes imitiert ( exciso penitus demersus hiatu ; cf. Colum. 2,10,5 ut radices … seminum penitus demersae sint, „dass die Wurzeln der Saat tief im Boden stecken“; App. Verg. Aetna 141 demersas penitus … latebras ; Sil. Ital. 6,273 alvo penitus demersa phalarica sedit, „tief versenkt im Bauch steckt ein Speer“ ). Die Wendung hat eine leicht pleonastische Qualität. – Die pointierte „Lautwiederholung“ an mehreren Versenden des Abschnitts notiert STUBBE 89 ( 67 hiatu ; 70 aestu ; 72 cantu ; 75 cupressu ). 68 Parthenopen inter magnaeque Dicarchidos arva : „… zwischen Parthenope und den Fluren der großen Dikarchis“. Das markant nachgestellte inter zwischen den beiden Ortsnamen ( Parthenopen inter magnaeque Dicarchidos arva ) bildet die geographische Lage des Treffpunkts ab ( cf. App. Verg. Aetna 430f. Neapolin inter | et Cumas locus est ; s. auch Verg. georg. 1,33f. qua locus Erigonen inter Chelasque sequentīs | panditur, zit. POLETTI 2017, 250 ). Auch Statius verknüpft die beiden Städte mit griechischem Namen ( silv. 3,1,92f. tecta Dicaearchi pariter iuvenisque replesti | Parthenopen ; 4,8,3-8 Parthenope … dilectaque miti | terra Dicaearcho ; ‚prosaisch‘ Plin. nat. 18,114 invenitur haec sc. creta inter Puteolos et Neapolim in colle Leucogaeo appellato ; 31,12 ). Parthenopen : Parthenopē (-ēs f.) hießen eine alte kymaiische Pflanzstadt und eine in jener Gegend kultisch verehrte Sirene ( cf. Lykophron Alex. 717-721, und S. HORNBLOWER ad loc.; zu ihrem Grab cf. Strabo 1,2,18; 5,4,7 ). Später wurde der Name bisweilen auf die 474 v.Chr. unweit von Parthenope gegründete griechische Kolonie Neapolis übertragen (Sat. 5,11 heißt sie Sirenum … domus ). Zum Mythos cf. Servius georg. 4,563 Cumanos incolas … Parthenopen urbem constituisse, dictam a Parthenope sirena, cuius corpus etiam ‹ illic sepultum sit › (…) PARTHENOPE id est Neapolis, quae primo ex corpore unius sirenis illic ‹ sepultae › Parthenope est appellata ( supplevit THILO ; lt. Stat. silv. 3,5,78-80 zeigte Apollo der Sirene den Ort für die Neugrün-

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dung ). Cf. COLEMAN 1988, 209 f.; A. MUGGIA, DNP 8, 2000, 773-775; NEUMEISTER 2005, 173-175. In literarischen Texten erscheint der Name zuerst bei Vergil ( georg. 4,563f. me … dulcis alebat | Parthenope ), später u.a. bei Ovid ( met. 15,711 f. in otia natam | Parthenopen ) und Silius ( 12,33 f. Sirenum dedit una suum, memorabile, nomen | Parthenope muris Acheloias ), v.a. aber bei dem in Neapel geborenen Statius (u.a. silv. 1,2,260 f. mea … Parthenope ; 4,4,52 f.; 5,3,104 f., nach dem Vesuvausbruch : exsere semirutos subito de pulvere vultūs, | Parthenope ; als Periphrase silv. 2,2,1 notos Sirenum nomine muros ). Meist steht er – wie hier – am Beginn des Hexameters. In Prosa bleibt er selten ( u.a. Sen. ep. 53,1; Plin. nat. 3,62 Neapolis … Parthenope a tumulo Sirenis appellata ). magnae … Dicarchidos arva : Nach ihrem mythischen Gründer Dicarcheus ( auch Dic(ae)archus ) trägt die samische Pflanzstadt Puteoli ( h. Pozzuoli ) auch den alten Namen Δικαιάρχεια, lat. Dic(a)earchea, bzw. Δικαιαρχία, lat. Dic(a)earchia ( cf. Plin. nat. 3,61; Festus p. 63,15f. L. Dicearchia vocabatur, quae nunc Puteoli, quod ea civitas quondam iustissime regebatur ; 109,17-21 L.). Häufiger finden sich das Adjektiv Dicarcheus ( u.ä.; cf. Stat. silv. 3,2,21f. terris … Dicarcheis ; 5,3,169 Dicarchei portus ; Sil. Ital. 13,385 Dicarcheā … in urbe ) und v.a. Umschreibungen mit dem Namen des Stadtgründers (u.a. Stat. silv. 2,2,96f. Dicarchi | moenia ; 3,1,92 tecta Dicaearchi ; 4,8,7f., oben zit.). Die griechische Variante Dicarchis, -idos f. ist klassisch nur hier belegt ( cf. OLD s.v.; Pŭtĕŏli verweigert sich dem Hexameter ; zu den griechischen Namensformen s. auch POLETTI 2017, 250f. ). Die episch angehauchte Periphrase ( vager Plin. nat. 2,208 in … agro … Puteolano ; 35,166 in Puteolanis collibus ) mag in erster Linie auf Puteolis großes Stadtgebiet anspielen, das in der Kaiserzeit mehrmals erweitert wurde und „die gesamte Region bis nach Baiae und das Umland Cumaes“ umfasste ( Strabo 5,4,6 ), samt den Phlegräischen Feldern ( Varro ling. 5,25 ). Neben den fruchtbaren vulkanischen Böden und einer reichen Handwerkstradition verdankte Puteoli seine Bedeutung v.a. seinem Hafen ( zur berühmten Mole cf. S. 1029f. ). Er machte die Stadt zum ökonomischen Zentrum Kampaniens und zum ‚wichtigsten Handelsplatz‘ Italiens ( cf. Strabo 5,4,6 ἐμπόριον … μέγιστον ), der die Metropole bis in die Kaiserzeit versorgte. „Puteoli, with its well-sheltered harbour and long association with Greek traders, controlled the larger part of Rome’s eastern trade, and became the main distribution centre for the luxuries that Italy drew from the Hellenistic world“ ( R. MEIGGS, Roman Ostia, Oxford 2 1973, 29 ). Cf. Antiphilos A.P. 7,379,5 == GP 801 κόσμου νηίτην δέχομαι στόλον, „ich fasse die Handelsgeschwader der Welt“ ; Stat. silv. 3,5,75f. tecta

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Dicaearchi portusque et litora mundi | hospita, „Puteolis Dächer und der Hafen und die Küste, die die Welt begrüßt“. Auch nach dem Ausbau des Hafens von Ostia ( ab 42 n.Chr.) blieb Puteoli für die Getreideversorgung Roms noch lange unverzichtbar. Doch die Stadt hatte mehr zu bieten. Nicht zuletzt das idyllische Umland und seine berühmten Thermalquellen machten Puteoli zum Sehnsuchtsort der römischen Oberschicht. Viele besaßen dort Villen ( auch Cicero; cf. Plin. nat. 31,6 ); Kaiser Hadrian war dort bestattet ( Hist. Aug. Hadrian 25,7 ). Cf. FRIEDLÄNDER I, 1922, 423-426; M. FREDERIKSEN, RE XXIII 2, 1959, 2036-60; D ’ARMS 1970, passim ; M. I. GULLETTA u.a., DNP 10, 2001, 606-608; NEUMEISTER 2005, 21-36. 69 Cocyti perfusus aquā : „… gebadet von des Kokytos’ Flut“. Der Kokytos ( Κωκυτός, „River of Wailing“, LSJ s.v.; Servius georg. 4,478 Cocytus amnis apud inferos …, ἀπὸ τοῦ κωκύειν, quod est gemere et flere ; ferner BC 103 Cocyti penetralia ; 278 Cocyti tenebras ) zählt mit dem Acheron, dem ( Pyri-)Phlegethon und der Styx zu den klassischen Unterweltsgewässern (u.a. Cic. nat. 3,43 fluere apud inferos dicuntur Acheron Cocytus Pyriphlegethon ; Stat. Theb. 8,30 Cocytos Phlegethonque et Styx ; Sil. Ital. 13,562-578; Servius Aen. 6,295 Acheronta vult sc. Vergilius quasi de imo nasci Tartaro, huius aestuaria Stygem creare, de Styge autem nasci Cocyton ; 6,385; ‚wissenschaftlich‘ diskutiert werden die Unterweltsgewässer Plat. Phaidon 112e-113c ; cf. E. PIESKE, Art. Kokytos, RE XI 1, 1921, 1065f. ). Die antiken Quellen ergeben ein alles andere als kohärentes Bild ihrer Topographie ( cf. NORDEN 4 1957, 220 ad Aen. 6,295 ff.; BAERTSCHI 2007, 48-51 ), wie sich am Beispiel des Kokytos gut belegen lässt. Laut Homer wird er von der Styx gespeist ( Od. 10,514 ), laut Vergil vom Acheron ( Aen. 6,295-297, und R.G. AUSTIN ad loc.); als Sumpf sah ihn Seneca ( Herc. fur. 686 palus inertis foeda Cocyti iacet ). Vergil erwähnt ihn des öfteren; cf. georg. 3,37f. amnem … severum | Cocyti ; 4,478-480 circum limus niger et deformis harundo | Cocyti tardāque palus inamabilis undā | alligat sc. mortuos ; Aen. 6,131f. tenent media omnia silvae, | Cocytusque sinu labens circumvenit atro ( „… und der Klagestrom umwindet sie gleitend im finsteren Bogen“; cf. R.G. AUSTIN ad loc.: „the river coils round the Underworld like a black serpent“ ); 6,323 Cocyti stagna alta vides Stygiamque paludem ( und N. HORSFALL ad loc.; s. auch Sil. Ital. 13,566 f. torrens Cocytos sanguinis atri | verticibus furit et spumanti gurgite fertur ). Den Alten zufolge gelangen manche Unterweltsgewässer zur Erdoberfläche ( etwa der Acheron; cf. u.a. Apoll. Rhod. 2,743-745; Verg. Aen.

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6,107 tenebrosa palus Acheronte refuso, „der finstere Pfuhl, wo der Acheron sich staut“, und N. HORSFALL ad loc.). Ins Umland von Puteoli führt die Nachricht, der Lukriner See habe früher Cocytus geheißen ( Sil. Ital. 12,116f.; zu den ‚Höllengewässern‘ jener Region s. auch 12,126f. fama est Acherontis ad undas | pandere iter sc. vicina palus; 13,397f.; 13,424-426 ). In der düsteren Märchenwelt von Amor & Psyche speist ein schwarzer Bergquell die stygischen Sümpfe und den Kokytos ( Apul. met. 6,13,4 ; cf. E.J. KENNEY ad loc.). Das ganze Ambiente erinnert an den arkadischen Fluss Styx, mit dem das Unterweltsgewässer traditionell identifiziert wurde. Ähnliches geschieht offenbar hier. Ist der Kokytos auch hier ein Sumpf, wie bei Vergil und Seneca ( georg. 4,478 f.; Herc. fur. 686, beide oben zit.; s. auch den Sumpf in dem Hain, in dem Laius’ Geist heraufbeschworen wird, Sen. Oed. 547 limosa pigrum circumit fontem palus )? Zu perfusus cf. OLD s.v. perfundō 3a: „( usu. in pass.; of a river ) to flow through; ( of the sea, floods, etc.) to flow over, wash“; Thes. X 1, 1420,61-75 ( „ipsis rebus naturalibus: diffusis potius per superficiem“ ), und e.g. Verg. Aen. 8,589 Oceani perfusus Lucifer undā ; Lukan 3,203 gelido tellus perfusa Caico. 69 nam : „Ja“. Das zu den Einzelheiten der Ekphrasis überleitende nam hat hier keine begründende Qualität ( so STUBBE 116: „nam begründet den starken Ausdruck perfusus “; s. auch POLETTI 2017, 252 ), sondern erläuternde : „in der Tat, ja, wirklich“ o.ä. ( HSZ 505; cf. OLD s.v. 1: „( affirmative or assenting ) certainly, to be sure, yes“ ). 69-70 spiritus, extra | qui furit effusus, funesto spargitur aestu : „der Dampf, der sich draußen kochend ergießt, ist gesättigt mit todbringenden Schwaden.“ Dass Petron hier die Phlegräischen Felder vor Augen hatte, vermutete bereits Bernard DE MONTFAUCON ( † 1741; ap. BURMAN 733; zu den campi Phlegraei cf. Vitruv 2,6,1f.; Plin. nat. 3,61; Sil. Ital. 8,537 f. sulphure pingues | Phlegraei … sinūs ; 12,135-137, zit. S. 990; s. auch CONNORS 1989, 73; STÄRK 1995, 11-31. 48-62; POLETTI 2017, 248-250 ). Auch von anderen Unterweltsgewässern, die ans Tageslicht gelangen, wurden ungewöhnliche atmosphärische Phänomene berichtet, etwa Nebel ( Ov. met. 4,434 Styx nebulas exhalat iners ), oder ein „eisiger Hauch“, der sich wie Reif über die Landschaft legt ( Apoll. Rhod. 2,736-739, bes. 736f. ἀυτμή | πηγυλίς ). Meist entströmen ihnen aggressive Gase, die die Luft verpesten ( cf. furit effusus funesto … aestu ). Diese ‚mephitischen‘ Ausdüns-

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tungen, die charakteristisch sind für vulkanisches Terrain, lassen sich am wohl mythischen Eridanossee ( Apoll. Rhod. 4,599-603 ) ebenso beobachten wie am Ampsanctussee in Kampanien ( Verg. Aen. 7,569f. ingens … vorago | pestiferas aperit fauces ; cf. N. HORSFALL 370 ad loc., und allgemein POLETTI 2017, 252-254 ). Am bekanntesten freilich ist der Averner See. Seine klassische Beschreibung verdankt er Vergil : spelunca alta fuit vastoque immanis hiatu, | scrupea, tuta lacu nigro nemorumque tenebris, | quam super haud ullae poterant impune volantes | tendere iter pennis : talis sese halitus atris | faucibus effundens supera ad convexa ferebat ( Aen. 6,237-241; zum Averner See s. auch Sil. Ital. 12,122124, zit. S. 989f.; Claudian rapt. 2,348-350 ). Bei jenen Ausdünstungen dachte Vergil wohl an die Fumarolen der Phlegräischen Felder mit ihren Schwefeldämpfen ( cf. Plin. nat. 2,207 f., bes. 208 mortiferum spiritum exhalantes ). Dem Aufklärer Lukrez zufolge verdanken sich die auffälligen Phänomene rund um Averner See und Phlegraei campi geologischen Ursachen ( 6,738-839 ), und nicht einer Verbindung jener Orte mit der Unterwelt ( 6,762-764 ; cf. DEUFERT 2018, 426-428 ). Den giftigen Dämpfen in dieser Todeszone entkommt kein Vogel ( cf. Lucr. 6,818-829 Averna loca alitibus summittere debent | mortiferam vim, de terra quae surgit in auras eqs.; Verg. Aen. 6,239-241, oben zit.; Strabo 5,4,5 ~ Bd. II 102, Z. 7-18 Radt ; Servius Aen. 3,442 ). Jene ‚Vogelleere‘ machten antike Etymologen im vermeintlich griechischen Namen des Sees aus: Ἄορνος, „vogellos“ ( cf. Lucr. 6,740-746 Averna vocantur nomine …, quia sunt avibus contraria cunctis eqs.; wahrscheinlich ist der Name altitalisch ). Hier verweist die Abwesenheit des Vogelgesangs in gelehrter Periphrase auf den Averner See ( cf. BC 72 f. non verno persona cantu … virgulta ; auch Vergils Ekphrasis unterdrückt den Namen, Aen. 6,237-241; s. auch Sil. Ital. 12,123 formidatus volucri sc. Avernus ). Ein etymologisches Spiel vermutet CONNORS 1989, 73-75 hinter der Juxtaposition non verno. Das non ( das eigentlich loquuntur negiert ) meint, äquivalent zum griechischen Alpha privativum in Ἄ-ορνος, den Avernus : am A-vernersee gibt es keine Vögel, weil es dort keinen Frühling ( ver ) gibt. Extra im Enjambement und als Auftakt des Relativsatzes, v.a. aber die Alliterationen und das onomatopoetische u imitieren das Sprudeln und Kochen des Höllengewässers ( spir- spar- ; fur- effus- fun-; cf. STUBBE 116 : „lautmalende Häufung von Schauerbegriffen“ ). SCHMELING – SETAIOLI ad loc. vergleichen Vergils dezentere ‚Tontechnik‘ Aen. 6,240f. ( s. oben ). extra qui furit : Zu furere bei Winden und Stürmen cf. Lucr. 6,685-687 ventus … calefecit … omnia circum | saxa furens ; Verg. Aen. 2,304 f. in segetem

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… flamma furentibus Austris | incidit ; 5,693f. effusis imbribus atra | tempestas sine more furit ; Sen. nat. 6,14,4 illic furit sc. spiritus et hoc atque illo circumagitur ; Plin. nat. 2,133; 2,155 aër densatur nubibus, furit procellis ( „die Luft verdichtet sich zu Wolken und wütet in Stürmen“ ); Sil. Ital. 8,663 turbinibus furit insanis … ventus ; Thes. VI 1, 1625,17-25. – Extra meint hier ‚oberhalb‘ des Wasserspiegels: „draußen“ ( cf. SCHÖNBERGER : „der sich über den Wasserspiegel wälzt“ ), verknüpft mit der Idee des ‚Ausströmens‘ ( cf. Verg. Aen. 6,240f., oben zit.). effusus : Zu effundere ( das Enjambement extra | qui furit effusus bildet das ‚Ausströmen‘ ab ) cf. Verg. Aen. 6,240 f. ( am Averner See ) talis sese halitus atris | faucibus effundens supera ad convexa ferebat ; App. Verg. Aetna 311 umore … nebulas se effundere largo ( „bei reichlicher Feuchtigkeit ergießen sich Nebel“ ); Apul. flor. 2,7 nebulam … effusam ( „ein ausgegossener Nebel“ ); Thes. V 2, 223,3-6 ; ferner oben zu BC 69 perfusus. – Ein Wortspiel mit der Wendung spiritum effundere, „sein Leben aushauchen, sterben“ ( cf. Sat. 111,11, und Bd. II, S. 547 ) vermutet hier POLETTI 2017, 253. – Zu den Komposita von fundere im BC ( 64, 69, 70, 96, 102, 214 ) cf. RIMELL 2002, 27f. 203-205 ( NISBETs expulsus, 1962, 232, ist unnötig ). funesto … aestu : Die singuläre Junktur funestus aestus ( Thes. VI 1, 1585,11 ) lässt offen, ob die Luft mit „tödlicher G l u t “ gesättigt ist, passend zu den Schwefelpfuhlen der phlegräischen Landschaft ( cf. OLD s.v. aestus 1, und e.g. Apul. met. 7,19,5 ignis surgebat in flammas et totum me funestus ardor invaserat ; so Thes. I, 1116,69 f. ad loc.), oder aber mit der „giftigen G i s c h t “ des Gewässers Cocytus ( cf. OLD s.v. 6: „an effluence, spray, exhalation“, und e.g. Lucr. 4,219 ). Besser bezeugt ist die erste Bedeutung ( cf. Lucr. 6,816 hos igitur tellus omnīs exaestuat aestūs ; 6,830 aestus Averni, zu den mephitischen Ausdünstungen ). Der Kontext und das markant voranstehende Cocyti … aqua ( 69 ) weisen jedoch in die andere Richtung. spargitur : Zu spargere, „to sprinkle, spatter ( a surface, etc., with drops, particles, or the like)“ ( OLD s.v. 8 a ), cf. 1,3 dicta … quasi papavere et sesamo sparsa ; 34,4 harenam in amphitheatro spargunt ; 74,1 iussit … lucernam … mero spargi ; 109,8 Gitona extrema parte potionis spargebat ; BC 76f. ora … canā sparsa favillā, und e.g. Ov. her. 10,7 f. vitreā … terra pruinā | spargitur ; met. 6,657 sparsis furiali caede capillis ; Sen. benef. 7,31,4 spargunt sc. dei opportunis imbribus terras. Hier wird es ( ohne klassische Parallele) fast medial verwendet : „der Dampf ist gesättigt mit …“, freier : „… breitet sich aus in tödlichen Schwaden“.

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71-72 non haec autumno tellus viret aut alit herbas | caespite laetus ager : „Nicht prangt im Herbst dieses Land, oder lässt Kräuter sprießen auf den Auen die fruchtbare Flur“. Die folgenden Negationen beschwören fast einen locus amoenus ( e.g. Ov. met. 4,300 f., von Teichen: vivo | caespite cinguntur semperque virentibus herbis ). Auch andere düstere Landschaftsbilder arbeiten mit Kontrasten, etwa Vergils Skythien, gefangen in ewigem Winter ( georg. 3,352-370 neque ullae | aut herbae campo apparent aut arbore frondes ; | sed iacet aggeribus niveis informis et alto | terra gelu late … semper hiems eqs.), oder Ovids Schwarzes Meer ( Pont. 1,3, 51-56 non ager hic pomum, non dulces educat uvas ; | non salices ripā, robora monte virent … quocumque aspicias, campi cultore carentes | vastaque, quae nemo vindicat, arva iacent ). Mit ländlichen Kontrasten unterstreicht Seneca die Unfruchtbarkeit der Unterwelt : non prata viridi laeta facie germinant | nec adulta leni fluctuat Zephyro seges ; | non ulla ramos silva pomiferos habet : | sterilis profundi vastitas squalet soli | et foeda tellus torpet aeterno situ | – rerumque maestus finis et mundi ultima. | immotus aer haeret et pigro sedet | nox atra mundo : cuncta maerore horrida | ipsāque morte peior est mortis locus ( Herc. fur. 698-706; s. auch die Pestlandschaft Oed. 154-158 non silva suā decorata comā | fundit opacis montibus umbras, | non rura virent ubere glebae eqs.). Fast als Unterwelt beschreibt ein Seneca zugeschriebenes Gedicht Korsika ( Anth. Lat. 237 R. == 229 Sh.B.): barbara praeruptis inclusa est Corsica saxis, | horrida, desertis undique vasta locis. | non poma autumnus, segetes non educat aestas, | canaque Palladio munere bruma caret eqs. ( „Pallas’ Gabe“ ist der Ölbaum; s. auch DINGEL 2007, 108-110 ; BREITENBACH 2009, 37f. ). An Trimalchios „mitsamt Kräutern ausgestochenes Rasenstück“ ( 35,5 caespes cum herbis excisus ) als Symbol für die Fruchtbarkeit der ‚Mutter Erde‘ ( 39,14 f. ) erinnert POLETTI 2017, 257. – Vergils Junktur herbas alere ( georg. 2,251 umida sc. tellus maiores herbas alit ) kehrt mehrfach wieder ( u.a. Ov. met. 14,690 hortus alit cum sucis mitibus herbas ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 465f. herbas … Thessalā | sub rupe Pindus aluit ; Plin. ep. 5,6,11 prata florida … herbas teneras … alunt ). non … aut … non … sed : Zu der Kombination non – aut cf. 82,5,1f. non bibit inter aquas poma aut pendentia carpit | Tantalus ; BC 285f. non femina cesset, | non puer aut … senectus, und e.g. Ov. Pont. 2,9,41f. quis non Antiphaten … devovet ? aut quis | munifici mores improbat Alcinoi ? ( s. auch BC 197f. zu nec – aut ). Zu der Kombination non – non – sed ( BC 71-74 ) in einer Ekphrasis cf. BC 148-150 non solis adulti | mansuescit radiis, non verni temporis aura, | sed ( eqs.). „A series of negative clauses ( often with initial non,

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nullus, etc.) followed by positive statement makes an effective descriptive technique.“ ( J.G. FITCH 302 zu Sen. Herc. fur. 698-706, oben zit.). viret : Zu virēre cf. OLD s.v. 1 b: „(of places) to be green with vegetation or foliage, be verdant“, und e.g. Lucr. 1,18 campos … virentīs ( im Lenz ); Verg. ecl. 7,59 nemus omne virebit ; Prop. 2,34,78 quo seges in campo, quo viret uva iugo ; Ov. am. 2,6,50 perpetuo gramine terra viret ; Pont. 1,3,52 non salices ripā, robora monte virent ( im pontischen Winter ). – Wiederholt gab es Kritik an viret, das sich dank seiner ‚grünen‘ Assoziationen auf den ersten Blick mit dem goldenen Herbst beißt. MÖßLERs non haec aut pomo tellus rubet ( 1865, 5 und 14 ) ist zu radikal, attraktiv hingegen BÜCHELERs viget ( ed.1 ad loc., im Sinn von ὀπωροφόρος, „früchtetragend“ ). Doch ähnlich exotisch wie viret liest sich Vergils floret für den Herbst, georg. 2,5f. pampineo gravidus autumno | floret ager ( „die Flur blüht trächtig im rebenumrankten Herbst“; eine callida iunctura nach Vergils Vorbild und ein Spiel mit der ‚Polysemie‘ von virere vermutet hier POLETTI 2017, 255f. ). M. DEUFERT in epist. zieht floret für die Stelle hier in Betracht. laetus ager : Der t.t. ager laetus, „fetter, ertragreicher, fruchtbarer Boden“, stammt aus der Landwirtschaft ( e.g. Cato agr. 6,1 ~ Varro rust. 1,23,7 ager crassus et laetus ; Sall. hist. frg. 2,83 Maur. frugum pabulique laetus ager ; Colum. 1,4,1 agri pinguis ac laeti ; Plin. nat. 18,163 in agro crasso et laeto frumentum seri ). In der Dichtung bleibt er rar ( cf. Enn. ann. 468 Sk. agros laetos ; Verg. georg. 1,102 laetus ager ; Thes. VII 2, 883,82-884,31 ). Hier mag eine anthropomorphe Note mitschwingen ( e.g. STEINMANN : „die lachende Au“ ) – auch als Gegenbild zu Dis’ Einöde. 72-73 non verno persona cantu | mollia discordi strepitu virgulta loquuntur : „nicht rauscht, erfüllt vom Lenzenlied, zartes Gezweig von mannigfaltigem Lärmen“. Ein auffälliger Kontrast zwischen dem wohlklingenden „Frühlingsgesang“ (verno cantu ; s. unten) und dem misstönenden discors strepitus kennzeichnet die beiden Verse ( zu discors cf. u.a. Verg. Aen. 2,423 ora sono discordia, „unsere im Klang verschiedenen Mundarten“, i.e. Dialekte ; Hor. ars 374 symphonia discors, „Katzenmusik“; Stat. silv. 5,5,26 discordesque m ‹ odos et › singultantia verba, „schrille Töne und schluchzende Worte“ der Trauer ). Offen bleibt, wer die Dissonanzen verursacht – die B ü s c h e , durch die der Wind streicht ( e.g. EHLERS : „kein Frühlingsgezwitscher eint sich mit rauherem Schall von wispernden Büschen im Winde“ ), oder das lebhafte Gezwitscher der V ö g e l während der Balz- und Brutsaison ( e.g. WALSH : „the yielding thickets hear no song in spring, nor chatter with the

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rival notes of birds“; SCHÖNBERGER : „nicht ertönen (…) biegsame Sträucher im Schall des Sangesstreites“ ). Das Bild des ‚beredten‘ Gehölzes ( virgulta loquuntur, personifiziert wie Sat. frg. 38,8 M.4 calami … loquentes ) hilft nicht weiter, steht es doch ebenso für den Wind wie für Vögel. Zum W i n d cf. e.g. Theokrit 1,1; Catull 4,11 f. comata silva … loquente saepe sibilum edidit comā ; Verg. ecl. 8,22 pinūs … loquentīs ; Cornelius Severus frg. 10 FLP pinea frondosi coma murmurat Apennini ; Ausonius epist. 21,13-15 Green est et harundineis modulatio musica ripis | cumque suis loquitur tremulum coma pinea ventis, | incubuit foliis quotiens levis Eurus acutis ; Claudian rapt. 1,204 f. nullā lucos agitante procellā | stridula coniferis modulatur carmina ramis sc. pinus ; zu den V ö g e l n cf. e.g. Lucr. 1,256 frondiferas … novis avibus canere undique silvas ( und DEUFERT 2018, 22 ad loc.); Manil. 3,655 f. totum … canorā | voce nemus loquitur ; s. auch Verg. Aen. 11, 458 ( unten zit.); 12,474 f. hirundo … legens nidis … loquacibus escas ( „die Schwalbe, Futter sammelnd für die geschwätzige Brut“; zu nidi ~ „Nestlinge“ cf. R.J. TARRANT ad loc.; R. MYNORS ad Verg. georg. 2,209 f. ). Zum heiteren Frühlingsszenario passen eher die Vögel, die in lautem Wettstreit ihr Revier markieren oder ( gerade im Chor der verschiedenen Arten ) bunt durcheinander singen; cf. 131,8,6-8, und e.g. Verg. Aen. 11, 454-458 hīc undique clamor | dissensu vario magnus se tollit in auras, | haud secus atque alto in luco cum forte catervae | consedere avium, piscosove amne Padusae | dant sonitum rauci per stagna loquacia cycni ( Enallage); App. Verg. Culex 146f. volucres patulis residentes dulcia ramis | carmina per varios edunt resonantia cantūs ; Sen. dial. 6,18,4 tantum silvarum cum … avium … concentu dissono ( zu den Schönheiten der Schöpfung zählt auch „die Fülle der Wälder mit ihrem bunt durcheinandertönenden Vogelkonzert“ ); Sil. Ital. 4,86 argutos … volucrum certamine cantūs ( „die im Wettstreit zwitschernden Lieder der Vögel“); s. auch den Katalog der diversen Vogelrufe, Anth. Lat. 733 R., und Ov. met. 10,146f., über Orpheus’ Lied : sensit varios, quamvis diversa sonarent, | concordare modos. Die ‚Grabesstille‘ der Unterwelt wird oft thematisiert ( u.a. Verg. Aen. 6,264 f. umbrae … silentes | et … loca nocte tacentia late ; Ov. met. 4,432f. via declivis … ducit ad infernas per muta silentia sedes ; fast. 2,609 locus ille silentibus aptus ; Sen. Herc. fur. 620 tristi silentem nubilo … domum, „das in trübem Gewölk stille Haus“; 848 campos … silentes ; 862f. silentis | otium mundi ; Phaed. 221 silentem nocte perpetuā domum ; J. KROLL 1932, 86f. Anm. 3 ). Von der Stille, die am Zugang zum Hades herrscht – wie hier –, ist nur noch im flavischen Epos die Rede ( cf. Val. Flacc. 3,402f. stant tacitae frondes immotaque silva comanti | horret Averna iugo ; Stat. Theb. 4,423f. subter operta

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quies, vacuusque silentia servat | horror eqs.). Stille herrscht auch am fernen Phasis ( BC 36-38 Phasidos unda | orbata est avibus, mutoque in litore tantum | solae desertis adspirant frondibus aurae ), und am Ende der Welt, wo Somnus’ Palast liegt ( Ov. met. 11,600-602 non fera, non pecudes, non moti flamine rami | humanaeve sonum reddunt convicia linguae ; | muta quies habitat ). Hier passt sie bestens zur ‚Vogelleere‘ des Averner Sees ( cf. S. 997 ). Die beiden Hyperbata ( verno … cantu und persona … mollia … virgulta ), die Alliterationen ( can- -cor- und ver- vir- ) sowie die Juxtaposition der Dissonanz ‚weich‘ – ‚harsch‘ ( mollia discordi ) bilden ab, wie Harmonien und Missklänge das Buschwerk durchdringen. verno … cantu : Oft besungen wurde das Frühlingslied der Vögel; e.g. Verg. georg. 2,328 avia tum resonant avibus virgulta canoris ; Ov. trist. 3,12,8 indocili … loquax gutture vernat avis ( „aus ungeschulter Kehle stimmt der geschwätzige Vogel sein Frühlingslied an“ ); Sen. Ag. 670-672 verno mobile carmen | ramo cantat tristis aedon eqs.; Tiberianus 1,15f. has per umbras omnis ales plus canora quam putes | cantibus vernis strepebat et susurris dulcibus ; Rutilius Namatianus 1,112 vernula quae vario carmine ludat avis ! ( Roms Gärten „möge der Frühlingsvogel mit bunten Melodeien besingen“ ) – und nie seelenvoller als von Apuleius: dies apricus ac placidus …, ut canorae etiam aviculae prolectatae verno vapore concentūs suaves adsonarent (…) arbores … austrinis laxatae flatibus … clementi motu bracchiorum dulces strepitūs obsibilabant ( met. 11,7,4 f.: „ein sonnig-heiterer Tag, der auch die sangesfrohen Vöglein, verlockt von des Lenzes Wärme, liebliche Harmonien anstimmen ließ (…); die von südlichen Brisen liebkosten Bäume wisperten im sanften Wiegen ihrer Zweige süße Melodeien“; s. auch 6,6,3 dulce cantitant aves melleis modulis suave resonantes ). persona cantu : Das Adj. personus, -a, -um, „making a loud noise; (of places) filled with noise, resounding“ ( OLD s.v.), ist in der lateinischen Literatur nur acht Mal belegt, v.a. spätantik ( cf. Thes. X 1, 1736,2-15 ). Zur Bedeutung hier ( „de locis sono impletis“ ) cf. ferner Stat. Ach. 1,208 litora persona ludo ; Mamertinus Paneg. Lat. 3,10,1 Mynors lata camporum balatu hinnitu mugitibus persona ; MARBACH 1931, 80. – Zu cantus für den Vogelgesang cf. Sat. 131,8,8 cantu sua rura colebant ( und SETAIOLI, Nugae 227f. ad loc.), und e.g. Cic. top. 77 avium … cantus ; Sen. Med. 628; OLD s.v. 4 a. 74-75 sed chaos et nigro squalentia pumice saxa | gaudent ferali circum tumulata cupressu : „sondern Ödnis und starrende Felsen aus

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schwarzer Lava erfreuen sich, ringsum zu Grabhügeln getürmt, der Totenzypresse.“ Chaos meint hier nicht die „U n t e r w e l t“ im engeren Sinn ( e.g. Verg. Aen. 4,510 Erebumque Chaosque eqs.; 6,265 Chaos et Phlegethon ; Ov. fast. 4,600 inane chaos ; Sen. Herc. fur. 610 ~ Med. 9 noctis aeternae chaos ; Oed. 572f. rumpitur caecum chaos | iterque populis Ditis ad superos datur ; Val. Flacc. 1,830; Stat. silv. 5,1,206 Tartareum chaos ; cf. OLD s.v. 2 a ; J. KROLL 1932, 391 Anm. 3 ; CAVALCA 2001, 60 ). Da sich die Szene an der Erdoberfläche abspielt, verlangt der Kontext einen nur selten und v.a. spät belegten Sinn: „Einöde, Leere, Finsternis, Abgrund, Tiefe“ ( cf. App. Verg. Aetna 139: im hohlen Erdinnern herrschen chaos ac sine fine ruina ; Stat. silv. 3,2,91 f. ad ignotos ibam … Indos | Cimmeriumque chaos, und F. VOLLMER ad loc.: „übertragen die dunkle Öde“; Prud. cath. 5,3 merso sole chaos ingruit horridum ). Zu Felsen am Unterweltseingang cf. trag. inc. XXXVIII, 74 f. p. 283 R.3 speluncas saxis structas asperis pendentibus | maxumis, zu Bäumen oder Wäldern dort u.a. Verg. Aen. 6,238 nemorum … tenebris ; Ov. met. 4,432 est via declivis, funestā nubila taxo ; Sen. Herc. fur. 663 densis … Taenarus silvis ( cf. J.G. FITCH 294 ad loc.: „deep woods make a suitable setting for such a sinister and awesome place“ ); Oed. 530-547 est … lucus ilicibus niger eqs.; Thy. 650-679. Nur selten findet sich – wie hier – beides vereint ( cf. Apoll. Rhod. 2,736 ; Verg. Aen. 7,565-567, zit. S. 989 ). Pumex bezeichnet vornehmlich Bimsstein ( e.g. App. Verg. Aetna 482 levis et sine pondere pumex ), aber auch andere vulkanische Mineralien ( e.g. Plin. ep. 6,16,11: pumices … nigrique et ambusti et fracti igne lapides werden vom Vesuv herausgeschleudert ; s. auch App. Verg. Aetna 385-567 ). Bims kennt eine Palette von Farben, von hellen Varietäten bis zu fast schwarzen. Eher aber meint der singuläre ‚schwarze pumex ‘ zu Basalt erstarrte Lava ( cf. OLD s.v. squāleō 2 a: „to be caked or crusted with dirt, etc., be dirty ( of things )“, und e.g. Ov. met. 2,760f. Invidiae nigro squalentia tabo | tecta, das hier wohl ‚evozierte‘ Haus der Missgunst in einem finsteren Talgrund; mitzuhören ist auch die ‚gräuliche‘ Optik der Unterwelt, wie e.g. App. Verg. Culex 333 squalida Tartara ; Sil. Ital. 13,397f. Averni | squalentem introitum ; Claudian rapt. 2,330f. Erebi … squalor ). Eine Rolle dürften zudem die chthonischen Assoziationen jener Farbe spielen ( cf. HABERMEHL 2 2004, 164-169 ). Zum poetischen gaudere bei unbelebten Subjekten ( chaos et … saxa ; hier mit abl. causae: ferali cupressu ) cf. 224 gaudet Roma fugā ( und S. 1248f. ad loc.). POLETTI 2017, 262f. bezieht tumulata auf gaudent : „überall von

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Totenzypressen begraben, freuen sich die Felsen“. Zu dieser seit der augusteischen Dichtung belegten Konstruktion zitiert er Verg. georg. 2,510 gaudent perfusi sanguine fratrum ; Corp. Tib. 3,4,60 gaudet castā nupta … domō ( „sie erfreut sich als Vermählte des züchtigen Hauses“; cf. H. TRÄNKLE ad loc.); Stat. silv. 5,1,49f. ulmus … caris gaudet redimita racemis ( „die Ulme ist guter Dinge, umwunden von den geliebten Trauben“ ); s. auch Thes. VI 2, 1709,63-84. – Den Ausklang der Ekphrasis zieren Alliterationen ( cir- -cum cu-), ein markantes Hyperbaton ( ferali … cupressu ), und circum in zentraler Position. cupressu : Die Zypresse war weit mehr als nur eine Zierde römischer Gärten und Parks ( cf. 131,8,1-3 aestivas platanus diffuderat umbras | et bacis redimita Daphne tremulaeque cupressūs eqs.; s. auch Plin. nat. 16,139 satu morosa, fructu supervacua, bacis torva, folio amara, odore violenta : „ihr Wachstum ist langsam, ihre Frucht ungenießbar, ihre Beeren sind scharf, ihre Blätter bitter, ihr Geruch penetrant“ ). Denn wie kein anderer Baum war sie mit dem Tod und der Unterwelt assoziiert. Sie war Hades und Persephone geweiht ( cf. Enn. ann. 223 f. Sk. longique cupressi | stant rectis foliis ; lt. O. SKUTSCH 400 ad loc. aus der Ekphrasis eines Pluto-Heiligtums; Plin. nat. 16,139 cupressus … Diti sacra ; Servius Aen. 2,714 cupressum … funebrem arborem … ante templum deae lugentis ; 3,64 inferis consecrata est ). Eine Rolle spielte sie auch in der Magie ( cf. Hor. epod. 5,18 cupressos funebrīs, und L.C. WATSON ad loc.). Einen festen Platz hatte sie im Totenritual ( cf. Hor. c. 2,14,23 invisas cupressos, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Lukan 3,442 luctūs testata cupressus ; Stat. silv. 5,1,135f. tempus nunc … maestā … comam damnare cupresso ; Servius Aen. 3,64 luctuosam arborem …, quae defunctis adhibetur ; 3,680 cupressum …, aptam et consecratam lacrimis et luctibus ; 6,216 cupressus adhibetur ad funera … per eam funestata ostenditur domus ). Vor seiner Metamorphose zum Baum bittet der junge Cyparissus die Götter, ut tempore lugeat omni ( Ov. met. 10,106-142 ; zit. 10,135 ). Zypressenzweige vor dem Haus verkündeten einen Trauerfall ( Plin. nat. 16,139 cupressus … funebri signo ad domos posita ; Servius Aen. 3,64 moris … Romani fuerat ramum cupressi ante domum funestam poni eqs.; Servius auct. Aen. 4,507 ). Sie lagen auf dem Begräbnisaltar ( Verg. Aen. 3,63 f. stant Manibus arae | caeruleis maestae vittis atrāque cupresso ; Ov. trist. 3,13,21 funeris ara …, ferali cincta cupressu ). Aus ihrem Holz schichtete man Scheiterhaufen ( Stat. Theb. 6,54-56; Sil. Ital. 10,534 ferale decus, maestas ad busta cupressos ); ganze Zypressen umringen ihn bei Misenus’ Bestattung ( Verg. Aen. 6,216 ). Cf. F. OLCK, RE IV 2, 1901, 1909-38; L. PIACENTE, Per la simbologia del

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cipresso nella Roma antica : Athenaeum 56, 1978, 387-390; F. BÖMER ad Ov. met. X-XI, 1980, 48-53. So taucht die Zypresse auch an Orten auf, die ( wie hier ) mit der Unterwelt in Verbindung stehen. Sie ziert Grabstätten ( Claudian rapt. 2,108 tumulos tectura cupressus ) ebenso wie Altäre für die Götter des Hades ( Stat. Theb. 4,460f. ), aber auch die düsteren Haine, in denen Laius’ Geist aus der Tiefe emporsteigt ( Sen. Oed. 532 cupressus altis exerens silvis caput eqs.; wie hier kollektiver Singular ; cf. A. J. BOYLE ad loc.) und Atreus Thyestes’ Kinder opfert ( Sen. Thy. 654 f. taxus et cupressus et nigra ilice | obscura nutat silva ). Hier erscheint sie markant am Ende der Ekphrasis als einziges Lebewesen. ferali … cupressu : Seit Vergil ist die Verbindung mit dem Adjektiv feralis belegt ( cf. OLD s.v. 1 a: „of or associated with death or the dead, funeral, funerary“ ); cf. Aen. 6,216 feralīs … cupressos ( E. NORDEN ad loc.: „die Totenbäume“ ); Ov. trist. 3,13,21; Q. Serenus med. 35, 684 feralis fronde cupressi ( s. auch Sil. Ital. 10,534 ferale decus, maestas ad busta cupressos ); Thes. IV, 1437,38-44. Für verwandte Epitheta cf. u.a. Hor. epod. 5,18 cupressos funebrīs ; c. 2,14,23 invisas cupressos ; Verg. Aen. 3,64 atrā … cupressō ; 4,506 f. fronde … funereā ; Append. Verg. Culex 140 nec laeta cupressus ( „die unfrohe Zypresse“ ); Stat. silv. 5,5,30 plorata cupressus ; Servius Aen. 2,714 funebrem arborem ; 3,64 funesta sc. cupressus … luctuosam arborem ; Servius auct. Aen. 3,680 cupressi … infernae. – Ein morbides Oxymoron ergibt die Juxtaposition gaudent ferali ( cf. 224 gaudet Roma fugā ). saxa … circum tumulată cupressu : Tumulare heißt meist „bestatten“ ( von tumulus, „Grabhügel“; cf. OLD s.v.: „to cover with a burialmound“; bisweilen begleitet von einem Abl. loci, e.g. in Tomitanā harenā, oder einem Abl. instr., e.g. iniectā terrā ); cf. Catull 64,153 iniectā tumulabor mortua terrā ( lt. W. KROLL ad loc. vielleicht Catulls eigene Prägung nach τυμβεύειν, „bestatten“ ); Ov. met. 7,361 parvā tumulatus harenā est ; 11,565 exanimis manibus tumuletur amicis ( „den Toten mögen freundliche Hände bestatten“ ); Pont. 1,6,49 in … Tomitanā iaceam tumulatus harenā ( und J.F. GAERTNER ad loc.); Stat. silv. 4,7,37 orbitas nullo tumulata fletu ( „der unbeweint bestattete Kinderlose“ ); Mart. 11,91,1 Canace iacet hōc tumulata sepulchrō ; App. Verg. Ciris 441f. me … iniectā Tellus tumulabit harenā. Hier wird das Verb in singulärer Weise übertragen verwendet ( cf. OLD ad loc.). MÖßLER 1865, 14 paraphrasierte : „tumulorum instar saxa toto campo ( id est enim circum ) exsurgunt“; ähnlich STUBBE 117 ad loc.: „die saxa bilden ihrem dem Totenreich angepaßten Aussehen nach tumuli“ ( cf. HOLZBERG : „ringsum zu Grabhügeln aufgetürmt“ ).

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In der irritierenden Wendung verschmelzen zwei Bilder : die Felsen jener düsteren Einöde formen eine Art Gräberfeld; und dieses ist ‚dicht bedeckt‘ von Zypressen, ja gleichsam unter ihnen ‚begraben‘. POLETTI 2017, 263 sieht hier Ovids Begräbnisaltar zitiert ( trist. 3,13,21 ): funeris ara …, ferali cincta cupressu. In den Tristia ist der Altar „umringt“ von Zypressen; im BC ist die vulkanische Totenlandschaft insgesamt „begraben“ unter den Zypressen, die sie „umringen“ und „krönen“. 76 – 99 Dis’ Auftritt 76-77 has inter sedes Ditis pater extulit ora | bustorum flammis et canā sparsa favillā : „Inmitten dieser Stätten erhob Vater Dis das Antlitz, von den Flammen der Scheiterhaufen und grauer Asche gezeichnet“. In einer verwandten Szene Lukans steigt Pompeius’ tote Gemahlin „furiengleich“ aus der Tiefe empor ( 3,9-11 diri tum plena horroris imago | visa caput maestum per hiantīs Iulia terras | tollere et accenso furialis stare sepulchro ; cf. V. HUNINK ad loc.: „Pompey imagines her on the spot where she was burnt and buried at the Campus Martius“ ). Dem Dis des BC geht die majestätisch-dunkle Größe ab, die Seneca und Claudian Juppiters Bruder zusprechen; cf. Sen. Herc. fur. 721-727 superbo vultu sedens … dira maiestas deo, | frons torva, fratrum quae tamen specimen gerat | gentisque tantae, vultus est illi Iovis, | sed fulminantis eqs.; Claudian rapt. 1,79-83 ipse rudi fultus solio nigrāque verendus | maiestate sedet : squalent inmania foedo | sceptra situ ; sublime caput maestissima nubes | asperat et dirae riget inclementia formae ; | terrorem dolor augebat eqs. ( „Gestützt auf seinen klobigen Thron, ehrfurchtgebietend in seiner finsteren Majestät, sitzt er da: sein gewaltiges Szepter schuppig vom blätternden Rost ; eine Wolke tiefster Schwermut verdüstert sein erhabenes Haupt, und unnachgiebig wirkt die Unbarmherzigkeit seiner mürrischen Gestalt ; sein Groll verstärkte seine Schrecklichkeit.“ ). Typischerweise wird Pluto thronend dargestellt, aber auch stehend oder auf seinem Wagen ( zur Ikonographie cf. R. LINDNER, Hades : LIMC IV 1, 1988, 367-394 ; IV 2, 1988, 210-225; ders., Pluto : LIMC IV 1, 1988, 399-406 ; IV 2, 1988, 228-236 ). Ungewöhnlich genug sehen wir ihn hier gezeichnet von Glut und Asche der Scheiterhaufen ( „als fände die Totenverbrennung in der Unterwelt statt und hinterlasse Spuren im Gesicht des Höllenfürsten“; EHLERS ap. MÜLLER 3 530 ), und einem etruskischen Dämon oder Charon ähnlicher als dem Herrn der Unterwelt. Seine Züge

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spiegeln gewissermaßen den locus horridus ( cf. 74 nigro squalentia pumice saxa ~ 76f. ora … flammis et canā sparsa favillā ; s. auch 70 spargitur ~ 77 sparsa ; ähnlich POLETTI 2017, 109 ). Das Hyperbaton lässt den Blick über das vom Feuer gezeichnete Antlitz des Gottes wandern ( ora bustorum flammis et canā sparsa favillā ; zur Optik cf. Verg. Aen. 6,226-228 postquam conlapsi cineres et flamma quievit, | reliquias vino et bibulam lavēre favillam eqs.; Ov. met. 2,283f., die Klage der von Phaethon verbrannten Erde: tostos en adspice crines | inque oculis tantum, tantum super ora favillae ; Stat. Theb. 8,5f. nec enim ignibus artūs | conditus aut maestā niger adventabat ab urnā, „denn nicht mit vom Feuer verzehrten Gliedern kam er an, noch schwarz von der traurigen Urne“; silv. 5,3,104 f.: nach dem Vesuvausbruch zeichnen Neapel semirutos subito de pulvere vultūs … crinemque afflatu montis adustum ~ Mart. 4,44,7 cuncta iacent flammis et tristi mersa favillā ; als Anspielung auf Dis’ dunkle Haut, wie e.g. Sil. Ital. 8,116 nigro … Iovi, las BOUHIER 119f. die Stelle ). Ähnlich dürfte Erictho aussehen, die für ihre Magie noch glühende Scheiterhaufen plündert ( Lukan 6,533-537 fumantīs iuvenum cineres ardentiaque ossa | e mediis rapit illa rogis ipsamque parentes | quam tenuere facem, nigroque volantia fumo | feralis fragmenta tori vestesque fluentes | colligit in cineres et olentīs membra favillas, „… und Glut, die nach Gliedmaßen riecht“ ). POLETTI mutmaßt, wie andere dämonische Wesen des BC ( cf. 96f.; 119f.; 259; 272f. ) verzehre auch Dis Leichen – in seinem Fall frisch vom noch rauchenden Holzstoß ( 2017, 107-109; zur Optik zitiert er Ps.-Quint. decl. 10,1 ne confusi quidem tristi cinere vultūs et inspersum favillā caput noctibus suis obibat ; § 5 non … pallens … nec qualis super rogos videbatur et flammas, … non igne torridae comae nec favillā funebri nigra facies nec vix bene cinere composito umbrae recentis igneus squalor ). – Das ‚Satyrspiel‘ liefert Oenotheas rußverschmiertes Gesicht ( Sat. 136,2 faciem … totam excitato cinere perfundit ). Gleich sieben Spondeen imitieren Dis’ ( offenbar langsames ) Emportauchen aus dem Erdreich ( BC 77 ist – wie 79 und 82 – einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions ) – in dem er offenbar die ganze Zeit steckt ( s. S. 1057f. ). Seine Anabasis nimmt in gewisser Weise den Auftritt der bösen Götter vorweg, die wenig später die Unterwelt verlassen ( BC 254-263; cf. FUCECCHI 2013, 38 ); fast wie ein Echo klingt der Auftritt der Zwietracht ( 271f. Discordia … extulit ad superos Stygium caput ). Ditis pater : Antike Etymologie leitete Dis’ Namen von dives ab, „reich“: „weil von unten aus der Erde der Reichtum komme“ ( Plat. Krat. 403a3-5 ὅτι ἐκ τῆς γῆς κάτωθεν ἀνίεται ὁ πλοῦτος ), oder weil alles aus der Erde hervorgeht und in sie heimkehrt ( cf. Varro ling. 5,66 Dis pater …

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est coniunctus terrae, ubi omnia ‹ ut › oriuntur ‹ ita › aboriuntur ; Cic. nat. 2,66 Diti patri …, qui dives, ut apud Graecos Πλούτων, quia et recĭdunt omnia in terras et oriuntur e terris, und A.S. PEASE ad loc.), oder weil er „reich sei an Toten“ ( Lukian luct. 2 διὰ τὸ πλουτεῖν τοῖς νεκροῖς ). Cf. R. PETER, s.v. Dis pater, in: ROSCHER I.1, 1884-90, 1179-88; WISSOWA 309-313; BAILEY 1935, 250f. ; LATTE 246-248 ; F. GRAF, DNP 3, 1997, 689; M. BEARD u.a., Religions of Rome, vol. I, Cambridge 1998, 71f. Neben der vertrauten, seit Ennius belegten Schreibweise des Nominativs ( frg. var. 78 Vahlen Pluto Latine est Dis pater ) taucht in der Kaiserzeit vereinzelt die Variante Ditis auf. Die frühesten Belege sind neben der Stelle hier App. Verg. Aetna 643; Quint. inst. 1,6,34 Ditis, quia minime dives ; s. auch Caper GL VII 109,8 Keil Dis pater, non Ditis ; Tert. nat. 1,10,47 ; Servius Aen. 6,273 dicimus … et hic Dis et hic Ditis ; Isidor etym. 8,11,42 ; zu Ditis pater cf. Lucani Commenta Bernensia 1,445 ; Servius georg. 1,43 p. 143,17 Thilo; Aen. 11,785 ; s. auch Thes. Onom. III, 189,10-20; HSZ 66 * ). Der Nominativ Iovis findet sich Sat. 47,4 und 58,2 ( s. auch Enn. ann. 241 Sk., und O. SKUTSCH 425f. ad loc.), Sat. 62,13 der Nominativ bovis ( in allen drei Fällen in umgangssprachlichen Passagen; s. auch BALDWIN 1911, 150 ad loc.). Die Form Ditis kehrt im BC noch zweimal wieder, beide Male als regulärer Genetiv ( 251 Ditis regnum ; 255 Ditis chorus ). Während die kaiserzeitlichen Dichter überwiegend nur Dis schreiben ( cf. Thes. Onom. III, 189,63-190,41 ), ist die Junktur Dis pater ( z.T. auch Diespiter ) v.a. bei älteren Autoren beliebt ( ebd. 189,26-63 ). Hier bringt sie also einen archaischen Unterton ins Spiel. Seneca nennt ihn auch Dis infernus ( Ag. 1 u.ö.; cf. R.J. TARRANT ad loc.), Dis umbrosus ( Med. 741 ) und Dis imus ( Tro. 432 ), Lukan Dis profundus ( 1,455 ). extulit ora : Vergils poetische Junktur ora ( selten os ) efferre meint in der Regel „das Haupt, das Antlitz höher ( er )heben“ o.ä.; u.a. Aen. 5,368 f. vastis cum viribus effert | ora Dares ( R.D. WILLIAMS ad loc.: „Dares in all his mighty strength thrust out his jaw“ ); Ov. met. 4,450 tria Cerberus extulit ora ; Thes. V 2, 145,56-60. Hier bedeutet sie präziser „das Haupt aus etwas herausheben“ ( u.a. Verg. Aen. 8,589-591 Oceani perfusus Lucifer undā … extulit os sacrum ; Manil. 5,39 Corniger extulit ora : das Sternbild Widder „erhob sein Gesicht“ über den Horizont ). In diesem konkreten Sinn erscheint öfters das verwandte caput efferre ( cf. BC 271f. Discordia … extulit ad superos … caput, und S. 1343f. ad loc.). Der poetische Plural ora ( statt os ) – ferner BC 259f. ora … casside velat ; 275 obsessa draconibus ora ; Sat. 128,6,4 sudor quoque perluit ora ( offen bleibt BC 96 nullo perfundimus ora cruore ) – ist seit augusteischer Zeit gerade im

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Hexameter beliebt ( e.g. Tib. 1,8,31f. iuvenis, cui levia fulgent | ora ; Verg. Aen. 1,353f. imago | coniugis, ora modis attollens pallida miris ; 2,663 ora patris ; 10,821 vultum vidit morientis et ora ; Ov. met. 12,348 vultum minitantiaque ora, und F. BÖMER ad loc.; cf. Thes. IX 2, 1074,11-23 ). canā sparsa favillā : Zu cana favilla cf. Ov. met. 8,525 paulatim canā prūnam velante favillā ( „mit grauer Asche, die allmählich die Glut bedeckt“ ); Carm. Lat. Epigr. 1120,4 cineres …, quos cana favilla teget ( s. auch Ov. ars 2,440 summo canet in igne cinis, „auf der obersten Glut glänzt Asche“ ); Thes. VI 1, 381,39 f. – Zu spargere, „to sprinkle, spatter ( a surface, etc., with drops, particles, or the like)“ ( OLD s.v. 8 a ), cf. S. 998. Hier steht es zeugmatisch, da es auch zu bustorum flammis gehört ( ora sparsa bustorum flammis et canā favillā ; cf. BALDWIN 1911, 151: „with flammis, ‚scorched‘ must be understood“ ). Die Junktur spargere favillā ist singulär (cf. Thes. VI 1, 381,16; sed cf. Ps.-Quint. decl. 10,1 inspersum favillā caput ). Dass die Asche nur Dis’ Haar bedecke ( so u.a. COLLIGNON 221: „sa chevelure, blanche de cendres“ ), wird nirgendwo gesagt. 78 ac tali volucrem Fortunam voce lacessit : „und mit solchem Wort versetzt er die geflügelte Fortuna in Rage“. Kaum anders hetzt Juno die drei Furien auf ( Ov. met. 4,472 f. imperium, promissa, preces confundit in unum | sollicitatque deas ) – und Allecto ( Verg. Aen. 7,330 quam Iuno his acuit verbis ac talia fatur ). Das Epitheton ornans volucer steht hier entweder faktisch: „geflügelt“ ( cf. OLD s.v. uolucer 1a : „able to fly, flying“ ; 2 a : „winged“ ), oder aber übertragen: „flatterhaft, launisch“ o.ä. ( cf. OLD s.v. 3: „passing quickly away, fleeting, transitory“, sowie S. 1016f. und S. 1229-31 zu 210f. volucer … Fama ). Von der volucris Fortuna sprechen auch Cicero ( Sull. 91 o falsam spem, o volucrem fortunam, o caecam cupiditatem ! ) und Plinius ( nat. 2,22 Fortuna … volucris volubilisque … et caeca existimata eqs.), beide eher im übertragenen Sinn ( cf. Thes. VI 1, 1188,6 f.). Hier dürfte der anatomische Aspekt dominieren ( zu den Flügeln der Göttin cf. u.a. Hor. c. 3,29,53f. celerīs quatit | pinnas, und NISBET – RUDD ad loc.; Plut. de Fortuna Romanorum 318a, zit. S. 1011; Fronto de orat. 5 p. 155,2f. v.d. H. Fortunas omnīs cum pennis ). Die Junktur voce lacessere stammt von Vergil ( ecl. 3,51 ne quemquam voce lacessas, „… herausforderst zum Sängerstreit “; Aen. 10,644 : voce lacessit Aeneas’ Trugbild den Turnus – wie hier als Versschluss; s. auch Grattius cyn. 231 ne voce lacesseret hostem ; Thes. VII 2, 832,31 f. ). Die Wendung Fortunam lacessere kehrt bei Silius wieder ( 12,61 f. vario … lacessere motu | fortunam, „Fortuna durch einen Ortswechsel provozieren“; mit Fortuna als Subjekt

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Lukan 1,256 quotiens Romam Fortuna lacessit sc. bellis ). Bei Dis klingt dieser aggressive Unterton der ‚Provokation‘ zumindest einmal an ( 82f. ecquid Romano sentis te pondere victam eqs.? ; s. auch 94 f. quare age, Fors eqs.). Alliterationen mit v ( vol- voc-) signalisieren laut PEASE 1935, 374 „intense woe …, horror …, or solemnity“. F o r t u n a spielt im BC nicht nur eine Schlüsselrolle – ihre Szene mit Dis ( 67-125 ) ist ihr einziger großer Auftritt in der gesamten römischen Literatur ( Vorbild war wohl die personifizierte Τύχη , die im griechischen Schrifttum etliche Spuren hinterlassen hat ; cf. G. HERZOG-HAUSER, RE VII A 2, 1948, 1646-50 ). Boethius legt ihr in einer Prosopopoiie eine lange Apologie in den Mund ( cons. 2 p. 2-m. 2 ). Auf der epischen Bühne kommt der Szene hier am ehesten das Streitgespräch zwischen Virtus und Voluptas in Scipios Garten nahe ( Sil. Ital. 15,18-128; s. auch SETAIOLI, Nugae 9: „The divine figures of the Bellum civile, such as Fortuna or Discordia, are personified allegories more reminiscent of Statius than of Virgil.“ ). In dem komplexen Geflecht von Vorstellungen rund um ‚Schicksal‘ ( μοῖρα, fatum /fata ), ‚Vorherbestimmung‘ ( εἱμαρμένη ) und ‚Notwendigkeit‘ ( ἀνάγκη ) auf ihrem langen Weg von volkstümlichen Anschauungen zum Kampfplatz philosophischer Schulen kommt Fortunas Ahnfrau, der griechischen Schicksalsgöttin T y c h e ( Τύχη ), ein eigener Platz zu. Ursprünglich verkörpert sie das unerklärliche, oft jedoch wohlwollende Wirken der Götter, wie es Pindars 12. Olympische Ode besingt. Doch allmählich emanzipiert sie sich als eigene Macht, die neben den Göttern waltet und das irdische Geschehen beeinflusst, ja auf fast irrationale Weise umschlagen lässt. Dank dieser quecksilbrigen Wandelbarkeit zum Guten wie zum Schlechten ist Tyche „die unberechenbare, zwangsläufige, Bitten und Wünschen unzugängliche Macht, die das Menschenschicksal lenkt“ ( NILSSON 2 1961, 181 ) und stärker ist als die anderen Götter ( cf. Eur. Hec. 488-491 ; s. auch Cycl. 606f.; Ion 1512-14 ). Unversehens und gewaltsam greift sie ins Leben ein. Launisch und hinterlistig spielt sie mit den Menschen und durchkreuzt deren Pläne. Als blinde, ungerechte Herrin der Welt stiftet sie Chaos und waltet unentrinnbar über allem Leben. Im Hellenismus fasst der Glaube an eine allmächtige unberechenbare Tyche im gesamten griechischen Kulturraum Fuß. In Philosophie und Literatur ( gerade in der Komödie ), aber auch in Kunst und Religion wird sie zur festen Größe – und vielerorts zur Stadtgöttin. In anderen Bahnen bewegt sich die Geschichte der römischen F o r t u n a ( auch Fors ). Von Antium und Praeneste aus, ihren beiden großen

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frühen Heiligtümern in Latium, gelangte ihr Kult wohl bereits im 6. Jh. nach Rom. So vielfältig wie ihre Aufgaben sind ihre Manifestationen und Beinamen. Zahllose Kapellen und Altäre ehrten sie u.a. als Hüterin und Bewahrerin des Einzelnen, als Schirmherrin der Frauen ( e.g. Fortuna Muliebris und Fortuna Virilis ), aber auch der gens, diverser sozialer Gruppen, ja des Staats insgesamt. Dem Tapferen steht sie verlässlich zur Seite ( cf. Enn. ann. 233 Sk. fortibus est fortuna viris data ; Ter. Phorm. 203 fortīs fortuna adiuvat ; Liv. 4,37,7 fortuna … virtutem est secuta ; Verg. Aen. 10,284 audentīs Fortuna iuvat ). Von ihrer Bedeutung zeugen mehr als dreißig bekannte Heiligtümer allein in Rom. Ab dem frühen Prinzipat wird sie zur Schutzgöttin des Kaisers. Plutarch war überzeugt, nach Gastspielen u.a. bei den Persern, Makedonen und Karthagern habe sich Fortuna Rom zum Wohnsitz auserkoren und „dort ihre Flügel abgelegt“ ( ἀπέθηκε τὰς πτέρυγας ); denn „sie kam nach Rom, um zu bleiben“ ( εἰσῆλθεν εἰς Ῥώμην ὡς μενοῦσα ; de Fortuna Romanorum 317f-318a ), als ‚Großer Schutzgeist‘ der Stadt ( μέγας δαίμων ; ebd. 324 b ). Horaz weiht Fortuna einen Hymnus ( c. 1,35; s. auch Anth. Lat. 629 R.). Omnipräsent ist sie auch in Trimalchios Welt ( u.a. Sat. 29,6 praesto erat Fortuna cornu abundanti, auf einem Wandgemälde; 43,7 plane Fortunae filius, in manu illius plumbum aurum fiebat ; 55,3 quod non expectes, ex transverso fit, | et super nos Fortuna negotia curat ; zu 43,7 cf. Hor. serm. 2,6,49 Fortunae filius ! ). Doch von der frühen Tragödie an wirkt Fortuna weit öfter wie ein Z w i l l i n g T y c h e s – kapriziös, wankelmütig, blind, ja neidisch auf das Gute in der Welt ; e.g. Pacuvius trag. 366-375 R.3 Fortunam insanam esse et caecam et brutam perhibent philosophi … insanam autem esse aiunt, quia atrox, incerta instabilisque sit : | caecam …, quia nil cernat quo sese adplicet : | brutam, quia dignum atque indignum nequeat internoscere eqs.; Hor. serm. 2,8,61-63 heu, Fortuna, quis est crudelior in nos | te deus ? ut semper gaudes illudere rebus | humanis ! ; Verg. Aen. 11,426f. multos alterna revisens | lusit et in solido rursus Fortuna locavit ( „viele hat die sprunghafte Fortuna aufgesucht, ausgetrickst – und wieder auf den Boden geholt“; cf. N. HORSFALL ad loc.); Ov. trist. 5,8,15-18 passibus ambiguis Fortuna volubilis errat | et manet in nullo certa tenaxque loco, | sed modo laeta nitet, vultūs modo sumit acerbos, | et tantum constans in levitate suā est ; Sen. Herc. fur. 524 f. o Fortuna viris invida fortibus, | quam non aequa bonis praemia dividis ! ; Plin. nat. 2,22. LIT. R. PETER, in: ROSCHER I.2, 1886-90, 1503-49 ; W. OTTO, RE VII 1, 1910, 12-42; WISSOWA 256-268; ROHDE 3 1914, 296-304 ; BAILEY 1935, 234-240; LATTE 176-183; NILSSON 2 1961, 200-210; NISBET – HUBBARD ( 1970 ) 376-379 ad Hor. c. 1,34 ; WEINSTOCK 1971, 112-116;

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I. KAJANTO, RAC 8, 1972, 182-197 ; AHL 1976, 280-305; I. KAJANTO, ANRW II 17.1, 1981, 502-558; CHAMPEAUX 1982-87; E. SIMON, Die Götter der Römer, München 1990, 59-71; F. RAUSA, Fortuna : LIMC VIII 1, 1997, 125-141; VIII 2, 1997, 90-109; F. GRAF, DNP 4, 1998, 598602; D. MIANO, Fortuna, Oxford 2018. Diese unberechenbare, ja feindselige Fortuna ist auch Encolpius sattsam vertraut ( u.a. 82,6 non multum oportet consilio credere, quia suam habet Fortuna rationem ; 101,1 aliquando … totum me, Fortuna, vicisti ; 114,8 sed non crudelis Fortuna concedit ; 125,2 putabam … a custodia mei removisse vultum Fortunam ; versöhnlicher 13,1 o lusum Fortunae mirabilem ! ). Zu Fortunas maßgeblichen Merkmalen im BC zählen 1.) ihre A l l m a c h t ( 79 rerum humanarum divinarumque potestas ), 2.) ihre U n b e r e c h e n b a r k e i t ( 81 nova semper amas et mox possessa relinquis ; cf. 80 cui nulla placet nimium secura potestas ; 102 Fortuna levi … pectore ), 3.) ihre h i s t o r i s c h e R o l l e ( sie macht Rom groß: 107-109; sie protegiert Roms Feldherrn: 61 tres tulerat Fortuna duces ; sie soll über den Ausgang des Bürgerkriegs entscheiden: 174 iudice Fortunā cadat alea ; sie wird Rom zerstören: 105-115; cf. jeweils ad loc.). Relevant ist vor allem der letzte Punkt. Sie hat die Hand im Spiel bei Roms enormer Expansion ( Ov. fast. 1,209-214 postquam Fortuna loci caput extulit huius | et tetigit summo vertice Roma deos, | creverunt et opes et opum furiosa cupido eqs.; zur Fortuna huius loci cf. F. BÖMER ad loc.). Doch ebenso ist sie verantwortlich für Roms gesellschaftlichen Wandel und Niedergang ( Sall. Cat. 10,1 ubi … reges magni bello domiti, nationes ferae et populi ingentes vi subacti, Carthago aemula imperi Romani ab stirpe interiit, cuncta maria terraeque patebant, saevire Fortuna ac miscere omnia coepit : mit seiner Vorherrschaft über das Mittelmeer wendete sich Roms Blatt ); ähnlich Lukan ( 1,160-162, zit. S. 926 ). Ihre Rolle im Krieg betont wiederholt Caesar ( Gall. 6,30,2 multum cum in omnibus rebus, tum in re militari potest Fortuna ; civ. 3,68,1 Fortuna, quae plurimum potest … in bello, parvis momentis magnas rerum commutationes efficit ). Die großen Akteure der späten Republik, Caesar und Pompeius, sahen sich beide als ihre Günstlinge, auch und gerade im Bürgerkrieg. Die Zeitgenossen beschäftigte die Frage, auf wessen Seite Fortuna in diesem Konflikt stehe. Caesar führte einen regelrechten Propagandakrieg um dieses Thema ( cf. WEINSTOCK 1971, 112-127; s. auch GELZER 6 1960, 176-178. 216f.; GESCHE 1976, 188f.; CHAMPEAUX 1987, Bd. 2, 259-291 ). Bereits Zeitzeugen beschreiben Fortunas Hand im Bürgerkrieg ( Caelius ap. Cic. fam. 8,14,4 ; Aug. 50 v.Chr.): video magnas impendēre discordias, quas

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ferrum et vis iudicabit. uterque ( Pompeius und Caesar ) et animo et copiis est paratus sc. ad bellum civile. si sine suo periculo fieri posset, magnum et iucundum tibi Fortuna spectaculum parabat. ( „Könnte dies ohne arge Gefahr über die Bühne gehen – Fortuna böte dir ein prächtiges, herrliches Schauspiel.“ ). Als ludum Fortunae beschreibt Horaz den Bürgerkrieg ( c. 2,1,3; cf. NISBET – HUBBARD ad loc.). L u k a n stellt sich in diese Tradition, wenn er in seinem Epos Fortuna eine Hauptrolle zuteilt, als höchster Gottheit der Geschichte und fast Synonym für die historischen Prozesse ( cf. AHL 1976, 294 ). Sie liefert Caesar den Anlass zum Bürgerkrieg ( 1,264 f. iustos Fortuna laborat | esse ducis motūs et causas invenit armis ; s. auch 1,309-311 ). Am Rubikon setzt er alles auf Fortuna ( 1,225-227; zit. S. 1158 ); ebenso in dem Seesturm, dem er allein trotzen will ( u.a. 5,510 sola placet Fortuna comes ; 5,581-583; 5,676 f. ). Vor Pharsalos enthüllt sie das Kommende ( 7,151-184 ); in Pharsalos stellt sie die Heere zu einer Vernichtungsschlacht auf, die Roms Größe noch in seinem Untergang spiegelt ( 7,415-419 undique traxit | in miseram Fortuna necem sc. viros, dum … populosque ducesque | constituit campis, per quos tibi, Roma, ruenti | ostendat quam magna cadas ). In der Aeneis taucht Fortuna nirgendwo als ‚Person‘ auf. Bei Lukan ist sie eine gestaltlose, fast undefinierte Größe, die auf die Menschenwelt Einfluss nimmt. Die anthropomorphe Fortuna des BC, die den Bürgerkrieg ( mit ) in Gang setzt, vereint Vergils Götter als ‚reale‘ epische Protagonisten mit Lukans Darstellung der abstrakten historischen Macht des Schicksals. „When Eumolpus gives Fortuna a voice and a body, he imposes Virgilian conventions upon Lucan precisely where Lucan had resisted them most.“ ( CONNORS 1989, 86; s. auch RIPOLL 2002, 177f. ). „The fact that Fortuna is called ‚the mistress of things human and divine‘ is possibly a pointed reversal of the Stoic view, that identified philosophic wisdom with the ‚knowledge of things human and divine‘ ( cf. SVF II frgg. 35, 36, 1017 ; so also Cicero and Seneca ), and according to which the cosmos is ruled by reason. Lucan believed in a ‚cruel Providence‘; there still is a cosmic design, though unfavorable and malignant. In the BC, in a step beyond Lucan, the world is ruled by irrational forces, personified by Fortuna, i.e. by unreason ( that is what Fortuna symbolizes in a Stoic like Seneca ).“ ( A. SETAIOLI in epist.).

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79 „rerum humanarum divinarumque potestas : „Du Macht über der Menschen und Götter Geschicke“. Die Anrede einer Gottheit mit ihrer ‚Amtsgewalt‘ – hier wohl auch als captatio benevolentiae – ist fester Bestandteil der Aretalogie und Doxologie ( die u.a. die Taten, das Wesen, die Herrlichkeit eines Gottes rühmen; e.g. Verg. Aen. 5,235 di, quibus imperium est pelagi, quorum aequora curro ; cf. NORDEN 1923, 156-160 ). Fortuna tut es Dis gleich ( BC 103 o genitor, cui Cocyti penetralia parent ). Der fast gebetsartige Auftakt charakterisiert Fortuna im Kielwasser der hellenistischen Tyche als gleichsam höchste kosmische Macht ( andere Stimmen begnügen sich mit ihrer Macht über die Menschen; e.g. Cic. Marc. 7 illa ipsa rerum humanarum domina Fortuna ; Sall. Iug. 102,9 humanarum rerum Fortuna pleraque regit ; s. auch Sat. 98,6 deus quidam humanarum rerum arbiter ; 106,3 deos immortales rerum humanarum agere curam ). Älteren Vorstellungen folgt Vergils Venus, wenn sie Juppiter als den anspricht, „der die Geschicke der Menschen und Götter mit ewiger Allmacht lenkt“ ( Aen. 1,229f. o qui res hominumque deumque | aeternis regis imperiis ; s. auch 10,100 pater omnipotens, rerum cui prima potestas ) bzw. als „ewige Macht über Menschen und Welt“ ( Aen. 10,18 o hominum rerumque aeterna potestas [ die karolingischen Hss. haben divumque statt rerumque ]; s. auch das ‚Echo‘ Paul. Nol. carm. 6,1 summe pater rerum caelique aeterna potestas ). Maxime divorum caelique aeterna potestas heißt Juppiter im neronischen carm. Einsidl. 1,22 ( s. auch Lukrezens Anrede für Venus, 1,1 Aeneadum genetrix, hominum divomque voluptas ). Wie in der Aeneis Juppiter das Schicksal kennt und für dessen Erfüllung einsteht, so lenkt im BC Fortuna den Gang der Geschichte. Doch die Agenda hat sich dramatisch geändert : Venus und Juppiter wollen Rom ( das noch zu gründen ist ) retten; Dis und Fortuna wollen es vernichten ( cf. ZEITLIN 1971, 77 Anm. 1, die Aen. 10,18f. mit der Passage hier verknüpft ; s. auch GRIMAL 1977, 102f. ). Zu der feierlichen Anrede mit einer ausgefeilten Periphrase im Vokativ ( 79; der Name der Göttin folgt ‚verzögert‘ BC 80 ) und zwei Relativsätzen ( 80f. ) verweist POLETTI 2017, 266f. auf das Gebet 133,3,1-4 ( Periphrase im Vokativ und drei Relativsätze ). BC 79 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions. Zudem enthält der Vers gleich zwei dispondeische Wörter – wie im klassischen Hexameter nur noch Hor. serm. 1,1,4 ( YEH 2007, 230 Anm. 47 ). rerum humanarum divinarumque : Vergils Theologoumenon verschmilzt hier mit den res divinae et humanae ( mitunter synonym ~ „die Welt“ ), denen Varro sein kulturgeschichtliches Hauptwerk widmete, die

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Rerum divinarum et humanarum libri ( s. auch Cic. de orat. 1,212 omnium rerum divinarum atque humanarum vim ; Tusc. 4,57 rerum divinarum et humanarum scientiam ; Liv. 5,40,10; Quint. inst. 12,2,8 ; Apul. Plat. 228 sapientiam disciplinam vult videri divinarum humanarumque rerum ). Wie etliche weitere Belege zeigen, dominiert die Reihenfolge res divinae – res humanae. Zur Abfolge hier cf. Sen. ep. 88,35 quamcumque partem rerum humanarum divinarumque ; 120,13; Carm. Lat. Epigr. 255,3 rerum humanarum divinarumque magistra sc. Venus. potestas : „The abstract potestas seems to be used in the concrete sense of ‚ruler‘ “ ( S.J. HARRISON p. 63 ad Aen. 10,18; s. auch Lukan 2,136 caput mundi rerumque potestas, über Rom; Plin. nat. 9,26 ; Juv. 10,99f. mavis … Fidenarum Gabiorumque esse potestas ; LÖFSTEDT 1936, 214-216 ( zu potestas „in persönlichem Sinne“ ); HSZ 748; Thes. X 2, 319,47-320,3: „dei, daemones, angeli“ ). Gleiches gilt auch hier. Die auffällige Epipher BC 79f. sorgte begreiflicherweise für Irritationen ( cf. MÜLLER 1 ad loc.: „potestas e versu sequenti videtur irrepsisse; cf. 119,50sq. praeda /praedam “ ). Mit Blick auf Carm. Lat. Epigr. 255,3 ( oben zit.) schreibt DÍAZ Y DÍAZ hier magistra. POLETTI 2017, 267-269 vermutet sogar, CLE 255,3 zitiere BC 79; als Antwort auf FUCHS’ Skepsis, der Begriff sei hier „zu matt“ ( 1959, 77 Anm. 27; cf. OLD s.v. 1: „a woman in charge, female chief or superintendent ; a high priestess“ ), nennt er drei Passagen, in denen magistra gleichfalls göttliche Instanzen meint ( Manil. 1,485 Forte … magistrā, das Universum entstand nicht „unter dem Diktat des Zufalls“; Plin. nat. 27,8 casus … parens rerum omnium et magistra, „der Zufall …“; Val. Flacc. 6,578 Iunone magistrā, „… Auskunft erteilend“ ). So verlockend der Eingriff erscheint – es handelt sich kaum um das Versehen eines Kopisten, sondern vielmehr um die Erinnerung daran, dass alle irdische Macht ( BC 80 ) Fortunas Macht untersteht ( BC 79; für ein vergleichbares Wortspiel cf. Sen. ep. 91,21 non sumus in ullius potestate, cum mors in nostra potestate sit ). Für STUBBE ist diese „pointierte Wiederholung … bezeichnend für feierlich-gravitätische, religiöse Rede wie für salbungsvoll-rhetorischen Stil“ ( 88; cf. 118; BALDWIN 1911, 152: „such repetitions … do not seem to have been as disagreeable to Roman ears as they are to ours“ ). 80 Fors : „Fortuna“. Als alternativer Name Fortunas ist Fors bereits früh belegt ( cf. BC 94 ; OLD s.v. fors 1 1 a: „chance or luck, regarded as causing or directing events“; 1 c: „( personified or worshipped as a goddess)“; WALDE – HOF-

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MANN s.v.), nicht selten in der Symbiose Fors Fortuna, deren altes Heiligtum im heutigen Trastevere lag ( cf. Ov. fast. 6,771-784 ; WISSOWA 256 ).

80 cui nulla placet nimium secura potestas : „… der allzu sichere Macht missfällt“. „Hohe Macht ist Fortuna ausgeliefert“; so Seneca ( Oed. 11 imperia … excelsa Fortunae obiacent, „exalted power is Fortune’s plaything“, A.J. BOYLE ad loc.; cf. Ps.-Sen. Oct. 897 f. altas saepe … evertit Fortuna domos ; ebd. 36-38 subito … Fortunae impetu | modo praepotentem … eversam domum … Claudi ). Zugrunde liegt die alte Idee vom Glück, das einen plötzlichen Umschlag gewärtigen muss ( e.g. Sen. Ag. 57-59 o regnorum magnis fallax | Fortuna bonis, | in praecipiti dubioque locas | excelsa nimis [ excelsa BENTLEY : excelsos vel sim. codd.]; cf. R.J. TARRANT 183-185 ad loc.). Wie das präzisierende nimium nahelegt, geht es weniger um eine objektive als subjektive Sicht der Dinge: Roms trügerisches Sicherheitsgefühl – das Fortuna bald erschüttern wird. Securus bedeutet hier fast „sorglos“ ( cf. OLD s.v. 4 a: „wanting care, negligent; displaying indifference, nonchalant“ ). Zur Junktur nimium securus cf. Ov. am. 2,19,37 tu, formosae nimium secure puellae ; Sen. Phaed. 975 hominum nimium securus, „allzu gleichgültig gegenüber den Menschen“; Mart. 14,111,2 securae nimium … manūs sc. frangunt crystallina ; Sil. Ital. 8,168 f. indulgere quieti, | heu nimium secura, potes ? Die Verbindung secura potestas kehrt erst bei Gaudentius von Brescia wieder ( tract. 19,14 securā potestate per fluctus ambulans Petrum mergentem sublevat ). 81 quae nova semper amas et mox possessa relinquis : „die du das Neue stets liebst und das Errungene alsbald im Stich lässt“. Die einzige ‚Konstante‘ ( semper ) in Fortunas Wesen und Walten ist ihre quecksilbrige Unberechenbarkeit ( cf. 78 volucrem Fortunam ). Sie genießt die jähe Veränderung ; e.g. Menander frg. 853,1 K.-A. ὦ μεταβολαῖς χαίρουσα παντοίαις Τύχη ( „o Glück, erfreut über jeglichen Umschlag“ ); Plaut. Truc. 219 actūtum fortunae solent mutari ( „unverzüglich …“ ); Publilius Syrus F 3 Fortunam citius reperias quam retineas ; F 24 Fortuna vitrea est : tum cum splendet frangitur ; Hor. c. 1,34,12-16 valet ima summis | mutare … deus. (…) hinc apicem rapax | Fortuna … sustulit, hīc posuisse gaudet ( und NISBET – HUBBARD ad loc.); 3,29,49-52; Sen. contr. 2,1,1 sine causa saepe fovit et sine ratione destituit sc. Fortuna homines ; Boethius cons. 2 p. 2,12 quid tragoediarum clamor aliud deflet nisi indiscreto ictu Fortunam felicia regna vertentem ? ; OTTO 141145 s.v. Fortuna. – POLETTI 2017, 270 will hier den sermo amatorius heraus-

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hören ( e.g. Ov. her. 19,179 tu quam saepe petis, quod amas, tam saepe relinquis ): Fortuna als „amante infedele, vorace di novità“. Kein römischer Autor beschwört diesen Grundzug ihres Wesens so beharrlich wie Seneca, in den Tragödien ebenso wie im philosophischen Werk ; u.a. Phaed. 978-988 res humanas ordine nullo | Fortuna regit sparsitque manu | munera caecā peiora fovens eqs.; 1142f. nec ulli praestat velox | Fortuna fidem ; Tro. 4-6 non umquam tulit | documenta Fors maiora, quam fragili loco | starent superbi, als im Fall Trojas; 259-264 ; Thy. 596-622; dial. 10,17,4 ; 11,3,4 quid tibi voluisti, tam iniusta et tam violenta Fortuna ? tam cito te indulgentiae tuae paenituit ? eqs.; nat. 3 praef. 7 nihil stabile ab illa sc. Fortunā datum esse … nescit enim quiescere ; gaudet laetis tristia substituere, utique miscere. itaque secundis nemo confidat, adversis nemo deficiat : alternae sunt vices rerum. Wankelmütig lässt sie gerade ihre Favoriten fallen – auch Rom ( cf. Sall. Cat. 10,1; zit. S. 1012 ). Individuen wie Staaten macht sie so mächtig, dass sie nur noch scheitern können; e.g. Ov. trist. 3,7,41f. addit cuicumque libet Fortuna rapitque, | Irus et est subito, qui modo Croesus erat ; Ps.-Sen. Oct. 377380 quid, impotens Fortuna, fallaci mihi | blandita vultu, sorte contentum meā | sc. me Senecam alte extulisti, gravius ut ruerem editā | receptus arce ? Das Paradebeispiel zeitgenössischer Literaten wie Historiker war Pompeius, der Triumphe über drei Erdteile feierte, nur um vom Gipfel des Glücks ins tiefste Unheil zu stürzen ( cf. Vell. Pat. 2,40,4, zit. S. 1279; 2,53,3, zit. S. 978 ). Am eindrücklichsten formuliert es Lukan: „So zuverlässig Fortuna Magnus’ so lange Glückssträhne währen ließ, so zuverlässig holte sie ihn in seiner Todesstunde vom höchsten Gipfel des Erfolgs, und unerbittlich ließ sie ihn an e i n e m Tag für alle Katastrophen zahlen, die sie ihm so viele Jahre erspart hatte. … Mit e i n e m Schlag traf ihn Fortunas lang zurückgehaltene Hand“ ( 8,701-708 hac Fortuna fide Magni tam prospera fata | pertulit, hac illum summo de culmine rerum | morte petit cladesque omnīs exegit in uno | saeva die quibus immunes tot praestitit annos … ; semel impulit illum | dilatā Fortuna manu ). Gleiches gilt für seine Söhne ( cf. Sen. dial. 11,15,1 ne hoc quidem saeviens reliquit Fortuna sc. Pompeiis, ut unā denique conciderent ruinā. vixit Sextus Pompeius … superstes optimo fratri, quem Fortuna in hoc evexerat, ne minus alte eum deiceret quam patrem deiecerat ; nat. 4 praef. 22 ). nova semper : Auch andere Autoren schätzen die leicht paradoxe Liaison des Beständigen und des Neuen ( e.g. Cic. div. 2,146 haec infinita et semper nova sc. Flut der Träume ; Ov. am. 2,7,1 sufficiam reus in nova crimina semper ? ; met. 15,183f. tempora … nova sunt semper ; Sen. Oed. 126 ducitur semper

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nova pompa Morti ; 724 f. nova monstra semper | protulit tellus ; benef. 3,3,1 novis semper cupiditatibus occupati ; ep. 64,8 hoc semper novum erit ). 82 ecquid Romano sentis te pondere victam : „merkst du denn nicht, wie Roms Gewicht dich erdrückt hat …“. Roms „Gewicht“ ( pondus steht synonym zu 83 moles ; cf. Calpurn. Sic. 1,84 Romanae pondera molis ) spielt auf einen Gemeinplatz des griechischen politischen Denkens an: der Staat als Gebäude, das unter der eigenen ‚Masse‘ kollabiert, als Bild für politische und soziale Prozesse, die eskalieren und zum gesellschaftlichen Kollaps führen ( cf. E. DUTOIT, Le thème de ‚la force qui se détruit elle-même‘ : REL 14, 1936, 365-373; FUCHS 1938b, 8f. ; E. LEFÈVRE, Hermes 94, 1966, 487-490; J. DE ROMILLY, The rise and fall of states according to Greek authors, Ann Arbor 1977, 60; DEMANDT 1978, 277-279; NARDUCCI 2002, 42-46 ). Römische Quellen adoptieren den Topos. H o r a z befürchtet den inneren Zusammenbruch des Reichs ( epod. 7,9f.: Rom führt Bürgerkrieg, um sich selbst zu vernichten: ut … suā | urbs haec periret dexterā ; 16,1 f., zit. S. 1021; abstrakter c. 3,4,65 vis consili expers mole ruit suā ), ebenso die Appendix Sall. ( ad Caes. 2,12,5 te oro … ne … populi Romani summum atque invictum imperium tabescere vetustate ac per summam socordiam dilabi patiaris ). L i v i u s widmet sich dem Thema in seinem Vorwort ( 1 praef. 4 ): ab exiguis profecta initiis eo creverit sc. res publica, ut iam magnitudine laboret suā (…) iam pridem praevalentis populi vires se ipsae conficiunt, „die Kräfte unseres längst dominierenden Volkes vernichten sich selbst“ ( cf. § 9; ferner R. OGILVIE ad loc.; ein Echo Florus epit. 1,47,6f. nescio an satius fuerit populo Romano Siciliā et Africā contento fuisse … quam eo magnitudinis crescere, ut viribus suis conficeretur. quae enim res alia civiles furores peperit quam nimiae felicitates ? ); s. auch Liv. 7,29,2 : Rom hat inzwischen „ d i e kritische Masse“ erreicht, „die zu kollabieren droht“: hanc magnitudinem, quae vix sustinetur. Auch neronische Autoren greifen die Idee auf. Bei Calpurnius Siculus schultert Kaiser Nero die ‚Last der römischen Masse‘ ( 1,84-88 ipse deus Romanae pondera molis | fortibus excipiet sic inconcussa lacertis eqs.) – wie jeder ideale Herrscher es tut ( cf. Vell. Pat. 2,131,2 cervices sc. principum tam fortiter sustinendo terrarum orbis imperio sufficiant ), und der ideale Staatsmann: Cato ( Sen. dial. 2,2,2, unten zit.). Für L u k a n ist einer der Gründe, die zum Bürgerkrieg führen, ein Staat, der die eigene Größe nicht länger zu tragen vermag ( 1,70-72 summis … negatum | stare diu nimioque graves sub pondere lapsūs | nec se Roma ferens ; cf. P. ROCHE ad loc.; das Schlüsselwort pondere bildet bei Lukan wie Petron

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den 5. Fuß ; s. auch das Echo Anth. Lat. 462,5 f. R. == 460,5f. Sh.B. Roma … paene suo pondere lapsa ruit, vom Bürgerkrieg ). So weit kam es, weil die auf Roms Größe neidische Fortuna das Reich vor äußeren Gefahren bewahrte, damit es sich selbst zu Fall bringt : in se magna ruunt : laetis hunc numina rebus | crescendi posuere modum eqs. ( 1,81-85, zit. S. 970 ). Für Pothinus, der von Ptolemaios Pompeius’ Ermordung fordert, ist die Katastrophe bereits eingetreten: tu … potes Magni fulcire ruinam, | sub qua Roma iacet ? ( 8,528f. „Kannst du Pompeius’ Sturz aufhalten, unter dem Rom längst begraben liegt ?“ ). S e n e c a kommt in den theoretischen Texten wie in den Tragödien auf das Thema zu sprechen; cf. dial. 2,2,2 adversus vitia civitatis degenerantis et pessum suā mole sidentis stetit solus et cadentem rem publicam … tenuit sc. Cato ( „allein stellte er sich gegen die Laster einer moralisch korrupten und unter ihrer Masse kollabierenden Gesellschaft und stützte den fallenden Staat“; s. auch Anth. Lat. 842,1f. R., von Scipio : patriam Poeno … Marte cadentem | sustinui ); Oed. 84 cadentis imperi moles labet ( und K. TÖCHTERLE ad loc.), und v.a. Ag. 87-89, wo Fortuna ebenfalls unter dem Gewicht übermächtiger Staaten „kollabiert“: licet arma vacent …, sidunt ipso pondere magna | ceditque oneri Fortuna suo ( cf. R.J. TARRANT 182 ad loc.). Ähnliches geschieht hier. Auch Dis adressiert Fortuna als anthropomorphes Wesen, das den wankenden römischen Leviathan nicht länger stützen kann ( denkt Eumolp hier an den Dichter unter der Last seines historischen Epos ?; cf. 118,6 belli civilis ingens opus quisquis attigerit nisi plenus litteris, sub onere labetur, und Bd. II, S. 792f. ad loc.). Doch Fortuna verwahrt sich gegen die wohlmeinende Unterstellung. Sie ist mitnichten zu schwach; vielmehr bereut sie die frühere Großzügigkeit gegenüber Rom – und wird es alsbald ausmerzen ( 107-109 ). – Ein kleines Satyrspiel zur Stelle liefert Oenotheas Sturz ( 136,1 fracta est putris sella … anumque pondere suo deiectam super foculum mittit ). Die Junktur Romanum pondus ist singulär. ‚Roms Masse‘ bilden gleich vier Spondeen ab (BC 82 ist einer der sechzehn holospondeischen Verse des Epyllions ). Zu ecquid, „etwa? wohl?“, cf. OLD s.v. 1b: „( esp. in impatient questions, where an affirmative answer is expected ) is it not the case that ? surely ?“ ( für OLD s.v. 1a: „( in polite inquiries) I trust that …?“ cf. Sat. 131,3 ecquid bonam mentem habere coepisti ? ; 131,10 ecquid hodie totus venisti ? ); s. auch KST 1,656; PETERSMANN 262. – Der AcI erstreckt sich über zwei Verse ( ~ ecquid sentis te Romano pondere victam ‹ esse › nec posse ulterius eqs.).

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83 nec posse ulterius perituram extollere molem ? : „und dass du nicht länger den dem Untergang geweihten Koloss stemmen kannst ?“ Dis’ und Fortunas Worte könnten klarer nicht ausfallen: Rom ist – in einer Formel, die kaum zufällig an die von Juppiter vernichteten Giganten erinnert ( 208 periturorum … Gigantum ) – ein „zum Untergang verdammter Gigant“ ( perituram … molem ). Und Fortuna höchstpersönlich wird ihn vernichten: „Diesen Koloss wird dieselbe Gottheit zertrümmern, die einst ihn groß gemacht.“ ( 108f. destruet istas | idem, qui posuit, moles deus ). BC 82f. zitiert subtil Junos Wutausbruch zu Beginn der Aeneis : mene incepto desistere victam | nec posse Italiā Teucrorum avertere regem ? ( Verg. Aen. 1,37f.; entdeckt von POLETTI 2017, 91 ). Ähnlich fürchtet auch hier eine empörte Göttin, von Menschen ‚entmachtet‘ zu werden. Mit diskreten Botschaften verbindet sich ferner der Vergil entlehnte Versschluss; cf. Aen. 2,185 immensam … attollere molem ( Kalchas befiehlt, „die gewaltige Masse zu errichten“ – das Pferd, das es Roms Ahnherrin Troja erlaubte, sich gleichsam selbst zugrunde zu richten ); 11,130 fatalīs murorum attollere moles ( Mauern sollen das neue ‚Troja‘ schützen ). Zu der singulären Junktur molem extollere cf. Thes. V 2, 2032,73-75 ad loc.: „in alto sustinere“. Zu ulterius cf. OLD s.v. 2b: „( in neg. sentences, w. some temporal force ) any more, any longer“ ( cf. Cic. Att. 1,18,2 res Romanas diutius stare non posse ). perituram … molem : Moles ( cf. 82 pondus ) meint hier weniger die „ A n s t r e n g u n g “ der Staatsgründung ( e.g. Verg. Aen. 1,33 tantae molis erat Romanam condere gentem ; Ov. met. 15,433 mole sub ingenti rerum fundamina ponit sc. Roma ; OLD s.v. 8 ) und Staatslenkung, die „Last der Regierung“, die „Bürde der Herrschaft“ ( F. BÖMER ad Ov. met. 15,1f. quaeritur … quis tantae pondera molis | sustineat tantoque queat succedere regi ; cf. trist. 2,221, an Augustus : non ea te moles Romani nominis urget eqs.; Tac. ann. 1,11,1 solam divi Augusti mentem tantae molis capacem ), als Roms „ K r a f t , S t ä r k e , M a c h t “, kurzum : das politische ‚Schwergewicht‘, der „Koloss“, der „Gigant“ Rom ( cf. TH 26 roborea moles, vom Trojanischen Pferd ). Zu diesem Gebrauch von moles ( bisweilen fast synonym zu ‚Staat‘ ) cf. BC 108 f. destruet istas … moles deus, und e.g. Liv. 1,9,5 ( Roms frühe Nachbarn) tantam in medio crescentem molem sibi … metuebant ; 1,55,3 tanti imperii molem ; Vell. Pat. 2,131,1 Iuppiter … hanc Romani imperii molem in amplissimum terrarum orbis fastigium extulit ; Sen. Oed. 84 cadentis imperi moles labet ; Sil. Ital. 17,150f. ruentem | Hannibal absenti retinebat nomine molem ( „das kollabierende Karthago stützte Hannibal aus der Ferne mit seinem Namen“; Enallage ); OLD s.v. 9 ; Thes. VIII, 1340,83-1341,7.

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Zu der nachzeitigen peritura moles cf. Verg. georg. 2,498 res Romanae perituraque regna. Diese regna werden oft als regna externa gedeutet, genauer : als „die östlichen Königtümer einschließlich Ägyptens“ an Antonius’ Seite im Bürgerkrieg ( M. ERREN ad loc.); doch „it may be the supremacy of Rome itself that is at risk to perish“ ( R. MYNORS ad loc.) – wie hier. Zu Petrons Schwäche für das ominöse Part. fut. act. cf. 115,17 periturum corpus ( und Bd. II, S. 693 ad loc.). Als acies peritura beschreibt Caesar bei Pharsalos Pompeius’ Heer ( Lukan 7,329 ). 84 ipsa suas vires odit Romana iuventus : „die eigene Macht hasst just Roms junge Generation“. Das Imperium leidet unter und scheitert an der eigenen Größe ( wie in gewisser Weise Fortuna ; cf. 82f. ); es ‚verzehrt sich in Selbsthass‘ und richtet seine aggressiven Energien in einer Orgie der Zerstörung nach innen ( cf. Manil. 1,912 imperium … suis conflixit viribus ipsum, „the empire’s armed might engaged in conflict with itself“ ( übers. G.P. GOOLD ); Lukan 1,2f. populum … potentem | in sua victrici conversum viscera dextrā ; 1,72 nec se Roma ferens ; s. auch Liv. 1 praef. 4 und Florus epit. 1,47,6, beide zit. S. 1018 ). Gleich mehrere Echos beschwören den Auftakt von Horazens berühmter Bürgerkriegsepode: altera iam teritur bellis civilibus aetas, | suis et ipsa Roma viribus ruit ( 16,1 f.; cf. L.C. WATSON ad loc.: „Rome contrives her own destruction. Suis gains emphasis both from the anastrophe of et and the juxtaposition with ipsa.“ ). Das BC identifiziert eine Vorstufe jenes inneren Konflikts: ‚den Hass auf die eigene Macht‘, die dann bei Horaz Rom ‚zu Fall bringen wird‘. Das subtile Wortspiel vires ~ ῥώμη [ „Kraft“ ] ~ Ῥώμη [ Roma ] ( notiert von SCHMELING – SETAIOLI ad loc.) stimmt ein auf das Motiv des bevorstehenden Bürgerkriegs ( M. DEUFERT in epist.). Ähnliches prophezeite Cicero zu Kriegsbeginn: „Caesar wird unweigerlich zu Fall kommen, entweder durch seine Feinde oder sich selbst ; ist er doch sein eigener ärgster Feind“ ( Att. 10,8,8 corruat iste necesse est aut per adversarios aut ipse per se, qui quidem sibi est adversarius unus acerrimus ). Romana iuventus : Die zuerst bei Ennius belegte Junktur (ann. 499; 550; 563 Sk. optima cum pulcris animis Romana iuventus ) steht für „Roms junge Männer, das römische Jungvolk“ in der Blüte seiner Jahre, oft aber auch synonym für Roms Streitkräfte: „das römische Heer“ ( cf. OLD s.v. iuuentūs 1 b ; s. auch Vergils Troiana iuventus, e.g. Aen. 2,63, und R.G. AUSTIN ad loc.: „a metrically convenient word for ‚company‘, ‚soldiery‘, etc.“ ). Sie erlebt eine Renaissance in der augusteischen Dichtung und Historiographie ( e.g. Hor. serm. 2,2,52 pravi docilis Romana iuventus, „Roms im Laster

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gelehrigen jungen Leute“; Liv. 1,9,10 signo … dato iuventus Romana ad rapiendas virgines discurrit ; 2,12,10 u.ö.; Ov. ars 1,459 disce bonas artes, … Romana iuventus ; Val. Max. 3,2,8 u.ö.); sie kehrt wieder bei Lukan ( 4,323; 9,481; 9,938 ) und Tacitus ( hist. 1,84,3 Romana vere iuventus, „altrömische Gardetruppen“; ann. 11,12,2 C. Silium, iuventutis Romanae pulcherrimum ; s. auch Anth. Lat. 871,3f. R. desidiā et luxu robur Romana iuventus | perdidit, „in Trägheit und Luxus verloren Roms Mannschaften ihre Kampfkraft“, zit. POLETTI 2017, 271 ). Im Hexameter rückt sie – wie hier – stets ans Versende. Im Kontext der Passage ist hier wohl weniger an Roms Militär zu denken als an die junge Generation insgesamt ( s. auch 230 oneris ignara iuventus ; Sat. frg. 34,1 M.4 == Anth. Lat. 472,1 R. == 470,1 Sh.B. nos mergit furiosa iuventus eqs., „die gewalttätige Jugend zieht uns herab“ ). 85 et quas struxit opes, male sustinet : „und mit den Schätzen, die sie aufgehäuft hat, geht sie verantwortungslos um.“ Die Übersetzungen von opes schwanken zwischen Roms m i l i t ä r i s c h e r P o t e n z ( cf. OLD s.v. ops 1 1 c, 2 a ; e.g. SCHÖNBERGER : „und hält die Macht, die sie aufbaute, nur schlecht aufrecht“; s. auch Sen. ep. 71,15 magnis opibus exitiosa res, luxus, „eine gewaltigen Mächten fatale Realität : der Luxus“ ) und seinem materiellen R e i c h t u m, den es vergeudet ( cf. OLD s.v. ops 1 4 a ; e.g. STEINMANN : „schlecht geht sie um mit den aufgehäuften Schätzen“ ). Die folgenden Beispiele von Verschwendung und Petrons fast exklusiver Gebrauch von opes als „Reichtümer“ ( cf. BC 7; 43; Sat. 114,14 ; 115,14 ; 117,2; 124,3; 135,8,12; frg. 34,4 ; 43,11 M.4 ) weisen deutlich in die zweite Richtung. Zu der fast singulären Junktur opes struere cf. Liv. 2,41,2 consulem periculosas libertati opes struere ( die Patrizier befürchteten, „der Konsul verschaffe sich eine für die Freiheit gefährliche Machtfülle“ ); Stat. Theb. 2,501f. insidias Natura loco caecamque latendi | struxit opem ( „die Natur legte für den Platz einen Hinterhalt an und dunkle Hilfe, sich zu verbergen“; Enallage ). Sustinet oszilliert zwischen „erhalten, bewahren“ ( cf. OLD s.v. 2a : „to keep ( an institution, state of things, etc.) from declining, maintain, preserve“ ) und v.a. „sich für etw. verantwortlich zeigen“ ( ebd. 5a : „to bear the weight of, shoulder ( a responsibility or task, a cost, etc.)“ ). Zu opes sustinere zitiert POLETTI 2017, 272 Senecas Bitte an Nero: in hoc itinere vitae senex …, cum opes meas ultra sustinere non possim, praesidium peto ( Tac. ann. 14,54,2 ). – Male nähert sich hier der euphemistisch gemilderten Negation ( cf. BC 30 hoc … male nobile lignum, und S. 924 ad loc.).

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85-86 aspice late | luxuriam spoliorum et censum in damna furentem : „Schau allerorten den kriegsfinanzierten Luxus und den Reichtum, der zum eigenen Schaden verrückt spielt.“ „Das stolze Rom geht am eigenen Wohlstand zugrunde“, klagt bereits Properz ( 3,13,60 frangitur ipsa suis Roma superba bonis ; cf. Sat. 55,6,1 luxuriae rictu Martis marcent moenia, „im Schlund des Konsums verweichlichen Mars’ Mauern“ ). Die beiden Begriffe ergänzen einander. Luxuria spoliorum erinnert an die entscheidende Quelle des römischen Wohlstands: die externen Kriege ( cf. Lukan 1,162 praeda … et hostiles luxum suasēre rapinae, „Plünderung und feindliche Beute verführten zum Luxus“ ), der census in damna furens an dessen fatale Auswirkungen im sozialen Gefüge ( CONNORS 1995, 164 : „fortunes wasted in frenzy“ ). Auf diese Folgen zielt auch Manilius’ sarkastische sententia vom „höchsten Segen des Wohlstands – seiner Vergeudung“ ( 4,11 summum censūs pretium est effundere censum ). Deutlicher wird Livius: „Der Reichtum importierte die Habgier, und ausufernde Vergnügungen führten zu dem Verlangen, in Saus und Braus zugrunde zu gehen und alles in den Abgrund zu reißen.“ ( 1 praef. 12 divitiae avaritiam et abundantes voluptates desiderium per luxum atque libidinem pereundi perdendique omnia invexēre ; invexēre steht zeugmatisch; s. auch Cicero über die verarmten Catilinarier, Cons. frg. 6 FLP quorum luxuries fortunas, censa peredit ; zit. POLETTI 2017, 273 ). Die singuläre Junktur luxuria spoliorum ( in ihr verschmelzen die „verschwenderische Fülle an Kriegsbeute“ und deren „verschwenderischer Verbrauch“; frei: „der aus Kriegsgewinnen finanzierte Luxus“ ) hat ein Pendant in Senecas luxuriae spolia, „die Beute der Verschwendung“ ( benef. 7,9,2, als Überschrift einer Liste von Luxusgütern; zu dem Genetivobjekt cf. Verg. georg. 1,191 luxuria foliorum, „die Überfülle an Laub“; Plin. nat. 16,232 luxuria arborum, „die Verschwendung von Bäumen“ im Möbelbau; Thes. VII 2, 1920,53-55 ). Zu dem prosaischen census, „Wohlstand, Reichtum, Vermögen“, cf. u.a. Ov. fast. 1,217f. dat census honores, | census amicitias ; Lukan 3,157 Romani census populi ( Roms Staatsschatz ); OLD s.v. 3a ( und oben S. 921 ). Ein Kontrastbild zur Szene hier liefert der hungernde Soldat, der „mit all seinem Geld einen Bissen Brot kauft“ ( Lukan 4,95f. toto censu … emit | exiguam Cererem ). Das Partizip furens verbindet sich bisweilen mit Abstrakta ; e.g. Catull 63,4 furenti rabie ; Cic. phil. frg. 10,3 == p. 339,19 Müller furentem petulantiam ; Phaedrus 3,10,25 irae furentis impetum ; Lukan 10,156f. luxus inani | ambiti-

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one furens ( „eine in eitlem Ehrgeiz rasende Verschwendung“ ); Ps.-Sen. Oct. 431 saevit impietas furens. Die Verbindung mit dem finalen in + Akk. schätzt Lukan ( cf. 1,68f. quid in arma furentem | impulerit populum ; 2,439 Caesar in arma furens ; 7,295 vos in tela furentīs ). Zum ‚rasenden‘ Bürgerkrieg, der hier mitschwingt, cf. S. 1292f. zu BC 247 terras … furentes. – Die bukolische Dihärese verleiht Dis’ Imperativ Nachdruck ( zur singulären Metrik des Verses cf. POLETTI 2017, 274 ). in damna : Der juristische Terminus damnum, gerade auch in der Junktur in damnum /damna, „zu ( jmds.) Schaden, Verlust, Untergang “, bleibt in der Dichtung selten ( Ovid mit seiner Schwäche für den Gerichtsjargon ausgenommen; cf. KENNEY 1969 ); cf. TH 14 mens … in damnum potens ( und Bd. I, S. 171 ), und e.g. Ov. her. 1,96 accedunt in tua damna ( „… kommen zu deinen Verlusten hinzu“ ); Sen. contr. 2,5,7 muliebris ambitio … usque in publica damna … insanit ( „ungebremster weiblicher Ehrgeiz schadet dem Staat“ ); Sen. benef. 2,14,3 in damnum ac periculum suum ( „zu eigenem Schaden und Unheil“ ); ep. 95,26 ; Anth. Lat. 462,15 R. == 460,15 Sh.B. in damnum felix ( über einen Brudermord war Maevius „zum eigenen Unheil glücklich“ ); Thes. V 1, 32,48-57 ( siehe auch S. 936 zu BC 36 per damna ). 87 – 89 Der Bauluxus Der exorbitante Reichtum, der gegen Ende der Republik dank umfangreicher Eroberungen im Westen und Osten des Mittelmeerraums nach Rom strömte, verwandelte in nur einer Generation das Stadtbild von Grund auf. Allein in Rom entstanden über hundert Luxusresidenzen ( Plin. nat. 36,109 f. ). In den Machtkämpfen jener Jahre wurde das Wohnhaus zum Spiegel der sozialen Position und der politischen Ambitionen des Hausherrn. Das Pendant zu den Stadtpalästen der Oberschicht boten ihre feudalen Villen in Latium und Kampanien, mit ihren Säulenhallen und Pinakotheken, ihren Gärten, Parks und heiligen Hainen inmitten weitläufiger Ländereien, in denen sie ohne Rücksicht auf die rigiden gesellschaftlichen Traditionen hellenistische Lebensart zelebrieren konnten. Für die römischen Moralisten, die auf den Spuren der griechischen Diatribe Überfluss und Verschwendung geißelten, war der Bauluxus der späten Republik ein gefundenes Fressen ( e.g. Hor. c. 2,18, und NISBET – HUBBARD ad loc., bes. 287-292 ). Vier Punkte v.a. provozierten Kritik :

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1.) die kostbaren Materialien ( e.g. Cato ap. Festus p. 282,7-9 L. villae atque aedes aedificatae atque expolitae maximo opere citro atque ebore atque pavimentis Poenicis sient ; cf. zu BC 87 aedificant auro ); 2.) die ausufernden Dimensionen der Bauten ( e.g. Sall. Cat. 12,3 domos atque villas … in urbium modum exaedificatas ~ Sen. contr. 5,5 urbium solo aedificatae domūs, „Häuser von der Ausdehnung ganzer Städte“ ~ Sen. benef. 7,10,5 aedificia privata laxitatem urbium magnarum vincentia ; ep. 90,43 domos instar urbium, „Gebäude mit den Ausmaßen von Städten“; hyperbolisch ist Horazens Kritik c. 2,15, die Villen vernichteten Italiens Ackerland ); 3.) die Eingriffe in die Umwelt, welche die natürliche Ordnung pervertieren: die See wird Baugrund, das Festland zum künstlichen Meer ( cf. zu BC 88 f. expelluntur aquae saxis eqs.). Kaum zufällig evoziert der Abschnitt BC 87-93 die mythische Dreiteilung des Kosmos: Roms Ingenieure attackieren den Himmel ( 87 ), vergreifen sich auf Erden an der Natur ( 88f. ), und fordern Dis’ eigenes Reich heraus ( 90-93; cf. STÄRK 1995, 82f., bes. 82: „die Götter selbst (müssen) die nach allen Seiten ausgreifenden Bauherren fürchten“; CONNORS 1998, 117f. ). Die ganze Passage bildet ein Trikolon mit auffällig wachsenden Gliedern ( Himmel: vier Wörter, ein Halbvers; Erde : elf Wörter, zwei Verse; Hades : sechsundzwanzig Wörter, vier Verse ). 4.) das negative Vorbild, das die Oberschicht bot ( cf. Cicero zu Lucullus’ Luxusvilla in Tusculum, off. 1,140: cavendum … est, praesertim si ipse aedifices, ne extra modum sumptu et magnificentiā prodeas, quo in genere multum mali etiam in exemplo est. studiose enim plerique praesertim in hanc partem facta principum imitantur, ut L. Luculli … quam multi villarum magnificentiam imitati ! ; s. auch leg. 3,30 f., bes. § 30 cupiditatibus principum et vitiis infici solet tota civitas ; § 31 permulti imitatores principum existunt ). In welchem Maß v.a. Equites und Freigelassene seit der späten Republik den Baustil der Oberschicht imitierten, bestätigt das Beispiel Pompejis. LIT. FRIEDLÄNDER II, 1922, 327-346 ; NISBET – HUBBARD 241-244 ad Hor. c. 2,15; EDWARDS 1993, 137-172; STÄRK 1995, 81-83. – Zu Pompeji cf. A. WALLACE-HADRILL, Houses and Society in Pompeii and Herculaneum, Princeton 1994, bes. 143-174 ; P. ZANKER, Pompeji. Stadtbild und Wohngeschmack, Mainz 1995. Dass Dis hier auch die prächtigen Villen am Golf von Neapel im Blick gehabt habe, schloss CONNORS 1989, 79 aus dem Imperativ 85f. ( aspice late | luxuriam spoliorum eqs.; ähnlich STÄRK 1995, 82: am Golf seien die inkriminierten Phänomene besonders deutlich zu Tage getreten ).

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87 aedificant auro : „Sie bauen aus Gold“. Selbst im ‚goldenen Rom‘ der Kaiserzeit ( Ov. ars 3,113 nunc aurea Roma est ) war Gold mitnichten ein alltäglicher Werkstoff ( zum Gold s. auch S. 868f. ). Vitruv z.B. erwähnt es nirgendwo. Verwendung fand es bisweilen als Schmuck bedeutender T e m p e l , v.a. der Dächer und Kassettendecken; cf. u.a. Prop. 2,31,1f. aurea Phoebi | porticus ( und P. FEDELI ad loc.); 4,1,5 haec aurea templa ( und G. HUTCHINSON ad loc.); Ov. med. 7 auro sublimia tecta linuntur ; fast. 1,77; 1,223 f. templa … aurea ; Tac. dial. 20,7 horum temporum templa … marmore nitent et auro radiantur. Dies gilt v.a. für das K a p i t o l , dessen Kassettendecke das erste Mal nach dem Fall Karthagos vergoldet wurde ( 142 v.Chr.); vergoldete Dachziegeln zierten den 69 v.Chr. geweihten Neubau ( Plin. nat. 33,57 ; cf. Verg. Aen. 8,347 f. Capitolia … aurea ; Sen. contr. 1,6,4 auro puro fulgens … Capitolium ; 2,1,1 bella civilia aurato Capitolio gessimus ). Für die Innenausstattung des Tempels stiftete Augustus mehr als fünf Tonnen Gold ( Suet. Aug. 30,2 ). Später verlieh es auch den K a i s e r p a l ä s t e n Glanz ( e.g. Stat. silv. 3,3,103 domini celsis niteat laquearibus aurum ; 4,2,30 f. ; cf. Calpurn. Sic. 7,47f. porticūs auro | certatim radiant, von öffentlichen Gebäuden; aus purem Gold sind die Wände in Cupidos Märchenpalast, Apul. met. 5,1,6 toti … parietes solidati massis aureis ). In Anlehnung an die sakrale Architektur verzierte es bisweilen aber auch die Dächer und Decken von P r i v a t h ä u s e r n – eine Mode, die argwöhnisch registriert wurde; e.g. Lucr. 2,27 f.: der Mensch lebt authentischer, wenn nec domus argento fulget auroque renidet | nec citharae reboant laqueata aurataque tecta ( Macrobius : templa, „Dachbalken“, codd.); Cic. parad. 1,13 marmoreis tectis ebore et auro fulgentibus ; Hor. c. 1,31,6; 2,18,1f. non ebur neque aureum | meā renidet in domo lacunar, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Prop. 3,2,12 camera auratas inter eburna trabes ; Manil. 5,291f. triclinia templis | concertant, tectique auro iam vescimur auro ; Sen. contr. 2,1,12 aeris ferrique usus, iam auri quoque, in extruendis et decorandis domibus ; Sen. dial. 12,10,7 tecta sc. maiorum nondum auro fulgebant ; ep. 90,9 lacunaria auro gravia ; 114,9 in ipsas domos inpenditur cura, … ut parietes … marmoribus fulgeant, ut tecta varientur auro, ut lacunaribus pavimentorum respondeat nitor ( „Sorgfalt investiert man in die Häuser, dass die Wände von Marmor blitzen, die Dächer von Gold leuchten, die Kassettendecken sich im Schimmer der Böden spiegeln“ ); Phaed. 497f. trabes multo … suffigit auro ; Lukan 1,163 non auro tectisve modus ; Plin. nat. 33,57 laquearia … nunc et in privatis domibus auro teguntur … camaras ( „Gewölbe“ ) quoque et parietes … tamquam vasa inaurantur ; Stat. silv. 1,3,3537; Tac. ann. 15,42,1 ( s. unten ). Wohlwollend mustert Encolpius Oeno-

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theas bescheidenes Heim ( 135,8,1 non Indum fulgebat ebur, quod inhaeserat auro eqs.). Denkbar ist zudem eine Anspielung auf Neros Domus Aurea ( so zuerst wohl DE SALAS 238 ad loc. und BOURDELOT ap. BURMAN 736 ; s. auch SCHMELING – SETAIOLI ad loc.: „If the poem was written after 64, no reader would fail to think of the Domus Aurea.“ ), die ihren Namen aus gutem Grund trug ( cf. Tac. ann. 15,42,1 exstruxit … domum, in qua haud proinde gemmae et aurum miraculo essent, solita pridem et luxu volgata eqs.; Suet. Nero 31,2 in ceteris partibus sc. domūs aureae cuncta auro lita ( „überzogen“ ), distincta gemmis unionumque conchis erant ; s. auch Ps.-Sen. Oct. 624 f. auro tegat … aulam, und R. FERRI bzw. A.J. BOYLE ad loc.; Plin. nat. 33,54 ; FRIEDLÄNDER II, 1922, 335f.; M. MORFORD, The distortion of the Domus Aurea tradition: Eranos 66, 1968, 158-179 ). Zu der vornehmlich spätantik belegten Konstruktion aedificare mit dem Abl. des Materials ( cf. PETERSMANN 96; unwahrscheinlich ist ein abl. pretii ) cf. Vitruv 6,8,9 saxo quadrato … aedificare ; Curt. Ruf. 5,7,5 multā cedrō aedificata erat regia ; Ulpian dig. 6,1,39 suis cementis aedificant ; Papinian dig. 33,10,9,1 lectum viventis arboris truncis aedificatum ; AT Jesaias 9,10 Vulg. quadris lapidibus aedificabimus ( mit abl. modi Amm. Marc. 24,5,1 regia Romano more aedificata ); Thes. I, 924,21-25. In der alliterierenden Verbindung mit auro erscheint es nur hier. Zur prosaischen Qualität des Verbs cf. GUIDO 1976, 130f. ad loc. – POLETTI 2017, 159 konstruiert den Vers anders: „Con l’oro edificano e slanciano le abitazioni fino alle stelle.“ 87 sedesque ad sidera mittunt : „und türmen Paläste zu den Sternen“ ( SCHÖNBERGER ). Diese Klage überrascht auf den ersten Blick. Kaum infrage als Symbole des urbanen Luxus kommen die Mietskasernen in Roms Subura, in Ostia und Puteoli, die bis zu sechs Stockwerke erreichten ( cf. Juv. 10,105 f.; Gell. 15,1,2 insulam … multis arduisque tabulatis editam ; zum Gefahrenpotential dieser Billigarchitektur, nicht zuletzt dank der tanta altitudo aedificiorum, cf. Sen. contr. 2,1,11; Juv. 3,197-202; allgemein FRIEDLÄNDER I, 1922, 5f.; A. WOTSCHITZKY, Hochhäuser im antiken Rom, in: R. Muth ( Hrsg.), Natalicium C. Jax (…) oblatum. Pars I, Innsbruck 1955, 151-158; Ch. HÖCKER, DNP 5, 1998, 208f. ). Das höchste Gebäude der griechisch-römischen Antike wiederum, das ‚Weltwunder‘ von Pharos, der vielleicht über hundert Meter hohe Leuchtturm ( cf. Ach. Tat. 5,6 ; Ch. HÖCKER, DNP 7, 1999, 98 ), blieb ebenso singulär wie die Cheopspyramide mit ihren ursprünglich 146,6 Metern ( cf.

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Prop. 3,2,19 pyramidum sumptūs ad sidera ducti ; Anth. Lat. 417,3 R. == 415,3 Sh.B. Pyramidas … ausas vicinum attingere caelum ). Die repräsentativen Wohnhäuser der römischen Oberschicht wiederum ( cf. OLD s.v. sedes 4 ab), ob nun in Rom oder in der Provinz, maßen selten mehr als zwei Stockwerke und ernteten eher für ihre ausufernden Dimensionen Kritik ( cf. S. 1025, Punkt 2 ). Auch die hohen Atrien mit ihrer Traufhöhe von bisweilen elf Metern sind kaum gemeint, die gegen Ende der Republik in großen Stadtpalästen in Mode kamen ( cf. Hor. c. 3,1,45f. novo | sublime ritu … atrium ; Vitruv 6,5,2; Plin. nat. 36,6 ). Doch gab es offenkundig spektakuläre Ausnahmen. Seneca kritisierte den Höhendrang zeitgenössischer Architektur ( u.a. ep. 90,7 has machinationes tectorum supra tecta surgentium, „diese Anlagen von Dächern, die Dächer überragen“ ). Seinen Ärger erregten v.a. Gebäude, die exponiert auf Bergen errichtet wurden oder – nicht zuletzt dank ihrer Türme und Dachgärten, und ähnlich hyperbolisch wie hier – im Flachland ‚Bergeshöhe‘ erreichten (ep. 89,21 omnibus licet locis tecta vestra resplendeant, aliubi inposita montibus in vastum terrarum marisque prospectum, aliubi ex plano in altitudinem montium educta eqs.; 122,8 pomaria in summis turribus serunt … silvae in tectis domuum ac fastigiis nutant ; dial. 12,9,2 quo altius turres sustulerint eqs.; Phaed. 1128-31 admota aetheriis culmina sedibus eqs.; Ag. 92 f. nubibus ipsis inserta caput | turris eqs., und R.J. TARRANT ad loc.; s. auch Prop. 3,21,15: die ‚Skyline‘ Roms dominieren die turres ; Plin. ep. 2,17,12 f.; P. GRIMAL, Les jardins romains, Paris 1943, 276 f.). Seneca hatte wohl v.a. Roms bekanntesten ‚Wolkenkratzer‘ im Sinn, die turris Maecenatiana, Maecenas’ großen Stadtpalast auf dem Esquilin, von dessen Dachterrasse aus Nero angeblich das brennende Rom besang (cf. Hor. c. 3,29,9-12, bes. 10 molem propinquam nubibus arduis ; Suet. Nero 38,2; Porphyrio Hor. c. 3,29,6-8 turrim Maecenas dicitur in hortis suis extruxisse, unde haec omnia prospectabat ; A. KAPPELMACHER, RE XIV 1, 1928, 215 f.; Y. PERRIN, Turris Maecenatiana : Latomus 55, 1996, 399-410 ). Was in Senecas Kritik allenfalls im Hintergrund mitschwingt, klingt hier ( auch dank der Alliteration ) vernehmlicher an: die himmelstürmenden Giganten ( cf. S. 1033, und S. 1218f. zu BC 208; so bereits STÄRK 1995, 83; POLETTI 2017, 277 zitiert Ov. met. 1,152f. adfectasse ferunt regnum caeleste Gigantas | altaque congestos struxisse ad sidera montes ; fast. 5,39f. exstruere hi montes ad sidera summa parabant eqs.) – und die menschliche Hybris, die nach den Sternen greift (cf. Hor. c. 1,3,37 f. nil mortalibus ardui est : | caelum ipsum petimus stultitiā ; laut POLETTI 2017, 278 unterstreicht die Paronomasie sedes – sidera Roms Anstrengung, „den Sternen gleichzukommen“ ).

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ad sidera mittunt : Die Hyperbel ‚bis zu den Sternen‘ erscheint wiederholt in den Ekphraseis flavischer Dichter. Domitians Palast auf dem Palatin „ragt hinein in den Äther“ und „berührt mit seinem Giebel die Gestirne“ ( Mart. 8,36,7-12 aethera sic intrat eqs.; ebd. 11 vertice sidera pulsat ; cf. Stat. silv. 3,4,47-49 Latii montes …, quos mole novā … excolit et summis aequat Germanicus astris ). Dies gilt auch für den von Domitian restaurierten Kapitolinischen Tempel ( Sil. Ital. 3,623f. aurea Tarpeiā ponet Capitolia rupe | et iunget nostro templorum culmina caelo ). Auch Rufins Palast greift nach den Sternen ( Claudian c. 5,136 prolata … ad sidera moles ), oder ein Belagerungsturm ( Sil. Ital. 14,300-302 turris multiplici surgens ad sidera tecto eqs.). S. auch Verg. Aen. 2,460 f. turrim … summis … sub astra | eductam tectis ( Priamos’ Palast ); Mart. 4,64,9 f. puris leniter admoventur astris | celsae culmina … villae. „Fast an die Pleiaden“ rührt ein von Antipatros von Sidon besungenes Grabmal ( A. P. 7,748,4 == HE 413 ἑπταπόρων ἀγχόθι Πληιάδων ). S. auch HARDIE 1986, 291f. Die Junktur ad sidera mittere zeigt eine Richtung an ( cf. Manil. 4,906 f. ad sidera mittit | sidereos oculos ; Stat. Theb. 12,521f. missus … ad sidera vulgi | clamor ), aber auch ein ‚reales‘ Ziel ( cf. Manil. 4,934 facit ipse sc. homo deos mittitque ad sidera numen, von Caesars und Augustus’ Apotheose; Juv. 11,63 flammis ad sidera missus, von Hercules ) – wie hyperbolisch hier ( s. auch A.S. PEASE ad Verg. Aen. 4,177 inter nubila ). Ätherische Höhen erreicht auch der Alpenpass ( BC 146f. hunc … hiemps … ad sidera … tollit ). – Zu sidera als Synekdoche für caelum cf. S. 1329. 88 expelluntur aquae saxis : „von Quadern verdrängt wird die See“. Ein Zement aus Sand, gebranntem Kalk und feinem Schotter (caementum ), das seit dem 3. Jh. v.Chr. verwendete opus caementicium, erlaubte als wandlungsfähiges Baumaterial römischen Ingenieuren und Architekten eine Vielzahl neuer Konstruktionen. Mit vulkanischen Aschen wie pulvis Puteolanus vermischt, härtete er auch unter Wasser aus und ermöglichte den Bau gewaltiger Dämme und Molen ( cf. Vitruv 2,6,1; 5,12,2 f.; Strabo 5,4,6 == vol. II p. 106,27-31 Radt ; Sen. nat. 3,20,3; Plin. nat. 35,166 ; H.-O. LAMPRECHT, DNP 8, 2000, 1274 -76). Ein Paradebeispiel aus augusteischer Zeit bot die Mole von Puteoli, die über 370 m weit ins Meer ragte ( in einer Breite von gut 15 m ) und mit Säulen und Triumphbögen geschmückt war ( cf. Antiphilos A.P. 7,379 == GP 797-802 ; Philippos A.P. 9,708 == GP 3015-22, bes. 3 f. Δικαιάρχεια διηπείρωσε θάλασσαν | καὶ βυθὸν εἰς χέρσου σχῆμα μετεπλάσατο,

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„Puteoli verwandelte die See in Festland und verlieh der Tiefe das Aussehen festen Grunds“; NEUMEISTER 2005, 25-28 ). Diese technische Innovation kam Bauherren zugute, die ihre Villen ins Meer hinaus erweiterten: „Häuser errichtest du und mühst dich, die Küstenlinie der See, die gegen Baiae brandet, hinauszuverlegen, nicht reich genug an festem Ufersaum“ ( Hor. c. 2,18,19-22 struis domos | marisque Bais obstrepentis urges | submovere litora, | parum locuples continente ripā, und NISBET – HUBBARD ad loc.; 3,1,33-37 contracta pisces aequora sentiunt | iactis in altum molibus: huc frequens | caementa demittit redemptor | cum famulis dominusque terrae | fastidiosus ; 3,24,3f. caementis licet occupes | terrenum omne tuis et mare publicum, und NISBET – RUDD ad loc.). Für Pollius’ Villa bei Sorrent ringt man dem Meer sogar ein Wäldchen ab ( Stat. silv. 2,2,55 f. ubi nunc nemora ardua cernis, | hic nec terra fuit ; s. auch Lukan 10,486-488 über den Palast in Alexandria: se | protulit in medios audaci margine fluctūs | luxuriosa domus ). Eine Villa mitten im Meer erwähnt Rutilius Namatianus ( 1,527f. villa … latet expulsis insula paene fretis, „das Landhaus liegt verborgen, fast schon eine Insel, auf den vertriebenen Fluten“ ). Zeitgenössische Stimmen mokieren sich über diesen Trend, nicht selten ( wie hier ) verbunden mit Kritik an einem verwandten Phänomen, der Anlage künstlicher Seen und ‚Meere‘ an Land ( s. das folgende Lemma ); e.g. Manil. 4,263 f. litoribus … novis per luxum illudere ponto | et varios fabricare lacūs et flumina ficta ( „mit neuen Küsten die See zu narren dem Luxus zuliebe, und verschiedene Arten künstlicher Seen und Gewässer anzulegen“ ); Sen. contr. 2,1,13 ( zit. S. 1033 ); 5,5 maria proiectis molibus submoventur ; Sen. dial. 3,21,1 terras transferre, maria concludere ; 9,3,7 incipiemus … mare summovere et aquas contra difficultatem locorum educere ; ep. 89,21 ubicumque in aliquem sinum litus curvabitur, vos protinus fundamenta iacietis, nec contenti solo nisi quod manu feceritis, mare agetis introrsus ( „wo immer sich die Küste zu einer Bucht krümmt, legt ihr flugs Fundamente, und nur zufrieden mit Land, das ihr mit eigener Hand erschaffen habt, drängt ihr das Meer zurück“ ); Plin. nat. 2,157 in maria iacitur sc. terra aut, ut freta admittamus, eroditur ; Sidonius carm. 2,57-61 itur in aequor | molibus et veteres tellus nova contrahit undas eqs.; Cassiodor var. 9,6,4 quantis ibi molibus marini termini decenter invasi sunt ! quantis spatiis in visceribus aequoris terra promota est ! ( eqs.). Vom Gegensatzpaar ‚das Meer bebauen, Berge abtragen‘ spricht Sallust ( Cat. 13,1 subvorsos montīs, maria constrata esse ; 20,11 divitias …, quas profundant in extruendo mari et montibus coaequandis ). Fasziniert zeigt sich Faust : „Erlange dir das köstliche Genießen | das herrische Meer vom Ufer auszuschließen, | der feuchten Breite Grenzen zu verengen | und, weit hin-

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ein, sie in sich selbst zu drängen.“ ( GOETHE, Faust II, 10228-31 ; cf. 11091-94 ). Die Junktur aquas expellere kehrt noch einmal bei Plinius wieder ( ep. 5,6,37 expulsa in altum sc. aqua in se cadit ; cf. Thes. V 2, 1635,26-28 ). Für verwandte Formulierungen cf. Ov. ars 3,126 caeruleae mole fugantur aquae ; Sen. Phaed. 1027 summum cacumen rorat expulso sale ( „die Spitze der Klippen trieft von der hochgeschleuderten Salzflut“ ); Thy. 459 f. retro mare | iactā fugamus mole ( „… mit aufgeworfenen Dämmen“ ); Plin. nat. 4,75 mare … ab Europa porrecto … litore expulsum ; Rutilius Namatianus 1,527f. ( oben zit.); s. auch Lukan 9,323 illato confregit litore pontum („mit dem aufgetürmten Gestade brach der Südostwind in den Syrten die See“ ). 88 mare nascitur arvis : „Meer entsteht auf den Feldern“. In der Kaiserzeit gab es Schwimmbecken, die unmittelbar ans Meer grenzten ( Sen. ep. 122,8 fundamenta thermarum in mari iaciunt ). Wiederholt ließen Roms Caesaren künstliche Seen anlegen, um auf ihnen berühmte Seeschlachten nachzuspielen ( so Caesar temporär auf dem Marsfeld, Augustus permanent in Trastevere; cf. Stat. silv. 4,4,6 stagnum navale, und K. COLEMAN ad loc.; Tac. ann. 12,56,1; Suet. Iul. 39,4 ; Dom. 4,2; COLEMAN 1993; dies. 2006, LXXIII ; ferner FRIEDLÄNDER II, 1920, 92-94 ; zu Wasserspielen im Kolosseum cf. Mart. spect. 27(24), bes. 4 par unda fretis : hic modo terra fuit, und K. COLEMAN ad loc.). Zu Neros Domus Aurea gehörte ein stagnum maris instar, circumsaeptum aedificiis ad urbium speciem ( Suet. Nero 31,1). Die meisten dieser Beispiele sprengen freilich den Zeitrahmen der späten Republik. Es geht auch kaum um den Hafenbau ( cf. Hor. ars 63f. receptus terrā Neptunus ) oder ( anachronistisch ) um zwei megalomane Projekte Neros, die Kanäle zwischen Misenum und dem Averner See bzw. dem Averner See und Ostia ( Tac. ann. 15,42,1; Suet. Nero 31,3; sed cf. POLETTI 2017, 276: Dis hätte allen Grund, sich über die beiden Vorhaben zu echauffieren, die mit dem Averner See auch ‚sein Reich‘ in Angriff nahmen ). Am ehesten zielt das lapidare Paradoxon ( zur Formulierung cf. Manil. 3,21 immissum … fretum terris, von Xerxes’ Kanal durch den Athos; s. auch den Fluch App. Verg. Dirae 50f. migret Neptunus in arva | fluctibus eqs.) auf die mit frischem Meerwasser gespeisten Beckenanlagen, in denen ein Lucullus und andere Besitzer großer Luxusvillen der Fischzucht frönten; cf. Varro rust. 3,17,9 Luculli sc. piscinae, posteaquam perfodisset montem ac maritumum flumen inmisisset in piscinas eqs. ( und D. FLACH ad loc.); Hor. c. 2,15,24 undique latius | extenta visentur Lucrino | stagna lacu, „allenthalben werden

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weiter sich erstrecken unseren Blicken als der Lucrinersee die Zierteiche“ ( übers. B. KYTZLER ; cf. NISBET – HUBBARD ad loc.); Tib. 2,3,45 f. claudit et indomitum moles mare, lentus ut intra | neglegat hibernas piscis adesse minas ( und K.F. SMITH ad loc.); Vell. Pat. 2,33,4 ; Sen. contr. 5,5 navigabilium piscinarum freta ; Sen. ep. 89,21 mare agetis introrsus ; 90,7; Colum. 8,16; Mart. 10,30,1624 ; TOYNBEE 1983, 200-203; NEUMEISTER 2005, 96-99. POLETTI 2017, 278f. erinnert das paradoxe nascitur arvis an eine ‚spontane Genese‘ ( er zitiert Catull 62,49 vitis … nascitur arvo ; Mart. 1,105,1f. in Nomentanis … nascitur arvis [ γ : agris β ] … merum ; s. auch Plin. nat. 25, 102 u.ö. nascitur in arvis ). Die synonymen Subjekte aquae – mare ( ‚Meer‘ ) sind mit passiven Prädikaten verbunden ( negativ : expelluntur ; positiv : nascitur ); beide Vershälften beginnen mit einem dezenten Chiasmus ( expelluntur aquae – mare nascitur ) und enden mit einem Ablativobjekt in dezentem Binnenreim ( abl. instr.: saxis ; abl. loci: arvis ); die alliterierenden Elemente See – Festland ( aquae – arvis ) runden das Ganze ab. Der Vers gehört zu den elegantesten des BC. 89 et permutatā rerum statione rebellant : „und indem sie die natürliche Ordnung der Elemente auf den Kopf stellen, stiften sie Chaos.“ Das zuerst in augusteischer Zeit belegte, gern absolut gebrauchte rebellare ( im BC stets am Versende) hat im Wesentlichen zwei Bedeutungen: „e r n e u t k ä m p f e n , den Kampf wieder aufnehmen“ ( fehlt im OLD ; Thes. XI 2, 256,9-12: „vi originaria i.q. bellum renovare et inde fere i.q. bellando surgere contra victores belli prioris eqs.“ ); u.a. Liv. 4,26,5 saepe victi populi … rebellarant ; Ov. met. 9,81 tauro mutatus membra rebello (~ „in einen Stier verwandelt …“; cf. F. BÖMER ad loc.); Sen. Oed. 106f. callidi monstri cinis | in nos rebellat ( von der Sphinx ); Tro. 956 ; ep. 69,4 cito rebellat adfectus ( wer schlechte Gewohnheiten besiegen will, muss auf der Hut sein; denn „schnell beginnt die Sucht zurückzuschlagen“ ), aber auch „ a u f b e g e h r e n , sich auflehnen, r e b e l l i e r e n “; cf. OLD s.v., BC 105 f. ira rebellat | pectore in hoc ; 287 lacerata … tecta rebellent, und u.a. Liv. 2,42,3 patres … rebellantes Volscos … vicēre ; Sen. Ag. 138 pudor rebellat ( Klytaimnestras „Schamgefühl rebelliert“ gegen ihren Mordplan ); Lukan 3,366 qui vinci potuere rebellant ( „die konnten niedergeworfen werden, die Widerstand leisten“ ); Plin. nat. 13,81; Mart. 9,11,12 tu, syllaba contumax, rebellas ( der Name Ĕărĭnos gegen das Versmaß ). Doch wer ist das Subjekt von rebellant ? Sind es die eben genannten Elemente, M e e r u n d F e s t l a n d ( aquae bzw. arva )? Rebelliert die Na-

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tur, weil äonenlange Prozesse ( cf. Ov. met. 15,262f. : vidi ego sc. Pythagoras, quod fuerat quondam solidissima tellus, | esse fretum, vidi factas ex aequore terras ) jetzt wie im Zeitraffer ablaufen und die Welt aus den Fugen ist ( so u.a. WERNSDORF 1782, 37; cf. GRIMAL : „l’ordre des choses bouleversé, les éléments se révoltent“ )? Oder sind es die R ö m e r ( wie u.a. 87 aedificant ; mittunt ; 90 petunt ; so u.a. WALSH : „Rebellious mortals now change Nature’s face“; HOLZBERG : „und sie stiften Aufruhr, indem sie den Standort der Dinge verändern“; s. auch Thes. XI 2, 257,31-33 ad loc.)? Die erste Deutung harmoniert mit dem gängigen Gebrauch von rebellare. Doch nirgendwo sonst ist in dem Text von einer Revolte der Natur die Rede ( anders bei Lukan, wo die über den kommenden Bürgerkrieg empörte Natur die eigenen Gesetze ‚aushebelt‘ : 2,2-4 legesque et foedera rerum | praescia monstrifero vertit natura tumultu | indixitque nefas ) – während zwischen den Zeilen des öfteren das Leid der Natur spürbar wird ( cf. u.a. BC 12 Arabum populus sua despoliaverat arva ; 14 f. Hammon … excutitur ; 3638 Phasidos unda | orbata est avibus eqs.). Die zweite Deutung passt besser ins Gesamtbild ( und zum Fortgang des Arguments, BC 90-93 : nicht einmal die Unterwelt ist sicher vor Roms Hybris ) – auch wenn die aus dem Kontext zu erschließende präzise Verwendung von rebellare keine Parallele hat : „C h a o s s t i f t e n “ o.ä. ( fast rebellant in rerum stationem, „die Römer rebellieren, lehnen sich auf gegen die Naturgesetze“ ) – passend zu der BC 87 anklingenden Gigantomachie ( s. auch Cic. Cato 5 quid est enim aliud Gigantum modo bellare cum dis, nisi naturae repugnare ?, „denn wider die Natur streiten, was heißt das anderes als nach Gigantenart gegen die Götter Krieg zu führen ?“; nat. 2,152 nostris … manibus in rerum naturā quasi alteram naturam efficere conamur, „mit unseren Händen versuchen wir, inmitten der Natur gleichsam eine neue Natur zu erschaffen“ ). Von dieser ‚verkehrten Welt‘ spricht bereits Papirius Fabianus: „Selbst an den Küsten errichten sie Mauerwerk, und indem sie Erdreich im Meer versenken, nivellieren sie Buchten; andere leiten mit Gräben die See aufs Land. So sehr wissen sie nichts Echtes zu genießen, sondern in ihrem Wahn dienen ihnen Land oder Meer nur an Orten zum trügerischen Vergnügen, die ihrer Natur entfremdet sind.“ ( ap. Sen. contr. 2,1,13 litoribus quoque moles invehuntur congestisque in alto terris exaggerant sinūs ; alii fossis inducunt mare sc. in terram : adeo nullis gaudere veris sciunt, sed adversum naturam alieno loco aut terră aut mare mentită aegris oblectamenta sunt ).

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Zum Inbild dieser Geisteshaltung wurde Xerxes, der den Hellespont mit einer Brücke überspannen und den Athos durchstechen ließ ( suas. 2,3 maria terrasque, rerum naturam statione mutavit suā, „Meere und Länder, ja die Natur selbst vertrieb er von ihrem angestammten Platz“ ). Xerxes „revolutionierte die Natur“ ( Philo somn. 2,117 καινουργῶν τὴν φύσιν ) und „verwandelte die Beschaffenheit von Erde und Meer, indem er Festland mit der See vertauschte, und die See mit Festland“ ( ebd. 2,118 γῆν … μετεστοιχείου καὶ θάλατταν, ἀντιδιδοὺς πελάγει μὲν ἤπειρον, ἠπείρῳ δὲ πέλαγος ; s. auch Manil. 5,49 nec pelagus Xerxes facietque tegetque ; Anth. Lat. 239,7f. R. == 232,7f. Sh.B. quis novus hic dominus terramque diemque fretumque | permutat ? ). Neros Baumeister Celer und Severus erhoben den Kampf gegen die Natur zum Programm ( cf. Tac. ann. 15,42,1 magistris et machinatoribus Severo et Celere, quibus ingenium et audacia erat etiam, quae natura denegavisset, per artem temptare ). Auch Statius feiert den römischen Bauherrn, der die Natur unterwirft und ‚zivilisiert‘ ( silv. 2,2,52-62 his favit natura locis, hic victa colenti | cessit et ignotos docilis mansuevit in usūs. | mons erat hic, ubi plana vides, et lustra fuerunt | quae nunc tecta subis ; ubi nunc nemora ardua cernis, | hic nec terra fuit eqs., und H.-J. VAN DAM 227f. ad loc.; s. auch Plin. nat. 36,123-125 ). Anders das BC, das einen Grundgedanken der Konsumkritik aufgreift : Luxus verstößt gegen die natürliche Ordnung, die der Gesellschaft wie die der Welt insgesamt. Ähnlich äußert sich Seneca (ep. 122,6-10, bes. § 8, untermalt von dem Refrain contra naturam vivere ): non vivunt contra naturam, qui pomaria in summis turribus serunt ? quorum silvae in tectis domuum ac fastigiis nutant …? non vivunt contra naturam, qui fundamenta thermarum in mari iaciunt et delicate natare ipsi sibi non videntur, nisi calentia stagna fluctu ac tempestate feriantur ? ( „… und der Meinung sind, nur dann mondän zu baden, wenn Wogen und Wetter ihren warmen Pool peitschen ?“ ). Das BC führt den Gedanken noch einen Schritt weiter : der Krieg gegen die Natur wird zum Vorboten des Bürgerkriegs ( s. auch Cic. fam. 4,13,2 : der Bürgerkrieg ist nichts weniger als die vis et mutatio omnium rerum atque temporum ). permutatā … statione : Das in den Sat. beliebte Intensivum permutare heißt hier weniger „völlig verändern, verwandeln“ ( OLD s.v. 7; cf. 102,13 permutato colore, und Bd. I, S. 365 ad loc.) als „(zwei Dinge) austauschen, vertauschen, durcheinanderbringen“ ( OLD s.v. 6, bes. c : „to reverse (an order, scheme, etc.)“, d : „to turn (a thing ) the other way round ; ( transf.) to turn (a system) topsy-turvy“ ), und e.g. Sat. frg. 44,9 f. M.4 == Anth. Lat. 690,9f. R. non uno contenta valet natura tenore, | sed permutatas gaudet habere vices ( „die Natur begnügt sich zu ihrem Erhalt nicht mit e i n e r Methode der

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Fortpflanzung, sondern sie freut sich, über höchst verschiedene Wege zu verfügen“ ). Der spondeische Auftakt ( et permutatā re-) verleiht dem PPP Gewicht. Der meist militärische Begriff statio ( cf. 102,5 unum nautam stationis perpetuae … iacēre in scaphā ) hat hier die höchst seltene Bedeutung „the position normally or properly occupied by a thing“ ( OLD s.v. 2 c ; cf. die Parallele Sen. suas. 2,3, oben zit.; Sen. benef. 6,22: beim Weltende omnia ista … in custodiam universi disposita stationes suas deserant … et ruptā rerum concordiā in ruinam divina labantur ( zit. POLETTI 2017, 279 ); s. auch Lukan 4,126 servato … loco rerum : nach einem Sturm kehren die Elemente an ihren Platz zurück ). Verwandt ist Senecas Formel nova rerum positio ( nat. 5,15,4 : im Erdinnern herrsche eine „neue Ordnung der Dinge“, eine ‚verkehrte Weltordnung‘ ). – Permutatā … statione ist eher abl. instr. als ein kausaler oder modaler Abl. abs. 90 en : „Hier …“. Zu der ‚visuellen‘, aus dem Griechischen übernommenen Interjektion ēn cf. OLD s.v. 2: „( calling attention to a thing, visible or otherwise ) observe ! see ! behold !“, ferner 115,10 en homo quemadmodum natat ; frg. 34,3 M.4 == Anth. Lat. 472,3 R. == 470,3 Sh.B. en etiam eqs.; PETERSMANN 110. Hier hat sie den Unterton der Empörung ( cf. Donat ad Ter. Phorm. 348: ‚en‘ vim habet indignationis post enarratam iniuriam ; R.G. AUSTIN ad Verg. Aen. 4,534 : „its force … is a mixture of exasperation and despair“ ). 90 etiam mea regna petunt : „sogar auf mein Reich haben sie es abgesehen ! “ Die fundamentalste Grenzverletzung der Römer – noch vor dem Himmelssturm (87 ) und dem Verwischen der horizontalen Demarkierungen (88) – ist ihr Vordringen in die Tiefe und der drohende Kontakt mit dem Hades ( s. auch POLETTI 2017, 281 : „una profonda perturbazione dell’ordine cosmico“ ). Zu dem verbreiteten Plural regna für die „Unterwelt“ cf. BC 95 nostris da funera regnis ; 116 terrarum sitientia regna tuarum, und e.g. Hor. c. 2,13,21 furvae regna Proserpinae ; Verg. Aen. 6,269 inania regna ; Sen. Ag. 752 regna Ditis ( zum poetischen Plural allgemein cf. P. MAAS, Kleine Schriften, München 1973, 527-585 ( zuerst 1902 ); LÖFSTEDT I, 27-65 ). Die Junktur regna petere verwendet bereits Lukan für den Hades ( 1,454-456 umbrae | non tacitas Erebi sedes Ditisque profundi | pallida regna petunt, zur Eschatologie der gallischen Druiden).

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Vergils poetischer Plural mea regna ( das verarmte ländliche ‚Reich‘ des Hirten Meliboeus, ecl. 1,69; cf. LÖFSTEDT I, 54 Anm. 1 ) kehrt bei anderen Augusteern wieder, aber auch in der flavischen Epik. Bisweilen hat er eine verspielte Qualität, wie in Vergils Bukolik oder bei Properz ( 2,16,28 felix nunc mea regna tenet, nämlich ein Rivale die Geliebte des Dichters ; 4,7,5 f. lecti frigida regna mei, nach Cynthias Tod ), in der Regel aber seine volle Bedeutung ( u.a. Verg. Aen. 2,543 : Priamos’ Troja ; Ov. her. 6,5: Hypsipyles Reich ; 16,324 ; fast. 5,261; Sil. Ital. 15,535 ). Auch Statius’ Dis verwendet ihn für den Hades ( Theb. 8,75 ne sola furor mea regna lacessat ). Petere oszilliert hier zwischen „to seek to obtain ( something desirable ), aim at, strive after“ ( OLD s.v. 7 a ), „to go in quest for, hunt out, search for“ ( ebd. 5 ) und v.a. „to make for with hostile intent, go for, attack“ ( ebd. 2 a ; cf. BC 161 Gallos iterum Capitolia nostra petentes ). 90-92 perfossa dehiscit | molibus insanis tellus, iam montibus haustis | antra gemunt : „Ausgeschachtet in aberwitzigen Massen klafft die Erde, schon ächzen in ausgeweideten Bergen die Stollen.“ Der erste Satz gilt womöglich dem Tagebau; eher aber beschreiben beide Sätze den Bergbau untertage, der mit hohem Aufwand in die Tiefe vordringt ( cf. 128,6,2f. effossa … protulit aurum | in lucem tellus ). Nach alter Vorstellung war ursprünglich jede Art Bergbau unbekannt ; die Bodenschätze schlummerten verborgen im Erdreich ( e.g. Hor. c. 3,3,49f. aurum, irrepertum et sic melius situm | cum terra celat, und NISBET – RUDD ad loc.; Manil. 1,75 in desertis habitabat montibus aurum ; Sen. benef. 7,10,2; Mart. 12,62,4 scissa nec ad Manes, sed sibi dives humus, einst „war das Erdreich nicht aufgerissen bis zu den Toten, sondern wahrte seinen Reichtum“ ). Erst das ‚eiserne‘ Zeitalter dringt ein in die ‚Eingeweide‘ der Erde ( in den Texten meist viscera ; 92 gemunt erinnert an ein Lebewesen – und damit an das alte Bild von der geschundenen Mutter Erde, der die Bergleute Gewalt antun ; zu Tellus’ ‚Klagelied‘ s. auch BC 114 tua, Nile, gementia claustra ; TH 34 pulsum … marmor … gemit ), und entreißt ihr ihre Schätze. Die Menschen öffnen damit gleichsam die Büchse der Pandora: mit Gold, Silber, Edelsteinen, v.a. aber mit dem Eisen halten Habgier, Mord und Krieg Einzug in eine einst glückliche Welt. Gerade das Gold weckt die Gier, und es kommt zu tödlichen Konflikten, ausgetragen mit metallenen Waffen: ein Teufelskreis beginnt. Römische Autoren kommen auf das Thema meist kritisch zu sprechen; cf. u.a. Lucr. 6,808 f. argenti venas aurique secuntur, | terrai penitus scrutantes abdita ferro eqs.; Catull 66,48-50; Ov. am. 3,8,35-38; met. 1,138-140 itum est in

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viscera terrae | quasque recondiderat sc. terra … effodiuntur opes, inritamenta malorum ; Manil. 5,522-526 ; Sen. benef. 7,10,2 video ferrum ex isdem tenebris esse prolatum, quibus aurum et argentum, ne aut instrumentum in caedes mutuas deesset aut pretium ; nat. 1,17,6 ; 5,15,3 f. quae tanta necessitas hominem ad sidera erectum incurvavit et defodit et in fundum telluris intimae mersit, ut erueret aurum non minore periculo quaerendum quam possidendum ? eqs.; ep. 94,56 f.; Ps.-Sen. Oct. 416418 in parentis viscera intravit suae | deterior aetas. eruit ferrum grave | aurumque, saevas mox et armavit manūs ; App. Verg. Aetna 276-278 + 258f.; Plin. nat. 2,158f. penetramus in viscera, auri argentique venas et aeris ac plumbi metalla fodientes … omnes hi opulentiae exitūs ad scelera caedesque et bella tendunt eqs.; 36,1f.; Sil. Ital. 1,232f. visceribus lacerae telluris mergitur imis | et redit infelix effosso concolor auro. Zu perfodere cf. OLD s.v. 4 : „to dig into, make a hole in“ ( und Sat. 33,1 pinnā argenteā dentes perfodit ; s. auch Manil. 4,396: zu den Goldadern gelangt man nur perfossis montibus ; zu dem verwandten effodere zitiert POLETTI 2017, 285 Cyprian Demetr. 3 de ecfossis et fatigatis montibus eruuntur marmorum crustae ; Claudian carm. min. 30,75f. effossis … pallidus Astur oberrat | montibus, „der bleiche Asturier irrt umher in ausgehöhlten Bergen“ ). – Haurire in der Bedeutung „to hollow or empty out“ ( OLD s.v. 4 b ) ist nur spärlich belegt ( cf. Ov. met. 11,187 terrae … immurmurat haustae sc. famulus Midae; Stat. silv. 4,3,43 haustas … fossas, vom Straßenbau ). Zum Unterton hier, „verletzen, durchbohren“ ( OLD s.v. 3ab ), cf. e.g. Sen. Ag. 890 haurit … latus ( Aegisth Agamemnons Brust ), und R.J. TARRANT ad loc. Montibus haustis ist kaum abl. caus. ( so u.a. STUBBE : „… über ausgeschöpfte Berge klagen jetzt Höhlen“ ), eher ein temporaler abl. abs. ( „nachdem …“ ), wahrscheinlich aber schlicht ein abl. loc. ( cf. CONNORS 1995, 164 : „in mined mountains caves moan“ ). Das starke Hyperbaton ( perfossa … tellus ) bildet die klaffende Erde ab ( cf. BC 9 f. in imā | quaesitus tellure nitor ). Dehiscit … tellus und antra gemunt stehen chiastisch; Paronomasie ( molibus – montibus ). molibus insanis : Drei Verwendungen kommen für die mehrdeutigen mōlēs in Betracht : 1.) „Unternehmen, Unterfangen, Wagnis“ ( cf. OLD s.v. 6: „a vast undertaking or enterprise“; s.v. 8: „effort, exertion, trouble“; so e.g. ERNOUT : „la terre s’ouvre, minée par des traveaux insensés“ ). Doch „kommt (es) hier gerade auf die Riesenmassen an, durch deren Ausschöpfung die Erde ausgehöhlt wird, nicht auf die damit verwandten Arbeitsmühen“ ( STUBBE 120 ).

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2.) „Bauwerk, Struktur“ ( cf. OLD s.v. 3 a: „a massive structure or building, pile“, und e.g. Cic. Mil. 85 substructionum insanis molibus, „unter den aberwitzigen Massen der Stützmauern“, mit derselben Junktur ; Sen. ep. 90,25 lapideas moles, verbaute „Steinmassen“ ), also „durchbohrt von wahnwitzigen Konstruktionen ( i.e. Schächten und Stollen ) klafft die Erde“. 3.) „Brocken, Felsblock, Masse, Halde“ (cf. OLD s.v. 1 a: „a large mass, lump“; s.v. 2 b: „a rock, boulder“ ); so e.g. BALDWIN 1911, 156: „( hollowed ) by the removal of enormous masses of rock“; SCHMELING – SETAIOLI : „heaps of earth produced by digging ( or giant machines ).“ Eine vage Parallele liefert Sen. ep. 94,57 nos et causas periculorum nostrorum et instrumenta disiecto terrarum pondere eruimus ( cf. Amm. Marc. 17,7,13 sursum propellunt immanissimas moles, manche Beben „türmen ungeheure Erdmassen auf “; zit. POLETTI 2017, 284 Anm. 237 ). Gerade in Verbindung mit insanis ( cf. OLD s.v. 3: „( of things ) exceeding reasonable limits, extravagant, absurd, wild“ ) scheint dies die stimmigste Lösung ( s. auch POLETTI 2017, 282285 ). Welche Auswirkungen der römische Bergbau mancherorts hatte, bezeugen Plinius’ drastische Schilderungen ( nat. 33,70-78; 36,2 ). In Nordspanien z.B. wurden bei der Suche nach Gold etwa 500 Mio. Tonnen Gestein abgebaut ; noch heute sieht man der Region den Raubbau an ( R. KÖNIG u.a., Plinius, Naturkunde Buch 33, München 1984, 151; G. WEISGERBER, DNP 2, 1997, 571; cf. J.F. HEALY, Mining and Metallurgy in the Greek and Roman World, London 1978; A. WOODS, in: J. Wacher ( Hrsg.), The Roman World, Bd. II, London 1987, 611-634 ). dehiscit … tellus : Das plastische dehiscere beschreibt neben der „aufreißenden“ oder bis zum Meeresgrund „gähnenden“ See ( e.g. Verg. Aen. 1,106 f. unda dehiscens | terram inter fluctūs aperit ) vor allem die „klaffende“ Erde ( cf. BC 254 sedes Erebi qua rupta dehiscit, und e.g. Verg. Aen. 6,52f. neque enim ante dehiscent | attonitae magna ora domūs ; Sen. nat. 6,32,4 ruptis compagibus dehiscens solum, illa licet inferorum regna retegantur, bei einer Naturkatastrophe ). Die Junktur terra dehiscit verwendet bereits Varro ( ling. 5,148 in eo loco dehisse terram ; Inf. Pf. Akt.), und wiederholt Vergil ( georg. 1,479 ~ 3,432 terrae … dehiscunt ; Aen. 8,243-246, zit. S. 1041; 10,675f. quae iam satis ima dehiscat | terra mihi ? ; ferner u.a. Sen. Oed. 582f. subito dehiscit terra et immenso sinu | laxata patuit ; nat. 6,1,9 in vasto terrarum dehiscentium sinu ; Lukan 1,645 terrae … dehiscent ). Die Variante hier mit tellus erscheint im Fluch ( cf. Verg. Aen. 4,24 mihi vel tellus optem prius ima dehiscat, und A.S. PEASE ad loc.; Sen. Oed. 868 dehisce, tellus ! ; Phaed. 1238 dehisce tellus, recipe me dirum

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chaos ); ferner e.g. Plin. nat. 33,1; Sil. Ital. 1,257 flammiferis tellus radiis … exusta dehiscit ; 4,688 f. hiatu rupta dehiscit | tellus ( s. auch Verg. Aen. 6,52 f. dehiscent … ora domūs, vom Hades). Vergil setzt das Verb stets ans Versende, wie hier. – S. auch Bd. I, S. 34. gemunt : Zum ‚Ächzen‘ der Berge bzw. Stollen cf. OLD s.v. 3: „(of things) to give out a deep, hollow, or mournful sound“, und e.g. Verg. georg. 4,173 gemit impositis incudibus Aetna ~ Aen. 8,451 gemit impositis incudibus antrum ( „… dröhnt vom Klingen der Werkstücke“ ); Claudian c. 7,196 ignifluis … gemit Lipare fumosa cavernis ( ebenfalls die Werkstatt der Kyklopen ; s. auch Verg. Aen. 8,418f. Cyclopum exesa caminis | antra … tonant, „die von den Essen der Kyklopen zerfressenen Höhlen dröhnen“; Lukan 3,417f. fama ferebat | saepe cavas motu terrae mugire cavernas ). Für solche Geräusche kommen mehrere Ursachen infrage. Zur gewohnten akustischen Kulisse unter Tage gehört vielerorts Sickerwasser, das in den Stollen mitunter als lautes Tropfen und Rauschen wahrgenommen wird. Bereits in der Antike wurde Erz auch durch ‚Feuersetzen‘ gewonnen. „Durch das Abbrennen von Holzstapeln wurde das Erz mürbe gemacht und ließ sich dann leichter aus dem Verbund brechen. Das Tosen der Brände und Knallen des berstenden Erzes war ein Schauspiel, zu dem häufig Besucher gegen Entgelt in die Grube geführt wurden.“ Zur Beschreibung hier passt am ehesten ein drittes Phänomen. Alte Stollen und Gruben kollabierten regelmäßig. „Diese Einbrüche wurden oft als dumpfes, manchmal von Erschütterungen begleitetes Grollen wahrgenommen.“ ( H.-G. DETTMER in epist.). Statius beschreibt einen solchen Einsturz ( Theb. 6,880-885, bes. 882f. si tremuit suspensus ager subitumque fragorem | rupta dedit tellus ). 92 et dum vanos lapis invenit usūs : „und während der Marmor triviale Verwendung findet“. Die Hybris des Bergbaus ( 90-92 ) fördert ‚Stein‘ zutage, der keinerlei praktischen Nutzwert besitzt ( der moralistische Unterton von vanus passt hier bestens ). Kaum gemeint sind Edelsteine, die man untertage fand, meist aber in Sedimentablagerungen ( cf. OLD s.v. lapis 5, und e.g. Plin. nat. 2,158; so MÖßLER 1865, 15 ); von ihnen war bereits die Rede ( BC 9f. ). Am ehesten geht es um M a r m o r ( der allerdings im Steinbruch gewonnen wurde, d.h. im Tagebau; cf. die Wendung varius lapis für bunte Marmorarten bzw. Marmormosaik, u.a. Hor. serm. 2,4,83; Sen. contr. 2,1,12; Sen. ep. 8,5; cf. R.M. SCHNEIDER, DNP 7, 1999, 928-938 [ zu der

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alternativen Lesart varios und SCALIGERs varius cf. POLETTI 2017, 286f. ]; s. auch Sat. 135,8,2f. radiabat marmore terra | muneribus delusa suis ). Die fast singuläre Junktur vani usūs ( cf. Paul. Nol. carm. 22,33f. illa tuae vanos tuba vocis in usūs | persona, „jene Trompete deiner Stimme, ertönend zu nichtigem Nutzen“; zit. POLETTI 2017, 287 ) reflektiert die verbreitete Kritik am Marmordekor römischer Privathäuser. Im frühen ersten Jh. v.Chr. kamen Marmorsäulen in Mode ( cf. Plin. nat. 17,6 ) – auch in Ciceros Stadthaus auf dem Palatin ( dom. 62 ). Plinius kritisierte den Trend scharf ( nat. 36,4-7 ); s. auch Hor. c. 2,18,3-5 trabes Hymettiae | premunt columnas ultimā recisas | Africā ( und NISBET – HUBBARD ad loc.); ep. 1,10,22 inter varias nutritur silva columnas ; Prop. 3,2,11 Taenariis domus est … fulta columnis ; Ov. ars 3,125 decrescunt effosso marmore montes ( und R. GIBSON ad loc.); Sen. contr. 2,1,12 ad delicias dementis luxuriae lapis omnis eruitur ; Corp. Tib. 3,3,13f. quidve domus prodest Phrygiis innixa columnis eqs. ( und H. TRÄNKLE ad loc.). Gleich „zwei marmorne Säulenhallen“ zieren Trimalchios Haus ( 77,4 porticūs marmoratos duos ). Augustus reservierte Marmor für öffentliche Bauten; für sein Privathaus und Mausoleum genügten schlichtere Materialien. Die Junktur usum invenire ist zumindest passivisch wiederholt belegt ( e.g. Plin. nat. 37,50 usus … sucinorum invenitur in medicina, „eine Anwendung der Bernsteine findet sich in der Medizin“; Servius georg. 2,465 primum usus inventus est purpurae sc. apud Assyrios ). Die Konsonanz VANos – inVENit notiert POLETTI 2017, 287. 93 inferni manes caelum sperare fatentur : „bekennen die unterweltlichen Manen, sie hofften auf die Welt droben.“ In Pherekrates’ Stück Μεταλλῆς ( „Bergleute“; PCG VII frg. 113; 5. Jh. v.Chr.) stießen die Kumpel offenbar auf die Unterwelt – die sich im Geist der Alten Komödie als Schlaraffenland entpuppt. Auch Plinius spielt mit dem Gedanken, der Bergbau erreiche den Hades ( nat. 33,2 f. imus in viscera sc. terrae et in sede manium opes quaerimus … illa nos ad inferos agunt, quae occultavit sc. terra (eqs.); realistischer nat. 2,158: si ulli essent inferi, iam profecto illos … cuniculi refodissent !, „Gäbe es den Hades, hätten unsere Stollen ihn längst freigelegt !“ ). Düsterer malte sich Statius die Szene aus: „Dalmatiens Berge, wo der Bergmann, der Dis erblickt hat, bleich heimkehrt, fahl wie das ausgegrabene Gold“ ( silv. 4,7,14-16 Dalmatae montes, ubi Dite viso | pallidus fossor redit erutoque | concolor auro ). Weiter zurück reicht die Vorstellung vom Totenreich als Hort ewiger Finsternis, dessen Herrscher die Angst vor dem Tageslicht ebenso um-

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treibt wie das Heer der Schatten. So ergeht es Hades, als der Götterkampf um Troja entbrennt ( Ilias 20,61-65, zit. S. 1102; s. auch Hesiod Theog. 850-853: Hades erbebt bei Zeus’ Kampf gegen Typhoeus ), und Dis, als nach Phaethons Fahrt mit Helios’ Gespann die verbrannte Erde aufreißt ( Ov. met. 2,260f. dissilit omne solum, penetratque in Tartara rimis | lumen et infernum terret cum coniuge regem ), oder als der Seher Amphiaraus lebend in die unversehens aufklaffende Unterwelt stürzt und Dis einen Angriff seiner Brüder befürchtet ( Stat. Theb. 8,31-79 superā compage solutā … expavit oborta | sidera sc. Dis eqs.; er droht mit einem kosmischen Krieg – wie auch Claudian rapt. 1,42-45 ). Solche Gefahr droht ebenso, als Herakles den Hades stürmt ( Sen. Herc. fur. 54-56 en retegit Styga ! | patefacta ab imis manibus retro via est | et sacra dirae mortis in aperto iacent ). Die Hexe Erictho warnt Dis, sie werde sein Reich in Licht baden ( Lukan 6,742-744 tibi … immittam ruptis Titana cavernis, | et subito feriēre die, „… und jäher Tag wird dich treffen“ ). Doch nicht allein Dis, auch die Toten fürchten die plötzliche Helle ; cf. Verg. Aen. 8,243-246: Cacus’ Höhle klafft offen, non secus ac si qua penitus vi terra dehiscens | infernas reseret sedes et regna recludat | pallida …, trepident immisso lumine Manes ; Ov. met. 5,356-358 tremit tellus, et rex pavet ipse silentum, | ne pateat … immissusque dies trepidantes terreat umbras ( cf. F. BÖMER 317 ad loc.). Als bei Amphiaraus’ Sturz die Erde aufklafft ( s. oben ), graut es den Schatten wie den Gestirnen ( Stat. Theb. 7,816 f. alte praeceps humus ore profundo | dissilit, inque vicem timuerunt sidera et umbrae ). Ein chthonischer Sumpf unweit des Averner Sees lässt bisweilen Licht in die Unterwelt dringen, das „die Toten verstört“ ( Sil. Ital. 12,128f. horrendos aperit telluris hiatūs | interdumque novo perturbat lumine manes ; s. auch 5,618f.: als vor Hannibals und Flaminius’ Zweikampf die Erde aufklafft, manes … profundi | antiquum expavere diem ). Seneca nennt die Verstorbenen „die lichtscheuen Völker“ ( Herc. fur. 293 lucis … pavidos … populos ). Gleichwohl hören sie nie auf, sich nach dem Tag zu sehnen, der ihnen auf ewig verwehrt bleibt ( cf. Verg. Aen. 6,438f.; s. auch 6,128f. revocare gradum superasque evadere ad auras, | hoc opus, hic labor est ). Der tote Achill verkündet, er wäre lieber Tagelöhner auf Erden als Herrscher im Hades ( Od. 11,488-491; cf. A. HEUBECK ad loc.); cf. Verg. Aen. 6,436f. quam vellent aethere in alto | nunc et pauperiem et duros perferre labores ! ; 6,721 quae lucis miseris tam dira cupido ? ( cf. NORDEN 4 1957, 16-20; R.G. AUSTIN 220f. bzw. N. HORSFALL 484-486 ad loc.); s. auch Ov. met. 5,348 aetherias ausum sperare Typhoea sedes ; Val. Flacc. 3,226f. spem … aetheris amens | concipit sc. der Titan Coeus im Hades; Stat. Theb. 8,43f. aetherium cupidos exire sub axem

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| Titanas ). Als die Furie Megaera auf ihrem Weg an die Oberwelt das

Erdreich aufbricht, exsultant manes ( Stat. Theb. 11,73 ). In Senecas Herc. fur. fordert der Chor den Gottessohn gleichsam auf, die Toten zu befreien ( 566-568 tristibus inferis | prospectus pateat lucis et invius | limes det faciles ad superos vias ; cf. J. KROLL 1932, 430-432 ). Höchst selten dürfen sie kurz an die Oberwelt zurück. Dis lässt die Schatten der von Amycus Getöteten miterleben, wie ihr Mörder sein verdientes Ende findet ( Val. Flacc. 4,258-260 ). Vor Eteokles’ und Polyneikes’ Zweikampf öffnet er die Pforten der Hölle und drängt die Schatten der toten Thebaner, Zeugen jener ‚Ungeheuerlichkeit‘ zu werden ( Stat. Theb. 11,420-423 ). Bisweilen kehren die Toten auch zurück, um sich zu rächen ( cf. Hor. epod. 5,91-96; Verg. Aen. 4,385f., und A.S. PEASE ad loc.; Liv. 3,58,10 f. manes … per tot domos ad petendas poenas vagati eqs.). Um die Rückkehr zur Oberwelt geht es auch hier. Angesichts der über ihren Köpfen lärmenden Bergleute schöpfen die im Orcus eingeschlossenen inferni manes plötzlich Mut – und bekennen sich offen ( fatentur ) zu ihrer neuen Zuversicht : „sie gestehen, dass sie sich Hoffnung machen aufs Tageslicht“. ‚Auf diese Sehnsucht nach der Oberwelt antwortet Fortuna, wenn sie einen orbis laceratus zu den Schatten hinabführt‘ ( POLETTI 2017, 288; inferni manes caelum sperare fatentur ~ 121 ad Stygios manes laceratus ducitur orbis ; eadem sede metrica der Schlüsselbegriff manes, der in den Sat. ansonsten nur noch einmal erscheint – 111,12 in dem Vergilzitat Aen. 4,34 ). BC 93 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions. inferni manes : Die Junktur kehrt bei Tacitus wieder ( ann. 13,14,3 infernos Silanorum manes ). Verwandte Wendungen für die „Totengeister “ sind u.a. infernae animae ( Lucr. 3,628 ), infernae catervae ( Tib. 1,2,49 ), infernae umbrae ( Tac. ann. 2,28,2 ), inferum manes ( Ps.-Sen. Oct. 738 ), Stygii manes ( Ov. met. 13,465 ) und v.a. imi manes ( Verg. Aen. 3,565; 4,387 u.ö.; Ov. fast. 2,52; Sen. Herc. fur. 55; Med. 968; Sil. Ital. 2,530 u.ö.). Senecas simulacra inferna hingegen sind wohl „Bilder aus der Unterwelt“ ( Herc. fur. 1144 f. an nondum exuit | simulacra mens inferna ? ). caelum sperare : Die Wendung stammt von Vergil: quid me caelum sperare iubebas ? ( Aristaeus’ Klage, georg. 4,325, in gleicher metrischer Position; s. auch Sen. Herc. fur. 438 quo patre genitus sc. Hercules caelitum sperat domos ? ; Ps.-Sen. Oct. 952f. licuit regnum in caelum | sperare sc. Agrippinae ). Zu caelum als „Tageslicht“ cf. e.g. Verg. Aen. 3,600 hoc caeli spirabile lumen ( N. HORSFALL : „this air and light of the sky“ ); 6,363 caeli iucundum lumen et auras ; OLD s.v. caelum 8.

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94 quare age, Fors : „Darum auf denn, Fortuna“. Zu Fors cf. BC 80 ( und S. 1015f. ad loc.). Die markante Wiederholung des Namens hier ( in diskreter Ringkomposition ) signalisiert wohl die Schlusspartie der Rede ( so M. DEUFERT in epist.). Der Imperativ quare age soll ermutigen und motivieren. In einer verwandten Szene stachelt Allecto so Turnus gegen Aeneas auf ( Verg. Aen. 7,429f. quare age et armari pubem portisque moveri | laetus in arma para ; s. auch Catull 61,26; Colum. 10,230; Val. Flacc. 5,538; Stat. silv. 1,4,31; Sil. Ital. 16,208 ; ebenso im Plural: quare agite, e.g. Catull 64,372; Verg. georg. 2,35; Aen. 1,627 u.ö.; Lukan 8,289; Stat. Theb. 10,213 – und stets am Versanfang ). Als mögliche griechische Vorbilder gelten Homers ἀλλ᾿ ἴθι ( „doch geh !“ ; Ilias 1,32 u.ö.; Od. 3,323 u.ö.; so N. HORSFALL ad Verg. Aen. 7,130), oder Gebetsformeln wie Μῶσ᾿ ἄγε Μῶσα λίγηα ( Alkman frg. 14 a PMG: „Komm, Muse, helltönende Muse“ ; so W. KROLL ad Catull 61,26; s. auch PETERSMANN 263 ). – Zu dem prosaischen quare cf. BC 49 ( und S. 954 ad loc.). Mit demselben Imperativ wird Fortuna antworten ( 116 pande, age, terrarum sitientia regna tuarum eqs.; gleichfalls im sechstletzten Vers der Rede, ‚in der gleichen Funktion, und verbunden mit Aufforderungen, die an Dis’ Blutdurst appellieren‘; POLETTI 2017, 289 ). 94 muta pacatum in proelia vultum : „verwandle die friedliche Miene in Krieg“. Der Sinn des singulären Bildes liegt auf der Hand: „Stimme dich ein auf Krieg !“ ( in proelia steht verkürzt und metonymisch statt e.g. in vultum belligerum oder bellic(os)um ). Eben dieses ‚Gesicht‘ zeigt Mark Anton: videbis ardentes crudelitate simul ac superbiā oculos ; videbis illum non hominis, sed belli civilis vultum ( Sen. suas. 6,3; s. auch Sen. Ag. 706f. Hecuba … induit vultūs feros ; Med. 396 vultum Furoris cerno, bei Medea; Lukan 4,164 faciem pugnae vultūsque inferte minaces, „das Antlitz des Kriegs und bedrohliche Mienen tragt in die Schlacht“ ). Domitians Porträt vereint gleichermaßen „Krieg und freundlichen Frieden“ ( Stat. silv. 1,1,15f. ora … mixta notis, bellum placidamque gerentia pacem [ bellum COURTNEY : belli codd.] ). Raubkatzen in menschlicher Obhut „wurden zahm und legten ihr bedrohliches Mienenspiel ab“ ( Lukan 4,238 mansuevēre ferae et voltūs posuēre minaces ). Zu vultus als „Miene, Gesichtsausdruck“ cf. 106,2 turbato vehementius vultu ; 126,3 ex vultibus … hominum mores colligo, und e.g. Vell. Pat. 2,118,2 ardorem animi vultu oculisque praeferens ; Lukan 7,564 f.: Caesar prüft, quis vultum cive perempto | mutet ( „wer von seinen Leuten beim Bürgermord die Miene

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verzieht“ ); Tac. hist. 2,65,1 laetitiam … voltu ferens, animo anxius ; OLD s.v. uultus 1 ). Auf Ovid dürfte die ansonsten unbelegte Junktur pacatum vultum zurückgehen : excipe pacato, Caesar Germanice, vultu | hoc opus ( fast. 1,3 f.; F. BÖMER ad loc.: „… mit gnädiger Miene“; cf. Thes. X 1, 23,60-62 ). muta … vultum : Die vertraute Junktur vultum ( ora sim.) mutare meint bisweilen eine physische Verwandlung ( e.g. Verg. Aen. 1,658 faciem mutatus et ora Cupido, nämlich in Ascanius; Prop. 2,2,15 hanc utinam faciem nolit mutare senectus, „möge das Alter dieses Antlitz verschonen“; Hor. ep. 1,1,90 vultūs mutantem Protea ; Ov. met. 1,610f. in … nitentem | Inachidos vultūs mutaverat ille iuvencam ; s. auch Sat. 107,8 vultum enim qui permutat, fraudem parat ). In der Regel geht es jedoch wie hier um den Gesichtsausdruck ( cf. Sat. 92,12 mutabam ego frequentissime vultum eqs., und e.g. Cic. Tusc. 2,41 quis mediocris gladiator … vultum mutavit umquam ?, „… hat je das Gesicht verzogen“; off. 1,102 omnium sc. iratorum vultūs, voces, motūs statūsque mutantur ; Val. Max. 6,2,7 neutram in partem mutato vultu, ~ „mit unbewegter Miene, die weder Freude noch Zorn verriet“; Sen. dial. 5,13,2 cupit … incendere oculos et mutare faciem sc. ira ; Ps.-Sen. Oct. 710 quae subita vultūs causa mutavit tuos ? ; Curt. Ruf. 4,15,11 non oris color vultūsve mutatus est ; Stat. Theb. 2,655f.; Ach. 1,664 facies multum mutata fatentis, „die Miene des Geständigen änderte sich merklich“; Quint. inst. 11,3,47; Thes. VIII, 1723,14-16 ). 95 Romanosque cie : „und peitsche die Römer auf “. Nicht minder empört fordert Dis Tisiphone auf, den thebanischen Bruderkrieg zu entfesseln ( Stat. Theb. 8,70f. fratres alterna in vulnera laeto | Marte ruant ). – Ciēre ( cf. OLD s.v. 3: „to rouse to exertion, urge on“; 4 b: „to stir up, provoke ( wars, disturbances, etc.)“ ); Thes. III, 1055,2-13: „homines impellere, incitare ad pugnam“; hier e-Konj.) steht teils mit einfachem Objekt ( cf. BC 134 f. tuba Martem … ciet, und e.g. Verg. Aen. 6,165 aere ciēre viros Martemque accendere cantu ; 12,158 tu bella cie conceptumque excute foedus ; Sen. Phaed. 957f. effunde pontum, vulgus aequoreum cie eqs.; Sil. Ital. 4,11 Mavors strepit et ciet arma virosque ), teils auch mit der Angabe ‚zu was‘ ( mit ad, in ; e.g. Liv. 5,47,4 ad arma ceteros ciens ; Stat. Theb. 12,720 f. in proelia gentes … Bellona ciet ). Hier schwingt in proelia mit ( BC 94 ). – Den Schlussvokal des Imperativs hört man in der Synalöphe mit ( ci(e) ac ). 95 ac nostris da funera regnis : „und fülle mein Reich mit Toten“. Fortuna wird Dis’ Stichworte aufgreifen ( 116-120 pande, age, terrarum sitientia regna tuarum | atque animas accerse novas eqs.).

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Funus steht hier nicht in der Grundbedeutung „Begräbnis, Bestattung“ ( OLD s.v. 1 a ), oder abstrakt als „Untergang“ ( cf. Lukan 6,595: Sextus Pompeius ist tanti funeris heres, „Erbe einer furchtbaren Katastrophe“; 7,617 in funere mundi, „beim Weltuntergang“; Sil. Ital. 11,235 revocare … a funere Romam ), sondern, wie auch der Plural nahelegt, als seltenes abstractum pro concreto für „Leichen“ ( OLD s.v. 2 a ) bzw. „Tote, Schatten“ ( OLD s.v. 2 b ); cf. Sat. 111,2 non contenta … funus passis prosequi crinibus, und Bd. II, S. 509 ad loc. – Zu dem poetischen Pl. regna cf. S. 1035f.; zu noster cf. OLD s.v. 2a: „( used in place of meus, esp. in formal language, from modesty, metri gratia, etc.).“ Die unterkühlte Formel funera dare, „Leichen produzieren“, geht wohl auf Vergil zurück ( cf. georg. 3,246f.; Aen. 8,569-571 neque … tot ferro saeva dedisset | funera, „und nicht hätte er seinem Schwert so viele grausame Opfer dargebracht“; cf. C.J. FORDYCE ad loc.; 11,646f. dant funera ferro | certantes ; 12,383 ea … campis victor dat funera Turnus ; mit dem Kompositum e.g. Aen. 10,602f. talia per campos edebat funera | ductor Dardanius ); v.a. bei den Flaviern kehrt sie wieder ( cf. Val. Flacc. 3,681f. nec … dare funera Colchīs | sit satis ; Stat. Theb. 5,647 prima … dabis Dircaeo funera bello ; 9,778f. ignarus …, quae funera campis | ille daret ; Sil. Ital. 4,216 ea Gallorum populi dant funera campo ). Cf. Thes. VI 1, 1604,65-67; Å. FRIDH, Funera dare in Epic Latin Poetry : Eranos 73, 1975, 112-115 ( bes. 115 ad loc.: „the meaning can only be ‚fill my kingdom with dead men‘.“ ). An das verwandte stragem dare ( e.g. Verg. georg. 3,556f. catervatim dat stragem atque aggerat … cadavera sc. Tisiphone in der Pest ) erinnert POLETTI 2017, 290. 96 iam pridem nullo perfundimus ora cruore : „Längst schon laben wir unsere Kehlen nicht mehr mit Blut“. Blutige Münder oder Gesichter waren vertraut bei unterweltlichen Wesen ( cf. BC 259 sanguineum … caput sc. Furoris; 272f. in ore sc. Discordiae | concretus sanguis, und e.g. Sil. Ital. 13,589 virgineos rictūs infecta cruore, von der Sphinx; s. auch BC 127 f. ore cruento | deformis Titan eqs.; Ov. met. 14,168 fluidos humano sanguine rictūs sc. Polyphemi ). „Dis bathes his face, Tisiphone her whole body [ BC 97 ], in the blood of the slain“ ( BALDWIN 1911, 159; cf. CONNORS 1989, 94 ; die blutigen Züge spiegeln sich in dem Hyperbaton nullo … cruore ; zu perfundere os /ora bei Tränen cf. Sat. 91,4 perfusum os lacrimis ; Ilias Latina 331 largis perfudit fletibus ora ). Doch wie gerade die Enallage BC 97 unterstreicht ( sitientes … artūs statt Tisiphone sitiens ), geht es um mehr als nur blutverschmierte Gesichter. Tisiphone und Dis leiden Durst – und beide s c h l ü r f e n das Blut der

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Toten ( cf. BC 18 ut bibat humanum … cruorem sc. tigris, und S. 898f.; eine Anspielung auf Vergils Gleichnis vom blutrünstigen ‚Wolf‘ Turnus, Aen. 9,63f. collecta fatigat edendi | ex longo rabies et siccae sanguine fauces, vermutet POLETTI 2017, 68 ). Erschlagene Krieger „sättigen Ares mit Blut“ ( Ilias 5,288f. ~ 22,266f., bes. αἵματος ἆσαι Ἄρηα ), aber auch die dämonischen Keren ( Ps.-Hesiod Aspis 248-257 ). Hades „schmaust“ von den Toten ( Soph. El. 542f., bes. δαίσασθαι ). Wiederholt lesen wir von vampirhaften Furien ( cf. Aisch. Ag. 1188-90; Choeph. 577f.; Eum. 253 ὀσμὴ βροτείων αἱμάτων με προσγελᾷ, „der Duft von Menschenblut lacht mir zu“; 264-266; Amm. Marc. 14,1,2 Megaera quaedam mortalis …, humani cruoris avida nihil mitius quam maritus ( Kaiserin Constantia ); Claudian c. 3,77 f. quaesitum cognatā caede cruorem | inlicitumve bibit sc. Megaera, patrius quem fuderit ensis eqs.). „Vampyrgleich“ saugt die Erinye dem Vater- oder Muttermörder das Blut aus ( ROHDE 2 1898, Bd. I, 270 ). Auch andere „furchtbare Wesen der Tiefe“ vertilgen Fleisch und Blut der Toten ( DIETERICH 2 1913, 46-54; lt. STUBBE 121 ad loc. sind die das Blut der Leichen genießenden Totendämonen „nach alter Vorstellung ὠμοφάγοι“, „Rohfleischfresser“; cf. ebd. 125 ). Nach den Bürgerkriegsschlachten auf afrikanischem Boden laben sich die Manen der Punier am römischen Blut wie an einem Versöhnungsopfer ( Lukan 1,39 Poeni saturentur sanguine manes ; 4,789f. ferat ista cruentus | Hannibal et Poeni tam dira piacula manes, „mögen der blutige Hannibal und die punischen Geister diese so gespenstischen Sühnopfer empfangen“; 6,309311 nec … Poenorum … umbras placasset sanguine fuso | Scipio ). In den punischen Kriegen hoffte Juno einst, römisches Blut zu trinken ( Sil. Ital. 8,204 optatum Latii tandem potura cruorem ); ebenso Hannibal ( ebd. 1,59f. penitus … medullis | sanguinis humani flagrat sitis ). Unter Tisiphones Bann schlürft Tydeus kannibalisch Melanippus’ Hirn und Blut ( Stat. Theb. 8,760f. illum effracti perfusum tabe cerebri … et vivo scelerantem sanguine fauces ; 11,85-87 vidistis … sanguine foedatum rictūs atroque madentem | ora ducem tabo ). Dass er Blut trinke, unterstellt der Volksmund Kaiser Tiberius ( Suet. Tib. 59,1 iam sitit iste cruorem : | tam bibit hunc avide, quam bibit ante merum ; s. auch Seneca über Caligula, benef. 4,31,2 : hominem sanguinis humani avidissimum, quem non aliter fluere in conspectu suo iubebat, quam si ore excepturus esset ; Prud. c. Symm. 2,669f. Nero … sanguinem apostolicum bibit ; perist. 3,86-90 ), und Cicero während des Bürgerkriegs Mark Anton ( Phil. 2,71 gustaras civilem sanguinem vel potius exsorbueras ). Dass es hier um das im Bürgerkrieg vergossene Blut geht, legen v.a. zwei Vergilreferenzen nahe: die Hoffnung des Dichters auf ein Ende jener

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blutigen Kämpfe ( georg. 1,501f. satis iam pridem sanguine nostro | Laomedonteae luimus periuria Troiae ; zitiert POLETTI 2017, 69 ), und der Furor impius, der personifizierte Wahnsinn der Bürgerkriege, mit dem Juppiters tröstliche Prophezeiung von Roms künftiger Größe endet ( Aen. 1,294-296, bes. 296 fremet horridus ore cruento ). Vergils Sehnsucht nach Frieden in den Georgica mutiert hier zur Gier der Unterwelt nach Bürgerblut ; mehr : Dis schlüpft gleichsam in die Rolle des grausamen Dämons ( von einer ‚Verkehrung‘ der göttlichen Verheißung spricht POLETTI 2017, 68; sie vollende sich BC 258-263, wenn zuletzt Furor persönlich auftrete ). Ein diskreter Verweis auf ein Gleichnis Lukans rundet zwei Verse später die Anspielungen ab: 1,327-332 utque ferae tigres numquam posuēre furorem, | quas … altus caesorum pavit cruor armentorum, | sic et Sullanum solito tibi lambere ferrum | durat, Magne, sitis eqs. ( „… so ist auch dein Blutdurst ungestillt, Magnus – der du es gewohnt warst, Sullas Schwert zu lecken“; cf. BC 98 Sullanus bibit ensis ). Da Tisiphone gleich eigens genannt wird, steht ora vielleicht als poetischer Plural für Dis allein ( wie 76 Ditis pater extulit ora ; cf. 95 nostris da funera regnis, und S. 1035f. ). Doch einer Furie, die frische Leichen verschlingt ( BC 120 ), darf man getrost zutrauen, auch Blut zu trinken. perfundimus … cruore : Das poetische sanguine ( cruore ) perfundere ( aktiv meist mit Akkusativobjekt ; passiv meist als PPP ) erscheint zuerst bei Catull ( s. unten ). Es bezieht sich u.a. auf Scheiterhaufen ( Verg. Aen. 10,520 captivo … rogi perfundat sanguine flammas ), W a f f e n ( Ov. met. 7,396 sanguine natorum perfunditur impius ensis ; Stat. silv. 3,1,35 regum multo perfusum sanguine robur, von Herakles’ Keule ), O r t e ( BC 64 perfudit sanguine Romam ; frg. 43,8 M.4 exundanti perfusos sanguine campos [ e. p. COURTNEY : exundantes perfuso codd. ], und e.g. Prop. 3,3,45 Suebo perfusus sanguine Rhenus ; Ov. met. 1,157 perfusam multo natorum sanguine Terram ; 7,245 ), T r u p p e n ( BC 214 Germano perfusas sanguine turmas, und e.g. Liv. 25,16,19 perfusi hostium cruore ; 30,28,5 ; Sen. benef. 5,15,5 perfusi cruore cognato ). In der Regel gilt die Wendung jedoch ‚blutgetränkten‘ P e r s o n e n ( cf. 133,3,6 f. non sanguine tristi | perfusus, und e.g. Verg. georg. 2,510 gaudent perfusi sanguine fratrum ; Lukan 10,74 sanguine Thessalicae cladis perfusus adulter ; Stat. Theb. 5,119 sanguine securos iuvenum perfundere somnos, „den arglosen Schlaf der Jünglinge in Blut ertränken“ ( Enallage ); Sil. Ital. 6,625 f. perfusus sanguine victor | hostili ; Tac. Agr. 45,1 ), bzw. K ö r p e r t e i l e n – wie hier ( cf. Catull 64,399 perfudēre manūs fraterno sanguine fratres ; Ov. met. 2,607 candida puniceo perfudit membra cruore ; Sen. dial. 4,33,5 perfusam … cruore fili

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manum ; Lukan 8,375 perfusus sanguine membra ; 10,338f.; Sil. Ital. 4,450 f. perfusa cruore | membra madent ). Cf. Thes. X 1, 1419,45-59. Zu den Komposita von fundere im BC ( 64, 69, 70, 96, 102, 214 ) cf. RIMELL 2002, 27f. 203-205. perfundimus : Nur zwei der vier finiten Verbformen BC 96-99 haben ein eindeutiges Tempus, perfundimus ( Präsens ) und extulit ( Perfekt ). Für perluit und bibit kommen Präsens wie Perfekt infrage. Da der Duktus der Passage insgesamt klar perfektisch ist ( bes. 98f. ), schlugen SINGRENIUS und NODOT perfūdimus vor ( so lt. BURMAN u.a. auch der codex Colbertinus [ P ], der freilich perfundimus hat ; so G. VANNINI in epist.). Doch die Verschreibung wäre ungewöhnlich. Vor allem aber handelt es sich hier um das sog. resultative oder perfektische Präsens ( so bereits ANTON ad loc.), hier wohl mit der Idee einer „lebhafte(n) Vergegenwärtigung“, unterstrichen von einem „Zeitadverb mit Vergangenheitsbedeutung“: iam pridem ( HSZ 305; zu diesem Präsens s. auch Bd. I, S. 425 ). ora cruore : Die Paronomasie ( HSZ 709 spricht von „Klangspiel“ ) findet sich zuerst bei Horaz ( c. 2,1,36 quae caret ora cruore nostro ?, „welche Küste …“; NISBET – HUBBARD ad loc. sprechen von „emotional assonance“ ) und Vergil ( georg. 3,516 ~ Aen. 10,349 vomit ore cruorem ; 10,727f. lavit … ora cruor ); ferner u.a. Ov. met. 14,237f. impia tinxit | ora cruore suo ; 15,98 nec polluit ora cruore sc. aetas aurea ; 15,478 ora cruore vacent ; Val. Flacc. 6,705 subitos ex ore cruores ; Sil. Ital. 10,246 spumantem ex ore cruorem ( s. auch STUBBE 121 bzw. GUIDO 1976, 269 ad loc.). Zu der Junktur nullo cruore cf. Lukan 9,1022 regna Phari nullo quaesita cruore ; Sil. Ital. 7,182 f. nullo … cruore | pollutā … mensā ( s. auch Lukan 4,181 nullo maculatus sanguine miles ). cruore : Medizinische Texte unterscheiden in der Regel zwischen sanguis, zirkulierendem Blut, und cruor, vergossenem bzw. geronnenem Blut ( cf. Caper GL VII 99,20 K. dum manat, sanguis est ; effusus vero cruor erit, und e.g. Celsus med. 8,4,18 sive aliquid sanguinis … profluit …, sive intus concretus cruor remanet ). Diese Unterscheidung treffen bisweilen auch literarische Texte ( e.g. Verg. Aen. 9,332-334 truncum … relinquit | sanguine singultantem ; atro tepefacta cruore | terra torique madent ; Suet. Cal. 57,4 in ‚Laureolo‘ mimo … actor … sanguinem vomit … cruore scaena abundavit ; Apul. met. 9,38,10 portentuosi cruoris maculas novi sanguinis fluvio proluit ). Oft genug lässt sich jedoch kein Unterschied ausmachen (e.g. Verg. Aen. 5,469 f. crassumque cruorem | ore eiectantem mixtosque in sanguine dentes ; Ov. met. 14,801 f. generi … cruorem | sanguine cum soceri permiscuit impius ensis ; Sen. Tro. 1162-64 non stetit fusus cruor … totum sanguinem tumulus bibit ). Bis-

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weilen bezeichnet cruor auch das frische Blut ( cf. BC 18 ut bibat humanum … cruorem, und e.g. Verg. Aen. 10,349, oben zit.; Ov. met. 13,394 expulit ipse cruor sc. ensem eqs.) – wie wohl hier. 97 nec mea Tisiphone sitientes perluit artūs : „und nicht badete meine Tisiphone die lechzenden Glieder“. T i s i p h o n e ist eine der drei Erinyen ( cf. S. 1310-13 ). Eine barocke Ekphrasis widmet ihr Statius ( Theb. 1,103-113 centum illi stantes umbrabant ora cerastae, | turba minor diri capitis ; sedet intus abactis | ferrea lux oculis …; suffusa veneno | tenditur ac sanie gliscit cutis ; igneus atro | ore vapor, quo longa sitis morbique famesque | et populis mors una venit ; riget horrida tergo | palla, et caerulei redeunt in pectora nodi … geminas quatit ira manūs : haec igne rogali | fulgurat, haec vivo manus aëra verberat hydro ). Sie haust und wirkt im H a d e s ( Verg. Aen. 6,570-572 sontīs ultrix accincta flagello | Tisiphone quatit insultans torvosque sinistrā | intentans anguīs vocat agmina saeva sororum, „die rächende Tisiphone, mit der Geißel gewappnet, schlägt die Schuldigen, auf sie losfahrend …“; cf. App. Verg. Culex 218 f. obvia Tisiphone, serpentibus undique compta, | et flammas et saeva quatit mihi verbera ). Doch auch an der O b e r w e l t zeigt sie sich ( cf. Ov. met. 1,241 qua terra patet, fera regnat Erinys ). Wie Hekate ruft man sie zum magischen Ritual ( Hor. serm. 1,8,33f. ); sie lässt Seuchen ausbrechen ( Verg. georg. 3,551-557 in lucem Stygiis emissa tenebris | pallida Tisiphone Morbos agit ante Metumque eqs.) oder wütet auf dem Schlachtfeld ( Aen. 10,761 pallida Tisiphone media inter milia saevit ; als Metapher des Wahnsinns deutet sie Servius ad loc.: non ipsa dea, sed effectus furiae, id est furialis ardor, hoc est insania ). In Junos Auftrag eilt sie samt ihrem höllischen Gefolge zur Oberwelt und schlägt Ino und ihren Gemahl Athamas mit Wahnsinn ( Ov. met. 4,481-485 ; s. auch S. 1307 ). Die verzweifelten Einwohner Sagunts treibt sie zum kollektiven Selbstmord ( Sil. Ital. 2,526-695 ). Ihre hier angedeutete Beziehung zu Dis ( mea ; abgesehen von Fortuna, ist sie das einzige göttliche Wesen, das er nennt ; Sen. Herc. fur. 100 heißen die Furien famulae Ditis ) verdankt sich am ehesten ihrem Status als Unterweltsgottheit ( cf. Stat. Theb. 11,136 Erebo sata virgo ). Oedipus nennt sie „Königin des tiefen Tartaros“ und drängt sie, Krieg zwischen seinen Söhnen anzuzetteln ( Stat. Theb. 1,56-87, bes. 85 Tartarei regina barathri ; Dis erneuert die Bitte, 8,65-79 : i, Tartareas ulciscere sedes, Tisiphone … triste, insuetum, ingens, quod nondum viderit aether, ede nefas eqs.; Pietas, die den tödlichen Zweikampf der Brüder zu verhindern sucht, scheucht sie vom Feld,

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11,457-496 ). Doch nicht nur Bruderkriege, auch Bürgerkriege verursacht sie ( cf. Val. Flacc. 6,402-406 Romanas … legiones | Tisiphone … movet eqs.). sitientes : Die sitientes artūs stehen in Enallage statt Tisiphone sitiens ( cf. S. 1045; s. auch die Enallage App. Verg. Ciris 163 venis hausit sitientibus ignem, Scylla „drank in the fire of love in her thirsting veins“; R. LYNE ad loc.). Sitire hat hier die spezielle Bedeutung „nach Blut dürsten“; cf. BC 116 terrarum sitientia regna tuarum, und u.a. Sen. Thy. 102f. suum infensi invicem | sitiant cruorem ( die Tantaliden „dürsten ein jeder böswillig nach des anderen Blut“ ); Tro. 957 cinis ipse sc. Achillis nostrum sanguinem … sitit ; Ilias Latina 502 sitiens … cruoris sc. leo ; 905; Sil. Ital. 12,264 sitiens gravis hasta cruorem ; 13,736; Claudian c. 26,604 invisum miles sitiens haurire cruorem ; rapt. 3,282 hominem sitientibus aris ( „Altäre, die nach Menschenblut dürsten“ ). Die sanguinis diri sitis wütet im claudischen Kaiserhaus ( Ps.-Sen. Oct. 144 ; cf. ebd. 243 hausit cruorem matris sc. Nero ). perluit artūs : Ohne Parallele ist das Bild der in Blut badenden Furie. Von ferne erinnert es an das Taurobolium, das rituelle Stieropfer des Kybelekults ( cf. Prud. perist. 10,1011-50, bes. 1038 oculos … ipsos perluit liquoribus, i.e. mit Stierblut ). Zwei Vorstellungen scheinen hier zu verschmelzen : animalischer Blutdurst ( cf. Cic. Catil. 4,11 versatur mihi ante oculos aspectus Cethegi et furor in vestra caede bacchantis, „vor Augen steht mir das rasende Antlitz des Cethegus, der sich an eurem Blut berauscht“; Lukan 1,444-446, zu gallischen Göttern: immitis placatur sanguine diro | Teutates horrensque feris altaribus Esus | et Taranis ) – und der Bürgerkrieg als blutiges Sühnopfer, dass „grausame Götter“ von den schuldig gewordenen Römern verlangen ( so Lukans Cato: 2,304 f. immites Romana piacula divi | plena ferant, nullo fraudemus sanguine bellum, „reiche römische Sühnopfer sollen die grausamen Götter empfangen; um keinen Tropfen Blut dürfen wir den Krieg betrügen“ ). Zu perluere, „( gründlich) waschen, baden“, cf. 128,6,4 sudor quoque perluit ora ; frg. 29,5 M.4 == Anth. Lat. 467,5 R. == 465,5 Sh.B. ipsa dies … nos grato perluit haustu ; frg. 39,4 M.4 == Anth. Lat. 477,4 R. == 475,4 Sh.B. hic pastor miti perluit amne pecus, und e.g. Celsus med. 7,16,2 intestina perluenda aquā sunt ; Colum. 6,8,1 ( bei kranken Rindern ) vino perluitur os ; Thes. X 1, 1521,5664 ; OLD s.v. perluō. Die Junktur ist ovidisch ( cf. met. 4,310 fonte suo formosos perluit artūs ). – Das Blut ist in dem Vers gleich doppelt präsent : in den ‚nach Blut lechzenden Gliedern‘ ( sitientes sc. sanguinem ), und als ‚Bad im Blut‘ ( perluit sc. sanguine ).

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98 ex quo Sullanus bibit ensis : „seit Sullas Schwert Blut trank …“. Die Dämonen der Unterwelt sehnen sich zurück nach den Tagen Sullas, als sie ungehemmt ihrem Blutdurst frönen konnten. Als Militär wie Politiker war L. Cornelius S u l l a ( 138-78 v.Chr.) eine der herausragenden Gestalten der späten Republik. Bereits unter Marius nahm er an mehreren großen Kampagnen teil ( u.a. in Numidien, und in Norditalien gegen einfallende Germanen ). Er regelte Thronstreitigkeiten in Kappadokien ( 96 v.Chr.) und zeichnete sich im Bundesgenossenkrieg aus ( 91-88 ). 88 v.Chr. erhielt er als Konsul den Oberbefehl gegen Roms hartnäckigsten außenpolitischen Gegner jener Epoche, Mithradates VI. Sulla errang mehrere Siege gegen den pontischen König, bis er im Frühjahr 85 überraschend Frieden mit ihm schloss, um die Hände für den Bürgerkrieg frei zu haben. Folgenreicher war seine innenpolitische Rolle. Im Machtkampf mit Marius besetzten im Jahr 88 erstmals in Roms Geschichte römische Truppen unter seinem Kommando die Hauptstadt. Als er 83 mit seinem Heer aus dem Osten zurückkehrte, kam es zum Bürgerkrieg ( damals dienten u.a. die späteren Triumvirn Crassus und Pompeius unter ihm ). Nach seinem Sieg rächte sich Sulla gnadenlos an seinen Gegnern. Mehrere tausend Gefangene wurden auf dem Marsfeld hingerichtet, während er unweit des Massakers zum Senat sprach ; zudem ließ er systematisch politische Gegner aufspüren und liquidieren. Den Proskriptionen, die rund ein halbes Jahr wüteten, fielen angeblich fast fünftausend Römer zum Opfer, unter ihnen etliche Equites und Senatoren. Dieses Blutbad wurde zum bitteren Erbe der römischen Geschichte, und Sullas Name zum Inbegriff der Grausamkeit. Im Rückblick sahen ihn viele als den ‚Lehrmeister‘ des politischen Verbrechens ( cf. Lukan 1,326 Sullam scelerum … magistrum ; wegen ihrer Proskriptionen taufte Juvenal Octavian, Antonius und Lepidus „die drei Jünger Sullas“, 2,28 Sullae … discipuli tres ; s. auch die beiden Porträts Sall. Iug. 95f. und Lukan 2,139-222 ). LIT. MEIER 1966, 222-266 ; E. BADIAN, Lucius Sulla, Sydney 1970; CHRIST 1979, 185-230; R. SEAGER, in: CAH 9, 1994, 165-207 ; W. EDER, DNP 3, 1997, 186-190; K.-J. HÖLKESKAMP, in: ders. ( Hrsg.), Von Romulus zu Augustus, München 2000, 199-218; K. CHRIST, Sulla, München 2002; BALTRUSCH 2004, 10-16; J. FÜNDLING, Sulla, Darmstadt 2010. ex quo : Für die Kombination iam pridem … ex quo zitiert POLETTI 2017, 290 als einzigen anderen Beleg Verg. Aen. 2,647-649 iam pridem invisus divis … demoror, ex quo me divum pater … adflavit eqs. ( ebenfalls am En-

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de einer Rede ); s. aber Juv. 10,77f. iam pridem, ex quo suffragia nulli | vendimus, effudit curas sc. populus ( „… verlor jegliches Interesse“ ). Sullanus : Von Sullas B l u t d u r s t sprechen Seneca wie Lukan ( Sen. clem. 1,12,2 quis tamen umquam tyrannus tam avide humanum sanguinem bibit quam ille, qui septem milia civium Romanorum contrucidari iussit eqs.; benef. 5,16,3; Lukan 2,140 f. quod exiguum restabat sanguinis urbi, | hausit ; s. auch die Anekdote Sen. dial. 5,18,1f.; ferner Val. Max 9,2,1 ). Lukans Caesar unterstellt Pompeius, er trete bewusst in Sullas Fußstapfen ( 1,324-332, teilweise zit. S. 1047; 7,307 cum duce Sullano gerimus civilia bella ; 7,317 quanto satiavit sanguine ferrum ! ). So bereits Cicero ( Att. 8,11,2 hoc a primo cogitavit sc. Pompeius, omnīs terras, omnia maria movere …, exercitūs conficere maximos. genus illud Sullani regni iam pridem appetitur ; 9,10,6; 10,7,1). Dieser dunkle Unterton schwingt oft genug in dem Adjektiv mit ( das hier ominöser klingt als e.g. der Gen. poss. Sullae ensis ). Belegt ist es seit Cicero ( Vat. 23 inter Sullana arma, „während des sullanischen Bürgerkriegs“; cf. Sen. suas. 6,3 civilis sanguinis Sullana sitis, „Sullas Durst nach Bürgerblut“; Sen. dial. 4,34,3 Sullanae crudelitatis exempla ; Lukan 2,210 Sullana cadavera ~ 2,171 Sullanae … cadavera pacis ; cf. OTTO 334 s.v. Sulla 1; JAL 1963, 68f. ). bibit ensis : lies: ex quo ‹ tempore › Sullanus ensis ‹ sanguinem › bibit. Bereits in der Ilias werden Waffen lebendig ( 11,574 u.ö. λιλαιόμενα χροὸς ἆσαι, „gierig, sich am Fleisch zu sättigen“; s. auch 21,69f. ἱεμένη χροὸς ἄμεναι ἀνδρομέοιο, „begierig, sich an Menschenfleisch zu sättigen“ ). Aristoteles zitiert jene Passagen als Beispiele epischer Personifikation ( rhet. 1411b 32f. τὸ τὰ ἄψυχα ἔμψυχα ποιεῖν διὰ τῆς μεταφορᾶς, „Lebloses beleben mittels der Metapher“ ). Vergil verschiebt den Akzent vom ‚Essen‘ auf das ‚Trinken‘ ( Aen. 2,598-600 quos omnīs … hauserit ensis, und R.G. AUSTIN ad loc.: „the sword will have drained them [ sc. Aeneas’ Familie ] of blood“; 11,803 f. hasta … alte bibit acta cruorem ). Bei den Flaviern macht das Beispiel Schule ( Stat. Theb. 5,237 egentem sanguinis ensem ; 6,102f. infandos belli potura cruores | fraxinus ; 12,595 sitit meritos etiamnum haec hasta cruores, „dieser Speer dürstet noch immer nach schuldigem Blut“; 12,750f. transiit hasta duos, sitiebat vulnera nec non | tertia eqs.; Ach. 1,433 vulnera … alta bibat sc. ferrum ; Sil. Ital. 6,293 sacro bibit e serpente cruorem sc. hasta ; 7,534 f. multo … cruore | exsatiate … plenos rubiginis enses ; 15,629 tela bibunt praemissa cruorem ; cf. OLD s.v. bibo 1 1c ). Das homerische „sich sättigen“ klingt noch nach in Senecas im Bürgerkrieg „satt gewordenen Waffen“ ( benef. 5,16,5 arma satiata ).

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98-99 et horrida tellus | extulit in lucem nutritas sanguine fruges : „… und entsetzt die Erde zutage brachte blutgenährte Feldfrucht.“ Eine unheimliche Dynamik entfaltet sich von der blutrünstigen Dämonin ( 97 sitientes perluit artūs ) über die blutrünstigen römischen Waffen ( 98 Sullanus bibit ensis ) zum Getreide, das letztere mit Blut gedüngt haben ( 99 nutritas sanguine fruges ). Die ‚blutgetränkte Erde‘ der Ilias ( 4,451 ῥέε δ᾿ αἵματι γαῖα, „es strömte von Blut die Erde“; 10,484 ἐρυθαίνετο δ᾿ αἵματι γαῖα, „es rötete sich von Blut die Erde“ u.ö.) kennen auch römische Autoren; cf. Sat. frg. 43,8 M.4 exundantes profuso sanguine campos, und u.a. Verg. Aen. 9,333 f. atro tepefacta cruore | terra torique madent ; 12,339 f.; 12,690 f. plurima fuso | sanguine terra madet ; Ov. met. 8,402 madefacta est terra cruore ; Manil. 1,899 f. Germania … infecit … trium legionum sanguine campos ; Lukan 4,354 cruor effusus campis ; 4,795 compressus sanguine pulvis ; Stat. Theb. 10,5 panditur immenso deformis sanguine campus ; 12,719f. saevos potura cruores | terra ; Ach. 1,86f. tepido … sanguine Teucros | undabit campos ; Sil. Ital. 4,205 tellus perfusa sc. cruore rubescit ; 9,325f. tellus … videri | sanguine operta nequit ; 17,412 gentilem … bibit tellus invita cruorem ; Boethius cons. 2 m. 5,18 cruor horrida tinxerat arva. Mitunter ‚düngt‘ das Blut die Schlachtfelder ( cf. Aisch. Sept. 587 τήνδε πιανῶ χθόνα, „ich werde dieses Blachfeld düngen“; Ov. her. 1,54 luxuriat Phrygio sanguine pinguis humus ( und A. BARCHIESI ad loc.); Stat. silv. 5,3,39 Phrygio … pingues sanguine campos ; Theb. 4,444 vivo … sola pinguia tabo, „der vom frischen Blut fette Grund“; 7,545f. vestro … sanguine pinguis | spirat sc. campus; Sil. Ital. 3,261 uberior Rutulo nunc sanguine Thapsus ; 14,130 fecundat sanguine campos ) – bei Vergil und Horaz prominent im Kontext der Bürgerkriege ( georg. 1,491 f. nec fuit indignum superis bis sanguine nostro | Emathiam et latos Haemi pinguescere campos [ laut POLETTI 2017, 69 führe die Stelle hier Vergils Bild zu Ende ]; Hor. c. 2,1,29 f. Latino sanguine pinguior | campus, und NISBET – HUBBARD ad loc.; s. auch Plut. Marius 21,7 ). ‚Blutgenährte‘ Gewächse jedoch ( wie hier ) kennt nur noch Ovid ; cf. met. 10,210-213 cruor, qui fusus humo signaverat herbas, | desinit esse cruor, … flos oritur eqs.; 13,394-398 rubefacta … sanguine tellus | purpureum viridi genuit de caespite florem eqs. ( als Gaias ‚blutige Frucht‘ entspringt met. 1,157-160 ein neues Menschengeschlecht: perfusam multo natorum sanguine Terram | immaduisse ferunt calidumque animasse cruorem eqs.). Lukan spielt auf die Idee an ( 7,851f. quae seges infectā surget non decolor herbā ? eqs.; 7,864 f. nullus … auderet pecori permittere pastor | vellere surgentem de nostris ossibus herbam ). Zu ( in lucem ) efferre, „hervorbringen“, cf. Cic. Verr. 2,3,113 cum ager … decumo extulisset ( „… zehnfach Frucht trug“ ); Verg. georg. 2,167-169 genus

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acre virum … extulit sc. Italia ; Phaedrus 2 epil. 16 ( s. auch Sat. 128,6,2f. effossa … protulit aurum | in lucem tellus ). POLETTI 2017, 294 vermutet hier den Einfluss von Lucr. 1,178f. vivida tellus | tuto res teneras effert in luminis oras, und erinnert an das ‚Auftauchen‘ dämonischer Mächte ( e.g. Verg. georg. 3,551-553 in lucem Stygiis emissa tenebris … Tisiphone … caput altius effert ). Die Junktur sanguine nutrire (s. auch 110 sanguine pascere luxum ) erscheint nur noch Plin. pan. 27,3 neque a te liberi civium … sanguine et caedibus nutriuntur ; Apul. met. 7,5,6 humano sanguine nutritus ( ein Brigant ); Firm. Mat. err. 13,4 nihil … operantur victimae et cruor … profusus nisi ut daemonum substantia … ex isto sanguine nutriatur. horrida tellus : Die horrida tellus meint keine „eisenstarrende Flur“, wie in Vergils metaphorischen Schlachtreihen ( Aen. 7,525f. atra … horrescit strictis seges ensibus ; 11,601f. late ferreus hastis | horret ager ; 12,663f. strictis … seges mucronibus horret | ferrea ; s. auch Enn. frg. var. 14 V. sparsis hastis longis campus splendet et horret ; so GRIMAL 1977, 111 ), und auch nicht proleptisch die Feldfrüchte von BC 99 ( so BALDWIN 1911, 160; cf. Verg. georg. 1,314 spicea iam campis … messis inhorruit ; 3,198f. segetes altae … lenibus horrescunt flabris, „hohe Saaten erschauern in der sanften Brise“ ). Horrida steht hier ambivalent. Die von Sullas Massakern gedüngte ( und deshalb ) „s c h r e c k l i c h e Erde“ treibt blutige Frucht ( cf. Manil. 4,666 f. leones … parit horrida tellus, „das grimme Afrika gebiert Löwen“; Val. Flacc. 2,644 saevas tellus alat horrida gentes, die „rohe Erde“ bringt Giganten hervor ; s. auch Verg. Aen. 1,294 -296 Furor impius … fremet horridus ore cruento, vom personifizierten Wahnsinn des Bürgerkriegs ). Zugleich ist sie angesichts der Vorkommnisse „s t a r r“ vor Schreck ( cf. OLD s.v. horridus 7 b: „shaking with fear or disease, quaking, trembling“ ; Thes. VI 3, 2995,23-31, und e.g. Enn. ann. 309 Sk. Africa terribili tremit horrida terra tumultu ; Catull 64,205 f. tellus atque horrida contremuerunt | aequora ; mit anderen Subjekten e.g. Lucr. 3,834 f. omnia … belli trepido concussa tumultu | horrida contremuēre ; Stat. Theb. 5,602 f. advectos … horrida maesto | excutit ore cibos, die Vogelmutter angesichts des geplünderten Nests ). In diesem Sinn steht das Adjektiv prädikativ ( e.g. EHLERS : „und schaudernd die Erde“; cf. Thes. VI 3, 2994,79-81 ad loc.: „praedicative vel per prolepsin“ ). An das vom Bürgerkrieg verwüstete Italien Lukans erinnert POLETTI ( 2017, 293f. ): 1,28f. horrida … dumis multosque inarata per annos | Hesperia est.

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100 – 121 Fortunas Antwort Dis’ Rede als auch Fortunas Erwiderung gehen jeweils drei Verse voraus ( 76-78 bzw. 100-102 ), deren Beziehung zueinander dezente Parallelen in den beiden Schlusszeilen unterstreichen ( 78 bzw. 102): das Polyptoton mit vox ( 78 voce – 102 voces ), die Hinweise auf Fortunas Wesen ( 78 volucrem – 102 levi … pectore ), und nicht zuletzt der Name der Göttin in beiden Versen. Zugleich bilden die Verse 100f. als einziger physischer Kontakt der beiden Gottheiten eine Art Scharnier zwischen den beiden Reden. 100 haec ubi dicta dedit : „Als er diese Worte getan …“. Die Formel geht vielleicht auf Ennius zurück ( cf. trag. 258 Joc. orationem duriter dictis dedit ; NORDEN 4 1957, 294; SKUTSCH 1985, 136 [ vest. V ]; 780 f. ). Zuerst belegt ist sie bei Lucilius ( frg. 19 M. ). Vergil verwendet sie achtmal ( Aen. 2,790; 6,628 ; 7,323; 7,471; 8,541; 10,633; 12,81; 12,441; cf. N. HORSFALL ad Aen. 2,790: „lofty, archaic and apparently reserved for special occasions“ ; A. SETAIOLI, s.v. Discorso diretto, in: Enciclopedia Virgiliana II, Rom 1985, 102-106 ). Im flavischen Epos kehrt sie wieder ( Val. Flacc. 2,69 ; Sil. Ital. 7,746 ), aber auch in einer dramatischen Szene des Livius ( 22,50,10 haec ubi dicta dedit, stringit gladium eqs.; cf. 3,61,7 ), und nicht zuletzt, als ironisches Zitat, in der Cena ( Sat. 61,5 ‚haec ubi dicta dedit‘, talem fabulam exorsus est ). Im Hexameter eröffnet sie stets den Vers. 100-101 dextrae coniungere dextram | conatus : „versuchte er mit ihrer Rechten zu vereinen seine Rechte“ ( HOLZBERG ). Mit einem Handschlag empfängt Tisiphone ihre Schwester Megaera, die sie aus der Unterwelt zu Hilfe ruft ( Stat. Theb. 11,75 dextrae … innexa profatur eqs.). Doch warum reicht Dis Fortuna die Hand nicht eingangs – was hier eine Begrüßung ausschließt ( cf. Servius Aen. 1,408 maiorum enim haec fuerat salutatio, und e.g. Verg. Aen. 1,514 f. avidi coniungere dextras | ardebant ; 8,124 ; Ov. met. 7,495; weit seltener sind Belege für das Händeschütteln beim Abschied ). Die Geste taugt hier auch kaum als Symbol von Eintracht und Harmonie ( wie auf römischen Münzen ), als Glückwunsch ( e.g. Ov. met. 8,421 ), oder als Zeichen der Versöhnung ( e.g. Stat. Theb. 1,470 pariter coeant animorum in pignora dextrae ). Wie bei einem Vertrag soll der Handschlag Fortuna auf Dis’ große Bitte einschwören ( 95 Romanosque cie ac nostris da funera regnis ; ähnlich bereits DE SALAS 238 ad loc.). Als Besiegelung eines feierlichen Unterfangens, aber

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auch der Freundschaft erscheint die Geste des öfteren bei Vergil (Aen. 3,610 f. dextram … dat iuveni atque animum praesenti pignore firmat ; 4,597; 7,365 f. quid tua sancta fides ? quid … data dextera Turno ?, und N. HORSFALL ad loc.; 8,169; 11,292 coeant in foedera dextrae ; auch die Junktur dextrae (con )iungere dextram ( zumal am Versende ) verweist auf Vergil; cf. Aen. 1,408 dextrae iungere dextram ; 8,164 ; verkürzt 1,514 avidi coniungere dextras ; s. auch Liv. 23,9,3 dextrae dextras iungentes fidem obstrinximus ; Ov. her. 12,90; met. 6,447 f.; Pont. 4,7,43 ); ferner Liv. 1,58,7 date dexteras fidemque haud impune adultero fore ; Ov. met. 14,297 fides dextraeque datae ; Stat. Theb. 12,782f. accedunt utrimque … permiscentque manūs ; Sil. Ital. 8,237f.; Heliodor 6,8,2. So auch in der Kunst : „Unter Göttern bedeutet (der Handschlag ) stets einen feierlichen und ewigen Vertrag.“ ( SITTL 1890, 276 ). – Cf. SITTL 1890, 27-31. 135-137. 276f.; P. BOYANCÉ, Études sur la religion romaine, Rom 1972, 121-133 ; R. MONTI, The Dido episode and the Aeneid, Leiden 1981, 3-8; G. FREYBURGER, Fides, Paris 1986, 136-142 ; R. HURSCHMANN, DNP 4, 1998, 823 f. Die verflochtenen Alliterationen ( con- con-, und v.a. dic - ded - dex - dex -, samt dem Polyptoton dextrae – dextram ) bilden den Handschlag ab. Das ( zumal als Enjambement ) irritierende conatus lässt freilich offen, ob Handschlag und Vertrag zustande kommen. Dass der Versuch misslingt, könnte das diskrete vergilische ‚Echo‘ andeuten ( Aen. 2,792 == 6,700 ter conatus ibi collo dare bracchia circum ; s. auch BALDWIN 1911, 160f.: „His failure is probably due to the fickle and elusive character of the goddess, who slips from his grasp as ghosts from the hands of men.“; bei Ovid e.g. bleibt offen, wer von den Jagdgefährten Meleager gratuliert : met. 8,421 victricem … petunt dextrae coniungere dextram ). Doch für Fortuna scheint der ‚Vertrag‘ bindend ( 105 vota tibi cedent ). Genügt ihr Dis’ guter Wille ? Oder kommt es zu dem justiziablen Handschlag, der den Boden sprengt ? So deutet POLETTI 2017, 296 die Szene: der Riss, der mit dem zerstörerischen Händedruck Hand in Hand geht, habe symbolische Kraft – er versinnbildliche die ‚Zerstörung‘, die dieser destruktive Pakt besiegelt. 101 rupto tellurem solvit hiatu : „und sprengte das Erdreich mit einem klaffenden Spalt“. Warum reißt der Boden auf, wenn Dis die Hand ausstreckt ( zumal er längst klafft ; cf. 67 locus exciso penitus demersus hiatu ) ? Hier geht es kaum um die bekannten seismischen Phänomene, die das Nicken großer Götter begleiten. Neptun lässt die See beben ( Ov. met. 8,603f. movit caput … con-

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cussitque suis omnes adsensibus undas ), Ceres die Felder ( ebd. 8,780f. capitis … sui … motu | concussit gravidis oneratos messibus agros ), Juppiter den Olymp ( Verg. Aen. 9,106 totum nutu tremefecit Olympum ), ja den gesamten Kosmos ( Catull 64,204-206 adnuit invicto caelestum numine rector ; | quo motu tellus atque horrida contremuerunt | aequora concussitque micantia sidera mundus ; s. auch Stat. Theb. 11,411 ter … ima soli concussit : vor dem thebanischen Bruderkampf erschüttert Dis das Erdreich in seinen Tiefen; Lukian Philops. 24 : mit einem Tritt spaltet Hekate die Erde bis hinab zum Tartaros ). Steigen höllische Wesen empor, wie Achills Geist ( Sen. Tro. 178-180 scissa vallis aperit immensos specūs | et hiatus Erebi pervium ad superos iter | tellure fractā praebet ), oder Megaera ( Stat. Theb. 11,72f. abruptā terrarum mole sub astris | constitit ), oder eine ganze infernalische Parade ( Sen. Oed. 570-583, bes. 579ff. ipsa tellus, ut daret functis viam, | compage ruptā sonuit … subito dehiscit terra et immenso sinu | laxata patuit ; s. auch Mart. spect. 25,1f. subito tellus emisit hiatu | ursam )? Doch Dis hat die Oberwelt bereits erreicht. Und in den Hades will er noch nicht zurück ; Fortunas Antwort steht aus. Auffällig ist zudem ein Detail. Dis „hebt“ sein Haupt ( 76 extulit ora ; die knappe Skizze konzentriert sich ganz auf sein Gesicht ), als blicke er nach oben. Und es ist sein Versuch, Fortuna die Hand zu reichen, der die Erde bersten lässt ( 101 ). Zuletzt ‚sinkt‘ er wieder ‚hinab‘ und ‚schließt‘ über sich den Boden ( 124 f. subsedit …, gremioque reducto | telluris eqs.). Dieses merkwürdige Szenario lässt im Grunde nur eine Erklärung zu: sichtbar ist allein Dis’ Oberkörper. Er steckt also noch im Erdreich ( in das er danach zurücksinkt ), und begegnet Fortuna folglich nicht ‚auf Augenhöhe‘ – was auf symbolischer Ebene ihre überragende Macht und Rolle bestätigt ( cf. 79 rerum humanarum divinarumque potestas ). Für Dis/ Hades ist diese Ikonographie archäologisch nicht bezeugt, wohl aber für seine Gemahlin, genauer : für Persephones ‚Anodos‘ ( ihren Aufstieg aus der Unterwelt ), zudem in der apulischen und etruskischen Vasenmalerei für Unterweltsdämonen wie Erinys und Vanth. Die meisten Belege finden sich für Gaia, etwa bei Erichthonios’ Geburt ( auf dem Pergamonaltar ragt sie aus dem Boden, um ihrem sterbenden Sohn zu helfen). Das Bild passt zu einer chthonischen Gottheit, die oft genug die Erde aufbricht – am bekanntesten beim Raub der Persephone ( e.g. Hom. hymn. Dem. 16 χάνε δὲ χθὼν εὐρυάγυια, „es klaffte die breitstraßige Erde“; Ov. met. 5,423f. icta viam tellus in Tartara fecit | et pronos currūs medio cratere recepit ; Claudian rapt. 2,151-203, bes. 2,186f. postquam victa manu duros Trinacria nexūs | solvit et inmenso late discessit hiatu eqs.).

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POLETTI 2017, 297 zufolge rage sogar allein Dis’ Kopf aus dem Untergrund ( nur er wird BC 76f. beschrieben ), wie in der Darstellung maritimer Gottheiten ( cf. Verg. georg. 4,352 ~ Aen. 1,127 prospiciens summā … caput extulit undā ). Dies erkläre, warum er die Hand kaum zu heben vermag ( 101 conatus ) und das Erdreich sprenge. Zugleich aber bringt Dis’ Händedruck auf fast groteske Weise, in einer so mühsamen wie gewaltigen Bewegung ( untermalt von dem Part. coni. conatus und fünf schweren Spondeen; BC 101 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions ) das eigene Reich in Gefahr – just wie er es eben den Römern vorwarf ( BC 90-93; cf. CONNORS 1989, 100f.; 1998, 119; POLETTI 2017, 297 erweitert das Bild um Dis’ absurde Angst vor dem Bergbau und seine überstürzte Flucht BC 124 f. ). Die der Apocolocyntosis würdige Szene bietet den einzigen ‚comic relief‘ des Epyllions. rupto … hiatu : Zu rupto hiatu cf. Stat. Theb. 11,175 vidi … ruptos telluris hiatūs ( verwandt e.g. Sen. Thy. 87f. mittor ut dirus vapor | tellure ruptā ; Ps.Sen. Oct. 135f. Stygios sinūs | tellure ruptā pande ; 595 Tellure ruptā Tartaro gressum extuli ; 725 f. diducta subito patuit ingenti mihi | tellus hiatu ; Sil. Ital. 5,615f. immugit penitus … dissiliens tellus nec parvos rumpit hiatūs ; s. auch BC 254 sedes Erebi qua rupta dehiscit, und S. 1309 ); OLD s.v. rumpō 4 a: „to make or open up by bursting ( a passage, hole, or sim.)“. tellurem solvit : Nur noch Statius kennt das rare tellurem solvere ( Theb. 10,203 assurgens iterum tellure solutā, von Amphiaraus’ Rückkehr an die Oberwelt ; für verwandte Wendungen cf. u.a. Sen. Oed. 582f. dehiscit terra et immenso sinu | laxata patuit ; Stat. Theb. 8,31 superā compage solutā ; Claudian rapt. 2,186f. Trinacria nexūs | solvit ). Zu solvere in den Sat. s. auch 95,5 solvit … clamantis frontem sc. urceolo; frg. 39,5 M.4 == Anth. Lat. 477,5 R. == 475,5 Sh.B. inmanes mors obvia solvit hiatūs ( „auf dem Meer reißt der lauernde Tod seinen riesigen Schlund auf “ ). Die Junktur hiatu solvere verwendet einmal Seneca ( nat. 3,30,4 mare ora fontium implebit et maiore hiatu solvet, „… und zu breiteren Öffnungen erweitern“ ); erst bei Ambrosius kehrt sie wieder ( off. 3,12,79 subito impios terra praerupto soluta hiatu absorbuit ). Ch. REITZ ( ap. POLETTI 2017, 296 Anm. 267 ) verweist auf die paradoxe Spannung zwischen dem ‚Verbinden‘ ( coniungere ) einer- und dem ‚Lösen‘ (solvit ) und ‚Sprengen‘ (rupto ) andererseits. POLETTI 2017, 298 notiert das gehäufte dentale ‚t‘ ( conaTus rupTo Tellurem solviT hiaTu ), das gemeinsam mit den schweren Spondeen das ‚tellurische Phänomen‘ abbilde ( wie e.g. Stat. Theb. 11,175 propTer rupTos Telluris hiaTūs ).

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102 tunc Fortuna levi defudit pectore voces : „Da vergoss Fortuna aus ihrem launischen Busen Worte“. Das übertragen verwendete lĕvis – „unbeständig, unzuverlässig, wankelmütig, leichtfertig, launisch“ ( laut Gell. 6,11,1f. eine moderne Entwicklung : ‚levitatem‘ plerumque nunc pro inconstantia et mutabilitate dici audio … sed veterum hominum qui proprie atque integre locuti sunt, ‚leves‘ dixerunt, quos volgo nunc viles et nullo honore dignos dicimus ) – wird fast zu Fortunas Epitheton ornans; cf. BC 244 Fortuna levis ( und 78 volucrem Fortunam ); Publilius Syrus L 4 levis est Fortuna ; Cic. fam. 9,16,6 Fortunam … levem et imbecillam ; Tib. 1,5,70 Fors levis ; Ov. Pont. 2,7,21f. est illi sc. Fortunae curae me perdere, quaeque solebat | esse levis, constans et bene certa nocet ; 4,3,31; Sen. Med. 219 rapida fortuna ac levis ; Ps.-Sen. Oct. 452 levis est dea ; Stat. silv. 5,1,143f. infīda levisque … Fortuna ; Theb. 1,177; Anth. Lat. 629 R. o Fortuna potens et nimium levis ; Thes. VII 2, 1209,2-7. – Cf. ferner S. 1066-68 zu BC 108 f. Die Junktur lĕve pectus kennt ansonsten nur Ovid ( am. 3,11b,33: „zerrissen“ zwischen Hass und Liebe ; nicht zu verwechseln ist die „jugendlich glatte Brust“, lēve pectus ; e.g. Verg. Aen. 7,349 ). Zu der ‚personifizierenden Enallage‘ ( statt Fortuna lĕvis pectore ; zu dem t.t. s. MAURACH 47f. ) cf. 113,2 iratum … caput ; 140,12 manus irata, und e.g. Lukan 9,1039 gemitūs … expressit pectore laeto. Aus der Dichtung vertraut ist die Wendung voces ( vel sim.) pectore effundere ( cf. Enn. ann. 553 Sk. effudit voces proprio cum pectore sancto ; Verg. Aen. 5,482 ille super talīs effundit pectore voces ; 5,780 talīsque effundit pectore questūs ; 7,292 haec effundit pectore dicta ; Albinovanus Pedo frg. 1,15 FLP tales effundit pectore voces ; s. auch Catull 64,202 has postquam maesto profudit pectore voces ). Die einzige Parallele für die Verbindung mit dem ausgesprochen seltenen defundere liefern die Sat. selbst : 5,21f. flumine largo | plenus Pierio defundes pectore verba ( defundes SCALIGER : diffunde(n)s codd.; zu übertragenem defundere cf. Ov. her. 8,61 flendo defundimus iram ; Carm. Lat. Epigr. 271,3 laeta serenifico defundere carmina caelo ; Thes. V 1, 376,62-69 ). Da auch Petron in der Regel effundere wählt ( cf. 23,2 eiusmodi carmina effudit ; 109,1 haec ut turbato clamore … effudit ; 124,2 cum haec … ingenti volubilitate verborum effudisset ; 132,4 nullisque precibus effusis ; 132,11 haec ut iratus effudi ), denkt POLETTI 2017, 300 hier an eine Art „innovazione petroniana“ dieser Formel ( s. auch RIMELL 2002, 27f. 203-205 zu den Komposita von fundere im BC : 64, 69, 70, 96, 102, 214 ). 103 o genitor : „O Vater“. Der ehrfürchtige, mit pater synonyme Titel wird insbesondere Göttern zuteil, bisweilen auch herausragenden Persön-

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lichkeiten wie Romulus oder Augustus (die beide später göttlichen Status erlangten ). Seinen Platz hat er vor allem in der Anrede; cf. Enn. ann. 108 Sk. o pater, o genitor, o sanguen dis oriundum ! ( Romulus; cf. O. SKUTSCH ad loc.: „a solemn word, not used in comedy, rare in prose, and first found in Ennius“ ); 444 Sk. o genitor noster, Saturnie, maxime divom ; Verg. Aen. 1,155 ( Neptun); 7,360; 8,72 tuque, o Thybri tuo genitor cum flumine sancto ; 10,668 omnipotens genitor ( Juppiter ); Ov. ars 1,197 genitor patriae (Augustus); met. 15,862 f. dique Indigetes genitorque Quirine | Urbis et invicti genitor Gradive Quirini, und F. BÖMER ad loc.; Val. Flacc. 5,403 ( Apoll ); Stat. Ach. 1,61 o magni genitor rectorque profundi ( Neptun ); Sil. Ital. 7,737; 10,553 ( Mars ); 13,738. Hier mag ein persönliches Moment ins Spiel kommen, da orphischen Quellen zufolge Tyche – Fortuna die Tochter des Eubouleus war ( hymn. Orph. 72,3f.; zit. GRIMAL 1977, 115 ), der seinerseits oft genug mit Hades identifiziert wurde ( cf. O. JESSEN, RE VI 1, 1907, 864 ). Denkbar ist aber auch eine Anspielung auf Dis’ Macht als „Schöpfer“ und „Vernichter“ aller Dinge ( cf. Stat. Theb. 8,91-93 o cunctis finitor maxime rerum … et sator ). 103 cui Cocyti penetralia parent : „dem des Kokytos’ tiefste Tiefen gehorchen“. Fortunas Epiklese ( Anrede im Gebet ), die deutlich knapper ausfällt als die Plutos ( 79-81 ), begnügt sich mit einem Hinweis auf dessen Herrschaft, die er einst bei der Aufteilung der Welt erlangte ( Ilias 15,187-193 ). Auch andere Epiklesen des Dis betonen seine Macht ; cf. Ov. met. 10,3235, bes. 34 f. haec est domus ultima, vosque | humani generis longissima regna tenetis ; Sen. Oed. 868f. tuque tenebrarum potens … rector umbrarum ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 938 tu, nigrantis regna qui torques poli ; Claudian rapt. 1,20-26 Di, quibus innumerum vacui famulatur Averni | vulgus iners eqs.; 1,55-62 o maxime noctis | arbiter umbrarumque potens eqs. ( cf. C. GRUZELIER ad loc.). Zu der typischen Epiklese mit einer Periphrase des Machtbereichs cf. 79 rerum humanarum divinarumque potestas, und S. 1014 ad loc., ferner u.a. Ilias 1,37f.; Verg. Aen. 7,485f. Tyrrhus … pater, cui regia parent | armenta et late custodia credita campi ; 10,175f. interpres Asilas, | cui pecudum fibrae, caeli cui sidera parent. Der Plural penetralia ( der Innenbereich eines Hauses oder das Allerheiligste eines Tempels ) erscheint hier zum ersten Mal als Synonym für die ‚Unterwelt‘ ( meist präzisiert mit einem Genetiv oder Adjektiv ); cf. Gell. 16,5,12 ipsa Orci penetralia ; Apul. met. 11,6,6 me sc. Isidem … Acherontis tenebris interlucentem Stygiisque penetralibus regnantem ; im christlichen Latein

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u.a. AT Psalm. 62,10 Vetus Lat. ( zit. nach Thes. X 1, 1063,6-8; nicht in der ed. SABATIER ) introeant in penetralibus terrae ; Rufin hom. Ex. Orig. 6,6 p. 198,1 Bae. in inferni penetralibus ( cf. Thes. X 1, 1063,3-13 ). Zu Cocytus cf. S. 995f. ad BC 69. Zu parēre für den Gehorsam höheren Mächten gegenüber cf. ( neben den Beispielen oben ) Sat. 133,3,2f. inclita paret | cui Lesbos viridisque Thasos ; 134,12,1 quicquid in orbe vides, paret mihi ; Cic. leg. 1,23 isdem imperiis et potestatibus parent sc. homines et dei ; Thes. X 1, 382,54-63. – Die doppelte Alliteration ( cui Coc- / pen- par- ) verstärkt den feierlichen Ton. 104 si modo vera mihi fas est impune profari : „so es mir denn erlaubt ist, ungestraft Wahres zu künden“. Fortuna, die nach Dis’ eigenem Bekunden weit mächtiger ist als er ( 79 rerum humanarum divinarumque potestas ), begegnet dem Herrn der Unterwelt mit ausgesuchter Höflichkeit. Fast paradox mutet ihre Angst vor Konsequenzen an ( impune ; POLETTI 2017, 302 unterstellt ihr Skrupel, ob es rechtens sei, die Zukunft zu offenbaren, und vergleicht BC 19 heu, pudet effari perituraque prodere fata ). Denn wie am Ende ihrer Rede Juppiters Blitz ahnen lässt ( 122f. ), hat ihre offenherzige Antwort in der Tat gewaltige Konsequenzen – für Rom. Nicht zuletzt lässt die Wendung eine gewisse Verlegenheit ahnen, dass ihre Meinung über ihren einstigen Protégé sich so radikal geändert hat. Ein solches Gebet richtet Orpheus an Dis und Proserpina ( Ov. met. 10,17-20 o positi sub terra numina mundi, | in quem reccidimus, quidquid mortale creamur, | si licet et … vera loqui sinitis eqs.), Theseus an Fas und die Herrscher des Hades ( Sen. Herc. fur. 658-661 Fas omne mundi teque dominantem precor | regno capaci teque, quam toto inrita | quaesivit orbe mater, ut iura abdita | et operta terris liceat impune eloqui ), und der Seher Amphiaraus an Pluto ( Stat. Theb. 8,90-93 si licet et sanctis hīc ora resolvere fas est | manibus, o cunctis finitor maxime rerum eqs.). Mit ähnlichen Worten bittet Vergil die unterweltlichen Mächte, seine Leser einweihen zu dürfen in die Geheimnisse des Hades: Di, quibus imperium est animarum, umbraeque silentes | et Chaos et Phlegethon …, sit mihi fas audita loqui, sit numine vestro | pandere res altā terrā et caligine mersas ( Aen. 6,264-267; R.G. AUSTIN ad loc. deutet fas hier als „what is allowable under divine law“; lt. CONNORS 1989, 87 Anm. 61 habe Eumolp diese Passage wohl im Ohr ). Zu einer solchen Kautel in profanem Kontext greift Laelius in seiner Rede vor Caesar und den Truppen ( Lukan 1,359f. si licet … et ius est veras expromere voces ). – Zu dem prosaischen si modo, „wenn denn, wenn tatsäch-

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lich“, cf. OLD s.v. modo 3 a. In der Dichtung bleibt es selten ( e.g. Sen. Thy. 249 f. excede, Pietas, si modo in nostra domo | umquam fuisti ; Lukan 7,103 ) – Ovid ausgenommen ( e.g. Pont. 2,3,7 si modo vera fatemur ). si … mihi fas est : Die feierliche, bisweilen eine Aussage abschwächende Bitt- und Gebetsformel si (mihi ) fas est ( o.ä.; oft, wie hier, mit einem Inf. ) ist bereits in der alten Komödie zuhause (cf. Plaut. Bacch. 1025 si me fas est opsecrare aps te, pater eqs.; Ter. Hec. 387 te obsecramus ambae, si ius si fas est eqs.). In der späten Republik kehrt sie wieder (cf. Catull 51,1f. mi … videtur …, si fas est, superare divos ; Cic. dom. 94 ; Cael. 27 si fas est defendi a me eum eqs.; Tusc. 5,38 si hoc fas est dictu ), und vornehmlich in der Dichtung der Kaiserzeit ( e.g. Tib. 1,6,64 sit modo fas ; 2,3,74 ; Verg. Aen. 6,266, oben zit., und N. HORSFALL ad loc.; Prop. 3,12,5 si fas est, omnes pariter pereatis avari ; Persius 1,8; carm. Einsidl. 1,26 fas mihi sit vidisse deos, fas prodere mundo ; App. Verg. Aetna 173 si fas est credere ~ Sil. Ital. 3,425 si credere fas est ; Stat. silv. 3,3,56 si fas est aequare iacentia summis ; App. Verg. Ciris 21 si fas est dicere ; s. auch Liv. 23,42,4 si fas est dici ), zumal bei Ovid ( u.a. her. 13,71; trist. 2,515 scribere si fas est imitantes turpia mimos ; 5,2,46 si fas est homini cum Iove posse loqui ; 5,3,27 ; Pont. 2,8,37 f.; 4,8,55; Ps.-Ov. cons. Liv. 129f. ); Thes. VI 1, 288,52-63. S. auch Soph. El. 127 εἴ μοι θέμις τάδ᾿ αὐδᾶν ( „wenn es mir zusteht, so zu reden“; zit. STUBBE 122 ad loc.). profari : Zu profari als t.t. der Orakelsprache cf. TH 4 cum Delio profante, und Bd. I, S. 163 f. ad loc. ( für das flavische Epos cf. e.g. Stat. Theb. 3,625f. me … arcana profari | Phoebus agit ; silv. 4,3,123 virgineo profatur ore sc. Sibylla ; Sil. Ital. 1,124 sic deinde profatur sc. sacerdos ). SCHMELING – SETAIOLI ad loc. halten ein Wortspiel für möglich: „Fortuna foretells what is fated. (…) The Romans thought that fas was connected to for, and thus fas … profari could be a pun“ ( cf. R. MALTBY, A lexicon of ancient Latin etymologies, Leeds 1991, 223 s.v. fas; ein Wortspiel vermutete hier bereits CONNORS 1989, 86f. ). 105 vota tibi cedent : „Deine Wünsche werden sich erfüllen.“ Cedere erscheint hier in der seltenen Bedeutung bene ( alicui ) cedere, „gut ( für jmd.) ausgehen“; cf. Verg. Aen. 12,147 f. Parcae … sinebant | cedere res Latio ( „die Parzen erlaubten es, dass die Geschichte gut ende für Latium“ ); Ps.-Sen. Herc. Oet. 292f. vota, quae superis tuli, | cessēre captae ( „die Gelübde, die ich den Himmlischen darbrachte, erfüllten sich für eine Gefangene“ ); Suet. Aug. 91,1 cessit … res prospere ; Florus epit. 1,36,2 citra spem omnium fortuna cessit ; Thes. III, 732,74-80 ; OLD s.v. cedo 7 b. – Für losere Verbindungen von votum und cedere cf. Sen. dial. 7,25,3 omnes mihi ex voto

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dies cedant ( „… mögen wunschgemäß verlaufen“ ); CIL XI 6842 sic tibi quae votis optaveris omnia cedant. 105-106 nec enim minor ira rebellat | pectore in hōc : „Denn weder wallt geringer der Zorn in diesem Busen empor …“. Fortuna macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube ( 105 ira rebellat ; 106 exurit flamma medullas ; 107 odi ; 108 irascor ). Ihr leve pectus von BC 102 kehrt hier ‚chiastisch‘ wieder ( 102 levi … pectore – 106 pectore in hoc – levior … flamma ). Zu minor ira cf. BC 39 nec minor in campo furor est ( ebenfalls als Litotes ), und Ov. Pont. 2,8,76 sit minor ira dei sc. Augusti ; Stat. Theb. 5,585 minor ira deo ( „ein zu geringer Zorn für den Gott“ ). Zu rebellare in der Bedeutung „aufbegehren, sich auflehnen, rebellieren“ cf. S. 1032. pectore in hōc : Diese meist in emotionalem Kontext verwendete Junktur ist überraschend selten, und erst seit neronischer Zeit belegt ; cf. Sat. 91,6 in hoc pectore … cicatrix non est ; Lukan 7,776 pectore in hoc pater est ; Stat. Theb. 7,541f. bona foedera gesto | pectore in hoc ; Quint. decl. 332,14 tibi vixi, tibi moriturus fui, nulli alii in hoc pectore locus fuit ( physische Nähe: Stat. Ach. 1,931 me … hoc in pectore ponam ? ). – Zu dem nachgestellten Demonstrativpronomen ( oft zur Hervorhebung des Substantivs ) cf. HSZ 407f.; PETERSMANN 134. 106 leviorque exurit flamma medullas : „… noch brennt mir schwächer die Flamme das Mark aus“. Fortunas lodernder Hass gleicht verräterisch Didos brennender Liebe ( Verg. Aen. 4,66-68 ēst mollīs flamma medullas | interea et tacitum vivit sub pectore vulnus eqs.; cf. A.S. PEASE ad loc.) – und bestätigt zugleich ihr wankelmütiges Wesen ( cf. BC 81 nova semper amas et mox possessa relinquis ). Bereits Euripides sah das Mark als Sitz der Emotionen ( Hipp. 255 ἄκρον μυελὸν ψυχῆς, „the extreme marrow of the soul …, i.e. the very inmost part of the soul“; W.S. BARRETT ad loc.). Doch erst hellenistische Texte verbinden es mit ‚verzehrenden‘ Leidenschaften ( Theokrit 30,21 ὀ πόθος καὶ τὸν ἔσω μύελον ἐσθίει, „das Verlangen verzehrt auch tief innen das Mark“ ). Mit dem verwandten Bild von Eros’ Feuer, das sich bis in die Knochen frisst ( Theokrit 3,17, und A.S.F. GOW ad loc.; s. auch Apoll. Rhod. 3,286-298, und R. HUNTER p. 130 ad 3,291-295 ), verschmelzen es dann römische Dichter. Catull macht das ‚im Mark lodernde Feuer‘ zum Synonym für das brennende Begehren ( 35,14 f. misellae | ignes interiorem edunt medullam ; 64,92 f. cuncto concepit corpore flammam | funditus atque imis exarsit tota medullis ; 100,7

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cum vesana meas torreret flamma medullas ; s. auch Verg. georg. 3,271 avidis … subdita flamma medullis ; Aen. 4,66f., oben zit.; Ov. am. 3,10,27 tenerae flammam rapuere medullae ; her. 4,15; met. 14,351 flamma … per totas visa est errare medullas ; Sen. Ag. 132 flammae medullas et cor exurunt meum ; Phaed. 282 ). Seltener beschreibt es die physiologische Wirkung von Krankheiten oder Giften ( u.a. Manil. 1,880 f. gravibus morbis et lentā corpora tabe | corripit exustis letalis flamma medullis ; Sen. Med. 818 f. imas | urat serpens flamma medullas, „… die kriechende Flamme“; Lukan 9,741 f. carpit … medullas | ignis edax ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 536-538; 1218-20 ), oder ernste Sorgen ( e.g. Catull 66,23 quam penitus maestas exedit cura medullas ! ; Lukan 5,811 ), oder – wie hier – ungezügelte Emotionen ( e.g. Ov. trist. 1,5,9 haec mihi semper erunt imis infixa medullis ). Lĕvis flamma meint meist ein schwaches Feuer ( e.g. Cato agr. 107,1 coquas sarmentis et levi flammā ; Sen. nat. 1,14,2 quidam sc. ignes caelestes sunt … evanidae ac levis flammae ; Mart. 13,33,2; cf. Thes. VII 2, 1205,17-22 ). Übertragen wie hier erscheint das Bild Ps.-Sen. Oct. 189-191 für das Strohfeuer jugendlicher Leidenschaft : iuvenilis ardor impetu primo furit, … nec durat diu …, ceu levis flammae vapor ( „… wie der Rauch einer flüchtigen Flamme“ ). POLETTI 2017, 304 vermutet hier eine Anspielung auf Fortunas levitas ( cf. 102 Fortuna levi … pectore ; 244 Fortuna levis ). – Zu exurere in Verbindung mit medullas cf. Manil. 1,880 f.; Sen. Ag. 132; zum Versende flamma medullas cf. Catull 100,7; Verg. Aen. 4,66 ( s. auch flamma medullis, Verg. georg. 3,271 und Manil. 1,881; alle sechs Stellen oben zit.). Die beiden Sätze BC 105f. decken sich syntaktisch wie inhaltlich ( fast als Parallelismus membrorum ): die korrespondierenden Konjunktionen ( nec ~ -que ), das Subjekt samt komparativem Adjektiv ( minor ira ~ levior flamma, beide in Litotes ), das Verb ( rebellat ~ exurit ), die Ortsangabe ( pectore in hōc ~ medullas ). nec … -que : Das -que vertritt hier nec ( statt nec – nec ; so bereits Sat. 5,4 f. nec curet … regiam … cliensque cenas impotentium captet ). Eine kopulative Konjunktion kann einer Negation u.a. dann folgen, wenn das zweite Element das erste ergänzt oder wenn – wie hier – die verbundenen Elemente mehr oder weniger synonym stehen. Cicero schätzt diese Variante ( e.g. agr. 2,49 neque familiaritate illius adductus nec spe honoris atque amplissimae dignitatis ; de orat. 1,18 neque legum ac iuris civilis scientia neglegenda est ; Mil. 83; cf. NM § 435,4 ); ebenso Ovid ( her. 2,89f. nec te mea regia tanget | fessaque Bistoniā membra lavabis aquā ! ; 7,81f. neque … tua fallere lingua | incipit a nobis, primaque plector ego ; met. 12,471-473 ).

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107 omnia, quae tribui Romanis arcibus, odi : „Alles, was ich den römischen Hügeln zugeteilt, ist mir verhasst“. Fortuna verantwortet die Expansion des Reichs, aber auch seinen inneren Niedergang ( cf. S. 1012f. ). Ihren Sinneswandel in Sachen Rom beschreibt Florus ( epit. 2,13,1 iam paene toto orbe pacato maius erat imperium Romanum, quam ut ullis exteris viribus opprimi posset. itaque invidens Fortuna principi gentium populo ipsum illum in exitium sui armavit ; s. auch Tac. ann. 16,16,2 ira illa numinum in res Romanas : Neros Tyrannis verdanke sich dem „Zorn der Götter auf das Römertum“ ). Fortunas Ankündigung ( 107-109 ) klingt wie ein Widerruf der großen Verheißung der Aeneis : ein Weltreich für die Ewigkeit ( 1,257-296, bes. 1,278f. nec metas rerum nec tempora pono sc. Romanis : | imperium sine fine dedi ; 7,96-101, bes. 7,100f. omnia sub pedibus, qua sol utrumque recurrens | aspicit Oceanum, vertique regique videbunt ). Dass die alte Verheißung erfüllt ist, belegt der Prolog des BC ( 1f.; cf. ZEITLIN 1971, 76 ). – Das alliterierende Hyperbaton ( omnia … odi ) verstärkt die Wucht ihrer Worte. Romanis arcibus : Vor allem in historischen Texten meint arx Romana in aller Regel die „römische Burg“ par excellence – das Kapitol, oder dessen nördliche Seite mit dem Tempel der Iuno Moneta ( h. S. Maria in Aracoeli ); e.g. Liv. 1,11,6; 4,18,6 ; Tac. ann. 11,23,4 sub Capitolio et arce Romana ( den Palatin meint die Romana arx Verg. Aen. 8,313; cf. P.T. EDEN ad loc.). Aber auch die Tarpeia arx, die südliche Erhebung des Kapitols ( Verg. Aen. 8,652 ), kann für das Kapitol insgesamt stehen ( bei Ovid auch im poetischen Plural Tarpeiae arces, u.a. fast. 1,79, und F. BÖMER ad loc.; met. 15,866; für Rom stehen sie Lukan 7,758 ); ebenso die sacrae arces ( Hor. c. 1,2,3 ) oder Latiae arces ( Ov. met. 15,582 ). Der Plural Romanae arces hingegen, der klassisch nur im BC belegt ist ( hier und 293 ), sowie dreimal bei Vergil ( die zwei Belege in der Aen. in Prophezeiungen Juppiters ), steht für die sieben Hügel Roms; cf. georg. 2,172 imbellem avertis Romanis arcibus Indum ; Aen. 10,12 f. Karthago Romanis arcibus olim | exitium magnum … immittet ( dank der identischen Wendung in gleicher Versposition dienen beide Stellen hier als Vorbild ); ferner Aen. 4,234 ( und A.S. PEASE p. 244 ad loc.: „The plural [sc. arces ] often means high points of land …, but here would suggest to a Roman reader the seven hills of Rome with the structures eventually erected upon them.“ ). „ Arx, with its double colour of a citadel and, in poetry, a peak, is appropriate for the Capitol … or the Seven Hills. Used of the latter in Virgil, it has unmistakeable political overtones.“ ( MYNORS 1990, 176 ); cf. ferner Thes. II, 742,9-23. Zu den synonymen septem arces cf. Verg. georg.

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2,535 septemque una sibi muro circumdedit arces sc. Roma ( == Aen. 6,783, mit circumdabit ); s. auch Lukan 4,657 die Latiae arces. 108 muneribusque meis irascor : „und ich grolle meinen Geschenken.“ Fortunas Geschenke waren große Feldherrn ( 61 tres tulerat Fortuna duces ), v.a. aber die Weltherrschaft ( 108 f. istas moles ; cf. 1f. orbem iam totum victor Romanus habebat eqs.). Das zarte Oxymoron ( STUBBE 85 ) variiert BC 107 ( samt schwachem Parallelismus membrorum; s. auch die erste „Mehrfachbeschreibung“ BC 105f.; zu dem t.t. cf. MAURACH 23f. ). Zu Fortunas Wankelmut, was eigene ‚Geschenke‘ angeht, cf. Vitruv 6 praef. 3 omnia enim munera fortunae cum dantur, ab ea faciliter adimuntur ; Sen. dial. 11,9,4 levitas fortunae cito munera sua transferentis ; Calpurn. Flacc. 42 subito Fortuna, sicut solet, ipsa suis muneribus invidit ; Anth. Lat. 629,4 R. ( an Fortuna ) nec servare potes muneribus sc. tuis fidem ! Im Grunde dasselbe meint Enkolp in Kroton: „Unser gemeinsames Glück kehrt zurück zu seiner wankelmütigen Sinnesart“ ( 141,1 Fortuna communis coepit redire ad paenitentiam suam ). – Zu irascor mit dem Dativ der Sache cf. Ov. her. 1,68 irascor votis, heu, levis ipsa meis ! ; Quint. decl. 335,15 irascor manibus meis ( zit. POLETTI 2017, 305 ). 108-109 destruet istas | idem, qui posuit, moles deus : „Zertrümmern wird diesen Koloss dieselbe Gottheit, die einst ihn groß gemacht.“ Dis’ Analyse ( 82-85 ecquid Romano sentis te pondere victam, | nec posse ulterius perituram extollere molem ? eqs.) korrigiert Fortuna in einem gewichtigen Detail. Dis glaubt sie ‚besiegt‘ von Roms inzwischen erreichter ‚kritischer Masse‘ ( moles steht fast synonym für Rom); sie selbst sieht sich als Herrin des Geschehens: s i e hat Rom groß gemacht ; s i e wird es vernichten ( ähnliche Ressentiments hegt Neptun gegenüber dem von ihm miterbauten Troja: Verg. Aen. 5,810f. cuperem cum vertere ab imo | structa meis manibus periurae moenia Troiae ). Es ist gleichsam Fortunas zweite Natur, wieder z u n e h m e n , w a s s i e g a b ( e.g. Enn. trag. 338-340 Joc. mihi fortuna magis nunc defit quam genus. | namque regnum suppetebat mi, ut scias quanto e loco … lapsa fortuna accidat, „Glück fehlt mir nun mehr als edle Herkunft. Denn Königsmacht stand zu Gebot mir – damit du weißt, aus welchen Höhen mein Glück ins Straucheln und zu Fall kam“; Publilius Syrus L 4 levis est Fortuna : cito reposcit, quod dedit ; Sen. dial. 2,5,4 nihil eripit fortuna nisi quod dedit ; Ag. 101f. quidquid in altum Fortuna tulit, | ruitura levat ; s. auch Sat. 109,9,5f. o fallax natura deum : quae prima dedisti | aetati nostrae gaudia, prima rapis ).

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Gerade historische Beispiele illuminieren diesen Sachverhalt, etwa Pompeius ( cf. S. 978 ), oder Brutus und Cassius ( e.g. Vell. Pat. 2,69,6 neque reperias quos aut pronior Fortuna comitata sit aut veluti fatigata maturius destituerit quam Brutum et Cassium ; s. auch S. 1016f. zu BC 81 ). Kaiser Galba erscheint sie im Traum und droht, ihm wegzunehmen, was sie ihm gegeben habe ( Suet. Galb. 18,2 somniavit speciem Fortunae querentis … minantisque erepturam et ipsam quae dedisset ). Boethius, der mit seinem Schicksal hadert, klärt sie persönlich auf ( cons. 2 p. 2,4 f. te … meis opibus fovi et … omnium, quae mei iuris sunt affluentiā et splendore circumdedi. nunc mihi retrahere manum libet ). Ja ganze Staaten sind betroffen ( Sen. nat. 3 praef. 9 vetera imperia in ipso flore ceciderunt. … deus extruit alia, alia submittit, nec molliter ponit, sed ex fastigio suo nullas habitura reliquias iactat, „… die einen Reiche erhebt die Gottheit, andere stürzt sie; und nicht sanft lässt sie sie zu Boden, sondern so wirft sie sie aus ihrer Machtfülle nieder, dass nichts von ihnen übrig bleibt“ ). Bisweilen wird dieses Phänomen als Kreislauf beschrieben ( u.a. Laberius frg. 93 Panayotakis: non possunt primi esse omnes omni in tempore. | summum ad gradum cum claritatis veneris, | consistes aegre et citius quam ascendas cades eqs.; Sen. contr. 1 praef. 7 maligna perpetuaque in rebus omnibus lex est sc. Fati, ut ad summum perducta rursus ad infimum, velocius quidem quam ascenderant, relabantur ), ja als ‚ G l ü c k s r a d ‘ ; cf. Cic. Pis. 22 ne tum quidem Fortunae rotam pertimescebat ( und R.G.M. NISBET ad loc.); Tib. 1,5,69f. tu, qui potior nunc es, mea fata timeto : | versatur celeri Fors levis orbe rotae ( und K.F. SMITH ad loc.); Ov. Pont. 4,3,31 f. haec dea non stabili, quam sit levis, orbe fatetur, | quae summum dubio sub pede semper habet ( „mit ihrem unsteten Rad verrät diese Göttin, wie wankelmütig sie ist …“ ); Sen. Ag. 71f. praecipites regum casūs | Fortuna rotat ; Tac. dial. 23,1 rotam Fortunae ; Boethius cons. 2 p. 2,9 hunc continuum ludum ludimus : rotam volubili orbe versamus, infima summis, summa infimis mutare gaudemus. Hier geht es freilich nicht um einen Kreislauf, sondern um eine Peripetie von welthistorischen Dimensionen: Roms Vernichtung. Zu der Formel hier zitiert POLETTI 2017, 306 Cic. Cato 72 aedificium idem destruit facillime qui construxit ; Minucius Felix 34,4 nihil mirum est, si ista moles sc. mundi ab eo sc. deo, quo exstructa est, destruatur. – Zu moles cf. S. 1020 zu 83 perituram … molem. Zu dem volkstümlichen, von der hohen Dichtung gemiedenen iste cf. AXELSON 71-73; HSZ 183f.; PETERSMANN 136. – Gleich zwei bukolische Dihäresen setzen BC 108f. scharfe Akzente ( destruet istas ; et mihi cordi ). deus : Einige Autoren vermuten hinter deus Roms Schirmherrn – Mars ( u.a. ANTON 380; MÖßLER 1842, 7; STUBBE 123; WALSH 1996, 192;

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SCHMELING ad loc.). Doch die gesamte Passage BC 105-110 ist so klar auf Fortuna zugeschnitten ( cf. pectore in hoc ; muneribus … meis ; et mihi cordi ; s. auch die Verben: tribui ; odi ; irascor ), dass an der Identifikation jener „Gottheit“ keinerlei Zweifel bleiben ( bereits DE SALAS 238 identifizierte sie als Fortuna ). Ähnlich ominös ist nochmals von ihr die Rede ( 141 haec ostenta brevi solvit deus ). Lukan nennt sie einmal explizit als treibende Kraft hinter jener Schlacht, die Roms Ruin bedeutete – Pharsalos ( 7,504 f. nec Fortuna diu rerum tot pondera vertens | abstulit ingentīs fato torrente ruinas, „alsbald stürzte Fortuna diesen mächtigen Koloss und riss die ungeheuren Trümmer fort im Mahlstrom des Schicksals“ ). Zur synonymen Verwendung von Fortuna und deus cf. Hor. c. 1,34,1216 valet ima summis | mutare … deus … hinc apicem rapax | Fortuna … sustulit, hic posuisse gaudet ; Sen. Phaed. 1124 f. minor in parvis Fortuna furit | leviusque ferit leviora deus. „Deus can be applied to female deities when they are thought of in a depersonalized way, simply as ‚a divine power‘.“ ( E. COURTNEY, FLP p. 204 ; cf. Verg. Aen. 2,632 ducente deo : Venus, und N. HORSFALL bzw. Macrobius sat. 3,8,1-3 ad loc.; 7,498: Allecto; Sen. nat. 3 praef. 9, oben zit.). 109-110 et mihi cordi | quippe armare viros : „Auch mir liegt’s ja am Herzen, Männer zu wappnen …“. Am überlieferten cremare halten so gut wie alle Herausgeber und Übersetzer fest ( u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; STUBBE ; MÜLLER ; DÍAZ Y DÍAZ ). Cremare wird allerdings meist von Toten verwendet, nur vereinzelt von Lebenden ( cf. Enn. trag. 247 Joc. pueros cremari iube, und H.D. JOCELYN ad loc.: „probably from the sacral language; Cicero and Caesar use it of burning corpses and executing criminals“; Verg. Aen. 7,295f. num incensa cremavit | Troia viros ?, „Konnte das in Brand gesetzte Troja nicht die Troer verzehren ?“; Sen. Herc. fur. 1286f. Cithaeronis iuga | mecum cremabo ; Thy. 1092 ego sum cremandus ). Die übertragene Bedeutung „schinden, quälen“ ist nur spätantik belegt, und selten ( u.a. Donat Aen. 1,254 ff. p. 58,22-25 G. debuit animum filiae duris angoribus pressum conponere …, ne diutius anxia cremaretur ; cf. Thes. IV, 1156,15-19: „latiore sensu i. q. cruciare, vexare“ ). Als Parallele käme noch am ehesten eine Stelle bei Florus infrage, epit. 2,6,4 eadem fax quae illum ( sc. Drusum ) cremavit, socios in arma et in expugnationem urbis accendit ( Hinweis von A. SETAIOLI in epist.). In jener Passage bedeutet cremare „ums Leben bringen“, passend vorbereitet allerdings von der Metapher fax für den

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Krieg ( lt. OLD s.v. cremo 1d: „(of a fire, etc.) to consume“ der einzige Beleg für diese übertragene Verwendung ). Für cremare sprechen im Kontext allenfalls die rogos et funera der folgenden Prophezeiung – Fortunas Vision zahlloser ‚Scheiterhaufen‘ ( BC 112; s. auch Dis’ Wunsch, 95 nostris da funera regnis ; so auch MÖßLER 1842, 38 Anm. 26; MÜLLER 1 ad loc.; POLETTI 2017, 307 hört hier ein ‚Echo‘ von Verg. Aen. 7,295f. num incensa cremavit | Troia viros ? ). Doch das Szenario bleibt irritierend. Nach dem abstrakt formulierten Willen, Rom auszulöschen ( 108f. ), kommt Fortuna unvermittelt auf lodernde Scheiterhaufen zu sprechen – um im Anschluss deren Voraussetzung zu prophezeien: die Schlachten des Bürgerkriegs ( 111-115 ); erst danach geht sie auf deren zahllose Tote ein ( 116-121 ). Wie kann zudem, wenn die Leichen längst brennen, danach noch Blut fließen ( cremare – sanguine pascere luxum )? Dieses Durcheinander überzeugt nicht einmal als Hysteron – Proteron ( erst fließt Blut, dann brennen die Scheiterhaufen ). Paläographisch wie inhaltlich ansprechend ist hingegen I.F. GRONOVs armare ( das m.W. nur CRUSIUS, ANTON und DE GUERLE adoptierten ; ebenso G. VANNINI in epist.). Passend zu Dis’ Imperativ ( 94 f. ) denkt es das Romanos cie einen Schritt weiter und fasst den Ausgangspunkt der Militäraktionen in den Blick ( s. auch das Ende des folgenden Lemmas ). Und es bringt die ‚Waffen‘ ins Spiel, die das Blut fließen lassen ( s. auch das ferne Echo BC 290-294 : quid … tuis cunctaris in armis ? … Thessalicosque sinus Romano sanguine tingue, und Verg. Aen. 7,647f., vom Beginn des latinischen ‚Bürgerkriegs‘: primus init bellum … Mezentius agminaque armat ). Der doppelte Dativ mihi cordi (est) zitiert Fortunas Geistesverwandte: Allecto, cui tristia bella … et crimina noxia cordi ( Verg. Aen. 7,325f.; s. auch Thes. IV, 940,3-37; laut POLETTI 2017, 89 streife die Verknüpfung der Formel cordi esse mit diesem Gewaltausbruch Oxymoron und Paradox ). 110 et sanguine pascere luxum : „… und mit Blut zu düngen das fette Erdreich.“ Die Wendung sanguine pascere beschreibt bisweilen Blut als Nahrung ( „mit Blut mästen“; e.g. Ov. met. 8,170 Actaeo bis pastum sanguine monstrum, vom Minotaurus; Sen. dial. 6,22,5 acerrimi canes, quos … sanguine humano pascebat ); öfter jedoch steht sie als Metapher für Mord und Krieg ( e.g. Ov. am. 3,8,10 sanguine pastus eques : ein im Krieg reich gewordener Offizier ; Sen. benef. 7,19,8 sanguine humano … pascitur : ein Tyrann; Sil. Ital. 15,517 f. pastos per prospera bella | sanguine ductores Italo : Hannibal und Hasdrubal; Apul. met. 9,38,2 sanguine trium fratrum insatiabilem tuam crudelitatem pasce ; cf.

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Thes. X 1, 600,57-60; s. auch das verwandte sanguine luxuriare, „in Blut schwelgen“, Sen. suas. 7,5 sanguine civili luxuriantem sc. Antonium; Stat. Theb. 2,676f. sanguine multo | luxuriata fames sc. leonis; 7,12f. carae … in sanguine gentis | luxuriat sc. Mars ). Dass Fortuna selbst sich am Blut laben will ( so u.a. GRIMAL : „et de rassasier de sang mon immense désir“ ), dürfte kaum gemeint sein. In diesem Fall hätte sie sich wohl ähnlich unmissverständlich ausgedrückt wie Dis (BC 96f. iam pridem nullo perfundimus ora cruore eqs.). Der luxus, der sich am Blut labt, bezieht sich eher auf Rom ( so u.a. STUBBE 83 bzw. 123: luxum als ‚abstractum pro concreto‘ statt luxuriantes, „die Schlemmer“ ; cf. HOLZBERG : „dass ich … ihre Schwelgerei mit Blut nähre“; A. SETAIOLI in epist.: „luxum may refer to Roman luxury ( abundantly described at the beginning of the BC ), which will now find its nourishment in blood through the agency of Fortuna“ ). Allerdings mästet sich Roms Überfluss schon längst an fremdem wie am eigenen Blut ( cf. 6 f. fatis … in tristia bella paratis | quaerebantur opes ; 31f. orbis | praemia correptis miles vagus extruit armis ; bes. 56f. arma placent miseris, detritaque commoda luxu | vulneribus reparantur ). Und wie genau nährt sich der Luxus während des Bürgerkriegs an Blut ( STUBBE 84 und GUIDO 1976, 268 deuten sanguine pascere luxum als Oxymoron; POLETTI 2017, 114 bezieht die Wendung auf Roms ‚unersättlichen Luxus und Imperialismus‘ – der jetzt, wo er keine ‚Nahrung‘ mehr finde, sich nach innen wende und ‚sich selbst verzehre‘; cf. BC 49f. quare tam perdita Roma | ipsa sui merces erat et sine vindice praeda ) ? Lässt sich luxus hier anders deuten ? Denkt Fortuna etwa an Dis’ Reich ( „… und in Blut zu baden eure Tafel“; cf. 96f. )? Am ehesten sieht sie die S c h l a c h t f e l d e r vor sich, die alsbald Römerblut düngen wird ( so versteht auch Thes. X 1, 596,58-60 ad loc. den Passus ; zur v.a. spätantik belegten Grundbedeutung von luxus, „üppige Fruchtbarkeit“, vom regen Wachstum der Pflanzen, cf. WALDE – HOFMANN s.v.; Verg. georg. 3,135 f., und R.F. THOMAS bzw. M. ERREN ad loc.; ferner Ov. her. 1,54 luxuriat Phrygio sanguine pinguis humus, und A. BARCHIESI ad loc.). Für diese Deutung sprechen mehrere Gründe. Das BC insgesamt endet auf einer ähnlichen Note ( 294 Thessalicos … sinus Romano sanguine tingue ). Und wie zwei ‚Korrespondenzen‘ zeigen, reagiert Fortuna hier eindeutig auf Dis’ Schlussappell ( 94-99 ): ihr armare viros antwortet auf 94 f. muta … in proelia vultum | Romanosque cie, ihr sanguine pascere luxum auf 98f. horrida tellus | extulit in lucem nutritas sanguine fruges. Und kaum von ungefähr listet sie gleich im Anschluss die großen Kriegsschauplätze auf. Diesen Bezug

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unterstreicht nicht zuletzt das eröffnende et mihi : wie Dis will ‚auch sie‘ Krieg anzetteln und Tod und Blut säen. 111 – 115 Die Prophezeiung : die Schlachten des Bürgerkriegs In einer prophetischen Vision ( 111 und 114 cerno ) der entscheidenden Schlachten des kommenden Machtkampfs verheißt Fortuna Dis die Erfüllung seiner Wünsche ( laut POLETTI 2017, 309 bieten diese fünf enigmatischen Verse eine ‚virtuose Kostprobe‘ jener furentis animi vaticinatio, die Eumolp 118,6 in seiner ‚Poetik‘ fordere ; anders WISTRAND 1958, 50: „Fortune pronounces what is more like a vivid description of the foreseen consequences of her decision to stir up civil war than a prophecy in the miraculous sense of the word“; zum vaticinium ex eventu im Epos cf. HEINZE 3 1915, 394-396 ). Stichwortartig verweist sie auf Philippi ( 42 v.Chr.), Pharsalos ( 48 v.Chr.), Munda ( 45 v.Chr.) und Thapsus ( 46 v.Chr.); ins Detail geht sie bei Actium ( 31 v.Chr.). Ihre Auswahl ist repräsentativ. Aus dem Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius ( 49-45 v.Chr.) nennt sie die drei entscheidenden Treffen bei Pharsalos, Thapsus und Munda. Unerwähnt bleiben nur die beiden ersten Konfrontationen: Caesars unblutiger Sieg über L. Afranius und M. Petreius bei Ilerda ( Aug. 49 ; cf. Lukan 4,1-401 ), und der Stellungskrieg bei Dyrrhachion ( Juli 48 ; cf. S. 1370f. zu 293 Epidamni moenia quaere ). Unübersichtlich wurde die Lage nach Caesars Tod, als der Bürgerkrieg erneut aufflammte ( cf. Hor. epod. 16,1 altera iam teritur bellis civilibus aetas, und L.C. WATSON ad loc.) und im gesamten Reich mehrere Parteien in wechselnden Allianzen gegeneinander kämpften – Caesarianer gegen Republikaner, Sex. Pompeius gegen die Caesarianer, die Triumvirn Lepidus, M. Antonius und Octavian untereinander. Zu den militärischen Konfrontationen jener fünfzehn Jahre ( 44 -30 v.Chr.) zählen die Kämpfe um Mutina in Gallia Citerior ( 44/43), Philippi ( 42 ), die Belagerung von Perusia ( 40 ), die Seeschlachten bei Cumae und Messana ( 38 ), Mylae und Naulochos ( 36), zuletzt Actium ( 31 ), schließlich die Einnahme Alexandrias, mit der Octavian die Machtfrage endgültig klärte ( 30 ). Hier beschränkt sich Fortuna auf die beiden entscheidenden Treffen, Philippi und Actium. Mit anderen Worten: Fortunas komprimierter Katalog nennt die herausragenden Schlachten beider Bürgerkriege ( die viele Zeitgenossen und Nachgeborene im Übrigen als e i n e n großen Konflikt wahrnahmen; für

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entsprechende Zeugnisse cf. R. BRUÈRE, in: W. Rutz ( Hrsg.), Lucan, Darmstadt 1970, 237f. ). Wie erklärt sich das chronologische Durcheinander ? Munda und Thapsus sind vertauscht, v.a. aber steht Philippi statt an vorletzter Position betont am Anfang. Kataloge der Bürgerkriegsschauplätze kennen solche Unschärfen. So müsste bei Ovid ( met. 15,822-828 ) und Tacitus ( hist. 1,50,2 ) Mutina nach Pharsalos stehen. Properzens kleiner Katalog des zweiten Bürgerkriegs rückt den sizilischen Seekrieg vor die Kämpfe um Perusia ( 2,1,27-30; für chronologisch korrekte Listen cf. Ps.-Sen. Oct. 498-529; Suet. Aug. 9 ). L u k a n s erstes Buch vereint gleich zwei Kataloge. Im Lobpreis Neros wird der erste Bürgerkrieg korrekt vorgestellt ( auf Pharsalos folgen Thapsus und Munda), umso chaotischer der zweite: Perusia ( 40 ), Mutina ( 44/43 ), Actium ( 31 ), Naulochos ( 36 ). Und überraschend genug ist nirgendwo von Philippi die Rede (1,38-43 diros Pharsalia campos | inpleat et Poeni saturentur sanguine manes, | ultima funesta concurrant proelia Munda, | his, Caesar, Perusina fames Mutinaeque labores | accedant fatis et quas premit aspera classes | Leucas et ardenti servilia bella sub Aetna ; cf. AHL 1976, 311f. ). Diese ‚Leerstelle‘ macht die Vision der matrona wett ( 1,679-694 ; cf. P. ROCHE 377-379 ad loc.), die mit Pharsalos ( 679-682 ), Pompeius’ Tod ( 683-686 ), Thapsus ( 686-688 ) und Munda ( 688-690 ) vor allem den ersten Bürgerkrieg in chronologischer Abfolge umspannt. Es folgen Caesars Ermordung ( 690 f. ) und ein resignierter Ausblick auf den zweiten Bürgerkrieg, der dezidiert mit Philippi endet ( 692-694 ; auffällig ist die Ringkomposition mit Philippi am Anfang und Ende, 680 und 694, die das ganze Morden wie einen unentrinnbaren ewigen Kreislauf erscheinen lässt ): video Pangaea nivosis cana iugis latosque Haemi sub rupe Philippos. quis furor hic, o Phoebe, doce, quo tela manūsque Romanae miscent acies bellumque sine hoste est. quo diversa feror ? primos me ducis in ortūs, qua mare Lagei mutatur gurgite Nili : hunc ego, flumineā deformis truncus harenā qui iacet, agnosco. dubiam super aequora Syrtim arentemque feror Libyen, quo tristis Enyo transtulit Emathias acies. nunc desuper Alpis nubiferae colles atque aeriam Pyrenen abripimur. patriae sedes remeamus in urbis,

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inpiaque in medio peraguntur bella senatu. consurgunt partes iterum, totumque per orbem rursus eo. nova da mihi cernere litora ponti telluremque novam : vidi iam, Phoebe, Philippos. Wie Ovid, Lukan und Tacitus zeigen, sind selbst bei einem Historiker chronologische Unschärfen in solchen Listen keine Ausnahme. Dass Fortuna hier Munda und Thapsus vertauscht, muss also nichts heißen. Vielleicht aber will sie Thapsus hervorheben. Die blutigste Schlacht des gesamten Bürgerkriegs kostete fünfzigtausend Pompeianer das Leben, und sie war untrennbar verbunden mit dem Schicksal jenes Politikers, der wie kein anderer die Republik und deren tragisches Ende verkörperte – Cato (cf. BC 45-49). Doch warum treten Philippi als Höhe- und Actium als Endpunkt des zweiten Bürgerkriegs so dezidiert ( fast in einer Art Ringkomposition ) an den Anfang bzw. das Ende jener Liste ? Nicht unbedingt chronologisch, doch geographisch korrekt beschreibt jene Volte eine Kreisbewegung von Hellas ( Philippi und Pharsalos ) über Spanien ( Munda) und Africa ( Thapsus) zurück nach Hellas ( Actium ) – rund um das imaginäre Gravitationszentrum Italien. Tatsächlich beginnen und enden die Militäroperationen der beiden Bürgerkriege in Griechenland. Und obgleich sich Fortunas Katalog ( wie das BC insgesamt – und höchstwahrscheinlich auch Lukans Plan für die Pharsalia ) auf die Auseinandersetzung zwischen Caesar und Pompeius beschränkt, bleibt dank Philippi und Actium das Gesamtbild im Blick – und damit das Resultat jenes langen Kräftemessens: die Geburt des Prinzipats aus dem Blut der späten Republik. Wie subversiv dieses Manöver ist, zeigt CONNORS ( 1989, 92 ). Vergils kanonische Schildbeschreibung im achten Buch der Aeneis rückt Actium räumlich wie historisch ins Zentrum und überhöht es zum Endpunkt der Geschichte, der einen neuen Äon des Friedens unter Augustus einläutet ( Aen. 8,675-713; cf. G. BINDER, Aeneas und Augustus, Meisenheim 1971, 213-270 ). Im BC hingegen steht Actium dezidiert ( und schon vom Umfang her exponiert ) am Ende jener Liste von Katastrophen, die Fortuna Rom prophezeit ( und bringt ). Sie hinterfragt damit nicht nur Vergils historische Einordnung und Wertung – sie entlarvt Octavians Triumph als Tragödie. POLETTI 2017, 60f. ergänzt CONNORS’ Deutung mit einem Blick auf das Ende von Ovids augusteischem Epos, Juppiters tröstliche Verheißung,

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die Caesars Ermordung mit den Siegen Octavians und der Friedensära rechtfertigt, die mit ihm anbricht ( met. 15,807-842 ). Fortunas Prophezeiung hingegen klingt aus mit der Vision zahlloser Toter und eines verlorenen Erdkreises. Jede Hoffnung auf ein rettendes Prinzipat ist vergebens; der Bürgerkrieg kennt keine Erlösung. In der Überlieferung sieht BC 111-115 folgendermaßen aus ( die Ortsangaben sind gesperrt ; so u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; STUBBE ; CIAFFI ; GRIMAL ; POLETTI 2017, 369-376 ): cerno equidem geminā iam stratos morte P h i l i p p o s T h e s s a l i a e que rogos et funera gentis H i b e r a e . iam fragor armorum trepidantes personat aures. et L i b y a e cerno tua, N i l e , gementia claustra A c t i a c o s que sinūs et Apollinis arma timentes.

111 112 113 114 115

Der Text wirft Fragen auf. Erstaunlich ungelenk klingt 114 : „und ich gewahre, Nil, dein klagendes Delta Libyens“ ( denkbar ist auch ein Lokativ : „und zu Libyen gewahre ich …“ ), dank des schwerfälligen Hyperbatons ( Libyae … claustra ), aber auch dank des merkwürdigen Nebeneinanders von Libyae und tua ( und des Vokativs ). Und wozu braucht es überhaupt den tautologischen Hinweis auf Libyen ? Weil der Nil durch ‚Libyen‘ fließt ( cf. S. 1085 zu Libya ) ? Oder ins Libycum aequor mündet ( cf. BC 63 )? Schwierigkeiten bereitet v.a. der Vers, der inmitten konkreter historischer Verweise durch seine Unverbindlichkeit auf- und herausfällt, ja „den Zusammenhang 112 : 114 zerreißt“ ( FUCHS 1959, 78 ): BC 113. Die Verse 111f. betonen mit dem omnipräsenten ‚Tod‘ durchgängig den blutigen Ausgang der Schlachten ( geminā … stratos morte, rogos, funera ); auch in 114 klingt er an ( tua … gementia claustra ). Der Schlachtenlärm von Vers 113 ist also längst verklungen ( irritierend wirkt zudem das Trikolon ‚sehen‘ – ‚hören‘ – ‚sehen‘ : 111 cerno – 113 personat – 114 cerno ; G. VANNINI in epist. beschreibt es als spannungsreiche Abfolge visueller und auditiver Momente, die zuletzt visuell-auditiv verschmelzen ). MÜLLER 1 tilgte 113 kurzerhand; andere stellten den Vers auf jede erdenkliche Weise um. BOUHIER rückte ihn vor 111, RICHARD vor 115, FUCHS zunächst vor 117, dann vor 112 ( 1938, 168 Anm. 25; 1959, 78 ). Ernstlich in Betracht kommt von diesen Vorschlägen nur der BOUHIERs ( so ANTON ; MÜLLER 2 ; SCHMELING ed. Loeb ; laut M. DEUFERT in epist. griffe in diesem Fall fragor armorum das 110 konjizierte armare auf ):

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iam fragor armorum trepidantes personat aures. cerno equidem geminā iam stratos morte Philippos Thessaliaeque rogos et funera gentis Hiberae et Libyae. cerno tua, Nile, gementia claustra Actiacosque sinūs et Apollinis arma timentes.

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Besser macht sich freilich SURINGARs Lösung, der 113 ans Ende der Passage setzte ( so u.a. DÍAZ Y DÍAZ ; MÜLLER ab ed.3 ; GIARDINA – MELLONI ; s. auch BÜCHELER 1 ad loc., der allerdings iam zu dum ändern wollte, was 113 zu eng mit Actium verknüpft ): cerno equidem geminā iam stratos morte Philippos Thessaliaeque rogos et funera gentis Hiberae et Libyae ; cerno tua, Nile, gementia claustra Actiacosque sinūs et Apollinis arma timentes. iam fragor armorum trepidantes personat aures.

111 112 114 115 113

Die Vorteile liegen auf der Hand: 1.) 114 a schließt an 112b an ( funera gentis Hiberae | et Libyae ), und verknüpft so die Katastrophen von Munda und Thapsus ( wie gleich dreimal Lukan; cf. 1,39f.; 1,686-690, beide zit. S. 1072; 6,306f., zit. S. 1085 ). Im überlieferten Text hingegen taucht Thapsus nicht auf – das maßgeblich zum historischen Gehalt und Zusammenhalt der Passage beiträgt. 2.) In der Beschreibung des Nils entfällt das störende Libyae, und cerno rückt zweimal als Anapher an den Satzbeginn. 3.) Die Verse 115 und 113 eint im alliterierenden Binnenreim das Motiv ‚Angst‘ ( timentes – trepidantes ). 4.) Die der Unterwelt verheißenen frischen Toten ( 116f., bes. animas accerse novas ) folgen nun schlüssig den klirrenden Waffen ( BC 113 ). 5.) Nach den Leichenbergen von 111f. und 114 ( angedeutet im ‚trauernden‘ Nil ) folgt 115 der einzige ( diskrete ) Blick auf eine gerade tobende Schlacht ; BC 113 hallt der Lärm der Schlachtfelder gleichsam nach ( Apollinis arma timentes. | iam fragor armorum eqs.; für solche Reprisen cf. e.g. Verg. Aen. 7,553 f. pugnatur comminus armis, | quae fors prima dedit sanguis novus imbuit arma ; 11,402 f. contra premere arma Latini … Phrygia arma tremescunt ). M. DEUFERT in epist. wendet ein, „als Klausel des Passus 111-115“ habe BC 113 „etwas Antiklimaktisches“. Doch der Schlussvers ( 113 ) meint kaum Actium allein, sondern die Schlachten des Bürgerkriegs insgesamt. Und genauer besehen besitzt der Passus eine ganz eigene Dynamik. Auf abgründige Weise scheint die Zeit in ihm gleichsam ‚rückwärts‘ zu laufen:

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von den T o t e n bereits geschlagener Schlachten wechselt der Blick auf die vom S e e g e f e c h t aufgewühlten Wogen Actiums ( samt einem Hysteron – Proteron im Kleinen; cf. S. 1087 ); die Vision endet inmitten von Kampflärm und furchterfüllten Kämpfern. Gleichwohl ist SURINGARs Eingriff alles andere als sicher. In seinem Plädoyer für die überlieferte Versfolge trägt POLETTI drei bedenkenswerte Argumente zusammen ( 2017, 369-376 ): 1.) Die Umstellung von 113 ( und das Satzende nach et Libyae ) trenne den Nil künstlich vom anderen afrikanischen Element des Verses, Libyen ( et Libyae versteht er als etiam Libyae, wie in der Prophezeiung Val. Flacc. 1,226 cerno et thalamos ardere iugales ; für claustra mit einem ‚lokalen‘ Genetiv zitiert er Lukan 10,313 und 10,509; s. S. 1089 ). 2.) Im klassischen Hexameter im Grunde ohne Parallele sei et Libyae in seiner Verwendung hier : als Satzende des Musters et + Genetiv als Versauftakt ( hier vor der Trithemimeres ). 3.) Die Umstellung führe zu einem harten Enjambement ( funera gentis Hiberae | et Libyae ), das den Chiasmus von 112 ( Thessaliae … rogos – funera gentis Hiberae ) mit dem Zusatz et Libyae verwässere und die Symmetrie der beiden von dem Monostichon 113 sauber geschiedenen Disticha 111f. bzw. 114 f. zerstöre. 111-112 cerno equidem geminā iam stratos morte Philippos | Thessaliaeque rogos : „Ja, schon gewahr’ ich das von doppeltem Tod übersäte Philippi und Thessaliens Scheiterhaufen“. Wie die beiden ersten, dank ihrer Juxtaposition am Ende bzw. Anfang des Verses ausdrücklich verknüpften Namen sogleich verraten, beginnt Fortunas Katalog mit den beiden maßgeblichen Gefechten des langen Bürgerkriegs, Philippi und Pharsalos. Diese zwei Namen fallen unweigerlich, wenn römische Texte von den militärischen Wendepunkten jener turbulenten Jahrzehnte sprechen ( u.a. Verg. georg. 1,489-492, unten zit.; Tac. hist. 2,38,2 non discessere ab armis in Pharsaliā ac Philippis civium legiones ; cf. Stat. silv. 2,7,65f.: Lukans Epos behandelt albos ossibus Italis Philippos | et Pharsalica bella ). Dass hier nur e i n e Schlacht gemeint ist, Philippi oder Pharsalos ( parallel zu der umfänglichen Anspielung auf Actium 114 f., und eher Pharsalos, wie in BC 294 Thessalicos … sinūs eqs.), ist angesichts der dezidiert doppelten geographischen Hinweise wenig wahrscheinlich.

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Schwieriger ist eine auf den ersten Blick unerwartete Frage. Geht das BC von zwei verschiedenen Orten in Nordgriechenland aus ( de facto liegt Pharsalos rund 250 km südwestlich von Philippi )? Oder lokalisiert es sie an derselben Stelle ? Die Frage ist deshalb bedeutsam, weil kaiserzeitliche Dichter die beiden Schlachtfelder bisweilen geographisch identifizierten ( immerhin lagen beide in der damaligen römischen Provinz Macedonia ; erst 27 v.Chr. wurde Thessalien – und damit Pharsalos – Teil der neuen Provinz Achaia ). Die Verwirrung beginnt mit V e r g i l , der wenige Jahre nach Philippi schrieb ( georg. 1,489-492): ergo inter sese paribus concurrere telis | Romanas acies iterum vīdere Philippi; | nec fuit indignum superis bis sanguine nostro | Emathiam et latos Haemi pinguescere campos ( kaum Zufall sind die zarten Anspielungen hier auf jene Stelle: neben dem ‚Paar‘ Philippi – Philippos die Verben videre bzw. cerno, und bis sanguine nostro ( s. auch iterum ) bzw. gemina morte ). Anteil an dem Durcheinander haben die Ortsangaben Emathia und Haemus ( cf. ERREN 2003, 256-258 ). Emathia, bei Homer Makedoniens Kernland um Pella, wurde später oft synonym für Makedonien insgesamt verwendet ( cf. R. MYNORS ad georg. 1,491 ). Insofern passt es zu Philippi ( e.g. Ov. met. 15,824 Emathii … Philippi ; App. Verg. Eleg. Maec. 1,43; Lukan 9,271 ab Emathiis … Philippis ). Verwirrend genug wird es in der Dichtung aber auch auf Thessalien ausgedehnt ; oder es steht ( spätestens seit Catull 64,324 ; cf. OLD s.v. 1b) nur für Thessalien ( die Truppen in Pharsalos nennt Lukan 1,688 Emathias acies ). Der Haemus wiederum ist der im Norden Thrakiens gelegene Balkan. Vergil jedoch verwendet den Namen hier offenbar für das Pindusgebirge, das Thessalien von Epirus trennt, und durch das Caesar und Pompeius nach Pharsalos marschierten ( cf. Lukan 6,576 qua iuga devexus Pharsalica porrigit Haemus ; 10,449 ). Dieser geographische Kunstgriff ermöglicht ihm das düstere Wortspiel Haemus / αἷμα ( „Blut“ ), also ‚Ebenen voller Blut‘ ( latos Haemi … campos ; cf. R.F. THOMAS 150 ad loc.). Für Missverständnisse sorgten v.a. die beiden Begriffe iterum und bis, die auf zweierlei Weise verstanden wurden. Entweder hat Vergil die zwei Schlachten bei Philippi vor Augen ( Oktober 42; cf. S. 1080, und Aug. Res gest. I,2 vici bis acie sc. Brutum et Cassium ); wahrscheinlicher aber meint er Pharsalos und Philippi ( so verstand Servius den Passus, georg. 1,490 ITERVM VIDERE PHILIPPI civitas Thessaliae, in qua primo Caesar et Pompeius, postea Augustus et Brutus cum Cassio dimicaverunt ). Mit anderen Worten: Vergil lässt Pharsalos und Philippi zu e i n e m Ort in einem diffus beschriebenen Winkel im Nordosten Griechenlands

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verschmelzen. Nicht wenige Autoren übernahmen diese geopolitische Projektion und identifizierten die beiden Lokalitäten gleichfalls, so Ovid ( met. 15,823f., mit Vergils iterum : Pharsalia sentiet illum, | Emathiique iterum madefient caede Philippi ), Manilius ( 1,907-913 ), Juvenal ( 8,241-243; cf. E. COURTNEY ad 8,242 ) und Florus ( epit. 2,13,43 ), vielleicht auch Statius ( silv. 2,7,65f., oben zit.; cf. AHL 1976, 314 ; SHACKLETON BAILEY 2003, 162 ad loc.) und der Autor der ps.-senecanischen Octavia ( 515f. pavere volucres et feras saevas diu | tristes Philippi ). Niemand jedoch machte sich diese Identifikation so zu eigen wie L u k a n , der es wohl besser wusste, aber dennoch von der allerersten Zeile an im Kielwasser Vergils Pharsalos und Philippi übereinander blendet ( 1,1 bella per Emathios plus quam civilia campos, in Anspielung auf Vergils Emathiam … campos, georg. 1,492; cf. P. ROCHE ad loc.). So auch in der Vision der matrona vom kommenden Bürgerkrieg ( 1,673-695 ), wo die geographischen Angaben auf Philippi verweisen, jedoch Pharsalos meinen ( 1,679f. video Pangaea nivosis | cana iugis latosque Haemi sub rupe Philippos ; cf. P. ROCHE ad loc.; CASALI 2011, 97 f., und Verg. georg. 1,492 latos Haemi ); ferner 6,579-582; 7,847-872, wo Thessalien als Ort beider Schlachten identifiziert wird ( cf. CASALI 2011, 99-101). Nur einmal scheint er Pharsalos und Philippi räumlich zu scheiden, 7,591f. nec tibi fatales admōveris ante Philippos, | Thessaliā periture tuā ( zu Brutus in Pharsalos: „beschwöre nicht vor der Zeit das dir tödliche Philippi herauf, Todgeweihter Du in deinem eigenen Thessalien“, i.e. Makedonien; s. auch AHL 1976, 314 ). Warum Vergils Vision so populär wurde, ist einleuchtend erklärt worden. „To the public, Pharsalus and Philippi … were what mattered ; and as they receded into history, and were seen as two decisive steps in one progress towards the Principate, the poets heightened their dramatic significance … by imagining, or writing as though they supposed, that they were actually fought on the same ground.“ ( MYNORS 1990, 94 f. ). Ein persönliches Motiv wertete dieses geographische Manöver zusätzlich auf : der Umstand, dass Oktavian Caesar nun just an dem Ort rächte, an dem dieser sechs Jahre zuvor Pompeius bezwungen hatte – und so gleichsam „in den Fußspuren des Adoptiv vaters siegte“ ( Manil. 1,913 per … patris pater Augustus vestigia vicit ; cf. J.P. POSTGATE, M. Annaei Lucani De bello civili liber VII, Cambridge 1896, 88 zu 7,872 ; s. auch J. SCHMIDT, Art. Philippoi, RE XIX 2, 1938, 2227-33 ). Lukan hatte ein vitales Interesse an dieser Konstruktion: „The persistent identification of the sites of Pharsalia and Philippi (…) is surely his way of noting the similar nature and outcome of both battles.“ „For Phi-

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lippi, of all the battles of the civil wars, was the most like Pharsalia.“ ( AHL 1976, 71 bzw. 314 ). Der Autor der Pharsalia rückt die düstere Botschaft dieses déjà vu konsequent in den Vordergrund: Pharsalos und Philippi versetzen der alten Republik den doppelten Todesstoß. Zurück zu Petron. Wie etliche Exegeten vermuten, identifiziert auch das BC Pharsalos und Philippi geographisch ( u.a. WALSH bzw. SCHMELING ad loc.; s. auch MYNORS 1990, 95 ; C. WICK, Lucanus, Bellum civile, liber IX, München 2004, Bd. II, 101 ; M. SEEWALD ( 2008 ) ad Lucan. IX, p. 164 ; ROCHE 2009, 385; POLETTI 2018, 111-113 ). Doch ist dem so ? Die beiden Ortsnamen allein helfen nur bedingt. Philippi erscheint in den gesamten erhaltenen Sat. nur hier. Thessalien wird noch zweimal erwähnt – als Heimat edler Pferde ( TH 59 ), und am Ende des BC als Synonym für Pharsalos ( 294 Thessalicos … sinūs ; cf. S. 1373f. ad loc.). Einen klaren Fingerzeig bietet jedoch die Juxtaposition der beiden Ortsnamen: Philippos | Thessaliae. Das markante Enjambement zitiert just jenen Passus Lukans, der Pharsalos und Philippi räumlich scheidet ( 7,591f., oben zit.). Petron war definitiv mit Vergils und Lukans Identifikation vertraut ; adoptiert hat er sie nicht ( ähnlich CONNORS 1995, 173f.; s. auch COCCIA 1987 ). cerno : Das Verb verweist auf eine prophetische Vision ( „Enthusiasmus poëticus“, BARTHIUS ap. BURMAN 741; er verglich Stat. Ach. 1,34 f. video iam mille carinis | Ionium Aegaeumque premi ); s. auch Cic. Catil. 4,11 cerno animo … insepultos acervos civium ; div. 1,114 quorum animi spretis corporibus evolant, … cernunt illa profecto, quae vaticinantes pronuntiant ). Vergil führt es in die Dichtung ein ( Aen. 1,258f. cernes urbem et promissa Lavini | moenia ; 7,68f. externum cernimus … adventare virum eqs., und bes. 6,86f. bella, horrida bella, | et Thybrim multo spumantem sanguine cerno – die Vision der entsetzten Sibylle, als sprechendes Gegenbild zu Fortunas Begeisterung hier ), wo es gelegentlich wiederkehrt ( u.a. Ov. met. 15,444 urbem etiam cerno Phrygios debere nepotes ; Sen. Ag. 730 Idaea cerno nemora ; Val. Flacc. 1,226 cerno et thalamos ardēre iugales, und A. ZISSOS ad loc.; Stat. Theb. 4,525-527 ipsum sc. Ditem pallentem … Stygiaeque severos | Iunonis thalamos … cerno eqs.; Sil. Ital. 1,126 lacūs flagrantes sanguine cerno u.ö.); cf. Thes. III, 874,40-52. Hier steht cerno in markanter Anapher ( cf. 114 ) – wie in Lukans Vision der matrona ( 1,679-694 ), die noch nachdrücklicher mit einem ‚prophetischen‘ Verb beginnt u n d endet ( 1,679f. video Pangaea nivosis | cana iugis latosque … Philippos bzw. 1,694 vidi iam, Phoebe, Philippos ). Der Anklang an Lukan ist kaum zu überhören ( laut POLETTI 2017, 62 ‚synthetisiere‘ BC 111 Lukans Konzept vom ‚zweifachen Philippi‘ in einem Vers; s. auch

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ebd. 310: iam unterstreiche das Lebhafte der Prophezeiung und das unmittelbare Bevorstehen der Ereignisse – wie in Thetis’ Schreckensvision, Stat. Ach. 1,34 f. video iam mille carinis | Ionium Aegaeumque premi ). equidem : Die die erste Person verstärkende Partikel (~ „ich für mein Teil“ ) entstand nach alter Etymologie aus ego quidem ( in den Sat. ferner 91,8 equidem fateor ; 126,11 mirari equidem tam discordem libidinem coepi ; 135,7 mirabar equidem paupertatis ingenium ; 136,3 consurrexi equidem turbatus ). Auch in der Dichtung ist es beliebt, u.a. bei Vergil und Lukan ( cf. HSZ 174 ; MYNORS 1990, 274 ad georg. 4,116 ). Die Junktur cerno equidem kehrt im flavischen Epos in verwandten Kontexten wieder ( Val. Flacc. 1,235f. praeduri plena laboris | cerno equidem, „das ganze Ausmaß an Heimsuchungen“, das die Argonauten erwartet ; Sil. Ital. 2,494 : Fides erinnert Herakles an das Leid Sagunts ). geminā iam stratos morte Philippos : Für den ‚Showdown‘ mit Antonius und Octavian sammelten Brutus und Cassius in Hellas Streitkräfte. Zu den jungen Römern, die damals in Athen weilten und sich dem republikanischen Lager anschlossen, gehörte Horaz, den Brutus zum Befehlshaber einer Legion ernannte ( cf. Hor. serm. 1,6,47f.; c. 2,7,1f. 9-12 Philippos et celerem fugam | sensi eqs.; ep. 2,2,43-49; Suet. vita Hor. p. 110f. Z. 6f. Rostagni ). Bei P h i l i p p i im Osten der Provinz Macedonia ( TALBERT 51 C 2 ) kam es im Oktober 42 zur schicksalsträchtigen Konfrontation. Beide Seiten verfügten über annähernd gleich starke Kontingente. Ein erstes Treffen Anfang Oktober endete im Patt. Brutus’ Truppen schlugen Octavians Flügel in die Flucht und überrannten das Lager des späteren Princeps, der angeblich krank im Zelt lag und im letzten Augenblick entkam. Zur selben Zeit überwältigten Antonius’ Verbände Cassius’ Flügel und plünderten dessen Lager ; in seiner Verzweiflung beging Cassius, der von Brutus’ Erfolg nichts ahnte, Selbstmord. Nach drei Wochen des Abwartens stellte sich Brutus am 23. Oktober der Entscheidung. Antonius und die Caesarianer errangen einen vernichtenden Sieg, der vierundzwanzigtausend Menschen das Leben kostete, unter ihnen zahllose Angehörige der römischen Oberschicht ( cf. Vell. Pat. 2,71,1 non aliud bellum cruentius caede clarissimorum virorum fuit ). Brutus, der entkommen war, stürzte sich noch in derselben Nacht in sein Schwert. Die alte Republik war Geschichte. – Cf. Vell. Pat. 2,70-72,2 ; Plut. Brutus 38-53; Antonius 22 ; Appian b.civ. 4,453-478. 522-552; Cassius Dio 47,4249; J. SCHMIDT, RE XIX 2, 1938, 2214-27 ; SYME 1939, 202-207 ; TARN – CHARLESWORTH 1965, 29-33; PELLING 1988, 171-173.

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geminā … morte : Die rare ( erst in der Kaiserzeit belegte ) Junktur kann zwei eng verbundene tödliche Übel anzeigen, etwa Scylla und Charybdis ( Corp. Tib. 3,7 ( 4,1),70 geminae … confinia mortis ; cf. BC 51 gemino deprensam gurgite plebem ), oder metaphorisch den ‚doppelten Tod‘ eines Erblindeten ( Manil. 4,533f. geminam … mortem fata dabunt ). Eher aber signalisiert sie – wie hier – den Tod eines ‚Paars‘ (cf. Sil. Ital. 4,179 f. hasta … geminam dedit … mortem, nämlich Ross und Reiter ; Apul. met. 10,27,1 pretium geminae mortis ). Dies bestätigen verwandte Wendungen wie geminus cruor ( Ov. met. 4,161, von Pyramus und Thisbe ), gemina caedes ( Sen. Herc. fur. 373 fratrum … geminā caede ; Thy. 738 ferrum … geminā caede perfusum ), gemina nex ( Sen. Phaed. 1214 ), geminum funus ( Sen. dial. 6,14,2 ) oder geminum letum ( Sil. Ital. 16,645 f. caesis ductoribus … gemino leto ). Hier im Kontext bedeutet gemina mors kaum die beiden Schlachten von Philippi und Pharsalos ( Thessalien besitzt mit rogos sein eigenes Attribut, parallel zu gemina … stratos morte ; so bereits BALDWIN 1911, 163), sondern entweder die beiden großen Republikaner, die in Philippi Selbstmord begingen ( so MÖßLER 1842, 37; Thes. VI 1, 1746,18 f. ad loc.), oder die beiden im Oktober 42 dort geschlagenen Schlachten ( cf. Suet. Aug. 13,1 Philippense … bellum … duplici proelio transegit ; so u.a. CONNORS 1989, 91 ). An Cassius und Brutus lässt die Verwendung der Junktur für den Tod eines ‚Paars‘ denken. Für die dramaturgisch stärkere Auflösung – die beiden Schlachten vom Oktober 42 – spricht neben dem plastischen stratos ( s. unten ) v.a. der Umstand, dass Fortuna in ihrer Rede auch sonst nirgendwo auf einzelne Personen eingeht. Zu der Metonymie mors für mortuus / mortui cf. e.g. Accius trag. 317 R.3 morte campos contegi ; Cic. Cluent. 201; Stat. Theb. 7,768-770 furens in morte relicta | spicula … avellit ; 9,29 desertas … sine funere mortes ; OLD s.v. 5a ; Thes. VIII, 1504,41-70. – Ein Platz im Apparat gebührt SCALIGERs elegantem gemino … Marte, „von der Zwillingsschlacht“ ( e.g. Lukan 7,389f.; OLD s.v. Mars 2b ) oder „von Zwillingsarmeen“ ( e.g. Lukan 7,220; OLD s.v. Mars 7 ). stratos : Das PPP ( hier untermalt vom doppelten Hyperbaton gemina … stratos morte Philippos ) bezeichnet bisweilen ‚hingestreckte‘ Leichen ( e.g. Lukan 2,135 Collina tulit stratas quot porta catervas ); vereinzelt steht es – wie hier – für einen mit Leichen ‚bedeckten‘ Grund ( u.a. Ov. met. 14,800-802, im ‚Bürgerkrieg‘ zwischen Römern und Sabinern: strata est tellus Romana Sabinis | corporibus strata estque suis, generique cruorem | sanguine cum soceri permiscuit impius ensis ; Sil. Ital. 6,602f. Tyrrhenas sternere valles | caedibus ; 9,39f. stratis deleto milite campis | post pugnam ; Tac. hist. 3,70,2 stratam innocentium

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caedibus … urbis partem ). Das leichenbedeckte Pharsalos beschreibt Lukan ( 7,789-795, bes. 794 f. iuvat Emathiam non cernere terram | et lustrare oculis campos sub clade latentes ). Hier mag die Nachricht nachhallen, in seinem Hass habe Octavian die gegnerischen Toten von Philippi den Aasvögeln überlassen ( Suet. Aug. 13,2 uni suppliciter sepulturam precanti respondisse dicitur iam istam volucrum fore potestatem ; cf. Ps.-Sen. Oct. 515 f. pavere volucres et feras saevas diu | tristes Philippi ; Stat. silv. 2,7,65 albos ossibus Italis Philippos ). Das Gleiche unterstellt Lukan Caesar in Pharsalos ( 7,797-824 ; cf. das folgende Lemma ). So geschah es vor Thebens Toren ( Stat. Theb. 11,662-664 iubet sc. Creon igne supremo | arceri Danaos, nudoque sub axe relinqui … tristes sine sedibus umbras ). Thessaliaeque rogos : Die Schlacht bei P h a r s a l o s im Süden Thessaliens ( TALBERT 55 C 2 ; cf. BC 294 Thessalicosque sinūs Romano sanguine tingue ) brachte die Wende im ersten Bürgerkrieg – und Rom dem Prinzipat einen entscheidenden Schritt näher ( cf. Lukan 7,131-133 advenisse diem qui fatum rebus in aevum | conderet humanis, et quaeri, Roma quid esset, | illo Marte, „der Tag sei gekommen, der unserer Geschichte ihr Schicksal für immer festschreibe, und in jener Schlacht entscheide sich, was aus Rom wird“; 7,207-213; 7,426f.; 7,632-640; 7,862 Romani bustum populi, Pharsalos wurde zur „Grabstätte des römischen Volkes“ ). Angesichts von Pompeius’ Erfolg bei Dyrrhachion ( cf. S. 1370f. ) und seiner erdrückenden Übermacht ( ihm unterstanden rund siebenundvierzigtausend Mann, Caesar etwa zweiundzwanzigtausend ; v.a. die strategisch so wichtige Reiterei war der Caesars siebenfach überlegen ) drängten die siegesgewissen Patrizier in Pompeius’ Lager auf eine offene Konfrontation. Am 9. August 48 stellte sich Pompeius zur Schlacht. Doch wider Erwarten konnte Caesars Heer den gegnerischen Angriff auf breiter Front zurückschlagen. Pompeius sah seine Reiter weichen und floh; gegen Mittag war der Kampf entschieden, wenig später Pompeius’ Lager eingenommen. Auf Pompeius’ Seite waren rund fünfzehntausend Legionäre gefallen, unter ihnen sechstausend römische Bürger ( Caesar beklagte zweihundert Soldaten und dreißig Offiziere); rund vierundzwanzigtausend ergaben sich Caesar ( unter ihnen Marcus Brutus). Pompeius entkam mit kleinem Gefolge zur Küste, von wo aus er über verschiedene Stationen nach Ägypten übersetzte ( cf. S. 977 ). Cf. Caes. civ. 3,84-99; Plut. Caes. 4047 ; Pomp. 67-72; Appian b.civ. 2,270-348; Cassius Dio 41,55-63; MOMMSEN 11 1917, 424-429; GELZER 2 1959, 236-240; ders. 6 1960, 218-222; MEIER 1982, 474-476.

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Die „Scheiterhaufen“ für die abertausend Toten von Pharsalos klingen wie eine Korrektur der Unterstellung, Caesar habe den gefallenen Gegnern die Bestattung verweigert ( Lukan 7,797-824, bes. 7,803-805 petimus non singula busta | discretosque rogos : unum da gentibus ignem eqs.). Neben dem auffälligen Binnenreim ( stratos – Philippos – rogos ) zeichnen v.a. zwei ‚verschränkte‘ Chiasmen die Verse BC 111f. aus: die Motivkette ‚Tod‘ – ‚Ort‘ – ‚Ort‘ – ‚Tod‘ ( gemina morte – Philippos – Thessaliae – rogos ), und ‚Ort‘ – ‚Tod‘ – ‚Tod‘ – ‚Ort‘ ( Thessaliae – rogos – funera – Hiberae ). Rogus und funus treten in der Dichtung mitunter fast als Hendiadyoin nebeneinander ( e.g. Verg. Aen. 11,188-190 ter circum accensos … decurrere rogos, ter maestum funeris ignem | lustravēre ; Sen. Phaed. 1113f. passim ad supremos ille colligitur rogos | et funeri confertur ; Stat. Theb. 7,462 rogos et crastina mandant | funera ; 12,261 rogos … planctumque et funera posco ). 112 et funera gentis Hiberae | 114 et Libyae : „und die Gefallenen des iberischen Volkes und Libyens“. In Spanien schloss sich ein Kreis. Die Kampfhandlungen des ersten Bürgerkriegs hatten im Nordosten Spaniens begonnen ( mit Caesars unblutigem Sieg über L. Afranius und M. Petreius bei Ilerda, Aug. 49 ) – um nun in Südspanien zu enden. Den Pompeianern gelang es ein letztes Mal, mit insgesamt dreizehn Legionen massive Kräfte zu mobilisieren und eine ganze Provinz in offenen Aufruhr zu stürzen ( die vor Ort rekrutierten Verbände bestanden großenteils aus Kontingenten hispanischer Stämme, gentis Hiberae ; cf. Bell. Hisp. 1,1f.; GELZER 6 1960, 271 ). Die Streitmacht, die Pompeius’ älterer Sohn Gnaeus aufstellte, wurde für Caesar auch deshalb zur ernsten Bedrohung, da ihre Kernverbände z.T. früher unter seinem Kommando gedient hatten, während er selbst vor Ort neben neuen Truppen nur auf zwei Legionen Veteranen zurückgreifen konnte. Nach ersten militärischen Erfolgen Caesars stellte sich Gnaeus Pompeius am 17. März 45 bei M u n d a ( rund 60 km südlich von Córdoba ; TALBERT 26 E 4 ) zur Entscheidungsschlacht. Die Pompeianer, die spätestens nach Thapsus wussten, dass sie mit Pardon nicht rechnen durften ( s. das folgende Lemma ), leisteten so erbitterten Widerstand, dass sie Caesars Truppen auf ganzer Linie zurückdrängten ; einzelne Verbände begannen zu fliehen. Erst Caesars furchtloser Einsatz an vorderster Front brachte in dieser schwierigsten Schlacht seines Lebens die Wende ( später meinte er, „er habe schon oft um den Sieg gekämpft, nun aber zum ersten Mal um sein Leben“ ; Plut. Caes. 56,4 ), und schließlich seinen Leuten einen überlegenen Sieg. Dreißigtausend Pompeianer verloren ihr Leben ; Gnaeus

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Pompeius kam auf der Flucht zu Tode. – Cf. Bell. Hisp. 28-31 ( und G. PASCUCCI, Caesar, Bellum Hispaniense, Florenz 1965, 306-336 ); Plut. Caes. 56; GELZER 6 1960, 271-275; MEIER 1982, 534 f. Zu funera als abstractum pro concreto für mortui cf. 95 nostris da funera regnis, und S. 1045 ad loc. et Libyae : Fast von Anfang an war Africa Schauplatz des Bürgerkriegs. Curios Versuch, es in Caesars Auftrag zu erobern, scheiterte nach ersten Erfolgen an König Juba ( cf. S. 1365 ). Lange Zeit blieb Africa eine Bastion der Pompeianer, zumal nach Pharsalos, als Cato mit zehntausend Soldaten in die Kyrenaika übersetzte und durch die Syrten bis in die alte Provinz marschierte, wo sich bald das Widerstandszentrum der Senatspartei etablierte. Ende 47 landete Caesar mit sechs Legionen in Africa. Nach einem zähen Kleinkrieg kam es am 6. April 46 bei T h a p s u s ( rund 150 km südlich von Karthago; TALBERT 33 H 1 ) zur Entscheidungsschlacht zwischen den Senatstruppen ( unterstützt von König Juba mit mehreren Legionen, Reiterei und Kriegselefanten ) unter dem Kommando des Q. Caecilius Metellus Pius Scipio, und dem Heer Caesars, das nominell gleichfalls von einem Scipio kommandiert wurde ( cf. AHL 1976, 82 ). Denn alle Beteiligten sahen es als Zeichen, dass jenes Gefecht unweit von Zama, und genau ein Jahrhundert nach Zama stattfand, wo Scipio Africanus Hannibal besiegt und die Großmacht Karthago endgültig vernichtet hatte. Noch bevor der eigene Aufmarsch abgeschlossen war, eröffneten Caesars Veteranen ohne Befehl den Kampf ( manchen Quellen zufolge erlitt Caesar kurz vor der Schlacht einen epileptischen Anfall ). Sie trieben Jubas Elefanten in die gegnerischen Reihen zurück ; wenig später hatten sie fast ohne Verluste auf ganzer Linie gesiegt. Die blutigste Schlacht des gesamten Bürgerkriegs kostete fünfzigtausend Pompeianer das Leben, unter ihnen zehntausend Mann, die sich ergeben hatten, doch von Caesars Veteranen gnadenlos abgeschlachtet wurden. In den folgenden Tagen rückte Caesar gegen die letzte afrikanische Bastion der Pompeianer vor, die Küstenstadt Utica, die unter Catos Kommando stand. Nach den düsteren Nachrichten von Thapsus mühte sich Cato nach Kräften, das ausbrechende Chaos einzudämmen, und bereitete die Übergabe der Stadt vor. Dann legte er, um einer Begnadigung Caesars zu entgehen, Hand an sich selbst. Cf. Bell. Afric. 79-86 ; Plut. Cato min. 5872 ; Caes. 53 ; Cassius Dio 43,8f. – MOMMSEN 11 1917, 454-458 ; GELZER 6 1960, 247-249 ; MEIER 1982, 503-508.

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Auch Lukan verknüpft Thapsus und Munda ( 6,306 f.: hätte Pompeius seinen Sieg bei Dyrrhachion genutzt [ cf. S. 1370f.], „hätte Libyen nicht die Katastrophe bei Utica beweint, Spanien nicht die von Munda“, non Uticae Libye clades, Hispania Mundae | flesset eqs.; cf. hier et funera gentis Hiberae | et Libyae ; s. auch 7,691f. ceu flebilis Africa damnis | et ceu Munda nocens ). Über die Ortsangabe hinaus scheinen die funera gentis Hiberae et Libyae auch an die vielen nicht-römischen Opfer des Bürgerkriegs zu erinnern, die als Verbündete ( v.a. auf Pompeius’ Seite ) unter den Kampfhandlungen oft mehr zu leiden hatten als die kriegsführenden Römer. Wie also die gens Hibera die vor Ort rekrutierten hispanischen Verbände meint, so hier Libya ( auch ) das Heer König Jubas, äquivalent für die Libycae gentes ( zu der Junktur cf. Verg. Aen. 4,320; Lukan 4,669 ; 9,511 ; 9,515; s. auch den Katalog von Jubas Truppen, 4,676-686; zu der Stilfigur cf. Cic. de orat. 3,167 pro ‚Afris‘ est sumpta ‚Africa‘ ). Libyae : Libya steht nach griechischem Vorbild in der Dichtung oft synonym für Afrika und seine Völker ( e.g. Enn. ann. 302 Sk. Europam Libyamque rapax ; Lukan 6,817 Europam … Libyamque Asiamque ; s. auch seinen ‚Libyen‘-Exkurs, 9,411-444 tertia pars rerum Libye eqs.; Plin. nat. 5,1 Africam Graeci Libyam appellavere ; OLD s.v.; cf. K. ZIMMERMANN, Libyen. Das Land südlich des Mittelmeers im Weltbild der Griechen, München 1999, bes. 59-73 ). Mitunter gibt die Metrik den Ausschlag. So schreibt Vergil in den obliquen Kasus Libya, im Nominativ Africa ( cf. NORDEN 4 1957, 333f.; A.S. PEASE ad Aen. 4,37 ). Bisweilen meint der Name aber präzisere Regionen, v.a. – wie hier – das einstige punische Herrschaftsgebiet um Karthago ( u.a. Verg. Aen. 1,158 ; 6,843 Scipiadas, cladem Libyae ; Lukan 4,581f. ), das Lukan teilweise mit dem numidischen Reich identifiziert ( 4,670-675 ), bzw. mit dem Gebiet, das Catos Heer durchzieht ( 1,367 f. per inhospita Syrtis | litora, per calidas Libyae sitientis harenas ; 1,686f.; 9,598 per Syrtes Libyaeque extrema ). Dank ihrer Position am Versbeginn korrespondieren Thessalien und Libyen ( 112 Thessaliaeque – 114 et Libyae ; zum ‚Reim‘ cf. stratos – Philippos – rogos ). 114-115 cerno tua, Nile, gementia claustra | Actiacosque sinūs et Apollinis arma timentes : „Ich gewahre, Nil, dein klagendes Delta, auch Actiums Buchten und sie, die beben vor den Waffen Apolls.“ Am ausführlichsten ( und zugleich auffällig verdichtet, samt einer mythologischen Coda ) spricht Fortuna vom entscheidenden letzten Gefecht der Bürgerkriege am 2. September 31 vor Griechenlands Westküste bei Actium ( TALBERT 54 C 4 ).

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Im Golf von Ambrakia ankerte Mark Antons Flotte. Seinen Mannschaften machten Krankheiten, v.a. aber der stockende Nachschub zu schaffen. Offiziere, ja ganze Besatzungen liefen zu Octavian über, der mit vierhundert Schiffen die Zufahrt zum Golf kontrollierte. Als die Lage sich zuspitzte, stellte sich Antonius dem gegnerischen Geschwader unter dem Kommando Agrippas. Der Verlauf der Schlacht und insbesondere Antonius’ Strategie sind unter Historikern umstritten. Vermutlich plante er, die feindliche Blockade zu durchbrechen und zumindest Teile der Flotte und die Kriegskasse nach Ägypten zu retten, während P. Canidius Crassus mit den übrigen Truppen auf dem Landweg abziehen sollte. Antonius’ Flotte von rund hundertsiebzig Schiffen ( sechzig weitere mit der Kriegskasse an Bord unterstanden Kleopatra ) bezog vor der Mündung des Golfs Position. Es kam zu ersten Scharmützeln. Als sich zwischen den Schlachtreihen eine Lücke öffnete, nahm Kleopatras Geschwader Kurs aufs offene Meer ; Antonius stieß mit einem kleinen Verband von Schiffen zu ihr. Sie flohen nach Alexandria, wohin ihnen Octavian später folgte. Der Großteil von Antonius’ Flotte, der nicht entkam, leistete heftigen Widerstand. Bis zu vierzig seiner Schiffe gingen unter, mindestens fünftausend seiner Leute kamen zu Tode; die übrigen kapitulierten. Cf. Vell. Pat. 2,84-86 ( und A.J. WOODMAN ad loc.); Plut. Antonius 6068; Cassius Dio 50,15-35; J. KROMAYER, Der Feldzug von Actium (…): Hermes 34, 1899, 1-54 ; ders., Actium : Hermes 68, 1933, 361-383; TARN – CHARLESWORTH 1965, 125-133; WILLIAMS 1968, 51-57; J.M. CARTER, The Battle of Actium, London 1970 ; PELLING 1988, 254-289; R.A. GURVAL, Actium and Augustus, Ann Arbor 1995 ; C. PELLING, in: CAH 10, 1996, 54-59; D. LASPE, Actium : Gymnasium 114, 2007, 509522. Erst die augusteische Propaganda überhöhte das Seegefecht zum gewaltigen ost-westlichen Kräftemessen, bei dem selbst die Götter mitkämpften ( SYME 1939, 297f. ), das die Knaben in der Sommerfrische auf dem Dorfteich nachspielten ( Hor. ep. 1,18,61-64 ), und dessen Andenken Antonius’ Enkel Germanicus mit einem Besuch vor Ort ehrte ( Tac. ann. 2,53,2 ). Nicht militärisch, doch historisch gesehen war es Octavians wichtigste Schlacht, da sie den Bürgerkrieg de facto beendete ( in Ägypten traf er auf keinen nennenswerten Widerstand mehr ). Noch nach Augustus’ Tod feierte man seinen Sieg alle fünf Jahre mit eigenen Spielen. Actium wurde Weltgeschichte – und ein Schlüsselthema der augusteischen Dichtung.

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Horaz, der die Schlacht offenbar an Maecenas’ Seite miterlebte ( cf. A. SETAIOLI, ANRW II 31.3, 1981, 1716-28 ; L.C. WATSON, A commentary on Horace’s Epodes, Oxford 2003, 3 ), widmete ihr eine dramatische Reportage ( epod. 9 ) sowie das brillante c. 1,37, das mit einer Verneigung vor Kleopatra endet. Auch Properz kommt zweimal ausführlich auf Actium zu sprechen ( 3,11,29-72 ; 4,6,15-68 ), zudem in mehreren kürzeren Passagen ( 2,16,37-40 cerne ducem sc. Antonium modo qui fremitu complevit inani | Actia damnatis aequora militibus eqs.; 2,1,30-34 ; 2,34,59-64 ). Weitere Stimmen sind Verg. georg. 3,26-29 ( und M. ERREN ad loc.); Ov. met. 15,826-828; Manil. 1,914-918 ; App. Verg. Eleg. Maec. 1,45-56; die späteren Ereignisse in Ägypten behandelt das Carmen de bello Actiaco, FLP p. 334340 ). Kanonisch wird die Darstellung V e r g i l s in seiner Schildbeschreibung im achten Buch der Aeneis, die Actium ins Zentrum jener kosmischen Ikone rückt und zum Endpunkt der römischen Geschichte überhöht ( Aen. 8,675-713; cf. S. 837 ). Erst auf der Folie von Vergils Ekphrasis werden die Stichworte dieser ‚Epitome‘ verständlich ( in denen, wie in den vorausgehenden Versen, jeder Hinweis auf die Antagonisten – Antonius und Kleopatra bzw. Octavian – fehlt ); cf. die folgenden Lemmata (s. auch POLETTI 2017, 63-66 ). cerno tua, Nile, gementia claustra : In einem dramatischen Hysteron–Proteron beginnt Eumolp mit dem Finale der Geschichte, der Rückkehr der ägyptischen Flotte nach Alexandria ( cf. Prop. 3,11,51 fugisti sc. Cleopatra … in timidi vaga flumina Nili ; 4,6,63 petit Nilum cumbā male nixa fugaci sc. Cleopatra ; Ps.-Sen. Oct. 519 f. superatus acie puppibus Nilum petit | fugae paratis, ipse periturus brevi sc. Antonius; in einer verwandten Szene Ovids fliehen die Olympier vor Typhoeus zum Nil, met. 5,322-324 cunctos … dedisse | terga fugae, donec fessos Aegyptia tellus | ceperit et septem discretus in ostia Nilus ). Der Vers zitiert v.a. Vergils mitfühlendes Schlussbild der Schlacht, den ‚trauernden Nil‘ ( hier verdichtet in der personifizierenden Enallage, statt Nile gemens ), der die Besiegten in seinem Gewandbausch und Schoß empfängt, d.h. seinem Delta ( Aen. 8,709-713, bes. 711ff. ) : magno maerentem corpore Nilum | pandentemque sinūs et totā veste vocantem | caeruleum in gremium latebrosaque flumina victos. Augusteische Autoren zeichnen den Nil wiederholt als Hasenherz ( cf. Prop. 3,11,51, oben zit.; Ov. met. 2,254 -256 Nilus in extremum fugit perterritus orbem eqs., und bes. Verg. Aen. 6,800 trepida ostia Nili ( aus Angst vor Augustus ); zu möglichen hellenistischen Vorbildern cf. E. NORDEN ad

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loc.). Seine T r a u e r schildern neben Vergil nur Statius ( Theb. 1,265 aerisoni lugentia flumina Nili, „die klagenden Ströme des mit dem Sistrum rasselnden Nils“ – bei den alljährlichen Trauerfeiern um Osiris) – und das BC. Ähnlich bejammert der Rhein die gegen Rom gefallenen Sueben ( Prop. 3,3,45 f. Suebo perfusus sanguine Rhenus | saucia maerentī corpora vectet aquā ). Kaum gemeint ist hier eine anthropomorphe Figur des Nils, wie sie Octavian nach den Siegen bei Actium und in Ägypten im Triumphzug mitführte ( 29 v.Chr.; cf. Prop. 2,1,31 f. Nilum, cum tractus in urbem | septem captivis debilis ibat aquis, und P. FEDELI 69f. ad loc.). Er ist Fluss ( cf. 134,12,4 zu den Niliacas aquas ) und Flussgott in einem. In einer Apostrophe wie hier sprechen ihn bereits die Augusteer wiederholt an (cf. Tib. 1,7,23 Nile pater eqs.; Prop. 4,8,39; Ov. am. 3,6,104 potui nomen, Nile, referre tuum ; met. 1,728 ; fast. 5,268 ; trist. 1,2,80 ; Pont. 4,10,58 ), später u.a. Lukan ( 5,712; 10,296 nec licuit populis parvum te, Nile, videre u.ö.), Valerius Flaccus ( 4,346 ) und Martial ( 6,80,10; 10,26,8 fallax Nile ). In dem irritierenden Hysteron–Proteron trauert der Nil gleichsam prophetisch über das ihm und den Seinen Bevorstehende ( BC 115; s. auch die verwandten Personifikationen BC 241f. quem fracto gurgite Pontus | et veneratus erat submissā Bosphoros undā ). Mehrere Exegeten suchten die Chronologie zu retten, indem sie den Passus als Anspielung auf Caesars Kampagne in Alexandria lasen, 48/47 v.Chr. ( nach Pharsalos; so u.a. MÖßLER 1865, 17; WALSH 1996, 193 ), zumeist aber auf Pompeius’ Tod in Pelusium ( u.a. STUBBE 124 ; DÍAZ Y DÍAZ ad loc.; TANDOI 1992 b, 638 Anm. 6; POLETTI 2017, 313 sieht hier Anspielungen auf Pompeius sowie auf Caesar und Oktavian in Alexandria ). Vage Vorbilder wären Lukan 1,683-686 primos me ducis in ortūs, | qua mare Lagei mutatur gurgite Nili eqs.; 6,306-311: hätte Pompeius Dyrrhachion genutzt, non … infando pollutus sanguine Nilus | nobilius Phario gestasset rege cadaver ; Plin. nat. 5,58 : den niedrigsten Wasserstand seit Menschengedenken erlebte der Nil „nach Pharsalos – als wolle der Fluss seine Abscheu über Pompeius’ Ermordung mit einer Art Zeichen kundtun“ ( Pharsalico bello, veluti necem Magni prodigio quodam flumine aversante ). Doch mehrere, in der Summe gewichtige Einwände sprechen gegen diese Deutung : 1.) irritierende Hystera – Protera erscheinen auch BC 51f., 146-150 und 264 f.; 2.) tua, Nile, … claustra stünde in dezentem Widerspruch zu Pompeius’ BC 63 erwähntem Todesort ( Libyco iacet aequore Magnus ); 3.) der Hinweis auf Pompeius wäre insgesamt arg kryptisch ; 4.) nir-

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gendwo sonst erwähnt Fortuna Einzelschicksale ; 5.) die offensichtliche Anspielung auf Vergils Schlussbild von Actium ( Aen. 8,711-713; s. oben ). Zu dem prophetischen cerno cf. S. 1079 ( laut POLETTI 2017, 372 signalisiere die Wiederholung, dass die Vision klarer wird ). claustra : Mit den claustra Nili sind nicht die fernab der Küste gelegenen „Katarakte“ des Nils gemeint ( so Thes. III, 1322,6-8 ad loc.; cf. Solin 32,8 ), sondern die „Mündung“, das berühmte „Delta“ des Flusses ( cf. Curt. Ruf. 4,8,4 claustra Nili fluminis, und J. MÜTZELL ad loc.). In einer Bedeutung, die hier mitschwingt: „( befestigter ) Zugang, Barriere, Bollwerk, strategische Lage“, erscheint der Begriff gerade in Verbindung mit Ägypten und dem Nil wiederholt in historischen Texten; so u.a. Bell. Alex. 26,2 tota Aegyptus maritumo accessu Pharo, pedestri Pelusio velut claustris munita existimatur ( „… beim Zugang von der See her durch Pharos, auf dem Landweg durch Pelusium wie mit Barrieren geschützt“ ); Tac. hist. 2,82,3 claustra Aegypti ( „die Zugänge zu Ägypten“ ); ann. 2,59,3 claustra … terrae ac maris ( Alexandria und Pelusium als „Schlüssel Ägyptens zu Land und zur See“; cf. F.R.D. GOODYEAR ad loc.); s. auch Lukan 10,313 regni claustra Philae ( „die Tore des Reiches, Philai“ ~ die Nilinsel an Ägyptens Südgrenze ); 10,509 claustrum pelagi … Pharon ( „Pharos, der Riegel zur See hin“, „… das die See abriegelt“ ). Actiacosque sinūs : Die ‚Gewässer vor Actium‘ werden in der augusteischen Literatur oft zitiert, u.a. als Actiacum mare ( Prop. 2,15,44 ; Sen. clem. 1,11,1 mare Actiacum Romano cruore infectum ), aequor Actiacum ( Ps.-Ov. epist. Sapph. 165f. ; cf. ebd. 185 Actiacas … oras ) oder – wie hier – als Actiaci sinūs ( Manil. 5,52 ). Mitzuhören ist wohl auch der Ambracius sinus, der Golf von Ambrakia, in dem Antonius’ Flotte vor der Schlacht ankerte ( e.g. Liv. 32,14,7; Pomponius Mela 2,54 ; Sen. nat. 3,29,8; Plin. nat. 4,4 f. ; griech. Ἀμβρακικὸς κόλπος, e.g. Strabo 7,7,4 ). – S. auch BC 294 Thessalicosque sinūs ( und POLETTI 2017, 315: eine korrespondierende Junktur beschließe auch Discordias ‚Prophezeiung‘ ). Das Adjektiv ist untrennbar mit der Seeschlacht verbunden, dem bellum Actiacum ( u.a. Liv. 1,19,3 ; Vell. Pat. 2,86,3 ; Plin. nat. 21,12 ; Tac. ann. 3,55,1; cf. Verg. Aen. 8,675 Actia bella ), oder, in variatio, proelium Actiacum ( Plin. nat. 14,148 ), Actiacus Mars ( ebd. 32,3 ), Actiaca victoria ( Tac. ann. 1,3,7; Suet. Aug. 18,2 ), Actiacus triumphus ( Suet. Aug. 22 ; Tib. 6,4 ). S. auch Ov. met. 13,715 Actiaco quae nunc ab Apolline nota est sc. Ambracia. Apollinis arma timentes : Zu den Göttern, die Octavian in die Schlacht folgen, zählt in Vergils kanonischer Schilderung noch vor Neptun, Venus und Minerva der ‚Apollon von Actium‘, dessen Tempel seit

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alters auf dem dortigen Vorgebirge thronte ( Sil. Ital. 15,302 Phoebi … Actia templa ). Zur Erinnerung an seinen Sieg ließ Augustus den Bau renovieren und erweitern ( Suet. Aug. 18,2 ; Cassius Dio 51,1,2 ). An Actium erinnerte aber auch der von ihm 36 v.Chr. gelobte und 28 v.Chr. geweihte Apollotempel auf dem Palatin, das prächtigste Heiligtum des augusteischen Roms, auf dessen Schwelle der Princeps in Vergils semihistorischer Phantasie das Ende der Bürgerkriege feiert ( Aen. 8,720-722; cf. P.T. EDEN ad loc.). Auf dem Höhepunkt der Kämpfe greift Apoll ein und entscheidet als deus ex machina mit einem Schuss die Schlacht. In panischem Schrecken fliehen die gegnerischen Truppen, ja Kleopatra persönlich ( Aen. 8,704 708 Actius haec cernens arcum intendebat Apollo | desuper ; omnis eo terrore Aegyptus et Indi, | omnis Arabs, omnes vertebant terga Sabaei. | ipsa videbatur ventis regina vocatis | vela dare eqs.; dass timentes sich auf sinūs bezieht : „die actiakischen, Apolls Waffen fürchtenden Meerbusen“ – so SURINGAR – ist unwahrscheinlich ). Ausführlicher schildert Properz Apolls Auftritt ; fast im Alleingang klärt er die von ihm initiierten Feindseligkeiten ( 4,6,27-58; s. auch App. Verg. Eleg. Maec. 1,51-56, bes. 55f. hic tela in profugos … misit eqs.; zum Bogenschützen Apollon s. auch Ilias 1,43-49; Hor. c. 4,6,1-24 ; Sil. Ital. 12,711 intenditque arcum et pugnas meditatur Apollo ). Dass Eumolp Vergils Epiphanie vor Augen hat, verrät neben dem zitierten cernere und der Anspielung auf den Nil BC 114 v.a. die sinnverwandte Alliteration mit Ort und Waffen ( 8,704 Actius haec cernens arcum intendebat Apollo ~ BC 114 f. cerno … Actiacosque sinus et Apollinis arma timentes ; die alliterierenden Apollinis arma sind singulär ). Das Augenmerk des BC liegt freilich ganz auf den Verlierern. – Zur verwirrenden Rolle Apolls im BC cf. S. 1336 ( und S. 826 Anm. 80 ). Ihren Reiz haben zwei Einfälle POLETTIs zu BC 114 f.: te statt tua, und timentem statt des Plurals ( 2017, 370 bzw. 376 Anm. 444 ): et Libyae cerno te, Nile, gementia claustra | Actiacosque sinūs et Apollinis arma timentem ( „auch sehe ich dich, Nil, du klagende Barriere Libyens, in Furcht vor Actiums Buchten und den Waffen Apolls“ ). – Mit fünf Daktylen ist BC 115 einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions ( cf. YEH 2007, 243-246 ). 113 iam fragor armorum trepidantes personat aures : „Längst erschüttert das Klirren der Waffen bebende Ohren“. Der kleine Schlachtenkatalog endet im Schlachtenlärm, der „widerhallt in bebenden Ohren“ ( iam knüpft an 111 iam an, das ‚auditive‘ personat an das ‚visuelle‘ cerno 111 und 114 ). Das heißt freilich nicht, dass die trepidan-

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tes aures Fortuna gehören ( cf. BALDWIN : „Now clang of arms rings thrilling on my ears“ ). Sie hat keinerlei Grund, den Krieg zu fürchten ( gemeint ist auch kaum ein freudiges trepidare, „vor Erwartung zittern“, wie e.g. Verg. georg. 4,69f. trepidantia bello | corda, „die für den Kampf bebenden Herzen der Bienen “ (cf. Servius ad loc.: alacritate pugnandi, non timore ); Stat. Theb. 3,420-424 deus armifer … Arcadiae fines … armorum tonitru ferit et trepidantia corda | implet amore sui ). Es sind die ‚bangen Ohren‘ der Kämpfenden – aber auch die der Römer, die der Waffenlärm trifft wie ein böses Omen, als ein erstes Vorzeichen des Kriegs ( BC 126-143; cf. 134 armorum strepitu caelum furit ). Lukans fragor armorum ( 1,569 ) kehrt des öfteren wieder ( Val. Flacc. 3,218; in Prosa u.a. Plin. nat. 2,193; Quint. decl. 315,9; Amm. Marc. 21,4,8 excitatos … hostilium fragore armorum ; 25,1,18; 27,6,10 ; Thes. VI 1, 1234,831235,3; s. auch Sen. ep. 95,69 fragores bellorum civilium ; Stat. Theb. 6,218f. horrendum pepulere fragorem | arma ). Neben den singulären trepidantes aures finden sich gelegentlich die trepidae aures ( u.a. Val. Max. 9,2,1 ~ Ps.-Quint. decl. 11,3 trepidae civitatis aures ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1944 unde sonus trepidas aures ferit ? ; Val. Flacc. 7,296 ; Tac. ann. 1,31,5 ). Die Wendung fragor personat mag von Ovid inspiriert sein ( trist. 1,2,46 quantus ab aetherio personat axe fragor !, „welch’ Donnern kracht hernieder vom Himmelsgewölbe !“ ), der Versschluss personat aures von Horaz ( ep. 1,1,7 est mihi … qui personet aurem, „jemand lässt mir die Ohren klingen“ ). Zu dem Verb cf. 177 haec ubi personuit, und S. 1187 ad loc. ( s. auch S. 1002 zu 72f. persona cantu … virgulta ); zu den Resonanzen in den Versen 113-121 cf. YEH 2007, 338-340. Die geballten r -Laute des Verses notiert POLETTI 2017, 312 Anm. 307. 116 – 121 Die Toten des Bürgerkriegs 116-117 pande, age, terrarum sitientia regna tuarum | atque animas accerse novas : „So öffne denn die lechzenden Reiche deiner Lande und nimm in Empfang neue Seelen.“ Fortunas Imperativ beantwortet Dis’ Bitte ( 94 f. quare age, Fors, … ac nostris da funera regnis ) – wobei sie den Blutdurst der Unterweltsgötter ( 96 f. nullo perfundimus ora cruore, | nec mea Tisiphone sitientes perluit artus ) in dezenter Metaphorik auf Dis’ Reich projiziert, das pleonastisch als regna und terrae betitelt wird ( samt der singulären Junktur sitientia regna ; WERNSDORFs Dirarum statt terrarum will den Pleonasmus beseitigen ; s. auch POLETTI

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2017, 317 zu der Stelle ). Das gleiche Versprechen macht die Hexe Erictho den Unterweltsmächten ( Lukan 6,718 bene de vobis civilia bella merentur, „die Bürgerkriege machen sich um euch verdient“ ) – und bereitwillig öffnet Dis sein Reich für die große Ernte ( ebd. 6,799-802 regni possessor inertis | pallentīs aperit sedes eqs.). Silius’ Charon rüstet sich für die zahllosen Opfer von Cannae ( 9,250f. pallenti laetus in undā | laxabat sedem venturis portitor umbris, „auf der bleichen Woge schuf freudig der Färge Platz für die kommenden Schatten“ ). Über den vertrauten Sinn hinaus ( cf. BC 158 ad has acies invitum accersere Martem ; OLD s.v. arcessō 1a: „to go or send for, fetch, summon, invite“ ) setzt accersere hier eigene Akzente: „in Empfang nehmen“ ( Thes. II, 452, 64-66 zitiert als Parallele Quint. decl. 326,9 magna arcessebatur anima ; zu der Bedeutung „heraufbeschwören“ cf. Verg. Aen. 6,119 potuit manīs accersere coniugis Orpheus ). Zu den orthographischen Varianten accersere bzw. arcessere cf. OLD s.v. arcessō ; BALDWIN 1911, 183. – Zu sitientia cf. BC 97 sitientes … artūs, und S. 1050. Abbildendes Hyperbaton ( terrarum sitientia regna tuarum ; cf. 95 nostris da funera regnis ); markante Alliteration auf a- ( insgesamt dominieren kühle aLaute die Passage ). pande : Nach dem Aufbranden des Waffenlärms ( 113 ) lässt der erhabene Auftakt des doppelten Imperativs pande, age fast ein Proöm erwarten (cf. Verg. Aen. 7,641 ~ 10,163 pandite nunc Helicona, deae, cantūsque movete ; Ilias Latina 1 iram pande mihi Pelidae, Diva, superbi ; Val. Flacc. 3,14 f. tu mihi nunc causas infandaque proelia, Clio, | pande virum ! ; Stat. Theb. 4,32-34 nunc mihi, Fama prior mundique arcana Vetustas, … pande viros eqs.). Doch ebenso gut soll der Imperativ Türen, Wege, Örtlichkeiten öffnen ( e.g. Pacuvius trag. 360 R.3 pandite valvas ! ; Catull 61,76 claustra pandite ianuae ! ; Ov. am. 1,6,2 moto cardine pande forem ; Prop. 4,9,34 pandite defessis hospita fana viris ; Val. Flacc. 2,611f. Cretheia virgo, | pande viam cursuque tuos age, diva, secundo ! ; Stat. silv. 4,8,1-3 pande fores superum …, Parthenope ). Dies gilt auch für den Himmel ( cf. Verg. Aen. 10,1 panditur interea domus omnipotentis Olympi, und S.J. HARRISON ad loc.: „the verb suggests both the physical opening of the hall of heaven and the revelation of its mysteries“ ), und insbesondere – wie hier – den H a d e s ; cf. Plaut. Bacch. 368 pandite atque aperite … ianuam hanc Orci ( metaphorisch für das Haus einer Hetäre ); Verg. Aen. 6,109 doceas iter et sacra ostia pandas ; 6,267 pandere res altā terrā et caligine mersas ; 6,573f.; Prop. 4,11,2 panditur ad nullas ianua nigra preces ; Ov. fast. 4,449 panditur … Diti via ; Sen. Phaed. 1190 pande placatos sinūs ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1711 pande tunc Stygios lacūs ; Ps.-Sen. Oct. 135f.

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(Octavia zum toten Claudius) Stygios sinūs | tellure ruptā pande, quo praeceps ferar ; Stat. Theb. 4,520 panditur Elysium chaos eqs.; 8,46 f. pandam omnia regna eqs.; 12,771f. Argolici … manes, | pandite Tartareum chaos ; Sil. Ital. 12,126f. ( ein chthonischer Sumpf ) fama est Acherontis ad undas | pandere iter ; 14,239f., zit. S. 992; Claudian rapt. 1,20-26 ( zu den Mächten der Unterwelt ) vos mihi sacrarum penetralia pandite rerum | et vestri secreta poli. – Cf. ferner Bd. I, S. 150 zu 89,1 itaque conabor opus versibus pandere. 117-119 vix navita Porthmeus | sufficiet simulacra virum traducere cumbā ; | classe opus est : „Kaum wird der Ferge Porthmeus es schaffen, die Schatten der Männer überzusetzen mit seinem Kahn ; ein Geschwader tut not.“ Vergils berühmte Ekphrasis lässt Charon lebendig werden ( Aen. 6,298304 ; imitiert Sen. Herc. fur. 764-768; s. auch A. SETAIOLI, Enciclopedia Virgiliana I, Rom 1984, 674-676 ). Das Bild hier evoziert eindrucksvoll ( auch dank der Anspielung auf die im Kontext stimmige classis, zumal in Juxtaposition mit cumbā ; dezenter App. Verg. Ciris 479 cumba … magnas sequitur … parvula classīs ) den ungeheuren Blutzoll jener Jahre. Statius’ Tisiphone verkündet stolz, dank ihres Einsatzes auf Thebens Schlachtfeldern stauten sich an Lethes Gestade die Gefallenen ( Theb. 11,82f. innumero Lethaea examine gaudet | ripa ; s. auch 11,587-592 ). Von Charons M a s s e n t r a n s p o r t e n spricht wiederholt S e n e c a ( Herc. fur. 555-557 cum Mors avidis pallida dentibus | gentes innumeras manibus intulit, | uno tot populi remige transeunt ; 775 cumba populorum capax ; Oed. 166170 capacī turbida cumbā | flumina servat | durus senio navita crudo, | vix assiduo bracchia conto | lassata refert, | fessus turbam vectare novam : die zahllosen Pesttoten lassen ihn ermatten ). S. auch App. Verg. Eleg. Maec. 1,5f. inreligata ratis, numquam defessa carina, | it redit in vastos semper onusta lacūs ; Ps.-Ov. cons. Liv. 357 f. omnes exspectat avarus | portitor et turbae vix satis una ratis ; Stat. Theb. 11,587-592; Sil. Ital. 9,250f. ( zit. S. 1092 ); 13,760 f. vectat … capaci | agmina mole Charon et sufficit improba puppis ; Lukian dial. mort. 25,5 ( Alexander über die Schlacht am Issos ) „Ihr könnt noch nicht vergessen haben, Minos, wie viel Todte ich euch an diesem einzigen Tage zuschickte; wenigstens versicherte der Fährmann ( ὁ πορθμεὺς ), sein Nachen habe nicht zugereicht ( μὴ διαρκέσαι αὐτοῖς τότε τὸ σκάφος ), sondern er habe Flöße zusammen binden müssen, um den größten Theil überzusetzen.“ ( übers. C.M. WIELAND 1797 ); Claudian c. 5,502 f. (angesichts des von Rufinus angezettelten Krieges) angustus Averni | iam sinus et plenā

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lassatur portitor alno. Für Juvenal ist die Vorstellung Anlass zur Jenseitsskepsis ( 2,151 f. unā transire vadum tot milia cumbā | nec pueri credunt ). Bei L u k a n ( 3,14-19 ) sind es die Parzen, die ( wie hier Charon ) „kaum“ Schritt halten können mit dem Blutbad der Bürgerkriege ( 3,18f. vix operi cunctae dextrā properante Sorores | sufficiunt, lassant rumpentīs stamina Parcas ; cf. Stat. Theb. 3,641f. vidi … Lachesin putri vacuantem saecula penso : vor Ausbruch des thebanischen Bruderkriegs sah der Seher Amphiaraus „Lachesis ganze Menschengeschlechter ausmerzen mit ihrem brüchigen Faden“ ). Sein gut organisierter Charon hingegen rüstet angesichts der bevorstehenden Konflikte logistisch auf ( 3,16f. praeparat innumeras puppīs Acherontis adusti | portitor ; laut POLETTI 2017, 319 Anm. 324 zitiert die Hyperbel das Adjektiv, das traditionell die ‚zahllosen‘ Seelen beschreibt, die Charon übersetzt, e.g. Verg. Aen. 6,706 innumerae gentes ). Dass Petron die ganze Lukanpassage vor Augen hatte, legen mehrere verbale Echos nahe ( 3,16 innumeras puppīs ~ 119 classe ; 3,17 portitor ~ 117 Porthmeus ; 3,18 ~ 117 vix ; 3,19 sufficiunt ~ 118 sufficiet ; ähnlich bereits MÖßLER 1865, 18; s. auch POLETTI 2017, 318f. ). Ermüdung unterstellt ihm nur die Hexe Erictho ( Lukan 6,704 f. o flagrantis portitor undae, | iam lassate senex ad me redeuntibus umbris ). Alliterationen auf v- ( vix -vit- vir-) drücken Leid und seelischen Schmerz aus ( „der Laut des Wehs“; NORDEN 4 1957, 156 ), aber auch Entsetzen oder Feierlichkeit ( cf. PEASE 1935, 374 ). navita Porthmeus : Zu dem poetischen Archaismus navita für Charon cf. Tib. 1,10,36; Verg. Aen. 6,315 ( und N. HORSFALL ad loc.); 6,385; Sen. Oed. 167; Ps.-Ov. cons. Liv. 428 umbriferā navita lintre ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1924 fugit abductā navita cumbā ; Stat. silv. 2,1,186; 5,1,251; Sil. Ital. 5,267; HSZ 770. Der höchst seltene Porthmeus (-eōs m.), „Träger“, ist hier das erste Mal belegt, und womöglich eine poetische Innovation Petrons ( vielleicht parallel zu Vergils portitor ; zu letzterem cf. N. HORSFALL ad Aen. 6,298 ). Nach dem Vorbild des griechischen πορθμεύς ( „ferryman; boatman, seaman“, LSJ s.v.; für Charon u.a. Eur. Alc. 253; Theokrit 17,49; Lukian dial. mort. 25,5 ) steht er als ‚alexandrinischer‘ Eigenname synonym für Charon ( ferner Juv. 3,265 f. taetrum … novicius sc. mortuus horret | porthmea, und L. FRIEDLÄNDER ad loc.; Carm. Lat. Epigr. 1549,3 sat fuerat, Porthmeu, cumbā vexsisse maritam ; Alcestis Barcinonensis 82 me portet melius nigro velamine Porthmeus ; Thes. X 2, 23,61-71). Die singuläre Doppelung bzw. Antonomasie ( von einem ‚zweisprachigen Pastiche‘ spricht POLETTI 2017, 321 ) erregte wiederholt Verdacht.

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BOUHIER deutete navita als in den Text geratene Glosse und schrieb squalida ( 1737, 127 ). POLETTI 2017, 319-323 schlägt als ursprüngliche Lesart omnia vor ( und vergleicht Ps.-Ov. cons. Liv. 357f., zit. S. 1093 ) – eine Idee, der zumindest ein Platz im Apparat gebührt. sufficiet : Zu dem seltenen poetischen sufficere mit Inf., „imstande sein, können, vermögen, ( einer Aufgabe ) gewachsen sein“, cf. Verg. Aen. 5,21f. nec nos obniti contra … sufficimus ; Calpurn. Sic. 7,35f.; Lukan 5,153f. vox antri complere capacis | sufficiens spatium ; Val. Flacc. 8,274 f.; Stat. Theb. 7,379f. nec laudare satis … sufficiam ; Sil. Ital. 6,246f. solus … manūs componere monstro | sufficiam ; 14,603 lumina ferre gravem vix sufficientia lucem ; OLD s.v. B 4 b. simulacra virum : Die simulācra haben hier die Bedeutung „Totenseelen“, wie Verg. georg. 1,477f. simulacra modis pallentia miris | visa sub obscurum noctis ( cf. R. MYNORS ad loc.: „phantoms of the dead, Homer ’s βροτῶν εἴδωλα καμόντων“, Od. 11,476: „Schattenbilder der verblichenen Sterblichen“ ). Die Formel simulacra modis pallentia miris geht wohl auf Ennius zurück ( cf. SKUTSCH 1985, 70. 155 ). Auch Lukrez zitiert sie, jedoch nicht für die geisterhaften Totenseelen, sondern für ein drittes, von Körper wie Seele zu unterscheidendes Element, das in die Unterwelt eingeht : die „Abbilder, Schattenbilder“ der Menschen ( 1,123; 4,35 simulacra … luce carentum ; cf. SETAIOLI 1995, 145-156 ; DEUFERT 2018, 8-10 ). S. ferner Verg. Aen. 2,772 infelix simulacrum … Creusae ; Ov. am. 1,6,9 simulacra … vana ( „insubstantial nocturnal ghosts“; J.C. MCKEOWN ad loc.); met. 4,435 simulacra … functa sepulcris ( „Totenseelen, die das Grab hinter sich gebracht haben“; F. BÖMER ad loc.); Servius Aen. 4,654 quoddam simulacrum … ad nostri corporis effigiem fictum inferos petit (…) sciendum tamen, abuti poetas et confuse vel simulacrum vel umbras dicere ; OLD s.v. 4 b. – Die gleiche Junktur beschreibt die riesenhaften Geister, die sich während der Pest zu Theben zeigen ( Sen. Oed. 175 simulacra virum maiora viris ; cf. K. TÖCHTERLE 246f. ad loc.), aber auch Scipios Vater und Onkel im Hades ( Sil. Ital. 13,650 simulacra virum concordia, „der Männer einträchtige Schatten“ ). – Zu dem archaischen kontrahierten Gen. Pl. virum, v.a. in der Dichtung ( e.g. Verg. Aen. 1,101; 2,18 u.ö.), cf. OLD s.v. ( Vorbemerkung ; s. auch R.G. AUSTIN ad Verg. Aen. 1,4 : „a mark of epic style“ ). traducere : Aus dem für Charon nur hier bezeugten ( und im Epos seltenen ) traducere hört POLETTI 2017, 324 ‚Militärjargon‘ heraus: das ‚Heer‘ der Gefallenen, das ‚übersetzt‘ ( OLD s.v. 2a: „to cause to cross over (a river, etc.)“ ), „quasi ad anticipare la menzione della classis “.

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cumba : cumba ( griech. κύμβη ), in der Alltagssprache ein leichtes Ruderboot ( e.g. Afranius com. 138 R.3 ; Verg. georg. 4,195; Ov. met. 1,293; lt. Plin. nat. 7,208 phönizischer Provenienz ), wird in der augusteischen Dichtung zum stehenden Begriff für Charons Nachen; so Verg. georg. 4,506 Stygiā nabat iam frigida cumbā sc. Eurydice ; Aen. 6,303 ferruginea … cumba ; 6,413f. cumba | sutilis ( als Echo Apul. met. 6,18,5 ), und E. NORDEN ad loc.; Hor. c. 2,3,28; Prop. 3,18,24 scandenda est torvi publica cumba senis ; Sen. Herc. fur. 775; Oed. 166-166a ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1924 ; Stat. silv. 2,1,186 avidae trux navita cumbae ; 5,1,252 manes placidus locat hospite cumbā ; Sil. Ital. 5,267 nudum sc. mortuum Tartareā portabit navita cumbā ; Juv. 2,151 unā transire vadum … cumbā ; Thes. IV, 1588,11-18; Chr. SOURVINOU-INWOOD, Charon I : LIMC III 1, 1986, 222 ; CAVALCA 2001, 77f. classe opus est : Die Junktur kennt bereits Cicero ( Flacc. 27 ut opus fuerit classe necne quaeramus, „… dass wir klären, ob ein Geschwader benötigt wurde oder nicht“; cf. Liv. 22,56,8 classe opus esse, si regem … tueri vellent ; Paneg. Lat. 12,3,2 Mynors quid opus erat … classibus ? ; Thes. III, 1290,47f.). Kritik an der pointierten Formel ( GUIDO 1976, 287: „bombastischer Schwulst“; SCHMELING ad loc.: „bad taste and involuntary humour“ ) ist fehl am Platz. 119 tuque ingenti satiare ruinā : „und du labe dich an der gewaltigen Katastrophe“. Zuletzt wendet Fortuna sich an Tisiphone ( ihr galt auch Dis’ Schlusswort, 96-99 ), und verspricht ihr ein reich gedecktes Buffet. Allerdings sehen Dis und Fortuna sie eher als stille Nießnutzerin des bevorstehenden Mordens, und nicht als Akteurin in dem Drama. Ganz anders Tisiphones Auftritt bei Statius ( cf. S. 1307 ) – und ganz anders in Bälde der Auftritt Discordias ( BC 271-295 ). – Zu tu + Imperativ cf. BC 288f. tu legem … tene eqs., und PETERSMANN 46. ingenti … ruinā : Die vielleicht von Vergil geprägte Junktur ingens ruina bezeichnet v.a. r e a l e Katastrophen ( u.a. Aen. 8,192 scopuli ingentem traxēre ruinam, „die Felsen gingen nieder mit gewaltiger Wucht“ ; Sen. nat. 6,24,5 cum vehementi motu adapertum ingenti ruinā solum est, totas … urbes et recipit hiatus ille et abscondit ; dial. 6,26,7; ep. 120,7 revulsa ingenti ruinā tigna sonuerunt, „geborsten im mächtigen Sturz krachten die Balken“ ) oder deren Hinterlassenschaften ( e.g. Sen. nat. 3,16,4 abrupti in infinitum hiatūs … ingentem ruinam in alto condiderunt, i.e. „Trümmerberge“ in einer Erdspalte ), wie etwa das Chaos eines S c h l a c h t f e l d s ( cf. Curt. Ruf. 4,15,16 ingens ruina

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equorum aurigarumque aciem compleverat, „in ungeheurem Durcheinander hatten Rosse und Wagenlenker das Schlachtfeld bedeckt“ ). Übertragen kann sie aber auch den S t u r z g r o ß e r M ä c h t e beschreiben ( cf. Lukan 7,504 f., zit. S. 1068 ; Stat. Theb. 3,640 vidi ingentis portenta ruinae ). In der Verwendung hier verschmelzen das Schlachtfeld und der metaphorische Sturz ( s. auch das ‚abstractum pro concreto‘ ruina, „Leichenberge“; ähnlich Mart. 5,74,3f., über die drei toten Pompei : iacēre | uno non poterat tanta ruina loco ; nicht im OLD ; cf. STUBBE 83; GUIDO 1976, 268 ). satiare : Satiare ( mit Abl. instr.) oszilliert hier zwischen der k o n k r e t e n Bedeutung (cf. OLD s.v. 1: „to satisfy the hunger or thirst of“, und e.g. Ov. met. 3,140 canes satiatae sanguine erili ; fast. 5,575 Mars, ades et satia scelerato sanguine ferrum, vom Bürgerkrieg ; Lukan 7,317 quanto satiavit sanguine ferrum sc. Pompeius; 9,152; Stat. Theb. 4,619f.; zur technischen Verwendung cf. Sat. 135,8,8 paries … paleā satiatus ), und der ü b e r t r a g e n e n ( cf. OLD s.v. 3: „to satisfy ( a person, his senses, etc.), satiate, content ; to gratify ( passions or desires)“ ), die verschiedene Färbungen annehmen kann, bis hin zu Machtgier und Blutdurst ; cf. Sat. 139,2,5 Laomedon gemini satiavit numinis iram, und Append. Sall. ad Caes. 2,4,2 inportunissima genera hominum tot miserorum civium sanguine satiari nequierunt ; Ov. met. 6,281 satia … meo tua pectora luctu ! ; Sen. Ag. 519f. quisquis es, nondum malis | satiate tantis, caelitum ; Oed. 201 iuvat ipsos satiare deos ; Lukan 5,243 manūs satiatae sanguine ; 9,950 Caesar … Emathiā satiatus clade ; Claudian c. 5,206211 numina Romanis necdum satiata ruinis, | si iuvat imperium penitus de stirpe revelli eqs.; s. auch S. 866 zu 3 nec satiatus erat, und WOODMAN – MARTIN p.182f. ad Tac. ann. 3,17,2 ). Am Ende der Bürgerkriege beschwört Horaz den ‚unersättlichen‘ Mars, endlich „satt zu sein“ ( c. 1,2,37-40 heu nimis longo satiate ludo eqs.; cf. NISBET – HUBBARD ad loc. zum Lemma satiate ). Parallel zu mande ( BC 120 ) ist satiāre regulärer Imperativ Präsens. Das Passiv besitzt hier mediale Qualität ( „sättige dich“ ); cf. Sat. 107,6 satiari … potuissetis hāc poenā, und e.g. Phaedrus 1,26,9 satiatur ipsa sc. ciconia et torquet convivam fame ; Claudian c. 28,275f. satiare nocentum | cladibus ! ( „sättige dich an den Niederlagen der Schuldigen !“ ). 120 pallida Tisiphone : Zu Tisiphone cf. S. 1049f. ad BC 97. Die „bleiche Tisiphone“ als Hexameterauftakt entstammt Vergil ( georg. 3,552; Aen. 10,761; s. auch Ps.-Sen. Herc. Oet. 1012 pallens dira Tisiphone, und Donat Aen. 10,761 p. 386 G. pallidam dixit, quod pallidos faciat quos furore commoverit, aut ipsam vere pallidam in qua inesset perpetuus furor ; zit. POLETTI

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2017, 325 ). „Die Furie (…) ist hier ὠμοφάγος [ „Rohfleischfresser“ ] gedacht wie sonst Hades selbst und andere Totendämonen ( vgl. DIETERICH 2 1913, 46-54 ). Hierdurch wird der Blutdurst ( vgl. Aisch. Ag. 1188-90 ) der rachesüchtigen Erinye überboten.“ ( STUBBE 125 ad loc.). Zu pallidus als Farbe des Todes, der Toten, des Totenreichs cf. u.a. Tib. 1,10,38 pallida turba ; Hor. c. 1,4,13 pallida Mors, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Verg. Aen. 8,244 f. regna … pallida ; Lukan 1,455f. Ditis … profundi | pallida regna ( ähnlich pallens, e.g. Lucr. 1,123 simulacra … pallentia ; Verg. Aen. 4,26 pallentīs umbras, und A.S. PEASE ad loc.). „Bleich vor Hunger“ sind die in der Unterwelt heimischen Harpyien ( Verg. Aen. 3,217f. pallida semper | ora fame ; cf. NORDEN 4 1957, 215 ad Aen. 6,289 ). 120 concisaque vulnera mande : „und verschling’ die geschlagenen Wunden.“ In nur drei Worten ( und weit drastischer als BC 18 die ‚bluttrinkende‘ Tigerin: ut bibat humanum … cruorem ) verdichtet sich das Grauen der Bürgerkriege ( cf. BALDWIN 1911, 168 : „a vivid picture of the Fury’s ghoulish meal“ ), deren Schlachtfelder Lukan wiederholt mit makabrer Detailverliebtheit ausmalt ( e.g. 3,567-751 ). Die Junktur vulnera mandere entstammt Pythagoras’ Kritik am Fleischverzehr ( Ov. met. 15,75-142, hier 91-93 in tantis opibus, quas … Terra parit, nil te nisi tristia mandere saevo | vulnera dente iuvat ritūsque referre Cyclopum ? ). Mit anderen Worten: als Metapher für Tisiphones ‚Mahl‘ – das Blutbad der Bürgerkriege – zitiert das BC Polyphems Kannibalismus ( cf. Ov. met. 14,194-196 viscera cuius edam, cuius viventia dextrā | membra meā laniem, cuius mihi sanguis inundet | guttur et elisi trepident sub dentibus artūs ). Zu dieser fast singulären metonymischen Verwendung von vulnera für „zerfleischte Leiber“ cf. Liv. 22,5,4 gemitūs volnerum, „das Stöhnen der Verwundeten“; Ov. met. 15,93 ( s. oben ); Sil. Ital. 10,450f. saevae tristia dextrae | facta recensebat pertractans vulnera visu ( in Cannae „musterte Hannibal das traurige Werk grausamer Hände und betastete mit Blicken die Wunden“, i.e. ‚die verwundeten Toten‘ ); OLD s.v. uulnus 1 ad loc.: „wounded flesh“ ( concisa vulnera ~ concisos vulneribus ~ 121 laceratus … orbis ; cf. Cic. Sest. 79 iacentem et concisum plurimis vulneribus sc. Sestium ; s. auch Sat. 26,7 vulneribus confossus ). In origineller Weise verwendet auch Vergil das Nomen ( Aen. 12,528: auf dem Schlachtfeld totis in vulnera viribus itur ; zu vulnus als „verwundende Waffe“ cf. Aen. 9,745f. vulnus … detorsit veniens ; 10,140 vulnera derigere, „Wunden lenken“ ); ebenso Statius ( Theb. 2,124 undanti perfundit vulnere

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somnum, „in Ströme von Blut taucht er den Schläfer“; 4,574 canes in vulnūs hiantes, die Hunde „gieren danach, ihn zu zerfleischen“; 11,53 subitum … descendit ab aëre vulnus, „unerwartet stieß herab aus der Luft eine Wunde“, i.e. ein Pfeil; Ach. 1,433 vulnera … alta bibat sc. ferrum ). Zu concīdere cf. 59,7 gladio … ‹ vitulum › concidit ; BC 192 lues … concidenda ( von Eis ); 141,2 si corpus meum in partes conciderint, und e.g. Cic. Flacc. 73 manūs … contudit, digitos … confregit, nervos … concidit ; Celsus med. 5,26,34 B usque eo concidere ( sc. krankes Fleisch bis zum gesunden ); Colum. 12,55,4 caro in … frusta conciditur ( „das Fleisch wird in Stücke zerlegt“ ); OLD s.v. 2: „to kill, slaughter, cut to pieces ( a man or body of men )“. Mandere ( „ein Wort, das zumeist barbarisches dilaniare bezeichnet“, F. BÖMER ad Ov. met. 15,91-93) beschreibt wiederholt Polyphems berüchtigten Tischmanieren ( Livius Andronicus frg. 2 FLP cum socios nostros mandisset impius Cyclops ; Verg. Aen. 3,626 f. vidi atro cum membra fluentia tabo | manderet et tepidi tremerent sub dentibus artūs ; Ov. met. 14,211f. mandentem … cruentas | ore dapes eqs.). Für andere ‚Ungeheuer‘ cf. e.g. Enn. ann. 125 Sk. volturus … miserum mandebat homōnem ( i.e. hominem ); Accius trag. 229f. R.3 ( Thyest ) ut meos … manderem natos ; Verg. Aen. 9,340 f. mandit … molle pecus sc. leo ; Ov. met. 15,142 mandere vos vestros scite … colonos. Die kühne Wendung reizte nicht nur die Phantasie der Übersetzer ( e.g. HEINSE : „nun friss zerrissne Glieder !“; BALDWIN : „ghastly wounds ( be) thy meat“; FISCHER : „jetzt beiße in blutende Wunden !“; GUIDO : „e divora quei corpi straziati coperti di ferite“ ), sie lud auch zu Konjekturen ein. Erwähnung verdienen zwei Einfälle von COLLADONIUS : funera bzw. viscera statt vulnera ( cf. Sil. Ital. 12,141f. lacerata … viscera terrae | mandit, „Vulkan verschlingt die zerfleischten Eingeweide der Erde“ ). 121 ad Stygios manes laceratus ducitur orbis : „zu den stygischen Schatten wird zerfleischt der Erdkreis geführt.“ Vor Beginn des thebanischen ‚Bruderkriegs‘ verheißt Juppiter den Göttern: „Neuen Krieg werde ich über die schuldbeladenen Reiche bringen, und das ganze unheilvolle Geschlecht mit der Wurzel ausrotten“ ( Stat. Theb. 1,241-243 nova sontibus arma | iniciam regnis, totumque a stirpe revellam | exitiale genus ; zu Ericthos Versprechen, Lukan 6,718, cf. oben S. 1092 ). Orbis steht hier als abstractum pro concreto für die vom Bürgerkrieg Betroffenen, Römer wie Nicht-Römer. „The orbis, the word which begins the Bellum Civile [ 1 orbem iam totum ] and the world which furnishes the food that weighs down the citron table at Rome [ BC 31 ], is now to be Tisi-

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phone’s banquet, and brings Eumolpus’ explanation of the divine causes of the war to its end.“ ( CONNORS 1989, 93 ). Eine Parallele hat der im und vom Bürgerkrieg „zerfleischte Erdkreis“ ( s. auch BC 287 lacerata … tecta, und Discordias lacerata vestis, BC 276 ) im vom Bürgerkrieg „zerfleischten Rom“ ( Ps.-Sen. Oct. 503f. quantum cruoris Roma tum vidit sui, | lacerata totiens ! ; s. auch Vell. Pat. 2,90,1: im Bürgerkrieg tam longa armorum series laceraverat sc. rem publicam; Juv. 4,37 f. cum iam semianimum laceraret Flavius orbem | ultimus : Domitian „zerfleischt den halbentseelten Erdkreis“ ). – Zu lacerare in den Sat. ( cf. 115,18 ferae … corpus lacerabunt ; 116,9 cadavera quae lacerantur aut corvi qui lacerant ) cf. RIMELL 2009, 78. Stygios manes : Die Stygii manes, „diese eigenartige Verbindung poetisch-griechischer und traditionell-römischer Vorstellung“, entstammen Ovid ( met. 5,115f. bzw. 13,465; das Zitat F. BÖMER ad 5,115 ), als Synonym für die Unterwelt „mit vorwiegend lokaler Bedeutung“ ( ders. ad 13,465 ). Sie kehren hier wieder, und nur noch Val. Flacc. 1,730f. (s. auch Sen. Herc. fur. 90f. iam Styga et manes, ferox, | fugisse credis ? ). Das Adjektiv ( cf. 272 extulit ad superos Stygium caput sc. Discordia – dort „in die entgegengesetzte Richtung“; POLETTI 2017, 326 ) verweist auf die Styx, einen Wasserfall im tiefsten Arkadien, den bereits Homer in die Unterwelt verlegt. Die Styx wurde zum wichtigsten Gewässer des Hades. Bei ihr schworen die Götter ( u.a. Od. 5,184-186 ; Hesiod Theog. 793-806 ; Verg. Aen. 6,323f. Stygiam … paludem, | di cuius iurare timent et fallere numen ; 10,113-115; Sen. Herc. fur. 711-713; Phaed. 944 ; Stat. Theb. 1,290f. ). Ihr Name steht oft metonymisch für die Unterwelt insgesamt ( e.g. Ov. fast. 2,536; Sen. Herc. fur. 54 ; Phaed. 148; Oed. 396 populus infernae Stygis ); so auch das Adjektiv ( e.g. Verg. Aen. 6,252 Stygio regi ; s. auch SETAIOLI 1998, 105-120 ). ducitur : Zu ducere für Gottheiten, die in die Unterwelt geleiten, cf. Sat. 140,12 Mercurius … animas ducere et reducere solet, und e.g. Lucr. 6,763f. animas Acheruntis in oras | ducere forte deos manīs inferne reamur ; Ov. fast. 2,609 duc hanc ad manes ; für den Weg dorthin cf. e.g. Ov. met. 4,432f. via declivis … ducit ad infernas … sedes ; Sen. Herc. fur. 648 quam longa maestos ducat ad manes via ( cf. POLETTI 2017, 326 ).

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122 – 125 Juppiters Blitz Kaum endet Fortunas Rede, als ein gleißender Blitz die Wolken zerreißt. Wir erfahren, dass Juppiter ihn geschickt hat ( 125 fraternos … ictūs ), nicht jedoch, warum – oder warum Dis Angst hat ( ebd. pavitans … palluit ). Wie die nachdrücklich erwähnte Wolke zeigt, handelt es sich nicht um einen Blitz ‚aus heiterem Himmel‘, ein meist böses Omen, das Krieg ankündigen kann ( cf. Verg. georg. 1,487 f. caelo ceciderunt plura sereno | fulgura ; Lukan 1,530-535 fulgura fallaci micuerunt crebra sereno … emicuit caelo tacitum sine nubibus ullis | fulmen eqs.; zu Blitzen vor der Schlacht von Pharsalos cf. 7,152-160 ; s. auch BC 135 f. Aetna … in aethera fulmina mittit ). Das römische Auguralwesen erkennt Blitzen drei Qualitäten zu: sie beraten, sie bestätigen – oder aber sie sind bedeutungslos ( Sen. nat. 2,39,1 genera fulgurum tria …: consiliarium, auctoritatis et quod status dicitur ). Der ‚beratende‘ Blitz signalisiert vor einer Unternehmung das Einverständnis bzw. Veto der Götter ( Sen. nat. 2,39,1 aliquid in animo versantibus aut suadetur fulminis ictu aut dissuadetur ; so warnte Juppiter Pompeius, nach Pharsalos zu ziehen: Val. Max. 1,6,12 egresso a Dyrrachio adversa agmini eius fulmina iaciens ). Der ‚bestätigende‘ Blitz wiederum erteilt einer Unternehmung den Segen – auch im Nachhinein ( e.g. Verg. Aen. 12,200 foedera fulmine sancit, Juppiter „heiligt Verträge mit seinem Blitz“; cf. R.J. TARRANT ad loc.; Ov. met. 14,816f. adnuit omnipotens et nubibus aera caecis | occuluit tonitruque et fulgure terruit orbem : Juppiter bewilligt Romulus’ Apotheose ). Maßregelt der Blitz hier Dis und Fortuna, die ohne Rücksprache mit dem Göttervater eine Lawine von historischen Dimensionen lostreten ? Wohl kaum. Wie die auf dem Fuß folgenden Vorzeichen bestätigen, billigt der Olymp die kommenden Ereignisse ( 126-140 ). Der Blitz ist ein Zeichen der Z u s t i m m u n g ( wie e.g. Sil. Ital. 15,143 f. bis terque coruscum | addidit augurio fulmen pater ; s. auch Verg. Aen. 2,692-694 vix ea fatus erat senior, subitoque fragore | intonuit laevum eqs.). „Diespiter ipse fulmine illud foedus sanxit“ ( MÖßLER 1842, 7f.). Zugleich jedoch ist er – auch wenn er nicht zu den eigentlichen Vorzeichen gehört ( wie u.a. LUCK 1972, 137f. und COURTNEY 2001, 184 meinen; dagegen spricht bereits die explizite Einleitung der omina, BC 126f. ) – ein mächtiges Symbol für die Katastrophe, die dem Reich bevorsteht ( cf. 125 fraternos … ictūs ~ der ‚Bruderkrieg‘ der Götter und der Bürgerkrieg ; s. auch zu BC 122-123 ). Doch statt sich über den brüderlichen Segen zur Vernichtung Roms zu freuen, gerät Dis in Panik. Flieht er ( der hier im Übrigen ebenso aus dem Geschehen verschwindet wie Fortuna ) das kosmische Chaos, das er anzet-

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telt ( so M. DEUFERT in epist.: „BC 124 f. ist als Hysteron – Proteron aufzufassen: Dis fürchtet die brüderlichen Vernichtungsschläge ( den von Juppiters Blitz initiierten Bürgerkrieg ), und zieht sich angesichts all dessen, was auf der Erde zu geschehen droht, in seine ‚sichere‘ Unterwelt zurück.“ )? Doch dürfte es hier um mehr gehen als nur um eine göttliche Vorsichtsmaßnahme. Die Szene verknüpft in origineller Weise die historischen Ereignisse mit dem Mythos ( so CONNORS 1989, 97f.; cf. 1998, 119). Im Hintergrund steht die alte Geschichte von der Aufteilung der Welt zwischen Zeus, Poseidon und Hades ( Ilias 15,187-193; cf. R. JANKO ad loc.). Dass jenes Arrangement den Konflikt zwischen den göttlichen ‚Triumvirn‘ nicht wirklich gelöst hat, zeigt sich beim Götterkampf um Troja, als Hades an einen Angriff auf sein Reich glaubt : Es „fürchtete sich ( ἔδεισεν ) drunten der Herr der Unteren ( ἄναξ ἐνέρων ) Aïdoneus, und in Furcht ( δείσας ) sprang er auf vom Sitz und schrie, daß ihm von oben nicht die Erde aufreiße ( μή οἱ ὕπερθε | γαῖαν ἀναρρήξειε ) Poseidon, der Erderschütterer, und die Häuser den Sterblichen und Unsterblichen erschienen, die schrecklichen, modrigen, die verabscheuen sogar die Götter.“ ( Ilias 20,6165 ; übers. W. SCHADEWALDT ). In der römischen Dichtung lebt der Konflikt fort. Bei Statius glaubt Dis nach Amphiaraus’ Höllensturz an einen Angriff Juppiters oder Neptuns ( Theb. 8,31-33 superā compage solutā | nec solitus sentire metūs expavit sc. Dis oborta | sidera eqs.) und droht seinerseits mit einem Gegenschlag von kosmischen Dimensionen ( 8,34-79 quae superum labes inimicum impegit Averno | aethera ? quis rupit tenebras … ? unde minas ? uter haec mihi proelia fratrum ? eqs.; s. auch S. 1041 ). Bei Claudian rüstet Dis zum Bürgerkrieg gegen die Olympier ( rapt. 1,32-47 dux Erebi quondam tumidas exarsit in iras | proelia moturus superis eqs.). Mit anderen Worten: auch hier entspringt Dis’ Furcht der immer noch schwelenden Rivalität der göttlichen Brüder ( nicht ohne Grund klingt BC 125 pavitans fraternos … ictūs wie eine Anspielung auf den Bürgerkrieg ). Der alte Hader konnte jederzeit wieder ausbrechen – und ihn treffen ( cf. CONNORS 1989, 98: „The potential for fraternal rivalry exists among the gods just as it does among the Romans.“; POLETTI 2017, 73-82 deutet den Blitz u.a. als ‚Einladung‘ an den Herrn der Unterwelt, in sein Reich zurückzukehren ). Diese Parallele zog auch Plutarch, der ( im Rückgriff auf zeitgenössische Stimmen ? ) Pompeius’ und Caesars Konflikt vor der Folie dieses Mythos bewertete. Drei Götter hätten sich die gesamte Welt geteilt und auf diese

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Weise einen blutigen Streit vermieden; Caesar und Pompeius hingegen „meinten, für sie beide sei das römische Reich nicht groß genug“ ( Pomp. 53,10 ἑαυτοῖς οὐκ ἐνόμιζον ἀρκεῖν δυσὶν οὖσι τὴν Ῥωμαίων ἀρχήν ; übers. K. ZIEGLER ). Ähnlich Lukan: das e i n e Weltreich war zu klein für die beiden unversöhnlichen Gegner ( 1,109-111, zit. S. 862 ). 122 vixdum finierat : „Kaum hatte sie geendet …“. Das Vorbild lieferte wohl Vergil, bei dem verwandte Formeln stets außergewöhnlichen Naturphänomenen vorausgehen; cf. Aen. 1,586f. vix ea fatus erat, cum circumfusa repente | scindit se nubes eqs.; 3,90-92 vix ea fatus eram eqs.; 5,693-695 vix haec ediderat, cum effusis imbribus atra | tempestas sine more furit, tonitruque tremescunt | ardua terrarum et campi ( auf Aeneas’ Gebet hin sendet Juppiter rettenden Regen ); 6,190-192 vix ea fatus erat eqs.; 8,520-529 vix ea fatus erat (…) improviso vibratus ab aethere fulgor | cum sonitu venit eqs. Vixdum in Verbindung mit einem cum inversum ( „als plötzlich“ ) findet sich überraschend selten (u.a. Cic. Att. 9,2a,3 vixdum epistulam tuam legeram, cum … Curtius venit ; Liv. 27,28,11 vixdum satis patebat iter, cum … ruunt per portam ; Sil. Ital. 15,366 f. vixdum … intrarant … fauces, cum eqs., „kaum hatten sie den Schlund betreten …“; Tac. dial. 14,1 vixdum finierat …, cum eqs.). 122-123 cum fulgure rupta corusco | intremuit nubes elisosque abscidit ignes : „… als unversehens, zerrissen von einem gleißenden Blitz, eine Wolke erbebte und im Bersten Feuer spie“. Vielleicht ist jenes Himmelszeichen auch eine kryptische Anspielung auf den vernichtenden Blitz, der bald auf der episch-historischen Bühne einschlagen wird: Caesar ( so Lukans berühmtes Gleichnis, 1,151-157; cf. S. 812 )? Auf alle Fälle blitzen in der Beschreibung hier Versatzstücke zeitgenössischer wissenschaftlicher Theorie auf. Nach hellenistischem Vorbild unterscheidet Lukrez zwischen Blitzen am Himmel ( fulgur, ‚Wolkenblitz‘, griech. ἀστραπή ; 6,160-218 ) und Blitzen, die die Erde treffen ( fulmen, ‚Erdblitz‘, griech. κεραυνός ; 6,219-422; ähnlich Sen. nat. 2,12,1; 2,21,3; s. auch Plin. nat. 2,135-146 u.ö.). Licht auf die Passage werfen v.a. zwei Theorien des Lukrez zur Entstehung von fulgura. Unter bestimmten meteorologischen Bedingungen schleudern kollidierende Wolken wie zusammengeschlagene Steine die in ihnen enthaltenen „Feueratome“ heraus ( die semina ignis ; cf. 6,160-163

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fulgit …, nubes ignis cum semina multa | excussēre suo concursu eqs.; lies: cum suo concursu nubes excussēre multa semina ignis ). Eine komplexere Theorie sieht rotierende Winde am Werk: „Drang Wind in eine Wolke ein, rotierte in ihr und bewirkte, dass die hohle Wolke sich verdichtet, erglüht er dank seiner Bewegung. Hat dieser glühende Wirbel die finstere Wolke zerrissen, verstreut er plötzlich gleichsam die gewaltsam herausgepressten Glutatome, die das zuckende Blitzen der Flamme erzeugen. Sie zerreißen die Wolke und blitzen zuckend hervor.“ ( 6,175-203 ventus ubi invasit nubem et versatus ibidem | fecit … cavam … spissescere nubem, | mobilitate suā fervescit … fervidus sc. ventus hic nubem cum perscidit atram, | dissipat ardoris quasi per vim expressa repente | semina, quae faciunt nictantia fulgura flammae ; … divolsā fulserunt nube corusci ). Diese Theorie klingt wie eine Beschreibung der turbulenten Prozesse in den Gewitterwolken, die ihrer elektrostatischen Auf- und Entladung vorausgehen. Die engste Parallele bietet freilich eine Stelle zu den fulmina : „Sobald die Gewalt des Windes glühend heiß ward und ein heftiger Feuersturm sich zusammenbraute, da reift gleichsam der Blitz und sprengt plötzlich die Wolke, und heftig bewegte Glut schießt heraus, alles erleuchtend mit gleißenden Lichtern“ ( 6,281-284 ubi percaluit venti vis et gravis ignis | impetus incessit, maturum tum quasi fulmen | perscindit subito nubem, ferturque coruscis | omnia luminibus lustrans loca percitus ardor ). Die beiden Verse hier lesen sich wie eine Kurzversion jener Phänomene : eine überhitzte Wolke zerreißt von innen und speit Flammen. Die wissenschaftliche Theorie hinterließ u.a. bei den Augusteern Spuren ; cf. Verg. Aen. 3,199 ingeminant abruptis nubibus ignes ( N. HORSFALL ad loc.: „flashes of lightning redoubled as the clouds exploded“ ); 8,391 f. tonitru … rupta corusco | ignea rima micans percurrit lumine nimbos, „mit einem Donnern aufgebrochen, durchläuft ein feuriger Riss, funkelnd mit gleißendem Licht, die Wolken“ ( cf. P.T. EDEN bzw. C.J. FORDYCE ad loc.; der identische Versschluss könnte hier Vorbild gewesen sein); Ov. met. 6,694696 ( Kampf der Winde) tanto molimine luctor, | ut medius nostris concursibus insonet aether | exsiliantque cavis elisi nubibus ignes, „mit solcher Wucht kämpfe ich, dass der Luftraum widerhallt von unseren Zusammenstößen und aus den hohlen Wolken herausgeschlagene Feuer sprühen“ ( cf. F. BÖMER ad loc.; s. auch Lukan 1,151-157 expressum ventis per nubila fulmen eqs.). Mehrere Hyperbata ( fulgure … corusco ; rupta … intremuit nubes … abscidit ; elisos … ignes ), v.a. aber die Ringkomposition Blitz ( fulgure ) – Wolke ( nubes ) – Blitz ( ignes ) reflektieren das himmlische Tohuwabohu. – Zu rupta nubes cf. BC 199, und S. 1209.

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corusco : coruscus, „moving rapidly, trembling, quivering“ ( OLD s.v. 1 ), aber auch „emitting or reflecting flashes of light, glittering, glistening, gleaming, flashing“ ( ebd. 2 ; cf. TH 44 angues corusci ), ist festes Attribut der Blitze; e.g. Lucr. 5,295f. coruscis | fulguribus ; Cic. Tusc. 2,21 vim coruscam fulminis ; Hor. c. 1,34,5f. Diespiter | igni corusco nubila dividens ; Ps.-Ov. cons. Liv. 321f.; Val. Flacc. 6,55f. radios … corusci | fulminis ; Stat. Theb. 1,216 f.; Sil. Ital. 6,605 f. coruscum | contorsit dextrā fulmen sc. Iuppiter. Mitunter überträgt es sich in Enallage auf die Hand des ‚Donnerers‘ ( e.g. Verg. georg. 1,328 f. coruscā | fulmina molitur dextrā ; Sen. Phaed. 156 vibrans coruscā fulmen Aetnaeum manu ). S. auch Pacuvius trag. 413 R.3 flamma inter nubes coruscat, caelum tonitru contremit ( zit. POLETTI 2017, 328 ). intremuit : Zum Perfekt des klassisch seltenen intremēscere ( das es sich mit dem gleichfalls seltenen intremere teilt ) cf. 60,1 totum … triclinium intremuit ; 101,1 intremui post hoc fulmen attonitus ; BC 271 intremuere tubae ( Thes. VII 2, 48,1-68 ). Das Vorbild lieferte womöglich Vergil ( Aen. 5,505 intremuit malus, ebenfalls am Versbeginn ). Zu dem verwandten tremēscere cf. Stat. Theb. 1,353f. abrupta tremescunt | fulgura. elisosque abscidit ignes : wörtlich „… und ausgequetschte Feuer herausschleuderte“ ( cf. HOLZBERG : „und das herausgestoßene Feuer abtrennte“ ). Elīdere, „to emit or cause to be emitted with violence, force out or away ( liquids, air, flames, etc.)“ ( OLD s.v. 3a ), verbindet sich gern mit Blitzen; e.g. Ov. met. 6,696; 8,339 ( beide unten zit.); Germanicus Arat. frg. 4,104 f. Aegoceros ( „der Steinbock“ ) imbres et crebro fulmine ruptis | nubibus elidet sonitūs ; Sen. dial. 1,1,3 elisorum sc. ex nubibus fulminum iactus ; nat. 2,12,5 siccus … vapor … coitu nubium vehementer actarum eliditur ; 6,9,1; Plin. nat. 2,113; 31,2 fulmina elidit ( die Interaktion von Wasser und Wolken „schleudert Blitze hervor“ ); Val. Flacc. 4,663f. elisa … noctem | lux dirimit ; Stat. Theb. 5,394 f. (unten zit.). Die rare Junktur ignes elisi geht wohl auf Ovid zurück ( met. 6,696 cavis elisi nubibus ignes ~ 8,339 excussis elisi nubibus ignes ; cf. A.S. HOLLIS ad loc.: „Ovid combines two ideas: first the lightning forced out (elisi ) from clashing clouds (…), and secondly the clouds themselves disturbed or ‚shaken out‘ (excussi ) by the lightning’s passage“ ); s. auch Sen. nat. 1,1, 14 inter nubes eliduntur sc. ignes ( Blitze „zucken am bedeckten Himmel auf“ ); Ag. 495 et nube dirum fulmen elisā micat ( „aus der gestauchten Wolke zuckt der grausige Blitz“ ); Plin. nat. 11,214 ut ignis elidatur sc. ex ossibus velut e silice ( aktiv Stat. Theb. 5,394 f. elisit nubes Iove tortus ab alto | ignis, „es zerschmetterte die Wolken das vom hohen Juppiter geschleuderte Feuer“ ); Thes. V 2, 371,18-22.

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Auch anderen Orts steht ignis ( bevorzugt im Plural ) synonym für ‚Blitz‘ ( cf. OLD s.v. 4 b, 5 b, und e.g. Lucr. 2,213-215 transversosque volare per imbrīs fulmina cernis, | nunc hinc nunc illinc abrupti nubibus ignes | concursant, „du siehst quer durch den Regen Blitze jagen, es jagen umher von den Wolken losgerissene Feuer“; Ov. met. 11,435f. nubila vexant sc. venti | excutiuntque feris rutilos concursibus ignes ). „Given the correct pronunciation of -gn- as -ngn- (…), we may note a snorting, explosive assonance here.“ ( N. HORSFALL ad Verg. Aen. 3,199 ignes ). Hier kommt zudem das hell ‚knisternde‘ -i- ins Spiel ( intremuit … eli sosque abscidit ignes ) als auch das dunkel ‚rollende‘ -u- ( cum fulgu re ru pta corusco intremu it nubes, samt dem ‚Echo‘ -gur - rup - -rus - ), das „die dumpfe Schwüle der Gewitterwolken“ abbildet ( FRAENKEL 1922, 176 Anm. 1, zu Enn. trag. 3f. Joc. per ego deum sublimas subices | umidas unde oritur imber sonitu saevo et spiritu ; s. auch Bd. II, S. 653 ). Ungewöhnlich ist die poetische Verwendung von abscindere, „to tear ( clothing, hair, etc.) off or away“ ( OLD s.v. 1 ad loc.; ähnlich Thes. I, 151,76f. ad loc.). 124 subsedit pater umbrarum : „Es sank hinab der Vater der Schatten“. Erschrocken über die olympische Intervention, duckt sich Dis und sinkt zurück in die Tiefe. Die unfreiwillig komische Szene ( s. auch S. 1057f. ) wäre nach Senecas Geschmack: „Denn was ist verrückter als wegen eines Donners in Ohnmacht zu fallen und sich unter der Erde zu verkriechen aus Angst vor Blitzen ?“ ( nat. 6,2,6 quid enim dementius quam ad tonitrua succidere et sub terram correpere fulminum metu ? ). Das ambivalente subsīdere bringt zwei Bewegungen zur Deckung : Dis’ ängstliches „in die Knie gehen, sich ducken, den Kopf einziehen“ ( cf. OLD s.v. 1ab; so e.g. STEINMANN : „niederkauerte sich der Schattenbeherrscher“ ), und bes. sein „Hinabsinken“ ( OLD s.v. 4 b: „to sink ( below a surface)“; so e.g. EHLERS : „und der Gebieter der Schatten versank“ ). Als „böses Omen“ vor Ausbruch des Bürgerkriegs versank bei Cumae ein Baum ( Plin. nat. 17,243 subsedit in Cumano sc. agro arbor gravi ostento paulo ante Pompei Magni bella civilia paucis ramis eminentibus ). Laut SCHMELING ad loc. wird hier als Vorzeichen des Bürgerkriegs ein Erdbeben beschrieben – wie bei Lukan ( 1,552f. cardine tellus | subsedit, „mit ihrem Pol sank tiefer die Erde“; 1,645f. terraene dehiscent | subsidentque urbes : „werden als Strafe für den Bürgerkrieg die Böden aufklaffen, Städte versinken ?“ ). Auch die von Phaethon versengte Tellus senkt sich ( Ov. met. 2,276f. magnoque tremore | omnia concutiens paulum subsedit ; cf. F. BÖMER ad

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loc.). Doch der Prodigienkatalog beginnt erst BC 126f. ( und berichtet zudem verwandte Phänomene: 131f. rupta tonabant | verticibus lapsis montis iuga ). Hier handelt es sich um ein auf den Ort des Göttertreffens begrenztes Ereignis. pater umbrarum : Gerade in der Apostrophe wird der Herr der Unterwelt gerne in Verbindung mit umbrarum umschrieben, u.a. als umbrarum dominus (Ov. met. 10,16 ), umbrarum arbiter ( Sen. Thy. 14 ), umbrarum custos ( Stat. Theb. 11,445), rector umbrarum ( Sen. Oed. 869 ); s. auch umbrarum domini ( Dis und Proserpina ; Sen. Herc. fur. 570 ), umbrarum reges ( Dis und die Totenrichter ; Stat. silv. 5,3,277; cf. B. GIBSON ad loc.). Der Titel pater umbrarum ist singulär ( cf. Thes. X 1, 686,70 ). Pater nennt ihn auch Statius ( Theb. 3,146 nigri pater … Averni ). – Der Titel pater erscheint in Ringkomposition zu Beginn wie am Ende der Begegnung ( cf. 76 Ditis pater ; s. auch 103 o genitor ; POLETTI 2017, 329 ). 124-125 gremioque reducto | telluris : „und kaum war der Schoß der Erde wieder verschlossen …“. Der abl. abs. beschreibt das Erdreich, das sich ( elegant abgebildet von dem Enjambement ) hinter dem in die Tiefe sinkenden Gott wieder schließt. Oder aber Dis selbst stellt den ursprünglichen Zustand wieder her, nachdem er die anfängliche Öffnung ( 76 has inter sedes … extulit ora ) durch sein Händeschütteln erweitert hatte ( 101 rupto tellurem solvit hiatu ; cf. OLD s.v. reducō 3a: „to pull back towards one, draw back“, meist konkret-physisch, auch ad loc.; ebd. 6 c: „to restore ( to a previous condition )“, und e.g. GRIMAL : „refermant le sein de la terre“; WALSH : „closed earth’s riven bosom after him“ ). Das Gleiche tut der tote Achill, der durch den aufgebrochenen Boden auf die Erde zurückgekehrt war ( Sen. Tro. 198 f. repetensque Ditem mersus ingentem specum | coeunte terrā iunxit ). Bisweilen wurde die Wendung als abl. loci verstanden ( u.a. MÖßLER 1870, 9; SCHÖNBERGER : „drunten, im Schoß der Erde“; s. auch HEINSIUS’ Konjektur reductae telluris ). So auch POLETTI 2017, 329f. ( „si aspetterebbe un’indicazione esplicita del luogo in cui Dite si ritira“ ), der Horazens Formel in reductā valle vergleicht ( epod. 2,11 ~ c. 1,17,17, „im entlegenen Tal, im Talgrund“; cf. L.C. WATSON ad epod. 2,11: „a suggestion of romantic isolation“; s. auch Verg. Aen. 6,703 ~ 8,609 in valle reductā ; OLD s.v. redūcō 3d: „( pass.) to be withdrawn or retracted in position, lie back“ ). Die Junktur gremium telluris erscheint zuerst Lucr. 2,375 ( cf. Verg. Aen. 3,509 optatae gremio telluris ; Stat. Theb. 4,793 in gremio vernae telluris ; Apul.

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mund. 305 ). Verwandt ist Lukrezens gremium matris terrai ( 1,251; cf. Apul. apol. 88,5 in ipso gremio terrae matris ; mund. 298 flumina, fontes et maria … origines habent in gremio terrarum ; Thes. VI 2, 2323,20-29 ). 125 pavitans fraternos palluit ictūs : „… erbleichte er, voll Furcht vor den brüderlichen Schlägen“. Die Begegnung der beiden Götter könnte merkwürdiger nicht enden. „We hear no more of Fortuna’s role in bringing about the conflict which she predicts; Fortuna and Dis do not bid each other farewell; and she is apparently left standing alone in the barren landscape as he, frightened, abruptly hurries back to his underground home.“ ( CONNORS 1989, 97; cf. 1998, 119 ). Die einzige Parallele für die Junktur fraterni ictūs findet sich App. Verg. Culex 142: fraternos plangat ne populus ictūs, „damit die Pappel nicht die brüderlichen Schicksalsschläge betrauere“, umschlingt Efeu den Baum ( Enallage: ‚… sich in Trauer um den Bruder selbst schlage‘; cf. Thes. VII 1, 168,62 ). – Das seltene pavitare ( OLD s.v. 2: „(tr.) to be in dread of“, auch ad loc.; zuerst Ter. Hec. 320f. uxorem … pavitare nescio quid dixerunt ; Lucr. 2,58 u.ö.) verwenden die kaiserzeitlichen Dichter meist als Partizip Präs. ( u.a. Verg. Aen. 2,107 prosequitur pavitans ; 6,498 agnovit pavitantem ; 11,813; Sen. Oed. 1047 pavitante gressu ; Val. Flacc. 7,410; Sil. Ital. 10,614 dirum veniat pavitantibus omen ! ; cf. Thes. X 1, 819,63-820,68 ). „Transitiv konstruiert findet sich pallere in dieser Bedeutung [ „vor Furcht erbleichen“ ] sonst nur noch in hochsprachlich-dichterischen Texten“ ( W. KIßEL 749 ad Persius 5,184 ); cf. u.a. Hor. c. 3,27,26-28 scatentem | beluis pontum mediasque fraudes | palluit audax ( „angesichts der von Monstern wimmelnden See und der Gefahren unterwegs erbleichte die kühne Europa “ ; lt. NISBET – RUDD ad loc. allerdings von pallescere ); Persius 1,124 iratum Eupolidem … palles ; 5,184 recutita … sabbata palles ( „du erbleichst vor dem beschnittenen Sabbat“ ); Sil. Ital. 1,101 non … Massylae palluit iras ( Hannibal „erbleichte nicht vor dem Rasen der massylischen Priesterin“ ). – Elegante und pleonastische Alliteration ( pav- pall- ; s. auch 124 pater ).

126 – 143 Die Zeichen stehen auf Krieg 126 – 140 Vorzeichen des Bürgerkriegs Hohe Bedeutung maßen die römischen Behörden prodigia bei ( auch portenta, ostenta, monstra genannt ), „beängstigenden Abweichungen vom natürlichen Laufe der Dinge“, die sich als „außergewöhnliche Naturereignisse und Schreckenszeichen“ offenbarten ( WISSOWA 390f. ). Als meist negative ‚( Vor )zeichen‘ legten sie offen, dass das Einvernehmen zwischen Göttern und Gemeinwesen gestört war und dem Staat Gefahr drohe ( e.g. Cic. div. 1,97 quibus portentis magna populo Romano bella perniciosaeque seditiones denuntiabantur ; günstige Vorzeichen, omina laeta, erscheinen BC 178 ). In solchen Fällen befragte der Senat die Sibyllinischen Bücher oder die haruspices und veranlasste Maßnahmen zur Besänftigung der Götter. Spätestens seit dem 3. Jh. v.Chr. wurden Prodigien offiziell protokolliert, v.a. in den annales maximi. Auf diesen priesterlichen Aufzeichnungen basierten die Prodigienlisten, die fester Bestandteil römischer Historiographie wurden ( eine wichtige Quelle für das zweite und erste Jh. v.Chr. bietet Iulius Obsequens’ liber prodigiorum ). Eine Liste typischer historischer Prodigien verdanken wir Cicero ( div. 1,97 f.; s. auch Aug. civ. Dei 3,31; P. HÄNDEL, RE XXIII 2, 1959, 2287-90 ). Zu ihnen zählen Naturkatastrophen wie Blitzschläge, Stein- und Blutregen, blutige Flüsse, Erdbeben, astronomische Phänomene wie Kometen, doppelte oder nächtliche Sonnen ( Supernovae ? ), aber auch übernatürliche Erscheinungen wie schwitzende Götterbilder oder die Geburt eines Hermaphroditen. Gerade Krisenzeiten waren anfällig für Prodigien ( cf. Sen. nat. 6,29,3 inter bella erravēre lymphatici, nec usquam plura exempla vaticinantium invenies quam ubi formido mentes religione mixta percussit ). Vor Catilinas Verschwörung kam es zu Erdbeben und Lichterscheinungen am Himmel; eine Serie von Blitzen hinterließ erhebliche Schäden auf dem Kapitol ( Cic. Catil. 3,18 f.; Cassius Dio 37,9,1f. ). Blitze, Bienenschwärme auf den Feldzeichen, fliehende Opfertiere, sich bewegende Götterbilder und – erstaunlich realistisch – Depressionen und Panikattacken der Soldaten warnten vor Pharsalos ( Val. Max. 1,6,12; Plut. Caes. 47 ). Vor Actium riss ein Beben eine Küstenstadt ins Meer, Statuen schwitzten oder stürzten um, und ein Blitz setzte einen Tempel des Herakles in Brand, den Antonius als seinen Ahnherrn ansah ( Plut. Antonius 60,2-7 ). Poetische Texte, allen voran das Epos, vermischten schon bald ‚reale‘ und erdichtete Vorzeichen; die Grenze zwischen historischer Quelle und literarischer Fiktion verschwamm. Instruktiv ist Ciceros Beispiel, der in

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seinen Catilinarien Vorzeichen der Verschwörung erwähnt ( 3,18 f.) – um sie dann im Gedicht über sein Konsulat breit auszuschmücken ( Cons. frg. 10,11-65 FLP ~ div. 1,18-21). Auch Lukans Version der Prodigien vor Pharsalos stellt die historischen Nachrichten ( s. oben ) in den Schatten. Standarten weinen, Gewässer bluten, Berge kollabieren, kosmische Unwetter wüten, Visionen toter Verwandter quälen die Soldaten, Finsternis bricht über die Welt herein ( 7,151-184 ). Statius berichtet die Vorzeichen des Bruderkriegs um Theben ( Theb. 7,402-421 ), Silius die Prodigien, die Cannae ankündigen ( 8,624-655 ). Das ergiebigste Material verdanken wir den Ereignissen um C a e s a r s T o d und vor dem Ausbruch des zweiten Bürgerkriegs, wo mehrere historische Berichte ( v.a. Suet. Iul. 81,1-3; Plut. Caes. 63; Appian b.civ. 4,14 ; Cassius Dio 45,17,2-9; Iulius Obsequens 67-69 ) mit drei poetischen Versionen konkurrieren, Tib. 2,5,71-78, Ov. met. 15,782-798 ( cf. F. BÖMER ad loc.; POLETTI 2017, 45-48 ~ ders. 2020, 34-42 ), und vor allem Verg. georg. 1,464-488 ( cf. R. MYNORS ad loc.). V e r g i l s Katalog weiß von einer Trübung der Sonne, von Kometen, Blitzen aus heiterem Himmel, Erdbeben und Vulkanausbrüchen, von Flüssen, die über die Ufer treten oder innehalten, Blut in den Zisternen, Waffengeklirr, von unheilverheißenden Opfern, weinenden und schwitzenden Statuen, nächtlichem Wolfsgeheul in den Städten, von sprechenden Haustieren und Gespenstern. Etliches kehrt im BC wieder. Seine Liste hat etwas Chaotisches, fast Zufälliges ( so erscheinen e.g. 1,470 Hunde und 1,486 Wölfe ; 1,479 bleiben Flüsse stehen, 1,481-483 treten sie über die Ufer ). Doch insgesamt lässt sich eine zentripetale Bewegung der Wunderzeichen erkennen, von der Peripherie des Reiches in dessen Herz, „so daß die Prodigien von 471 an von Norden und Süden her immer näher nach Rom kommen und von 483 an das Volk in Rom selbst ängstigen“ ( ERREN 2003, 249; cf. ebd. 248 f. zur Passage insgesamt ; ferner R. MYNORS ad loc.; R. BADALÌ, Virgilio Georg. 1,466-88 e Lucano Phars. 1,522-83, in: Atti del Convegno virgiliano sul bimillenario delle Georgiche, Neapel 1977, 121-131 ). LIT. WISSOWA 390 f.; H. KLEINKNECHT ( zuerst 1944 ), in : H. Oppermann ( Hrsg.), Wege zu Vergil, Darmstadt 1963, 427-449; P. HÄNDEL, RE XXIII 2, 1959, 2283-96; R. BLOCH, Les prodiges dans l’antiquité classique, Paris 1963; JAL 1963, 238-242; DUMÉZIL 1966, 572-581; A. SETAIOLI ( zuerst 1975 ), in: ders. 1998, 11-31; F.E. BRENK, In Mist Apparelled, Leiden 1977, 184-213; LIEBESCHUETZ 1979, 9 f. 56-58. 96 f. 155-166 ; B. MACBAIN, Prodigy and expiation, Brüssel 1982; V. ROSENBERGER,

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Gezähmte Götter, Stuttgart 1998, bes. 97-101; G. DISTELRATH, DNP 10, 2001, 369f.; SETAIOLI 2005; ders. 2018; POLETTI 2017, 43f. ~ 2020, 32f. Die historischen Vorzeichen des Bürgerkriegs zwischen C a e s a r und P o m p e i u s berichtet u.a. Cassius Dio ( 41,14,2-4 ; s. auch Appian b.civ. 2,144 ; 4,14 ; Iulius Obsequens 65f. ): Wölfe und Eulen zeigen sich in der Stadt, Tiere gebären artfremden Nachwuchs, der Tempel des Quirinus brennt nieder, das Kapitol wird von Blitzen getroffen, die Erde bebt, die Sonne verfinstert sich, ein Komet erscheint am Himmel. L u k a n erweitert diesen Katalog beträchtlich, v.a. um die von Vergil und Ovid (s. oben) berichteten Prodigien um Caesars Tod ( 1,522-583; cf. P. ROCHE 318 f. ad loc.; POLETTI 2017, 49-53; ders. 2020, 43-52 ). Er beginnt organisch mit astronomischen und meteorologischen Phänomenen ( Kometen, Blitze aus heiterem Himmel, Sterne bei Tage, Mond- und Sonnenfinsternis ) und leitet dann an der kosmischen ‚Schnittstelle‘ des ausbrechenden Ätnas zu etlichen irdischen Phänomenen über, die sich kaum sinnvoll ordnen lassen ( Überschwemmungen, weinende und schwitzende Statuen, sprechende Tiere, Missgeburten, Waffengeklirr und Kriegstrompeten, Stimmen in der Wildnis, kämpfende Geister ). Doch sie werden atmosphärisch dicht beschrieben und erzeugen eine unheimliche Stimmung, bis hin zu Sulla und Marius, den Verantwortlichen der alten Bürgerkriege, die ihren Gräbern entsteigen und Unheil prophezeien oder das Landvolk erschrecken, und zum grotesken Bild einer gigantischen Erinye, die Rom bedroht ( 1,572-577 ingens urbem cingebat Erinys eqs.). Die gesamte Szenerie entwickelt einen Sog, dem der Leser sich kaum entziehen kann, und der das beklemmende Gefühl einer unausweichlichen Katastrophe heraufbeschwört ( cf. Tac. hist. 1,18,1 quae fato manent, quamvis significata non vitantur, „vor dem, was das Schicksal bereithält, gibt es ungeachtet seiner Ankündigung kein Entkommen“ ). In zwei wichtigen Punkten unterscheidet Lukans Katalog sich von der Liste des BC – die sich ( wie BC 126f. nahelegt ; s. unten ), bewusst auf Lukan bezieht. 1.) Die Pharsalia berichten Prodigien, die sich nach Caesars Einmarsch in Italien und der Flucht aus Rom ereignen. Streng besehen sind es also keine Vorzeichen mehr, eher aktuelle Kommentare des Himmels zum Kriegsausbruch. Die im BC berichteten Omina geschehen tatsächlich vorher, genauer : nach dem Gespräch zwischen Dis und Fortuna, wo sie einen dramaturgisch sinnvollen Platz einnehmen, als göttliche Bestätigung des Gangs der Geschichte, wie das Gespräch ihn skizziert hat ( cf. 126f. con-

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tinuo clades hominum … auspiciis patuere deum ). Zugleich schlagen sie eine Brücke zwischen der ‚mythischen‘ Episode um Dis und Fortuna und der historischen Erzählung von Caesars Invasion ( CONNORS 1989, 98f. ). 2.) Lukan zufolge enthüllen die Götter die Zukunft einzig, um die Menschen mit diesem Wissen zu belasten ( 2,4-6 cur hanc tibi, rector Olympi, | sollicitis visum mortalibus addere curam, | noscant venturas ut dira per omina clades ? ) und ihnen angesichts der nahenden Katastrophe bewusst alle Hoffnung zu rauben ( 1,522-525 tum, ne qua futuri | spes saltem trepidas mentes levet, addita fati | peioris manifesta fides, superique minaces | prodigiis terras implerunt, aethera, pontum ; so kommt es auch: 2,16-21 ). Doch da die Katastrophe längst eingetreten ist, werden Lukans ‚Vorzeichen‘ letztlich zu Metaphern für die Ängste der Menschen. Im BC fehlt jeder Hinweis auf die psychologische Breitenwirkung der Prodigien ( Panik bricht in Rom erst aus, als Fama Caesars Nahen meldet ; cf. 209-216 ). Fast scheint es, allein Caesar nehme die omina wahr und breche zu ihrer Verwirklichung auf – als das Werkzeug dunkler Mächte ( cf. 142f. exuit omnes | quippe moras Caesar eqs.). Der Vorzeichenkatalog des BC ist nicht der historischen, sondern der literarischen Tradition verpflichtet, v.a. Vergil und Lukan. Aufschlussreich genug orientiert Petron sich ( ähnlich wie Lukan vor ihm ) an den Prodigien um Caesars Tod ( s. oben ). Vielleicht ist dies als Hinweis zu verstehen, dass „die Welt nicht auf Caesars Ermordung mit Entsetzen reagiert ( wie bei Vergil ), sondern auf seinen Marsch auf Rom“ ( CONNORS 1989, 100 ). Im Kielwasser von Lukans ‚anti-cäsarianischer Strategie‘ zeigt der Katalog Caesar als einen Mann, „dessen Streitlust Rom die Vernichtung bringt, und nicht dessen Ermordung“ ( ebd. 106; meine Übers.). Dabei setzt Petron durchaus eigene Akzente. Unter der chaotischen Oberfläche lässt sich in den fünfzehn Versen eine Struktur erkennen. Zehn Vorzeichen bilden fünf, inhaltlich meist verbundene Paare: astronomische Phänomene ( Sonnen- und Mondfinsternis; 2 1/3 bzw. 1 2/3 Verse = 4 Verse ), geologische ( Erdbeben, Überschwemmungen; 1 bzw. 1 1/3 Verse = 2 1/3 Verse ), akustische ( Waffengeklirr, Kriegstrompeten; 2/3 bzw. 1 Vers = 1 2/3 Verse ), chthonische ( der Ätnaausbruch, Gespenster ; 1 1/2 Verse bzw. 2 Verse = 3 1/2 Verse ), zuletzt astronomisch-meteorologische ( Kometen und Blutregen; je 1 Vers = 2 Verse ). Die fünf Paare folgen zudem einem klaren Muster : die Paare eins, drei und fünf betreffen Erscheinungen am Himmel, die Paare zwei und vier irdische Phänomene. Den meisten Raum nehmen dabei die Sonnen- und Mondfinsternis ein ( 4 Verse ), sowie der Vulkanausbruch und die Gespenster ( 3 1/2 Verse ).

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Im ersten Paar gibt es eine feine variatio ( mit der Paronomasie texit – extinxit und dem Polyptoton 128 vultum – 130 vultūs ): die Sonne ‚bedeckt‘ ihr Antlitz ‚mit Dunkelheit‘ ( 128 Titan vultum caligine texit ), der Mond ‚löscht‘ es ( 130 extinxit Cynthia vultūs ). Ducere und sein Kompositum knüpfen ein ähnliches Band zwischen dem zweiten und dem vorletzten Vorzeichen: die Mondfinsternis ‚entführt‘ Licht ( 131 lucem … subduxit ), der Komet ‚bringt‘ es ( 139 ducit ). Eine losere Beziehung zwischen dem siebten und dem vorletzten Omen bringt das Feuer, das in beiden eine elementare Rolle spielt ( 136 ignibus – aethera – fulmina, bzw. 139 fax – incendia ). Und in einer Ringkomposition verbindet ‚Blut‘ das erste und das letzte Zeichen ( 127 cruento bzw. 140 sanguineo ). Die Tempora der fünfzehn Verse führen vom Perfekt ( 127 patuēre, 128 texit, 130 extinxit, 131 subduxit ) über das Imperfekt ( 131 tonabant, 133 ibant ) zum dominierenden Präsens ( 134 furit, 135 ciet, voratur, 136 mittit, 138 minantur, 139 ducit, 140 descendit ). In einem zeitlichen Zoom bewegen sich die Zeichen in Richtung Gegenwart : das drohende Unheil rückt näher. – LIT. GUIDO 1976, 153-157; GRIMAL 1977, 129-150; CONNORS 1989, 97-107; POLETTI 2017, 41-58. 330-332. 126-127 continuo clades hominum venturaque damna | auspiciis patuere deum : „Sogleich wurden das Unheil der Menschen und die kommenden Katastrophen offenbar dank der Vorzeichen der Götter“. Nahtlos und in fast nüchternem Ton folgen auf die Geheimkonferenz der Jenseitsmächte die Götterzeichen, die das drohende Unheil besiegeln. Die Exposition verbindet die Vorzeichen ( auspicia ) mit deren Verwirklichung ( clades und ventura damna ), die beiden Genetive ( in paralleler metrischer Position) verknüpfen effektvoll Menschen- und Götterwelt. Absicht sind wohl die Anklänge dieses Auftakts an das Resümee von Lukans Prodigienkatalog, 2,1-4 iamque irae patuere deum manifestaque belli | signa dedit mundus eqs. ( patuere deum in gleicher Position im Vers; cf. 2,6 noscant venturas ut … clades ; s. auch 7,151-213, Fortuna kündigt Pharsalos mit Vorzeichen an: non tamen abstinuit venturos prodere casūs | per varias Fortuna notas eqs.; ferner e.g. Florus epit. 2,13,45 numquam inminentis ruinae manifestiora prodigia eqs.; ein Echo von Ov. met. 15,799f. non tamen insidias venturaque vincere fata | praemonitūs potuere deum hört POLETTI 2017, 57 ). Lukan schließt aus den Vorzeichen auf ein ‚Vorwissen‘ der Götter ( neben Caesar, Pompeius und dem römischen Volk scheint er Juppiter persönlich für den Bürgerkrieg verantwortlich zu machen; cf. 2,4-6, und AHL 1976, 232f. ). Aber auch das BC weist Juppiter eine Schlüsselrolle zu,

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die die Ringkomposition unterstreicht ( 122f. fulgure sc. Iovis eqs. ~ 140 sanguineo … descendit Iuppiter imbre ). Zu dem kontrahierten Gen. Pl. deum ( 109,9,5; 117,3; BC 247 ) cf. Thes. V 1, 886,25-37. – Zu continuo cf. GUIDO 1976, 152 ad loc. clades : Gerade im Kontext ‚Krieg‘ steht clades oft, wie auch hier, synonym für „Unheil, Untergang, Verderben“ (e.g. Liv. 5,21,16 omen pertinuisse … visum sc. est ad … captae … urbis Romanae … cladem, „das Omen schien sich zu beziehen …“ ). Ähnlich markant verwendet Nigidius Figulus das Wort in seiner Weissagung des kommenden Bürgerkriegs ( Lukan 1,644651 urbi generique paratur | humano matura lues … quod cladis genus, o superi, … paratis ? eqs.). Zu der höchst seltenen Junktur clades hominum ( EHLERS : „der Menschheit Fall“ ) cf. Liv. 38,26,6 suae gentis hominum cladem pro sua ducebant ( „die Niederlage von Männern ihres Volks galt ihnen wie eine eigene“ ). Offen bleibt, ob clades hier im Sing. steht ( cf. BC 170 f. omnibus una | impendet clades ; so die Mehrzahl der Übersetzer ), oder – parallel zu damna – im Plural ( cf. BC 13 ecce aliae clades ). Vergil verwendet allein den Sing. ( e.g. Aen. 2,361 cladem illius noctis : Trojas Fall; 6,843 Scipiadas, cladem Libyae ). Lukans über fünfzig Belege verteilen sich in etwa gleich auf beide Numeri ( Sing. u.a. 1,649, oben zit.; 9,950 Caesar … Emathiā satiatus clade ; Plural u.a. 2,6 noscant venturas ut dira per omina clades sc. mortales ; 7,650 f. sparsas per Thessala rura … clades, die in Pharsalos verstreuten ‚Leichen‘ ). Zur Junktur mit patēre ( „to be evident or obvious“; OLD s.v. 6c ) cf. Cic. div. 1,21 clades patriae … patribus populoque patebat. damna : Das in der Dichtung (Ovid ausgenommen) seltene damnum ( in den Sat. nur in Eumolps Versen; cf. TH 14 mens semper in damnum potens ; BC 36 ut renovant per damna famem ; 86 censum in damna furentem ) verwendet gerade L u k a n dezidiert für militärische „Verluste“, fast synonym mit clades und caedes im engeren Sinn ( e.g. 1,106 Parthica Romanos solverunt damna furores, „die den Parthern geschuldeten Verluste entfesselten den römischen Wahnsinn“, i.e. den Bürgerkrieg ; 2,475 Gallica damna, „Verluste in Gallien“; 2,537 belli … damna, „Kriegsverluste“; 7,787 Pharsalica damna ; den Verlust tapferer Soldaten nennt Caesar 4,514 damnum clademque ). 127-128 namque ore cruento | deformis Titan vultum caligine texit : „denn der von blutigen Zügen entstellte Titan hüllte sein Antlitz in Finsternis.“ Den Grund für die Verfinsterung ( vier Spondeen imitieren das langsam schwindende Licht ) reicht V. 129 nach: Sol verhüllt sein Antlitz, weil

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er die kommende Katastrophe gleichsam prophetisch erkennt und ihr sein Licht verweigert ( wie der Mond; cf. 131 lucem sceleri subduxit ); weder will er sie sehen noch sie beleuchten. Bei Lukan verschleiern bei Ausbruch des Bürgerkriegs Wolken „das traurige Tageslicht“ ( 1,233-235 iamque dies primos belli visura tumultūs | exoritur ; … maestam tenuerunt nubila lucem ). Bei Seneca lässt Thyests Mahl Sol schaudernd zurückweichen und „den Tag versenken“ ( Thy. 776-778 fugeris retro licet | medioque raptum merseris caelo diem eqs.; 784-788; s. auch Hippolyts Aufschrei, Phaed. 678f. radiate Titan, tu nefas stirpis tuae | speculare ? lucem merge et in tenebras fuge ). Bei Ovid flieht er Tisiphone und ihren Tross ( met. 4,488 locum fugit ). Aus gutem Grund eröffnet die Sonne den Reigen der Omina. Mit ihr beginnt auch Vergils langer Katalog der Prodigia vor dem neu aufflammenden Bürgerkrieg ( georg. 1,464 f. etiam caecos instare tumultūs | saepe monet fraudemque et operta tumescere bella sc. sol; s. unten ). Eine mittägliche Sonnenfinsternis nennt bereits L u k a n unter den Vorzeichen dieses Kriegs ( 1,540-544 ipse … Titan … condidit ardentīs atrā caligine currūs | involvitque orbem tenebris eqs.; s. auch unten ). Ähnliches geschieht vor Pharsalos, als Phoebus nicht aufgehen will ( Lukan 7,1-6; cf. 7,177 f. vultūs tenebris mirantur opertos | et pallere diem eqs.; 7,199f. ). Auch als Tisiphone den thebanischen Bürgerkrieg anzetteln will, verfinstert sich die Sonne ( Stat. Theb. 1,97f.; s. auch 11,130-135, und P. HÄNDEL, RE XXIII 2, 1959, 2288f. zu weiteren ‚prophetischen‘ Sonnenfinsternissen ). Im BC hüllt die Sonne ihr Gesicht in Finsternis, bei Lukan ihr Gefährt ( in beiden Texten mit dem abl. instr. caligine in gleicher metrischer Position ) – und den gesamten Erdkreis. Wie Vergil nimmt sich Lukan zudem Zeit für die psychologische Wirkung der plötzlichen Nacht auf die Menschen, die befürchten, es werde nie mehr Tag ( 1,542f. gentesque coegit | desperare diem ; cf. Verg. georg. 1,468 impia … aeternam timuerunt saecula noctem ). Das BC konzentriert sich auf die erschreckende Optik des Titanen – und deutet die Wirkung des Phänomens immerhin an ( 129 civiles acies iam tum spectare putares ). Auch bei Vergil „hüllt“ die um Rom trauernde Sonne ihr Antlitz in Finsternis ( georg. 1,466-468 ille etiam exstincto miseratus Caesare Romam, | cum caput obscurā nitidum ferrugine texit eqs.; ferrugine texit in gleicher metrischer Position wie BC 128 caligine texit ); doch hinter ihrem Schleier bewahrt sie ihre Schönheit ( georg. 1,467 caput … nitidum ). Im BC hingegen zeigt die Sonne ihre entstellten Züge ( 127f. ore cruento | deformis ), gleichsam befleckt vom Blut und Grauen der kommenden Kriege ( cf. CONNORS 1989, 101: „Eumolpus constructs this pessimistic adaptation of Virgil’s text with Virgil’s own words on the horrors of war.“ ) – und mit einem Mal das er-

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schreckende Ebenbild der dunklen Mächte ( 96 perfundimus ora cruore ; 259 sanguineum caput sc. Furoris; 272f. in ore sc. Discordiae | concretus sanguis ). Vergil und andere Zeitgenossen beschrieben allerdings keine Sonnenfinsternis, sondern eine Trübung des Gestirns, wahrscheinlich infolge des Ätnaausbruchs 44 v.Chr., der die Atmosphäre auf Monate verdunkelte ( cf. georg. 1,467, oben zit., und M. ERREN 246 ad loc.; Tib. 2,5,75 f., und K.F. SMITH bzw. P. MURGATROYD ad loc.; Plin. nat. 2,98; Plut. Caes. 69,4 f.; Cassius Dio 45,17,5; Iulius Obsequens 68; cf. F. BOLL, RE VI 2, 1909, 2359 ). Bei Ovid geht das Phänomen Caesars Ermordung voraus ( met. 15,785 f. solis … tristis imago | lurida sollicitis praebebat lumina terris ). Hier könnte das ‚blutige Antlitz‘ auf chromatische Veränderungen der Atmosphäre anspielen, wie sie mit einer Sonnenfinsternis ( oder einem Vulkanausbruch ) einhergehen, am ehesten eine rote Korona um die Sonne ( cf. Plin. nat. 2,98 ). Noch einen weiteren Einfluss sieht hier POLETTI 2017, 333 am Werk : den rostfarbenen Morgenstern und die blutige Luna, die Caesars Ermordung ankündigen ( Ov. met. 15,789f. caerulus et vultum ferrugine Lucifer atrā | sparsus erat, sparsi lunares sanguine currūs ). Den ‚patronymen‘ Titel Titan verdankt Helios-Sol seinem Vater, dem Titanen Hyperion ( so zuerst Cic. Arat. 60; cf. Verg. Aen. 4,119, und A.S. PEASE ad loc.; Ov. met. 1,10 u.ö.; Lukan 1,15 u.ö.; OLD s.v. 2a ). – BC 128 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions. Die ‚reimenden‘ Versschlüsse 122 corusco, 124 reducto und 127 cruento notierte STUBBE 116. ore cruento : Auch wenn Tibull ihn wohl zuerst einsetzte ( 1,5,49 f. ore cruento | tristia … pocula … bibat ), hat dieser Hexameterschluss einen dezidiert vergilischen Klang. Denn blutverschmierte Gesichter sehen wir wiederholt in Schlüsselszenen der Aeneis : beim personifizierten ‚Wahnsinn‘ des Bürgerkriegs ( 1,294-296 Furor impius … fremet horridus ore cruento ), bei dem verwundeten Löwen, mit dem Turnus vor seinem Zweikampf mit Aeneas verglichen wird ( Aen. 12,8 ~ 9,341 fremit ore cruento ), und beim sterbenden Pallas ( 10,488 terram … moriens petit ore cruento ). Silius folgt Vergils Beispiel an gleich sechs Stellen ( u.a. 4,378 f. perfracta … in ore cruento sc. leonis | ossa sonant ; 5,331 f. telum ore cruento | exspirans premit sc. Appius ). Für andere Positionen im Vers cf. Caecilius com. 103 R.3 cruento ita ore grundibat miser ; Ov. met. 11,395f. cruento | ore ferum, longos infectum sanguine villos ( „… die langen Zotteln mit Blut besudelt“ ). Zu blutigen Gesichtern bzw. blutigen Mündern s. auch BC 96 nullo perfundimus ora cruore ; 272f. huius in ore | concretus sanguis, und e.g. Stat. Theb. 4,363-365 ( Thes. IV, 1238,45-49 ). Das Zitat weckt dunkle Assoziationen bestialischer Wut und kriegerischen Wahnsinns.

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deformis : In Verbindung mit dem Sonnengott erscheint deformis nur hier ( s. aber Lukan 4,105 deformis caeli facies, das in Wolken gehüllte „gestaltlose Antlitz des Himmels“ ). POLETTI 2017, 333 sieht in ore cruento | deformis eine Anspielung auf Vergils Furor, Aen. 1,296 horridus ore cruento. Zu deformis mit dem Abl. causae cf. 133,4 anus laceratis crinibus … deformis ; Sen. contr. 1,1,17 deformis squalore, lacrimis ; Lukan 8,56 deformem pallore ducem ; Suet. Dom. 18,1 calvitio … deformis et obesitate ventris ; Apul. met. 9,30,3 mulier … mirā … tristitie deformis ; Thes. V 1, 368,8-17. caligine texit : Die Junktur caligine tegere mag auf Lukrez oder Cicero zurückgehen ( Lucr. 6,852 nox … terribili terras caligine texit ; Cic. Arat. 193f. aram … obscurā caligine tectam ; prognost. frg. 1,2 radii caecā caligine tecti ). Mit vultum verbindet sie Ovid ( met. 1,265 ): terribilem piceā tectus caligine vultum. S. auch Ov. met. 2,233 ~ 6,706 caligine tectus ; 5,622 caligine tectam sc. Arethusam; Sen. nat. 6,27,3 aquae … gravi caligine … tectae ; Ilias Latina 308 f. nisi caligine caecā | texisset Cytherea virum ; Sil. Ital. 4,668 Mulciber obscurae tectus caligine nubis ; Thes. III, 158,46-49. Im Hexameter steht caligine fast immer in gleicher Position im 4./5. Fuß. – Zu der Verbindung Titan texit cf. Lukan 8,202 Titan … sidera texit. 129 civiles acies iam tum spectare putares : „Schon jetzt erblicke er die bürgerlichen Schlachtreihen, hätte man glauben können.“ „Dass verborgener Aufruhr gäre, warnt oftmals die Sonne, und heimlicher Krieg drohe.“ So beginnt Vergils Katalog der omina vor Caesars Ermordung ( georg. 1,464 f. caecos instare tumultūs | saepe monet … et operta tumescere bella ; „Hendiadyoin für bellum civile mit Enallage von caecos tumescere tumultus – operta instare bella “, M. ERREN ad loc.). – Die Junktur civiles acies ( „die Heere des Bürgerkrieges“; HOLZBERG ) erscheint nur noch bei Ovid ( met. 7,142 civilī … cadunt acie ) und Augustin (civ. Dei 2,25 p. 89,27f. D.-K. civiles acies nefario proelio conflixerunt ; cf. Thes. III, 1215, 61f.). Verwandte Synonyme für den Bürgerkrieg sind cognatae acies ( Lukan 1,4 ), fraternae acies ( Stat. Theb. 1,1 ) und consanguineae acies ( ebd. 4,436 ). spectare : Viele Anhänger fand das überlieferte spirare ( u.a. MÖßLER 1857, 13; BÜCHELER 1 ; ERNOUT ; STUBBE : „es war, als lebten schon jetzt die Bürgerfeldzüge“; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ; GRIMAL ). Im Kontext scheint es passend: „… schon jetzt schnaube er Bürgerkrieg“ ( cf. u.a. Lucr. 5,392 tantum spirantes aequo certamine bellum, „so sehr schnauben sie Krieg in unentschiedenem Kampf “; zu griechischen Vorbildern cf. C. BAILEY bzw. C. COSTA ad loc.; Cic. Att. 15,11,1 Martem spirare diceres, über Cassius als Inbild eines Soldaten; Stat. Theb. 4,609 immortale odium spirans ;

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OLD s.v. spīrō 6b: „( w. acc.) to breathe or express the spirit of “ ). Doch wie verträgt sich diese martialische Geste mit dem Bild der Trauer, das der Titan abgibt ( 128 vultum caligine texit )? Deutlich besseren Sinn ergibt CRUSIUS’ spectare, für das sich u.a. BÜCHELER ( ab ed.2 ), BALDWIN, MÜLLER und GIARDINA – MELLONI entschieden. putares : In der vertrauten Konstruktion putares ( Potentialis der Verg.) mit AcI ( e.g. Sat. 45,11 putares eos gallos gallinaceos ; 63,5 putares canem leporem persequi ; 76,4 putares me hoc iussisse ) kann der Subjektsakkusativ ausfallen ( hier eum bzw. Titana ; cf. Sat. 7,4 putares sc. Ascylton ab eadem anicula esse deductum ; BC 190 iussa sc. ea esse putares ; ferner e.g. Cic. Brut. 111 testimonium dicere sc. eum putares ). Wie die drei Stellen aus der Cena nahelegen, hat die prosaische Floskel nicht selten einen umgangssprachlichen Beigeschmack. Im Hexameter rückt sie wie hier stets ans Versende ( e.g. Ov. her. 11,85 ; met. 5,589 ; 6,104 ; 7,791; 11,336f. iam tum … alas … pedes sumpsisse putares ). Die temporalen Partikel ( iam tum ) gehören zum AcI. – S. auch Sat. 91,1 scires non libenter servire, und Bd. I, S. 217, sowie BC 148 caelum illinc cecidisse putes, und S. 1151. 130-131 parte aliā plenos extinxit Cynthia vultūs | et lucem sceleri subduxit : „Auf der anderen Seite löschte Cynthia ihr volles Antlitz und verweigerte ihr Licht dem Verbrechen.“ Wundersam genug ereignet sich gleichzeitig mit der Sonnenfinsternis ( s. unten zu parte aliā ) eine Eklipse des Mondes – astronomisch ein Ding der Unmöglichkeit ( der Mond müsste, von der Sonne aus gesehen, zur selben Zeit exakt vor und hinter der Erde stehen; cf. Sen. ep. 94,56 defectūs solis ac lunae invicem obstantium : zu den ‚Wundern der Natur‘ rechnen „Sonnen- und Mondfinsternisse, die sich gegenseitig in die Quere kommen“ ). Die beiden Vorzeichen kombiniert auch Lukan. Allerdings verkehrt er die Abfolge: bei ihm geht die Mond- der Sonnenfinsternis voraus ( 1,537539 cornu … coacto | iam Phoebe toto fratrem cum redderet orbe, | terrarum subitā percussa expalluit umbrā, „als mit geschlossenen Hörnern Phoebe im vollen Rund den Bruder reflektierte, erblasste sie, vom plötzlichen Erdschatten getroffen“ ). Vor allem aber lässt er die Chronologie der beiden Phänomene im Dunkeln und entgeht so dem astronomischen Dilemma ( wie Ovid, bei dem neben der Sonne, met. 15,785 f., auch eine blutrote Luna Caesars Ermordung ankündigt : 15,790 sparsi sc. erant lunares sanguine currūs ). Zudem ist Lukans Mond Opfer der Verfinsterung. Im BC hingegen entscheidet Cynthia sich bewusst für die Finsternis – aus Protest gegen das ‚Verbrechen‘ ( zu scelus als Synonym für den Bürgerkrieg cf. Lukan 1,2; 1,667; zit. POLETTI 2017, 336 ). Ähnlich reagiert Vergils Sonne auf Cae-

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sars Ermordung : sie ‚hüllt‘ ihr trauerndes Antlitz ins Dunkel ( georg. 1,466468, zit. S. 1115 ). – In den historischen Quellen zu den Bürgerkriegen fehlt dieses Prodigium ( eine Mondfinsternis vor Catilinas Verschwörung erwähnt Cicero, Cons. frg. 10,18 f. FLP ). parte aliā : Dass die Formel nicht temporal zu verstehen ist ( „zu einem anderen Zeitpunkt“ ), belegt ihre gängige Verwendung bei augusteischen und flavischen Dichtern. Vor allem in beschreibenden Passagen ( auch in Schlachttableaus ) markiert sie schlicht einen neuen Ort oder Schauplatz ( „an anderer Stelle“ ; bisweilen „auf der anderen Seite“ o.ä., äquivalent einem im Hexameter heiklen parte alterā ). In Ekphraseis erscheint sie e.g. Verg. Aen. 8,433 f. ( die Schmiede der Kyklopen ) parte aliā Marti currum … instabant ; Ov. rem. 183 parte sonant aliā silvae eqs.; Ilias Latina 880; Val. Flacc. 1,140; Stat. Theb. 1,527 f.; Sil. Ital. 2,426; in Schlachtbeschreibungen u.a. Verg. Aen. 8,682 f. parte aliā … Agrippa … arduus agmen agens ( bei Actium ); 9,521; 12,346 ; Ilias Latina 436 parte aliā volitat … Pandarus eqs.; Val. Flacc. 6,265 ; Sil. Ital. 12,716 parte aliā … saevis Gradivus in armis eqs. ( Gleiches gilt für die ältere Formel at parte ex aliā, e.g. Catull 64,251; lt. W. KROLL ad loc. „wohl ennianisch“ ). Dass parte aliā als ‚Übergangsformel‘ neue Abschnitte einleite ( „des weiteren“; so R.J. TARRANT ad Verg. Aen. 12,346; A. ZISSOS ad Val. Flacc. 1,140 f. ), bleibt eindeutig ein sekundäres Merkmal. plenos … vultūs : Bereits Seneca verwendet plenus vultus für den Vollmond ( Med. 787-789 currūs agiles … pleno lucida vultu | pernox agitat sc. Trivia ; cf. Phaed. 744 micat orbe pleno sc. Phoebe ; s. auch TH 54 f. iam plena Phoebe candidum extulerat iubar … radianti face ; Sat. 127,1: bei Circes Lachen scheint plenum os extra nubem luna proferre ). In Verbindung mit einem Ablativ oder Genetiv beschreibt die Junktur einen Gesichtsausdruck ( Laus Pisonis 100f. plenus gravitate serenā | vultus ; Ps.-Quint. decl. 12,2 plenum fastidio vultum trahit ; Suet. Dom. 18,1 vultu modesto ruborisque pleno ). Der Hexameterschluss Cynthia vultūs kehrt im 4. Jh. wieder (Avienus Arat. 1500; Claudian c. 8,426f. quo saucia vento | decolor iratos attollat Cynthia vultūs ). Zu dem verbreiteten poet. Plural vultūs ( cf. BC 128 vultum ) cf. e.g. Verg. Aen. 7,416 in vultūs sese transformat anilīs ; Ov. ars 2,616 avertit vultūs … puella suos ; 3,506 vidit vultūs Pallas in amne suos ; met. 10,185; Stat. silv. 1,2,244 niveos strinxit Lavinia vultūs. extinxit : Zu extinguere bei Himmelskörpern, aber auch vom Tageslicht oder vom Blitz cf. Sen. Herc. fur. 373 f. prius | extinguet ortus sc. solis, referet occasus diem ( Adynaton : „eher wird der Sonnenaufgang den Tag auslöschen, ihr Untergang ihn wiederbringen“ ); ep. 77,17 solem … extingueres ;

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Lukan 4,78 extinguunt fulgura nimbi ( „Regengüsse löschen die Blitze“ ); Curt. Ruf. 4,3,16 quicquid lucis internitebat, effusā caligine extinctum est ( „alles Sternenlicht schluckte aufsteigender Nebel“ ); Apul. met. 1,8,4 (die saga Meroe vermag ) sidera extinguere, Tartarum ipsum inluminare ; Thes. V 2, 1914, 75-84. An eine Anspielung auf Vergils ‚ausgelöschten‘ Caesar denkt POLETTI 2017, 336 ( georg. 1,466 extincto … Caesare ). Cynthia : Cynthia heißt Diana nach Delos’ höchster Erhebung, dem Kynthos ( in der römischen Literatur zuerst Hor. c. 3,28,12; cf. Ov. met. 2,465, und F. BÖMER ad loc.; das äquivalente Epitheton Cynthius für Apoll erscheint bereits Verg. ecl. 6,3; zu hellenistischen Vorbildern cf. W. CLAUSEN ad loc.). Bisweilen steht die Göttin – wie hier – synonym für den Mond ( u.a. Ov. her. 18,74 ; Lukan 1,218; Ps.-Sen. Herc. Oet. 641; Stat. Ach. 1,231f. toto … effulgurat orbe | Cynthia ). lucem … subduxit : Zu der seltenen Junktur cf. Sen. Ag. 472-474 densa tenebras obruit | caligo et omni luce subductā fretum | caelumque miscet ( im Seesturm „überfällt dichter Nebel die Finsternis und vermischt, da alles Licht entschwand, Flut und Himmel“ ); Sil. Ital. 8,632 f. quaesivit sc. nauta, subductā luce repente | immersus tenebris, et terram et litora. – Das gehäufte dunkle -u- ( vultus | et lucem … subduxit ) evoziert die hereinbrechende Finsternis ( s. auch S. 1106 zu BC 122f. ). 131-132 rupta tonabant | verticibus lapsis montis iuga : „Geborsten donnerten im Sturz der Gipfel die Gebirgsrücken.“ ( STUBBE ). Vorzeichen des Bürgerkriegs aus den Alpen berichten Vergil ( georg. 1,475 insolitis tremuerunt motibus Alpes ) und Lukan ( 1,553f. veterem … iugis nutantibus Alpes | discussere nivem ). Vergils und Lukans Verse lassen an ein Erdbeben denken ( wie sie in den Alpen in der Tat vorkommen; cf. Plin. nat. 2,195 exploratum mihi est Alpes … saepius tremuisse ) – wie auch der dramatischer formulierte Passus hier. Allgemein galten Erdbeben als typisches Prodigium ( e.g. Cic. div. 1,97 Apulia … maximis terrae motibus conquassata ; Catil. 3,18 ; Ov. met. 15,798 ( vor Caesars Tod ) motam … tremoribus urbem ; Plut. Antonius 60,2 ; Cassius Dio 41,14,3; 45,17,4 ; cf. A. HERMANN, RAC 5, 1962, 1086-89 ). Das Omen hat auch symbolische Qualität : das Festeste kommt ins Wanken, das Höchste zu Fall. Denkbar sind aber auch Nachrichten von Erdrutschen, Bergstürzen, Lawinen ( e.g. Lucr. 5,313 ruere avolsos silices a montibus altis ; Verg. Aen. 12, 684-689; Lukan 3,470-472 rupes, quam vertice montis | abscidit … vetustas, | frangit cuncta ruens ; Stat. Theb. 3,37f. motus … Cithaeron | antiquas dedit ire nives ; 7,744-749; Sil. Ital. 1,370-372 Alpibus altis | aeriae rupes scopulorum

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mole revulsā … scindunt resonanti fragmine montem ; 5,611-614 ; Claudian c. 26,346-348 subitam glacie labente ruinam | mons dedit eqs., „im plötzlichen Sturz einer Eislawine gab der Berg nach“; rapt. 2,182f. ). Am Ida bebt die Erde, bevor sie aufbricht und Achills Schatten freigibt ( Sen. Tro. 170-202, bes. 173-175 mōvēre silvae capita et excelsum nemus | fragore vasto tonuit et lucus sacer ; | Idaea ruptis saxa ceciderunt iugis ). Den durch die stürmische Nacht wandernden Polyneikes beunruhigen „Felsen, die fliehen von geborstenen Höhen“ ( Stat. Theb. 1,364 saxa iugis fugientia ruptis ). Auch vor Pharsalos kommt es zu Bergstürzen ( Lukan 7,173f. multis concurrere visus Olympo | Pindus et abruptis mergi convallibus Haemus, „vielen schien der Pindus auf den Olymp zu prallen und der Haemus in steilen Schluchten zu versinken“ ). Ähnliches trug sich vor Cannae zu ( Sil. Ital. 8,628 f. nutanti … ruens prostravit vertice silvas | Garganus ; 8,643f. terque quaterque solo penitus tremuere revulsae | Tarpeiae rupes, und bes. 8,648 f. non Alpes sēdēre loco, non … ingentes inter stetit Apenninus hiatūs, „… nicht hielt still inmitten seiner gewaltigen Schluchten der Apennin“ ). Vertices und iuga stehen fast synonym. Ungeachtet des PPP ist der abl. abs. ( verticibus lapsis ) nicht vorzeitig zu lesen ( wie e.g. Sen. Phoen. 72 partes … lapsi montis ; so e.g. HOLZBERG : „Geborsten erdröhnten die Bergrücken, als ihre Gipfel herabgestürzt waren“ ), sondern gleichzeitig (~ verticibus labentibus, „mit herabstürzenden Gipfeln“ ). Das markante Hyperbaton bildet den Steinschlag ab ( rupta … iuga ; zu der Junktur cf. Sen. Tro. 175; Stat. Theb. 1,364, beide oben zit.). Das iugum (iuga ) montis ist ebenso in der Historiographie heimisch ( e.g. Caes. Gall. 1,21,2; Liv. 22,18,2; Tac. ann. 6,41,1 ) wie in der Dichtung ( u.a. Verg. ecl. 5,76; Ov. met. 10,172; App. Verg. Culex 46; Sen. Phaed. 2; Ag. 457; Lukan 8,372; Val. Flacc. 3,521 ). Zu tonare cf. OLD s.v. 2a: „to make or resound with a noise like thunder“. – Gleich zwei bukolische Dihäresen setzen 131f. scharfe Akzente ( rupta tonabant ; nec vaga passim ; s. auch 134 et tuba Martem ). 132-133 nec vaga passim | flumina per notas ibant morientia ripas : „und die Flüsse strömten nicht länger innerhalb vertrauter Ufer – sie verliefen sich in alle Richtungen und verschwanden“. Bei Vergil und Lukan kündigen Ü b e r s c h w e m m u n g e n den Bürgerkrieg an ( georg. 1,481-483 proluit insano contorquens vertice silvas … camposque per omnīs | cum stabulis armenta tulit, vom Po; Lukan 1,554 f. Tethys maioribus undis | Hesperiam Calpen summumque implevit Atlanta ). Auch vor Cannae treten Flüsse über die Ufer ( Sil. Ital. 8,647 maior et horrificis sese extulit Allia ripis ). Vor dem Bruderkrieg um Theben fließen sie r ü c k w ä r t s ( Stat. Theb. 7,405 adversi … suis decursibus amnes ; s. auch Sat. 134,12,16

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fluvios in summo vertice ponam, und zur Macht der Magie über die Flüsse ebd. V.6 mihi flumina parent ; A.S. PEASE ad Verg. Aen. 4,489 ). Im gleichen Kontext nennt Vergil auch Ströme, die s t i l l s t e h e n ( georg. 1,479 sistunt amnes ). Bisweilen v e r s i e g e n sie ( so lt. Cassius Dio 47,40,5 vor der Schlacht von Philippi; s. auch Claudian c. 26,527 arescere vidimus amnes ). Auch Phaethons Fahrt ließ die Flüsse austrocknen ( Ov. met. 2,255-259 ostia septem sc. Nili | pulverulenta vacant eqs.), ebenso die Hitzewelle während der Pest zu Theben ( Sen. Oed. 41-43 deseruit amnes umor … aretque Dirce, tenuis Ismenos fluit | et tinguit inopi nuda vix undā vada ), und der auf die Erde zurückkehrende tote Tantalus ( Sen. Thy. 107 f. cernis … ut ripae vacent ). Doch was ist hier gemeint ? Dem Verständnis steht die verrätselte Syntax im Wege, die die Zuordnung und Deutung der einzelnen Satzteile erschwert. ( Die Vielzahl divergierender Übertragungen bestätigt dies; e.g. SCHÖNBERGER : „überallhin flossen die irrenden Ströme, versiegten nicht mehr im gewohnten Bett“. Wie können Flüsse zugleich ‚versiegen‘ und ‚überall mäandern‘ ? ) Was genau in dem Satz negiert nec ? Wie vertragen sich vaga passim und per notas ripas ? Oder wie ist mori zu verstehen ? Eindeutig ist zumindest die Junktur notae ripae ( cf. Hor. c. 4,2,5f. amnis, imbres | quem super notas aluēre ripas, „der Fluss, den Regen anschwellen ließ über die gewohnten Ufer hinaus“ ). Das vertraute Epitheton v a g u s charakterisiert gerne das Schlängeln von Flussläufen, gerade in Verbindung mit flumina ( u.a. Hor. c. 1,34,9; Prop. 2,19,30; 3,11,51 ). Oft genug bezeichnet es aber auch Hochwasser ( cf. Hor. c. 1,2,18f. vagus et sinistrā | labitur ripā, und NISBET – HUBBARD ad loc.: „here applied with special force to a river in flood“; Plin. paneg. 30,4 vagus ille cum expandatur sc. Nilus; Mart. 10,85,3f. cum saepe vagus premeret torrentibus undis | Thybris sc. rura ; Prud. ham. 241-243 violentus aquis torrentibus amnis | transilit obiectas … ripas | et vagus eversis late dominatur in agris ; ambivalent bleibt App. Verg. Dirae 67-69 flectite currentīs lymphas, vaga flumina, retro | flectite et adversis rursum diffundite campis ; | incurrant amnes passim rimantibus undis, „… mit aufwühlenden Wogen“ ). An Überschwemmungen lässt auch die Junktur passim vagus denken, „ziellos umherschweifend“ ( meist von Lebewesen; cf. Liv. 2,50,6 passim vaga … pecora ; 22,15,5 vagos passim per vicos Numidas ; Ov. met. 14,680 passim toto vagus errat in orbe ; Pomponius Mela 1,23 Satyri sine … sedibus passim vagi ; Sen. Thy. 631; s. auch App. Verg. Culex 356f. passim vaga praeda … in aequoreo fluitat … fluctu ; Dirae 69, oben zit.). Zwei Deutungen des ungewöhnlichen Omens machen letztlich Sinn ( die beide ‚historisch‘-literarische Vorbilder haben ):

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1.) allerorten ‚versiegen‘ Flüsse: „und nicht länger strömten die überall schweifenden Flüsse entlang vertrauter Ufer – sie trockneten aus“ ( cf. OLD s.v. morior 4 a: „(of things) decay, perish“; für ein Gewässer nur hier ; zu den singulären flumina morientia cf. Thes. VIII, 1495,38f. ). So e.g. HOLZBERG : „und es erstarben die weithin schweifenden Ströme und flossen nicht mehr an den gewohnten Ufern vorbei“ ( mit etwas anderem Akzent M. DEUFERT in epist.: ‚überall‘ im Reich versiegen einst mächtige Ströme ). 2.) Flüsse verlassen ihre vertrauten Betten und treten über die Ufer ( ausgelöst vielleicht von einem Erdbeben, wie bei den ‚Wundern‘ während der Schlacht am Trasimenischen See; cf. Liv. 22,5,8 motum terrae, qui … avertit … cursu rapidos amnīs, mare fluminibus invexit, montes lapsu ingenti proruit ; s. auch Claudian carm. min. 53,65, aus einem Katalog von omina : quot antiquas mutarunt flumina ripas ! ). Mori hätte in diesem Fall metaphorische Qualität : die Flüsse ‚scheiden dahin‘ und ‚verschwinden‘, weil ihre Wassermassen außerhalb ihres Betts strömen ( zu dieser hyperbolischen Verwendung cf. OLD s.v. 2: „faint, languish“, und e.g. Sat. 7,4 occurrit mihi aeque lassus ac moriens Ascyltos ; ein ‚aktives‘ Äquivalent wäre exstinguere, e.g. Liv. 5,16,9 aquam Albanam … dissipatam … rivis exstingues, „den Albaner See lösche, auf Bäche verteilt, aus“ ). Für diese Deutung macht sich u.a. POLETTI 2017, 337-341 stark ( „e i fiumi non andavano entro i noti argini, ma morivano disperdendosi in ogni direzione“; in diese Richtung zielt auch MÖßLERs Konjektur minitantia, 1857, 13 Anm. 18 ). Einer sicheren Entscheidung steht die ambivalente Syntax im Wege. Für die zweite Deutung – die ein alexandrinisches Hyperbaton verlangt ( lies: nec ibant flumina per notas ripas, morientia passim vaga ) – spricht immerhin das auch für die anderen omina maßgebliche Vorbild Vergils und Lukans. Vorzeichen um Berge und Ströme ( BC 131-133 ) vereinen ferner Livius ( 22,5,8; oben zit.) und Claudian ( c. 26,526f. subsidere nostris | sub pedibus montes, arescere vidimus amnes ). 134 armorum strepitu caelum furit : „Vom Waffengeklirr rast der Himmel“ ( SCHÖNBERGER ). Zum festen Inventar klassischer Kriegsprodigia zählen klirrende Waffen. Sie ertönen a u f E r d e n ( cf. Cic. har. resp. 20 exauditus in agro … suburbano est strepitus quidam reconditus et horribilis fremitus armorum ; Val. Max. 1,6,12: vor Pharsalos militarem clamorem strepitumque armorum adeo magnum Antiochiae et Ptolemaide auditum, ut in muros concurreretur ; Lukan 1,569f. tunc fragor armorum magnaeque per avia voces | auditae nemorum ; 1,578-580; Stat.

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Theb. 3,420-424 Arcadiae fines … armorum tonitru ferit et trepidantia corda | implet amore sui sc. Mars ; Iulius Obsequens 65a. 69 ). Öfter jedoch hört man sie a m H i m m e l – wie hier ( cf. Verg. georg. 1,474 f. armorum sonitum toto Germania caelo | audiit ; Tib. 2,5,73 f. atque tubas atque arma ferunt strepitantia caelo | audita ; Ov. met. 15,783-785: vor Caesars Ermordung arma ferunt inter nigras crepitantia nubes | terribilesque tubas auditaque cornua caelo | praemonuisse nefas ; Plin. nat. 2,148 armorum crepitūs et tubae sonitūs auditos e caelo Cimbricis bellis accepimus ; Tac. hist. 5,13,1 ( vor dem Fall Jerusalems ) visae per caelum concurrere acies, rutilantia arma et subito nubium igne conlucere templum ; SHAKESPEARE, Julius Caesar, 2. Akt, 2. Szene, V. 19-22 : „Fierce fiery warriors fight upon the clouds, | in ranks and squadrons and right form of war … the noise of battle hurtled in the air.“ ). Auch die Waffen, die Venus Aeneas bringt, glitzern und klirren im Äther ( Verg. Aen. 8,524-529 improviso vibratus ab aethere fulgor | cum sonitu venit (…) iterum atque iterum fragor increpat ingens: | arma inter nubem caeli in regione serenā | per sudum rutilare vident et pulsa tonare ). Vom bald aufbrausenden Schlachtenlärm weiß bereits Fortunas Prophezeiung ( BC 113 iam fragor armorum trepidantes personat aures ). Die Junktur caelum furit hat ein Vorbild in Vergils Enallage georg. 3,150 f. furit mugitibus sc. armentorum aether | concussus ( cf. Servius auct. ad loc. poetice convertit : nam cum furor boum sit, aetherem ait furere ; R. MYNORS ad loc. vergleicht Aisch. Sept. 155 δορυτίνακτος αἰθὴρ ἐπιμαίνεται, „lanzengeschlagen rast der Äther“ ). Ein kühnes Bild für die Märzstürme liefert Catulls caeli furor aequinoctialis ( 46,2: „das Wüten des Himmels während der Tagundnachtgleiche“; cf. W. KROLL ad loc.). Eine ähnliche Enallage liegt hier vor : es sind die klirrenden Waffen, die am Himmel ‚rasen‘ ( so Thes. VI 1, 1625,43 ad loc.; s. auch Mart. 8,53(55),2 innumero … silva leone furit ). Zu furere von Lärm cf. Stat. Theb. 6,625f. furit undique clamor | dissonus ; Mart. 9,68,7 mitior in magno clamor furit amphitheatro. Freilich birgt caelum furit über die Enallage hinaus eine doppelte Botschaft : es lässt den furor des Bürgerkriegs anklingen ( s. S. 1292f. ); und es verweist auf den bald mitstreitenden Olymp ( BC 265-270 ). Der strepitus armorum taucht v.a. in historischen Kontexten auf ( cf. Sall. Iug. 60,2 strepitus armorum ad caelum ferri ; Val. Max. 1,6,12, oben zit.; 5,2,8; Curt. Ruf. 3,5,11; 4,1,20 strepitum armorum, qui totam Asiam concusserat ). 134-135 et tuba Martem | sideribus tremefacta ciet : „und die Trompete, zum Schmettern gebracht in den Sternen, scheucht Mars auf “. Wie das Klirren der Waffen gehört auch das Schmettern der Kriegstrompete ( OLD s.v. tuba 1a) zum Arsenal militärischer Prodigien; cf.

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Caes. civ. 3,105,4 bis tantus exercitūs clamor et signorum sonus exauditus est, ut in muris armata civitas discurreret ; Lukan 1,578: vor dem Bürgerkrieg insonuere tubae ; Plin. nat. 2,148 ( zit. S. 1124 ); Stat. Theb. 2,260f. ( vor dem thebanischen Bruderkrieg ) e … adytis simul exaudita … tuba terruit ingens ; Plut. Sulla 7,6f. ( vor dem Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla ). Auch vor Discordias Auftritt ertönen Trompeten ( BC 271 intremuere tubae ). Aeneas’ neue Waffen kündigt eine tuba am Himmel an ( Verg. Aen. 8,526 Tyrrhenusque tubae mugire per aethera clangor ). Ähnliches ereignet sich bei Caesars Tod ( cf. Tib. 2,5,73 f.; Ov. met. 15,784 f.; beide zit. S. 1124 ). Tubam belli civilis nennen seine Gegner den Caesarfreund L. Cornelius Balbus ( Cic. fam. 6,12,3 ). Die höchst rare Junktur Martem ciēre ( Thes. III, 1055,58 f.) ist Vergil entlehnt : in muris Martemque cientīs ( Aen. 9,766: Krieger „auf den Mauern feuern den Kampf an“, d.h. die Kämpfer ). „But the personification is not entirely dead : they are also ‚rousing‘, or even ‚invoking‘, the god of war.“ ( Ph. HARDIE ad loc.; s. auch Aen. 6,165 aere ciēre viros Martemque accendere cantu ; 12,108 acuit Martem, „ Aeneas schärft seinen Kampfgeist“, und R.J. TARRANT ad loc.: „particularly cool, as if Aeneas were sharpening a blade“ ). Ähnlich ambivalent oszilliert die Wendung hier zwischen Metapher ( „Krieg“; cf. BC 289 fortem … Martem, und S. 1367, ferner Verg. Aen. 1,541 bella cient, „sie drohen mit Krieg“; 6,829 quantas acies stragemque ciebunt sc. Caesar und Pompeius; 12,158 tu bella cie ) und ‚Realität‘ ( „Mars“ ). Wirkt hier auch Lukrezens Formel für das Training auf dem Marsfeld nach, belli simulacra ciēre ( 2,41 u.ö.; cf. Verg. Aen. 5,585 pugnae … cient simulacra sub armis ; 5,674 belli simulacra ciebat )? sideribus : Sideribus deuten die Übersetzer auf dreierlei Weise: als Angabe der R i c h t u n g ( e.g. HOLZBERG : „und die Trompete, zu den Sternen schmetternd, weckt Mars“ ), des A u s g a n g s p u n k t s ( abl. sep.; e.g. WALSH : „a quivering trumpet called Mars down from the skies“ ) oder des O r t e s ( abl. loci, mit sideribus als Synekdoche für caelum, wie BC 264 mutata … sidera ; cf. S. 1329; e.g. ERNOUT : „la trompette guerrière sonnant parmi les astres éveille Mars“ ). Die erste Deutung wirft die Frage nach dem Kasus auf. PETERSMANN 86 ad loc. plädiert für einen poetischen Dativ der Richtung. Der kommt allerdings meist nur in der Variante caelo vor ( cf. Sat. 83,3 aquila ferebat caelo sublimis Idaeum, und Bd. I, S. 72 ad loc.). Gerade bei den „Sternen“ erwartet man einen Akk. der Richtung ( cf. BC 147 ad sidera … tollit sc. locum ; 155 intentans … manūs ad sidera, und e.g. Verg. Aen. 2,222 clamores … ad sidera tollit ).

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Für einen abl. sep. spräche BC 265-270, wo die Götter tatsächlich vom Himmel herabfahren ( in ihren Reihen Mavortius ). Die dritte Möglichkeit, die Ortsangabe, schließt bestens an 134 caelum furit an und belässt die beiden parallelen Ereignisse im Himmel, von wo die Trompete auch sonst meist erschallt ( cf. Verg. Aen. 8,526; Tib. 2,5,73; Ov. met. 15,784 ; Plin. nat. 2,148; alle zit. zu BC 134 ). – Nicht ausschließen lässt sich eine kleine Enallage: sideribus tremefactis, „in den erbebenden Gestirnen“ ( cf. Ps.-Sen. Herc. Oet. 1574 f. tuo vultu tremefacta … astra, „… erschüttert von deinem Anblick“ ). 135-136 iamque Aetna voratur | ignibus insolitis et in aethera fulmina mittit : „schon wird auch der Ätna verschlungen von seltsamen Feuern und schleudert Blitze wider den Äther“. Auffällige Aktivitäten des Ätna im Vorfeld der Bürgerkriege vermeldet bereits Vergil ( georg. 1,471-473 quotiens Cyclopum effervere in agros | vidimus undantem ruptis fornacibus Aetnam, | flammarumque globos liquefactaque volvere saxa ); ebenso Lukan ( 1,545-547 ora ferox Siculae laxavit Mulciber Aetnae, | nec tulit in caelum flammas, sed vertice prono | ignis in Hesperium cecidit latus, „… sondern mit vornüber kippender Zunge lappte das Feuer gen Italien“ – wohl ein Bild für die bald das Land erfassenden Flammen ). Dank der eingestreuten Namen ( Cyclopes bzw. Mulciber ) bleibt bei Vergil wie Lukan der mythische Hintergrund präsent : die kyklopischen Waffenschmiede haben ihre Feuer wieder angefacht ( cf. Verg. georg. 4,170-175; Aen. 8,416-453; s. auch Cic. div. 2,43; Ov. fast. 4,287f., und F. BÖMER ad loc.; App. Verg. Aetna 37-40 ). Von einer heftigen Eruption des Ätna 44 v.Chr. berichtet Livius ( 116 frg. 57 tanta flamma ante mortem Caesaris ex Aetna monte defluxit, ut non tantum vicinae urbes, sed etiam Regina civitas afflaretur ; laut CONNORS 1989, 102 spiele Lukan auf Livius an – und übertrage das Vorzeichen bewusst von Caesars Tod auf seinen Einmarsch in Italien ). Auch im Mythos verkündet der Ätna künftiges Unheil ( Claudian rapt. 2,7f. ter conscia fati | flebile terrificis gemuit mugitibus Aetna ). Vor Cannae bricht der Vesuv aus ( Sil. Ital. 8,653655; s. auch 17,592f. ad astra | evomuit … Vesuius ignes ; Iulius Obsequens 26 mons Aetna maioribus solito arsit ignibus ). In einem Detail weicht das BC von Lukan ab. Während bei Lukan die Feuerzungen zur Seite ‚kippen‘ ( 1,546f. nec tulit in caelum flammas eqs.), schießen sie im BC in den Himmel. „A daring expression, depicting the violence of the eruption, which seemed to reverse the order of nature, and dart lightnings from earth to heaven.“ ( BALDWIN 1911, 173 ). Denn keine flammae zucken empor, sondern fulmina – wie die Kyklopen sie im Ätna

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für Juppiter schmieden ( cf. Aen. 8,426f. ): Juppiters eigene Waffen attackieren sein Reich ( zum aggressiven Unterton von in aethera hier cf. Lukan 8,149 infestae tenduntur in aethera dextrae ; s. auch Ps.-Sen. Herc. Oet. 285f. quis ignis tantus in caelum furit | ardentis Aetnae ? ). Eine neue Gigantomachie liegt in der Luft, und damit Bürgerkrieg ( cf. CONNORS 1998, 119f. ). Einen zweiten Aufstand der Giganten oder eine Rebellion des Hades fürchtet Juppiter angesichts eines Ätnaausbruchs ( App. Verg. Aetna 203-206 ipse procul tantos miratur Iuppiter ignes, | neve sepulta novi surgant in bella Gigantes eqs.; s. auch ebd. 54 f. ). Manilius ‚entmythologisiert‘ das Szenario ( 1,854 penetrant terras Aetnamque minantur Olympo, „die kosmischen Feuer durchdringen die Erde und drohen vom Ätna aus dem Olymp“ ). Nicht zuletzt erinnern die Flammen an den unter dem Ätna gefangenen Riesen Typhoeus, den Juppiter in der Gigantomachie mit einem Blitz niederstreckte, und der immer wieder Eruptionen verursacht ( cf. Hor. c. 3,4,73-76, bes. 75f. nec peredit | impositam celer ignis Aetnen ; Ov. met. 5,346358; Pont. 2,10,23f.; Manil. 2,877-880; App. Verg. Aetna 71-73; Val. Flacc. 2,23-33 ). Die beiden Verse lassen dezent Vergils Ekphrasis des Ätna anklingen ( Aen. 3,571-582 ; cf. N. HORSFALL ad loc.): horrificis … tonat Aetna ruinis, | interdumque atram prorumpit ad aethera nubem | turbine fumantem piceo et candente favillā, | attollitque globos flammarum et sidera lambit … fama est Enceladi semustum fulmine corpus | urgeri mole hac, ingentemque insuper Aetnam | impositam ruptis flammam exspirare caminis eqs. ( den Ätna schildern auch Pind. Pyth. 1,19-24 ; Sen. ep. 79,2-6; Sil. Ital. 14,58-69; Apul. mund. 365 ; Claudian rapt. 1,153-178; Aug. civ. Dei 3,31; s. auch Gell. 17,10,8-19; Macrobius sat. 5,17,8-14 ; seine ‚Physik‘ diskutieren Lucr. 6,680-702; Ov. met. 15,340-355, bes. 15,352-355 zum ‚sich selbst verzehrenden‘ Vulkan ; App. Verg. Aetna ; ferner SETAIOLI 2000, 199f. ). Die Junktur ignes insoliti hat eine ferne Parallele Sen. nat. 7,1,5 rarus et insolitae figurae ignis apparuit ( bei manchen Kometen „zeigte sich ein seltener Feuerschein von ungewöhnlicher Gestalt“; s. auch benef. 6,36,1 Aetna inmensam ignium vim super solitum ardens ). Zu insolitis cf. BC 179f. horrendi nemoris de parte sinistrā | insolitae voces flammā sonuere sequenti ; Sat. 136,6,5 planctibus insolitis ; Verg. georg. 1,475 insolitis tremuerunt motibus Alpes. Die Junktur fulmina mittere ( „ein Vorrecht Juppiters“; POLETTI 2017, 344 ) ist seit Lukrez ( 2,1101 u.ö.) und Varro belegt ( Men. 54 Astb.), auch bei Vergil ( Aen. 9,733 micantia fulmina mittit, in gleicher metrischer Position; für weitere kaiserzeitliche Belege cf. GUIDO 1976, 161 Anm. 382 ). Zu dem Gräzismus aether ( auch Sat. 136,6,4 ), zumal im Akk. aethera, cf. CAVALCA 2001, 27f.

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Onomatopoetische Alliterationen ( ign- in- in ), die Paronomasie Aetna – aethera, und nicht zuletzt die fünf Daktylen BC 136 ( einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions; cf. YEH 2007, 243-246, bes. 244 ) untermalen den Ausbruch. Die gehäuften i-Laute bilden die Blitze ab. 137-138 ecce inter tumulos atque ossa carentia bustis | umbrarum facies diro stridore minantur : „Da, inmitten von Gräbern und Gebein, das keinen Scheiterhaufen kennenlernte, drohen Schattengestalten mit schauerlichem Gezisch.“ Auch Vergil und Lukan verzeichnen Totengeister unter den Omina des Bürgerkriegs. Bei Vergil gehen sie nächtens um: vox quoque per lucos vulgo exaudita silentīs | ingens, et simulacra modis pallentia miris | visa sub obscurum noctis ( georg. 1,476-478; cf. S. 1095 ). Lukan erwähnt Waffenlärm und unheimliche Stimmen in Hainen; Gebeine stöhnen in ihren Urnen, Geister kämpfen ( 1,568-570 compositis plenae gemuerunt ossibus urnae. | tunc fragor armorum magnaeque per avia voces | auditae nemorum et venientes comminus umbrae ), ja Sulla und Marius entsteigen ihren Gräbern ( 1,580-583 e medio visi consurgere Campo | tristia Sullani cecinere oracula manes eqs.). Ähnliches trägt sich vor Pharsalos zu: die Soldaten sehen die Geister toter Verwandter ( 7,177-180 mirantur … defunctos … patres et iuncti sanguinis umbras | ante oculos volitare suos ); in den Albträumen nach der Schlacht kehren sie wieder ( 7,769-786 ). Treiben böse Vorahnungen die Toten um ? Oder sind in diesen Gespenstern die Toten des künftigen Bürgerkriegs zu sehen ( cf. 1,570 venientes comminus umbrae, „Schatten, die handgemein werden“ ) ? Überhaupt sind Krisen- und Kriegszeiten empfänglich für Nachrichten von bedrohlichen Geistwesen. Vor Cannae träumen die Römer, die Geister der Gallier sprengten ihre Gräber ( Sil. Ital. 8,641f. ludificante … terroris imagine somnos | Gallorum visi bustis erumpere manes ; s. auch 12,547-550 ante oculos adstant lacerae trepidantibus umbrae eqs.). Zu den Vorzeichen der Catilinarischen Verschwörung gehören „schreckliche Schemen, die Krieg und Chaos verkündeten“ ( Cic. Cons. frg. 10,26f. FLP variae nocturno tempore visae | terribiles formae bellum motūsque monebant ; cf. E. COURTNEY ad loc.; A.S. PEASE p. 110 ad Cic. div. 1,18 ). Vor Caesars Ermordung dringen aus heiligen Hainen Gesänge und Drohungen, und Geister wandern umher ( Ov. met. 15,792f. cantūsque feruntur | auditi sanctis et verba minantia lucis ; 15,797f. umbrasque silentum | erravisse ferunt ; cf. SHAKESPEARE, Julius Caesar, 2. Akt, 2. Szene, V. 18-24 : „Graves have yawned and yielded up their dead … and ghosts did shriek and squeal about the streets.“ ). Auch mythische Erzählungen greifen das Motiv auf. Während der Pest zu Theben gehen riesenhafte Phantome um ( Sen. Oed. 174 f. vaga per lucos

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| simulacra virum maiora viris ). Vor dem Bruderkrieg um Theben ertönen

„furchteinflößende Stimmen aus Heiligtümern“, Geister und „weinende Ahnen“ erscheinen ( Stat. Theb. 7,407 terrificae … adytis voces ; 7,409 subiti manes flentumque occursus avorum ; cf. 4,438-441; 12,284 f., zu den Geistern der Gefallenen auf dem Schlachtfeld ). In dem uralten Hain zu Mykene, in dem Atreus Thyests Kinder opfert, hört man nachts Unterweltsgötter und Manen; Tote gehen um ( Sen. Thy. 668-679 hinc nocte caecā gemere feralīs deos | fama est, catenis lucus excussis sonat | ululantque manes. … errat antiquis vetus | emissa bustis turba eqs.). Nach Jesu Tod steigen „viele Leiber der entschlafenen Heiligen“ ( πολλὰ σώματα τῶν κεκοιμημένων ἁγίων ) aus ihren Gräbern und zeigen sich in Jerusalem ( NT Mt 27,52 f. ), als Zeichen für die nahe Endzeit. Solche Macht über den Tod beansprucht auch die Magie ( Ov. met. 7,205f. iubeo … manes … exire sepulcris, und F. BÖMER ad loc.). Zu ossa carentia bustis cf. Verg. Aen. 12,36 campi … ingentes ossibus albent ( und R. TARRANT ad loc.: „an emotively powerful detail (…) the fields are white with the bones of warriors who have been left unburied“, mit Parallelen ); Lukan 6,626 corpora caesorum tumulis proiecta negatis ( „die hingestreckten Leiber Erschlagener, denen man ein Grab verweigert hatte“ ); Stat. Theb. 1,36f. tumulis … carentia regum | funera ( „Leichen von Königen, die keine Bestattung erfuhren“ ). Gräber und unbestattete Gebeine liegen auch vor Troja Seite an Seite ( Sen. Tro. 893-895 tumulos ducum | et nuda totis ossa quae passim iacent | inhumata campis ). „Petronius here brings upon the scene the shades both of the duly buried, and the unburied, dead. The latter would be by far the more malignant, but the presence of the former would be the greater prodigy.“ ( BALDWIN 1911, 173f. ). umbrarum facies : Zu facies als „Aussehen, Gestalt, Erscheinung“ cf. OLD s.v. 5: „a body, etc., with respect to its outward appearance, form ( esp. as seen in dreams or visions ).“ Vergil hegt eine Schwäche für diese Verwendung ; cf. Aen. 7,448 tanta … se facies aperit, „eine solche Erscheinung offenbarte sich“ ( Allecto), und C.J. FORDYCE bzw. N. HORSFALL ad loc.; ferner u.a. Aen. 1,658 faciem mutatus et ora Cupido ; 3,310 verane te facies … adfers ?, „zeigst du dich als wahre Erscheinung ?“; 5,722 f. caelo facies delapsa parentis | Anchisae ; 6,575 ( Tisiphone ); 8,194 semihominis Caci facies … dira ; 8,298 nec te ullae facies sc. terruerunt, „nicht schreckten dich irgendwelche Erscheinungen“; 12,416 Venus obscuro faciem circumdata nimbo. – Die Junktur umbrarum facies ist singulär ( Thes. VI 1, 45,60 ). diro stridore : Zum ( oft theriomorphen ) Heulen oder Zischeln der Geister cf. u.a. Ilias 23,100f. ψυχὴ … τετριγυῖα, die wie eine Fleder-

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maus „schrill schreiende Seele“; Od. 11,605f. ἀμφὶ δέ μιν κλαγγὴ νεκύων ἦν οἰωνῶν ὥς, | πάντοσ᾿ ἀτυζομένων, „um ihn war ein Geschrei der Toten, so wie von Vögeln, die nach allen Seiten flüchteten“ ( übers. W. SCHADEWALDT ); 24,5 ταὶ δὲ τρίζουσαι ἕποντο, „die Seelen aber folgten schwirrend dem Psychagogen Hermes “ ); Accius trag. 57 R.3 cum striderat retracta rursus inferis ; Verg. Aen. 6,492f. pars tollere vocem | exiguam ; 6,709 strepit omnis murmure campus ; Lukan 6,622 f. nec … auribus incertum feralis strideat umbra ( „nicht zischle ein finsterer Schatten den Ohren Unverständliches“ ); Stat. Theb. 7,770 strident animae ; 9,298f. flebilis umbra | stridebit … inhumatus ; Claudian c. 3,126f. illic umbrarum tenui stridore volantum | flebilis auditur questus ; cf. STRAMAGLIA 1995, bes. 200 zu strid(e)o ; ders. 1999, 44-47 und 297 ( und Anm. 6 ). Zum zugrundeliegenden Bild der Seele als Vogel cf. DODDS 1951, 141 und 162 Anm. 38. – Die Junktur dirus stridor ist singulär ( Thes. V 1, 1272,59 ). Die gehäuften i -Vokale malen das ‚grausige Zi schen‘ nach ( s. auch Sat. 136,4 impetum in me faciunt sc. anseres foedoque ac veluti rabioso stridore circumsistunt trepidantem ). 139 fax stellis comitata novis incendia ducit : „ein Komet, begleitet von neuen Gestirnen, zieht eine Feuerschleppe“. Kometen und Meteore galten zumeist als Vorboten großer Ereignisse ( auch wenn für aufgeklärte Geister solche Vorstellungen an Aberglauben grenzten; cf. Sen. nat. 7,1,5 ). Sie konnten von guter Vorbedeutung sein wie das berühmte sidus Iulium, das im Juli 44 sieben Nächte lang Octavians Leichenspiele zu Ehren seines Adoptivvaters beleuchtete ( cf. Verg. ecl. 9,47 Caesaris astrum ; Aen. 8,681 patrium … sidus ; Hor. c. 1,12,47 Iulium sidus, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Prop. 4,6,59f., und G.HUTCHINSON ad loc.; Ov. met. 15,746-750 Caesar … quem … in sidus vertere novum stellamque comantem eqs.; 15,843-851; Plin. nat. 2,93 f.; Suet. Iul. 88; Plut. Caes. 69,4 ). Man deutete den Kometen als Caesars Seele, die in den Kreis der Götter aufsteigt – was seiner späteren Apotheose den Weg bereitete ( cf. WEINSTOCK 1971, 370-384 ). Weitaus häufiger jedoch brachten sie schlechte Nachricht und kündigten Aufruhr an, Krieg, Bürgerkrieg ; cf. u.a. Tib. 2,5,71 belli mala signa cometen ( und K.F. SMITH bzw. P. MURGATROYD ad loc.); Manil. 1,892921 talia significant lucentes saepe cometae : | funera cum facibus veniunt, terrisque minantur | ardentīs sine fine rogos (…) quin et bella canunt ignes subitosque tumultūs | et clandestinis surgentia fraudibus arma (…) civilīs etiam motūs cognataque bella eqs.; Sen. nat. 7,17,3 omen prae se futuri sanguinis ferunt ; Claudian c. 26,243248; rapt. 1,235f. crine minaci | nuntiat … urbibus hostes ; Servius Aen. 10,272 ( II, 422, 4 f. Thilo) seditiones domesticas significat ; ebd. ( II, 422, 24 -27 Thilo)

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orbi terrarum caedes, rapinas, bella et cetera mala significat ; GOETHE, Götz von Berlichingen ( 4. Akt ; Sämtl. Werke I. 4, hrsg. von D. Borchmeyer, Frankfurt 1985, 368 ): „Schon seit acht Tagen läßt sich ein fürchterlicher Komet sehen, und ganz Deutschland ist in Angst, es bedeute den Tod des Kaisers, der sehr krank ist.“ Berühmt wurde auch der Komet zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges ( 1618 ). So geschehen vor Cannae ( Sil. Ital. 8,636 f. non unus crine corusco … rubuit letale cometes ; cf. 8,650 f. ), anlässlich des bellum Octavianum 87 v.Chr. ( Cic. nat. 2,14 magnarum … calamitatum praenuntiae ), vor Catilinas Staatsstreich ( Cic. Catil. 3,18 visas nocturno tempore ab occidente faces ardoremque caeli ; Cons. frg. 10,20-22 FLP Phoebi fax, tristis nuntia belli eqs.; cf. A.S. PEASE, Cic. div. 1,18 ad loc.), vor dem Bürgerkrieg nach Caesars Ermordung ( Verg. georg. 1,488 diri totiens arsere cometae, und M. ERREN ad loc.; Ov. met. 15,787 ), aber auch beim Untergang von Varus’ Legionen ( Manil. 1,898-902 ). Verbreitet ( und hier durchaus passend ) war die Vorstellung, Kometen kündigten radikale Veränderungen der Herrschaftsverhältnisse an; cf. u.a. Lukan 1,529 terris mutantem regna cometen ; Val. Flacc. 6,607f. irato … vocati | ab Iove fatales ad regna iniusta cometae ; Stat. Theb. 1,708 quae mutent sceptra cometae ; Sil. Ital. 8,636 f. crine corusco, | regnorum eversor, rubuit letale cometes ; Suet. Claud. 46 ; Juv. 6,407f. ( und E. COURTNEY ad loc.). Anlass zu solchen Hoffnungen gab ein Komet während Neros Regentschaft ( 60 n.Chr.; cf. Calpurn. Sic. 1,83; Ps.-Sen. Oct. 231-237, und A.J. BOYLE ad loc.; Tac. ann. 14,22,1 sidus cometes effulsit, de quo vulgi opinio est, tamquam mutationem regis portendat ; Suet. Nero 36,1 stella crinita, quae summis potestatibus exitium portendere vulgo putatur, per continuas noctes oriri coeperat ). Als Vorboten des Bürgerkriegs zwischen Caesar und Pompeius erwähnen sie u.a. Plinius ( nat. 2,92 ), Cassius Dio ( 41,14,3; s. auch 45,17,4 ), und v.a. Lukan ( 1,526-529 ): ignota obscurae viderunt sidera noctes | ardentemque polum flammis caeloque volantes | obliquas per inane faces crinemque timendi | sideris et terris mutantem regna cometen ( cf. P. ROCHE ad loc.). Zwischen Lukan und der Passage hier bestehen Parallelen. Lukan schildert ‚unbekannte Gestirne‘ ( ignota sidera ; lt. P. ROCHE ad loc. summarisch für die in Folge aufgeführten astronomischen Phänomene ; s. hier die stellae novae ), einen Himmel in Flammen ( ardentem … polum flammis ), eine Kometenschar ( volantes … faces, „fliegende Fackeln“ ), und einen besonderen Kometen mit auffälligem Schweif : einen ‚Haarstern‘ ( crinem timendi sideris ). Das BC komprimiert Lukans Liste auf einen Kometen, den „neue Gestirne“ begleiten. Beschreiben diese den Schweif des Kometen ( was die Verschränkung fax stellis comitata novis andeuten könnte; so e.g. EHLERS : „Seltsam zieht ein Komet seinen Weg, mit feurigem Sternschweif“ )?

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Oder meinen die „neuen Sterne“ separate Phänomene ( so die meisten Übersetzer ; K.F. SMITH ad Tib. 2,5,71 deutete die stellae hier als Sternschnuppen )? Lukans Kometenschwarm spricht für die zweite Deutung. Die incendia hingegen dürften den Schweif des Kometen beschreiben ( oder im Fall eines Meteors die leuchtende Lichtspur, die er in der Atmosphäre hinterlässt, die sog. Coma ; so u.a. BALDWIN 1911, 174 : „the blazing tail of the comet“; s. auch Ov. met. 15,849f. flammiferum … trahens spatioso limite crinem | stella micat ). Zu ducere in Verbindung mit Kometen cf. Lucr. 2,206 f. nocturnas … faces … longos flammarum ducere tractūs, „die nächtlichen Fackeln ziehen lange Flammenbahnen“; Verg. Aen. 2,694 ( unten zit.); 5,528 crinem … volantia sidera ducunt ( s. auch Sen. nat. 7,11,3 novam sideris faciem circa se dissipatum ignem trahentis ; Sat. TH 54 f. Phoebe … minora ducens astra radianti face ). Zugleich weist das Stichwort incendia noch in eine andere Richtung. Zwischen den Zeilen lässt das singuläre incendia ducere ( Thes. VII 1, 863, 23 f. ) metaphorisch die Auswirkungen jenes Kometenschwarms anklingen ( cf. OLD s.v. incendium 3 a: „( in fig. context ): (of outbreaks of hostility, violence, or sim.)“; cf. BC 215f. arma, cruor, caedes, incendia totaque bella | ante oculos volitant ; 262f. flagranti | stipite … terris incendia portat, und S. 1326 ad loc.) – vielleicht sogar konkret ; denn kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs wütete in Rom eine verheerende Feuersbrunst ( cf. Iulius Obsequens 65 incendium, quo maxima pars urbis deleta est, prodigii loco habitum. inter Caesarem et Pompeium bella civilia exorta ; Orosius hist. 6,14,5; 7,2,11; zit. GRIMAL 1977, 130-133 ). Zur O p t i k jener Phänomene cf. u.a. Verg. georg. 1,365-367 stellas … videbis | praecipitīs caelo labi, noctisque per umbram | flammarum longos a tergo albescere tractūs ( Sternschnuppen verglühen in „langen Flammenbahnen“ ); Aen. 2,693 f. de caelo lapsa per umbras | stella facem ducens multa cum luce cucurrit ; Sil. Ital. 1,461-464 crine … flammifero … cometes | sanguineum spargens ignem ; vomit atra rubentes | fax caelo radios, ac saevā luce coruscum | scintillat sidus. Zum feurigen ‚Haar‘ der Kometen cf. Lukan 1,528 f. crinem … sideris ; Servius Aen. 10,272 ( II, 421, 22 f. Thilo) stella … obliquam facem post se trahens quasi crinem facit ; ebd. ( II, 422, 18 f. Thilo) comis hinc inde cingitur. Trotz der gelegentlichen Unterscheidung alter Quellen zwischen cometes und fax (cf. OLD s.v. făx 3a, 4 a ; Cic. nat. 2,14, und A.S. PEASE ad loc.) beschreiben beide Wörter (wie auch bolis und lampas ; cf. OLD s.v. lampas 3 ) Kometen wie Meteore ( cf. Thes. VI 1, 404,9-39 ). Typologien dieser Himmelskörper verdanken wir u.a. Manilius ( 1,809-926 ), Seneca ( nat. 7 ), Plinius ( nat. 2,89-96 ) und Servius ( Aen. 10,272 == p. 421-423 Thilo);

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s. auch A.S. PEASE ad Cic. div. 1,18 passim; N. HORSFALL ad Aen. II, p. 481f. Zu fax stellis comitata cf. Sat. 100,1 luna innumerabilibus comitata sideribus ; Thes. III, 1815,29-31. COM i T ata spielt vielleicht mit dem hier ausgesparten ‚wissenschaftlichen‘ Namen jener Himmelskörper, COM e T es – und damit vielleicht mit der Etymologie des Wortes cometes von coma, „Haar“ ( cf. griechisch κομήτης – κόμη ). Anders CONNORS ( 1998, 122 Anm. 55 ): „Eumolpus devises an alternative etymology for cometes from the verb comitor ( „accompany“ ) with a pun on the participle comitata.“ 140 sanguineoque recens descendit Iuppiter imbre : „und blutig steigt in frischen Schauern Juppiter hernieder“. Der Katalog der Vorzeichen ( 126-140 ) endet markant mit einem chiastischen ‚versus aureus‘ ( sanguineoque recens d e s c e n d i t Iuppiter imbre ; cf. S. 846f. ), und mit Blut, das die Erde tränkt – wie in Discordias Appell ( 294 Thessalicosque sinūs Romano sanguine tingue ). Als indogermanische Wettergottheit manifestiert sich Juppiter in einer ihm genuinen Gestalt als rötlicher Regen, der bildhaft das bald in Strömen fließende Blut vorwegnimmt ( zu Juppiters Metamorphose als Goldregen cf. Sat. 137,9,3f., und ad loc.; Iuppiter steht hier aber auch metonymisch für caelum, wie e.g. Verg. georg. 2,419 maturis metuendus Iuppiter uvis ; Hor. c. 1,1,25 sub Iove frigido ; Varro ling. 5,67 ). Die Vorstellung geht auf die Ilias zurück, in der Zeus „aus der Höhe blutbesudelten Tau herabsandte ( ἐέρσας | αἵματι μυδαλέας ), aus dem Äther, denn er hatte im Sinn, viele kraftvolle Häupter dem Hades vorzuwerfen“ ( 11,53-55 ). Während Homers ‚Bluttau‘ in der griechischen Literatur kaum Nachahmer fand, zitiert ihn Vergil für Turnus’ Schlachtross ( Aen. 12,339 f. spargit rapida ungula rores | sanguineos mixtāque cruor calcatur harenā ). Auch Silius verbindet den Blutregen ( wie Homer und das BC ) mit Juppiter ( 15,363-365 sereno | sanguineos fudit … Iuppiter aethere rores | atque atris arma adspersit non prospera guttis, als böses Omen; s. auch Minucius Felix 23,4 Iovem narrat … Sarpedonem filium … cruentis imbribus flere sc. Homerus; cf. Ilias 16,459-461 ). Blutregen gehört zu den Prodigia vor dem thebanischen Krieg ( Stat. Theb. 7,408 nunc sanguineus, nunc saxeus imber ). Doch vor allem als Metapher in Schlachtbeschreibungen wird er ein Markenzeichen des flavischen Epos ( u.a. Val. Flacc. 6,186f. thorax erigit imbres | sanguineos ; Stat. Theb. 1,437 f. lacera ora putresque | sanguineo … imbre genas ; 5,597 f. rapta cutis, tenvia ossa patent nexūsque madentes | sanguinis imbre novi ; 10,479; cf. Lukan 6,224 f. imbre cruento | informis facies ).

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Als Vorzeichen von Unruhen und Kriegen kennt ihn Cicero ( div. 1,98 saepe lapidum, sanguinis non numquam, terrae interdum, quondam etiam lactis imber defluxit, und A.S. PEASE ad loc.; cf. nat. 2,14 guttis imbrium quasi cruentis, und OLD s.v. imber 2b: „( applied to supernatural downpours )“ ). Er fällt auch vor Caesars Ermordung ( Ov. met. 15,788 saepe inter nimbos guttae cecidere cruentae ; für weitere historische Beispiele cf. Liv. 24,10,7; 39,46,5; 40,19,2; Appian b.civ. 2,144 ; Cassius Dio 51,17,4 ; Claudian c. 18,4 f. nimbo … minacem | sanguineo rubuisse Iovem ; GOETHE, Faust II, 10860: „Vom Himmel fällt ein Stein, dem Feinde regnets Blut“ ). Das Phänomen ist gut bezeugt. Unter besonderen meteorologischen Bedingungen werden Unmengen oxidierten Feinstaubs aus der Sahara übers Mittelmeer geweht und vom Regen aus der Luft gewaschen. Ähnliches ahnte bereits Cicero ( div. 2,58; cf. Plin. nat. 2,147 ): decoloratio quaedam ex aliquā contagione terrenā maxume potest sanguini similis esse ( er schließt eine psychologische Beobachtung an: atque haec in bello plura et maiora videntur timentibus ; eadem non tam animadvertuntur in pace ). Ein verwandtes portentum, blutige Brunnen, gehört zu den Vorzeichen des Bürgerkriegs 44-30 v.Chr. ( Verg. georg. 1,483-485 nec tempore eodem … puteis manare cruor cessavit ). Vor Pharsalos strömt Blut durch den thessalischen See Böbeis ( Lukan 7,176 ire per Ossaeam rapidus Boebeida sanguis ). Blutrote Flüsse künden von Krieg und Aufruhr ( Cic. div. 1,97 f. magna populo Romano bella perniciosaeque seditiones denuntiabantur … cum fluvius Atratus sanguine fluxit ; 1,99 initio belli Marsici … sanguinem fluxisse ). Die Junktur imbre descendere ist klassisch nur noch bei Vergil belegt ( ecl. 7,60, unten zit.; georg. 2,325f. fecundis imbribus Aether | coniugis in gremium laetae descendit ). recens : Nicht das seltene Adverb liegt hier vor, „lately, recently, just“ ( OLD s.v. recens 2 ; „und gerade jetzt steigt in blutigen Schauern Juppiter hernieder“; cf. GRIMAL : „Jupiter s’abat brusquement dans une averse sanglante“ ), sondern das Adjektiv ( wie auch sonst in den Sat.: 111,5 recens cadaver ; 113,9 recentem cicatricem ; 134,7 recens bustum ; cf. OLD s.v. recens 1 3b: „(of blood ) newly shed“, auch ad loc., und e.g. Catull 63,7 recente terrae sola sanguine maculans ; Ov. met. 4,504 sanguine … recenti ), am ehesten für Juppiters ‚Blut‘ : „und in blutigen Schauern steigt frisch vergossen Juppiter hernieder“. Die Enallage (~ sanguineus recenti descendit Iuppiter imbre ) hat vergilische Vorbilder ( ähnlich POLETTI 2017, 346f. ): ecl. 7,60 Iuppiter … laeto descendet plurimus imbri (~ laetus descendet plurimo imbri ), und Aen. 9,455f. tepidā … recentem | caede locum (~ tepidum recenti caede locum, „warm von frischem Mord die Stätte“; cf. P. HARDIE bzw. J. DINGEL ad loc.; diskreter Aen. 6,674 prata recentia rivis, „Wiesen, von Bächen erfrischt“ ).

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141 – 143 Caesar verlässt Gallien 141 haec ostenta brevi solvit deus : „diese Vorzeichen löste die Gottheit binnen Kurzem ein“. Mit der namenlosen Gottheit dürfte kaum Iuppiter gemeint sein ( so STUBBE 79 ), der bereits interveniert hatte ( BC 122-125 ) und gerade zur Erde hinabgestiegen war ( 140 recens descendit ), auch nicht – in einer launigen Prolepse – Caesar (cf. 290 dive ), geschweige denn Sol ( 128 Titan ), Luna ( 130 Cynthia ) oder Mars ( 134 ), sondern am ehesten, als federführende Instanz, Fortuna ( cf. 108 f. destruet istas | idem, qui posuit, moles deus, und S. 1067f. ad loc.). Zu solvere cf. OLD s.v. 20: „to acquit oneself of, discharge, fulfil ( a vow, promise, or sim.)“; zu brevi ( sc. tempore ) cf. OLD s.v. breuis 6: „after the lapse of, or within, (only ) a short space of time, soon ( after )“. In der Dichtung bleibt es selten ( cf. POLETTI 2017, 348; er zitiert zwei sachlich verwandte Passagen: Ov. Pont. 3,4,98f. iam pondus dices omen habere meum. | crede, brevique fides aderit ; Tac. hist. 2,78,2 Iudaicae victoriae decus implesse fidem ominis videbatur, „der ruhmreiche Sieg in Judäa schien die Gültigkeit des Vorzeichens erhärtet zu haben“ ). 141-142 exuit omnes | quippe moras Caesar : „Denn alle Zurückhaltung ließ Caesar fallen“. Mit ähnlichen Worten beschreibt Lukan Caesars Auftritt am Rubikon ( 1,204 f. ): inde moras solvit belli tumidumque per amnem | signa tulit propere. Im BC sieht es fast so aus, als habe allein Caesar die göttlichen Vorzeichen wahrgenommen – und sich in seinem Entschluss bestärken lassen ( GRIMAL 1977, 179 ). Das Enjambement ( unterstrichen von der bukolischen Dihärese ) zeigt das ‚Abschütteln‘ aller Hemmungen. Über die rein zeitliche Dimension hinaus ( e.g. HOLZBERG : „Denn es brach Caesar jedes Verweilen ab“ ) hat die singuläre Junktur moras exuere eine psychologische Komponente ( wie der Imperativ rumpe moras ; e.g. Verg. Aen. 9,13 rumpe moras omnīs et turbata arripe castra ; Ov. met. 15,583f. rumpe moras portasque intrare patentes | adpropera ; Lukan 2,524 f. ). Moras meint hier konkret „his hesitation about beginning the war ( cf. 158f. testor, ad has acies invitum accersere Martem, | invitas me ferre manus )“ ( BALDWIN 1911, 175 ). Auch Curio verwendet das Nomen, wenn er Caesar vom strategischen Nutzen eines ‚Erstschlags‘ zu überzeugen sucht ( Lukan 1,280f. dum trepidant nullo firmatae robore partes, | tolle moras ). Zu übertragenem exuere cf. Cic. Lig. 14 nonne omnem humanitatem exuisses ? ; Liv. 27,8,6 repente exuit antiquos mores ; Sen. dial. 12,16,2 amissis filiis

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inposita lugubria numquam exuerunt sc. quaedam feminae ; Tac. ann. 2,85,4 cederent Italiā sc. Aegyptii, nisi … profanos ritūs exuissent ( „… ihren gottlosen Bräuchen abgeschworen hätten“ ); 11,20,2 ut … miles otium exueret eqs.; Thes. V 2, 2115,51-57 ( „fere i.q. omittere, finire sim.“ ); OLD s.v. 5a: „to put aside, throw off ( characteristics, habits, etc.)“. 142 vindictaeque actus amore : „und getrieben vom Verlangen nach Rache …“. In den historischen Quellen ist von Rache als Motiv Caesars so gut wie nie die Rede ( cf. Suet. Iul. 30,1 conventibus … peractis Ravennae substitit, bello vindicaturus si quid de tribunis plebis intercedentibus pro se gravius a senatu constitutum esset ; zit. STUBBE 128 ). Sie passt auch nur bedingt zu seiner demonstrativen clementia politischen Gegnern gegenüber ( die selbst Lukan nicht völlig verschweigt ; cf. bes. 2,512-515; 4,363f., und AHL 1976, 192-197 ). Im BC wird Caesar dieser Deutung bald widersprechen ( 158f. ad has acies invitum accersere Martem, | invitas me ferre manūs ). Auch Lukan unterstellt dieses Motiv Caesar nur einmal. Pompeius’ Tod habe ihn wohl verärgert – raubte er ihm doch die Möglichkeit, sich auf dem Schlachtfeld an ihm zu rächen ( 9,1053-55 quereris … perisse | vindictam belli raptumque e iure superbi | victoris generum ). Zweimal legt er den Begriff Pompeius in den Mund. Seine Soldaten rächten Caesars Verbrechen ( 2,531 o scelerum ultores eqs.). Und keinen gewöhnlichen Krieg führe man; hier tobe der „Zorn des Vaterlands, das sich rächt“ ( 2,539 f. neque enim ista vocari | proelia iusta decet, patriae sed vindicis iram ). Das Attentat auf Caesar bezeichnet Lukan als „Strafe für den Bürgerkrieg und Rache des Senats“ ( 10,340 poena … civilis belli, vindicta senatūs ). Die Junktur amor vindictae (cf. Sat. 95,7 occasionem vindictae ; Sen. contr. 9,1,6 ardet cupiditate vindictae animus ) scheint so singulär wie das alliterierende actus amore. Zur Konstruktion agi aliquā rē ( + Genetivattribut ) cf. Lukan 4,348 non partis studiis agimur, „nicht treibt uns Liebe zu einer der Kriegsparteien“; Colum. 10,198 stimulis … Cupidinis actus. 143 Gallica proiecit, civilia sustulit arma : „… warf er die gallischen hin, ergriff er des Bürgerkriegs Waffen.“ Bei Vergil beschwört Anchises Caesar vergebens, keinen Bürgerkrieg zu beginnen und die Waffen ruhen zu lassen ( Aen. 6,834 f. tuque prior, tu parce, genus qui ducis Olympo, | proice tela manu ! ). SYME verstand diese Verse zurecht als Verurteilung Caesars ( 1939, 317 : „Save for that veiled rebuke, no word on Caesar in all the epic record of Rome’s glorious past.“ ). Vor diesem Hintergrund liest sich der Vers hier ( auch dank des Verbs ) wie

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eine Antwort auf Anchises’ fruchtlose Mahnung. Denn wenn Caesar „von den Alpen herabeilt“ zum Kampf mit Pompeius ( Aen. 6,830 f. aggeribus socer Alpinis … descendens ), ‚legt‘ er die ‚Waffen‘ eben n i c h t ‚nieder‘ – er zieht vom ‚Gallischen‘ in den ‚Bürgerkrieg‘ ( zu arma in der Bedeutung „Krieg“ cf. OLD s.v. 6a ). Das epische Zitat entlarvt Caesars fatalen Weg vom außenpolitischen zum innenpolitischen Aggressor. Die Junktur arma tollere, „Krieg beginnen“, ist ausgesprochen selten und wohl poetisch; cf. Rhet. Her. 4,13 arma sustulerunt ; Ov. fast. 5,569 pia sustulit arma ; Pont. 1,8,16 in regem sustulit arma Getes ( und J.F. GAERTNER ad loc.); Lukan 2,374 tolli feralia viderat arma ; Thes. II, 595,43-45 ( s. auch BC 32 correptis … armis ). Arma proicere hat hier nicht die reguläre Bedeutung, „die Waffen strecken“ ( cf. 126,18,1f. proiectis … armis … iaces [ FRAENKEL : taces codd. ], „mit gestreckter ‚Waffe‘ liegst du darnieder“, und Bd. IV ad loc.). Die asyndetische Fügung spiegelt den unvermittelten Übergang von Caesars Kampagne jenseits der Alpen zum Marsch auf Rom ( cf. Sen. benef. 5,16,5 a Gallia Germaniaque bellum in urbem circumegit sc. Caesar ), die Alliteration ( actus – amore – arma ) Caesars Leidenschaft für den Krieg. „Die Partie wird in sententiös-antithetischer Form zum Abschluß gebracht ( Gallica – civilia, proiecit – sustulit ).“ ( STUBBE 128 ). Das Nomen zu den Adjektiven wartet, die Spannung steigernd, am Ende des Satzes. Nach dem Präsens, das bei den Vorzeichen dominiert, markiert der Wechsel zum erzählenden Perfekt ( exuit, proiecit, sustulit ) den Beginn der Caesarepisode ( GRIMAL 1977, 151 ). Gallica … arma : Die zuerst bei Caesar belegte Junktur ( Gall. 1,22,2 ) kehrt bei Livius wieder ( 25,10,5 ; 38,17,13 ; 39,7,2 ; verbunden mit proicere 21,42,1 armis … Gallicis ante pedes eorum proiectis ), und vereinzelt in der augusteischen Dichtung ( Prop. 3,13,54 Gallica Parnasus sparsit in arma nives ; Ov. fast. 6,185f. Gallica … a Capitolino reppulit arma Iove ), meist als „Waffen der Gallier“, „gallische Krieger“ oder „gallische Angriffe“. Dass Caesar auch gallische Verbände in den Bürgerkrieg führe, wirft ihm bei Lukan Pompeius vor ( 2,535 Gallica per gelidas rabies effunditur Alpes, „gallische Berserker strömen herab von eisigen Alpen“; s. auch 1,394 f. sparsas per Gallica rura cohortes | evocat et Romam motis petit undique signis ; so bereits Sen. ep. 95, 70: zu Beginn des Bürgerkriegs verfügte Caesar über decem legiones et Gallica auxilia et mixta barbarica arma civilibus sc. armis ). Tatsächlich hob Caesar in Gallia cisalpina Truppen aus. civilia … arma : Seit der späten Republik stehen die arma civilia synonym für den „Bürgerkrieg“ ( und bisweilen die „Bürgerkriegspartei“ ); u.a.

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Cic. Marc. 14 nec ulla umquam secutus sum arma civilia ; fam. 2,16,3 me … nihil tam fugisse quam arma civilia ; Sall. hist. frg. 1,77,10 ex pace et concordia ad arma civilia ; Manil. 4,58 bene compositis … civilibus armis, „nach dem glücklichen Ende des Bürgerkriegs“; Lukan 1,44 multum Roma … debet civilibus armis ( sie brachten Nero auf den Thron ); 1,325 bella nefanda parat suetus civilibus armis u.ö.; Florus epit. 2,21,1; cf. Thes. II, 599,27-32; III, 1215,63-66.

144 – 295 KRIEGSAUSBRUCH 144 – 208 Caesars Alpenübergang Caesars Marsch über die Alpen wird zum dramaturgischen Höhepunkt des Gedichts. Eine atmosphärische Ekphrasis der lebensfeindlichen Bergwelt schafft den Rahmen ( 144-151 ). Auf der Passhöhe, dem Himmel nah, Italien vor Augen, richtet Caesar ein Gebet an Juppiter und die Saturnia tellus, das unerwartet in einen Appell an seine Soldaten übergeht ( 152176 ). Günstige Vorzeichen machen ihm Mut ( 177-182 ), und an der Spitze des Heers bricht er auf gen Italien ( 183-208 ), in einer Szene, die ominös das Schlussbild der Alpenpassage vorwegnimmt ( 183 f. fortior ominibus movit Mavortia signa | Caesar et insolitos gressu prior occupat ausūs ~ 203208 Caesar … magnam nixus in hastam | horrida securis frangebat gressibus arva eqs.). Den Aufstieg zum Pass spart der Text aus. Statt von Schwierigkeiten, wie Hannibal sie zu bewältigen hatte ( s. unten ), hören wir von gutgelaunten Soldaten ( 152 milite laeto ). Gleichwohl stimmt die düstere Ekphrasis den Leser ein auf die Strapazen, die mit dem Abstieg beginnen. Nicht von ungefähr hat er auch Züge eines Descensus, hinab in die Hölle des Bürgerkriegs. Zunächst bereitet das Gelände keine Probleme. Doch als die Marschkolonnen die Eisdecke zerstampfen, kommt es zu einer Massenkarambolage von Rössern und Reitern. Damit nicht genug, hebt ein apokalyptischer Wolkenbruch alle räumlichen Grenzen auf : Erde, Himmel, Gewässer werden eins ( 201f. victa erat ingenti tellus nive victaque caeli | sidera, victa suis haerentia flumina ripis ). Die kosmische Katastrophe, die Auflösung aller Ordnung, steht als Metapher für das kommende Unheil. ( Das erledigt die berechtigte Frage, welche Gottheit nach den verheißungsvollen Vorzeichen jenes fatale Unwetter schickt : wichtiger als ihre theologische Konsistenz ist die symbolische Kraft jener Szene.) Doch inmitten des heillosen Chaos ragt eine Figur heraus wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung – Caesar, der unerschüttert, ja gottgleich von den Alpen herabsteigt, seine von höheren Mächten abgesegnete Mission fest im Blick. Mit zwei pathetischen, fast zur Karikatur verzerrten Vergleichen, die den Imperator zum Halbgott überhöhen, verschwindet Caesar aus dem Text ( 290-292 spricht Discordia ihn kurz an ); der Krieg hat begonnen. Der Unterton, der in dem Schlussbild mitschwingt, ist unmissverständlich: Caesar wird seine Feinde zermalmen.

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Mit den historischen Tatsachen hält sich die Passage 144-208 nicht auf. Im Januar 49 weilte Caesar längst im diesseitigen Gallien und plante sein weiteres Vorgehen ( cf. Suet. Iul. 30,1; GELZER 6 1960, 170f. ; auch Caesar selbst würdigt die Alpenüberquerung in seinem Bellum civile keiner Silbe ). Begleitet war er von einer kleineren Streitmacht ; die übrigen Truppen standen noch jenseits der Alpen ( cf. Plut. Pomp. 60,1 ; Caes. 32,1 ). Überhaupt war in der späten Republik der Weg über die Alpen fast schon Routine ( im Bürgerkrieg überquerte sie Caesar auf dem Weg nach Spanien so problemlos wie auf dem Weg zurück nach Italien; cf. Lukan 3,299 agmine nubiferam rapto super evolat Alpem ; Plut. Pomp. 65,4 καὶ πάλιν ὑπερβαλὼν τὰς Ἄλπεις, „und erneut zog Caesar über die Alpen“ ). Passenderweise reserviert Lukan nur einen Vers für diese Episode ( 1,183 iam gelidas Caesar cursu superaverat Alpes ; cf. Sil. Ital. 1,65 rapidis fertur per summas passibus Alpes sc. Hannibal ). Doch von der Idee her hat das BC ein Vorbild in Vergil. Auch Vergil blendet die historischen Fakten aus und lässt Caesar „von den Alpen herab“ in den Bürgerkrieg eilen – und zeigt ihn so gleichfalls im bedrohlichen Licht eines externen Aggressors ( Aen. 6,830 f. aggeribus socer Alpinis … descendens ; cf. R.G. AUSTIN ad loc.: „Virgil is not concerned with Caesar’s actual position at the outbreak of the war“ ; s. auch NORDEN 4 1957, 330 ad Aen. 6,830 f.: „Auf einem rhetorischen ψεῦδοσ beruht die 830f. angedeutete Situation, daß Caesar sein Heer über die Alpes (maritimae) nach Italien geführt habe. Daß das Motiv in den Deklamationen vorkam, zeigt Petrons carmen de bello civ. 144 ff.“ ). Doch das BC belässt es nicht bei Vergils diskreter Verurteilung. Denn es schildert Caesars Unternehmung auf der Folie von H a n n i b a l s A l p e n ü b e r q u e r u n g ( cf. Liv. 21,31-38; s. auch Polybios 3,49-56, und F. WALBANK ad loc.; Sil. Ital. 3,500-556. 630-646 ). Der Zug der Karthager über das winterliche Gebirgsmassiv wurde zum Stoff von Legenden ( e.g. Plin. nat. 36,2 in portento prope maiores habuere Alpīs ab Hannibale exsuperatas ) und zum beliebten Topos des Schulunterrichts ( cf. Juv. 10,166f. i, demens, et saevas curre per Alpes | ut pueris placeas et declamatio fias ; s. auch Sen. nat. 3 praef. 6 quemadmodum Hannibal Alpes superiecerit scribunt ; s. auch Stilichos Alpenübergang, Claudian c. 26,340-363; ferner Amm. Marc. 15,10 ). Hannibals genaue Route ist bis heute umstritten ( moderne Studien favorisieren den Col de la Traversette ). Über schmale Saumwege stieg eine endlose Schlange von Menschen und Tieren ( samt 37 Elefanten ) die Alpentäler empor, wobei schlechtes Wetter und v.a. verlustreiche Angriffe feindseliger Bergstämme dem Tross zu schaffen machten.

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Auf dem Pass legte das Heer drei Tage Rast ein. Die Probleme verschärften sich beim Abstieg, als es zu schneien begann und ein Bergsturz Teile des Wegs in die Tiefe riss. Eine Ausweichpassage über Altschneefelder wurde zur Todesfalle. Während die Soldaten sich mit Lanzen abstützen konnten, fanden Reiter und Pferde im Eis kaum Halt ; etliche stürzten in die Tiefe. Erst nachdem Hannibals Pioniere einen neuen Weg angelegt hatten, konnten die Karthager den Abstieg fortsetzen; sechs Tage später erreichten sie die Poebene. – Cf. E. MEYER, Hannibals Alpenübergang ( 1958/64 ), in: K. Christ ( Hrsg.), Hannibal, Darmstadt 1974, 195221; J. SEIBERT, Der Alpenübergang Hannibals : Gymnasium 95, 1988, 21-73; ders., Hannibal, Darmstadt 1993, 106-113; H. GRASSL, DNP 1, 1996, 534-536 ; WITTKE 2007, 199 Karte B. Livius’ Bericht liefert mehr als nur die literarische Vorlage. Caesar wird im BC nicht nur als neuer Herakles-Juppiter verklärt ( im Schlussbild ) – dank der klaren Parallele wird er zum Wiedergänger von Roms Erzfeind, Hannibal. Auch Lukan spielt mit der Idee, wenn er Caesar am Rubikon mit einem libyschen Löwen vergleicht ( 1,205-212 ) und Caesar sagen lässt, Rom rüste gegen ihn, „als überschreite Hannibal die Alpen“ ( 1,303-305 non secus ingenti bellorum Roma tumultu | concutitur, quam si Poenus transcenderet Alpes | Hannibal ; s. auch 7,407-409; 7,799-803; AHL 1976, 107-112 ). Entscheidenden Anteil an dieser Identifikation mit dem karthagischen Feldherrn hat der erzählerisch kluge Schachzug, den Rubikon ( samt Würfelzitat ) entgegen den Quellen in die Alpen zu verlegen ( Caesars eigener Bericht spart die Überquerung des Grenzflusses aus gutem Grunde aus; cf. civ. 1,8,1 ) – und damit den Bürgerkrieg dort beginnen zu lassen, wo die karthagische Invasion begann. Aber auch Caesars Blick auf Italiens Ebenen ( BC 152-154 ) unterstreicht die Gleichsetzung – und nicht zuletzt die epische Schilderung des mühseligen Abstiegs ( zum Nachhall dieser Episode in der Rahmengeschichte des BC cf. oben S. 829f.; s. auch S. 825 ). Strukturelle Parallelen der Alpenepisode mit der Szene zwischen Dis und Fortuna notiert YEH 2007, 143f.: die einleitenden Ekphraseis umfassen je 12 Verse ( 67-78 bzw. 144-155 ), Dis’ bzw. Caesars Reden je 21 ( 7999 bzw. 156-176 ). Und beiden wird eine positive Antwort zuteil ( 103-121 von Fortuna, 177-182 durch die Vorzeichen ). – Zu BC 144-208 cf. GRIMAL 1977, 151-178; CONNORS 1989, 107-120.

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144 – 151 Der Alpenpass Eine kleine Ekphrasis bereitet die Bühne für das kommende Schauspiel: Cäsars Weg über die Alpen, im Kampf mit den Elementen ( als retardierendes Moment steht sie Cäsars energischem Aufbruch – 141f. exuit omnes … moras – bewusst im Weg ; CONNORS 1989, 109 ). Ein Altar am Mons Graius erinnert an Herakles’ alpinistische Pioniertat : einst ebnete er den Menschen einen Weg durch das Gebirgsmassiv ( in auffälliger Ringkomposition kehrt Herakles am Ende der Alpenpassage wieder : BC 205f. ). Doch die folgenden Verse stellen die zivilisatorische Leistung des Heros fast wieder infrage. Denn jener Ort hat nichts von seinem unwirtlichen Charakter verloren; er liegt begraben unter ewigem Frost ( 146f. 150 ). Weder die Sommersonne noch linde Frühlingsbrisen haben in dieser Eiswüste eine Chance ( eine spätere Szene, 179-182, revidiert das Bild teilweise: auf der Passhöhe liegt ein Hain, und es lacht die Sonne ). Ewiger Winter verbannt die freundlichen Jahreszeiten, in einem Hysteron – Proteron, das die Zeit rückwärts laufen lässt ( in dem Kreislauf Winter – Sommer – Frühling – Winter : 147 hiemps – 148 solis adulti – 149 verni temporis – 150 hiemis ; ähnlich beschreiben Vergil und Ovid den ewigen Winter Skythiens: georg. 3,349-359 bzw. met. 8,788-791 est locus extremis Scythiae glacialis in oris eqs.). Auffällig ist das enge Band zwischen Pass und Himmel, das gleich dreimal angesprochen wird: der Pass rührt an den Himmel ( 146 f. hunc … ad sidera … tollit ), der Himmel ist ( von ) dort ‚abgestürzt‘ ( 148 caelum illinc cecidisse putes ), der Pass trägt den Himmel ( 151 totum ferre potest … orbem ; in organischer Abfolge: der Ort ‚steigt‘ – der Himmel ‚sinkt‘ – der Ort ‚trägt‘ ihn ). Denn diese Todeszone liegt an der Grenze zwischen Erde und Himmel – was ihr einen fast jenseitigen Charakter verleiht. Nur Götter und semigöttliche Wesen können sie bezwingen, wie Herakles ( und Juppiter ; cf. BC 206-208 ) – und jetzt Caesar. Mit dem anderen ‚Unort‘ ( locus horridus ), den campi Phlegraei ( BC 6775 ), teilt sich der Alpenpass zwei Parallelen: zum einen den Auftakt est locus ( 67 bzw. 146 ), zum anderen den dominierenden Winter und die unterlegenen freundlichen Jahreszeiten: hier Sommer und Frühling ( 148150 ), am Hadeseingang Herbst und Frühling ( 71-75; beide Male unterstrichen von Antithesen im Dreischritt non – non – sed ). Auch Hannibals Alpenüberquerung bei S i l i u s beginnt mit einem Stillleben des Gebirges ( 3,477-499 ), das sich mit der Ekphrasis hier in mehreren Punkten überschneidet : in der exponierten Lage des Ortes ( bes. 3,480f. 485f. 494 f. ), in der Schilderung der Jahreszeiten ( bes. 3,487-489;

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bei Silius chronologisch: 3,487 ver ; ebd. aestatis ; 489 hiems ; beide Texte verbannen Frühling und Sommer ), und v.a. in der Erinnerung an Herakles’ Erstbesteigung, mit der das BC beginnt und Silius endet ( 3,496-499, zit. S. 1144 ): cuncta gelu canāque aeternum grandine tecta atque aevi glaciem cohibent ; riget ardua montis aetherii facies surgentique obvia Phoebo duratas nescit flammis mollire pruinas. quantum Tartareus regni pallentis hiatus ad manes imos atque atrae stagna paludis a superā tellure patet, tam longa per auras erigitur tellus et caelum intercipit umbrā. nullum ver usquam nullique aestatis honores. sola iugis habitat diris sedesque tuetur perpetuas deformis hiems ; illa undique nubes huc atras agit et mixtos cum grandine nimbos eqs.

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144 Alpibus aeriis : „In den luftigen Alpen …“. Noch bis in die frühe Kaiserzeit erlebten die Völker Italiens die Alpen als natürliche Barriere und Schutzwall, der die Halbinsel vor Invasoren aus Gallien oder Germanien schützt ( u.a. Cic. prov. 34 Alpibus Italiam munierat antea natura non sine aliquo divino numine eqs.; Lukan 2,630; Servius Aen. 10,13 Alpes … muri vice tuebantur Italiam ). Seit der Bronzezeit waren sie von Handelswegen erschlossen; wiederholt hatten große Heere sie durchquert ( den ältesten Nachrichten zufolge gallische Stämme ; cf. u.a. Liv. 5,34,6-8 ). Gleichwohl bedeuteten die meist unbefestigten Saumpfade und Pässe der Alpen für größere Truppenbewegungen eine logistische Herausforderung, v.a. in der kalten Jahreshälfte. Erst in der Kaiserzeit baute Rom einige der Wege zu Heerstraßen aus. Zu den wichtigsten Alpenpässen zählten ( von Süden nach Norden) die Alpes Cottiae ( auch Matrona genannt ; h. Col de Montgenèvre, 1854 m; TALBERT 17 H 4 ), die Alpes Graiae ( der Kleine St. Bernhard, 2188 m; TALBERT 17 H 2 ) zwischen dem Isère- und dem Aostatal, und die Alpes Poeninae ( der Große St. Bernhard, 2469 m; TALBERT 17 I 2 ) in den Walliser Alpen, die das Rhône- mit dem Aostatal verbinden ( cf. WALSER 1994, 26-32; G. GRABHERR, in: U.A. Oster u.a., Wege über die Alpen, Darmstadt 2006, 31-56 ). Die Alpes Poeninae überquerte der Tradition zu-

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folge Hannibal ( cf. Plin. nat. 3,123; Isidor etym. 14,8,13 Alpes Poeninae, quia Hannibal … easdem Alpes aperuit ). aeriis : Seit Catull charakterisiert das griechische Lehnwort āërius ( ἀέριος, „luftig, himmelhoch“ ) oftmals Berge (64,240 aërium nivei montis … cacumen ; cf. Lukan 1,689 aeriam Pyrenen ), seit Vergil die Alpen ( georg. 3,474 ~ Sil. Ital. 15,168 aërias Alpīs ; cf. Ov. met. 2,226 aëriaeque Alpes et nubifer Appenninus ; abgewandelt Sil. Ital. 1,370 f. Alpibus altis | aëriae rupes ; cf. A. LUNELLI, Aerius. Storia di una parola poetica, Rom 1969 ). 144-145 ubi Graio numine pulsae | descendunt rupes et se patiuntur adiri : „… wo die von der griechischen Gottheit zerstampften Felsen sich senken und es dulden, dass man sie passiert“. Wie der folgende Vers bestätigt, meint das kryptische Graium numen den Halbgott Herakles ( numine Caspar VON BARTHs zwingende Konjektur für das überlieferte nomine ; cf. POLETTI 2017, 349 ). Es erinnert aber wohl auch an den etablierten Namen Alpes Graiae bzw. Mons Graius ( e.g. Sen. ep. 31,9 ) oder Saltus Graius ( e.g. Nepos Hann. 3,4 ) für den Kleinen St. Bernhard ( Silius nennt die Alpen einmal arx Herculea, „Herakles’ Burg“; 4,71f. ). In seiner zehnten Arbeit besiegte Herakles den Riesen Geryon, der am westlichen Rand der damals bekannten Oikumene hauste, und raubte dessen Rinder ( cf. Hesiod theog. 287-294 ; Stesichorus Garyonaïs frg. 4-9 Page ; Verg. Aen. 7,661-663, und N. HORSFALL ad loc.; Sen. Herc. fur. 231234 ; Ag. 837-841 ). Manchen Quellen zufolge überquerte er auf dem Heimweg mit der Herde die Alpen, genauer die Alpes Graiae, die angeblich ihm ihren Namen verdankten ( cf. Nepos Hann. 3,4 ; Liv. 5,34,6, und R. OGILVIE ad loc.; Plin. nat. 3,134 ). Silius lag der Stoff besonders am Herzen: „Als erster betrat Herakles das unerkundete Gebirge. Ihn bestaunten die Götter, wie er die Wolken teilte und die Berghöhen brach und mit schierer Kraft die in langen Äonen seit ihrer Entstehung von keinem Fuß betretenen Felsen bändigte“ ( 3,496-499 primus inexpertas adiit … arces. | scindentem nubes frangentemque ardua montis | spectarunt superi longisque ab origine saeclis | intemerata gradu magnā vi saxa domantem ). Wiederholt zeigt er Hannibal und sein Heer in Herakles’ Fußspuren; cf. 2,354-357 per saxa nivesque …, per caelum est qui pandat iter. pudet Hercule tritas | desperare vias ( „Durch Fels und Firn, durch den Himmel bahnt unser Heer sich den Pfad. Welch’ Schande, einen Weg zu scheuen, den Herakles schuf !“ ); 4,4 f. aemula … Herculei iactantem facta laboris | descendisse ducem ( „ein Feldherr sei von den Alpen gestiegen, der sich einer Tat rühme, ebenbürtig Herakles’ Werk“ ); 4,63-66; 11,134 -137 ingentia

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facta | Sidonii iuvenis celebrant : ut ruperit Alpes | Herculei socius decoris divisque propinquas | transierit cursu rupes ( „der mächtigen Taten des sidonischen Recken gedenken sie: wie er die Alpen bezwang, Teilhaber herakleischen Ruhms, und im Sturm die götternahen Felsen überwand“ ); 15,504-506 miratur domitas Alpes ac pervia montis | ardua et Herculeae quaerit vestigia plantae | germanique vias divinis comparat ausis ( Hasdrubal „bestaunt die eroberten Alpen und den steilen Gebirgspass und hält Ausschau nach Herakles’ Fußspuren und stellt des Bruders Überquerung dem göttlichen Wagnis gleich“; s. auch 17,501f. primos sc. Poenos reserāsse negatas | gressibus humanis Alpes ). Auf den ersten Blick lässt die Formulierung hier offen, ob Herakles einst bei seiner Erstbesteigung bereits vorhandene Wege einschlug ( e.g. EHLERS : „… wo sich in felsiger Senke ein Paß vor dem Wanderer auftut“ ), oder ob er als göttliche Planierraupe Felsen zertrat und sich einen Weg bahnte ( e.g. WALSH : „the Greek god trod them down, so men can pass“ ). Für die zweite Deutung sprechen das starke Verb ( pulsae ) samt dem Enjambement ( pulsae | descendunt rupes ), aber auch die drei Spondeen ( descendunt rupes et ), die das stampfende Einebnen der Felsen imitieren, und nicht zuletzt mehrere flavische Parallelen ( cf. Sil. Ital. 3,496-499, oben zit., bes. frangentem … ardua montis und magnā vi saxa domantem ; zu Herakles’ Werk in den Bergen s. auch Stat. silv. 3,1,20-22 obluctantia saxa | summovit nitens et magno pectore montem | reppulit ; ebd. 113 aspera … invitae perfringam viscera terrae ; 125-129; 134 decrescunt scopuli ; Diodor 4,19,3: Herakles „machte, als er den Bergpaß über die Alpen querte, aus dem rauhen und kaum begehbaren Pfad eine Straße“; übers. O. VEH ). Im BC wählt also auch Caesar die Route durch die Alpes Graiae, und tritt damit in Herakles’ Fußspuren – und in die Hannibals. Und bald hat er mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie der Punier ( s. S. 1141 ). Zur seltenen topographischen Verwendung von descendere, „to slope or run down“ ( OLD s.v. 5b ), cf. Ov. fast. 3,835 Caelius ex alto qua mons descendit in aequum ; Plin. nat. 2,136; Val. Flacc. 1,537f. regio quae virginis aequor ad Helles … descendit ab Euro ; Thes. V 1, 648,30-42. – Zum poetischen Graius cf. AXELSON 51f.; zu adire cf. GUIDO 1976, 165f. ad loc. pulsae : pellere in der seltenen Bedeutung „( den Boden) treffen, erschüttern“ ( Thes. X 1, 1018,20-26 ) kommt fast nur beim Tanz vor ( v.a. Lucr. 5,1402 duro terram pede pellere matrem ; Catull 61,14 pelle humum pedibus ; Hor. c. 3,18,15f. gaudet … pepulisse … pede terram ). Vage Parallelen zur Verwendung hier bieten Prop. 3,1,25 equo pulsas abiegno … arces ( „Burgen, bestürmt vom hölzernen Rammbock“ ); Val. Flacc. 5,153 litora, quae cornu pepulit Saturnus equino ( „… mit seinem Pferdehuf “ ).

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146 est locus Herculeis aris sacer : „… liegt eine Stätte, heilig dank Herakles’ Altar“. Dieser Kultort auf der Passhöhe wurde kaum von Herakles selbst errichtet, eher in Erinnerung an seine alpine Pionierleistung ( so bereits DE SALAS 241 ). Altäre des Gottes standen vielerorts ( einer der berühmtesten war die Ara Maxima am Forum Boarium in Rom; cf. Verg. Aen. 8,271f. ). Ein Heraklesaltar auf den Alpes Graiae ist ansonsten weder literarisch noch archäologisch bezeugt, und höchstwahrscheinlich ein stimmiger Einfall Petrons. Denn es gab im Hochgebirge heilige Stätten. Auf der Passhöhe des Mons Poeninus ( des Großen St. Bernhard ) stand schon früh ein Tempel des lokalen keltischen Berggottes, den die Römer als Iuppiter Poeninus mit ihrer höchsten Gottheit gleichsetzten ( cf. Liv. 21,38,9: der Mons Poeninus hat seinen Namen von dem Gott, quem in summo sacratum vertice Poeninum montani appellant ; cf. L. PAULI, Einheimische Götter und Opferbräuche im Alpenraum, in: ANRW II 18.1, 1986, 816-871, bes. 820-825; WALSER 1994, 101-107; H. GRASSL, DNP 8, 2000, 384 ). Und Herakles war den Kelten und Germanen schon früh vertraut ( cf. Diodor 4,19 zu Herakles als Kulturstifter in den Alpen; F. HAUG, RE VIII 1, 1912, 609612; Th. BAUMEISTER, s.v. Höhenkult : RAC 15, 1991, 992-996 ). Profaner Natur war Pompeius’ Siegesmal auf dem Col Perthus in den Pyrenäen ( cf. GELZER 2 1959, 53f. ). BALDWIN ( 1911, 177 ) mutmaßte, die Passage hier sei inspiriert von Vergils berühmtem Vers über Caesar, der „von den Alpen und der Burg des Monoecus herabeilt“ in den Bürgerkrieg ( Aen. 6,830 f. aggeribus socer Alpinis atque arce Monoeci | descendens ). Die arx ist der dem Herakles heilige portus Herculis Monoeci ( h. Monaco; cf. Lukan 1,405 sub Herculeo sacratus nomine portus ; Plin. nat. 3,47; Servius Aen. 6,830 ). Monacos hügliges Hinterland hat freilich wenig gemein mit dem Hochgebirge, von dem hier die Rede ist ( cf. Sil. Ital. 1,585f. Herculei ponto coepere exsistere colles | et nebulosa iugis attollere saxa Monoeci, „Herakles’ Hügel zogen sich vom Meer aus hoch und hoben in Kämmen die Nebelfelsen des Monoecus“ ). Und descendere bezieht sich bei Vergil auf Caesar, hier auf die Felsen ( so M. DEUFERT in epist.). Gleichwohl hat die Assoziation ihren Reiz. Denn der Verweis auf den Beginn des Bürgerkriegs an der arx Monoeci zitiert nicht nur Vergils Kartographie ( Aen. 6,828-831 ), sondern auch deren Kontext : Anchises, der Caesar vergebens beschwört, die Waffen ruhen zu lassen (6,834 f. tuque prior, tu parce, genus qui ducis Olympo, | proice tela manu ! ; s. S. 1140 ). Zur Formel est locus als Einleitung einer Ekphrasis cf. S. 991f.

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Herculeis aris : kaum Dativ ( e.g. WARMINGTON : „a place sacred to the altars of Hercules“ ), eher Ablativ, und am ehesten abl. causae ( e.g. SCHÖNBERGER : „heilig durch den Altar des Herkules“ ). Der Plural ist poetisch ( e.g. Verg. Aen. 2,663 patrem … obtruncat ad aras, und R.G. AUSTIN ad loc.; Sen. Ag. 166 stetit ad aras, und R.J. TARRANT ad loc.; Lukan 9,979 Herceas … aras, „der Altar des Zeus Herkeios“; cf. NORDEN 4 1957, 408f.; LÖFSTEDT I, 43 ); zudem vermeidet er hier den Hiat ( Herculeā arā ). 146-147 hunc nive dura | claudit hiemps canoque ad sidera vertice tollit : „Die schließt mit hartem Schnee der Winter ein und türmt sie mit weißem Haupt an die Sterne.“ ( STUBBE ). Silius nennt die Alpen einmal clausae nivibus rupes suppostaque caelo | saxa ( 3,90f.). Überhaupt kehren der Frost und v.a. die Himmelsnähe der Alpen bei ihm leitmotivisch wieder ( u.a. 1,127f. quanta … moles scopulis ad sidera tendit eqs., „welches Massiv mit seinen Gipfeln nach den Sternen greift“; 3,479-481. 488f. ( zit. S. 1143 ); 4,2 nubiferos montes et saxa minantia caelo ; 11,136f. divis … propinquas … rupes ; 11,217 Alpes, saxa impellentia caelum ; 12,71f. caelum | pulsantes … scopulos ; 15,167 f. tellurem procul irrumpentem in sidera …: aerias Alpes ; 17,318 f. contermina caelo … iuga ). Ähnlich beschreibt er den Apennin ( 4,741-744 horrebat glacie saxa inter lubrica summo | piniferum caelo miscens caput Apenninus. | condiderat nix alta trabes, et vertice celso | canus apex strictā surgebat ad astra pruinā ; s. auch Lukan 5,72 zum Parnass: Parnasos gemino petit aethera colle ; 6,411f. zu Pelion und Ossa: inseruit celsis prope se … Pelion astris | sideribusque vias incurrens abstulit Ossa ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 493 gelidus astris inserit Pindus caput ; Val. Flacc. 6,612 Caucasus … summas abiit hibernus in Arctos ). Bei Claudian „ritzt“ der Alpenkamm „die Gestirne mit ragenden Jochen“ ( c. 26,341 praeruptis ferit astra iugis ). Sidonius besingt die winterlichen Alpes marmoreas atque occurrentia iuncto | saxa polo rupesque vitri ( carm. 5,511f. ). Bereits Livius spricht von der Himmelsnähe der Alpen ( cf. 5,34,7 iuncta caelo iuga ; 21,32,7 ex propinquo visa montium altitudo nivesque caelo prope inmixtae ; s. auch Mamertinus Paneg. Lat. 11,2,4 Mynors vicina illa caelo Alpium iuga ). BALDWIN ( 1911, 177 ) vermutete hier den Einfluss Vergils ( Aen. 12,702f. gaudet … nivali | vertice se attollens pater Appenninus ad auras ). Eher erinnert die Winterlandschaft an Horazens Soracte ( c. 1,9,1-4 vides ut altā stet nive candidum | Soracte eqs.). Das ungewöhnliche Bild beschreibt den Schnee doppelt, aus horizontaler Perspektive ( hunc sc. locum nive claudit hiemps, „Winter hüllt diesen Ort in Schnee“; s. auch Sat. 99,3 incultis asperisque regionibus diutius nives hae-

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rent ), und aus vertikaler ( hunc sc. locum cano ad sidera vertice tollit hiemps, „Winter hebt diesen Ort mit seinem weißen Scheitel gen Himmel“; s. auch BC 209 die tumidas arces ; das anthropomorphe ‚schneeweiße Haupt‘ des Gebirges könnte auch einem personifizierten Winter gehören: ~ hiemps canum ad sidera verticem tollit ). Die Szenerie evoziert Erhabenheit, und lässt zugleich an eine optische Täuschung denken, hervorgerufen von der übergangslos weißen Landschaft. So erklärt sich wohl auch der ‚abgestürzte Himmel‘ ( BC 148 ): die Gipfel ‚erreichen‘ den Himmel, der Himmel ‚reicht hinab‘ zu den Gipfeln ( „Himmelsrücken“ hieß bei den Einheimischen ein Alpenmassiv ; Diodor 10 frg. incert. 4 οὐρανοῦ ῥάχις ). dura : Offen bleibt der Kasus des ersten Adjektivs. Für den Nominativ dură hiemps ( „mit Schnee der harte Winter“ ) spräche durus als etabliertes Epitheton des Winters ( cf. Verg. georg. 4,239 duram metues hiemem ; Ov. trist. 3,10,44 ; Tac. ann. 1,17,4; Claudian carm. min. 38,4; Thes. V 1, 2305,6365 ). „Das Enjambement würde das ‚Einschließen‘ des Orts durch den Schnee verbildlichen.“ ( M. DEUFERT in epist.). Doch nive für sich allein klingt recht schwach; und die parallele Junktur cano vertice legt es nahe, auch dem Schnee ein Attribut zuzusprechen: nive durā ( s. oben STUBBEs Übersetzung, und e.g. Sen. nat. 4 b,5,3 fixam et duram nivem calcant ; Vergil spielt mit dem Bild, wenn Gallus’ ‚hartherzige‘ Geliebte die verschneiten Alpen erlebt : ecl. 10,47 f. Alpinas, a, dura ! nives … vides ). Denkbar wäre auch eine Enallage, und in nive durā hiemps ist mitzuhören nive dură hiemps. claudit : Auch claudere verwendet womöglich zuerst Vergil für Winterlandschaften ; cf. georg. 2,317 rura gelu … claudit hiems ( lt. COLLIGNON 167 Petrons Vorbild ); ferner Liv. 5,13,1 hieme gelidā ac nivosā … viae clausae ; 27,36,4 clausae hieme Alpes ; Lukan 9,374 hiemps … clauserat aequor ; ohne hiems Sen. nat. 7,27,3 quare … sol … flumina gelu claudat ; Lukan 5,407 clausas ventis brumalibus undas ; Sil. Ital. 1,546 clausae … mortalibus Alpes ; 3,90 clausae nivibus rupes ; cf. Thes. III, 1303,42-53 ( oft mit Abl. instr. oder caus.). ad sidera … tollit : Parallel zu Ennius’ Formel in caelum tollere ( ann. 428 Sk. tollitur in caelum clamor exortus utrimque ; vage Vorbilder sind Wendungen wie Ilias 15,371 χεῖρ᾿ ὀρέγων εἰς οὐρανὸν ἀστερόεντα, „die Hände reckend zum bestirnten Himmel“ ) findet sich spätestens seit Vergil in der Dichtung die Junktur ad sidera tollere. Oft wird sie h y p e r b o l i s c h gebraucht ( cf. Aen. 1,102f. procella … fluctūs … ad sidera tollit ; 11,37 gemitum … ad sidera tollunt ; Ilias Latina 593 f. ingens ad sidera clamor | tollitur ; cf. BC 87 sedes … ad sidera mittunt ), aber auch als R i c h t u n g s a n g a b e ( v.a.

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beim Gebet; cf. Verg. Aen. 2,153 sustulit … ad sidera palmas ; Ov. met. 1,86 erectos ad sidera tollere vultūs ; trist. 1,11,21 tollens … ad sidera palmas ; Stat. Theb. 10,336; Sil. Ital. 6,101 maestos tollens ad sidera vultūs ; s. auch BC 155 intentans … manūs ad sidera ), und bisweilen, wie hier, ‚ r e a l i s t i s c h ‘ ( cf. Verg. Aen. 12,794 f. Aenean scis … deberi caelo fatisque ad sidera tolli ; carm. Einsidl. 1,38 Troia, sacros cineres ad sidera tolle ). Zu sidera als Synekdoche für caelum cf. BC 264 mutata … sidera, und S. 1329. – Zu canus in winterlichen Kontexten cf. BC 185f. canā vincta pruinā … humus ; Lukan 1,679f. Pangaea nivosis | cana iugis ; GUIDO 1976, 167. 148 caelum illinc cecidisse putes : „Man könnte glauben, der Himmel sei von dort herabgestürzt.“ Auch wenn die bewaldete Passhöhe unterhalb der Gipfel liegt ( cf. 179f. horrendi nemoris eqs.) – der Text stellt sie wiederholt als höchsten Punkt des Gebirges dar ( 147 hiemps sc. locum ad sidera … tollit ; 151 ferre potest umeris … orbem ; 153 summo de vertice montis ). Das Bild fängt das alpine Panorama treffend ein: „Die schneeigen Gipfel der Alpen vereinen sich so mit dem Himmel, daß es aussieht, als hätte dieser sich auf die Berge gesenkt.“ ( HELM 1956, 231; s. auch BALDWIN 1911, 177: „to one looking up at the heights, the sky appears to rest upon them“ ). Die Synalöphe ( cael(um) illinc ) bildet das Verschmelzen von Himmel und Erde ab. Zu denken gibt allerdings der Umstand, dass jenes einprägsame Bild exakt in der Mitte des BC erscheint. Hinter seiner ekphrastischen Qualität kommt eine zweite Ebene ins Spiel, die über die statische Vergangenheit des Inf. Perfekt hinausweist, und in der ‚der herabgestürzte Himmel‘ ( cecidisse ) zum ‚herabstürzenden Himmel‘ wird ( cadere, fast casurum esse ). In klassischen Texten beschreibt der ‚einstürzende Himmel‘ bisweilen als Hyperbel Wolkenbrüche und U n w e t t e r ( cf. Verg. georg. 1,324 ruit arduus aether ; Aen. 1,129 oppressos Troas caeli … ruinā, im Seesturm ; Ov. met. 11,517 in … fretum credas totum descendere caelum ; Val. Flacc. 1,616f. vasto pariter ruit igneus aether | cum tonitru ; Sil. Ital. 1,251 insanos imbres caelique ruinam ; 17,252 in classem ruere implacabile caelum ). Doch hier symbolisiert der ‚einstürzende Himmel‘ wie in etlichen anderen Passagen eine k o s m i s c h e K a t a s t r o p h e . So bereits bei Hesiod. Als Zeus Blitze gegen die Titanen schleudert, erhebt sich ein Getöse, als „würde die Erde vom Einsturz geschlagen und der Himmel stürzte von droben herab“ ( theog. 703f., bes. 704 τοῦ δ᾿ ( sc. οὐρανοῦ ) ὑψόθεν ἐξεριπόντος ; übers. W. MARG ). Auch römische Texte zitieren das Bild; cf. Ter. Haut. 719 quid si nunc caelum ruat ? ; Lucr. 1,1102-13 ne … moenia mundi | diffugiant subito … neve

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ruant caeli tonitralia templa superne eqs.; Hor. c. 3,3,7 f. si fractus illabatur orbis, | impavidum ferient ruinae ; Sen. Phaed. 674 f. omnis impulsus ruat | aether et atris nubibus condat diem ; nat. 6,32,4 ( am Weltende ) frangatur … caelum et ignes suos in exitium omnium … misceat ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1102-17; Ps.-Sen. Oct. 392-394 adest mundo dies | supremus ille, qui premat genus impium | caeli ruinā eqs.; Sil. Ital. 17,606 f. caelum … omne solutā | in caput hoc compage ruat ; OTTO 61f. s.v. caelum 7. Berühmt ist die ‚einzige Furcht‘ der Kelten: „dass der Himmel über ihnen einstürze“, d.h. die Angst vor dem Weltende (Arrian anab. 1,4,8 ἔφασαν δεδιέναι μήποτε ὁ οὐρανὸς αὐτοῖς ἐμπέσοι ; zur keltischen Eschatologie cf. J. DE VRIES, Keltische Religion, Stuttgart 1961, 260f. ). Dies glaubten auch die germanischen Bastarnen, als sie 180/179 v.Chr. auf Kriegszug in Thrakien von einem heftigen Unwetter versprengt wurden ( Liv. 40,58,6 deos auctores fugae esse caelumque in se ruere aiebant ). Hier symbolisiert der ‚einstürzende Himmel‘ den Bürgerkrieg, der bald den gesamten orbis ( Erde wie Himmel ) erschüttern wird. Und zumindest in den Alpen wird die kosmische Katastrophe bald genug ‚Realität‘ ( BC 196-202 ). In den Pharsalia klagen die Römer beim Ausbruch des Bürgerkriegs, ein solches Inferno solle die streitenden Kriegsparteien vernichten ( Lukan 2,57 f. conlatus in ignes | plurimus ad terram per fulmina decidat aether ; s. auch 2,289-292 ). Als kosmischer Kataklysmos erweist sich Pharsalos ( ebd. 7,133-137, bes. 136 aetheraque in terras deiecto sole cadentem ). illinc : Der ungewöhnliche Vers erfuhr nicht nur verschiedene Deutungen; er wurde auch emendiert. Charme besitzt MÜLLERs illinc tetigisse ( ed.2 : „man könnte glauben, der Winter habe von dort aus den Himmel berührt“ ). Eine Überlegung wert ist auch MÖßLERs dynamisches illuc ( 1870, 4 ; „… der Himmel sei dorthin herabgestürzt“ ), für das zumindest ein lexikalisches Detail spräche : das überlieferte illinc erscheint in den Sat. insgesamt siebenmal, und stets in Verbindung mit einem vorausgehenden hinc ( 21,1; 32,2; 49,9; 83,3; 108,8; BC 11 ) – ausgenommen hier. Doch illinc lässt sich verteidigen. Es dürfte hier die statische Qualität von illic besitzen: „… der Himmel sei dort herabgestürzt“ ( cf. Sat. 83,3 hinc aquila ferebat … Idaeum, illinc … Hylas repellebat … Naida, und Bd. I, S. 71 ad loc.; 108,8 hinc mercennarius ferramenta … distribuit, illinc … familia … expedit manūs ). Faszinierender erscheint freilich eine andere Lesart, die den dynamischen Charakter des Adverbs als Hyperbel bewahrt : der Pass liegt so hoch, dass der Himmel „von dort“ herabgestürzt ist ( cf. BC 11 hinc Numidae …, illinc … Seres eqs.). So verstehen die Stelle u.a. WALSH ( „from there the sky seems to have plunged below“ ), POLETTI 2017, 352f. ( er vergleicht die Ekphrasis des Kaps Tainaron, Stat. Theb. 2,32-36

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est locus … qua formidatum Maleae spumantis in auras | it caput et nullos admittit culmine visūs. | stat sublimis apex ventosque imbresque serenus | despicit et tantum fessis insiditur astris ), und A. SETAIOLI in epist. ( „the sky has fallen down from those high peaks that seem to reach the stars“ ). Syntax und Sinn legen nahe, dass die prägnante Wendung die folgende Passage einführt ( 148b-150 ). Zu interpungieren ist folglich mit BÜCHELER, ERNOUT und MÜLLER 1 hinter tollit ( caelum illinc cecidisse putes : non solis eqs.). So auch G. VANNINI in epist., der zudem ( in einer Verwendung ohne wirkliche Parallele ) hier cessisse konjiziert : „man könnte glauben, der Himmel habe sich von dort zurückgezogen“ ( cf. OLD s.v. 2a ). putes : Zu dem umgangssprachlichen Potentialis putes ( mit AcI ) cf. 49,5 putes illum piper et cuminum non coniecisse ; 104,2 putes … una nos dormiisse, und e.g. Hor. ep. 2,1,202 Garganum mugire putes nemus ; Sen. ep. 92,35 alte cinctum putes dixisse ; Stat. Theb. 10,560 Bellum intrasse putes. S. auch Sen. Ag. 485-487 ( gleichfalls von einer kosmischen Katastrophe ): mundum revelli sedibus totum suis | ipsosque rupto crederes caelo deos | decidere et atrum rebus induci chaos, und R.J. TARRANT ad loc. zu crederes : „The narrator inserts himself momentarily into the story to soften the hyperbole.“ 148-149 non solis adulti | mansuescit radiis, non verni temporis aurā : „nicht wird der Ort behaglich in den Strahlen sengender Sonne, nicht dank der Brise der Lenzzeit.“ Für die Rückkehr des Frühlings in den Bergen fanden römische Dichter ansprechende Bilder ; cf. Sen. Med. 588-590 in rivos nivibus solutis, | sole iam forti, medioque vere | tabuit Haemus ( „zu Bächen zerflossen die Schneemassen dank der schon starken Sonne, und mitten im Lenz schmolz das Haemusgebirge“ ); Lukan 1,219 madidis Euri resolutae flatibus Alpes ( „die vom feuchten Wehen des Südwinds getauten Alpen“ ); Stat. Theb. 3,671f. rapidus torrens, animos cui verna ministrant | flamina et exuti concreto frigore montes ( „ein Sturzbach, dem Lenzbrisen Mut einflößen, und ihres starren Frosts entkleidete Berge“ ); 11,193-195. Dracontius’ Garten Eden stellt gleichsam das Gegenbild zur Szenerie hier dar : non solis anheli | flammatur radiis, quatitur nec flatibus ullis … ; | non glacies destricta domat, non grandinis ictus | verberat aut gelidis canescunt prata pruinis. | sunt ibi sed placidi flatūs eqs. ( laud. Dei 1,189-195; zit. POLETTI 2017, 351 ). Doch in der alpinen Eiswüste haben weder Sommer noch Frühling eine Chance ( Subjekt ist immer noch locus ; zu dem Hysteron – Proteron cf. S. 1142 ); es herrscht ewiger Winter. Von der Ohnmacht der Sonne in den Alpen erzählt auch Silius ( 3,480-482, zit. S. 1143; s. auch Verg. georg. 3,357 Sol pallentīs haud umquam discutit umbras ; Lukan 1,17f., zit. S. 861 ).

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Die abwesenden Jahreszeiten schildert ein Parallelismus membrorum mit der Anapher non sowie jeweils einem Genetiv ( solis adulti – verni temporis ) und einem Ablativ ( radiis – aurā ). Zu dem Versschluss BC 149 cf. Ov. fast. 2,454 illius temporis aura, „der Wind zu jener Tageszeit“. Zu dem poetischen Gräzismus aura s. S. 939. solis adulti : Adultus verweist unmissverständlich auf die heiße Sommersonne ( e.g. WALSH : „hot sun’s rays“; cf. OLD s.v. 3: „(of the sun) at its full strenght“ ). Die Junktur erscheint noch Ps.-Sen. Herc. Oet. 1288f. nefas | solis adulti ( „den Frevel der sengenden Sonne“; gemeint ist Nessos’ Gift ; cf. B. AXELSON, Korruptelenkult, Lund 1967, 18 f. ad loc. ); Sidonius epist. 4,8,3 sol adultus roscidae noctis umorem radio crescente sorbuerat. – Adulti ist SCALIGERs Konjektur für das unsinnige adusti ( die gleiche Verschreibung liegt Herc. Oet. 1289 vor [ s. oben ], wo ZINTZERLING sie mit Verweis auf den Passus hier korrigierte ). mansuescit : Zu dem seltenen intrans. mansuescere ( BALDWIN 1911, 177 ad loc.: „grows soft, melts“ ) bei unbelebten Dingen cf. u.a. Lucr. 2,474 f. nam fit ( DEUFERT : umor Ω ) dulcis … ut … mansuescat ( Salzwasser „wird süß“, filtert man es, „damit es genießbar wird“ ); Verg. georg. 2,238f. salsa … tellus … nec mansuescit arando eqs. ( „salzige Böden lassen sich auch durch Pflügen nicht verbessern“ ); Sen. ep. 71,5 omnia … mala et mansuescent et in bonum abibunt ( „… werden sich bessern und zum Guten wenden“ ); 85,8 numquam … vitia mansuescunt ( „niemals bessern sich Fehlhaltungen“ ); Stat. silv. 2,2,53 ignotos docilis mansuevit in usūs sc. natura, „eine gelehrige Natur ließ sich ungewohnte Verwendungen gefallen“; Thes. VIII, 328,8-14. 150 sed glacie concretă rigent hiemisque pruinis : „… sondern von Eis starren die Gletscher und von des Winters Firnschnee“. Das Bild kehrt 185f. wieder ( glacies et canā vincta pruinā … humus miti … horrore quievit ; cf. S. 1197 zu glacies und pruina ). Ähnliche Stichworte liefert Silius’ Alpenpanorama : „Alles ist dauerhaft bedeckt von Frost und weißem Hagel und hält das Eis eines Äons gefangen; schroff ragt empor die Steilwand des ätherhohen Gebirges“ ( 3,479-481 cunta gelu canāque aeternum grandine tecta | atque aevi glaciem cohibent ; riget ardua montis | aetherii facies ; s. auch BC 146 f. hunc nive dura | claudit hiemps ; Mamertinus Paneg. Lat. 11,2,4 Mynors duriorem saxis nivium densitatem, „härter als Fels die dichten alpinen Schneemassen“ ). Zum Nebeneinander von Frühling ( 149 verni temporis ) und Winter ( hiemis ) s. auch Sat. 109,9,2 vernantes … comas tristis abegit hiemps. Zu hiemis pruinae cf. Apul. mund. 338 pruinas hiemis ( zu Lucr. 2,515 cf. DEUFERT 2018,

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100f. ad loc.). Die Junktur sed glacie findet sich nur noch in Lukans Beschreibung der Flut in Nordspanien mit ihren arktischen ‚Ingredienzien‘ ( 4,106-109 sic mundi pars ima iacet, quam zona nivalis | perpetuaeque premunt hiemes : non sidera caelo | ulla videt, sterili non quicquam frigore gignit, | sed glacie medios signorum temperat ignes ; gleichfalls Versauftakt ; s. auch POLETTI 2017, 350 ). concretă : cf. BC 200 concreta gelu … unda ( und S. 1210f. ). Bereits Lukrez verwendet concrēscere für Eis und Schnee; cf. 3,20 nix acri concretă pruinā ( „Schnee, erstarrt in eisigem Frost“ ); 6,495 f. quo pacto pluvius concrescat in altis | nubibus umor ( pluvius umor ~ „der feuchte Regen“ ); 6,528531 concrescunt in nubibus … nix venti grando gelidaeque pruinae ( eqs.). Ebenso Vergil; cf. georg. 1,236 glacie concretae atque imbribus sc. zonae ( mit der gleichen Junktur ; die äußersten „Klimazonen“ liegen „erstarrt in Eis und Regen“; cf. M. ERREN ad loc.); 2,376 frigora … canā concretă pruinā ( „Kälte, erstarrt in grauem Reif “ ); 3,360 concrescunt subitae currenti in flumine crustae ; s. auch Liv. 21,36,8 ut … haererent in durā et alte concretā glacie ; Ov. met. 9,220 ferunt imbres gelidis concrescere ventis ( „es heißt, Regen verdichte sich in eisigem Wind zu Schnee “ ); trist. 3,10,25 ut vincti concrescant frigore rivi ; ebd. 31f. undas | frigore concretas ; Pont. 4,7,7 vides … glacie concrescere Pontum ( „… zu Eis gefrieren“ ); Curt. Ruf. 8,4,6 imbrem vis frigoris concreto gelu adstrinxerat ( „bittere Kälte hatte Regen in festes Eis verwandelt“ ); Val. Flacc. 4,723; Mart. 4,3,4 concretas pigro frigore … aquas ; Stat. Theb. 3,672 exuti concreto frigore montes ( „ihrer erstarrten Kälte beraubte Berge“ ); Sil. Ital. 3,518f. durati concreto frigore collis | lubrică … sēmită ( „der schlüpfrige Pfad an einer in starrer Kälte gefrorenen Anhöhe“ ); Thes. IV, 95,27-30. 35-44. Hier erscheint das PPP in der höchst seltenen Verwendung als selbständiges Substantiv, wie wiederholt bei Celsus ( u.a. med. 7,26,1 A concretum aliquid ex sanguine ), vereinzelt bei spätantiken Dichtern – und zuerst wohl bei Vergil ( Aen. 6,738 multa diu concreta modis inolescere miris, „vieles schon lange Verhärtetes ist auf wundersame Weise mit den Seelen verwachsen“; cf. Thes. IV, 97,44-51 ). Zwischen den ‚Ort‘, den ewiger Winter himmelwärts hebt, und den ‚Ort‘, der jenen Himmel zu stemmen vermag, schieben sich ( um den Preis einer etwas holprigen Syntax ) ‚Gletscher‘ ( wörtlich: „gefrorene Dinge“; cf. STUBBE : „dichte Eisgebilde“ ), in denen das gewaltige Alpenmassiv Gestalt gewinnt. rigent : Bereits Livius verwendet rigere für die Alpen ( 21,32,7 animalia inanimaque omnia rigentia gelu ). Zu glacie rigent cf. Verg. Aen. 4,251 glacie riget horrida barba ; s. auch Corp. Tib. 3,7(4,1 ), 156 durata riget densam in glaciemque

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nivemque sc. tellus ( an den Polen „erstarrt die Erde, verhärtet zu festem Eis und Schnee“ ). Das überlieferte riget ( BR : rigens cett.) knüpft an locus ( 146 ) an, das bis zum Ende der Ekphrasis als Subjekt dominiert ( 148f. non … mansuescit, 151 ferre potest … orbem ), und bildet die naheliegende Antithese zu mansuescit ( so u.a. HOLZBERG : „alles starrt von festem Eis“ ). Doch der Singular beißt sich mit concreta, das in diesem Fall im Abl. stehen müsste ( glacie concretā riget sc. locus ; cf. Liv. 21,36,8 concretā glacie ; Curt. Ruf. 5,6,14 concretam glaciem ) – was metrisch unmöglich ist. An der gleichen Klippe scheitert die alternative Lesart rigens, die als part. coni. mit BC 151 einen Satz bildet (… sed glacie concretā rigens hiemisque pruinis | totum ferre potest umeris … orbem ; so BÜCHELER 1 im Text ; ab ed.2 rigent ). Statt riget bzw. rigens schlug BOUHIER ingens vor ( mit Synalöphe ), das locus als Subjekt bewahrt, die Idee von BC 146f. aufgreift ( hunc … hiemps … ad sidera … tollit ) und mit 151 einen Satz bildet ( glacie concretā ingens … ferre potest … orbem ). Ihm gebührt zumindest ein Platz im Apparat. Gleichwohl entscheiden sich die meisten Herausgeber wohl zurecht für LIPSIUS ’ rigent, das neben locus und hiemps mit concretă ein exotisches drittes Subjekt ins Spiel bringt. – G. VANNINI in epist. bezweifelt, dass der Vers vollständig geheilt ist. Es brauche ein Verb, das Kälte (BC 148f. ) wie Widerstand (BC 151) treffender beschreibe als rigēre. 151 totum ferre potest umeris minitantibus orbem : „Das gesamte Himmelsgewölbe vermag der Ort zu stemmen auf bedrohlichen Schultern.“ Silius nennt die Alpen saxa minantia caelo ( 4,2 ); Sidonius bescheinigt ihnen minantes … scopulos ( carm. 5,512f.; Vergils Hyperbel, Aen. 1,162f. gemini … minantur | in caelum scopuli, zitiert POLETTI 2017, 355 ). Die unheimliche, ja fast numinose Natur des Hochgebirges war auch Hannibals Heer nicht entgangen ( Sil. Ital. 3,500-502 at miles dubio tardat vestigia gressu, | impia ceu sacros in fines arma per orbem | naturā prohibente ferant divisque repugnent, „doch zögernden Schritts verlangsamen die Soldaten ihren Marsch, als trügen sie gottlose Waffen über den Erdkreis in heiliges Land, das die Natur ihnen verwehrt, und führten Krieg wider Götter“ ). Subjekt ist wieder „die Stätte“ ( 146 locus ). Der Vers rundet die drei Himmelsbilder der Ekphrasis ab: Der Winter hebt den Pass in den Himmel ( 146 f. ); der Himmel ‚stürzt‘ auf ihn nieder ( 148 ); der Pass vermag ihn zu tragen. Das ungewöhnliche Trikolon zollt der Majestät des Gebirges Respekt.

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Dass mit orbis kaum der „Erdball“ gemeint ist ( wie BC 1; so u.a. STUBBE und HOLZBERG ; schon topographisch ein Ding der Unmöglichkeit ), sondern das „Weltall“ ( so u.a. BALDWIN 1911, 178; GRIMAL ; WALSH ), macht die mythische Anspielung deutlich. Die Alpen schlüpfen in Atlas’ Rolle ( cf. u.a. Verg. Aen. 4,246-251 apicem et latera ardua … Atlantis duri, caelum qui vertice fulcit ( „mit dem Scheitel stemmt“ ) … ; nix umeros infusa tegit, tum flumina mento | praecipitant senis, et glacie riget horrida barba ( zu den anthropomorphen Bildern in der Aen. und hier s. auch POLETTI 2017, 349f. ); 4,481f.; 6,796f. caelifer Atlas | axem umero torquet stellis ardentibus aptum ; 8,136f. Atlas … aetherios umero … sustinet orbes ; Ov. met. 4,657-662, bes. 658 iuga sunt umerique manūsque ), eher noch in die des Herakles, der diese Höhen als erster bezwang und einst Atlas ablöste, während dieser ihm die Äpfel der Hesperiden besorgte ( cf. Sat. 139,2,2f. Tirynthius … onus caeli tulit, und u.a. Eur. Herc. 403-407 ; Prop. 4,9,37 tergo … sustulit orbem, und G. HUTCHINSON bzw. S.J. HEYWORTH ad loc.; Sen. Herc. fur. 69-72; Ag. 828 o puer subiture caelum ; lt. R.J. TARRANT ad loc. eine Anspielung auf seine Vergottung : „destined to scale heaven“; Ps.Sen. Herc. Oet. 1905-08 vestrum Alcides cervice meus | mundum, superi, caelumque tulit, | dum stelligeri vector Olympi | pondere liber spiravit Atlans ; Claudian rapt. 2, praef. 47f. firmior Herculeā mundus cervice pependit ; | lustrarunt umeros Phoebus et astra tuos ; laut Calpurnius Siculus stemme dereinst Kaiser Nero die Weltkugel: 1,84-88 ipse deus Romanae pondera molis | fortibus excipiet … lacertis eqs.). Das BC verleiht dem Gebirgspass „herkulische Attribute“ : er kann das Weltall stemmen ( CONNORS 1989, 111; cf. 1998, 127 ). Das markante Hyperbaton ( totum … orbem ) unterstreicht die Dimensionen des Himmelsgewölbes und überlässt Herakles’ tragenden Schultern die Versmitte ( letzteres nach CONNORS 1989, 111 ). minitantibus : Nicht wenige Übersetzer ( s. auch Thes. VIII, 1026,1618 ad loc.) beschränken minitantibus auf seine räumlichen Qualitäten ( e.g. STUBBE und HOLZBERG : „auf ragenden Schultern“ ). Doch vor allem als PPA hat minitari oft genug einen bedrohlichen Unterton – wie hier : „towering threateningly into the sky“ ( BALDWIN 1911, 178; cf. u.a. Enn. ann. 620 Sk. machina multa minax minitatur maxima muris ; Lucr. 1,68 f. minitanti | murmure … caelum ; Cic. Arat. 71 metuunt canos minitanti murmure fluctūs ; Ov. met. 12,348 minitantia … ora ; s. auch das verwandte minari, e.g. Verg. Aen. 1,162 vastae rupes geminique minantur | in caelum scopuli ).

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152 – 176 Caesars Rede Caesars Rede verbindet in einer ungewöhnlichen Melange ein Gebet, gesprochen auf dem Gipfel der Welt, dem Himmel nahe, mit einer Ansprache an sein Heer. Abgesehen im Übrigen von den seltenen Einwürfen des Erzählers, ist Caesar der einzige Mensch, der im BC zu Wort kommt. Ansonsten reden nur Mächte des Jenseits: Dis ( 79-99 ), Fortuna ( 103121 ) und Discordia ( 283-294 ; s. auch YEH 2007, 141f. ). Auf den Götteranruf, der sich zweier höchster Instanzen versichern will, Juppiters und Italiens ( 156f.), folgen zwei fast gleich lange Partien, die eine eher ein Monolog ( 158-166: Rom behandelt mich als Feind ), die andere eine Adresse an die Truppen ( 167-176: es gilt, Widerstand zu leisten ). Obwohl er Gallien zum Wohle Roms bezwungen habe, kränke und verstoße man ihn. Seine Gegner neiden ihm den Erfolg ; sie seien unpatriotisch, korrupt, schwach ( 164-168; das letzte Stichwort, ignavus, zielt eindeutig auf Pompeius ). Da man ihm und seinen Legionen die verdiente Anerkennung verweigere, ja sie vor Gericht bringen wolle, müssten sie ihr Recht mit der Waffe verteidigen. Man zwinge ihm den Bürgerkrieg auf ; doch mit Fortuna und seinen kampferprobten Truppen an seiner Seite sei der Sieg gewiss. In der zweiten Hälfte der Rede tauchen Stichworte auf, wie sie ein Feldherr verwendet, der vor der Schlacht seinen Soldaten Mut macht ( so Hannibal in den Alpen, Sil. Ital. 3,504 f. languida … corda virum fovet hortando revocatque vigorem ): der Verweis auf die gemeinsamen Erfolge in Gallien, wo sie für die Sache Roms kämpften; das moralische Recht auf ihrer Seite; der gerechte Krieg, in den sie ziehen. Caesar gibt sich kämpferisch und verströmt Zuversicht. Sein Vokabular ist militärisch ( v.a. 157 arma ; 176 armatus ; 158 acies ; 165 bella ; 174 bellum sumere ; 171 clades ; 158 Mars ; 157 und 163 triumphus ; v.a. 162, 172 und 176 vincere ; 168 victores ; 173 victoria ; zum gleichen Phänomen in den Caesar-Reden Lukans cf. M. HELZLE, Symbolae Osloenses 69, 1994, 121-136 ) – sein Ton aggressiv ( cf. S. 826 ). Doch die Rede ist mehr als nur eine Ermutigung seiner Männer ; sie ist eine Rechtfertigung vor sich selbst. Sie gewährt Einblick in Caesars Sicht der Ereignisse, in die Beweggründe und Argumente, die aus seiner Warte einen Krieg rechtfertigen. Die politische Situation samt ihren staatsrechtlichen Implikationen wird dabei – wie kaum anders zu erwarten – drastisch vereinfacht ( ähnliches gilt für die meisten Reden Lukans ).

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Mehrere Texte standen hier Pate, nicht zuletzt Caesars eigene Worte in Ravenna vor der 13. Legion ( Caes. civ. 1,7 ). So sprach er von dem „Unrecht“, das seine Gegner ihm „allezeit zugefügt“ hätten ( civ. 1,7,1 omnium temporum iniurias inimicorum in se commemorat ; cf. BC 159f. vulnere cogor, | pulsus ab urbe mea ). Und sein Schlusswort an die Dreizehnte deckt sich mit seinem Appell hier : „dass sie die Ehre und Würde ihres Feldherrn, unter dessen Führung sie neun Jahre lang dem Staat höchst erfolgreich gedient, zahllose Siege errungen, ganz Gallien und Germanien befriedet hätten, vor seinen Feinden schützten“ ( civ. 1,7,7 hortatur, cuius imperatoris ductu VIIII annis rem publicam felicissime gesserint plurimaque proelia secunda fecerint, omnem Galliam Germaniamque pacaverint, ut eius existimationem dignitatemque ab inimicis defendant ; cf. Cic. Att. 7,11,1 haec ait sc. Caesar omnia facere se dignitatis causā ; Lig. 18 tua quid aliud arma voluerunt nisi a te contumeliam propulsare ? quid egit tuus invictus exercitus, nisi uti suum ius tueretur et dignitatem tuam ?, und H.C. GOTOFF ad loc.). Auch moderne Historiker betonen die Rolle der dignitas in diesem Kräftemessen (cf. GRUEN 1974, 496: „In the end it was a matter of personal dignitas. That was Caesar’s own explanation for the invasion of ltaly. … The same aristocratic pride impelled Pompeius Magnus.“ ). Deutlicher wird er auf dem Schlachtfeld von Pharsalos. Ein Bürgerkrieg sei seine einzige Option gewesen; sonst hätte man ihn „ungeachtet seiner Leistungen in Gallien verurteilt“ ( Suet. Iul. 30,4 hoc voluerunt ; tantis rebus gestis Gaius Caesar condemnatus essem, nisi ab exercitu auxilium petissem ). Diese Befürchtung war nicht von der Hand zu weisen. Cato schwor wiederholt, er werde Caesar vor Gericht bringen, sobald er sein Heer entlassen habe ( ebd. 30,3 ). Überhaupt rechnete man in Rom fest mit einem Verfahren gegen Caesar ( auch Lukans Curio drängt 1,286-290 auf Krieg, da Caesar ein Strafprozess erwarte ). Markante Parallelen finden sich bei L u k a n , v.a. im ersten und siebten Buch: in Curios, Caesars und Laelius’ Ansprachen in Ariminum ( 1,273291; 1,299-351; 1,359-386 ), in Caesars Rede vor Pharsalos ( 7,250-329 ), schließlich in den Versen, die Lukan Caesar am Rubikon in den Mund legt ( parallel zum Alpenpass hier : 1,195-203. 225-227 ). Punktuelle Berührungen gibt es zudem mit Pompeius’ Worten ( 2,531-595 ). Nicht wenige Details verweisen gerade auf die große Rede, in der Caesar in Ariminum die politischen Fakten ähnlich parteiisch interpretiert wie hier, und in der er wie hier die Empörung der Soldaten zu schüren sucht ( 1,299-351; cf. P. ROCHE 244 f. ad loc.; FANTHAM 2010, 60f.; auffällig genug beginnt Caesars Rede im BC kurz nach der Gedichtmitte; im ersten Buch der Pharsalia endet sie in der Buchmitte; s. auch SOUBIRAN 1987,

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61 ). Die meisten dort angeschnittenen Themen kehren hier zumindest stichwortartig wieder : – Zum Dank für zehn Jahre Krieg in Gallien rüste Rom gegen ihn ( 1,299-302 bellorum o socii, qui mille pericula Martis | mecum … experti decimo iam vincitis anno, | hoc cruor Arctois meruit diffusus in arvis | vulneraque et mortes hiemesque sub Alpibus actae ? ; cf. BC 160-162. 172f. ). – Wäre jener Feldzug gescheitert, stünden gallische Horden jetzt in Italien ( 1,307-309; cf. BC 161f. ). Nun aber spiele man ihm ungeachtet seiner von den Göttern geförderten Erfolge übel mit ( 1,309-311 nunc, cum Fortuna secundis | mecum rebus agat superique ad summa vocantes, | temptamur ; cf. BC 162-164 ). – Der in langen Friedenszeiten verweichlichte Pompeius sei kein ernstzunehmender Gegner ( 1,311-313 veniat longā dux pace solutus eqs.; cf. BC 167f. ) – so wenig wie seine „gekauften Gefolgsleute, übelste Subjekte“ ( 1,314 extremi … emptique clientes ; cf. BC 165f. ). – Wenn man schon ihm die Anerkennung für den Krieg raube, sollten zumindest die Soldaten den Lohn für ihre langen Mühen empfangen ( 1,340-342 mihi si merces erepta laborum est, | his saltem longi … praemia belli | reddantur eqs.; cf. BC 171-173 ). – „Ergreift die siegreichen Standarten ! Lasst uns die in Gallien erprobte Streitmacht nutzen ! Was man uns widerrechtlich verweigert, gibt man uns, kommen wir in Waffen !“ ( 1,347-349 tollite iam pridem victricia tollite signa : | viribus utendum est quas fecimus. arma tenenti | omnia dat, qui iusta negat ; cf. BC 167-169 ). Das ihm angetane Unrecht treffe auch sie: ihre berechtigten Ansprüche müssten sie nun gemeinsam durchsetzen. Ein Vorbild bot nicht zuletzt die Szene am Rubikon. Vor der Überquerung richtet Caesar ein Gebet an mehrere Gottheiten, allen voran Juppiter und Roma ( Lukan 1,195-203; cf. BC 156 Iuppiter omnipotens, et tu, Saturnia tellus ). Roma bittet er um Unterstützung im Krieg ( 1,200 fave coeptis ); ihr versichert er seine friedlichen Absichten und seine Loyalität. Schuld trage Pompeius, der ihn zum Staatsfeind gemacht habe ( 1,200-203, bes. 203 ille erit ille nocens, qui me tibi fecerit hostem ). Auf italischem Boden angelangt, läutet er den Bürgerkrieg mit einem markigen Epigramm ein: „Hier sage ich dem Frieden und den entweihten Gesetzen Lebewohl. Dir, Fortuna, folge ich. Fort mit euch, Verträge ! Auf unser Bündnis habe ich vertraut. Richter sei fortan der Krieg !“ ( 1,225227 hīc pacem temerataque iura relinquo ; | te, Fortuna, sequor. procul hinc iam foedera sunto ; | credidimus pactis [ scripsi : fatis codd.], utendum est iudice bello ; cf. HABERMEHL 2020 ).

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An Lukans Rubikon-Passage inspirieren sich im BC das Gebet am Anfang von Caesars Rede, v.a. aber seine Schlussformel: te, Fortuna, sequor ( 1,226 ) und utendum est iudice bello ( 1,227 ) verschmelzen zu iudice Fortunā cadat alea ( BC 174 ). Umgekehrt wird das knappe Gerundiv ( 1,227 utendum est iudice bello ) ausformuliert und fortgesponnen ( BC 174-176 ): sumite bellum | et temptate manūs. certe mea causa peracta est : | inter tot fortes armatus nescio vinci. Caesars Argumente im BC sind also großenteils Lukan entlehnt ( wobei sie wie dort z.T. in der zeitgenössischen caesarischen Propaganda wurzeln ). Originell sind allerdings drei Punkte: 1.) Das Stichwort ‚Rom hat mich verstoßen‘ ( 160 pulsus ab urbe mea ) erinnert kaum zufällig an Cato ( cf. BC 45 pellitur a populo victus Cato ; 48 homo pulsus erat ). Caesar stilisiert sich zum geächteten Sohn Italiens ( 156 Saturnia tellus ) und vergleicht das ihm angetane Unrecht zwischen den Zeilen mit dem Los Catos, den Pompeius’ Partei einst bei den Wahlen ebenfalls um den verdienten Sieg brachte. Wie dieser sieht er sich als Opfer politischer Widersacher, die Roms Wohl in den Wind schlagen. Doch gerade der selbstbewusste Vergleich mit dem Erzrepublikaner und Idealisten lässt seine egoistische Agenda umso deutlicher zutage treten. 2.) Um sie enger an sich und sein Unternehmen zu binden, postuliert Caesar eine Art Sippenhaft oder Kollektivschuld seiner Soldaten ( cf. 170f.: ihnen drohe ähnliches Ungemach wie ihm – was zu keinem Zeitpunkt der Fall war ). 3.) Das chronologisch wie geographisch vorverlegte Würfelzitat ( 174 iudice Fortunā cadat alea ) macht den Alpenpass zum weitaus eindrucksvolleren, dramaturgisch stärkeren Rubikon ( cf. S. 825 ). Die Rede wurde gelobt : „Its twenty lines are perhaps the finest in the poem, and in simplicity, clearness, and dignity of thought and expression are not unworthy of the man to whom they are assigned. It is marked by soldierly brevity and a strong man’s moderation of speech.“ ( BALDWIN 1911, 39; ebd. 41 verweist sie auf die gehäuften Paradoxa und Oxymora ; cf. 162 vincendo certior exul ; 163f. triumphis … nocens ; 169 causam dicite ferro ; 172f. poena tropaeis | imminet eqs.). Sie besitzt auf alle Fälle mehr Kraft als Pompeius’ Rede bei Lukan ( 2,531-595 ), von der es im maßgeblichen Kommentar heißt : „This is as far as the poet can go towards providing a speech that is incompetent as rhetoric but not incompetent as poetry.“ ( FANTHAM 1992, 179 ). Die rhetorischen Höhen, die Lukans Caesar erklimmt, erreicht sie nicht.

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152 haec ubi calcavit Caesar iuga milite laeto : „Als Caesar diesen Gebirgskamm erklommen hatte samt dem frohen Heer …“. Caesars Truppen erreichen die Passhöhe ( zu iugum speziell „de ipso transitūs loco, unde descensus incipit“, cf. Liv. 21,35,4 nono die in iugum Alpium perventum est ; 38,45,3 prope ipsis iugis ad divortia aquarum castra posuisse sc. Manlium ; Thes. VII 2, 643,54-59 ). Calcare meint hier prägnant „to tread or set foot on ( esp. unusual surfaces )“ ( OLD s.v. 4 a ); cf. e.g. Ov. her. 2,121 scopulos fruticosaque litora calco ; trist. 3,10,39 durum calcavimus aequor ( sc. das gefrorene Schwarze Meer ); Sen. suas. 1,2 qui tam horridi montes, quorum non iuga victor miles sc. Alexandri calcaverit ? ( „welches Gebirge ist so schroff … ?“ ); Sen. Herc. fur. 535 calcavit … freti terga rigentia ; Phaed. 22f. rupem dulcis Hymetti … calcet ; Lukan 10,2 diras calcavit Caesar harenas ( bei der gefahrvollen Ankunft in Ägypten ); Sil. Ital. 11,217f. Alpes, saxa … uni calcata deo sc. Herculi ; 17,318f. vidi contermina caelo sc. turmas Hannibalis … iuga calcantes summas volitare per Alpes ( s. auch BC 144 f. Graio numine pulsae … rupes ). „Calcare is used because the crossing of the Alps is thought of as a remarkable feat ; the trampling under foot of what should have been an insurmountable barrier.“ ( BALDWIN 1911, 178; dass der Aspekt des Frevelns, des ‚mit Füßen Tretens‘ hier eine Rolle spiele, vermutet M. DEUFERT in epist.). Das Verb erscheint auch im vieldiskutierten Schlussvers der Pharsalia ( 10,546 calcantem moenia sc. Epidamni Magnum ; s. S. 1370f. ) – und in Eumolps Poetik ( 118,5 timuerunt calcare sc. viam ad carmen; cf. Bd. II, S. 790f. ). – Für gewöhnlichere Verwendungen cf. Sat. 134,1 purgamentum … calcasti in trivio ; 135,8,2 calcato radiabat marmore terra. Zur Junktur iuga calcare cf. Sen. suas. 1,2; Sil. Ital. 17,318f. ( beide oben zit.); Sidonius carm. 5,547 calcantem … dorsa iugi ( implizit Sen. Phaed. 233 f. in nivosi collis haerentem iugis, | et aspera agili saxa calcantem pede sc. Hippolytum ); Thes. III, 134,81f. milite laeto : „in mezzo all’entusiasmo del suo esercito“ ( POLETTI 2017, 355 ). Von ‚frohen Soldaten‘ ( oft, wie hier, im koll. Sg.; s. S. 875 ) ist in historischen Texten des öfteren die Rede, in der Regel mit Angabe eines Grunds ( e.g. Caes. civ. 1,69,1 milites visendi causā laeti ex castris procurrebant ; Liv. 7,26,7 laetum militem victoriā tribuni ; 22,3,14 milite … laeto ferociā ducis, „… froh über den risikobereiten Feldherrn“; 38,12,5 laeti milites cum frequenti adsensu consulem audiverunt ; Tac. hist. 2,36,2 laeto milite ad mutationem ducum, „… über den Austausch ihrer Kommandeure“; ann. 2,26,1 miles laetus animi ). Hier bleibt offen, warum sie sich freuen. Wohl kaum über den Anblick der Heimat, der ihnen noch bevorsteht ( cf. 154 Hesperiae campos late pro-

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spexit ). Erwarten sie nach dem bewältigten Aufstieg ein Ende der Strapazen ( Hannibals Soldaten waren nach dem langen Marsch zum Pass erschöpft und demoralisiert ; Liv. 21,35,7 cum … pigritia … et desperatio in omnium vultu emineret eqs.). Was sie beim A b s t i e g erwartet, ahnen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ( ebenso wenig wie die Karthager ; cf. Liv. 21,35,11 iter multo quam in ascensu fuerat … difficilius fuit, „die Route war weitaus schwieriger als beim Aufstieg“ ). Wie eine aussagekräftige Parallele nahelegt, war es eher die Aussicht auf den nahen Krieg. Das historische Vorbild lieferte die Reaktion der 13. Legion auf Caesars Ansprache in Ravenna ( Caes. civ. 1,7,8 conclamant … milites … sese paratos esse imperatoris sui tribunorumque plebis iniurias defendere ). Lukan lässt Caesars Truppen in Ariminum Curios aufpeitschenden Appell bejubeln ( 1,386 his cunctae simul adsensere cohortes ). Und Caesar sieht sie ‚den Krieg freudig begrüßen‘ ( ebd. 1,392f. acceptum tam prono milite bellum … videt ; im BC frohlockt ihm zufolge Italien über seine früheren militärischen Erfolge: 156 f. Saturnia tellus, | armis laeta meis ). 153 optavitque locum : „und einen Ort ausgewählt hatte …“. Hannibal ließ auf der Passhöhe ein Lager aufschlagen und gönnte seinen erschöpften Soldaten zwei Tage Ruhe ( Liv. 21,35,4 f. nono die in iugum Alpium perventum est … biduum in iugo stativa habita, fessisque labore ac pugnando quies data militibus ; 21,37,1 ). Caesars Männern genügt eine kurze Rast. Kein Lager wird errichtet ; gleich nach seiner Rede bricht das Heer wieder auf. Überhaupt tritt im gesamten Abschnitt BC 144-208 der Faktor Zeit in den Hintergrund – als reiche für die Alpenüberquerung ein Tag ( cf. Lukan 1,183 gelidas Caesar cursu superaverat Alpes, Caesar überwand das Gebirge im „Lauf“ ). Zu locus in militärischen Kontexten cf. OLD s.v. 8: „a place chosen for military occupation, strategic position“. „The ordinary military term was locum castris deligere “ ( BALDWIN 1911, 179; cf. Caes. Gall. 1,49,1 u.ö.; s. aber auch castris locum capere, e.g. Cic. Rab. Post. 42; Tac. hist. 2,5,1 ). Das seltene optare locum ( cf. Cic. Att. 12,44,2 locum, quem opto ) hat, v.a. begleitet von einem dat. fin., einen vergilischen Klang ( cf. Aen. 1,425 pars sc. Tyriorum optare locum tecto, „… für Häuser“; 3,109 optavit … locum regno ; Thes. IX 2, 825,79-82 ). Hier oszilliert der Sinn zwischen ‹ castris › und ‹ orationi ›. Nicht mit letzter Gewissheit lässt sich sagen, ob der locus hier identisch ist mit dem locus vom Anfang der Ekphrasis (146 ) – und damit mit den haec iuga von BC 152 ( cf. M. DEUFERT in epist.: „vielleicht ist zu übersetzen ‚und d i e s e n Ort‘, nämlich die Passhöhe“ ). Eher aber ist hier ein begrenztes Areal innerhalb des weit größeren ersten locus gemeint.

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optavitque : Das überlieferte ( und im Kontext unsinnige ) oravitque verdankt sich wohl dem Gebet Caesars, BC 154f. ( ambas | intentans … manūs ad sidera dixit ; so CONNORS 1989, 114 Anm. 36 ). Zwei Konjekturen tragen dem Umstand Rechnung, dass Caesars Heer gleich nach seiner Rede mit dem Abstieg beginnt. Gut macht sich HARRISONs obtinuitque, „und diesen Ort besetzt hatte“ ( 2003, 134 ; empfohlen von SCHMELING ad loc.), „standard military language for holding or occupying a place or position, common with locum “ ( HARRISON a.O.; er zitiert Bell. Afric. 31,2; Liv. 2,65,5; Plin. nat. 16,12; cf. OLD s.v. 7 b; in diesem Fall wäre der locus der locus von BC 146 ). Allerdings kommt obtinere locum in der Dichtung, v.a. der Epik, so gut wie nie vor ( zwei übertragene Verwendungen zitiert POLETTI 2015, 846: Sen. Herc. fur. 1238 saepe error ingens sceleris obtinuit locum, „oft kam ein gewaltiger Irrtum einem Verbrechen gleich“; Ps.-Ov. cons. Liv. 77f. iste potest … dolor … magni luctūs obtinuisse locum, „dieser Schmerz vermag den Annalen ein Thema für tiefe Trauer liefern“; cf. H. SCHOONHOVEN, The Pseudo-Ovidian ad Liviam de morte Drusi, Groningen 1992, 107f. ). POLETTI ( 2015; s. auch 2017, 355-358 ) stützt sein arripuitque auf eine Szene Vergils, die Petron vielleicht vor Augen gehabt habe: Turnus, der in den Bergen einen Hinterhalt vorbereitet ( Aen. 11,522-531, bes. 530f. huc … fertur … arripuitque locum et silvis insedit iniquis ). Auch jene Szene beginne mit der Ekphrasis eines locus horridus von acht Versen. Verbale Anklänge kämen hinzu: die iuga ( 11,529 ~ 152 ), der „schmale Saumpfad“ ( 11,524 tenuis … semita ) bzw. der Alpenpass ( 152 haec … iuga ), und v.a. die Parallele 11,526 summoque in vertice montis ~ 153 summo de vertice montis. Zur ‚aggressiven‘ Qualität des Verbs (~ „riss an sich“ ) zitiert er Aen. 3,477 hanc sc. tellurem arripe ; 9,13 arripe castra ( „erobere das Lager“ ); 10,298 arreptā tellure semel ( „ist das Land erst einmal erobert“ ). Anführen ließe sich auch der ähnlich ‚aggressive‘ Unterton von calcavit ( 152 ). Arripuitque ist attraktiver als obtinuitque ( und würde ‚hyperbolisch Caesars hohes Tempo suggerieren, das für ein Heer, das eine Passhöhe einnimmt, nicht wirklich passt‘; so M. DEUFERT in epist.). Gleichzeitig klingt es nach calcavit … iuga fast schon tautologisch. SAMBUCUS’ auch paläographisch überzeugendes optavitque zitiert ebenfalls Vergil ( Aen. 1,425; 3,109; s. oben ), und v.a. das historische Vorbild Hannibal, der sein Heer in den Hochalpen lagern ließ ( s. oben ) – ein Detail, das der Erzähler nach Caesars Rede und den günstigen Vorzeichen ‚vergessen‘ hat ( passend zu einem anderen ‚Versehen‘ jener überleitenden Passage: dem Hain inmitten der Eiswüste, BC 179f. ).

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153-154 summo de vertice montis | Hesperiae campos late prospexit : „… gewahrte er vom höchsten Scheitel des Gebirges weithin Hesperiens Auen“. Die Szene zitiert Hannibal, der seinem Heer das unter ihnen liegende Italien zeigt ( Liv. 21,35,8 in promunturio …, unde longe ac late prospectus erat, consistere iussis militibus Italiam ostentat subiectosque Alpinis montibus Circumpadanos campos eqs.). Zwei Alpenpässe gewähren bei klarer Witterung einen spektakulären Blick in die Poebene, der Col de Clapier und der Col de la Traversette ( nicht aber der Kleine und der Große St. Bernhard und der Col de Montgenèvre; cf. S. 1143 ). Bei Silius genießen die Pyrenäen selbst die Aussicht ( 3,417f. Pyrene celsā nimbosi verticis arce | divisos Celtis late prospectat Hiberos, „von den ragenden Zinnen ihrer regengepeitschten Gipfel gewahren die Pyrenäen weithin die von den Kelten getrennten Iberer“ ). Vor dem Einmarsch in Rom schaut Caesar von den Albaner Bergen aus auf die Kapitale herab ( Lukan 3,88 excelsa de rupe procul iam conspicit urbem ; ähnlich Hannibal, Sil. Ital. 12,567f. celsis adstans in collibus intrat | urbem oculis eqs.). Im BC verschafft sich Discordia wenig später vom Apennin aus einen Überblick über die Kriegsvorbereitungen allerorten ( 279-281 alta petit gradiens iuga nobilis Appennini, | unde omnes terras … posset | aspicere eqs.; ähnlich bereits Aeneas in Latium, Verg. Aen. 11,908f. fumantīs pulvere campos | prospexit longe eqs.). – Zu der Parallele in der Rahmengeschichte des BC ( Sat. 116,1 ) cf. S. 829, und Bd. II, S. 705f. Zu late prospicere cf. Bell. Hisp. 8,3 propter altitudinem sc. turrium late longeque prospiciunt ; Verg. Aen. 4,409f. cum litora fervere late | prospiceres arce ex summa ( und 1,180f. scopulum … conscendit et omnem | prospectum late pelago petit ; 6,357 prospexi Italiam summā sublimis ab unda ; 12,134-136 e summo … prospiciens tumulo campum aspectabat ); Ov. met. 11,150f. freta prospiciens late riget arduus … Tmolus ( s. auch BC 85f. aspice late | luxuriam spoliorum ; Sil. Ital. 3,417f., s. oben; Tac. hist. 3,60,1 locus ipse castrorum placebat, late prospectans ). summo de vertice montis : Der beliebte Ablativ summo vertice erscheint in Reinform (e.g. Catull 64,390 Parnasi vertice summo ; Ov. met. 4,731f.; fast. 1,210 tetigit summo vertice Roma deos ; Sil. Ital. 2,581 ), weitaus häufiger jedoch mit Präpositionen, allen voran in ( cf. Sat. 134,12,16 fluvios in summo vertice ponam, und e.g. trag. inc. LXXV, p. 295 R.3 in summo montis vertice ~ Verg. Aen. 11,526 summo … in vertice montis ; Lucr. 6,701 in summo sunt vertice … crateres ; Ov. met. 6,204 ; Sil. Ital. 12,152 ). Seltener finden sich e/ex ( cf. Pomponius Mela 2,17 ; Sen. Oed. 476 vertice ‹ e › summo [ add. BENTLEY ] ; Stat. Theb. 5,481 e scopulis et summo vertice montis ), a/ab ( e.g. Ov. met. 12,433

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a summo vertice ), oder – wie hier – de (cf. Cic. Arat. 297 summo caeli de vertice ; Verg. Aen. 2,682; Ov. met. 7,702 vertice de summo … Hymetti ). Zu der Formel vertice montis am Versende cf. Catull 68,57 in aerii … vertice montis ; Prop. 1,20,33 sub vertice montis ; Verg. Aen. 5,35 ex celso miratus vertice montis ; 11,526 summo … in vertice montis ; Ov. met. 11,503f. de vertice montis | despicere in valles … videtur ; Lukan 3,470f. rupes, quam vertice montis | abscidit … vetustas. 154-155 et ambas | intentans cum voce manūs ad sidera dixit : „und beide Hände samt Stimme zu den Sternen reckend sprach er“. Die Geste der zum Gebet himmelwärts gestreckten Hände reicht in das frühe Hellas zurück ( e.g. Ilias 1,450; die Handflächen waren dabei nach oben gedreht ; cf. Sat. 17,9 ~ 114,5 supinas manūs ; zur verwandten Geste des sich Ergebens cf. SITTL 1890, 147f. ). In lateinischen Texten ist sie omnipräsent ; e.g. Sall. Cat. 31,3 manūs supplices ad caelum tendere ; Verg. Aen. 5,256 palmas nequiquam ad sidera tendunt ; 10,844 f. ambas | ad caelum tendit palmas ; Hor. c. 3,23,1 caelo supinas si tuleris manūs eqs. ( und NISBET – RUDD ad loc.); Liv. 10,36,11 manūs ad caelum attollens voce clara … templum Iovi Statori vovet ( und S.P. OAKLEY ad loc.); Ov. met. 11,541 bracchia … ad caelum … inrita tollens ; Ilias Latina 1027 ~ Val. Flacc. 1,80 ~ Stat. silv. 3,4,99 ~ Theb. 1,497 tendens ad sidera palmas ; Apul. mund. 363 habitus orantium sic est, ut manibus extensis ‹ ad › caelum precemur ( SITTL 1890, 174 f. 187190 ). Hier entbehrt sie nicht der Theatralik : „Caesar steht auf dem Gipfel der Welt und streckt beide Arme aus zum Gebet.“ ( M. DEUFERT in epist.). Fast obligatorisch in jenen Kontexten ist freilich tendere. In der Formulierung hier klingt kaum zufällig die Junktur manūs intentare an, das höchst selten freundlich verwendet wird ( cf. Sen. ep. 52,13 hinc atque illinc philosopho manūs auditor intentat eqs.), sondern meist für aggressive Gesten ( cf. Sat. 9,6 intentavi in oculos Ascylti manūs ; 108,5 intentans in oculos Tryphaenae manūs, und e.g. Bell. Hisp. 22,4 eum … lapidare et ei manūs intentare coeperunt ; Liv. 3,47,7 Verginius intentans in Appium manūs ; Sen. ep. 71,22 in oculos nunc mihi manūs intentat ; Tac. hist. 1,69 tela ac manūs in ora legatorum intentant ; s. auch Sat. 70,6 intentavimus oculos in proeliantes ; 95,8 veru … in oculos eius intentat ; POLETTI 2017, 358 zitiert Verg. Aen. 6,571f. Tisiphone … sinistrā | intentans anguīs vocat agmina saeva sororum ). Mit anderen Worten: insgeheim droht Caesar den Göttern ( cf. Sen. clem. 1,25,5: wegen einer Epidemie dis ipsis manūs intentantur ; ähnlich bereits DE SALAS 242; s. auch CONNORS 1989, 113f. ). Ambas steht pleonastisch, wie Verg. Aen. 10,844 f. ( oben zit.; s. auch Vergils duplicīs, Aen. 1,93 duplicīs tendens ad sidera palmas ; 9,16f. duplicīs …

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ad sidera palmas | sustulit ; 10,667 duplicīs cum voce manūs ad sidera tendit – lt. COLLIGNON 167 Petrons Vorbild ). Intentans bezieht sich zeugmatisch auch auf cum voce ( cf. Tac. ann. 3,36,1 servi … domino cum voces, cum manūs intentarent ). – Die sidera sind kein Verweis auf die Nacht ( die Sonne scheint ; cf. BC 181f. ), sondern poetisches Synonym für das Firmament ( zu sidera als Synekdoche für caelum cf. BC 264 mutata … sidera, und S. 1329 ). In dem doppelten ad sidera ( 147 und hier ) sieht YEH 2007, 143 eine Anspielung auf Caesars künftige Apotheose. cum voce : Vergils lapidares Kürzel erscheint v.a. im Gebet ( Aen. 2,688 caelo palmas cum voce tetendit ; 3,176 f. tendo … supinas | ad caelum cum voce manūs, und N. HORSFALL ad loc.: „a neat and vigorous alternative to ‚and‘, and at the same time a zeugma, the ‚stretching‘ of hands and of voice“; 10,667, oben zit.). In der späteren Dichtung hat es kaum Spuren hinterlassen ( cf. Ov. met. 5,112 qui … citharam cum voce moveres, „… zum Gesang“; Stat. Theb. 8,146 manūs cum voce tetendi ; Sil. Ital. 4,660 attollit cum voce caput ; Corp. Tib. 3,4,41 fuerant digiti cum voce locuti ; anders liegt der Fall Ov. met. 15,663f. extemplo cum voce deus … abit ; Ps.-Ov. epist. Sapph. 173 cum voce abiit, „sie schwand samt ihrer Stimme“ ). 156 – 176 Die Rede 156 Iuppiter omnipotens, et tu, Saturnia tellus : „Allmächtiger Jupiter und du, saturnische Erde“. Bei Lukan richtet Caesar am Rubikon ein Gebet an Juppiter, Roma, Vesta und Quirinus ( 1,195-203; s. oben). Im BC wendet er sich ( mit zwei vergilischen Formeln; cf. unten ) an den Göttervater und das heilige Italien. Nichts weist darauf hin, dass sein Gebet nicht ernst gemeint ist. Die Antwort der Götter folgt auf den Fuß; gleich mehrere omina bezeugen, dass sie ihm gewogen sind ( BC 177-182 ). omnipotens : Das Epitheton ornans ( wohl nach Vorbildern wie παγκρατής, „allmächtig“, oder παγκράτωρ, „Allherrscher“ ) ist „uns auf Grund der Rezeption durch die kirchliche Poesie so vertraut“ ( FRAENKEL 1922, 208 ). Gleichwohl entstammt es nicht der Kultsprache, sondern ist eine dichterische Schöpfung, der wir zuerst bei Plautus und Ennius begegnen ( Plaut. Poen. 275 di immortales omnipotentes ; Enn. ann. 447 Sk. Iovis omnipotentis, und O. SKUTSCH ad loc.; trag. 150 Joc.), später bei Turpilius ( com. 118 R.3 omnipotens Neptune ). Es wird zum stehenden Beiwort J u p p i t e r s , allein ( Omnipotens, u.a. Verg. Aen. 4,220 u.ö.; Ov. met. 14,816 ; Val. Flacc. 1,592; Sil. Ital. 7,372 ),

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als Iuppiter omnipotens ( u.a. Lucilius frg. 444 M.; Q. Valerius frg. 2,1 FLP, und E. COURTNEY ad loc.; Catull 64,171; Val. Max. 1,6,12 ), und als pater omnipotens ( u.a. Lucr. 5,399; Verg. Aen. 1,60 u.ö.; Ov. met. 1,154 u.ö.; Ilias Latina 113; Val. Flacc. 2,117; Stat. Theb. 1,248 ; Sil. Ital. 3,163 ; auch mit Vergils pater omnipotens Aether, georg. 2,325, ist wohl Juppiter gemeint ). Als Epiklese ( Anrede im Gebet ) verwendet es regelmäßig Vergil ( meist zu Beginn des Verses und Gebets ); cf. u.a. Aen. 2,689 Iuppiter omnipotens ( und R.G. AUSTIN ad loc.); 4,206 ; 5,687 ; 9,625; 10,668 omnipotens genitor ( Juppiter ; ferner u.a. Stat. Theb. 3,471; frg. anon. 15,1 FLP p. 460 Iuppiter omnipotens, caeli qui sidera torques ). Die Wendung hier zitiert Aeneas’ Eid vor dem Zweikampf mit Turnus ( Aen. 12,178 ): et pater omnipotens et tu Saturnia coniunx. – Cf. J.B. CARTER, Epitheta deorum quae apud poetas latinos leguntur, Leipzig 1902, 53; FRAENKEL 1922, 207-209; A. WLOSOK, Vergil als Theologe : Iuppiter – pater omnipotens : Gymnasium 90, 1983, 187-202; W. SCHUBERT, Der Begriff omnipotens in der lateinischen Literatur : Gymnasium 91, 1984, 369-378. Saturnia tellus : Die Formel knüpft wohl an Ennius’ Saturnia terra an (ann. 21 Sk. ~ Ov. fast. 5,625 ) und steht für Rom und Latium, die beide mit dem Gott Saturnus eng verbunden waren ( cf. WISSOWA 204-208; SKUTSCH 1985, 179-181 ), aber auch synonym für ganz Italien ( u.a. Festus p. 430,30ff. L.). In der gesamten lateinischen Literatur erscheint sie nur dreimal ( stets am Versende ), zweimal bei Vergil, am Ende der laudes Italiae ( georg. 2,173f. salve, magna parens frugum, Saturnia tellus, | magna virum ; cf. R. MYNORS bzw. M. ERREN 381-385 ad loc.), sowie Aen. 8,329 ( s. auch Aen. 1,569 Hesperiam magnam Saturniaque arva ) – und hier. Sie beschwört das Idyll, das Hesperien einst war. Der ganze Vers atmet vergilisches Flair ( so bereits ZEITLIN 1971, 77 ). 157 armis laeta meis olimque onerata triumphis : „ob meiner Waffengänge froh, und einst überhäuft mit triumphalen Siegen“. Auf den Triumph, den ihm der Senat nach seinen Erfolgen in Lusitanien ( 61 v.Chr.) bewilligt hatte, verzichtete Caesar bekanntlich, um sich fristgerecht für das Konsulat des Jahres 59 zu bewerben ( cf. GELZER 6 1960, 57 f. ). Erst nach dem Bürgerkrieg, im Sommer 46, feierte er seine Siege über Gallien und Ägypten, Pharnakes und Juba mit vier Triumphen in Folge ( cf. Ov. met. 15,747 bella … finita triumphis ; 15,757 multos meruisse, aliquos egisse triumphos ; Suet. Iul. 37; GELZER 6 1960, 263-266 ). Von welchen „Triumphen“ redet Caesar hier also ? Am ehesten dürfte Italien sich über den erfolgreichen Gallienfeldzug freuen, der das Reich bedeutend erweiterte und Rom substantielle neue Ressourcen erschloss

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( dass olim kaum als vaticinatio ex eventu auf die Zukunft zielt, „dereinst“, OLD s.v. 3, legt das PPP onerata nahe ). Denn triumphus steht hier abgeschwächt für „Sieg“ ( cf. OLD s.v. 4 : „a success, victory, triumph“, und e.g. Cic. Vat. 39 si te vicini … ita oderunt, ut repulsam tuam triumphum suum duxerint ; Prop. 4,11,71 feminei merces extrema triumphi ; Vell. Pat. 2,42,3 nocturnae expeditionis triumpho ; Val. Flacc. 3,300 talesne acies, talesne triumphos ). Dies bestätigen Caesars „sechzig“ jenseits der Alpen errungenen „Siege“ ( BC 163 sexaginta … triumphis ; s. auch 172 f. poena tropaeis | imminet et sordes meruit victoria nostra ). Bei Caesars gallischen „Siegen“ lässt Lukan einen Centurio schwören ( 1,375 per … tuos iuro … triumphos ). Für seine Erfolge in Gallien bewilligte der Senat Caesar wiederholt außerordentliche Dankfeiern, supplicationes ( cf. Caes. Gall. 2,35,4 ; 7,90,8; Cic. prov. 25 C. Caesari supplicationes decrevistis, numero ut nemini uno ex bello, honore ut omnino nemini ; Suet. Iul. 24,3 ; cf. BALDWIN 1911, 182 ). Zu arma als „Militäraktionen“ cf. OLD s.v. 4 a. – Die synonymen Begriffe sind chiastisch angeordnet ( armis – laeta – onerata – triumphis ; olim gehört auch zur ersten Vershälfte, meis auch zu triumphis ). onerata : Zu übertragenem onerare, in positivem Sinn „überladen, überhäufen“, cf. u.a. Plaut. Capt. 827 onerare laetitiā senem ; Mil. 677 onera te hilaritudine ; Cic. Verr. 2,3,138 onerat te bonis condicionibus ; de orat. 3,121 onerandum … pectus maximarum rerum et plurimarum suavitate, copiā, varietate ; Phil. 2,25 ; Sall. Iug. 12,3 promissis onerat sc. eum ; Verg. Aen. 9,24 oneravit … aethera votis ; Liv. 35,11,6 eum … spe praemiorum onerat ; Tac. hist. 1,25,1 pretio et promissis onerat ( sc. potentielle Mitverschwörer ); Thes. IX 2, 633,16-35; OLD s.v. 6 a. 158 testor : „euch rufe ich zu Zeugen …“. Zu dem absolut gebrauchten testor mit AcI cf. OLD s.v. 1a: „to invoke ( a person, deity, etc.) as a witness, call to witness“ ( mit AcI: 1b ), und e.g. Cic. Q. fr. 1,3,2 testor omnīs deos me hac una voce a morte esse revocatum ; Verg. Aen. 2,431-433 Iliaci cineres … testor, in occasu vestro sc. me nec tela nec ullas | vitavisse vices Danaum ( und N. HORSFALL ad loc.); 4,492f. testor … deos … sc. me magicas invitam accingier artīs ( zu dem archaischen Inf. Pass. cf. R.G. AUSTIN ad loc.); Sen. Phaed. 604 f. vos testor omnīs, caelites, hoc quod volo | me nolle ; ep. 85,1 illud totiens testor, hōc me argumentorum genere non delectari ; Lukan 7,91f. ( unten zit.). 158-159 ad has acies invitum accersere Martem, | invitas me ferre manūs : „… dass ich zu diesem Kampf unwillig Mars herbeirufe, unwillige Hände rühre“.

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In einer feierlichen Formel, untermalt von Polyptoton ( invitum, invitas ), Alliteration ( Ma- ma-) und Parallelismus membrorum ( Adjektiv – Verb – Objekt ) schwört Caesar, man lasse ihm keine andere Wahl als den Krieg. Ähnlich äußert sich der historische Caesar, am Rubikon ( Suet. Iul. 32 eatur …, quo deorum ostenta et inimicorum iniquitas vocat ), und v.a. in Pharsalos ( Caes. civ. 3,90,1f. commemoravit testibus se militibus uti posse, quanto studio pacem petisset (…) neque se umquam abuti militum sanguine neque rem publicam alterutro exercitu privare voluisse ; Suet. Iul. 30,4, zit. S. 1157; Plut. Caes. 46,1 ). Ähnlich klingt auch Aeneas in der Entscheidungsschlacht um Latium ( Verg. Aen. 12,581f. testatur … deos iterum se ad proelia cogi, | bis iam Italos hostīs sc. esse, haec altera foedera rumpi, „… auch dieses zweite Bündnis werde gebrochen“ ). Auch Hirtius entlastet Caesar ( Gall. 8,55 cognoscit … legiones duas ab se missas, quae ex senatūs consulto deberent ad Parthicum bellum duci, Cn. Pompeio traditas atque in Italia retentas esse. hoc facto, quamquam nulli erat dubium, quidnam contra Caesarem pararetur, tamen Caesar omnia patienda esse statuit, quoad sibi spes aliqua relinqueretur iure potius disceptandi quam belligerandi, „… eher eine rechtliche Lösung zu finden als Krieg zu führen“; s. auch Vell. Pat. 2,49,3; Anth. Lat. 847,4 R. intulit invitus per civica viscera ferrum sc. Caesar ). Die Passage klingt wie eine Korrektur Lukans, der Caesar unterstellt, er „giere danach, dort militärisch einzugreifen, wo Hoffnung oder Zorn es ihm rieten“ ( 1,146 f. indomitus, quō spes quōque ira vocasset, | ferre manum ). Umgekehrt versichert Lukans Pompeius, er sträube sich gegen einen Bürgerkrieg ( 2,551f. invideo nostras … manūs quod Roma furenti | opposuit, „es kränkt mich, dass Rom meinen Arm deiner Raserei entgegenstellte“ ); in Pharsalos ruft er Rom als Zeugin, man habe ihm die Schlacht aufgedrängt ( 7,87-92, bes. 7,91f. testor, Roma, tamen Magnum quo cuncta perirent | accepisse diem, „… Pompeius habe sich dem Tag gebeugt, an dem alles zugrunde gehen soll“ ). Zu acies, „Kampf, Schlacht, Krieg“, cf. OLD s.v. 7a. – Invitum meint me invitum ( parallel zu invitas manūs ; me gehört auch zum ersten Teil des AcI ). Unterschwellig mag man invitum Martem mithören ( e.g. HOLZBERG : „dass ich zu dieser Schlacht gegen seinen Willen Mars hole“ ): auch die Götter verabscheuen diesen Krieg ( s. allerdings BC 264-270, bes. 268 Mavortius ). Die Enallage invita manus verwendet besonders Ovid ( cf. Pont. 1,2,126 iacit invitā fulmina rara manu sc. Augustus, und J. GAERTNER ad loc.; 1,5,9f. haec … scribimus invitā vixque coactā manu ; 3,2,66; Pont. 4,1,14 ; im Plural fast. 6,800 dedit invitas victa noverca manūs ; s. auch Sen. Med. 952f.; benef. 7,21,2 denarios non invita manu domum rettulit ; Thes. VII 2, 233,67-69 ).

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accersere Martem : Die singuläre Junktur ( Thes. II, 453,67 ), „Mars“, d.h. den Krieg „herbeirufen“, hat ferne Verwandte; e.g. Liv. 9,25,6 ne arcessant bellum ( die Ausoner gewähren den Römern Zutritt zu ihrer Stadt, „um keinen Krieg zu provozieren“ ); 22,38,6 bellum arcessitum in Italiam ( „der nach Italien geholte Krieg“ ); Sen. Thy. 52 f. odia caedes funera | accerse ( „Hass, Mord, Tod rufe herbei“ ); Sil. Ital. 15,817 geminas accerse acies ( „zwei Heere hole herbei“ ), und v.a. Lukan 7,252 nil opus est votis, iam fatum accersite ferro ( Caesar zu seinem Heer vor Pharsalos: „zwingt das Schicksal herbei mit dem Schwert“ ). S. auch Sat. 101,10 ultro dominum ad fugientes accersere ; BC 117 animas accerse novas. ferre manūs : Zu der vertrauten Formel manūs ferre in/ad ( o.ä.; selten Sg.), „Hand anlegen, die Hände erheben zu“, gerade auch im Kontext ‚Kampf ‘, cf. e.g. Cic. Verr. 2,5,140 ad corpora civium … ferebatur manus ipsa lictoris ; Verg. Aen. 5,402 f. in proelia suetus | ferre manum ; Sen. Oed. 90f. adversus … Gigantas obvias ferrem manūs ; Lukan 1,146f. ( oben zit.); Sil. Ital. 7,301 manūs ad tela ferebat ; App. Verg. Ciris 345 f. ad crebros … pectoris ictūs | ferre manum ( im Gebet Val. Flacc. 3,437f. alte Phoebi surgentis ad orbem | ferre manūs ); Thes. VIII, 359,84-360,8 ( s. auch Sat. 109,1 revocatae … ad pacem manūs intermisēre bellum ). 159-160 sed vulnere cogor, | pulsus ab urbe mea : „doch die Kränkung zwingt mich, verstoßen von der eigenen Stadt“. Die Volkstribunen Mark Anton und Lucius Cassius Longinus, die in Rom für Caesars Anliegen gekämpft hatten, mussten zuletzt nach Erklärung des Notstands aus der Hauptstadt fliehen, als ihre Sicherheit nicht länger gewährleistet war. Damit war die Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts endgültig gestorben. In Ariminum erinnert Curio Caesar an die Ereignisse ( Lukan 1,277-279 at postquam leges bello siluere coactae | pellimur e patriis laribus patimurque volentes | exilium eqs.). Als „Kränkung“ ( cf. OLD s.v. uulnus 4 : „an injury to one’s interests, well-being, etc.“ ) verstand Caesar aber vor allem die beharrlichen Versuche seiner Gegner, ihn aus Gallien abzuberufen und strafrechtlich zu belangen, ja ihn zum Staatsfeind zu erklären ( was im Falle einer Verurteilung das Ende seiner politischen Ambitionen und das Exil bedeutet hätte; cf. S. 1157 ). Das Instrument der Wahl waren die energischen Versuche, seine Bewerbung um das Konsulat zu boykottieren, das ihn vor einer Strafverfolgung geschützt hätte ( dank des neu geregelten Bewerbungsverfahrens, das seine Gegner durchgesetzt hatten, hätte er sein imperium niederlegen und als Privatperson ohne Immunität in Rom erscheinen müssen ). Cicero bestätigte ihm, dass dieses Manöver ‚seiner Feinde und Neider‘ ihn

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„in diesem Konflikt verletze“ ( Att. 9,11a,2 [ März 49 ] iudicavi … eo bello te violari, contra cuius honorem populi Romani beneficio concessum inimici atque invidi niterentur ; s. auch S. 1159 zu dem hier anklingenden Vergleich mit Cato ). Die Junktur vulnere cogi kehrt bei Silius wieder ( 9,575 f. crebro … coacta | vulnere bellatrix … belua, ein „von zahlreichen Wunden gequälter“ Kriegselefant ). Die Wendung urbe pelli ist seit der späten Republik gut bezeugt (u.a. Cic. leg. 3,26 clarissimi viri … illa urbe pulsi ; Ov. fast. 1,482 pulsus es urbe ; Val. Max. 1,7,5 inimicorum conspiratione urbe pulsus M. Cicero ; Sen. Med. 250 urbe si sc. me pelli placet ; Suet. Nero 36,2 damnatorum liberi urbe pulsi ), bisweilen erweitert um ein ex ( cf. Liv. 3,19,5 omnia … decora pulsa ex urbe Romana, „alle guten Eigenschaften …“; Gell. 15,11,3 philosophi ex urbe Roma pulsi sunt ). Die Variante ab urbe, „von Rom“ ( mitzuhören ist „aus Rom“ ), findet sich nur hier. – Zu urbe mea cf. 166 mea Roma. 160 dum Rhenum sanguine tingo : „während ich den Rhein mit Blut färbe“. Properz streift das Thema ( 3,3,45 f. Suebo perfusus sanguine Rhenus | saucia maerentī corpora vectet aquā : der Rhein trauert um die im Kampf gegen Caesar gefallenen Sueben ), Lukan greift es auf: Caesars Heer bezwang den Ozean und „brach“ den Rhein ( 1,371 fregit … Rhenum ); „er legte Rhein und Ozean in Ketten“ ( 3,76f. ut vincula Rheno | Oceanoque daret ; s. auch 4,696f. Rheni miles in undis | exploratus erat, Caesars Truppen „waren gestählt in den Wogen des Rheins“; 5,267f. terris fudisse cruorem | quid iuvat Arctois Rhodano Rhenoque subactis ?, „was bringt es uns, dass wir in nordischen Ländern unser Blut vergossen, als wir Rhone und Rhein unterwarfen ?“; s. auch Anth. Lat. 847,6 R. hostiles Rheni conpescuit undas sc. Caesar ; Ovid sah Augustus bald über Germanien triumphieren, Pont. 3,4,107f. squalidus inmissos fractā sub harundine crines | Rhenus et infectas sanguine portet aquas ). Pompeius hingegen höhnt, Caesar sei vor dem Rhein geflohen ( Lukan 2,570 Rheni … fugit ab undis ). Abstrakter würdigte der historische Caesar die Verdienste seiner Soldaten ( civ. 1,7,7 omnem Galliam Germaniamque pacaverint ). – S. auch BC 163f. sanguine Germano … esse nocens coepi. sanguine tingo : Zu ting(u)ere ( vinco codd. : tingo Konjektur des Monacensis 23713 und der Hs. Dresden, Sächs. Landesbibl. Dc 141 ) cf. OLD s.v. 4 : „(spec.) to stain ( with blood )“. Die Junktur sanguine tingere wird ab der späten Republik populär ( e.g. Cic. Tusc. 2,20 sanguine Centauri tinctam tunicam ), gerade in Verbindung mit W a f f e n ( e.g. Lucr. 5,1327; Verg. georg. 3,492 tinguntur sanguine cultri ; Ov. fast. 1,321; Sen. Ag. 656-658 vidi senis in iugulo | telum Pyrrhi vix exiguo | sanguine tingui ; Sil. Ital. 17,315 tinxisti sanguine ferrum ) oder Ö r t l i c h k e i t e n ( e.g. Ov. met. 5,293 humum … scele-

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rato sanguine tinctam ; fast. 6,82 Cacus Aventinam sanguine tinxit humum ; her. 20,236 tincta … votivo sanguine Delos erit ; s. auch BC 294 Thessalicos … sinus Romano sanguine tingue, und S. 1373 ). Nur vereinzelt beschreibt sie – wie hier – G e w ä s s e r (cf. Ov. Ibis 492 Euboïcas … suo sanguine tinxit aquas ). Vom ‚blutigen Rhein‘ in Tiberius’ Triumphzug 13 n.Chr. spricht Ovid ( trist. 4,2,42 decolor ipse suo sanguine Rhenus erat ; Pont. 3,4,108, oben zit.). Zur Sache s. auch Sat. 108,14,7f. ne vincite pontum | gurgitibusque feris alios immittite fluctūs ; Hor. c. 2,12,2f. Siculum mare | Poeno purpureum sanguine ; 3,6,34 infecit aequor sanguine Punico ; Stat. Theb. 3,211 quanti crudele rubebitis amnes ! 161-162 dum Gallos iterum Capitolia nostra petentes | Alpibus excludo : „während ich die Gallier, die wieder nach unserem Kapitol greifen, von den Alpen fernhalte“. Den gleichen Trumpf wie hier spielt Caesar bei Lukan aus. Wäre sein Feldzug im Norden gescheitert, stünden die Kelten längst in Italien ( 1,307-309; bereits Cicero bescheinigte Caesar diesen Erfolg, Pis. 81f., bes. 82 perfecit ille ut … victoriā suā rebusque gestis Italiam munitam haberemus ). Und sein großer Katalog der gallischen Stämme erinnert an die Gefahren, die Rom nun drohten, da er seine Legionen abziehe: den Galliern biete sich die Chance, Rom erneut anzugreifen ( 1,392-465, bes. 1,464 f.; cf. P. ROCHE 277-279 ad loc.). Lukan entkräftet dieses Argument, wenn er Caesar selbst implizit als ‚gallischen Feind‘ darstellt, der in Italien einfalle und nach Rom greife ( cf. 1,395 Romam … petit ; 1,464 petitis Romam ; als ‚gallische Tollwut‘ beschimpft ihn Pompeius: 2,535 Gallica per gelidas rabies effunditur Alpes ). Angespielt wird auf ein altes Trauma Roms: die Niederlage gegen eine gallische Streitmacht an der Allia und die anschließende Einnahme der Stadt samt des Kapitols ( 390 v.Chr.; wohl ins Reich der Legende gehört die berühmte Geschichte um die wachsamen Tempelgänse, Liv. 5,47; cf. R. OGILVIE ad loc.; O. SKUTSCH, Studia Enniana, London 1968, 138-142 ; N. HORSFALL, The Classical Journal 76, 1981, 298-311 ). Aus historischer Sicht stellte Gallien für Rom kaum noch eine ernsthafte Bedrohung dar ( cf. Florus epit. 2,13,23 nihil hostile erat in Gallia ; pacem ipse fecerat ), im Gegensatz etwa zu den Parthern oder Germanen ( cf. Verg. georg. 1,509 hinc movet Euphrates, illinc Germania bellum ; Hor. c. 1,12,53 Parthos Latio imminentīs ; Appian b.civ. 2,164 ). Nicht vergessen waren die germanischen Stämme ( Teutonen, Ambronen und Kimbern ), die vor einem halben Jahrhundert bis in die Poebene vorgedrungen waren.

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Für Unruhe in Rom sorgte allerdings um 60 v.Chr. die Nachricht vom geplanten Auszug der Helvetier aus ihrem Gebiet um den Genfer See. Man rechnete mit größeren Konfrontationen ( cf. Cic. Att. 1,19,2 in re publica … maxime Gallici belli versatur metus eqs.). Gerade Cicero belegt, wie alte Ängste das Denken weiterhin prägten ( cf. prov. 33f. nemo sapienter de re publica nostra cogitavit …, quin Galliam maxime timendam huic imperio putaret eqs.). Die ‚gallische Gefahr‘ rechtfertige Caesars militärische Initiative ( ebd. 32f. non … sibi solum cum iis, quos iam armatos contra populum Romanum videbat, bellandum esse duxit sc. Caesar, sed totam Galliam in nostram dicionem esse redigendam eqs.; s. auch Catil. 3,22; Pis. 81; Sall. Iug. 114,1f. ). Nicht vergessen war wohl auch die große gallische Revolte 52 v.Chr. unter Vercingetorix’ Führung, die Caesar nur unter hohen Verlusten niederwerfen konnte. Zur Wendung Capitolium petere cf. u.a. Sil. Ital. 17,327 ( Hannibal zu seinem Heer) Capitolia celsa petebas ; Tac. hist. 1,39,1 cum … Capitolium petere … censerent ; Hist. Aug. Gall. 8,5 Capitolium petit ( s. auch BC 211 summi … petit iuga celsa Palati ; 279 alta petit gradiens iuga nobilis Appennini ). Excludere mit dem präpositionslosen Abl. sep. findet sich v.a. bei Cicero ( u.a. Cael. 42 qui … excludat auribus omnem suavitatem ; Balb. 39 moenibus ‹ hostem › excluserunt ; Lig. 25 exclusi provinciā ; Lael. 22 amicitia … nullo loco excluditur ; Phil. 4,8 excludit provinciā ; s. auch Hor. ars 296f. excludit sanos Helicone poetas | Democritus ). – Anapher mit dum. 162 vincendo certior exul : „dank meiner Siege um so gewisser verfemt“ ( cf. GUIDO : „esule ancor più per aver vinto“ ). In Pharsalos erklärte der historische Caesar seinen Soldaten, sie kämpften nun gegen die, die ihn und seine Leute nach zehn Jahren Krieg und unzähligen Siegen und Erfolgen „ohne Ehren, ohne Triumph, ohne Belohnungen entlassen wollten“ ( Appian b.civ. 2,305 διέλυον ἀγεράστους ἄνευ θριάμβου τε καὶ δωρεᾶς ). Ähnlich Lukans Caesar : weil sich die Dinge in Gallien mit Hilfe der Götter zum Besten gewendet hätten, ‚spiele man ihm übel mit‘ ( 1,309-311, zit. S. 1158; in Pharsalos befürchtet Pompeius, eine Niederlage bringe ihm die Verbannung : 7,379-382 ; von ferne klingt auch das Schicksal des Siegers von Zama an; cf. S. 981 ). Die Junktur vincendo exul ist ebenso paradox wie das certior exul. BALDWIN 1911, 186 zitiert verwandte Oxymora: Hor. c. 3,5,48 egregius … exul ( Regulus auf dem Weg nach Karthago ); Sen. Herc. fur. 249 orbe defenso caret ( Herakles muss im Hades „auf den von ihm verteidigten Erdkreis verzichten“ ); Lukan 7,256 ( s. das folgende Lemma ). – Zu dem instrumentalen Abl. des Gerundiums cf. PETERSMANN 222f.

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163-164 sanguine Germano sexagintaque triumphis | esse nocens coepi : „Germanenblut und sechzig Siege ließen mich gefährlich werden.“ Gleiches hört Lukans Caesar von Curio: livor edax tibi cuncta negat, gentesque subactas | vix inpune feres, „Nagender Neid verweigert dir alles, und kaum ungestraft wirst du damit durchkommen, fremde Völker unterworfen zu haben.“ ( 1,288f.). Noch deutlicher wird er selbst bei Pharsalos: seine gallischen ‚Triumphe‘, die Rom ihm missgönnt habe, hole er sich nun in Thessalien ( ebd. 7,256 in quam sc. diem distulimus vetitos remeare triumphos, „auf diesen Tag haben wir die Triumphe vertagt, denen man die Heimkehr verwehrte“ ). Zu triumphus als „Sieg“ cf. S. 1167 zu BC 157. Das „germanische Blut“ ( cf. BC 160 Rhenum sanguine tingo ; 214 Germano perfusas sanguine turmas, und S. 1237 ; laut STUBBE 131 hier „fast synonym“ für Gallier und Germanen als „Teile … des von den Römern gefürchteten Nordens“ ) erinnert wohl kaum an die beiden rechtsrheinischen Exkursionen Caesars 55 und 53 v.Chr., die militärisch gesehen Episode blieben ( cf. Caes. Gall. 4,16-19; 6,9f.; 6,29; MEIER 1982, 339f. 363 ), sondern eher an zwei Konflikte mit germanischen Stämmen auf gallischem Boden ( cf. Suet. Iul. 25,2 Germanos … adgressus maximis adfecit cladibus ). 58 v.Chr. schlug Caesar im heutigen Elsass die Sueben, die unter Ariovists Kommando Teile Galliens besetzt hatten. Angeblich achtzigtausend Germanen verloren ihr Leben; Ariovist selbst entkam über den Rhein ( cf. Caes. Gall. 1,30-54 ; MEIER 1982, 296-301 ). 55 v.Chr. setzten zwei andere germanische Stämme nach Gallien über, die Usipeter und die Tencterer. Nach ersten Verhandlungen nutzte Caesar einen Zwischenfall als Vorwand, um die Germanen niederzumachen. Seinen eigenen Angaben zufolge wurden bei dem Massaker beide Stämme fast ausgelöscht ; 430.000 Menschen verloren ihr Leben. In Rom war man entsetzt ; Cato beantragte Caesars Auslieferung an die Germanen ( cf. Caes. Gall. 4,4-15; GELZER 6 1960, 116f.; MEIER 1982, 338f. ). Zu nocens cf. OLD s.v. 2: „stained with crime, guilty ; ( w. abl.) guilty (of )“; 2b: „( masc. as noun ) a guilty person, a criminal“, und Lukan 1,203 ille erit ille nocens, qui me tibi fecerit hostem ( Caesar zu Roma; der Vers klingt fast wie eine Retourkutsche auf den Vorwurf hier ); 7,260 haec acies victum factura nocentem est ( Caesar vor Pharsalos: „diese Schlacht wird den Verlierer schuldig sprechen“ ). Ohne Parallele ist das Oxymoron ( triumphis nocens ). sexaginta : Die Zahl ist kaum wörtlich zu verstehen. Das OLD s.v. zitiert die Stelle als einzigen Beleg für eine hyperbolische Verwendung ( cf. SCHMELING ad loc.: „understand ‚many‘ “; zur sechzig als „runder Zahl“ im lateinischen Duodezimalsystem cf. E. WÖLFFLIN, Das Duodezimal-

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system : Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik 9, 1896, 527-545, bes. 539 ad loc.). Dass sexaginta statt der „gut belegten Zahl ‚sechshundert‘ für ‚unendlich‘ “ stehe, zieht M. DEUFERT in epist. in Betracht ( cf. Sat. 56,10 sexcenta huiusmodi fuerunt, quae iam exciderunt memoriae meae, und OLD s.v. sescentī 2 ). Dass Caesars Siege ‚sonder Zahl‘ seien, hält Cicero nach dem Bürgerkrieg fest ( Marc. 28 obstupescent posteri certe imperia, provincias – Rhenum, Oceanum, Nilum – pugnas innumerabilīs, incredibilīs victorias, monumenta, munera, triumphos audientes et legentes tuos ; Deiot. 12 Cn. Pompei bella, victorias, triumphos, consulatūs admirantes numerabamus ; tuos enumerare non possumus ; von seinen „unzähligen Siegen“ spricht in Pharsalos der historische Caesar ; Appian b.civ. 2,305 νίκας δυσαριθμήτους ). Doch vielleicht spielt die ‚sechzig‘ auf historische Zahlen an. Plinius zählt fünfzig Schlachten Caesars ( nat. 7,92 quinquagiens dimicavit ), Solin ( 1,106 ) zweiundfünfzig. Und angeblich besiegte Caesar vierundsechzig gallische Gemeinden ( Servius auct. Aen. 1,286 Caesar quattuor et sexaginta victis Galliarum civitatibus cum a senatu petisset consulatum et triumphum nec impetrasset adversante Cn. Pompeio magno eiusque amicis, qui Caesaris processibus invidebant, bellum civile gessit in Farsalia eqs.). 164-165 quamquam quos gloria terret, | aut qui sunt qui bella vetent ? : „Wen freilich schreckt mein Ruhm, oder wer sind sie, die mir die Kriege verwehren ?“ Der Vers erschließt sich im Zusammenhang des bisher Gesagten. ‚Gegen meinen Willen führe ich nun Krieg. Ungeachtet aller Erfolge jenseits der Alpen will man mich politisch kaltstellen. Je mehr ich im Norden leiste, desto mehr sieht man mich als Gefahr. Wer hat überhaupt Angst vor meinem Ruhm und will mir den Feldzug in Gallien verbieten ? Korrumpierte Handlanger und Helfer des Pompeius.‘ ( s. auch HELM 1934, 14 ; SOUBIRAN 1987, 61; zu seiner in Gallien erworbenen gloria cf. Verg. Aen. 11,421f. Troianis cum multo gloria venit | sanguine ). Ab BC 167 richtet sich Caesars Blick dann auf die Zukunft, genauer : den Bürgerkrieg. Eine alternative Deutung des Verses schlägt A. SETAIOLI in epist. vor : „Another interpretation might be possible: ‚who is so frightened by glory‘ as to give up starting the civil war ? The implied answer is of course ‚not I‘. This interpretation might be supported by the worthlessness of the opponents stressed immediately after : this being so, there’s no reason to be afraid of obtaining glory through war.“ Gloria terret ist singulär. – Zu dem korrektiven quamquam, das einen Gedanken korrigierend abbricht ( „freilich, gleichwohl“ ), cf. 107,15 quam-

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quam quid attinet veritatem per interpretem quaerere ?, und HSZ 603; PETERSMANN 284 ; OLD s.v. 3b. vetent : Etliche Befürworter fand das überlieferte vident ( u.a. BÜCHELER [ s. aber ed.2 ]; ERNOUT ; STUBBE : „die meine Kriege erleben“; WALSH : „idle spectators of our battles“ ). Als prophetischen Blick auf den kommenden Bürgerkrieg, wie BC 215f. arma, cruor, caedes, incendia totaque bella | ante oculos volitant, verstand es BALDWIN ( 1911, 186 ). Doch, wie v.a. das Stichwort gloria deutlich macht, das auf den Gallischen Krieg verweist, können kaum die kommenden Konflikte gemeint sein. Manche Konjekturen scheitern an der klaren Ausrichtung des Verses auf Vergangenes, wie WERNSDORFs volunt, REISKEs cient ( so BÜCHELER 2 im Text, ohne Hinweis im App.): „die Kriege provozieren“ ( cf. Verg. Aen. 6,829 quantas acies stragemque ciebunt sc. Caesar et Pompeius ), oder GULIELMIUS’ iubent, für das u.a. MÖßLER ( 1870, 4 : „i.e. qui hostem me iudicaverunt bello persequendum“ ) und GUIDO warben ( ad loc.; ihm zufolge sinngemäß „die mir einen Bürgerkrieg aufzwingen“ ). DELBENIUS’ und COLLADONIUS’ timent spiegelt die erste Vershälfte ( quos gloria terret ), bleibt aber ansonsten blass. Die beste ( wenn auch nicht schlagende ) Lösung ist GRONOVs vetant, das auf Vergils Junktur bella vetare zurückgreift ( Aen. 2,84 bella vetabat ; cf. Stat. Theb. 10,593 cum perfida bella vetarem ). MÖßLER ( 1857, 14 Anm. 20 ) änderte es zu vetent, was näher am überlieferten vident bleibt und dem Relativsatz die spannende konsekutive Färbung verleiht ( so u.a. BÜCHELER 1 ad loc.; DÍAZ Y DÍAZ ; GIARDINA – MELLONI ; SCHMELING – SETAIOLI ad loc.). 165-166 mercedibus emptae | ac viles operae, quorum est mea Roma noverca : „für ein Handgeld gekaufte billige Handlanger, die mein Rom nur als Stiefmutter sehen.“ Als Antwort auf die rhetorischen Fragen 164 f. – ‚wer will mich meines Kommandos entheben ( und vor Gericht bringen )?‘ – folgt eine wenig schmeichelhafte Umschreibung jener Senatskreise um Pompeius, die sich Caesars Ambitionen aus Furcht vor dessen wachsendem politischen Einfluss immer entschiedener in den Weg stellten ( so bereits ANTON 390; er zitiert Caes. civ. 1,3,4 f. omnes amici consulum, necessarii Pompei atque ii, qui veteres inimicitias cum Caesare gerebant, in senatum coguntur. quorum vocibus … terrentur infirmiores, dubii confirmantur, plerisque vero libere decernendi potestas eripitur ). Dieser Deutung wurde bisweilen widersprochen, v.a. auf Basis von operae, „Männer fürs Grobe“ ( cf. OLD s.v. 9b: „( in politics ) a hired rowdy“; laut AXELSON 59 „in der gehobenen poetischen Sprache fast ganz verpönt“ ). Cicero hat ein Faible für das Wort ( e.g. Sest. 38 erat … mihi con-

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tentio … cum operis conductis et ad diripiendam urbem concitatis ; Phil. 1,22 operas mercennarias ; Q. fr. 2,3,2 operae Clodianae ; Att. 4,3,3; s. auch Suet. Aug. 3,1 operas … campestres ). So bezogen nicht wenige Exegeten den Vers auf „die Tagelöhner der Politik“, Roms „Pöbel“ ( STUBBE 131 ad loc.). Denn operae „could not properly be applied … to the class referred to in Caes. civ. 1,3“ ( BALDWIN 1911, 187 ). Doch genau dies tut Caesar hier – in bewusst despektierlichem Ton. Ungeachtet der zarten Parallele BC 39f. ( emptique Quirites | ad praedam strepitumque lucri suffragia vertunt ) sind auch kaum Pompeius’ zahlreichen Anhänger im Volk gemeint, die er mit allerlei Wohltaten an sich gebunden hatte ( cf. Lukan 1,314 extremi … emptique clientes, „die niedrigsten, gekauften Gefolgsleute“, und A.E. HOUSMAN ad loc.; 1,132 multa dare in vulgus ), und deren Unterstützung ihm Ämter und imperia verschaffte ( so u.a. BALDWIN 1911, 187 ). Noch abwegiger ist die alte Vorstellung ( cf. DE SALAS 242; GUIDO 1976, 175; WALSH 1996, 193 ), es ginge um Pompeius’ im Osten rekrutierte Verbände ( zu diesen cf. Caes. civ. 3,4 ). Den ( aus Caesars Sicht ) mangelnden Patriotismus des Senats charakterisiert die metaphorische noverca ( OLD s.v. a: „applied to an adopted country“; s. auch WALSHs Übersetzung : „no true sons of my dear Rome“ ), die offenbar ein Bonmot des jüngeren Scipio Africanus aufgreift. Als das Volk sich über seine Unterstützung des Tiberius Gracchus empört, weist er es scharf zurecht : qui possum vestro sc. clamore moveri, quorum noverca est Italia ? ( Vell. Pat. 2,4,4 : „wie kann euer Geschrei mich rühren, denen Italien als Stiefmutter gilt ?“; cf. Val. Max. 6,2,3 taceant …, quibus Italia noverca est ). Bei Lukan sieht sich Caesar als den wahren Patrioten ( 1,200202 Roma … en, adsum victor terraque marique | Caesar, ubique tuus … miles ). – Zu der constructio ad sensum ( quorum statt quarum ) cf. BALDWIN 1911, 188 ad loc. Roma : In den von Caesar aufgelisteten militärischen Erfolgen ( BC 160-164 ) entdeckt YEH ( 2007, 140 Anm. 80 ) eine Kette von ‚Toponymen‘ ( 160 Rhenum – 161 Gallos – 161 Capitolia nostra – 162 Alpibus – 163 Germano ), die einen klaren Kontrast zwischen der auswärtigen Gefahr und der von Caesar verteidigten Heimat im Herzen der Aufzählung schaffe ( 161 Capitolia nostra ). Genau besehen beginnt diese Kette aber schon früher, mit ab urbe mea ( 160 ), und reicht bis mea Roma ( 166 ). Sie wird also eingeläutet und abgeschlossen von Caesars Kapitale. In Rom beginnt alles – alles endet in Rom.

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167 at reor, haud impune : „Doch ich glaube, nicht ungestraft“. Das drohende haud impune taucht v.a. dort auf, wo Rache geschworen oder Vergeltung eingeklagt wird, wie in Polyphems Höhle ( Verg. Aen. 3,628 haud impune quidem, nec talia passus Vlixes eqs.), oder von der geschändeten Lucretia ( Liv. 1,58,7 date dexteras fidemque haud impune adultero fore ); s. auch Tib. 2,3,65f.: haud impune verstecke man eine Schönheit auf dem Land; Ov. met. 2,474 : haud impune soll sich nach Junos Wille die paelex Callisto ihres Nachwuchses erfreuen; Lukan 9,803: haud impune hätten Tiere von einem vergifteten Leichnam gefressen; Sil. Ital. 14,216 : haud impune wurde Phalaris’ Stier ersonnen ; 16,66: haud impune traf Larus’ Axt Scipios Schild. Profaner klingt die Drohung mit non ( Sat. 81,6 sed non impune. nam … noxio sanguine parentabo iniuriae meae ; 95,3 vos mehercules … fugere nocte … voluistis. sed non impune eqs.). – Zu dem „archaisch gefärbte(n)“ reor, das „vorzugsweise dem episch-tragischen Stil angehört“, cf. AXELSON 64 ; zu haud ebd. 91f. Ab hier am ehesten richtet sich die Rede an die Soldaten; unter der Hand schlägt der Monolog um in die Ansprache des Feldherrn auf dem Gebirgspass, wie sie von Hannibal überliefert ist ( Liv. 21,35,9 ). 167-168 nec hanc sine vindice dextram | vinciet ignavus : „und nicht ungerächt wird diese Rechte in Bande schlagen ein Schwächling.“ Das abfällige ignavus zielt eindeutig auf Pompeius – den Caesar in seiner Ansprache ansonsten nirgendwo persönlich erwähnt ( zur rhetorischen Figur der antonomasia cf. Quint. inst. 8,6,29f.; das Gleiche tat offenbar auch der historische Caesar in seinen Reden zu Beginn des Bürgerkriegs; cf. oben S. 1157 ; BALDWIN 1911, 188 ad loc. zitiert Hannibals höhnische Antwort auf Fabius’ Forderung nach seiner Auslieferung, Sil. Ital. 2,48 : en vinctā lacerandum tradite sc. me dextrā ). Als einen „vom langen Frieden verweichlichten Feldherrn“ schmäht Lukans Caesar Pompeius ( 1,311 longā dux pace solutus ). Kaum wohlwollender liest sich Lukans eigenes Porträt des Magnus : vergentibus annis | in senium longoque togae tranquillior usu | dedidicit iam pace ducem … stat magni nominis umbra eqs. ( 1,129-143; cf. 7,52f. segnis pavidusque vocatur | ac nimium patiens soceri Pompeius ; 8,5-8 ). Mit demselben Adjektiv ignavus charakterisiert Lukan wiederholt Pompeius’ Gefolge und Truppen ( 1,514 ignavae … manūs ; 2,496 ignavi ); seinen Sohn Sextus nennt er Pompei ignava propago ( 6,589 ). Als ignavi beschreibt auch Caesar Pompeius’ Soldaten ( 7,270-272 iuventus … ignava … et vix arma ferens ; 7,277 ite per ignavas gentes ). Am deutlichsten wird Lukans Gleichnis vom Staatsschiff, dessen Steuermann kläg-

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lich versagt und verzagt – Pompeius ( 7,125-127 victus … navita ; ignavum … puppis onus ; s. S. 1261f. ). Auch Pompeius spricht vor seinen Soldaten diesen wunden Punkt an: „Du wirst lernen, Caesar, dass die vor einem Krieg nicht fliehen, die sich an den Frieden gewöhnt haben. Soll er mich ruhig verweichlicht und verbraucht nennen: euch soll mein Alter nicht schrecken ! Mag auch in diesem Lager der Feldherr älter sein, solange es in Caesars Lager die Soldaten sind !“ ( Lukan 2,558-561 disces non esse ad bella fugaces | qui pacem potuere pati. licet ille solutum | defectumque vocet, ne vos mea terreat aetas : | dux sit in his castris senior, dum miles in illis ). Zu sine vindice ( hier parallel zu impune ) cf. BC 49f. Roma … sine vindice praeda, und S. 954 f. – Neben den Alliterationen ( haud – hanc ; imp- – ign-) fällt besonders die Paronomasie vindice – vinciet ins Auge, samt ihrem feierlichen Unterton. 168-169 victores ite furentes, | ite mei comites : „Auf denn, ihr sieggewohnten Berserker, auf, meine Kameraden !“ Nun wendet Caesar sich unmittelbar an seine Soldaten ( die allerdings erst BC 187 in den Blick rücken ). ‚Sieger‘ nennt sie auch Lukans Caesar ( 1,299 f. bellorum o socii, qui mille pericula Martis | mecum … experti decimo iam vincitis anno ), und ‚Rasende‘ ein Offizier Caesars ( ebd. 4,505f. indomitos sciat sc. hostis esse viros timeatque furentīs | et morti faciles animos ). Was hier allenfalls zwischen den Zeilen anklingt, spricht Curio aus, der Caesar zu einem ‚Erstschlag‘ überreden will : es brauche nur wenige Schlachten, und ihm gehöre der Erdkreis ( ebd. 1,280-291 ). Die martialische Rhetorik hier bleibt weit hinter dem zurück, was Lukan Caesar vor Pharsalos in den Mund legt ( bes. 7,292-294 videor fluvios spectare cruoris | calcatosque simul reges sparsumque senatūs | corpus et immensā populos in caede natantīs ; 7,320-322 non vos pietatis imago | ulla nec adversā conspecti fronte parentes | commoveant ; vultūs gladio turbate verendos ). Das anaphorische ite verbindet sich chiastisch mit den Anreden an die Soldaten ( victores – ite – ite – mei comites ); den Mittelpunkt bildet mit furentes der furor des Bürgerkriegs. „Anaphora marks the emotional escalation of Caesar’s rhetoric“ ( P. ROCHE 260 ad Lukan 1,347 tollite iam pridem victricia tollite signa ; lt. STUBBE 88 ist sie „bezeichnend für feierlich-gravitätische, religiöse Rede wie für salbungsvoll-rhetorischen Stil“ ). In dem Vokativ ite … comites schwingt kaum Vergils comes ire mit ( „als Gefährte zur Seite gehen“; cf. S. 1301; so HOLZBERG : „geht hin als meine Kameraden“ ); es dürfte das von Caesar gerne verwendete, im Hexameter

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unmögliche commīlĭtōnes ersetzen ( cf. Suet. Iul. 67,2 nec ‚milites‘ eos …, sed blandiore nomine ‚commilitones‘ appellabat ; s. auch BALDWIN 1911, 189 ). ite … ite : Der wiederholte Imperativ hat etwas Beschwörendes ( e.g. Sen. Herc. fur. 1131f. ite ad Stygios, umbrae, portūs, | ite, innocuae ; Tro. 1165 ite, ite, Danai ; Med. 845 ite, ite, nati ; Calpurn. Sic. 2,55 ite procul ( sacer est locus ), ite profani ; Corp. Tib. 3,6,7 ite procul, durum curae genus, ite labores ) – auch im Mund eines Hirten ( Verg. ecl. 1,74 ite meae, felix quondam pecus, ite capellae ; 10,77 ite domum saturae …, ite capellae ; Prop. 4,9,16 f. ite boves, | Herculis ite boves ). Er findet sich im Kult ( cf. Catull 63,12 f. ite ad alta, Gallae, Cybeles nemora simul, | simul ite eqs.; zu griechischen Vorbildern cf. e.g. Eur. Bacch. 83 ἴτε βάκχαι, ἴτε βάκχαι, „auf, ihr Bakchen, auf, ihr Bakchen“, und J. DIGGLE ad Eur. Phaeth. 112 ) wie im Krieg ( cf. Ov. met. 3,562 ite citi …, ite eqs.; Stat. Theb. 6,809 ite, oro, socii, furit, ite, opponite dextras ! ). So ist ite denn fester Bestandteil des Schlachtrufs ( e.g. Lukan 10,393 f. ite feroces | Caesaris in iugulum, in gleicher metrischer Position ; Val. Flacc. 6,29 hostis io, … agite ite, propinquat ! ; Stat. Theb. 7,433 ite viri ; 10,266 ite, o socii ; 12,648 ite alacres tantaeque, precor, confidite causae ; Sil. Ital. 8,273 ite igitur, capite arma, viri ; 10,598 f.; 15,763 f. ite, docete, viri, Romanae vulnera suerint | quanta afferre manūs ). Auch Caesar verwendet es ( Lukan 2,499 ite simul pedites ; 4,162-164 ite sine ullo | ordine eqs.) – und Cato sarkastisch zu Fahnenflüchtigen ( ebd. 9,268 ite, o degeneres eqs.). furentes : Im Kontext von Kampf und Tod bedeutet das Partizip „kämpferisch, streitbar, aggressiv“ ( cf. 105,4 aggrediuntur nos furentes nautae ; BC 247 terras … furentes ). Einen festen Platz hat es in Vergils Vokabular ; cf. georg. 2,455 f. furentīs | Centauros ; Aen. 1,491 Penthesilea furens mediisque in milibus ardet ( und Servius ad loc.: furor bellicus intellegitur ); 4,42f.; 9,691; 10,603 f. turbinis atri | more furens sc. Aeneas ( als Verb u.a. 10,386; 10,545; cf. S.J. HARRISON ad 10,386: „ furere of wild battle-rage ( cf. Homeric μαίνεσθαι, Il. 6,101 etc.) is first used in Latin by Vergil“ ). In späteren Texten dominiert der Unterton „mordlüstern“ ( e.g. Ov. met. 5,13f. quae te, germane, furentem | mens agit in facinus ? ; Sen. Ag. 897 armat bipenni … dextram furens ; Herc. fur. 120 furentis arma ; Val. Flacc. 1,144 hic ense furens agnoscitur Aeson ; Stat. Theb. 12,763f.; cf. Thes. VI 1, 1627,65-79 ). Bereits bei Cicero hat furere bisweilen einen politischen Akzent : „sich gegen den Staat vergehen“ ( e.g. Catil. 2,1 Catilinam furentem audaciā … huic urbi ferro flammaque minitantem eqs.; Phil. 3,5 nisi unus adulescens illius furentis impetūs … cohibuisset, rem publicam funditus interituram fuisse ; 14,33 vos ab urbe furentem Antonium avertistis ). Seneca verwendet es explizit für Caesar und

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Pompeius ( ep. 14,12 furentium principum armis medius intervenit, „Cato stellt sich zwischen die Waffen der kriegsversessenen Parteiführer“ ). Bei Lukan erscheint furere und sein PPA regelmäßig : für Rom im Sog der Bürgerkriege ( u.a. 1,68 f. quid in arma furentem | impulerit populum ; 2,249 populi … furentis ), für die Bürgerkriegsparteien ( 4,26 arma furentum ; 7,124 f. frenos … furentibus ira | laxat ), für Pompeius ( 1,115 ), und nicht zuletzt für Caesars Heer ( 1,250 f. praeda furentum … sumus ; 7,295 vos in tela furentīs ) und ihn selbst ( 2,439 f. Caesar in arma furens eqs.; 2,551f. nostras … manūs … Roma furenti | opposuit ; 7,797 ). Implizit widerlegen diese Stellen, wie der Passus hier, Caesars Versicherung gegenüber der Patria ( Lukan 1,200f. non te furialibus armis | persequor ). Zu dem hier anklingenden furor des Bürgerkriegs cf. S. 969, und S. 1292f. zu 247 terras … furentes. 169 et causam dicite ferro : „und verteidigt mein Recht mit dem Schwert !“ Zu dem juristischen t.t. causam dicere cf. OLD s.v. causa 3b: „to plead a case, esp. in defence“ ( cf. BC 175 mea causa peracta est ; s. auch 112,6 gladio ius dicturum ignaviae suae ). Die Stelle hier deutet Thes. VI 1, 580,59 f. als ‚metaphorisch‘. Die paradoxe Verbindung mit ferro ( ~ „sprecht Recht mit dem Schwert“ ) signalisiert den Umschlag vom Rechtsstreit zum ‚Staatsstreich‘ – passend zu Ciceros vielzitiertem Bonmot silent enim leges inter arma (Mil. 11; ähnlich BALDWIN 1911, 189; sie verweist auf Plut. Caes. 35,6 οὐκ ἔφη τὸν αὐτὸν ὅπλων καὶ νόμων καιρὸν εἶναι, „nicht gelten zur selben Zeit Waffen und Gesetze“; Pomp. 10,3 οὐ παύσεσθε … ἡμῖν ὑπεζωσμένοις ξίφη νόμους ἀναγινώσκοντες ; „hört ihr wohl auf, uns, die wir das Schwert umgürtet haben, Gesetzestexte vorzulesen ?“ ). Bei Silius klagt Fides, es herrschten nur noch Gewalt und das Recht des Stärkeren ( 2,504 vis colitur, iurisque locum sibi vindicat ensis ). Einen Schritt weiter geht Lukans Caesar, der in Pharsalos „das Schicksal mit dem Schwert herbeizwingen“ will ( 7,252 nil opus est votis, iam fatum accersite ferro ; auch hier als Imperativ an die Soldaten, mit demselben markanten Versschluss ferro, wie bereits BC 21 exsectaque viscera ferro ). Hinter dem Oxymoron steht vielleicht eine Anekdote aus den Tagen vor Ausbruch des Bürgerkriegs, als Caesars Stab in Rom mit dem Senat verhandelte. Als sie erfahren, dass der Senat Caesars Statthalterschaft nicht verlängere, schlägt einer der Offiziere ans Heft seines Schwerts und sagt : „Dann wird eben dies hier sie gewähren“ ( Plut. Caes. 29,7 ἀλλ᾿ αὕτη … δώσει ; laut Appian b.civ. 2,97 geht das Bonmot auf Caesar selbst zurück ). Die gleiche Drohung gebrauchen Octavians Offiziere ( cf. Suet. Aug. 26,1;

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Cassius Dio 46,43,4; zu dem ‚Satyrspiel‘ Sat. 82,2 caedem et sanguinem cogito frequentiusque manum ad capulum … refero cf. Bd. I, S. 48 ). 170-171 namque omnes unum crimen vocat, omnibus una | impendet clades : „Denn uns alle ruft ein und dieselbe Anklage, allen droht ein und dasselbe Unheil.“ ( HOLZBERG ). Auch der historische Caesar resümierte in Ariminum, „nach all ihren gewaltigen Leistungen betrachte Rom seine Leute nun als Landesfeinde“ ( Appian b.civ. 2,133 ὅτι καὶ σφᾶς τοσάδε ἐργασαμένους ἡγοῦνται πολεμίους ). Gleichwohl war die Behauptung kühn. Caesars Offiziere und Legionäre hatten in Rom keine Anklage zu befürchten. Anders sah es für Caesar persönlich aus. Namentlich Cato machte keinen Hehl aus seinen Plänen, ihn nach Entlassung seines Heeres vor Gericht zu bringen ( cf. S. 1157 ). Mit mehr Berechtigung konnte Caesar das gleiche Argument in Pharsalos präsentieren. Jene Schlacht werde entscheiden, wer an dem Krieg Schuld trage ; denn der Sieger spreche die Verlierer schuldig ( Lukan 7,260-263 haec acies victum factura nocentem est. | si pro me patriam ferro flammisque petistis, | nunc pugnate truces gladioque exsolvite culpam : | nulla manus, belli mutato iudice, pura est, „… keine Hand wird als unbefleckt gelten, sitzt über den Krieg die Gegenseite zu Gericht“ ). Bei dem singulären crimen vocat stand wohl eine verwandte juristische Wendung Pate, in crimen vocare, „anklagen, vor Gericht stellen“ ( e.g. Cic. Sull. 61 Pompeiani … ab illis etiam in crimen vocantur ; Scaur. 1 proditionis est in crimen vocatus ; cf. Thes. IV, 1191,25-32 ). Die Junktur clades impendet ist singulär ( cf. Thes. III, 1245,15f. ). Polyptota ( omnes – omnibus / unum – una ), Chiasmus ( crimen vocat – impendet clades ), Enjambement ( una | impendet clades ) und nicht zuletzt die inhaltliche Doppelung ( „pointierte Wiederholung“, STUBBE 88 ) unterstreichen die Aussage. Einen Platz im kritischen Apparat verdient SCHRADERs originelles notat, „brandmarkt“ ( cf. Sat. 103,2 frontes notans inscriptione sollerti, und Bd. I, S. 375-377 ad loc.). omnes unum : Zur Juxtaposition der antithetischen Begriffe cf. 81,5 unius noctis tactu omnia vendidit ; 86,5 in unum omnia vota coniunxi ( und Bd. I, S. 114 ad loc.), und e.g. Cic. Verr. 2,4,86 non omnia sunt in uno vitia ; Verg. georg. 4,184 omnibus una quies operum, labor omnibus unus ; Aen. 2,65f. crimine ab uno | disce omnīs ; Ov. met. 5,149f. omnibus unum | opprimere est animus ( „überwältigen wollen alle den einen“ ); Lukan 9,884 omnibus unus adest fatis ( „bei allen Schicksalsschlägen ist der eine Cato zugegen“ ); Val. Flacc. 5,536 sceptri sic omnibus una cupido ; Stat. silv. 1,2,171 unam omnes inter miratur amatque ( „sie allein unter allen bewundert und liebt er“ ).

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171-172 reddenda est gratia vobis, | non solus vici : „Dank gebührt euch – nicht alleine habe ich gesiegt.“ Lukans Caesar will sicherstellen, dass zumindest seine Soldaten ihren Lohn für die mühevollen Jahre in Gallien empfangen ( 1,340-346 mihi si merces erepta laborum est, | his sc. militibus saltem longi … praemia belli | reddantur eqs.). Noch deutlicher stellt er bei Pharsalos ihr Wohlergehen vor das seinige ( ebd. 7,264-269 non mihi res agitur, sed vos ut libera sitis | turba precor, gentes ut ius habeatis in omnes eqs.). Der Satz dürfte auf Caesars enges Verhältnis zu seinen Soldaten anspielen. Die Verbindung von Autorität und Härte mit Freigiebigkeit und Nachsicht, der faire Umgang mit Offizieren wie Legionären, die Anerkennung von Leistung und Loyalität ( cf. Suet. Iul. 67-70 ) waren entscheidende Faktoren für den Erfolg seiner Feldzüge auch unter widrigsten Umständen. „Gerade in der geschickten psychologischen Führung seiner Soldaten erkennt man einen integralen Bestandteil, wenn nicht gar eine der Hauptvoraussetzungen überhaupt für Caesars militärische Leistungen“ ( GESCHE 1976, 187 ). Auf den ersten Blick wirkt dieser Punkt in der Gedankenkette wie ein Fremdkörper : ‚uns allen droht dieselbe Anklage‘ ( 170f. ) – ‚für eure militärische Leistung gebührt euch Dank‘ ( 171f. ) – ‚unsere Siege sollen bestraft werden‘ ( 172f. ). Tatsächlich handelt es sich um eine konzessiv gefärbte Fußnote : ‚uns allen droht dieselbe Anklage ( wo euch doch im Grunde Dank gebührt )‘. Das prädikative Gerundiv lässt offen, w e r Caesars Soldaten Dank schuldet, ob Rom (e.g. SCHÖNBERGER : „Euch schuldet man Dank“ ) oder ihr Feldherr (e.g. STEINMANN : „Ich hab’ euch zu danken“ ). Der Nachsatz ( non solus vici ) weist in die zweite Richtung. So ist denn non solus vici auch kaum eine Reminiszenz an Caesars berühmtes Bonmot nach dem Blitzsieg über König Pharnakes ( einen Verbündeten des Pompeius; cf. Sen. suas. 2,22 veni, vidi, vici ; Suet. Iul. 37,2 ), sondern eher eine Antwort auf eine der „Fragen eines lesenden Arbeiters“ ( B. BRECHT, 1936 ): „Der junge Alexander eroberte Indien. | Er allein ? | Cäsar schlug die Gallier. | Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich ?“ Dass Caesar seine stupenden militärischen Erfolge nicht zuletzt seinen Leute verdankte, war kein Geheimnis ( e.g. Cic. Marc. 11 duce te gestae sc. sunt magnae illae quidem, sed tamen multo magnoque comitatu ). Die seltene Junktur gratiam reddere ( statt e.g. gratiam referre ) erscheint zuerst bei Sallust ( Iug. 110,4 numquam tibi redditam gratiam putaveris ; cf. Tib. 2,1,36 redditur agricolis gratia caelitibus ; Ov. met. 5,14 f. meritisne haec gratia tantis | redditur ? ; Thes. VI 2, 2219,21-29 ). Auch Seneca verwendet sie

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einmal ( benef. 5,16,4 ingratus Cn. Pompeius … pro tribus consulatibus, pro triumphis tribus … hanc gratiam rei publicae reddidit, ut in possessionem eius alios quoque induceret – nämlich die Triumvirn ), obgleich er sie an anderer Stelle als irregulär charakterisiert ( ep. 81,9 certe solemus loqui: ‚ille illi gratiam rettulit‘ … non dicimus ‚gratiam reddidit‘ ). BC 171 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions. 172-173 quare, quia poena tropaeis | imminet et sordes meruit victoria nostra : „Deshalb, weil Strafe unsren Triumphen droht und unser Sieg uns vor Gericht bringt …“. Caesar knüpft an BC 170 f. an. Ähnlich argumentiert der historische Caesar : ungeachtet seiner militärischen Erfolge in Gallien wäre er in Rom verurteilt worden – hätte er nicht die Hilfe seines Heers gesucht ( Suet. Iul. 30,4, zit. S. 1157; s. aber GRUEN 1974, 494 f. ). Dass Pharsalos ihn für den Bürgerkrieg belohnen oder aber bestrafen werde, sagt Lukans Caesar ( 7,303 aut merces hodie bellorum aut poena parata ); dass ‚unter seiner Ägide‘ Rom Caesar vor Gericht stellen und verurteilen werde, sagt Lukans Pompeius ( 2,538f. me praeside Roma | supplicium poenamque petat ). Tropaea steht hier übertragen: „militärischer Erfolg, Sieg“ ( parallel zu victoria nostra ; s. auch BC 157 und 163 triumphis ); cf. OLD s.v. 2; CAVALCA 2001, 178f., und e.g. Cic. Tusc. 1,110 Salamini tropaei memoriam ; Hor. c. 2,9,18f. nova | cantemus Augusti tropaea ; Nepos Them. 5,3 Marathonio … tropaeo ; Val. Max. 2,7,2 crebras … victorias et multa tropaea ( s. auch Lukan 2,583f. tota tenetur | terra meis … tropaeis, „… von meinen Schlachtfeldern“; cf. E. FANTHAM ad loc.). Die Junktur poena imminet ( + Dat.) erscheint nur noch Quint. decl. 331,7 damnato capitis poena imminet. Sordes wird in der Passage gemeinhin mit „Schande“ (o.ä.) übersetzt. Doch steht es hier weniger im allgemeinen Sinn ( „the dirt associated with poverty or low birth, squalor“, „lowness of condition, baseness“; OLD s.v. 3ab), sondern konkret für die dunkle und abgerissene Kleidung „as affected by defendants in court“ ( OLD s.v. 2 b, auch ad loc.; so BALDWIN 1911, 190, und u.a. ERNOUT : „l’habit de deuil de l’accusé“). Meruit, „the regular word for military service, forms an effective contrast with sordes. The service which should have led to a triumph threatens to lead to disgrace.“ ( BALDWIN 1911, 190 ). Das Perfekt steht proleptisch. Wie die beiden Aussagen, stehen auch die jeweiligen Begriffe parallel: poena – sordes / tropaeis – victoria nostra / imminet – meruit, und bilden effektvolle Oxymora. – Zu dem prosaischen quare cf. BC 49 und S. 954 ; zu dem in klassischer Zeit in der gehobenen Dichtung seltenen quia cf. HSZ 585.

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174 iudice Fortunā cadat alea : „… falle nach Fortunas Schiedsspruch der Würfel.“ Zu den berühmtesten Zitaten der Antike gehört Menanders ἀνερρίφθω κύβος, „der Würfel sei gefallen“ ( frag. 64,4 K.-A. ; OTTO 12f. s.v. alea ). Am Rubikon wird es für Caesar zum Motto für die Unwägbarkeiten des Bürgerkriegs ( er zitiert es griechisch; cf. Plut. Caes. 32,8; Pomp. 60,4 ; Appian b.civ. 2,140 ; GELZER 6 1960, 176f.; GESCHE 1976, 129; STUBBE 133 ad loc. vergleicht Aisch. Sept. 414 ἔργον δ᾿ ἐν κύβοις Ἄρης κρινεῖ, ~ „auch das heutige Spiel entscheidet Ares“ ). Hier wird das Zitat chronologisch wie geographisch auf den Alpenübergang vorverlegt. Der Gebirgspass wird zum dramaturgisch eindrücklicheren Rubikon. Passend zur Vorverlegung des Zitats wird aus dem faktischen Perfekt der Überlieferung ( ἀνερρίφθω ) ein in die Zukunft weisender Iussiv ( er spricht für ERASMUS’ Konjektur, Suet. Iul. 32 iacta alea est ‹ o › ). Zudem wird es – passend zum Würfel – um eine Anspielung auf Caesars legendäres Glück erweitert ( iudice Fortunā, modaler abl. abs.; zu Caesars Fortuna s. S. 1012f. ). Fortuna soll entscheiden, wer den hohen Einsatz gewinnt – Rom ( schlichter Euryalus’ Formel vor der fatalen Exkursion ins feindliche Lager : fortuna secunda | aut adversa cadat ; Verg. Aen. 9,282f. ). Auch Lukans Caesar macht am Rubikon Fortuna zur Richtschnur seines Handelns ( 1,225-227, zit. S. 1158 ; den Passus hier hält GÄRTNER 2009, 120 für eine ‚Kontamination‘ des historischen Zitats mit jener Lukanstelle ). Bei Lukan ist allerdings der Krieg der ‚Richter‘ ( 1,227 utendum est iudice bello ). An das Würfelzitat erinnert Lukan diskreter, als bei Dyrrachium die Entscheidung zwischen Caesar und Pompeius näherrückt (6,6-8 funestam mundo votis petit omnibus horam | in casum quae cuncta ferat ; placet alea fati | alterutrum mersura caput, „mit all seinen Gebeten zwingt Caesar die für die Welt verhängnisvolle Stunde herbei, die alles einem Zufallswurf anheimstellt ; ihm gefällt der Würfel des Schicksals, der eines der beiden Häupter vernichten wird“; s. auch 6,602f.; 7,333: bei Pharsalos stellen sich Caesars Soldaten vor der Schlacht angeblich planlos auf permittuntque omnia fatis ). 174-175 sumite bellum | et temptate manūs : „Nehmt den Krieg auf und bewährt eure Hände !“ Vor Pharsalos ermutigt Caesar seine Soldaten mit ähnlichen Worten – der historische ( civ. 3,85,4 animo simus ad dimicandum parati ) wie der Lukans ( 7,252f. nil opus est votis, iam fatum accersite ferro. | in manibus vestris, quantus sit

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Caesar, habetis ; 7,285-287 me Fortuna meorum | commisit manibus, quarum me Gallia testem | tot fecit bellis ). Zu bellum sumere ( hier unterstrichen von der bukolischen Dihärese ) cf. TH 62 bellum … sumunt ( und Bd. I, S. 205 ad loc.); BC 283 sumite … arma ; Florus epit. 2,30,24 sumpserant bellum. – Anders als das vertraute manu temptare, „mit der Hand berühren, Hand anlegen an“ ( e.g. Verg. Aen. 11, 505 manu temptare pericula belli ) steht die Junktur manūs temptare fast singulär ( keine Parallele ist Sat. 129,7 si idem frigus genua manūsque temptaverit tuas ; s. aber TH 58 temptant in armis se duces ). 175 certe mea causa peracta est : „Mein Plädoyer ist längst gehalten !“ Die Wendung, die an BC 169 causam dicite ferro anknüpft, bringt eine zweite juristische Formel ins Spiel, causam peragere, „einen (schwierigen) Prozess führen, einen Fall vor Gericht vertreten, ein Plädoyer halten“ ( cf. 137,9,6 peragat causas ; allgemeiner Cic. Sest. 87 se causam … nullo labore peracturum sc. esse, ~ „ein Unterfangen vollenden“ ). Sie erscheint bisweilen auch in der augusteischen Dichtung ( Hor. serm. 1,10,25f. cum | dura tibi peragenda rei sit causa Petilli ; Ov. met. 15,36f. peracta est | causa prior ; her. 21,152 bene promissi causa peracta mei est ; Thes. X 1, 1180,20-27 ). Mithören darf man wohl ein „Mein Prozess ist so gut wie gewonnen !“. 176 inter tot fortes armatus nesciŏ vinci : „Gewappnet inmitten so vieler Löwen kann ich nicht bezwungen werden!“ Bei Lukan geben zu Beginn des Bürgerkriegs seine „in ihrer geballten Kampfkraft gewaltigen Verbände Caesar das Selbstvertrauen, Größeres zu wagen“ ( cf. 1,466-468 Caesar, ut immensae collecto robore vires | audendi maiora fidem fecere, per omnem | spargitur Italiam vicinaque moenia complet ; dass er umgekehrt ohne seine Soldaten nichts ist, begreift er angesichts einer Meuterei, ebd. 5,252-254 ; was ihm im Falle einer Niederlage drohe, deutet er 7,304-307 an: Caesareas spectate cruces, spectate catenas, | et caput hoc positum rostris effusaque membra eqs.). Seine Legionen umgeben Caesar wie eine Rüstung ( cf. Vell. Pat. 2,49,2 Pompeium senatūs auctoritas, Caesarem militum armavit fiducia ). Ein stärkeres Bild wählt Plutarch ( Pomp. 51,2 ): „Von seiner Kriegsmacht wie von einem lebendigen Körper rings umgeben ( ὡς σῶμα τὴν στρατιωτικὴν δύναμιν περικείμενος ), schmiedete Caesar sie zu einem unwiderstehlichen, furchtbaren Werkzeug“ ( übers. nach K. ZIEGLER ; zum Kampfgeist von Caesars Truppen cf. Lukan 1,359-386; s. auch Ps.-Sen. Oct. 527, über Augustus: armis fideque militis tutus fuit ). Nach Ende des Bürgerkriegs wird 45 v.Chr. im Tempel des Quirinus eine Statue Caesars aufgestellt mit der

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Inschrift DEO INVICTO ( WEINSTOCK 1971, 186 ). Valerius Maximus 7,6,5 nennt Caesars Armee invicti ducis invicta dextera. Seine Rede beendet einer der sechzehn holospondeischen Verse des Epyllions. nesciŏ vinci : Die leicht paradoxe Junktur (~ haud queo vinci ) hat Vorbilder, u.a. im Atreus eines namenlosen Tragikers: ita parent se in vita, ut vinci nesciant ( „so mögen sie sich im Leben gebärden, dass sie keine Niederlage kennen“; trag. inc. LX, p. 290 R.3 ); s. auch Ov. Pont. 2,9,45 Marte ferox et vinci nescius armis ; Sil. Ital. 3,548 f. nescia vinci … glacies cedit tepefacta cruore ( verwandt Hor. c. 1,6,5f. gravem | Pelidae stomachum cedere nescii, „den unheilvollen Groll des Peliden, der zu weichen nicht wusste“; übers. B. KYTZLER ). Den wichtigsten Beleg liefert die Entscheidungsschlacht zwischen Aeneas und Turnus ( Verg. Aen. 12,526-528 ): nunc | fluctuat ira intus, rumpuntur nescia vinci | pectora, nunc totis in vulnera viribus itur ( cf. R.J. TARRANT ad loc.: „the unconquerable fighting spirit implied by nescia vinci “; „nescius + inf. implies ‚that does not have it in its nature to do x‘ “ ). Mit diesem ‚Zitat‘ erhebt Caesar sich in heroische Dimensionen. Zur Prosodie cf. OLD s.v.: „nesciŏ regular in verse at all periods“ ( und e.g. Verg. ecl. 3,103 nesciŏ quis teneros oculus mihi fascinat agnos ). Überraschend genug fehlt jeder Hinweis auf die Reaktion seiner Soldaten ( ein wichtiges Detail der historischen Quellen; cf. Caes. civ. 1,8,1 cognitā militum voluntate Ariminum cum ea legione proficiscitur ; ähnlich Lukan 1,392f. Caesar, ut acceptum tam prono milite bellum … videt eqs.). Ihm machen stattdessen die Omina Mut, die Zutat des BC sind ( cf. CONNORS 1989, 117 ). 177 – 182 Günstige Vorzeichen Das Epos kennt Bekräftigungen eines höheren Willens. Wie eine Blaupause der Szene hier lesen sich etwa die Ereignisse im Haus des Anchises in Trojas Schicksalsnacht. Kaum beendet Creusa ihre Klage, als plötzlich auf Iulus’ Haupt eine Feuerzunge wabert und kurz darauf ein Donner und ein Meteor das gute Omen bestätigen ( Verg. Aen. 2,679-704 gemitu tectum omne replebat, | cum subitum dictuque oritur mirabile monstrum eqs.). Ähnliches trägt sich hier zu. Kaum beendet Caesar seine Ansprache, als gleich drei günstige Vorzeichen ihm Mut machen : ein Rabe ( 177f. ), Stimmen und Feuerschein aus einem Hain ( 179f.), und die verheißungsvoll glänzende Sonne ( 181f.; als Trikolon: Himmel – Erde – Himmel ). Das mächtige letzte Bild lässt – gleichsam als Vorahnung imperialer Würden –

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mit und in dem Gestirn auch das Antlitz des Imperators erstrahlen ( s. S. 1192f. ). Himmlische Hoffnungszeichen dürfen kaum verwundern bei einem Mann, „dem selbst die Götter nichts abschlagen konnten“ ( so das Bonmot seines Zeitgenossen Laberius: ipsi di negare cui nil potuerunt ; frg. 90,10 Panayotakis). Gerade das ‚irdische‘ Omen vom brennenden Hain ist mehr als nur eine Phantasmagorie: es steht symbolisch für das Feuer, das bald den gesamten Mittelmeerraum erfassen wird ( bei Lukan stemmen sich den nach Pharsalos marschierenden römischen Kolonnen in einem kosmischen Aufruhr „der gesamte Himmel“ und ‚Feuersäulen‘ entgegen: 7,153-164 totus venientibus obstitit aether | adversasque faces immensoque igne columnas eqs.). Es ist ein günstiges Vorzeichen – jedoch nur für Caesar, nicht für Rom. Irritierend genug sind allerdings die beiden ‚himmlischen‘ Omina – der ‚delphische Vogel‘ und Phoebus’ Glanz – mit d e m Gott verbunden, der wenig später für Pompeius Partei ergreifen wird ( BC 269 f. ). Und die Vorzeichen insgesamt scheint das kosmische Unwetter aufzuheben, das Caesars Heer fast vernichten wird ( BC 187-202; s. S. 826 ). 177 haec ubi personuit : „Kaum hatte er dies laut verkündet“. Das seltene personare taucht in den Sat. nur im BC auf ( beide Male mit Akkusativobjekt ; cf. 113 fragor armorum … personat aures ; das Adjektiv erscheint BC 72f. verno persona cantu … virgulta ). Hier wirkt es nicht unbedingt ‚übertrieben‘ ( so BALDWIN 1911, 52 ), jedoch unerwartet, und v.a. den markigen Schlussworten der Rede geschuldet. 177-178 de caelo Delphicus ales | omina laeta dedit : „da sandte vom Himmel her der delphische Vogel verheißungsvolle Vorzeichen“. Um welche omina es sich handelt, wird erst im Folgenden deutlich. Als Augur dürfte Caesar das günstige Zeichen jedenfalls rasch erkannt haben ( cf. Verg. Aen. 3,360f., zu dem Seher Helenus: sentis … volucrum linguas et praepetis omina pennae, „du verstehst die Sprache der Vögel und die Zeichen der hurtigen Schwinge“ ). – Zur Verbindung von ales mit einem meist geographischen oder mythischen Adjektiv cf. GUIDO 1976, 181 ad loc. Delphicus ales : Für den Delphicus ales ( der folglich Apoll nahesteht ; die Periphrase ist singulär ; cf. Thes. Onom. III, 92,10 ) gibt es diverse ornithologische Bestimmungen. Gegen einen S c h w a n ( so GRIMAL 1977, 165; er zitiert u.a. Verg. Aen. 1,393-400; Aemilius Macer frg. 4 FLP cycnus in auspiciis semper laetissimus ales eqs.; Oppian cyn. 2,547f.) spricht das enge Band zwischen dem großen Entenvogel und Venus ( u.a. Hor. c. 3,28,13-

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15; 4,1,10; Ov. met. 10,708f., und F. BÖMER ad loc.). Auch die Deutung als A d l e r (so u.a. Thes. Onom. III, 92,10 ; PELLEGRINO 419f. ) beißt sich mit dem Mythos, galt der mächtige Greif doch seit jeher als „Zeus’ Vogel“ ( Aisch. Suppl. 212 Ζηνὸς ὄρνιν ) bzw. Iovis ales ( u.a. Verg. Aen. 1,394 ; Ov. ars 3,420; met. 6,517; Sil. Ital. 4,113; Iovis pinnata satelles heißt er Cic. div. 1,106,1, Iovis armiger Verg. Aen. 5,255 u.ö.; s. auch Cic. div. 1,106,13 aquilae clarum firmavit Iuppiter omen ). Bessere Kandidaten geben der H a b i c h t bzw. F a l k e ab ( für ersteren votierte u.a. DE SALAS 243; cf. Ov. met. 6,122-124 Phoebus, | ut … accipitris pennas … gesserit ; letzteren zog u.a. BALDWIN 1911, 191 in Betracht, mit Blick auf Od. 15,526 κίρκος, Ἀπόλλωνος ταχὺς ἄγγελος, „der Kirkos, Apolls schneller Bote“; laut A. HEUBECK u.a., A commentary on Homer’s Odyssey. Vol. 2, Oxford 1989, 169 ein nicht näher identifizierter Greifvogel, vermutlich ein Falke ). Die beste Wahl scheint freilich der R a b e ( der im Übrigen auch im Hochgebirge heimisch ist ; so bereits GRONOV ap. BURMAN 754, und u.a. SULLIVAN 1965 ad loc.; GUIDO 1976, 181 ). Man sagte ihm prophetische Qualitäten nach (u.a. Cic. div. 1,12, und A.S. PEASE ad loc.; Sen. nat. 2,32,5 cur … aquilae hic honor datus est, ut magnarum rerum faceret auspicia, aut corvo et paucissimis avibus ? ; zu dem ‚Wetterpropheten‘ cf. Lucr. 5,1084-86; Hor. c. 3,27,9-12, und NISBET – RUDD ad loc.; s. auch Thes. IV, 1079,3163). Vor allem aber steht er mit Apollon in enger Beziehung, der ihn mea avis nennt ( Ov. fast. 2,249 ; cf. u.a. Hesiod frg. 60 M.-W.; Herodot 4,15,2; Aristot. frg. var. 343 p. 244, 5f. Rose τιμὴν ... ἔχει ὁ κόραξ παρὰ τῷ Ἀπόλλωνι, „Ehre erfährt der Rabe von Apoll“; Ov. met. 2,544 f. ales … Phoebeius ~ Stat. silv. 2,4,17 Phoebeius ales ~ Sil. Ital. 5,78f. Phoebea … ales ; Manil. 1,417 Phoebo sacer ales ; 1,782f.; Stat. Theb. 3,506 comes obscurus tripodum, „düsterer Gefährte der Dreifüße“; Plut. de Iside et Os. 379d; Aelian nat. anim. 1,48 Ἀπόλλωνος ἀκόλουθον εἶναι λέγουσι, „Apolls Begleiter sei er, heißt es“; Mart. Cap. 9,894 in argumentum praescientiae mihi sc. Phoebo corvus alludit ). Mitunter verwandelt Apollon sich selbst in einen Raben ( cf. Kallim. hymn. 2,66; Ov. met. 5,329 ). Zum ‚prophetischen‘ Raben s. auch KELLER 2, 98-100; G. SCHMIDT, RAC 28, 2018, 615-617. omina laeta : Livius’ omen laetum ( 45,1,4 ) kehrt in der neronischen und flavischen Literatur des öfteren wieder ( u.a. Lukan 8,585 omine laeto ; Ps.Sen. Oct. 704 civium laeta omina, „der glückliche Jubel der Bürger“; Plin. nat. 1,11,18; Val. Flacc. 1,309 laeto … omine divum ; Stat. Theb. 8,708; Sil. Ital. 4,131 laeta … Tyrio canit omina regi ; Mart. 12,98,5 ; cf. Thes. VII 2, 888,7476 ). Tacitus’ verwandtes laetum augurium erscheint ebenfalls in einem Bürgerkrieg ( hist. 1,62,3; zit. im folgenden Lemma ). „In a civil war only a

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savage irony will allow a sophisticated writer like Tacitus to talk of a laetum augurium “ ( M.G. MORGAN, zit. nach C. DAMON ad loc.). Diesen sarkastischen Unterton mag man auch hier mithören. 178 pepulitque meatibus auras : „und durchschnitt im Flug die Lüfte“ ( SCHÖNBERGER ). Die günstigen omina stellen die Flugmanöver des Raben dar ( zu verstehen ist sinngemäß qui pepulerit meatibus auras, „indem er die Lüfte durchstieß“ ). Vom verheißungsvollen Flug eines Adlers vor oder während eines Feldzugs berichten bisweilen Historiker. So erlebte es Alexander ( Curt. Ruf. 4,15,26f. super caput regis placide volantem aquilam … haud dubium victoriae auspicium ); so erlebten es Verbände des Vitellius beim Aufbruch in den Bürgerkrieg ( Tac. hist. 1,62,3 laetum augurium Fabio Valenti exercituique, quem in bellum agebat, ipso profectionis die aquila leni meatu, prout agmen incederet, velut dux viae praevolavit … haud dubium magnae et prosperae rei omen ; Suet. Vitell. 9 praemisso agmini laetum evenit auspicium, siquidem a parte dextrā repente aquila advolavit eqs.). Juppiters Donner kann einen solchen glückverheißenden Flug bekräftigen ( Cic. div. 1,106 ). Zu meatus für den Vogelflug cf. u.a. Manil. 5,371 medios inter volucrem prensare meatūs, „einen Vogel mitten im Flug fangen“; Plin. nat. 6,83 ; Stat. Theb. 3,504 ; Sil. Ital. 12,102 nubivago … meatu sc. Daedali ; Tac. hist. 1,62,3, oben zit.; ann. 6,28,5; Thes. VIII, 512,11-17. Die gut bezeugte Verwendung von pellere bei Gewässern ( s. S. 867f. ) wird hier in singulärer Weise auf die Lüfte übertragen ( statt e.g. tra(ns)nare, wie u.a. Enn. ann. 18 Sk. transnavit cita per teneras caliginis auras sc. Venus ; Sil. Ital. 3,681 f. per auras … tranavit sc. columba ). Zu der Junktur pepulit meatibus auras cf. Verg. Aen. 5,377 verberat ictibus auras ( von einem Faustkämpfer ); Ov. met. 3,20f. bos … mugitibus impulit auras ; Avienus Arat. 268f. maior ‹ fax › luminis auras | verberat ( zit. GUIDO 1976, 182; LA PENNA 1978, 570 ). Zu dem poetischen Gräzismus aura s. S. 939. – BC 178 ist einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions ( cf. YEH 2007, 243-246 ) – passend zum hurtigen Flug des Raben. 179 nec non : „und auch …“. Die Litotes ( ferner Sat. 50,1; 64,5; 72,7 ) taucht zuerst in der Prosa der späten Republik auf ( Varro und Cicero); in der Dichtung wird sie ein Markenzeichen Vergils ( 29 Belege; e.g. Ovid 18, Lukan 11 Belege ). NORDEN vermutete, Vergil habe sie in die Poesie eingeführt ( 4 1957, 189; cf. HSZ 778f.; PETERSMANN 233 ).

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179-180 horrendi nemoris de parte sinistrā | insolitae voces flammā sonuere sequentī : „… von der linken Seite eines schauerlichen Hains erklangen seltsame Stimmen, züngelten Flammen.“ Unheimliche Rufe und Stimmen sind typische Omina in Krisenzeiten ( e.g. Verg. Aen. 4,460 f., aus Sychaeus’ Tempel: hinc exaudiri voces et verba vocantis | visa viri, nox cum terras obscura teneret ), auch und gerade im Vorfeld von K r i e g e n ( cf. Cic. div. 1,99 initio belli Marsici … ex occulto auditas esse voces, quae pericula belli nuntiarent ; 1,101 saepe etiam et in proeliis Fauni auditi et in rebus turbidis veridicae voces ex occulto missae esse dicuntur (…) non multo ante urbem captam exaudita vox est a luco Vestae eqs., und A.S. PEASE ad loc.; Verg. georg. 1,476 f. vox quoque per lucos vulgo exaudita silentīs | ingens ; Liv. 5,32,6 M. Caedicius … nuntiavit … se in Nova via … vocem noctis silentio audisse clariorem humanā, quae magistratibus dici iuberet Gallos adventare ; Tib. 2,5,74 lucos praecinuisse fugam, „Haine hätten Niederlagen prophezeit“; Ov. met. 15,792 f. cantūs … feruntur | auditi sanctis et verba minantia lucis ; Lukan 1,569f. fragor armorum magnaeque per avia voces | auditae nemorum ). Sie sind fester Bestandteil von Prodigienlisten – auch am Ende eines Krieges ( e.g. Liv. 1,31,3 visi etiam audire vocem ingentem ex summi cacuminis luco, ut patrio ritu sacra Albani facerent eqs.; 2,7,2 silentio proximae noctis ex silva Arsia ingentem editam vocem eqs., und R. OGILVIE ad loc.). Bisweilen ertönen diese Stimmen aus Gräbern, aus Heiligtümern, vom Himmel; oft jedoch kommen sie aus Hainen und Wäldern, Heimat alter Gottheiten wie des Faunus, des Pan, des Silvanus ( Lucr. 4,580-594 erklärt solche Phänomene mit dem Echo ). Dass ausgerechnet jene eisige Passhöhe ein Hain ziert, kommt der Geschichte höchst gelegen ( cf. BALDWIN 1911, 192: „Petronius has forgotten that his hero is among the eternal snows.“; s. auch Liv. 21,37,4 nuda … fere cacumina sc. Alpium sunt ). Zu horrēre und verwandten Begriffen in Verbindung mit Wäldern cf. u.a. Verg. Aen. 1,165 horrenti … atrum nemus imminet umbrā ; Liv. 9,36,1 silva … invia atque horrenda ; Sen. Oed. 575f. ( bei dem Beben, das die Unterwelt aufbricht) totum nemus | concussit horror ; Amm. Marc. 17,1,8 silvam … squalore tenebrarum horrendam. Dass horrēre hier auch der Eiseskälte des Ortes Rechnung tragen könnte, zieht M. DEUFERT in epist. in Betracht ( s. auch 186 humus miti … horrore quievit, und S. 1196f.; 204 horrida … arva, und S. 1213 ). – Zu insolitae cf. BC 135f. Aetna voratur | ignibus insolitis. In der markanten Alliteration auf s- ( si- -sol- son- se-) hört man ebenso die geheimnisvollen Stimmen wie das Knistern der Flammen. Dass die akustischen und optischen Phänomene Hand in Hand gehen, deutet der verschränkte abl. abs. an ( flammā … sequentī ).

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de parte sinistrā : Bei Vorzeichen spielte es eine eminente Rolle, aus welcher Richtung man sie beobachtete, ob „(von) rechts“ oder „(von) links“ – mit einem markanten Unterschied zwischen Griechen und Römern. Aus römischer Sicht galten „insbesondere die zur Linken des Beschauers eintretenden Himmelserscheinungen“ als günstig ( WISSOWA 525 Anm. 2 ), aus griechischer Sicht v.a. Phänomene zur Rechten ( s. auch A. SETAIOLI in epist.: „In both cases the omens came from the east : the Roman augurs looked south, the Greek ones north.“ ). Cf. Cic. div. 2,82 ad nostri augurii consuetudinem dixit Ennius [ ann. 541 Sk.] : ‚tum tonuit laevom bene tempestate serenā.‘ at Homericus Aiax … nuntiat : ‚prospera Iuppiter his dextris fulgoribus edit.‘ ita nobis sinistra videntur, Graiis … dextra meliora eqs. ( und A.S. PEASE ad loc.); Varro ling. 7,97 quae sinistra sunt, bona auspicia existimantur ; ferner e.g. Enn. ann. 86 f. Sk. ex alto longe pulcerrima praepes | laeva volavit avis ; 146 Sk. olli de caelo laevom dedit inclutus signum ; Cic. carm. frg. 17,12 FLP == div. 1,106,12 partibus intonuit caeli Pater ipse sinistris ; Verg. Aen. 2,692 f. subitoque fragore | intonuit laevum ; Ov. fast. 4,833 f. tonitru dedit omina laevo | Iuppiter, et laevo fulmina missa polo ( bei Roms Gründung ; cf. F. BÖMER ad 4,664 ); Lukan 7,437 f. vulturis … laevo fundata volatu … moenia ( „die gemäß dem linken Flug eines Geiers gegründeten Mauern Roms “ ); Stat. Theb. 3,493, zu Juppiter : signa feras laevusque tones. Zu der seltenen Konstruktion de parte dextrā /sinistrā cf. Cic. Arat. 257 Andromeda hīc dextrā de parte tenetur ; Ov. met. 12,419f. iaculum de parte sinistrā | venit ; Manil. 5,505 dextrā de parte resurgit ( „rechts erhebt sich“ das Sternbild Cassiope ); Thes. X 1, 482,63-65. flammā … sequentī : Ungewöhnlicher ist die optische Untermalung jener Stimmen, die kaum als Blitz zu verstehen ist ( cf. 182 aurato … fulgure ). Verglichen wurden die Flammen, die als gutes Omen Iulus’ Haupt umzüngeln ( s. S. 1186 ; so u.a. BALDWIN 1911, 193 ), oder das des Servius Tullius ( Liv. 1,39,1f.; cf. R. OGILVIE ad loc.). Das bessere Beispiel liefern die Flammen, die Lavinias Haar und Latinus’ Palast ergreifen, ohne Schaden anzurichten, und die den Latinern einen ‚großen Krieg‘ verheißen ( Verg. Aen. 7,71-80, bes. 80 populo magnum portendere bellum ) – wie die Flammen hier dem gesamten Reich. Die neronische Literatur kennt noch andere unheimliche Waldbrände, die keinerlei Spuren hinterlassen. In einem ominösen Hain bei Mykene hört man nachts Manen und Unterweltsgötter, die Toten gehen um, geheimnisvolle Flammen leuchten ( Sen. Thy. 668-675 hinc nocte caecā gemere feralīs deos | fama est … errat antiquis vetus | emissa bustis turba … quin totā solet | micare silvā flamma, et excelsae trabes | ardent sine igne ). Zu den Wundern eines heiligen Hains bei Massilia gehören „die leuchtenden Feuer eines

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Waldes, der nicht brennt“ ( Lukan 3,420 non ardentis fulgēre incendia silvae ; cf. ferner Sen. ep. 94,56 nocturnos ignium tractūs, wundersame „nächtliche Feuererscheinungen“; Plin. nat. 2,240f. ). „Wetterleuchten in verworrnen Büschen | und Sterne die am feuchten Boden zischen, | das hat man nicht so leicht gesehn.“ ( GOETHE, Faust II, 10753-55 ). COLLIGNON 167 erinnerte zur Junktur hier an Verg. Aen. 8,432 flammis … sequacibus iras : in ihrer Schmiede laden die Kyklopen Juppiters Blitze mit „bursts of anger with pursuing flames“ ( P.T. EDEN ad loc.). 181-182 ipse nitor Phoebi vulgato laetior orbe | crevit et aurato praecinxit fulgure vultūs : „Ja Phöbus’ Glanz nahm zu, herrlicher als das vertraute Rund, und umkränzte mit goldenem Schimmer sein Antlitz.“ Von Apollon kommt ein weiteres günstiges Omen (cf. 177f.), das die vorausgegangene Finsternis ( 127f. ore cruento | deformis Titan vultum caligine texit ) gewissermaßen in ihr Gegenteil verkehrt : er strahlt ungewohnt intensiv ( crevit im Enjambement spiegelt die zunehmende Sonnenaktivität ; in leichter Enallage steht ipse nitor Phoebi statt ipsius nitor Phoebi ). Das hier geschilderte Phänomen ( ein Halo, der die Sonne farbenfroh umschließt ? ) geht über reine Meteorologie hinaus ( einer alten Bauernweisheit zufolge kündigt eine in ungetrübter Pracht strahlende Sonne ideales Wetter an; Verg. georg. 1,458-460 si … lucidus orbis erit eqs.). Denn nicht allein von der Sonne ist die Rede ( so die meisten Übersetzer ; e.g. ERNOUT : „la face du dieu s’entoura d’une auréole dorée“ ), sondern auch – so die Pointe der ambivalenten Formulierung – vom Antlitz Caesars ( cf. Thes. II, 1522,13f. ad loc.). Auch wenn eindeutige Hinweise auf eine zweite Person fehlen ( nitor Phoebi stellt das grammatische Subjekt von crevit und praecinxit dar, und die parallel jeweils am Versende stehenden Schlüsselbegriffe orbe bzw. vultūs verweisen zunächst nur auf die Sonne ): der Kontext, der mit Caesar beginnt ( 177 haec ubi personuit ) als auch endet ( 183f. fortior ominibus eqs.), und der nicht n u r poetische Plural vultūs legen es nahe, dass Phoebus’ augenfälliger Goldglanz sich in den Zügen des Imperators spiegelt – als Vorahnung künftiger imperialer Würden ( ähnlich GRIMAL 1977, 177 Anm. 53 ). Die zeitgenössische Ikonographie stützt diese Deutung. Denn nach Ende des Bürgerkriegs wurde Caesar mit einer Strahlenkrone dargestellt ( Florus epit. 2,13,91 distincta radiis corona ; cf. MICHEL 1967, 82-84 ), wie sie typisch war für Sol ( u.a. Ov. met. 1,768 iubar hoc … radiis insigne coruscis, und F. BÖMER ad loc.; Sen. Phaed. 677f. sidereum caput, | radiate Titan ; Val. Flacc. 4,92-94 Sol … multifidum iubar … induitur ). Lukan spielt auf diese Ehrung an ( 7,457-459 bella pares superis facient civilia divos, | fulminibus manes

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radiisque ornabit et astris … Roma, „Bürgerkriege werden vergöttlichte Tote den Göttern ebenbürtig machen; Rom wird Verstorbene mit Blitzen, Strahlenkränzen und Sternen schmücken“ ). Den Scheitel des vergöttlichten Caesar ziert ein Stern ( Suet. Iul. 88 simulacro eius in vertice additur stella ). Zur Sonnensymbolik bei Caesar und im Kaiserkult cf. WEINSTOCK 1971, 381-384 ( A. SETAIOLI in epist. erinnert daran, dass es sich hier um eine ‚ausdrückliche Verkehrung‘ des von Vergil berichteten Omens nach Caesars Ermordung handle – die um Rom trauernde Sonne, die ihr Antlitz in Finsternis hüllt ; georg. 1,466-468, bes. 467 cum caput obscurā nitidum ferrugine texit ). Eine ähnliche Begebenheit wie hier berichten historische Quellen vom Einzug Octavians in Rom 44 v.Chr.: „die Sonne, umgeben von einem mäßig großen Ring reinen und heiteren Äthers, legte das kreisförmige Ende eines Regenbogens um ihn“ ( Iulius Obsequens 68 sol puri ac sereni caeli orbe modico inclusus extremae lineae circulo, qualis tendi arcus in nubibus solet, eum circumscripsit ; s. auch Hor. c. 4,5,6f. instar veris … vultus … tuus | affulsit populo, „frühlingsgleich erstrahlte dein Antlitz dem Volk“, anlässlich Augustus’ Heimkehr aus Gallien ). Schon den neugeborenen Octavian sah sein Vater Octavius im Traum in Juppiters Tracht und mit einer Strahlenkrone ( Suet. Aug. 94,6 radiata corona ; s. auch Verg. Aen. 8,680f., und K. GRANSDEN ad loc.). Mit einem Halo krönt Phoebus auch Domitian ( Stat. Theb. 1,27-29 licet ignipedum frenator equorum | ipse tuis alte radiantem crinibus arcum | imprimat ). Seneca vergleicht Nero mit der aufgehenden Sonne ( apocol. 4,1,31f. flagrat nitidus fulgore remisso | vultus ), Claudian Kaiser Honorius mit dem Morgenstern und dem Sonnengott ( c. 7,131f. quis non Luciferum roseo cum Sole videri | credidit ? ). Das ‚Satyrspiel‘ zu diesen Phänomenen liefert der Himmel, der in Circes Gegenwart ‚heller erstrahlt‘ ( Sat. 127,5 mirabiliter toto mihi caelo clarius nescio quid relucente libuit deae nomen quaerere [ mirabiliter MÜLLER 2 : miranti et codd.]; 127,9,7 candidiorque dies secreto favit amori ; s. auch Focas vita Vergili 25 ipse puerperiis adrisit laetior orbis, „das All selbst lächelte heiterer zu Vergils Geburt“ ). Die beiden Verse glänzen mit gleich vier singulären Junkturen : nitor Phoebi, vulgatus orbis, auratum fulgur ( cf. Lukans auratus fulgor, 9,728 ) sowie vultum praecingere ( cf. 83,10,2 praecingitur auro ). Zu laetus für den Glanz von Gestirnen cf. Cic. Arat. 98 laeti vestigia Solis ; 458 dextrā radios laeto cum lumine iactans ; Germanicus Arat. frg. 4,1 f. Iuppiter est illo sc. Saturno laetus magis … proprio bene lucidus ore ( laetus IRIARTE : laeto codd.); Vegetius mil. 4,41 laetus orbis sc. lunae ac lucidus ; Claudian rapt. 1,101 f. laetissimus … signifer ; Thes. VII 2, 889,18-28 ; OLD s.v. 6 b.

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Zu auratus für glänzende Himmelskörper cf. Verg. georg. 1,217f. candidus auratis … cum cornibus … Taurus ( das Sternbild ); Carm. Lat. Epigr. 963,3 ( 12 v.Chr.) aurato surrexit … Lucifer astro ; Lukan 9,728 aurato nitidi fulgore dracones ; Stat. Theb. 3,411: zu Phoebus’ Tracht gehört das auratae textum sublime coronae, „das erhabene Gebilde seiner goldenen Krone“; Mart. Cap. 2,116,4 aurato … Phosphorus astro. Zu fulgur als „blitzender Glanz, Blitzen“ cf. u.a. Lucr. 2,164 solis pervolgant fulgura caelum ; Lukan 7,157 oculos ingesto fulgure clausit sc. aether ; Stat. Theb. 5,10 armorum … fulgura ; Ausonius ephem. 1,11 f. Green coruscantis … fulgura lucis ; Thes. VI 1, 1520,24 -35. – Der abl. comp. ( vulgato laetior orbe ) beschreibt nicht die Dimensionen der Himmelserscheinung ( cf. EHLERS : „die Scheibe der Sonne größer als sonst“ ), sondern ihre außergewöhnliche Helligkeit ( cf. Lukan 5,220 vulgare iubar, ~ „das gewöhnliche Licht“ der Sonne ). 183 – 208 Der Abstieg nach Italien 183 – 195 Aufbruch und erste Schwierigkeiten 183-184 fortior ominibus mōvit Mavortia signa | Caesar : „Bestärkt von den Zeichen, setzte seine Streitmacht in Bewegung Caesar“. Auf günstige Omina beruft sich auch der historische Caesar am Rubikon ( Suet. Iul. 32 eatur …, quo deorum ostenta et inimicorum iniquitas vocat ; s. auch Val. Max. 1,6,12 quibus apparet caelestium numen et Caesaris gloriae favisse et Pompei errorem inhibere voluisse, „aus den Zeichen vor Pharsalos geht klar hervor, dass die himmlischen Mächte Caesars Ruhm gewogen waren und Pompeius’ Fehler verhindern wollten“ ). – Das augenfällige Enjambement bildet den Aufbruch ab. Die Junktur fortis ominibus ist singulär ( Thes. IX 2, 574,79 ). Seit augusteischer Zeit ist das militärische signa movere belegt, „die Feldzeichen in Bewegung setzen, ins Feld ziehen“; cf. u.a. Liv. 25,9,1 quartā vigiliā noctis signa movit ; Ov. fast. 6,763f. non ego te, … Caesar, | si vetet auspicium, signa movere velim ; Sil. Ital. 11,165 signa aciemque movere ( ironisch Verg. georg. 3,236 ). Lukan verwendet die Junktur im selben Kontext ( 1,394f. sparsas per Gallica rura cohortes | evocat et Romam motis petit undique signis ). Mavortia : Das vom archaischen Māvors abgeleitete Epitheton Māvortius scheint eine Prägung der Augusteer, vielleicht sogar Vergils. Es bezeichnet u.a. Landschaften und Gemeinden, die mit Mars in Beziehung

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stehen, wie Thrakien ( e.g. Verg. georg. 4,462 Rhesi Mavortia tellus ; Aen. 3,13 terra … Mavortia ), Theben ( e.g. Ov. met. 3,531 proles Mavortia ; Stat. Theb. 4,345 Cadmi Mavortia plebes ) oder auch Rom ( e.g. Verg. Aen. 1,276 f. Mavortia … moenia ). Bisweilen bezieht es sich auf Mars persönlich, oder auf ihm verbundene Personen ( cf. OLD s.v. Māuortius 1 1, und e.g. Verg. Aen. 6,777 f. Mavortius … Romulus ; Val. Flacc. 2,208 Mavortia coniunx : Venus; substantiviert Ov. met. 8,437: der „Marssohn“ Meleager ). Oft genug steht es synonym für den Krieg ( cf. OLD s.v. Māuortius 1 2: „warlike, martial“ ; so BC 261 Mavortius umbo, und e.g. Grattius cyn. 344 f. Mavortia … vulnera ; Manil. 1,768 Mavortia virgo : Penthesilea; Stat. Theb. 2,587 Mavortia munera, von einem Schwert ; Ach. 1,626 tela … Mavortia ; Sil. Ital. 1,55 facta … Mavortia, „Kriegstaten“). In diesem Sinn ist es wohl auch hier verwendet ( cf. BALDWIN 1911, 193; HOLZBERG : „die Standarten des Mars“ ). Freilich deutet sich in der Wortwahl bereits an, dass Mavortius später auf Caesars Seite kämpfen wird ( BC 268 ). 184 et insolitos gressu prior occupat ausūs : „und indem er losmarschiert, nimmt er als erster das unerhörte Wagnis in Angriff.“ An der Spitze des Heerzugs ( prior steht pleonastisch, im Sinn von primus ; s. unten ) setzt Caesar sich in Marsch und beginnt ein Unternehmen ( ausūs ), das offenkundig mehr umfasst als nur den Abstieg vom Pass ( von dessen Schwierigkeiten er zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung hat ): er hat seinen ‚Rubikon‘ überquert und eröffnet den Bürgerkrieg. Von ferne erinnert die Wendung an Herakles, der am Anfang wie am Ende der Alpensequenz als Bändiger der Berge in Erscheinung tritt ( BC 144 f. Graio numine pulsae | descendunt rupes et se patiuntur adiri ; 205f. Caucaseā decurrens arduus arce | Amphitryoniades ; s. auch Silius über Hannibal in den Alpen, 3,516f. rumpit inaccessos aditūs atque ardua primus | exsuperat ). Die Junktur insoliti ausūs ist singulär ( Thes. VII 1, 1933,40; poetischer Plural; cf. Amm. Marc. 24,7,7 insolita temptamenta, „ungewöhnliche Militäraktionen“ ). Das starke Hyperbaton unterstreicht das Wagnis. Zu prior occupat cf. OLD s.v. occupo 1 12a: „(sts. w. prior or primus pleon.) to be first with (an action), do or secure (something ) before other people or before one is prevented“ ( e.g. Sil. Ital. 15,348 f. viros imponere monti, | ne Libys occultis tumulum prior occupet ausis, „… damit Hannibal den Berg nicht insgeheim vorher besetze“; s. auch 5,520 occupat eventum telo temptare priorem, „er trachtet danach, die Entscheidung früher als sein Gegner mit dem Speer zu erzwingen“ ). In diese Richtung geht M. DEUFERTs Überlegung zu der Stelle ( in epist.): ‚eher‘ als die Gegenseite um Pompeius. Und eine weitere

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Konnotation von occupare schwingt mit : „the sense of swift motion“ ( N. HORSFALL ad Verg. Aen. 6,424 occupat Aeneas aditum ). Das Substantiv ausus (-ūs m.) ist hier das erste Mal belegt, ferner Val. Flacc. 3,613 cunctantes increpat ausūs, „Tiphys schilt sie, die das Wagnis verzögern“, „deinde ab ineunte saeculo IV, fere cum vituperatione, saepe de audacia eorum, qui contra leges faciunt“ ( Thes. II, 1563,35-37; zu der vom OLD s.v. zitierten Stelle Bell. Alex. 43,1 cf. A. KLOTZ ed. ad loc.). Das verwandte substantivierte ausum (-i n.) scheint Vergils Einfall ( cf. Aen. 2,535, und R.G. AUSTIN ad loc.; 6,624 ; 9,281; 12,351 ). Die Konsequenzen aus der an mehreren Stellen unsicheren Überlieferung – insolito(s), gressu(s) o.ä., ausū(s) o.ä. – hat BALDWIN 1911, 193f. gut analysiert. „Four readings may be derived from the Mss.: insolito gressu … ausūs ; insolitos gressūs … ausu ; insolito gressūs … ausu ; and insolitos gressu … ausūs. The first two give undue emphasis to gressus or gressu. In the third [ so DOUSA bzw. ANTON ], gressūs ausu occupare is an inversion which weakens instead of strengthening the line. The last form, however, restores things to their proper balance: Caesar, striding ahead, takes the initiative in this unaccustomed enterprise (civil war ).“ Eine fünfte Möglichkeit wählte STUBBE, der gressus als Part. Pf. deutete ( cf. Verg. Aen. 6,633 pariter gressi, ~ „sie marschieren im Gleichschritt“; lt. E. NORDEN ad loc. militärischer Jargon ): et insolitos gressŭs prior occupat ausūs, „und nahm als erster ( dem Heere ) voranmarschierend schnell das ungewohnte Wagnis auf sich.“ Der Vorschlag hat seinen Reiz; das stärkere Bild freilich liefert der markante ‚erste Schritt‘ ( gressu, ~ „mit seinem Losmarschieren“ ). 185-186 prima quidem glacies et canā vincta pruinā | non pugnavit humus mitique horrore quievit : „Zuerst nun leisteten das Eis und der vom weißen Frost gefesselte Grund keinen Widerstand und ruhten in sanftmütiger Starre.“ Dieses Bild erscheint bereits in der Ekphrasis des Alpenpasses ( 150 glacie concretă rigent hiemisque pruinis ). – Prima glacies beschreibt nicht den Rand des Eisfeldes ( auch das folgende Terrain bereitet Probleme); prima steht in Enallage statt primum oder primo ( beides hier metrisch unmöglich), „anfangs, zuerst“. Das doppelte Hyperbaton bildet den ‚gefesselten Boden‘ ab ( canā vinctă pruinā … humus ). Zu vincire cf. 191 vinctā fluctūs stupuere ruinā ( dort in Enallage für vincti fluctūs ), und Hor. ep. 1,3,3 Thraca … Hebrusque nivali compede vinctus ( „Thrakien und der Hebrus, in Fesseln von Schnee gefangen“ ); Ov. trist. 3,10,25 ut vincti concrescant frigore rivi ; Mart. 4,59,4 concreto riguit vincta sc. vipera repente gelu ; Priap. 63,6 riget … durā

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barba vincta crystallo ( und Ch. GOLDBERG ad loc.); OLD 3a ( s. auch BC 187 nimbos … ligatos und 188 undarum vincula zu ‚gefesselten‘ Gewässern ). Glacies und pruina treffen nur selten ( und meist in Prosa ) aufeinander ; neben BC 150 cf. Varro rust. 2,4,6 pruina evanuit ac conliquefacta est glacies ; Sen. nat. 4 b,3,6 grando nihil aliud est quam suspensa glacies, nix pruina pendens. … quod inter rorem et aquam interest, hoc inter pruinam et glaciem ( „Hagel ist nichts anderes als fliegendes Eis, Schnee schwebender Reif. Wie sich Tau und Wasser unterscheiden, so Reif und Eis.“ ); Apul. mund. 307 glaciem dicimus umorem sereno rigore concretum. huic est pruina consimilis eqs.; Ambrosius Exameron 1,4,13 inter hibernas glacies et hiemales pruinas ; Venantius Fort. carm. 11,26,1 passim stricta riget glacies, concreta pruina ; Thes. VI 2, 2003,76-79. Cana pruina ( meist im Abl., und oft im Plural ) ist seit den Augusteern Zutat dichterischer Winterbilder ( cf. Verg. georg. 2,376 frigora … canā concreta pruinā, „Kälte, erstarrt zu grauem Raureif“; Hor. c. 1,4,4 prata canis albicant pruinis, „die Auen funkeln im weißen Reif “; Sen. Herc. fur. 139f. gelidā cana pruinā … pabula ; Colum. 10,74 ; Val. Flacc. 2,287; im Nom. Sg. Ov. her. 5,16; Thes. III, 296,38-42 ). Singulär sind die beiden paradoxen Junkturen pugnavit humus ( Thes. X 2, 2554,45-47; cf. BALDWIN 1911, 194 : „ ‚Offered no resistance‘ at first seems strange in this connection, but as a matter of fact it is when the ice breaks that the struggle commences and progress is impeded.“ ) und miti horrore ( Thes. VIII, 1158,12; SCHMELING – SETAIOLI ad loc. paraphrasieren es alternativ als „kindly cold“ und „rigid peace“; s. auch CONNORS 1989, 118: „the unyielding earth lies still at Caesar’s feet with a gentle shudder of fear“ ). Die Singulare sind der Kongruenz geschuldet ( pugnavit wie quievit richten sich nach humus ). Im Kontext ‚Kälte‘ erscheint horror höchst selten; cf. Lucr. 6,1011 frigidus horror sc. ferri ; Curt. Ruf. 3,5,3 subito horrore artūs rigere coeperunt ; Amm. Marc. 15,10,1 horrore nivali semper obductos sc. montes ; Thes. VI 3, 2998,36 ; OLD s.v. 2: „stiffness, rigidity (arising from cold, etc.)“. S. auch BC 179 horrendi nemoris, und S. 1190; 204 horrida … arva, und S. 1213. – Zu quievit cf. OLD s.v. 1: „to repose in sleep“. glacies : Eine Überlegung wert ist PUTSCHs glacieque ( statt glacies ; ap. ANTON 392 ): Eis und Frost ‚fesseln‘ gemeinsam den Untergrund ( glacieque et canā vincta pruinā … humus, passend zum doppelten Singular ). Mit dem Fortgang der Geschichte verträgt es sich freilich besser, wenn die obere Eisschicht ( cf. 188 undarum vincula ) und der gefrorene Boden getrennt bleiben. G. VANNINI in epist. erinnert zudem daran, dass in den metrischen Partien der Sat. die Wendung -que et nur zwischen dem zweiten und dritten Element einer Liste auftaucht ( cf. BC 257 Letumque Insi-

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diaeque et lurida Mortis imago ; 127,9,4 rosae violaeque et molle cyperon ; frg. 43,9f. M.4 legesque forumque | et … inclusum chorte tribunal, „… und die von der Menge umringte Tribüne“ ). 187 sed postquam turmae nimbos fregere ligatos : „Doch nachdem die Reiterverbände den Regen aufgebrochen hatten, den gefrorenen …“. Die folgende Szene ( 187-195 ) nimmt sich Hannibals Abstieg vom Alpenpass zum Vorbild. Kanonisch wurde Livius’ Schilderung : „Jetzt aber war der Weg völlig unbegehbar. Denn solange der Neuschnee nicht zu hoch auf dem alten, noch nicht zertretenen Schnee lag, konnten sie in dem weichen und nicht sehr tiefen Schnee festen Fuß fassen ( cf. BC 185f. ). Nun aber war er durch den Zug so vieler Menschen und Tiere zusammengetreten, und sie zogen auf dem bloßen Eis darunter und im Matsch des fast aufgetauten Schnees dahin ( cf. BC 187-189 ). Schreckliche Schwierigkeiten gab es durch das Glatteis, auf dem kein Tritt haftete ; und dadurch, daß es steil bergab ging, glitt der Fuß noch leichter aus ( cf. BC 193-195 ). Wollten sie sich mit Händen oder stützendem Knie aufrichten, so rutschten sie selbst damit aus und fielen von neuem hin. Es gab auch ringsum keine Baumstöcke oder Wurzeln, gegen die man sich mit dem Fuß oder der Hand hätte stemmen können. So schoben sie sich nun auf lauter Glatteis durch den Schneematsch vorwärts. Die Lasttiere traten oft durch, weil sie ohnehin schon auf der untersten Schneeschicht gingen ( cf. BC 188 ). Und wenn sie mit den Hufen kräftiger aufschlugen, um nach einem Sturz wieder aufzustehen, brachen sie völlig ein, so daß sie vielfach in dem harten, tiefen Eis steckenblieben wie in einem Fangeisen.“ ( übers. J. FEIX ). ( 21,36,5-8 ea vero via insuperabilis fuit. nam cum super veterem nivem intactam nova modicae altitudinis esset, molli nec praealtae facile pedes ingredientium insistebant ; ut vero tot hominum iumentorumque incessu dilapsa est, per nudam infra glaciem fluentemque tabem liquescentis nivis ingrediebantur. taetra ibi luctatio erat, viā lubricā non recipiente vestigium et in prono citius pedes fallente, ut, seu manibus in adsurgendo seu genu se adiuvissent, ipsis adminiculis prolapsis iterum corruerent ; nec stirpes circa radicesve, ad quas pede aut manu quisquam eniti posset, erant ; ita in levi tantum glacie tabidāque nive volutabantur. iumenta secabant interdum etiam infimam ingredientia nivem et prolapsa iactandis gravius in conitendo ungulis penitus perfringebant, ut pleraque velut pedicā capta haererent in durā et alte concretā glacie.)

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Zunächst rücken die Reiterkolonnen in den Blick ( 187 turmae ), die über ein von Neuschnee bedecktes Gletscherfeld ziehen, dann die einzelnen Tiere ( 188 ). Von den Fußsoldaten ist erst später die Rede ( 194 viri ). Die nimbi ligati ( „eingeschlossene Regen, gefesselte Wolkenbrüche“; cf. 188 undarum vincula ) als Bild für Eis sind so singulär wie die Junktur nimbos frangere ( BC 187-191 häufen sich die „exaggerations and startling and novel expressions“ des Gedichts; COURTNEY 2001, 188 ). Das Hyperbaton bildet das ‚Brechen‘ der Eisdecke ab ( nimbos fregere ligatos ). A. SETAIOLI in epist. überlegt, ob hier eine ‚Wolkendecke‘ unterhalb des Passes gemeint sein könnte, die die Soldaten auf ihrem Weg nach unten „durchbrechen“ ( dies vermiede die sachliche Doppelung mit 188 ). Das widerspräche zwar der freien Sicht auf Italien kurz zuvor ( 154 Hesperiae campos late prospexit ), wäre jedoch nicht die einzige Ungereimtheit der Passage ( der Hain 179f. hat nichts verloren in jener hochalpinen Landschaft ). Zu ligare bei Gewässern cf. Ov. trist. 3,10,49 vidimus in glacie pisces haerere ligatos ; Lukan 5,434 f. ( bei völliger Windstille) aequora lenta iacent, alto torpore ligatae … haesere … undae ; Marius Victorinus ad Iust. 9 amnium fluenta ligantur gelu ; Dracontius laud. Dei 2,797f. ( Israel durchquert das Rote Meer ) fluctibus aequoreis geminā de parte ligatis | in scopulos ; Cassiodor in psalm. 125,5 frigore ligatas aquas ; Thes. VII 2, 1393,6-13. Bereits Lukrez und Seneca verwenden frangere für Wolken ( cf. Lucr. 6,158 f. franguntur in artum | concreti montes nimborum, unter dem Druck des Windes „brechen die fest zusammengefrorenen Wolkengebirge“; Sen. nat. 2,28,2 nubes in montem actae non franguntur, sed circumfunduntur, „… legen sich um ihn“; 6,9,1 nubila frangi solent ). Die ‚Wolken‘ hier stehen jedoch metaphorisch für ‚Eis‘ ( s. oben ); zu frangere in diesem Kontext cf. u.a. Sen. nat. 4 b,5,4 glacie frangente se ( das im Frühling „brechende Eis“ ); Oed. 427 f. niveum … quisquis | frangit Araxen ; ep. 78,23 fractā … glacie ; Lukan 4,84 f. fracto … madescunt | saxa gelu ; Stat. silv. 5,2,133f. Rheni fracta natabis | flumina ; Ach. 2,118 glaciem sc. fluvii … frangere plantā ; Juv. 6,522 hibernum fractā glacie descendet in amnem ; s. auch BC 203f. horrida securis frangebat gressibus arva, und S. 1213 ad loc.; Thes. VI 1, 1243,60-66. BC 187 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions. Der Leser hört die Pferde förmlich stampfen. 188 et pavidus quadrupes undarum vincula rupit : „… und der scheuende Vierbeiner die Fesseln der Wogen gesprengt hatte“. Als großes Hendiadyoin beschreiben die Verse 187f. in paralleler Wortstellung dasselbe Phänomen: die Wirkung hunderter Hufe auf die Eisdecke ( turmae – pavidus quadrupes / nimbos ligatos – undarum vincula / fregere –

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rupit ). Bei Vergil reißen galoppierende Pferde den „brüchigen Grund“ auf ( Aen. 11,875 quadrupedum … putrem cursu quatit ungula campum ). S. auch Liv. 21,36,6 per nudam infra glaciem fluentemque tabem liquescentis nivis ingrediebantur ( zit. zu BC 187 ). Die Junktur pavidus quadrupes ( poet. Sg.; zu quadrupes cf. Bd. I, S. 203; GUIDO 1976, 185 ad loc.) ist so singulär wie die alexandrinischen undarum vincula ( HOLZBERG : „das Gefängnis der Wassermassen“ ). Martial verwendet unda als kühnes Oxymoron für einen Eiszapfen ( 4,18,4 hiberno praegravis unda gelu, „eine vom Winterfrost allzu schwere Woge“ ), Vitalis für die gefrorene See ( Anth. Lat. 533 R. quas modo plaustra premunt undas, ratis ante secabat, | postquam brumali deriguere gelu, „Wagen lasten nun auf den Wogen, die einst ein Schiff durchschnitt, nachdem sie erstarrten im winterlichen Frost.“ ). Ovid bereitet das Bild vor ( trist. 3,10,39f. ): durum calcavimus aequor, | undaque non udo sub pede summa fuit ( s. auch das Rätsel vom ‚Eis‘, Anth. Lat. 286,10 R. == 281,10 Sh.B. ‚GLACIES‘: unda fui quondam eqs.; ferner BC 200 et concreta gelu ponti velut unda ruebat ). Zu der Junktur vincula rumpere cf. Verg. Aen. 5,510 nodos et vincula linea rupit ; Lukan 3,712f. cruor omnia rupit | vincula ; 4,466f. vincula ferro | rumpere conatus ; 5,422 rumpite quae retinent … vincula proras ; zu rumpere cf. BC 197 rupti turbine venti ; 199 nubes ruptae super arma cadebant. „Ist hier ein pseudoetymologisches Wortspiel intendiert : quadrupes rupit ?“ ( M. DEUFERT in epist.). 189 incaluere nives : „… schmolzen die Schneemassen.“ Weder das ingressive incalescere noch sein Simplex calescere sind ansonsten für das „Schmelzen“ von Schnee belegt ( vage verwandt Ov. met. 2,173-175: dank Phaetons Fahrt polo … glaciali proxima Serpens, | frigore pigra prius … incaluit ). Auch die Junktur ist singulär ( Thes. VII 1, 843,52 ). Ähnlich beschreibt Lukan die Schneeschmelze ( 4,83f. Pyrenaeae, quas numquam solvere Titan | evaluit, fluxēre nives ; 6,478f.: dank der Macht der Magie Scythicae, cum bruma rigeret, | dimaduēre nives, eadem sede metrica ). Bei Silius schmelzen die Gletscher vom Blut der Gefallenen ( 3,548f. nescia vinci … glacies cedit tepefacta cruore ). Der poetische Plural nives ( cf. Sat. 99,3 incultis … regionibus diutius nives haerent ) ist Ausdruck „feierlich-poetische(n) Kolorit(s) … ganz nach Dichtermanier“ ( PETERSMANN 58, mit Verweis auf KST 1,76 ).

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189-190 mox flumina montibus altis | undabant modo nata : „Bald wogten im Hochgebirge eben geborene Ströme.“ Kaum besser ergeht es Hannibals Heer auf dem winterlichen Apennin ( Sil. Ital. 4,749f. plana natant, putrique gelu liquentibus undis | invia limosā restagnant arva palude, „die Hochebene schwimmt, die flüssiggewordenen Wogen garstigen Frosts überschwemmen unwegsames Gelände mit Schlamm und Morast“ ). Bei montibus altis ( die Junktur schätzen vor allem Lukrez und Vergil ) oszillieren die Übersetzungen zwischen abl. loci (e.g. EHLERS : „im hohen Gebirge“ ) und abl. sep. (ohne Präposition; cf. PETERSMANN 87 ; so eine klare Mehrheit, e.g. WALSH : „down from the lofty mountains“ ). Die Bewegung des Wassers bergabwärts erscheint zunächst realistischer (so lässt sich v.a. 191 ruinā lesen). Zur Schneeschmelze cf. e.g. Od. 19,205-207; Verg. georg. 1,43f. vere novo, gelidus canis cum montibus umor | liquitur eqs.; Ov. met. 8,556 torrens nivibus de monte solutis ; Pomponius Mela 3,21 Garunna ex Pyrenaeo monte delapsus … hiberno imbre aut solutis nivibus intumuit ; Sen. nat. 3,27,7 postquam magis magisque ingruunt nimbi et congestae saeculis tabuerunt nives, devolutus torrens altissimis montibus rapit silvas male haerentes et saxa resolutis remissa compagibus rotat, abluit villas et intermixtos dominis greges devehit eqs. ( ähnlich Anth. Lat. 931,23-26 R.); zum Weg des Wassers im Gebirge e.g. Lucr. 1,282f. largis imbribus auget | montibus ex altis magnus decursus aquai sc. mollem aquae naturam ; Hor. epod. 16,47f. montibus altis | levis crepante lympha desilit pede ; Verg. Aen. 12,523-525. Doch wie die folgenden Verse zeigen, bleiben die Schmelzwasser ( per se dichterische Übertreibung für Schneematsch und schmelzendes Eis) überwiegend an Ort und Stelle. Dafür sprechen ebenso die drei ‚horizontalen‘ Verben 191f. ( stabant, stupuēre, iacebat ) wie das rasche Wiedererstarren jener Bäche ( so ist wohl auch 202 zu verstehen, victa suis haerentia flumina ripis ). Undabant knüpft ( als figura etym.) an 188 undarum vincula an: die ‚gefesselten Wellen‘ sind wieder frei. Die Alliteration ( mox – mon- – mo- ) spiegelt ihr Wogen. 190-191 sed haec quoque – iussa putares – | stabant, et vinctā fluctūs stupuere ruinā : „Doch auch sie – man hätte glauben können, auf Befehl – standen still, und die Fluten erstarrten im gefesselten Fall“. Die beiden Verse beschreiben ( wie bereits 187 f. ) dasselbe Geschehen doppelt : der von Caesars Schwadronen zertrampelte harsche Schnee schmilzt ; doch eisige Kälte lässt ihn alsbald wieder gefrieren ( cf. BALDWIN 1911, 196: „For a short time the melting snow and ice ran down in

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streams, then froze with miraculous suddenness into irregular masses more difficult to cross than the former smooth and slippery surface.“ ). Auch in dem Unwetter zeigt der klirrende Frost seine Macht ( 196-202, bes. 200 concreta gelu ponti velut unda ruebat ; 202 victa suis haerentia flumina ripis ; s. auch Verg. georg. 4,135f. cum tristis hiems … glacie cursūs frenaret aquarum, „… mit Eis das strömende Gewässer hemmte“; Hor. c. 1,9,1-4 vides ut … gelu … flumina constiterint acuto ). Einen gefrorenen Wasserfall schildert Lukan ( 6,472 f. de rupe pependit | abscisā fixus torrens ). Zu stare cf. OLD s.v. 10 b: „(of things) to stop moving (…), come to a stillstand“, und e.g. Sen. Herc. fur. 540 f. (das gefrorene Schwarze Meer ) stat pontus … facilis nunc equitem pati ; Oed. 229 repente sancta fontis lympha Castalii stetit ; Plin. nat. 5,58 stetere aquae sc. Nili. Zu ruina für plötzlich niedergehende Wassermassen cf. Verg. Aen. 1,129 fluctibus oppressos Troas caelique ruinā ; Lukan 6,348 f. subitae … ruinam … aquae. Vinctā ruinā ist am ehesten modaler oder kausaler abl. abs. ( e.g. HOLZBERG : „weil ihr Sturz in Fesseln geschlagen wurde“ ). Vincta steht in dezenter Enallage für vincti fluctūs, „gefesselt in ihrem Sturz“ ( cf. GRIMAL : „les cascades enchaînées dans leur chute se figeaient“; s. auch 185 f. vincta pruinā … humus, und S. 1196f. ). Die beiden Verben unterstreichen die Metamorphose ( 190 undabant, 191 stabant, parallel jeweils am Versbeginn, mit Binnenreim; das Imperfekt ist vielleicht iterativ zu verstehen: das Phänomen wiederholt sich an verschiedenen Stellen ). Nach dem Fluss der Daktylen ( 190 ) bilden das Enjambement und gleich drei Spondeen das Erstarren ab ( cf. Lukan 6,473, oben zit.: ábscīsā fīxús torréns ). Die Junkturen fluctūs stupuēre, stupēre ruinā und vinctā ruinā sind ohne Parallele. Das überlieferte pruinā ist wohl ein Echo von 185 vincta pruinā ( ebenfalls am Versende ), wo „der Frost“ deutlich besser zuhause ist. REISKEs ruinā ist zurecht die Wahl der meisten Herausgeber. iussa putares : „Eumolpus halts his own description of the halted rush of the streams with the interjection iussa putares.“ ( CONNORS 1998, 129 ). Die Wendung rückt das ungewöhnliche Phänomen in die Nähe der Magie ( cf. 134,12,7 iussi stare dracones ; s. auch ZWIERLEIN 1986, 166 ). ANTON ad loc. zitiert Lukan 10,215-217 Nilus fonte soluto, | exit ut Oceanus lunaribus incrementis, | iussus adest, „öffnen sich seine Quellen, steigt der Nil wie bei zunehmendem Mond der Ozean, und er ist da wie auf Befehl“. Solche Macht beansprucht die Hexe Proselenos: sie lässt die See erstarren, sie gebietet den Flüssen ( Sat. 134,12,4-6 mihi pontus inertes | submittit fluctūs … mihi flumina parent ; s. Bd. IV ad loc.). – Zu dem Potentialis der Verg. mit AcI ( ~ iussa ‹ ea esse › putares ) cf. S. 1118.

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192 et paulo ante lues iam concīdenda iacebat : „und der eben noch flüssige Matsch lag nun da, um zerhauen zu werden.“ Wo zuvor nur der Boden unter der Schneedecke vereist war, erstreckt sich nun eine geschlossene Eisschicht, die einzig mit alpiner Ausrüstung zu bewältigen ist ( cf. Curt. Ruf. 5,6,14 dolabrā glaciem perfringens iter sibi fecit sc. Alexander, „mit einem Eispickel …“; Claudian rapt. 2,65f. rigentem … Tanain fregere securi ; zum Weinbau in Skythiens ewigem Winter cf. Verg. georg. 3,364 caedunt … securibus umida vina ). Das Gerundiv und v.a. das unerwartete Substantiv umschreiben die Vereisung in origineller Weise. Diese exotische Verwendung von lues, hier sinngemäß „Matsch, Schlamm“ ( HOLZBERG : „Schneewasser“ ), hat keine Parallele ( cf. Thes. VII 2, 1797,17-20 ad loc.: „usu peculiari respicitur status materiae dissolutae, liquidae“; OLD s.v. 4 : „corrupt or filthy liquid“; zu Licinius Macer hist. 21 Peter == F 6 FRHist cf. T.J. Cornell ( Hrsg.), The Fragments of the Roman Historians, Oxford 2013, Bd. III, 422f. ). Wohl aus diesem Grund wählt SCHMELING in seiner ed. Loeb COLLADONIUS’ fluens ( „the water that just before was a torrent“ ). Zu concīdere cf. OLD s.v. 1a: „to cut or chop up, break up“. Im Thes. s.v. findet sich der Beleg hier bei der Bearbeitung von Gestein und Metallen ( u.a. Juv. 14,291 concisum argentum in titulos faciesque minutas, „Silbermünzen, geprägt mit Legenden und winzigen Köpfen“; Florus epit. 2,20,10 ; AT 4 Könige 24,13 Vulg. concīdit universa vasa aurea, „er zerschlug …“; Thes. IV, 34,33-38). Die drei Spondeen bilden das Zerhauen der Eisdecke ab. – Zu dem in der Dichtung ausnehmend raren paulo ante cf. AXELSON 95 Anm. 95. 193 tum vero : „dann jedoch …“. Dieser Versauftakt, „a favourite Virgilian connective in vivid narrative“ ( C. FORDYCE ad Verg. Aen. 7,519 ), signalisiert oft die Zuspitzung oder den Höhepunkt einer Situation. Neben Vergil ( 26 Belege ) ist er v.a. bei Ovid und Silius beliebt ( 19 bzw. 15 Belege ); in Prosa schätzen Cicero und Livius die Formel. 193-194 male fida prius vestigia lusit | decepitque pedes : „… narrte der bereits vorher tückische Grund die Schritte und führte die Füße aufs Glatteis“. In einem dritten ‚Hendiadyoin‘ ( cf. 187f. und 190f. ) beschreiben die beiden Verse dasselbe Phänomen doppelt : die blanke Eisdecke verweigert Mensch wie Tier jeglichen Halt ( cf. DE SALAS 244 ad loc.: „Lubricâ glacie gressus fraudari, quis non expertus ?“; zu vereisten Wegen in den Alpen s. auch Amm. Marc. 15,10,5 ). Mit ähnlichen Nöten hatten die Karthager

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zu kämpfen ( Sil. Ital. 3,518-520 qua durati concreto frigore collis | lubrica frustratur canenti semita clivo | luctantem, ferro glaciem premit, „wo in der eisigen Kälte des Gletschers der rutschige Pfad den am reifgrauen Hang sich Mühenden täuscht, setzt Hannibal dem Eis mit dem Pickel zu“ ). Das Subjekt ist aus dem Kontext zu ergänzen: humus ( 186 ), vielleicht auch lues ( glaciata ) bzw. glacies ( cf. Thes. VII 2, 1779,77 f. ad loc.). Male fida bezieht sich auf dieses fehlende Subjekt ( e.g. male fida lues, „wenig vertrauenswürdiger Eismatsch“ ), nicht auf vestigia ( so SCHÖNBERGER : „… nahm das Eis den schon vorher unsicheren Füßen den Halt“ ). Fidus wird fast nur passivisch gebraucht ( cf. OLD s.v. 4 b: „(of things) that may be used with confidence, reliable, safe“ ). Und wie die vorausgegangenen Verse anschaulich zeigen, lassen erst die endlosen Marschkolonnen das zunächst harmlose ( 185 f. non pugnavit … quievit ), potentiell jedoch bedrohliche Gelände ( „male fida prius : treacherous before“; BALDWIN 1911, 196 ) zur realen Gefahr werden. Die Junktur decipere pedes ist so singulär wie vestigia ludere ( zu ludere cf. OLD s.v. 9b: „to trick, deceive“ ; zu dem verwandten vestigia fallere cf. Curt. Ruf. 4,9,18 gradum firmare vix poterant, cum … saxa lubrica vestigium fallerent ; Plin. ep. 2,1,5 per leve et lubricum pavimentum fallente vestigio cecidit ). – Die beiden Objekte und Verben gruppieren sich chiastisch um die Versgrenze ( vestigia lusit – decepit pedes ). male fida : Zu male als euphemistisch gemilderter Negation ( ~ „der unberechenbare, der trügerische Grund“ ) cf. S. 924. Zur beliebten Verbindung mit fidus cf. Verg. Aen. 2,23 statio male fida carinis, „ein für Schiffe unsicherer Ankerplatz“ ( und R.G. AUSTIN ad loc.); Ov. trist. 1,6,13 rebus male fidus acerbis, „keine Stütze im Unglück“; Ibis 85 capiti male fido ; Stat. Theb. 7,632 sonipes male fidus in armis, „ein in der Schlacht unberechenbares Ross“; Sil. Ital. 5,496 seniō male fida fefellerat arbor, „mit seinem Verfall hatte der unredliche Baum getäuscht“; Tac. hist. 1,52,3 male fidas provincias, „unzuverlässige Provinzen“; ann. 11,19,1 natio Frisiorum … male fida ; Claudian c. 26,347f. fundamina … pendenti male fida solo, „ein Untergrund, der wenig vertrauenswürdig an abschüssigen Hängen lag“; Anth. Lat. 415,57 R. == 413,57 Sh.B. semper male fida vagatur sc. spes ; s. auch Florus epit. 1,39,5 per perfidum glacie flumen equitatur.

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194-195 pariter turmaeque virique | armaque congestā strue deplorata iacebant : „Seite an Seite lagen Reiterei, Männer, Waffen, verloren gegeben in chaotischen Haufen.“ Nicht besser ergeht es Hannibals Tross in den Alpen, beim Aufstieg ( Liv. 21,33,6 f. equi maxime infestum agmen faciebant, qui … territi trepidabant, et icti forte aut vulnerati adeo consternabantur, ut stragem ingentem simul hominum ac sarcinarum omnis generis facerent ; multosque turba, cum praecipites deruptaeque utrimque angustiae essent, in inmensum altitudinis deiecit, quosdam et armatos ; et ruinae maxime modo iumenta cum oneribus devolvebantur ), v.a. aber beim Abstieg ( 21,35,12 omnis enim ferme via praeceps, angusta, lubrica erat, ut neque sustinere se ab lapsu possent nec, qui paulum titubassent, haerere adfixi [ DRAKENBORCH : adflicti codd.] vestigio suo, aliique super alios et iumenta in homines occiderent ). Gletscherspalten und Lawinen machen Hannibals Leuten bei Silius zu schaffen ( 3,520-522 haurit hiatu | nix resoluta viros, altoque e culmine praeceps | umenti turmas operit delapsa ruinā, „in den Abgrund reißt die aufgeweichte Schneedecke Männer, und vom hohen Grat herabdonnernd bedeckt sie im feuchtem Sturz Reitertruppen.“ ). Enjambement und Hyperbaton ( arma … deplorata ) spiegeln das heillose Durcheinander von Waffen, Männern, Pferden ( die turmae stehen am ehesten für die Tiere ). Solche Bilder liefern meist Schlachtfelder ; cf. Verg. Aen. 1,100 f. ( der Fluss Simois ): tot Simois correpta sub undis | scuta virum galeasque et fortia corpora volvit ; 11,633-635 et gemitus morientum et sanguine in alto | armaque corporaque et permixti caede virorum | semianimes volvuntur equi ; Liv. 23,15,13: bei Cannae liegen Verletzte begraben unter der ruinā superincidentium virorum equorum armorumque ; 25,16,19; Val. Flacc. 6,509-511 semineces duplicesque inter sua tela suosque | inter equos saevam misero luctamine versant | congeriem eqs.; Stat. Theb. 2,566f. simul ora virum, simul arma manūsque | fractaque commixto sederunt pectora ferro, „zerschmettert ruhten zugleich die Gesichter der Männer, zugleich Waffen und Hände und Brustkörbe und dazwischen Stahl“; 8,141f. currūs humus impia sorbet | armaque bellantesque viros, „der verfluchte Grund verschlingt Streitwagen und Waffen und Krieger“; 10,476-478 per et arma et membra iacentum | taetraque congerie sola semianimumque cruorem | cornipedes ipsique ruunt, „über die Waffen und Glieder der Gefallenen und den mit Leichenbergen besudelten Boden und das Blut Sterbender stürmen Rösser und Reiter“; 11,597 arma, viri, currūs bedecken das thebanische Schlachtfeld; Sil. Ital. 6,6-11 ( am Trasimenischen See ) simul arma virique | ac mixtus sonipes dextraeque in vulnere caesi | haerentes hostis eqs.; Tac. hist. 2,70; Philostrat imag. 2,29,2 : „auf dem Schlachtfeld Leichen über Leichen und Pferde, wie sie gerade fielen, und die Waffen, wie sie den Männern entglitten“ ( ἐν τῷ πεδίῳ νεκροὶ ἐπὶ νεκροῖς καὶ

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ἵπποι, ὡς ἔπεσον, καὶ τὰ ὅπλα, ὡς ἀπερρύη τῶν ἀνδρῶν ); Prud. cath. 5,77-79 currūs tunc et equos telaque naufraga | ipsos et proceres et vaga corpora … videas nare satellitum. Die Position am Versbeginn und das ergänzende part. coni. im Neutrum ( deplorata ) rücken die arma in den Brennpunkt ( cf. 199 nubes ruptae super arma cadebant ). Gleichwohl bezieht sich das Partizip auch auf turmae und viri. – Zu deplorare, „to despair of, give up for lost“ ( OLD s.v. 2a ), cf. BC 227f. deploratum … limen, und S. 1254. Das PPP congesta ( cf. OLD s.v. congerō 3 a: „to make into a heap, heap up, pile up“ ) lässt sich, parallel zu deplorata, als Nominativ lesen ( e.g. Prud. c. Symm. 2,717f. corpora … in cumulos congesta iacent ); syntaktisch wie inhaltlich organischer klingt jedoch der Ablativ. Zu strues cf. OLD s.v. 1: „a heap, pile, mass“, und BC 61f. obruit omnes sc. duces | armorum strue … Enyo ( s. auch BALDWIN 1911, 52 : „Strues, BC 62, denotes the process of destruction. In 195 it refers to the result.“ ). Die Verbindung congesta strues ( SULLIVAN 1965 : „piled in sorry confusion“ ) kehrt bei Ammianus wieder ( 19,8,2 congestam … forinsecus struem, „die außen vor der Mauer aufgeschüttete Anhöhe“; Thes. IV, 278,76 f.). – Die Wiederholung 192 iacebat bzw. 195 iacebant jeweils am Versende notiert STUBBE 135. -que … -que … -que : Die in der Dichtung beliebte polysyndetische Reihung ( das erste -que steht meist redundant, erst das zweite verknüpft ) geht wohl auf Ennius zurück ( und wurzelt letztlich im homerischen τε … τε ). Cf. e.g. Verg. Aen. 6,682f. carosque nepotes | fataque fortunasque virum moresque manūsque ; Ov. met. 4,9-12 parent matresque nurūsque | telasque calathosque infectaque pensa reponunt | turaque dant Bacchumque vocant Bromiumque Lyaeumque | ignigenamque satumque iterum solumque bimatrem ; 13,256-258; Stat. Theb. 6,860f. alterna manus frontemque umerosque latusque | collaque pectoraque et vitantia crura lacessit ; cf. FRAENKEL 1922, 209-211; R.G. AUSTIN zu Verg. Aen. 4,83; D. ROSS, Style and tradition in Catullus, Cambridge/Mass. 1969, 63-65; C. FORDYCE zu Verg. Aen. 7,186; SKUTSCH 1985, 338f. ad Enn. ann. 170; KST 2,35f. ; HSZ 515; PETERSMANN 260.

196 – 202 Das Unwetter 196 ecce etiam : „Ja sieh’“. Dieser höchst seltene Auftakt ist bis Ende des 2. Jh. n.Chr. nur fünf Mal belegt ( zuerst Verg. Aen. 5,793 per scelus ecce etiam Troianis matribus actis eqs.; Apul. apol. 55,12 ecce etiam liber offertur ; Thes. V 2, 31,49-51 ) – und gleich dreimal in den Sat. ( cf. 99,4 ; 109,7, und Bd. I, S. 466 ).

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196-197 rigido concussae flamine nubes | exonerabantur : „von eisigen Böen geschüttelt, entluden sich die Wolken“. Der Blick des Erzählers ( ecce ) richtet sich zum nahen Himmel, dessen Schleusen sich unversehens öffnen ( 196-202; s. auch Ovids Sintflut, met. 1,268f. utque manu late pendentia nubila pressit sc. Juppiter, | fit fragor ; hinc densi funduntur ab aethere nimbi ). Ein solcher Wettersturz geht gerade im Hochgebirge oft mit plötzlich fallenden Temperaturen, heftigen Niederschlägen, Gewittern und Sturmböen einher. Mit alpinen Schneestürmen kämpfen auch Hannibals Leute ( Liv. 21, 35,6 fessis taedio tot malorum nivis etiam casus … ingentem terrorem adiecit ; cf. Sil. Ital. 3,523-527; s. auch 3,489-492 hiems … undique nubes | huc atras agit et mixtos cum grandine nimbos eqs.). Nicht besser ergeht es Hannibals Heer in den Apenninen ( Liv. 21,58; bes. § 8 mox aqua levata vento cum super gelida montium iuga concreta esset, tantum nivosae grandinis deiecit eqs.) – und Caesars Leuten in Spanien ( Caes. civ. 1,48 ). Der Blizzard hat metaphorische Qualität. Als ‚kosmisches‘ Unwetter verbildlicht er die Katastrophe, die von den Alpen herab über das Reich kommt ( cf. S. 826; s. auch GRIMAL 1977, 152: Petron „conçoit ( la guerre civile ) comme un cataclysme brusque, une avalanche qui, venue des sommets alpestres, va recouvrir toute l’Italie et s’étendre à l’univers.“ ). Der riesige Lindwurm, der sich in Hannibals Traum von den Bergen herabwälzt und alles verwüstet, wird als Symbol des gewaltigen Kriegs gedeutet, mit dem er Italien überziehen wird ( Sil. Ital. 3,198-191; 3,204-213 bella vides optata tibi. … te maxima bella … lacrimosaque fata sequuntur. … perdomitis decurrens Alpibus atro | involves bello Italiam eqs.; s. auch Cic. div. 1,49). Welche ‚Last‘ die Wolken entladen, bleibt offen ( dass es plötzlich geschieht, deuten ecce etiam und das Enjambement an; cf. Lucr. 6,496 f. … in terras demissus ut imber | decidat ). Erst später hören wir von Hagel ( 198 tumidā … grandine ) und Schnee ( 201 ingenti … nive ). – Zu concutere von Winden cf. Lucr. 3,18-20 sedes … quietae sc. deorum, | quas neque concutiunt venti nec nubila nimbis | aspergunt. Zu rigidus cf. OLD s.v. 2a: „stiff with snow or ice, frozen; ( also of the snow or ice itself, winter, etc.)“. Die Junktur concutere nubes ( Thes. IV, 118,70 ) ist so singulär wie rigidum flamen ( Thes. VI 1, 861,33f.; zu letzterem zitiert G. VANNINI in epist. Plin. nat. 18,347: ein zugespitztes oberes Horn des Mondes kündigt „einen steifen Nordwind“ an, septentrionalem atque rigidum … ventum [ mit MAYHOFFs Eingriff ], und BALDWIN 1911, 197 P.B. SHELLEYs „frozen wind“ aus dem Gedicht A Widow Bird, publ. postum 1824 ).

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Zu dem gravitätischen, den Hexameter bis zur Penthemimeres füllenden Hexasyllabon exonerabantur cf. Sat. 139,2,8 Hellespontiaci sequitur gravis ira Priapi ( STUBBE 103; YEH 2007, 358 ). 197-198 nec rupti turbine venti | derant aut tumidā confractum grandine caelum : „und nicht fehlten von Wirbeln zerrissene Winde oder ein vom geschwollenen Hagel geborstener Himmel.“ Der Passus inspiriert sich an Vergils Gleichnis vom Kampf der Winde: adversi rupto ceu quondam turbine venti | confligunt, Zephyrusque Notusque eqs. ( Aen. 2,416-419, mit demselben Versschluss: „wie wenn widerstreitende Winde in geborstenen Wirbeln aufeinanderprallen“; cf. N. HORSFALL ad loc.). Bei Vergil erzeugen allerdings die kollidierenden Winde selbst die Verwirbelungen; im BC werden umgekehrt die Winde zum Spielball von Wirbeln ( zu turbo cf. OLD s.v. 2a: „an eddy in the atmosphere, whirlwind, tornado, or sim.“ ). Die Junktur turbine venti beendet auch andere Hexameter ; cf. Verg. Aen. 9,91f. ne cursu quassatae sc. rates ullo neu turbine venti | vincantur ( Kybele bittet, dass ihre Schiffe „weder auf einer Fahrt zerschellen noch von einem Wirbelwind besiegt werden“ ); Ov. met. 6,310f. validi circumdata turbine venti | in patriam rapta est ; Sil. Ital. 14,307 pascitur adiutus Vulcanus turbine venti ( „genährt und gestärkt wird das Feuer von wirbelnden Böen“ ). Zu confringere cf. OLD s.v. 1b: „to break up (a surface)“, und Lukan 9,323 illato confregit litore pontum ( der Sturm „brach die See an einer vorgelagerten Sandbank“ ). Die Junkturen tumida grando ( HOLZBERG : „strotzende Hagelkörner“ ) und confractum caelum sind singulär ( cf. Thes. VI 2, 2191,29 f. bzw. IV, 255,32 f. ). Kein Gewinn ist SCHRADERs contractum, „der vom Hagel bedrängte Himmel“ ( cf. Hor. epod. 13,1 horrida tempestas caelum contraxit, und L.C. WATSON ad loc.: „The sky has been ‚narrowed‘ by a blanket of storm clouds, so that only a little of it remains visible“ ). Die seit Cicero und Caesar belegte Litotes mit deesse findet mit den Augusteern Eingang in die Dichtung ( e.g. Hor. c. 1,36,15 nec desint epulis rosae ; Ov. met. 7,510 robora non desunt ; Sen. Thy. 687 non tura desunt ; Lukan 6,43 non desunt campi, non desunt pabula Magno ; 7,669 nec derat robur eqs.). Wie die Litotes klarmacht, sind die von atmosphärischen ‚Wirbeln‘ ( also letztlich Winden ) gebeutelten Winde nicht identisch mit den ‚Böen‘ ( 196 flamine ). Zu der eleganten Kombination nec – aut cf. Bd. II, S. 558 ad 112,2.

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199 ipsae iam nubes ruptae super arma cadebant : „Schon stürzten die Wolken selbst geborsten auf die Waffen.“ Auch in den spanischen Bergen ‚ertrinkt‘ Caesars Heer in einem Wolkenbruch ( Lukan 4,87-89 naufraga campo | Caesaris arma natant, impulsaque gurgite multo | castra labant eqs.). Auch dort deutet sich eine kosmische Katastrophe an ( bes. 4,104 f. rerum discrimina miscet | deformis caeli facies iunctaeque tenebrae, „das formlose Antlitz des Himmels und endlose Finsternis verwischen die Unterscheidung der Elemente“ ) – wie hier ( den ersten Hinweis liefert 148 caelum illinc cecidisse putes ; cf. S. 1149f. ). Von ‚berstenden‘ bzw. ‚geborstenen‘ Wolken ( nubes ruptae ) ist vor allem in Verbindung mit Winden und Blitzen die Rede. Zu B l i t z e n cf. BC 122 f. fulgure rupta … nubes, und e.g. Germanicus Arat. frg. 4,104 f. crebro fulmine ruptis | nubibus ; Sen. nat. 2,58,1 fulmen … nubes rumpit ; Med. 533; App. Verg. Aetna 59 densa per attonitas rumpuntur fulmina nubes ( „dicht brechen Blitze sich Bahn durch vom Donner betäubte Wolken“ ); Val. Flacc. 4,661 f. multifidus ruptis e nubibus horror | effugit ; zu W i n d e n cf. e.g. Lucr. 6,431 f. non quit vis incita venti | rumpere … nubem ; Sen. nat. 2,54,3 tonitrua hic spiritus exprimit, dum … rumpit nubes ( „diese Strömung verursacht Donner, wenn sie Wolken aufbricht“ ); 5,12,1; Plin. nat. 2,131 siccam rupēre nubem sc. flatūs repentini ( „plötzliche Böen“ ); Apul. mund. 311. Bisweilen ist von der Sonne oder dem Mond die Rede, die durch die Wolken brechen ( cf. Sen. Phaed. 419 nube ruptā cornibus puris eas, „durchbrich das Gewölk und zieh’ mit reiner Sichel dahin“; Stat. Theb. 12,709f. iubar … clarescere ruptis | nubibus … aspexit, „ein Strahlen sah er glänzend durch die Wolken brechen“ ). Oder das Bild steht für sintflutartige ‚Wolkenbrüche‘ – wie hier ( und prägnanter als e.g. imber cadebat oder pluviae cadebant ); cf. Verg. Aen. 11,548f. tantus se nubibus imber | ruperat, „… war aus den Wolken gebrochen“ ( abl. sep.); Sen. nat. 3,27,1 hiems … immensam vim aquarum ruptis nubibus deiciat. Doch ungeachtet der unda ( 200 ) und des Verbs ( zu cadere für Regen cf. u.a. Varro Men. 557 Astb. imber, alto nubilo cadens multus ; Verg. ecl. 6,38 altius … cadant summotis nubibus imbres ; Ov. met. 11,516f. cadunt largi resolutis nubibus imbres, inque fretum credas totum descendere caelum ; Sen. suas. 3,1 imbres cadunt ; Sen. benef. 4,28,3 ) ist hier nicht von Regen die Rede, sondern, wie concreta gelu und nive ( 200f. ) zeigen, von Graupel oder Schnee ( ähnlich BALDWIN 1911, 197 ).

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200 et concreta gelu ponti velut unda ruebat : „und, erstarrt in der Kälte, rauschte gleichsam eine Sturzsee herab“. Als viertes und letztes ‚Hendiadyoin‘ in der Schilderung des Abstiegs ( cf. 187f., 190f. und 193f. ) beschreibt das Verspaar 199f. den dramatischen Wolkenbruch – wobei ( anders als in den drei ersten Fällen ) hier die zweite ‚Lesart‘ (BC 200) die erste an Dramatik übertrifft. Gemeint ist auf jeden Fall ein Blizzard mit Hagel ( 198 tumidā confractum grandine caelum ) und Schnee ( 201 nive ; ausgeschlossen scheint bei der hier vorausgesetzten Kälte, zumal im Gebirge, einfacher Regen ). Mehrere Subjekte kommen für ruebat infrage: 1.) g e l u ( et gelu ruebat velut ponti unda concreta, „und Eis stürzte herab wie eine gefrorene Meereswoge“; so verstand wohl EHLERS den Vers: „eisig rauschte es gleich einem Meer von Fluten hernieder“; bei den folgenden Alternativen ist gelu Abl. causae); 2.) ein substantiviertes PPP c o n c r e t a als Ntr. Pl. ( mit ERHARDs ruebant : et concreta gelu ruebant velut unda ponti ; e.g. WALSH : „Masses of ice like sea-waves showered down“; zu dieser Verwendung von concrescere cf. BC 150 glacie concreta, und S. 1153 ). 3.) ein zu concreta zu ergänzendes aqua, imber, pluvia, nubes o.ä. ( et ‹ aqua › ruebat, concreta gelu, velut unda ponti : „und Wasser, erstarrt in der Kälte, rauschte herab mit der Wucht eines Brechers“; so e.g. HOLZBERG : „und Wasser, vom Frost verdichtet, stürzte wie Meeresflut herab“; CIAFFI : „le nubi … in ghiaccio si frangevano al modo dell’onde sul mare“, mit den ‹ nubes › von SEGEBADE – LOMM . 222 ad loc.; jeweils meine Kursiva ); 4.) u n d a ( et velut unda ponti, concreta gelu, ruebat ; e.g. STUBBE : „und förmlich Meeresflut stürzte vom Frost verdichtet herab.“ ). Die veritablen ‚Eisblöcke‘, die es in den beiden ersten Fällen regnet, geben selbst als Hyperbel ein kühnes Bild ab. Stimmiger klingt die dritte Variante – die allerdings eine passende Ergänzung erfordert. Die ungeachtet der artifiziellen Syntax einfachste Lösung ist die letzte. Zu dem Gräzismus pontus cf. BC 219, und S. 1244. concreta gelu : Zu gelu im Abl. cf. Hor. c. 1,9,3 f. ( ut ) gelu … flumina constiterint acuto ; Liv. 21,32,7 ( in den Alpen) animalia inanimaque omnia rigentia gelu ; Curt. Ruf. 5,6,13 frigoris vis gelu adstrinxerat sc. nives ; Mart. 4,18,4 ( zit. S. 1200 ); Anth. Lat. 533,2 R. brumali deriguere gelu sc. undae ( „im winterlichen Frost erstarrten die Wogen“ ). Zu der v.a. nachklassischen Junktur concreta gelu ( gelu Abl. ) cf. Plin. nat. 37,23 gelu … concreto sc. crystallo ( „der dank der Kälte aus Eis ausgehärtete Bergkristall“ ); Florus epit. 2,28,18 concretus gelu Danuvius ; Gell. 19,7,15 flumina gelu concreta ; Justin epit. 24,8,14 gelu nix concreta ; Claudian carm. min. 34,7 f. gemma … concreta … gelu

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(„der dank der Kälte erstarrte Quarz“ ); Anth. Lat. 532,1f. R. unda … concreta gelu ( cf. Ov. Pont. 2,2,94 unda … vincta gelu ); Thes. VI 1, 1732,84 1733,4. 201-202 victa erat ingenti tellus nive victaque caeli | sidera, victa suis haerentia flumina ripis : „Besiegt vom unendlichen Schnee war die Erde, besiegt des Himmels Gestirne, besiegt die in ihren Betten gefesselten Ströme“. Eiseskälte und gigantische Schneemassen bezwingen nicht allein die Bergwelt ( tellus und flumina ; letztere sind wohl identisch mit den flumina 189-191 ), sondern selbst die ‚nahen‘ Gestirne ( cf. 147f. hiemps … ad sidera … sc. hunc locum tollit : | caelum illinc cecidisse putes ). Mit anderen Worten: der Schneesturm verdunkelt den Himmel ( BALDWIN 1911, 197 verglich Claudian carm. spur. 2,125 sol … glaciali frigore victus ). Die Junktur victa tellus findet sich zuerst bei Ovid ( fast. 2,137 : Romulus beherrschte breve nescioquid victae telluris ; cf. Sen. Ag. 516: Troia; Lukan 5,617: die vom Seesturm „besiegte Erde“; 9,78 f. tellus Pompeio si qua triumphos | victa dedit ). – Die Junktur sidera caeli besitzt einen genuin vergilischen Klang ( als Versschluss georg. 2,1; 4,58; Aen. 1,259; ferner 8,141; 10,176; 11,878 ). Doch bereits Varro ( Men. 202 Astb.) und Cicero verwenden sie ( div. 2,94 a luna ceterisque sideribus caeli ; s. auch Tib. 1,9,35; Ov. met. 7,580; fast. 4,913; Manil. 1,488; 3,101; Sen. Thy. 866 ; Lukan 4,521 ). Die haerentia flumina sind singulär ( Thes. VI 1, 962,59; DEHON 2000, 219 vergleicht Lukan 4,50 pigro bruma gelu … haerens, „der Winter, gelähmt vom harschen Frost“ ). Zur Konstruktion von haerere + Abl. s. S. 1325. Trikolon mit der Anapher victa ( als Polyptoton; zu sidera und flumina ergänze erant ), und abbildendes Hyperbaton ( suis haerentia flumina ripis ). 203 – 208 Caesars ‚Aristie‘ 203 nondum Caesar erat : „Cäsar war es noch nicht“. Unbeeindruckt ( sc. nondum victus ) bietet der Imperator den tobenden Elementen die Stirn – wie einst Hannibal in den Alpen ( cf. Sen. ep. 51,5 indomitum illum nivibus atque Alpibus virum ; Sil. Ital. 3,503f. non Alpibus ille nec ullo | turbatus terrore loci ; eine vage Parallele liefert Ajax im Seesturm, Sen. Ag. 532-556 solus invictus malis | luctatur Aiax eqs. – der freilich seiner Hybris zum Opfer fällt ). Caesar ist nicht nur der einzige Protagonist, der im BC persönlich erscheint ( Pompeius und Cato bleiben Namen ); sein letzter Auftritt fällt denkbar heroisch aus, wenn er im Alleingang die wid-

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rigen Naturgewalten bezwingt ( ähnlich Herakles, 144 f. Graio numine pulsae | descendunt rupes et se patiuntur adiri ), genauer : ein apokalyptisches Unwetter, in dem der Kosmos sich aufzulösen und gegen sein Vorhaben zu protestieren scheint ( cf. S. 826 und 1207 ). 203-204 sed magnam nixus in hastam | horrida securis frangebat gressibus arva : „sondern, auf die mächtige Lanze gestützt, brach er sich sicheren Schritts Bahn durch die starren Gefilde“. Die Szene wirkt wie ein Echo von 183f. fortior ominibus movit Mavortia signa | Caesar et insolitos gressu prior occupat ausūs ( samt dezenten Kongruenzen: gressu ~ gressibus ; occupat ~ frangebat ; ausūs ~ arva ). Die Voraussetzungen wie das Gelände haben sich freilich verkehrt : vielversprechende omina und ein akzeptabler Saumweg haben widrigem Terrain und feindseligen Witterungsverhältnissen Platz gemacht. Umso plastischer hebt sich von diesem dunklen Hintergrund die übermenschliche Größe des Imperators ab, gipfelnd in zwei Vergleichen, die ihn erhöhen und seinen späteren göttlichen Status vorwegnehmen ( BC 205-208; cf. unten ad loc., und S. 827 ). Er ist mehr als nur der vorbildliche Feldherr, der seinen Soldaten wortwörtlich mit gutem Beispiel vorausgeht ( wie Cato beim Marsch durch die libysche Wüste, Lukan 9,587-593 ipse manu sua pila gerit, praecedit anheli | militis ora pedes, monstrat tolerare labores eqs.). Er übertrifft sogar einen Alexander, der im persischen Winter bei freundlicherer Witterung mit seinem Heer auf eine Eiswüste stößt ( Curt. Ruf. 5,6,13f. ): ventum erat ad iter perpetuis obsitum nivibus, quas frigoris vis gelu adstrinxerat, locorumque squalor et solitudines inviae fatigatum militem terrebant humanarum rerum terminos se videre credentem. omnia vasta atque sine ullo humani cultūs vestigio attoniti intuebantur et, antequam lux quoque et caelum ipsos deficerent, reverti iubebant. rex castigare territos supersedit, ceterum ipse equo desiluit pedesque per nives et concretam glaciem ingredi coepit. erubuerunt non sequi primum amici, deinde copiarum duces, ad ultimum milites. primusque rex dolabrā glaciem perfringens iter sibi fecit ; exemplum regis ceteri imitati sunt. Das gleiche Bild bot Kaiser Majorian, der 458 n.Chr. an der Spitze seines Heeres die winterlichen Alpen überquerte: „Zur Winterszeit bezwingst du die marmornen Alpen und Gipfel, die sich dem Firmament entgegenrecken und gläserne Klippen und eisigen Regen auf drohenden Felsen, zu Fuß an der Heeresspitze, und höchstselbst sicherst du deine schlitternden Schritte mit der nach vorne weisenden Lanze.“ ( Sidonius carm. 5,510-514

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tempore brumae | Alpes marmoreas atque occurrentia iuncto | saxa polo rupesque vitri siccamque minantes | per scopulos pluviam primus pede carpis et īdem | lubrica praemisso firmas vestigia conto ). Von seiner Überquerung der unter mannshohem Schnee begrabenen Sevennenpässe im Winter 51 berichtet Caesar ( Gall. 7,8,2f. ; zit. BALDWIN 1911, 198 ). Hannibal hingegen, der den Aufstieg zum Alpenpass beherzt bewältigt ( Sil. Ital. 3,516f. rumpit inaccessos aditūs atque ardua primus | exsuperat ), hat mit dem Abstieg deutlich mehr zu kämpfen ( 3,631-633 tumulis delatus iniquis | lapsantem dubio devexa per invia nisu | firmabat gressum atque umentia saxa premebat eqs., „abgerutscht von heiklen Höhen, suchte er in hilfloser Anstrengung den auf weglosen Hängen ausgleitenden Schritt zu festigen und Fuß zu fassen auf feuchtem Fels“ ). Die Junktur horrida arva ( SCHNUR : „grausige Gletscher“ ) kehrt wieder Val. Flacc. 1,512 f. horrida saevo … premis arva gelu ( „starrende Gefilde quälst du mit bitterem Frost“ ); Boethius cons. 2 m. 5,18 cruor horrida tinxerat arva. Zu horridus in Verbindung mit dem Winter cf. ferner Verg. ecl. 10,23 perque nives … perque horrida castra ; Ov. am. 2,16,19 si premerem ventosas horridus Alpes ( „shivering (with cold )“; J.C. MCKEOWN ad loc.); Rutilius Namatianus 1,485 glacie riget horridus Hister ; Thes. VI 3, 2992,6-11. S. auch BC 179 horrendi nemoris ; 186 humus miti … horrore quievit. – Die paradoxe Paarung horrida securis ist singulär. Zu frangere für das ‚Verletzen‘ oder ‚(Auf-)Brechen‘ des Untergrunds cf. e.g. Verg. georg. 3,161 campum horrentem fractis invertere glaebis ; Sen. Phoen. 396 equestri fracta … tellus pede ; 545 f. equitatu levi | Cadmea frangi prata ( „von leichter Reiterei werden die kadmeischen Fluren zertreten“ ); Lukan 5,440 aequora frangit eques ( ein Reiter das gefrorene Schwarze Meer ); hyperbolisch Stat. Theb. 6,640 rara … non fracto vestigia pulvere pendent ( „als seltene hängen seine Fußspuren über dem nicht niedergetretenen Staub“: er ‚fliegt‘ über den Boden ); s. auch BC 187 nimbos fregere ligatos ( und S. 1199 ad loc.). – Die Form gressibus erscheint erst in neronischer Zeit im Vers (cf. Sen. Oed. 654 ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1238 ; Thes. VI 2, 2325,27 f. ). Der chiastische ‚versus aureus‘ ( horrida securis f r a n g e b a t gressibus arva ; cf. S. 846f. ) leitet über zu den beiden Vergleichen. magnam nixus in hastam : Lanzen werden des öfteren ‚umfunktioniert‘. Bei einem Gefecht an einer Bergflanke stützen sich Caesars Soldaten mit ihnen ab ( Lukan 4,41 labat et fixo firmat vestigia pilo ); so Krieger bei einem Erdbeben ( Stat. Theb. 7,802 dubias … vagi nituntur in hastas ). Der sich auf seine Lanze stützende Krieger ist ein Archetyp viriler Ikonographie ( BALDWIN 1911, 198 verweist auf BC 268 ingentem quatiens Mavortius hastam : „Caesar is here endowed with one of his ( sc. Mars’ ) attri-

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butes“; der kampferprobte Dichter Archilochos ‚trinkt auf seine Lanze gestützt‘, frg. 2,2 West πίνω δ᾿ ἐν δορὶ κεκλιμένος ). Er hat Vorbilder nicht nur in der Kunst ( etwa in Lysipps berühmter Statue Alexanders ), sondern v.a. in der Dichtung. Eine Schwäche für dieses Bild hegt Vergil, wobei die Geschilderten teilweise s t e h e n ( Aen. 10,736 nixus … hastā ; 12,398 stabat … ingentem nixus in hastam, eadem sede metrica ; cf. Val. Flacc. 8,133 raptā victor consistit in hastā ; Stat. Theb. 5,18 f. dux … nixus Polynicis in hastam ), teilweise – wie hier – a u s s c h r e i t e n ( Aen. 6,760 purā iuvenis … nititur hastā ; cf. E. NORDEN ad loc.; R.G. AUSTIN ad loc.: „as if Virgil was describing a statue“; 12,386 alternos longā nitentem cuspide gressūs ). Die Formulierung hier scheint jene Szene zu zitieren, in der Aeneas mit seiner Verwundung zu kämpfen hat ( Aen. 12,398, oben zit.; s. auch 12,386 alternos … gressūs zu BC 204 securis … gressibus ). 205 – 208 Zwei mythologische Vergleiche Ein doppelter Vergleich rückt Caesars Abstieg vom Alpenpass ins rechte Licht : sicheren Schritts bahnt er sich einen Weg durch widrigstes Gelände, wie einst Herakles bei seiner Rückkehr aus dem Kaukasus ( 1 ½ Verse) oder wie Juppiter, als er vom Olymp herab gegen die Giganten in den Kampf zog ( 2 ½ Verse). Der gemeinsame Nenner sind der Weg herab von mächtigen Bergen, und der heroische Anblick. Der Imperator rahmt den Vergleich ( 203 ~ 209 Caesar ), zunächst ruhig die Eiswelt zerstampfend ( 204 horrida securis frangebat gressibus arva ; in Herakles’ Fußspuren, wie bereits zum Auftakt der Alpenüberquerung, BC 144-146, wo der Halbgott ein erstes Mal erscheint – und nun in Ringkomposition wieder hier ), dann, nicht unähnlich Juppiter, ‚voll Zorn‘ ( 209 tumidas iratus deprimit arces ) – „zornig“ am ehesten auf den Widerstand der Elemente ( Lukans Caesar hingegen reagiert mit fast stoischer Ruhe auf den Seesturm: 5,654-671 ). Es gibt Parallelen zwischen den Vergleichen. Beide beschreiben den Ort ( Caucasea arce bzw. verticibus magni Olympi, jeweils Abl. sep.; cf. PETERSMANN 87 ), das Tun ( decurrens bzw. se demisit und disiecit ), die hehre Erscheinung ( arduus bzw. torvo ore ). In einem wichtigen Punkt unterscheiden sie sich. Herakles’ Ziel bleibt im Dunkeln ( er ist auf dem Weg zu den Hesperiden), Juppiters Vorhaben wird sehr wohl benannt ( 208 ). Damit einher geht eine klare Steigerung : nicht nur die vom semigöttlichen Heros zum höchsten Gott, sondern auch die von einer privaten Rettungsmission

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( Prometheus ) bzw. Schatzsuche ( Hesperiden) zu einem Krieg von kosmischer Tragweite. Dank des Rahmens ( 203 ~ 209; s. oben ) lesen wir die Abfolge Caesar – Herakles – Juppiter – Caesar. Der Imperator wächst hinein in eine Rolle von welthistorischen Dimensionen. In seinem Zorn Juppiter näher als Herakles, steigt er nach Italien hinab, um die Widersacher seiner legitimen Herrschaftsansprüche zu vernichten wie einst der Göttervater die Giganten. Und der Vergleich hat prophetische Qualität: wie Herakles und Juppiter wird Caesar obsiegen. Auch die ps.-senecanische Octavia vergleicht Caesar mit dem Göttervater ( 500-502 invictus acie, gentium domitor, Iovi | aequatus altos saepe per honorum gradūs | Caesar ; cf. A.J. BOYLE ad loc.; diskreter bleibt das Gleichnis von Caesar als Blitz, Lukan 1,151-157; cf. S. 812, ferner FEENEY 1991, 296f. ). Silius vergleicht den triumphierenden Scipio mit dem siegreich von den Indern heimkehrenden Bacchus und dem Gigantenbezwinger Herakles ( 17,645-650; heroisches Licht fällt auch auf den ‚Alpenbezwinger‘ Hannibal: Gerüchte erschüttern Italien, „ein Feldherr sei von den Alpen herabgestiegen, der sich Taten rühme, die Herakles’ Kraftakt ebenbürtig seien“: 4,4 f. aemula … Herculei iactantem facta laboris | descendisse ducem ). 205-206 qualis Caucaseā decurrens arduus arce | Amphitryoniades : „wie, herabeilend von der kaukasischen Feste, der hehre Amphitryonsproß …“. Auf der Suche nach den Äpfeln der Hesperiden gelangt Herakles in den unwirtlichen Kaukasus ( e.g. Hygin astron. 2,15,5 Hercules missus ab Eurystheo ad Hesperidum mala, nescius viae, devenit ad Promethea eqs.). Dort entdeckt er Prometheus, den Zeus für den Diebstahl des Feuers zum Wohle der frühen Menschen von Hephaistos im Hochgebirge festschmieden ließ; tagtäglich labt sich ein Adler an seiner Leber. Herakles erlöst ihn von seinen Qualen: er tötet den Adler, sprengt seine Ketten und erfährt zum Dank den Weg zu den Hesperiden ( u.a. Hesiod theog. 521-534, und M.L. WEST ad loc.; Strabo 4,1,7; Apollodor bibl. 1,7,1; 2,5,11; Paus. 5,11,6; Ach. Tat. 3,8 ; etwas anders die Version Val. Flacc. 5,154 -176; s. auch Sat. frg. 25 qui voltur iecur intimum pererrat eqs.). Zu der singulären Caucasea arx ( cf. 209 tumidas … arces ) cf. u.a. Verg. georg. 1,240 Riphaeas … arces ; Grattius cyn. 524 Aetnaeas … arces ; Manil. 4,659 Alpinas … arces ; Sil. Ital. 4,71f. arce | Herculeā ( die Alpen ). Zu qualis als Einleitung von Beispielen oder Vergleichen cf. OLD s.v. 5 c.

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Die rasche Abfolge der vielen a -Vokale ( unterstützt von der markanten Alliteration auf a- ) imitiert die Bewegung abwärts ( die auffällige Lautmalerei mit a, r und c notiert STUBBE 90 ). Der Auftakt der beiden Vergleiche, BC 205, erinnert an einen klassischen ‚versus aureus‘ ( cf. S. 846f. ): qualis Caucaseā d e c u r r e n s arduus arce. Allerdings ist arduus hier kein substantiviertes Adjektiv, sondern gehört zu dem 206 folgenden Patronym. arduus arce : Arduus als Epitheton ornans oszilliert zwischen p h y s i s c h e r G r ö ß e ( e.g. EHLERS : „Herkules’ Riesengestalt“ ) und s t o l z e r H a l t u n g ( e.g. WALSH : „his head held high“ ), wobei beides nicht selten Hand in Hand geht ( cf. OLD s.v. 1: „tall, lofty, high, towering“; Thes. II, 493,73-494,6: „erectus, reclinis, resupinus (subest saepe nota nobilitatis)“; bisweilen vertritt es das klassisch unbelegte Adverb ); cf. e.g. Verg. Aen. 3,619 f. ipse arduus, altaque pulsat | sidera sc. Cyclops; 8,298f. Typhoeus | arduus arma tenens, und P.T. EDEN ad loc.; 8,682 f. Agrippa … arduus agmen agens ; 9,53 campo sese arduus infert ( cf. Ph. HARDIE ad loc.: „Turnus’ superbia finds physical expression as he towers on horseback“ ); Val. Flacc. 8,109 arduus heros ( „der himmelstürmende Heros“ Jason auf dem Weg zum Vlies im Baumwipfel ); Stat. Theb. 1,98 arduus Atlans ; Ach. 1,57 f. placidis ipse arduus undis | eminet sc. Neptunus ; Sil. Ital. 4,651 f. arduus adversā mole incurrentibus undis | stat sc. Scipio. In dieser Ambivalenz verleiht es dem Prometheus befreienden Herakles auch Valerius Flaccus ( 5,159 f. vincula … saxis abduxerat imis | arduus et laevo gravior pede ). Wie in den Anspielungen BC 144-151, die dem Alpenpass herkulische Qualitäten zusprachen ( 151 totum ferre potest umeris minitantibus orbem ), ist hier Herakles selbst arduus ( CONNORS 1989, 119f. ). Vergils gewitzte Verbindung von arduus und arx am Hexameterende ( georg. 1,240 f. mundus … ad Scythiam Riphaeasque arduus arces | consurgit, „das Himmelsgewölbe erhebt sich ragend über Skythien und den rhipäischen Bergen“ ) fand Nachahmer. Oft schwingt eine leichte Enallage mit – wie auch hier (~ arduā arce, „von der ragenden kaukasischen Feste“ ); cf. Ov. met. 2,306 summam petit arduus arcem ( lt. F. BÖMER ad loc. adverbial gebraucht : „gradenwegs“ ); 5,289 stetit arduus arce ( „er stand hoch auf der Burg“ ); Val. Flacc. 5,163 f. fit fragor, aetherias ceu Iuppiter arduus arces | impulerit ( „… als hätte Juppiter sich aufrichtend die himmlischen Burgen erschüttert“ ); ohne Enallage Apul. mund. 343 in arduis arcibus ( vom Olymp ). Amphitryoniades : Im Hexameter vertreten für gewöhnlich neben dem Epitheton Tirynthius griechische Patronyme den metrisch heiklen Herculēs : so Alcidēs ( nach seinem sterblichen Großvater ), bisweilen aber

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auch das gravitätische, mit zweieinhalb Daktylen fast den halben Hexameter füllende Heptasyllabon Amphitryōniadēs (wie hier meist am Versbeginn), „Sohn des Amphitryon“ (seines sterblichen Vaters ). Das Vorbild lieferten griechische Dichter ( Ἀμφιτρυωνιάδης bzw. -δας ; zuerst Hesiod theog. 317, später u.a. Pindar, Bacchylides, Theokrit und die Anthologia Graeca ). In der römischen Literatur machte es Catull salonfähig ( 68 B,112, als zweite Pentameterhälfte ); seinem Beispiel folgten die Augusteer ( u.a. Verg. Aen. 8,103; 8,214 ; Prop. 4,9,1; Ov. met. 9,140; 15,49 ), später Lukan ( 9,644 ) und v.a. das flavische Epos ( Val. Flacc. 3 x, Statius 8 x, Silius 6 x ). Cf. NORDEN 4 1957, 160. Für andere patronyme Heptasyllaba cf. Verg. Aen. 8,162 Láomedóntiadén ; Stat. Theb. 1,313 u.ö. Oédipodíonidés. 206-207 aut torvo Iuppiter ore, | cum se verticibus magni demisit Olympi : „oder wie mit grimmer Miene Juppiter, als er herabstieß vom Scheitel des mächtigen Olymp“. Gemeint ist Zeus’ Krieg gegen die Titanen : „Und nicht mehr hielt Zeus da zurück seinen Drang, sondern ihm füllte sich sogleich mit Drang sein Zwerchfell, auf zeigte er seine ganze Gewalt. Vom Himmel her und auch vom Olymp schritt er daher und sandte die Blitze ohn’ Unterlaß ( usw.)“ ( Hesiod theog. 687-710, bes. 689f. ἄμυδις δ᾿ ἄρ᾿ ἀπ᾿ οὐρανοῦ ἠδ᾿ ἀπ᾿ Ὀλύμπου | ἀστράπτων ἔστειχε συνωχαδόν ; übers. W. MARG ). Ähnlich Phoibos Apollon. Er „schritt herab von des Olympos Häuptern, zürnend im Herzen“, um die Griechen vor Troja mit Krankheit zu schlagen ( Ilias 1,44 βῆ δὲ κατ᾿ Οὐλύμποιο καρήνων χωόμενος κῆρ ; übers. W. SCHADEWALDT ; zit. BALDWIN 1911, 199 ad loc.). Zu Juppiters sprichwörtlichem Ingrimm cf. e.g. Apoll. Rhod. 3,337f. ἀμειλίκτοιο Διὸς θυμαλγέα μῆνιν | καὶ χόλον ( „des unversöhnlichen Zeus bitterer Zorn und Groll“ ); Ov. fast. 3,290 saevi … ira Iovis ; 5,248 ira Iovis magni causa timoris erat ; Val. Flacc. 4,474 infesti ( SCHRADER : iniusti Ω ) … ira Tonantis ; 7,568 ira Iovis torsit geminos mortalibus ignes. Seltener ist von seiner ‚finsteren‘ Miene die Rede – wie hier ( e.g. Stat. Theb. 9,839f. Iovis … severi | vultus ). Zu torvus cf. OLD s.v. 2a: „( of facial expression, etc.) fierce, stern, grim“, und e.g. Verg. Aen. 3,677 lumine torvo ( „grimmen Blicks“ ); 7,415f. torvam faciem … exuit ( „ Allecto legt die scheußliche Erscheinung ab“ ); App. Verg. Culex 173 aspectu … micant flammarum lumina torvo ( „finsteren Blicks blitzen die Flammenaugen“ einer Schlange ). Vom „Gipfel des Olymp“ spricht nur noch Apuleius ( Socr. 138 ultra Olympi verticem ; ebd. 140 usque ad summum Olympi verticem ). – Zu (se ) demittere cf. OLD s.v. 4 a : „(refl., pass.) to walk, ride, fly, etc., down, de-

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scend“. Die aktive Variante erscheint wiederholt bei Vergil ( Aen. 4,268f. ipse deum tibi me claro demittit Olympo | regnator ; 4,694 Irim demisit Olympo sc. Iuno ; 12,634 f. Olympo | demissam … te, wie hier stets mit dem abl. sep.). 208 et periturorum disiecit tela Gigantum : „… und die Waffen zerschlug der dem Untergang geweihten Giganten.“ Der Kampf der Olympier gegen Gaias riesenhafte Kinder, bei dem die Götter dank Herakles’ Hilfe siegten, ist literarisch seit Xenophanes greifbar ( frg. 1,21 West ; s. auch Apollodor bibl. 1,6,1f. ); schon früh ist er auch ein Lieblingsmotiv der bildenden Künste. Das symbolische Potential des Mythos war fast von Anfang an präsent : eine göttlich legitimierte Autorität, die chaotische Urmächte vernichtet und die kosmische Ordnung gegen die Repräsentanten archaischer Anarchie sichert ( ähnliches gilt für die Kämpfe der Götter gegen Typhon oder die Titanen). Doch die Giganten stellten nicht nur die natürliche und moralische Ordnung des Kosmos infrage (cf. Cic. Cato 5 quid est enim aliud Gigantum modo bellare cum dis, nisi naturae repugnare ? ; Manil. 1,420-432 ). Als wirkmächtig erwies sich vor allem die politische Strahlkraft des Mythos – die Rebellion der Giganten als Metapher bedrohter etablierter Machtverhältnisse. In diesem Sinne lassen sich zwei der bedeutendsten Bildprogramme der griechischen Kunst lesen. Die Gigantomachie auf den Metopen des Parthenon feiert das Scheitern der persischen Invasion, der Gigantenfries des Pergamonaltars die Siege der Attaliden über die Makedonen, die Gallier und die Seleukiden ( cf. B. ANDREAE, Skulptur des Hellenismus, München 2001, 136-146 ). Im gleichen Geist nennt Kallimachos meuternde keltische Söldner, deren Aufstand Ptolemaios Philadelphos blutig niederschlägt, „spätgeborene Titanen“ ( hymn. 4,174 ὀψίγονοι Τιτῆνες ; 274 v.Chr.). Ein dichtes Netz von Verweisen durchzieht v.a. die augusteische Literatur ( die Präsenz des Themas belegen bereits etliche recusationes, e.g. Prop. 2,1,19 f. non ego Titanas canerem eqs.; 2,1,39 f.; 3,9,47 f.; Ov. trist. 2,333f.; App. Verg. Culex 26-28 ). Horaz setzt Augustus, der die Caesarmörder zur Rechenschaft zieht und den Bürgerkrieg beendet, mit dem Gigantenbezwinger Juppiter gleich ( c. 3,4,49-64 ; cf. 2,12,6-9 domitos … Herculeā manu | Telluris iuvenes, unde periculum | fulgens contremuit domus | Saturni veteris ; 2,19,21f. cum parentis regna per arduum | cohors Gigantum scanderet impia ; passenderweise fand Brutus, von dessen Hand Octavians Adoptivvater fiel, sein Ende unweit Phlegras, dem traditionellen Schauplatz der Gigantomachie). Eine solche politische Botschaft verbirgt sich auch in den Gigantomachien am Anfang der beiden großen augusteischen Epen. Vergil kleidet sie

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in die Geschichte von Aeolus und den Winden ( Aen. 1,50-63; cf. HARDIE 1986, 85-156, bes. 90-97 ); Ovid erzählt den Mythos selbst ( met. 1,151158 ). Beide Passagen enden mit Augustus ( in dem Gleichnis vom Staatsmann, Aen. 1,148-153, bzw. in dem diskreten Vergleich des Herrschers mit Juppiter, met. 1,200-205; cf. F. BÖMER ad loc.; V. BUCHHEIT, Hermes 94, 1966, 94-101; U. SCHMITZER, Zeitgeschichte in Ovids Metamorphosen, Stuttgart 1990, 52-60 ). Für weitere Zeugnisse cf. Ov. am. 2,1,11-20; met. 5,318-331; fast. 3,439442; 5,35-42; Sen. Thy. 1081-85; App. Verg. Aetna 41-73; Sil. Ital. 9,304309 ( der Götterkampf bei Cannae gleicht der Gigantomachie ); Claudian carm. min. 53: Gigantomachia ); ferner O. WASER, RE Suppl. III, 1918, 655759 ; F. VIAN, La guerre des géants, Paris 1952; ders., La guerre des géants devant les penseurs de l’antiquité : REG 65, 1952, 1-39; NISBET – HUBBARD zu Hor. c. II p. 189-191; F. VIAN, LIMC IV 1, 1988, 191-270; IV 2, 1988, 108-158; NISBET – RUDD zu Hor. c. III p. 55f. Gleich dreimal bringt L u k a n den Bürgerkrieg mit der Gigantomachie in Verbindung, in immer deutlicheren Anspielungen. Der Bürgerkrieg war der Preis für Neros Herrschaft – wie die Gigantomachie für die Juppiters ( 1,35f. caelum … suo servire Tonanti | non nisi saevorum potuit post bella Gigantum ). Den Massiliern stehe es nicht zu, im Bürgerkrieg Caesar zu unterstützen – so wenig wie es Menschen zustehe, in einer Gigantomachie Juppiter zu helfen ( 3,315-320 ). Die Vorbereitungen für Pharsalos erinnern an die Gigantomachie ( 7,144-150 ). Die Botschaft des BC klingt dramatischer. Wie der zornige Göttervater ( 206 torvo Iuppiter ore ) wird der zornige Caesar ( 209 iratus ) die Mächte des Chaos vernichten und die kosmische Ordnung wiederherstellen. Doch kaum zufällig erinnern die perituri Gigantes, die von Juppiter ausgelöschten Giganten, an die peritura moles, den „dem Untergang geweihten Koloss“ Rom ( 83 ), den Caesars Schutzgöttin Fortuna höchstpersönlich vernichten wird ( 108f. destruet istas | idem, qui posuit, moles deus, „diesen Koloss wird dieselbe Gottheit zertrümmern, die einst ihn groß gemacht“ ) – durch ihr Werkzeug Caesar. Caesar wird nicht Roms Retter – er wird Roms Untergang. Zu dem unheilschwangeren Part. fut. act. periturus ( s. auch BC 19 peritura … fata ; BC 83 perituram … molem ) cf. Bd. II, S. 693. Hier erscheint es als gravitätisches Pentasyllabon, das sich bis zur Penthemimeres erstreckt ( cf. STUBBE 103; YEH 2007, 361 ). disiecit : Das überlieferte deiecit ( so u.a. BÜCHELER 1 ; ERNOUT ; STUBBE ; MÜLLER bis ed.2 ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ) macht nur bedingt Sinn ( G. VANNINI in epist. erklärt die Verschreibung mit dem in den Nach-

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barversen wiederkehrenden Präfix de- : 205 decurrens ; 207 demisit ; 209 deprimit ; s. auch die Anfangssilben in 207f.: se ver - / et per - / te -). Denn deicere bedeutet in vergleichbaren Passagen meist „herabwerfen, hinabschleudern“ o.ä. ( OLD s.v. dēiciō 1a : „to throw ( a thing ) down towards a lower position, cause to fall“; s. auch s.v. 4 a ), wie 70,11 paene de lectis deiecti sumus ; 136,1 fracta … sella … anum … pondere suo deiectam super foculum mittit, und e.g. Lucr. 5,1125f. e summo, quasi fulmen, deicit ictos sc. homines | invidia … in Tartara ; Varro Atac. frg. 11 FLP flagranti deiectum fulmine sc. Phaethonta, „vom lodernden Blitz herabgeschmettert“; Verg. Aen. 6,581 fulmine deiecti fundo volvuntur in imo (die Titanen im Hades ); 8,427 f. plurima sc. fulmina caelo | deicit in terras ; Stat. silv. 5,3,207f. ( Juppiter den Vesuv auf Kampanien ); Hist. Aug. Tac. 15,1 statuae … deiectae fulmine. Doch hier geht es nicht darum, dass Juppiter die Waffen der Giganten „hinabschleudert“. Das gilt auch für jene Passage, mit der GRIMAL 1977, 167f. deiecit verteidigte, Verg. Aen. 10,545 f., Aeneas haut Anxurs Arm samt Schild ab: Anxuris ense sinistram | et totum clipei terrae deiecerat orbem ( terrae JASPER : ferro codd.). Auch die vereinzelt belegte Bedeutung „zerstreuen“ hilft nicht weiter ( e.g. Lukan 3,691 tela legunt deiecta mari, „sie sammeln die auf dem Meer zerstreuten Waffen“ ). Sinn macht deiecit noch am ehesten mit I.F. GRONOVs Konjektur bella ( cf. Lukan 1,36 bella Gigantum ). Hier kommt GULIELMIUS ’ disiecit ins Spiel ( so u.a. BÜCHELER ab ed.2 ; BALDWIN ; MÜLLER ab ed.3 ; GIARDINA – MELLONI ), im Sinn von „discutere, dirumpere, frangere, funditus evertere, diruere sim.“ ( Thes. V 1, 1381,80-1382,27, und e.g. Enn. trag. 84 Joc. arae patriae … fractae et disiectae iacent ; Verg. Aen. 1,128 disiectam … toto videt aequore classem ; 2,608 disiectas moles : Trojas Mauern nach dem Götterkampf ; 8,355 disiectis oppida muris ; Hor. c. 2,19,14 f. tecta … disiecta non leni ruinā ). Es ist nicht nur das stärkere, aggressivere Verb – es passt vorzüglich zu den Blitzen, mit denen Juppiter die Waffen der Giganten „zerschmetterte“; cf. u.a. Verg. georg. 1,283 ter pater exstructos disiecit fulmine montīs ( im Kampf gegen Typhoeus; die Hs. R hat deiecit ); Aen. 1,43 ( Minerva mit Juppiters Blitz ) disiecit … rates ; Sil. Ital. 9,538f. disice telo | flagranti … Carthaginis arces ; Tac. ann. 14,22,2 ictae dapes mensaque disiecta erat ; metaphorisch Val. Flacc. 4,167 f. fulmineā frontem dextrā disiectaque fudit | lumina ( „mit der blitzschnellen Rechten verstreute er die Stirn und die zerschmetterten Augen“; cf. P. MURGATROYD ad loc.).

209 – 244 Panik in Rom Während Caesar gottgleich „die Alpengipfel bezwingt“ ( 209 tumidas … deprimit arces ) – und damit zwischen den Zeilen ‚die vom Aufruhr erfassten Hügel‘ Roms ( cf. S. 1229 ), erreichen Gerüchte von Truppenbewegungen in den Alpen die Hauptstadt. Überraschend genug reagieren die Römer offenbar nicht auf die unheilvollen Omina ( BC 126-140 ), sondern erst auf die Nachrichten aus dem Norden ( cf. S. 1236f. ). Bei Lukan hingegen kursieren erst Gerüchte ( 1,469-486 ; s. auch unten ), dann werden sie von Vorzeichen gleichsam ‚göttlich beglaubigt‘ ( 1,522-583 ). Wie die historischen Quellen berichten, machten entsprechende Nachrichten damals tatsächlich bald die Runde und sorgten am Tiber für Panik und Chaos. „Sobald die erste Kunde hiervon nach Rom gelangte, war die Stadt von Schreck, Verwirrung und Angst erfüllt wie nie zuvor.“ ( Plut. Pomp. 60,5 ὡς δὲ πρῶτον ἡ φήμη προσέπεσε, καὶ κατέσχε τὴν Ῥώμην μετ’ ἐκπλήξεως θόρυβος καὶ φόβος οἷος οὔπω πρότερον ; übers. K. ZIEGLER ; cf. ebd. 60,1f.; Caes. 33f.; Appian b.civ. 2,120; Cassius Dio 41, 7-9; s. auch JAL 1963, 237f. ). Die BC 144-244 geschilderten Ereignisse decken sich allerdings nur teilweise mit den Fakten. Parallel zu seinen Bemühungen um eine politische Lösung hatte Caesar gegen Ende des Jahres 50 größere Verbände in der Narbonensis und in Norditalien strategisch in Position gebracht. Als er vom Scheitern der Verhandlungen erfuhr ( Anfang Jan. 49 ), ging er sofort in die Offensive und entsandte fünf Kohorten nach Etrurien; er selbst sicherte mit fünf weiteren binnen weniger Tage Ariminum, Ancona und Arretium. Den historischen Quellen zufolge sorgte erst die Kunde von der Einnahme Ariminums für Aufruhr in Rom; im BC erreichen die Gerüchte Rom bereits, während Caesar noch in den Alpen weilt. Als Inspiration diente hier vielleicht Livius’ verlorener Bericht von jenen Tagen ( cf. CONNORS 1989, 123). Wie dieser ausgesehen haben mag, lassen zwei erhaltene Passagen seines Werks ahnen, die dramatische Räumung Alba Longas ( 1,29, bes. §§ 3-5 silentium triste ac tacita maestitia ita defixit omnium animos, ut prae metu quid relinquerent, quid secum ferrent, deficiente consilio rogitantesque alii alios, nunc in liminibus starent, nunc errabundi domos suas ultimum illud visuri pervagarentur. (…) raptim quibus quisque poterat elatis, cum larem ac penates tectaque, in quibus natus quisque … esset, relinquentes exirent, iam continens agmen migrantium impleverat vias, et conspectus aliorum mutuā miseratione integrabat lacrimas, vocesque etiam miserabiles exaudiebantur mulierum eqs.), und die Ankunft der Gallier und die Flucht aus Rom ( 5,39f., bes. 5,40,5 f. alia maxime plebis turba … ex urbe effusa velut agmine iam uno petiit Ianiculum. inde

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pars per agros dilapsi, pars urbes petunt finitimas, sine ullo duce aut consensu, suam quisque spem, sua consilia communibus sc. consiliis deploratis exsequentes ). Eine rhetorische Blaupause ‚de urbibus captis‘ stellt Quintilian vor ( inst. 8,3,67-69, bes. 68 apparebunt effusae per domūs ac templa flammae et ruentium tectorum fragor et ex diversis clamoribus unus quidam sonus, aliorum fuga incerta, alii extremo complexu suorum cohaerentes et infantium feminarumque ploratus et male usque in illum diem servati fato senes ; auch zit. TANDOI 1992b, 641). Silius schildert, wie sich im zweiten Punischen Krieg angesichts der Nachrichten von Hannibals Nahen Rom leert ( 4,1-32, bes. 27-32 deseruere larem, portant cervicibus aegras | attoniti matres ducentesque ultima fila | grandaevos rapuere senes, tum crine soluto | ante agitur coniunx, dextrā laevāque trahuntur | parvi non aequo comitantes ordine nati. | sic vulgus ). Etliche Römer entschließen sich zur Flucht ( 216-220; gemeint sind in dieser Partie vornehmlich Angehörige der Oberschicht, wie am Ende des Abschnitts, 238-244 ); einige denken an Gegenwehr ( 219f.; s. S. 1245 ). Ausgeführt wird im Folgenden allerdings nur das Thema Flucht ( entsprechend oft fallen die Stichwörter fuga bzw. fugere : 218, 221, 224, 237, 243 ). Die ganze Passage strukturieren drei manifeste Trikola ( A : 218-220 huic – illi – est qui ; B : 226-229 ille – ille – sunt qui ; C : 235-237 alter – alter – hic, im Gleichnis; eine diskrete variatio liefert 222-225 mit populus – Roma – Quirites ). Voll Trauer ( 225 maerentia tecta ; 229 maerentia pectora ) strömen die Bürger aus der Stadt ( bes. 222 f. populus … desertā ducitur urbe ). Das Szenario erinnert bewusst an Bilder Vergils aus dem eroberten Troja ( Aen. 2,486490; 721-734 ; 796-800 ) – und erzeugt so eine unheilträchtige Parallele zwischen Ilions letzter Nacht und dem ‚letzten‘ Tag Roms ( GRIMAL 1977, 192 ). Wir sehen Kinder an der Hand der Eltern, im Gewandbausch geborgene Penaten, ja ganze Familien. Allerdings wird die Vorlage ‚fragmentiert‘: was Aeneas allein zuwege bringt ( Aen. 2,721-725: er trägt den Vater samt den Herdgöttern und hält den Sohn an der Rechten, dicht gefolgt von Creusa; cf. CONNORS 1989, 125 ), verteilt das BC auf verschiedene Personen und Gruppen. Zudem bekommt das kleine ‚Idyll‘ aus Roms Urgeschichte schnell Risse. Denn eine sprechende Antiklimax führt von den Kindern über die jungen Leute mit ihrem liebsten Hab und Gut zu den Reichen mit ihrem Vermögen. Sie offenbart, was den Römern in der Stunde der Wahrheit wirklich am Herzen liegt : ihr materieller Besitz. Zwischen die Flucht der Allgemeinheit ( 216-232 ) und der Obrigkeit ( 238-244 ) tritt ein Gleichnis, das die Situation vor Ort illustriert. Ein

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Schiff im Sturm ist der Gewalt der Elemente ausgeliefert. Ein Seemann verzurrt den Rumpf, ein anderer hält Ausschau nach einem geschützten Ankergrund, ein dritter ( mutmaßlich der Kapitän ) überlässt die Segel den Winden und vertraut auf Fortuna ( 237 hic dat vela fugae Fortunaeque omnia credit ). Mit dem Kapitän beginnt fast unmerklich die Übertragung auf das manövrierunfähige, steuer- und kurslose Staatsschiff, auf dem es angesichts des politischen Chaos zu kopflosen Reaktionen kommt. Und der verantwortliche Steuer- bzw. Staatsmann setzt seine letzte Hoffnung auf eine höchst unberechenbare Instanz : Fortuna. Das Ende der ganzen Passage bestätigt diese Deutung. Der Kapitän, der den Staat dem Sturm überlässt und flieht, ist kein geringerer als Pompeius der Große, der einstige Seeheld ( nicht von ungefähr reiht sein Porträt BC 239-242 Gewässer an Gewässer ). Es entbehrt nicht der Ironie, dass Fortunas einstiger Günstling sein Schicksal der Instanz anvertraut ( 237 ), die längst auf ihren neuen Favoriten setzt ( cf. 174 ) – und ihn zu seiner Schande nun fliehen sieht ( 243f. pro pudor, imperii deserto nomine fugit, | ut Fortuna levis Magni quoque terga videret ). Kein anderer Abschnitt des BC besitzt ein so klares Vorbild in den Pharsalia wie dieser, nämlich Lukans Erzählung von den Gerüchten und der Panik in Rom ( 1,466-522 ): LUKAN

PETRON

1. Caesar naht ( 1,466-468; 3 V. ) 2. Gerüchte vom Bürgerkrieg ( 1,469-486; 17½ V. ) 3a. Panik und Flucht I ( 1,486-498; 12 V. ) 4. GLEICHNIS : das Staatsschiff ( 1,498-504 ; 6 V. ) 3b. Panik und Flucht II ( 1,504-509; 5½ V. )

1. Caesar naht ( 209; 1 V. ) 2. Gerüchte vom Bürgerkrieg ( 210-216; 6½ V. ) 3a. Panik und Flucht I ( 216-225; 9½ V. )

5. Rom, Caesars Beute ( 1,510-520; 11 V. )

4. GLEICHNIS : das Staatsschiff ( 233-237; 5 V. )

6. Pompeius flieht ( 1,521f.; 1½ V. )

6. Pompeius flieht ( 238-244 ; 7 V. )

3b. Panik und Flucht II ( 226-232; 7 V. )

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Jeder Punkt in Eumolps Erzählung hat bei Lukan sein Gegenstück, zudem meist in gleicher Position ( wobei das BC in 1 und 2 die Vorlage merklich verdichtet ; 3 und 4 entsprechen sich vom Umfang her ). Im Detail gibt es Nuancen von Belang. So taucht in beiden Texten das Thema Gegenwehr auf ( in 3a). Allerdings beauftragt bei Lukan der Senat vor seiner Flucht die Konsuln offiziell mit militärischen Maßnahmen ( 1,488f. ); im BC entscheiden sich ‚einige‘ nicht näher benannte Personen für den Kampf ( 219f. ). Lukan zeigt zudem, wie die traditionellen Werte und die Familienbande sich in der Panik auflösen ( 1,504-507 ); im BC scheinen sie – zumindest auf den ersten Blick – zu halten ( 226-230; beide Stellen jeweils in 3b ). Ein Detail Lukans klammert das BC aus – die Caesar als Beute überlassene Hauptstadt ( 5 ). Doch diese ‚Verdichtung‘ stärkt das Kernthema ‚Panik und Flucht‘ und gibt dem Gleichnis ( 4 ) eine organischere Position zwischen Volk ( 3 ) und Elite ( 6 ). Der letzte Punkt ( 6 ) ist passenderweise der einzige Abschnitt, in dem das BC die Vorlage augenfällig ausbaut. So tritt mit aller Deutlichkeit das eigentliche Anliegen zutage : das vernichtende Urteil über Pompeius’ Versagen. Für das BC von Belang sind vor allem Lukans Partien zu ‚Panik und Flucht‘ ( 1,486-509 == 3 ), die im Folgenden wiederholt zitiert werden: nec solum vulgus inani percussum terrore pavet, sed curia et ipsi sedibus exiluere patres, invisaque belli consulibus fugiens mandat decreta senatus. tum, quae tuta petant et quae metuenda relinquant incerti, quo quemque fugae tulit impetus urguent praecipitem populum, serieque haerentia longā agmina prorumpunt. credas aut tecta nefandas corripuisse faces aut iam quatiente ruinā nutantes pendēre domos, sic turba per urbem praecipiti lymphata gradu, velut unica rebus spes foret adflictis patrios excedere muros, inconsulta ruit. qualis, cum turbidus Auster reppulit a Libycis immensum Syrtibus aequor fractaque veliferi sonuerunt pondera mali, desilit in fluctūs desertā puppe magister navitaque et nondum sparsā compage carinae naufragium sibi quisque facit, sic urbe relictā in bellum fugitur. nullum iam languidus aevo evaluit revocare parens coniunxve maritum

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fletibus, aut patrii, dubiae dum vota salutis conciperent, tenuēre lares ; nec limine quisquam haesit et extremo tunc forsitan urbis amatae plenus abit visu : ruit inrevocabile vulgus.

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„Und nicht nur die Masse bebt, gepackt von grundlosem Schrecken, sondern die Kurie und die Väter selbst fuhren hoch von ihren Sitzen, und verhasste Kriegsbeschlüsse vertraut den Konsuln ein Senat auf der Flucht an. [ 490 ] Im Ungewissen dann, welche Zuflucht sie aufsuchen, welche Gefahren sie meiden sollten, drängen sie das kopflose Volk, wohin einen jeden der Fluchtinstinkt trieb, und in endlos langen Reihen ergießen sich Heerzüge aus der Stadt. Man könnte glauben, verruchte Brandstifter hätten die Häuser angezündet oder im schon drohenden Einsturz [ 495 ] neigten sich die wankenden Mauern, so stürzt die Menge durch die Stadt, rasenden Schritts und wie besessen, planlos – als sei die einzige Hoffnung in dieser Katastrophe, die Heimatstadt zu verlassen. Wie wenn der stürmische Südwind die gewaltige See von den libyschen Syrten zurücktrieb [ 500 ] und berstend die Massen des segeltragenden Masts ertönten – es springen in die Fluten und geben das Schiff verloren Kapitän und Seeleute, und obgleich das Gefüge des Kiels noch nicht zersplittert ist, bereitet jeder sich selbst den eigenen Schiffbruch –, so verlässt man die Stadt und flieht in den Krieg. Keinen Sohn vermochte ein bereits altersschwacher [ 505 ] Vater zurückzurufen, keine Gattin ihren Mann mit Tränen, niemanden hielten die väterlichen Laren zurück, während sie für ihre zweifelhafte Rettung beteten; und niemand hielt damals auf der Schwelle inne und ging fort, erfüllt vom vielleicht letzten Blick auf die geliebte Stadt. Unaufhaltsam stürzte das Volk davon.“ Wichtig ist der detaillierte Vergleich nicht zuletzt wegen der alten Diskussion um die korrekte Struktur der Passage, die als die problematischste und meistdiskutierte des gesamten BC gelten darf. Es gibt etliche Vorschläge, innerhalb von BC 220-238 einzelne Verse oder auch Verspartien umzustellen ( s. auch DÍAZ Y DÍAZ ad loc.: „omnes versus perturbatissimo ordine traditos puto, quem tamen nemo adhuc emendavit“ ). So platzierte REISKE 226-229 hinter 230-232 ; DE GUERLE ordnete 217, 224-225, 230232, 218-223, 229, 226-228, 233; BOUHIER stellte 233-237 hinter 217, FUCHS ( 1938, 168-172 ) 221 hinter 225, und 233-236 hinter 217 ( dazu unten ). BÜCHELER ( ed.1 ad loc.) plädierte ohne Begründung für die Rei-

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henfolge 218-221, 231f., 237, 226-230, 233-236, 222-225 ( ‚imperativ‘ sei v.a. die Verbindung 231f. – 237 ): huic fuga per terras, illi magis unda probatur et patriā pontus iam tutior ; est magis arma qui temptare velit fatisque iubentibus uti. quantum quisque timet, tantum fugit. ocior ipse id pro quo metuit, tantum trahit. omnia secum hic vehit imprudens praedamque in proelia ducit. hic dat vela fugae Fortunaeque omnia credit. ille manu pavida natos tenet (eqs.)

218 219 220 221 231 232 237 226

Fragen wirft am ehesten Vers 237 auf, der zumindest auf den ersten Blick zu dem Gleichnis vom Schiff im Sturm nicht recht passen will. Die Segel den entfesselten Elementen zu ‚überlassen‘, widerspräche jeder nautischen Erfahrung ; gänzlich fehl am Platz scheint zudem das Stichwort ‚Flucht‘. Wohl deshalb setzte BÜCHELER den Vers hinter 232, was einen kleinen anaphorischen Chiasmus ergibt ( omnia … hic – hic … omnia ), vor allem aber zwei Verhaltensweisen während der Flucht miteinander kontrastiert. Manche schleppen all ihren Besitz mit sich fort, andere wollen möglichst rasch entkommen ( so G. VANNINI in epist.). Doch BC 237 lässt sich auch umfassender verstehen, als Metapher für all jene Teile der Bürgerschaft, die fast panisch das Hasenpanier ergreifen. So besehen, macht der Vers auch innerhalb des Gleichnisses Sinn ( s. unten S. 1270f.; zur Idee eines Textausfalls nach 236 s. S. 1262f. ). Eine Diskussion rankt sich auch um die Position des Gleichnisses insgesamt ( 4 ). FUCHS ( 1938, 170f. ) wollte es wie BOUHIER an 217 anschließen, kontrastiere es doch zwei mögliche Verhaltensweisen im Sturm, den Kampf mit der See, und die Flucht zur Küste – parallel zum Verhalten der Römer angesichts des heraufziehenden Bürgerkriegs. EHLERS ( ap. MÜLLER 2 ) setzte es ohne Erklärung hinter 220 ( so MÜLLER ab ed.2 ; GIARDINA – MELLONI ; SCHMELING ed. Loeb ). G. VANNINI in epist. sympathisiert mit der Idee: der ‚aufziehende‘ Sturm ( 233 inhorruit ) entspreche den Nachrichten von Cäsars Nahen und den ersten Reaktionen in Rom ( 218-220 ); dort, wo die Flucht bereits in vollem Gange sei, bleibe das Gleichnis ein Fremdkörper. Doch mit ähnlichen Überlegungen ließe sich Lukans geistesverwandtes Gleichnis, das organisch inmitten der chaotischen Flucht eingebettet ist, an Vers 1,489 anschließen ( was de facto schon deshalb kaum ginge, da es nach der Penthemimeres beginnt ). Vor allem aber führt im BC ein fast

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nahtloser Übergang vom hilflosen ( Staats-)Schiff und seinem ohnmächtigen Kapitän zu Pompeius Magnus ( s. S. 1270f.). Ungeachtet mancher eigenwilligen Formulierungen ( sowie zweier Textverderbnisse, 221 und 230 ) ist der Gedankengang der Passage insgesamt so schlüssig wie bei Lukan, und erzählerisch nicht minder wirkungsvoll. Die tradierte Versfolge lässt sich halten ( s. auch TANDOI 1992 b, 636 ). 209 – 216 Famas Auftritt Nach der Überquerung des Rubikon machten in Rom wilde Gerüchte die Runde ( cf. S. 1221 ). Auch Caesar ging auf sie ein – nicht ohne leisen Spott ( civ. 1,14,1 quibus rebus Romam nuntiatis tantus repente terror invasit, ut … Lentulus consul … protinus … ex urbe profugeret. Caesar enim adventare iam iamque et adesse eius equites falso nuntiabantur ). Nüchterner schildert Lukan die Situation ( 1,469-472, nach Überquerung des Rubikon: vana quoque ad veros accessit fama timores | irrupitque animos populi clademque futuram | intulit et velox properantis nuntia belli | innumeras solvit falsa in praeconia linguas ). Es folgen einzelne Nachrichten, die deutlich breiter ausgemalt werden als hier ( 1,473-484 ). Der Passus endet mit einer aufschlussreichen Einsicht in die Eigendynamik von Gerüchten: „So verstärkt ein jeder in seiner Angst das Gerede, und was sie sich ohne irgendeinen Zeugen der Übel ausgedacht haben, fürchten sie“ ( 1,484-486 sic quisque pavendo | dat vires famae, nulloque auctore malorum | quae finxēre timent ; s. auch 7,172f. dubium, monstrisne deum, nimione pavore | crediderint, vor Pharsalos blieb es offen, „wem die Menschen mehr Glauben schenkten: den Wunderzeichen der Götter oder den übermächtigen eigenen Ängsten“; Sen. ep. 13,8 inludit nobis illa quae conficere bellum solet : Fama, „übel spielt uns mit, was Kriege anzuzetteln pflegt – das Gerücht“ ). Erst im BC begegnen wir jenem dämonischen Wesen, als das Fama römischen Lesern seit Vergil vertraut war ( Aen. 4,173-190 Libyae magnas it Fama per urbes eqs.; zu Vergils griechischen Vorbildern – bes. Homers Eris, die feindliche Heere zum Kampf treibt – cf. Macrobius sat. 5,13,31f.; A.S. PEASE ad Aen. 4,173; F. BÖMER ad Ov. met. XII-XIII, S. 24 ). Vergils allegorische Personifikation entfaltete ein poetisches Eigenleben. Famas Nachrichtenzentrale im Herzen der drei Weltregionen schildert Ovid ( met. 12,39-63). Bei Valerius Flaccus treibt sie in Venus’ Auftrag die Frauen von Lemnos zum Gattenmord ( 2,107-173 ); bei Statius gehört sie neben Furor, Ira und Pavor zu Mars’ Gefolge ( Theb. 3,425-431; s. auch Sil. Ital. 4,1-11 ). Cf. O. WASER, RE VI 2, 1909, 1977-79; H.J. SCHEUER, DNP 4,

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1998, 404 f.; Ph. HARDIE, Rumour and Renown. Representations of Fama in Western Literature, Cambridge 2012. Petron folgt Vergils Vorgaben in mehreren Punkten: Fama fliegt durch die Lüfte ( Aen. 4,184 nocte volat caeli medio eqs. ~ 211 Fama volat ); sie wählt exponierte Aussichtspunkte ( 4,186f. sedet custos aut summi culmine tecti | turribus aut altis ~ 211 summi … petit iuga celsa Palati ); sie bevorzugt Großstädte ( 4,173 magnas it Fama per urbes und 4,187 magnas territat urbes ~ 211 petit iuga … Palati ); sie vermischt Fakten und Fiktion ( 4,188 tam ficti pravique tenax quam nuntia veri und 4,190 pariter facta atque infecta canebat ~ 212 omnia fingens ); sie verkündet und stiftet Unheil ( 11,139 tanti praenuntia luctūs ~ 216f. pulsata tumultu | pectora ) – und sie hat Angst ( 4,176 parvă metu primo ~ 210 conterrita ; s. unten ad loc.). Eine strukturelle Parallele kommt hinzu. Bei Vergil verbindet Fama als eine Art Überleitung zwei getrennte Erzählstränge „zu einer zusammenhängenden Erzählung“; sie knüpft das Band „zwischen der Vereinigung des Aeneas mit Dido und ihrer Trennung“ ( HEINZE 3 1915, 380 ). Im BC schlägt ihr Auftritt die Brücke zwischen den Ereignissen in den Alpen und der Panik in Rom. 209 dum Caesar tumidas iratus deprimit arces : „Während Caesar ergrimmt die rebellischen Anhöhen niedertritt …“. Hier lässt sich eine Anspielung auf Juppiter heraushören: „Les montagnes elles-mêmes sont assimilées aux Géants que Jupiter précipite aux abîmes. … Ces montagnes, dans leur orgueil, se sont révoltées contre César, et … celui-ci, pareil à un dieu, dompte leur rébellion.“ ( GRIMAL 1977, 181 ). Vor allem jedoch vereint das Bild die beiden Heraklesreferenzen der Alpenpassage ( 144 f. Graio numine pulsae | descendunt rupes et se patiuntur adiri ; 205 f. Caucaseā decurrens arduus arce eqs.), samt Anklängen im Vokabular ( zu arces cf. 205 arce, zu deprimit cf. 144 pulsae ): als Bändiger roher Naturgewalten tritt Caesar in Herakles’ Fußspuren ( cf. S. 1214 f. ). Und Vergils dunkler Vers hallt hier nach über Caesar, der „von den Alpen und der Burg des Monoecus herabeilt“ in den Bürgerkrieg ( Aen. 6,830 f. aggeribus socer Alpinis atque arce Monoeci | descendens ; so STUBBE 136 ad loc.). Tumidus wird höchst selten für Berge verwendet ( cf. Ov. am. 2,16,51 tumidi subsidite montes ; s. auch her. 5,138 in immensis, qua tumet Ida, iugis ), des öfteren aber für Gewässer ( wie TH 30 tumida consurgunt freta, und e.g. Verg. Aen. 1,142 tumida aequora placat sc. Neptunus ; Lukan 1,370 Oceani tumidas remo compescuit undas, Caesars Flotte unterwegs nach Britannien; cf. OLD s.v. 3: „(of bodies of water ) increased in height, swollen (esp. after rain or storms)“ ). Hier beschreibt es im Grunde die ungeheuren Schneemassen

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des Hochgebirges ( e.g. EHLERS : „die getürmten Wehen“; HOLZBERG : „die vom Schnee strotzenden Höhen“; s. auch BC 198 tumidā … grandine ). Das Hyperbaton bildet Caesars Weg durch den Schnee ab. Zu deprimere cf. Ps.-Sen. Herc. Oet. 1569 f. ( zu Herakles ) loca quae sereni | deprimes caeli ?, und OLD s.v. 2 a: „to force or weigh down ( with a superimposed mass)“; s. auch BC 152 haec ubi calcavit Caesar iuga ; Ov. am. 2,16, 19 si premerem ventosas … Alpes. Die Junktur tumidae arces ( Thes. II, 741, 84 f. ) ist so singulär wie deprimere arces ( Thes. V 1, 614,15f. ). Zu arx statt mons cf. 116,1 impositum arce sublimi oppidum, und Thes. II, 741,52-742,5. Das Bild zeigt die Alpen als natürliche Feste ( cf. Manil. 4,659 Alpinas … arces ; Sil. Ital. 3,496 primus inexpertas adiit Tirynthius arces ). Doch im Hintergrund werden noch andere arces erschüttert – die Hügel Roms ( BC 107 Romanis arcibus ; 292 f. nescis tu, Magne, tueri | Romanas arces ? ), die gegen Caesars widerrechtlichen Angriff auf die Heimat aufbegehren ( cf. OLD s.v. tumidus 4 : „( fig.) inflamed with fury or passion“ ). dum … interea : Zu der eher seltenen Verbindung eines Temporalund eines Hauptsatzes mit dum – interea cf. u.a. Plaut. Amph. 1098 f. dum haec aguntur, interea eqs. ~ Cic. Verr. 2,5,91 haec dum aguntur, interea eqs.; Verg. Aen. 12,383 f. ea dum campis victor dat funera Turnus, | interea eqs.; Ov. her. 18,53 interea, dum cuncta negant venti eqs.; Sil. Ital. 13,381-384 dum Capua infaustam luit … culpam, | interea eqs. „The doubling [ dum – interea ] places strong emphasis on the simultaneous character of the two scenes“ ( R.J. TARRANT ad Verg. Aen. 12,383f. ). 210-211 interea volucer motis conterrita pinnis | Fama volat : „fliegt unterdes die quecksilbrige Fama aufgeschreckt mit ruderndem Fittich“. Erst im zweiten Vers taucht Famas Name auf ( im Enjambement, wie Anth. Lat. 941,49f. R., unten zit.); man sieht sie förmlich die Schwingen regen, bevor man sie erkennt. Im Einklang mit der Tradition unterstreichen gleich drei Details ihren Flug : volucer, motis pinnis und volat ( samt der figura etymologica volucer – volat ). Das Hyperbaton ( volucer motis conterrita pinnis Fama volat ) bildet ihren Flügelschlag ab. Zu Famas klassischer ( hier pleonastisch dokumentierter ) Fortbewegung durch die Lüfte cf. u.a. Verg. Aen. 4,184 nocte volat caeli medio terraeque per umbram ( „the suggestion is that of a bat“; A.S. PEASE ad loc.); 7,104 f. circum late volitans iam Fama per urbes | Ausonias ; 9,473 f. interea pavidam volitans pinnata per urbem | nuntia Fama ruit ( auch hier läutet interea ihren Auftritt ein ); Val. Flacc. 2,124 f. advolat ultro | impatiens ; Anth. Lat. 941,49f. R. hic subito volitans sparsas rumore per umbras | Fama movet mentes. Die Formel Fama volat samt der Position am Versbeginn ist Vergil entlehnt ( Aen.

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3,121; 7,392; 8,554 ; cf. 11,139 Fama volans ; s. auch Val. Flacc. 5,82 ~ Stat. Theb. 10,626 f. Fama … volat ). Ein Motiv Vergils baut das BC aus. Traditionell weckt Fama die Ängste anderer ( u.a. Aen. 4,187 magnas territat urbes ; 9,473 f. pavidam … per urbem … Fama ruit ; Stat. Theb. 2,208-211 eadem dea turbida Thebas | insilit … Labdaciumque ducem … territat ; 3,344 geminat … acceptos Fama pavores ; 4,369 accumulat crebros turbatrix Fama pavores ; Sil. Ital. 4,1 Fama per Ausoniae turbatas spargitur urbes ; 4,7 terrificis quatit attonitas rumoribus arces ). Hier jedoch verspürt sie zunächst selber Angst ( 210 conterrita ). Vergil deutet dies einmal an ( Aen. 4,176 parvă metu primo ; cf. R.G. AUSTIN ad loc.: „Fama is nervous at first (…) the detail of ‚fear‘ is his [ Virgil’s] own effective addition“ ). Auch die Formulierung orientiert sich an Vergil ( Aen. 5,215f. plausum … exterrita pinnis | dat tecto ingentem : die „erschrocken aus der Höhle auffliegende Taube versetzt mit ihren Schwingen der Felswand einen mächtigen Schlag“; zit. BALDWIN 1911, 200 ). Angesichts der nahenden Katastrophe wird sie selbst zum ersten Opfer ihrer Neuigkeiten ( „she is frightened by Caesar’s feats“; SCHMELING – SETAIOLI ad loc.). Eine weitere vergilische Note bringt das seltene Intensivum conterreō ins Spiel ( cf. OLD s.v.: „to fill with terror, frighten thoroughly“ ); e.g. Aen. 3,597 aspectu conterritus haesit ( „von dem Anblick …“ ); 9,123f.; 12,54 regina novā pugnae conterrita sorte ( „… von der neuen Wendung in dem Konflikt“ ). Pennas ( seltener pinnas ) movere ist Ovids Junktur ( u.a. met. 2,547 f. motis … pennis … cornix ; 5,548 movet natas per inertia bracchia pennas ; 15,99 aves tutae mōvēre per aera pennas ; Pont. 2,7,27 quot aves motis nitantur in aëre pennis ); s. auch Plin. nat. 9,144 pinnas exsertas movent ( „… ihre ausgestreckten Flossen“, von Fischen ); AT Jesaias 10,14 Vulg. non fuit qui moveret pinnam ; variiert Stat. silv. 1,2,104 admotis tepefecit pectora pennis sc. Amor ; Thes. X 1, 1092,41-43. volucer : Das Adjektiv vereint mehrere Grundbedeutungen: „able to fly, flying“ ( OLD s.v. 1a ); „travelling with the swiftness of flight, winged“ ( ebd. 2a); „passing quickly away, fleeting, transitory“ ( ebd. 3). Die übertragene dritte Bedeutung mit ihrem fast ontologischen Unterton ( „vergänglich“; e.g. STEINMANN : „die flüchtige Fama“ ) ist hier fehl am Platz ( anders BC 78 volucrem Fortunam : „geflügelt“ u n d „flatterhaft“ ). Eine Tautologie ergäbe angesichts ihres Flugs die erste Bedeutung ( „flugfähig, fliegend“ ). Zurecht entscheiden sich die meisten Übersetzer für das zweite Wortfeld : „behend“ ( EHLERS ), „swift“ ( WALSH ), „geflügelt“ ( SCHÖNBERGER u.a.). Ovid verleiht Fama dieses Adjektiv als erster ( her. 17,207 volucris praeconia Famae ), später Apuleius ( met. 11,18,1 Fama volu-

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cris ). – Volucer ist hier zweiendig ( cf. OLD s.v. ad loc.; GUIDO 1976, 193 ad loc.; skeptisch COURTNEY 1991, 33 ). 211 summique petit iuga celsa Palati : „… und eilt zu den ragenden Höhen des erhabenen Palatin.“ Fama wählt einen exponierten Punkt in zentraler Lage, um von dort aus ihre düstere Botschaft zu säen ( cf. Verg. Aen. 4,186 f. luce sedet sc. Fama custos aut summi culmine tecti | turribus aut altis, et magnas territat urbes, mit dem verwandten Hyperbaton summi … tecti ). Von hoher Warte, nämlich vom Apennin aus ruft später Discordia die gesamte Mittelmeerwelt zu den Waffen ( 279-282 alta petit gradiens iuga nobilis Appennini eqs.). Auf einem hohen Dach sitzt die dämonische Allecto, die das latinische Landvolk gegen die Troer hetzt ( Verg. Aen. 7,512 f. ardua tecta petit stabuli et de culmine summo | pastorale canit signum eqs.; cf. N. HORSFALL ad loc.: „Cunningly, Allecto selects a prominent, central spot, from which it would seem quite natural to sound the familiar alarm“; s. auch 7,342 f. Laurentis tecta tyranni | celsa petit – sie eilt zu Latinus’ Palast ). Dass Fama nicht das bedeutendere und deutlich höhere Kapitol wählt, sondern den weitläufigen und eher flachen Palatin ( cf. Ov. met. 14,822 in summo nemorosi colle Palati ), macht Sinn: auf ihm lag das wohl prominenteste Wohnviertel der römischen Oberschicht, an die sich Famas Botschaft vornehmlich richtet ( s. auch Sil. Ital. 12,707-711: vom Palatin aus zeigt Juno Hannibal in einer Art Vision Rom ). Gleich zwei Adjektive unterstreichen hyperbolisch die Höhe des Hügels ( summi und celsa ; cf. 153 f. summo de vertice montis | Hesperiae campos late prospexit ). Ovid lässt Fama in luftigen Höhen im Herzen der drei Weltregionen residieren ( met. 12,43 Fama tenet summāque domum sibi legit in arce ; lt. F. BÖMER ad loc. oszilliert summā in arce zwischen einem „unzugänglichen Gebirgssitz“ und einem „Luftschloß“ ). Zu iuga petere cf. Verg. Aen. 11,544 f. iuga longa petebat | solorum nemorum ; Liv. 22,17,4 velut tutissimum iter petentes summa montium iuga ; App. Verg. Culex 46 excelsi montis iuga summa petivit. Im Gegensatz zu der ‚aggressiven‘ Note hier besitzt die verwandte Wendung Palatium petere ( cf. Mart. 1,70,5 sacro veneranda petes Palatia clivo ; Tac. hist. 1,80,2 Palatium petunt ; Suet. Nero 25,2; Otho 7,1 ) einen friedlichen Unterton. iuga celsa : Die Junktur erscheint zuerst bei Ovid ( fast. 6,497 f. natum … e celso mittit in alta iugo, „vom hohen Fels stürzt sie den Säugling in die Tiefe“ ), dann wieder in neronischen und flavischen Texten; cf. Sen. Tro. 221 apposita celso … Lyrnesos iugo ( „das am hohen Berg gelegene Lyrnesos“ ); Stat. Theb. 5,152 iuga celsa Minervae ; Sil. Ital. 1,352 f. celsis … nivosae |

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Pyrenes … iugis ; 8,360 celso devexa iugo Iunonia sedes ( Lanuvium, „Junos am Fuß eines steilen Hügels gelegener Wohnsitz“ ); 12,531; im Komparativ Apul. met. 6,1,3 emensis celsioribus iugis. Wie vertraut die Wendung war, verrät Senecas Lapsus, der Vergils iuga coepta ( Aen. 6,256 ) aus dem Gedächtnis als iuga celsa zitiert ( nat. 6,13,5). 212 atque hōc Romanos tonitru ferit omnia fingens : „… und trifft mit diesem Donnerschlag die Römer, indem sie alles lebhaft ausmalt“. Im zweiten Punischen Krieg erschüttert Fama Rom mit der Nachricht, Hannibal habe italischen Boden erreicht ( Sil. Ital. 4,7 terrificis quatit attonitas rumoribus arces ). Hier ranken sich die Gerüchte um Truppenbewegungen in den Alpen und zur See ( 213f. ), und beschwören diffuse Kriegsängste herauf ( 215 f. ). Die düsteren Bilder erfüllen sich allerdings nur zum Teil. Zumindest Rom selbst blieb vom Bürgerkrieg weitgehend verschont ( Ähnliches gilt für die Gerüchte Lukan 1,479-484 ). Die Junktur tonitru ferire kehrt bei Statius wieder ( Theb. 3,421-424 Arcadiae fines … armorum tonitru ferit sc. Mars et trepidantia corda | implet amore sui ) – mit einem gewichtigen Unterschied: „Das Waffengedröhn des Kriegsgottes ( in den Wolken ) erregt die Kampflust, das Donnern der Fama ( auf dem Palatin ) bewirkt Bestürzung und Flucht.“ ( NOVÁKOVÁ 1960, 14 ); s. auch Alcimus Avitus carm. 5,161 tonitru feriente ( zu ferire von ‚verletzendem‘ Lärm cf. e.g. Verg. Aen. 2,488 ferit aurea sidera clamor, und Thes. VI 1, 513,17-30 ). Zu Fama ferit cf. Lukan 5,774 f. feriat dum maesta remotas | fama procul terras, „bis die traurige Nachricht weit entfernte Lande erreicht“. fingens : Die Handschriften geben BC 212 so wieder : atque hōc Romano tonitru ferit omnia signa. In BÜCHELERs Paraphrase: „Fama huius nuntii fulmine prosternit Romano legiones omnes aut potius omnia signa deorum.“ ( ed.1 ad loc.; TANDOI 1992 b, 639-641 verweist auf die Tempel und Statuen, mit denen der Palatin seit Augustus geschmückt war ). Ungeachtet der naheliegenden Frage, was genau „diesen Donnerschlag“ der Gerüchte „römisch“ macht, fanden beide Deutungen von signa Anhänger, als Feldzeichen ( u.a. CUPERUS ap. BURMAN 758; STUBBE : „und trifft alle Bannerabteilungen mit solchem römischen Donnerton“ ), v.a. aber als S t a t u e n ( so u.a. BALDWIN 1911 ad loc.; ERNOUT : „elle frappe de ce coup de tonnerre Romain toutes les statues des dieux“; GRIMAL ; WALSH : „She impressed on all the statues of the gods tidings of thunder soon to threaten Rome“; SCHMELING – SETAIOLI ).

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Mit anderen Worten: die Gerüchte schlagen in Rom ein wie Blitze in Götterstatuen. Solche Prodigia warnten z.B. 63 v.Chr. vor Catilinas Staatsstreich ( cf. Cic. Catil. 3,19 memoria tenetis … complures in Capitolio res de caelo esse percussas, cum et simulacra deorum depulsa sunt et statuae veterum hominum deiectae (…) cum haruspices ex tota Etruria convenissent, caedes atque incendia et legum interitum et bellum civile ac domesticum et totius urbis atque imperi occasum appropinquare dixerunt ; div. 2,45 tum simulacra deorum Romulusque et Remus … vi fulminis icti conciderunt ; s. auch Suet. Galb. 1: gegen Ende von Neros Herrschaft trifft auf dem Palatin ein Blitz die Statuen vor dem Augustustempel ). Laut Seneca sagen ‚Königsblitze‘, die prominente Orte der Kapitale treffen, eine Diktatur voraus ( nat. 2,49,2 regalia sc. fulgura, cum forum tangitur vel … principalia urbis liberae loca, quorum significatio regnum civitati minatur ). Doch nicht Fama schleudert Blitze, sondern Juppiter ( cf. Hor. c. 1,2,2-5 Pater … rubente | dexterā sacras iaculatus arces | terruit urbem, | terruit gentīs ). Hier müsste also eine Metapher vorliegen – auf die freilich jeder Hinweis fehlt ( cf. 200 u.ö. velut ; 205 qualis ; 258 ceu ). Es gibt etliche Versuche, die Stelle zu heilen. BOUHIERs Romanos, das eine Trennung nach ferit verlangt ( cf. BÜCHELER 1 ad loc.), klingt für sich genommen wenig überzeugend: atque hōc Romanos tonitru ferit : omnia signa, iam classes fluitare mari, „und trifft mit diesem Donnerschlag die Römer : alle Feldzeichen, alle Flotten wogten schon auf dem Meer.“ BÜCHELER ersetzte omnia mit obvia : atque hōc Romanos tonitru ferit obvia signa ( ed.2 ad loc.; cf. Lukan 1,6f. infestis … obvia signis | signa, „auf feindliche Feldzeichen trafen Feldzeichen“ ), wohl zu verstehen als eine Art Zeugma : „… feindliche Feldzeichen, Flotten wogten schon auf dem Meer“. Kaum überzeugender lesen sich DELZ’ saeva ( 1962, 684 : atque hōc Romanos tonitru ferit : omnia saeva sc. esse, „alles sei in Aufruhr …“; cf. Sall. Iug. 14,10 iure omnia saeva patiebamur ) oder MÖßLERs Ergänzung : atque hōc Romanos tonitru ferit : omnia signa, | ‹ omnes esse aquilas collatas Caesaris irā ; › eqs. ( 1870, 11; cf. Lukan 1,477f. ipsum sc. Caesarem omnīs aquilas collataque signa ferentem … incedere ). Seine Meriten besitzt BOUHIERs signans ( so auch KRAFFERT 1888, 13 ): atque hoc Romanos tonitru ferit, omnia signans, mit der für signare kaum zu belegenden Bedeutung „anzeigen, bekannt machen“ ( für vage Parallelen cf. OLD s.v. 4 a ). Wiederholt wurde als Lesart omina ins Spiel gebracht ( bzw. fert omina ; so wohl zuerst IUNIUS, und zuletzt GIARDINA – MELLONI ad loc.; IUNIUS und BUSCH schrieben atque hōc Romano tonitru fert omina scaeva, „… bringt sie

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unheilverheißende Vorzeichen“ ). Doch von den omina war längst die Rede ( 126-140 ); zudem verkündet Fama keine omina. Dieser Schwierigkeit entgeht LABATE 2014, 183-187, der omina mit firmans kombiniert : atque hōc Romanos tonitru ferit omina firmans ( zu der Junktur zitiert er Cic. div. 1,106,12 aquilae clarum firmavit Iuppiter omen ; Verg. Aen. 2,691 haec omina firma ; Stat. Theb. 1,504 tua … omina firmes ; Sil. Ital. 4,127 adsis o firmesque tuae, pater, alitis omen ). G. VANNINI in epist. votiert für LABATEs Lösung. Dank omnia lese sich das iam ( 213 ) wie der Beginn einer größeren Aufzählung ; doch Famas Auskünfte erschöpften sich in zwei Versen ( 213f. ). Zudem interagiere iam mit tonitrus, und nicht mit omnia : die Römer sind ‚vom Donner gerührt‘, weil ihnen keine Zeit mehr bleibt. Doch zweierlei spricht gegen den brillanten Einfall: Die relevanten omina sind von der Passage hier weit entfernt ( 126-140 ; die Vorzeichen 177-184 gelten nur Caesar ). Und nirgendwo hören wir von einer Reaktion der Römer auf besagte omina ( für wen sonst sollte Fama sie bestätigen ? ) – während Famas Neuigkeiten sie erschüttern. Reizvoll klingt M. DEUFERTs omnia miscens, „alles vermischend“ ( in epist.; cf. Ov. met. 12,54 f. mixta … cum veris passim commenta vagantur | milia rumorum, „Tausende von Gerüchten, erlogene allenthalben gemischt mit wahren, schwirren umher“; übers. F. BÖMER ad loc.), das nur einen kleinen Makel hat : dass omnia hier ‚Wahres und Falsches‘ meint, muss der Leser aus dem Kontext erschließen. Auch wenn Zweifel bleiben: der bislang (auch aus paläographischer Sicht ) beste Vorschlag stammt von WATT ( 1986, 182f. ), der BOUHIERs Romanos mit fingens kombiniert ( so MÜLLER 4 und SCHMELING – SETAIOLI ad loc.: „She strikes the Romans with this thunder, inventing every kind of scare.“ ). Die klassische Bedeutung des Verbs beißt sich hier freilich mit omnia : „erfinden, lügen“ ( cf. OLD s.v. 9a, und Venus’ Auftrag an Fama, Val. Flacc. 2,128-130: cunctas mihi verte domos, praecurrere qualis | bella soles, cum mille tubas armataque campis | agmina … fingis ). Denn laut Vergils kanonischem Porträt vermischt Fama W a h r h e i t u n d L ü g e ( Aen. 4,188 tam ficti pravique tenax quam nuntia veri ; 4,190 pariter facta atque infecta canebat ; ihre Auskünfte über Dido und Aeneas treffen weitgehend zu ; cf. A.S. PEASE ad Aen. 4,190 ); etliche spätere Stimmen sekundieren ( u.a. Ov. met. 9,138 f. veris addere falsa | gaudet ; Val. Flacc. 2,116 f. Famam … digna atque indigna canentem ; Stat. Theb. 3,429 f. facta, infecta loqui sc. Famam ; Sil. Ital. 6,554 vera ac ficta simul spargebat Fama per urbem ; Claudian c. 20,470f. geminantur vera pavoris | ingenio ~ „die Wahrheit bereichern Ausgeburten der

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Angst“; lautere W a h r h e i t kündet sie Ov. met. 15,3 f. praenuntia veri | Fama ( s. auch Mart. 7,6,4 credo tibi, verum dicere, Fama, soles ), pure L ü g e met. 9,139 e minimo sua per mendacia crescit ). Und zumindest in Sachen ‚Alpen‘ lügt sie nicht ( 213f. ). Umso besser passt hier eine selten belegte Verwendung von fingere ( OLD s.v. 8 a): „to form or convey a mental picture of, conjure up in the mind, visualize“; cf. Sat. frg. 28,13 M.4 sibi quisque deos avido certamine fingit, und e.g. Cic. de orat. 1,224 novam quandam finxit in libris civitatem sc. Plato ; Plin. ep. 7,27,7 ad scribendum animum … intendit, ne vacua mens audita simulacra … sibi … fingeret ( „er konzentrierte sich auf sein Manuskript, damit sein müßiger Geist nicht die Gespenster heraufbeschwöre, von denen er gehört hatte“ ). 213 iam classes fluitare mari : „schon wogten Geschwader auf See“. In Lukans Auflistung der Gerüchte ist nirgendwo von Schiffen die Rede ( 1,473-484 ). Dass hier Caesars Flotte gemeint sei ( so u.a. GRIMAL 1977, 184 ), ist unwahrscheinlich. Bekanntlich fehlten ihm zunächst Schiffe, Pompeius zu verfolgen ( Caes. civ. 1,29,1f. ). Am ehesten denkt Fama hier an Pompeius’ Überfahrt von Brundisium nach Hellas, wo erstmals in jenem Bürgerkrieg größere Seeverbände im Einsatz waren ( 17. März 49 ). In diese Richtung weist ein kleines Indiz. Denn das Verb bringt einen unerwarteten Akzent ins Spiel ( so bereits BALDWIN 1911, 202 ). Meist bedeutet fluitare ein unkontrolliertes „driften, treiben“ von Schiffen oder havarierten Trümmern ( cf. OLD s.v. 2a: „to be carried about or along by the waves, float, drift“, und u.a. Cic. Sest. 46, vom Staatsschiff in Not : rei publicae navem, ereptis senatui gubernaculis fluitantem in alto tempestatibus seditionum ac discordiarum ; Verg. Aen. 5,867f. amisso fluitantem errare magistro | sensit sc. ratem Aeneas ; App. Verg. Culex 356f. passim vaga praeda … omnis in aequoreo fluitat iam naufraga fluctu ; Sen. Ag. 503-506 haec lacera et omni decore populato levis | fluitat ; … trunca toto puppis Ionio natat ; Sil. Ital. 6,685f. lacerae circum fragmenta videres | classis et effusos fluitare in gurgite Poenos ). Dieser ‚chaotische‘ Unterton ( dezenter BC 281 toto fluitantes orbe catervas ) passt nicht schlecht zu Pompeius, der auf der Flucht vor Caesar ‚Hals über Kopf‘ von Brundisium aus in See sticht ( cf. BC 243f. fugit, | ut Fortuna levis Magni quoque terga videret ) – nicht unähnlich seinen nach Pharsalos übers Meer „versprengten“ Bundesgenossen ( Lukan 9,16 sparsas … in aequore classes ; 9,32-35 mille carinis | abstulit Emathiae secum sc. Cato fragmenta ruinae. | quis ratibus tantis fugientia crederet ire | agmina, quis pelagus victas artasse carinas ? ). – Die Junktur fluitare mari ist singulär ( die Thes. VIII, 384,43 zitierte Stelle Florus epit. 2,21,7 ist zu streichen ).

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Zum Topos der ‚schiffebedeckten See‘ cf. TH 33 premunt classes mare, und u.a. Aisch. Pers. 419-421 θάλασσα δ᾿ οὐκέτ᾿ ἦν ἰδεῖν κτλ., nach der Seeschlacht von Salamis „war die See nicht mehr zu sehen usw.“; Herodot 7,45 ὡς δὲ ὥρα πάντα μὲν τὸν Ἑλλήσποντον ὑπὸ τῶν νεῶν ἀποκεκρυμμένον, „als Xerxes den gesamten Hellespont von Schiffen bedeckt sah“; Verg. Aen. 4,582 latet sub classibus aequor, und A.S. PEASE ad loc.; Manil. 3,20 magnā pontum sub classe latentem ; App. Verg. Eleg. Maec. 45 ( bei Actium ) freta Niliacae texerunt lata carinae ; Sen. Ag. 40f. mille … rates | Iliaca velis maria texerunt suis, und R.J. TARRANT ad loc.; 221 classibus … horrens fretus ; 434 splendet … classe pelagus et pariter latet ; nat. 3 praef. 10 classibus maria complesse ; Lukan 3,287 aequora … tantis percussit classibus sc. Agamemnon ; 3,566 tecto stetit aequore bellum ; Ps.-Sen. Oct. 42 ignota tantis classibus texit freta sc. Claudius ; Stat. Ach. 1,445f. ipsum iam puppibus aequor | deficit ; 1,790 omne fretum longā velorum obtexitur umbrā ; Anth. Lat. 462,7 R. == 460,7 Sh.B. ( bei Actium ) classis contexerat aequor ; Quintus Smyrnaeus 14,609f. ( die Trümmer der griechischen Flotte bedecken die „gesamte See“ ). Zu Dareios’ Schiffsbrücke über den Bosporus cf. Manil. 1,776 stra(ve)rat … classibus aequor sc. Persis ; Juv. 10,175f. constratum classibus … mare ( „die flottengepflasterte See“ ). Die Gerüchte selbst ( 213f. ) erscheinen als oratio obliqua im AcI ( cf. Verg. Aen. 4,191-194 venisse Aenean eqs.). 213-214 totasque per Alpes | fervĕre Germano perfusas sanguine turmas : „und über die ganzen Alpen fluteten Reiterscharen, triefend von germanischem Blut.“ ( SCHÖNBERGER ). Anfang Dez. 50 behauptete Konsul Marcellus im Senat, „er sehe bereits zehn Legionen Caesars über den Alpen erscheinen“ ( Plut. Pomp. 58,10 ὁρῶν ὑπερφαινόμενα τῶν Ἄλπεων ἤδη δέκα τάγματα ). Wie sich bei Ausbruch des Bürgerkriegs Cato „den bereits an den Alpen stehenden Heeren Caesars entgegenstellte“, malte sich Seneca aus ( ep. 95,69f. Cato … inter fragores bellorum civilium inpavidus et primus incessens admotos iam exercitūs Alpibus civilique se bello ferens obvium … contra decem legiones et Gallica auxilia et mixta barbarica arma civilibus ). Ähnliche Gerüchte von den ‚eroberten Alpen‘ berichtet Silius aus dem zweiten Punischen Krieg ( 4,1-11 Fama per Ausoniae turbatas spargitur urbes | nubiferos montes … accepisse iugum Poenosque per invia vectos eqs., „… wolkenbekränzte Berge seien bezwungen und die Punier hätten unwegsames Land durchquert“ ). Lukans Pompeius warnt seine Soldaten vor Caesars Heer in den Alpen ( 2,535f. Gallica per gelidas rabies effunditur Alpes, | iam tetigit sanguis pollutos Caesaris enses – wohl das Vorbild der Verse hier ). Schon zuvor kursierten

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in Rom angeblich Gerüchte, germanische Stämme folgten Caesar mit dem Befehl, Rom zu brandschatzen ( Lukan 1,481-484 hunc sc. Caesarem inter Rhenum populos Albimque iacentes | finibus Arctois patriāque a sede revulsos | pone sequi, iussamque feris a gentibus urbem | Romano spectante rapi ; cf. 1,473-478, bes. 1,476 barbaricas saevi … Caesaris alas ; s. auch PARATORE 1987, 114 f. ). In einer seiner Legionen, der Alauda, dienten ausschließlich Gallier ( Suet. Iul. 24,2 ). De facto bestand auch Caesars Kavallerie aus gallischen und germanischen Kontingenten. Die Ankunft von Caesars Truppen in Rom im Januar 49 beschrieb Cicero als barbarorum adventus ad urbem ( Att. 7,13,3 ). Im BC scheinen die beiden Bilder zu verschmelzen, wenn man in Rom keine Barbaren fürchtet, sondern von Barbarenblut triefende römische Truppen ( zu Caesars turmae in den Alpen cf. BC 187 und 194 ). Das dunkle Wort vom ‚germanischen Blut‘ beschwört Kampferfahrung wie Verrohung der caesarischen Kernverbände. Ähnliches behauptet Lukan von Caesar selbst ( 1,479f. maiorque ferusque | mentibus occurrit victoque immanior hoste ; 2,439-446 in arma furens nullas nisi sanguine fuso | gaudet habere vias eqs., über Caesars Weg nach Rom ). Die Junktur Germanus sanguis findet sich klassisch ausschließlich in Petrons BC ( cf. 163f. sanguine Germano … nocens ; impliziert 160 Rhenum sanguine sc. Germano tingo ; synonym Prop. 3,3,45 Suebo perfusus sanguine Rhenus ). BALDWIN 1911, 202 notierte das Wortspiel Germanus ( „Germane“ ) – germanus ( „leiblicher Bruder“; cf. OLD s.v. 1: „having the same father and mother“ ), das bereits Cicero verwendet ( Phil. 11,14 Germanum Cimber occidit ; cf. SHACKLETON BAILEY, ed. Loeb [ 2009 ] ad loc.; s. auch Quint. inst. 8,3,29 ). Dem bösen carmen triumphale 43 v.Chr. zufolge „triumphieren unsere beiden Konsuln über Germanen – Brüder, nicht über Gallier“ ( Vell. Pat. 2,67,4 de germanis non de Gallis duo triumphant consules ; zu den historischen Details cf. A. WOODMAN ad loc.). Wie die Ambivalenz „germanisches“ und „Bruderblut“ andeutet, sind Caesars Truppen auch zum Brudermord bereit, will heißen: zum Bürgerkrieg. Spätestens in Pharsalos erfüllt sich die Ahnung ( Lukan 7,699 spumantes caede catervas ). Zu der Junktur perfundere sanguine cf. BC 96 nullo perfundimus ora cruore, und S. 1047f. fervĕre : Das ( auch in seiner Morphologie ; s. unten) quecksilbrige Verb wird seit der alten Tragödie gerne für Truppen- oder Flottenbewegungen gebraucht ( „schweifen, schwärmen, brodeln, wogen“; cf. OLD s.v. 4 : „to be active or busy, be in agitated or swift movement, swarm“; Thes. VI 1, 593,43-54 ), und u.a. Accius trag. 482 f. R.3 classis aditu occluditur : | fervit ; Lucr. 2,40 f. legiones per loca campi | fervĕre ; Lukan 9,253f. omnis …

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fervebat litore plebes, „… wimmelte am Gestade“; Stat. Ach. 1,443f. fervent portūs et operta carinis | stagna ; Sil. Ital. 8,620f. fervĕre … mille rates vidit … Hellespontus ; 9,242 f. iam Numidis … datur … toto fervĕre campo ; 13,742 f. fervet gens Itala Marte | barbarico ( s. auch das leichenbedeckte Schlachtfeld Stat. Theb. 10,468f. videt innumeris fervēre catervis | tellurem ). Fervere wird ursprünglich konsonantisch flektiert, wie hier ( fervĕre, fervo, fervī ; z.B. Lucr. 2,41 u.ö.; Sil. Ital. 8,620 u.ö.), seit der späten Republik aber v.a. nach der e-Konj. ( fervēre, ferveo, fervuī ; z.B. Ov. fast. 1,379 ; Sil. Ital. 13,742 ). Mit per, wie hier, steht das Verb noch Lucr. 2,40 f.; in der Kaiserzeit setzt sich der bloße Abl. durch. 215-216 arma, cruor, caedes, incendia totaque bella | ante oculos volitant : „Waffen, Blut, Gemetzel, Feuersbrünste, ja ganze Kriege schwirren vor den Augen.“ Kaleidoskopartige Schlaglichter lassen ahnen, was dem Reich bevorsteht. Während der Schlacht von Pharsalos sah angeblich im norditalischen Patavium ein Priester in Ekstase das ferne Schlachtfeld: conspicere se procul dixit pugnam acerrimam pugnari ac deinde alios cedere, alios urgere, caedem, fugam, tela volantia, instaurationem pugnae, inpressionem, gemitūs, vulnera, proinde … coram videre sese vociferatus est ac postea subito exclamavit Caesarem vicisse ( Gell. 15,18,2; s. auch Sat. frg. 43,5-8 M.4 oppida bello | qui quatit et flammis miserandas eruit urbes, | tela videt sc. in somniis versasque acies et funera regum | atque exundantes profuso sanguine campos ). Valerius Flaccus lässt Fama ‚auf den Schlachtfeldern Truppen, Trompeten und Streitrösser erdichten‘ ( 2,128-130 praecurrere … bella soles, cum mille tubas armataque campis | agmina et innumerum flatūs cum fingis equorum ). Angesichts der feindlichen Heere vor ihren Toren malen sich die Thebaner ihr drohendes Schicksal aus ( Stat. Theb. 10,556-573, bes. 560-562 fervent discursibus arces, | miscentur clamore viae, ferrum undique et ignes | mente vident, saevas … catenas eqs.). Nach Cannae graut den Römern vor Hannibals Ankunft ( Sil. Ital. 10,584-586 iam tecta cremari | ac delubra rapi caedesque ante ora nefandae | natorum septemque arces fumare videntur ). Die Greuel, die mit Staatsstreichen und Bürgerkriegen einhergehen, beschwört Cicero in seinen politischen Reden ( u.a. Sull. 19 cum illae infestae ac funestae faces universumque totius urbis incendium, cum tela, cum caedes, cum civium cruor, cum cinis patriae versari ante oculos … coeperat ; Catil. 1,3 Catilinam orbem terrae caede atque incendiis vastare cupientem ; 2,10 nihil cogitant nisi caedem, nisi incendia, nisi rapinas ; 3,15 quod urbem incendiis, caede civīs, Italiam bello liberassem ; 3,19 haruspices … caedes atque incendia et legum interitum et bellum civile ac domesticum et totius urbis atque imperi occasum appropinquare dixerunt ; 4,11f.;

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Phil. 4,11 nullus ei ludus videtur esse iucundior quam cruor, quam caedes, quam ante oculos trucidatio civium ). Sallust tut es ihm gleich ( Cat. 32,2 caedem incendia aliaque belli facinora parent ; 51,9 quae belli saevitia esset, quae victis adciderent, enumeravere : rapi virgines, pueros, divelli liberos a parentum conplexu, matres familiarum pati quae victoribus conlubuissent, fana atque domos spoliari, caedem, incendia fieri, postremo armis, cadaveribus, cruore atque luctu omnia conpleri ; cf. K. VRETSKA 525-527 ad loc.). Solche asyndetischen Aufzählungen kennen auch Senecas Tragödien ( cf. Ag. 45-47 enses secures tela, divisum gravi | ictu bipennis regium video caput ; | iam scelera prope sunt, iam dolus caedes cruor, als Vision kommenden Unheils ) – und bereits Homer ( cf. Ilias 11,163f. Ἕκτορα δ᾿ ἐκ βελέων ὕπαγε Ζεὺς ἔκ τε κονίης | ἔκ τ᾿ ἀνδροκτασίης ἔκ θ᾿ αἵματος ἔκ τε κυδοιμοῦ , „den Hektor aber hielt Zeus heraus aus Geschossen und Staub, aus dem Männermord, aus Blut und aus dem Wirrwarr“; übers. W. SCHADEWALDT ; Od. 11,612 ὑσμῖναί τε μάχαι τε φόνοι τ᾿ ἀνδροκτασίαι τε , „Schlachten und Kämpfe und Blutbäder und Männermorde“ ). Zu asyndetischen Listen s. auch Sat. frg. 41,3 M.4 == Anth. Lat. 479,3 R. == 477,3 Sh.B. dicta, sales, lusus, sermonis gratia, risus ( und DEUFERT 2018, 194 f. ad Lucr. 3,1017 verbera, carnifices, robur, pix, lammina, taedae ). Die incendia des Bürgerkriegs kündeten bereits die Vorzeichen an ( BC 139 fax stellis comitata novis incendia ducit ); Furors Fackel entfacht sie ( 262f. flagranti | stipite dextra minax terris incendia portat ; cf. S. 1326 ). – Zu dem alliterierenden Paar cruor – caedes cf. u.a. Cic. Sull. 19; Phil. 4,11 ( beide oben zit.); Liv. 10,28,16 caedemque ac cruorem ; Tib. 2,3,38 hinc cruor, hinc caedes mors propiorque venit ; Ov. fast. 6,599 hinc cruor et caedes ; trist. 1,11,32 cruor et caedes bellaque ; 4,2,38 plena ferae caedis, plena cruoris erant sc. castella ; Sen. Ag. 47 ( oben zit.); Ps.-Sen. Oct. 514 nec finis hic cruoris aut caedis stetit ; Ps.-Quint. decl. 4,17 non parco caedibus, cruore non satior ; Sil. Ital. 5,534 caede virum ac … cruore. totaque bella : Der fast singuläre Plural tota bella ( e.g. EHLERS : „Krieg, und immer nur Krieg“ ; WALSH : „war’s whole panoply“ ) steht wohl metri causa ( und parallel zu arma, incendia und evt. caedes ) statt des vertrauteren Singulars ( cf. TH 28 bellum … totum, und e.g. Cic. Phil. 14,3 huius totius belli … discrimen ): der jetzt ausbrechende Krieg in seiner ‚Totalität‘ ( „all the horrors of war, summing up arma, cruor, caedes, incendia “; BALDWIN 1911, 202 ). Ähnlich markant verwendet Lukan einmal den Plural ( 1,519 f. tu tantum audito bellorum nomine, Roma, | desereris ). Weniger wahrscheinlich ist die Deutung von tota bella als „sämtliche Schlachten“ ( zu bellum als „Schlacht, Gefecht“ cf. OLD s.v. 3a ; Thes. II, 1824,69 ff., und e.g. Enn. ann. 160 Sk. bellum aequis manibus nox intempesta

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diremit, und O. SKUTSCH ad loc.; Verg. georg. 2,279 f. ingenti bello … longa cohortīs | explicuit legio ; Aen. 2,718 me bello e tanto digressum et caede recenti ; Lukan 4,274 ; 7,533 hinc iugulis, hinc ferro bella geruntur ). M. DEUFERT in epist. zieht bei totaque einen Echofehler in Betracht ( cf. 213 totasque per Alpes ), der e.g. ein corpora verdrängt haben könnte: arma, cruor, caedes, incendia, corpora, bella | ante oculos volitant. ante oculos volitant : Bereits Cicero kennt die Wendung ( agr. 2,59 volitat … ante oculos istorum Iuba ); Lukan nutzt sie für die Omina vor Pharsalos ( 7,179 f. defunctos … patres et iuncti sanguinis umbras | ante oculos volitare suos ). Verwandt sind Junkturen wie ante oculos ponere ( „vor Augen stellen“ ) und v.a. ante oculos versari ( „vor Augen stehen“; e.g. Cic. S.Rosc. 24 multa simul ante oculos versabantur eqs.; Catil. 4,11; Sull. 19, oben zit.; Lucr. 2,112 f. imago | ante oculos semper nobis versatur ; cf. ferner Ps.-Sen. Oct. 321 mors ante oculos dira vagatur ). Zu volitare s. auch OLD s.v. 2b: „to move swiftly through the air, through space, etc. ( transf., of reports, the subject of reports, etc.)“, und e.g. Enn. frg. var. 18 Vahlen volito vivŏs per ora virum, „lebhaft fliege ich durch der Menschen Münder“; Append. Sall. ad Caes. 2,13,4 per gentes omnes fama virtutis tuae volitabit ; Verg. georg. 3,9 victor … virum volitare per ora, „als Sieger dahinfliegen auf den Lippen der Menschen“. 216 – 221 Eine Stadt unter Schock 216-217 ergo pulsata tumultu | pectora perque duas scinduntur territa causas : „So scheiden sich die von Panik geschüttelten Herzen bestürzt an den beiden Optionen.“ Anschaulich schildert auch Lukan die Ängste der Bevölkerung ( 1,486522; zit. S. 1224 f.; zur inneren Zerrissenheit etlicher Römer in jenen kritischen Tagen cf. Cassius Dio 41,7,6; zur Stimmung in Theben angesichts des Feindes vor den Toren der Stadt cf. Stat. Theb. 7,452-469 ). Nicht wenige Exegeten beziehen die hier angesprochene ‚Spaltung‘ ( scinduntur ) auf die beiden Bürgerkriegsparteien – parallel zu der späteren Szene, in der die Götter sich auf Pompeius’ bzw. Caesars Seite schlagen ( 264-270, bes. 265f. omnis regia caeli | in partes diducta ; e.g. DÍAZ Y DÍAZ : „se dividen en dos facciones“; WALSH : „riven between the two conflicting causes“; cf. OLD s.v. causa 2 : „the case ( including the interests) of one side in a legal or other dispute, plea, cause, side“; TANDOI 1992b, 637f. dachte sogar konkret an die letzte Senatssitzung vor der Flucht des Senats und der Konsuln; s. aber POLETTI 2014, 307 Anm. 31: „The de-

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scription … seems to be too vague to imply a precise reference to the Senate.“ ). Die Quellen schweigen allerdings zu dem Thema. Auch die Formulierung ist ungewöhnlich ( zu erwarten wäre e.g. in contraria studia, in duas factiones, in duas partes scinduntur, „sie spalten sich in zwei Parteien“, wie e.g. Verg. Aen. 2,39 ( zit. S. 1243 ); Liv. 9,46,13 in duas partes discessit civitas ; Stat. Theb. 5,147f. studia in contraria rapti | dissensūs, „in gegensätzliche Parteiungen gespaltene Meinungsverschiedenheiten“; Tac. hist. 1,13,1 discordes … in duas factiones scindebantur ; ferner Verg. Aen. 10,9f. quis metus aut hos | aut hos arma sequi ferrumque lacessere suasit ? ; Lukan 2,43 bella viri diversaque castra petentes ; 2,447 f. urbes Latii dubiae varioque favore | ancipites – Latiums Städte schwanken, welcher Kriegspartei sie sich anschließen sollen). In eine andere Richtung weist nicht zuletzt die seltene Junktur per causam /causas mit ihrer meist kausalen oder finalen Färbung ( e.g. Ov. her. 18,214 per causas istic impediar … duas, „aus zwei Gründen halte man mich hier zurück“; Thes. III, 673,67-73 ). Wie die folgenden Verse bestätigen, geht es in dunklen ( und syntaktisch mehrdeutigen; s. unten ) Worten um die Entscheidung der römischen Oberschicht zwischen Flucht ( 218f. ) und Kampf ( 219f. ): „die bestürzten Herzen teilen sich aus zwei Gründen“ ( cf. OLD s.v. causa 7a : „a motive, reason ( for an action)“, auch ad loc.), freier : „… entscheiden sich zwischen den beiden Optionen“. Nach BC 219f. fällt das Stichwort ‚Kampf ‘ freilich unter den Tisch, wie in den historischen Quellen – und bei Lukan. Den einzigen entsprechenden Hinweis liefern die beiden Verse 1,488f. invisa … belli | consulibus fugiens mandat decreta senatus, „fliehend vertraut der Senat den Konsuln verhasste Kriegsbeschlüsse an“ ( s. auch S. 1224 ). Sie ‚synchronisieren‘ zwei Ereignisse: das senatūs consultum ultimum vom 7. Januar 49 zur Verteidigung Roms, u n d die Flucht des Senats und der Konsuln am 18. Januar – und beleuchten gerade in dieser ‚Überblendung‘ grell das Scheitern der staatlichen Instanzen ( cf. P. ROCHE ad loc.). Umso breiteren Raum gewähren Lukan wie Petron der Flucht. Syntaktisch am einfachsten liest sich der Satz, wenn man zu pulsata ein sunt ergänzt ( cf. BALDWIN 1911, 203; s. auch M. DEUFERT, unten zit.), und die Konjunktion ( -que ) den Satz inhaltlich in zwei Hälften teilt ( e.g. HOLZBERG : „Also werden erschüttert von Unruhe die Herzen, und erschreckt in zwei Parteien gespalten.“ ). Streng besehen verbindet die Konjunktion jedoch nur die beiden Partizipien ( pectora pulsata territaque tumultu ). Ergo markiert den Übergang von den Gerüchten zu den Reaktionen der Menschen. Die verdichtete Syntax mit den beiden Hyperbata ( pulsata …

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pectora ; per duas … causas ; verstärkt von der Alliteration auf p-) spiegelt den Ausnahmezustand der gebeutelten Römer. Es gibt diverse Eingriffe in die unorthodoxe Syntax. JUNIUS, STEPHANUS und die ed. Torn. schrieben per dubias ( ergo pulsata tumultu | pectora per dubias scinduntur territa causas, „so scheiden sich die von Panik geschüttelten Herzen bestürzt an den zweifelhaften Optionen“ ) – eine ansprechende Umschreibung der Zweifel, ob Flucht oder Kampf besser sei ( laut G. VANNINI in epist. basiert die Konjektur wohl auf einem Missverständnis: dass in BC 218-220 nicht von zwei Optionen die Rede sei, Flucht bzw. Kampf, sondern von drei: huic – illi – est … qui …). GRONOV ( ap. BURMAN 759 ) kombinierte per dubias elegant mit COLLADONIUS’ curas zu per dubias scinduntur territa curas. Doch der Kontext verlangt konkretere Informationen als schwammige „zweifelhafte Sorgen“. Kaum besser liest sich J. P. SULLIVANs duos … cursūs ( ap. SHACKLETON BAILEY 1987, 464 ; cf. Ov. met. 9,152 in cursūs animus varios abit, „in verschiedenen Plänen verliert sich der Geist“ ). – Ansprechend ist M. DEUFERTs Einfall, der sunt pulsa statt pulsata in Betracht zieht ( in epist.; cf. OLD s.v. pellō 3a : „to stir to action, stimulate, rouse“, und e.g. Liv. 30,14,1 haec … cum dixisset, non mediocri curā Scipionis animum pepulit ). pulsata … pectora : Die vertraute Formel pectus /pectora pulsare ist hier nicht physisch zu verstehen ( e.g. Ov. met. 12,234 generosa … pectora pulsat ; Lukan 3,543 remis pectora pulsant ; Ps.-Sen. Oct. 745 pulsata palmis pectora ), sondern in der seltenen übertragenen Bedeutung ( u.a. Sen. Ag. 134 invidia pulsat pectus ; Ps.-Sen. Oct. 735 f. horridus … tremor | pulsat … pectus ; cf. Verg. georg. 3,105f. ~ Aen. 5,137f. exsultantia … haurit | corda pavor pulsans, „pochender Schrecken fährt in die erregten Herzen“ ). S. auch Sat. frg. 38,3 M.4 == Anth. Lat. 476,3 R. == 474,3 Sh.B. effluit et subitis rumoribus oppida pulsat sc. Fama. Pectora steht hier nicht notwendig periphrastisch für die Menschen, wie bisweilen in der kaiserzeitlichen Dichtung ( e.g. Verg. Aen. 2,348 f. iuvenes, fortissima … pectora ; Hor. c. 4,14,18 devota morti pectora liberae ; Ov. fast. 5,71 f. Romulus … selecta … pectora patres | dixit ; trist. 1,3,66 mihi Theseā pectora iuncta fide ; Thes. X 1, 916,66-78 ). tumultu : Zu tumultus als Zustand der Angst und Panik ( gerne in Verbindung mit pectus ) cf. Enn. ann. 309 Sk. Africa terribilī tremit horrida terra tumultū ( angesichts von Scipios Flotte ?; cf. O. SKUTSCH ad loc.); Naevius Pun. 59 FPL magnae metūs tumultus pectora possidet ( „gewaltiger Furcht Aufruhr beherrscht die Herzen“ ); Sen. Herc. fur. 1219 tumultu pectus attonito

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carens ; Thy. 85f. concute insano ferum | pectus tumultu ; 260 tumultus pectora attonitus quatit ; OLD s.v. 3 und 5. scinduntur : Zu scindere ( das Passiv hat hier mediale Qualität ) cf. OLD s.v. 6: „( fig.) to tear apart ( a corporate body or the feelings, etc., of its members) with conflicting aims or attitudes, distract“ ( für gewöhnlich mit in + Akk. bzw. bloßem Abl.; s. auch GUIDO 1976, 198 ), und e.g. Verg. Aen. 2,39 scinditur incertum studia in contraria vulgus ( studia lt. R.G. AUSTIN ad loc. „factions“ oder „courses of action“ ); Stat. Theb. 10,557559 insanis lymphatam horroribus urbem | scindunt dissensu vario Luctusque Furorque | et Pavor et … Fuga ( „die von wahnwitzigem Schrecken in Schock versetzte Stadt spalten in vielfältiger Zwietracht Trauer, Wahnsinn, Panik und Flucht“ ); 12,173 f. discors vario sententia motu | scinditur ( „die angesichts verschiedener Optionen zwieträchtige Meinung teilte sich“ ). 218 huic fuga per terras, illi magis unda probatur : „Dem einen erscheint die Flucht auf dem Landweg, jenem die Woge ratsamer …“. Ähnlich beschreibt Lukan die Situation ( 1,490-492; zit. S. 1224 ). Cicero überlegte im Februar 49, wohin er fliehen könne, und v.a. ob auf dem Land- oder dem Seeweg : an Land lief er Gefahr, Caesar in die Hände zu fallen, auf dem Meer drohten Winterstürme ( Att. 7,22,2 ego quid agam ? qua aut terrā aut mari persequar eum sc. Pompeium qui ubi sit nescio ? etsi terrā quidem qui possum ? mari quo ? ; 8,3,5 ab initio vidi nihil quaeri praeter fugam. eam si nunc sequor, quanam ? … infero mari nobis incerto cursu hieme maximā navigandum est. … qui autem locus erit nobis tutus, ut iam placatis utamur fluctibus, ante quam ad illum sc. Pompeium venerimus ? qua autem aut quo nihil scimus ; s. auch fam. 14,18 und 14,14, beide Ende Jan. 49; Att. 9,19,3 und 10,4,12, beide April 49 ). In solcher Bedrängnis sah sich bereits Sinon ( Verg. Aen. 2,69-72 heu, quae nunc tellus …, quae me aequora possunt | accipere ? eqs.). Zu unda ( ~ fuga per undam ) cf. OLD s.v. 1b: „(sg. or pl. in collect. sense) the waves of the sea, the sea“, und e.g. Enn. ann. 302 Sk. Europam Libyamque rapax ubi dividit unda ; Ov. met. 11,221 dea … undae ( Thetis ). 219 et patriā pontus iam tutior : „… und die See, schon sicherer als die Heimat.“ Die sprichwörtlich ‚unsichere See‘ erscheint mit einem Mal vertrauenswürdiger als das heimatliche Festland ( patriā ist abl. comp.) – das gerade Caesar in die Hände fällt. Der relegierte Ovid bittet einen pontischen Potentaten um freundliche Aufnahme, „damit das Meer nicht sicherer sei als das Festland“ ( Pont. 2,9,9f. excipe naufragium non duro litore nostrum, | ne fuerit terrā tutior unda tuā ). „O Wogen, vertrauenswürdiger als das Land !“;

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so kommentiert Antipater das Los eines Schiffbrüchigen, der sich ans Ufer rettet – nur um dort von einem Wolf zerfleischt zu werden ( A.P. 7,289,4 == GP 224 ὦ γαίης κύματα πιστότερα ). Anna flieht vor dem eigenen Bruder, „der unerbittlicher war als jede See“ ( Ov. fast. 3,579f. iussa fugit ventoque ratem committit et undis : | asperior quovis aequore frater erat ; s. auch Ps.Sen. Oct. 129: saevior pelagi fretis lässt Nero die eigene Mutter ermorden; Claudian c. 26,219 parant vitam … freto spumante tueri, auf der Flucht vor den Goten „bereiten die Römer sich vor, ihr Leben in der kochenden See zu schützen“ ). Ähnlich paradox antwortet Caesar den um Neutralität bemühten Massiliern: „ihr werdet lernen, dass zu meinen Lebzeiten nichts sicherer ist als ein Krieg unter meinem Kommando“ ( Lukan 3,371f. nihil esse meo discetis tutius aevo | quam duce me bellum ; s. auch Liv. 2,23,2, die Klage der unterdrückten Plebejer : tutiorem … in bello quam in pace et inter hostes quam inter cives libertatem plebis esse ). Wie unda hängt auch pontus von probatur ab, in einer Art Hendiadyoin mit erweitertem zweiten Element ( iam tutior patriā ; cf. A. SETAIOLI in epist.: „… the waves and the sea ( that appears to be ) safer than the fatherland“ ). Die Alliteration ( pro- pa- po-) unterstreicht das Paradox. pontus … tutior : Zum Topos der ‚unsicheren See‘ cf. 83,10,1 qui pelago credit ( und Bd. I, S. 85 ); 115,8 maris fidem, die ironisch zu verstehende „Verlässlichkeit der See“ ( und Bd. II, S. 670f. ), und nicht zuletzt die notorische Kritik an der Erfindung der Seefahrt ( e.g. Lucr. 5,1000-06; Tib. 1,3,37-40, und K.F. SMITH ad loc.; Hor. c. 1,3,9 ff., und NISBET – HUBBARD ad loc.; Ov. am. 2,11,1-6; Sen. Med. 301-379. 607-621; Lukan 3,193197; Stat. silv. 3,2,61-64 ). Immerhin lehrte die nautische Erfahrung, dass bei Sturm die offene See mitunter mehr Sicherheit bietet als die Küste ( cf. Sen. ep. 53,2 coepi gubernatorem rogare, ut me in aliquo litore exponeret : aiebat ille aspera esse et inportuosa sc. litora nec quicquam se aeque in tempestate timere quam terram ; Ag. 575f. iam timent terram rates | et maria malunt ; s. aber auch BC 236 alter tuta sinūs tranquillaque litora quaerit ). pontus : Die ‚Hochsee‘ ( adaptiert vom griechischen πόντος ) ist fast ausschließlich in der Dichtung zuhause. Erstmals belegt ist das Nomen bei Ennius ( ann. 217 Sk.; cf. O. SKUTSCH 390 ad loc.). In den Sat. erscheint es TH 38; 108,14,7; BC 200 und 219; 134,12,4 ; als Pontus Euxinus zudem BC 239 und 241 ( cf. CAVALCA 2001, 142f. ).

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219-220 est magis arma | qui temptare velit : „Es gibt aber auch den, der lieber zu den Waffen greifen will …“. Am ehesten gilt der Satz Männern wie Domitius, der Corfinium gegen Caesar verteidigte ( so GRIMAL 1977, 190 ). Vielleicht sind aber auch jene Teile der Senatspartei gemeint, die im Januar 49 gegen die von Pompeius angeordnete Räumung Roms protestierten ( cf. S. 1272f.; s. auch Lukans sarkastischen Kommentar 1,487-489, zit. S. 1224 f.). Die Junktur arma temptare ( cf. 175 temptate manus ) bedeutet zweierlei: vor einem Kampf „die Waffen prüfen“ ( e.g. Sall. Iug. 105,4 quisque … arma atque tela temptare ), v.a. aber – wie hier – „Waffen ( im Kampf ) erproben“ ( e.g. Liv. 2,35,8 totiens infeliciter temptata arma ; Stat. Theb. 9,58 nil opus arma ultra temptare ; Tac. ann. 6,23,2 si arma ab Seiano temptarentur, „falls Seian eine bewaffnete Erhebung wage“ ). Das Pronomen des konsekutiven Relativsatzes erscheint erst in dritter Position ( lies: est, qui magis arma temptare velit ). Die bukolische Dihärese ( est magis arma ) setzt einen scharfen Akzent. 220 fatisque iubentibus uti : „… und sich einlassen auf des Schicksals Wink.“ Das ‚befehlende Schicksal‘ ist seit Ovid belegt ; cf. met. 15,584 sic fata iubent ; Lukan 8,520 hoc ferrum … fata iubent proferre ( „… dieses Schwert zu zücken“ ); Ps.-Sen. Herc. Oet. 179 f. alias flere ruinas | mea fata iubent ( „einen anderen Untergang beweinen heißt mich mein Schicksal“ ); Anth. Lat. 462,9f. R. == 460,9f. Sh.B. fratribus, heu, fratres, patribus concurrere natos | impia sors belli fataque saeva iubent ; Dracontius Romulea 10,375; Thes. VI 1, 362,25-27 ( zum ‚fordernden Schicksal‘ cf. Sat. 111,11 antequam fata poscant, und Bd. II, S. 546 ad loc.). Uti bedeutet hier speziell „to experience, undergo, enjoy“ ( OLD s.v. 11, und e.g. Cic. Brut. 4 perpetuā … felicitate usus ille cessit e vita ). Die Junktur fatis uti ist klassisch ansonsten nur bei Vergil belegt ( Aen. 6,546 melioribus utere fatis, Deiphobus wünscht Aeneas ein ‚besseres Los‘ als sein eigenes; zu Aen. 12,932 utere sorte tuā, „nutze deine glückliche Stunde“, cf. R.J. TARRANT ad loc.). Das verwandte Fortunā uti verwendet Lukan: hoc pro tot meritis solum te, Magne, precatur, | uti se Fortuna velis ( 7,68f.; „im Gegenzug für ihre zahlreichen Gunstbeweise bittet Fortuna dich allein darum: dass du Gebrauch von ihr machst !“ ). Diese beiden Wendungen, das ‚befehlende‘ und das ‚zu nutzende Schicksal‘, verschmelzen hier zu der fast paradoxen Formel fatis iubentibus uti, „sich bewusst auf den Ruf des Schicksals einlassen“. Von ferne klingt

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eine berühmte stoische Maxime an: ducunt volentem fata, nolentem trahunt ( Sen. ep. 107,11; cf. Lukan 4,487 cupias quodcumque necesse est ). Zu dem Trikolon hier ( 218-220 huic – illi – est … qui eqs.) cf. das Trikolon 226-229 ( ille – ille – sunt qui eqs.; ebenfalls mit einem konsekutiv gefärbten Relativsatz im Konjunktiv ). 221 [ quantum quisque timet, tantum fugit ocior ipse. ] Den gesamten Abschnitt BC 218-232 dominiert das Thema ‚Flucht‘ ( s. auch 237 hic dat vela fugae ; nur einmal, 219f., flackert kurz Widerstand auf ). Gleichwohl steht dieser ungelenke und fast banale Vers auffällig unorganisch in einer stilistisch recht eleganten Umgebung ( zu seiner Verteidigung zitiert G. VANNINI in epist. Plaut. Most. 527 tantum quantum quīs fuge, „flieh’, so schnell du kannst [ von queō ]“ – und damit freilich eine höchst prosaische Komödiensituation ). Er lässt sich als sententia lesen, die das Stichwort Flucht auf den Punkt bringt : „je mehr ein jeder sich fürchtet, desto geschwinder macht er sich selbst aus dem Staub“ ( freier und pointierter e.g. GURLITT : „Das Maß der Furcht bestimmt das Maß der Eile“ ). Allerdings beißt sich ipse ein Stück weit mit quisque. Zudem steht die Junktur ocior fugere meist mit einem Abl. comp. ( cf. Verg. Aen. 8,223 fugit ocior Euro ; 10,247f. fugit … ocior … iaculo ; Ov. met. 1,502f. fugit ocior aurā … levi ; Sen. Phaed. 736-738 fūgit … ocior … Coro, | ocior … flammā ; Sil. Ital. 13,242 ventis fugit ocior ; s. auch Lukan 1,230f. ocior … sagittā … invadit Ariminum, „schneller als ein Pfeil“ erobert Caesar Ariminum ; Stat. Theb. 6,602 effugit … rapidā … ocior aurā ). Zu erwarten wäre also statt tantum eher tanto ( so Hadrianides, ed. 1669 ; cf. BÜCHELER 1 ad loc.; STUBBE 138 ad loc.). Freilich finden sich in vergleichbaren Konstruktionen „statt der Ablative multo, tanto (…) auch die Akkusative multum, tantum usw.“ ( KST 1,402, mit Belegen v.a. ab Livius; ebd. 2,483-485 ). Keine Abhilfe schaffen diverse Versuche, 221 umzustellen. Zur Not ließe sich der Vers an 225 ( so FUCHS 1938, 171f. ) oder 232 anschließen ( wobei er an beiden Stellen den Gedanken- und Bilderfluss hemmt ), kaum jedoch an 230 ( so VAHLEN, dem BÜCHELER 1 ad loc. folgt ; die vermeintliche ‚Brücke‘ 221 tantum fugit – 231 tantum trahit trägt die Umstellung jedenfalls nicht ; s. auch TANDOI 1992b, 637 ). Mehr Sinn ergibt ein Punkt nach fugit, mit der bukolischen Dihärese ocior ipse ( quantum quisque timet, tantum fugit. ocior ipse | hos inter motūs populus eqs.; so u.a. BURMAN ; BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; DÍAZ Y DÍAZ ; HOLZBERG : „Je mehr einer sich fürchtet, desto eher flieht er. Allzu schnell lässt mitten in diesen Wirren das Volk selbst usw.“; BOUHIER setzt

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den Punkt ein Wort später : quantum quisque timet, tantum fugit ocior. ipse, | hos inter motūs, populus eqs.). S. auch SCHMELING – SETAIOLI ad loc.: „schneller“ fliehen könne das Volk, weil es seiner Eingebung folge ( 223 quo mens icta iubet ), statt zwischen verschiedenen Optionen abzuwägen wie die Oberschicht, von der BC 216-220 handelt ( ähnlich bereits TANDOI 1992b, 636-638 ). Doch als Bilanz der Haltung von Senat und Konsuln klingt der Vers fast schon antiklimaktisch. G. VANNINI in epist. hält den Vers für ‚wohl authentisch‘ ( mit Punkt nach fugit ) und vermutet eine Lücke nach 221: ein auf ocior ipse folgender Relativsatz habe erklärt, w e r rascher floh. Das Beste scheint es freilich, ihn mit MÖßLER zu tilgen ( so u.a. MÜLLER ; GIARDINA – MELLONI ; WALSH ; cf. BALDWIN 1911, 204 : „A miserable line, which adds nothing to the passage and fails to justify itself. … Without it 220 and 222 fit together perfectly.“ ). 222 – 232 Szenen der Flucht 222-223 hos inter motūs populus, miserabile visu, | quo mens icta iubet, desertā ducitur urbe : „Inmitten dieses Chaos das Volk, ein jammervoller Anblick : wohin der erschütterte Geist es treibt, bricht es auf aus der preisgegebenen Kapitale.“ Während die vorausgegangenen Verse auf die politisch engagierte Oberschicht verweisen ( s. auch BC 211 iuga celsa Palati ), rückt nun das Volk in den Blick – wie bei Lukan ( 1,486-522, zit. S. 1224 f.; cf. 1,486 vulgus ; 1,492 populum ; 1,495 turba ; 1,509 vulgus ). Gerade in der Passage hier lässt sich aber auch Livius’ Vorbild ahnen ( s. S. 1221f. ). Zwischen den Zeilen klingt zudem das miserabile vulgus an, die Troer, die mit Aeneas aus dem gefallenen Ilion fliehen ( Verg. Aen. 2,796-798 atque hīc ingentem comitum adfluxisse novorum | invenio admirans numerum, matresque virosque, | collectam exsilio pubem, miserabile vulgus ; hier in der Enallage populus miserabilis ; zu weiteren Parallelen mit der Flucht aus dem brennenden Ilion cf. S. 1222 ). Motūs meint nicht die von Fama vermeldeten Truppenbewegungen ( 213f. per Alpes | fervere … turmas ), sondern den Aufruhr in Rom angesichts der Gerüchte ( cf. 216f. pulsata tumultu | pectora ). Die singuläre mens icta ( SCHNUR : „von panischem Schrecken getrieben“ ) ist wohl das Resultat von Famas ‚Donner‘ ( 212 hōc Romanos tonitru ferit ; cf. 216 f. pulsata tumultu | pectora, ferner Sat. 100,5 uterque nostrum tam inexpectato ictus sono ; vage verwandt ist Tertullians Faunus mente ictus, nat. 2,9,21 ). Die Symptome erinnern an die mens lymphata ( cf. Catull 64,254 lymphatā mente fure-

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bant ; Hor. c. 1,37,14 mentem … lymphatam Mareotico, „vom Nilwein berauscht …“, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Sil. Ital. 5,224 bucina lymphatas agit in certamina mentes ; Thes. VIII, 719,73 f. ). Zur übertragenen Verwendung des PPP von icere cf. Thes. VII 1, 161, 29-36 : „i.q. furore impletum, animo perturbatum esse“; OLD s.v. īciō 4, und e.g. Liv. 5,21,7 velut repentino icti furore improvidi, „wie von plötzlicher Raserei ergriffen“; Cornelius Severus frg. 13,10f. FLP : icta … luctu | conticuit Latiae tristis facundia linguae. Desertā urbe ist abl. sep., kaum modaler oder temporaler abl. abs.; das PPP desertā ist resultativ : „aus der ( danach ) verlassenen Stadt“ ( cf. BALDWIN 1911, 205: „leaving the city empty“ ). Zu dem seltenen medialen ducitur cf. OLD s.v. 3 a : „(refl. or pass.) to betake oneself, move, go“ ( zu lesen ist ‹ eo › ducitur, quo mens icta iubet ). Die holprige Syntax spiegelt den chaotischen Aufbruch. miserabile visu : Vielleicht mit Sallust im Ohr (Cat. 36,4 eā tempestate mihi imperium populi Romani multo maxume miserabile visum est ), prägt Vergil die Formel mit dem Supin ( Aen. 1,111; 9,465f. arrectis ( visu miserabile ) in hastis … capita ; zu dem verwandten mirabile visu cf. Aen. 10,637 visu mirabile monstrum, und S. HARRISON ad loc.; zu mirabile dictu cf. Aen. 2,174, und R.G. AUSTIN ad loc.). Unter anderem bei Ovid ( met. 13,422f. ) und im flavischen Epos kehrt sie wieder ( Stat. silv. 5,3,70; Sil. Ital. 1,672 ; 7,706 ; 14,329 ; 17,602 ), nicht selten gleichfalls am Versende. „Such phrases … mark a dramatic way of drawing attention to the wonderful or the horrible“ ( R.G. AUSTIN ad Verg. Aen. 1,111 ). 224 gaudet Roma fugā : „Gefallen findet Rom an der Flucht“. Gaudere verbindet sich in der Dichtung gerne mit unbelebten Subjekten, in der Regel begleitet von einem Abl. causae, wie hier und 74 f. saxa | gaudent … cupressu ( s. auch Catull 64,46 tota domus gaudet regali … gazā ; Verg. ecl. 9,48 astrum quo segetes gauderent frugibus ; Plin. nat. 19,131 umore omnia hortensia gaudent ; Mart. 13,16 gaudentia frigore rapa ; Thes. VI 1, 1708,39-67 ; OLD s.v. 2 ). Seltener ist die Verbindung mit personifizierten Orten ( u.a. Catull 31,12f. o venusta Sirmio, … ero gaude | gaudente [ BERGK : gaude vel gaudete codd.]; Verg. ecl. 6,29 Phoebo gaudet Parnasia rupes ; Ov. am. 3,15,7 Mantua Vergilio, gaudet Verona Catullo ; Sen. Tro. 843 sacris gaudens tacitis Eleusin ), selten die mit Rom : Ps.-Sen. Oct. 982 ( s. unten ); Stat. silv. 1,2,232 pars immensae gaudet celeberrima Romae ( „es jubiliert das am dichtesten bevölkerte Viertel des unermesslichen Roms“ ); Sil. Ital. 11,124 pia Campano gaudebit consule Roma.

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„Rome – identified with her citizens – gives herself up without restraint to flight.“ ( BALDWIN 1911, 205; so e.g. HEINSE : „Rom suchet auf der Flucht sein Heil“; WARMINGTON : „Rome is glad to flee“ ). Das Verb steht hier also nicht für die frohen Emotionen, die das Wortfeld meist suggeriert ( weder der Thes. noch das OLD nennen Parallelen zur ‚neutralen‘ Verwendung hier ). Gerade deshalb klingt zwischen dem ‚elenden Volk‘, das aus der Stadt strömt, und den Bürgern, die ‚traurig‘ ihre Häuser verlassen ( beide in Enallage: ~ 222 populus miserabilis bzw. 224 f. Quirites maerentes ), irritierend genug unweigerlich die Freude durch, die Rom angesichts dieses Exodus zu empfinden scheint. Eine vage Parallele liefert der Schlussvers der ps.-senecanischen Octavia, wo eine dämonisierte Kapitale „frohlockt ob des Bürgerbluts“ ( 982 civis gaudet Roma cruore ) – eine Anspielung auf frühere Bürgerkriege und die blutigen Wirren des Vierkaiserjahrs ( 69 n.Chr.). Das verstörende Schlussbild der Tragödie symbolisiert die zerfallene Bürgerschaft jener turbulenten Jahre ( cf. Lucr. 3,72 crudeles gaudent in tristi funere fratris ; Verg. georg. 2,510 gaudent perfusi sanguine fratrum ), aber auch die Tyrannei Neros ( cf. R. FERRI bzw. A.J. BOYLE ad loc.). Doch welchen Grund hätte die Hauptstadt hier, sich zu freuen ? Sympathisiert sie mit Caesar, den man ‚aus seinem Rom verstoßen‘ hatte ( 160 pulsus ab urbe mea )? Freut sie sich über die Hilfe, die ihr in ihrer Not ( cf. 49f. perdita Roma eqs.; 58-60 hōc mersam caeno Romam eqs.) endlich zuteil wird ? Wohl kaum. Ein drastisches Oxymoron unterstreicht das Elend der verlorenen Heimat ( s. auch STUBBE 85; GUIDO 1976, 269; COURTNEY 2001, 188 ). 224-225 debellatique Quirites | rumoris sonitu maerentia tecta relinquunt : „und überwältigt vom Getöse eines bloßen Gerüchts verlassen die Quiriten ihre traurigen Häuser.“ Dieselbe Situation beschreibt Lukan ( cf. 1,486-488; 1,490-493; 1,495498, zit. S. 1224 ; 1,509 ruit irrevocabile vulgus ; bes. 1,519 f. tu tantum audito bellorum nomine, Roma, | desereris ; s. auch Sen. Thy. 572, über den Bürgerkrieg in Mykene: peior est bello timor ipse belli ). Zu der herben Juxtaposition debellati – Quirites cf. CONNORS 1989, 122: „The news of Caesar’s approach transforms them from Romans at peace, Quirites, to Romans utterly defeated, debellati, in military conquest“, genauer : „defeated by a rumour“ ( SCHMELING – SETAIOLI ad loc.). Quirites steht hier parallel zu populus ( 222 ), vielleicht aber auch im engeren Sinn für die römische Aristokratie. De facto geflohen ist vor allem die

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Oberschicht ( cf. Cic. fam. 16,12,1f. [ 27. Jan. 49 ] domos nostras et patriam ipsam vel diripiendam vel inflammandam reliquimus ). Die breite Bevölkerung blieb in Rom; zudem füllte sich die Stadt mit Leuten aus dem Umland ( cf. Plut. Caes. 33f. ; Pomp. 61,3 ). Von Roms maerentia tecta ( hier in Enallage für Quirites maerentes ; cf. 229 maerentia pectora ) spricht auch Lentulus, als er der im Bürgerkrieg verwaisten Kapitale gedenkt ( Lukan 5,30-32 maerentia tecta | Caesar habet vacuasque domos legesque silentīs | clausaque iustitio tristi fora ; die ansonsten unbelegte Junktur spricht für eine bewusste Anspielung ). S. auch Cic. Phil. 12,5 maestam … domum offendi, coniugem, liberos ( „in Trauer fand ich mein Haus, meine Gattin, meine Kinder“ ); Ov. met. 13,421 Troades … patriae fumantia tecta relinquunt ; fast. 3,641 maestum fuge … tectum ( „… das Unglückshaus“ ); Ps.-Ov. cons. Liv. 177 consul init fractis maerentem fascibus urbem ? ( „Betritt ein Konsul mit zerbrochenen Rutenbündeln die trauernde Kapitale ?“ ). Italiens nach dem Bürgerkrieg verwaisten Geisterstädte beschreibt Lukan ( 1,24-32 ). Debellare ist zuerst in augusteischer Zeit belegt. „The compound [ de-] implies carrying war through to its due end“ ( R.G. AUSTIN ad Verg. Aen. 6,853 ). Livius hat eine Schwäche für das Verb ( fast 60 Belege). Pointiert setzt Vergil es ein ( u.a. Aen. 5,730 f. gens dura … debellanda tibi Latio est ), v.a. in Anchises’ berühmtem Imperativ ( Aen. 6,853 parcere subiectis et debellare superbos ; s. auch Sen. benef. 3,32,5 post debellata arma civilia, „nach Beendigung des Bürgerkriegs“ ). – Die ‚redundante‘ ( PARATORE 1933, II 398 ) Junktur rumoris sonitus ist singulär. Zu dem adjektivisch verwendeten PPA maerens (~ maestus ) cf. 229 maerentia pectora ; Sat. 115,6 casam piscatoriam subimus maerentes, und Bd. II, S. 662 ad loc. 226 – 232 Szenen der Flucht ( Vignetten)

ille manu pavidā n a t o s tenet, ille p e n a t e s occultat gremio deploratumque relinquit limen et absentem votis interficit hostem. sunt qui c o n i u g i b u s maerentia pectora iungant grandaevosque p a t r e s … onerisque ignara iuventus i d pro quo metuit, t a n t u m trahit. o m n i a secum hic vehit imprudens praedamque in proelia ducit.

226 227 228 229 230 a 230 b 231 232

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Am Anfang wie am Ende des Abschnitts sehen wir zwei Paare: einen V a t e r mit Kindern an der Hand, bereit zur oder bereits auf der Flucht ( 226 ), und einen samt den Hausgöttern das Weite suchenden p a t e r f a m i l i a s ( 226-228 ); am Ende erscheinen die i u v e n t u s, die nur ihr Liebstes ( 230f. ), und der L e i c h t f e r t i g e , der alles Hab und Gut mit auf die Flucht nimmt ( 231f. ). Innerhalb der ersten Gruppe unterstreicht die Anapher die Beziehung ( 226 ille – ille ); eine verdeckte Paronomasie markiert das von den beiden Mitgeführte ( 226 pavida natos – penates ). Der gemeinsame Nenner der letzten Gruppe ist ihr materieller Besitz, von dem sie sich nicht trennen will ( verdichtet in dem Kontrast id tantum ↔ omnia im selben Vers 231; s. auch die Alliterationen tan- tra- und -pru- praeproe- ). Ein ‚emotionaler Chiasmus‘ verknüpft die gesamte Passage ( Angst : 226 manu pavidā – Trauer : 227f. deploratum … limen – Trauer : 229 maerentia pectora – Angst : 231 metuit ). Doch was geschieht in der Mitte des Abschnitts ? Dem überlieferten Text zufolge umarmen Männer ihre Frauen, und geben ihnen womöglich – in einem fast alexandrinischen Zeugma – ihre ‚greisen Väter‘ anheim ( 229f. coniugibus maerentia pectora iungant | grandaevosque patres ). Nehmen sie Abschied voneinander ? Oder sammelt man sich – in einem Szenario, das wohl mehr Informationen verdiente – zum gemeinsamen Aufbruch ( so u.a. LÖFSTEDT 1908, 41 Anm. 1 )? Nicht wenige Exegeten vermuteten, hier liefere eine archetypische Szene der Aeneis die Blaupause: Aeneas, der auf seinen Schultern Anchises aus dem brennenden Ilion trägt ( Verg. Aen. 2,707f. care pater, cervici imponere [ medialer Imp.] nostrae ; | ipse subibo umeris nec me labor iste gravabit ; in der Passage steht zweimal onus für Anchises: 2,723 und 2,729; s. auch 2,804 sublato montīs genitore petivi ; Ov. met. 13,624 f. sacra et … patrem | fert umeris, venerabile onus ; Pont. 1,1,33 cum foret Aeneae cervix subiecta parenti ; Stat. silv. 3,3,188 magnā patrem cervice vehenti sc. Aeneae ; ferner die verwandte Szene App. Verg. Aetna 624-645 ). Gleiches geschehe hier, mit den grandaevos patres in Anchises’ Rolle, und in der des Aeneas die oneris ignara iuventus, die jene kostbare ‚Last‘ nicht spüre ( so u.a. MÖßLER 1842, 29f.; ERNOUT ; DÍAZ Y DÍAZ ; CONNORS 1989, 123), als weiteres Indiz, dass Trojas Schicksal sich in Rom wiederhole. Doch diese Deutung erfordert Eingriffe in den Text ( s. unten ). Denn auch wenn der Kontrast grandaevos – iuventus am Anfang und Ende von 230 Absicht scheint – in der überlieferten Lesart lassen sich die patres und die iuventus nur aufs Holprigste verknüpfen: „und greise Väter [ Akk.] und das Lasten nicht gewohnte Jungvolk [ Nom.] – allein das, worum es fürchtet, schleppt es.“ Wie schon die divergierenden Kasus belegen, trennt das

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-que von oneris die beiden Parteien – weshalb neben id tantum die patres kaum als weiteres Objekt von trahit abhängen können. Nicht zuletzt die spröde Diktion des Verbs weckt Zweifel an den heroisch geschulterten Greisen. Bei Aeneas und Anchises heißt es elegant cervici imponere ( Verg. Aen. 2,707 ), cervice pendēre ( Prop. 4,1,43 ), cervice vehi ( Stat. silv. 3,3,188 ), umeris ferre ( Ov. met. 13,625; fast. 4,38 ), umeros premere ( Ov. her. 7,80; s. auch Anth. Lat. 653,17f. R. per medios ignes ablatus … Anchises umero facilis pietate ferentis, „… fortgetragen auf der Schulter, leicht dank der Liebe des Trägers“; ferner S. 1258 ). Dieser epische Glanz geht dem nüchternen trahit eindeutig ab. Eine K o r r u p t e l liegt nahe. Ohne textkritische Ambitionen ergänzen manche Übersetzer BC 229f. ein Verb, das die patres mit sunt qui verknüpft (e.g. EHLERS : „… trösten den alternden Vater“, sc. consolentur ; WALSH : „men in their prime lead out their aged fathers“, sc. educant ; HELM 1956, 232 erwog secum ducunt ). Wohl mit Blick auf die Aeneis ( s. oben ) verband BÜCHELER 1 ad loc. IUNIUS’ humeris und VAHLENs fert gnava : grandaevosque patres humeris fert gnava iuventus, „und hochbetagte Väter trägt auf den Schultern das verständige Jungvolk“. Doch damit hängt BC 231 in der Luft ( cf. 221 quantum quisque timet, tantum fugit ). Kaum besser macht sich G. HERMANNs Variante: sunt qui coniugibus maerentia pectora iungant, | grandaevosque patres humeris : ignara iuventus eqs. ( ap. MÖßLER 1865, 11 Anm.). Schlüssig hingegen klingen STEWECHs pignora ( 229, statt pectora ; so u.a. BURMAN ; TANDOI 1992b, 642f.; zu pignora in diesem Sinn cf. Bd. I, S. 21 ). Dass hier „Kinder“ gemeint seien, nahm auch LÖFSTEDT an. Er schrieb diese Bedeutung jedoch den pectora zu, für die sie unbelegt bleibt ( 1908, 41 Anm. 1; Val. Flacc. 1,605 adoptieren die modernen Ausgaben SABELLICUS’ pignora ). Die ‚Kleinen‘ und die ‚Alten‘ ergeben ein stimmiges Paar : vor dem Aufbruch nach Kampanien vertrauen die Abschied nehmenden Patrizier ihren Gattinnen den Nachwuchs und die greisen Eltern an ( e.g. HOLZBERG : „Einige vereinen mit der Gattin ihre trauernden Kinder und den hochbetagten Vater“ ). Ein kleines Unbehagen bleibt. Denn von ‚Kindern‘ wäre nun zweimal die Rede ( 226 nehmen die Väter sie offenbar mit auf die Flucht, 229f. bleiben sie wohl bei der Familie in Rom ). Doch es gibt in der Passage eine vergleichbare ‚Dublette‘ : 225 maerentia tecta relinquunt ~ 227f. deploratum … relinquit | limen ( Indizien für den ‚fehlenden letzten Schliff ‘ des ‚Entwurfs‘ ? ; cf. 118,6 impetus … nondum recepit ultimam manum ). Aber auch das traute Nebeneinander von „Kindern“ und „Großvätern“ löst die wohl heikelste Crux der Passage nicht auf : den irritierend unver-

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mittelten Übergang von den grandaevosque patres zur onerisque ignara iuventus. Die beste Erklärung scheint ein Textausfall, wie ihn FUCHS nach 229 vermutete ( 1938, 172 Anm. 30 ; so u.a. DÍAZ Y DÍAZ und PELLEGRINO ), und – weitaus realistischer – MÜLLER in 230 nach patres ( ab ed.2 ; so u.a. GIARDINA – MELLONI ; SCHMELING ed. Loeb; G. VANNINI in epist.). Was genau hier wohl verloren ging, lässt sich kaum sagen. L. HOLFORDSTREVENS ( ap. SCHMELING – SETAIOLI ad loc.) ergänzt grandaevosque patres ‹ umeris, pia pignora, portent › ( ein saut du même au même von umeris … pignora zu oneris … ignara ; dazwischen fehle Text ; zu den umeris s. oben ). Der Einfall ist brillant – wirft freilich die Frage auf, warum die Männer ihre Gattinnen zurücklassen ( wozu sonst die Umarmung ? ), und just die greisen Väter mit ins Ungewisse nehmen. Siehe zu dem ganzen Passus auch POLETTI 2014, 305-308. 226 ille manu pavidā natos tenet : „An banger Hand hält d e r seine Kinder“. Die Szene ist eines Bürgerkriegs würdig. Nach Allectos Hornsignal trepidae matres pressēre ad pectora natos ( Verg. Aen. 7,518 ). Als in Mykene der Bruderkrieg wütet, pallidae natos tenuēre matres ( Sen. Thy. 563 ). Vor dem Gattenmord der Lemnierinnen „erbebte jede Mutter, und es erstarrten die an den Busen gepressten Kleinen“ ( Val. Flacc. 2,202 f. exhorruit omnis | mater et adstricto riguerunt ubere nati ). Die maßgebliche Inspiration liefert der kleine Iulus an Aeneas’ Hand in Trojas letzter Nacht ( Verg. Aen. 2,723f. dextrae se parvus Iulus | implicuit eqs.; s. auch 2,710f. mihi parvus Iulus | sit comes ). Lukan erwähnt bei der Flucht aus Rom nur Ehefrauen und Eltern, keine Kinder ( 1,504-519; immerhin begleiten den fliehenden Pompeius Gattin, Kinder und Penaten: 2,728-730 cum coniuge pulsus | et natis totosque trahens in bella penates | vadis … exul ). Das BC nennt sie dezidiert an erster Stelle. „Nati are children viewed with particular tenderness and affection“ ( N. HORSFALL ad Verg. Aen. 7,518; e.g. Lucr. 3,895 f. dulces occurrent oscula nati | praeripere, „… um Küsse zu erhaschen“; Verg. georg. 2,523 dulces pendent circum oscula nati ; Aen. 2,138 ~ Lukan 9,231 dulcīs … natos ). – Zu der personifizierten Hand ( hier in Enallage für ille pavidus wie für pavidos natos ) cf. Ov. trist. 3,3,48 et feries pavidā pectora fida manu ? ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 985 pavida quid tremuit manus ? ; 1719 f. num manus pavida impium | scelus refugit ? ; Thes. X 1, 815,65-67.

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226-228 ille penates | occultat gremio deploratumque relinquit | limen : „ d e r birgt die Penaten im Schoß und lässt die bejammerte Schwelle zurück“. Die beiden ersten Einzelszenen ( ille … ille ) konfrontieren den um seine Kinder bangenden Vater mit dem pater familias, dem die Götter seines Herds am Herzen liegen ( ein zarter Binnenreim samt verdeckter Paronomasie verknüpft die beiden Bilder : pa(vida) natos – penates ). Das Überschreiten der Schwelle ( imitiert im Enjambement ) symbolisiert den Abschied von Heim und Heimat. Zur „bejammerten Schwelle“ cf. Cassius Dio zur Flucht aus Rom: „Viele Wehklagen gab es auch an den Stadttoren“ ( 41,9,2 πολὺς δὲ καὶ περὶ τὰς πύλας θρῆνος ἦν ). Die Rettung der Penaten evoziert die archetypische Szene aus dem brennenden Troja: Aeneas patrem … per media hostium agmina et per cadentis circa se urbis ruinas ferens, cum conplexus sacra ac penates deos religiosus senex non simplici vadentem sarcinā premeret ( Sen. benef. 3,37,1; cf. Verg. Aen. 2,717 tu, genitor, cape sacra manu patriosque penatīs ; 3,11 f. feror exsul in altum | cum sociis natoque penatibus et magnis dīs ; s. auch 2,320f. sacra manu victosque deos parvumque nepotem | ipse trahit sc. Panthus cursuque amens ad limina tendit ). Die negative Folie zu Vergil und der Szene hier liefert Lukan, wenn die jungen Männer bei der Flucht aus Rom ihre greisen Väter und ihre Haushaltsgötter im Stich lassen; nicht einmal für ein Gebet nehmen sie sich Zeit ( 1,506-509, zit. S. 1225; s. auch CONNORS 1998, 136 ). Zu occultare ( mit dem Abl. loc.) cf. Sen. benef. 3,37,4 stringit occultatum sinu ferrum ; Curt. Ruf. 8,3,9 gladium … veste occultaverat ; Thes. IX 2, 378,5860. Zu deplorare, „to despair of, give up for lost“ ( OLD s.v. 2a; s. auch Thes. V 1, 575,23-37 ), cf. BC 195 arma … deplorata, und e.g. Liv. 3,38,2 deploratur in perpetuum libertas ; Ov. met. 1,272 f. deplorata … vota, „die verloren gegebenen Saaten“; zu deploratum limen cf. Ov. trist. 3,5,8 ausus es … deploratae limen adire domūs ( „… die Schwelle des verloren gegebenen Hauses“ ). Die Junktur limen relinquere geht auf Vergil zurück ( Aen. 5,316 limen … relinquunt ; s. auch Sat. 136,9 necdum liberaveram cellulae limen – ebenfalls auf der Flucht ). – Die bukolische Dihärese akzentuiert den zweiten Teil der Anapher ( ille penates ). penates : Die Hausgötter, die die domus beschützen, wurden bei einer Flucht oft mitgenommen ( e.g. Hor. c. 2,18,26-28 pellitur paternos | in sinu ferens deos | et uxor et vir sordidosque natos, und NISBET – HUBBARD ad loc.: „the husband is a village Aeneas who rescues his household gods and his children“ ). Zu den Penaten cf. WISSOWA 161-166 ; ders., Gesammelte Abhandlungen zur römischen Religions- und Stadtgeschichte, München 1904, 95-128; LATTE 89f.; J. LINDERSKI, DNP 9, 2000, 514-516.

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gremio : Zum ‚Gewandbausch‘ als ‚Tasche‘ cf. Sat. 128,6,5f. ne forte gravatum | excutiat gremium secreti conscius auri ; Juv. 7,215f.; 14,327 nondum implevi gremium ; OLD s.v. grĕmium 2a. In ihm barg Galba eine Bronzestatuette der Fortuna ( Suet. Galb. 4,3 simulacrum aeneum deae … gremio suo Tusculum … avexit ). Das Enjambement zeigt das Verschwinden der Statuetten im Gewand ( penates | occultat gremio ). 228 et absentem votis interficit hostem : „und tötet den fernen Feind mit Flüchen.“ Von Verwünschungen der aus Rom Fliehenden berichtet auch Cassius Dio. Doch sie gelten nicht Caesar, sondern – „da sie ihrer Meinung nach verraten wurden“ ( 41,9,3 οἵ γε πλείους ὡς καὶ προδιδόμενοι κατηρῶντο ; übers. O. VEH ) – offenkundig Pompeius. Anders als bei den todbringenden Flüchen der attischen Tragödie ( cf. Eur. Hipp. 43-45 κτενεῖ πατὴρ ἀραῖσιν , „den Jüngling wird der Vater mit Flüchen töten“; Phoen. 765 ἡμᾶς δ᾿ ἀραῖσιν … κατακτενεῖ , „mit Flüchen wird er uns womöglich töten“ ) geht es hier selbstredend nicht um dunkle Magie, sondern um „ ‚wishful thinking‘ ( a nuance present in votis )“ ( A. SETAIOLI in epist.). Zur vertrauten Wut auf jemanden, der nicht da ist, cf. e.g. Stat. Theb. 2,132f. excitus irā … in absentem consumit proelia fratrem ( „rasend vor Zorn kämpft Eteokles mit dem abwesenden Bruder“ ). Auch das Tierreich kennt sie ( cf. Verg. Aen. 9,63 saevit in absentīs sc. agnos lupus ; Varius Rufus frg. 4,3 FLP saevit in absentem sc. cervam canis ; Val. Flacc. 3,589 frangit … absentem vacuis sub dentibus hostem sc. der von einer Lanze verletzte Löwe ). Die drei Spondeen signalisieren das Innehalten für den Fluch, das Hyperbaton ( absentem … hostem ) den fernen Feind. votis : Die meisten Übersetzer deuten votum hier als „Fluch, Verfluchung, Verwünschung“ – parallel zu devotio ( Sat. 103,6 ), exsecratio ( cf. 7,4 execratus … aniculae insidias ; 103,5 execratus … omen ), imprecatio, dirae. Laut GEORGES und OLD ist diese Bedeutung klassisch nicht belegt ( zu votum als „Weihgeschenk“ cf. TH 10 in suo voto latent ). Doch im Grunde ergibt sie sich organisch aus dem „bösen Wunsch“ ( e.g. Cic. Catil. 2,18 über die Catilinarier : magis mihi videntur vota facturi contra rem publicam quam arma laturi ). In diesem Sinn taucht votum wiederholt als „Fluch“ in Ovids Ibis auf, meist verstärkt mit negativen Adjektiven ( u.a. 93 f. noceant … execrantia … vota, „schaden sollen meine verwünschenden Flüche“; 105 votis mora tristibus absit ; 448 eveniant capiti vota sinistra tuo ). In Lukans Schilderung der Flucht aus Rom sind die vota „Gebete“ ( 1,506f., zit. S. 1225 ). – Die Formel votis interficere hat eine späte Parallele bei Hieronymus ( ep. 141,2 ut,

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quos gladiis nequeant, voto interficiant ; cf. Thes. VII 1, 2193,60-62; zu dem prosaischen interficere cf. AXELSON 65-68 ). 229 sunt qui coniugibus maerentia pectora iungant : „Andere vereinen mit der Gattin den traurigen Busen“. Die Passage beschreibt weniger Bilder des Trostes ( e.g. Lukan 5,735 f. fovet amplexu gravidum Cornelia curis | pectus sc. Pompei ) oder der Trauer ( e.g. Stat. Theb. 7,461f. hi pectora fletu | cara premunt ) als des schmerzlichen Abschieds. Eben solche Szenen ereigneten sich im Januar 49, als etliche Patrizier bei der Flucht aus Rom Frauen und Kinder zurückließen ( Cassius Dio 41,7,4 ; 41,9,4 : „es gab auch solche, die sich umarmten und sehr lange Zeit umschlungen hielten“; καί τινες περιβάλλοντες ἀλλήλους ἐπὶ πλεῖστον συνηρτῶντο ; übers. O. VEH ; s. auch Sat. 115,9 utique reliquit aliquem, cui proficiscens osculum dedit ). Vergleichbare Bilder der Nähe kennt Lukans Schilderung der Flucht nicht mehr – in den Pharsalia hat sich der familiäre Zusammenhalt längst aufgelöst ( 1,504-507, zit. S. 1224 f. ). Den Abschied vor dem Aufbruch in den Krieg schildert wiederholt Statius ( Theb. 3,578f. liquēre domos dilectaque … conubia et primo plorantes limine natos ; 4,16-30 iamque suos circum pueri nuptaeque patresque | funduntur mixti summisque a postibus obstant eqs.: die Familien suchen die Aufbrechenden zurückzuhalten; s. auch 4,26f. haeret amica manus : certant innectere collo | bracchia eqs.; 12,189-191 sub casside torvā | maestus in amplexu multumque a limine summo | respiciens, „unter seinem düsteren Helm traurig in der Gattin Umarmung und oftmals zurückblickend von der äußersten Schwelle“; 12,706708 exsanguis et aegra iuventus | iam nec coniugibus suprema nec oscula natis | iungit, et attoniti nil optavere parentes ) – und wiederholt mit der gleichen ‚Trias‘ Gattin – Kinder – Großeltern wie hier ( 4,16 pueri nuptaeque patresque ; 12, 707f. coniugibus … natis … parentes ). Das Trikolon 226-229 ( ille – ille – sunt qui eqs.) folgt dem Muster des Trikolons 218-220 ( huic – illi – est … qui eqs.; gleichfalls mit einem konsekutiv gefärbten Relativsatz im Konjunktiv ). coniugibus : Die poetische coniunx findet sich in den Sat. nur hier ( die prosaischere uxor erscheint zweimal im Vers ( 93,2,9; 137,9,3 ), sechsmal in gehobener Prosa, und viermal im sermo cottidianus ). Die ‚figura etymologica‘ ( coniugibus – iungant ) hat Vorbilder und Parallelen; cf. Catull 64,372f. coniungite amores, | accipiat coniunx eqs.; Verg. Aen. 4,112f. foedera iungi. | tu coniunx eqs.; 7,56f. Turnus …, quem regia coniunx | adiungi generum … properabat, und v.a. Stat. Theb. 12,706-708 aegra iuventus … nec coniugibus suprema nec oscula natis | iungit.

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maerentia pectora : Personifizierende Enallage ( statt qui maerentes bzw. coniugibus maerentibus ) nach klassischem Vorbild ( cf. Lucr. 3,81 maerenti pectore, „traurigen Herzens“, und E. KENNEY ad loc.; Verg. Aen. 1,197 ~ Ilias Latina 95 maerentia pectora ; zu dem adjektivisch verwendeten PPA cf. BC 225 maerentia tecta, und S. 1250 ). Ebenso gut bezeugt ist die Junktur pectora iungere ( u.a. Ov. met. 2,604 f. illa suo totiens cum pectore iuncta … pectora ; Ps.-Ov. epist. Sapph. 191; Val. Flacc. 1,163 advolat … pectora iungens ; 3,309 f.; Sil. Ital. 9,149 ) – auch mit dem Dativ der Person, wie hier ( cf. Ov. trist. 1,3,66 o mihi Theseā pectora iuncta fide ! ; zu aliquid iungere mit einem Dativobjekt cf. Sat. 77,3 fundos Apuliae iungere ; 79,10 dubitavi an … somnum … morti iungerem ). Zu alexandrinisch beschriebenen Umarmungen cf. Lukan 4,648 haerebis pressis intra mea pectora membris ; 8,66f. eram … pectore Magnus | ambit. – Zu STEWECHs Lesart pignora s. oben S. 1252f. 230 grandaevosque patres … : „und hochbetagte Väter …“. Auch Discordias Liste der Opfer des Bürgerkriegs endet mit den Alten ( 285f. non femina cesset, | non puer aut … senectus ; zu femina cf. 229 coniugibus, zu puer 226 natos ). Zum mutmaßlichen Textausfall nach patres cf. S. 1253. Während bereits Pacuvius ( trag. 162 R.3 ) und Accius ( trag. 68. 245 R.3 ) das erhabene Substantiv grandaevitas verwenden, ist grandaevus erst bei Lucilius ( frg. 1108 M. Tiresia … grandaevus ) und Vergil belegt ( georg. 4,178; 4,392 grandaevus Nereus ; Aen. 1,121 grandaevus Aletes ), in Prosa erst in flavischer Zeit ( cf. Plin. nat. 2,17; Tac. hist. 3,33,1 ). Ennianische Ursprünge vermutete NORDEN 4 1957, 177. Die Junktur grandaevus pater geht auf Ovid zurück (met. 7,160 grandaevi … patres ; 8,520 ~ fast. 2,815 grandaevumque patrem ; stets am Versbeginn ); bei Statius ( Ach. 1,50 ) und Ennodius ( dictio 17 == p. 473,22f. Hartel ) kehrt sie wieder ( cf. Thes. VI 2, 2176,31f. ). Für die pleonastischen grandaevi senes cf. Lukan 3,518; Sil. Ital. 4,29. 230-231 onerisque ignara iuventus | id pro quo metuit, tantum trahit : „doch die Lasten nicht gewohnten jungen Leute schleppen nur das mit, was ihnen am Herzen liegt.“ Solche Szenen spielen sich bei einem Ausbruch des Ätna ab: tum vero ut cuique est animus viresque, rapinā | tutari conantur opes. gemit ille sub auro, | colligit ille arma et stultā cervice reponit, | defectum raptis illum sua crimina tardant, | hic velox minimo properat sub pondere pauper, | et, quod cuique fuit cari, fugit ipse sub illo ( App. Verg. Aetna 614-619). S. auch Val. Max. 7,2 ext. 3 cum … Prienen hostes invasissent, omnibus … pretiosarum rerum pondere onustis fugientibus ; Tac. hist.

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4,62,1 nullā dedecoris curā pecuniam aut carissima sibimet ipsi circumdare ( Legionäre beim überstürzten Aufbruch ); ann. 14,23,2 fuere qui se speluncis et carissima secum abderent ( auf der Flucht verbargen sich manche „mit ihrer liebsten Habe“ in Höhlen ). Der Passus wurde oft als Hinweis auf Söhne gedeutet, die ihre greisen Väter tragen – wie einst Aeneas ( cf. S. 1251f. ). Mit anderen Worten: die oneris ignara iuventus ( in singulärer Junktur ; Thes. VII 1, 273,50f. ) ist so kräftig oder eher von ihrer hehren Aufgabe so beseelt, dass sie die Last kaum spürt ( cf. COLLADONIUS ap. BURMAN 761: „id est, oblita oneris, non sentiens pondus prae amore“; s. auch BALDWIN : „Youths, uninured to toil, their aged sires, the source of all their cares, bear with them“; ERNOUT : „les jeunes gens emportent leurs vieux pères, et ploient sous ce faix nouveau“, ~ „… und ächzen unter dieser neuen Last“ ). Deutlich mehr Sinn ergibt im Kontext eine andere Lesart. Die jungen Leute sind so verweichlicht, dass jede größere Belastung sie überfordert ( cf. 102,12 iuvenes adhuc laboris expertes … patiemur … vincla ?, und e.g. Stat. silv. 4,4,97f. stabuntne sub illā | mole umeri an magno vincetur pondere cervix ?, als Metapher für ein literarisches Unterfangen ). Dass es hier weniger um Personen als um materiellen Besitz geht, zeigt sich bereits im Vokabular : 1.) ignarus signalisiert kaum das ‚Ignorieren‘ physischer Anstrengung, sondern die Unvertrautheit mit selbiger ; 2.) das nüchterne id tantum klingt in höchstem Maße unpersönlich ; 3.) trahere heißt zwar oft genug „jdn. mit sich schleppen“ ( cf. 26,3 Gitona in cubiculum traxit ; 26,5 me … ad idem spectaculum … traxit ; 115,5 iubeo … in terram trahere poetam ; 131,2 intervenit comitem aniculam trahens ; 132,10 hoc de te merui, ut me … ad inferos traheres ?, und e.g. Verg. Aen. 2,320f., zit. S. 1254 ; 2,456f. Andromache … puerum Astyanacta trahebat, sc. „the child unable to match the adult’s pace“, N. HORSFALL ad loc.; Sen. dial. 12,7,3 liberos coniugesque et graves senio parentes traxerunt, von Stämmen auf Wanderschaft ), nirgendwo jedoch „jdn. schultern“ ( s. auch S. 1252 ). Ein weiteres Indiz liefert zudem der implizite Kontrast zum letzten Beispiel des kleinen Katalogs ( id tantum trahit – omnia secum vehit ). Mit anderen Worten: die verwöhnte jüngere Generation nimmt nur das mit, woran ihr Herz hängt ( e.g. WALSH : „unused to burdens they take nothing else save what they fear to lose“; s. auch G. HERMANN ap. MÖßLER 1865, 11 Anm.: „Die unschuldigen Kinder … nehmen das mit, was ihnen besonders lieb ist, ein Knabe Steckenpferd und Peitsche, ein Mädchen ihre Puppe.“ ). Zu dem seltenen nachklassischen metuere pro + Abl., „sich sorgen um, fürchten um“ ( vielleicht beeinflusst von metus pro, wie e.g. Liv. 2,24,4

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metum pro universa re publica ), cf. Manil. 5,606 metuit pro vindice tali ; Celsus med. 3,11,1; Sen. Thy. 485 pro me nihil iam metuo ; Porphyrio Hor. c. 1,14 pr. metuere se pro eo sc. Bruto testatur sc. Horatius ; CIL III, 7743 pro sua salute metuit ; KST 1,339; Thes. VIII, 904,33-37. Die kopulative Partikel -que ist hier adversativ zu verstehen ( so zurecht M. DEUFERT in epist.). Zu dieser bereits klassisch belegten Färbung (s. auch 92,4 ; 97,5 ; 108,10 ; 112,2 ) cf. FRAENKEL 1957, 219 Anm. 4 ; HSZ 481 ; PETERSMANN 240 ; OLD s.v. 8: „( connecting terms which show a slight contrast ) and yet, and at the same time“. 231-232 omnia secum | hic vehit imprudens praedamque in proelia ducit : „ D e r schleppt alle Habe mit sich, schlecht beraten, und führt sie als Beute aufs Schlachtfeld.“ Andere nehmen ihren gesamten Besitz mit auf die ungewisse Reise – nur um ihn im Krieg zu verlieren; so die paradoxe, von Alliterationen ( imin ; -pru- prae- proe- ) unterstrichene Formel praedam in proelia ducere ( nach Vorbildern wie Liv. 9,40,7 milites in proelium ducit ; Ov. met. 13,82 secum … deos in proelia ducit ; cf. Thes. X 2, 1657,10 f. ). Bei Chariton nimmt der persische Großkönig „Gold, Silber, kostbare Schätze und Luxusgüter“ mit in den Krieg ( 6,9,6 χρυσὸν καὶ ἄργυρον … καὶ πλοῦτον πολυτελῆ καὶ τρυφήν ) – wo sie in Feindeshand fallen ( bes. 8,6,12 ). Die Saguntiner hingegen verbrennen all ihre Kostbarkeiten, damit sie nicht in Hannibals Hände geraten ( Sil. Ital. 2,599-608, bes. 607f. gaudent … superbi | victoris praedam flammis donare supremis ; s. auch Val. Flacc. 5,643 zur Sorge ums eigene Hab und Gut : est amor et rerum cunctis tutela suarum ; ferner App. Verg. Aetna 620-623). Die historischen Quellen bestätigen das Bild. „Es flohen die meisten der Senatoren, indem sie von ihrem Eigentum an sich rafften, was ihnen gerade in die Hände fiel, als plünderten sie in einem fremden Haus.“ ( Plut. Caes. 34,1 ἔφευγον δὲ καὶ τῶν βουλευτῶν οἱ πλεῖστοι, τρόπον τινὰ δι᾿ ἁρπαγῆς ἀπὸ τῶν ἰδίων ὅ τι τύχοιεν ὥσπερ ἀλλοτρίων λαμβάνοντες ; übers. W. WUHRMANN ). Bei manchen dauerte das Packen und Beladen die ganze Nacht ( Cassius Dio 41,9,2 ), da sie „mit ihrem gesamten Haushalt“ aufbrachen ( 41,7,3 πανοικησίᾳ ). Dass etliche Parteigänger des Pompeius ihren Wohlstand auf der Flucht nicht missen mussten, belegt nicht zuletzt das luxuriöse Lager der Senatspartei in Pharsalos ( Caes. civ. 3,96,1; zu dessen Plünderung cf. Lukan 7,728-763, bes. 7,736f. non magno hortamine miles | in praedam ducendus erat ). Sie liefern gleichsam das Kontrastbild zu Ovids kriegerischem Hektor ( met. 13,82-84 Hector adest secumque deos in proelia ducit, | quaque ruit, non tu tantum terreris, Ulixe, | sed

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fortes etiam ; tantum trahit ille timoris, „… und wohin er auch stürzt, schreckt er nicht allein dich, Ulixes, sondern auch Tapfere ; so mächtige Angst verbreitet er“; entdeckt von POLETTI 2014, 306 Anm. 29 ). Die letzte Szene des Fluchtpanoramas läutet eine klassische bukolische Dihärese ein ( omnia secum ; zu diesem Versschluss cf. Verg. georg. 3,343; Aen. 11,550; Ps.-Ov. epist. Sapph. 135 ; Lukan 7,654 ; Sil. Ital. 8,333 ). 233 – 237 Das Schiffsgleichnis Das Gleichnis schildert einen Sturm, der sich auf offener See zusammenbraut ( 233 magnus inhorruit Auster ; cf. 114,1 inhorruit mare ), um schon im nächsten Vers seine volle Kraft zu entfalten, sowie die Reaktionen einzelner Seeleute ( die auf Befehl oder aber auf eigene Faust handeln; cf. 114,1 discurrunt nautae ad officia trepidantes eqs.). Einer ( 235 alter ) verzurrt das Schiff, ein anderer ( 236 alter ) hält Ausschau nach einem Hafen oder einer Bucht, ein dritter ( herausgehoben durch das demonstrative hic, 237 ), am ehesten Steuermann oder Kapitän, überlässt die Segel den Winden, in der vergeblichen Hoffnung, so das Schiff zu retten. Sprachliche wie sachliche Parallelen verknüpfen das Gleichnis mit den Ereignissen in Rom: 234 pulsas evertit aquas ~ 216 f. pulsata tumultu | pectora ; 234 non arma ministris sc. prosunt ~ 219f. est magis arma | qui temptare velit ; 236 alter tuta sinūs tranquillaque litora quaerit ~ 218 huic fuga per terras … probatur ; 237 hic dat vela fugae ~ 218f. illi magis unda probatur eqs.; 237 Fortunae … omnia credit ~ 220 qui sc. magis … velit fatis … iubentibus uti ( s. auch 244 ut Fortuna levis Magni quoque terga videret ). Seit Homer gehören die Ängste und hilflosen Reaktionen von Crew und Passagieren zu den Topoi des literarischen Seesturms ( cf. Ilias 15,627 f. τρομέουσι δέ τε φρένα ναῦται | δειδιότες· τυτθὸν γὰρ ὑπὲκ θανάτοιο φέρονται, „es zittern im Innern die Schiffsleute, in Furcht, denn knapp nur trägt es sie unter dem Tod hinweg“ ; übers. W. SCHADEWALDT ; s. ferner Bd. II, S. 611 ad Sat. 114,1 ). Im Angesicht des drohenden Endes lähmen Aeneas Furcht und Kälte; stöhnend preist er die glücklich, die vor Troja fielen ( Verg. Aen. 1,91-101 praesentemque viris intentant omnia mortem eqs.). Einen ganzen Reigen von Verhaltensweisen offeriert Ovid. Einer weint, ein anderer erstarrt, ein dritter hat die vor Augen, denen ein Tod an Land vergönnt ist, wieder andere beten oder denken an ihre Lieben daheim ( met. 11,539-543 non tenet hic lacrimas, stupet hic, vocat ille beatos, | funera quos maneant, hic votis numen adorat |

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bracchiaque ad caelum, quod non videt, inrita tollens | poscit opem ; subeunt illi fraterque parensque, | huic cum pignoribus domus et quod cuique relictum est ). Bei Seneca entgleiten den entsetzten Matrosen die Ruder, alles nautische Können versagt, Gebete und Gelübde ertönen ( Ag. 507-527 nil ratio et usus audet : ars cessit malis ; | tenet horror artūs, omnis officio stupet | navita relicto, remus effugit manūs. | in vota miseros ultimus cogit timor eqs.). Valerius Flaccus konzentriert sich auf sprechende Gesten: von Panik gezeichnete Gesichter, Hände, die sich im Chaos finden, suprema verba ( 1,621-638 ). Das Gleichnis knüpft unverkennbar an die alte Allegorie vom S t a a t s s c h i f f an, die auf Alkaios zurückgeht ( 6. Jh. v.Chr.; bes. frgg. 6, 73 und 208 Voigt == 6, 73 und 326 L.-P.; cf. D. PAGE, Sappho and Alcaeus, Oxford 1955, 179-197; ferner Theognidea 667-682 West ). In Rom wurde sie spätestens mit Cicero heimisch ( u.a. dom. 137, zu Clodius: tu, procella patriae, turbo ac tempestas pacis atque oti, quod in naufragio rei publicae, tenebris offusis, demerso populo Romano eqs.; Sest. 20 quis enim clavum tanti imperi tenere et gubernacula rei publicae tractare in maximo cursu ac fluctibus posse arbitraretur hominem eqs.; 46 hanc rei publicae navem ereptis senatui gubernaculis fluitantem in alto tempestatibus seditionum ac discordiarum ; Pis. 20f. ego … qui in maximis turbinibus ac fluctibus rei publicae navem gubernassem salvamque in portu conlocassem eqs.; Att. 2,7,4 ; fam. 12,25,5; cf. Rhet. Her. 4,57; Cassius Dio 52,16,3f.; FANTHAM 1972, 126-128 ). Voll Pathos setzt Horaz c. 1,14 das Staatsschiff in Szene ( cf. NISBET – HUBBARD 179-182 ad loc.; FRAENKEL 1957, 154-157; Quint. inst. 8,6,44 navem pro re publica, fluctūs et tempestates pro bellis civilibus, portum pro pace atque concordia dicit ). Das Staatsschiff schlägt die Brücke zum Seesturm im ersten Buch der Aeneis und dem berühmten Gleichnis an dessen Ende: Neptun beruhigt die Wogen wie der charismatische Staatsmann das aufgewühlte Volk an der Schwelle eines Bürgerkriegs – den der Sturm metaphorisch verkörpert ( 1,148-153 ac veluti magno in populo cum saepe coorta est | seditio saevitque animis ignobile vulgus, | iamque faces et saxa volant, furor arma ministrat ; | tum, pietate gravem ac meritis si forte virum quem | conspexere, silent arrectisque auribus adstant ; | ille regit dictis animos et pectora mulcet ). Im BC hingegen ist das verunsicherte Volk dem Bürgerkrieg ausgeliefert wie die hilflose Schiffsbesatzung dem Sturm. Denn es fehlt der charismatische Staatsmann, der den ‚Sturm‘ bändigt und das Staatsschiff aus der Gefahrenzone steuert – Pompeius. Die maßgebliche Vorlage für die Passage hier liefert aber Lukan, der die Flucht aus Rom gleichfalls mit einem Schiff in Seenot vergleicht ( 1,498504 ; zit. S. 1224 ). Beide Gleichnisse eröffnet der stürmische Auster ( 1,498 f. qualis, cum turbidus Auster | reppulit … aequor ~ 233f. ac velut … cum magnus inhorruit Auster | et pulsas evertit aquas ); in beiden fällt der Be-

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griff pondera ( 1,500 pondera mali ~ 235 pondera pinūs ). Doch das drastischere Bild zeichnet Lukan. Obgleich das Schiff noch schwimmt ( nur der Mast ist gebrochen ), stürzen sich magister und Mannschaft kopflos in die Fluten – und damit ins eigene Verderben ( 1,503 naufragium sibi quisque facit ). Die Übertragung folgt auf den Fuß. Wie die Lemminge geben der ‚Kapitän‘ ( oder ‚Steuermann‘: magister ), also Pompeius, und die Bürger das sichere Rom preis und fliehen in ihren Untergang ( 1,503f. sic urbe relictā | in bellum fugitur ; s. auch 1,522 Pompeio fugiente timent ; ferner MORFORD 1967, 51f.; CONNORS 1989, 133 ). Näher an den historischen Fakten und Pompeius’ mutmaßlicher Haltung bleibt das BC : hier überlässt der Kapitän das Staatsschiff den wütenden Elementen und hofft auf Fortunas Wohlwollen ( 237 hic dat vela fugae Fortunaeque omnia credit ). Mit dem gleichen Bild beschreibt Plutarch ( im Anschluss an Livius oder Asinius Pollio ? ) Pompeius’ Flucht : „Doch trauriger als alles war der Anblick der Stadt. Sie trieb dahin wie ein Schiff, das die Steuerleute, vor dem heraufziehenden Unwetter verzagend, dem Spiel des Zufalls preisgegeben haben.“ ( Caes. 34,3 οἰκτρότατον δὲ τὸ θέαμα τῆς πόλεως ἦν, ἐπιφερομένου τοσούτου χειμῶνος ὥσπερ νεὼς ὑπὸ κυβερνητῶν ἀπαγορευόντων πρὸς τὸ συντυχὸν ἐκπεσεῖν κομιζομένης ; übers. W. WUHRMANN ; cf. LUCK 1972, 139; GRIMAL 1977, 194-196 ). Bereits Cicero wählte diese einprägsame Metaphorik ( Att. 7,13,2 [ 23.1.49 v.Chr.] quid futurum sit, non video ; commissum quidem a nobis certe est sive a nostro duce ( sc. Pompeio ), ut e portu sine gubernaculis egressi tempestati nos traderemus ). Noch ein zweites Mal – und nun ad personam – vergleicht Lukan Pompeius mit einem Steuermann im Sturm, der die Kontrolle über sein Schiff den Winden preisgibt : als er sich in Pharsalos seinen Parteigängern fügt, die auf eine Schlacht drängen ( 7,123-127 sic fatur et arma | permittit populis frenosque furentibus irā | laxat et ut victus violento navita Coro | dat regimen ventis ignavumque arte relictā | puppis onus trahitur ; s. auch Sil. Ital. 4,713-717: Flaminius, der am Trasimenischen See bei Hannibals Überfall Heer und Leben verliert, gleicht einem unerfahrenen Kapitän, der im Orkan versagt und sein Schiff in den Untergang steuert ). EHLERS ( ap. MÜLLER 2 ) vermutete hinter 236 eine Lücke ( so MÜLLER ab ed.2 und GIARDINA – MELLONI ; auch G. VANNINI in epist. sympathisiert mit der Idee; zu EHLERS’ Umstellung des ganzen Gleichnisses s. S. 1226f. ); exempli gratia ergänzte er einen Vers, der die Übertragung des Gleichnisses einleitet : ligat alter pondera pinūs, | alter tuta sinūs tranquillaque litora quaerit : | ‹ haud secus hic acuit Martem, formidine victus › | hic dat vela

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fugae Fortunaeque omnia credit ( „so stählt mancher zum Kampfe sein Herz; in panischem Schrecken …“; seine Übersetzung ). Im Gleichnis kehre also die vorausgegangene Alternative Flucht – Kampf wieder ( 218-220 huic fuga … probatur … ; est magis arma | qui temptare velit eqs.; ähnlich bereits FUCHS 1938, 170f. ). Doch warum steht das ‚befehlende Schicksal‘ auf Seiten der Kämpfer ( 220 qui … velit fatis … iubentibus uti ), und Fortuna auf Seiten der Flüchtenden ( 237 Fortunae … omnia credit )? Vor allem jedoch verweist angesichts der Verzweiflung an Bord ( bes. 234 f. ) nichts auf irgendeinen Willen zum Kampf ( Gleiches gilt für Lukans Gleichnis ). EHLERS’ Lücke und Ergänzung bleiben pure Spekulation ( ähnlich skeptisch TANDOI 1992 b, 636 ). SCHMELING vermutet, hier sei von mehreren Schiffen die Rede: „One sailor in one boat furls the sails ( ligat ), another sailor leaves the sails unfurled and commits his boat to Fortune ( v. 237 ).“ ( p. 467 ad BC 235; ähnlich pragmatisch A. SETAIOLI in epist.: „In a real sea-storm it is hardly possible to look for a safe harbor ( line 236 ) while leaving one’s fate completely in the hands of Fortune ( line 237 ).“; s. auch EHLERS ap. MÜLLER 2 475 ). Doch abgesehen davon, dass ligat wohl anders zu verstehen ist ( s. unten ), lässt schon der Auftakt des Gleichnisses an e i n Fahrzeug denken ( 234f. non arma ministris, | non regimen prodest ), wie bei Lukan, wo eindeutig von nur einem Schiff die Rede ist – eben dem Staatsschiff. Vor allem jedoch geht es offenkundig um das Nebeneinander ‚rationalen‘ wie ‚irrationalen‘ Verhaltens ‚an Bord‘ in der Stunde der Not. 233 ac velut : „ganz ähnlich …“. Ac velut(i) leitet in der Dichtung Gleichnisse ein. NORDEN hielt die Formel für archaisch ( 4 1957, 307 ); belegt ist sie allerdings erst bei Catull. Sie wird zum Markenzeichen Vergils ( 16 Stellen ); beliebt ist sie auch in der flavischen Epik. Mehrfach taucht sie in Verbindung mit S e e s t ü r m e n auf ( cf. Catull 68 B, 63-65 ac velut in nigro iactatis turbine nautis eqs.; Prop. 3,15,31-33 ac veluti, magnos cum ponunt aequora motūs eqs.; Ov. trist. 2,149-152 ac veluti ventis agitantibus aequora eqs.; Val. Flacc. 6,664-666 ). Statius vergleicht den in stürmischer Nacht einsam die Wildnis durchwandernden Polyneikes mit einem Seemann, der im Orkan Riffe und Klippen fürchten muss ( Theb. 1,370-375 ac velut hiberno deprensus navita ponto, | cui neque Temo piger neque amico sidere monstrat | Luna vias, medio caeli pelagique tumultu | stat rationis inops eqs.). Dem BC näher steht das Gleichnis Theb. 3,22-30. Ein erfahrener Kapitän will im plötzlich losbrechenden Wintersturm an Land zurück. Doch alle Seemannskunst scheitert an den heftigen

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Böen; stöhnend und orientierungslos überlässt er das Schiff den Wellen ( ac velut ille | fluctibus Ioniis Calabrae datus arbiter alno …, | cum fragor hiberni subitus Iovis …, ipse quidem malit terras pugnatque reverti …, tunc arte relictā | ingemit et caecas sequitur iam nescius undas eqs., „und wie ein Kapitän, in ionischen Gewässern verantwortlich für einen kalabrischen Segler …“ ). Der Kapitän steht für Eteokles, der im thebanischen Bruderzwist grübelt und zagt – nicht unähnlich Pompeius im Konflikt mit Caesar. Die fehlende ‚Auflösung‘ des Gleichnisses ( meist eingeleitet durch ein korrespondierendes sic, ita, talis, non aliter, haud aliter, haud secus o.ä.) erinnert an Vergil, bei dem wiederholt das Gleichnis der eigentlichen Szene folgt. In zwei Fällen ( beide wie hier mit einem cum-Satz verbunden ) ist diese ‚Leerstelle‘ womöglich der fehlenden Schlussredaktion geschuldet : Troja fällt – „ganz ähnlich“ eine alte Esche unter dem Beil der Bauern ( 2,626-631 ac veluti summis antiquam in montibus ornum | cum ferro accisam crebrisque bipennibus instant | eruere agricolae certatim eqs.; cf. R.G. AUSTIN ad Aen. 2,626 ); die Troer schleppen alles zu den Schiffen – „ganz ähnlich“ Ameisen beim Furagieren ( 4,402-407 ac velut ingentem formicae farris acervum | cum populant hiemis memores tectoque reponunt eqs.). Eindeutig ohne Apodosis kommt eine dritte Passage aus: die Lethe „umschwirren ungezählte Scharen und Völker gleichwie“ Bienen auf sonniger Au das Blütenmeer ( 6,707-709 ac velut in pratis ubi apes aestate serenā | floribus insidunt variis et candida circum | lilia funduntur, strepit omnis murmure campus ; cf. E. NORDEN und R.G. AUSTIN ad loc.). Im flavischen Epos kehrt das Phänomen des ‚nicht aufgelösten‘ ac velut zurück ( cf. Stat. Theb. 5,599-604 ; 7,436-440; Sil. Ital. 4,302-310 ). „Eumolpus recasts a simile borrowed from Lucan into a typically Virgilian mold ( parabole introduced by ac velut(i) … cum, with ac and velut reinforcing each other, which is also found in Statius and Silius, but never in Lucan – reacting against Lucan’s stylistic approach to epic by going back to Virgilian literary patterns, at the same moment in which he pointedly reverses Virgil’s ideological outlook.“ ( SETAIOLI, Nugae 9 [ zitiert ohne die Belege ], ergänzt in epist.). Zu abgeschwächtem ac velut, „gleichsam“, cf. 136,4 foedoque ac veluti rabioso stridore ; Lukan 6,253f. ac velut inclusum perfosso in pectore numen … adorant ( Scaevas Kameraden „vergöttern gleichsam die in seiner durchbohrten Brust eingeschlossene göttliche Kraft“ ); s. auch BC 54 f. sed veluti tabes … intra membra … errat.

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233 ex alto cum magnus inhorruit Auster : „… auf hoher See, wenn mächtig der Südwind zu brausen begann“. Wie Notus und Africus zählt der Auster zu den mediterranen Südwinden. Er bringt Regen ( cf. Enn. ann. 432 f. Sk. spiritus Austri | imbricitor, „des Austers regenerweckende Bö“; Verg. georg. 3,278 f. nigerrimus Auster … pluvio contristat frigore caelum ; Aen. 5,695 f. ruit aethere toto | turbidus imber aquā densisque nigerrimus Austris ; Stat. Theb. 5,705 niger imbribus Auster ). Als Fahrtwind war er geschätzt ( e.g. Verg. Aen. 5,764 creber et adspirans rursus vocat Auster in altum ; Lukan 3,1f. propulit ut classem velis cedentibus Auster eqs.); doch konnte er rasch zum Sturm umschlagen ( e.g. Verg. Aen. 2,110 f. saepe illos … terruit Auster euntīs ; 6,335 f. quos simul a Troiā ventosa per aequora vectos | obruit Auster eqs.; Hor. c. 3,3,4 f. Auster, | dux inquieti turbidus Hadriae ; Prop. 2,16,55f.; Lukan 2,454 f. mare possidet Auster | flatibus horrisonis, hunc aequora tota secuntur ; 9,319-347 ). ex alto : Das in Prosa wie Dichtung geläufige ex alto kann in maritimen Kontexten zweierlei heißen: „von hoher See her“ ( e.g. Plaut. Men. 227 f. ex alto procul | terram conspiciunt ; Cic. Mur. 4 in portum ex alto invehuntur ; rep. 1,29 quem cum ex alto ignotas ad terras tempestas … detulisset ), oder, wie hier, „auf hoher See“ ( e.g. Sen. Thy. 577 ex alto tumuēre fluctūs ; Lukan 9,45 procul ex alto ; Tac. ann. 3,1,3 ubi primum ex alto visa classis ). inhorruit : Zu dem ingressiven inhorrescere ( hier im resultativen Perfekt ) cf. OLD s.v. 2 : „( of the sea, etc.) to become restless or agitated ; (of storms or sim.) to begin to rage“ ; Thes. VII 1, 1601,50-56; BALDWIN 1911, 207: „the gradual roughening of the waves as the storm approaches“. Meist beschreibt es in solchen Kontexten die S e e ( e.g. 114,1 inhorruit mare, und Bd. II, S. 609f. ad loc.), höchst selten, wie hier, einen W i n d. Als vage Parallelen cf. Hor. c. 1,23,5 f. mobilibus veris inhorruit | adventus foliis ( „spring’s arrival has come with a shiver on the fluttering leaves“, NISBET – HUBBARD ad loc.; sie zitieren BC 233 als „another case of inhorruit with the cause of the shivering as subject“ ); Ov. Ibis 201 tristis hiems Aquilonis inhorruit alis ; Sidonius epist. 9,9,6 turbo … inhorruerat. 234 et pulsas evertit aquas : „… und die gepeitschten Wasser aufwühlt“ ( cf. HEINSE : „… und Fluth auf Fluthen wälzet“ ). Zu evertere, hier „to agitate ( the sea) violently, churn up“ ( OLD s.v. 2 ), cf. u.a. Verg. Aen. 1,43 evertit … aequora ventis sc. Pallas ; Ov. her. 7,42 aspice, ut eversas concitet Eurus aquas ; Sen. ep. 4,7 noli huic tranquillitati confidere : momento mare evertitur ; Stat. Theb. 5,141f. validis spumant eversa lacertis | aequora ; 5,704 f. diversis maria evertere procellis | hinc Boreas Eurusque, illinc niger

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imbribus Auster ; Thes. V 2, 1029,51-63. Bisweilen wird die See bis zum Grund „aufgewühlt“ ( Sen. Ag. 474-476 undique incumbunt simul | rapiuntque pelagus infimo eversum solo | adversus Euro Zephyrus et Boreae Notus, „von allen Seiten zugleich drängen herbei und reißen das vom untersten Grund aufgewühlte Meer mit sich fort …“; cf. Ov. fast. 3,591f. imo … a gurgite pontus | vertitur ). Zu dem seltenen pellere bei Winden cf. Lucr. 5,1096f. ventis pulsa vacillans | aestuat … arbor ; 6,310 venti pepulit vis sc. nubem ; Ov. met. 10,77 pulsum … aquilonibus Haemum ; Plin. nat. 19,22 flatu … pellente sc. vela ; Thes. X 1, 1018,74-1019,7 ( zu pellere in Verbindung mit Schiffen cf. BC 3 gravidis freta pulsa carinis, und S. 867f. ). Die lange, von den a -Vokalen untermalte Alliteration ( ac alt- Aus- aqu-) lässt gleichsam das Meer wogen. 234-235 non arma ministris, | non regimen prodest : „nicht das Takelwerk nützt der Mannschaft, nicht das Steuer“. Zum Chaos an Bord während eines Seesturms cf. 114,1 discurrunt nautae ad officia trepidantes eqs. ( und Bd. II, S. 611 ad loc.), ferner Stat. Theb. 2,105-107 magnum si iam tollentibus Austris | Ionium nigrā iaceat sub nube magister | immemor armorum versantisque aequora clavi ; Tac. ann. 1,70,3 non vox et mutui hortatūs iuvabant adversante undā ; 2,23,2 miles … pavidus et casuum ( „Tücken“ ) maris ignarus, dum turbat nautas vel intempestive iuvat, officia prudentium corrumpebat ; Ach. Tat. 3,1-5; Quintus Smyrnaeus 5,80-87; „Wehe dem Fahrzeug, das jetzt unterwegs, | In dieser furchtbarn Wiege wird gewiegt ! | Hier ist das Steuer unnütz und der Steurer, | Der Sturm ist Meister, Wind und Welle spielen | Ball mit dem Menschen.“ ( SCHILLER, Wilhelm Tell, Vierter Aufzug, Erste Szene, 2153-57 ). Zu der poetischen Anapher non – non ( nachdrücklicher als das synonyme neque – neque ) cf. e.g. Verg. georg. 2,200 non liquidi gregibus fontes, non gramina deerunt ; Aen. 2,198 non anni domuēre sc. Troas decem, non mille carinae ; Hor. c. 3,30,3 non imber edax, non Aquilo impotens ; Prop. 2,1,3 non haec Calliope, non haec mihi cantat Apollo. arma : Gleich drei nautische Begriffe tauchen in dem Satz auf : arma, minister, und regimen. Im dichterischen Seemannsjargon meint arma in aller Regel das Ensemble von Segel und Masten: „Takelage, Takelwerk“ ( cf. OLD s.v. arma 10 c ; Thes. II, 590,65-71; wohl nach dem alten nautischen t.t. armamenta ). So erscheint es zuerst bei Vergil ( Aen. 5,15 colligere arma iubet ; laut Servius ad loc. ~ vela contrahere ; „the first recorded writer to use arma of non-military equipment“, R.G. AUSTIN ad Aen. 6,353 ; s. auch Manil. 4,275 puppibus arma parabunt ), dann v.a. im flavischen Epos, bes. bei Statius ( Theb. 2,106 f., oben zit.; 6,21f. arma … clavumque levesque | ex-

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plorant remos ; 7,88 f., nach einem Sturm : nondum arma carinis | omnia ; 10, 185f. stupet ipsa ratis tardeque sequuntur | arma eqs., „… und träge reagiert ihre Takelage“ ). Dass manche Passage schwieriger einzuordnen ist, zeigen u.a. Verg. Aen. 6,353 f. spoliata armis … navis ( lt. E. NORDEN und R.G. AUSTIN ad loc. das Steuerruder, lt. N. HORSFALL ad loc. die Schiffsausrüstung allgemein ) und Val. Flacc. 4,647 arma ( laut P. MURGATROYD ad loc. die Takelage der Argo und/oder Waffen, laut P. DRÄGER ad loc. „die Gerätschaften“, laut R.G. AUSTIN ad Verg. Aen. 6,353 die Ruderbänke ). Non arma ministris ( sc. prosunt ) bedeutet nicht notwendig, dass die Segel zerfetzt sind ( cf. Hor. c. 1,14,9, vom Staatsschiff : non tibi sunt integra lintea ; Lukan 1,500 fracta … veliferi sonuerunt pondera mali ). Womöglich wurden sie wegen des aufziehenden Sturms gerefft. Auf alle Fälle ist das Schiff manövrierunfähig. ministris : Zu der seltenen, nur kaiserzeitlich belegten Verwendung von minister als „Seemann, Matrose“ cf. Colum. 4,3,1 navigia … instruunt armamentis ministrisque ; 12,2,5 armamentum … minister promit, „die Mannschaft macht das Schiff klar“; Val. Flacc. 1,689 taciti … sedent ad iussa ministri ( cf. A. ZISSOS ad loc.: „probably … the rowers sitting at their benches“ ); Thes. VIII, 1002,51-53. Pate stand wohl die gut bezeugte Verwendung von ministerium für die diversen Aufgaben an Bord ( e.g. Sall. hist. frg. 4,31 Maur. inplicatae rates ministeria prohibebant ; Germanicus Arat. 294 ; Manil. 4,569 f. puppis … colendae | dura ministeria ; Sen. ep. 85,36 ministerium sc. gubernatoris … tempestate inpeditur ), erweitert e.g. navis ministerium ( Sat. 108,8 ), nautica ministeria ( Liv. 22,19,10; Frontin strat. 4,7,10 ), nautarum ministeria ( Curt. Ruf. 7,9,6; s. auch Verg. Aen. 6,302 velis … ministrat, „er bedient die Segel“ ). regimen : rĕgĭmen heißt zunächst allgemein „the control, steering (of a ship)“ ( OLD s.v. 1a ; e.g. Vell. Pat. 2,85,2 classis Antonii regimen Publicolae … commissum, das „Flottenkommando“; Tac. ann. 2,23,2 incerti fluctūs … regimen impedire ). Erst im zweiten Schritt, als poetisches ‚concretum pro abstracto‘, meint es seit Ovid in der Dichtung das „Steuerruder“ ( OLD s.v. 1b: „( meton.) the apparatus of steering, steering-oar“, alternativ zu gubernaculum und clavus ; an eine Innovation Ovids denkt CONNORS 1989, 132 ); cf. met. 3,593f. addidici regimen dextrā moderante carinae | flectere, und F. BÖMER ad loc.; 11,551f. frangitur incursu nimbosi turbinis arbor ( „Mast“ ), | frangitur et regimen. Für spätere Belege cf. Sen. Med. 617 f. Tiphys … liquit indocto regimen magistro ; Lukan 7,125 f. victus violento navita Coro | dat regimen ventis ; 9,345 regimen clavumque ( lt. C. WICK ad loc. Hendiadyoin); Apul.

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met. 2,14,2 navis … variis turbinibus procellarum quassata, utroque regimine amisso … praeceps demersa est ( metaphorisch für einen Gefühlsausbruch Sen. Ag. 141 omisi regimen e manibus meis ). „Eumolpus’ use of the word regimen lends a high epic tone to his description of the ship tossed in a storm.“ ( CONNORS 1989, 132 ). 235 ligat alter pondera pinūs : „Einer verzurrt die Massen des Schiffs“. Drei Deutungen bieten sich an ( dass ein Floss zusammengeschnürt wird – so CONNORS 1989, 130f. –, kommt nicht ernstlich in Betracht ): 1.) die S c h i f f s l a d u n g wird v e r z u r r t (so e.g. GURLITT ; zur Sache cf. Sen. ep. 28,3 in navi onera inmota minus urgent, inaequaliter convoluta citius eam partem, in quam incubuēre, demergunt ; mitunter gingen bei schwerer See Ladung und Gepäck auch als Ballast über Bord; so e.g. Juv. 12,30-53; Ach. Tat. 3,2,9 ); 2.) die gerefften S e g e l werden v e r t ä u t ( cf. 114,1 vela … tempestati subducunt ; so e.g. BALDWIN 1911, 208; SCHMELING – SETAIOLI ad loc.; s. auch e.g. Ov. met. 11,483 antemnis totum subnectite velum, und F. BÖMER ad loc.; Lukan 6,286f. malo nauta tremente | omnia subducit … vela procellae ; 9,327-329 omnia si quis | providus antemnae suffixit lintea summae eqs.; Stat. Theb. 5,408 vela laborantem … subnectere malo ; Sil. Ital. 1,689 summo … substringit lintea malo ; zu pinus als rarer Metonymie für „Mast“ cf. Lukan 2,695f. ardua pinus | erigitur, „der ragende Mast wird aufgerichtet“ ); oder 3.) der Schiffsbauch wird mit S e i l e n verstärkt (so u.a. FUCHS 1938, 171 Anm. 27 ; cf. EHLERS : „da verspannt der eine den Schiffsrumpf“, und ders. ap. MÜLLER 3 532; Thes. VII 2, 1391,12-14 ad loc.). Gemeint ist eine für die athenische Trireme entwickelte Technik, die noch in der Neuzeit Verwendung fand: das ‚Gürten‘ der Schiffe mit starken Seilen. Diese ὑποζώματα ( „Untergürtel“ ) stabilisierten den Rumpf in Unwettern und Seeschlachten. Teils umspannten sie ihn mittschiffs wie ein Gürtel. Gerade bei Kriegsschiffen liefen die Seile meist vom Bug zum Heck ( horizontal, unterhalb der Reling, oder unter Wasser, entlang des Kiels; cf. u.a. Alkaios frg. 6,7 Voigt ; Hor. c. 1,14,3-9 nonne vides, ut … sine funibus | vix durare carinae | possint imperiosius | aequor ?, und NISBET – HUBBARD 183-185 ad loc. [ Alkaios und Horaz beide in der Allegorie vom Staatsschiff ]; NT Acta apost. 27,17; CASSON 91f. ). Den Schlüssel zum Sinn der Stelle liefern die pondera pinūs, „die Massen des Schiffs“. Die Wendung passt nur bedingt zur Fracht oder zu den Segeln. Sie bildet aber eine stimmige Metonymie für das ‚massige Schiff‘ selbst ( cf. Verg. Aen. 5,153 f. pondere pinus | tarda, „das ob seines Gewichts träge Schiff“; zu pinus cf. R.D. WILLIAMS ad loc.: „a very common met-

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onymy (or synecdoche) for pinea navis “; s. auch Lukan 1,500 pondera mali, „der massige Mast“ ). Zu ligare ( cf. 187 nimbos … ligatos ) in der Bedeutung „binden, fesseln, verschnüren“ cf. u.a. Sen. Oed. 456 summa ligat vitis carchesia („den höchsten Mastkorb umrankt eine Rebe“ ); Colum. 12,32 fasciculos … tomice … iunceā ligato ( „binde die kleinen Bündel mit Binsen“ ); Val. Flacc. 4,94 f. ligat sc. loricam Solis … balteus ( Helios’ Brustpanzer „bindet ein Gürtel“ ); Stat. Theb. 11,324 spicula … ligabat sc. ammento ( „die Speere verschnürte er mit dem Wurfriemen“; cf. P. VENINI ad loc.); Thes. VII 2, 1391,9-24. 236 alter tuta sinūs tranquillaque litora quaerit : „ein anderer sucht die Geborgenheit einer Bucht und ruhige Gestade.“ Ein Seemann hält Ausschau nach einem geschützten Ankergrund ( vielleicht vom Mastkorb, eher aber vom ‚hohen Bug‘ aus, wie e.g. Albinovanus Pedo FLP p. 315 v. 12f. aliquis prorā … ab alta eqs.). Cf. 118,2 ad carminis tranquillitatem tamquam ad portum feliciorem refugerunt ; Cic. fam. 1,9,21; Sen. dial. 9,5,5 in periculosā navigatione subinde portum petas ; Lukan 2,625f. hoc fuga nautarum, cum totas Hadria vires | movit ( wenn die Adria wütet, bietet Brundisiums Hafen Zuflucht ); 5,575f. liceat vexatā litora puppe | prendere, ne longe nimium sit proxima tellus ( der Fischer im Seesturm zu Caesar : „erlaub’ mir, mit dem beschädigten Kahn Kurs auf die Küste zu nehmen, bevor das nächste Festland allzu fern ist“ ); Ps.-Sen. Herc. Oet. 697 transit tutos Fortuna sinūs ( ihre Opfer findet Fortuna auf hoher See, „die sicheren Buchten verschont sie“ ); Stat. Theb. 2,193-195 : Hoffnung keimt, si | praecipiti convulsa Noto prospectet amicam | puppis humum ; 9,524 f. quaesita … nautis | terra. Ähnliche Szenen schildern Alkaios’ und Horazens Allegorien vom Staatsschiff in Seenot ( Alkaios frg. 6,8 Voigt ἐς δ᾿ ἔχυρον λίμενα δρόμωμεν, „einen sicheren Hafen lasst uns anlaufen“ ~ Hor. c. 1,14,2f. fortiter occupa | portum ; cf. Moschus apospasm. 1,4-6 Gow ; Stat. Theb. 3,28-30, zit. S. 1263f. ). Auf den Versschluss Sat. frg. 31,1 M.4 alienaque litora quaere verweist COLLIGNON 371. tuta sinūs : Das substantivierte tuta ist seit Vergil v.a. in der Dichtung heimisch: „( neut. pl. as sb.) a safe situation, safe ground“ ( OLD s.v. tūtus 3e; oft in der Formel tuta petere ); bisweilen wird es wie hier von einem Gen. part. präzisiert ; cf. u.a. Verg. Aen. 6,358 paulatim adnabam terrae ; iam tuta tenebam ( lt. E. NORDEN ad loc. bezieht sich terrae auch als Genetiv auf tuta : „die Geborgenheit des Gestades“ – ähnlich der Verwendung hier ); 9,366 excedunt castris et tuta capessunt ( „… bringen sich in Sicherheit“ ); 11,871 tuta petunt ; 11,882 inter tuta domorum ; Ov. met. 10,714 f.

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trepidum … et tuta petentem | trux aper insequitur ; Pont. 2,2,31 tuta petant alii ; Sen. ep. 74,6 una haec via est ad tuta vadenti. Eine ähnliche Formel erscheint in Lukans Schilderung der Flucht aus Rom : quae tuta petant et quae metuenda relinquant | incerti eqs. ( 1,490 f.; s. auch 6,149f. quaerentīs socios … tuta fugae, „Kameraden, die das Heil in der Flucht suchen“; 10,458 f. ceu puer imbellis vel captis femina muris, | quaerit tuta domūs ). Die Verbindung eines Neutr. Pl. mit dem Gen. part. entstammt lt. HSZ 53 „der gräzisierenden Dichtung“ und erscheint zuerst bei Ennius, in der Prosa seit Sallust ( e.g. Lucr. 4,415 strata viarum, „das Straßenpflaster“; Verg. Aen. 2,725 opaca locorum ). Blasser klingt der überlieferte Abl. loci sinu ( „ein anderer sucht Sicherheit in einer Bucht und ruhige Gestade“; so u.a. PELLEGRINO ; GUIDO ; GRIMAL ). Die meisten Herausgeber adoptieren zurecht BURSIANs und BÜCHELERs sinūs. 237 hic dat vela fugae Fortunaeque omnia credit : „der überlässt die Segel der Flucht und setzt alles auf Fortuna.“ Die gleiche Option zieht Enkolp auf Lichas’ Schiff in Betracht ( 102,1 quin potius … descendimus in scapham praecisoque vinculo reliqua fortunae committimus ? ). Auch bei Achilleus Tatios geben sich die vom Orkan überwältigten Passagiere dem Schicksal in die Hände ( 3,2,4 ἡμεῖς ... παραδόντες ἑαυτοὺς τῇ Τύχῃ, ῥίψαντες τὰς ἐλπίδας, „wir überantworteten uns der Tyche und ließen alle Hoffnung fahren“ ). Auf den ersten Blick verträgt sich der Vers schlecht mit dem Gleichnis ( s. S. 1226 ). Kein erfahrener Seemann überließe die Takelage dem Wüten des Sturms ( er refft sie beizeiten ). Und was bedeutet inmitten eines Unwetters das Stichwort ‚Flucht‘ ? Gilt es, dem Sturm zu ‚entkommen‘ ? Doch der ganze Vers ist weniger eine Beschreibung nautischer Maßnahmen als vielmehr eine von Vergil und Ovid ( s. unten ) inspirierte Metapher für die Lähmung, mit der manche Vertreter der Bürgerschaft so plan- wie mutlos auf das Nahen Caesars reagierten – gleichsam als Scharnier zwischen dem Gleichnis und dem folgenden Abschnitt. Denn w e r die Ruder des gebeutelten Staatsschiffs dem Schicksal überlässt ( cf. 114,2 nec quo destinaret cursum gubernator sciebat ), wird spätestens im nächsten Vers deutlich ( und von der Ringkomposition mit Fortuna untermauert : 237 Fortunae … omnia credit – 244 ut Fortuna levis Magni quoque terga videret ; das enge Band zwischen Flucht und Schicksal unterstreichen Juxtaposition und Binnenreim : fúgae Fortúnae ): P o m p e i u s. Deutlicher wird Lukan, der Pompeius in Pharsalos ausdrücklich mit einem Steuermann vergleicht, der im Orkan sein Schiff den Winden über-

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lässt ( 7,125-127, zit. S. 1262 ). In seinem Porträt des Pompeius wiederum merkt er an, dieser vertraue allzu sehr auf sein einstiges Glück ( 1,134 f. multumque priori | credere Fortunae ) – das ihm längst den Rücken gekehrt habe ( s. S. 1284 f. ). Eine lose Parallele besteht zu dem Trikolon BC 218-220 ( huic fuga per terras, illi magis unda probatur … ; est magis arma | qui temptare velit fatisque iubentibus uti ). Beide Male legt die dritte und letzte Person den Fort- und Ausgang der Ereignisse nachdrücklich dem Schicksal in die Hände. dat vela fugae : Am Ende des Trikolons verschmelzen zwei Formeln mit dare : der nautische t.t. ( ventis ) vela dare, „Segel ( vor den Wind ) setzen“ ( cf. OLD s.v. uelum 2a; metaphorisch e.g. Mart. 8,70,6 famae … dare vela suae, „Kurs in Richtung Ruhm nehmen“ ), sowie das militärische terga dare, „fliehen“ ( cf. OLD s.v. tergum 4 b ), das Properz um fugae erweitert ( 4,2,54 hostes turpi terga dedisse fugae ). Ovid entwickelte eine auffällige Schwäche für diese klassisch ansonsten kaum belegte Variante ( met. 5, 322 f. cunctos … dedisse | terga fugae ; 12,313; 13,879; fast. 6,522 turpia femineae terga dedere fugae ; trist. 1,9,20; Pont. 3,2,8 cum Fortunā terga dedēre fugae : nach seiner Relegation ‚flohen‘ manche früheren Freunde; s. auch Ps.-Ov. cons. Liv. 18 in … fugam barbara terga dedit ; Juv. 15,75 terga fugae celeri praestant ). Vorbilder für die Verschmelzung hier liefern Vergil, der die Formel vela dare verfremdet ( Aen. 3,9 Anchises dare fatis vela iubebat ), und Ovid, der mit der Formel terga dare spielt ( ars 2,72, über Daedalus und Ikarus: data sunt miserae corpora bina fugae ) und v.a. – ähnlich wie hier – beide Formeln kontaminiert : dedit certae lintea plena fugae ( rem. 266: „Odysseus setzte geblähte Segel für die beschlossene Flucht“ ). 238 – 244 Pompeius sucht das Weite Von dem Gleichnis bestens eingeführt, rückt nun die Galionsfigur der ‚Großen‘ Flucht aus Rom in den Fokus, Pompeius Magnus – wobei glorreiche Vergangenheit und unrühmliche Gegenwart auf das Peinlichste kollidieren. Wiederholt haben Zeitgenossen und Nachgeborene Pompeius’ Lebenswerk und Schicksal verdichtet ( u.a. Manil. 4,50-55; Vell. Pat. 2,53,3 ( beide zit. S. 978 ); Plin. nat. 7,95-99; Appian b.civ. 2,363; Cassius Dio 41,13; 42,5,1-6; s. auch die laus Pompei Cic. Manil. 28-35 ). Lukan greift das Thema gleich dreimal auf, in Catos Leichenrede auf Pompeius ( 9,190-203; cf. C. WICK ad loc.), im Entwurf für Pompeius’

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Grabstein ( 8,806-815 ), und in Pompeius’ eigener Schilderung seiner Verdienste, die – parallel zur Passage hier – Seeräuber und Mithradates herausstreicht und in der Behauptung gipfelt, er habe den gesamten Erdkreis erobert ( 2,576-594, bes. 2,583f. pars mundi mihi nulla vacat, sed tota tenetur | terra meis … tropaeis ; s. auch 2,632-644 ; diese Aussagen gehen wohl auf Propaganda des historischen Pompeius zurück ; cf. Diodor 40,4 ). Die Retrospektive hier blendet die vielversprechenden Verdienste des jungen Militärs unter Sulla ( cf. oben S. 979 ) ebenso aus wie seine Rolle im Kampf gegen den Rebellen Sertorius in Spanien oder seinen Beitrag zu den Sklavenkriegen. Sie konzentriert sich auf die sechs Jahre 67-62, in denen Pompeius’ militärische wie politische Karriere kulminierte: auf den legendären Blitzkrieg gegen die Seeräuber und den folgenreichen Feldzug gegen Mithradates VI. von Pontos ( BC 239f.; cf. Manil. 4,51 post victas Mithridatis opes pelagusque receptum ; Lukan 1,336f., Caesars Resümee von Pompeius’ Leistungen; 8,26 et Corycias classes et Pontica signa ), aber auch seine politische Neuordnung des Ostens ( BC 241f. ). Den dramatischen Kontrapunkt liefert die Schlusspointe ( 243f. pro pudor eqs.): Pompeius’ Entscheidung, angesichts von Caesars rasantem Vorstoß die Hauptstadt zu räumen und sich nach Süditalien abzusetzen ( am 17. Januar 49; einen Tag später folgten die Konsuln und große Teile des Senats; cf. Cassius Dio 41,6,1f.; 41,6,6-7,2 ). Aus Pompeius’ Sicht war dieser Rückzug strategisch unvermeidlich, da nur in den Provinzen (v.a. in Spanien und im griechischen Osten) die militärischen Ressourcen für den Kampf gegen Caesar zur Verfügung standen ( cf. BALTRUSCH 2004, 9297 ). Doch viele Zeitgenossen, selbst ihm wohlgesonnene, deuteten den Rückzug als Flucht und Verrat an seinem Namen Magnus, mit verheerenden Folgen für die Moral der Pompeianer. Die aktuelle Stimmung fängt Ciceros Korrespondenz aus jenen Tagen ein ( u.a. Att. 7,11,3f. quale tibi consilium Pompei videtur ? hoc quaero, quid urbem reliquerit. … tum nihil absurdius. urbem tu relinquas ? ergo idem, si Galli venirent ? … mira hominum querela est … sine magistratibus urbem esse, sine senatu eqs.; 7,21,1; 8,2,2 mihi … nihil ullā in gente umquam ab ullo auctore rei publicae ac duce turpius factum esse videtur quam a nostro amico factum est … ; qui urbem reliquit, id est patriam, pro qua et in qua mori praeclarum fuit ; 8,3,3f.; 8,7,1f. incredibiliter pertimuit, nihil spectat nisi fugam … qui patriam reliquit, Italiam relinquit eqs.; 8,16 ; 9,10,2 vidi hominem … plenum formidinis … nihil nisi fugam cogitare eqs.). Spätere Stimmen urteilten kaum wohlwollender ( u.a. Florus epit. 2,13, 20f. turpe dictu ! modo princeps patrum, pacis bellique moderator, per triumphatum a se mare lacerā et paene inermi nave fugiebat. nec Pompei ab Italia quam senatūs ab urbe fuga turpior eqs.). Auch Lukan spart diesen Punkt nicht aus ( 1,510-

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522 ). Eine Stadt, die das Menschengeschlecht fassen könnte, lässt man Caesar feige als Beute zurück ( 1,513 facilem venturo Caesare praedam ). Dabei war sie bestens geschützt ( 1,519-522 tu tantum audito bellorum nomine, Roma, | desereris ; nox una tuis non credita muris. | danda tamen venia est tantorum danda pavorum : | Pompeio fugiente timent ; cf. S. 812 ). Pompeius „gab Italien preis, flüchtete durch die apulische Flur und zog sich zurück in Brundisiums sichere Feste“ ( 2,608f. tradidit Hesperiam profugusque per Apula rura | Brundisii tutas concessit Magnus in arces ; s. auch 2,598: nach dem fruchtlosen Versuch, seinen Soldaten Mut zu machen, sensit et ipse metum Magnus ). Nach der einleitenden rhetorischen Frage ( 238 ) folgt eine lange, stilistisch herausgeputzte Periode über sechseinhalb Hexameter, die mit der ersten Hälfte des Hauptsatzes einsetzt. Ein Trikolon von Appositionen nennt drei historische Stationen. Subjekt ist jeweils Pompeius ( verkörpert von aggressiven Abstrakta : tremor, repertor, scopulus ); die erste und dritte Apposition umschließen die gewichtigste mittlere mit einem Chiasmus ( tremor Ponti – piratarum scopulus ). Zwei anaphorisch ( quem ) eingeleitete Relativsätze nennen drei weitere Stationen; Pompeius ist jetzt jeweils das gefürchtete bzw. verehrte Objekt ( der erste Relativsatz steht mit einem, der zweite mit zwei Subjekten, beide jeweils ergänzt um einen abl. instr. aus PPP und Nomen). Auf eine emotionale Interjektion ( 243 pro pudor ) folgen die zweite Hälfte des Hauptsatzes (samt temporalem abl. abs.) sowie ein das Porträt abrundender sarkastischer Finalsatz. Pompeius’ inoffizieller Titel Magnus ( cf. S. 979f. zu BC 63 ) rahmt in Ringkomposition die Liste seiner Taten und Ehrungen. Voll Häme ( cf. 292 f. nescis tu, Magne, tueri | Romanas arces ? ) erscheint er am Anfang und Ende der Periode, die in scharfem Kontrast zu seinen Triumphen ( 239242 ) ausklingt mit gleich drei Hinweisen auf seine schmachvolle Flucht ( deserto, fugit, terga videret ). Aufbau, Ton und Schlusspointe erinnern an das Kurzporträt Caesars in der ps.-senecanischen Octavia ( 500-502 invictus acie, gentium domitor, Iovi | aequatus altos saepe per honorum gradūs | Caesar nefando civium scelere occidit ). 238 quid tam parva queror? : „Doch was beklage ich derlei Bagatellen ?“ „This is the phrase used in such a case, where the speaker passes from a lighter to a weightier matter.“ ( HOUSMAN 1972, 593 ); cf. u.a. Ov. ars 2,631 ~ met. 2,214 ~ App. Verg. Ciris 441 parva queror ( im letzten Zitat parva HOUSMAN : magna codd.); Sen. Herc. fur. 63 levia sed nimium queror ; mit loquor u.a. Sat. 134,12,8 quid leviora loquor ? ; Lukan 9,783 ~ Stat. silv. 5,1,127 ~ Claudian rapt. 2,294 parva loquor ; Stat. silv. 5,3,159 sed quid parva

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loquor ? ~ Anth. Lat. 232,5 R. == 224,5 Sh.B. quid tam parva loquor ? ; s. auch Ov. ars 2,535 quid moror in parvis ? Dies ist die einzige Stelle, an der sich der Autor des Epyllions in der ersten Person zu Wort meldet, ‚ex persona poetae‘. Deutlicher ließe sich das Gewicht des folgenden Passus kaum unterstreichen. 238 gemino cum consule Magnus : „Samt beiden Konsuln der Große“. Gemeint sind die Konsuln des Jahres 49, C. Claudius Marcellus und L. Cornelius Lentulus Crus ( cf. S. 1366f. zu BC 289 ). Die Formel geminus consul kehrt erst in der Spätantike wieder ( Dracontius laud. Dei 3,331; Thes. VI 1, 1742,41f.; Sil. Ital. 15,606f. heißen die beiden Konsuln C. Claudius Nero und M. Livius geminus magister ). Der Kontrast parva – Magnus in dem Vers ist ebenso Absicht wie das Zusammentreffen levis – Magnus in BC 244. – Zu gemino consule statt duobus consulibus cf. TH 35 orbibus geminis ; BC 51 gemino … gurgite ; 111 geminā iam stratos morte Philippos ; Sat. 139,2,4 gemini … numinis, und e.g. Verg. Aen. 2,203f. gemini … angues ; 3,305 geminas … aras ; Corp. Tib. 3,7(4,1),70 geminae … confinia mortis ; OLD s.v. geminus 4 und 5. 239 ille tremor Ponti : „er, die Geißel des Pontus“. Der doppelte ‚Pontus‘ hier und 241f. bedarf einer Erklärung. Die spätere Stelle kann dank des Bezugs zum Bosporus als gesichert gelten ( Pontus | et … Bosphoros ). Doch wie steht es hier ? Mehrfach wurde versucht, das Dilemma mit einem Eingriff zu lösen. BÜCHELER schrieb ponti klein ( ab ed.4 ) und reduzierte es so zum generischen Begriff : „er, der Schrecken der Meere“ ( SCHÖNBERGER ; cf. Sen. contr. 7,2,6 Pompeius terrarum marisque domitor ; 10,1,8 Pompeium terrā marique victorem ). Doch dies macht nur Sinn als Verweis auf Pompeius’ Seekrieg gegen die Piraten ( wie Lukan 2,576-578 cum signa tuli toto fulgentia ponto eqs.) – den bereits BC 240 abdeckt. BÜCHELER 1 und SCHRADER erwogen Parthi. Doch Pompeius’ Militäraktionen im Osten stellten für die Parther keine Bedrohung dar. Im Gegenteil : im Krieg gegen Mithradates gewann er die Unterstützung von König Phraates III. und gab sein Wort, ihre Grenzen zu respektieren. Bei Lukan beschwört er ihr „altes Bündnis“ und fordert sie auf, an seiner Seite gegen Caesar zu kämpfen ( 8,211-238, bes. 8,218 f. foedera … prisca ). Einen Platz im Apparat verdient STOWASSERs Poeni ( 1884, 211-213 ), als Verweis auf Pompeius’ erste militärische Lorbeeren in Africa 81/80 v.Chr., die ihm seinen ersten Triumph verschafften.

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Gleichwohl ist es ratsam, Ponti stehen zu lassen. Als Äquivalent für die Region Pontus am Schwarzen Meer verweist es ein erstes Mal auf Mithradates’ Reich und Pompeius’ großen Feldzug auf den Spuren Alexanders ( STUBBE 140 ad loc. zitiert Vell. Pat. 2,38,6 Syria Pontusque Cn. Pompei virtutis monumenta sunt ; s. auch Lukan 2,639 Ponti … feras per litora gentīs : zu Pompeius’ Eroberungen zählen u.a. „die wilden Völker an des Pontus Küsten“; 8,26f. et Corycias classes et Pontica signa | deiectum sc. in Pharsaliā Pompeium meminisse piget ; Lat. 845,2 R. Cilicas et Pontica regna subegi ). Mit anderen Worten: die nicht eben elegante Doppelung schmiedet die beiden größten militärischen Erfolge des Pompeius zu einer Art ‚Ring‘ : Mithradates ( 239 tremor Ponti ) – Mithradates ( 239 repertor Hydaspis ) – Seeräuber ( 240 piratarum scopulus ) – drei Triumphe ( 240 ter ovantem ) – Mithradates ( 241 Pontus ) – Mithradates ( 242 Bosphoros ). Ferne Vorbilder für das abstractum pro concreto ( cf. STUBBE 83 ) tremor Ponti liefern zwei legendäre römische Kriegsherren, die beiden Scipiones Africani ; siehe u.a. Lucr. 3,1034 Scipiadas, belli fulmen, Carthaginis horror ( cf. R. HEINZE ad loc.); Cic. Balb. 34 duo fulmina nostri imperi …, Cn. et P. Scipiones ; parad. 1,12 duo propugnacula belli Punici, Cn. et P. Scipiones ; Verg. Aen. 6,842f. duo fulmina belli, | Scipiadas, cladem Libyae ( lt. E. NORDEN ad loc. nach Ennius ); Manil. 1,792 Scipiadae … duces, fatum Carthaginis unum ; Sil. Ital. 7,106 f. fulmina gentis | Scipiadae ( s. auch Val. Max. 3,2 ext. 5 Epaminondas … Lacedaemonis prima clades ; Claudian c. 24,13 Rheni calcator et Histri, Stilicho, „der Bezwinger von Rhein und Donau“ ). Zu dem metonymischen tremor cf. Mart. 5,24,4 Hermes, turbo sui tremorque ludi ( der Gladiator „Hermes, Sturm und Beben seines Ludus“ ); 5,65,5f. silvarum … tremor … Cacus ; OLD s.v. 2. Bei Ovid bewohnt er als Personifikation Skythien ( met. 8,790f. Frigus iners illic habitant Pallorque Tremorque | et ieiuna Fames ). 239 saevique repertor Hydaspis : „und Entdecker des reißenden Hydaspes“. Der vom Nanga Parbat kommende Hydaspes ist ein wichtiger Zufluss des Indus und Teil des Pandschab ( „Fünfstromland“ ) im heutigen Pakistan, „now the Jhelum, once also called Bitasta ( Sanskrit Vitasta, whence Hydaspes ). … Here in 326 B.C. Alexander the Great, in one of his greatest battles, defeated the elephants of Porus ; here he founded the city of Bucephala in memory of his horse Bucephalas ; finally he sailed down the river in splendour … Hence Hydaspes is used by the poets as a romantic placename.“ ( NISBET – HUBBARD 267 zu Hor. c. 1,22,8 ).

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In römischen Texten erscheint der Hydaspes seit Vergil ( georg. 4,211; cf. R. MYNORS ad loc.: „a suggestive Eastern name“, und e.g. Hor. c. 1,22,7 f. quae loca fabulosus | lambit Hydaspes ). Der Name verströmt unweigerlich orientalische Exotik – zumal „die Dichter nur ( wissen ), daß er irgendwo im Orient fließt“ ( STUBBE 141 ). Auf Indiens mythische Reichtümer spielt sein Epitheton gemmifer an, „edelsteinführend“ ( Sen. Med. 725; Stat. Theb. 8,237 ; s. auch Ps.-Sen. Herc. Oet. 628 dives … Hydaspes ). Cf. M. KIESSLING, RE IX 1, 1914, 34-39; K. KARTTUNEN, DNP 5, 1998, 773. Nur poetische Fiktion kann Pompeius als „Entdecker“ eines Flusses feiern, den er nie erreicht hat. Gleichwohl enthält die Anspielung das sprichwörtliche Körnchen Wahrheit. Während der Kampagne gegen Mithradates gelangte Pompeius durch das armenische Hochland und die Hänge des Kaukasus bis fast ans Kaspische Meer ( 65 v.Chr.; Plut. Pomp. 36,1 ) und sah Regionen, die nicht einmal Alexander betreten hatte. Er drang tiefer in den Osten vor als je ein anderer römischer Feldherr. Entsprechend blumig feierten zeitgenössische Stimmen den römischen Alexander ( cf. Plin. nat. 7,95 ad decus imperii Romani … pertinet victoriarum Pompei Magni titulos omnes triumphosque … nuncupari, aequato non modo Alexandri Magni rerum fulgore, sed etiam Herculis prope ac Liberi patris ; Florus epit. 1,40,31 Pompeio duce populus Romanus totam … Asiam pervagatus, quam extremam imperii habebat provinciam mediam fecit. … omnis Asia inter rubrum et Caspium et Oceanum Pompeianis domita vel oppressa signis tenebatur ; Ampelius 47,5 sub hoc … duce ad Indicum Oceanum et Rubrum mare usque pervenit sc. populus Romanus ; cf. GELZER 2 1959, 80-111, bes. 92f. ). Manche glaubten gar, er habe „die Grenzen des römischen Reiches mit denen der Erde zur Deckung gebracht“ ( Diodor 40,4 τὰ ὅρια τῆς ἡγεμονίας τοῖς ὅροις τῆς γῆς προσβιβάσας ). Lukan spielt zweimal auf diese Nachrichten an; beide Male fällt der Name Hydaspes. Der große Katalog fremdländischer Truppen, die Pompeius gegen Caesar ins Feld führt ( 3,169-297 ), nennt auch Völker jener fernen Regionen, wo der Hydaspes in den Indus mündet ( 3,235 f. ). Später erzählt Pompeius selbst von seinem asiatischen Feldzug – bei dem er Ganges und Hydaspes erreicht haben will ( 8,226-229 arva super Cyri Chaldaeique ultima regni, | qua rapidus Ganges et qua Nysaeus Hydaspes | accedunt pelago, Phoebi surgentis ab igne | iam propior quam Persĭs eram, „jenseits der Gefilde des Kyros und der fernsten Gebiete des chaldäischen Reiches, wo der reißende Ganges und der nysäische Hydaspes in die See münden, war ich dem Feuer des aufgehenden Phoebus näher als Persien es ist“ ). Wie ein mythisches Echo jener Expedition liest sich Dionysos’ indischer Feldzug ( Sen.

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Oed. 113-123; cf. Stat. Theb. 8,237-239; 9,441 an Eous melius pacatur Hydaspes sc. a Baccho ? ). repertor : Das seltene Nomen bedeutet meist „Urheber, Autor, Stifter, Erfinder“ von Dingen oder Fertigkeiten, die es vorher nicht gab, ähnlich dem griechischen πρῶτος εὑρετής. Belegt ist es zuerst bei Lukrez ( der das Nomen vielleicht ‚erfand‘; cf. N. HORSFALL ad Verg. Aen. 7,772 : „a Lucretian word“ ); cf. 3,1036 repertores doctrinarum atque leporum ( „die Erfinder der Wissenschaften und der anmutigen Künste“ ), und e.g. Hor. ars 278f. personae pallaeque repertor honestae | Aeschylus ( „der Erfinder der Maske und des tragischen Kostüms“ ); Ov. rem. 76 carminis et medicae Phoebe repertor opis ( „des Gesangs und der Heilkunst Erfinder, Phöbus“ ); Suet. Tib. 43,1 monstrosi … concubitūs repertores ( „die Erfinder ungeheuerlicher Beilager“ ); Apul. flor. frg. 2 Aristippus ille Cyrenaicae sectae repertor ( „der berühmte Begründer der kyrenaischen Schule“ ); s. auch Sallusts repertores perfidiae, „die Erfinder des Treubruchs“ ( hist. frg. 4,69,7; über die Römer ). Der hier vom Kontext verlangte „Entdecker“ hat keine echte Parallele ( cf. OLD s.v. b ad loc.; s. auch den noch unpublizierten Thes.-Artikel ). Lose verwandt sind Dionysos als „Finder des Rebstocks“, und damit „Erfinder“ des Weinbaus ( Varro rust. 1,2,19 Libero Patri, repertori vitis ; Ov. am. 1,3,11 vitis … repertor ), und vereinzelte christliche Belege für das Auffinden und Bergen von Gebeinen ( u.a. Sidonius epist. 7,1,7 Ambrosium, duorum martyrum repertorem ). Singulär ist auch Vergils Verwendung des Nomens für den kosmischen „Schöpfer“ Juppiter ( Aen. 12,829 hominum rerumque repertor ). Ähnlich exotisch liest sich Statius’ inventrix für die „Entdeckerin“ eines Wasserlaufs ( Theb. 5,703 grati … inventrix fluminis ). Erwähnt seien zwei ältere Konjekturen, die beide zum martialischen Vokabular der Stelle passen ( bes. tremor und scopulus ): MÖßLERs repressor ( 1842, 17 ), und SCALIGERs saevi quoque terror Hydaspis ( so die ed. Torn.; empfohlen von BOUHIER 1737, 153; kritisch G. VANNINI in epist.: gegen terror spreche das nahe tremor ). 240 et piratarum scopulus : „und Klippe der Piraten“. In der späten Republik bedrohten Freibeuter ( v.a. aus Kilikien ) zusehends den Seehandel, selbst vor Italiens Küsten, und die römische Wirtschaft allgemein. Als lukrativ erwies sich insbesondere das Geschäft mit Sklaven und Entführungen. Zu ihren prominentesten Opfern gehörten eine Verwandte Mark Antons, die aus ihrer Villa bei Misenum verschleppt wurde ( Plut. Pomp. 24,10 ), und der junge Caesar. Der Senat übertrug Pompeius die Aufgabe, Rom von dieser Plage zu befreien, und erteilte ihm dafür in der lex Gabinia ein drei Jahre geltendes

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imperium extraordinarium über das gesamte Mittelmeer. Dank gewaltiger Ressourcen ( 20 Legionen mit über 120.000 Soldaten, sowie 500 Schiffe ), einer effizienten Organisation und nicht zuletzt einer brillanten Strategie genügten ihm drei Monate für diese Aufgabe, die er mit der Vernichtung einer Piratenflotte vor Kilikien krönte ( 67 v.Chr.). Um das Übel langfristig aus der Welt zu schaffen, siedelte Pompeius die Piraten an und versorgte sie mit Land, in ihrer kilikischen Heimat, aber auch auf der Peloponnes und in der Magna Graecia ( cf. GELZER 2 1959, 68-79; DE SOUZA 1999, 149-178; das Gehöft eines ehemaligen kilikischen Korsaren vor den Toren Tarents beschreibt Verg. georg. 4,125-146; Hinweis von A. SETAIOLI in epist.). Ciceros überschwängliches Lob spiegelt die damalige Stimmung ( Manil. 32-35 ). Lukan lässt Pompeius selbst zu Wort kommen ( 2,576-579 cum signa tuli toto fulgentia ponto, | ante bis exactum quam Cynthia conderet orbem, | omne fretum metuens pelagi pirata reliquit | angustāque domum terrarum in sede poposcit ; s. auch 8,810f. commercia tuta | gentibus et pavidos Cilicas maris ). Umso bitterer klingt es, wenn Lukan Pompeius anlässlich seiner Flucht aus Brundisium an diesen Erfolg erinnert ( 2,725-728 pelagus iam, Magne, tenebas, | non ea fata ferens, quae, cum super aequora toto | praedonem sequerēre mari : lassata triumphis | descivit Fortuna tuis, „schon beherrschtest du, Magnus, die See – doch nicht so erfolgreich wie einst, als du auf den Meeren ozeanweit die Piraten verfolgtest : deiner Triumphe müde, kündigte Fortuna dir die Treue.“ ). Der in der Dichtung höchst seltene pīrāta ( griech. πειρατής ; nicht in CAVALCA 2001; gängiger war u.a. praedo ) findet sich zuerst bei Varro ( Men. 86 Astb.), dann vereinzelt in neronischer und flavischer Zeit ( Sen. Oed. 459 ; Lukan 1,346 u.ö.; Juv. 8,94; cf. Thes. X 1, 2191,23-2192,71 ). scopulus : Kilikiens Küste, die raue Heimat der Piraten, nennt Florus lapidar „Klippe“ ( epit. 2,13,51 in deserto Ciliciae scopulo ). Spätestens seit Cicero wird scopulus auch übertragen verwendet, als „Klippe“, an der etwas zerschellt ( cf. OLD s.v. 1b: „fig., applied to a source of disaster“ ; s. auch Ov. met. 14,74 scopulum … navita vitat ). Meist benennt, wie auch hier, ein Gen. obi. das ‚Opfer‘; e.g. Cic. Pis. 41 geminae voragines scopulique rei publicae ( zwei politische Gegner ); de orat. 2,154 libidinis scopulum ( die Philosophie ); 3,163 scopulum sc. patrimonii ( von einer riskanten Erbschaft); phil. frg. 9,9 == p. 334,17f. Müller in hos scopulos incidere vitae ; Val. Max. 3,7,9 tribunal sc. L. Cassii propter nimiam severitatem scopulus reorum dicebatur ; Florus epit. 2,19,1 scopulus … publicae securitatis ( Antonius ). Die Junktur ist singulär ( Thes. X 1, 2192,24 ). Die zwei Spondeen rücken die Klippe ins Bild.

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240-241 modo quem ter ovantem | Iuppiter horruerat : „vor dem es jüngst noch, dem dreifach Triumphierenden, Juppiter geschaudert hatte“. Insgesamt drei Triumphe bewilligte der Senat Pompeius nach Siegen in drei Erdteilen : in Afrika ( 80/79 v.Chr.), in Spanien ( 71 ), sowie nach seinem großen Erfolg über Mithradates ( 61 ). Für Aufsehen sorgte neben dem ersten Triumph, für den Pompeius das nötige Alter als auch der senatorische Rang gefehlt hatten, v.a. der dritte, der sich über zwei Tage erstreckte und dessen schiere Dimensionen alles bis dato Gesehene in den Schatten stellten ( cf. Plut. Pomp. 45; WEINSTOCK 1971, 37-39; M. BEARD, The Roman Triumph, Cambridge / Mass. 2007, 7-41 ). Zu Pompeius’ drei Triumphen cf. u.a. Prop. 3,11,35 tres tua Pompeio detraxit harena triumphos ( „dein Strand, Ägypten, raubte Pompeius seine drei Triumphe“; tua HOEUFFT : ubi vel tibi codd.); Manil. 1,793 f. Pompeius … orbis domitor per trīsque triumphos | ante diem princeps ; 4,52 tris emenso meritos ex orbe triumphos ; Vell. Pat. 2,40,4 huius viri fastigium tantis auctibus Fortuna extulit, ut primum ex Africa, iterum ex Europa, tertio ex Asia triumpharet et, quot partes terrarum orbis sunt, totidem faceret monumenta victoriae suae ; 2,53,3; Lukan 7,685 f.; 8,553f. domitor mundi … ter Capitolia curru | invectus ; 8,814 f. ter curribus actis | contentum multos patriae donasse triumphos ; 9,599 f. ter Capitolia curru | scandere Pompei ; Albinus frg. 1 FLP ille, cui ternis Capitolia celsa triumphis | sponte deum patuēre. Dass Juppiter Pompeius’ Triumphe verfolge, erwähnt bereits Lukan ( 9,177 f. exuvias pictasque togas, velamina summo | ter conspecta Iovi ). Doch das Bild des ‚erschauernden‘ Juppiter hier denkt die Inszenierung des römischen Triumphs in origineller Weise fort. Nicht nur endete der Triumph in seinem Tempel auf dem Kapitol; „der triumphierende Feldherr ist in allen Stücken ein menschliches Abbild des Juppiter Optimus Maximus, unter dessen Schutze er den Sieg erfochten hat … ; daher erscheint er auf der dem Juppiter zukommenden Quadriga, bekleidet mit den Gewändern und Insignien des Gottes …, ja sogar mit menniggefärbtem Gesichte in Nachbildung der Tonstatue im Heiligtume“ ( WISSOWA 127; cf. ebd. 126 f.; LATTE 152 f. ). Mit anderen Worten: er stellt den Gott selbst dar. Wie im Spiegel erblickt Juppiter in Pompeius sich selbst – und damit gleichsam einen ebenbürtigen Konkurrenten ( wie er ihm bald in Caesar erwachsen wird; cf. BC 206-208 ). Nicht zuletzt dürften Pompeius’ drei Triumphe in ihm unliebsame Erinnerungen an den dreifachen Himmelssturm der Giganten geweckt haben ( so CONNORS 1998, 124 ; zu Juppiters damaliger Furcht cf. Hor. c. 3,4,49-52 magnum illa terrorem intulerat Iovi | fidens iuventus horrida bracchiis eqs.; Ov. met. 1,182-184 non ego pro mundi regno magis anxius illā | tempestate fui eqs.; Manil. 1,423-429 eguit Iove Iuppiter ipse, | quod poterat

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non posse timens eqs.; App. Verg. Aetna 54 Iuppiter et caelo metuit eqs.; kaum anders erging es den Göttern insgesamt ; cf. u.a. Lukan 9,655f. caelo … timente … gigantas ; Stat. Ach. 1,484-490 cum pallentes Phlegraea in castra coirent | caelicolae eqs.). Der Versschluss ter ovantem kehrt 133,3,16f. wieder ( ter ovantem | circa delubrum gressum feret ebria pubes, „dreimal wird jubelnde Schritte rings um den Tempel führen das trunkene Jungvolk“ ). Zu dem seltenen Monosyllabon in der ersten Kürze des fünften Fußes ( tĕr ) cf. YEH 2007, 271f. ovantem : Das Verb ovare ( meist als PPA ovans ) wird in der Regel für die ovatio verwendet, eine Art ‚kleiner Triumph‘, bei dem ein erfolgreicher Kommandeur feierlich in Rom einzieht. De iure war die ovatio vom Triumph klar getrennt ( e.g. Cic. ad Brut. 23,9 Sh.B. ut ovanti introire Caesari liceret ; Liv. 5,31,4 Valerio … triumphus, Manlio, ut ovans ingrederetur urbem, decretum est ; Aug. Res gest. I,4 bis ovans triumphavi et tris egi curulīs triumphos ; Vell. Pat. 2,96,3 Nero ovans triumphavit, und A.J. WOODMAN ad loc.; als Metapher Cic. Phil. 14,12 cum … me ovantem et prope triumphantem populus Romanus in Capitolium domo tulerit ; cf. Thes. IX 2, 1197,3-33; WEINSTOCK 1971, 326-331 ). Bisweilen vertritt das Partizip jedoch das äquivalente triumphans, gerade auch in der Amtssprache ( für Beispiele aus den Acta triumphalia Capitolina cf. Thes. IX 2, 1197,33-42 ), und – wie hier – in der Dichtung ( v.a. Prop. 3,9,53 currūs utroque ab litore ovantes ; lt. P. FEDELI bzw. L. RICHARDSON ad loc. Augustus’ dreifacher Triumph 29 v.Chr.; lt. HEYWORTH – MORWOOD ad loc. denke Properz an künftige, noch größere Triumphe ); cf. OLD s.v. 1b: „referring to full triumphs“; Thes. IX 2, 1197,48 f. ad loc.: „poetice de triumpho maiore“. horruerat : Horrēre besitzt klassisch zumeist einen negativen Unterton; cf. OLD s.v. 5 : „( tr.) to shudder or tremble at“ ( mit Akk.), und e.g. Cic. fam. 7,3,2 reliquos … ita crudelīs, ut ipsam victoriam horrerem ; Caes. Gall. 1,32,4 quod … Ariovisti crudelitatem … horrerent ; Verg. Aen. 10,880 nec mortem horremus eqs.; Ov. fast. 1,717 horreat Aeneadās … orbis ( „… die Römer“ ); Lukan 1,577 horruit Alcides … Megaeram ; 8,341f. te … horruit auditu ( „er fürchtete dich schon vom Hörensagen“ ); Stat. Theb. 1,711f. ( über Apollon ) te … Python … ovantem | horruit. Der Thes. VI 3, 2981,4 -9 ad loc. deutet das Verb hier positiv, als Ausdruck der Bewunderung ( „de stupore, admiratione“ ) – ein nur spätantik sicher bezeugter Gebrauch ( Claudian rapt. 2 praef. 45 f. te Libyci stupuere sinūs, te maxima Tethys | horruit, inposito cum premerēre polo ; Mart. Cap. 4,424 complures … eam sc. Dialecticam divorum, qui inter initia deriserant, horruerunt ). Besser passt hier der dunkle Unterton –

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samt seiner drastischen Hyperbolik: „einst zitterte Juppiter vor ihm; jetzt sieht Fortuna ihn fliehen“ ( M. DEUFERT in epist.). 241-242 quem fracto gurgite Pontus | et veneratus erat submissā Bosphoros undā : „dem mit gebändigtem Strudel der Pontus und mit unterwürfiger Woge der Bosporus gehuldigt hatten“. Deutlicher als das plakative tremor Ponti ( 239 ) zielt der Passus hier auf die Region am Schwarzen Meer, und damit auf Pompeius’ größten außenpolitischen Erfolg : sein Eingreifen gegen Mithradates, und v.a. die anschließende Neuordnung des Ostens. Mithradates VI. von Pontos, der in Kleinasien ein Großreich errichtet hatte, verwickelte als einer der hartnäckigsten Gegner Roms die späte Republik in insgesamt drei Kriege ( 8963 v.Chr.). Im dritten Mithradatischen Krieg ( 73-63 v.Chr.) löste Pompeius 66 v.Chr. L. Licinius Lucullus ab, dem es in einer langen Kampagne nicht gelungen war, dem pontischen König eine entscheidende Niederlage zuzufügen. Noch im selben Jahr schlug Pompeius Mithradates vernichtend. Der König entkam; doch später zwang ihn sein eigener Sohn Pharnakes zum Selbstmord. Die beiden imperia extraordinaria, mit denen der Senat Pompeius für den Krieg gegen die Seeräuber bzw. Mithradates ausgestattet hatte ( die lex Gabinia bzw. die lex Manilia ), gaben ihm die Machtfülle, nach dem Sieg über den pontischen König die Verhältnisse im Osten des Reiches grundlegend neu zu ordnen ( seine bedeutendste und folgenreichste politische Leistung überhaupt): die Provinz Cilicia wurde erweitert, die Provinzen Bithynia et Pontus sowie Syria neu eingerichtet. Zudem achtete Pompeius darauf, dass zwischen den Provinzen des Reichs und feindlich gesonnenen Anrainern überall Klientelstaaten entstanden ( cf. WITTKE 2007, 160 f.; Augustus adoptierte die Praxis ). Rom hatte seine Machtsphäre im Osten damit erheblich ausgedehnt. Ein Erfolg auf ganzer Linie war das Unternehmen nicht zuletzt finanziell. Pompeius füllte die Staatskasse mit 480 Millionen Sesterzen und erhöhte „die jährlichen Einkünfte Roms aus dem Osten von 200 Mio. auf 340 Mio. Sesterze“ ( CHRIST 1979, 283 ). Pontus Euxinus und Bosporus symbolisieren den neben Syrien wichtigsten Teil von Pompeius’ Eroberungen, die neue Doppelprovinz Bithynia et Pontus, die am Bosporus begann und sich entlang der Südküste des Pontus Euxinus erstreckte ( cf. Prop. 3,11,67 f. signa … modo Pompeiā, Bospore, capta manu ; Lukan 8,178f. Bosporon et … Pontum | spectamus ). Stellvertretend für die unterworfenen Länder werden hier die Gewässer personifiziert ( cf. BC 114 tua, Nile, gementia claustra ), wie es auch bei Triumphzügen geschah, bei denen sie meist als Statuen mitgeführt wurden

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( cf. Prop. 2,1,31f., zit. S. 1088; Ov. ars 1,223f. hic est Euphrates, praecinctus harundine frontem ; | cui coma dependet caerula, Tigris erit ; trist. 4,2,41f. cornibus hic fractis … decolor ipse suo sanguine Rhenus erat ; Tac. ann. 2,41,2: bei Germanicus’ Triumphzug werden simulacra montium, fluminum, proeliorum mitgeführt ; Florus epit. 2,13,88 Caesar in patriam victor invehitur, primum de Gallia triumphum trahens : hic erat Rhenus et Rhodanus et ex auro captivus Oceanus eqs.; s. auch Josephus bell. Iud. 7,145; Claudian c. 24,22-25 ; den Nil auf einer Tempeltür beschreibt Verg. georg. 3,28f. hic undantem bello magnumque fluentem | Nilum ; cf. M. ERREN ad loc.). Das Bild wirkt auch, weil Bosporus und Schwarzes Meer einst gefürchtete Gewässer waren ( cf. Hor. c. 2,13,14 f. navita Bosphorum | saevum perhorrescit [ saevum DELZ : Poenus codd.]; 3,4,30 insanientem … Bosphorum ; Ov. trist. 3,13,27f. terrarum pars paene novissima, Pontus | Euxinus falso nomine dictus ; 4,4,55-60; Val. Flacc. 2,613-615 ) – und nun ‚gebrochen‘ Pompeius huldigen. So ehren nach Ende der Bürgerkriege Nil, Donau, Tigris und Oceanus Augustus ( Hor. c. 4,14,45-52; s. auch die Demutsgeste der See Oenothea gegenüber, Sat. 134,12,4-6 mihi pontus inertes | submittit fluctūs … mihi flumina parent, und Bd. IV ad loc.). Caesar hingegen hätte lieber den Rhein und den Oceanus in Fesseln gelegt, statt Bürgerblut zu vergießen ( Lukan 3,76f. ut vincula Rheno | Oceanoque daret ). Ähnlich sprechen augusteische Autoren vom E u p h r a t ( als Symbol des Partherreichs : Hor. c. 2,9,21f. Medum … flumen gentibus additum | victis minores volvere vertices, „der Mederfluss, hinzugefügt überwundenen Völkern, wälzt nun bescheidenere Wogen“; Verg. Aen. 8,726 Euphrates ibat iam mollior undis ; Prop. 3,4,3 f. parat ultima terra triumphos ; | Tigris et Euphrates sub tua iura fluent ), aber auch vom R h e i n ( Ov. fast. 1,285 f. pax erat, et vestri, Germanice, causa triumphi, | tradiderat famulas iam tibi Rhenus aquas ; s. auch Claudian c. 21,220-231 Rhenum … minacem | cornibus infractis adeo mitescere cogis eqs., zu Stilicho ) und vom N i l ( Prop. 2,1,31 f., zit. S. 1088; s. auch Claudian c. 7,122f. summissus adorat | Eridanus sc. Honorium blandosque iubet mitescere fluctūs, vom Po ). Das Versende gurgite Pontus verwenden bereits Vergil ( Aen. 11,624 alterno procurrens gurgite pontus ) und Lukan ( 5,234 ; cf. 7,813 gurgite ponti ); zu dem Versschluss Bosphoros undā cf. Lukan 5,436 Bosporos undas. Zu venerari cf. OLD s.v. 2 : „to pay homage to ( persons, esp. rulers regarded as quasi-divine), do obeisance to, etc.“ ( ab der Kaiserzeit ; der Sing., statt venerati erant, verdankt sich der Kongruenz ). Beide Gewässer begleitet jeweils ein Abl. instr., bestehend aus einem PPP und einem ‚aquatischen‘ Nomen ( fracto gurgite Pontus – submissā Bosphoros undā ; s. auch BC 252 submissa Fides, „die geschlagene Fides“ ). Zu dem nachgestellten et cf.

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BC 68 Parthenopen inter magnaeque Dicarchidos arva ; 69f. spiritus, extra | qui furit effusus ). fracto gurgite : Zu gurges cf. OLD s.v. 2 : „( in weakened sense, esp. poet.) the waters of a river, sea, etc., ‚flood‘, ‚stream‘ “ ( s. auch 72,7 in eundem gurgitem tractus sum, von Trimalchios piscina ). Der singuläre fractus gurges meint nicht den rauen Seegang, den heftige Winde oder gefährliche Riffe verursachen ( cf. u.a. Hor. c. 2,14,14 fractisque rauci fluctibus Hadriae, und NISBET – HUBBARD ad loc.; Ps.-Sen. Herc. Oet. 710 fractus austro pontus … tumet ; Sil. Ital. 1,592 f. fracta … anhelant | aequora, „die vom Boreas gebrochenen Wogen brüllen“, und OLD s.v. frangō 4 a: „( esp.) to make ( water ) rough and choppy, churn up“ ), sondern – parallel zu submissa unda – den militärisch oder politisch ‚gebrochenen‘ Feind ( OLD s.v. 9 ). Dieses Bild kann seinerseits auf Naturgewalten übertragen werden ( OLD s.v. 6: „to break the force of, mitigate, temper“ ), etwa wenn Caesars Heer den im Winter geschwollenen Rubikon überwindet ( Lukan 1,221-224 molli … rumpit | turba vado faciles iam fracti fluminis undas. | Caesar … adversam superato gurgite ripam | attigit eqs.), oder „den mit arktischem Strudel schäumenden Rhein“ ( 1,371 fregit … Arctoo spumantem vertice Rhenum ). 243 pro pudor : „o Schande“. Ein zweiter auktorialer Kommentar kurz nach quid tam parva queror ? ( 238; s. auch BC 19 heu, pudet effari ). Florus bewertet dasselbe Ereignis mit einem turpe dictu ! ( epit. 2,13,20; zit. S. 1272 ), Lukan mit heu pudor ! ( 2,708 heu pudor ! exigua est fugiens victoria Magnus, „… als so geringer Erfolg gilt Caesar Pompeius’ Flucht !“; zu dem Wortspiel exigua – Magnus cf. E. FANTHAM ad loc.). Mit derselben Interjektion wie hier bricht Lukan den Stab über Alexanders ‚Weltkrieg‘ ( 10,47 ), Caesars Liaison mit Kleopatra ( 10,77 f. pro pudor, oblitus Magni tibi, Iulia, fratres | obscaenā de matre dedit ) und v.a. Pompeius’ Ermordung ( 8,597 pro superum pudor ! ). Zu der erst in neronischer Zeit, und meist in politischen Aussagen belegten affektiven Interjektion cf. Sat. 81,5 ( und Bd. I, S. 43 ad loc.), ferner Anth. Lat. 406,6 R. == 402,6 Sh.B. pro pudor, hoc sacrum Magnus ut aspiceret ! ( über ein magisches Ritual ); KERSHAW 1991a. – Pro mit dem Vokativ eines Abstraktums findet sich von der frühen Kaiserzeit an; cf. HOFMANN 28; PETERSMANN 110. 243 imperii deserto nomine fūgit : „… ließ den Titel ‚Imperator‘ im Stich und floh“. Das nomen imperii ( imperii Gen. epexegeticus oder definitivus) taucht in historischen Kontexten regelmäßig auf ( v.a. bei Cicero), mit zwei klar zu

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scheidenden Bedeutungen. In einem engeren Sinn meint es – wie auch hier – den „militärischen Rang“ ( cf. OLD s.v. nomen 4 c), „die Befehlsgewalt“, wie sie v.a. einem Imperator oder Konsul zustand ( e.g. Cic. fam. 2,16,2 nomen … imperi, quo appellor ; Sest. 24 summi imperi nomine armati ; Sall. Cat. 2,1 nomen imperi id sc. rex primum fuit, „König war der erste Herrschertitel“; Append. Sall. in Cic. 6 ; Liv. 7,18,6 vel reges … vel si quod tristius sit imperii nomen ; Lukan 5,389f. nomen inane | imperii rapiens, anlässlich Caesars Wahl zum Konsul des Jahres 48 ). Zu Beginn des Bürgerkriegs hatte Pompeius auf alle Fälle ein prokonsularisches, vielleicht sogar ein noch umfassenderes imperium inne ( cf. GRUEN 1974, 542; K.M. GIRARDET, Imperia und provinciae des Pompeius 82 bis 48 v. Chr. : Chiron 31, 2001, 153-209; F.J. VERVAET, The Official Position of Cn. Pompeius in 49 and 48 BCE : Latomus 65, 2006, 928-953 ). Bisweilen steht „der Name des Reiches“ aber auch fast synonym für das römische Reich selbst ( e.g. Cic. Verr. 2,4,68 : auswärtige Regenten wollen das Kapitol schmücken, ut templi dignitas imperique nostri nomen desiderat ; agr. 1,2 nomen imperii in commune odium orbis terrae vocabatur ; Pis. 48 nomen ac dignitatem imperi regi Aegyptio vendidit ). Mit anderen Worten : Pompeius flieht als realer Würdenträger – und als Galionsfigur Roms. Die Junktur nomen deserere ( hier als abl. abs.) kehrt bei Plinius wieder ( ep. 5,6,12 aestate … immensi … fluminis nomen arenti alveo deserit, „im Sommer gibt der Tiber dank seines trockenen Betts den Titel ‚mächtiger Strom‘ preis“; Thes. V 1, 676,40 f. ). 244 ut Fortuna levis Magni quoque terga videret : „… auf dass die unwägbare Fortuna auch des Großen Rücken erblicke.“ Das gleiche Bild bietet Pompeius bei seiner Flucht vom Schlachtfeld in Pharsalos ( Cic. fam. 7,3,2 [ April ( ?) 46 ] victus turpissime amissis etiam castris solus fūgit ; s. auch Hannibals Flucht ins Exil, Juv. 10,159-162 vincitur … et in exilium praeceps fugit atque ibi magnus … cliens sedet eqs.). Anders Konsul Flaminius angesichts der Katastrophe am Trasimenischen See: dabit exemplum non vile futuris | Flaminius, ne terga Libys … umquam | consulis adspiciat eqs. ( Sil. Ital. 5,638-643; auch Turnus will nicht als Hasenherz enden: Verg. Aen. 12,645 terga dabo et Turnum fugientem haec terra videbit ? ). Fortuna lĕvis erinnert an die sprichwörtliche Unberechenbarkeit des Glücks ( cf. BC 78 volucrem Fortunam ; 102 Fortuna levi … pectore, und S. 1059 ad loc.). Dank seiner Position kommt der Leser freilich kaum umhin, das Adjektiv ( in diesem Fall als Genetiv – und in boshaftem Gegensatz zu Pompeius’ ‚Größe‘ ) auch zu Magni zu ziehen: „des wankelmütigen Pompeius“, der Rom im Stich lässt. „When at last at the end of this sentence

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Pompey flees from Rome …, it is his own (cog )nomen, Magnus, which he betrays and leaves behind.“ ( CONNORS 1989, 130; s. auch oben S. 1273 zu dem sarkastisch in Ringkomposition zu Anfang und Ende des Abschnitts zitierten militärischen Ehrentitel: 238 Magnus – 244 Magni ; zu Lukans Wortspielen cf. 1,135 stat Magni nominis umbra, und FEENEY 1986 passim ; wie ein Nachgedanke an Pompeius klingt Vergils Vers über Ardea, Aen. 7,412f. et nunc magnum manet Ardea nomen, | sed fortuna fuit, „… doch ihr Glück ist Geschichte“ ). Das böse Bild der Fahnenflucht wiegt umso schwerer, als Pompeius einst Fortunas Günstling war ( cf. Cic. Manil. 47f. fuit … ad res magnas bene gerendas divinitus adiuncta Fortuna eqs.; Vell. Pat. 2,40,4 huius viri fastigium tantis auctibus Fortuna extulit eqs., zit. S. 1279; CHAMPEAUX 1987, Bd. 2, 236-259; zu Caesars Fortuna s. S. 1012f. ). Nun jedoch lässt sie ihn im Stich ( cf. Liv. 9,17,6 quid nisi longa vita … Magnum modo Pompeium vertenti praebuit fortunae ?, „was, wenn nicht sein langes Leben, lieferte unlängst Pompeius dem Umschlag seines Glücks aus ?“; Vell. Pat. 2,53,3, zit. S. 978 ; Anth. Lat. 400 R. == 396 Sh.B. Magne, premis Libyam ; fortes tua pignera nati | Europam atque Asiam. nomina tanta iacent ! ; 401 R. == 397 Sh.B. quam late vestros duxit Fortuna triumphos, | tam late sparsit funera, Magne, tua ; s. auch S. 978f. zu BC 63 ). Lukan erhebt Pompeius’ wankelmütige Fortuna zum Leitmotiv. Vor Ausbruch des Bürgerkriegs vertraut er blauäugig auf sein einstiges Glück ( 1,134 f. multumque priori | credere Fortunae ); noch im Krieg gewinnt es ihm viele Verbündete ( 3,169f. totum Magni Fortuna per orbem | secum casuras in proelia moverat urbes ). Doch bald mehren sich die Zeichen, dass Fortuna sich von ihm abgewendet hat ( u.a. 2,699-701 dux etiam votis hoc te, Fortuna, precatur, | quam retinere vetas, liceat sibi perdere saltem | Italiam, „mit Gebeten wendet sich der Feldherr an dich, Fortuna: wenigstens sei ihm vergönnt, Italien zu verlieren, das zu behalten du ihm verwehrst“; 2,727 f., zit. S. 1278; 3,21 Fortuna est mutata toris, „… mit der neuen Ehe“ ). Mit Pharsalos wendet das Blatt sich endgültig ( 7,647-649 iam Magnus transisse deos Romanaque fata | senserat infelix, totā vix clade coactus | Fortunam damnare suam ; 8,84 f. vivit post proelia Magnus, | sed Fortuna perit ). Nun fordert sie von ihm „die Strafe für ihre lange Gunst“ ( 8,21-31 poenas longi Fortuna favoris | exigit a misero eqs.). Mit seinem Tod zahlt er auf einen Schlag für all die Jahre ungetrübten Glücks ( 8,701-708, zit. S. 1017 ). Etliche Übersetzer deuten den ut-Satz konsekutiv ( e.g. HOLZBERG : „so dass die unbeständige Fortuna auch den Rücken des ‚Großen‘ sah“ ). Seine Schärfe entfaltet er allerdings erst in der finalen Lesart ( cf. Florus epit. 2,13,51f., über Pompeius nach Pharsalos: superstes dignitatis suae vixit, ut

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cum maiore dedecore … fugeret, … ut denique in Pelusio litore … trucidatus sub oculis uxoris … moreretur ). terga videret : Das seit augusteischer Zeit belegte terga videre ( u.a. Liv. 27,13,7 terga vestra vidisset hostis ? ; Quint. decl. 246,10 hostium terga vidistis ; Sil. Ital. 12,283 f. mea terga videre | contigit Ausoniae ? ) folgt alten Wendungen wie terga vertere bzw. terga ( fugae ) dare ( cf. S. 1271 ). Beides verschmilzt in der Mischform video aliquem terga dare ( u.a. Liv. 25,41,6 terga dantes suos viderunt ; Ov. met. 13,223f. vidi, puduitque videre, | cum tu terga dares ; Sil. Ital. 12,498 f. Capuā … vidente | terga dabo ? ). Wie ein höhnischer Kommentar zu Pompeius liest sich Iokastas Rat an Oedipus: haud est virile terga Fortunae dare ( Sen. Oed. 86; cf. Phoen. 188-190 hoc decebat roboris tanti virum, | non … victum malis | dare terga ).

245 – 295 Der Krieg der Götter Mit einem scharfen Schnitt wechselt die Handlung ein letztes Mal die Ebene, von der menschlichen zurück auf die göttliche. Die Auflösung der politischen Institutionen und des staatlichen Gefüges, die mit der Flucht der Regierung einhergeht, greift auf die Götter über ( die das Chaos letztendlich verantworten; cf. bes. BC 116-121 ). Pax, Fides, Justitia und Concordia ziehen sich in die Unterwelt zurück ( neun Verse und vier Gottheiten; dem Frieden folgen drei Vertreter von Recht und Ordnung, mit immer markanteren Attributen der Trauer : submissa – crine soluto – maerens lacerā … pallā ); wie bei einem Wachwechsel steigen von dort ihre bösen Gegenspieler empor : Erinys, Bellona, Megaera, Letum, Insidiae, Mortis imago und Furor ( zehn Verse und sieben Gottheiten ), und zu guter Letzt Discordia ( deren Ekphrasis sieben Verse umfasst ). Zwei Paare stechen heraus: Pax und Furor ( in erster bzw. vorletzter Position ), vor allem aber Concordia und Discordia. Den breitesten Raum nehmen die beiden dämonischen Protagonisten ein, Furor und Discordia ( mit sechs bzw. sieben Versen ). Als dessen Inbegriff verkörpern sie den Bürgerkrieg – allen voran die Person gewordene Zwietracht, die von zentraler Warte aus den Konflikt entfacht ( offen bleibt, was sie mit Dis und v.a. Fortuna verbindet, deren Willen sie letztlich auf der menschlichen Ebene umsetzt ). In fast allegorischen Bildern sehen wir die verbindenden Kräfte des Staats erodieren. Die Flucht der guten Götter symbolisiert den Verfall aller politischen und moralischen Normen. Die Welt ist aus den Fugen; wie in einem Alptraum dringen die Mächte der Hölle ins Reich der Menschen ein: die Grenze zwischen Leben und Tod verschwimmt, das Chaos gewinnt die Oberhand. Ähnliche Bilder findet die Octavia, wenn nach dem Auszug der olympischen Götter auf Erden das Böse herrscht ( Ps.-Sen. Oct. 911-913 nullum Pietas nunc numen habet | nec sunt superi : | regnat mundo tristis Erinys ), und Rom in Erwartung des mörderischen Vierkaiserjahrs „sich am Bürgerblut weidet“ ( 982 civis gaudet Roma cruore – der Schlussvers der Tragödie ; s. oben S. 1249 ). Den Auszug des Göttlichen aus der Welt beschrieb H e s i o d in einer archetypischen Szene ( erga 197-200 ). Die beiden Mächte, die das Schlechte in Schach halten, Αἰδώς ( „Scham, Ehrgefühl, Anstand“ ) und Νέμεσις ( „Vergeltung“; lt. M.L. WEST ad loc. „public disapproval“ ), kehren den Menschen im Eisernen Zeitalter desillusioniert den Rücken und ziehen sich auf den Olymp zurück.

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Im Geiste Hesiods beschrieben Autoren vom Hellenismus an die Göttin des Rechts, die sich von der Menschheit abwendet. Bei Arat ( 96-136 ) wandelt Dike im Goldenen Zeitalter auf Erden und bürgt für Gerechtigkeit ; doch im Ehernen Äon nimmt sie enttäuscht Abschied und weilt als Sternbild am Himmel ( cf. S. 1301f. ). Germanicus’ Dike zeigt sich nach dem Goldenen Zeitalter nur noch selten auf Erden ( Arat. 120-124 at postquam argenti crevit deformior aetas, | rarius invisit maculatas fraudibus urbīs eqs.). Auch V e r g i l s Justitia zieht sich am Ende der Saturnischen Urzeit in den Himmel zurück ; ob sie dereinst wiederkehrt, bleibt offen ( georg. 2,473f., zit. S. 1302; s. auch Ps.-Sen. Oct. 422-424 : im Eisernen Zeitalter neglecta terras fugit et mores feros | hominum, cruentā caede pollutas manūs | Astraea virgo, siderum magnum decus, und A.J. BOYLE ad loc.). Im Culex verabschieden sich Justitia und Fides von der Welt ( App. Verg. Culex 226 f. rure recessit | Iustitia et prior illa Fides ), bei Juvenal Justitia und Pudicitia ( 6,19f. ). Bei Claudian drängt die Furie Megaera Justitia zur Flucht ans Firmament ( c. 3,354-367 ). Bei Silius floh einst Fides vor dem „in Boshaftigkeit so fruchtbaren Menschengeschlecht“ in den Himmel ( 2,496-498; zit. 2,498 fecundum in fraudes hominum genus ; cf. LIEBESCHUETZ 1979, 175-179). Von der Ur- in die Zeitgeschichte wechselt Lukan: Libertas flieht vom Schlachtfeld bei Pharsalos und findet Asyl bei Skythen und Germanen ( 7,432-436 fugiens civile nefas redituraque numquam | Libertas ultra Tigrim Rhenumque recessit eqs.). Zu Beginn des Epos, auf der Suche nach den Ursachen des Bürgerkriegs, fragt er, „was den Frieden aus der Welt verbannt habe“ ( 1,69 quid Pacem excusserit orbi ). Ovid und Seneca erweitern das Szenario organisch, wenn gute Gottheiten die Erde räumen und statt ihrer – wie hier – böse Mächte Einzug halten. Einen universalen Prozess schildert O v i d. Mit Anbruch des Eisernen Zeitalters verlassen die Tugenden ( als letzte Astraea-Justitia ) eine Erde im ‚Bürgerkrieg‘ ( met. 1,144 f. ). Ihren Platz übernimmt ein Reigen personifizierter Verbrechen ( 1,128-131 protinus inrupit venae peioris in aevum | omne nefas ; fugēre pudor verumque fidesque, | in quorum subiēre locum fraudesque dolique | insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi ; 1,149f. victa iacet pietas, et virgo caede madentes | ultima caelestum terras Astraea reliquit ; cf. F. BÖMER ad loc.) – und die Giganten attackieren den Himmel ( 1,151-153 ). Einen Schimmer Hoffnung bewahrt das Szenario Pont. 1,6,29-46, wenn nach der Flucht der Götter immerhin Spes auf der Erde bleibt ( cf. J.F. GAERTNER ad loc.) In S e n e c a s Tragödien lesen sich diese Szenen wie Abbilder psychischer Prozesse bzw. Metaphern für die dunklen Leidenschaften, welche die

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Protagonisten umtreiben ( cf. dial. 4,35,5 qualia poetae inferna monstra finxerunt succincta serpentibus et igneo flatu, quales ad bella excitanda discordiamque in populos dividendam pacemque lacerandam deae taeterrimae inferum exeunt, talem nobis iram figuremus ). Im Thyestes verweist Atreus die Pietas des Hofs und lädt statt ihrer die Mächte des Unheils ein ( 249-254 excede, Pietas, si modo in nostra domo | umquam fuisti. dira Furiarum cohors | discorsque Erinys veniat et geminas faces | Megaera quatiens : non satis magno meum | ardet furore pectus, impleri iuvat | maiore monstro ; s. auch S. 1338 ). Im Agamemnon fliehen Recht, Pudor und Fides vom mykenischen Königshof, Einzug halten Bellona und Erinys ( 79-86 iura pudorque | et coniugii sacrata fides | fugiunt aulas ; sequitur tristis | sanguinolentā Bellona manu | quaeque superbos urit Erinys eqs.; s. auch Ps.-Sen. Oct. 160-164 sancta Pietas extulit trepidos gradūs | vacuamque Erinys saeva funesto pede | intravit aulam eqs.: die Pietas verlässt Claudius’ Hof ; ihren Platz übernimmt die ‚Erinye‘ Agrippina ; Stat. Theb. 11,411-415: vor Eteokles’ und Polyneikes’ Zweikampf fliehen Virtus, Bellona, Mars und Minerva, während die Furien voller Vorfreude auf das abscheuliche Schauspiel ihren Platz einnehmen ). Das Gegenbild – auch zum BC – liefern jene versöhnlichen Szenen, in denen nach einem Bürgerkrieg oder dem Beginn einer neuen politischen Ordnung segensreiche Götter zur Erde zurückkehren. Vergils vierte Ekloge feiert die Wiederkunft von Saturns Reich und Dike ( ecl. 4,6 iam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna ; cf. W. CLAUSEN 120f. ad loc.), Horazens carmen saeculare die augusteische Restauration und die Heimkehr von Fides, Pax, Honos, Pudor und Virtus ( 57-60; 17 v.Chr.). Unter Nero kehren das Goldene Zeitalter und Themis zurück ( Calpurn. Sic. 1,42-88 ), unter Nerva Fides, Clementia und Potestas ( Mart. 12,6,3f. ), unter Theodosius Concordia, Virtus, Fides, Pietas, Justitia ( Claudian c. 3,51-57 en aurea nascitur aetas, | en proles antiqua redit eqs.; cf. H.L. LEVY ad 1,55f.; s. auch c. 17,166-173 ). Anders als bei Ovid und Seneca, verpflanzt die Passage hier das alte Motiv aus der mythischen Frühzeit in die historische Ära der späten Republik ( CONNORS 1989, 137 ). ‚Zeitgeschichte‘ schreiben auch Vergil und Horaz, wenn nach dem Chaos der Bürgerkriege die huldvollen Götter zurückkehren, Symbol und Synonym für die neue Weltordnung unter Augustus. An diese ‚Aktualisierung‘ der Augusteer knüpft das BC an; doch zugleich hebt es als der spätere Text die versöhnlichen Bilder auf, und entlarvt Vergils und Horazens Vision als Illusion ( s. auch S. 1305-08 und 1338-41 ).

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245 – 253 Der Rückzug der guten Mächte 245 ergo tanta lues divum quoque numina vicit : „Folglich bezwang eine solche Auflösung auch die Mächte der Götter“. Bei Lukan senden „drohende Götter“ Vorzeichen des Bürgerkriegs, die den Menschen alle Hoffnung rauben ( 1,522-525, zit. S. 1112 ). Hier greifen umgekehrt die Ängste der Menschen wie eine Epidemie auf die Himmlischen über ( cf. 246 caeli timor ; s. auch 250 victum caput sc. Pacis; die Mächte der Hölle hingegen sehen ihre Stunde gekommen: BC 254-263 ). Parallel zum prosaischen numen deorum ( e.g. Cic. div. 2,47 u.ö.) erscheinen in der Dichtung seit Vergil die numina divum, „die Majestät, Macht, Gegenwart, der Wille, das Walten der Götter“, freier „die majestätischen, mächtigen, gegenwärtigen, waltenden Götter“ ( vielleicht unter dem Einfluss der Junktur numine divum, die wohl auf Ennius zurückgeht, und die sich v.a. Vergil zueigen machte; cf. NORDEN 4 1957 ad Aen. 6,368f., und ebd. S. 375 ); cf. Aen. 2,123; 4,204 media inter numina divum ; ferner Ov. met. 6,542 f. si numina divum | sunt aliquid ; 8,739 ; App. Verg. Aetna 85; Ps.-Sen. Oct. 963f. parce precari, | quīs invisa es, numina divum ; Ilias Latina 52 f. Calchas numina divum | consulit. – Zu dem Begriff numen, der zurückreicht in die frühitalische Religion, cf. BAILEY 1935, 60-69; LATTE 57 ; DUMÉZIL 1966, 33-45. Zu ergo cf. NORDEN 4 1957, 253: „Das schöne Ethos“ dieser Partikel „(setzt ) den Abschluß einer langen unausgesprochenen Gedankenreihe voraus“. lues : Der ursprünglich wohl medizinische Begriff ( cf. OLD s.v. lues 1 : „a plague, epidemic, contagion“; s. auch BC 192 paulo ante lues ) wird seit der späten Republik oft metaphorisch verwendet, für moralisch kranke Individuen, oder für die Gesellschaft insgesamt ( cf. OLD s.v. 3: „( fig.) corruption ( of morals, etc.) or corrupting influence; also, collapse of morale“, und u.a. Cic. har. resp. 24 eos ludos haec lues impura polluerit ; Manil. 2,640 tectae … lues sub fronte vagantur, „unter der Oberfläche lauern moralische Abgründe“; Sen. ep. 95,29 lues ista ( die zeitgenössische Amoral ); Plin. nat. 29,27 lues morum … vatem prorsus cottidie facit Catonem ). Hier ist die Auflösung der öffentlichen Ordnung nach Pompeius’ Flucht gemeint ; der eingangs geschilderte Verfall der Sitten schwingt freilich mit ( BC 1-60 ). Allgemeiner verwendet bei Lukan Nigidius Figulus den Begriff in seiner Weissagung des kommenden Bürgerkriegs ( 1,644 f. urbi generique paratur | humano matura lues, „… eine baldige Katastrophe“; s. auch Stat. Theb. 10, 854 : Theben droht im Bruderkrieg die suprema lues, „die völlige Vernichtung“ ).

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vicit : Nicht wenige Fürsprecher fand das überlieferte vidit ( wohl ein Echo von 244 videret ; so u.a. ERNOUT ; PELLEGRINO ; GRIMAL ; ARAGOSTI ). Doch ungeachtet diverser exotischer Auslegungen, die das Wortfeld nicht abdeckt ( u.a. GUIDO : „prese di mira“, ~ „hatte es auf die Götter abgesehen“; SCHÖNBERGER 308: „es kam bis zu den Göttern“; NOVÁKOVÁ 1960, 14f.: „besuchte, heimsuchte“ ), ergibt es kaum Sinn. Wäre das Verb in der Bedeutung „heimsuchen“ belegt, käme PUCCIONIs visit infrage ( 1979, 276: „tanto contagio visitò ( raggiunse ) anche gli dèi“ ). Die Konjektur vicit ( so wohl unabhängig voneinander JACOBS, G. HERMANN ap. MÖßLER 1865, 11 Anm. und BÜCHELER ), ist zurecht die Wahl mehrerer Herausgeber ( u.a. BALDWIN ; STUBBE ; MÜLLER ; DÍAZ Y DÍAZ ). Alternativ denkt M. DEUFERT in epist. an cepit ( ~ „suchte heim“; cf. OLD s.v. capiō 21: „to take a hold of, afflict, overcome“, und e.g. Verg. ecl. 2,69 quae te dementia cepit ! ). 246 consensitque fugae caeli timor : „und es stimmte für die Flucht ein Himmel in Furcht.“ Auf den ersten Blick scheint die verängstigte mitis turba deum ( 247 ) Pompeius’ Rückzug ihren Segen zu erteilen. Doch wie der nächste Satz zeigt, denken sie selbst an Flucht. Consentire meint hier weniger „billigen, akzeptieren“ ( cf. OLD s.v. 3: „to be of the same mind as to particular points, to concur in opinion, agree deliberately“ ) als „votieren für“ ( cf. OLD s.v. 5 a : „( w. dat.) to be in sympathy with, favour“; s. auch LEMAIRE 1824, 111: „Dii æque fugerunt timidi, ac Pompeius.“ ). Caelum steht metaphorisch-kollektiv für die vier freundlichen Gottheiten BC 246-253 ( cf. OLD s.v. 3b: „in some cases … ‚the gods collectively‘“ ), im seltenen Gen. subi. ( caeli timor ~ timor caelestium ; cf. Sen. dial. 1,1,2 circa sc. terram properantis caeli fugam, „des Himmels rasende Bewegung um die Erde“; Thes. III, 89,18-23 deutet die Stelle hier zu Unrecht als Gen. obi., ~ „die Furcht vor dem Himmel“ ). 246-248 ecce per orbem | mitis turba deum terras exosa furentes | deserit : „Siehe, über den Erdkreis hin kehrt eine sanfte Schar Götter rasenden Ländern voller Abscheu den Rücken“. Wir sehen die Göttinnen zerrissen zwischen drei höchst unterschiedlichen Gefühlen: Sanftmut ( 247 mitis ), Furcht ( 246 timor ) – und zugleich Groll und Abscheu ( 247 exosa ). Das Quartett, das im BC in die Unterwelt flieht – Pax, Fides, Justitia und Concordia –, knüpft an traditionelle Listen personifizierter ‚guter‘ Abstrakta oder vergöttlichter Begriffe an. Einschlägige Beispiele liefert

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C i c e r o ( u.a. leg. 2,28 bene vero, quod Mens, Pietas, Virtus, Fides consecrantur humanae, quarum omnium Romae dedicata publice templa sunt ; nat. 2,61; 2,79, zit. S. 1300; zu den höchst verschiedenen Genesen dieser z.T. sehr alten Gottheiten cf. WISSOWA 327-338 ). Ähnliche Listen führt die kaiserzeitliche Dichtung ( cf. Hor. c. saec. 57-59 iam Fides et Pax et Honos Pudorque | priscus et neglecta redire Virtus | audet : dank Augustus kehren die Tugendgötter auf die Erde zurück; Ov. fast. 3,881f.; Juv. 1,115 f. colitur Pax atque Fides, Victoria, Virtus … Concordia ). – Der Satz ‚zitiert‘ Germanicus’ Schilderung der Flucht Dikes ( cf. Arat. 100 exosa heu mortale genus sc. Virgo; 137 deseruit propere terras iustissima virgo ; so POLETTI 2017, 115 Anm. 111 ). In der Junktur per orbem ( cf. frg. 28,5 M.4 signa effusa per orbem, und e.g. Verg. georg. 1,505 tot bella per orbem ; Lukan 1,61 pax missa per orbem ; Ps.-Sen. Oct. 507 ) schwingt oft ein totum per orbem mit ( e.g. Hor. ep. 2,1,254 totum confecta duella per orbem ; Lukan 3,169 f. totum Magni Fortuna per orbem … in proelia moverat urbes ). – Der Katalog der ausziehenden Gottheiten beginnt markant mit einer bukolischen Dihärese ( ecce per orbem ). Das Enjambement ahmt das plötzliche Verschwinden der Götter nach ( deserit ; cf. 250f. relicto | orbe ). Zu ecce cf. S. 917. mitis turba deum : Enallage für turba mitium deorum (cf. Ov. met. 11,134 mite deum numen, „die gnädige Macht der Götter“ ). Zur turba de(or)um cf. Cic. nat. 1,39 Chrysippus … magnam turbam congregat ignotorum deorum ; Ov. fast. 2,667 f. deorum | cuncta Iovi cessit turba ; trist. 4,1,53 f. deorum | cetera cum … Caesare turba facit ( „… hält zum Kaiser“ ); Corp. Tib. 3,10( 4,4 ),25 pia turba deorum, und H. TRÄNKLE ad loc.; Sen. Thy. 843; frg. 39 Haase omnem istam ignobilem deorum turbam ; Append. Verg. Aetna 62; Stat. silv. 3,1,108f.; Theb. 10,910 f. premit undique lentum sc. Iovem | turba deum ; Juv. 13,46 ; s. auch Prop. 4,11,22 Eumenidum … turba severa. – Zum kontrahierten Gen. Pl. deum ( 109,9,5; 117,3; BC 127 ) cf. Thes. V 1, 886,25-37. terras … furentes : Gemeint sind „Länder im Bürgerkrieg“ ( cf. Ov. met. 1,149 f. caede madentes … terras Astraea reliquit ; zit. POLETTI 2017, 115 Anm. 111 ). Zu dieser speziellen ( in den Wörterbüchern nicht vermerkten) Qualität von furere, „für den/im Bürgerkrieg rasen“ ( cf. GUIDO ad loc.: „la terra in rivolta“ ), cf. BC 168 victores ite furentes, ferner u.a. Sen. suas. 6,6 furentia toto orbe civilia arma ; Sen. ep. 14,12 M. Cato … furentium principum ( sc. Pompei et Caesaris ) armis medius intervenit ; Anth. Lat. 463,1 R. == 461,1 Sh.B. populos … furentīs. Prominent tritt sie bei Lukan in Erscheinung ( u.a. 1,68 f. quid in arma furentem | impulerit populum ; 1,250 praeda furentum ; 2,249 f. populi … furentis | cladibus inmixtum civile … bellum ; 4,26 f. pudor arma furentum | continuit ; 7,123-125 arma | permittit populis sc. Pompeius

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frenosque furentibus ira | laxat ). Furentes sind v.a. Pompeius ( 1,115f. ) und Caesar ( 2,551f. ). – S. auch S. 969 zu BC 60 furor. Syntaktisch stehen die terras furentes ‚apo koinu‘, als Objekt zu deserit ( „verlässt die rasenden Landstriche“ ) und zu exosa ( e.g. GRIMAL : „détestant la terre en folie“ ). exosa : Das seltene, und gerne mit dem Akk. verbundene Adjektiv exōsus, „hating, detesting, abhorring“ ( OLD s.v.; „a strong word, suggesting loathing or detestation“; R.J. TARRANT ad Verg. Aen. 12,517 ), ist zuerst bei Vergil belegt, und mag seine eigene Prägung sein ( nach dem Vorbild perōsus ; cf. NORDEN 4 1957 ad Aen. 6,435 ); cf. u.a. Aen. 5,687 f. Iuppiter omnipotens, si nondum exosus sc. es … Troianos ; 11,436 non adeo has exosa manūs Victoria fugit ; 12,517 exosum nequiquam bella ( „der vergebens den Krieg hasste“ ); 12,818 ( Juno) pugnas … exosa relinquo ; ferner Ov. met. 1,483 ( Daphne ) taedas exosa iugales ; Germanicus Arat. 100, oben zit.; Sen. Phaed. 230 exosus omne feminae nomen fugit ( „Hippolyt flieht voller Hass alles, was Frau heißt“ ); Sil. Ital. 13,655 exosus Latium deus. Passivisch verwenden es erst späte Autoren. 248 atque hominum damnatum avertitur agmen : „und wendet sich ab vom verlorenen Heerbann der Menschen.“ Auf den ersten Blick mag man an die Massen denken, die sich aus Rom wälzen ( cf. OLD s.v. agmen 4 a ; ein gewaltiges Aufgebot an Feldarbeitern heißt Liv. 42,10,8 ingens agmen hominum ). Doch im Grunde ist die Menschheit insgesamt gemeint, die in den Augen der ( guten ) Götter dem Untergang geweiht ist ( cf. BC 281 toto fluitantes orbe catervas ; ferner Prop. 2,16, 37 f. complevit sc. Antonius … Actia damnatis aequora militibus, und P. FEDELI ad loc.: Antonius’ Geschwader ist „verdammt“, da das Schicksal längst seinen Untergang beschlossen hat ; 4,6,21 altera classis erat Teucro damnata Quirino ; Lukan 4,359f. nec enim felicibus armis | misceri damnata decet, „ein besiegtes Heer mit einem siegreichen zu vereinen gehört sich nicht“ ). Die Junktur damnatum agmen ist singulär ( Thes. I, 1342,22). Zu reflexivem averti ( + Akk.), „sich abwenden von, verschmähen, verlassen, im Stich lassen“, cf. Verg. georg. 3,499 equus fontīs … avertitur ; Stat. Theb. 6,192 ( die um ihr Kalb trauernde Kuh ) impasta avertitur herbas ; Paul. Nol. carm. 9,23 indignas sacra vox avertitur aures ( zu dem parallelen se avertere cf. Balbus ap. Cic. Att. 8,15 a,2 si … non se totum … ab sermone nostro avertisset ); Thes. II, 1321,40-51 ; OLD s.v. 6 b. – Die Alliterationen und der dominierende Vokal a unterstreichen die Dramatik der Verse 248 f.

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249 Pax prima ante alias : „Pax als erste vor den anderen Göttinnen“. Offenbar plante bereits Caesar für Pax kultische Ehren ( cf. WEINSTOCK 1971, 267-269 ). Doch erst im frühen Prinzipat wird sie als Gottheit greifbar, während der langen Phase innerer Ruhe nach den Bürgerkriegen, die als ‚Pax Augusta‘ gefeiert wurde ( Ov. Pont. 2,5,17 f. totum … per orbem … Augustā pace ; Vell. Pat. 2,126,3 pax Augusta per omnes terrarum orbis angulos ; Inscriptiones Latinae selectae 3786-3789 D. ). „Die Göttin Pax und ihr Kult ( sind ) eine Neuschöpfung der augusteischen Zeit“; sie ist „die von Concordia kaum differenzierbare Vergegenwärtigung des inneren einträchtigen Zusammenhaltens …, in erster Linie ein Zeichen für die glückliche Überwindung der Bürgerkriege“ ( C. KOCH, RE XVIII 4, 1949, 2430 ). 13 v.Chr. beschloss der Senat den Bau der Ara Pacis Augustae auf dem Marsfeld; 9 v.Chr. wurde die Anlage geweiht ( Aug. Res gest. II,12 aram Pacis Augustae senatus pro reditu meo consacrandam censuit ad campum Martium ; cf. Ov. fast. 1,709-722 ipsum nos carmen deduxit Pacis ad aram … frondibus Actiacis comptos redimita capillos, | Pax, ades et toto mitis in orbe mane ! eqs.). Zudem ließ Augustus der Pax, der Salus publica und der Concordia auf dem Marsfeld Altäre und Statuen errichten ( 10 v.Chr.; Ov. fast. 3,881f. ; Cassius Dio 54,35,2 ); ihr Bild zierte Münzen; Horaz besang sie ( c. saec. 57-59, zit. S. 1292 ). In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten blieb Pax in Rom eine feste Größe. Einen Höhepunkt erreichte ihre Verehrung mit dem prächtigen Tempel, den Vespasian ihr nach seinem Sieg über die Juden unweit des Forums errichten ließ ( 75 n.Chr.; Josephus bell. Iud. 7,158-162; Suet. Vesp. 9,1; cf. P.L. TUCCI, The Temple of Peace in Rome, Cambridge 2017 ). LIT. WISSOWA 334 f.; C. KOCH, RE XVIII 4, 1949, 2430-36 ; WEINSTOCK 1971, 267-269 ; E. SIMON, Pax : LIMC VII 1, 1994, 204-212; VII 2, 1994, 134-138 ; K. GALINSKY, Augustan Culture, Princeton 1996, 141-155. Die ausgeprägten Alliterationen 249-251 ( Pax prim- puls- … pet- ; ant- alabs- atque ; rel- regn- ) unterstreichen die feierlich-ernste Stimmung. – Zu der Junktur ante alias cf. GUIDO 1976, 218 ad loc. 249 niveos pulsata lacertos : „… die schneeweißen Arme zerpeitscht“. Ihren Schmerz über ihre Niederlage (250 victum caput ) zeigt die Friedensgöttin mit einer klassischen, meist weiblichen Trauergeste ( bei den Augusteern oft lacertos percutere ); cf. Verg. Aen. 7,503 palmis percussa lacertos ; Ov. met. 4,138 percutit indignos claro plangore lacertos ; 9,637 planxit … suos furibunda lacertos ; Sen. Tro. 117 tibi sc. Hectori nostra ferit dextra lacertos ; Ps.Sen. Herc. Oet. 1876 populi bracchia pulsent ; Stat. Theb. 12,110 molles planctu

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crevere lacerti ; Apul. met. 8,9,2 decora bracchia saevientibus palmulis converberat ; Claudian rapt. 2,248 f. planctu … lacertos | verberat ; SITTL 1890, 20 und 26. Das mediale Passiv ist singulär ( cf. OLD s.v. pulsō 1a ad loc.; s. aber das mediale bzw. reflexive percussa Verg. Aen. 7,503 palmis percussa lacertos, und C. FORDYCE ad loc.). PETERSMANN 68 deutet die niveos lacertos als acc. Graecus ; eher aber bilden sie ein einfaches Akk.objekt ( cf. 95,4 os hominis palmā excussissimā pulsat ; BC 216f. pulsata tumultu | pectora ). niveos … lacertos : Die „schneeweißen Arme“ schöner Göttinnen und Frauen besingt bereits Homer ( e.g. Ilias 1,55 θεὰ λευκώλενος Ἥρη, „die Göttin, die weißarmige Here“; lt. A. SETAIOLI in epist. „the fountainhead of women’s and goddesses’ ‚white arms‘ “ ); römische Dichter schmücken mit dem Epitheton ornans auch Knaben. Cf. Verg. Aen. 8,387 niveis … diva lacertis ; Prop. 2,16,24 candida … bracchia ; 2,22a,5 f. in molli diducit candida gestu | bracchia ; Ov. am. 2,16,29 tu nostris niveos umeris impone lacertos ; her. 20,140 ; Sil. Ital. 3,414 candida perspicuo conectunt brachia ponto sc. Nereides ; 14,496 arma puer niveis aptarat picta lacertis ; im eleganten Vergleich Ov. am. 3,7,8 bracchia Sithoniā candidiora nive ( cf. Thes. VII 2, 830,10-12 ). Der in der Dichtung seit Lukrez belegte Akk. lacertos erscheint im Hexameter stets am Versende. 250 abscondit galeā victum caput : „… verbirgt im Helm das bezwungene Haupt“. „Besiegt“ ist Pax, da sie nun dem Krieg weichen muss – irritierend genug freilich in martialischer Rüstung. Zu ihrer Ikonographie gehören der Ölzweig und der Lorbeer, der Heroldsstab ( caduceus ), Füllhorn und Zepter, aber auch Siegestrophäen ( eine typische Geste ist ihr Fuß auf dem Nacken eines Besiegten; cf. KOCH, RE XVIII 4, 1949, 2434 ). Vereinzelt bezeugt sind Speer und Schild – nicht jedoch ein Helm. Warum also setzt sie auf der Flucht einen solchen auf – wie der kriegerische Furor, dem er weitaus passender zu Gesicht steht ( 259f. ora … casside velat )? Will sich die Wehrlose etwa schützen ( wie z.B. ein Gladiator ; cf. Juv. 8,203 galeā faciem abscondit ; s. auch Ov. trist. 5,10,25: am kriegerischen Pontus sub galeā pastor … cantat )? Wohl kaum. Auch dass sie unerkannt bleiben will ( wie später in Pharsalos Brutus; cf. Lukan 7,586f. plebeiā contectus casside vultus | ignotusque hosti ), oder gar beschämt ihre Identität verschleiern möchte, ist angesichts der Umstände schwer vorstellbar. Soll niemand ihre vom Unglück gezeichneten Züge sehen ( cf. Sat. 67,13 incensissimam rubore faciem sudario abscondit, und u.a. Sen. Herc. fur. 692 Pudor … serus conscios vultūs tegit ; Sil. Ital. 14,635-637 tenuata iacendo | et macie in galeis abscondunt ora eqs., „die von Krankenlager und Siechtum ausgemer-

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gelten Gesichter …“; s. auch Lukan 4,706 galeae texere pudorem, „Helme verbargen die Schamesröte“ feiger Soldaten )? Am ehesten handelt es sich, passend zu ihrer Trauer ( 249 niveos pulsata lacertos ), um eine Geste des Schmerzes und der Verzweiflung – wie beim Auszug von Aidos und Nemesis, die sich auf ihrer Flucht zum Olymp verhüllen ( Hesiod erga 198 λευκοῖσιν φάρεσσι καλυψαμένω χρόα καλόν, „in weißen Gewändern das schöne Äußere verbergend“; s. oben S. 1287 ), und wie bei Astraea, die sich im Silbernen Zeitalter nur noch selten unter den Menschen zeigt, „verhüllten Gesichts, die untröstlichen Wangen verborgen im Kopftuch“ ( Germanicus Arat. 122f. ore | velato tristīsque genas abscondita ricā ). Allerdings taugt der Helm schlecht als Bild des Kummers und Grams, der die guten Gottheiten ins Exil begleitet ( 249 pulsata lacertos ; 250 victum caput ; 252 submissa und crine soluto ; 253 maerens lacerā … pallā ; cf. BALDWIN 1911, 213: „Galea … is so inappropriate to the character and attributes of Pax as to be inadmissible.“ ). Die paradoxe Lösung dürfte in der offenkundigen Parallele zu Furor liegen ( so M. DEUFERT in epist.). Schon der Umfang ihrer Ekphraseis zeichnet die erste der guten und die ( abgesehen von Discordia ) letzte der bösen Gottheiten als ‚komplementäre‘ Figuren ( in einer Art Chiasmus: P a x : drei Verse, 249-251 – Fides, Iustitia und Concordia : zwei Verse, 252f. – sechs böse Gottheiten: drei Verse, 254-256; F u r o r : sechs Verse, 258-263 ). Doch damit enden die Überschneidungen nicht : beide sind verletzt ( 249 pulsata lacertos ~ 259f. ora … vulneribus confossa ); Pax’ Haupt ist ‚besiegt‘ ( 250 victum caput ), erhobenen Haupts zeigt sich der ‚freie‘ Furor ( 258f. liber habenis … late tollit caput ); Pax zieht sich geschlagen zurück ( 250f. relicto | orbe fugax Ditis petit … regnum ), Furor zieht in den Krieg und zum Sieg ( 262f. flagranti | stipite dextra minax terris incendia portat ). Und just in dem einen Punkt gleichen sie sich wie Spiegelbilder : die ‚Verliererin‘ Pax und der ‚Sieger‘ Furor ‚verbergen‘ beide ihr Haupt ‚unter einem Helm‘ ( 250 abscondit galeā victum caput ~ 259f. ora … cruentā casside velat ). CONNORS versteht Pax’ Rüstung als Versuch, „den beispiellosen Schrecken“ des nahenden Kriegs ins Bild zu setzen ( 1989, 138f.; s. auch BURMAN 763 : „in hoc tumultu ipsa Pax galeam prae timore capit“; LEMAIRE 1824, 112: „imagine istā Pacis galeā caput abscondentis, pingi subitam rei publicæ perturbationem et tumultum civilem (sc. statuo), quo ii etiam, qui et pacem amant …, ut tutius lateant aut defendant se, cedere tempori et sumere arma coguntur.“; laut POLETTI 2017, 117f. unterstreiche das Bild die ‚subversive Kraft‘ des Bürgerkriegs ).

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Pointierter formuliert : mit dem Helm gibt Pax sich als etwas aus, das ihrer Natur fast radikal widerspricht : sie ‚verkleidet‘ sich als Kriegerin, als zöge sie in den Kampf – und offenbart mit dieser paradoxen Inszenierung die Ausweglosigkeit der Lage, die vergebliche Hoffnung auf Frieden. Das Paradox wiederholt sich, wenn zwei Verse später die trauernde Concordia sich gleichfalls in der ‚Larve‘ ihrer triumphierenden Antagonistin zeigt, der Zwietracht, deren ‚zerrissenes Gewand‘ sie trägt ( 253 maerens lacerā Concordia pallā ~ Verg. Aen. 8,702 scissā gaudens … Discordia pallā ). Mit anderen Worten: die beiden Ikonen des Friedens sind die ersten Opfer dieses kosmischen Konflikts. Doch auch wenn sich das befremdliche Bild erklären lässt – bedenkenswert bleibt SCHRADERs und JACOBS’ alternative Lesart pallā ( die MÖßLER 1870, 16, BÜCHELER 2 und BALDWIN 1911 in den Text übernahmen ). Für die Konjektur sprechen die Parallelen aus Hesiod und Germanicus ( erga 198 bzw. Arat. 122f., oben zit.) – und Statius’ Pietas, die sich, von Tisiphone bedrängt, gleichfalls in ihre palla hüllt und flieht ( Theb. 11,495f.; zit. BALDWIN 1911, 212 ). Problematisch ist am ehesten die unglückliche Doppelung mit Concordias pallā ( 253; s. aber BC 79 ~ 80 potestas ; 111 ~ 114 cerno ; 180 insolitae voces ~ 184 insolitos … ausus ; 225 maerentia tecta ~ 229 maerentia pignora ; 263 terris ~ 264 terra ). Die Enallage victum caput ( cf. 111,10 victam manum ) verwendet bereits Lukan – für Pompeius ( 7,713 nobile nec victum fatis caput ; cf. 10,6 victoris victique caput ). Wie die übrigen Verben der Passage 246-263 stehen auch abscondit und 251 petit im Präsens, und nicht im Perfekt. 250-251 atque relicto | orbe fugax Ditis petit implacabile regnum : „… lässt den Erdkreis hinter sich und eilt als Flüchtling in Dis’ unerbittliches Reich.“ Warum flieht Pax nicht zu den Seligen Gefilden am Ende der Erde ( cf. Hor. epod. 16,41f. arva beata | petamus ), oder auf den Olymp bzw. ans Firmament – vertrautere Ziele jener Götter, die in dunklen Zeiten der Welt Lebewohl sagen ( cf. Hesiod erga 197-200; Arat 96-136; Verg. georg. 2,473f.; Juv. 6,19f.; Claudian c. 3,354-367; offen bleibt der Rückzugsort App. Verg. Culex 226 f.; Sen. Ag. 79-81; Ps.-Sen. Oct. 160; cf. S. 1287-89 ). Verwunderlich ist der Hades v.a. deshalb, weil dort die dunklen Mächte zuhause sind, wie Krankheit und Trauer, Alter und Tod ( Verg. Aen. 6, 273-289; teilweise zit. S. 1308 ) – eine befremdliche Nachbarschaft für Pax und ihr Gefolge. Eher metaphorisch ist es zu verstehen, wenn sich bei Apuleius Fides „aus Abscheu vor unserer Heimtücke“ in die Totenwelt

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zurückgezogen hat ( met. 4,21,6, zit. S. 1301 ). Bei Statius brütet die von den Göttern wie den Menschen enttäuschte Pietas am Rand des Firmaments und wäre lieber in der Unterwelt ( Theb. 11,457-464, bes. 463f. seseque pōlis et luce relictā | descensuram Erebo et Stygios iam malle penates ; s. auch POLETTI 2017, 116f. ). Ähnlich verhält es sich hier. Desillusioniert von den Menschen wie den Olympiern, die bald selbst Partei ergreifen ( 264-270 ), bleibt den Tugenden nur die Unterwelt als unwirtliches Refugium. Auch Julia, Pompeius’ tote Gemahlin, zieht es dorthin, wo die den Bürgerkrieg entfachenden Furien hausen ( Lukan 3,12-15 ). „Apparently … there is no greater and better world where the goddesses can seek safety beyond the imperfect realm of mankind.“ ( CONNORS 1989, 139; LEFÈVRE 2014, 516 nennt ihre Flucht in die Hölle ein „literarisches Paradoxon“; POLETTI 2017, 116 sieht hier eine Absage an den ‚augusteischen Topos von Justitias’ Wiederkunft‘ [ cf. oben S. 1296 ]: die guten Götter kehrten nie mehr zurück ). Auf alle Fälle gewinnt der eindrucksvolle ‚Wachwechsel‘ enorm an Wirkung, wenn die guten Gottheiten sich just an den Ort zurückziehen, dem nun die Mächte der Hölle entsteigen ( cf. Sen. Ag. 79-86; Ps.-Sen. Oct. 160-164, oben S. 1289 ). Welchen Hadeseingang Pax und die anderen wählen, bleibt ebenso offen wie die Frage, wo genau später Discordia zum Vorschein kommt ( 278 Cocyti tenebras … liquit ). Für den Avernus spräche BC 67-75. relicto orbe : Der seltene orbis relictus ( hier im abbildenden Enjambement ) kann für ein Land stehen ( Lukan 4,353: das von Caesar verlassene Spanien), für den bewohnten Erdkreis ( Albinovanus Pedo FLP p. 315 v. 16f. orbem … relictum | ultima perpetuis claudit natura tenebris, bei Germanicus’ Fahrt ins Nordmeer ; s. auch Lukan 1,369 ut victum … relinqueret orbem ), oder für die Erde insgesamt. Ein markantes Gegenbild zum Szenario hier bietet Augustus’ Himmelfahrt ( Ov. met. 15,869f.: der ferne Tag, qua caput Augustum, quem temperat, orbe relicto | accedat caelo ; zu orbis als Oberwelt s. auch Sen. Herc. fur. 819-821 canem | irā furentem … intulimus orbi ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 48 inde ad hunc orbem redi ; Thes. IX 2, 919,73-83 ). fugax : Das Adjektiv ( „very recently introduced to high literature, perhaps by Virgil himself“; N. HORSFALL ad Verg. Aen. 11,390 ) beschreibt einerseits die hohe ‚Bereitschaft zur Flucht‘, wie sie etwa Wild auszeichnet ( e.g. Verg. georg. 3,539 timidi dammae cervique fugaces ; Aen. 9,591 feras … fugacīs ; 10,724 f. fugacem … capream ; Hor. c. 4,6,33 f. fugacīs | lyncas et cervos ; cf. R.J. TARRANT ad Verg. Aen. 12,364 : „Adjectives in -ax often connote habitual or characteristic traits“ ), andererseits – wie hier – die Flucht

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selbst : „flüchtend, flüchtig“ ( e.g. Verg. Aen. 11,713 conversis … fugax aufertur habenis [ cf. Servius ad loc.: FVGAX fugiens ; nam nomen est pro participio ]; 12,52 f. dea mater …, quae nube fugacem sc. Aeneam | femineā tegat ; Hor. c. 2,5,17 Pholoe fugax ; 2,14,1f. eheu fugaces … labuntur anni, und NISBET – HUBBARD ad loc.; 3,2,14 mors et fugacem persequitur virum ). Die Junktur fugax petere ist singulär. – Dank seiner Position zwischen dem temporalen abl. abs. ( kaum abl. sep. zu fugax ) und dem Kernsatz bezieht sich fugax implizit auf beides: Pax flüchtet aus dem Erdkreis in die Unterwelt. Ditis … implacabile regnum : Die Wendung ist vielleicht inspiriert von Senecas Ditis implacabile | numen ( Oed. 395 f.; cf. App. Verg. Culex 271 Ditis placabile numen ). Die Enallage ( statt Ditis implacabilis regnum ; laut STUBBE 143 ‚metrischer Zwang‘ ) hat ein Vorbild bei Vergil ( Aen. 12,816 Stygii caput implacabile fontis ). In der Regel steht das Adjektiv bei seinem eigentlichen Nomen ( cf. Sat. 107,4 implacabiles … domini ; 115,11 implacabilem Licham ; 139,2,1 implacabile fatum, und e.g. Verg. Aen. 12,3 implacabilis ardet sc. Turnus, und R.J. TARRANT ad loc.; Ov. met. 4,452 implacabile numen ; Sil. Ital. 17,252, bei einem Seesturm: in classem ruere implacabile caelum ; Claudian c. 20,109 f. inplacabile numen | Bellonam ; offen bleibt die Zuordnung Cic. Tusc. 2,20 Iunonis terror inplacabilis ). Den ‚unerbittlichen Hades‘ beschreibt Properz ( 4,11,1-8 ). – Gravitätisches, zwei Daktylen füllendes Pentasyllabon ( cf. YEH 2007, 363 ). Die regna Ditis ( meist im Plural ) erscheinen zuerst in der augusteischen Dichtung ; cf. Ov. met. 4,510f. ad inania magni | regna redit Ditis ; App. Verg. Culex 273 maesta … Ditis … regna ; Aetna 78 Ditis pallentia regna ; Sen. Ag. 752 avidi … regna Ditis ; Med. 638 feri Ditis patefacta regna ; Lukan 1,455f. Ditis … profundi | pallida regna ; Ps.-Sen. Oct. 556 ; Anth. Lat. 720 a,11 R.; Carm. Lat. Epigr. 395,1 regna Acherusia Ditis. Zu domos wie regna gehört Ditis in Vergils berühmter Formel ( Aen. 6,268f.): ibant obscuri solā sub nocte per umbram | perque domos Ditis vacuas et inania regna. 252 huic comes it submissa Fides : „ihr zur Seite schreitet als Gefährtin die geschlagene Fides“. Fides ist nicht nur ein zentraler Begriff römischen Rechts ( cf. G. SCHIEMANN, DNP 4, 1998, 507-509 ); wie Pietas zählt sie zu den Kardinaltugenden des römischen Wertekanons. „Fides comprises the qualities of character which enable a person or society to honour the obligations which he or it has undertaken“ ( LIEBESCHUETZ 1979, 175). Je nach Kontext steht der Begriff u.a. für „Glaube, Treue, Vertrauen, Solidarität, Fairness, Loyalität, Wahrhaftigkeit“.

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Bereits in republikanischer Zeit genoss Fides als Personifikation kultische Ehren ( e.g. Enn. trag. 350 Joc. o Fides alma apta pinnis et ius iurandum Iovis ; cf. Sil. Ital. 1,329 f. heu priscis numen populis, at nomine solo | in terris iam nota Fides ! ); ihren Dienst versahen die drei großen Flamines. In die Mitte des 3. Jh.s datiert ihr Tempel auf dem Kapitol, gleich neben dem Staatsheiligtum ( Cic. off. 3,104 Fidem … in Capitolio vicinam Iovis Optimi Maximi … maiores nostri esse voluerunt ); oft tagte dort der Senat. Unhistorisch sind die Nachrichten, die Numa als Gründer eines Fides-Heiligtums nennen ( cf. u.a. Liv. 1,21,4, und R. OGILVIE ad loc.; Plut. Numa 16,1 ), „oder gar eine Enkelin des Aeneas auf dem Palatin eine Kapelle der Göttin weihen“ lassen ( WISSOWA 133; cf. Festus p. 328,18-21 L.). Ihre Nähe zu Juppiter ist kaum Zufall. Fides ( mit vollem Namen Fides publica oder Fides populi Romani ; WISSOWA 134 ) ging wohl durch eine Art Abspaltung aus Dius Fidius hervor, Juppiter als dem „Schützer von Recht und Treue“ ( WISSOWA 53), wobei „die von Juppiter bzw. Dius Fidius geschützte Tugend der Treue und Wahrhaftigkeit, Fides, einen eigenen Kult erhielt“ ( ebd. 133 ). Zuständig war sie vor allem für Angelegenheiten des Völkerrechts; an den Wänden und im Umfeld ihres Tempels waren Bronzetafeln mit Staatsverträgen und Gesetzen angeschlagen ( cf. WISSOWA 134 ; L. RICHARDSON 1992, 151 ). LIT. WISSOWA 53f.; 118; 133 f.; ders., in: ROSCHER I.2, 1886-90, 1481-83; W. OTTO, RE VI 2, 1909, 2281-86 ; E. FRAENKEL, Zur Geschichte des Wortes fides ( 1916 ), in: ders. 1964, Bd. I, 15-26 ; G. RADKE, Die Götter Altitaliens, Münster 1965, 128; LIEBESCHUETZ 1979, 175-179 ; G. FREYBURGER, Fides, Paris 1986 ; D. NASH, Fides : LIMC IV 1, 1988, 133-137; IV 2, 1988, 68-70; F. PRESCENDI, DNP 4, 1998, 506f. Als uralte Gottheit mit weißgrauem Haar sieht sie Vergil ( Aen. 1,292 cana Fides ; cf. Sil. Ital. 2,484 ante Iovem generata ). Mit anderen Tugenden vereinen sie Cicero ( nat. 2,79 maiorum institutis Mens Fides Virtus Concordia consecratae et publice dedicatae sunt ) und Horaz ( c. 1,24,6 f. Pudor et Iustitiae soror, | incorrupta Fides nudaque Veritas ; c. saec. 57f. Fides et Pax et Honos Pudorque | priscus et … Virtus ; c. 1,35,21f. erscheint sie mit Necessitas und Spes in Fortunas Gefolge : albo rara Fides … velata panno ); ebenso Seneca ( Ag. 112 f. Ius Decus Pietas Fides | et … Pudor ). Alleinige Garantin des Friedens ist sie für Silius’ Herakles ( 2,485 qua sine non tellus pacem, non aequora norunt ); er drängt sie, den verzweifelten Bürgern im belagerten Sagunt zur Seite zu stehen ( 2,475-525; s. auch 13,281-291 ). Bei Ovid verlässt mit Anbruch des Eisernen Zeitalters auch Fides die Erde ( met. 1,129; zit. S. 1288 ). Bei Silius zieht sie sich von den Menschen enttäuscht in ferne Himmelsregionen zurück ( 1,329f., oben zit.; 2,496-

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506; cf. M. VON ALBRECHT, Silius Italicus, Amsterdam 1964, 55-86 ). Auch bei Apuleius wählt sie das Exil, allerdings im Hades ( met. 4,21,6 merito nullam fidem in vita nostra repperiri, quod ad manīs iam et mortuos odio perfidiae nostrae demigrarit ). Umgekehrt prophezeit bei Vergil Juppiter eine Ära, in der nach Ende der Bürgerkriege Fides wieder auf Erden Recht sprechen wird ( Aen. 1,291296 aspera tum positis mitescent saecula bellis ; | cana Fides et Vesta, Remo cum fratre Quirinus | iura dabunt ; dirae ferro et compagibus artis | claudentur Belli portae eqs.; cf. Claudian c. 3,51-57, zit. S. 1289 ). Eine feierliche Ekphrasis widmet ihr Claudian c. 22,30-49. Zu submissa cf. BC 242 submissā Bosphoros undā, und OLD s.v. submissus 4 : „( of persons, their words, conduct, etc.) humble, submissive; servile, grovelling“. Die Geste steht in einer Reihe mit 249 pulsata lacertos ; 250 abscondit … victum caput ; 252 crine soluto ; 253 maerens lacerā … pallā. comes it : Zu comes cf. 133,3,1 Nympharum Bacchique comes ( Priap ). Vergils joviale Formel comes ire ( „als Gefährte zur Seite gehen“; Aen. 2,704 nec, nate, tibi comes ire recuso ; 6,158 f. cui fidus Achates | it comes ; 6,447 f.; 8,466 ; 11,33; 12,881 misero fratri comes ire per umbras ) haben spätere Dichter aufgegriffen; cf. Ov. ars 1,301 it comes armentis ( Pasiphaë begleitet die Herde ); Lukan 6,827f. Sexto … ad castra parentis | it comes ; Stat. Theb. 4,59 it comes … Ephyre ; Sil. Ital. 15,153 it comes Ausonia. 252-253 et crine soluto | Iustitia : „und mit gelöstem Haar Justitia“. Anders als Pax, Fides und Concordia erfuhr Justitia in Rom kaum religiöse Verehrung. Spärliche Hinweise auf einen Kult gibt es aus augusteischer Zeit ( 13 n.Chr. weihte der Kaiser ein signum Iustitiae Augustae ; cf. Ovids vage Nachricht Pont. 3,6,25f. nuper eam sc. Iustitiam Caesar facto de marmore templo, | iam pridem posuit mentis in aede suae ; WEINSTOCK 1971, 243-248 ). „Der Kult hat schwerlich lange bestanden, jedenfalls hören wir später nichts mehr davon.“ ( LATTE, RE X 2, 1919, 1339 ; s. auch Carm. Lat. Epigr. 867 B zu einem Altar für Justitia, Nemesis und die Fata ). Umso präsenter ist sie in der Literatur. Δίκη, ihr griechisches Vorbild ( lat. Iustitia bzw. Astraea, als Sternbild Παρθένος bzw. Virgo ), wurde bereits in archaischer Zeit poetisch dargestellt. Hesiod zufolge weilt die Gerechtigkeit auf Erden ( erga 213-285, bes. 256-262 ). Wo man sie ehrt, gedeihen die Städte, der Krieg bleibt fern. Arat ( 96-136 ) integriert Dike in die Lehre von den Zeitaltern. Im Goldenen Zeitalter wandelte die Göttin unter den Menschen und sprach Recht ; doch als spätere Generationen im Ehernen zum Krieg rüsten, verlässt sie „voll Abscheu“ ( 133 μισήσασα )

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die Erde, um fortan als Sternbild am Himmel zu residieren ( cf. D. KIDD ad loc.). Von ihrem Aufenthalt auf Erden und ihrem Exodus wissen auch römische Quellen; cf. Verg. georg. 2,473f. extrema per illos | Iustitia excedens terris vestigia fecit ( auf ihrem Weg in den Himmel hinterließ Justitia beim saturnischen Landvolk „ihre letzte Spur“ oder „als letzte ihre Spur“ ); Ov. met. 1,149 f. virgo caede madentes | ultima caelestum terras Astraea reliquit ( und F. BÖMER ad loc.); fast. 1,249 f. nondum Iustitiam facinus mortale fugarat, | ultima de superis illa reliquit humum ; Manil. 4,542f. Erigone … rexit saecula prisca | iustitiā, rursusque eadem labentia fugit ( „Erigone-Astraea herrschte mit Gerechtigkeit über ein vergangenes Zeitalter, und floh selbiges, als es der Sünde verfiel“ ); Ps.-Sen. Oct. 398f. ( im saturnischen Äon) Iustitia, caelo missa cum sanctā Fide | terrā regebat mitis humanum genus ; 422-424, zit. S. 1288; Stat. silv. 5,3,89f. revocata … caelo | Iustitia ; Juv. 6,19f. paulatim deinde ad superos Astraea recessit eqs. ( s. auch Sen. Med. 439 f. sancta si caelum incolis, | Iustitia, numen invoco ac testor tuum ). Hinter Catulls Metaphorik schimmert noch der Mythos durch ( 64,397-399 postquam tellus scelerest imbuta nefando, | iustitiamque omnes cupidā de mente fugarunt, | perfudēre manūs fraterno sanguine fratres ). Mit der Wiederkunft des Goldenen Zeitalters kehrt Justitia zurück ; cf. Verg. ecl. 4,6; Calpurn. Sic. 1,43f. redit ad terras tandem squālore situque | alma Themis posito ( „Dreck und Schmutz“ als Insignien ihrer Trauer hat sie abgelegt ); carm. Einsidl. 2,23f. Saturni rediere dies Astraeaque virgo eqs.; orac. Sibyll. 3,373f. ( εὐνομίη, „Rechtlichkeit“, und εὐδικίη, „Gerechtigkeit“ ); Claudian c. 3,51-57 ( zit. S. 1289 ). Theodorus überzeugt sie, nochmals das Konsulat zu übernehmen ( Claudian c. 17,113-197 ). Iustitia und Fides werden oft Seite an Seite genannt, v.a. bei Cicero ( u.a. Cluent. 196 in omnīs homines iustitia et fides ; de orat. 1,224 ei dicendum erit de iustitia et fide ; rep. 3,27 optimus vir … summā iustitiā, singulari fide ; als Tragpfeiler der öffentlichen Ordnung nat. 1,4 haut scio an pietate adversus deos sublatā fides etiam et societas generis humani et una excellentissuma virtus iustitia tollatur ; die Begriffe definieren einander, off. 1,23 fundamentum … est iustitiae fides ); s. auch Hor. c. 1,24,6 f. Iustitiae soror, | incorrupta Fides ; App. Verg. Culex 226 f. rure recessit | Iustitia et prior illa Fides ; Ps.-Sen. Oct. 398, oben zit.; Sil. Ital. 2,486 Iustitiae consors sc. Fides. Zum gelösten Haar als Zeichen der Trauer cf. TH 19 crinem solutus … Laocoon ; 111,2 vulgari more funus passis prosequi crinibus, und Bd. II, S. 509 ad loc. ( s. auch Bd. I, S. 400 ).

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253 ac maerens lacerā Concordia pallā : „und voller Gram im zerfetzten Gewand Concordia.“ Concordia, die personifizierte „Eintracht der Bürgerschaft“ ( WISSOWA 54 ; cf. Sall. Cat. 6,2 ita brevi multitudo divorsa atque vaga concordiā civitas facta erat, „… durch Eintracht“ ), wurde früh als politisches Symbol beschworen, gerade in Krisenzeiten ( Seneca zitiert beipflichtend M. Agrippa, ep. 94,46 ~ Sall. Iug. 10,6: Concordiā parvae res crescunt, Discordiā maximae dilabuntur ). Lukan beschreibt ihre Macht in einer Apostrophe ( 4,189-191 ): nunc ades, aeterno complectens omnia nexu, | o rerum mixtique salus Concordia mundi | et sacer orbis amor. In Rom besaß sie mehrere Kultstätten ( cf. E. AUST, RE IV 1, 1900, 831-833; A.S. PEASE ad Cic. nat. II/III, p. 695 f. ). Ihr Hauptheiligtum lag am Fuß des Kapitols, unmittelbar vor dem Tabularium. Errichtet hatte es angeblich 367 v.Chr. Camillus, um das Ende des Ständekampfes zwischen Patriziern und Plebejern zu feiern ( s. aber LATTE 237 Anm. 8 ). Nach dem blutigen Ende der Gracchen ließ L. Opimius 121 v.Chr. den Bau restaurieren und erweitern. Unter Augustus wurde er von Grund auf umgestaltet und 10 n.Chr. neu geweiht ( cf. Ov. fast. 1,637-650; Suet. Tib. 20 ). Seit der späten Republik war ihr Tempel Ort vieler Senatssitzungen. Ein Heiligtum der Concordia war aber auch die Kurie, seit der Zensor C. Cassius 154 v.Chr. dort eine Statue der Göttin aufstellen ließ und ihr das Gebäude weihte ( cf. Cic. dom. 130 f. ). Zum Tempel der Concordia nova, den der Senat 44 v.Chr. zu Ehren Caesars für die Wiederherstellung des Friedens beschlossen hatte, fehlen verlässliche Nachrichten ( cf. WISSOWA 329; WEINSTOCK 1971, 265 ). In der Kaiserzeit wandelt sich Concordias Rolle. Sie wird nun v.a. zum Symbol der Eintracht des Kaiserhauses ( cf. WISSOWA 329; LATTE 322 ). LIT. E. AUST, RE IV 1, 1900, 831-835; WISSOWA 328 f.; E. SKARD, Concordia ( zuerst 1931 ), in: H. Oppermann ( Hrsg.), Römische Wertbegriffe, Darmstadt 1967, 173-208; DUMÉZIL 1966, 390-395 ; WEINSTOCK 1971, 260-266 ; T. HÖLSCHER, Concordia : LIMC V 1, 1990, 479-498; V 2, 1990, 332-340 ; A. FERRONI u.a., Concordia, in: E.M. Steinby ( Hrsg.), Lexicon topographicum urbis Romae I, Rom 1993, 316-321; K. THRAEDE, RAC 16, 1994, 176-289 ; R. BLOCH, DNP 3, 1997, 116 f. lacerā … pallā : Concordias zerrissenes Gewand ist mehr als nur ein Symbol für das zerrissene soziale Gewebe. Der Passus zitiert unüberhörbar ihre in Vorfreude auf Actium frohlockende Antagonistin in der Aeneis : scissā gaudens vadit Discordia pallā ( 8,702, mit demselben Versende -cordia pallā ). „She is insanely joyful at the violent division she will cause, symbolised by her rent mantle“ ( P.T. EDEN ad loc.; cf. BC 276 laceratam …

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vestem ; 271 scisso Discordia crine ). Ihre ungewöhnliche Tracht – die palla, ein römisches Frauengewand – erinnert wohl daran, dass bei Actium kein externer, sondern ein Bürgerkrieg entschieden wurde ( cf. CONNORS 1989, 140 ). Im BC hingegen trägt nun Concordia die zerrissene palla der jubilierenden Zwietracht, gleichsam gedemütigt in der ‚Uniform‘ ihrer ärgsten Widersacherin ( wie oben Pax in Furors Helm ), und bestürzt angesichts der bald ausbrechenden Kämpfe ( SETAIOLI, Nugae 9 zählt den Passus zu den „pointed reversals of Virgilian descriptions“ ). Pragmatischer deutete DE SALAS 247 die Symbolik : „Arbiter, ut ruptum ostendat scissumque amicitiae foedus inter Pompejum & Caesarem, ruptā scissāque pallā Concordiam fugientem inducit, parissime ac Virgilius Discordiam, ubi innuere vult inter Octavium & Antonium disruptum quoque esse foedus.“ Zur archaischen Trauergeste des zerrissenen Gewands ( oft verbunden mit selbst zugefügten Verletzungen ) cf. e.g. Verg. Aen. 12,609 it scissā veste Latinus ; Ov. met. 2,334 f. lugubris et amens | et laniata sinūs ( und F. BÖMER ad loc.); 9,636 f. a pectore vestem | deripuit planxitque suos furibunda lacertos ; 11, 681 f. percutit ora manu laniatque a pectore vestes | pectoraque ipsa ferit ; 11,726 ora, comas, vestem lacerat ; Ilias Latina 1018 Andromache … suas scindit de pectore vestes ; Ps.-Sen. Oct. 327f.; Apul. met. 8,9,2 discissā … interulā decora bracchia saevientibus palmulis converberat. So reagierte angeblich Augustus auf die Nachricht von der Varusschlacht ( Cassius Dio 56,23,1 ). Sie findet sich bereits im AT ( u.a. Gen 37,34 ; Hiob 1,20; als Ausdruck der Empörung NT Mt 26,65 ). Cf. SITTL 1890, 22. 25f. Zu dem in diesem Kontext höchst seltenen lacer (us) cf. Ps.-Ov. epist. Sapph. 122 eram lacero pectus aperta sinu (~ „ich zerriss mein Gewand und zeigte meine Brust“ ); Tac. hist. 3,10,2 lacerā veste ; Thes. VII 2, 821,20-22. Das oft adjektivisch verwendete PPA maerens (~ maestus ; cf. 115,6 casam piscatoriam subimus maerentes, und Bd. II, S. 662 ad loc.) dürfte hier das volle Gewicht des Partizips besitzen.

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254 – 263 Der Aufmarsch der bösen Mächte numina, monstriferis quae Tartarus edidit antris Claudian c. 22,110

Nach dem Auszug von Pax, Fides, Justitia und Concordia übernehmen die Mächte der Finsternis die Regie ( cf. S. 1287-89 ), in deutlich stärkerer Besetzung ( vier heilsame vs. acht destruktive Kräfte ) – anschauliche Metapher für die erdrückende Dominanz des Bösen. Dass für den Bürgerkrieg die ‚Hölle auf Erden‘ verantwortlich zeichnet, sah auch der etruskische Haruspex Arruns ( Lukan 1,633-635, bes. inferni venēre dei eqs.). Zu mythischen Bildern greift Florus, wenn er Caesar und Pompeius als brandstiftende Furien darstellt ( epit. 1,47,13 illa ipsa principatūs et dominandi cupido unde nisi ex nimiis opibus venit ? atquin haec Caesarem atque Pompeium furialibus in exitium rei publicae facibus armavit ). Ciceros Freund Atticus bezeichnete vor dem Bürgerkrieg Caesars Entourage wiederholt als νέκυια, „Unterwelt“ ( Cic. Att. 9,10,7; 9,11,2; 9,18,2 ). Das höllische Personal beginnt mit zwei Trios. Im ersten ( Erinys, Bellona und Megaera ) rahmen zwei Furien eine furienhafte Kriegerin; das zweite steht im Zeichen des Todes ( Letum, Insidiae und Mortis imago ). Den breitesten Raum nehmen freilich am Ende die beiden Protagonisten ein, Furor und Discordia ( v.a. letztere wird abstoßend geschildert ), deren Absichten und Aufgaben sich letztlich überschneiden. Die erzählerische Ökonomie gibt sich dem barocken Panoptikum der Höllengeister geschlagen. Von dämonischen Wesen, die Konflikte in die Welt tragen oder das Böse entfesseln, erzählt bereits Homer. Neben Ares und Athene stacheln im Schlachtengetümmel Deimos ( Δεῖμος, „Schrecken“ ) und Phobos ( Φόβος, „Furcht, Flucht“ ) die Gegner zum Kampf an, v.a. aber Eris ( Ἔρις ), die Personifikation des „Streits“. Sie ist „die rastlos Eifernde, des männermordenden Ares Schwester und Gefährtin ( κασιγνήτη ἑτάρη τε ), welche klein sich zuerst behelmt, dann aber gegen den Himmel stemmt das Haupt und auf der Erde schreitet. Die warf ihnen auch damals gemeinsamen Streit ( νεῖκος ὁμοίϊον ) in die Mitte, schreitend durch die Menge“ ( Ilias 4,439-445; übers. W. SCHADEWALDT ; cf. G.S. KIRK 380-382 ad loc., bes. 381: „such figures find their counterparts in the winged or multipartite demon-like figures of contemporary orientalizing art“; ferner u.a. Ilias 11,3-12 ). Auch die griechische Tragödie kennt derlei Ausgeburten der Hölle. Hera etwa hetzt die Dämonin Lyssa auf Herakles, damit er die eige-

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nen Kinder töte ( Eur. Herc. 822-873; ‚Lyssa‘ nach λύσσα, „Aggression, Wut, Wahnsinn“ ). Zu den eindringlichsten Szenen der Aeneis zählt A l l e c t o s archetypischer Auftritt ( 7,323-571 ). Mit der klassischen rächenden Erinye hat sie wenig gemein. Als Werkzeug Junos, die in ihrem Hass auf die Troer ‚die Hölle in Bewegung setzt‘ ( Aen. 7,312 Acheronta movebo ), schürt sie Krieg ( cf. Macrobius sat. 5,17,3 deorum maxima deducitur e caelo, et maxima Furiarum de Tartaris adsciscitur … parturientes furorem eqs.). Königin Amata senkt sie eine Schlange in die Brust, Turnus ihre lodernde Fackel. Die Königin verfällt in Raserei ( 7,376 f. ), in Turnus erwachen die schlummernden Aggressionen ( 7,460-462 arma amens fremit, arma toro tectisque requirit ; | saevit amor ferri et scelerata insania belli, | ira super ). Zuletzt kommt es zum Blutvergießen zwischen latinischem Landvolk und den Troern ( 7,475-539 ). Allecto haust im Hades, samt Geißel, Fackel und Schlangenhaar ( 7,324329 luctificam Allecto dirarum ab sede dearum | infernisque ciet tenebris, cui tristia bella | iraeque insidiaeque et crimina noxia cordi eqs.). Doch ihr Wesen und Wirken unterscheidet sich gravierend von der klassischen Erinye ( 7,335340 tu potes unanimos armare in proelia fratres | atque odiis versare domos … dissice compositam pacem, sere crimina belli eqs., und N. HORSFALL ad loc.). Nicht von ungefähr taucht sie immer wieder neben Discordia auf. Im Hades sind sie Nachbarinnen ( Aen. 6,280 Eumenidum thalami et Discordia ); bei Actium kämpfen sie Seite an Seite ( Aen. 8,701f. tristes … Dirae | et … gaudens … Discordia ); nach erfüllter Mission kehrt Allecto zum Kokytos zurück ( Aen. 7,562 Cocyti … petit sedem ), Discordia bricht von dort auf ( BC 278 Cocyti tenebras … liquit ). Als „Personifikation der Zwietracht“ ( HEINZE 3 1915, 183 ) ist Allecto letztlich mit ihr identisch und vollbringt ihr Werk ( cf. Aen. 7,545 perfecta sc. est … bello discordia tristi ; Sen. Thy. 251 heißt Discordia discors Erinys ; s. auch OTIS 1963, 328 : Allecto „introduces a quite new dimension of evil, the evil of social violence ( discordia ) in which the individual inflames the mass and the mass the individual.“ ). Als dämonische Macht bricht sie in den Frieden ein und gebiert Gewalt. Der Kampf um Latium wird zum „Symbol der furchtbaren Bürgerkriege der ausgehenden Republik“ ( PÖSCHL 3 1977, 128; cf. Aen. 7,317 f. gener atque socer coeant eqs., in Anspielung auf Pompeius und Caesar ; 7,335; 7,461; 7,545, alle drei oben zit., und jeweils N. HORSFALL ad loc.). Wie wirkmächtig ihre Figur war, zeigt Allectos Rezeptionsgeschichte, die weit über die Antike hinausreicht ( noch bei GOETHE tritt sie neben Megära und Tisiphone auf, Faust II, 5357-92 ). LIT. HEINZE 3 1915, 182-193 ; FRAENKEL 1964, Bd. II, 149-158. 165171 ( zuerst 1945 ); V. BUCHHEIT, Vergil über die Sendung Roms, Heidel-

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berg 1963, 100-108 ; OTIS 1963, 319-329 ; HÜBNER 1970, 34-42; BURCK 1971, 82-92; HÄUßLER 1976, 151-184 ; PÖSCHL 3 1977, 27-30 ; SETAIOLI 1998, 121-149 ( und 203-209 ; zuerst 1983 ); H.A. SHAPIRO, Personifications in Greek art, Zürich 1993, 51-61; FANTHAM 1998; N. HORSFALL ad Aen. VII (1999) 224 f. u.ö. Wo Vergils Juno Aeneas’ historischen Auftrag infrage stellt und somit eine fast politische Dimension besitzt, reduziert O v i d die Göttin auf eine grausame Egoistin ( met. 4,420-530 ). In ihrem Hass auf Bacchus und seine Ziehmutter Ino rekrutiert sie in der Unterwelt die Furien. Tisiphone bricht samt ihrem höllischen Gefolge zur Oberwelt auf und schlägt Ino und ihren Gemahl Athamas mit Wahnsinn; sie töten die eigenen Kinder ( cf. B. OTIS, Ovid as an epic poet, Cambridge 1966, 131-133. 142-145. 372-374 ; F. BÖMER ad Ov. met. IV/V (1976 ), 139-170, bes. 160-162 ). In S e n e c a s Hercules furens ruft Juno Scelus, Impietas, Error, Furor und v.a. Discordia aus der Hölle, damit sie Hercules zum Mord an seiner Familie treiben ( 86-106; cf. LEFÈVRE 2014, 515-517 ). Im Thyestes zitiert eine Furie Tantalus’ Geist an die Oberwelt, damit er seine Nachkommen in den Bruderkrieg hetze ( 1-121, bes. 24-29 penates impios furiis age. | certetur omni scelere et alternā vice | stringatur ensis ; nec sit irarum modus | pudorve, mentes caecus instiget furor, | rabies parentum duret et longum nefas | eat in nepotes ; 40-48 fratrem expavescat frater et gnatum parens | gnatusque patrem eqs.). Ein ganzes Pandämonium steigt im Oedipus aus der Unterwelt empor ( 586-623 saeva prosiluit cohors … tum torva Erinys sonuit et caecus Furor | Horrorque eqs.). Welchen Eindruck solche Geisterszenen auf das Theaterpublikum machten, erzählt Cicero ( Tusc. 1,37 frequens enim consessus theatri, in quo sunt mulierculae et pueri, movetur audiens tam grande carmen : ‚adsum atque advenio Acherunte vix viā altā atque arduā‘ [ trag. inc. XXXVIII,1 p. 283 R.3 ] eqs.). In S t a t i u s ’ Thebais ruft Oedipus neben den Göttern des Hades v.a. Tisiphone an, die „Königin des Höllenschlunds“ ( 1,85 Tartarei regina barathri ), damit sie zwischen seinen Söhnen Krieg anzettle. Sie eilt nach Theben und vergiftet die Herzen der beiden Brüder ( 1,56-138; s. auch ihren Auftritt 8,65-79, bes. 67ff. triste, insuetum, ingens … ede nefas … fratres alterna in vulnera laeto Marte ruant eqs.). Bei S i l i u s zitiert Juno Tisiphone aus der Hölle. Begleitet von einem ganzen Tross höllischer Wesen, treibt sie die verzweifelten Einwohner Sagunts zum kollektiven Selbstmord ( 2,526-695, bes. 548-552 Mors graditur vasto cava pandens guttura rictu | casuroque inhiat populo ; tunc Luctus et atri | pectora circumstant Planctus Maerorque Dolorque eqs., „der Tod schreitet einher, den hohlen Rachen aufsperrend in weitem Klaffen, und schnappt nach dem verlorenen Volk …“ ). Bei Claudian ruft Allecto ihre höllischen

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Schwestern zusammen, um die unter Theodosius angebrochene Friedensära zu trüben ( c. 3,25-175 ). Martial treibt seinen Spott mit dem Motiv (12,32,2-6 vidi, Vacerra, sarcinas tuas … ; quas … portabat uxor rufa crinibus septem | et cum sorore cana mater ingenti. | Furias putavi nocte Ditis emersas ); GOETHE spielt auf es an: „Das häßliche zweideutige Geflügel, | das leidige Gefolg der alten Nacht, | es schwärmt hervor.“ ( Torquato Tasso, 4. Aufzug, 1. Auftritt, V. 2235-37 ). Wie der obige Abriss dämonischer Interventionen belegt, bleibt der Soloauftritt die große Ausnahme, und fast Allectos Privileg. Zumeist macht sich ( wie hier ) ein Heerbann dunkler Mächte ans Werk, wobei sich seit den Tagen Hesiods das Böse überwiegend als Personifikation präsentiert, wie der Tod ( cf. unten zu BC 257 ), Täuschung und Trug ( Hesiod theog. 224 Ἀπάτη bzw. 229 Ψεῦδος ; cf. zu BC 257 Insidiae ) oder der Streit ( Hesiod theog. 225 Ἔρις ; cf. BC 271 Discordia ). Auch Vergils dämonischen Personifikationen hausen in der Unterwelt ( Aen. 6,273-289 primis … in faucibus Orci eqs., unter ihnen Krieg und Tod, Furien und Discordia ). Sein kanonischer Katalog wurde vielfach imitiert ( u.a. Sen. Herc. fur. 689-696; Stat. Theb. 7,47-53: die Hüter von Mars’ Palast, unter ihnen Furor und Discordia; Sil. Ital. 13,579-587; s. auch 4,436-439: u.a. Bellona und die Eumeniden begleiten Mars in den Krieg ). 254 at contra, sedes Erebi qua rupta dehiscit : „Doch gegenüber, wo der Sitz des Erebus geborsten klafft …“ ( HOLZBERG ). Beim Auszug der guten Gottheiten erfahren wir von deren Weg ( 246 per orbem ; 247f. terras … furentes | deserit ; 250f. relicto | orbe ) und ihrem Ziel ( 251 Ditis petit … regnum ). Hier geht es weniger um andere Örtlichkeiten (cf. OLD s.v. contra A 1b: „on the opposite site, facing it ( him, etc.)“ ) als um eine Gegenbewegung an Ort und Stelle (ebd. A 3c: „in the opposite direction“; zum feindlich-aggressiven Unterton cf. OLD ebd. 4/5 ). Zu übersetzen wäre also eher „im Gegenzug“. – Das langsame Emportauchen des finsteren Vereins bilden 254 f. je drei Spondeen ab. Und wir erfahren etwas über die Bühne, auf der sich das Böse materialisiert ( zum Hadeseingang cf. BC 67-75 est locus exciso penitus demersus hiatu eqs.; Sen. Tro. 178-180, zit. S. 1057 ). Erebus, Sohn des Chaos und Bruder wie Gatte der Nacht ( cf. Hesiod theog. 123-125; Cic. nat. 3,44 ), war ursprünglich die Region urzeitlicher Finsternis ( e.g. Soph. Aias 395 ). Weit häufiger jedoch steht der Name metonymisch für die Unterwelt ( e.g. Od. 11,564 ; Hom. hymn. Dem. 335; Verg. georg. 4,471; Aen. 4,510 Erebumque Chaosque, und A.S. PEASE ad loc.; 6,247 Hecaten caeloque Ereboque potentem ;

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6,404 imas Erebi descendit ad umbras ; 6,671 ). Zu den sedes Erebi cf. Verg. georg. 4,471 Erebi de sedibus imis ; Lukan 1,455 tacitas Erebi sedes. rupta dehiscit : Die Junktur passt im Kontext gut, „since figures from the underworld often emerged through a rupture of the earth’s surface … ; the phrase also implies the violation of boundaries and the confusion of realms normally distinct.“ ( R.J. TARRANT, Seneca’s Thyestes, Atlanta 1985, 101; cf. u.a. Sen. nat. 6,32,4 ruptis compagibus dehiscens solum, „der nach dem Reißen der Oberfläche aufbrechende Boden“; Plin. ep. 6,20,9 nubes … rupta in longas flammarum figuras dehiscebat, „eine zerrissene Wolke zerbarst in lange Flammenzungen“; Sil. Ital. 4,688f. hiatu rupta dehiscit | tellus ). Rumpere und dehiscere sind vertraute Verben für das ‚Bersten‘ der Erde wie das ‚Aufklaffen‘ der Hölle. Zu dehiscere cf. BC 90 f. perfossa dehiscit … tellus, und S. 1038f.; zu rumpere cf. BC 101 rupto tellurem solvit hiatu, und S. 1058, ferner u.a. Verg. Aen. 7,569 rupto … Acheronte ( lt. N. HORSFALL ad loc. hat das Partizip mediale Qualität : „where Acheron bursts forth“ ); Ov. met. 13,442 f. exit humo late ruptā … Achilles ; Sen. Oed. 160f. rupēre Erebi claustra profundi | turba sororum ; 572f. rumpitur caecum chaos | iterque populis Ditis ad superos datur ; Herc. fur. 57; Thy. 88; 1008; Ps.-Sen. Oct. 135f. Stygios sinūs | tellure ruptā pande ; 593 tellure ruptā Tartaro gressum extuli ; Lukan 6,742f. tibi … immittam ruptis Titana cavernis. 255 emergit late Ditis chorus : „taucht gewaltig empor des Dis Reigen“. Zu chŏrus cf. OLD s.v. 5a : „a group, band, or company of people (…); ( in derogatory sense) a ‚troupe‘, ‚chorus‘“, und e.g. Cic. Mur. 49 Catilinam … stipatum choro iuventutis ; Att. 14,8,1 Baiana negotia chorumque illum, „the Baiae characters and the ‚circus‘ “ ( „prominent Caesarians now staying at Baiae“; D.R. SHACKLETON BAILEY ad loc.); Mart. 5,51,2 notariorum … chorus lēvis, „a smooth-faced band of stenographers“ ( übers. D.R. SHACKLETON BAILEY ); Apul. met. 8,26,2 chorus … cinaedorum ; CAVALCA 2001, 62f. ( zur musikalischen Verwendung cf. Sat. 31,7; 34,1 ). Die Junktur Ditis chorus ( „der höllische Reigen“; EHLERS ) ist singulär ( Thes. III, 1025,54 ). Populi Ditis bzw. Ditis vulgus nennt Seneca die Schatten der Verstorbenen ( Oed. 573 bzw. 597 f. ). Der Wendung hier stehen seine famulae Ditis für die Furien näher ( Herc. fur. 100 ). Andere kollektive Namen für die Furien lauten turba Furiarum ( Med. 958 ); agmen infernum ( Med. 960 ); dira Furiarum agmina ( Thy. 78 ); dira Furiarum cohors ( Thy. 250 ). Von den agmina der Furien spricht bereits Vergil ( Aen. 4,469 Eumenidum agmina ; 6,572 agmina saeva sororum ). Late ( cf. 154 Hesperiae campos late prospexit ; 259 sanguineum late tollit caput ) zielt auf die Größe des chorus ( e.g. STEINMANN : „geballt“; WALSH : „Dis’

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broad array“; HOLZBERG : „in breiter Front“ ), kaum auf dessen Ausschwärmen auf Erden ( e.g. BALDWIN 1911, 214 : „emerges and spreads far and wide“; GRIMAL : „émerge, et se répand au loin“ ). 255 horrida Erinys : „die schaurige Erinye“. Bereits mykenische Texte erwähnen die E r i n y e n ( Ἐρινύες ; Sg. Ἐρινύς / Erinys ), „das furchtbare Geschlecht der Nacht“ ( SCHILLER, Die Kraniche des Ibykus ; cf. Ov. met. 4,451f. sorores | Nocte … genitas ; Sil. Ital. 2,531 Noctis alumna sc. Tisiphone ). Religiöse Scheu umschreibt sie euphemistisch als die „wohlgesinnten“ oder die „verehrten Göttinnen“ ( Εὐμενίδες sc. θεαί, wie in Aischylos’ gleichnamigem Stück, bzw. Σεμναὶ θεαί ; e.g. Aisch. Eum. 1041 ) – wenn ihr Name nicht gleich ganz verschwiegen wird ( e.g. Eur. Or. 409 ). Sie bürgen für Eide und ahnden Verbrechen, besonders innerhalb der Familie ( e.g. Od. 2,134-136 ; Aisch. Choeph. 1048-62; Eum. 210 u.ö.). Sie erfüllen aber auch Flüche ( e.g. Sen. Med. 13-18 adeste sceleris ultrices deae, … coniugi letum novae … date ) und rufen Wahnvorstellungen hervor ( e.g. Od. 15,233 f.; Aisch. Eum. 328-333; Sen. Med. 958-966 ). Auf Erden verfolgen sie Schuldige, sie strafen sie in der Unterwelt ( e.g. Ilias 3,278f. ; 19,259 f. Ἐρινύες, αἵ θ᾿ ὑπὸ γαῖαν | ἀνθρώπους τίνυνται κτλ., „die Erinyen, die unter der Erde die Menschen bestrafen, wer immer einen Meineid schwor“; Aisch. Ag. 462-467 ; Catull 64,192-201; Verg. Aen. 6,570-572 sontīs ultrix accincta flagello | Tisiphone quatit insultans, „die Rächerin Tisiphone, gewappnet mit der Peitsche, schwingt sie, über die Schuldigen herfallend“; 6,605-607; 8,668 f. te, Catilina, … Furiarum … ora trementem ; Ov. met. 8,481 poenarum … deae triplices ; Lukan 6,695 Eumenides Stygiumque nefas Poenaeque nocentum ; Ps.-Sen. Oct. 262-264 ; 619-623 ultrix Erinys impio dignum parat | letum tyranno sc. Neroni eqs.). Seit dem 5. Jh. v.Chr. ist ihre D r e i z a h l kanonisch ( cf. Eur. Tro. 457 ; Ov. met. 8,481 f. ). Das Gleiche gilt für ihre Namen, Megaera ( Μέγαιρα, die „Neiderin“ ), Tisiphone ( Τισιφόνη, die „Bluträcherin“; cf. BC 97 und 120 ), und Allecto ( Ἀλληκτώ, die „Unversöhnliche“; „we may suspect the influence of Homeric Eris, who gives men the strength to fight ἄλληκτον [ „unermüdlich“ ]“; N. HORSFALL ad Aen. VII, p. 226 ). Ihr traditioneller Wohnort ist die U n t e r w e l t ( u.a. Ilias 9,571f. ἠεροφοῖτις Ἐρινὺς … ἐξ Ἐρέβεσφιν, „die in Finsternis wandelnde Erinys aus dem Erebos“; 19,259 Ἐρινύες … ὑπὸ γαῖαν, „die Erinyen unter der Erde“; Aisch. Eum. 115 ὦ κατὰ χθονὸς θεαί ~ Soph. Oed. Col. 1568 χθόνιαι θεαί, „o chthonische Göttinnen“; Sen. Herc. fur. 1221 dira Furiarum loca ). Bisweilen verweisen die Angaben auf den Hadeseingang ( Verg. Aen.

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6,280 Eumenidum thalami sc. primis in faucibus Orci ), auf die Hadesgewässer ( Verg. Aen. 6,374 f. Stygias … aquas amnemque severum | Eumenidum ; Stat. Theb. 1,89 f. ), oder auf den Strafort in den Tiefen des Hades ( u.a. Verg. Aen. 6,555f. Tisiphone … vestibulum exsomnis servat noctesque diesque ; 6,605-607; Ov. met. 4,453-456 carceris ante fores clausas adamante sedebant eqs.; Sen. Herc. fur. 86 f. ab imo Tartari fundo … Eumenides ). Dorthin kehren sie nach Ausflügen an die Oberwelt stets zurück. Griechische wie römische Bildwerke und Texte zeigen sie als Rachegeister von furchterregender Erscheinung. Sie gleichen Gorgonen und Harpyien ( Aisch. Eum. 46-56 ). Ihre Accessoires künden von Schrecken und Strafe ( e.g. Sen. Ag. 759-764 instant sorores squalidae, | anguinea iactant verbera, | fert laeva semustas faces | turgentque pallentes genae | et vestis atri funeris | exesa cingit ilia ). Passend zu ihrem Domizil sind sie s c h w a r z ( u.a. Aisch. Eum. 52; Verg. Aen. 7,329, und N. HORSFALL ad loc.; 7,408 fuscis … alis ), und meist g e f l ü g e l t ( cf. Eur. Or. 317 ; Iph. Taur. 289; Verg. Aen. 7,408; 7,561; 12,848 ventosas … alas ). Sie tragen S c h l a n g e n im oder als Haar, aber auch um Oberkörper oder Arme ( cf. S. 1349f. ) sowie in den Händen ( e.g. Eur. El. 1345 χειροδράκοντες, „schlangenhändig“; Verg. Aen. 6,571f. sinistrā | intentans anguīs ). Sie dienen ihnen als Geißeln ( e.g. Verg. Aen. 7,450 f. geminos erexit crinibus anguīs | verberaque insonuit ; Ov. Ibis 159 verbera saeva dabunt sonitum nexaeque colubrae ; Sen. Thy. 96 f. tortos ferox | minaris angues ; Ag. 760 anguinea iactant verbera [ ang- HEINSIUS : sang- ω ]; Herc. fur. 88; Med. 961f. ingens anguis excusso sonat | tortus flagello ; Stat. Theb. 1,113 vivo manus aëra verberat hydro ; so auch die Hexe Erictho, Lukan 6,727 verberat immotum vivo serpente cadaver ) – und sie verursachen Wahnsinn ( Macrobius sat. 5,17,3 sparguntur angues velut in scaena parturientes furorem ). Auch lodernde Fackeln führen sie mit sich ( cf. S. 1315 zu 256 facibus … armata Megaera ). Sie triefen von Blut ( e.g. Verg. Aen. 6,555 Tisiphone … pallā succincta cruentā ; Ov. her. 6,45f. Erinys … sanguinolenta ; Sen. Med. 965f. cui cruentas agmen infernum faces | intentat ? ); gierig schlürfen sie es ( Aisch. Eum. 264-266 ). „Ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden, | sie schwingen in entfleischten Händen | der Fackel düsterrote Glut, | in ihren Wangen fließt kein Blut. | Und wo die Haare lieblich flattern, | um Menschenstirnen freundlich wehn, | da sieht man Schlangen hier und Nattern | die giftgeschwollnen Bäuche blähn.“ ( SCHILLER, Die Kraniche des Ibycus 105112 ). Die frühe römische Tragödie adoptierte die Erinyen als Furiae (cf. Enn. trag. 49 Joc. Furiarum una adveniet ). Pate stand wohl das Abstractum furia ( OLD s.v. 2 ): „( usu. pl.) the madness of infatuation or obsession, frenzy ;

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avenging rage or fury ; passionate desire or lust“ ( cf. furere und furor ). Doch mit der Übernahme änderte sich offenbar ihr Charakter. Wo in den älteren griechischen Texten die Erinyen als archaische Rachegeister für primitive Gerechtigkeit sorgen ( cf. Cic. nat. 3,46 Furiae deae sunt, speculatrices [ „Spürhunde“ ] … et vindices facinorum et sceleris, und A.S. PEASE ad loc.; Verg. Aen. 3,331 scelerum furiis agitatus Orestes ), erscheinen die römischen Furien mitunter wie die Inkarnation sinnloser Zerstörung. „The Ἐρινύς was a spirit of vengeance and justice, never one of random destruction. Furia on the other hand was frequently used, like the abstracts pestis, pernicies, labes, exitium, to indicate mad, wicked and /or destructive persons whose presence made other persons equally mad, wicked and /or destructive“ ( H.D. JOCELYN, The Tragedies of Ennius, Cambridge 1967, 218 f. ). Cf. e.g. Cic. dom. 102 fax ac furia patriae ( Clodius ); Sest. 33 ab illa furia ac peste patriae ( und R. KASTER ad loc.); 109 ( bei der Abstimmung über Ciceros Verbannung ) furiae concitatae tanquam ad funus rei publicae convolant ; Verg. Aen. 2,573 Troiae et patriae communis Erinys ( Helena ); Lukan 10,59 Latii feralis Erinys ( Kleopatra ). Ihre Spur als treibende Kräfte von K o n f l i k t e n jeder Art ( „the madness of war personified“; R.G. AUSTIN ad Verg. Aen. 2,337 ) zieht sich durch die gesamte römische Literatur ; e.g. Hor. c. 1,28,17 dant alios Furiae torvo spectacula Marti ( „manch einen bestimmen die Furien dem grimmen Krieg zum Schauspiel“ ); Verg. Aen. 2,337 f. in arma feror, quo tristis Erinys … vocat ; Lukan 1,572-577 ( ein Vorzeichen des Bürgerkriegs ) ingens urbem cingebat Erinys | excutiens pronam flagranti vertice pinum eqs. ( 7,168-171 unterstellt der Erzähler Caesar, er stehe mit den Furien im Bunde: at tu quos scelerum superos, quas rite vocasti | Eumenidas, Caesar ? Stygii quae numina regni | infernumque nefas et mersos nocte furores | impia tam saeve gesturus bella litasti ? ); Ps.-Sen. Oct. 160-164 ( zit. S. 1289 ); 913 regnat mundo tristis Erinys ( Neros Diktatur ); Val. Flacc. 4,617 fraterna … surgit Erinys ( und P. MURGATROYD ad loc.); 6,402-406 ( Tisiphone verursacht Bürgerkriege); Stat. silv. 5,3,195198 subitam civilis Erinys | Tarpeio de monte facem … movit eqs. ( vom Bürgerkrieg 68/69 n.Chr.); Theb. 3,630f. quae vos Furiarum verbera caecos | exagitant ? ( vom thebanischen Bruderkrieg ); 7,466-468; 11,57-112 ( für dessen Finale ruft Tisiphone Megaera zu Hilfe ); 11,136-209; 11,403-423; Amm. Marc. 31,1,1. Lukrez deutet die rächenden Furien rationalisierend als Metaphern von Gewissensqualen ( 3,1011-21 Furiae … neque sunt usquam nec possunt esse profecto eqs.). Cicero pflichtet ihm bei ( S. Rosc. 67 nolite enim putare, quemadmodum in fabulis saepenumero videtis, eos, qui aliquid impie scelerateque commiserunt, agitari et perterreri Furiarum taedis ardentibus. sua quemque fraus et suus terror ma-

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xime vexat, suum quemque scelus agitat amentiāque adficit, suae malae cogitationes conscientiaeque animi terrent ; hae sunt impiis assiduae domesticaeque Furiae, quae dies noctesque parentium poenas a consceleratissimis filiis repetant ; Pis. 46 ; leg. 1,40 eos agitant insectanturque Furiae, non ardentibus taedis sicut in fabulis, sed angore conscientiae fraudisque cruciatu ; Anth. Lat. 21,236-240 R. == 8,236-240 Sh.B.). Neros Panikattacken nach dem Muttermord lesen sich wie eine Bestätigung dieser These ( Suet. Nero 34,4 neque tamen conscientiam sceleris … ferre potuit, saepe confessus exagitari se maternā specie verberibusque Furiarum ac taedis ardentibus ). LIT. ROHDE 2 1898, Bd. 1, 269f.; O. WASER, RE VII 1, 1910, 308-314 ; E. WÜST, RE Suppl. VIII, 1956, 82-166; NILSSON 3 1967, 100f.; HÜBNER 1970, 34-42; H. FUNKE, RAC 8, 1972, 699-722; H. SARIAN, Erinys : LIMC III 1, 1986, 825-843; III 2, 1986, 595-606 ; S.I. JOHNSTON, Restless Dead, Berkeley 1999, 250-287. Da Megaera gleich genannt wird ( 256 ), kann mit Erinys hier nur Allecto oder – wahrscheinlicher ( cf. BC 97 und 120 ) – Tisiphone gemeint sein ( so bereits BALDWIN 1911, 214 ). A. SETAIOLI in epist. vermutet hier ein Echo von Sen. Thy. 251f. discorsque Erinys veniat et geminas faces | Megaera quatiens, wo ebenfalls „the generic name Erinys is followed by the proper name of one of them, Megaera“ ( zu der Szene cf. S. 1289 ). Die Junktur horrida Erinys ( hier einprägsam markiert durch die bukolische Dihärese ) ist singulär ( Thes. VI 3, 2994,19f.; cf. Ov. met. 1,725 horriferam … Erinyn ). Typisch ist die Verbindung mit charakterisierenden Adjektiven ( cf. GUIDO 1976, 223f. ), v.a. tristis Erinys ( u.a. Verg. Aen. 2,337; Ov. her. 6,45; App. Verg. Culex 246; Ps.-Sen. Oct. 913 ), aber auch insana Erinys ( Ov. met. 11,14 ), civilis Erinys ( Lukan 4,187 ), feralis Erinys ( Lukan 10,59 ), bzw. mit Synalöphe, wie hier ( horrid(a) Erinys ), sanctissima Erinys ( Lucilius 170 M.), condita Erinys ( Verg. Aen. 7,570 ), improba Erinys ( Sil. Ital. 13,293 ). Im klassischen Hexameter steht Erinys meist am Versende ( rund vierzig Belege, u.a. je 4 bei Vergil, Ovid, Lukan; Silius 7, Statius 10, Val. Flacc. 8 ). 256 et Bellona minax : „und bedrohlich Bellona“. Der Kult Bellonas, der römischen Göttin des Krieges, reichte wohl ins fünfte Jh. zurück. Auf dem Marsfeld, in unmittelbarer Nachbarschaft der alten ara Martis, stand der ihr von Appius Claudius 296 v.Chr. gelobte Tempel. Dort versammelte sich regelmäßig der Senat für Sitzungen außerhalb des Pomeriums. Bei der Erklärung auswärtiger Kriege wurde von der columna bellica vor dem Tempel eine blutgetränkte Lanze in ein symbolisches Feindesland geworfen ( Ov. fast. 6,199-208 ).

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Als eigenständige Größe neben Mars war sie „die Vergöttlichung der zerstörerischen, jeder städtischen Ordnung gegenläufigen Kraft des brutalen Krieges“ ( F. GRAF, DNP 2, 1997, 556 ; cf. Hor. serm. 2,3,223 gaudens Bellona cruentīs ). Ihre Fremdheit und Wildheit spiegelte sich in ihrer Ikonographie als einer Art Medusa mit Schlangenhaar. Später wurde sie auch mit Enyo und deren ekstatischen Ritualen identifiziert ( cf. S. 974 f. ). Im kaiserzeitlichen Heer spielte ihr Kult kaum noch eine Rolle, „da sie seit dem Ausgange der Republik durch die unter dem gleichen Namen in Rom verehrte kappadokische Göttin von Komana … völlig in den Hintergrund gedrängt wurde“, Mâ-Bellona ( WISSOWA 152 ). Auch in der Dichtung bedeutet der Name Bellona „nicht die altrömische Göttin, sondern entweder die Kappadokierin oder die griechische Enyo“ ( ebd.). Ihr Name erscheint regelmäßig, wenn Krieg ausbrechen soll ( e.g. Ps.Sen. Herc. Oet. 1311f. abrumpat Erebi claustra, me stricto petat | Bellona ferro ; Val. Flacc. 3,60-64 ; Stat. Theb. 4,5-12; 8,348f.; 12,720 f. alternas in proelia gentes … Bellona ciet ; Ach. 1,33f.; Sil. Ital. 5,220-224 ipsa facem quatiens … medias acies Bellona pererrat eqs.) oder bereits wütet, etwa bei Actium ( Verg. Aen. 8,703 cum sanguineo sequitur Bellona flagello sc. Discordiam; cf. Stat. Theb. 10,854 f.; Sil. Ital. 4,438f. ). Lukan vergleicht Caesar in der Schlacht von Pharsalos mit Bellona ( 7,568 sanguineum veluti quatiens Bellona flagellum ), und zeigt ihn damit als furchtbaren Dämon des Kriegs. Am mykenischen Hof fliehen die ehelichen Tugenden; statt ihrer halten Bellona und Erinys Einzug ( Sen. Ag. 79-86, zit. S. 1289 ). Calpurnius Siculus feiert Nero, unter dessen Herrschaft der Bürgerkrieg und Bellona auf immer überwunden seien ( 1,42-88, bes. 46-50 dabit impia vinctas | post tergum Bellona manūs … et modo quae toto civilia distulit orbe, | secum bella geret ). Einen größeren Auftritt an Mars’ Seite hat sie Claudian c. 20,95-237. – LIT. E. AUST, RE III 1, 1897, 254-257 ; WISSOWA 54. 151f. ; J.H. WASZINK, RAC 2, 1954, 126-129; LATTE 235 ; E. COURTNEY ad Juv. 4,123f.; F. GRAF, DNP 2, 1997, 556. Die Junktur ist singulär ( Thes. VIII, 995,83f. ). Zu minax cf. Furors dextra minax ( BC 263 ). 256 facibusque armata Megaera : „und mit Fackeln gewappnet Megaera“. Megaera, griech. Μέγαιρα, die „Neidische“, ist eine der drei Erinyen ( cf. oben, und e.g. Verg. Aen. 12,846 Tartaream … Megaeram ); sie steht „für die zerstörerische Macht des personifizierten Neids im allgemeinen sowie des bösen Blicks im besonderen“ ( S. JOHNSTON, DNP 7, 1999, 1132 ). Auch bei Lukan tritt sie auf ( 1,577 horruit Alcides viso iam Dite Megaeram ; 6,730-

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735 Tisiphone vocisque meae secura Megaera, | non agitis saevis Erebi per inane flagellis | infelicem animam ? eqs.). Ins Rampenlicht rückt sie Claudian, wenn sie versucht, ihren Protegé Flavius Rufinus zum Kaiser zu krönen ( c. 3,74 175; cf. S. 1307f. ). – Die Junktur imitiert ein Versende Vergils: flammisque armata Chimaera ( Aen. 6,288 ). facibus : Bei Erinyen wie Furien sind Fackeln fester Bestandteil der Ikonographie. „Die Fackel hatte wohl ursprünglich eine lustrale Bedeutung, die aber bald zurücktrat zugunsten der Deutung, die in ihr das unterirdische Feuer als Mittel der Qualen sah.“ ( E. WÜST, RE Suppl. VIII, 1956, 126 ). Mitunter symbolisiert die Fackel aber auch den Geisteszustand, in den die Furien ihre Opfer versetzen: Wahnsinn und Raserei ( cf. J.G. FITCH, Seneca’s Hercules Furens, Ithaca 1987, 373 ). Nicht zuletzt sind die Fackeln Symbol für politische Brandstiftung und Kriegstreiberei – wie hier ( cf. Lukan 3,14 f. vidi … tenentīs | Eumenidas quaterent quas vestris lampadas armis, „ich sah die Furien Fackeln halten, mit denen sie euren Krieg entfachten“; Florus epit. 1,47,13, zit. S. 1305 ), und alsbald in Furors Hand ( BC 262f. flagranti | stipite dextra minax terris incendia portat ). Cf. u.a. Enn. trag. 26 f. Joc. caeruleae incinctae igni incedunt, | circumstant cum ardentibus taedis, und H.D. JOCELYN ad loc.; Cic. Pis. frg. 3 ardentes Furiarum faces ; Verg. Aen. 7,456f. facem iuveni coniecit sc. Allecto et atro | lumine fumantīs fixit sub pectore taedas, und N. HORSFALL ad loc.; Ov. met. 4,508 f. face iactatā per eundem saepius orbem | consequitur motis velociter ignibus ignes ; 10,313 f. stipite te Stygio … adflavit … e tribus una soror ; Sen. Herc. fur. 102 f. Megaera … luctifica manu | vastam rogo flagrante corripiat trabem ; Med. 959-963; Thy. 251f.; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1005 f. quid me flagranti, dira, persequeris face, | Megaera ? ; Val. Flacc. 4,393 f. cum facibus … Tisiphonen ; Sil. Ital. 2,610 lampada flammiferis tinctam Phlegethontis in undis ( Tisiphone entzündet ihre Fackel im Pyriphlegethon); Claudian rapt. 1,40f. Tisiphone quatiens infausto lumine pinum | armatos ad castra vocat pallentia Manes. 257 Letumque : „auch das Sterben“. Das archaische, seit Ennius belegte letum ( „Tod, Untergang, Vernichtung“ ), „apparently derived from Etruscan and originally perhaps the name of a divinity representing death“ ( SKUTSCH 1985, 555 ), war Teil der sakralen Sprache, etwa in der alten Bestattungsformel ollus leto datus est ( Varro ling. 7,42 ; cf. Enn. trag. 283 f. Joc. leto dati | sunt in bello, und H.D. JOCELYN ad loc.). Die religiöse Herkunft prädestinierte das Wort für die hohe Dichtung ( e.g. Hor. c. 1,28,16 calcanda semel via leti ; Verg. Aen. 7,455 bella manu letumque gero ; Prop. 4,7,1 sunt aliquid Manes : letum non omnia finit ) wie für emotionale Aussagen ( e.g. Cic. Att. 10,10,5, über den Bürgerkrieg :

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vide quam turpi leto pereamus ). Bei diesem Wort „empfand der Römer das persönliche Element stärker“ ( NORDEN 4 1957, 213; cf. K. LATTE, RE XII 2, 1925, 2148; J.H. WASZINK, Opuscula selecta, Leiden 1979, 260271 ). Die personifizierte Form ist erst bei Lukrez sicher bezeugt. Zuhause ist Letum in der Unterwelt ( cf. Lucr. 1,1112 ~ Ov. met. 1,662 ianua Leti ; Lucr. 3,42 Tartara Leti, und R. HEINZE ad loc.: „Im Tartarus haust der Tod“; Verg. georg. 4,481 domūs … Leti ; Aen. 6,277 Letum sc. primis in faucibus Orci ). Gleichwohl lässt sich oft kein Unterschied zwischen letum und mors ausmachen ( zum personifizierten Tod cf. 257 Mortis imago, und ad loc.); e.g. Lucr. 1,852 ut mortem effugiat, Leti sub dentibus ipsis ; 4,766 eum mortis letique potitum ( „die Beute von Tod und Verderben“ ); Verg. Aen. 11,846 extremā … in morte … hoc … letum ; Ov. trist. 1,2,51f. nec letum timeo … mors mihi munus erit ; Sen. Tro. 783 o morte dirā tristius leti genus ! ( „o Todesart, schrecklicher als der furchtbare Tod selbst !“ ); Ps.-Sen. Oct. 321f. mors ante oculos dira vagatur ; | quaerit leti sibi quisque fugam ; Val. Flacc. 1,820 f. in media iam morte … suffecta … leto | lumina ; Sil. Ital. 9,373; Carm. Lat. Epigr. 562,18f. Agathen … mortis acerbus | eripuit letus. Dies gilt auch für Formeln wie „jdn. dem Tod überantworten“: aliquem morti demittere ( e.g. Verg. Aen. 10,662 ) oder aliquem leto deicere ( e.g. Aen. 10,319; cf. S.J. HARRISON p. 157 ad loc.). In manchen dieser Belege entdeckt G. VANNINI in epist. einen Unterschied zwischen der ‚unmittelbaren‘ Qualität von Letum und der ‚permanenten‘ von Mors. Den ‚doppelten Tod‘ in dem Vers wollten mehrere Philologen beseitigen. SCHRADERs Luctusque ( cf. Verg. Aen. 6,274, Luctus in der Unterwelt ) und BOUHIERs Fletusque vertragen sich allerdings schlecht mit dem martialischen Kontext. MÖßLER ( 1842, 65 Anm. 63 ) plädierte für Vergils Formel Iraeque Insidiaeque ( s. das folgende Lemma ). Doch wie kam es dieser Verschreibung ? Die Doppelung scheint Absicht ( cf. unten ). 257 Insidiaeque : „und die Machenschaften“. Das Wortfeld von insidiae deckt die abstrakte „Heimtücke“ und die häuslichen „Fallgruben“ ( e.g. Prop. 4,7,36 insidiis pallida vina : vergifteter Wein; Sen. benef. 6,39,2 domesticae insidiae ) ebenso ab wie den militärischen „Hinterhalt“, die politische „Intrige“, den „Anschlag“, ja „Putsch“ und „Rebellion“ ( e.g. Cic. Sull. 14 insidias rei publicae ; Tac. hist. 1,58,2 ). Pate für die fleischgewordenen Insidiae stand wohl Hesiods Apate ( theog. 224 Ἀπάτη ; laut M.L. WEST ad loc. der „Betrug“ in Liebesdingen ; cf. N. HORSFALL ad Aen. 7,326 ). Die Insidiae zählen zu den dämonischen

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Personifikationen im Hades ( Sil. Ital. 13,581-583 Luctus edax Maciesque, malis comes addita Morbis, | et Maeror pastus fletu et sine sanguine Pallor | Curaeque Insidiaeque eqs.), zu den scelera, die im Eisernen Zeitalter im Krieg münden ( Ov. met. 1,131 insidiaeque et vis ), aber auch zu Mars’ Gefolge ( Verg. Aen. 12,335 f. atrae Formidinis ora | Iraeque Insidiaeque, dei comitatus ; Stat. Theb. 7,49f., vor Mars’ Palast in Thrakien; cf. Thes. VII 1, 1892,48-53 ). Allecto liegen sie am Herzen ( Verg. Aen. 7,325f. cui tristia bella | iraeque insidiaeque et crimina noxia cordi ). Vergils markante Junktur Iraeque Insidiaeque klingt hier ebenso an wie bei Silius ( 13,583 Curaeque Insidiaeque ). Zu den gehäuften Elisionen bzw. Synalöphen mit -que ( Letumque Insidiaeque et ; ferner 255 horrida Erinys, 256f. facibusque armata ) cf. SOUBIRAN 1966, 628f. ( der hier Vergils Vorbild vermutete; cf. Aen. 6,277 Letumque Labosque ; 6,288 flammisque armata Chimaera ; 7,325f.; 12,336 ; ferner Sil. Ital. 13,583, alle drei oben zit.); WILLS 1996, 374. 257 et lurida Mortis imago : „und die fahle Larve des Todes“. Der griechische Mythos kennt (wie viel später noch das Märchen ) die volkstümliche Vorstellung vom leibhaftigen Tod. Thanatos ( Θάνατος ) gehört zu den Kindern der Nacht ( Hesiod theog. 212; cf. Cic. nat. 3,44 : Mors ist ein Kind von Nacht und Erebos ). Bereits die Ilias nennt ihn ( 16,672 u.ö.); die Heroen der Frühzeit bezwingen ihn: Sisyphos fesselt ihn ( Aisch. TrGF 3, p. 337 Radt ὀ δὲ Σίσυφος … ἀποδεσμεῖ τὸν Θάνατον ; cf. KERÉNYI 1958, 88 ), Herakles überwältigt ihn an Alkestis’ Grab ( Eur. Alc. 1140-42; zu Herakles’ Hadesfahrt cf. Ps.-Sen. Herc. Oet. 1553 Morte devictā tuleras triumphum ; 1948 fracta … non semel est Mors horrida ? ; Stat. silv. 3,1,172 duram scio vincere Mortem ; 4,6,104 penetrata tibi spoliataque limina Mortis ; zu der Szene Ilias 5,395-402 cf. J. KROLL 1932, 373f. ). Auch in Rom wird Mors personifiziert ( cf. Thes. VIII, 1505,18-34 ; OLD s.v. 2; deutlich seltener Letum ; cf. OLD s.v. 1 c ). Bezeugt sind mehrere Werktitel, u.a. Novius’ Atellane Mortis et Vitae iudicium ( CRF p. 320 R.3 ) und Ennius’ Satire Mors ac Vita ( lt. Quint. inst. 9,2,36 ein Wettstreit ). Die dichterische Prosopopöie siedelt den Tod im H a d e s an ( u.a. Enn. trag. 192 Joc., und H.D. JOCELYN ad loc.; Plaut. Cist. 639 recipe me ad te, Mors ; Sen. Oed. 164 f. Mors atra avidos oris hiatūs | pandit et omnīs explicat alas, und K. TÖCHTERLE ad loc.; Med. 742 Tartari ripis ligatos squalidae Mortis specūs ; Lukan 6,600f.; Stat. Theb. 4,473f. formidabile regnum | Mortis inexpletae eqs., „… des unersättlichen Todes“; 4,528f. in speculis Mors atra sedet dominoque silentes | annumerat populos ; Sil. Ital. 13,560 f. has passim nigrum pandens Mors lurida rictum | itque reditque vias et portis omnibus errat, „der fahle Tod, den schwarzen Rachen weit aufgesperrt, patrouilliert unentwegt auf

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diesen Pfaden und passiert Tor um Tor“; Carm. Lat. Epigr. 346,4 Eurydicen … Mors atra reduxit ; 1339,1 perpetuas sine fine domos Mors incolit atra ; cf. Stat. Theb. 7,52f.: Mars’ Palast hütet u.a. vultu … cruento | Mors armata ). Oft hören wir von seinem Wirken a u f E r d e n ( u.a. Lucr. 3,959 necopinanti Mors ad caput adstitit ; Hor. serm. 2,1,57 f. me … Mors atris circumvolat alis ; c. 1,4,13 f. pallida Mors aequo pulsat pede pauperum tabernas | regumque turrīs ; Sen. Herc. fur. 555f. Mors avidis pallida dentibus | gentes innumeras manibus intulit ; Tro. 1171-74 ; App. Verg. Copa 38 Mors aurem vellens ‚vivite‘ ait, ‚venio‘ ; Stat. Theb. 8,376-381 ( auf dem Schlachtfeld ) Stygiis … emissa tenebris | Mors fruitur caelo bellatoremque volando | campum operit nigroque viros invitat hiatu, | nil vulgare legens, sed quae dignissima vitā | funera ( „… welche Opfer es am meisten verdient hätten zu leben“ ), … cruento | ungue notat ; Sil. Ital. 2,548f., zit. S. 1307 ). LIT. E. MARBACH, RE XVI 1, 1933, 314-316 ; A. LESKY, RE V A 1, 1934, 1245-68. Einer Erklärung bedarf der d o p p e l t e T o d in dem Vers, Letum und lurida Mortis imago ( so bereits in Oedipus’ Gefolge; cf. Sen. Oed. 652f. Letum Luesque, Mors Labor Tabes Dolor, | comitatus illo dignus ; s. auch Stat. Theb. 8,24 : in der Unterwelt umringen Dis variae … ex ordine Mortes, „verschiedene Tode gemäß ihrem Rang“ ). Hier gehen wohl zwei Einflüsse Hand in Hand. In Hesiods Katalog der düsteren Nachkommen der Nacht ( theog. 211-232 ) erscheint der Tod in gleich dreifacher Gestalt, als „Verhängnis, Todeslos“ ( 211 Μόρος ), „Verderben“ ( 211 Κήρ ) und „Tod“ ( 212 Θάνατος ; cf. M.L. WEST ad Theog. 217: „Moros is a man’s appointed death … and likewise with Ker“; s. auch Ilias 16,47 θάνατόν τε κακὸν καὶ κῆρα, „den schlimmen Tod und die Todesgöttin“ bzw. „das Todesschicksal“ ~ Od. 2,283 θάνατον καὶ κῆρα μέλαιναν, „den Tod und die schwarze Todesgöttin“ ). Der zweite Einfluss war wohl die Unterscheidung mancher römischer Texte zwischen dem Tod allgemein und verschiedenen ‚Todesarten‘ ( etwa während einer Schlacht ); cf. bes. Verg. Aen. 2,369 ubique pavor et plurima mortis imago ( im umkämpften Troja zeigen sich überall „zahllose Bilder des Sterbens“; cf. N. HORSFALL ad loc.; Vergils Formel klingt hier deutlich an ), ferner u.a. Sen. Phaed. 550f. ( nach Ende des Goldenen Zeitalters ) invēnit artes bellicus Mavors novas | et mille formas mortis ; Lukan 3,689f. mille modos inter leti mors una timori est | qua coepēre mori ( „inmitten von tausend Todesarten macht ihnen nur e i n e Angst – die sie gerade sterben ließ“; cf. V. HUNINK ad loc.) ~ Stat. Theb. 9,280 mille modis leti miseros mors una fatigat ( „mit tausend Todesarten quält der eine Tod die Armen“ ); Sil. Ital. 4,437f. Leti … cruenti | innumerae facies ( „unzählige Gestalten blutigen To-

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des“ in Mars’ Gefolge ); 4,591 mille … leti facies ( „tausend Gesichter des Todes“ ); 17,481f. novas variā sub imagine leti | dat formas ( die Schlacht von Zama „zeitigt so ungewöhnliche wie verschiedene Todesformen“ ); Tac. hist. 3,28 integri cum sauciis, semineces cum exspirantibus volvuntur, variā pereuntium formā et omni imagine mortium ( cf. H. HEUBNER ad loc.: „wobei … der Tod sich in allen erdenklichen Bildern darstellte“ ). Das ‚Satyrspiel‘ zur Tragödie der ‚tausend Tode‘ liefert Encolpius’ Martyrium unter Psyches Hand ( Sat. 20,2 sollicitavit inguina mea mille iam mortibus frigida ). Diese Deutung hat einen prominenten Fürsprecher. In seiner Streitschrift „Wie die Alten den Tod gebildet“ zitiert LESSING die Stelle hier und führt aus: „Auch die Römer machten einen Unterschied zwischen Lethum und Mors. Emergit late Ditis chorus, horrida Erinys | et Bellona minax, facibusque armata Megæra | Lethumque, Insidiæque, & lurida Mortis imago : sagt Petron. (…) Ich, meines Theils, möchte lieber glauben, daß Lethum mehr die Art des Sterbens, und Mors den Tod überhaupt, ursprünglich bedeuten sollen. (…) Der Arten des Sterbens sind unendliche: aber es ist nur Ein Tod.“ ( Berlin 1769, 61f. ). So dürfte es auch das BC sehen. lurida : Zu luridus, „fahl, düster, leichenblass“, als Farbe des Todes und der Unterwelt cf. Hor. c. 3,4,74 f. luridum … ad Orcum ; Prop. 4,7,2 lurida … exstinctos effugit umbra rogos ; 4,11,8 lurida porta ; Ov. met. 14,198 luridus … horror ( beim Anblick des Todes ); 14,747 lurida … membra ( ein Leichnam ); Corp. Tib. 3,3,38 luridus Orcus ; Thes. VII 2, 1863,6-11. Als Farbe des Todes kehrt sie wieder Sil. Ital. 13,560 Mors lurida. Gerade in Verbindung mit lurida lässt imago an die „Schatten“ der Verstorbenen denken ( fast synonym zu εἴδωλον, simulacrum, umbra ; ähnlich bereits STUBBE 143 ad loc.: „imago ist der Tod in Analogie zu den Toten im Hades, die als umbrae oder imagines oder simulacra gedacht werden“ ); e.g. Verg. Aen. 1,353f. inhumati … imago | coniugis ; 2,772f. infelix simulacrum atque ipsius umbra Creusae | visa mihi ante oculos et notā maior imago ; 2,793f. ~ 6,701f. manūs effugit imago eqs.; Hor. c. 1,24,15 num vanae redeat sanguis imagini …? ; Ov. fast. 5,463 elapsa rogi flammis et inanis imago. Mortis imago : Die Junktur erscheint zuerst in der Wendung vom Schlaf als „Abbild des Todes“ ( cf. Cic. Tusc. 1,92 habes somnum imaginem mortis ; Ov. am. 2,9b,41 quid est somnus, gelidae nisi mortis imago ; Ps.-Cato Monosticha 19 mortis imago iuvat somnus ), die ihrerseits wohl an die alte Vorstellung vom Schlaf als „Bruder des Todes“ anknüpft ( cf. Ilias 14,231 Ὕπνῳ κασιγνήτῳ Θανάτοιο, und R. JANKO ad loc.; 16,672 ; Hesiod theog. 756 ; Verg. Aen. 6,278 consanguineus Leti Sopor, und R.G. AUSTIN ad loc.; Sen. Herc. fur. 1066-69 Somne, … frater durae languide Mortis ; Val. Flacc. 8,74 fratri

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… simillime Leto ; Stat. Theb. 5,197 cum consanguinei mixtus caligine Leti sc. Somnus; s. auch A.S. PEASE 205 ad Cic. div. 1,63; NISBET – HUBBARD 284 ad Hor. c. 1,24,5 ). Vergil setzt die Junktur beim Fall Trojas ein ( Aen. 2,369 ubique pavor et plurima mortis imago, oben zit.). Sie kehrt oft wieder, e.g. Ov. met. 10,726 repetita … mortis imago ( das im Adoniskult alljährlich „wiederholte Schauspiel des Todes“; cf. F. BÖMER ad loc.); trist. 1,11,23 ( im Seesturm) quocumque aspexi, nihil est nisi mortis imago ; Tac. hist. 3,28 ( zit. S. 1319 ); ann. 15,70,1 recordatus sc. Lucanus carmen a se compositum, quo volneratum militem per eius modi mortis imaginem obisse tradiderat ( cf. E. KOESTERMANN ad loc.: „durch einen Tod, der dem seinigen ähnlich war“ ); Carm. Lat. Epigr. 2018,3 pallida mortis imago. – Die variatio leti imago erscheint erst bei den Flaviern ( Val. Flacc. 2,206 Leti maior imago ; Sil. Ital. 14,617 eadem leti versatur imago, bei der Pest „zeigt sich überall dasselbe Antlitz des Todes“; 17,481 f., oben zit.). 258 quas inter : „in ihrer Mitte …“. Auf was genau quas sich bezieht, bleibt offen. Die Mortis imago steht im Singular, Letum ist Neutrum. Entweder sind die Insidiae u n d die Mortis imago gemeint, oder das Ensemble des Ditis chorus bis 257 ( bis auf Letum alles Feminina ), in dessen Mitte nun als letzte und wichtigste Figur Furor erscheint. – Quas inter funktioniert als relativischer Anschluss wie als Relativsatz. Zu inter ( hier nachgestellt ) cf. OLD s.v. 4 b: „( indicating a group in which a person or thing is in some way outstanding )“. 258-263 Furor (eqs.) : Der leibhaftige Furor betritt erst gegen Ende der Republik die literarische Bühne (cf. OLD s.v. 1c ; Thes. VI 1, 1633,6-21; der früheste Beleg für eine Personifizierung scheint Hor. epod. 5,92 nocturnus … Furor ; cf. L.C. WATSON ad loc.; O. WASER, RE VII 1, 1910, 382 ). Seinen großen Auftritt hat er in V e r g i l s emblematischem Bild vom ‚Wahnsinn‘ der überwundenen Bürgerkriege, der zähneknirschend und blutverschmiert, in Ketten geschlagen, auf ‚seinen‘ Waffen hockt ( Aen. 1,294-296 ): Furor impius intus | saeva sedens super arma et centum vinctus aënis | post tergum nodis fremet horridus ore cruento – „das größte Beispiel eines Symbols, das einen geschichtlichen Vorgang in ein Bild zusammenfaßt“ ( PÖSCHL 3 1977, 18 ). Als Furors Kerker dient wohl der Janustempel, dessen Belli portae nun geschlossen sind ( Aen. 1,294 claudentur Belli portae ; cf. 7,607-610 sunt geminae Belli portae eqs.). Inspiriert hat Vergil offenbar ein Gemälde des Apelles, das Augustus auf seinem Forum hatte aufstellen lassen ( cf. Plin. nat. 35,27 ; 35,93 f. Belli ima-

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ginem restrictis ad terga manibus … Augustus in fori sui celeberrimis partibus dicaverat ; Servius auct. Aen. 1,294 in foro Augusti … fuit Bellum pictum et Furor sedens super arma devinctus eo habitu quo poeta dixit ). Auf Vergil wiederum dürfte Ovids Triumphzug des Amor anspielen, in dem als milites des Liebesgottes Blanditiae, Error und v.a. Furor mitziehen ( am. 1,2,35; „outrageously nonconformist attitude to Augustan propaganda“; J.C. MCKEOWN p. 48 f. ad loc.). Calpurnius Siculus übertrug das Bild auf die unter Nero endgültig überwundene Bellona ( 1,46-50; zit. S. 1314 ). Gemeinsam mit anderen personifizierten Abstrakta siedelt S e n e c a Furor in der Unterwelt an, als einer von Dis’ Dämonen ( Herc. fur. 96-98 invisum Scelus | suumque lambens sanguinem Impietas ferox | Errorque et in se semper armatus Furor ); von dort steigt er auch empor ( Oed. 589-594 ; cf. A. J. BOYLE ad loc.). Lukan unterstellt Caesar, vor Pharsalos habe er neben anderen dunklen Mächten auch die Furores zu Hilfe gerufen ( 7,168-171 ). Eng an den Gott des Krieges bindet ihn S t a t i u s. An der Seite von Insidiae, Discordia, Mors und anderen bewacht er Mars’ Palast ( Theb. 7,47-53 ). Mit Ira, Pavor und Fama bildet er Mars’ Eskorte ( 3,424-431; auch zu Dionysos’ Gefolge zählt er : 4,652-663 ). Im ‚kollektiven Plural‘ zieht er mit ihm in den Krieg ( Theb. 9,832f. sola sc. Marti … Ira comes, reliqui sudant ad bella Furores ; Sil. Ital. 4,324 f. folgt Furor Hannibal in die Schlacht ). Mit anderen bösen Mächten wütet er im eroberten Theben ( Theb. 10,557-559 insanis lymphatam horroribus urbem | scindunt dissensu vario Luctusque Furorque | et Pavor et … Fuga, „die von wahnwitzigem Schrecken in Panik versetzte Stadt spalten in vielfältiger Zwietracht Trauer, Wahnsinn, Furcht und Flucht“ ). Als abstrakter Begriff ( cf. BC 39 in campo furor ; 60 furor et bellum ) taucht er zu Beginn des Bürgerkriegs in C i c e r o s Korrespondenz auf ( e.g. fam. 16,12,2 mirus invaserat furor non solum improbis sed etiam iis qui boni habentur, ut pugnare cuperent, me clamante nihil esse bello civili miserius eqs.; Att. 10,4,2 ardet furore sc. Caesar et scelere nec remittit aliquid sed in dies ingravescit eqs.). Zum Bürgerkrieg passt nicht zuletzt Furors autoaggressive Ader ( Sen. Herc. fur. 98 in se semper armatus Furor ; 1220 f. quod … habet proprium furor, | in se ipse saevit, „was dem Rasen zueigen ist: es selbst wütet gegen sich“ ). Die Ekphrasis 258-263 zeigt Furor als kampferprobten Soldaten: der blutige Helm, die zahllosen Narben, sein Schild legen Zeugnis ab von etlichen überstandenen Schlachten. Zugleich wappnet er sich für einen neuen Krieg : er setzt den Helm auf und reckt energisch den trutzigen Schädel; in der Rechten schwingt er den Brandsatz, der den Bürgerkrieg entfachen wird – halb Erinye ( cf. 256 facibusque armata Megaera ; 277 sanguineam … quatiebat lampada ), halb Gladiator.

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Neben Discordia ragt Furor als zentrale Erscheinung des Höllenchors heraus ( zu den Überschneidungen mit der Zwietracht cf. S. 1341 ). Und wie der einleitende Vergleich signalisiert ( 258 abruptis ceu liber habenis ), antwortet das BC auf Vergils emblematische Szene vom gefangenen Furor – und kehrt dabei mehr als nur die Chronologie um. Vergil zeigt die Situation n a c h dem Bürgerkrieg. Das BC zeigt die d a v o r – und erinnert uns so daran, wie labil der erreichte Friede ist. Denn bereits bei Vergil ist der impius furor nur gebändigt, nicht vernichtet. Er haust inmitten der Stadt, in Schach gehalten allein vom allmächtigen Princeps; die Gefahr eines Bürgerkriegs bleibt allgegenwärtig. Das BC lässt den von Octavian ( und Vergil ) gebändigten Dämon gleichsam erneut von der Kette. Denn Roms innere Krise ist mitnichten überwunden – sie kehrt immer wieder. Die gleiche Botschaft verkündet Lukan: „der Wahnsinn der Bürgerkriege wird viele Jahre währen“, und noch im Prinzipat sucht Furor das Reich heim, das gleichsam gefangen ist zwischen Skylla und Charybdis: nicht enden wollenden inneren Konflikten und der Tyrannei eines Despoten ( 1,666-672 inminet armorum rabies … multosque exibit in annos | hic furor eqs.; cf. NARDUCCI 2002, 107-111; CASALI 2011, 92f. ). 258 abruptis ceu liber habenis : „gleichsam frei nach dem Sprengen der Fesseln …“. Ein kleiner Vergleich leitet Furors Auftritt ein, der an das Pferdegleichnis der Troiae Halosis erinnert ( 58-60 ceu vi solet | nodo remissus Thessali quadrupes iugi | cervicem et altas quatere ad excursum iubas ; cf. Bd. I, S. 199-204 ad loc.). Die Junktur ceu liber habenis zitiert zudem Vergils Imperativ zum Training junger Militärpferde: per aperta volans ceu liber habenis | aequora vix summā vestigia ponat harenā ( georg. 3,194 f.: „über die offene Ebene dahinfliegend, wie befreit von den Zügeln, hinterlasse es kaum Spuren auf der sandigen Krume“ ). In dem Passus steckt wohl noch mehr Vergil: das Gleichnis vom unkontrolliert dahinrasenden Rennwagen, das einen außer Kontrolle geratenen militärischen Konflikt symbolisiert ( georg. 1,511-514 saevit toto Mars impius orbe, | ut cum carceribus sese effudēre quadrigae, | addunt in spatia, et frustra retinacula tendens | fertur equis auriga neque audit currus habenas ; zit. CONNORS 1989, 142 ), und der Hengst, der seine Zügel zerreißt und ins Freie stürmt – als Bild für Turnus ( Aen. 11,492-494 qualis ubi abruptis fugit praesepia vinclis | tandem liber equus eqs.; zit. SCHMELING – SETAIOLI ad loc.; Vergil wiederum greift auf Homers Gleichnis vom stolzen Ross zurück, das im Stall „die Fessel zerreißt“ und hinaussprengt, Ilias 6,506-511 [ zit. Bd. I, S. 200 ], hier 6,507 δεσμὸν ἀπορρήξας ).

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Die Rede ist hier vom sprichwörtlichen ‚die Zügel schießen‘, dem Pferd ‚freien Lauf‘ lassen ( wie Sat. 5,13f. der inspirierte Redner seinem Talent : mox … mittat habenas | liber ). Vor der Schlacht „rebelliert“ das Streitross „gegen die straff gezogenen Zügel“ ( Verg. Aen. 11,600 pressis pugnat habenis ; s. auch Stat. Theb. 6,318f. ne liber habenis | impetus : es gelte, das Pferd „nicht ungezügelt davonstürmen zu lassen“ ). Doch hier stürmt kein feuriger Hengst ins Gefecht, sondern der vom Kampf gezeichnete Dämon des Schlachtfelds, der mehr mit Vergils ‚Wahnsinn‘ der Bürgerkriege gemein hat als mit epischen Pferdegleichnissen. Bei Lukan wird das Bild ‚Wirklichkeit‘, wenn Pompeius vor Pharsalos „die Völker an die Waffen und den aggressiv Rasenden die Zügel schießen lässt“ ( 7,123-125 arma | permittit populis frenosque furentibus irā | laxat ). Stünde die Metrik nicht im Weg, hätte Eumolp statt habenis vermutlich catenis geschrieben – passend zu den „bronzenen Ketten“, in denen Vergils Furor liegt, der maßgeblichen Referenz für die Stelle hier ( Aen. 1,295f. aënis … nodis ; s. auch Manil. 1,922-924 iam bella quiescant | atque adamanteis Discordia vincta catenis | aeternos habeat frenos in carcere clausa – die langen Bürgerkriege mögen enden und Discordia ewig in Ketten liegen; Lukan 6,793 abruptis Catilina minax fractisque catenis ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1602 abruptis trepidus catenis sc. Cerberus). Zu dem altertümlichen, v.a. in der silbernen Latinität beliebten poetischen ceu cf. TH 58, und Bd. I, S. 202 ad loc. abruptis : abrumpere verbindet sich häufig mit großen Nutztieren; u.a. Enn. ann. 535f. Sk. equŏs … vincla … abrumpit ; Verg. Aen. 11,492f. ( oben zit.); Liv. 26,6,10 abrumpentium vincula iumentorum ; 37,20,11 ( Pferde); Sil. Ital. 16,264 f. abruptis … taurus … vinclis ; Tac. ann. 1,66,1 equus abruptis vinculis vagus ; Apul. met. 6,27,1 lorum … abrumpo ( der Esel ). 259 sanguineum late tollit caput : „reckt weithin das blutige Haupt …“. Über die reine Bewegung hinaus ( e.g. Ov. met. 5,574 f. sustulit alto | fonte caput sc. Arethusa ; Lukan 1,582 f. tollentem … caput … Marium ; 3,10 f. visa caput maestum per hiantes Iulia terras | tollere ; 3,256 f. caput … tollit … Euphrates sc. an seiner Quelle; Stat. Theb. 7,106 f. summas caput Acrocorinthos in auras | tollit, von der Lage der Stadt ) signalisiert das Heben des Hauptes oft S t o l z , E n e r g i e , M a c h t ( cf. OLD s.v. caput 2 b: „caput tollere, caput efferre, etc., to lift up the head; ( fig.) to become visible or important, to begin to assert oneself “, und e.g. Ov. fast. 4,256 edomito sustulit orbe caput, „Rom erhob ihr Haupt über den bezwungenen Erdkreis“; trist. 4,3,81f. caput … conspicuum pietas qua tua tollat, habet, „deine Treue hat eine Stätte, an der sie ihr Haupt weithin sichtbar erheben kann“ ( übers. G. LUCK ); Sil.

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Ital. 3,605 aequatum imperio tollens caput, Kaiser Titus „erhebt das seiner Macht ebenbürtige Haupt“ ). Dies gilt gerade auch im Krieg, wie alsbald Discordia bestätigt ( 272 extulit ad superos Stygium caput, und S. 1343f.; s. auch Verg. Aen. 5,375 caput altum in proelia tollit ; Val. Flacc. 6,179 caput per nubila tollens sc. Tisiphone, die zum Kampf ruft ; Sil. Ital. 3,264 celsum … caput super agmina tollit ). Das „blutige Haupt“ verweist in der Regel auf einen Mord ( cf. Ov. met. 6,658 caput … cruentum ; trist. 3,9,30 sanguineum … caput ; Sen. contr. 9,4,4 cruentum tyranni caput ). Hier steht das Blut fast synonym für den Krieg ( cf. e.g. Verg. Aen. 12,332 sanguineus Mavors ; Ov. met. 1,143 sanguineā … manu crepitantia concutit arma ). Late ( metrisch in gleicher Position wie BC 255 ) hat hier den Unterton „weithin sichtbar“. 259-260 oraque mille | vulneribus confossa cruentā casside velat : „und verhüllt das von tausend Wunden zerfurchte Gesicht mit dem blutverkrusteten Helm.“ Furor rüstet sich für den Krieg ( Ilias 5,743f. setzt e.g. Athene vor der Schlacht den Helm auf ). Das vernarbte Gesicht mag ein Relikt aus Roms zahlreichen inneren Konflikten sein ( cf. Ov. am. 3,8,19 cerne cicatrices, veteris vestigia pugnae ; Lukan 1,32 alta sedent civilis vulnera dextrae ). Die hyperbolischen „tausend Wunden“ ( cf. 135,4 sincipitis vetustissima particula mille plagis dolata, „ein uraltes Restchen Schweinskopf, von tausend Hieben zerfurcht“; s. auch BC 262 innumerabilibus telis ) scheinen Ovids Einfall ( met. 6,617 f. per vulnera mille | sontem animam expellam, und F. BÖMER ad loc.; 12,171f. patientem vulnera mille | corpore non laeso … Caenea ; cf. Lukan 7,602f. mille in vulnera laetus | labitur, „trotz seiner tausend Wunden sinkt er froh zu Boden“; Stat. Theb. 9,44 vulneribus ceu mille gravis ; s. auch Ov. met. 3,522 mille lacer … locis, ein „über tausend Stellen“ verstreuter Körper ; 13,119 mille patet plagis sc. clipeus; Lukan 1,299 mille pericula Martis ; Stat. Theb. 12,776 emicuit per mille foramina sanguis ). „Von Narben übersät“ ist auch Senecas personifizierter Zorn ( dial. 4,35,5 Iram … cicatricosam eqs.; zit. S. 1340 ). Die Junktur vulneribus confodere ist erst in der Kaiserzeit belegt ; cf. Sat. 26,7 tot vulneribus confossis ; Liv. 24,7,5 ut … confoderetur aliquot … volneribus ; Sen. benef. 3,19,2 confossum vulneribus ; 5,3,3 multis vulneribus confossus est ; Curt. Ruf. 5,13,16 multis … confossum vulneribus ; 8,14,34 ; Mart. spect. 15(13),1f. confossa … vulnere mater | sus ; Thes. IV, 245,35-39. Die cruenta cassis ist singulär ( Thes. IV, 1239,21; zu cassis cf. GUIDO 1976, 230 ad loc.; zu dem poetischen Pl. ora cf. S. 1008f. ). Auf das eigenwillig verwendete velare,

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„verschleiern“, das ansonsten fast exklusiv in Verbindung mit Stoffen gebraucht wird, macht CONNORS aufmerkam ( 1989, 142f. ). Furors blutigem Haupt ( 259 sanguineum – 260 cruenta ) verleihen die Alliterationen Nachdruck ( cap- – con- – cru- – cass- / vuln- – vel- ). 261-262 haeret detritus laevae Mavortius umbo | innumerabilibus telis gravis : „abgenutzt hängt an der Linken der Marsschild, von unzähligen Geschossen beschwert“. Von Furors Kämpfen zeugt neben den Narben und dem blutigen Helm nicht zuletzt sein Schild, den „zahllose Geschosse“ spicken ( cf. Stat. Theb. 2,604 f. spicula …, clipeo quae plurima toto | fixa tremunt ; 2,671f. clipeum … nutantem spoliis ; 8,704 f. densis iam consitus hastis | ferratum quatit umbo nemus, „auf seinem schon dicht mit Speeren bepflanzten Schild wogt ein eherner Hain“ ). Das gravitätische, mit zweieinhalb Daktylen den Hexameter bis zur Penthemimeres füllende Heptasyllabon ( innumerabilibus ) und gleich vier Spondeen bringen dessen Gewicht auf die Waage. Nach den erbitterten Kämpfen um Dyrrhachion zierten „hundertzwanzig Einschusslöcher“ den Schild von Caesars Centurio Scaeva ( Caes. civ. 3,53,4 foramina cxx ; cf. Lukan 6,138-262; Suet. Iul. 68,4 ; Appian b.civ. 2,249; Anth. Lat. 844 R.). Telīs gravis ist auch der von Apoll mit „tausend Pfeilen“ gespickte Python ( Ov. met. 1,443 mille gravem telis ; s. auch Sen. Ag. 324 f. graves levibus telis … pharetras ~ Sil. Ital. 7,445 gravidam telis … pharetram ). Der Mavortius umbo ist singulär ( cf. e.g. Val. Flacc. 3,53 Martia cassis ; Stat. Theb. 9,838 Mavortia cuspis ; Ach. 1,626 tela … Mavortia ), und kaum ein Beleg, dass Furor hier Mars’ Schild benutze, wie einst Athene Zeus’ Panzerhemd ( Ilias 5,736f.; so BALDWIN 1911, 216; STUBBE 144 ad loc.). Haerēre findet sich in den Sat. mit dem Dativ ( cf. 126,12 daphnona, qui ambulationi haerebat ; s. auch Thes. VI 3, 2496,9-19. 66-80; ebd. 2499,6-15 ), wie hier ( an einen Dat. commodi denkt M. DEUFERT in epist.). Häufiger ist die Konstruktion mit dem Abl. ( cf. 89,1 video te … in illa haerere tabula ; so wohl auch 99,3 incultis … regionibus diutius nives haerent ; BC 202 victa suis haerentia flumina ripis ; frg. 48,3 M.4 duris haerentia mōra rubetis ~ Ov. met. 1,105 in duris haerentia mōra rubetis ). Zu dētrītus umbo cf. Sil. Ital. 10,396f. nudae plerisque sinistrae | detrito clipeo ; zu dem klassisch höchst seltenen adjektivisch verwendeten PPP von deterere ( „schwächen; verschleißen“ ) cf. BC 56 detrita … commoda luxu ( und S. 964 ). – BC 261 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions ( cf. YEH 2007, 234-236 für eine metrische Analyse des Verses ). Das Heptasyllabon ( s. auch 206 Amphitryoniades ) hat Vorbilder ( cf. Lucr. 1,583 innumerabilibus plagis vexata per aevom ; Helvius Cinna frg. 1,2 FLP innumerabilibus

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… saeclis, und E. COURTNEY ad loc.; ferner Sat. 100,1 luna innumerabilibus comitata sideribus ). 262-263 atque flagranti | stipite dextra minax terris incendia portat : „und mit brennendem Scheit bringt seine drohende Rechte den Ländern Feuersbrünste.“ ( HOLZBERG ). Zur Fackel der Furien cf. 256 facibus … armata Megaera, und S. 1315 ad loc.; Lukan 1,572-577 ingens urbem cingebat Erinys | excutiens pronam flagranti vertice pinum eqs. ( ein Kriegsvorzeichen ). Zu incendium als Metapher für den Krieg cf. 139 fax … incendia ducit ; 215f. arma, cruor, caedes, incendia totaque bella | ante oculos volitant, und u.a. Cic. Pis. 5 ego faces iam accensas ad huius urbis incendium … exstinxi ; rep. 1,1 oriens incendium belli Punici secundi ; Marc. 29 belli civilis incendium ; Phil. 7,3 quae provincia est, ex qua illa fax (sc. der ‚Brandstifter‘ Antonius) excitare non possit incendium? ; Verg. Aen. 1,566 tanti incendia belli ; Liv. 10,24,13 obrutum ignem … ita ut totiens novum ex improviso incendium daret ; Val. Flacc. 6,739 medii … incendia belli ; Thes. VII 1, 864, 82-865,24 ; OLD s.v. incendium 3 a: „( in fig. context ): (of outbreaks of hostility, violence, or sim.)“. – Die dextra minax ist singulär ( ohne Enallage Stat. silv. 5,2,116 vultū dextrāque minacem ). Zu incendia portare cf. Stat. silv. 4,6,79 Romuleis portantem incendia tectis sc. Hannibalem ; Sil. Ital. 16,160 Libyam portari incendia suades ; zu dem prosaischen portare cf. AXELSON 30f. 264 – 270 Die Theomachie Nach dem Exodus der Tugendgötter und der Ankunft der Unheil stiftenden Mächte ergreifen nun die Olympier Partei im Bürgerkrieg. In der großen Theomachie der Ilias streiten Ares, Apoll, Artemis und Aphrodite auf Seiten der Troer, auf Seiten der Griechen Poseidon, Athene, Hera, Hermes und Hephaistos ( 20,1-74 u.ö.; Verg. Aen. 2,608-618 helfen Juppiter, Juno, Neptun und v.a. Minerva den Griechen, Troja zu Fall zu bringen ). Homers klassischem Vorbild folgen auch ‚historische‘ Theomachien. Bei Cannae kämpfen u.a. Mars, Apoll, Neptun, Venus, Hercules und Quirinus auf Seiten Roms, Juno, Minerva, Ammon sowie etliche mindere Götter für Karthago ( Sil. Ital. 9,287-303 ). Bei Actium stellen sich Neptun, Venus, Minerva, Mars und Apollo ( unterstützt offenbar von Discordia, Bellona und den Furien ) den ägyptischen Tiergöttern entgegen ( Verg. Aen. 8,698-705; zu dem Thema allgemein cf. RIPOLL 2006 ). Im BC wählen Venus, Minerva und Mars ( ?) Caesars Seite, Apollon, Diana, Mercurius und Hercules die des Pompeius ( zu möglichen Gründen

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für diese Parteinahmen cf. die folgenden Lemmata ). Mit keiner der obigen Theomachien steht diese Liste in engerer Verbindung. Eine versteckte Botschaft zur militärischen Überlegenheit des einen Lagers dürfte sich in einem Detail verbergen. Während die Götter auf Pompeius’ Seite unbewaffnet scheinen, ist auf Caesars Seite wiederholt von Waffen die Rede ( 266f. Dione | Caesaris arma sui ducit ; 268 ingentem quatiens Mavortius hastam ; s. auch SULLIVAN 1985, 171: dank „Minerva and Mars, the two most warlike deities …, on balance Caesar is given better divine help in his warfare than the Republican side and Pompey“ ). Bei Lukan schlagen sich in Pharsalos die Götter und „Roms Schicksal“ allesamt auf Caesars Seite ( 7,647f. iam Magnus transisse deos Romanaque fata | senserat infelix ; s. auch 1,128 victrix causa deis placuit ). Nach der Flucht der Tugenden ( 245-253; 9 Verse ), und eingebettet in den doppelten Auftritt der höllischen Mächte ( 254-263 und 271-295; 10 bzw. 25 Verse ), wirkt das kleine Interludium mit seinen sieben Versen fast wie eine Pflichtübung, wie eine unerlässliche Konzession an das klassische Epos ( allen voran Verg. Aen. 8,698-705). 264-265 sentit terra deos mutataque sidera pondus | quaesivere suum : „es spürt die Erde die Götter, und die leichter gewordenen Gestirne missten die gewohnte Last.“ Der neue Abschnitt beginnt (nicht zuletzt dank der vermeintlichen Brücke 263 terris – 264 terra ) bewusst mit einem Missverständnis: als spüre die Erde das Gewicht des Ditis chorus ( cf. SCHMELING – SETAIOLI ad loc.: „The earth feels the presence of the demonic powers.“ ). Die Rede ist jedoch von den Olympiern ( 265 namque ; so bereits MÖßLER 1842, 33 ), die in zwei Parteien den Himmel verlassen, um wie der Höllenreigen im Bürgerkrieg mitzukämpfen. Die Erde wird schwerer, der Äther leichter ( raffiniert abgebildet von dem Hysteron – Proteron: erst vermissen die Gestirne ihre Last : quaesivēre, Perf. ; dann spürt sie die Erde: sentit, Präs.). Das gleiche Phänomen beschreibt Silius’ Theomachie ( 9,300-303 quorum … mole simul venientum et gressibus alma | intremuit tellus … vacuo descensum sc. est ad proelia caelo, „zugleich unter der Schwere und den Schritten der Ankommenden bebte Mutter Erde … aus einem verwaisten Himmel war man herabgestiegen zur Schlacht“ ). Das gewaltige Gewicht der Götter bezeugt bereits die Ilias ( e.g. 5,838 f.; 13,18 f. ). So auch römische Quellen ( e.g. bei Herakles’ Aufnahme in den Olymp, Ov. met. 9,273 sensit Atlas pondus ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1569f. loca quae sereni | deprimes caeli ? ). Lukan überträgt das Motiv auf Kaiser Nero ( nach seiner Apotheose möge er in der Mitte des Himmels residieren, da

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sonst der Äther ins Wanken gerate: 1,56f. aetheris immensi partem si presseris unam, | sentiet axis onus ), Claudian auf Kaiser Theodosius ( c. 7,108 oneri venturo conscius Atlans, „Atlas war sich der künftigen Last bewusst“ ). Dies gilt umso mehr, wenn die Götter als Ensemble auftreten ( e.g. Germanicus Arat. 264 f. sustinet Atlans | regna Iovis superosque atque ipso pondere gaudet ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 11f. numquid impositum sibi | non poterit Atlas ferre cum caelo Herculem ? ; Stat. Ach. 1,193 f. superis … gravatum | Pelion ; s. auch Juv. 13,47-49: vor der Ankunft der Olympier contenta … sidera paucis | numinibus … urguebant Atlanta minori | pondere, und E. COURTNEY ad loc.). Auch auf Erden macht sich das Gewicht der Götter bemerkbar ( e.g. Ov. met. 4,449f. intravit sc. Ditis regiam Iuno sacroque a corpore pressum | ingemuit limen ; 15,693 f. corpus in Ausoniā posuit rate ; numinis illa | sensit onus, pressa estque dei gravitate carina ; fast. 3,330 terra … subsedit pondere pressa Iovis ; Stat. silv. 1,1,19 f., und F. VOLLMER ad loc.; Theb. 5,429 f.: wenn die Götter den Himmel verlassen, terra superbit | gressibus ( „spürt stolz ihre schweren Schritte“ ) et paulum respirat caelifer Atlas ); cf. H. WAGENVOORT, Roman Dynamism, Oxford 1947, 113-116 ; H. CANCIK, Untersuchungen zur lyrischen Kunst des P. Papinius Statius, Hildesheim 1965, 93-95 ; W.D. LEBEK, Lucans Pharsalia, Göttingen 1976, 93. Mutare bedeutet hier nicht, wie STUBBE 144 u.a. meinten, locum mutare, „einen Ort ( gegen einen anderen) tauschen“ ( e.g. Hor. c. 1,17,1f. Lucretilem | mutat Lycaeo Faunus, „den Lucretilis tauscht Faunus gegen den Lykaios“; 2,16,18f. quid terras alio calentīs | sole mutamus ? ). Auch haben die „verwandelten Gestirne“ weder ihr Aussehen noch ihr Wesen verändert. Sie sind leichter geworden, und deshalb womöglich ein wenig ‚aufgestiegen‘ ( cf. OLD s.v. mūtō 1 10 a : „to change the position of, move, shift ; (refl. or pass. in middle sense) to alter one’s position“; und u.a. Plaut. Amph. 273f. neque se Septentriones quoquam in caelo commovent, | neque se Luna quoquam mutat atque uti exorta est semel, „weder bewegen sich die Plejaden am Himmel irgendwohin, noch ändert der Mond seine Position, seit er aufging“; Germanicus Arat. 435f.: die Sternbilder semel adsignata tuentur | inmoti loca nec longo mutantur in aevo ). An eine Enallage (~ mutatum pondus ) dachten DE SALAS 248 und BALDWIN 1911, 219. Das pondus suum der Gestirne ist nicht ihr Gleichgewicht ( e.g. SCHÖNBERGER : „und die verlassenen Sterne mußten ihr Gleichgewicht suchen“; ähnlich u.a. DÍAZ Y DÍAZ ); es geht auch nicht um ihre eigene „Masse“ ( cf. OLD s.v. pondus 4 a ), sondern um die fremde „Last“ ( cf. OLD s.v. 5 b ), die sie für gewöhnlich ( deshalb suum ) tragen: die Götter. Zu pondus in kosmischen Kontexten cf. u.a. Verg. ecl. 4,50 convexo nutantem pondere

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mundum ; Sen. Phaed. 973f. vasti pondera mundi | librata suos ducunt orbes ; Ps.Sen. Herc. Oet. 1907-08 stelligeri vector Olympi | pondere liber spiravit Atlans. Quaerere hat hier den seltenen Unterton „vermissen“ ( cf. BURMAN 765 ad loc.: „Elegantissime dictum pro, desiderarunt ordinarium & legitimum pondus“; LEMAIRE 1824, 113 ad loc. zitiert App. Verg. Eleg. Maec. 129 quaesivere chori iuvenem sic Hesperon illum ; cf. H. SCHOONHOVEN, Elegiae in Maecenatem, Groningen 1980, 24 : „to look in vain for, to miss“ ). Zu sidera als Synekdoche für caelum ( OLD s.v. sīdus 7 a ) cf. BC 87 sedes … ad sidera mittunt ; 134 f. tuba Martem | sideribus tremefacta ciet ; 146 f. hunc … hiemps … ad sidera … tollit ; 155 intentans … manus ad sidera, und e.g. Ov. met. 1,180 terram mare sidera movit ; App. Verg. Aetna 102f. diviso corpore mundi | in maria ac terras et sidera ; Juv. 13,47 f. contenta … sidera paucis | numinibus. 265-266 namque omnis regia caeli | in partes diducta ruit : „Denn die gesamte Himmelsburg, in Lager gespalten, stürzte sich hinab.“ Die Olympier schlagen sich in dem Konflikt auf eine der beiden Seiten ( e.g. EHLERS : „all die Gebieter der Sterne stürmten zu der oder jener Partei“; ferner 108,7 totius … navigii turbam diducit in partes ; 116,6 homines in hac urbe … scitote in duas partes esse divisos ; BC 217 pectora per … duas scinduntur … causas ; s. auch Cic. rep. 1,31 mors Tib. Gracchi … divisit populum unum in duas partīs ; Caes. civ. 1,35,3 intellegere se divisum esse populum ‹ Romanum › in partes duas ; Sall. Iug. 41,5 omnia in duas partīs abstracta ( „gespalten“ ) sunt, res publica … dilacerata ; Lukan 7,198 aethera … totum discordi obsistere caelo, vor Pharsalos liegt der Himmel „mit sich selbst im Kampf “; Tac. ann. 4,17,3 diductam sc. esse civitatem ut civili bello ). Zu diducere cf. OLD s.v. 1c: „to divide ( into factions, etc.)“; zu partes im Kontext politischer Parteiungen, insbes. im Bürgerkrieg, cf. MEIER 1966, 307f. In Lukans berühmtem Bonmot hingegen ergreifen die Götter allesamt für Caesar Partei, für die ‚verlorene Sache‘ der Pompeianer und der Republik einzig Cato ( 1,128 victrix causa deis placuit, sed victa Catoni ). Gleich drei Themen klingen in dem polyphonen ruere an: 1.) das ‚Herabfahren‘ der Olympier vom Himmel ( e.g. GRIMAL : „… se précipite sur la terre“ ; cf. Hor. c. 1,16,11f. tremendo | Iuppiter ipse ruens tumultu : als göttlicher Blitz), 2.) das kopflose ‚in den Bürgerkrieg Stürzen‘ ( cf. Hor. epod. 7,1 quo, quo scelesti ruitis ? ; Verg. Aen. 12,313 quo ruitis ? quaeve ista repens discordia surgit ? ( „one of Virgil’s clearest indications that the war between the Trojans and Latins is a quasi-civil war“; R.J. TARRANT ad loc.); Lukan 2,145 f. ( im Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla) data libertas odiis, resolutaque legum | frenis ira ruit ; Ps.-Sen. Oct. 786 f. agmina … efferata per nefas in-

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gens ruunt ; Tac. hist. 1,46,3 ad seditiones et discordias et ad extremum bella civilia ruebant ), und zwischen den Zeilen 3.) der dank der ‚kosmischen Katastrophe‘ Bürgerkrieg ‚einstürzende‘ Himmel ( cf. S. 1149f. ). NISBETs iamque ( 1962, 232 ) gibt dem Vers Tempo. Doch namque liefert die unverzichtbare Begründung zu BC 264 f. regia caeli : Vergils Junktur regia caeli steht zuerst – wie hier – für die ‚Himmelsburg‘, den Hof der Olympier, und in diesem Fall oft synonym für die Olympier selbst ( cf. georg. 1,503 f. iam pridem nobis caeli te regia, Caesar, | invidet ; Aen. 7,210 aurea … stellantis regia caeli ; Lukan 1,45-47 te … regia caeli | excipiet ; Stat. Theb. 11,218 ; Sil. Ital. 1,136 ), bisweilen aber auch für den Himmel selbst ( cf. Sat. 136,6,5 confusa … regia caeli, und Ov. met. 1,256-258 tempus, | quo mare, quo tellus correptaque regia caeli | ardeat ; 2,298 si freta, si terrae pereunt, si regia caeli ; Sen. Phaed. 328-328a umeris sc. Herculis … sederat alti | regia caeli ; Ps.-Sen. Herc. Oet. 1112 ). Im Hexameter bildet die Junktur meist den Versschluss, wie hier ( so Sat. 136,6,5, und in allen oben zitierten Stellen außer Verg. georg. 1,503 ). 266-267 primumque Dione | Caesaris arma sui ducit : „Und an erster Stelle führt Dione die Truppen ihres Caesars.“ Venus stellt sich an die Spitze von Caesars Heer und Parteigängern ( zu primum cf. 249 Pax prima ante alias ). Aus gutem Grund steht sie auf Seiten „ihres Caesars“. Schon lange ( strittig ist, seit wann ) galt Aeneas’ Mutter nicht nur als Ahnherrin des römischen Volks, sondern auch als Stammmutter der gens Iulia. Caesar war damit „Venus’ Spross“ ( Cic. fam. 8,15,2 Venere prognatus ; cf. Verg. ecl. 9,47 Dionaeus Caesar, und u.a. Lukan 3,212f.; Suet. Iul. 6,1 a Venere sc. sunt Iulii, cuius gentis familia est nostra ; Cassius Dio 43,43,3; bei Ovid beklagt sie das drohende Attentat auf ihn, met. 15,760778 ); er förderte ihren Kult in Rom und den Provinzen und ebnete ihr den Weg zur ‚Nationalgöttin‘ der Römer ( WEINSTOCK 1971, 15-18; zu Pompeius’ enger Beziehung mit Venus cf. SANTANGELO 2007 ). Und auch wenn „in diesen für das Vaterland gefährlichen Zeiten“ gegen Ende der Republik Lukrez die Göttin innig um Frieden anfleht ( 1,29-43; zit. 1,41 hōc patriai tempore iniquo ; Hinweis von A. SETAIOLI in epist.) – auch mit dem Bürgerkrieg war sie unlösbar verbunden. Vor Pharsalos entrichtete Caesar ihr und Mars Gebete und Opfer ( WEINSTOCK 1971, 27 ); seine Parole in jener Schlacht lautete Venus Victrix ( Appian b.civ. 2,319 Ἀφροδίτην νικηφόρον ); nach seinem Sieg feierten ihn die Städte Kleinasiens als Ares’ und Aphrodites Nachkommen ( WEINSTOCK 1971, 128132 ). Und den Tempel, den er ihr in Pharsalos gelobt hatte, weihte er ihr als Venus Genetrix im September 46 auf dem Forum Iulium ( WEIN-

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1971, 80-87 ). Zu Ehren dieser dynastischen Genealogie ließ Augustus später im Tempel des Divus Iulius Apelles’ berühmte Venus Anadyomene aufstellen ( Plin. nat. 35,91 Venerem exeuntem e mari divus Augustus dicavit in delubro patris Caesaris eqs.). Das singuläre arma ducere verbindet die „Truppen“ ( OLD s.v. arma 7a) mit ducere, „Truppen führen“ ( OLD s.v. 6 ). Vorbild sind vertraute militärische Wendungen wie arma capere, sumere, gerere, movere ( „to take up arms, engage in military activities, commence hostilities, go to war“; OLD s.v. arma 5c). Dione : Alte Tradition sah in Dione die Mutter Aphrodites ( cf. Ilias 5,370 f., und G.S. KIRK ad loc.; Eur. Hel. 1098 ; Theokrit 15,106 u.ö.; Cic. nat. 3,59; Claudian rapt. 3,433; s. auch das Matronym Dionaea für Aphrodite, u.a. Verg. Aen. 3,19 Dionaeae matri ; Hor. c. 2,1,39 ). Doch vereinzelt setzten sie hellenistische Autoren mit ihrer Tochter gleich ( cf. Theokrit 7,116, und A.S.F. GOW ad loc.; Bion epit. Adon. 93, und J.D. REED ad loc.). Die meisten lateinischen Autoren folgten diesem Vorbild ( cf. Sat. 133,3,1 pulchra Dione, und u.a. Catull 56,6 ( der älteste römische Beleg ), und G. FRIEDRICH ad loc.; Ov. am. 1,14,33 nuda Dione, und J. MCKEOWN ad loc.; ars 3,3 alma Dione ; fast. 5,309, und F. BÖMER ad loc.; Val. Flacc. 7,187; Stat. silv. 1,1,84 Latiae … templa Diones ; 2,7,2 ; Ach. 2,54 ; Sil. Ital. 6,697 laeta Dione ). Im Hexameter rückt der Name stets ans Versende. arma : Die überlieferten acta, Caesars „Taten“ ( cf. OLD s.v. actum 1 b ; so u.a. BÜCHELER ; BALDWIN ; ERNOUT ; CIAFFI ; DÍAZ Y DÍAZ ) sind am ehesten den totis … actis geschuldet ( BC 270 ), vielleicht auch der Erinnerung an die Formel acta Caesaris, wie sie v.a. Cicero für Caesars Maßnahmen und Gesetze oft verwendet ( e.g. dom. 39; prov. 44 ; Phil. 1,16 acta Caesaris servanda censeo ; 2,100 acta … Caesaris … confirmata sunt a senatu ; s. auch G. MANUWALD p. 573 ad Phil. 5,7: „Caesar’s papers and regulations“ ). Dass acta sich meist auf Vergangenes bezieht ( e.g. Ov. am. 3,12,15 ~ trist. 2,335 Caesaris acta, „Augustus’ Taten“; cf. Lukan 8,807 actūs tantos monimentaque maxima rerum, auf Pompeius’ Grabstein ), ist kein Problem ; der Begriff kann auch Künftiges umfassen ( cf. Lukan 1,121 nova ne veteres obscurent acta triumphos : Pompeius fürchtet, Caesars „neue Taten könnten seine alten Triumphe verdunkeln“ ). Vielmehr vertragen sich die acta kaum mit dem Verb ( die Übersetzungen suchen dies zu kaschieren; e.g. STUBBE : „Da führt zunächst die Venus ihres Caesars Werk“; SCHÖNBERGER : „zuerst nun lenkte Venus ihres Cäsars Taten“; WALSH : „The first to plot her Caesar’s course was Dione“ ). Ist Venus etwa Caesars Strategin ? STOCK

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Sprachlich wie inhaltlich hingegen überzeugen PASSERATs arma ( so u.a. MÜLLER ; GRIMAL ; GIARDINA – MELLONI ). Die „Waffen“ sind ein zentrales Schlagwort des BC ( 15 sichere Belege; s. auch 176 und 256 armatus ), gerade für Caesar ( 143 civilia sustulit arma ; 156f. Saturnia tellus, | armis laeta meis ; 176 armatus nescio vinci ; 290 quid … tuis cunctaris in armis ? ; s. auch Ov. am. 1,2,51 aspice cognati felicia Caesaris arma ; Lukan 2,246 alii … Caesaris arma sequantur ). Für arma spricht v.a. eine Stelle des Properz: vexit et ipsa sui Caesaris arma Venus, | arma resurgentis portans victricia Troiae ( 4,1,46f.: „da sandte Venus persönlich die Waffen ihres Caesars, und trug die siegreichen Waffen des wiedererstandenen Troja“ ). Die Szene, in der Venus ihrem Sohn Aeneas Vulkans Waffen überreicht ( Verg. Aen. 8,608-625; s. auch Ov. met. 14,572f. Venus victricia nati | arma videt ), überträgt Properz auf Aeneas’ Nachfahren, Augustus, der als „ihr Caesar“ nun ‚Waffen‘ bzw. ‚Armeen‘ empfängt ( cf. G. HUTCHINSON 69f. und HEYWORTH 2007, 420 ad loc.). Ähnlich sorgt sie hier für Caesars ‚Rüstung‘ ( wohl als Synonym für sein Heer ). 267-268 comes additur illi | Pallas : „Als Gefährtin gesellt sich ihr Pallas zur Seite“. Der schon früh bezeugte Name Pallas ( e.g. Ilias 1,400 ~ Od. 1,125 Παλλὰς Ἀθήνη ) ist seit der alten Tragödie auch in Rom heimisch ( u.a. Accius trag. 307 R.3 ; Hor. c. 1,15,11; Verg. Aen. 3,544 u.ö.; Ov. met. 2,553 u.ö.). „Das Wort ‚Pallas‘ bleibt dunkel; es wurde bald als ‚Mädchen‘, bald als ‚die Waffen Schwingende‘ gedeutet, doch kann auch Nichtgriechisches darin stecken“ ( BURKERT 1977, 220; cf. ebd. 222 zu dem Mythos, sie habe einen Riesen namens Pallas erschlagen ). Warum kämpft Minerva, die als Mitglied der kapitolinischen Trias über Rom wacht ( cf. Cic. dom. 144 ~ fam. 12,25,1 custos urbis ), für Caesar ? Immerhin hatte ihr Pompeius nach seinen Siegen im Osten in Rom ein Heiligtum geweiht, zudem einen Großteil der Kriegsbeute ( cf. Diodor 40,4 ; Plin. nat. 7,97 ). Vermutet wurde, sie sympathisiere mit Caesars strategischem Genie und scharfem Intellekt ( cf. Ov. met. 8,252 favet ingeniis … Pallas ; BURMAN 765: „Hanc Caesari ob insignem ejus eruditionem & eloquentiam propitiam à Petronio induci censet Gronovius.“; BALDWIN 1911, 220: „the goddess of scientific warfare, naturally aids Caesar, the greatest of Roman generals“; GRIMAL 1977, 26 ). Vielleicht ist die Antwort auch profaner. Einen Hinweis liefert der Name Pallas. „When her warlike aspects are mentioned, Latin poets tend to call her Pallas rather than Minerva“ ( NISBET – RUDD 74 ad Hor. c. 3,4,57f. ). Wie Mars und Bellona ist sie eine Gottheit des Kriegs ( u.a. Hor.

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c. 1,15,11f. galeam Pallas et aegida | currūsque et rabiem parat ; Verg. Aen. 3,543f. numina sancta … Palladis armisonae ; Ov. met. 4,754 bellica virgo ; 5,46 bellica Pallas ; Stat. Theb. 2,715-719 diva ferox, … bellipotens eqs.; silv. 4,5,23 regina bellorum virago, „the virgin queen of battles“, D.R. SHACKLETON BAILEY ). So kämpft Pallas Athene bei allen epischen Theomachien mit ( cf. S. 1326f. ), und stets auf Seiten des Siegers – ob vor Troja ( cf. Verg. Aen. 2,162f. omnis spes Danaum et coepti fiducia belli | Palladis auxiliis semper stetit, „… gründete stets auf Pallas’ Beistand“ ), bei Cannae, bei Actium, oder hier im Bürgerkrieg. Sie weiß, auf wessen Seite sie sich schlägt. comes additur illi : Das poetische ( und attributive ) comitem alicui addere wird in der Regel passiv verwendet ; cf. u.a. Liv. 1,56,7 Titus et Arruns profecti ; comes iis additus … Brutus ; Manil. 2,884 summae comes addita finis ( „der höchsten Position droht Vernichtung“ ); Sil. Ital. 7,205 Somnus, Bacche, tibi comes additus ; 13,581 Macies …, malis comes addita Morbis ; Carm. Lat. Epigr. 2099,21 haec individui semper comes addita fulcri sc. tibi ( „sie, dir stets beigesellt als des unzertrennlichen Lagers Gefährtin“ ); cf. Thes. I, 580,62-84. Vergil gebraucht es aktiv ( Aen. 9,649 comitem Ascanio pater addidit ; 9,765 addit sc. illis Halyn comitem ), aber auch – wie hier – medial ( 6,528 inrumpunt thalamo, comes additus una sc. illis Ulixes ; 6,777 f. avo comitem sese … addet | Romulus ; s. auch Val. Flacc. 5,285 quibus addimur armis ? ). Zum Bild cf. BC 252 huic comes it … Fides. 268 et ingentem quatiens Mavortius hastam : „und, die ungeheure Lanze schüttelnd, Mavortius.“ Mars ist hier mehr als nur Synonym für „Krieg“ ( e.g. Verg. Aen. 8,676 instructo Marte ) oder Sinnbild des Bürgerkriegs ( cf. Verg. georg. 1,511 saevit toto Mars impius orbe ). Gerade mit dem Kriegsgott sah sich Caesar verbunden, wie seine Gebete an Venus und Mars vor Pharsalos belegen ( und BC 183 die Mavortia signa andeuten, seine Feldzeichen ; zu alten Banden der gens Iulia mit Mars cf. TAYLOR 1931, 58 ). Wegen ihrer Tapferkeit im Bürgerkrieg taufte er eine seiner Legionen Martia ( WEINSTOCK 1971, 130 ). Nach dem Bürgerkrieg wollte er dem Mars auf dem Campus Martius einen Tempel weihen; es blieb bei den Plänen. Stattdessen errichtete Octavian nach Actium auf dem neuen Forum Augustum den großen Tempel für Mars Ultor, den Rächer seines Adoptivvaters ( cf. Ov. fast. 5,573577 ; Vergil zeigt Mars bei Actium auf Seiten Octavians : Aen. 8,700 saevit medio in certamine Mavors ; cf. LIEBESCHUETZ 1979, 86f. ). Die Deutung von Māvortius als Mars ( der in poetischen Texten meist Mars, Mavors, Gradivus heißt ) ist freilich nicht sicher. Das Adjektiv verweist regelmäßig auf Personen aus Mars’ Umfeld: seine ‚Gattin‘ Venus ( Val.

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Flacc. 2,208 Mavortia coniunx ), seine Tochter Penthesilea ( Manil. 1,768 Mavortia virgo ; Val. Flacc. 5,89 Mavortia … Amazon ), seine Söhne Meleager ( Ov. met. 8,437 ) oder Romulus ( Verg. Aen. 6,777 f. Mavortius … Romulus ), den Heros Hektor ( Ilias Latina 529 u.ö. Mavortius Hector ). So deuteten etliche Philologen Mavortius hier als R o m u l u s bzw. Q u i r i n u s ( u.a. DOUSA ap. BURMAN 765; MÖßLER 1870, 16; BALDWIN 1911, 220 ), und niemand entschiedener als BÜCHELER ( 1908; jetzt : ders. 1930 [ Bd. III ], 388; s. auch die ed. mai., wo er Mars fortius konjiziert ): „Mavortius autem minime Mars est sed Mavortis semine natus “ ( nach Ciceros Formel für Romulus und Remus, Mavortis semine natos, Cons. frg. 10,43 FLP, und Horazens Mavortis puer für Romulus, c. 4,8,23 ). Dank Romulus endeten zudem beide Listen mit einem Halbgott. Kaum weiter hilft die L a n z e , die Mavortius hier schwingt ( nicht unähnlich seinem Protegé Caesar, der mit ihr die Gletscher bezwingt : 203f. magnam nixus in hastam eqs.; hastam ebenfalls am Versende ). Sie ist zwar fester Bestandteil von M a r s’ Ikonographie ( u.a. Ilias 5,594 Ἄρης δ᾿ ἐν παλάμῃσι πελώριον ἔγχος ἐνώμα, „Ares schwang in den Händen die riesige Lanze“; Ov. fast. 3,1f. depositis clipeo … et hastā, | Mars, ades ! ; met. 14,819 f. innixus … hastae … Gradivus ; Val. Flacc. 4,609 pugnas motā pater incitat hastā ; Stat. Theb. 8,383-385 stat medius campis … cuspide siccā | Bellipotens eqs.; 9,838 Mavortia cuspis ; Sil. Ital. 4,434 f. quassat … satiatam sanguinis hastam ; Sidonius carm. 10,15 Mavors … lusit in hasta ; Servius Aen. 8,3; Thes. VI 3, 2551,63-66; E. SIMON und G. BAUCHHENSS, Mars : LIMC II 1, 1984, 505-580; II 2, 1984, 378-425 ). Doch auch R o m u l u s wird oft mit einer Lanze dargestellt ( cf. J.P. SMALL, Romulus : LIMC VII 1, 1994, 639-644 ; VII 2, 1994, 496f. ). Welches Gewicht kommt dem Adjektiv zu ? Meist steht es als Epitheton und wird, wie die Beispiele oben belegen, durch ein Nomen näher definiert ( s. auch Verg. georg. 4,462 Mavortia tellus : Ares’ Heimat Thrakien; Aen. 1,276f. Mavortia … moenia : Rom; 9,685 Mavortius Haemon : ein Nachkomme des Mars; Ov. met. 3,531 proles Mavortia ~ Stat. Theb. 11,652f. Mavortia … semina : die Thebaner ; Stat. Theb. 1,274 Mavortius axis : ein Streitwagen; Sil. Ital. 15,4 Mavortia pectora : die Scipionen ). Allein steht es klassisch nur zweimal, für Meleager ( Ov. met. 8,437 ) und für eine Amazone ( Val. Flacc. 5,612 Mavortia ), beide Male in eindeutigen Kontexten. Umso ungewöhnlicher ist die Stelle hier, wo dieser eindeutige Kontext fehlt. Diese singuläre Verwendung von Māvortius spricht wohl für Mars. Zwei kleine Indizien liefert Lukan. In Nigidius Figulus’ Prophezeiung hat Mars als unheilvolles Gestirn Anteil am Bürgerkrieg ( 1,660-663 quid tantum, Gradive, paras ? … caelum Mars solus habet ). Und in der Schlacht von

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Pharsalos rast Caesar wie Mars persönlich ( 7,569f. aut Mavors agitans si verbere saevo | Palladiā stimulet turbatos aegide currūs ) – ein Vergleich, der ihn als furchtbaren Dämon des Kriegs entlarvt. Aber auch BÜCHELERs Hinweis, beide Kataloge schlössen mit einem Halbgott, ist nicht zwingend. Warum sollten auf Caesars Seite nicht ausschließlich Götter streiten – und ihm so den entscheidenden strategischen Vorteil verschaffen ? Einen letzten Hinweis liefert die Nomenklatur. Alle Götter der kleinen Doppelliste tragen besondere Namen ( Dione, Pallas, Phoebus ) oder werden umschrieben ( soror, Cyllenia proles, Tirynthius ). Das alexandrinische Mavortius bildet ein gutes Gegengewicht zu Tirynthius. Unter dem Strich neigt sich die Waagschale in Richtung des Gottes ( für die Identifikation mit Mars votierten u.a. DE SALAS 248; RIBBECK 1892, 125; ERNOUT ; GRIMAL 1977, 25 ; CONNORS 1989, 143; SCHMELING – SETAIOLI ad loc.; OLD s.v. Māuortius 2 2 ad loc.). ingentem quatiens … hastam : Die ingens hasta ist ein Markenzeichen Vergils ( cf. Aen. 2,50; 10,762, s. unten; 12,398f. stabat … ingentem nixus in hastam ). Ansonsten bleibt sie selten ( cf. Ilias Latina 428 ingenti scapulas transverberat hastā ). Die Junktur hastam quatere erscheint zuerst bei Ennius ( ann. 395 Sk. hastas frangitque quatitque ); die Augusteer und Flavier greifen sie auf ( Verg. Aen. 10,762 ingentem quatiens Mezentius hastam – hier ‚zitiert‘ ; 11,767 certam quatit … hastam ; Ov. met. 5,9 fraxineam quatiens aeratae cuspidis hastam ; Val. Flacc. 2,269 quatit ventosis ictibus hastam ; Sil. Ital. 7,547 ; Apul. met. 10,30,7 ; zu dem verwandten hastam quassare cf. u.a. Verg. Aen. 12,93 f. hastam … quassat … trementem ; Ov. ars 1,696 ). Unterschwellig erinnert das ‚Schütteln der Lanze‘ an das von der Primatologie beschriebene „phallische Imponieren“ ( e.g. Priap. 20,6 me terribilem mentula tenta facit ; cf. BURKERT 1972, 70; D. FEHLING, Ethologische Überlegungen auf dem Gebiet der Altertumskunde, München 1974, 7-38 ). 269-270 Magnum cum Phoebo soror et Cyllenia proles | excipit : „Des Magnus nehmen sich samt Phoebus dessen Schwester und der kyllenische Spross an“. Offen bleibt, warum Merkur und Diana auf Pompeius’ Seite kämpfen ( laut Horaz rächt der mit Merkur identifizierte Octavian Caesars Tod; c. 1,2,41-44 ). Dass Merkur Pompeius favorisiere, weil dieser mit seinem Schlag gegen die Piraten den freien Seehandel gerettet habe ( so GRIMAL 1977, 27 ), überzeugt so wenig wie der Einfall, Diana sei Pompeius für seine große Tierhatz dankbar ( cf. S. 886; so DE SALAS 248 ). Spielen hier vielleicht die chthonischen Assoziationen eine Rolle, die sich mit dem Psychagogen Hermes und Diana – Hekate verbinden – als Indiz, dass Pom-

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peius dem Hades geweiht sei ( zur dunklen Seite Dianas in der Aen. cf. BAILEY 1935, 157-162 ) ? Ein Mysterium bleibt v.a. die Zuordnung A p o l l o n s zu Pompeius ( GRIMAL 1977, 26 verweist auf apollinische Orakel, die dem Osten einen König verhießen hätten – was auf Pompeius passe, der den Osten erobert und neu geordnet habe ). In den Alpen bekräftigt der delphische Gott Caesars Gebet gleich doppelt ( 177f. Delphicus ales | omina laeta dedit ; 181f. ipse nitor Phoebi … crevit eqs.); in Actium kämpft er für Caesars Adoptivsohn Octavian ( 115 Apollinis arma timentes ). Man erwartet ihn schon deshalb auf Caesars Seite, da dieser an einem 13. Juli geboren wurde, dem Haupttag der ludi Apollinares. Roms ersten Apollontempel errichtete im 5. Jh. v.Chr. ein Ahnherr der Julier. Zum Dank für Apolls Hilfe bei Actium weihte ihm Octavian nach Ende der Bürgerkriege einen Tempel auf dem Palatin ( 28 v.Chr.) und machte ihn zu seinem Schirmherrn und zum „Hausgott des Julischen Geschlechts“ ( HEINZE 3 1915, 84 ), ja zum populärsten Gott des frühen Prinzipats ( Augustus’ Maßnahmen gingen wohl auf Initiativen Caesars zurück; cf. WEINSTOCK 1971, 12-15; LIEBESCHUETZ 1979, 82-85 ). Apollo victor wird zum Schlagwort der neuen Friedensära ( cf. Hor. c. saec.; Properz 4,6, bes. V. 69f. ). Zu der Umschreibung cum Phoebo soror cf. 109,10,2 Phoebo pulchrior et sorore Phoebi, und Bd. I, S. 475 ad loc. ( s. auch Sen. Herc. fur. 905 geminumque numen Phoebus et Phoebi soror ). – Zu excipere, „beschützen, beschirmen“ ( OLD s.v. 7: „to take under one’s care or protection, take in, give shelter to“ ), cf. u.a. Cic. Manil. 23 hunc in illo timore et fugā Tigranes … excepit ; Liv. 4,43,9 desertam … ab hominibus rem publicam, deorum providentiā curāque exceptam ; Lukan 9,24 f. patriam tutore carentem | excepit sc. Cato. Der Singular ( statt excipiunt ) verdankt sich der Kongruenz. Cyllenia proles : Das seit der späten Republik belegte, metrisch bequeme Epitheton Cyllēnius ( seltener Cyllēnēus ; cf. PEASE 1935, 257 ad Aen. 4,252 ) geht auf das homerische Κυλλήνιος zurück ( Od. 24,1; Hymn. hom. Herm. 304 ), das an Hermes’ Geburt auf dem Berg Kyllene in Arkadien erinnert ( cf. Hom. hymn. Herm. 1-16; Verg. Aen. 8,138f. Mercurius …, quem candida Maia | Cyllenae gelido conceptum vertice fudit ; Ov. fast. 5,87 f., und F. BÖMER ad loc.). Vergils Junktur Cyllenia proles ( Aen. 4,258 ) erscheint neben Ovid ( ars 3,725 ) und hier auch bei den Flaviern ( Stat. Theb. 1,293; 7,74 ; Sil. Ital. 13,630 ), und stets am Hexameterende ( innerhalb des Verses in der Variante proles Cyllenia : Val. Flacc. 1,436 ; Stat. silv. 2,1,189). Meist gilt die Periphrase Merkur ( Ov. ars 3,725 und Val. Flacc. 1,436 sind seine Söhne gemeint ).

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270 ac totis similis Tirynthius actis : „und der ihm mit all seinen Taten ähnliche Tirynthier.“ Obgleich Caesar in den Alpen in Herakles’ Fußspuren tritt ( 144-146, und S. 1144 f. ), ja mit ihm verglichen wird ( 205f. qualis Caucaseā decurrens arduus arce eqs.), ist die Entscheidung des Zeussohns für Pompeius verständlich. Pompeius restaurierte sein Heiligtum am Forum Boarium ( SIMON 1990, 80 ); auf dem Aventin weihte er ihm einen Tempel ( Vitruv 3,3,5; Plin. nat. 34,57; L. RICHARDSON 1992, 187f. ); beim Bau seines 55 v.Chr. eröffneten Theaters stiftete er dem Hercules Invictus einen Schrein. Hercules Invictus lautete auch Pompeius’ Parole bei Pharsalos ( Appian b.civ. 2,319 Ἡρακλέα ἀνίκητον ; WEINSTOCK 1971, 83 ). Vor allem aber war Herakles neben Alexander Pompeius’ zweites großes Vorbild. Herakles’ Taten im fernsten Westen und Osten wurden Metaphern für die Eroberung der Oikumene. Und wie der Alkide kehrte Pompeius von den Säulen des Herakles am westlichen Oceanus so triumphal heim wie aus den Tiefen Asiens. Die Zeitgenossen sahen ihn denn auch als Herakles’ Erben und Nachfolger ( cf. Plin. nat. 7,95, zit. S. 1276; Augustus wird Herakles sogar übertreffen : Verg. Aen. 6,801 nec vero Alcides tantum telluris obivit, als er die Welt befriedete, wie der Kaiser ). Cf. B. RAWSON, Pompey and Hercules : Antichthon 4, 1970, 30-37; M. JACZYNOWSKA, ANRW II 17.2, 1981, 634 ; SANTANGELO 2007. Zu acta zitiert STUBBE 145 Stat. Theb. 4,833 Herculis actis ; 12,584 nec … invideat paribus Tirynthius actis ( „nicht neide Herakles dem Theseus die ebenbürtigen Taten“ ). – Realistischer als das vollmundige totis klingt NISBETs tantis ( 1962, 232; cf. HOLZBERG : „und der ihm in so vielen Taten ähnliche Tirynthier“; im Lesetext steht totis ). Doch die Hyperbel passt gut zu der Passage ( s. auch die ‚chiastische‘ Alliteration ac to- Ti- ac-). – Zur Metrik von BC 268-271 cf. YEH 2007, 281f. Tirynthius : Der „Mann von Tiryns“ ( die dritte Periphrase des Heros im BC ; cf. 144 Graio numine ; 206 Amphitryoniades ; s. auch 139,2,2 Tirynthius ) ist der manchen Quellen zufolge in Tiryns geborene Herakles ( lt. Servius Aen. 7,662 ist er dort aufgewachsen: TIRYNTHIUS a Tirynthe civitate Argis vicina, in qua nutritus est Hercules ). Aber auch sein Dienst unter Eurystheus trug ihm das Epitheton ein, den manche Quellen als König von Tiryns ausgeben ( e.g. Eur. Alc. 481 Τιρυνθίῳ πράσσω τιν᾿ Εὐρυσθεῖ πόνον, „dem Tirynthier Eurystheus leiste ich Dienst“ ). Seine Mutter Alkmene war die Tochter Elektryons, eines tirynthischen Heros. In Rom verleiht ihm zuerst Vergil diesen Beinamen ( Aen. 7,662 ; 8,228 ; v.a. bei Ovid, Valerius Flaccus und Statius kehrt er wieder ).

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271 – 295 Discordia civilia rursus bella tonant dubiumque quatit Discordia mundum Claudian c. 7,63 f.

Nachdem die Olympier Partei ergriffen haben und allerorten die Truppen in Stellung sind ( cf. 281 toto fluitantes orbe catervas ), ruft im letzten Abschnitt des Gedichts Discordia zum Kampf ( zu ihrer Rede cf. S. 1357 ). Mit ihrer Ekphrasis ( 271-277; sieben Verse ) endet die vom Götterkatalog ( 264270; sieben Verse ) unterbrochene Liste des Ditis chorus ( 254-263; zehn Verse). Anders als ihre Gegenspielerin Concordia erfuhr Discordia nie kultische Ehren. Wo sie als Personifikation in römischen Texten erscheint, erinnert ihre Rolle oft an die homerische Eris ( „Zwietracht, Streit“; cf. S. 1305 ). Als dämonische Höllenmacht provoziert sie Konflikte, bis hin zum Krieg ( cf. Claudian c. 3,30 nutrix Discordia belli ). Einen ersten Auftritt hat sie bei E n n i u s , wo sie die „Tore des Krieges“ sprengt und in die Unterwelt zurückkehrt ( ann. 220-226 Sk., bes. 225 f. ~ Hor. serm. 1,4,60f. Discordia taetra | Belli ferratos postes portasque refregit ; cf. NORDEN 1915, 10-18; SKUTSCH 1985, 403-405 ; lt. COURTNEY 2001, 185 ist Discordias Auftritt hier „perhaps modelled on that in Ennius, Annals 7, which leaves its reflection in Aen. 7“ ). Abstrakt bleibt sie bei Lukrez ( 5,1305-07 ). V e r g i l reiht sie unter die dämonischen Personifikationen im Vorhof des Hades ( Aen. 6,280f. Discordia demens | vipereum crinem vittis innexa cruentis ; auch spätere Stimmen lassen sie in der Unterwelt hausen: Sil. Ital. 13,586; Claudian c. 3,30; zu Satans Gefolge zählt sie Prud. ham. 393-405 : numerosa cohors sub principe tali | militat … Ira Superstitio Maeror Discordia eqs.). Ihr Alter ego ist die Furie Allecto ( cf. S. 1306f. ), ihr Gegenbild hier Neptun, der den Furor bändigt ( Aen. 1,124-130; cf. S. 1261 ). Auch S e n e c a zeigt Discordia ( die discors Erinys bzw. discors dea ) den Furien eng verbunden. Im Thyestes ruft Atreus sie zu seinem Frevel herbei ( 250-252, bes. 251 discors … Erinys ; zit. S. 1289 ). Im Hercules furens zitiert Juno sie und die Furien aus der Unterwelt, damit sie Herakles mit Wahnsinn schlagen und die eigene Familie ermorden lassen ( 86-106 adsint ab imo Tartari fundo excitae | Eumenides … revocabo in altā conditam caligine … discordem deam eqs.). S t a t i u s lässt sie neben Furor, Mors und anderen Mächten Mars’ thrakische Feste hüten ( Theb. 7,40-63, bes. 50 geminumque tenens Discordia ferrum ; s. auch SETAIOLI, Nugae 9: „The divine figures of the Bellum civile,

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such as Fortuna or Discordia, are personified allegories more reminiscent of Statius than of Virgil.“ ). Sie wirkt mit bei der Herstellung eines unheilvollen magischen Halsbandes ( 2,287 f. ) und stiftet die Lemnierinnen zum Gattenmord an ( 5,73f. Odia aspera ubique | et Furor et medio recubat Discordia lecto ; so auch Val. Flacc. 2,204 -206 ). Bei S i l i u s treibt sie die Götter auf das Schlachtfeld von Cannae ( 9,288f. Discordia demens | intravit caelo superosque ad bella coegit ; cf. oben S. 1326 ). Zur Protagonistin erhebt sie auch P r u d e n t i u s’ Psychomachia, in der sich Tugenden und Laster in allegorischen Zweikämpfen messen. Der von Concordia geführte Heerbann der Tugenden siegt, und Discordia ( niemand anderes als die „Ketzerei“, 709f. Discordia dicor, | cognomento Heresis ) büßt ihren feigen Anschlag auf Concordia mit dem Leben (665-725 ; cf. MALAMUD 1989, 57-78 ). Discordias Auftritt im BC macht auch deshalb Sinn, weil der Begriff in der späten Republik ( ausgehend von Formulierungen wie Cic. Phil. 7,25 omnia … plena odiorum, plena discordiarum, ex quibus oriuntur bella civilia ) zum Synonym für ‚Bürgerkrieg‘ avancierte; cf. Verg. ecl. 1,71f. en quo discordia civīs | produxit miseros ( „wohin trieb die Zwietracht beklagenswerte Bürger ? “ ); georg. 2,496 infidos agitans discordia fratres ; Aen. 10,9 quae contra vetitum discordia ? ( „Welche Zwietracht rebelliert gegen meinen Bann?“; so Juppiter, der den Latinern Krieg mit den Troern verboten hatte ); 12,583 exoritur trepidos inter discordia civīs ( „a quasi-civil war“; R.J. TARRANT ad loc.); Prop. 1,22,5 Romana suos egit Discordia cives ( im bellum Perusinum „scheuchte die römische Zwietracht die eigenen Bürger“ ); App. Verg. Dirae 83 inimica tui semper Discordia civis ( „Zwietracht, stets Feindin deinen Bürgern“ ); Prud. psych. 477 cognatam civilis agit discordia praedam ( „Verwandte verwandelt der Bürgerkrieg in Beute“ ). Lukans civilis Erinys ( 4,187; ein Synonym für die Discordia der Bürgerkriege ) verfolgt die Römer bis in die Unterwelt ( 6,780 effera Romanos agitat discordia manes ). Keine andere Figur des Höllenreigens wird so ausführlich ( und abstoßend ) beschrieben wie Discordia. „This Discordia is a ludicrously overdrawn figure, with her bruised and weeping eyes, blood-smeared face, and rusty teeth, but her role in the parody as the instigator of civil strife shows that her image as an icon of civil war was so common as to be a cliché.“ ( MALAMUD 1989, 72 ). Das groteske Porträt streift die Parodie, und lässt Ennius’ Discordia taetra lebendig werden ( ann. 225 Sk.). Zwei Details teilen sich die Discordia des BC und die Vergils: das Schlangenhaar ( BC 275 obsessa draconibus ora ~ Aen. 6,281 vipereum crinem vittis innexa cruentis ; das BC übersteigert das Bild, wenn die Schlangen das

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Gesicht des Dämons „belagern“ ) und das zerfetzte Gewand ( BC 276 laceratam … vestem ~ Aen. 8,702 scissā … pallā ). Es gibt Parallelen mit anderen Ekphraseis, etwa Horazens Hexen mit ihrem ungepflegten Haar ( epod. 5,15f. brevibus implicata viperis | crinīs et incomptum caput ; 5,27 f. horret capillis ut marinus asperis | echinus aut currens aper ) oder E r i c t h o s grausiger Physiognomie ( Lukan 6,515-518 tenet ora profanae | foeda situ macies, caeloque ignota sereno | terribilis Stygio facies pallore gravatur | impexis onerata comis, „das Antlitz der Gottlosen zeichnet die scheußliche Hagerkeit der Entstellung, und das dem heiteren Äther unbekannte furchtbare Antlitz wird verdüstert von stygischer Blässe und bedrängt von einer ungekämmten Mähne“; 654-656 discolor et vario furialis cultus amictu | induitur, vultusque aperitur crine remoto, | et coma vipereis substringitur horrida sertis, „ein buntes Gewand nach Furienart mit scheckigen Falten wird angelegt, und das Gesicht befreit vom Haar, das entfernt wurde, und die struppige Mähne zusammengebunden mit Viperngirlanden“ ). Auch der blinde Ö d i p u s starrt von Blut und Eiter, seine Züge sind eingefallen, die Augenhöhlen leer ( Stat. Theb. 11,582-585 veteri stat sordida tabo | utraque canities, et durus sanguine crinis | obnubit furiale caput ; procul ora genaeque | intus et effossae squalent vestigia lucis ; s. auch Theb. 2,504-518 die Sphinx ). Manches erinnert an Totenerscheinungen ( e.g. Verg. Aen. 2,277-279 squalentem barbam et concretos sanguine crinīs | vulneraque eqs.; Sen. Oed. 624 f. stetit per artūs sanguine effuso horridus, | paedore foedo squalidam obtentus comam, „da stand er, starrend von dem über die Glieder ausgegossnen Blut, das schmutzige Haar mit abscheulichem Moder verklebt“; übers. K. TÖCHTERLE ), aber auch an Charon ( Verg. Aen. 6,298-304 ; Sen. Herc. fur. 764768 ), oder an düster ausgemalte Personifikationen: I n v i d i a ( Ov. met. 2,775-777 pallor in ore sedet, macies in corpore toto, | nusquam recta acies, livent rubigine dentes …, lingua est suffusa veneno ), F a m e s ( Ov. met. 8,801-808 hirtus erat crinis, cava lumina, pallor in ore, | labra incana situ, scabrae rubigine fauces, | dura cutis, per quam spectari viscera possent eqs.), den Z o r n ( Sen. dial. 4,35,5 qualia poetae inferna monstra finxerunt succincta serpentibus et igneo flatu, quales ad bella excitanda discordiamque in populos dividendam pacemque lacerandam deae taeterrimae inferum exeunt, talem nobis Iram figuremus, flammā lumina ardentia … tela manu utrāque quatientem … torvam cruentamque et cicatricosam … terras maria caelum ruere cupientem, infestam pariter invisamque ) oder auch die homerische F i n s t e r n i s ( Ἀχλύς ; Ps.-Hesiod Aspis 264-270 ) oder Eris ( Quintus Smyrnaeus 10,53-64 ). Discordia am nächsten stehen Statius’ T i s i p h o n e ( Theb. 1,103-113 centum illi stantes umbrabant ora cerastae, | turba minor diri capitis ; sedet intus abactis | ferrea lux oculis … ; suffusa veneno | tenditur ac sanie gliscit cutis ; igneus atro

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| ore vapor, quo longa sitis morbique famesque | et populis mors una venit ; riget horrida tergo | palla, et caerulei redeunt in pectora nodi … geminas quatit ira manūs : haec igne rogali | fulgurat, haec vivo manus aëra verberat hydro ) und ein G e s p e n s t ( larva ) des Apuleius: „Ein Weib erschien, abstoßend in ihrem ärmlichen Aufzug und ihrem eigenartigen Gram, spärlich bedeckt von jämmerlichen Lumpen, mit bloßen, ungeschützten Füßen, von buchsbaumfarbener Blässe und Magerkeit entstellt, und ihr zerwühltes, ergrauendes Haar, schmutzig von der darübergestreuten Asche, fiel nach vorn und bedeckte den größten Teil ihres Gesichts.“ ( met. 9,30,3 mulier reatu mirāque tristitie deformis apparuit, flebili centunculo semiamicta, nudis et intectis pedibus, lurore buxeo macieque foedata, et discerptae comae semicanae sordentes inspersu cineris pleramque eius anteventulae contegebant faciem ). Der Blick des Erzählers wandert von oben ( 272 caput ) nach unten ( 276 pectore ; 277 dextra ). Lange verweilt er auf dem Gesicht mit dem zerrauften Haar ( 271 scisso crine ; cf. 252f. crine soluto | Iustitia ), den blutverschmierten Zügen ( 272 f. huius in ore | concretus sanguis ), den triefenden Augen ( 273 contusaque lumina flebant ), dem rostigen Gebiss ( 274 aerati … dentes ) und der eitrigen Zunge ( 275 tabo lingua fluens ). Um den Kopf winden sich Schlangen ( 275 obsessa draconibus ora ). Über das zerfetzte Gewand ( 276 laceratam … vestem ; cf. 253 maerens lacerā Concordia pallā ) und die vor Zorn kochende Brust ( 282 furibundo pectore ) erreicht der Blick zuletzt die blutige Fackel ( 277 sanguineam … lampada ) in der bebenden Rechten ( 277 tremulā … dextrā ). Bilder von Krankheit und Alter ( aber auch Trauer : das zerraufte Haar und das zerfetzte Gewand ) vermischen sich mit Elementen aus der Ikonographie der Furie ( das Blut, die Fackel, die Schlangen ). In ihrer Summe wecken die Details Ekel und Abscheu. Auffällig sind die Parallelen zur Ekphrasis Furors: beide recken ihr Haupt ( 259 sanguineum late tollit caput ~ 272 extulit ad superos Stygium caput ); beider Gesicht ist entstellt ( cf. 259f. ora … vulneribus confossa ) und ( teilweise ) verborgen ( 259f. ora … casside velat ~ 275 obsessa draconibus ora ); beide schwingen Fackeln ( 262 f. flagranti | stipite dextra eqs. ~ 277 tremulā quatiebat lampada dextrā ; s. auch 256 facibus … armata Megaera ); beide sind von Blut gezeichnet ( 259 sanguineum … caput ~ 272f. huius in ore | concretus sanguis ; 260 cruentā casside ~ 277 sanguineam … lampada ). Furor wie Discordia verkörpern jene Kräfte, die zum Bürgerkrieg führen: ‚Wahnsinn‘ und ‚Zwietracht‘. Doch wie sich ihre Ziele überschneiden, so auf der sprachlichen Ebene ihre Ekphraseis. Der Leser erlebt eine Art déjà-vu infernal ( cf. S. 832f. ).

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271 – 282 Discordias Auftritt 271 intremuere tubae : „Es schmetterten die Trompeten“. Aus dem Vorzeichen ( 134 f. tuba Martem … ciet ; cf. S. 1124 f. ) wird der Ruf aufs Schlachtfeld. Zugleich kündigen die Trompeten den letzten und entscheidenden Auftritt des BC an ( MÖßLER 1842, 34 vermutete, der Höllenchor selbst rufe Discordia herbei ). – Zu intremēscere cf. BC 123 intremuit nubes ( und S. 1105 ). 271-272 ac scisso Discordia crine | extulit ad superos Stygium caput : „und mit zerrauftem Haar erhob die Zwietracht zur Oberwelt das stygische Haupt.“ Noch von der Unterwelt aus ( die sie erst 278 verlässt : Cocyti tenebras et Tartara liquit ) richtet Discordia ihren Blick kämpferisch auf die Götter ( cf. OLD s.v. superus 3 b, und e.g. Verg. Aen. 7,312 flectere si nequeo superos ; so die Mehrheit der Übersetzer, e.g. HOLZBERG : „zu den Himmlischen“ ), eher aber auf die Adressaten ihrer Rede: die Menschen ‚droben‘ ( 283 gentes ; cf. OLD s.v. superus 2 b, und e.g. Sen. Ag. 4 fugio … inferos, superos fugo, und R.J. TARRANT ad loc.; Thy. 82 f. quando continget mihi sc. Tantalo | effugere superos ? ; Herc. fur. 48 ad superos refert sc. Hercules Cerberum ). CONNORS ( 1989, 146 ) vermutet hier den Einfluss der homerischen Eris, der Personifikation des „Streits“, die „gegen den Himmel stemmt das Haupt und auf der Erde schreitet“ ( Ilias 4,443 οὐρανῷ ἐστήριξε κάρη καὶ ἐπὶ χθονὶ βαίνει ; übers. W. SCHADEWALDT ). Allerdings weilt Discordia noch im Hades ( s. oben ); zudem müsste sie in diesem Fall kaum das Gebirge aufsuchen, um sich einen Überblick zu verschaffen ( 279281 ). Gleichwohl mag die Ilias das Bild hier beeinflusst haben. Wie der Fortgang von Discordias Auftritt zeigt, zitiert ( und konterkariert ) die Szene hier die berühmte Intervention Neptuns im Seesturm ( Verg. Aen. 1,124 -130 magno misceri murmure pontum … sensit Neptunus …, graviter commotus, et alto | prospiciens summā placidum caput extulit undā eqs.; imitiert Val. Flacc. 1,642 caeruleum fundo caput extulit ; Sil. Ital. 7,254 turbatis placidum caput extulit undis ; lt. SETAIOLI, Nugae 9 ein Beispiel für „pointed reversals of Virgilian descriptions“ ). Neben extulit caput verraten dies noch zwei weitere verbale Signale ( BC 279 alta … iuga ~ Aen. 1,126 alto ; BC 281 toto fluitantes orbe catervas ~ Aen. 1,128 toto videt aequore classem ). Zudem münden beide Szenen in einer Rede – einer empörten ( Aen. 1,132-141: Neptun ), und einer empörenden ( BC 282-294 : Discordia ). Denn die Rollen haben sich dramatisch verkehrt : wo in der Aeneis eine hohe Gottheit dank ihrer Autorität die von widerrechtlichen Mächten aufgewühlte

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See beruhigt – wie der ideale Staatsmann ( 1,151 pietate gravem ac meritis … virum ; cf. R.G. AUSTIN ad 1,127 placidum ) die vom Furor aufgepeitschte Menge ( 1,150 furor arma ministrat ) – , wiegelt hier Discordia die Völker auf ( „Both rise up from the depths, survey an extensive scene, and then begin to speak. Neptune talks of calm and restraint, Furor [ sic ; lege Discordia ] of active hostility.“; ZEITLIN 1971, 78 und Anm. 1 ). Das singuläre Stygium caput ist wohl von Vergil inspiriert ( cf. Aen. 4,699 Stygioque caput damnaverat Orco ; 12,816 Stygii caput implacabile fontis ; COLLIGNON 168 verglich Allectos Stygiae alae, Aen. 7,476 ). Dank der markanten ( von der Alliteration sci- sup- Sty- und der Assonanz SCI- DISC- untermalten) Juxtaposition superos ↔ Stygium caput kollidieren an der Penthemimeres Ober- und Unterwelt. – BC 272 ist einer der acht holodaktylischen Verse des Epyllions ( cf. YEH 2007, 243-246 ). scisso … crine : In scisso crine ( stärker als 252 crine soluto ) klingt Verg. Aen. 8,702 scissā gaudens vadit Discordia pallā an ( cf. OLD s.v. scindo 5 b : „to tear apart, rend ( the face or clothes as a sign of grief or strong emotion; also the hair )“, und e.g. Aen. 12,870 infelix crinīs scindit … solutos ; Ov. am. 3,6,71 scindens inimico pollice crinem ; met. 11,682 f. nec crines solvere curat : | scindit ). Oft tritt das Verb auch zu coma ( u.a. Accius trag. 674 R.3 scindens dolore … intonsam comam ; Ov. her. 11,57 scissā tunicāque comāque ; mit medialem Partizip Verg. Aen. 9,478 ~ Stat. Theb. 11,317 scissa comam, „mit zerrauftem Haar“; zum parallelen comas lacerare cf. e.g. Ov. met. 11,726 ), seltener zu capillus ( e.g. Ov. met. 8,527f. scissae … capillos … matres ; trist. 3,3, 51 nec scinde capillos ). extulit … caput : Die Wendung caput efferre bzw. extollere ( meist im Perfekt : caput extulit ) kann Götter und Menschen ebenso beschreiben wie Tiere oder (übertragen) e.g. Städte oder Jahreszeiten ( zum verwandten caput tollere cf. BC 259 late tollit caput, und S. 1323f.; zu ora efferre cf. BC 76 extulit ora, und S. 1008 ). In der Regel wird sie faktisch verwendet : „die Augen, den Blick, das Haupt heben“ ( oft beim Auftauchen aus einem Gewässer oder – wie hier – einer Höhle, meist mit Abl. sep.); zu G e w ä s s e r n cf. u.a. Verg. georg. 4,352 prospiciens summā flavum caput extulit undā ; Ov. met. 5,487; 15,31 caput extulerat sc. Oceano densissima sidereum Nox ; fast. 5,637 Thybris … medio caput extulit alveo ; Corp. Tib. 3,7(4,1),123 liquidis … Sol caput extulit undis ; Claudian c. 28,159f.; zu H ö h l e n cf. Ov. met. 3,37f. longo caput extulit antro … serpens ; Stat. Theb. 6,108 fracto Boreas caput extulit antro ; Sil. Ital. 6,184-186 anguis … disiectā tellure sub astra … extulit adsurgens caput ; in a n d e r e n K o n t e x t e n e.g. Hor. epod. 2,17 f. decorum … caput | Autumnus agris extulit ; Verg. georg. 2,341 terrea progenies duris caput

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extulit arvis (die erdgeborenen ersten Menschen ); Priap. 83,4 f. Bücheler nec viriliter | iners senile penis extulit caput ; Sil. Ital. 6,15-17 ingenti miserandae caedis acervo … extulerat vix triste caput ( „aus einem gewaltigen Haufen elender Toter …“ ). Die faktische Verwendung geht fließend in die metaphorische über, oft im Sinne eines „herausragen ( aus ), überragen, übertreffen, erhöhen“; e.g. Cic. Planc. 33 antiqua libertas … malis oppressa civilibus extollere iam caput … debebat ; Verg. ecl. 1,24 alias inter caput extulit urbes sc. Roma ; Ov. fast. 1,209 Fortuna loci caput extulit huius ( zur Fortuna huius loci cf. F. BÖMER ad loc.); trist. 1,9,45 per ingenuas … caput extulit artes ( „dank einer standesgemäßen Ausbildung stach er heraus“ ); Vell. Pat. 2,4,6 super totum terrarum orbem Roma extulerat caput ; Sil. Ital. 8,250. Mitunter lässt sich eine gewisse Verlegenheit heraushören ( e.g. Ov. met. 10,419 f. extulit illa caput lacrimisque implevit … pectora nutricis eqs.; Sen. Oed. 619 f. pudibundum extulit | caput ), bisweilen auch provokanter Hochmut oder gar Aggression ( so Verg. georg. 3,551-553 saevit et in lucem Stygiis emissa tenebris | pallida Tisiphone Morbos agit ante Metumque | inque dies avidum surgens caput altius effert ; lt. R. MYNORS ad loc. nach Ilias 4,442f., zit. oben S. 1342 ) – wie hier ( s. auch die Variationen Aen. 4,177 caput inter nubila condit sc. Fama ; Ov. fast. 1,210 tetigit summo vertice Roma deos ). 272-273 huius in ore | concretus sanguis : „in ihrem Gesicht geronnenes Blut“. Wie Dis’ Klage zeigt ( 96 nullo perfundimus ora cruore ), könnte hier Discordias Mund gemeint sein: sie labt sich am Blut ihrer Opfer ( cf. STUBBE : „an ihrem Munde stand geronnenes Blut“ ). Die Systematik der Ekphrasis ( cf. S. 1341 ) spricht jedoch eher für das Gesicht insgesamt ( cf. 275 obsessa draconibus ora, „das schlangengerahmte Antlitz“ ). Discordias Züge sind blutverschmiert, wie ihre Fackel ( 277 sanguineam … lampada ), und Furors Haupt und Helm ( 259 sanguineum … caput ; 260 cruenta casside ). Das blutige Äußere eint dämonische Wesen und Kriegsgottheiten ( e.g. Verg. Aen. 12, 332 sanguineus Mavors ; Ov. her. 6,45 f. Erinys … sanguinolenta ; Sen. Ag. 81 f. tristis | sanguinolentā Bellona manu ). – Den Auftakt der Ekphrasis markiert die bukolische Dihärese ( huius in ore ). concretus sanguis : Der medizinische Terminus sanguis concretus ( e.g. Celsus med. 7,26,5 D u.ö.; Plin. nat. 35,181 ) fand vereinzelt den Weg in die Dichtung ; cf. Ov. met. 13,492 canitiem … concreto in sanguine verrens ( „sie reibt ihr graues Haar im geronnenen Blut“ ); Lukan 3,573 obducti concreto sanguine fluctūs ( „bedeckt von geronnenem Blut waren die Fluten“ ); Thes. IV, 94,82-84 ( freier e.g. Verg. Aen. 2,277 concretos sanguine crinīs ~ Val.

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Flacc. 3,286 concretos pingui … sanguine crines ; Ov. met. 14,201 humano concretam sanguine barbam ). 273 contūsaque lumina flebant : „und die versehrten Augen tränten.“ Discordia ist mitnichten blind ( e.g. STUBBE : „zerstoßene Augenlichter tränten“; EHLERS : „voll Naß die erloschenen Augen“ ); wie 280 f. nahelegt, sieht sie offensichtlich gut. Vermutlich hat sie auch kein chronisches Augenleiden, wie sie damals verbreitet waren ( e.g. Cic. Att. 10,14,1 mihi … lippitudo haec … sine ulla lacrima est eqs.; 10,17,2 crebro refricat lippitudo eqs.; Hor. serm. 1,5,30 f.; Plin. ep. 7,21,1 ). Eher käme eine Kriegsverletzung infrage – auch mit Blick auf das starke Verb. In kaiserzeitlichen Texten beschreibt contundere oft heftige Schläge ( e.g. Val. Max. 3,2,23 saxi … pondere ora contusus, „das Gesicht von einem Stein zertrümmert“; Sen. Thy. 1045f. pectora inliso sonent | contusa planctu ; Lukan 2,335f. contusa … pectus | verberibus crebris ; Claudian c. 15,135 contusa genas, vom trauernden Africa ). In Verbindung mit den Augen erscheint es nur noch Sen. contr. 1 praef. 17 oculorum aciem contuderat ( durch ungesunde Lebensführung „hatte er sein Augenlicht ruiniert“; cf. Thes. IV, 805,56 f. ). Doch vermutlich knüpft der Vers an Aischylos’ Erinyen an: „aus ihren Augen verströmen sie scheußliches Nass“ ( Eum. 54 ἐκ δ᾿ ὀμμάτων λείβουσι δυσφιλῆ λίβα ), ja „aus ihren Augen trieft grässliches Blut“ ( Choeph. 1058 κἀξ ὀμμάτων στάζουσιν αἷμα δυσφιλές ; zit. BALDWIN 1911, 223; cf. Stat. Theb. 11,585 effossae squalent vestigia lucis, Oedipus „besudeln Spuren des ausgehöhlten Augenlichts“ ). Laut A.F. GARVIE ( ad Choeph. 1058 ) sind blutunterlaufene Augen in griechischen Texten nicht nur ein Indiz für Wahnsinn; sie sind auch ein Charakteristikum des Mörders, und, in einer Art magischer ‚sympatheia‘, der Rächerinnen der Bluttat. Discordia vereint alle drei Kategorien. 274 stabant aerati scabrā rubigine dentes : „es starrten von krustigem Rost die ehernen Zähne“. Discordias Gebiss ist ohne Parallele ( cf. Thes. V 1, 539,15f. ), und hat nichts mit dem os ferreum gemein, dem „unverschämten Gesicht“ ( Catull 42,17; Cic. Pis. 63 ) bzw. „losen Mundwerk“ ( Licinius Crassus ap. Suet. Nero 2,2; s. auch Sidonius carm. 23,459 ferrea … ora, „die unermüdlichen Münder“ ). „Eiserne Klauen“ besitzt ein kinderfressendes Ungeheuer des Acheron ( Stat. Theb. 1,611 ferrati … ungues ). Einen Scherz mit „eisernen Zähnen“ macht Plautus ( Truc. 943 cave faxit volnus tibi ‹ hic › iam, quoi sunt dentes ferrei ); Antiphilos von Byzanz spricht sie einer Feile zu ( A. P. 9,

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310,1 ). „Mit eisernen Zähnen rast“ der Christenverfolger Galerius ( Laktanz inst. 5,11,6 per totum orbem ferreis dentibus saevit ). Kannte Petron nicht nur Salomons Urteil ( cf. Bd. I, S. 15 ad 79,12 ), sondern auch Daniels Vision von den vier großen Tieren, die dem Meer entsteigen ? Das letzte, das Alexanders Weltreich und die Imperien der Diadochen symbolisiert, hat „gewaltige eiserne Zähne“ ( AT Daniel 7,7 ὀδόντας σιδηροῦς μεγάλους ~ 7,7 Vulg. dentes ferreos … magnos ) – denn jenes vierte Reich „wird hart wie Eisen sein; Eisen zertrümmert und zermalmt ja alles usw.“ ( Daniel 2,40 ). Eingeflossen in das Bild sind vielleicht auch die indischen Kriegselefanten, die schon vor den Tagen Alexanders Schwerter an den Stoßzähnen trugen ( so Martin RÖSEL in epist.). Wohl inspiriert von zwei Dämonen Ovids, Missgunst und Hunger ( met. 2,776 livent rubigine dentes, „fahl schimmern von Fäulnis Invidias Zähne“; 8,802 scabrae rubigine fauces, „der Rachen rauh vom Schorf“, von der personifizierten Fames ; s. auch unten zu scabrā rubigine ), kombiniert das BC in origineller Weise ( und vom Hyperbaton untermalt ) rostende metallene Zähne mit einem unappetitlichen fauligen Rachen ( so auch A. HOLLIS p. 141 ad met. 8,802: „Petronius combines the two Ovidian passages for Eumolpus’ description of Discord“ ). Ein dritter Einfluss kommt hinzu: wohl kaum zufällig erinnern jene Zähne an die „von rauhem Rost zerfressenen Speere“, die dereinst der pflügende Landmann in Pharsalos verwundert zutage fördern wird ( Verg. georg. 1,495 scabrā robigine pila ). Das Bild besitzt symbolische Qualität. Ihr ehernes Gebiss dürfte für die Unerbittlichkeit stehen, mit der Discordia als Inbegriff der Bürgerkriege ihre Zähne ins Fleisch des Römischen Reichs schlagen wird. Zu stare cf. OLD s.v. 5 b: „(usu. w. abl.) to be stiff or rigid ( with ); to be thick or solid ( with )“ ( auch ad loc.), und e.g. Lukan 6,224 f. stetit imbre cruento | informis facies ( „starr blieb das vom blutigen Regen entstellte Gesicht“; cf. CONTE 1988, 100f. ); Stat. Theb. 11,582f. veteri stat sordida tabo … canities ( „von altem Blut starrt Oedipus’ verdrecktes Haar“ ). BC 274 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions. Laut YEH 2007, 231 vermittle der Vers ‚die Idee des Schreckens‘ ( cf. ebd. 234-236 für eine metrische Analyse des Verses ). Eher aber bilden die Spondeen das „Starren“ der Zähne ab. aerati : Zu aerātus, „aus Erz gefertigt, ehern“, cf. u.a. Prop. 2,20,9 aeratis … nodis, „mit ehernen Knoten“ ; ebd. 11 aeratas … catenas ; 2,32,59 aerato Danaë circumdata muro ; Ov. am. 3,8,32 aerati postes ; Thes. I, 1059,50-55 ( 54f. ad loc.); GUIDO 1976, 236f. Wiederholt wollten Philologen die exotischen „ehernen Zähne“ ersetzen. Paläographisch gefällig ist BURMANs atrati, „schwärzlich“ ( cf. Cae-

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cilius com. 268 R.3 grammonsis oculis ipsa, atratis dentibus, zit. NOVÁKOVÁ 1960, 15 ). Eine feine Alliteration liefert HEINSIUS’ serrati ( „zackig, gezahnt, gezackt“ ), das bestens zu einem Gänseschnabel passt ( 136,4 serrato … morsu ), kaum jedoch zu kariösen Zähnen. Weder für CRUSIUS’ erosi ( „angenagt ; korrodiert“ ) noch für attriti ( „abgenutzt“ ), das BÜCHELER 1 ad loc. als Alternativen erwog, finden sich auch nur vage Parallelen. Laut HARRISON ( 2003, 134 f. ) sprechen gleich zwei Argumente gegen aerati : „The syntax of aerati scabra rubigine is not clear, and the proverbial permanence of bronze ( e.g. Horace carm. 3,30,1 ) provides an unwelcome contrast with the explicit erosion of scabra rubigine. (…) What is needed here is an image of decay ( cf. concretus, contusa, fluens, laceratam ).“ Mit Blick auf Calpurn. Sic. 5,76f. miserum fragili rubigine corpus | arrodet sanies ( „den elenden Leib wird mit tödlichem Eiter Fäulnis zerfressen“ ) schreibt er arrosi ( „angenagt ; korrodiert“ ; so SCHMELINGs ed. Loeb ). Wenig Biss hat sein erstes Argument. Die Wendung bereitet syntaktisch keinerlei Probleme. Umso gewichtiger ist der Hinweis auf die Langlebigkeit eherner Objekte. Doch so gut wie die Haltbarkeit von Kupfer und Bronze war der Antike das Phänomen ihrer Oxidation bekannt ( meist durch Korrosion ; cf. Plin. nat. 34,99 ), wobei die grünliche Patina ( aerugo ), hier mit poetischer Lizenz als „Rost“ beschrieben, die tieferen Schichten vor weiterer Oxidation schützt. Discordia sollte ihr furchteinflößendes Metallgebiss behalten. scabrā rubigine : Rōbīgō (rūbīgō ), „Rost“ ( OLD s.v. 1a ), bezeichnet u.a. die gleichnamige Pilzkrankheit bei Pflanzen ( ebd. 2a ), sowie Infektionen der Mundhöhle ( ebd. 3a : „a foul deposit in the mouth, tartar, etc.“, und e.g. Ov. met. 2,776 livent rubigine dentes ; Mart. 12 praef. municipalium robigo dentium ; für die Junktur robiginosi dentes cf. Mart. 5,28,7 ). Das Nomen verbindet sich gerne ( meist als abl. instr. bzw. qual.) mit dem onomatopoetischen Adj. scăber ( cf. OLD s.v. 1a : „rough or scabrous from disease, etc.“; 1c : „(of metal ) rough with corrosion“; 2 : „having a rough surface“ ), ob nun bei M e t a l l e n ( e.g. Catull 68 C,151 f. ne vestrum scabrā tangat robigine nomen … illa dies : die metallenen Buchstaben einer Inschrift ; Verg. georg. 1,495 scabrā robigine pila ; Ov. Pont. 1,1,71 roditur … scabrā positum rubigine ferrum, „das beiseite gelegte Schwert …“, und J.F. GAERTNER ad loc.; Lukan 1,243 scabros nigrae morsu robiginis enses, „vom Biss schwarzen Rostes zerfressene Schwerter“ ), bei G e t r e i d e ( e.g. Ov. fast. 1,687 f. crescat scabrae robiginis expers … seges, „… verschont vom rauhen Rost“; Colum. 3,1,9 ; Plin. nat. 16,20) oder Krankheiten der M u n d h ö h l e ( e.g. Ov. met. 8,802 scabrae rubigine fauces ).

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275 tabo lingua fluens : „von Geifer troff ihre Zunge“. Wie die ehernen Zähne, ist auch Discordias eitriger Rachen ein eher exotisches Detail ( Schleim quillt aus der Nase der personifizierten Finsternis; Ps.-Hesiod Aspis 267 τῆς ἐκ μὲν ῥινῶν μύξαι ῥέον ). Ein Vorbild bot am ehesten Kerberos’ gifttriefendes Maul ( u.a. Hor. c. 3,11,17-20 quamvis … sanies … manet | ore trilingui ; Ov. met. 4,500 f. liquidi … monstra ( „Ungeheuerlichkeiten“) veneni, | oris Cerberei spumas ; 7,408-419; Plin. nat. 27,4 : der Eisenhut entsprang e spumis Cerberi canis ). Ähnliches hört man mitunter von der personifizierten Invidia ( Ov. met. 2,777 lingua est suffusa veneno ) und den Schlangen der Furien ( u.a. Ov. met. 4,494 saniem … vomunt ). HARRISON ( 2003, 135 ) deutet die Fäule als „emblematic of her [ Discordia’s ] moral deficiencies“. Tābum, „a viscous fluid consisting of putrid matter, etc.“ ( OLD s.v.; in der Dichtung meist Abl.), hat im Wesentlichen drei Bedeutungen: 1.) „ S c h l e i m , E i t e r , G e i f e r “ ( oft bei Leichen ); e.g. Enn. trag. 297 Joc. saxa spargens tabo, sanie et sanguine atro ; Verg. Aen. 8,485-488 mortua … iungebat corpora vivis … et sanie taboque fluentīs … longā sic morte necabat ; Lukan 6,547f. nigram … per artūs | stillantis tabi saniem ( „die schwarze Jauche der über die Glieder rinnenden Verwesung“ ); 6,668 f. tabo … medullas | abluit ( „sie reinigte die Eingeweide vom Eiter“ ); 2.) „ F ä u l n i s , V e r w e s u n g “; e.g. Verg. georg. 3,481 ( eine Seuche ) infecit pabula tabo ; 3,557 turpi dilapsa cadavera tabo ; Aen. 8,197 ora virum tristī … pallida tabo ( „Schädel, entstellt von grauser Verwesung“ ); mitunter auch 3.) „( unreines, krankes, geronnenes ) B l u t “; e.g. Verg. Aen. 3,28 f. huic atro liquuntur sanguine guttae | et terram tabo maculant (einem Zweig „entströmen Tropfen schwarzen Bluts …“; cf. N. HORSFALL ad loc.); 9,471f. ora virum praefixa … atroque fluentia tabo ( aufgespießte Köpfe ); Ov. met. 6,646 manant penetralia ( „die Gemächer“ ) tabo ; 14,190 (der geblendete Kyklop) foedata … bracchia tabo ; Lukan 2,125 maduerunt robora tabo ( „die Pfähle troffen von Blut“ ). Hier dürfte die erste (und älteste) Bedeutung vorliegen. Vergils Einfall scheint die Junktur tabo fluens ; cf. Aen. 3,626 ~ 9,472 fluentia tabo ; 8,487 tabo … fluentīs ( zur verwandten tābēs, OLD s.v. 3, mit fluere cf. u.a. Lukan 2,166 tabe fluunt, „sie verwesen“; Ps.-Sen. Herc. Oet. 520 tabem fluentis vulneris ; Apul. apol. 50,1 tumida tabes fluit ). Mit der Zunge ( bzw. dem Mund ) verbindet sich fluere nur selten ( u.a. Cic. Cato 31 ex eius sc. Nestoris linguā melle dulcior fluebat oratio ; Gell. 1,15,17 de hominibus … stulta … blaterantibus, quorum lingua … fluat semper … conluvione verborum taeterrima, ~ „… aus deren Mund ein nicht enden wollender unerträglicher Wortschwall quillt“ ).

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275 obsessa draconibus ora : „umdrängt von Schlangen das Gesicht“. Charakteristisch für chthonische wie dämonische Wesen ist das Schlangenhaar. Dies gilt für Medusa ( e.g. Ov. met. 4,771 crinita draconibus ora ), für die Kriegsgöttin Enyo ( e.g. Stat. Theb. 8,655 f. serpentibus horrens … Enyo ), für Kerberos ( e.g. Verg. Aen. 6,419 horrere … colla colubris ; Hor. c. 3,11,17 f. quamvis furiale centum | muniant angues caput ; Sen. Herc. fur. 785 f. sordidum tabo caput | lambunt colubrae, viperis horrent iubae | longusque tortā sibilat caudā draco, und J.G. FITCH ad loc.), bisweilen für Hexen ( e.g. Hor. epod. 5,15f., zit. S. 1340; Lukan 6,656 ), und insbesondere für die Erinyen und Furien. Sie tragen die Schlangen i m H a a r ; cf. u.a. Aisch. Choeph. 1049 f. ( und A. GARVIE ad loc.; laut Paus. 1,28,6 war Aischylos der erste, der sie so zeigte ); Verg. georg. 4,482 f. caeruleos … implexae crinibus angues | Eumenides ; Hor. c. 2,13,35 f. intorti capillis | Eumenidum … angues ; Ov. met. 4,454 de … suis atros pectebant crinibus angues ; 4,492-494 caesariem excussit ; motae sonuere colubrae, | parsque iacent umeris, pars circum pectora lapsae | sibila dant saniemque vomunt linguisque coruscant ; Sen. Med. 13 f. sceleris ultrices deae, | crinem solutis squalidae serpentibus ; Sil. Ital. 2,546f. sibilat insurgens capiti et turgentia circa | multus colla micat squalenti tergore serpens ( als Halskette e.g. Ov. her. 2,119 Allecto brevibus torquata colubris ; als Armband Ov. met. 4,491 nexa … vipereis … bracchia nodis ; als Gürtel ebd. 4,483 torto … incingitur angue ; Ps.Sen. Oct. 262f. succincta anguibus | ultrix Erinys ). Etlichen Zeugnissen zufolge besteht das Haar der anguicomae sorores ( Stat. Theb. 12,647 ) sogar gänzlich a u s S c h l a n g e n ; cf. u.a. Catull 64,193f. Eumenides, quibus anguino redimita capillo | frons exspirantes praeportat pectoris iras ( „… deren vom Schlangenhaar gekrönte Stirn die im Herzen kochende Wut verkündet“ ); Tib. 1,3,69 Tisiphone … inpexa feros pro crinibus angues ( „… ungekämmt mit ihren wilden Schlangen statt Haar“ ); Verg. Aen. 7,346f. huic dea caeruleis unum de crinibus anguem | conicit ( und N. HORSFALL ad Aen. 7,450: „presumably all Allecto’s hair was serpentiform“ ); Ov. met. 10,349 atro crinitas angue sorores ; App. Verg. Culex 218 Tisiphone, serpentibus undique compta ; Sen. Herc. fur. 984 f. Tisiphone, caput | serpentibus vallata ; Lukan 1,572-574 Erinys | excutiens … stridentīs … comas ; Stat. Theb. 1,90 f. resoluta … vertice crines | lambere sulphureas permiserat anguibus undas ; 1,103 f. centum illi stantes umbrabant ora cerastae, | turba minor diri capitis ; 11,6569; Claudian rapt. 1,39f. crinita … sontibus hydris | Tisiphone. – Cf. O. WASER, RE VII 1, 1910, 311; E. KÜSTER, Die Schlange in der griechischen Kunst und Religion, Gießen 1913, 71f. ; E. WÜST, RE Suppl. VIII, 1956, 124 f. Schlangenhaar trägt bereits Vergils Discordia ( Aen. 6,281 vipereum crinem vittis innexa cruentis ). Da hier von Discordias Haar bereits die Rede war

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( 271 ), geht es nun um das Knäuel Schlangen, das dort nistet und sich um ihr Gesicht windet. Die engste Parallele zu ihrer „schlangenbelagerten“ Fratze bietet Ovids Tisiphone, met. 4,475 obstantes reiecit ab ore colubras ( „die ihr ins Gesicht fallenden Schlangen warf sie zurück“; so auch Claudians Allecto, c. 3,42 f. obstantes in tergum reppulit angues | perque umeros errare dedit, „die ungebärdigen Schlangen warf sie nach hinten zurück und ließ sie über ihre Schultern kriechen“ ). Zu obsidēre cf. OLD s.v. 7: „to cover thickly ( with ), smother, choke“, und e.g. Sen. dial. 2,18,1 obsessam saetis cervicem, Caligulas „borstenbedeckter Nacken“. Die militärische Komponente schwingt mit : „belagert …“. – Zu der Doppelung 272 ore – 275 ora cf. BC 79 ~ 80 potestas ( ebenfalls jeweils am Versende ); 111 ~ 114 cerno ; 180 ~ 184 insolitae / insolitos ; 225 ~ 229 maerentia ; 263 ~ 264 terris / terra. – Zu dem poetischen Plural ora cf. oben S. 1008f. 276 atque inter torto laceratam pectore vestem : „und vor dem zerfetzten Gewand, mit dem die Brust umwunden war …“. Discordias zerrissene Kleidung ( cf. Verg. Aen. 8,702 scissā … Discordia pallā, Vorbild für BC 253 maerens lacerā Concordia pallā ; so auch Prud. psych. 685 scissa … pallā ) lässt sich allegorisch deuten, als Bild ihrer destruktiven, das ‚Gewebe‘ des Staats auflösenden Gewalt ( s. auch BALDWIN 1911, 214 : „a symbol of that which she brings upon others“ ). Torto pectore zielt also weder auf das Schlagen der Brust ( cf. OLD s.v. torqueō 4; zu der Trauergeste cf. 111,9 laceravit vehementius pectus, und Bd. II, S. 539; zu vestem lacerare in diesem Kontext e.g. Ov. met. 11,726 ora, comas, vestem lacerat ; Apul. met. 4,23,3 puellam … crines cum veste sua lacerantem ) noch auf seelische Qualen ( „die gemarterte Brust“ ; cf. OLD s.v. torqueō 5, und zu Discordias Stimmung BC 282 furibundo pectore ; anders POLETTI 2017, 122 Anm. 133, der mit Verweis auf Stellen wie Ov. met. 9,636f. a pectore vestem | deripuit planxitque suos furibunda lacertos ; 11,681f. laniat … a pectore vestes | pectoraque ipsa ferit hier ihren ‚gequälten Busen‘ heraushören will ). Zu verstehen ist torto pectore am ehesten als modaler abl. abs. ( „wobei die Brust umwunden war“, freier : „zwischen dem zerfetzten Gewand, mit dem die Brust umwunden war“; s. auch M. DEUFERT in epist.: „wobei ihre Brust eingewickelt ist inmitten eines zerrissenen Gewands“; keine Parallele ist Ovids Lindwurm, her. 12,102 torto pectore verrit humum, „mit sich windendem Bauch fegt er den Grund“ ). Der Vers ist von fast alexandrinischer Komplexität ( eine Art Enallage inclusive; zu erwarten wäre eher inter tortum laceratā veste pectus ) – was die

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Übersetzungen durch die Bank verschleiern ( e.g. BALDWIN 1911, 224 : „her breast convulsed beneath its tattered robe“; ERNOUT : „la poitrine entortillée dans une robe en lambeaux“ ; EHLERS : „Fetzen als Band um die Brüste gerafft“ ). Die Wortstellung imitiert das enge ‚Band‘ zwischen Trägerin und Tuch ( inter torto laceratam pectore vestem ~ a b a B A ; cf. W.W. EHLERS in epist.: „das eng um die Brust gezogene zerfetzte Gewand“ ). Singulär ist der Gebrauch der Präposition. Im Kontext hier bedeutet inter weniger „inmitten“ ( cf. OLD s.v. 1a ) als „vor“ (~ ante ; ansonsten unbelegt ; tacent OLD, Thes.). Das PPP von torquere, „to wind or wrap ( round the head, the body, etc.)“ ( OLD s.v. 2a ), bezieht sich im Gegensatz zur Verwendung hier fast immer auf das Accessoire ( cf. Sat. 67,5 periscelides tortae, „gewundene Beinreifen“, und e.g. Varro Atac. frg. 23 FLP tortā caput angue revinctum ; Ov. met. 4,483 torto … incingitur angue sc. Tisiphone ; Tac. hist. 5,22,2 circum brachia tortā veste, „das Gewand um die Arme gewunden“ ) – wie auch bei dem Kompositum intorquere ( cf. Sat. 80,2 intorto circa bracchium pallio ; 131,4 licium … varii coloris filis intortum ). Nicht ausschließen lässt sich eine Textverderbnis. Von etlichen Konjekturen verdienen jedoch bestenfalls zwei Erwähnung, FUCHS’ nudo ( 1959, 79: atque inter nudo laceratam pectore vestem ), und MÖßLERs atque intorto inter laceratam pectore vestem ( 1870, 16: „pectore inter vestem laceratam vel anhelitus ducente vel aestuante“ ). 277 sanguineam tremulā quatiebat lampada dextrā : „… schwang sie mit der bebenden Rechten die blutige Fackel.“ Blutbesudelt sind nicht allein die dämonischen Wesen ( cf. 259 sanguineum … caput ; 272f. huius in ore | concretus sanguis, und e.g. Ov. her. 6,45 f. tristis Erinys … sanguinolenta ; Stat. Theb. 7,73 sanguineā Bellona manu ), sondern oft auch ihre Accessoires ( cf. 260 cruenta casside ): ihre G e i ß e l n ( Verg. Aen. 8,703 cum sanguineo … Bellona flagello ; Sen. dial. 4,35,6 sanguineum quatiens dextrā Bellona flagellum ~ Lukan 7,568 sanguineum … quatiens Bellona flagellum ), ihre G e w ä n d e r ( Verg. Aen. 6,555 Tisiphone … pallā succincta cruentā ; cf. N. HORSFALL ad loc.: „the blood is clearly that of the victims of her scourging“; Ov. met. 4,482 f. fluido … cruore rubentem | induitur pallam ), aber auch ihre F a c k e l n ( typisches Attribut der Erinyen und Furien; cf. 256 facibus … armata Megaera, und S. 1315 ); cf. Ov. met. 4,481f. Tisiphone madefactam sanguine sumit … facem ; Sen. Med. 960 f. cui cruentas agmen infernum faces | intentat ? ; Stat. Theb. 10,854 : Bellona bedroht eine Stadt facibus … cruentis. Blutig werden die Fackeln von den blutigen Händen, die sie halten ( Sen. Med. 15 atram cruentis manibus amplexae facem ),

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oder weil sie in Blut baden ( Ov. met. 7,259f. faces in fossā sanguinis … tinguit ). Zu sanguineus als „blutbefleckt“ cf. OLD s.v. 2. Zu lampas cf. 284 in medias immittite lampadas urbes ; OLD s.v. 1a ( und e.g. Verg. Aen. 6,587 lampada quassans ); CAVALCA 2001, 102f. Zum Nebeneinander lateinischer ( lampada, -ae f. ) und, wie hier, griechischer Flexion ( lampas, -adis ; so v.a. in der Dichtung ) cf. Thes. VII 2, 908,50 ff. Sechs Participia coniuncta dominieren die lange Periode BC 272-277 ( concretus ; contūsa ; fluens ; obsessa ; torto ; laceratam ); die drei finiten Verben sammeln sich am Anfang ( flebant ; stabant ) bzw. am Ende ( quatiebat ). Der klassische ‚versus aureus‘ ( sanguineam tremulā q u a t i e b a t lampada dextrā ; cf. S. 846f. ) lässt Discordias Ekphrasis ( 271-277 ) mit einem Paukenschlag enden. tremulā … dextrā : Das Adjektiv verweist hier nicht auf Alter, Krankheit oder auch Furcht ( cf. OLD s.v. tremulus 1, und u.a. Ov. met. 14,143 tremulo … gradu venit aegra senectus ; fast. 5,511 tremulā dat vina rubentia dextrā ; Calpurn. Sic. 7,43 f. tremulus … senex ), sondern auf behende, vielleicht rhythmische Bewegungen ( cf. OLD s.v. 2, und e.g. Sen. Herc. fur. 158 sentit tremulum linea piscem ; Quint. inst. 11,3,103 tremula sc. manus scaenica est, „gestikulierende Hände ziemen sich allein auf der Bühne“; Juv. 6 frg. Ox. 2 tremulā … dextrā, bei der Masturbation; cf. E. COURTNEY ad loc.). Das Schütteln hält die Flamme am Leben ( cf. 97,1 facem … quassans, und Bd. I, S. 288 ). Zugleich wird die Geste hier zur Bedrohung – wie oft in Senecas Tragödien ( cf. Herc. fur. 100 f. incipite, famulae Ditis, ardentem citae | concutite pinum ; 102 f. Megaera … vastam rogo flagrante corripiat trabem ; 982984 flammifera Erinys … adustas propius ac propius sudes | in ora tendit ; Med. 962 f. quem trabe infestā petit | Megaera ? ; Ps.-Sen. Oct. 722f. sparsam cruore … vultu minaci saeva quatiebat facem ), und bei Lukan ( 3,14 f. vidi … tenentīs | Eumenidas quaterent quas vestris lampadas armis, „ich sah die Furien Fackeln halten, mit denen sie eure Kämpfe entfachten“ ). 278 haec ut Cocyti tenebras et Tartara liquit : „Als sie des Kokytos’ Finsternisse und den Tartaros verließ …“. Allecto kehrt am Ende ihrer Mission in den Hades zurück ( Verg. Aen. 7,562 Cocytique petit sedem supera ardua linquens ). Zu Beginn ihrer Mission wählt Discordia die entgegengesetzte Richtung ( mit bewussten Echos der Vergilstelle ). Zum Cocytus cf. 69 Cocyti perfusus aquā ( und S. 995f. ad loc.). Die Cocyti tenebrae sind ebenso singulär wie die ( von der Alliteration ten- Tart- untermalte ) ‚Nachbarschaft‘ der beiden Ortsnamen Cocytus und Tartarus.

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Tartarus als Metonymie für die Unterwelt insgesamt ist gut bezeugt ( cf. Vergils Formel aliquem sub Tartara mittere, e.g. Aen. 4,243 sub Tartara tristia mittit sc. Mercurius animas ; 8,563; 9,496 invisum hoc detrude caput sub Tartara ; 11,397, und N. HORSFALL ad loc.; 12,14 f. ). Discordia haust im Vorhof des Hades, als eine der dämonischen Personifikationen ( Verg. Aen. 6,280 f.; s. oben S. 1338 ). Gleichwohl ist die Erinnerung an den tiefsten Höllenschlund, in dem die Verdammten ihre ewige Strafe erleiden ( cf. Verg. Aen. 6,548-627 ), hier höchst willkommen. 279 alta petit gradiens iuga nobilis Appennīnī : „strebte sie ausschreitend zu den ragenden Gipfeln des hehren Apennin“. Dank ihrer zentralen Lage und Höhe ( der Gran Sasso in den Abruzzen, rund hundert km nordöstlich von Rom, erreicht immerhin 2912 m ) bieten die Apenninen eine fast olympische Aussicht ( cf. u.a. Verg. Aen. 12,702 f. nivali | vertice se attollens pater Appenninus ad auras, und R.J. TARRANT ad loc.; Sen. nat. 4,11,1 Apenninum et Alpes et alios notos ob eximiam altitudinem montes ; Plin. nat. 3,48 Appenninus, mons Italiae amplissimus, perpetuis iugis ab Alpibus tendens ad Siculum fretum ; Sil. Ital. 2,314 Alpibus aequatum attollens caput Apenninus ; 4,741f. summo | piniferum caelo miscens caput Apenninus ). Einen langen Exkurs widmet ihnen Lukan ( 2,396-438 ). Zudem spielte der Gran Sasso zu Beginn des Bürgerkriegs eine strategische Rolle. „The fortress-like barrier … between Asculum and Corfinium“ ( FANTHAM 1992, 153 ) war der einzige Ort, an dem pompeianische Truppen versuchten, Caesars Vormarsch auf Rom zu stoppen. Immer wieder rufen dunkle Mächte, die Zwist stiften, von einer zentralen Warte aus zum Kampf. Eine solche wählt bereits Homers Eris für ihren Kriegsschrei, „um nach beiden Seiten zu rufen“ ( Ilias 11,3-12; zit. 11,6 ). Von einer hohen Scheune aus bläst Allecto über Latium hin Alarm. Alsbald strömt von allen Seiten das Landvolk herbei, und es kommt zum ersten Blutvergießen ( Verg. Aen. 7,511-518 saeva e speculis tempus dea nacta nocendi | ardua tecta petit stabuli et de culmine summo | pastorale canit signum eqs.; bereits 7,342 f. wählt sie einen hohen Dachstuhl: Laurentis tecta tyranni | celsa petit ). Auf dem Weg nach Theben, wo sie den Bruderkrieg anzettelt, macht Tisiphone auf dem Kithairon Halt und stößt ihren Kriegsschrei aus, der über Land und See hallt ( Stat. Theb. 1,114-122 ut stetit, abruptā qua plurimus arce Cithaeron | occurrit caelo, fera sibila … congeminat eqs.; s. auch 8,344 -346 ). Megaeras Kriegsschrei dringt von Galliens nördlicher Küste bis nach Britannien und zum Rhein ( Claudian c. 3,130-133 ).

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Mitunter dient das Gebirge nur als Luginsland. Vom Kaukasus aus verfolgt Juno die Intrige um Medea und Jason am Phasis ( Val. Flacc. 7,190 f. Caucaseis speculatrix Iuno resedit | rupibus ). Nachdem sie Sagunts Einwohner aufgehetzt hat, beobachtet Tisiphone von einem Berggipfel aus das Geschehen ( Sil. Ital. 2,581-591 inde petit tumulum, summo … vertice montis eqs.). Auf einer Felsspitze oberhalb von Pharsalos kauert die Hexe Erictho ( Lukan 6,575f. ). Auch ein Juppiter verschmäht es im zweiten punischen Krieg nicht, von den Albanerbergen aus die Truppenbewegungen zu observieren ( Sil. Ital. 6,597-599 ). Wie die anderen Tempora der Passage nahelegen ( 271 intremuēre ; 272 extulit ; 273 flebant ; 274 stabant ; 277 quatiebat ; 278 liquit ), allen voran der Konj. Impf. ( 280 posset ), steht petit im Perfekt ( petīt statt petiit, wie e.g. Ov. fast. 1,109 flamma petīt altum ; Sen. Herc. fur. 825f. omni petīt | cervice terram ; Lukan 10,64 et Romana petīt imbelli signa Canopo ; cf. Thes. X 1, 1946, 39-43), oder im historischen Präsens, wie 282 erumpit. Appennīnī : Der klassische Hexameter meidet im 5. und 6. Fuß vierund fünfsilbige Wörter ( e.g. Verg. Aen. 12,703 Appenninus ad auras ; cf. R.J. TARRANT ad loc.). Doch gerade Eigennamen bilden Ausnahmen. Spondeische Versschlüsse mit Formen von Appenninus finden sich seit Horaz ( epod. 16,29 ); cf. Ov. met. 2,226; Cornelius Severus frg. 10 FLP; Persius 1,95 costam longo subduximus Appennino ( cf. COURTNEY, FLP p. 358 ); Lukan 2,396; Sil. Ital. 2,314 ; 4,742 ( aufschlussreich ist Quintilians Kritik, inst. 9,4,65 ). „The mocking neoteric line in Persius 1,95 … and Petronius’ verse ending … show that it [ i.e. the spondaic ending ] had become a cliché by the age of Nero.“ ( FANTHAM 1992, 157f.; s. auch STUBBE 147; GUIDO 1976, 308. 321; YEH 2007, 269f. ). 280-281 unde omnes terras atque omnia litora posset | aspicere : „um von dort alle Länder und alle Küsten sehen zu können“ ( SCHÖNBERGER ). Die Bilder wiederholen sich. Caesar erblickt vom Alpenpass aus Italien und wendet sich an die Götter und seine Soldaten ( 153 f. summo de vertice montis | Hesperiae campos late prospexit eqs., und S. 1163 ad loc.). In Pharsalos erkennt Pompeius vom Feldherrenhügel aus seine Niederlage ( Lukan 7,649-651 stetit aggere campi, | eminus unde omnīs sparsas per Thessala rura | aspiceret clades eqs.). Der subtile Verweis auf Lukan lässt ahnen, w e r in diesem Bürgerkrieg „alle Länder und alle Küsten“ verlieren wird. Discordias Panorama erinnert aber auch an Juppiters Blick vom Olymp nach Latium, wo ein ‚Bürgerkrieg‘ ausgebrochen ist ( Verg. Aen. 10,1-4 domus … Olympi …, terras unde arduus omnīs | castraque Dardanidum aspectat populosque Latinos ), und an seine Klage ( 10,6-15, bes. 10,9 quae contra veti-

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tum discordia ?, „welche Zwietracht in Latium und auf dem Olymp ungeachtet meines Banns ?“ ). Auch das zweite diskrete Zitat in BC 280f. birgt eine Botschaft : wieder wird es dank Discordias zu einem Bürgerkrieg kommen – doch diesmal mit dem Segen des Olymps. Gerade mit Blick auf die Hauptschauplätze des Bürgerkriegs 49-45 v.Chr. stehen omnes terras und omnia litora als ( vom Polyptoton unterstrichenes ) Hendiadyoin ( cf. OLD s.v. lītus 2: „( in poetry used vaguely or loosely to imply the country bounded by a coast )“ ). – Wie das umständliche posset aspicere nahelegt, ist der Relativsatz eher final gefärbt ( so auch BALDWIN 1911, 225 ad loc.) als konsekutiv ( e.g. HOLZBERG : „von wo aus sie alle Länder und alle Küsten erblicken konnte“ ). 281 ac toto fluitantes orbe catervas : „und die über das ganze Erdenrund wogenden Heerscharen“. Toto orbe und das ambivalente fluitare weiten den Blick auf den Erdkreis insgesamt : auf dem Festland wogen schon bald Armeen, auf der See Armaden ( cf. Verg. georg. 1,511, über den Bürgerkrieg: saevit toto Mars impius orbe ; zu dem Begriff orbis im Kontext der Bürgerkriege cf. JAL 1963, 281284 ). Bei Lukan beobachten die Götter in Pharsalos die beiden Heere und Heerführer ( 6,2f. admotaque comminus arma | parque suum videre dei ). Zu fluitare cf. 213 iam classes fluitare mari ( und S. 1235 ad loc.). Die Verwendung ist singulär ( pace BALDWIN 1911, 225 und GUIDO 1976, 239; cf. Thes. VI 1, 956,47-49 ad loc.; OLD s.v. 1c ad loc.: „( of a large company ) to swarm, stream“ ). Die Assoziation des unkontrollierten „driften, treiben“, ja des Schiffbruchs ( cf. Sil. Ital. 6,685f. videres … effusos fluitare in gurgite Poenos ), passt im Kontext gut : zwei römische Armeen als Spielball der Geschichte, unausweichlich auf Kollisionskurs ( kaum Absicht ist der Anklang an Lukan 7,699 spumantes caede catervas, die in Pharsalos „in ihrem Blut schwimmenden Heerhaufen“; ebenfalls Versschluss ). 282 atque has erumpit furibundo pectore voces : „und diese Worte ließ sie hervorbrechen aus rasender Brust.“ „Durch das umwölkte, staubende Tosen | drängender Krieger … hört ich der Zwietracht | eherne Stimme schallen durchs Feld.“ ( GOETHE, Faust II, 8702-05, vom Fall Trojas ). Claudians Allecto corde sub imo | inclusam rabidis patefecit vocibus iram ( c. 3,43 f. ). Discordias Wut passt zu ihrem Wahnsinn ( Aen. 6,280 ~ Val. Flacc. 2,204 Discordia demens ; bestens gelaunt kämpft sie vor Actium, Verg. Aen. 8,702 gaudens … Discordia ~ Sil. Ital. 13,586 Discordia gaudens ).

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Zu pectore voces cf. 102 ( tunc Fortuna levi defudit pectore voces ). Die Junktur furibundo pectore ist singulär ( cf. Cic. div. 1,114 ~ Stat. Theb. 2,423 furibunda mens ; Sen. Tro. 94 furibunda manus ; Sil. Ital. 2,43 furibundo personat ore ; Thes. VI 1, 1618,62-66; zu den in furibundus hier wohl mitschwingenden Assoziationen cf. S. 1292f. zu furere ). Zu den Verbaladjektiven auf -bundus cf. PETERSMANN 220f. – Erumpit steht im historischen Präsens. erumpit … voces : Vergils Junktur vocem (voces ) rumpere, „Worte hervorbrechen lassen, in Worte ausbrechen, Worte ausstoßen“ ( Aen. 2,129 rumpit vocem ; 3,246 rumpit … hanc pectore vocem ; 11,377 rumpit … has imo pectore voces ; cf. 4,553 tantos illa suo rumpebat pectore questūs ) war inspiriert von griechischen Formeln wie ῥηγνύναι φωνήν ( „die Stimme hervorbrechen lassen“; e.g. Herodot 1,85,4 ; Eur. Suppl. 710 ἔρρηξε δ᾿ αὐδὴν ὥσθ᾿ ὑπηχῆσαι χθόνα, „er ließ die Stimme hervorbrechen, dass die Erde dröhnte“; Aristoph. nub. 357 οὐρανομήκη ῥήξατε … φωνήν, „lasst eure bis zum Himmel tönende Stimme hervorbrechen !“; übers. N. HOLZBERG ). „Virgil has invented an idiom, taken over from Greek, by which the words or sounds that break a silence are made the actual object of the verb“ ( R.G. AUSTIN ad Aen. 2,129). Rumpere „in this unusual poetic sense … conveys angry or excited speech“ ( R.D. WILLIAMS ad Aen. 3,246 ). Vergils Beispiel folgten v.a. die Flavier ( u.a. Val. Flacc. 1,508 an meritos fas est mihi rumpere questūs ? ; Stat. Theb. 6,136 nudo vocem de pectore rumpit ; 11,675 f. irae | innixus tumido vocem de pectore rumpit ; Sil. Ital. 4,456 gemitum … ad sidera rupit ; Tac. ann. 6,20,1 non damnatione matris … ruptā voce ), aber auch spätantike Autoren ( Corippus Ioh. 6,309 miseras … rumpens voce querelas ). Eine intransitive Variante mit erumpere ist das erste Mal bei Cicero belegt ( Vat. 15 erumpet … aliquando ex me vera vox ~ Phil. 10,19 erumpat … aliquando vera et me digna vox ; cf. Sen. clem. 2,1,1 vox … subito erupit ; Lukan 9,255 erupēre ducis sacro de pectore voces ). Die transitive Verwendung ist hier das erste Mal belegt ; vereinzelt erscheint sie in spätantiken Texten ( cf. Thes. V 2, 840,38-45; s. auch H. TRÄNKLE zu Corp. Tib. 3,7(4,1),86 dulces erumpat terra liquores : „Der Gebrauch von erumpere im Sinne von ‚etwas hervorbrechen lassen‘ ist … in älterer Zeit auf die gehobene Dichtung beschränkt und äußerst selten.“; GUIDO 1976, 239 ad loc.).

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283 – 294 Discordias Ansprache Discordias Hetz- und Hassrede lässt den Bürgerkrieg schließlich ausbrechen. Zunächst wendet sie sich summarisch an die Völker ( gentes ). Von Furor ‚entflammt‘ ( 283 accensis mentibus ; cf. 262f. flagranti | stipite … terris incendia portat ), sollen sie den Krieg in die Städte tragen ( 284 ). Gemeint sind keine Gefechte ( die großenteils fernab der Städte, und zumeist in fernen Provinzen geschlagen wurden ), sondern der Konflikt insgesamt : dieser ‚totale Krieg‘ wird niemanden verschonen – auch nicht Frauen, Kinder, Greise ( 285 f. ). Wie ein Erdbeben verheert er Familien und Gemeinden ( 287 ). Der etwas längere zweite Teil ihrer Rede wendet sich an fünf Protagonisten jenes Konflikts: Marcellus, Curio und Lentulus, die Verantwortung tragen für das Scheitern einer politischen Lösung, und damit für den Ausbruch des Krieges ( 288f. ), zudem Caesar ( 290-292 ), und zuletzt Pompeius ( 292-294 ). Es geht um politische Aktivitäten im Vorfeld des Kriegs ( die zum Zeitpunkt der Rede im Grunde bereits ‚Geschichte‘ waren ), aber auch ( in prophetischen Ausblicken, wie BC 111-115 in Fortunas Rede ) um militärische Aktionen der beiden Protagonisten Caesar und Pompeius, allen voran ihre beiden einzigen persönlichen Treffen in Dyrrhachium und Pharsalos. Das Geflecht der Namen und Parteien spiegelt den Konflikt, der die römische Oberschicht spaltet : Marcellus ( Pompeianer ), Curio ( Caesarianer ), Lentulus ( Pompeianer ), Caesar, Pompeius (~ P C P C P ). Discordias Rede wimmelt von Imperativen ( drei zu Beginn: sumite, sumite, immittite ; drei in der Mitte: tene, concute, ne supprime ; zwei am Ende: quaere, tingue ), ergänzt von Prohibitiv ( 285 non femina cesset ), Iussiv ( 287 tremat, rebellent ) und imperativischem Futur ( 285 vincetur ), sowie fünf rhetorischen Fragen ( 290-293 ). Sie trieft von Ironie und Sarkasmus. Das Ganze gipfelt in einem höchst zweideutigen ‚Orakel‘ für Pompeius ( 294 ): Thessalicos … sinūs Romano sanguine tingue. Gemeint sind die fünfzehntausend Gefallenen auf republikanischer Seite, deren Blut Thessaliens Erde tränken wird. 283 „sumite nunc, gentes, accensis mentibus arma : „Ergreift nun, ihr Völker, lodernden Herzens die Waffen …“. Das gleiche Ziel hat die von Juno mit dem italischen Bürgerkrieg betraute Allecto: accendam … animos insani Martis amore ( Verg. Aen. 7,550; mit dem Aufbrechen der Belli portae ist Junos Werk vollendet ; ebd. 7,623-640 ardet inexcita Ausonia … omnes arma requirunt eqs.). Noch deutlicher wird

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Senecas Imperativ des Bürgerkriegs: pugnate contra coniuges, pugnate contra liberos ! aras, focos, penates armis incessite ! ( benef. 5,15,5 ). Gentes meint nicht die einzelnen römischen Clans ( OLD s.v. gens 6 a ) – auch wenn dieser Bürgerkrieg etliche Familien traf und spaltete ( e.g. Anth. Lat. 462,9f. R. == 460,9f. Sh.B. fratribus heu fratres, patribus concurrere natos | impia sors belli fataque saeva iubent ). Discordias Perspektive ( 280 f. omnes terras – toto … orbe ) und der universelle Charakter dieses Konflikts verweisen auf die Völker des gesamten Mittelmeerraums ( OLD s.v. gens 1/2 a ; cf. Florus epit. 2,13,3f. Caesaris furor atque Pompei urbem, Italiam, gentes, nationes, totum denique … imperium quodam quasi diluvio et inflammatione corripuit eqs.). Die Junktur arma sumere ( cf. 174 sumite bellum ) ist spätestens seit dem frühen 1. Jh. v.Chr. in Dichtung wie Prosa vertraut ( u.a. Cic. Att. 9,11a,2 sumptis armis, vom Bürgerkrieg ; Novius com. 79 R.3 sume arma ; Liv. 3,19,7 sumpta sunt arma ; Ov. ars 1,702; fast. 2,198; Sen. dial. 1,5,3 fortes viros arma sumere ; Lukan 4,348; zu dem Kampfruf ad arma cf. e.g. Hor. c. 1,35,15 ad arma cessantīs, ad arma, und NISBET – HUBBARD ad loc.). Die Junktur mentem accendere (nach dem vertrauten animum accendere ; e.g. Sall. Cat. 59,6 militum animos adcendebat ; Verg. Aen. 7,482 bello … animos accendit agrestīs ; Liv. 6,14,10 ) erscheint zuerst bei Manilius ( 1,48 f. potentis | numinis accendit castam praesentia mentem, „die Gegenwart der mächtigen Gottheit entfachte den reinen Geist“ der Priester ), später wiederholt in der flavischen Epik, v.a. bei Silius ( u.a. 1,345 accensae exsultant mentes ; 1,493 pudor accendit mentem ; 4,169 f. in proelia mentes | accendis ); Thes. I, 277,44-49 ( s. auch Val. Flacc. 7,637 accensas … cohortes, „aggressiv gestimmte Truppen“ ). Accensis mentibus ist am ehesten ein temporaler abl. abs. (~ „nachdem eure Herzen Feuer fingen“ ). 284 sumite et in medias immittite lampadas urbes : „greift zu den Fackeln und schleudert sie mitten hinein in die Städte !“ ( STEINMANN ). Discordias Waffe ( 277 quatiebat lampada ), Symbol ihrer verheerenden Wirkung auf die beiden Kriegsparteien ( 283 accensis mentibus ), wird nun zum realen Werkzeug in Menschenhand. Zugleich war ‚Feuer‘ eine gängige Metapher für den Bürgerkrieg ( e.g. Cic. Att. 7,17,4 [ 2.2.49 v.Chr.] totam … Italiam flagraturam bello intellego ; Vell. Pat. 2,48,1 intra breve … spatium belli civilis exarserunt initia ; zur Szene hier cf. 2,48,3, zit. S. 1365 ). Auch politische Brandstifter wurden als ‚Fackel‘ tituliert ( u.a. Cic. dom. 102 fax ac furia patriae : Clodius; Phil. 11,10 quam facem …, quod facinus, quod scelus ! : L. Antonius; Val. Max. 6,2,3 Cn. Carbo, … orientium civilium malorum fax ardentissima ).

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Die Anapher imitiert klassische Schlachtrufe ( e.g. Hor. c. 1,35,15 ad arma cessantīs, ad arma ; s. auch Encolpius’ Versprechen, Sat. 133,3,13-15 ibit ad aras, | sancte sc. Priape, tuas hircus …, ibit ad aras | corniger eqs.). Deshalb gehört auch das zweite sumite wohl zu arma, und kaum zum Folgenden (~ sumite et immittite lampadas eqs.). Bereits Ovid setzt sumere stilistisch effektiv ein ( als Epipher : am. 1,4,63 oscula iam sumet, iam non tantum oscula sumet ; als Epanalepse: ars 2,422f. herba salax | ovaque sumantur, sumantur Hymettia mella ; s. auch die Anapher Sen. Tro. 806-809 sume nunc iterum comas | et sume lacrimas … sume quae reddas tuo | oscula parenti ; ferner WILLS 1996, 177 ). Alliterationen ( acc- arm- / in im- ) und das abbildende Hyperbaton ( in medias immittite lampadas urbes ) unterstreichen die Botschaft. Die Junktur lampadas immittere stammt von Lukan ( 6,135 piceos volvunt immissae lampades ignes, „… entfachen Pechfeuer“ ( Enallage statt piceae ); 10,492 piceo iubet unguine tinctas | lampadas immitti … carinis ). Zur Flexion von lampas cf. S. 1352 zu BC 277. Der im Gegensatz zum Singular ( media urbs ) seltene Plural meint meist – wie hier – mehrere Städte; cf. Verg. Aen. 10,41 Allecto medias Italum bacchata per urbes ; Lukan 9,686 medias Europae … urbes ( „mitten über Europas Städte“ ); Val. Flacc. 2,613 medias … intervolat urbes ; Stat. Theb. 3,336-338; silv. 4,3,62 ( beim Bau der Via Domitiana ) it longus medias fragor per urbes ( s. aber Verg. Aen. 7,384 per medias urbes agitur sc. Amata; „the expression could well refer … to Latinus’ city alone, ennobled by the plural“; N. HORSFALL ad loc.). 285 vincetur, quicumque latet : „Wer auch immer sich verkriecht, hat verloren.“ Zu diesem Satz wurde Pompeius’ Erklärung im Senat zitiert, vor seinem Aufbruch nach Süditalien: er mache keinen Unterschied zwischen denen, die in Rom bleiben, und denen, die sich Caesar anschließen ( Caes. civ. 1,33,2 discedens ab urbe in senatu dixerat eodem se habiturum loco, qui Romae remansissent, et qui in castris Caesaris fuissent ; so BALDWIN 1911, 226 u.a.). Mit anderen Worten: in diesem Krieg gibt es keine neutrale Seite. In latet kommt aber mehr zur Sprache als nur der Aufenthalt in der Hauptstadt. Diesem ‚totalen Krieg‘ entrinnt niemand – auch nicht durch den Rückzug aufs Land oder in eine Provinz ( Ciceros Korrespondenz aus jenen Monaten lässt ahnen, wie die römische Aristokratie das Thema diskutierte; cf. S. 1243 zu BC 218 ). Das Futur hat hier, parallel zu sumite und immittite, imperative Qualität ( zu diesem umgangssprachlichen Phänomen cf. HSZ 310f.).

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285-286 non femina cesset, | non puer aut aevo iam desolata senectus : „Keine Frau stehe abseits, kein Knabe, oder das ob seines Alters längst trostlose Greisentum.“ Als ‚Kollateralschaden‘ geraten auch Frauen, Kinder und Alte in den Mahlstrom des Bürgerkriegs, kurzum: die Zivilbevölkerung ( cf. 229 f. sunt qui coniugibus maerentia pectora iungant, | grandaevosque patres ; Lukan 3,518: das von Caesar belagerte Massilia grandaevosque senes mixtis armavit ephebis ). Ähnlich wütet die Pest in Theben ( Sen. Oed. 52-56 nec ulla pars immunis exitio vacat, | sed omnis aetas pariter et sexus ruit, | iuvenesque senibus iungit et gnatis patres | funesta pestis eqs.; zu den ‚Opfern‘ eines unerbittlichen Literaten cf. Anth. Lat. 412,3f. R. == 408,3f. Sh.B. nemo tuos fugiet, non vir, non femina, dentes ; | haut puer haut aetas undique tuta senis ). Zu absolut gebrauchtem cessare, „sich abseits halten, sich fernhalten von“, cf. OLD s.v. 1a: „to hold back from an action, be slow, stay, dally“, und e.g. Hor. c. 1,35,15 ad arma cessantīs, ad arma ; Stat. Ach. 1,799f. vix timidae matres aut agmina cessant | virginea ( selbst Mütter und Mädchen würden am liebsten vor Troja mitkämpfen ). Zu dem ‚volkstümlichen‘ Prohibitiv cesset mit non, gerade in der klassischen und nachklassischen Dichtung, cf. HSZ 337. Nach zwei concreta ( femina und puer ) steht senectus hier als abstractum pro concreto für den „Greis“; cf. OLD s.v. 1a : „( sometimes with quasi-concrete force implying a person, etc., in old age )“, und Lukan 2,128 fessa senectus ( Scaevola ); 2,232f. maesta senectus … flebat. Zu dem poetischen aevum, „hohes Alter“, cf. e.g. Verg. Aen. 2,435; 11,237 maximus aevo ( über Latinus ), und GUIDO 1976, 241 ad loc. Zu der eher raren Kombination non – non – aut cf. Bd. II, S. 649. desolata : Das seltene, erst kaiserzeitlich belegte desolare, „jdn. allein lassen, im Stich lassen“, scheint Vergils Schöpfung ( cf. Aen. 11,870 f. desolati … manipli | tuta petunt, und N. HORSFALL ad loc.: „apparently a majestic innovation“; in anderer Bedeutung 11,367 ingentīs … desolavimus agros, „weite Landstriche haben wir verwüstet“ ); später u.a. Tac. ann. 12,26,2 desolatus ( der am Hof ‚isolierte‘ Britannicus ); 16,30,3 filia … marito … in exilium pulso viduata desolataque ; Apul. met. 2,25,1 desolatus ad cadaveris solacium ( „allein gelassen zum Trost des Toten“ ); 10,23,6 desolatam vicinam puellam parentumque praesidio viduatam ( „das verlassene Mädchen aus der Nachbarschaft …“ ); Thes. V 1, 734,3-17; OLD s.v. 1a. Zu desolatus mit dem Abl. causae ( hier aevo ) cf. Tac. ann. 1,30,4 nonanus sc. miles desolatus aliorum discessione ( „die durch den Abzug der übrigen Legionen isolierte neunte Legion “ ); Apul. flor. 17,15 Orpheus exilio desolatus ( „einsam dank seines Exils“ ).

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287 ipsa tremat tellus : „Die Erde selbst erbebe“. Die Erde ( personifiziert als Tellus; cf. Enn. ann. 309 Sk. Africa terribilī tremit horrida terra tumultū, und O. SKUTSCH ad loc.; zur schreckensstarren Erde cf. BC 98 horrida tellus, und S. 1053f., ferner Caesars Gebet an die Saturnia tellus, BC 156 ) spürt längst die Gegenwart der Götter : den Höllenchor und v.a. die Olympier ( 264 sentit terra deos ). Hier hat sie freilich keine Angst vor den höheren Mächten, die in den Konflikt eingreifen ( cf. Verg. georg. 1,329 f.: angesichts von Juppiters Blitzen maxima motu | terra tremit ; Lukan 6,745 f. terra … concussa tremit ; s. auch Dis’ Reaktion BC 125 pavitans fraternos palluit ictūs ). Banal genug vibriert der Boden unter dem Marschschritt der Legionen ( cf. Verg. Aen. 12,445 pulsu … pedum tremit excita tellus ). Unterschwellig hören wir aber wohl auch die nahende metaphorische Katastrophe ( e.g. Lucr. 6,544 terra superne tremit magnis concussa ruinis ; Ov. fast. 4,267 longo tremuit cum murmure tellus ; Sen. nat. 6,6,4 saepe tremuit terra ) – das politische Erdbeben des Bürgerkriegs. 287 lacerataque tecta rebellent : „und die verheerten Häuser sollen sich erheben.“ Lukan beschreibt als Folge der langen Bürgerkriege ein Italien verfallener und verödeter Geisterstädte ( 1,24-29 nunc semirutis pendent … moenia tectis | urbibus Italiae lapsisque ingentia muris | saxa iacent nulloque domūs custode tenentur | rarus et antiquis habitator in urbibus errat eqs.). Hier geht es jedoch kaum um im Krieg zerstörte Immobilien ( cf. BC 284 in medias immittite lampadas urbes ; so u.a. STUBBE 148 ad loc.), sondern um politische Verwerfungen, als Folge jenes ‚Erdbebens‘ ( ipsa tremat tellus ), genauer : um die von der Zwietracht zerrissenen Familien. Die Häuser stehen personifiziert für ihre Bewohner, die sich in den Krieg stürzen ( cf. HESELTINE : „let … the shattered houses join the fight“; zu tecta als pars pro toto statt der Häuser cf. OLD s.v. 2, und Cic. de orat. 3,168 pro aedificiis … tecta dicimus ; Quint. inst. 8,6,20 ‚tectum‘ pro domo ; zu tecta als Synonym für die Bewohner s. auch Verg. Aen. 4,668 tecta fremunt, und A.S. PEASE ad loc.). Zu rebellare cf. OLD s.v. 2 : „( transf., of things ) to offer resistance, rebel“, und S. 1032f. ad BC 89. Zur Verwendung hier ( „translate“ ) zitiert Thes. XI 2, 258,42-48 ad loc. Marius Victorinus adv. Arium 3,9 aestuat … et rebellat ac repugnat secum error, imprudentia, inscientia. Zu lacerare in konkreter wie übertragener Verwendung, „to damage severely, shatter, batter“ ( OLD s.v. 2 ), cf. BC 121 ad Stygios manes laceratus ducitur orbis, und e.g. Liv. 2,57,3 laceratam … rem publicam ; Sen. benef. 5,16,6 patriam … bellis laceratam ; dial. 4,35,5 pacem … lacerandam ; Lukan 10,45 lacerandas … urbes ; Ps.-Sen. Oct. 503 f. Roma … lacerata totiens ( in den Bürger-

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kriegen ). Die Junktur lacerata tecta ist singulär ( cf. Thes. VII 2, 825,29 ; zu lacerare in den Sat. RIMELL 2009, 78 ). Neben der Alliteration ( trem- telltect- ) fallen die dominierenden Vokale a und e auf. 288-289 tu … tu … tu : Markante dreifache Anapher ( mit Echos in 290 und 292 ). Zu tu + Imperativ cf. BC 119 tu … ingenti satiare ruinā, und PETERSMANN 46. 288 tu legem, Marcelle, tene : „Setze du deinen Antrag durch, Marcellus !“ In den Schicksalsjahren vor Ausbruch des Bürgerkriegs waren gleich drei Claudii Marcelli (ein plebeischer Zweig der gens Claudia ) politisch aktiv, allesamt als Parteigänger des Pompeius ; 51-49 v.Chr. amtierten sie nacheinander als Konsuln: M. Claudius Marcellus (cos. 51), C. Claudius Marcellus (cos. 50), sowie C. Claudius Marcellus (cos. 49; ersterer und letzterer waren Brüder, der Konsul des Jahres 50 ihr Vetter ). Politisch kaum in Erscheinung trat C. C l a u d i u s M a r c e l l u s (cos. 49 ; an ihn denkt u.a. WALSH 1996, 195 ). Einen Tag nach Pompeius floh er mit seinem Mitkonsul Lentulus ( BC 289 ) aus Rom; im Bürgerkrieg diente er Pompeius als Flottenkommandeur ( Caes. civ. 1,14,2 und 3,5,3 ). Eine umso prominentere Rolle spielten sein Bruder und sein Vetter. Lange vor Ende von Caesars Statthalterschaft ( sein imperium lief am 1. März 49 aus ) planten seine Gegner, ihn als Privatmann anzuklagen und seine politischen Ambitionen endgültig zu durchkreuzen. Caesars Erzfeind Cato scheiterte mit seiner Bewerbung um das Konsulat für das Jahr 51, nicht aber sein enger Freund und Verbündeter M. C l a u d i u s M a r c e l l u s (cos. 51 ). Nach Caesars Sieg in Alesia im Frühjahr 51 erklärte dieser Gallien für befriedet und brachte den Antrag ein, Caesars Heer zu entlassen und einen Nachfolger für ihn zu bestimmen ( Suet. Iul. 28,2f. ). Sein Mitkonsul, der namhafte Jurist Servius Sulpicius Rufus ( Sat. 137,9,8 ), und die Volkstribunen verhinderten einen entsprechenden Senatsbeschluss. Im selben Jahr erwirkte Marcellus einen Senatsbeschluss gegen Caesars Praxis, die Latiner in seiner Provinz Gallia Citerior als römische Bürger zu behandeln ( dank der Intercession der Volkstribunen blieb er allerdings staatsrechtlich unwirksam; cf. GELZER 6 1960, 157 f.). Um seine Rechtsauffassung zu unterstreichen, ließ er im Sommer 51 einen latinischen Beamten aus Gallia Citerior öffentlich auspeitschen und zu Caesar zurückschicken – ein Affront, der für großes Aufsehen sorgte ( cf. Cic. Att. 5,11,2 ; Plut. Caes. 29,2; Appian b.civ. 2,98 ).

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Zurückhaltender agierte er als Konsular. In der berühmten Senatssitzung vom 1. Januar 49 (cf. S. 1366 ) mahnte er angesichts der eskalierenden Lage, zum Schutz von Staat und Senat erst Truppen auszuheben und Italien militärisch zu sichern, bevor man Beschlüsse gegen Caesar fasse ( Caes. civ. 1,2,2 ). Im Gefolge des Pompeius verließ er später Rom; nach Pharsalos zog er sich ins Exil nach Mytilene zurück. Ciceros Plädoyer vor Caesar führte zu seiner Begnadigung ( pro Marcello ; Sept. 46 ). Doch auf der Heimreise wurde er in Athen ermordet ( Mai 45; cf. Cic. fam. 4,12 ; Sen. dial. 12,9,4-10,1; MEYER 3 1922, 245-259; GELZER 6 1960, 154. 157159. 259f.; GRUEN 1974, 460-463. 466-468; H.C. GOTOFF, Cicero’s Caesarian Speeches, Chapel Hill 1993, XXX-XXXII ). Dass er hier gemeint sei, vermuteten u.a. STUBBE 148f.; DÍAZ Y DÍAZ ad loc.; SULLIVAN 1965 ad loc.; GRIMAL 1977, 221; SCHMELING ad loc. Auf alle Fälle dürfte der gefeierte Redner ( cf. Cic. Brut. 249f. ) identisch sein mit Lukans „Schwätzer Marcellus“ ( 1,313 Marcellus … loquax ; cf. D.R. SHACKLETON BAILEY ed. ad loc.; für den Konsul des Jahres 49 votiert P. ROCHE ad loc.). Doch dachte Discordia wirklich an ihn ? Seine Gesetzesinitiative gegen Caesar lag fast zwei Jahre zurück ( Anfang 51 ). Und der Antrag vom 1. Januar 49, Truppen auszuheben und Italien militärisch zu sichern, fällt kaum ins Gewicht angesichts der Serie legislativer Attacken, die sein Vetter auf den Weg brachte. So gilt denn Discordias bissiger Appell am ehesten C . C l a u d i u s M a r c e l l u s (cos. 50 ). Ab dem März 50 versuchte er Caesar aus Gallien abzuberufen und Nachfolger in seine Provinzen zu entsenden ( was an Curios Widerstand scheiterte; cf. S. 1364 f. ). Anfang Dezember wollte er in einer Brandrede eine Entscheidung gegen Caesar erzwingen und ihn zum Staatsfeind erklären lassen, sollte er nicht umgehend das gallische Kommando niederlegen. Wieder intervenierte Curio mit einem Kompromissvorschlag, der im Senat eine breite Mehrheit fand: Caesar und Pompeius sollten gleichzeitig ihre Heere entlassen und ihre Provinzen aufgeben. Am Folgetag berief sich Marcellus auf falsche Gerüchte – Caesar führe seine Legionen über die Alpen ( cf. S. 1236f. ) –, und forderte vom Senat Maßnahmen gegen die angebliche Invasion ( cf. Plut. Pomp. 58,10; Appian b.civ. 2,118-121 ). Erneut scheiterte er an Curio. Doch Marcellus ließ nicht locker. Mit den beiden designierten Konsuln suchte er Pompeius auf und übertrug ihm ohne jede Legitimation von Seiten des Senats weitreichende Befugnisse zum Schutz des Staates. Dank dieser Eskalation rückte der Bürgerkrieg in greifbare Nähe ( cf. Cic. Att. 7,4,2 [ 13.12.50 ] de re publica ita mecum locutus est sc. Pompeius quasi non dubium bellum haberemus eqs.; fam.

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16,11,3 [ 12.1.49 ] numquam maiore in periculo civitas fuit, numquam improbi cives habuerunt paratiorem ducem ; E. MEYER 3 1922, 261-276; GELZER 6 1960, 163, 170; GRUEN 1974, 486f. ). legem … tene : Lex steht hier in der Bedeutung „von einer Magistratsperson auf der Rednerbühne dem Volke gemachter Gesetzesvorschlag, Antrag“ (GEORGES s.v. I ; spezifischer rogatio ), die v.a. in Wendungen wie legem ferre oder rogare fassbar wird, „einen Gesetzesantrag einbringen, vorschlagen“ ( e.g. Cic. Mur. 5 legem de ambitu tuli, „ich habe das Gesetz über Amtserschleichung eingebracht“; dom. 127 Papirius … hanc legem rogavit ; Vat. 17 quis ex toto conlegio legem sit ausus ferre praeter unum te ? ), bzw. legem perferre, „einen Gesetzesantrag durchbringen“ ( e.g. Cic. Att. 3,15,4 legem de collegiis perferri ; 6,1,25 si Curio legem pertulerit ). Zu tenere cf. OLD s.v. 16a: „to hold to, insist on ( an opinion )“. In den raren älteren Belegen für die Junktur legem tenere bedeutet lex „Gesetz“ ( cf. Ter. Ad. 85f. neque legem putat | tenere se ullam, „und er glaubt nicht, irgendein Gesetz gelte für ihn“; Cic. prov. 36 ostendit eam se tenere legem, quam esse legem neget ; Pis. 10 centum prope annos legem Aeliam … tenueramus, ~ „… war fast hundert Jahre in Kraft“ ). 288-289 tu concute plebem, | Curio : „peitsche du die Menge auf, Curio ! “ Zwischen den beiden Parteigängern des Pompeius wendet sich Discordia an eine der faszinierendsten Gestalten der späten Republik, C . S c r i b o n i u s C u r i o ( und hier ein Mann Caesars ). Bereits in jungen Jahren zeichneten ihn ein gewinnendes Wesen, Energie, Begabung ebenso aus wie eine gewisse Unberechenbarkeit, die ihm die Bezeichnung „brillanter Taugenichts“ eintrug ( Vell. Pat. 2,48,3 ingeniosissime nequam ). Er war einer der Köpfe der barbatuli iuvenes, der „jungen Milchbärte“ ( Cic. Att. 1,14,5 u.ö.), die sich 61 v.Chr. für Clodius stark machten. Zum politischen Durchbruch verhalfen dem begnadeten ( und im Übrigen amtslosen ) Redner 59 v.Chr. seine lautstarken Angriffe auf die Triumvirn Caesar, Pompeius und Crassus. Populär machten ihn nicht zuletzt die pompösen Leichenspiele für seinen 53 v.Chr. verstorbenen Vater, für die er sich heillos verschuldete. Am Vorabend des Bürgerkriegs wurde er zum Volkstribun gewählt ( 50 v.Chr.) – nur um in diesem Amt überraschend im Sinne Caesars zu agieren. Als Marcellus damals Caesar aus Gallien abberufen wollte ( cf. S. 1363 ), leistete Curio etliche Monate lang unter Ausschöpfung aller legalen Mittel Widerstand. Verbündete wie Gegner erlebten ihn als „einen der geschicktesten und wendigsten römischen Politiker, der wie kaum ein anderer

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das Instrumentarium der römischen Verfassung und die Geschäftsordnungstaktiken meisterhaft zu bedienen verstand“ ( CHRIST 1979, 353 ). Angeblich hatte ihn Caesar für seine Seite gewonnen, indem er für die enormen Schulden aufkam, die Curio drückten ( cf. Lukan 1,269 audax venalī comitatur Curio linguā, und P. ROCHE 234. 236f. ad loc.; 4,820 Gallorum captus spoliis et Caesaris auro ; Plin. nat. 36,116-120; Tac. ann. 11,7,2 u.ö.; Suet. Iul. 29,1). Manche Historiker vermuten hingegen, Curio habe ernsthaft versucht, zwischen Pompeius und Caesar zu vermitteln ( cf. W. LACEY, The Tribunate of Curio : Historia 10, 1961, 318-329; GRUEN 1974, 473f. 477f. ). Als Marcellus Caesar zum Staatsfeind erklären wollte, einigte sich der Senat auf Curios Kompromissvorschlag. Als Verhandlungsführer Caesars übermittelte er am 1. Januar 49 Caesars Vorschlag, Pompeius und er sollten ihr Kommando gemeinsam niederlegen. Als der Senat am 7. Januar sein senatus consultum ultimum beschloss, brach Curio mit den beiden Volkstribunen überstürzt aus Rom auf. In der Nacht zum 11. Januar überschritt Caesar den Rubikon. In jene Zeit fällt die Szene bei Lukan, in der Curio Caesar zum Machtkampf mit Pompeius anstachelt ( 1,268-295; zur Historizität der Szene cf. P. ROCHE 234 f. ad loc.). Eine bedeutsame Rolle spielte Curio auch im Bürgerkrieg. Caesar sandte ihn mit vier Legionen nach Sizilien, um von dort aus Africa zu erobern. Nach ersten Erfolgen unterlag er allerdings dem numidischen König Juba. Lukan schildert die Vernichtung von Curios Heer und seinen Tod ( 4,581798 ). Das vierte Buch endet mit einem bitteren Nekrolog, der Curio als den Mann anklagt, der Rom an die Alleinherrschaft verschachert habe ( 4,799-824, bes. 4,824 emere omnes, hic vendidit urbem : Sulla, Marius, Caesar „kauften“ Rom – einzig Curio „verkaufte“ die Stadt ; s. auch Verg. Aen. 6,621f. vendidit hic auro patriam dominumque potentem | imposuit eqs., eine Stelle, die Servius ad loc. an Curio denken ließ ). Dante verbannte den „Zwietrachtsstifter“ in den achten Höllenkreis : er habe vor Ausbruch des Bürgerkriegs „in Caesar das Zögern“ ertränkt ( Inferno 28,91-102, bes. 9799 il dubitar sommerse in Cesare eqs.). Discordias Imperativ concute plebem ( untermalt von der Alliteration concute … Curio ) passt nur bedingt zu den historischen Ereignissen, doch gut zu Curios Rolle als eminentem Redner und Volkstribun, der auf Seiten Caesars agitierte ( cf. u.a. Lukan 1,275 f. mihi rostra tenere | ius erat et dubios in te transferre Quirites ; 4,799-801 quid nunc rostra tibi prosunt turbata forumque | unde tribuniciā plebeius signifer arce | arma dabas populis? ). Für Velleius war er der größte ‚Brandstifter‘ des Bürgerkriegs ( 2,48,3 bello … civili … non alius maiorem flagrantioremque quam C. Curio, tribunus plebis, subiecit facem ).

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Cf. Cic. fam. 8,4,2; Vell. Pat. 2,48,3-5; Appian b.civ. 2,101-106 ; F. MÜNRE II A 1, 1921, 867-876; MEIER 1966, 315 ( ‚Note 10‘ ); GRUEN 1974, 470-490; AHL 1976, 88-115; CHRIST 1979, 353f.; MEIER 1982, 407-419, bes. 408 f.; ROCHE 2009, 233-238; FANTHAM 2010, 58f. concute : Concutere in der seltenen Bedeutung „aufwiegeln, aufhetzen, aufpeitschen“ ist erst in neronischer Zeit belegt ( cf. u.a. Sen. Thy. 85f. concute insano ferum | pectus tumultu ; Lukan 2,636 ; 4,235f. omnīs | concussit mentes scelerumque reduxit amorem ; Stat. Ach. 1,412 fervet amor belli concussasque erigit urbes ; Juv. 10,327 f.; OLD s.v. 5; Thes. IV, 120,43-49; zu dem dort zitierten Vers Verg. Aen. 8,3 cf. P.T. EDEN p. 5-8 ad loc.). Mit demselben Imperativ entsendet Pompeius seinen Sohn Gnaeus zu östlichen Verbündeten, um militärische Unterstützung einzufordern ( Lukan 2,636 Pharios … concute reges eqs.). ZER,

289 tu fortem ne supprime, Lentule, Martem : „Stehe du dem mächtigen Mars nicht im Weg, Lentulus ! “ L . C o r n e l i u s L e n t u l u s C r u s rückt erst am 1. Januar 49 in den Fokus der Ereignisse, in jener turbulenten Senatssitzung, die einen gewaltigen Schritt in Richtung Bürgerkrieg bedeutete ( cf. Caes. civ. 1,1-2 ). Als neuer Konsul ( neben C. Claudius Marcellus; s. S. 1362 ) stellte er sich entschieden gegen Caesars Vorschlag, Pompeius und er sollten ihr Kommando gemeinsam niederlegen ( s. S. 1365 ), und drängte auf eine Ablösung Caesars; gemäßigtere Stimmen kamen nicht zu Wort. Schließlich votierte die Mehrheit für die von Pompeius’ Schwiegervater Q. Caecilius Metellus Scipio diktierte Position der Pompeianer : Caesar habe sein Heer zu festgesetzter Zeit zu entlassen – oder er gelte als Staatsfeind. Der Beschluss scheiterte einzig am Einspruch der Volkstribunen. In den folgenden Tagen kam es in Pompeius’ Landhaus zu weiteren, inoffiziellen Verhandlungen. Auch ein neuer, deutlich weiterreichender Kompromiss zugunsten des Pompeius und des Senats, für den sich Cicero stark machte und der auch Pompeius zusagte, scheiterte an Lentulus’ und Catos Einspruch ( cf. Cic. fam. 16,12,2, zit. S. 1321; Plut. Caes. 30f.; Pomp. 59,6 ; zu Lentulus’ Motiven cf. Caes. civ. 1,4,2 ). Am 7. Januar beschloss der Senat ein senatus consultum ultimum, Pompeius begann mit Rüstungen, Caesar überschritt den Rubikon. Zu Beginn des Bürgerkriegs versuchte Caesar vergebens, den mit Pompeius nach Kampanien abgereisten Konsul zur Rückkehr nach Rom zu bewegen. In Kleinasien rekrutierte Lentulus zwei Legionen für Pompeius ( Caes. civ. 3,4,1 ). Nach Pharsalos folgte er Pompeius über Rhodos nach

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Ägypten, wo König Ptolemaios ihn ergreifen und im Kerker umbringen ließ ( Caes. civ. 3,104,3 ). Lukan gewährt Lentulus mehrere prominente Auftritte. In Epirus setzt er Pompeius’ Ernennung zum Oberbefehlshaber durch ( 5,15-49 ); bei Pharsalos befehligt er Pompeius’ linken Flügel ( 7,217-219 ); nach der Niederlage argumentiert er im Kriegsrat gegen Pompeius’ Plan, Hilfe bei den Parthern zu suchen, und rät zu der fatalen Flucht nach Ägypten ( 8,328455 ; die historischen Quellen sprechen diese Rolle Theophanes von Mytilene zu). Cf. F. MÜNZER, Art. Cornelius Nr. 218, RE IV 1, 1900, 1381-84 ; MEYER 3 1922, 281-288; GELZER 6 1960, 173-175. Discordias Verbot trieft von Sarkasmus – darf Lentulus doch getrost als einer der ärgsten Kriegstreiber gelten ( cf. Plut. Caes. 30,6: „Lentulus schrie, Waffen brauche man gegen einen Räuber, keine Abstimmungen“, ὅπλων δεῖν πρὸς ἄνδρα λῃστήν, οὐ ψήφων ). Caesar urteilte trocken: qua ex die consulatum iniit Lentulus, … de imperio Caesaris … gravissime acerbissimeque decernitur ( civ. 1,5,4 ). Zu supprimere cf. OLD s.v. 4d: „to stop, check ( a movement, activity )“. Die Junktur Martem supprimere ist singulär. – Zu dem negierten Imperativ mit ne cf. Sat. 108,14,7 ne vincite pontum, und PETERSMANN 202. Nachgestelltes ne ( meist aus metrischer Bequemlichkeit ) findet sich in der Dichtung häufig ( zur ‚Inversion von Partikeln‘ cf. NORDEN 4 1957, 402-404 ). fortem … Martem : Mars ist hier metaphorisch verwendet ( e.g. EHLERS : „schüre den Kampfgeist ! “ ); cf. OLD s.v. 2a : „warfare, fighting“ ( und e.g. Enn. ann. 14 Sk. occubuit Priamus sub Marte Pelasgo ; Ov. her. 6,35 populos civili Marte peremptos ; Lukan 3,336 tanta … discrimina Martis Hiberi ; Stat. Theb. 6,609 Ogygio … cum Marte ); OLD s.v. 5: „warlike spirit“ ( und e.g. Verg. Aen. 6,165 Martem … accendere cantu ; Plin. nat. 26,19 cum Cimbri … terribili Marte ulularent ); OLD s.v. 4 : „force of arms, martial strength or prowess“ ( und e.g. Corp. Tib. 3,7(4,1),149 invictus Romano Marte Britannus ); s. auch BC 134 f. Martem … ciet, und S. 1125 ad loc. – Zu fortis Mars cf. Ov. ars 2,585 fortissime Mavors ; Apul. met. 7,5,4 fortissimo deo Marti ; Anth. Lat. 749,1 R. Mars, pater armorum, fortissime belligerator. 290 quid porro tu, dive, tuis cunctaris in armis … ? : „Und dann du, Göttlicher, was zögerst du, bis auf die Zähne gerüstet ?“ Nicht minder sarkastisch klingt Discordias Vorwurf an Caesar, der längst in Eilmärschen auf Rom vorrückt ( cf. 209 tumidas iratus deprimit arces ). Prophetisch adressiert sie ihn nicht mit seinem Namen ( so auch gleich bei Pompeius: 292 Magne ), sondern mit jenem Status, den er erst nach Pharsalos erlangte, als griechische Städte ihn auf Inschriften als θεός

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( „Gott“ ) feierten und Alexandria ihn mit göttlichen Ehren empfing ( cf. WEINSTOCK 1971, 296f.; ähnlich nennt Lukan Nero ‚seinen Gott‘: 1,63 sed mihi iam numen ). Im Westen erfuhr er solche Ehren erst später. Im Mai 45 errichtete ihm der Senat im Quirinustempel eine Statue mit der Inschrift Deo invicto ( CHRIST 1979, 384 ). Seine postume Apotheose erhob ihn endgültig unter die Götter ( cf. Cic. Phil. 2,110; Verg. Aen. 6,789f. Caesar et omnis Iuli | progenies magnum caeli ventura sub axem ; Ov. met. 15,745-751. 818821 ut deus accedat caelo templisque colatur, | tu sc. Auguste facies eqs.; 15,840851; Suet. Iul. 88 in deorum numerum relatus est eqs.; zu dem bald vertrauten Titel Divus Iulius cf. u.a. Vitruv 3,3,2; Val. Max. 7,6,5 ; Sen. contr. 7,3,9; Sen. dial. 5,30,4 ; Plin. nat. 9,116; Plin. ep. 5,3,5; Tac. Agr. 13,1 ); cf. TAYLOR 1931, 65-77 ; GESCHE 1976, 162-172; BALTRUSCH 2004, 131-134. Bei Lukan bezeichnet Caesar sich selbst einmal als ‚Gott‘ ( 5,536 deo ). Zu divus cf. e.g. Hor. c. 3,5,2-4 praesens divus habebitur | Augustus adiectis … imperio … Persis ; Servius Aen. 5,45 ‚divum‘ et ‚deorum‘ indifferenter plerumque ponit poeta, quamquam sit discretio, ut deos perpetuos dicamus, divos ex hominibus factos, quasi qui diem obierint : unde divos etiam imperatores vocamus ; L. KOEP, s.v. Divus : RAC 3, 1957, 1251-57; WEINSTOCK 1971, 391f. Zu dem höchst seltenen cunctari mit in + Abl. cf. e.g. Lucr. 3,407 in vita cunctatur et haeret ; Cic. Tusc. 1,111 cunctari illum diutius in vita eqs.; Verg. georg. 4,258 clausis cunctantur in aedibus sc. apes ; Liv. 1,27,11 alii … cunctantur in ripis ; Val. Flacc. 7,4 cunctatis extremo in limine plantis ; GUIDO 1976, 242; PETERSMANN 92. – Zu quid porro cf. 100,7 quid porro ad rem pertinet … ? ; 136,11 quid porro tu … fecisti ? Die prosaische Formel ist v.a. aus Ciceros Reden und Senecas Prosa vertraut ( 8 bzw. 19 Belege ). 291 non frangis portas, non muris oppida solvis … ? : „erbrichst nicht die Tore, löst nicht die Städte von ihren Mauern … ?“ ( STUBBE ). Auf seinem Weg nach Rom ( Stationen waren u.a. Ariminum, Ancona und Arretium) musste Caesar keine Stadttore aufbrechen oder Stadtmauern schleifen. Etliche Gemeinden öffneten ihm ihre Tore aus freien Stücken ; Auximum bat sogar die senatstreuen Kohorten abzuziehen ( cf. Caes. civ. 1,12-15 ). Auf nennenswerten Widerstand traf er nur in Corfinium in den Abruzzen, das der Proconsul von Gallia ulterior, Lucius Domitius Ahenobarbus, mit zwölf Kohorten hielt. Nach einwöchiger Belagerung kapitulierte die Stadt, und Caesar begnadigte alle Gefangenen, auch seinen Erzfeind Domitius ( cf. Cic. Att. 9,16 zur sog. clementia Corfiniensis ; GELZER 6 1960, 183f.; FANTHAM 1992, 231-233 ). Discordias rhetorische Frage scheint Lukans Schilderung von Caesars Zug durch Italien zu zitieren, die die Historie verzerrt ( 2,439-446, bes.

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2,443f. non tam portas intrare patentīs | quam fregisse iuvat ; 2,449f.: Latiums Städte denso … aggere firmant | moenia et abrupto circumdant undique vallo ). Der Centurio Laelius bietet Caesar an, ‚feindliche‘ Stadtmauern zu schleifen – auch die Roms ( 1,383-386 ). Solches befürchten die Römer nach Caesars Einzug in die Stadt ( 3,98f. ignibus atris | creditur … rapturus moenia Romae ). Während des Bürgerkriegs kam es wiederholt zu Belagerungen, am bekanntesten im Falle Massilias, das sich auf Pompeius’ Seite schlug. Nach sechs Monaten Blockade kapitulierte der griechische Freistaat und musste Caesar sein komplettes Waffenarsenal und den Staatsschatz überlassen ( Caes. civ. 2,22 ; Lukan 3,298-762 ; GELZER 6 1960, 195. 201 ). Als sich nach Dyrrhachium ( s. S. 1370f. ) die thessalischen Gemeinden Caesar gegenüber feindselig zeigten, ließ er die Stadt Gomphoi stürmen und plündern. Die Botschaft kam an ( Caes. civ. 3,80; GELZER 6 1960, 218 ). BC 291 ist einer der sechzehn Holospondeen des Epyllions. frangis portas : Zu der Junktur portas frangere, meist in militärischem Kontext, cf. Sen. Phaed. 534 f. clausas fregerat saxo gravi | ballista portas ; Lukan 2,443 f. ( oben zit.); Stat. Theb. 11,388; Sil. Ital. 15,559 fractis … portis ; Juv. 10,155 f. Poeno milite portas | frangimus ; Thes. VI 1, 1242,30-34 ( s. auch Lukan 3,343 vi perfringere portas ; Stat. Theb. 10,196 f. moras … frangite portarum ; Apul. met. 1,11,7 ianuae … fractis et evolsis funditus cardinibus prosternuntur ). solvis : Auch anderen Orts finden die Sat. exotischere Verwendungen für solvere ( cf. 95,5 urceolum … in Eumolpi caput iaculatus est solvitque clamantis frontem ; BC 101 rupto tellurem solvit hiatu, und S. 1058 ). Für vage Parallelen zur Stelle hier cf. Lukan 2,704 f. omnīs sc. portas solverat urbis … fides ( „sämtliche Tore hatte Brundisiums Loyalität gelöst“, i.e. geöffnet ); 3,490492 aries … incussus densi compagem solvere muri | temptat ( beim Kampf um Massilia „sucht der aufprallende Rammbock den Verbund des massiven Mauerwerks zu lockern“ ); Stat. Theb. 10,519 solvitur … vallum ( „der Wall wird von den Angreifern durchbrochen“ ); 12,9f. munimina valli | solvere ( „die Befestigungen des Schanzwerks abbauen“ ). Die Wendung oppida solvere mit dem Abl. sep. ( muris ) ist singulär ( cf. OLD s.v. soluō 5a : „to release from chains or fetters, unbind, set free“; 5c : „to free ( from a blockade, garrison)“, und e.g. Lukan 1,402 solvuntur … longā statione Ruteni, „befreit werden von langer Besatzung die Rutener“; ebenfalls mit einem abl. sep.).

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292 thesaurosque rapis? : „und raubst die Schätze ?“ Nach Ausbruch des Bürgerkriegs eignete sich Caesar widerrechtlich das sanctius aerarium an, den im Saturntempel verwahrten Reserveschatz des römischen Staates, den mitzunehmen die Pompeianer versäumt hatten. Der Volkstribun Lucius Metellus, der den Schatz schützen wollte, wich erst, als Caesar ihm mit dem Tod drohte. Der Raubzug füllte Caesars Kriegskasse mit 15.000 Barren Gold, 30.000 Barren Silber und 30 Mio. Sesterzen Bargeld – und kostete ihn die Sympathien des Volkes ( cf. Cic. Att. 10,4,8; Lukan 3,114-168 ; Plut. Pomp. 62,1; Caes. 35,6-11; Appian b.civ. 2,164 ; Cassius Dio 41,17; Caesars eigener Bericht übergeht den Vorfall; cf. civ. 1,32f. ). Später fiel ihm u.a. der Staatsschatz von Massilia in die Hände ( cf. zu BC 291 ). Andererseits gab Caesar im Bürgerkrieg seinem Gegner Domitius sechs Mio. Sesterzen zurück ( Caes. civ. 1,23,4 ; s. S. 1368 ) und rettete gleich zweimal den Tempelschatz von Ephesos ( ebd. 3,105,2 ). – Die Wendung kehrt Sat. 128,6,4 ( thesaurosque rapit ) wieder. 292-293 nescis tu, Magne, tueri | Romanas arces? : „Weißt du, Magnus, nicht zu beschützen die römischen Hügel ?“ ( HOLZBERG ). „Discordia’s cruel taunt to Pompey, when she tells him to fight for the walls of Epidamnus if he does not know how to defend Rome, is the final element in her cynical version of the Civil War.“ ( CONNORS 1989, 148 ). Zu Pompeius’ Entscheidung, angesichts von Caesars raschem Vorrücken die Hauptstadt aufzugeben, cf. 238-244 gemino cum consule Magnus … fugit ( und S. 1272f. ad loc.). Sein Ehrentitel klingt in Discordias Mund nicht minder sarkastisch als in dem des Erzählers ( bes. 244 ut Fortuna levis Magni quoque terga videret ; cf. S. 1284 f. ad loc., ferner Lukan 1,510-522 ). Zu den Romanas arces ( PASSERATs zwingende Korrektur der überlieferten Romanas acies ) cf. BC 107 Romanis arcibus ( und S. 1065f. ad loc.). Kaum subtiler verhöhnt bei Lukan Caesar in seinen Worten an Rom seinen Gegenspieler Pompeius : tēne, deum sedes, non ullo Marte coacti | deseruēre viri ? pro qua pugnabitur urbe ? ( 3,91f.; cf. 3,95-97 habenti | tam pavidum tibi, Roma, ducem Fortuna pepercit, | quod bellum civile fuit, und V. HUNINK ad loc.: „with her weak leader, Rome should be glad that she is engaged in ‚merely‘ a civil war and not in a foreign war !“ ). 293 Epidamni moenia quaere : „Epidamnus’ Schanzwerk such’ auf“. Discordias imperatives Schlusswort an Pompeius zitiert prophetisch jene beiden militärischen Konfrontationen, bei denen er und Caesar sich persönlich gegenüberstanden, Dyrrhachion und Pharsalos ( 293f. ).

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Im Januar 48 landete Caesar mit etwa zwanzigtausend Mann an der Küste von Epirus; im April gelang es ihm, seine restlichen Verbände ( rund fünfzehntausend Soldaten ) über die Adria zu setzen. Die Senatstruppen dort waren von Anfang an in der Übermacht und strategisch besser aufgestellt ; zudem verweigerte Pompeius eine offene Feldschlacht. Als die Situation seiner Leute sich zusehends verschlechterte, schloss Caesar die Pompeianer bei Dyrrhachion mit 25 km Schanzwerk ein – Auftakt eines monatelangen Stellungskriegs. Im Juli 48 scheiterte ein erster Ausbruchsversuch des Pompeius mit etwa zweitausend Toten auf seiner Seite. Ein zweiter Angriff glückte. Caesar verlor rund tausend Mann; nur der rasche Rückzug nach Thessalien rettete ihn. Nach Caesars eigenem Urteil wäre der Bürgerkrieg wohl entschieden gewesen, hätte Pompeius damals seinen einzigen militärischen Erfolg gegen ihn zu nutzen gewusst ( cf. Suet. Iul. 36,1 pulsus non instante Pompeio negavit sc. Caesar eum vincere scire ; ferner Caes. civ. 3,70; Lukan 6,312f. ultimus esse dies potuit tibi Roma malorum eqs.; Plut. Pomp. 65,6-8; Caes. 39,4-8; Appian b.civ. 2,257-260; GELZER 6 1960, 211-217 ). Epidamni moenia ( moenia PUTEOLANUS’ überzeugende Emendation der überlieferten nomina ) spielt auf die doppelten Belagerungsringe an, die die beiden Heere auf schwierigem und weitläufigem Gelände umeinander zogen ( cf. Caes. civ. 3,41-75 ; Lukan 6,1-313; Suet. Iul. 68,2-4 ). Bereits Lukan verwendet moenia im selben Kontext in der ungewöhnlichen Bedeutung als „Umwallung“ ( 10,546 calcantem moenia Magnum ; s. auch Verg. Aen. 11, 915 considunt castris … et moenia vallant, und Thes. VIII, 1326,42ff.: „oppidorum, castrorum, munitionum, quorumlibet locorum ad defendendum aptorum“, ohne interne Untergliederung ). Von Bedeutung ist der Name des Ortes. Die Kolonie Epidamnos an der illyrischen Küste ( Ἐπίδαμνος ; h. Durrës, Albanien ; TALBERT 49 B 2 ) wurde im späten 7. Jh. von Korinth und Korkyra gegründet. Seit dem 5. Jh. erscheint in den Quellen parallel auch der Name Dyrrhachion ( Δυρράχιον ), der sich v.a. in römischer Zeit durchsetzt. „Als bedeutender Hafen der aus Italien ( Brundisium) kommenden Schiffe und Ausgangsort der nach Thessalonike führenden via Egnatia spielte Dyrrhachion in den römischen Bürgerkriegen … und in der Kaiserzeit eine große Rolle.“ ( D. STRAUCH, DNP 3, 1997, 857f.; cf. Catull 36,15 Dyrrachium, Hadriae tabernam, ~ „Handelsposten der Adria“ ). Römer mieden den älteren Namen als böses Omen (cf. Pomponius Mela 2,56 Dyrrachium Epidamnos ante erat ; Romani nomen mutavere, quia velut in damnum ituris omen id visum est ; Plin. nat. 3,145 Epidamnum colonia, propter inauspicatum nomen a Romanis Dyrrhachium appellata ). Entsprechend selten er-

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scheint er in römischen Quellen (u.a. Liv. 43,21,3 Dyrrachium – tum Epidamni magis celebre nomen Graecis erat ; Lukan 2,624 Ionias vergens Epidamnos in undas, „Epidamnos, das auf die Ionische See blickt“; 10,545, unten zit.). Plautus, dessen Menaechmi in Epidamnos spielen, treibt seinen Scherz mit dem Namen ( Men. 263f. propterea huic urbi nomen Epidamno inditumst, | quia nemo ferme sine damno huc devortitur ; 267 ne mihi damnum in Epidamno duis ). Nicht von ungefähr bringt Discordia hier Dyrrhachions älteren Namen ins Spiel, wenn sie die Ereignisse dort vorweg nimmt. Boshaft erinnert Epidamni an das damnum, den „Schaden“, ja die „Niederlage“, die Pompeius dort erleiden wird, da er es versäumt, seinen Vorteil zu nutzen und den Krieg zu seinen Gunsten zu entscheiden. „Cruel laughter resounds in Discordia’s command: go then to Epidamnus and be damned.“ ( CONNORS 1989, 148 ). Eine subtile Vergilanspielung entdeckt CONNORS in der raren Junktur moenia quaere ( 1989, 151f.; cf. 1998, 136 ). Im Traum fordert Hektor Aeneas auf, aus Troja zu fliehen und eine neue Stadt zu gründen – die Keimzelle des künftigen Roms ( Aen. 2,293-295 sacra suosque tibi commendat Troia penatīs ; | hos cape fatorum comites, his moenia quaere | magna pererrato statues quae denique ponto, „… empfange sie als Gefährten deines Schicksals; mit ihnen suche die mächtigen Mauern, die du zuletzt errichten wirst, nachdem du das Meer durchirrt hast“; s. auch Sil. Ital. 1,645 maiora … moenia quaerit sc. der Eroberer Hannibal ). Das Gedicht über Roms Untergang im Bürgerkrieg endet mit einem bitteren Echo jenes Traums von Roms Geburt. Wie Aeneas flieht Pompeius aus einer gefallenen Stadt, in der Hoffnung, ihr Erbe zu bewahren. Doch während Aeneas’ Flucht in Roms Gründung gipfelt, bedeutet Pompeius’ Flucht Roms Ende. Eine Diskussion rankt sich um die Frage, ob BC 293 auf die Schlusspassage der abrupt abbrechenden Pharsalia anspiele – die sich ihrerseits bekanntlich mit dem Ende von Caesars eigenem Kriegsbericht überschneidet ( civ. 3,109-112 ; so v.a. ROSE 1971, 65; PARATORE 1987, 121f.; CONNORS 1994 ; skeptisch u.a. GEORGE 1974, 129f. ). In Alexandria, in höchster Gefahr, fällt Caesars Blick auf Scaeva, der in Epidamnos Pompeius’ Truppen beim ersten Ausbruchsversuch fast im Alleingang aufgehalten hatte ( 10,543-546 respexit … Scaevam perpetuae meritum iam nomina famae | ad campos, Epidamne, tuos, ubi solus apertis | obsedit muris calcantem moenia Magnum ). Scaevas unerwarteter Auftritt mag andeuten, dass wie in Epidamnos Caesar auch in Alexandria der Schlinge entkommen wird.

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Nüchtern betrachtet, beschränken sich die verbalen Parallelen auf den sprechenden Namen Epidamnus und die moenia. Das reicht kaum, um von einem bewußten Zitat zu sprechen. Auffällig ist freilich der Umstand, dass diese beiden Elemente jeweils am Schluss der beiden Texte zusammentreffen. Zudem verweist Eumolp wiederholt auf das unfertige Ende seines Gedichts – in klarer Anspielung auf die unvollendeten Pharsalia ( 118,6 nondum recepit ultimam manum, und bes. 115,4 laborat carmen in fine ). Das gibt der Passage ein anderes Gewicht. Es würde bedeuten, dass Petron nicht nur um Lukans unvollendetes Manuskript wusste, sondern auch Buch zehn ( und dessen Schluss ) kannte. Sollte er tatsächlich auf jene Szene anspielen, wäre die Botschaft die gleiche wie bei Lukan: Caesar wird die Niederlage von Epidamnos zu seinem Heil wenden. Vor allem aber erhielte dank dieser ‚Sphragis‘ das in der Einleitung skizzierte Spiel mit dem unvollendeten Zustand der beiden Werke eine abschließende Bestätigung ( cf. S. 828 ). 294 Thessalicosque sinūs Romano sanguine tingue“ : „und färbe die thessalischen Schluchten mit Römerblut.“ Mit Blut, das die Erde tränkt, enden sowohl der Katalog der Vorzeichen ( 140 sanguineoque recens descendit Iuppiter imbre ) als auch Discordias Appell. Das Vokabular lässt an G e w ä s s e r denken ( e.g. EHLERS : „laß Thessaliens Meer von erschlagenen Mannen sich färben !“; cf. BC 160 Rhenum sanguine tingo ; Sat. 108,14,8 gurgitibusque feris alios immittite fluctūs ; zu sinus als „Bucht“ cf. BC 115 Actiacos … sinus, und OLD s.v. 11), die vom Blutzoll der Bürgerkriege ihren Teil sahen ( u.a. Hor. epod. 7,3f. parumne campis atque Neptuno super | fusum est Latini sanguinis…? ; c. 2,1,33-36 qui gurges aut quae flumina lugubris | ignara belli ? quod mare Dauniae | non decoloravere caedes ? | quae caret ora cruore nostro ? ; Sen. clem. 1,11,1 mare Actiacum Romano cruore infectum ), v.a. in L u k a n s Darstellung ( 2,214-218: nach Sullas Massaker sanguinis alti | vis sibi fecit iter, campumque effusa per omnem … ruens Tiberina in flumina eqs.; 2,713 hīc primum rubuit civili sanguine Nereus ; 3,572f. cruor altus in unda | spumat, et obducti concreto sanguine fluctūs ; 4,567f. multum … cruorem | infudēre mari ; 7,292-294 videor fluvios spectare cruoris … et immensā populos in caede natantīs ; 7,699f. spumantes caede catervas …, turbatos incursu sanguinis amnes ; 7,789f. propulsa cruore | flumina ( alle Belege aus Buch VII zu Pharsalos ); als Omen 1,548 sanguineum … mare ). Doch anders als im Epirus gab es in Thessalien keine Gefechte in Küstennähe. Die Schlacht von Pharsalos ( cf. S. 1082 zu BC 111 f. ) fand in einer hügeligen Ebene statt ( cf. Caes. civ. 3,84,2 collibus … Pompeianis ; 3,85,1 castra in colle habebat ; 3,95,5 in altissimos montīs … confugerunt ; 3,98,1 in

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monte consederant ; auf den ‚Pharsalischen Feldern‘ beginnt im Übrigen die Klassische Walpurgisnacht, GOETHE, Faust II, 7005-7248 ). Die auf den ersten Blick missverständlichen sinūs sind eine stimmungsvolle poetische Lizenz für den Schauplatz der Gefechte in Thessaliens „Schluchten“ ( cf. OLD s.v. 8/9, und e.g. Ov. met. 5,608 Maenalios … sinūs, „der Talgrund des Maenalus“; fast. 5,244 Tartareos … sinūs, lt. F. BÖMER ad loc. „Wölbung, Grund, Talgrund“; Liv. 30,2,12 Arpini terra campestri agro in ingentem sinum consedit ; Sen. Oed. 582f. dehiscit terra et immenso sinu | laxata patuit ; Ps.-Sen. Oct. 135 Stygios sinūs ). Mit dem umgekehrten Bild beschreibt Vergil Actium als ‚neptunische Fluren‘ : arva novā Neptunia caede rubescunt ( Aen. 8,695; cf. Aen. 10,214 campos salis ; Cic. Arat. 129 Neptunia prata ; Sil. Ital. 14,253 caeruleis … campis ). Eine überzeugende Antwort auf die ‚Unschärfe‘ Festland – Gewässer in den Thessalicos sinūs fand CONNORS in zwei Schlüsselpassagen Lukans zu Pharsalos, die hier ‚verschmelzen‘. Den blutigen Kampf eröffnet Crastinus’ Lanze ( 7,473 prima … Thessaliam Romano sanguine tinxit ). Als Pompeius nach seiner Flucht die Küste erreicht, sieht er den Peneios blutrot ins Meer strömen ( 8,33f. Peneius amnis | Emathiā iam clade rubens exibat in aequor ). BC 294 „combines a verbal reminiscence of the beginning of bloodshed at Pharsalus with a conceptual evocation of Lucan’s description of the aftermath of bloodshed at Pharsalus, thus embracing the beginning and end of Lucan’s narrative of Pharsalus.“ ( CONNORS 1998, 137f., zit. 138; cf. 1994, 225f.; SETAIOLI, Nugae 8f. ). Zu der Junktur sanguine tingere cf. S. 1170f. zu BC 160. ‚Chiastische‘ Alliteration ( Thess- sin- sang- ting- ). Romano sanguine : Die hier überlieferte Junktur humano sanguine ( im Ablativ ; so m.W. alle jüngeren Herausgeber und Übersetzer ) ist in der frühen Kaiserzeit allgegenwärtig ( e.g. Liv. 45,5,11 templa … sanguine humano violata ; Ov. met. 9,194 equos humano sanguine pingues ; 14,168; Val. Max. 2,9,3 oculos humano sanguine delectatos ; Sen. dial. 4,5,1 sanguine humano gaudent ; 4,5,4 fossam sanguine humano plenam ; ep. 90,41 incruentae … humano sanguine manūs ). Hier im Kontext bleibt sie allerdings überraschend farblos ( cf. BC 18 ut bibat humanum … cruorem, in der Arena ; für das pauschale humano spräche allenfalls 121 ad Stygios manes laceratus ducitur orbis ). Zwei Gründe stützen CORNELISSENs Romano. Im BC wird Blut bereits zuvor ‚ethnisch zugeordnet‘ ( 163 sanguine Germano ~ 214 Germano … sanguine ). Vor allem aber liefert Lukans Pharsalosbuch das schlagende Vorbild. Gleich dreimal verwendet er dort just diese Junktur : 7,116 sanguine Romano quam turbidus ibit Enipeus !, 7,539 si Romano compleri sanguine mavis, und v.a. 7,473 Thessaliam Romano sanguine tinxit ( s. auch 7,491 dextras Romana in viscera ducit ; 7,511

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Romanus … petitur cruor ; 7,637 Romanus … torrens, „die römische Sturzsee“ aus Blut ; 7,728f. Hesperio vidit satis arva natare | sanguine ; zum Bürgerkrieg ferner 1,9 gentibus invisis Latium praebere cruorem sc. placuit ; 1,104 f. Crassus | Assyrias Latio maculavit sanguine Carrhas ; ebenso Hor. epod. 7,3f. parumne … Neptuno super | fusum est Latini sanguinis…? ; c. 2,1,29f. quis non Latino sanguine pinguior | campus ; Sen. clem. 1,11,1 mare Actiacum Romano cruore infectum ). Und gegen Ende des Pharsalosbuchs fragt er, welcher Pflug dort keine „römischen Leichen“ entweihe ( 7,852 quo non Romanos violabis vomere manes ? ). Zudem unterstreicht die pointierte Wiederholung des Namens aus dem Vorvers ( BC 293 Romanas arces ) die Aussage: ‚Du kannst die römischen Hügel nicht schützen ? Dann tränke Thessalien mit römischem Blut !‘ Pharsalos wird die unausweichliche Konsequenz von Pompeius’ Versäumnis, Rom zu verteidigen. Doch genau die Wiederholung könnte einen Kopisten „gestört und den Anlaß zur Änderung in das matte humano gegeben haben“ ( STUBBE 151, der mit der Konjektur sympathisierte ). 295 factum est in terris, quicquid Discordia iussit : „Es begab sich auf Erden, was auch immer die Zwietracht gebot.“ Wie der Schlussvers verbürgt, werden Discordias Befehle Wirklichkeit ( „Whatever Discord bade, mankind performed“; SHACKLETON BAILEY 1971, 134 ). Ähnlich bringt Allecto Juno gegenüber ihr dämonisches Wirken auf den Punkt : perfecta tibi bello discordia tristi ( Verg. Aen. 7,545: „dir ging die Saat der Zwietracht auf im grimmen Krieg“ ), ähnlich Tisiphone: facta puta quaecumque iubes ( Ov. met. 4,477, zu Juno; cf. Sil. Ital. 2,693-695 tum demum ad manes perfecto munere Erinys | Iunoni laudata redit magnamque superba | exsultat rapiens secum sub Tartara turbam ). Nachdem Tantalus’ Schatten sein böses Werk getan hat, verbannt ihn die Furie von der Erde : actum est abunde ( Sen. Thy. 105 ). Immer wieder hören wir von der Macht der Dämoninnen, ihre Vorhaben zu vollenden ( cf. Verg. Aen. 7,541 promissi dea facta potens, Allecto „wurde ihres Versprechens mächtig“; Ov. met. 4,510: Tisiphone ist victrix iussique potens ; Stat. Theb. 11,57: Tisiphone ist potens scelerum, „Herrin ihrer Verbrechen“; kaum anders wertet Oenothea ihre magische Macht : tantum dicta valent, Sat. 134,12,11 ). In Ringkomposition mit dem Anfang des Gedichts kehrt der ‚Erdkreis‘ wieder ( 1 orbem iam totum victor Romanus habebat ~ factum est in terris ; im Einklang damit gehören BC 1 und 295 zu den sechzehn Holospondeen des Epyllions ), mit einem gravierenden Unterschied: zuerst hat Rom ihn fest im Griff – zuletzt die Zwietracht.

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factum est : Dieser markante Satzbeginn findet sich in Dichtung wie Prosa überraschend selten. Bisweilen erscheint er als isolierte Formel, im Sinn eines „es ist geschehen“, „so geschah es“ ( cf. Sen. contr. 6 exc. 6 ‚morietur‘ : factum est ; Plin. ep. 4,7,2 ~ 4,25,1 factum est ). Bisweilen wird die Formel um ein Subjekt erweitert ( cf. Plaut. Aul. 741 factum est illud : fieri infectum non potest, „es ist geschehen – und lässt sich nicht ungeschehen machen“; Ps.-Sen. Herc. Oet. 842 factum est scelus ; Plin. ep. 3,4,3 factum est senatūs consultum ), oder um eine adverbiale Bestimmung ( Enn. trag. 31 Joc. factum est iam diu ). Gelegentlich folgt ein Konsekutivsatz ( cf. Plaut. Amph. 431 factum est illud, ut eqs.; Caes. Gall. 3,19,3 factum est opportunitate loci …, ut eqs., „dank der günstigen strategischen Lage kam es, dass …“; Cic. Q. fr. 1,1,2 factum est … meā culpā …, ut eqs.), vereinzelt – wie hier – ein Relativsatz ( cf. Plaut. Rud. 324 factum est, quod suspicabar, „eingetreten ist, was ich befürchtete“; Tac. ann. 1,6,3 nuntianti centurioni … factum esse quod imperasset, i.e. die angeordnete Ermordung Agrippas ). Für das Gewicht der Wendung hier gibt es kaum Parallelen ( cf. Ov. met. 8,619 quidquid superi voluere peractum est ; s. auch den Schluss von Ciceros Ilias -Übertragung, div. 2,64 edidit haec Calchas ; quae iam matura videtis, „dies verkündete Kalchas – was ihr nun in Erfüllung gehen seht“ ) – am ehesten noch in dem neutestamentlichen καὶ ἐγένετο ( „und es begab sich“, „und es geschah“; cf. BAUER – ALAND s.v. γίνομαι 3, bes. zu καὶ ἐγένετο : „periphrastisch …, den Fortschritt der Erzählung andeutend“; e.g. Mk 1,9 καὶ ἐγένετο ἐν ἐκείναις ταῖς ἡμέραις κτλ., „und es begab sich in jenen Tagen …“; Lk 5,12; Acta apost. 22,6; ähnlich in der Septuaginta ), das die Vulgata meist mit et factum est übersetzt. Nicht allen Kritikern gefiel das ‚abrupte‘ Ende des Lieds. Laut CUCCHIARELLI ist es dem provisorischen Status des Gedichts geschuldet ( 1998, 138 Anm. 36 ; so auch A. SETAIOLI in epist.: „The last line is undoubtedly authentic, but to me it does sound like a stopgap. It confirms the unfinished status of the poem, as stated by Eumolpus himself.“; cf. 118,6 nondum recepit ultimam manum ). HEINSIUS und andere hielten den Vers für eine unglückliche Interpolation ( so u.a. auch MÖßLER 1842, 67; BÜCHELER 1 ad loc.; ERNOUT hielt ihn für verdächtig ). Doch für die Echtheit des Verses spricht nicht zuletzt eine von YEH 2007, 125f. notierte Parallele. Wie Lukans erstes Buch mit der düsteren Prophezeiung der matrona endet ( 1,678-694 ), so das BC mit Discordias unheilverheißendem Ausblick. Und auch Lukans Buch beschließt eine ‚abrupte‘ Coda ( 1,695 haec ait, et lasso iacuit deserta furore ).

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Und wie BC 292-294 die entscheidenden Momente des Bürgerkriegs umfasst ( und auf das Ende der Pharsalia anspielt, Caesars unerwartete Erinnerung an Dyrrachium, 10,543-546 ), verdichtet BC 295 so lapidar wie effektiv den Bürgerkrieg insgesamt – ein passender Schluss für die epische ‚Kostprobe‘ ( cf. GRIMAL 1977, 44 : „le dernier vers donne l’impression d’un rideau qui se lève“ ). „Diess [ sic ] alles hängt so natürlich und so schön zusammen, dass durchaus daran nichts getadelt werden kann. Wollte der Dichter eine Probe geben, wie man einen solchen Stoff behandeln müsse, so bedurfte diese Probe eines Schlusses, damit sie nicht als ein willkürlich abgerissenes unvollendetes Bruchstück erschiene : und da war der letzte Vers nöthig. Wollte er das Gedicht weiter fortsetzen, so war er ebenfalls nöthig. Denn der Uebergang zu der nun folgen sollenden Erzählung der wirklichen Begebenheiten konnte gar nicht kräftiger gemacht werden, als durch diese Worte, in denen das ganze den Bürgerkrieg betreffende Epos zusammengefasst ist. Ueberall ist das einfachste immer das wahre und zugleich auch das schönste.“ ( G. HERMANN ap. MÖßLER 1865, 12 Anm.).