Nemesianus „Cynegetica“: Edition und Kommentar [Critical ed.] 3110265990, 9783110265996

Nemesians Lehrgedicht über die Jagd, 283/84 n. Chr. in Nordafrika entstanden und den Kaisern Carinus und Numerian gewidm

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Nemesianus „Cynegetica“: Edition und Kommentar [Critical ed.]
 3110265990, 9783110265996

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Kritische Edition
Kommentar
Literaturverzeichnis
Indices

Citation preview

I Rainer Jakobi Nemesianus, Cynegetica

II

TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe

Herausgegeben von

Siegmar Döpp, Adolf Köhnken, Ruth Scodel

Band 46

De Gruyter

III

Nemesianus, Cynegetica Edition und Kommentar

von

Rainer Jakobi

De Gruyter

ISBN 978-3-11-026599-6 e-ISBN 978-3-11-026692-4 ISSN 0563-3087

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© 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Typesetting: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Printing: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen o Printed on acid-free paper Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nemesians unheroische Jagden . . . . . . . . . . . . . II. Entstehungszeit, Aufbau des Werkes und Sachquellen III. Prosodie und Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überlieferung und Editionen . . . . . . . . . . . . . .

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1 3 17 21 23

Kritische Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Die Glossen in Paris, BdF lat. 4839 (B) . . . . . . .

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Kommentar . . . . . . . . . . 1–102 Prooemium . . . . . 103–239 Hunde . . . . . . 240–298 Pferde . . . . . . 299–320 Suppellex uenandi 321–325 Jagd . . . . . . .

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53 55 102 142 166 174

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Indices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

VII

Vorwort Für die kritische Durchsicht und Erstellung der Druckvorlage sei Marcus Beck gedankt, ebenso den Teilnehmern des Halleschen Kolloquiums für ihre Bereitschaft, zahlreiche Probleme im Plenum zu behandeln. Das einleitende Kapitel basiert auf Vorträgen, die in Torun, Berlin und Wuppertal gehalten wurden. Der Vortragsstil wurde bewußt auch in der schriftlichen Fassung gewahrt. Den Herausgebern der Reihe danke ich für zahlreiche Hinweise, den Verantwortlichen des Verlages für ihre lange währende Geduld vor und vor allem während der Drucklegung. Halle, im Oktober 2013

VIII

Einleitung

Nemesians unheroische Jagden

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I. Nemesians unheroische Jagden Nemesians Lehrgedicht über die Jagd erscheint dem Leser als seltsamer Torso: Das Werk bricht nach 325 Versen ab, gerade in dem Moment, in dem der Dichter auf die Jagd selbst zu sprechen kommt. Von den 325 Versen sind gleich 102 als lukrezisches Reihenprooem dem Hauptthema abzurechnen; von den 102 Versen des Prooems gelten wiederum 33 einem Katalog mythologischer Themen, die als längst abgehandelt verworfen werden. Das Prooem zerdehnt strukturell die Einleitung von Vergils drittem Buch der ‚Georgica‘, dessen Haupteile (a) recusatio abgehandelter mythologischer Themen, (b) Originalitätsanspruch für den eigenen Gegenstand nebst poetologischen Aussagen und (c) Ankündigung eines zeithistorischen panegyrischen Epos auf den Herrscher auch die Bauform in den ‚Cynegetica‘ ausmachen. Im Detail werden gerade in (a) und (b) programmatisch etliche Schlüsseltexte römischer Dichtung von Lukrez bis Statius rezipiert und geradezu musivisch neu zusammengesetzt. Da somit sowohl die Grundstruktur wie auch deren inhaltliche Ausfüllung sich an klassischen Vorbildern orientiert, hat man Nemesians ‚Cynegetica‘ – analog zu seinen ‚Bucolica‘, die Vergil und neronische Vorbilder zitieren – als Paradigma eines Klassizismus am Vorabend einer neuen politischen Epoche, der Etablierung der Tetrarchie nach der Reichskrise des 3. Jh., interpretiert, das als konservatives ästhetisches Korrelat die spätantike Dichtung einleite. Inwieweit indes Nemesian wirklich einen Neuansatz markiert, soll hier nicht erörtert werden – neben und nach der Kleindichtung der ‚poetae novelli‘ sind auch die Gattungen Epik und Lehrgedicht weiterhin gepflegt worden1: Vielmehr soll noch einmal nach der Intention des

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Nemesian gibt den Terminus ante für Serenus und nicht umgekehrt, aber das würde das für die Epocheneinteilung in neueren Handbüchern dogmatisch festgesetzte Konzept des „Neubeginns“ in tetrarchischer Zeit nur stören: Richtig zuletzt Mastrorosa 460ff. und

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Einleitung

Lehrgedichtes jenseits der aemulatio mit klassischen Vorbildern gefragt werden. Zu klären ist einerseits, was eine Lehrdichtung über die Jagd aus dem Beginn der tetrarchischen Aera von früheren Ausführungen des Themas unterscheidet, und andererseits, was Nemesians Ausführung mit zeitgenössischen Ausführungen in anderen Medien eint.

1. In seinem Prooem erhebt Nemesian den Anspruch auf thematische Originalität: (Castalius) ducitque per auia, qua sola numquam trita rotis (8f.)

Diese Aussage hat man häufig als explizites Zeugnis dafür interpretiert, daß unserem Dichter das augusteische Modell der ‚Cynegetica‘, das Werk des Grattius, tatsächlich unbekannt gewesen sei, zumal auch konkrete Rezeptionszeugnisse wie ‚längere Zitate‘ fast ganz fehlen: Die Darstellung Nemesians sei, so Effe in seinem Standardwerk zur antiken Lehrdichtung, „mit Sicherheit … von dem Werk des Vorgängers unbeeinflusst“2. In der Tat sind viele der von Früheren gesammelten Similien wenig aussagekräftig, weil ihre Ähnlichkeit in Sachdetails thematisch bedingt ist. Die Suche nach Similien wird aber widersinnig, wenn man mit der Annahme einer strukturellen Kontrafaktur operiert: Und ein solcher Rezeptionsmodus liegt uns, wie schon Schenkl 1898 in seiner heute vergessenen Studie zur Überlieferungsgeschichte des Grattius nachgewiesen hat und nochmals von Orlandi 1979 gezeigt wurde, im Gedicht des Nemesian vor. Bereits die propositio

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jetzt auch Hose 540, der völlig zu Recht aus dem Vergleich mit der im 3. Jahrhundert blühenden griechischen mythologischen Dichtung hervorhebt, daß das Fehlen entsprechender lateinischer Dichtungen lediglich der Überlieferung geschuldet ist. Gleiches wird man für die Tradition der lateinischen Lehrdichtung im 2. und 3. Jh. annehmen: Deren Produktion setzt nicht gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts aus – so Schindler 2005, 194 –, sie wird vielmehr – abgesehen vom Werk des Terentianus Maurus – wie andere lateinische Dichtungen dieser Aera nicht mehr erhalten sein: Das griechische Lehrgedicht erlebt im 2. und 3. Jh. eine Blüte, wie zuletzt Effe 1995 gezeigt hat. Effe 1977, 166 Anm. 0.

Nemesians unheroische Jagden

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uenandi cano mille uias hilaresque labores discursusque citos, securi proelia ruris, pandimus (1–3)

bietet ein leitmotivisch wiederholtes grundsätzliches Gegenkonzept zur Auffassung von der Jagd, wie sie bei Grattius in dessen Themenausgabe vorgegeben wird: dona cano diuom, laetas uenantibus artis, auspicio, Diana, tuo (1f.) bzw.

his ego praesidibus nostram defendere sortem contra mille feras et non sine carmine iussus carmine et arma dabo et uenandi persequar artis (21–23)

Küppers hat angezeigt, daß Nemesian in bewußtem Kontrast zu Grattius formuliert3, wenn auch m.E. nicht in aemulativem Bestreben, sondern weil er einen Gegenentwurf vorstellt4. Für Grattius ist die Jagd eine Göttergabe, eine Kulturstiftung, deren Aneignung seitens der Menschen als zivilisatorischer Akt gewürdigt wird: 2

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prius omnis in armis spes fuit et nuda siluas uirtute mouebant inconsulti homines uitaque erat error in omni. post alia propiore uia meliusque profecti te sociam, Ratio, rebus sumpsere gerendis … sed primum auspicium deus artibus altaque circa firmamenta dedit …

Eine solche in lukrezischen und vergilischen Farben gebotene Kulturentstehungstheorie lag, wie Orlandi 326f. betont hat, Nemesian fern, der die Jagd nicht als kulturelle Errungenschaft, sondern als gefahrlosen Freizeitsport feiert. Diana ist Nemesian allein inspirierende Göttin duc age, diua, tuum frondosa per auia uatem: Te sequimur, tu pande domos et lustra ferarum (97f.),

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Küppers 480f. Bereits Schenkl 439 hatte aus dem Umstand, daß bei Grattius die ars, bei Nemesian der usus als zentral für die Erlernung der Disziplin bezeichnet wird, auf einen polemischen Gegenentwurf des Empirikers Nemesian gegen den Techniten Grattius geschlossen.

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Einleitung

nicht mehr Stifterin der Kulturtechnik ‚Jagd‘. Die Bedeutung des Gegenstandes wird im Prooem nicht thematisiert, stattdessen reserviert Nemesian dichtungstheoretischen und selbstreferentiellen Aussagen breiten Raum. Ebenso wenig wie einer Gottheit kommt einem «  « eine Rolle zu: In zwei erzählenden mythologischen Einlagen werden von Grattius der Arkader Derkylos (95ff.) und der Böoter Hagnon (213ff.) als Kulturbringer gefeiert5; ein solches Personal begegnet bei Nemesian nicht. Die Jagd ist für den Augusteer ebenso Ausdruck menschlicher ratio (6ff.) wie Abbild frührömischer uirtus, die griechischer luxuria entgegensteht (312–327). Jagd gilt als militia (344), die Jagdausrüstung als arma Dianae (497), imbellis ist Attribut für Tiere und Ausrüstungsgegenstände, die nicht geeignet sind für das Geschäft des Jagens (40.499)6. Gejagt und erlegt werden hostes: Wilde Tiere wie Löwen, Tiger, Bären. Die Jagd wird also von Grattius nicht nur in der Metaphorik, sondern ideologisch als Krieg bewertet, als stete Aktualisierung eines heroischen zivilisatorischen Aktes und zugleich als Exemplum römischer uirtus und militia. So nimmt es nicht Wunder, daß Ovid das Werk des Grattius mit dem Begriff arma (aptaque uenanti Grattius arma daret [Pont. 4,16,34]) charakterisiert.7 Alle aufgeführten Inhalte, Bilder und Ideologeme haben keine Entsprechung bei Nemesian: Für ihn ist im Gegenteil die Jagd – wie fortwährend betont – gefahrloser Freizeitvertreib, der leichte Beute unter ungefährlichen Tieren ermöglicht: et uarias cupimus facili cane sumere praedas; nos timidos lepores, imbelles figere dammas audacesque lupos, uulpem captare dolosam gaudemus … (50–53)

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Vgl. Effe 1977, 162f. Auf die Bedeutung der Kriegsmetaphorik bei Grattius hat schon Schenkl 437f. aufmerksam gemacht und den Unterschied zu Nemesian hervorgehoben. Vgl. auch Enk zu Grattius 13 und zuletzt Paschalis 211–213, und J. Henderson: Going to the Days / Grattius the Augustan Subject, PCPhS 47 (2001), 1–22, insb. 12f. Ob Manilius 2,43 ecce alius pictas uolucres ac bella ferarum (sc. refert) Grattius gilt, ist umstritten.

Nemesians unheroische Jagden

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Nemesian verzichtet auf jede ideologische Akzentuierung8, welche die Fachliteratur9 und die Lehrdichtung des Grattius10, aber auch noch die des Ps.-Oppian, des zwei Generationen älteren Dichters der Caracalla gewidmeten ‚Kynegetica‘, auszeichnet11, vielmehr gilt Nemesian die Jagd als Kompensation für die Pflichten der Eliten seiner Zeit: huc igitur mecum, quisquis percussus amore uenandi damnas lites auidosque tumultus ciuilesque fugis strepitus bellique fragores nec praedas auido sectaris gurgite ponti. (99–103)

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In diesem Sinn trefflich schon Effe 1977, 166f. Noch Julius Pollux hat Commodus in der Praefatio seines fünften, der Jagd gewidmeten Buches seines Onomastikons die Jagd als heroische Praxis empfohlen. Schenkl 437f. bietet folgende aussagekräftige Übersicht: bei Grattius bei Nemesianus aggredior 1 mal --arma 19 mal --armamentum 1 mal --armare 1 mal --auxilium 10 mal --bellum 4 mal (von der Jagd) 3 mal (stets von Kriegen der Menschen) honor 9 mal 1 mal hostis 10 mal --imbellis 2 mal 2 mal (51 imbelles dammas; 74 nicht bzgl. der Jagd) ira 8 mal --Mars, Mauors, Mauortius 7 mal --militia 1 mal (miles, aber nicht übertragen) proelium 2 mal --pubes 2 mal --pugna, pugnator, pugnare 3 mal (pugnare 1 mal, aber nicht von der Jagd) triumphus 1 mal 1 mal (nicht übertragen) tropaeum 1 mal --uictoria 2 mal --uincere 9 mal 1 mal uulnus 9 mal --Vgl. Schmitt zu Ps.-Opp. cyn. 1,35; auch Oppian gilt selbst der Fischfang als Kampf (vgl. Effe 1977, 139).

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Einleitung

Die Jagd wird „im Lichte eines bukolisch-idyllischen Friedens gesehen“12, ein Gegenentwurf zu seinem augusteischen Vorgänger13, der die Jagd als Verwirklichung von uirtus und militia propagiert hatte.

2. Wer Jagd als gefahrlose sportliche Betätigung beschreibt, greift nicht auf den Mythos zurück, um die Bedeutung seines Gegenstandes zu erhöhen. Nemesian verzichtet gänzlich auf erzählende, etwa Jagdheroen geltende mythologische Einlagen – seine Klassikerrezeption ist durchaus selektiv. Kennzeichnend für den Unterschied zwischen Nemesian und Grattius ist die unterschiedliche Nutzung des Diana-Mythos: Grattius konstituiert sein Prooem als Hymnus an die Göttin der Jagd, unter deren Anleitung und Walten das Lehrgedicht stehe. Diana wird als Personifikation der kulturstiftenden Ratio bezeichnet (6), als Schutzgottheit gegen wilden Tiere (tu trepidam bello uitam, Diana, ferino / … dignata … / protegere [13–15]). Unter einer solchen Schutzherrin werde der Dichter sein Unterfangen, das zugleich als Jagd wie Gesang gilt, beginnen14. So wie der Jäger der Gottheit nach der Jagd ein Opfer darbringe, so sei sein Gedicht eine Stiftung für die Jagdgöttin, die seine pietas dokumentiere. Nemesian indes gilt Diana als Gottheit des friedvollen Idylls tu modo, quae saltus placidos siluasque pererras, Latonae, Phoebe, magnum decus (86f.)

die als Führerin im unwegsamen Gelände, also als Wissende um die Realien der Jagd, angerufen wird:

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Effe 1977, 166; Mit ähnlichen Zügen beschreibt Ps.-Oppian die Vorzüge, die mit der Jagd verbunden sind: Schlaf im frischen Gras, gemeinsames Mahl im Freien unter Felsen und ein erfrischendes Bad (cyn. 2,34ff.). Da aber Ps.-Oppian die Anstrengungen der Jagd als eine Realisierung der uirtus betont, darf eine solche Aussage über die Erholung von der Anstrengung der Jagd (so richtig Raeck 43) nicht mit Nemesians Wertung der Jagd als einer idealen Form der Erholung verwechselt werden. In der Sachdarstellung selbst wird die Kontrafaktur durch die Variation der grattianischen Fassung ersetzt sowie durch Umstellung der einzelnen Themen (s. ‚Aufbau‘ S. 18). his ego praesidibus nostram defendere sortem / contra mille feras et non sine carmine iussus / carmine et arma dabo et uenandi persequar artis (21–23).

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duc age, diua, tuum frondosa per auia uatem: Te sequimur, tu pande domos et lustra ferarum (97f.)15

An der Stelle der grattianischen Einlassung zur zivilisatorischen Rolle der Göttin begegnen wir bei Nemesian einer in die Form eines Rüstungsaufrufes gekleideten Beschreibung des äußeren cultus der Göttin: heia age suetos sume habitus arcumque manu pictamque pharetram suspende ex umeris; sint aurea tela sagittae; candida puniceis aptentur crura cothurnis; sit chlamys aurato multum subtegmine lusa corrugesque sinus gemmatis balteus artet nexibus; implicitos cohibe diademate crines. (87b–93)

Den grattianischen Hymnus ersetzt Nemesian durch eine fast ekphrastische Deskription des Jagdgewandes, die mit der vergilischen Beschreibung vom Aufritt der Jägerin Dido, die ihrerseits mit Diana verglichen wird, konkurriert.16 Der Mythos wird aus dem Kontext eines Gebetes zum wahren Ornament reduziert. Neben der Diana-Anrufung findet sich nur ein weiterer Passus, in dem der Fundus des Mythos jenseits einer Metonymie wie Phoebe ~ luna genutzt wird, der Vergleich cyn. 272ff., welcher die Vorzüglichkeit afrikanischer Pferde gegenüber anderen Rassen hervorhebt:

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quin et promissi spatiosa per aequora campi cursibus acquirunt commoto sanguine uires paulatimque auidos comites post terga relinquunt. Haud secus, effusis Nerei per caerula uentis, cum se Threicius Boreas superextulit antro stridentique sono uastas exterruit undas, omnia turbato cesserunt flamina ponto: Ipse super fluctus spumanti murmure feruens conspicuum pelago caput eminet; omnis euntem Nereidum mirata suo stupet aequore turba.

Die Bitte um die eigentliche Inspiration war Apoll in Vv. 5ff. vorbehalten. tandem progreditur magna stipante caterua Sidoniam picto chlamydem circumdata limbo; cui pharetra ex auro, crines nodantur in aurum, aurea purpuream subnectit fibula uestem. (Aen. 4,136–139)

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Einleitung

Dieses Nereus-Gleichnis – der einzige Vergleich im Gedicht überhaupt – reduziert wiederum, wenn man nur den unmittelbaren Kontext betrachtet, den Mythos zum bloßen Schmuck: Der Mythos erklärt nicht, er illustriert und funktioniert vielmehr als Chiffre bukolischen Friedens, von dem die Jagden Nemesians erfüllt sind. Daß der Mythos im Gedicht nahzu gemieden wird, entspricht konsequent der im Prooem in 33 Versen ausgeführten Recusatio mythologischer Themen (Vv. 15–47). Die dort gebotene Aufzählung von siebzehn Mythen – Vergil hatte sich noch mit vier Versen und fünf Mythen begnügt (georg. 3, 4b–8a) – gibt in ihrem kunstvollen formal wie thematisch gegliederten Aufbau ein Lehrstück in der Beherrschung eines Kataloges. Der lange Katalog ist dabei nicht nur als Recusatio mythologischer Epik zu verstehen17, vielmehr schafft die auf düstere fabulae setzende, das Unglücksmoment betonende Auswahl und Akzentuierung – für viele andere Themen sei nur das erste: Nioben numeroso funere maestam (15) angeführt – den Kontrast zu dem eigenen Thema, den hilares labores, den securi proelia ruris und saltus placidos.18 Der Katalog nichtgebotener Mythen soll spielerisch die Kompetenz des Dichters in Sachen Mythos nachweisen, er begründet zugleich implizit, im Lehrteil selbst weitgehend auf den mythologischen Fundus zu verzichten.

3. Nemesians Auffassung von der Jagd als einer friedvollen Gegenwelt zu den Gefahren und Umtrieben des städtischen Lebens, als Möglichkeit harmloser sportlicher Betätigung der Eliten hat Effe als Reflex literarischer ‚Georgica‘-Rezeption interpretiert; Nemesian greife bei der Nutzung des Topos vom Gegensatz ‚Stadt-Land‘ auf entsprechende Vergil-Partien zurück, so daß man in Anbetracht des konstitutiven Einflusses der vergilischen Lehrdichtung auf den Autor Nemesian dessen bukolische Sicht des Gegenstandes als vornehmlich literarisch geprägt auffassen werde: Einer „persönlichen Stellung des Autors zu seinem Stoff – oder gar weiterer Kreise der Bevölkerung“ müsse man

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So mit Früheren Smolak, HLL V 312. In diesem Sinne Toohey 206.

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„skeptisch gegenüberstehen“.19 Einer solchen Stellungnahme, die die Wahl des Gegenstandes auf rein innerliterarische Dimensionen einschränkt, wurde von Küppers entgegengehalten, daß die T h e m e n w a h l Nemesians als durchaus für die Lebenswelt im 3. Jh. repräsentativ gewertet werden müsse: Die Jagd sei Bestandteil der Lebenswelt aristokratischer Kreise Nordafrikas, die „friedvoll und beschaulich auf ihren Latifundien außerhalb der großen Städte lebten“20; zahlreiche Mosaike aus dieser Region böten Jagdszenen als bevorzugtes Thema. Wenn man bedenkt, daß auf afrikanischen Mosaiken Jagddarstellungen vor der Severischen Epoche nahezu unbekannt waren, im späten 3. Jh. aber sprungartig dieses Sujet zu einem der beliebtesten wurde21, darf man die nemesianische Themenwahl als geradezu modern bewerten. Effes These wäre vollends aber erst falsifiziert, wenn sich Nemesians spezifische Auffassung von der Jagd als einer bukolischen Gegenwelt gerade in der Kunst des 3./4. Jh. widerspiegelte, Nemesians Sicht also Zeitgenossenschaft repräsentierte. Ein solcher Vergleich erscheint umso lohnender, als von archäologischer Seite Himmelmann-Wildschütz längst auf zeitspezifische Konvergenzen zwischen der Eklogendichtung Nemesians und der bildenden Kunst der Tetrarchenzeit aufmerksam gemacht hat.22 – Auf Gläsern aus dem 4. Jh. begegnen häufig Jagddarstellungen mit der Beischrift VITA BONA FRVAMVR FELICES oder VIVAS CVM TVIS (siehe Abb. 1 nächste Seite). – Die Verbindung von Jagdbild und Spruch erweist ersteres als bildliches Symbol, als „Glückschiffre“23; eines der wichtigsten Mosaike, die ‚Kleine Jagd‘ in der Villa von Piazza Armerina auf Sizilien aus der ersten Hälfte des 4. Jh.s stellt in das Zentrum der Jagddarstellung eine Mahlszene (siehe Abb. 2, Seite 13).

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Effe 1977, 167. Küppers 498f. Vgl. K.M.D. Dunbabin, The Mosaics of Roman North Africa. Studies in Iconography and Patronage, Oxford 1978, 46f. 52. 60. N. Himmelmann-Wildschütz, Nemesians erste Ekloge, RhM 115 (1972), 342–356. So W. Raeck 45, dessen Untersuchungen zu den nichtmythologischen Jagddarstellungen (ebd. 24–70) die folgenden Seiten verpflichtet sind.

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Einleitung

Abb. 1 Glasschale aus Wint Hill, Oxford, Ashmolean Mus. (Abb. Raeck, Abb. 27)

Der Besitzer der Villa dokumentiert in einem solchen Mosaik nicht seine persönliche uirtus, vielmehr ist die Jagd Teil der Standesrepräsentation, durch welche soziale Stellung, Reichtum und glückliches Leben des Jagdherrn aufgezeigt werden: In der späten Kunst der Kaiserzeit, so Raeck, wird die Jagd „als eine Form von Lebensglück schlechthin“ dargestellt.24 – Kynegetische und bukolische Motive werden in der Kunst ab dem 3. Jh. miteinander kombiniert: Jäger finden sich neben Hirten in einem

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Raeck 43.

Nemesians unheroische Jagden

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Abb. 2 Mosaik ‚Die kleine Jagd‘, Piazza Armerina, Villa del Casale (Abb. A. Caradini – A. Ricci – M. de Vos: Filosofiana. La Villa di Piazza Armerina, Palermo 1982, Abb. 53)

Kontext wie in den Orpheus-Darstellungen dargestellt; die Jagd ist in die Idylle der Bukolik, aber auch von Weinbaudarstellungen integriert: Beschaulichkeit und Glück, nicht uirtus, Mühe und Gefahr verbinden sich mit der Jagd.

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Einleitung

Abb. 3 Hadrianischer Relieftondo, Konstantinsbogen Rom (Abb. M. Oppermann, Nikephoros 4, 1991, 331)

– Dargestellt wird auf aufwendigen Mosaikfresken wie denen der aus einer karthagischen Werkstatt stammenden ‚Großen Jagd‘ von Piazza Armerina (oder in Centcelles) nicht mehr, wie noch auf den hadrianischen Tondi, die auf dem Konstantinsbogen erhalten sind (s. Abb. 3), die Bezwingung von Raubtieren durch einen einzelnen Jäger oder Opfer an Diana, welche die pietas des Jagdherrn vermitteln soll; vielmehr sind es Treibjagden und Tierfangexpeditionen, die abgebildet sind. – Heroisch-mythologische Themen wie der Meleager-Mythos fehlen nahezu in den Jagdszenen afrikanischer Mosaiken des 3. Jh.s, auf de-

Nemesians unheroische Jagden

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nen die Jagd auf Niederwild, nicht Raubtiere inszeniert wird.25 Die Jagdszenen im 3. Jh. präsentieren sich als realistischer, insofern – wie in Nemesians afrikanischen ‚Cynegetica‘ – einheimische Beutetiere und Fangtechniken dargestellt sind. Ab der tetrarchischen Aera lassen sich vermehrt Fang und Erlegung von Raubkatzen belegen, die aber nicht als exotische Tiere zu werten sind: Im Kontext einer Darstellung von Landgütern wird die Abwehr wirklicher Schädlinge für die Kolonen, betrieben durch den Besitzer der Landgüter und zugleich Jagdherrn, zum Programm solcher Mosaiken26. – Ähnliche Tendenzen lassen sich im Bereich der Sarkophagplastik bei den Jagdsarkophagen festhalten27: Einsetzend in tetrarchischer Zeit verdrängen Treibjagdsarkophage, auf denen sich der Jagdherr selbst in der einfachen alicula darstellen läßt, ab konstatinischer Zeit alle anderen Typen von Jagdsarkophagen wie die Löwen- und Eberjagdsarkophage. Auf diesen Treibjagdsarkophagen, die auch außerhalb von Rom auf Latifundien von Mittelitalien bis Spanien gefunden wurden und offenbar von den nichtsenatorischen Großgrundbesitzern in Auftrag gegeben wurden28, ist die Ideologie der heroischen uirtus, die sich gegen Löwen und Eber bewährt, zugunsten der Realistik ‚unheroischer‘ Schwarz- und Rotwildjagden schlicht „eliminiert“29 (s. Abb. 4, Seite 16).

4. Damit kann das Resümee gezogen werden: Nemesians Auffassung von der Jagd entspricht vollkommen Inhalten und Ideologemen der Jagddarstellungen gerade der tetrarchischen Zeit. Nicht innerliterarische Reflexe einer Vergil-Rezeption, sondern der Zeitgeist, konkret das In-

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Dunbabin 52; Raeck 31. 38. Den sozialgeschichtlichen Hintergrund hat M. Overbeck, Untersuchungen zum afrikanischen Senatsadel in der Spätantike (Frankfurter Althistorische Studien 7), Kallmünz 1973 aufgearbeitet: Vgl. dort v.a. 43ff. zur Selbstdarstellung des Lebens auf den Gütern als ideologische Idylle. So Raeck 33f. Verwiesen sei auf Andreae 111ff. 128. 133. 138f. Lediglich eine Inschrift der nichtmythologischen Jagdsarkophage überhaupt ist senatorisch, wie H. Wrede, Senatorische Sarkophage Roms. Der Beitrag des Senatorenstandes zur römischen Kunst der hohen und späten Kaiserzeit (Monumenta Artis Romanae 29), Mainz 2001, 103 dargelegt hat. Andreae 139.

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Einleitung

Abb. 4 Treibjagdsarkophag, Osimo, Kathedrale (Abb. Andreae, Tafel 94,1)

teresse an der Jagd als einem sportiven Repräsentationbedürfnis von Eliten, ist konstitutiv für das Werk Nemesians. Daß dieser Zeitgeist in seinem Ausdruck vergilische Formeln und Gedanken usurpiert, zeigt lediglich den aemulativen Anspruch eines ästhetischen Klassizismus, der nicht mit „der kachektischen Reduktion auf Form und Technik“ verwechselt werden soll, der angeblich ein Hauptcharakteristikum der Autoren zwischen Nemesian und Ausonius darstellen soll.30

30

So R. Herzog, Die Bibelepik der lateinischen Spätantike. Formgeschichte einer erbaulichen Gattung, München 1975, 162. Auch vom „Zurücktreten der Autorenpersönlichkeit bis zur Verpuppung“ vermag ich bei Nemesian nichts zu erkennen, nicht nur wegen der unmittelbar selbstreferentiellen Aussage der Verse 63ff.

Entstehungszeit, Aufbau des Werkes und Sachquellen

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II. Entstehungszeit, Aufbau des Werkes und Sachquellen Die ‚Cynegetica‘ sind, wie aus dem Prooem selbst hervorgeht, nach den Eklogen im Jahre 283/284 n. Chr. entstanden: Tod und Divinisierung des im Sommer 283 im Perserkrieg umgekommenen Carus sind in Vers 64 vorausgesetzt; angerufen als künftige Förderer werden die Carus-Söhne Numerian und Carinus. Die Verse 69f. gelten jüngsten Erfolgen des Carinus in Britannien und Germanien, die Verse 71ff. dem Persersieg des Carus und Numerians. Weil der im November 284 umgekommene Numerian als lebend tituliert wird, muss das Werk eben zwischen Herbst 283 und November 284 entstanden sein. Verfaßt ist das Lehrgedicht, wie aus v. 251f. in Kombination mit 80ff. hervorgeht, in Afrika; in Rom erhofft sich der Autor persönliche Förderung durch die Carus-Söhne: Das Gedicht ist in einer Situation entstanden, in der noch Rückkehr und Triumph der beiden Kaiser zu erwarten waren. Die ‚Cynegetica‘ selbst sind wie das Werk des Grattius nur als ein Torso erhalten, der abbricht, nachdem gerade erst die Vorbereitungen zur Jagd mit dem Thema ‚Ausstattung‘ (Jagdhunde, Pferde, Netze) ihre Darstellung gefunden haben. Nicht nur geplant, sondern wie Haupt31 bewiesen hat, ausgeführt war gemäß der Ankündigung vv.37f. ein auch die Jagd selbst darstellendes Gedicht: Man muss nicht mit vier Büchern Umfang wie bei Ps.-Oppian rechnen, aber nimmt man die Aneignung des Vergil-Bios in dem Prooem ernst und rechnet aus dem Vergleich der Eklogenzahl (10:4) hoch, ist mit den erhaltenen 325 Versen nicht einmal die Hälfte des konzipierten Gedichtes erhalten. Eine Au f b a u a n a l y s e muß sich folglich nur auf den traditionell ersten Teil des Themas ‚Jagd‘, eben die Fragen der Ausstattung, beschränken:

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1854,36f. (=1875,404f.).

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Einleitung

Nemesians Anordnung 1) Hunde 2) Pferde 3) Instrumente unterscheidet sich von der Disposition, wie sie bei Grattius vorliegt32, der die Lehrbuchtradition (Xenophon) repräsentiert: 1) Instrumente 2) Hunde 3) Pferde Ps.-Oppian wird wiederum anders gruppieren, wenn er in Buch I gliedert: 1) Instrumente 2) Pferde 3) Hunde Alle drei Lehrgedichte ordnen jeweils anders, so daß der Schluß naheliegt, daß – entgegen allen Originalitätsbekundungen für das Thema an sich – bewußte Abwandlung zu den Vorgängern vorliegt. Auch im Umfang für die einzelnen Blöcke setzt Nemesian eigene Schwerpunkte. Schon das Prooem mit seinen 102 Versen (damit ähnlich dem Ps.-Oppian, der auch eine Recusatio abgelehnter Themen bietet) unterscheidet sich markant von Grattius, der 23 Verse benötigt: Den 137 Versen für die Hunde entsprechen bei Grattius knapp 350 Verse, den 59 Versen für die Pferde aber nur 45 bei Grattius33. Völlig unterscheiden sich die beiden lateinischen Lehrdichtungen hinsichtlich der Verszahlen für die Jagdinstrumente, für die Nemesian (auch hier Ps.-Oppian vergleichbar) nur 22 Verse aufwendet, denen 125 Verse bei Grattius gegenüberstehen. Grattius, dem die Jagd als Krieg gilt, beschreibt anders als Nemesian nicht nur Netze und Fallen, sondern wirkliche Waffen wie Speer und Pfeil und integriert den Ursprungsmythos dieser ars eben in diesen Block, der folgerichtig den ersten Rang bewahrt.

32 33

Orlandi 326. Der Grattius-Text bricht allerdings innerhalb dieses Abschnittes mit Vers 541 ab. Viel kann aber nicht bis zum Ende des ersten Buches ausgefallen sein, da mit dem Stichwort ‚die Pferderassen Italiens‘ das Ende des für das Thema ‚Pferde‘ zentralen Kapitels ‚Rassen‘ anklingt.

Entstehungszeit, Aufbau des Werkes und Sachquellen

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Aber auch sonst bietet er eine andere Ponderierung bei einem gleichen Thema, wie etwa das Beispiel der Tollwut zeigt: Grattius bietet in 383–390 pluruma per catulos rabies inuictaque tardis praecipitat letale malum: sit tutius ergo antire auxiliis et primas uincere causas. namque subit, nodis qua lingua tenacibus haeret …

eine Aufzählung der Symptome, worauf sich der pharmakologische Teil anschließt. Nemesian zitiert den Einsatz des Vorgängers est etiam canibus rabies letale periclum. Quod seu caelesti corrupto sidere manat, cum segnes radios tristi iaculatur ab aethra Phoebus et attonito pallens caput exserit orbe; seu magis … / … seu noxius aer / causa mali, seu … (203ff.),

bietet aber danach eine ausladende Aitiologie, die in acht Versen vier mögliche klimatische causae erörtert, um nach drei Versen zu den Symptomen wieder in neun Versen die Gegenmittel vorzustellen. Die sachlich nahezu irrelevante Aitiologie mit den vier causae ist für die Schilderung einer Pest wie bei Lukrez angemessen, als Einleitung zum Kapitel Tollwut wirkt eine solche Aitiologie wenig sachgerecht, – aber nur für den Leser, der wirkliche Sachunterweisung erwartet. Doch für einen solchen Rezipienten hat Nemesian, wie Effe gezeigt hat, nicht gedichtet. Was schließlich die S a c h q u e l l e n anbetrifft, haben die umfangreichen Studien v.a. von Ulitius bis Van Roy nur viele Entsprechungen und manche Abweichungen zur griechischen und lateinischen cynegetischen Literatur von Xenophon bis Pollux erweisen können: Nemesians Anweisungen sind keinem der erhaltenen Traktate ausschließlich verpflichtet, am ehesten noch finden sich Entsprechungen von spezifischen Details gebündelt zur einzigen erhaltenen zeitgenössischen Abhandlung, dem 5. der Jagd gewidmeten Buch im Lexikon des Julius Pollux. Von der Feuerprobe (vv. 144ff.) berichtet ansonsten nur noch, wie der doctissimus Barth gesehen hat, Demetrios Pepagomenos (s. XIII)34, die veterinärmedizinischen Anweisungen der vv. 283–289 haben, wie erst Gitton nachgewiesen hat, ihre Entsprechung bei dem Mediziner 34

Zu dessen ‚Kynosophion‘ vgl. Hunger II 269.

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Einleitung

Apsyrtos35. Nemesians Quellen sind also exquisit: Man wird sich vom Gedanken freimachen, alle Informationen auf das wie üblicherweise „verlorene griechische Handbuch“36 zurückzuführen: So wie Nemesian nicht nur Vergil, sondern die kaiserliche und zeitgenössische Produktion bis Serenus kennt und rezipiert, wird er sein Sachwissen nicht nur einem Traktat über die Jagd verdanken.

35 36

Zur umstrittenen Datierung – zwischen Frühansatz 150–250 oder konstantinisch – Hunger II 268. Daß gewiß viele solcher Traktate verloren sind, belegt jetzt wiederum der Neufund P. Oxy. 4809, col. II, 7–10, wo ein ‚Kynegeticon‘ des Ptolemaios, Sohn Iubas II. bzw. von Iuba II. für Ptolemaios (1. Jh. n. Chr.) bezeugt ist.

Prosodie und Metrik

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III. Prosodie und Metrik Birt hat in seiner Arbeit über den lateinischen Hexameter die ‚Cynegetica‘ als „artis emendationis documentum luculentissimum“ (65) gewürdigt. Diesen Befund konnten Spätere, so v.a. Braum, Di Stefano und Korzeniowski im Detail bestätigen: Im Bereich der Prosodie gestattet sich Nemesian keine Lizenzen: Der Gebrauch des o-finalis (-ˇo in 1 cano, 83 deuotio, 86. 260 modo und 187 exerceto)37 entspricht den Usancen der Augusteer. Hinsichtlich des Verses erlaubt sich Nemesian zweimal einen Hiat jeweils nach der Hauptzäsur: 71 143

paene prior genitore deo, utque intima frater huc omnes catuli, huc indiscreta feratur

Di Stefano zählt 52 Elisionen und zwei Aphäresen (47.133), wobei erstere in fast allen Fällen kurzen Endsilben (davon 24mal -que) gelten38. Ein longum wird 133 (uero haec), 142 (impune ut) und 305 (una ex)39 elidiert. Mit der Prozentzahl von 15,69 % (Synaloephe : Verszahl) steht Nemesian ganz in der Tendenz der Kaiserzeit, die der hohen Zahl Vergils (georg. 49,29; ‚Aeneis‘ 53,31 %) oder Grattius’ (41,34 %) entgegensteht.40 Hinsichtlich der Position von Elision und Aphärese innerhalb des Verses entsprechen Nemesians Zahlen den Usancen. Monosyllaba werden an der verpönten Stellung vor der Penthemimeres (16.128.184.210) weit sparsamer als bei Vergil positioniert41; in allen Fällen mildert ein weiterer Einsilbler davor den Anstoß. Auch vor der Trithemimeres finden sich Monosyllaba nur selten, so etwa in 245. 268 und 29342. 37 38 39 40 41 42

Di Stefano 58. Di Stefano 58f. Di Stefano 59 führt nur 305 an. Die exakten Werte nach Ceccarelli II 104f. Vgl. Braum 8.88ff.96. Vgl. Braum 105.

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Einleitung

Birt (14.63ff.) und Korzeniowski (169ff.) haben aufzeigen können, daß sich Nemesians Verskolometrie in den ‚Cynegetica‘ von der Technik der ‚Eklogen‘ unterscheidet: Die bukolische Dihärese begegnet in den ‚Cynegetica‘ signifikant weniger häufig als im bukolischen Werk, wird also als Gattungsmerkmal anerkannt. Umgekehrt begegnet die Zäsur      in der Lehrdichtung prozentual häufiger als in den Eklogen. Gleiches gilt für die Frequenz von Trithemimeres mit Penthemimeres, die in den ‚Cynegetica‘ deutlich häufiger gemeinsam begegneten: „ … licet in Cynegeticis quasi in re magis ardua minus spernatur F II“ (d.h. Tr + Hephth.) „atque perinde ac Vergili Bucolica Georgicis antecesserunt, Eclogas quattuor prolusisse Carthaginiensis videtur arti venandi“ (Birt 65).

Überlieferung und Editionen

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IV. Überlieferung und Editionen 1. Die mittelalterliche Überlieferung Ein Zitat aus den ‚Cynegetica‘ findet sich in der spätantiken Literatur nur bei Ausonius, der in seiner ‚Gratiarum actio‘ (65) Vers 268 anführt, imitiert werden einzelne Verse von Avienus43, Ausonius44, Claudian, Dracontius, vom Verfasser der ‚Aegritudo Perdicae‘ sowie von Venantius Fortunatus45. Auf cyn. 58–6246 bezieht sich der tlw. fiktive Katalog der Werke Nemesians in der ‚Vita Cari, Carini et Numeriani‘ der ‚Historia Augusta‘: uersu autem talis fuisse praedicatur (sc. Numerianus), ut omnes poetas sui temporis uicerit. Nam et cum Olympio Nemesiano contendit, qui 4   et  scripsit quique omnibus coronis (Casaubonus: coloniis codd.) illustratus emicuit (HA 30,11,2)

Die nächste Spur des Textes findet sich erst in der Île de France im frühen 9. Jh.: Hinkmar von Reims (geb. ca. 806) erklärt in seinem 870 verfassten ‚Opusculum LV capitulorum‘, als Schüler in Saint-Denis Nemesian kennengelernt zu haben und führt dabei die Verse 1bf. an:47

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47

S. Register s.v. Die Stellen sind von Wagner 62–64 gesammelt, wo allerdings Einiges als Allgemeingut zu streichen ist. Siehe auch Register s.v. S. jew. Register s.v. So m.E. zu Recht Paschoud in seiner Budé-Ausgabe z. St. (p. 367). ‚Halieutica‘ werden Nemesian zugewiesen, weil eben unter Oppians Namen ‚Halieutica‘ und ‚Cynegetica‘ bekannt waren. Von Pithou 470 vermerkt. Zitiert wird nach der Ausgabe von R. Schieffer: Die Streitschriften Hinkmars von Reims und Hinkmars von Laon 869–871, in: MGH, Concilia IV, Suppl. II, Hannover 2003, 247.

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Einleitung aliter respondere non potui, nisi, ut uenatores ferae lustra sequentes48 agere auditu et lectione puer scolarius in libro qui inscribitur Kynegeticon, Cartaginensis Aurelii didici, hac illacque discurrendo, retrograda etiam uestigia repetendo … quin potius tuam nouam praesumptionem adiens, mille uias tristesque49 labores discursusque citos, securi pr¸elia ruris, et sincero corde lites domesticas subire compellar. (c. 24)

Eben in Saint-Denis ist ca. 825 der Quaternio des Sammelcodex Paris BdF lat. 7561 (A) entstanden50, der ff. 13a–18b die ‚Cynegetica‘ bietet51. Der Schreiber der Hs. hat sich selbst korrigiert (Ap.c.); davon ist zu scheiden eine zweite Hand (A2), die den Text durchkorrigiert hat: Das Gros der gut 60 Besserungen52 betrifft Orthographica des Typs 13 calloope A: calliope A2 oder 25 tedis A: t¸edis A2; A2 hat aber auch einfache konjekturale53 Verbesserungen wie die Korrektur eines falschen Casus wie e.g. 34 tua A: tuas A2 oder metrisch erforderliche Verbesserungen wie 7 imponit A: imponitque A2 oder 47 seculi A: s¸ecli A2 durchgeführt, dabei aber auch gelegentlich Unsinn gestiftet, etwa das richtige ius in 31 zu eius geändert. Daneben bietet A einige Korrekturen von Étienne Baluze (A3)54, der auf f. 13/14 (bis zu Vers 63) zwischen den Zeilen im Text und marginal aus einem zeitgenössischen Druck55 Besserungen nachgetragen hat.

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Wie Schieffer z. St.gesehen hat, nach cyn. 98 te sequimur, tu pande domos et lustra ferarum formuliert. Die Variante tristesque für hilaresque ist dem Kontext der Refutatio geschuldet; es handelt sich um eine absichtliche Abänderung Hinkmars; vgl D. de Gianni, Tradizione indiretta e contaminazione di modelli: Nemesiano, Cyn. 1–2 e Incmaro di Reims (PL CXXVI, col. 383D), Vichiana 13 (2011), 65–70. B. Bischoff, Mittelalterliche Studien III, Stuttgart 1981, 150 Anm. 8; Vecce 84f. (mit ausführlicher Beschreibung); Munk Olsen II 108. Es folgt ff. 18b–28 Ps. Alex. epist. Arist. Ein komplettes Verzeichnis bietet Van de Woestijne 12–16. Vgl. Van de Woestijne 17. Vgl. Van de Woestijne 11 Anm. 4. Es handelt sich definitiv nicht um die Hand Sannazaros, wie in Verkennung des Überlieferungsbefundes Turcan-Verkerk 199 Anm. 102 annimmt. Als Kollationsvorlage ist wohl Pithous Ausgabe von 1590 anzusetzen, wie 5 Castaliique A3 Pithou: Castaliusque A und die frühen Drucke zeigt.

Überlieferung und Editionen

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Englischen Ursprungs ist der zweite, von A unabhängige, sehr fehlerhafte Textzeuge Paris BdF lat. 4839 ff. 20v–26r (B s. X)56. Von der Hand des Schreibers selbst über der Zeile oder am Rand eingetragen, bietet B neben einer Reihe von lateinischen Glossen (sowie einer bretonischen) auch insgesamt neun mit einem vel (ł) eingeführte Varianten (Bv.l.), von denen drei mit A zusammengehen57, aber in sechs Fällen ansonsten nicht belegte Lesarten vorliegen58. Van de Woestijne 19 erachtet alle diese Varianten offensichtlich, wenn auch nicht klar ausgesprochen, als Konjekturen des B-Schreibers (und bucht sie in Auswahl mißverständlich im Apparat als Bg(lossa), während Williams 73f. eine andere, heute verlorene Hs. als Quelle dieser Lesarten (wie der Glossen) ansieht, da selbst solche trivialen Besserungen (wenn es sich nicht um unmetrische oder sachlichen Unsinn handelt) nicht dem durchweg unverständigen B-Schreiber zugetraut werden könnten. Die Glossen selbst stammen nicht vom Schreiber, wie 7 corimbis] sententiis (sententiis ist Verschreibung für ein vorgefundenes sertis) und 120 aerem] uelocem (die Glosse gilt dem in der Vorlage noch vorgefundenen richtigen acrem) beweisen. Damit gehören aber auch aller Wahrscheinlichkeit nach die ‚Besserungen‘ nicht dem B-Schreiber – dann hätte er noch an vielen weiteren Stellen konjiziert. Aber auch die Annahme einer zweiten Vorlage ist unnötig, denn diese hätte viele weitere Besserungen für die unzähligen Depravationen im B-Text geboten. Quelle der variae lectiones war wohl

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Munk Olsen II 107f. Vgl. auch Bischoff bei A. Beccaria, I codici di medicina del periodo presalernitano (secoli IX, X e XI), Roma 1956, 140; E. Wickersheimer, Les manuscrits latins de medicine du haut Moyen Âge dans les bibliothèques de France, Paris 1966, 62 (Nr. 52); G. Ballaira, Per il catalogo dei codici di Prisciano, Torino 1982, 176–178; B. Ebersperger, Die angelsächsischen Handschriften in den Pariser Bibliotheken (Anglistische Forschungen 261), Heidelberg 1999, 198f.: Die Hs. bietet Nemesian zwischen Priscian, ‚Periegesis‘ und dem ‚Liber medicinalis‘ des Serenus. Weil die Hs. v.a. im Priscian bretonische Glossen aufweist (zu der einen bretonischen Glosse im Nemesian s. Anhang S. 49), wird sie von Deuffic 309 als bretonisch beurteilt. Aber die Hs. ist britisch (Vezin ap. Ebersperger loc. cit.), und die Glossen gehören nicht, wie unten gezeigt wird, dem Schreiber der Hs. 135 lumine passo B: -a -a Bv.l.; 193 sit B: sic Bv.l. und 215 medicus B: -os Bv.l. 45 purantem AB: purgantem Bv.l. 118 non firmo AB: infirmo Bv.l. 228 hi bero (hibero A) B: hiberno Bv.l. 230 giruntur B (gignuntur A): cinguntur Bv.l. 292 arma rit B (armarit A): armauerit Bv.l. 317 magne B (mage A): magis Bv.l.

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Einleitung

eher die gleiche Vorlage selbst: Die Varianten in den Versen 118, 230, 292 und 317 gehen in Wirklichkeit auf bloße Glossen in der Vorlage zu. . rück (B’), die von B irrtümlich als Varianten (vel (ł) statt id est ( / ) ausgewiesen wurden. Die variae lectiones in 135. 193 und 215, die mit A übereinstimmen, sind entweder bereits Varianten in der Vorlage oder eigene Neulesungen der offensichtlich schlecht lesbaren Vorlage, 45 ist eine miserable Konjektur vom Schreiber der Vorlage für eine vorgefundene vox nihili und 228 schließlich stellt eine dumme Trivialisierung der richtigen Überlieferung dar. Mit der Konstitutierung von B’ erhält auch die nicht recht geklärte Frage eine Antwort, wieso eine britische Hs. bretonische Glossen aufweist: B’ ist das bretonische Zwischenglied zwischen dem kontinentalen Archetypus und dem britischen Codex B. A und B gehen auf einen gemeinsamen59 vorkarolingischen Archetyp zurück, der bereits Textabbruch nach 325 aufwies60. Der Bibliothekskatalog von Saint-Oyan belegt, daß im 11. Jh. ein dritter Zeuge existierte61, der aufgrund seines Inhaltes (‚Cynegetica‘ nach Claudian, In Rufinum) nicht A62 oder B gewesen sein kann.

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Dies beweisen die gemeinsamen Korruptelen wie Versprengungen (Vers 12 post 22 und 224–230 post 122) und Fehler wie 20 compellere, 35 currus, 43 ingentia, 76 nobis, 99 hinc etc. (s. zuletzt Williams 64). Haupt (1854,36f. = 1875, 404f.) suchte auf Basis der Versprengungen 12 post 24  und 224–230 post 122  auszurechnen, daß der Archetyp jeweils 23 Verse pro Seite aufwies: Vers 325, der letzte erhaltene Vers, wäre der letzte Vers von Folium 7v und der Abbruch resultierte somit aus einem mechanischen Textverlust. Diese Rechnung ist aber m.E. verfehlt; s. den Kommentar zu 224–230. M. Manitius, Philologisches aus alten Bibliothekskatalogen (bis 1300) (RhM 47, Ergänzungsheft), Frankfurt a. M. 1892,77f.; ders.: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters (HAW IX 2), I, München 1911, 347; ders.: Handschriften antiker Autoren in mittelalterlichen Bibliothekskatalogen (Zentralblatt für Bibliothekswesen, Beiheft 67), Leipzig 1935, 157; jetzt ausführlich Vecce 76f. Die von Manitius 1911 und anderen geäußerte These, daß A mit der im 11. Jh. im SaintOyan aufbewahrten Handschrift identisch sein könnte, ist aufzugeben: A bietet im Anschluß im gleichen Quaternio Ps. Alex. Epist. Alex., nicht diverse Kleindichtung und die ‚Disticha Catonis‘. Entgegen Turcan-Verkerk (199 Anm. 102) gehen auch die Korrekturen von A3 nicht auf eine Abschrift der Hs. aus Saint-Oyan zurück: A3 ist, wie Van de Woestijne längst festgehalten hat, die Hand von Baluze, der in A f.13/14 offensichtlich aus Pithous Edition bessert (s.o. Anm. 54 und 55).

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Überlieferung und Editionen

Der dritte erhaltene Textzeuge, Wien, Öster. Nationalbibl. lat. 3261ff. 48r–56v (C)63 aus der Feder von Sannazaro geht auf eine wohl im Sommer 150364 in Frankreich genommene Abschrift von A zurück65. Die Überlieferung ist somit in geringfügiger Modifikation zu Baehrens, Van de Woestijne und Williams stemmatisch folgendermaßen zu ordnen:  A (+ A2)

B’ B

C

2. Neuzeitliche Editionen Der Erstdruck der ‚Cynegetica‘ erfolgte durch Georg von Logau66 mit der Aldina von 1534. Ob die Textbasis für die Aldina C selbst oder eine Logau übermittelte Abschrift in einem „stade plus avancé du travail de correction entrepris per Sannazar“67 darstellte, läßt sich m.E. nicht ent63

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Eine genaue Beschreibung bieten R. Peiper, Die handschriftliche Ueberlieferung des Ausonius, Jbb. f. class. Philol., Suppl.-Bd. 11, Leipzig 1880,189–353, dort 344–353, insb. 348 Anm. 250 und Van de Woestijne 25–28. Die Hs. bietet vor den ‚Cynegetica‘ die ps.-ovidischen ‚Halieutica‘ bzw. im Anschluß an Nemesian das Lehrgedicht des Grattius und Auszüge aus Paulinus von Nola. Vgl. Vecce 56–62; 84–89. So Schenkl 399–401 gegen die von Haupt in seiner Edition (p. XXIIIsq.) vertretene Ansicht, daß Nemesian in C wie Grattius in C auf einen heute verlorenen 1. Quaternio der Grattius-Hs. Wien, Öster. Nationalbibl. lat. 277 (s. VIII/IX) zurückgehe. Die von Verdière wieder vorgetragene These, daß C einen von A und B unabhängigen Zeugen darstelle, hat Williams 64–69 und 72f. widerlegt. Den endgültigen Nachweis, daß Sannazaro nicht nur Nemesians ‚Cynegetica‘, sondern auch den in A ff. 47r überlieferten Konzilstext eben 1503 in dieser Hs. kennengelernt hatte, vermochte Vecce 86f. zu erbringen. Zu seiner Vita und seinem Werk vgl. G. Bauch, Der humanistische Dichter George von Logau, Jahres-Bericht d. Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 73 (1896), III. Abt. 5–33 und M. Cytowska, Jerzy Logus poeta s´laski, Meander 27 (1972), 55–63. Van de Woestijne 28 Anm. 2.

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Einleitung

scheiden. Die Konjekturen gegenüber C, die zum großen Teil Eingang in die moderne Edition gefunden haben, können auch von Logau selbst stammen, der als Dichter hervorgetreten ist. Auf die Erstedition gehen schließlich die Auszüge im Florileg Firenze, Bibl. Laur. Conv. Sopp. 440 (s. XVI) ff. 143v–145r zurück68, in dem beide Werke Nemesians nebeneinander stehen69. Bis zu Haupts Ausgabe von 1838 firmierte die Aldina als Basis der Editionen der folgenden knapp dreihundert Jahre: Noch 1534 erschien in Augsburg in der Offizin von Heinrich Steyner der erste Nachdruck ebenso mit dem Vorwort Logaus ausgestattet wie noch 1537 in Lyon der zweite bei Sebastian Gryphius. Die Ed. Steyneriana bietet neben einigen Druckfehlern die mißratene Konjektur crimen in 44, die sich auch in der Gryphiana wiederfindet, welche sich ansonsten nur durch ein metrisch verfehltes cycnum in 37 und ein falsches praedam in 184 auszeichnet. Gleichermaßen auf den Aldina-Nachdrucken basiert die seltene und bisher von der Nemesian-Philologie übersehene Edition von Sigismund Feyerabend (Frankfurt 1582), die aber nur durch ihre Illustrationen und ein falsches uere in 133 und reparauerat in 179 auffällt. Auf der Gryphiana basiert die erste kritische Neuedition, die von Pithou 1590 vorgelegt wurde. Drei von Pithous Emendationen werden noch heute allgemein akzeptiert: Die Versetzung von 12 (nach 24 in ), 43 incendia und 76 uobis70. Pithous Emendationen haben Eingang gefunden in den 1608 von Trognesius edierten Text, der nichts Eigenes bietet; hingegen fußt die Ausgabe von Gacensis in der Sammeledition aller lateinischen Autoren, die 1611 in Genf gedruckt wurde, wieder nur auf der Fassung von Steyner und Gryphius.

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Williams 24 und 63; gegen Williams bietet die Hs. nicht nur 78 iam – 80 praesumit; 157–159 sidus init; 205–211, 243–50 und 281f., sondern auch suo loco 240f. Als Bindefehler mit der Aldina muss 209 sinus ausscheiden, da alle Textzeugen diese Lesart bieten; es bleibt aber 245 capitique decoro und die richtigen Lesarten Graecia (C Ald.: gratia AB) in 240 und v.a. passa in 282 (posse ABC). Bekannt gemacht hat das Florileg L. Castagna, Per un’ edizione delle Ecloghe di Calpurnio e Nemesiano: due nuovi testimoni manoscritti, Prometheus 1 (1975), 80–87, dort 84–87 und ders.: I Bucolici Latini Minori, Firenze 1976, 63–67. Andere Konjekturen wie 115 iuuentas und 161 moles sind durch die Hss. bestätigt worden, in 141 signet ist ihm Sannazaro zuvorgekommen

Überlieferung und Editionen

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Mit Barths Edition von 1613, der weitere Nemesiana in seinen ‚Adversaria‘ und seinem Statius-Kommentar folgten, setzt das Zeitalter der ungezügelten Konjekturalkritik ein. Die 325 Verse der ‚Cynegetica‘ werden mit über 40 Konjekturen bombardiert, deren größere Zahl Barth wie stets in einem ‚vetus liber‘, auch als ‚antiqua editio‘, „quam in cenobio quodam ad silvam Hercyniam nactus sim, typis est excussam“ bzw. einer ‚Langobardica Editio‘ gefunden oder einem ‚vetus noster codex‘ entnommen haben will (Barth druckt den Aldina-Text, Pithous Konjekturen wie die eigenen Beiträge werden im Kommentar mitgeteilt). Diese genialische Kunstprobe konjekturalkritischer Kompetenz, die Isaac Casaubon gewidmet ist, bietet wie stets bei Barth manches Richtige, darunter vier später durch die Hss. bestätigte Konjekturen71. Barth hat aber weniger für den Nemesian-Text geleistet als Ulitius (Jan van Vliet), dessen gegen Barths gerichtete72 Edition von 1645 (mit Ergänzungen 1653) in kritischer Hinsicht einen wirklichen Fortschritt brachte: Von seinen 18 Vorschlägen werden noch heute ein Drittel anerkannt, Epoche gemacht hat aber vor allem sein auch als Fachmann im Waidwesen abgefaßter Kommentar, der Nemesian aus den antiken Schriften zum Jagdwesen erklärt. Johnsons Edition von 1699 ist ein Musterbeispiel einer klugen, die Beiträge früherer Gelehrter abwägenden Recensio; von den eigenen acht Konjekturen ist immer 142 ut und 174 spectauerit anerkannt worden, richtig ist m.E. auch 255 fulmen73. Ohne Belang sind Mattaires Edition von 1713 (nachgedruckt 1721), Schmids Einzelausgabe von 1716 und der große Variorum-Kommentar von Bruceus von 1728, in dem nur das frühere Material unkritisch gesammelt wurde und der nur deswegen bemerkenswert erscheint, weil sein Erscheinen das angekündigte Parallelunternehmen von Burman zunächst auch iuristisch torpedierte.

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195 tristes; 234 praedae, 292 messibus, 311 subtemine. Was die Verteidiger Barths auf den Plan rief: 1659 hat dessen Landsmann Matthaeus La(n)gius in seinen in Leipzig erschienen ‚Vindiciae nominis Barthiani et Poetarum venaticorum, Grattii et Nemesiani adversus Janum Ulitium Batavum‘ (zugänglich in den ‚Poetae Latini rei venaticae scriptores‘ von Bruceus, Leiden 1728, 309–342) mit Polemik, aber ohne Argumente auf Ulitius zu antworten versucht. Mit diesem Vorschlag ist ihm Heinsius wie in 142 ut zuvorgekommen, dessen Nemesiana bis auf wenige Ausnahmen erst später postum von Burman publiziert worden sind.

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Einleitung

Burmans Ausgabe in den ‚Poetae Latini minores‘ von 1731 ist hinsichtlich der eigenen Beiträge Ausdruck seines Mittelmaßes – keine seiner zwanzig eigenen Konjekturen hat je ein verständiger Herausgeber gedruckt –, wertvoll ist sie ob der von ihm erstmals mitgeteilten Beiträge von Scaliger und Heinsius wie der Adnoten von Robertus Titius74. Scaliger war der erste, der 209 sinu hergestellt hat – die anderen acht Konjekturen sind bis auf 141 signet, wo ihm Sannazaro zuvorgekommen ist, verfehlt; von Heinsius’ gut 40 Vorschlägen waren mehr richtig, als man in den modernen Apparaten liest, weil die Konjekturen heute Früheren zugewiesen werden oder durch die Hss. bestätigt wurden75. Letztlich aber sind nur wenige Konjekturen wie168 mandere, 185 moderamina und 255 fulmen noch mit seinem Namen verbunden. Burmans Ausgabe blieb wie viele seiner Editionen als vormodernes Variorum-Sammelbecken bis in die erste Hälfte des 19. Jh.s Standardedition, deren Adnoten in Selektion häufig noch bis 1832 bei Stern nachgedruckt wurden, so auch bei Wernsdorf, dessen Bearbeitung in den eigenen ‚Poetae Latini Minores‘ von 1780 nicht für den NemesianText, gelegentlich aber für die Exegese fruchtbar ist. 1838 setzt mit Haupts Edition die Moderne ein: Seine Ausgabe basiert nicht mehr auf der Aldina, sondern auf handschriftlicher Basis, dem Vindobonensis. Haupt hat dort auch die These aufgestellt, daß die ‚Cynegetica‘ zusammen mit Grattius und den ps.-ovidischen ‚Halieutica‘ im verlorenen Teil des Vindob. lat. 277 gestanden hätten (p. XXIII sq.), eine These, die später von Schenkl widerlegt wurde. Die Ausgabe selbst zeichnet sich durch eine sorgsame Examinatio aus: Nur noch wenige Konjekturen finden Erwähnung; es sind diejenigen, die üblicherweise auch in den Editionen des 20. Jahrhunderts ihren Platz behaupten. Haupts eigener Beitrag zur Emendation ist schmal: Die Umstellung von handschriftlich nach 122 überlieferten 7 Versen hinter 223. Haupt war es auch, der 1854 in seiner berühmten Arbeit über die bukolischen Gedichte des Calpurnius und Nemesian von Bursians Entdekkung der beiden mittelalterlichen Nemesian-Handschriften in der Pari-

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Titius hat 1590 eine kommentierte Ausgabe der ‚Eklogen‘ Nemesians vorgelegt; seine bereits von Ulitius genutzten Adnoten zu den ‚Cynegetica‘ hatte Burman über d’Orville erhalten. Das handschriftliche Original, nach dem ich zitiere, liegt in Oxford, Bodl. Libr., D’Orville 57 ff. 105r–115r vor. So 41 priores und 115 iuuentas (wo ihm zudem Pithou zuvorgekommen war).

Überlieferung und Editionen

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ser Nationalbibliothek berichtete76, aber nur für 45 curantem (A2) statt furantem (C) eine Lesart aus dem Neufund akzeptierte. Zugleich trug er eine ausführliche Begründung für seine Versversetzung nach, die auch erklären soll, daß der Abbruch des Werkes mit Vers 325 lediglich auf einem mechanischen Fehler beruhe77. In Haupts Nachlaß befand sich eine noch nicht fertige Neuedition der ‚Eklogen‘ des Calpurnius und Nemesian, die auch die beiden Lehrgedichte des Grattius und Nemesian umfassen sollte78; Wilamowitz, der Editor der Hauptschen ‚Opuscula‘, wollte die Edition vollenden und ist dafür 1876 zu Handschriftenstudien nach Italien gereist. Indes ist ihm E. Baehrens mit dem dritten Band der ‚Poetae Latini minores‘ 1881 zuvorgekommen79. Baehrens gebührt das Verdienst, die beiden mittelalterlichen Textzeugen auf der Basis einer eigenen Kollation komplett ausgewiesen zu haben (C gab er nach Haupt an). Daß A bei weitem der Vorrang gebührt, hat er mit Haupt zu Recht gesehen, auch daß B – anders als später Schenkl 401 annahm – unabhängig von A ist. Die Recensio ist sorgfältig durchgeführt, von seinen neun Konjekturen hat sich nur 245 capitisque decori durchsetzen können. Postgates Edition von 1905 steht ganz unter dem Einfluß von H. Schenkl, dessen beiläufig vorgetragene Vermutung, daß es sich bei der Handschrift B „vielleicht nur um eine verschlechterte Abschrift von A“ handele80, Ursache dafür ist, daß Postgate Lesarten dieser Hs. nicht mehr im Apparat verzeichnet. Schenkl hat Postgate aber auch eine Konjektur zum Druck überlassen (14 complacitum), die sich durchgesetzt hat, was nicht von Postgates wenigen eigenen Beiträgen gesagt werden darf. Den ersten modernen Kommentar hat Martin in seiner Dissertation von 1917 vorgelegt: Die knappe Erklärung nutzt die mo76 77 78

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1854,35 (=1875, 403). Zu dieser m.E. verfehlten Rechnung s. oben Anm. 60 und den Kommentar zu 224–230. Wilamowitz ap. Haupt 1875, 358 Anm.; im heute in der Berliner Staatsbibliothek liegenden Nachlass Haupts, den Wilamowitz selbst geordnet hat, findet sich jedoch nur die Kollation des Vindobonensis gegen Wernsdorfs Text (Kapsel 7, f.4r). Vgl. U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen 1848–1914, Leipzig 1928, 175; P.L. Schmidt, Wilamowitz und die Geschichte der lateinischen Literatur, in: Wilamowitz nach 50 Jahren, hrsg. v. W.M. Calder III / H. Flashar / Th. Lindken, Darmstadt 1985, 358–399, dort 365 und: „Aus dem Freund ein Sohn“. Theodor Mommsen und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Briefwechsel 1872–1903, hrsg. u. komm. v. W.M. Calder III und R. Kirstein, Hildesheim 2003, I 35 mit Anm. 116. 1898, 401.

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Einleitung

dernen Lexika und Grammatiken, aber zu wenig das von Ulitius und Burman gebotene Material. In kritischer Hinsicht wird Martin 292 culmosque … aristis verdankt. Unübertroffen in Zuverlässigkeit und Ausführlichkeit im paläographischen Detail ist bis heute die 1937 vorgelegte Ausgabe Van de Woestijnes, ohne eigene konjekturalkritische Beiträge, aber vernünftig im Urteil. Der Vindobonensis begegnet bei ihm zu ersten Mal als reiner Träger von Konjekturen Sannazaros, genauso wie die Aldina-Lesarten unter dem Namen von Logus gedruckt werden. Die Praefatio zur Paläographie und Fehlersystematik von A und B stellt ein bleibendes Verdienst dar. Verdières ‚Prolégomènes à Nemésianus‘ von 1974 haben begrüßenswerterweise keine Edition nach sich gezogen: Die Versuche, die Textgeschichte tlw. im Sinne Haupts zu revidieren und C als selbstständige Überlieferung zu erweisen (wie auch die Proben der eigenwilligen Kommentierung) haben schon Volpilhac nicht überzeugen können, der im Jahr darauf seinen Budé-Text vorgelegt hat. Die kritische Adnotatio ist sorgfältig und stützt sich auf Van de Woestijne, die ‚Notes complementaires‘ bieten auch substantiell Neues und stellen in ihrer Vollständigkeit die bisher beste moderne Kommentierung dar. Das Verdienst der aus einer Londoner Dissertation hervorgegangenen, 1986 vorgelegten Gesamtedition des Nemesian von Williams bleibt hinsichtlich der ‚Cynegetica‘ die endgültige Widerlegung der Positionen Haupts und v.a. Verdières. Die Recensio ist sorgfältig durchgeführt, v.a. besticht die Ausgabe durch Urteil in der Examinatio (was die Zuweisung der Lesarten an die verschiedenen Hände in A anbetrifft, sind einige wenige Angaben zu korrigieren). Die 32seitige Kommentierung ist nahezu ausschließlich der Textherstellung und – selektiven – grammatischen Exegese gewidmet. *** Die hier vorgelegte neue Edition beruht auf einer Kollation aller Hss. in situ. Allen Bibliotheken sei gedankt, v.a. aber der Pariser Nationalbibliothek, daß ich A und B mehrmals überprüfen durfte. In o r t h o g r a p h i s c h e n Fragen folge ich Van de Woestijne, der in der Regel typisch mittelalterliche Graphien unberücksichtigt läßt, aber auch auf die Dokumentation von assimilierten und nichtassimi-

Überlieferung und Editionen

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lierten Wortformen verzichtet. Denn in der Nemesian-Überlieferung bieten die Handschriften kein einheitliches Bild, nicht einmal die einzelnen Schreiber wahren Konsequenz: Wenn etwa bei Assimilationen von in-/im- A und B gelegentlich zusammengehen, wird damit entgegen Williams 75 allenfalls die Graphie des frühmittelalterlichen Archetypus repräsentiert, nicht der Usus des Dichters selbst. Im kritischen Apparat wird gemäß Williams und anders als bei Van de Woestijne der Descriptus C stets und nicht nur als Träger von Konjekturen ausgewiesen: Auch wenn geklärt ist, daß Sannazaro A kopiert hat, wird bisweilen, wenn auch mit vielen Kautelen, gemutmaßt, ob nicht doch auch noch ein nicht erhaltener Textzeuge wie etwa die Hs. aus Saint-Oyan in C seine Spuren hinterlassen haben könnte. Statt also die C-Lesarten komplett in einer Appendix zusammenzustellen, wird der Übersichtlichkeit bei ohnehin nur drei Textzeugen wegen C im Apparat selbst ausgewiesen.

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Einleitung

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Kritische Edition

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Nemesian, ‚Cynegetica‘

Sigla A

Paris, BdF lat. 7561ff. 13a–18b (s. IXin.) Ap.c. se ipse corrigens sec. man. A2 Étienne Baluze A3

B

Paris, BdF lat. 4839ff. 20v–26r (s. X) Bv.l. variae lectiones ab B ipso allatae

C

Wien, ÖNB lat. 3261ff. 48r–56v (s. XVIin.) ab Iacobo Sannazaro exaratus

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Venandi cano mille uias hilaresque labores discursusque citos, securi proelia ruris, pandimus. Aonio iam nunc mihi pectus ab oestro aestuat: Ingentes Helicon iubet ire per agros, Castaliusque mihi noua pocula fontis alumno ingerit et late campos metatus apertos imponitque iugum uati retinetque corymbis implicitum ducitque per auia, qua sola numquam trita rotis. Iuuat aurato procedere curru et parere deo: Virides en ire per herbas imperat, intacto premimus uestigia musco; et, quamuis cursus ostendat tramite noto obuia Calliope faciles, insistere prato complacitum, rudibus qua luceat orbita sulcis. Nam quis non Nioben numeroso funere maestam iam cecinit? Quis non Semelen ignemque iugalem letalemque simul nouit de paelicis astu? Quis magno recreata tacet cunabula Baccho, ut pater omnipotens maternos reddere menses dignatus iusti complerit tempora partus? Sunt qui sacrilego rorantes sanguine thyrsos (nota nimis) dixisse uelint, qui uincula Dirces Pisaeique tori legem Danaique cruentum imperium sponsasque truces sub foedere primo dulcia funereis mutantes gaudia taedis. Byblidos indictum nulli scelus; impia Myrrhae

1b–2 vv. 1b–2 tristesque labores – ruris laudat Hincmarus epis. Remensis opusc. LV capit. 24 p. 247 Sch.; vide comm.

INCIPIT MAVRELII. MENESINI KARTAGINENSIS / CYNEGETICON B || M. AVRELII NEMESIANI / CARTHAGINENSIS / CYNEGETICON C 3 oestro AC: ostro B 6 metatus A: meatus B: maetatur C 7 imponitque A2BC: imponit A 10 parere AC: parcere B 12 post 24 , transp. Pithou 470 13 prato AC: parto B 14 complacitum Schenkl (ap. Postgate): -o  luceat AC: lucet B 15 Nioben AC: mobem B 16 cecinit AC: cecinis B 17 astu AC: artu B 20 complerit Ald.: compellere  21 sacri legos orantes AB, corr. C 22 nota nimis AC: notaninis B 23 Pisaeique C: Pisei A: Pyreique B 24 foedere AC: fodere B 26 Byblidos Perin: Bi- 

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conubia et saeuo uiolatum crimine patrem nouimus, utque Arabum fugiens cum carperet arua iuit in arboreas frondes animamque uirentem. Sunt qui squamosi referant fera sibila Cadmi stellatumque oculis custodem uirginis Ius [Herculeosque uelint semper numerare labores] miratumque rudes se tollere Terea pinnas post epulas, Philomela, tuas; sunt ardua mundi qui male temptantem curru Phaethonta loquantur exstinctasque canant emisso fulmine flammas fumantemque Padum, Cycnum plumamque senilem et flentes semper germani funere siluas. Tantalidum casus et sparsas sanguine mensas condentemque caput uisis Titana Mycenis horrendasque uices generis dixere priores. Colchidos iratae sacris imbuta uenenis munera non canimus pulchraeque incendia Glauces, non crinem Nisi, non saeuae pocula Circes, nec nocturna pie curantem busta sororem: Haec iam magnorum praecepit copia uatum, omnis et antiqui uulgata est fabula saecli. Nos saltus uiridesque plagas camposque patentes scrutamur totisque citi discurrimus aruis et uarias cupimus facili cane sumere praedas; nos timidos lepores, imbelles figere dammas audacesque lupos, uulpem captare dolosam gaudemus; nos flumineas errare per umbras

27 conubia A: connubia C: concubia B saeuo AC: psaeudo B 30 quis quam osi A: qui squi soi B (qui squisosi Bp.c.), corr. C 31 uirginis AC: uiginis B ius ABC: eius A2 32 secl. Jak. Herculeosque A2C: Herculeos AB 33 se tollere Therea Cp.c. (Therea ex cerea uel acerea ut vid. corr.): s&oller&acerea A (alt. e del. A2): retoller& aurea B 34 philomella A tuas A2C: tua AB sunt] r B 35 currus , corr. Ald. Phaethonta Küttner (-tonta C): ph&onta A: pheconta B loquantur AB: loquuntur C 36 fulmine AC: flumine B 37 cycnum C: cicnum AB: cignum A2 plumamque AC: palmamque B 41 horrendasque AC: horrendaque B 43 ingentia , corr. Pithou 470 45 curantem A2: purantem AB (purg- Bv.l.): furantem C 46 iam om. B magnorum AC: magnarum B praecepit A2 (ut vid., fort. A3) BC: per- A 47 saecli A2BC: seculi A 48 nos C: non AB 50 facili AC: -e B 52 audacesque AC: audeces B 53 gaudemus AC: gaudeamus B ˘

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malumus et placidis ichneumona quaerere ripis inter harundineas segetes felemque minacem arboris in trunco longis praefigere telis implicitumque sinu spinosi corporis erem ferre domum; talique placet dare lintea curae, dum non magna ratis, uicinis sueta moueri litoribus tutosque sinus percurrere remis, nunc primum dat uela Notis portusque fideles linquit et Hadriacas audet temptare procellas. Mox uestros meliore lyra memorare triumphos accingar, diui fortissima pignora Cari, atque canam nostrum geminis sub finibus orbis litus et edomitas fraterno numine gentes, quae Rhenum Tigrimque bibunt Ararisque remotum principium Nilique †bibunt† in origine fontem; nec taceam, primum quae nuper bella sub Arcto felici, Carine, manu confeceris, ipso paene prior genitore deo, utque intima frater Persidos et ueteres Babylonos ceperit arces ultus Romulei uiolata cacumina regni; imbellemque fugam referam clausasque pharetras Parthorum laxosque arcus et spicula nulla. Haec uobis nostrae libabunt carmina Musae, cum primum uultus sacros, bona numina terrae, contigerit uidisse mihi: Iam gaudia uoto temporis impatiens sensus spretorque morarum praesumit uideorque mihi iam cernere fratrum augustos habitus, Romam clarumque senatum

54 icneumona C: sicnheu-A: sicu hu- B 56 praefigere C: pro- AB telis C: olis A: tolis B: contis Baehrens, fort. recte 57 implicitumque AC: -tamque B 59 cum Johnson 60 percurrere AC: percurre B 61 uela A2BC: ue. A 62 hadriacas C: adr- AB 63 mox C: uox AB 68 uident vel colunt Johnson: libant Klein 70 felici C: feliti B: -cia A cum feceris Bv.l. 71 deo A2BC: de A frater AC: pater B 72 babylonos ceperit arces AC: babylonis coeperit artes B 73 ultus romulei AC: uultus rum- B regni AC: regna B 75 arcus A2BC: arcos A 76 uobis Pithou 470: nob-  78 uoto Barth: uota ABC: nota A2 79 spretorque morarum C: spretorque (-que del. A2) memoratum A :spretos memoratum B 81 augustos AC: ang- B

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et fidos ad bella duces et milite multo agmina, quis fortes animat deuotio mentes: aurea purpureo longe radiantia uelo signa micant sinuatque truces leuis aura dracones. Tu modo, quae saltus placidos siluasque pererras, Latonae, Phoebe, magnum decus, heia age suetos sume habitus arcumque manu pictamque pharetram suspende ex umeris; sint aurea tela, sagittae; candida puniceis aptentur crura cothurnis; sit chlamys aurato multum subtegmine lusa corrugesque sinus gemmatis balteus artet nexibus; implicitos cohibe diademate crines. Tecum Naiades faciles uiridique iuuenta pubentes Dryades Nymphaeque, unde amnibus umor, adsint, et docilis †dicant Oreadas Echo. Duc age, diua, tuum frondosa per auia uatem: Te sequimur, tu pande domos et lustra ferarum. Huc igitur mecum, quisquis percussus amore uenandi damnas lites auidosque tumultus ciuilesque fugis strepitus bellique fragores nec praedas auido sectaris gurgite ponti. Principio tibi cura canum non segnis ab anno incipiat primo, cum Ianus, temporis auctor, pandit inocciduum bis senis mensibus aeuum. Elige tunc cursu facilem facilemque recursu, seu Lacedaemonio natam seu rure Molosso, non humili de gente canem. Sit cruribus altis, sit rigidis, multamque trahat sub pectore lato

84 purpureo AC: -a B 86 placidas AB, corr. C 87 Latonae Phoebe C: Latonaephebe B: Lato///e pheebe A 88 pictamque A2C: -umque AB 89 sint ABv.l.C: sunt B 90 cothurnis C: coturnis AB 91 chlamys C: -is A: clamis B subtegmine BC: subtemine A lusa B: -o AC 92 gemmatus A2 93 implicitos AC: implicatos B 94 naiades C: naides AB faciles A2C: -em A: -e B 95 amnibus AC: anibus B 96 docilis AC: -es A2B dicant AB: decantet C oreadas Ald.: -ades  98 domos C: dolos A: solos B 99 huc Ulitius: hinc  mecum A2C: metum AB 100 rabidosque Ulitius, fort. recte tumultus AC: -os B 101 strepitus A2BC: -dus A 102 auido AC: -e B 103 segnis ab anno AC: signis abanni B 104 ianus AC: iaiis B 107 natum , corr. Ald. molosso AC: moloso B 109 rigidis AC: -us B

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costarum sub fine decenter prona carinam, quae sensim rursus sicca se colligat aluo, renibus ampla satis ualidis diductaque coxas, cuique nimis molles fluitent in cursibus aures. Huic parilem submitte marem, sic omnia magnum, dum superant uires, dum laeto flore iuuentas corporis et uenis primaeui sanguis abundat. Namque graues morbi subeunt segnisque senectus, inualidamque dabunt non firmo robore prolem. Sed diuersa magis feturae conuenit aetas: Tu bis uicenis plenum iam mensibus acrem in Venerem permitte marem; sit femina, binos quae tulerit soles. Haec optima cura iugandi. Mox cum se bina formarit lampade Phoebe ex quo passa marem genitalia uiscera turgent, fecundos aperit partus matura grauedo, continuo largaque uides strepere omnia prole. Sed, quamuis auidus, primos contemnere partus malueris; mox non omnes nutrire minores. Nam tibi si placitum populosos pascere fetus, iam macie tenues sucique uidebis inanes pugnantesque diu, quisnam prior ubera lambat, distrahere inualidam lassato uiscere matrem. Sin uero haec cura est, melior ne forte necetur abdaturue domo, catulosque probare uoluntas, quis nondum gressus stabiles neque lumina passa luciferum uidere iubar, quae prodidit usus percipe et intrepidus spectatis annue dictis. Pondere nam catuli poteris perpendere uires

112 deductaque , corr. Ald. 114 submitte C: summite A: sumite B 115 iuuentas AC: -a B 116 primaeui C: -is AB: -us A2 118 non firmo] infirmo Bv.l. 119 sed AC: si B 120 acrem AC: aerem B 121 permitte AC: pro- B 122 iugandi AB: iugandis C post 122 sequuntur 224–230 in ; transp. post 223 Haupt 127 sed AB: sunt C 131 quisnam Pithou (quis nam Ald.): quis (qui Bv.l.) non  133 uero AC: autem B cura AC: cura tibi Bp.c.: curat Ba.c. 135 gressus AB: gressu C stabiles AC: -is A2B lumina passa ABv.l.C: -e -o B 138 poteris AC: -es B

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corporibusque leues grauibus praenoscere cursu. Quin et flammato ducatur linea longe circuitu signet habilem uapor igneus orbem, impune ut medio possis consistere circo. Huc omnes catuli, huc indiscreta feratur turba: Dabit mater partus examen, honestos iudicio natos seruans trepidoque periclo. Nam postquam conclusa uidet sua germina flammis, continuo saltu transcendens feruida zonae uincla, rapit rictu primum portatque cubili, mox alium, mox deinde alium. Sic conscia mater segregat egregiam subolem uirtutis amore. Hos igitur genetrice simul iam uere sereno molli pasce sero (passim nam lactis abundans tempus adest, albent plenis et ouilia mulctris), interdumque cibo Cererem cum lacte ministra, fortibus ut sucis teneras complere medullas possint et ualidas iam tunc promittere uires. Sed postquam Phoebus candentem feruidus axem contigerit tardasque uias Cancrique morantis sidus init, tunc consuetam minuisse saginam profuerit tenuesque magis retinere cibatus, ne grauis articulos deprauet pondere moles. Nam tum membrorum nexus nodosque relaxant infirmosque pedes et crura natantia ponunt, tunc etiam niueis armantur dentibus ora. Sed neque conclusos teneas neque uincula collo impatiens circumdederis noceasque futuris cursibus imprudens. Catulis nam saepe remotis

139 corporibusque A2C: corporibus AB cursu AC: -us B 141 sign& A: signe & B, corr. C 142 ut Heinsius: in  144 examen AC: exam. B 145 iudicio AC: indicio B 146 conclusa BC: conclausa A germina AC: gremina B 147 saltu transcendens AC: salturans cendens B 148 portatque AC: port&que B 150 subolem AC: sobolem A2B 154 cibi Ca.c. 156 promittere AC: promitt¯e B 157 sed AB: sunt C 158 morantis AC: -es B 161 ne BC: nec A deprauet C: degrauet AB: regrauet A2 pondere AC: podere B 163 infirmosque A2BC: infirmesque A natantia AC: nutantia A2 (sed mut. it. in na- p.c.) B 165 conclusos C: conclausos AB 166 circumdederis AC: circumderis B

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aut uexare trabes laceras aut mandere ualuas mens erit, et teneros torquent conatibus artus obtunduntue nouos adroso robore dentes aut teneros duris impingunt postibus ungues. Mox cum iam ualidis insistere cruribus aetas passa, quater binos uoluens ab origine menses, illaesis catulos spectauerit undique membris, tunc rursus miscere sero Cerealia dona conueniet fortemque dari de frugibus escam. Libera tunc primum consuescant colla ligari concordes et ferre gradus clausique teneri. Iam cum bis denos Phoebe reparauerit ortus, incipe non longo catulos producere cursu, sed paruae uallis spatio saeptoue nouali. His leporem praemitte manu, non uiribus aequis nec cursus uirtute parem, sed tarda trahentem membra, queant iam nunc faciles ut sumere praedas. Nec semel indulge catulis moderamina cursus, sed donec ualidos etiam praeuertere suescant, exerceto diu, uenandi munera cogens discere et emeritae laudem uirtutis amare. Nec non consuetae norint hortamina uocis, seu cursus reuocent, iubeant seu tendere cursus. Quin etiam docti uictam contingere praedam exanimare uelint tantum, non carpere sumptam. Sic tibi ueloces catulos reparare memento semper et in paruos iterum protendere curas. Nam tristes morbi, scabies et sordida uenis saepe uenit multamque canes discrimine nullo

168 uexare (-ere C) trabes AC: uex& rabies B mandere Heinsius: pan-  uuluas AB, corr. C 170 nouos Aa.c.BC: notos Ap.c.: nothos A2 172 iam cum , corr. Ald. 174 catulos BC (fort. -isa.c.): -is A spectauerit Johnson: -is  (-beris A2) 175 miscere AC: miserere B 176 dari AC: dare B 179 senos Stern, fort. recte Phoebe AC: phe B 180 catulus Aa.c. 181 saeptoue AC: septoque B 182 manu AC: manu¯ B 184 summere AB, corr. C 185 ne AB, corr. C moderamina Heinsius: -e  187 munera Ulitius: -re AC: numere B 190 cursu reu- Heinsius 191 quin AC: quam B 192 exanimare AC: examinare B carpere sumptam AC: carperae suptam B 193 sic ABv.l.C: sit B tristes A: triscis B: tristis C

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dant stragem: tu sollicitos impende labores et sortire gregem suffecta prole quotannis. Quin acidos Bacchi latices Tritonide oliuo admiscere decet catulosque canesque maritas unguere profuerit tepidoque ostendere soli, auribus et tineas candenti pellere cultro. Est etiam canibus rabies letale periclum. Quod seu caelesti corrupto sidere manat, cum segnes radios tristi iaculatur ab aethra Phoebus et attonito pallens caput exserit orbe; seu magis, ignicomi candentia terga Leonis cum quatit, hoc canibus blandis inuiscerat aestus, exhalat seu terra sinu, seu noxius aer causa mali, seu cum gelidus non sufficit umor torrida per uenas concrescunt semina flammae: Quicquid id est, imas agitat sub corde medullas inque feros rictus nigro spumante ueneno prosilit, insanos cogens infigere morsus. Disce igitur potus medicos curamque salubrem. Tunc uirosa tibi sumes multumque domabis castorea, attritu silicis lentescere cogens; ex ebore huc trito puluis sectoue feratur, admiscensque diu facies concrescere utrumque: Mox lactis liquidos sensim superadde fluores, ut non cunctantes haustus infundere cornu inserto possis furiasque repellere tristes atque iterum blandas canibus componere mentes. Sed non Spartanos tantum tantumue Molossos

199 acidos AC: occidos B oliua Ald.: pingui vel dulci Housman, Cl. Pap. II 580 202 tinias AB, corr. C candenti A2BC: candendi A 204 manat BC: -ant A 205 iaculantur C aethra ABC: aethrae A2 207 ignicomi AC: ignocomis Ba.c.: ignocomi Bp.c. candentia AC: cadentia B 209 sinus , corr. Scaliger seu AC: sue B 211 semina A2BC: -e A 212 id est imas AC: & (cv.l.) audimas B 215 medicos ABv.l.C -us B 216 sumes AC: -as B domabis AC: donabis B 217 attritu ABp.c.C: atritu Ba.c. silicis AC: scilicis B 218 ex ebore AC: exebreo B 220 fluores ABp.c.C: fluros Ba.c. 222 possis AC: posis B 224–230 post 122 in , transp. Haupt 224 spartanos C: partanos A: parthanos A2B molossos A2C: molosos AB

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pascendum catulos: diuisa Britannia mittit ueloces nostrique orbis uenatibus aptos. Nec tibi Pannonicae stirpis temnatur origo, nec quorum proles de sanguine manat Hibero. Quin etiam siccae Libyes in finibus acres gignuntur catuli, quorum non spreueris usum.

Quin et Tuscorum non est extrema uoluptas saepe canum. Sit forma illis licet obsita uillo dissimilesque habeant catulis uelocibus artus, haud tamen iniucunda dabunt tibi munera praedae, namque et odorato noscunt uestigia prato atque etiam leporum secreta cubilia monstrant. Horum animos moresque simul naresque sagaces mox referam; nunc omnis adhuc narranda supellex uenandi cultusque mihi dicendus equorum. Cornipedes igitur lectos det Graecia nobis Cappadocumque notas referat generosa propago Argaea et palmas numeret grex omnis auorum. Illis ampla satis leui sunt aequora dorso immodicumque latus paruaeque ingentibus alui, ardua frons auresque agiles capitisque decori altus honos oculique uago splendore micantes; plurima se ualidos ceruix resupinat in armos; fumant umentes calida de nare uapores, nec pes officium standi tenet, ungula terram crebra ferit uirtusque artus animosa fatigat.

227 stirpis AC: stripis B 228 hibero ABC: hiberno Bv.l. 230 gignuntur A: giruntur B: cinguntur Bv.l. post 230 lac. stat. Jak. 231 uoluptas AC: uolunptas B 232 sit Barth est  forma A (forma est A2)C: froma B uillo A2BC: uallo A 234 praedae A2B: -a AC 236 atque A2BC: adque A cubilia AC: conabula B 237 horum AC: honorum B 240 gratia AB, corr. C 242 Argaea Gothofredus, alii alia: armata  numeret Gronovius 543sq.: nuper : superet Barth, Adv. 139 243 leui A: laeui C: leuis B aequora AC: equor¯a B dorso AC: -i B 244 inmodicumque A2BC: inmodicum A paru¸eque AC: -ique A2: prauisque B ingentibus alui AC: ingenibus aluis B 245 capitisque decori Baehrens: capitisque decoris A: captuque decoris B: capitique decoro C 246 oculique Ap.c.BC: -isque Aa.c. splendore AC: spendore B 247 se Ap.c. (suea.c.) C: seu A2B 250 uirtusque AC: uirtutisque B

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Nemesian, ‚Cynegetica‘

Quin etiam gens ampla iacet trans ardua Calpes culmina, cornipedum late fecunda proborum. Namque ualent longos pratis intendere cursus, nec minor est illis Graio quam in corpore forma; nec non terribiles spirabile fulmen anheli prouoluunt flatus et lumina uiuida torquent hinnitusque cient tremuli frenisque repugnant, nec segnes mulcent aures, nec crure quiescunt. Sit tibi praeterea sonipes, Maurusia tellus quem mittit (modo sit gentili sanguine firmus) quemque coloratus Mazax deserta per arua pauit et assiduos docuit tolerare labores. Nec pigeat, quod turpe caput, deformis et aluus est ollis quodque infrenes, quod liber uterque, quodque iubis pronos ceruix diuerberat armos. Nam flecti facilis lasciuaque colla secutus paret in obsequium lentae moderamine uirgae: Verbera sunt praecepta fugae, sunt uerbera freni. Quin et promissi spatiosa per aequora campi cursibus adquirunt commoto sanguine uires paulatimque auidos comites post terga relinquunt. Haud secus, effusis Nerei per caerula uentis, cum se Threicius Boreas superextulit antro stridentique sono uastas exterruit undas,

268 vers. laudat Auson. grat. act. 65: miramur poetam … qui ita collegerat ut diceret in equitando uerbera et praecepta esse fugae et praecepta sistendi 252 cornipedum AC: cornu- B fecunda AC: s¸ecunda B 253 pratis AC: par this B incendere AB, corr. C cursus AC: currus B 255 terribiles spirabile AC: terribilis spirital¸e B fulmen Heinsius: numen  anheli Barth (ad Stat. Theb. 6,439): -¸e ABC (-ae) 256 flatus AC: saltus B 258 nec1 A2BC: haec A 259 maurusia AC: macrus B 261 coloratus A2C: -atur AB 263 caput A2BC: capud A 264 infrenes A2C: infrenies A: fre nies B liber om. B 265 quodque AC: quod B diuerberat A2: deuerberat AB: diuerberet C 266 lasciuaque AC: lasciuiaque B 267 lent¸e A2C: -e A: legent¸e B 269 promissi AC: promisi B 271 erga Ba.c. relingunt B 272 nerei A2C: neri A: nerie B

Nemesian, ‚Cynegetica‘

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omnia turbato cesserunt flamina ponto: Ipse super fluctus spumanti murmure feruens conspicuum pelago caput eminet; omnis euntem Nereidum mirata suo stupet aequore turba. Horum tarda uenit longi fiducia cursus, his etiam emerito uigor est iuuenalis in aeuo. Nam quaecumque suis uirtus bene floruit annis, non prius est animo quam corpore passa ruinam. Pasce igitur sub uere nouo farragine molli cornipedes uenamque feri ueteresque labores effluere aspecta nigri cum labe cruoris. Mox laetae redeunt in pectora fortia uires et nitidos artus distento robore formant; mox sanguis uenis melior calet, ire uiarum longa uolunt latumque fuga consumere campum. Inde ubi pubentes calamos durauerit aestas lactentesque urens herbas siccauerit omnem messibus umorem culmosque armarit aristis, hordea tum paleasque leues praebere memento: Puluere quin etiam puras secernere fruges cura sit atque toros manibus percurrere equorum, gaudeat ut plausu sonipes laetumque relaxet corpus et altores rapiat per uiscera sucos. Id curent famuli comitumque animosa iuuentus. Nec non et casses idem uenatibus aptos atque plagas longoque meantia retia tractu addiscant raris semper contexere nodis

275 flamina AC: flumina B 277 conspicuum pelago A2BC: conspicum pelato A 278 Naidum AB, corr. C 279 om. B 280 emerito uigor AC: emorito uirgo B iuuenalis AB: iuuenilis C 282 passa Ald.: posse  283 farragine AC: feuragine B 284 cornipedes A2BC: carni pedes A 285 effluere AC: efflue B 287 firmant Barth 289 consumere AC: consummere B 290 inde ubi AC: indubi B 291 lactantesque A2 urens AC: uirens B 292 messibus AB: mensibus C culmosque armarit aristis Martin: -usque armarit (arma rit B, -uerit Bv.l.) aristas (aestas B) ABmgC 293 paleasque A2BC: pall- A 295 atque AC: adque B toros manibus A (in ras.) C: totos manibus A2: toto scenibus B percurrere AC: percurre B 296 plauso AB, corr. C 297 uiscera sucos AC: uiscere succos B 298 comitumque AC: commitumque B 299 idem A: hisdem B: iidem C 301 contexere AC: contraxere B

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Nemesian, ‚Cynegetica‘

et seruare modum maculis linoque tenaci. Linea quin etiam, magnos circumdare saltus quae possit uolucresque metu concludere praedas, digerat innexas non una ex alite pinnas. Namque ursos magnosque sues ceruosque fugaces et uulpes acresque lupos ceu fulgura caeli terrificant linique uetant transcendere saeptum. Has igitur uario semper fucare ueneno curabis niueisque alios miscere colores alternosque metus subtegmine tendere longo. Dat tibi pinnarum terrentia milia uultur, dantque grues cycnique senes et candidus anser, dant quae fluminibus crassisque paludibus errant pellitosque pedes stagnanti gurgite tingunt; dat Libye, magnarum auium fecunda creatrix: Hinc mage puniceas natiuo munere sumes; Namque illic sine fine greges florentibus alis inuenies auium suauique rubescere luto et sparsos passim tergo uernare colores. His ita dispositis hiemis sub tempus aquosae incipe ueloces catulos immittere pratis, incipe cornipedes latos agitare per agros. Venemur dum mane nouum, dum mollia prata nocturnis calcata feris uestigia seruant. ***

303 linea AC: linaea ex llnaea B 305 pennas A2 307 fulgura BC: fulgora A 308 saeptum Baehrens: se-  310 curabis Haupt 1854,36 (= 1875,404): cura tibi  311 tendere Ulitius: tempore  312 dant C 314 grues AC: gruues B cycnique C: cicn- Aa.c.: cign- Ap.c.B anser AC: anscer B 313 post 316 Ulitius 317 hinc mage AC: huic magne (magis Bv.l.) B 322 pratis AC: partis B 324 mollia AC: molia B FINIT. M. AVRELII NEME / SIANI KARTAGINIENSIS / CYNEGETICON A || VERSVS CODICIS. CCC.XX.V. AVT RECTE NVMERO RIMANTUR B || FINIT M. AVRELII / NEMESIANI / KARTHAGINENSIS / CYNEGETICON C

Anhang: Die Glossen in Paris, BdF lat. 4839 (B)

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Anhang: Die Glossen in Paris, BdF lat. 4839 (B) Wie im Falle des Priscian1 bieten die Nemesian-Glossen der Hs. elementare lateinische, gelegentlich bretonische Erläuterungen (bzgl. Nemesian, wie es scheint, nur einmal, in Vers 11): 3 aonio] .i. liber pater 7 corimbis] sententiis (immo sertis) 8 qua] ubi 11 musco] (mg.) id est ceuni2 super lignum sit(um) 15 mobem] pro muł (i.e. pro mulieris nomine) _ 20 dignatus] sb ÷ (i.e. subaudiendum: ‚est‘) 23 danaique] pro uiri (i.e. pro uiri nomine) 25 tedis] (mg.) lucernis mutantes] s. erant 30 squi soi] pro patriae (sc. nomine) 33 miratum] adubr ¯ u¯ (?, fort. ad uerbum) 35 pheconta] pro acc. gr. 40 titana] acc. gr. micenis] pro patriae (sc. nomine) 42 colchidos] p(ro) m uł (i.e.mulieris nomine) 44 circes] pro filia solis 58 domum] ad lintea] retia 62 linquit] dum 68 bibunt] q. (i.e. quaere)

1 2

Vgl. P. van de Woestijne: Scolies médievale à la Periégèse de Priscien, ALMA 23 (1953), 137–152. Bretonisch für ‚Moos‘ (vgl. C. Cornillot, Wörterbuch Bretonisch-Deutsch. Deutsch-Bretonisch, Hamburg3 2006, 180 s.v. ‚kevni‘). Verwiesen sei auch auf die keltische Glosse in dem Philargyrius-Kommentar zu Verg. ecl. 7,45 MVSCOSI .i. coinnich (P.-Y. Lambert, Les gloses celtiques aux commentaires de Virgile, Études Celtiques 23 [1986], 81–128, dort 101).

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Anhang: Die Glossen in Paris, BdF lat. 4839 (B)

prior] sc. es phebe] .i. sol corruges] correctos naides] de siluarum (i.e. deae silu.) driades] de fluminum (i.e. deae fl.) oreades] de (i.e. deae) iais] .i. d(eu)s uel iana carinam] dorsum omnia] .i.per aerem] (mg.) uelocem soles] annos phebe] luna nutrire] ueł _ placitum] sb ÷ (i.e. subaudiendum: ‚est‘) quis] pro quibus stabilis] est passa/passo] (mg.) matura uel aperto uidere] p pfec (i.e. per tempus perfectum) annue] continue _ orbem] sb in _ possis] sb ut circo] (mg.) circulo catuli] sb inter exam.] iudicium gremina] filios zonae] (mg.) circuli ignei cibatus] accu. ¯ moles] canis _ passa] sb ÷ inlaesis] & cu¯ _ spectaueris] sb atque cerealia] frumentalia ualidos] lepores exerceto] imp (atiuus) quam] ante decet] .i. tibi maritas] feminas seu] cum

Anhang: Die Glossen in Paris, BdF lat. 4839 (B)

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castorea] genera medicine exebreo] nomen holeris libiaes] affrice calpes] (mg.) pro nomen montis mazax] pro gentis (sc. nomine) promisi] longi _ longa] sb p succos] aquas contraxere] stringere _ tibi] sb sit

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Anhang: Die Glossen in Paris, BdF lat. 4839 (B)

Kommentar

1–102 Prooemium

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1–102 Prooemium Das lange Prooem, das im Umfang Lukrezens Einleitung und den Proömien des Manilius nahezu gleichkommt, ist mit seinen Teilen A. Propositio: Thema (1–3a) B. Berufung durch Apoll: Originalität des Themas (3b–14) C. Recusatio mythologischer Themen (15–47) B’. Entfaltung und Bewertung des eigenen Themas (48–62) D. Ankündigung eines panegyrischen Epos (63–85) E. Anrufung der Diana und Jagdaufruf (86–102) strukturell wie im motivischen und sprachlichen Detail dem programmatischen Prooem des dritten Buches der vergilischen ‚Georgica‘ verpflichtet, das die Einheiten A. Anrufung der zuständigen Gottheiten (1–2) B. Recusatio mythologischer Themen (3–8a) C. Ankündigung eines panegyrischen Epos (8b–39; 46–48) D. Entfaltung und Originalität des Themas der Lehrdichtung, gekleidet in eine Berufung durch den Patron (40–41a) aufweist. Vor Nemesian hatten schon Manilius und der Aetna-Dichter das vergilische Schema in einzelnen Teilen (Originalitätsanspruch in Verbindung mit der Ablehnung mytholog. Themen) rezipiert, Nemesian eignet sich die Dispositon in ihrer Gänze an. Die Interpretation der Praefatio als Selbstäußerung über eine „‚Krise der Poesie‘, in der die Dichter die Möglichkeiten ihrer Ausdrucksformen erschöpft sehen und nach neuen Wegen der Dichtung suchen“ (so Hose 535; vgl. 540), beträfe schon Vergil und alle nachvergilischen Lehrdichter, die sich des vergilischen Schemas bedienten; eben weil ein panegyrisches Epos angekündigt wird, ist ersichtlich, daß nicht traditionelle Dichtung an sich, sondern allein die mythologische Dichtung infrage gestellt wird. Im Detail ist das vergilische Schema durch zahlreiche Zitate aus v.a. selbstreferentiell programmatischen Aussagen anderer Dichter von Lukrez bis Statius musivisch ausgefüllt, während Vergil selbst ansonsten

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Kommentar

außerhalb von ‚Georgica‘ III nur in formaler Hinsicht für die Gestaltung gerade der Versschlüsse genutzt wird. Da Lukan (und Horaz) für die Ankündigung eines Epos, Properz und Statius in den programmatischen Aussagen rezipiert werden, ist die Klassikerimitation nicht auf Vergil oder Lukrez eingeschränkt (so gegen Effe 1977 zu Recht Küppers). Lit.: Luiselli 79ff.; Volpilhac 76–78; Effe 1977, 165ff.; Küppers; Paschalis 223–230 und Hose 538–540 (die Zurückführung auf das Prooem von Georgica I bei Smolak, HLL V 313 beruht auf einem Versehen).

1–3a Propositio Themenangaben in parataktischer Reihung sind gewiß in der lateinischen Epik seit dem Binnenprooem der ‚Aeneis‘ (7,41b-49a) belegt und scheinen typisch für das kaiserzeitliche Epos (Lucan. 1,1–7; Stat. Theb. 1,1–3a; Ach. 1–3a): Aber auch die Lehrdichtung vor Nemesian hatte sich längst diese Form der Einführung angeeignet: Verg. georg. 4,3–5; Colum. 10,3–5; Oppian. Hal. 1,1–3a mit dem Praedikat im Enjambement in 3a       «  φ « /   , μ « #Aφ «, /  (mit Fortführung der Kette in 4–8). Nemesians unmittelbarer Referenztext ist die Propositio seines Vorgängers, vgl. Grattius 1 dona cano diuom, laetas uenantibus artes. 1 uenandi … mille uias ‚Methoden‘ (OLD 10); vergleichbar im Gestus der Belehrung Cels. 1 pr. 8 diuersas curandi uias. Mille steht hyperbolisch für multas (ThLL VIII 980,69ff.; Wölfflin, ALL 9 [1896], 181) wie etwa [Tib.] 3,12,12 fallendique uias mille. Nemesian schmückt die ersten Verse seiner Gedichte des öfteren mit doppelten Alliterationen und Assonanzen (hier noch hilares labores): ecl. 1,1 fiscella tibi fluuiali, Tityre (und in der Gegenrede 1,9 canam comam); 2,1f. puer et puer / Alcon ardebant; 3,1 Nyctilus atque Micon nec non und im Schaltvers von ecl. IV. cantet, amat quod quisque leuant et carmina curas. cano Seit Lucr. 5,509; 6,84 und Vergil georg. 1,5 ist das Verbum üblich für das Singen des Lehrdichters: e. gr. Gratt. 1; Manil. 2,713; Colum. 10,3; Aetna 92; Fracastoro, Syph. 1,10 (Apuleius Flor. 20 bezeichnet das Dichten des Lehrdichters Empedokles als canere).

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Die Kürzung der Schlußsilbe von cano ist seit Ov. Pont. 3,9,35 nachgewiesen (Hartenberger 51) und begegnet auch ecl. 3,18 (s. Williams z. St.). Scaliger hatte Anstoß genommen am Numeruswechsel cano – pandimus (Poet. 6,7 = vol. V p. 312, 3ff. Deitz/Vogt-Spira), Gronov (543) und Johnson (und Damsté 307) konjizierten deshalb cane (Barths pandimur und sein angeblich in einer ‚Editio Langobardica‘ gefundenes Pan tuus hatten zu Recht nur Spott erfahren). Schon Ulitius und Burman hatten der Kritik mit Parallelen wie Prop. 1,7,5ff. nos … cogor oder Ov. fast. 4,863 nobis … dicam zu Recht widersprochen, Martin z. St. verweist auf die bei K-S I 88f. angeführten Belege. Zur Verbindung der Verben canere und pandere vgl. Avien. orb. 896f. incentore canam Phoebo, Musisque magistris / omnia ueridico decurrens carmine pandam. hilaresque labores Eine Synonymvariation zu Grattius 1 laetas … artes: Hilaris bedeutet hier ~ ‚laetitiam praestans‘ wie in ecl. 1,12 hilares … amores (auch dort neben securus); durch die Verbindung mit labores wird ein Oxymoron gewonnen (Paschalis 224). Ein ähnliches Oxymoron begegnet bei Plinius, der den Jäger Trajan rühmt (paneg. 81,3): huic par capiendi quaerendique sudor summusque et idem gratissimus labor invenire (sc. feras). -Que verbindet cano und pandimus, während das folgende -que in Vers 2 den Akkusativen labores und discursus gilt (Martin mit Hinweis auf Christensen 188; der gleiche Gebrauch von -que -que begegnet in 200). Nach uias mag man mit Komma interpungieren, eine stärkere Interpunktion mit Semikolon – so Williams – zerschneidet aber den Vers in zwei Teile. Auch die von Barth erwogene Alternative, hinter citos stärker abzutrennen, hat wenig für sich. Die bei Hinkmar opusc. 24 (s. Einl. 23f.) überlieferte Variante tristesque basiert nicht auf einem Zitierfehler, sondern stellt eine bewußte kontextbezogene Abänderung dar. Heinsius wollte hier hilaros für hilaris wie in Prud. harm. 374 hilaram für hilarem herstellen, aber die Form ist hier so tadellos wie in ecl. 1,12. 2 discursusque citos Aufgegriffen in 49 citi discurrimus; discursus expliziert das planmäßige Ausschweifen in verschiedene Richtungen (‚courses rapides‘ Volpilhac oder ‚quick dashes to and from‘ Duff-Duff treffen nicht ganz): Vgl. Liv. 30,33,3 ut … in dextram laeuamque discursu …

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Kommentar

uiam … beluis darent: in der Dichtung ist das Wort seit Ov. fast. 2,223, in der Lehrdichtung seit [Ov.] Hal. 40 vertreten. securi proelia ruris ‚Pro secura proelia‘ (Titius): Nach hilaresque labores eine zweite paradoxale Verbindung; securi … ruris schafft eine bukolische Atmosphäre nach dem Topos, wie er georg. 2,467 at secura quies im Lob des Landlebens vorliegt (Effe 1977, 167 mit Anm. 3), aber Nemesian nutzt nur den Topos (vgl. H. Kier, De laudibus vitae rusticae, Diss. Marburg 1933, 50ff.), nicht die spezifische Vergil-Partie. Proelium begegnet ‚de uenatione‘ selten und nur in der Dichtung (ThLL X 2, 1651,70ff.); Vorbild gerade für die Verbindung mit ruris ist Stat. Ach. 2,119f. quid nunc tibi proelia dicam / siluarum. Als bellum ferinum hat auch Grattius 13 die Jagd charakterisiert. Gegen solche bis Ps.-Oppian cyn. 1,35     «   λ $ $  begegnenden Wertungen der Jagd steht Nemesians Oxymoron. 3 pandimus Gewiß seit Lucr. 1,55 rerum primordia pandam kennzeichnend für den Lehrgestus (Manil. 1,12; ThLL X 1, 199,4ff.), aber auch für das epische Singen: Val. Fl. 3,14f. infandaque proelia, Clio / pande uirum.

3b–14 Berufung durch Apoll In allegorischer Einkleidung erhält der Dichter von Apoll den Auftrag zur Lehrdichtung: Die Gottheit verleiht nicht nur Inspiration, sondern beauftragt geradezu den Dichter, sich einer nichtepischen, thematisch originellen Lehrdichtung zu widmen. Ähnlich begründet Ps.-Oppian sein Sujet: Calliope und Artemis selbst haben den Auftrag erteilt, ein Gedicht über die Jagd, ein bisher nicht behandeltes Thema, nicht ein Epos zu verfassen (cyn.1,17ff.). Die aufwendige szenische Allegorie verknüpft zahlreiche bekannte Themen aus dem Metaphernensemble der Inspirationsthematik – wie den Musenberg und Quell, den ‚Dichterwagen‘ und das Motiv der verschiedenen Wege – zu einer bildlich komplexen Aussage, die programmatisch ganz auf den Originalitätsanspruch konzentriert ist (vgl. Küppers 482–489). Nemesian nutzt neben georg. 3,43f. (und 3,292f.) allegorisch verpuppte, dichtungstheoretische Tesserae aus Properz 3,3 und Statius, die aber jeweils präzise auf das Hauptthema hin zugeschliffen sind. Eben dies verkennt die seit Scaliger bis in die Moderne vorge-

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tragene Kritik an „der Unübersichtlichkeit und Übertreibung“ (so Lühr 43) in dieser Partie. 3 Aonio … ab oestro Weniger eine Verschränkung von georg. 3,11 Aonio rediens deducam uertice Musas mit Stat. Theb. 1,32f. tempus erit, cum Pierio tua fortior oestro / facta canam als vielmehr Rezeption der entsprechenden Aussagen aus dem ‚Genethliacon Lucani‘: docto pectora concitatus oestro (Stat. silv. 2,7,3; 13 Aoniae siluae). ‚Aonisch‘ steht seit Call. frg. 572 Pf. für ‚Boeotisch‘ und kennzeichnet seit Catull. 61,28 Helikon und Musenquell (s. ThLL II 204, 69ff.: Mynors zu Verg. georg. 3,11). Oestrus wird zuerst von Statius auf die poetische Inspiration übertragen (ThLL IX 2,483,53ff. und van Dam zu silv. 2,7,3) und gilt der Vorstellung vom insanus poeta, dem entrückten Dichter: vgl. Brink zu Hor. ars 295–298 und van Dam loc. cit. iam nunc Gewiß geläufig (ThLL VII 1, 114,5ff.) und auch im Prooem des 3. Georgica-Buches begegnend: iam nunc sollemnis ducere pompas / ad delubra iuuat (3,22f.). Auch hier gilt die Verbindung der „excited urgency“ (Thomas z. St.) und steht nicht, wie häufig im kaiserzeitlichen Latein, abgeschwächt für bloßes nunc. 4 aestuat Die Metapher (vgl. Manil. 1,21f. duplici circumdatus aestu / carminis et rerum) illustriert in Fortführung von oestro die Intensität des Enthusiasmus. Zugrunde liegt eine Bildermischung: „cum oestri proprium sit pungere, nunc translate utitur verbo estuare“ (Titius). ingentes Helicon iubet ire per agros Eine bewußte Variation von Verg. georg. 3,43 uocat ingenti clamore Cithaeron, wobei die Personifikation des thebanischen Gebirges, das vom Gebell der Jagdhunde widerhallt, ersetzt wird durch den Musenberg, der für die Musen selbst steht, die den Dichter auffordern, sich ein thematisch weites Feld zu erschließen (daß auch auf der Literalebene ingens ein passendes Attribut für ein gebirgiges Jagdrevier ausmacht, hat Burman mit Hinweis auf Ov. fast. 5,89 Maenalos ingens geltend gemacht). Der Wechsel vom Kithairon zum seit Hesiod gerade die Lehrdichtung symbolisierenden Helikon unterstreicht einerseits die dezidierte Gattungseinordnung zu Beginn der Dichtung (zum Helikon ausführlich Kambylis 35ff. 102); andererseits wäre der Name des Kithairon – und damit die Erinnerung an den Bacchus-Mythos – in einem Lehrgedicht, das die Freuden der Jagd betont, unpassend, zumal auch der Pentheus-Mythos in 21f. aus-

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Kommentar

drücklich als Thema verworfen wird. Ausgestaltet ist die Vergil-Adaptation musivisch mit Stat. Theb. 1,3f. unde iubetis / ire, deae? (vorangegangen war entsprechendes Pierius menti calor incidit) und Verg. Aen. 11,367 ingentes … agros (an gleicher Versposition). Ulitius’ Konjekturen ingentes, Helicon, iuuat ire bzw. ingentes Helici iuuat i. p. a. sind zu Recht vergessen. Rezipiert wird der Nemesian-Vers von Avienus, Arat. 76 totis Helicon inspirat ab antris. 5f. Castaliusque mihi noua pocula fontis alumno / ingerit Die Dichterweihe wird nach Ov. am. 1,15,35f. mihi flauus Apollo / pocula Castalia plena ministret aqua ausgeführt, wobei, wie bei Ovid, die ursprünglich getrennten Bilder der Inspiration durch Apoll und derjenigen durch den Trunk aus der Quelle zusammengeführt sind (vgl. McKeown z. St.), in Variation zu Ovid aber der in den folgenden Versen im Mittelpunkt stehende Originalitätsanspruch durch noua pocula bereits anklingt (Küppers 482f.). Das ovidische Vorbild bildet keine Instanz gegen die von Ulitius vorgebrachte Konjektur alumnus (so Küppers 482 Anm. 40), die noch von Baehrens akzeptiert wurde; diese ist vielmehr, wie Williams z. St. erläutert, deshalb falsch, weil Apoll nicht Zögling der kastalischen Quelle ist, vielmehr der Dichter selbst als Zögling der Musen gilt. Auf der Basis von Ovid hatte Pithou 470 zu Castaliique (sc. fontis) ändern wollen, aber als Subjekt zu ingerit, metatus und imponit etc. paßt nur Apoll, nicht Helicon. Castaliusque Periphrase für Apoll in fortführender Konkretisierung von Helicon. Substantivisches Castalius haben Pithoeus und viele andere wie Meursius, Scriverius und Heinsius (ap. Burman) nicht anerkennen wollen, die zu Castalii bzw. alumnus änderten, aber der Gebrauch hat bei Ennod. carm. 2,109,2 seine Parallele (ThLL nom. propr. II 2,240,31ff.; Williams). alumno Zur Vorstellung vom Dichter als Zögling der Musen vgl. AP 10,52,2; Martin verweist auf Auson. epist. 4,3f. Paule, Camenarum celeberrime Castaliarum / alumne. Nemesian ist Vorbild für Avien. Ar. 502 (vom Musenquell) in latices inhiat gens fontis alumni (die abwandelnde Imitation sollte nicht anregen, mit Burman den gleichen Versschluß beim Vorbild herzustellen). Johnsons Phoebus für fontis schafft nur ein triviales Bild.

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6 ingerit Inwieweit hier mit pocula … ingerit eine „auffällige Junktur“ aus Catull. 27,1f. minister uetuli puer Falerni / inger mi calices amariores einfließt (Küppers 483; schon Titius hatte im Sinne einer Parallele auf die Catull-Stelle verwiesen), vermag man nicht zu erkennen; das fachsprachliche ingerit (ThLL VII 1, 1549, 26ff.; Töchterle zu Sen. Oed. 196) ist wohl aufgrund der Alliteration mit dem syntaktisch und in der Versposition parallelen imponit gewählt. late campos metatus apertos Nicht weite Gefilde ‚absteckend passieren‘ (Duff-Duff; Volpilhac), sondern ‚abstecken‘, durch die die Fahrt gehen soll (Küppers 485; ‚dimetiendo praeparandi, in usum futurum eligendi‘ [ThLL VIII 893, 47f.]), in Aufnahme der entsprechenden Metapher ingentes Helicon iubet ire per agros: Das Fahrziel, d.h. das Thema, ist nunmehr gemäß Apolls Wahl geklärt. Nemesian hat sich offenbar von Verg. georg. 2,274 si pinguis agros metabere (i.e. eliges Servius z. St.) campi anregen lassen; metaphorisches campus ~ ‚materia‘ ist geläufig: Cic. acad. 2,112 campus in quo exsultare possit oratio; Prop. 2,10,2 campum Haemonio … dare … equo (ThLL III 221,17ff.). Eine Änderung zu metatur (C) ist unnötig, da in et … metatus … imponitque … retinetque … ducitque Polysyndese vorliegt (Martin mit Hinweis auf Ov. met. 14,61f. ac primo credens … refugitque abigitque timetque). Statt metatus erwog Ulitius metitur, was aber eine Trivialisierung darstellt und v.a. die Allegorie aufhebt, die den Gott als Weisenden zeichnet. Apertos nimmt in der dichtungstheoretischen Aussageebene noua aus Vers 5 auf: ‚sich der Benutzung darbietend‘. 7 imponitque iugum uati Apoll legt dem Dichter als Pferd, welches den Wagen zieht, das Joch auf (Barth; vgl. Stat. silv. 5,3,159f. tu par adsuetus Homero / ferre iugum [von den Homer-Paraphrasen des Vaters]), eine Variation zu der ungleich bekannteren Metapher (vgl. Wimmel 105) vom Dichter, der den Wagen besteigt, bzw. dem Wagen als Symbol des Gedichtes selbst. Iugum imponere scheint eher metaphorisch, denn „vi originaria“ belegt zu sein (ThLL VII 2, 641,59ff.; in Verkennung der Metaphorik hatte Hertzberg [ad Prop. 3,3,18] mit iugo uatem eben das traditionelle Bild wiederherstellen wollen). Passend zum Kontext der Weihe fügt sich das feierliche uati (s. Nisbet-Hubbard zu Hor. carm. 1,1,35; McKeown zu Ov. am. 1,1,6), das die Dignität des Vorganges unterstreicht.

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corymbis / implicitum Der Efeu, Symbol des bacchischen Enthusiasmus (Dodds zu Eur. Bacch. 81; Murgatroyd zu Tib. 1,7,45ff.), als Zügel, an dem Apoll den Dichter straff hält. Die Vorstellung ist singulär (ThLL IV 1081,80), während der Dichter in ecl. 3,18f. qui grauidis hederata fronte corymbis / uitea serta plicas noch die traditionelle Ausformung geboten hat. Implicitum (re)tinere ist prosaisch, ThLL VII 1, 644,35ff. 8f. ducitque per auia, qua sola numquam / trita rotis. Iuuat … Der Ausgestaltung des Bildes vom unbefahrenen Weg – das Material ist bei Wimmel 103ff., insb. 106 ausgebreitet; vgl. auch Curtius 95f. – liegt nicht Lucr. 4,1ff. auia Pieridum peragro loca nullius ante / trita solo. iuuat integros accedere fontis / atque haurire zugrunde, sondern eher die identische Partie 1,926ff., weil dort – wie bei Nemesian – das Motiv dichterischer Inspiration mit dem thyrsus (~ Nem. corymbis) vorausgeht. Centoartig im Detail wird die Lukrez-Imitation durch vergilische und properzische Mosaiksteinchen aus Partien geschmückt, die ihrerseits auf Lukrez rekurrieren: georg. 3,292f. iuuat ire iugis, qua nulla priorum / Castaliam molli deuertitur orbita cliuo; georg. 3,8f. temptanda uia est, qua me quoque possim / tollere humo (und Aetna 8 per insolitum Phoebo duce tutius itur) bzw. Prop. 3,3,18 mollia sunt paruis prata terenda rotis; vgl. auch Manil. 2,50ff. omnis ad accessus Heliconis semita trita est … / quaeramus; Stat. silv. 2,7,51 trita uatibus orbita; Sidon. carm. 9,16ff. non nos currimus aggerem uetustum / nec quicquam inuenies, ubi priorum / antiquas terat orbitas Thalia. Auch Ps.-Oppian hatte in seinen ‚Cynegetica‘ das Bild genutzt: 5E, λ !  " $  / κ   Κ   « '9 («   $ !« (1,20f.). Numquam trita ist das Schlagwort der Kallimacheer:   « Ν «, vgl. Wimmel 109f. 9 aurato procedere curru Da der Dichter in der Allegorie des Prooems als Roß gilt, welches von Apoll, dem Musageten, am Zügel gelenkt wird, kann procedere curru nicht ‚ a u f dem Wagen voranschreiten‘ bedeuten (Duff-Duff; Volpilhac), sondern muß mit Küppers 486 als ‚ m i t dem Wagen im Zügel voranschreiten‘ gefaßt werden. Apoll sitzt auf einem goldenen Wagen (nach Culex 43 candidaque aurato quatiebat lumina curru [sc. sol] mit gleicher Versposition des Ausdrucks; vgl. auch Cul. 203 aurata procedit Vesper ab Oeta), der seinerseits den Rang der

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Dichtkunst symbolisiert. Zugleich schwingt das Symbol des Triumphes mit, ist der auratus currus doch das Gefährt des römischen Triumphators: Cic. p. red. in sen. 28; Liv. 10,7,10 (vgl. Hor. epod. 9,21f. aureos / currus). Solche Metaphernmischung bei dem Motiv der Wagenfahrt ist üblich: Wimmel 105. 10 parere deo Die Tätigkeit des Dichters untersteht göttlichem Befehl: Die Belege für diesen Topos hat O. Falter, Der Dichter und sein Gott bei den Griechen und Römern, Diss. Würzburg 1934,70ff. gesichtet. uirides en ire per herbas Das Bild führt die Reihe noua pocula und sola numquam / trita (8f.) fort: uirides en per herbas (nach Verg. georg. 3,162 cetera pascuntur uiridis armenta per herbas) symbolisiert die unverbrauchte Frische des sich eröffnenden Themas, wie in der cynegetisch konkretisierten Wiederaufnahme 48f. nos saltus uiridesque plagas camposque patentes / scrutamur. Das entscheidende Attribut uirides wird durch die Frontstellung wie durch die Interjektion en herausgehoben (nachgestelltes en bei Nomina begegnet seit neronischer Zeit, der Gebrauch ist auf Dichter beschränkt: Rohde 46f.). 11 imperat Zu imperare mit dem bloßen aktivischen Infinitiv vgl. ThLL VII 1, 585, 35ff.; K-S I 682 und Williams z. St., insb. Stat. Theb. 6,548f. ire / imperat. intacto premimus uestigia musco Das Bild überführt den Originalitätsanspruch von der Wasser- (s. 5f.) in die Wagenmetaphorik. Zitiert wird Prop. 3,3,25f. dixerat (sc. Apollo) et plectro sedem mihi monstrat eburno, / qua noua muscoso semita facta solo est, wobei intacto … musco auf den Stoff Cynegetica verweist, wie Verg. georg. 3,40f. Dryadum siluas saltusque sequamur / intactos spezifisch das Thema des 3. ‚Georgica‘-Buches kennzeichnet. Zu intactus als Schlüsselbegriff der kallimacheisch geprägten Poetik vgl. Thomas zum loc. cit. und v.a. Fedeli zu Prop. 3,1,18 intacta … uia. Premimus uestigia begegnet in gleicher Position in Verg. Aen. 11,788, wobei im Nemesianvers uestigia effiziertes Objekt ist (die ThLL X 2,1181,10f. geäußerten Zweifel sind im Lichte eben von Prop. 3,3,25 unberechtigt). Ein Bezug zu Lucr. 3,4 ficta pedum pono pressis uestigia signis liegt entgegen Luiselli 80 nicht vor. 12 Der Vers ist in den Hss. nach Vers 24 überliefert und von Pithou an seinen angestammten Platz versetzt worden. Barths (von Stern wieder-

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holter) Vorschlag, den Vers gänzlich auszuscheiden (Advers. 138 [ursprünglich hatte er offendat vorgeschlagen unter Beibehaltung der handschriftlichen Anordnung]), basiert auf dem Mißverständnis, daß tramite noto und qua solo numquam trita rotis einander widersprechen. Heinsius wollte ohne Versetzung den Versen 11.13 durch folgende Gestalt einen Sinn abgewinnen: … intactoque premi uestigia musco. Obuia Calliope. Fas est insistere prato / complacito. 12f. quamuis cursus ostendat tramite noto / obuia Calliope faciles Zwei Typen der Symbolgruppen des Weges (vgl. Wimmel 106ff.) werden hier ausgeführt: Der häufig begangene Weg und der unbeschwerliche Weg: noto steht noua (5), sola numquam trita rotis (8f.) intacto (11) und v.a. rudibus (14) gegenüber, obuia ist Gegeninstanz zu per auia (8), faciles Antitheton zu ingentes (4); das Ansinnen der Calliope steht dem energischen Führungsanspruch des Musageten Castalius gegenüber: Die eine offeriert, der andere befiehlt energisch. Vorbild ist wieder die properzische Elegie 3,3: quis te / carminis heroi tangere iussit opus? / … mollia sunt paruis prata … rotis (15ff.). In der Formulierung wird rekurriert auf Verg. georg. 1,40 da facilem cursum und Prop. 3,16,26 qua facit assiduo tramite uulgus iter. Calliope ist hier, wie häufig, die Schutzherrin des Epos (AP 9,504,1 K  φ π« + $ («), die vergleichbar im ‚Genethliacon Lucani‘ (blando Calliope sinu; Stat. silv. 2,7,38) den künftigen Epiker betören will: Zur Calliope als Symbol der Epik vgl. F. A. Todd: De Musis in carminibus poetarum Romanorum commemoratis, Ienae 1903, 44ff.; van Dam loc. cit. und Dingel zu Verg. Aen. 9,525. Ein Bezug zur Calliope-Anrufung in Lucr. 6,92ff., wo Calliope als Muse der Lehrdichtung tituliert wird, liegt entgegen Lühr 42 Anm. 3 eben nicht vor. Pithous facile est, noch von Haupt und Baehrens akzeptiert, widerstrebt, wie Williams dargelegt hat, zum einen dem im Prooem zum Ausdruck kommenden Originalitätsanspruch, zum anderen widerspricht es der Grundaussage des Prooems, ein schwieriges Programm (vgl. v.a. 61f.) umzusetzen. insistere prato Insistere bezeichnet den kraftvollen Hufschlag des Dichterpferdes und ist damit Antitheton zu obuia; prato steht tramite entgegen und kombiniert die Symbolik von campos … apertos (6) mit derjenigen von uirides … herbas (10). Das properzische prata (s.o.) hat

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hier wie Manil. 2,53 integra quaeramus rorantis prata per herbas gewirkt. Zum Bild der ‚unberührten Au‘ vgl. Curtius 95; Dams 25. 14 complacitum H. Schenkls Konjektur complacitum für das überlieferte complacito hat zu Recht Beifall gefunden: Auch wenn für das Kompositum complacitum +(Ac)I nur eine plautinische Parallele, Rud. 187, nachgewiesen ist (ThLL III 2079,38ff.), darf man doch das entsprechend gebrauchte Simplex placitum in 129 si placitum populosos pascere fetus als enge Parallele aus dem Dichter selbst anführen. Wie Williams bereits erhellt hat, wurde, nachdem der Vers 12 im Laufe der Überlieferung nach 24 verschlagen worden war, der ursprüngliche Wortlaut zu complacito gebessert, um Syntax und Sinn durch Angleichung an 12 prato zu retten. Ältere Vorschläge wie ostendas … facies (Ulitius bzw. Aldina) oder facias (Scaliger) in 11f. oder non placito (Baehrens, mit facile est) sind, wie Williams gezeigt hat, zum Scheitern verurteilt. Gleiches gilt für Sterns et, quando cursus se ostendit und Helms seltsame Interpretation für 11–14 (imperat – intacto p.u.m. – et, quamuis c.o.t.n.o. Calliope, faciles i.p. complacito ‚ … daß ich auf dem ihm gefälligen Gebiet bereitwillig‘ (!) ‚mich tummle‘ [1004]). rudibus qua luceat orbita sulcis Scaliger fragte schelmisch, wie ein Pfad denn leuchten könne, wenn er nicht schon trita sei (Poet. 6,7 = vol. V p. 314,10 Deitz / Vogt-Spira). Die Antwort lautet natürlich nicht, daß luceat als prospektiver Konjunktiv ‚where a path will shine‘ zu gelten habe, sondern daß luceat für lucide apparet (sc. uati) steht (s. ThLL VII 2, 1694,64ff.), vgl. Verg. Aen. 9,383 rara per occultos lucebat semita callis (Barth verweist u.a. auf Prop. 2,14,17 ante pedes caecis lucebat semita nobis [Adv. 138]); also mit Duff-Duff: ‚lies clear mid furrows hitherto untried‘. Zu rudis ~ ‚noch nicht befahren‘, vgl. OLD 2c; bereits Barth hat auf Verg. georg. 2,211 rudis enituit inpulso uomere campus verwiesen (vgl. auch cyn. 33 rudes … pinnas von dem neuen Vogelkleid des Tereus). In dichtungstheoretischem Kontext ist rudis ebenso von Claudian in 1 praef. raptu Pros. 1f. inuenta secuit primus qui naue profundum / et rudibus remis sollicitauit aquas genutzt worden. Volpilhacs ‚où les traces de mes roues fassent luire des sillons nouveaux‘ (orbita „usu originario i. q. vestigium [orbe rotarum] impressum“ (ThLL IX 2,920,45); so auch Küppers 487) widerspricht dem Kontext, in dem doch der Originalitätsanspruch verfochten wird. Nemesians

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Gebrauch von orbita entspricht vielmehr dem seines Vorbildes für die Symbolik des Weges, Verg. georg. 3,292f. iuuat ire iugis, qua nulla priorum / Castaliam molli deuertitur orbita cliuo (vgl. auch Stat. silv. 2,7,51 trita uatibus orbita). Im Lichte der Vorlage erübrigt sich auch Ulitius’ ohnehin überflüssige Konjektur quo (~ finalem ut).

15–47 Recusatio mythologischer Themen Gemäß dem strukturellen Vorbild, dem Prooem des 3. ‚Georgica‘Buches, wird der Anspruch auf thematische Originalität mit der Ablehnung abgegriffener mythologischer Stoffe verbunden, ein Korrelat, das bereits die nachvergilische Tradition des Lehrgedichtes bei Manilius 2,49ff., Aetna 9–23 und Ps.-Oppian cyn. 1,24ff. aufgegriffen hat. Zu scheiden ist diese Tradition von der in der Satire und Epigrammatik begegnenden Linie, den Realismus der eigenen Gegenstände gegen die Künstlichkeit kallimacheischer mythologischer Kleindichtung auszuspielen (etwa Pers. 5,7ff.; Mart. 10,4). Gemeinsam ist beiden Traditionen ihre Wurzel im Georgica-Prooem wie die Technik, die Recusatio als Katalog in der Form einer Aversio (s. Fedeli zu Prop. 2,1,17–26) zu gestalten. Der nemesianische Katalog multipliziert die Zahl der aufgeführten Stoffe gegenüber Vergil um das Dreifache, hinsichtlich der Verse um das Siebenfache. Vergils Themenkatalog galt zentralen Dichtungen des Hellenismus wie den ‚Argonautica‘ oder dem kallimacheischen Hymnus, während Nemesian nicht auf die erhabenen Gattungen und ihre exemplarischen Vertreter, sondern auf das Wesen der Mythen zielt: Ausgewählt sind dunkle, teils grausame Stoffe (Küppers 489 Anm. 65), die einen wirksamen Kontrast zu der hilaritas des Jagdthemas ergeben (Toohey 206): 15–16a Niobe 16b–17 Semele

Tod von Müttern

18–20

Geburtslegende und Grausamkeit

Bacchus

21–22a Pentheus 22b Dirke

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23a Hippodamia 23b–25 Danaiden

grausame Hochzeiten

Byblis 26a b 26 –29 Myrrha

Inzest

30 31 [32 33–34a

Metamorphosen

Cadmus Argus/Io Herkules] Tereus

34b–38 Phaethon u. Phaethontiden

Katastrophen

39–41

Tantaliden / Thyest / Oedipus

Kindermord

42–43 44a 44b 45

Medea in Korinth Scylla Kirke Antigone

liebende Frauen

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Der Katalog ist somit nicht nur Virtuosenstück eines poeta doctus, sondern auch konzeptuell verankert. Formal ist er in der Weise durchgegliedert, daß er an den Schaltpositionen zwischen den einzelnen Blöcken Mythen präsentiert, die überleitend nach oben wie unten Bezüge aufweisen (Bacchus < Semele; Dirke < Bacchus, aber auch das Hochzeitsthema), und kann geradezu als Abriß der ovidischen ‚Metamorphosen‘ gelesen werden, erweitert um klassische Tragödienstoffe. So nimmt es nicht wunder, daß die ovidischen Erzählungen jeweils stichwortartig repetiert werden. Daneben werden aber auch Horaz und v.a. Statius genutzt, wobei sowohl die ‚Thebais‘ (für die thebanischen Mythen) wie die ‚Silven‘ (v.a. wieder 2,7 und 5,3) rezipiert werden. 15ff. quis non … / … cecinit? Quis non … / … nouit …? / Quis … tacet Auch die Praeteritio in Form der Frage wurzelt in georg. 3,4ff. quis … nescit … cui non dictus; die Zerdehnung durch das Mittel der Anapher nutzt schon der Aetna-Dichter: quis tacuit … / quis non … defleuit / …

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Kommentar

quis non doluit (17ff.; ähnlich auch Stat. silv. 5,3,85f. nota nimis uati .quis non / … dixit). Nioben numeroso funere maestam Vielleicht Kontrastimitation zu Ov. Pont. 1,2,29f. felicem Nioben, quamuis tot funera uidit (aber vgl. auch Sen. Ag. 392f. Tantalidos funera matris uictrix numeras und Prop. 2,31,14 von der Flügeltür des augusteischen Apollotempels: altera maerebat funera Tantalidos). Zum Mythos M. Schmidt, LIMC VI 1,908f. Numerosus ist noch nicht bei Vergil, sondern erst seit Manilius in der Lehrdichtung belegt. Adjektive auf -osus, von denen in den ‚Cynegetica‘ auch animosus, dolosus, frondosus, generosus, spatiosus und uirosus nachgewiesen sind, wahren bei Nemesian ihren fachsprachlichcolloquialen Ton (vgl. Knox 1996); numerosus ist aber gemäß dem episch-tragischen Kontext dieses Verses in Tragödie und Epos seit der Kaiserzeit einschlägig, wie Stat. Theb. 1,567 absumptis numerosa in uulnera telis (von der durch Apollos Pfeile getroffenen Pythonschlange) oder Sen. Hf 241 Lernae monstra numerosum malum ausweisen. 16 quis non Das verpönte Monosyllabon vor der Penthemimeres nutzt Nemesian nur in Verbindung mit einem zweiten, den Anstoß mildernden Monosyllabon (128 mox non; 184 iam nunc; 210 seu cum), vgl. Braum 8.89. 16f. Semelen ignemque iugalem / letalemque simul Sentenziöse Zuspitzung von Ov. met. 3,308f. corpus mortale tumultus / non tulit aetherios donisque iugalibus arsit. Zum Mythos A. Kossatz-Deissmann, LIMC VII 1,718ff. 17 de hat man hier nicht mit Burman kausal zu fassen (ThLL V 1, 65,45ff.), sondern mit Gudeman instrumental oder modal (ThLL V 1, 63,24ff.). paelicis astu Eine überraschende Verbindung gegen die Lesererwartung, da in Iuno-Darstellungen üblicherweise mit paelex die Nebenbuhlerin Iunos gekennzeichnet ist (s. ThLL X 1,39,16ff.; Bömer zu Ov. met. 3,258f.). Vorbild ist Stat. Theb. 7,160 nec paelicis arte rogatus (sc. Iuppiter), wo paelicis arte sowohl dem Ansinnen Semeles gilt wie der List Iunos, die dieses Ansinnen erst insinuiert. In [Claud.] laud. Herc. 47 gilt Iuno als paelex der Alcmena (Barth, Adv. 138). Es besteht somit kein Grund, mit Burman aestu zu lesen, zumal Iunos List konstitutiv für den Semele-Plot ist.

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18 magno recreata … cunabula Baccho Eine Paraphrase von Ov. met. 3,317 tutaque bis geniti sunt incunabula Bacchi (vgl. auch Stat. Theb. 10,424 fulminei per uos cunabula Bacchi), bereichert einerseits um die Vorstellung, daß eine Doppelgeburt einem großen Gott gebühre, andererseits um die genrehafte Antithese vom großen Säugling in der Wiege, eine Vorstellung, die ansonsten eher in den Geburtslegenden des Herakles ihren Platz hat: magnus ist ein für Bacchus ungewöhnliches Epitheton (kein Beleg bei Carter 61), aber vgl. etwa  ,  Eur. Bacch. 329; Bruchmann 89). 19f. ut pater omnipotens … /… iusti complerit tempora partus Ein Selbstzitat aus der Bacchus-Ekloge: hunc pater omnipotens, uenturi prouidus aeui / pertulit et iusto produxit tempore partus (3,23f.), verschränkt mit Ov. met. 3,312 maternaque tempora complet (sc. Bacchus) unter Austausch des Subjekts. Die Verbesserung des korrupten compellere zu complerit (ed. Ald.) ist also entgegen Green 31 sicher, zumal tacet ut nebst Konj. Perf. auch in 69–71 begegnet. Pater omnipotens an gleicher Position nach einem Monosyllabon geht auf vergilische Technik zurück: georg. 2,325 tum pater omnipotens; Aen. 1,60 sed p. o. u. ö. Auf die Person des Bacchus bezogen begegnet pater omnipotens vor Nemesian nur Stat. Theb. 4,383 (Carter 61; ThLL IX 2,605,22). maternos reddere menses / dignatus Ein Zitat von Stat. Theb. 7,166f. (Bacchus vor seinem Vater) cui tu dignatus limina uitae / praereptumque uterum et maternos reddere menses. Damit erledigen sich Änderungen wie maternis addere (Barth) und maternos (oder maturos) addere (Heinsius). 21 sacrilego rorantes sanguine thyrsos Wer als poeta ludibundus den Pentheus-Mythos (s. A. Kossatz-Deissmann, LIMC VII 1,306ff.) als nota nimis bewertet, nennt natürlich keine Personen. Die zweite Vershälfte ist Val. Fl. 5,75f. his Bacchus in undis / abluit eoo rorantes sanguine thyrsos entlehnt (so richtig Manitius, RhM 44 [1889], 543f.; bei Valerius werden die Taten in Indien den Ereignissen auf dem Kithairon gegenübergestellt). Kombiniert ist diese Valerius-Partie mit Verg. Aen. 7,595 sacrilego pendetis sanguine poenas. Nemesian seinerseits wird von Claud. carm. 20,523 Maenades infectis Pentheo sanguine thyrsis rezipiert. Der Thyrsos ist an allen aufgeführten Stellen eine wirkliche Waffe (  «), also „eine Lanze, deren Spitze in einem Blätterbusch

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entweder vollkommen verborgen war, oder nur zum Teil daraus hervorragte“ (v. Lorentz, RE II VI A 1,751f.; vgl. F.-G. von Papen, Der Thyrsos in der griechischen und römischen Literatur und Kunst, Diss. Bonn, Berlin 1905, 41ff. und Horsfall zu Verg. Aen. 7,396f.). 22 nota nimis Abbreviert wird Stat. silv. 5,3,85 nota nimis uati (innerhalb einer Recusatio mythologischer Themen). dixisse uelint Infinitiv Perfekt mit praesentischer Bedeutung analog zu Ov. Pont. 3,1,9 dixisse uelim, wie häufig nach uelle: K-S I 133f.; Bednara 575f. und Staffhorst zu Ov. loc. cit.; Barths duxisse ist abwegig. uincula Dirces Amphion und Zetus hatten Dirce in Bestrafung des Unrechts, das jene ihrer Mutter Antiope zugefügt hatte, mit dem Haar an einen Stier gefesselt: puerique trahendam / uinxerunt Dircen sub trucis ora bouis (Prop. 3,15,37f.; zum Mythos F. Heger, LIMC III 1,635ff.). 23 Pisaeique tori legem Nach Stat. silv. 1,2,41 Pisaea lege trementem: „Die Bedingung, welche Oenomaus für das Wagenrennen um seine Tochter Hippodamia setzte, daß, wen er einhole, dem Tode verfallen sei“ (Vollmer z. St.). Als dira lex gilt Claudian carm. min. 30,162 diese Bedingung, als lex wird sie im Hippodamia-Cento AL 11,17 R2 bezeichnet. Zum Mythos s. M. Pipili s.v. ‚Hippodameia I‘, LIMC V 1,434ff.; I. Triantis s.v. ‚Oinomaos‘ VII 1,19ff. Danaique cruentum / imperium Ein zweiter Mythos um grausame Brautväter: imperium führt das parallele legem fort, besitzt aber in Verbindung mit cruentum anders als tori legem dezidiert prosaischen Color: ThLL IV 1239,51f. Zum Mythos selbst E. Keuls, LIMC III 1,337ff. sub foedere primo ‚eben in der Hochzeitsnacht‘: zu temporalem sub vgl. 283 sub uere nouo und 321 hiemis sub tempus aquosae (K-S I 570; OLD 23). 25 dulcia … gaudia Die Junktur nach Ov. ars 3,797f. tu quoque, cui Veneris sensum natura negauit, / dulcia mendaci gaudia finge sono. 26 indictum nulli In Umkehrung von Horazens Musenode: dicam insigne, recens, adhuc / indictum ore alio (carm. 3,25,7f.). Barths inductum ist überflüssig. 26f. Byblidos … scelus … impia Myrrhae / conubia Zwei Inzestmythen, die häufiger verbunden werden: Ov. ars 1,283ff.; met. 10,454. Die Schlüsselwörter sind der jeweiligen Darstellung in den ovidischen Me-

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tamorphosen entlehnt: met. 9,506 scelus esse uidebitur illi bzw. 10,345f. impia uirgo, et / quot confundas et iura et nomina, sentis? Zum ByblisMythos s. Bömer zu Ov. met. 9,450–665 (p. 411ff.), zum MyrrhaMythos Bömer zu Ov. met. 10,98–502 (p. 110ff.), G. Berger-Doer, LIMC VI 1,691ff. Conubia steht gemäß Lucr. 3,111 und der Sprache der Liebeselegie für concubitus. Mit Perin (Onom. tot. Latinitatis I, Patavii 1913, 293f.; so auch Verdière 86) ist Byblidos (Biblidos codd.) zu schreiben. 27 saeuo uiolatum crimine patrem Aus Myrrhas letzten Worten bei Ovid entwickelt: ne uiolem uiuosque superstes (met. 10,485), wobei uiolare bei Nemesian das ovidische Miasma um die sexuelle Konnotation (OLD 2c) erweitert. Saeuo führt passend die Charakterisierung truces (24) und scelus (26) fort und sollte nicht – trotz impia (26) – durch foedo oder scaeuo (so Ulitius) ersetzt werden, zumal saeuum als Attribut zu crimen auch Lucan. 2,186 und [Tert.] ad Marc. 3,301 belegt ist. 28 utque -Que verbindet den abschließenden Nebensatz (vgl. 19 ut) mit den Akkusativobjekten. Arabum fugiens cum carperet arua Nach Ov. met. 10,476ff. Myrrha fugit … latosque uagata per agros … / palmiferos Arabas Panchaeaque arua reliquit. Zu carpere ~ ‚percurrere‘ ThLL III 493,74ff. 29 iuit in arboreas frondes animamque uirentem Ire in als Ausdruck für die Metamorphose wie das Motiv der anima uirens sind wiederum der ovidischen Erzählung entlehnt: sanguis it in sucos, in magnos bracchia ramos / … / uterum praestrinxerat arbor (met. 10,493ff.), kunstvoll verschlungen mit Prop. 3,19,16 arboris in frondes condita Myrrha nouae. Eine Änderung zu uigentem (so Titius) ist unnötig. Heinsius wollte iuit zu – offenbar nicht belegtem – irit bessern, aber der Indikativ in der indirekten Frage ist, wie Martin und Williams unterstreichen, nicht ungewöhnlich, so 136f. quae prodidit usus, percipe und allg. K-S II 494; F. Leo, De Senecae tragoediis observationes criticae I 93f. Zur Form Neue-Wagener 3III 439 und ThLL V 2, 626,81f. 30–34b Die ovidischen Mythen mit weiblichem Personal werden durch Vertreter aus dem anderen Geschlecht fortgeführt (Vers 32 ist interpoliert), wobei der Schwerpunkt auf die wundersame äußere Gestalt der Personen gelegt wird.

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30 qui squamosi referant fera sibila Cadmi Mit stichwortartigen Anklängen an Ovids Erzählung: met. 4,577 durataeque cuti squamas increscere sentit; 4,588f. quotiens aliquos parat edere questus, / sibilat. Fera sibila ist eine statianische Verbindung: Theb. 1,115. Zum Mythos vgl. M. A. Tiverios, LIMC V 1,863ff. Mit qui squamosi liegt das erste von sechs Homoioteleuta im Werk vor (daneben in 37.74.116.162.324; vgl. Shackleton Bailey 1994, 150f.): Die Erscheinung tritt damit prozentual mehr als doppelt so häufig auf wie in den vergilischen ‚Georgica‘ oder bei Serenus; die Zahlen entsprechen aber in etwa denjenigen bei Ovid, Avienus oder Paulinus von Nola (s. Shackleton Bailey 7f. 107). In den ‚Eklogen‘ hingegen begegnet das Phänomen außerordentlich häufig (12 Belege auf 250 Verse); hier spiegeln sich auch im Detail neoterische, speziell catullsche Usancen. 31 stellatumque oculis custodem uirginis Ius Eine Kombination von Stat. Theb. 6,276f. Io post tergum … / spectat inocciduis stellatum uisibus Argum (< Ov. met 1,664 stellatus … Argus) mit Verg. Aen. 7,791 custos uirginis Argus. Zum Mythos N. Yalouris, LIMC V 1,661ff. Ius Regulär gebildet, aber nur hier und Mart. Cap. 3,292 belegt: Neue-Wagener 3I 456. 32 [Herculeosque uelint semper numerare labores] Der Vers mit seinem summarischen Bezug auf die Herkulestaten stammt nicht von Nemesian, da in den anderen Mythen des Abschnitts die konkreten Details der äußeren, durch eine Metamorphose veränderten Erscheinung betont werden (squamosi … fera sibila – stellatum oculis – rudes … pinnas), wozu sich das blasse labores nicht fügt. Zum anderen kann, wie schon Burman und Baehrens gesehen haben, numerare, mot juste für die Aufzählung der Herkules-Taten ([Sen.] HO 341f. inter Herculeos licet / me quoque labores numeret), nicht das folgende miratum se tollere regieren. Die von Williams aufgeführten Beispiele Verg. georg. 4,345ff. und Prop. 2,1,44 für numerare sind Belege für die Grundbedeutung ‚aufzählen‘, nicht ‚keep on telling‘ oder gar ‚tell at tedious length‘. Nicht eine Versetzung nach 25 (Baehrens; aber dort paßt der Herkulesvers überhaupt nicht zwischen Danaiden und Byblis / Myrrha) oder memorare für numerare (so zweifelnd Postgate), sondern Tilgung des sprachlich wie sachlich unpassenden Verses ist geboten.

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33 miratumque … se tollere Gilt dem Akt der Metamorphose selbst, die das Staunen des Tereus hervorruft, – typisch für Vorstellung und Terminologie ovidischer Metamorphosendarstellungen: met. 3,199 et se tam celerem cursu miratur in ipso (Aktaion) oder 5,671f. pennas exire per ungues / adspexere suos (Pieriden). Konjekturen wie se tollere ad aera (oder aethera) (so Baehrens), mirenturque, rudes sustollere (Burman) oder rudi s. t. T. pinna (Heinsius) sind bis auf den Vorschlag von Heinsius abwegig. Zu Recht als Unsinn hat Housman (Cl. Pap. III 1243) die Wiedergabe bei Duff-Duff (‚Tereus wonderment … that he could raise wings as yet untried‘) verworfen. rudes … pinnas Wie Drac. laud. 1,254 (Eug. hex. 1,148) über die ersten Vögel in der Schöpfungsgeschichte: rudibus tenuem subtexunt aera pennis. Das von der Überlieferung gebotene pinnas repräsentiert die durch Inschriften und antike Hss. bezeugte ursprüngliche Graphie; die Grammatikerdoktrin vom Unterschied zwischen penna und pinna beruht auf purer Pseudogelehrsamkeit: J. Schwind, penna und pinna, MH 50 (1993), 170–177. 34 post epulas, Philomela, tuas Wie bei Verg. ecl. 6,78f. aut ut mutatos Terei narrauerit artus, / quas illi Philomela dapes, quae dona pararit wird Philomela, nicht Procne die entscheidende Rolle zugewiesen (zum Mythos vgl. E. Toulopa, LIMC VII 1,527ff.). Nemesian ist Vorbild für Aegr. Perd. 4 non tristes epulae, post quas petit aera Tereus. 34f. sunt … / qui … Phaethonta loquantur Vgl. Ov. fast. 4,793f. sunt qui Phaethonta referri / credant. Zum Mythos Robert 154–162 und F. Baratte, LIMC VII 1,350 ff. Der Konjunktiv entspricht den parallelen Konjunktiven uelint (22), referant (30) und v. a. canant (36). Das indikativische loquuntur in C wird also nur ein Schreibfehler sein. ardua mundi / … male temptantem curru Stichwortartige Zitate aus der Darstellung Ovids: met. 2,63 ardua prima uia est; 2,148 male optatos … axes (Ibis 472 male rexit equos [Phaethon]); 2,47 currus rogat ille paternos und 2,390 dum nostras tempat habenas (mit Bedeutungsverschiebung gemäß epist. 6,161 aera temptet [Medea]. Zur Kombination eines substantivierten Adjektivs im Neutrum Plural mit part. Gen. vgl. Fordyce zu Verg. Aen. 8,221 ardua montis, eine Klausel, die Pate stand.

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36 exstinctasque … emisso fulmine flammas Nach Ov. met. 2,313 saeuis compescuit ignibus ignes; zur Klausel Manil. 3,15f. ereptaque fulmine flammis / moenia (non canam). 37f. fumantemque Padum … / et flentes semper germani funere siluas Bewußt gesucht, nicht gemäß Ovids Darstellung, wird das Schicksal der Heliaden nach Stat. Theb. 12,413ff. Phaethonta sorores / fumantem lauere Pado; uixdum ille sepulchro / conditus, et flentes stabant ad flumina siluae zusammengefaßt. Flentes semper gilt dem Bernstein als Produkt der Tränen der zu Pappeln verwandelten Heliaden (s. Bömer zu met. 2,340): Ov. met. 2,342f. querellas / nocte dieque uocant und 2,364 inde fluunt lacrimae. Da flere mit kausalem Ablativ nicht belegt scheint (vgl. ThLL VI 1,900,51), schlug Heinsius funere oder bloßes funera vor: Eine Änderung scheint aber, wie Williams hervorhebt, unnötig, da der bloße Ablativ bei maerere oder lacrimare belegt ist. Cycnum plumamque senilem Auch die Metamorphose des Phaethon-Verwandten Cycnus (s. Bömer zu Ov. met. 2,367) wird nicht nach Ovid, sondern in Aemulatio mit Verg. Aen. 10,189ff. ferunt luctu Cycnum Phaethontis amati / … / canentem molli pluma duxisse senectam ausgeführt. Manche vermißten eine Konjunktion: Cygnum Heinsius, (Cygnum die Gryphiana contra metrum), aber an der Asyndese wird man sich nicht stören, da der Cygnus-Mythos einen Teil der Phaethon-Einheit darstellt. 39 Tantalidum casus Bei den Schicksalsfällen der Nachfahren des Tantalus ist, wie die folgende Konkretisierung zeigt, vornehmlich an die Tantalidae fratres (Ov. fast. 2,627) Atreus und Thyest gedacht, über Pelops Enkel des Tantalus. Zur Genetiv-Form Neue-Wagener 3I 35 (vor Nemesian nur Stat. Theb. 10,785). sparsas sanguine mensas Mensas entschlüsselt die sprichwörtliche cena Thyestea: mensa ~ ‚cibus‘. Der Halbvers ist nach Ov. met. 5,40 aspergit sanguine mensas geformt. 40 condentemque caput uisis Titana Mycenis Ein klassisches Motiv aller Thyest-Tragödien (s. Owen zu trist. 2,392) und Gemeinplatz (Ov. am. 3,12,39; epist. 16,207f.; Pont. 4,6,47f.; Vollmer zu Stat. silv. 5,3,95), entfaltet nach dem Vergleich Lucan. 1,540ff. ipse caput medio Titan cum ferret Olympo / condidit ardentis atra caligine currus … qualem fugiente per ortus / sole Thyesteae noctem duxere Mycenae.

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41 horrendasque uices generis Der Inzest des Oedipus nach Sen. Oed. 870 retro reuersas generis ac stirpis uices: wie bei Seneca ist uices Abstraktum für ein Konkretum im Singular. Ulitius’ neces ist also verfehlt. dixere priores Ein vergilischer Versschluß (Aen. 3,693), bereits mehrfach von Ovid (e. g. met. 15,332) genutzt. Priores sind hier die früheren Dichter gemäß des im Prooem mehrfach genutzten locus Verg. georg. 3,292f. iuuat ire iugis, qua nulla priorum / Castaliam molli deuertitur orbita cliuo. Von der Erstedition bis Ulitius las man prioris, was Heinsius noch in Unkenntnis der Überlieferung zu priores besserte, der Lesart der Hss. 42f. Colchidos iratae sacris imbuta uenenis / munera Nach dem ‚Thyest‘ ein zweiter klassischer Tragödienstoff: Nicht den in Medea-Dramen im Zentrum stehenden Kindesmord, sondern die Rache an der korinthischen Nebenbuhlerin führt Nemesian auf. Martial 5,53,1 Colchida quid scribis, quid scribis, amice, Thyesten? bezeugt die Verbindung der Stoffe, aber auch, daß die Antonomasie Colchis gängig war. Die Kennzeichnung der tragischen Medea als irata ist topisch (sit Medea ferox!). Das Vorbild für die nemesianische Ausführung sind aber nicht Eur. Med. 789  !  φ « , Ov. met. 7,394 sed postquam Colchis arsit noua nupta uenenis oder Sen. Med. 817ff., sondern Hor. epod. 5,61ff. cur dira barbarae minus / uenena Medeae ualent, / quibus superbam fugit ulta paelicem / magni Creontis filiam, / cum palla, tabo munus imbutum, nouam / incendio nuptam abstulit? 43 pulchraeque incendia Glauces Pithous incendia für überliefertes ingentia hat zu Recht den Vorzug vor dem schwachen iugalia (Heinsius) erhalten: Zitiert wird Manil. 3,12 (über Medeas Tat): auroque incendia facta. In der römischen Dichtung trägt die Creonstochter den Namen Creusa – so stets bei Ovid und auch bei Seneca –, Glauce heißt sie in den älteren griechischen Fassungen, so in der euripideischen Hypothesis (mehrere Kandidatinnen in Schol. Med. 19; s. Bömer zu met. 7,394; Weicker, RE VII 1,1395; G.-Berger-Doer, LIMC VI 1,120ff.). Vor Nemesian scheint im Lateinischen für Glauce mit Ausnahme von Hyg. fab. 25 und Porph. Hor. epod. 5,61f. kein Beleg zu existieren, so daß die – gegen die horazische Vorbildstelle getroffene – konkrete Namensgebung die Belesenheit des poeta doctus unterstreichen soll, der seinen Horaz offensichtlich zusammen mit dem Kommentar des Porphyrio

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(1. Hälfte des 3. Jh.) gelesen hat. Auch der Austausch des horazischen Attributes superbam durch pulchrae zeigt den gelehrten Dichter, ist doch die Schönheit Glauces bei Eur. Med. 1197f. und Schol. Lycophr. 1318b Leone Thema (Drac. Rom. 10,369 regis nata decens fuerat pulcherrima Glauce rezipiert offenbar unseren Vers). Pulchrae (zu pulcher als aesthetischem Ideal der natürlichen Schönheit und Anmut Monteil 94ff.) steht iratae gegenüber, wie überhaupt die Zeilen am Beginn und Ende die Namen der Gegenspielerinnen bieten, zu denen sich die Attribute chiastisch ordnen. 44 crinem Nisi Das Thema Scylla (vgl. F. Canciani, LIMC VII 1,793) folgt dem Medea-Stoff als Beispiel abgedroschener Inhalte auch Mart. 10,4,1f. qui legis … / Colchidas et Scyllas und 10,35,5–7 (dazu Byblis). Zum entscheidenden Stichwort vgl. Ciris 185f. patris … crinem de uertice … / … detonsum und Ov. met. 8,85f. fatali nata (i.e. Scylla) parentem / crine suum spoliat. Crimen (Ed. Steyn. und von Barth empfohlen) ist innerhalb der Kette der Konkreta peinlich. saeuae pocula Circes Gemäß Hom. Od. 10,136 K …  κ  « und Verg. Aen. 7,19f. dea saeua … / … Circe. Als Versschluß auch [Tib.] 4,1,61 doctae … pocula Circes. Die pocula Circaea sind sprichwörtlich (Otto 390), so daß man nicht mit Hosius 267 mit einem Zitat von Hor. epist. 1,2,23 et Circae pocula nosti rechnen muß. Die Genetivform Circes ist die seit ovidischer Zeit übliche (ThLL, Onom. C 454,40ff. und Tränkle zum loc. cit.). 45 nocturna pie curantem busta sororem Nach Medea, Scylla und Circe wirkt das Antigone-Thema (vgl. I. Krauskopf, LIMC I 1,818ff.) überraschend, aber der Kontrast wird durch pie ausdrücklich konstatiert. Mit der positiven Bewertung der Bestattungstat fußt Nemesian ganz auf der Tradition der kaiserzeitlichen Antigone-Darstellungen, welche die pietas der Heldin betonen: Vgl. Ch. Zimmermann, Der AntigoneMythos in der antiken Literatur und Kunst (Classica Monacensia 5), Tübingen 1993, 282. Vor Augen hatte Nemesian die Darstellung des 12. Thebaisbuches, das schon in 37f. rezipiert wurde: ad busta ferebat / Antigone miseranda facem (12,349f.) bzw. 12,384 (Argias Vorhaltungen an Antigone) pudet heu! pietas ignaua sororis! Curare busta ersetzt das übliche curare funus. Sannazaros Konjektur pie furantem ist ingeniös (Barth verweist auf Horazens splendide mendax carm. 3,11,35), aber Nemesian hatte die Version des Mythos vor Augen, die Statius erzählt:

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Antigone stiehlt nicht den Leichnam ihres Bruders, um ihn zu begraben; sie verbrennt vielmehr den auf dem Schlachtfeld liegenden, unbestatteten Leichnam. 46f. haec iam magnorum praecepit copia uatum, / omnis et antiqui uulgata est fabula saecli Der Abschluß der Recusatio zitiert den locus classicus und das strukturelle Vorbild aus dem Prooem des dritten ‚Georgica‘-Buches: cetera, quae uacuas tenuissent carmine mentes, / omnia iam uulgata (3,3f.) in Kombination mit Aetna 23 quicquid et antiquum iactata est fabula carmen (zum Gedanken vgl. auch Manil. 2,49 omne genus rerum doctae cecinere sorores und 3,29f. speciosis condere rebus / carmina uulgatum est, opus et componere simplex). Magnorum … uatum ist auf die epischen Dichter zu beziehen, so wie Properz 2,10,19f. gerade durch militia amoris als ein magnus uates gelten will: uates tua castra canendo / magnus ero. Zu praecipere ~ ‚antizipieren‘ ThLL X 2,450,60ff. (wo zu Recht 451,2 unsere Stelle verbucht ist). Die copia uatum hat in Cic. de orat. 1,11 minimam copiam poetarum egregiorum exstitisse ein Pendant, wie überhaupt copia + Gen. eher prosaisches Kolorit besitzt.

48–62 Entfaltung und Bewertung des eigenen Themas Nach der Recusatio mythologischer Themen folgt die Konkretisierung des eigenen Sujets: Gegliedert durch ein dreifaches selbstbewußtes nos wird zunächst eine überleitende zweite Propositio, die sachlich und sprachlich auf die Propositio 1f. rekurriert, geboten (48f.), ihr folgt ein Katalog verschiedener Beutetiere auf dem offenen Feld (50–53a). Mit dem dritten nos schließt sich ein zweiter Katalog von Beutetieren an, die an Flußläufen gefangen werden (53b–58a). Den Abschluß bildet eine Schiffahrtsallegorie, mit der die ‚Cynegetica‘ als ein Werk zwischen Bukolik und Epos gedeutet werden (58b–62). 48f. nos saltus uiridesque plagas camposque patentes / scrutamur Nemesians im dreimaligen nos zum Ausdruck kommendes Selbstbewußtsein kommt dem Vergils gleich, der mit einem betonten primus ego nach der Recusatio mythologischer Stoffe prononciert die Originalität seines Themas hervorhebt (georg. 3,10). Die allgemeinen Themenangaben ingentes … per agros (4), campos apertos (6) und uirides … per herbas (10) werden auf das Jagdthema hin

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konkretisiert. In gleicher Weise hat schon Vergil im Prooem von ‚Georgica‘ III nach der Recusatio zum eigenen Thema übergeblendet: interea Dryadum siluas saltusque sequamur / intactos (3,40f.). Die dreifache vergilische s-Alliteration wird durch eine chiastische Struktur s-p-p-s überboten. Mit camposque patentes wird wiederum ein Versschluß aus den ‚Georgica‘ eingeflochten (4,77): Als Schauplatz der Jagd Aen. 4,153f. patentis / transmittunt cursu campos. 49 totisque citi discurrimus aruis Ob man hier an die Jagd zu Fuß hinter den Hunden her denken soll, wie Nisbet-Hubbard zu Hor. carm. 1,37,18 anzunehmen geneigt sind, scheint fraglich: Wahrscheinlich hatte Nemesian wie in dem hier aufgegriffenen Propositio-Vers 2 discursusque citos die schnelle Fortbewegung aller an der Jagd Beteiligten, also auch der Jäger zu Pferde, im Sinne. Nemesian zitiert sich selbst: ecl. 4,6 cogebat trepidos totis discurrere siluis. Damit erübrigt sich auch das von Heinsius vorgeschlagene notisque, das schon inhaltlich neben patentes unmotiviert erscheint (die Junktur totis … aruis wird durch Lucan. 9,749 geschützt). 50 facili Trotz 191f. quin etiam docti uictam contingere praedam / exanimare uelint tantum, non carpere sumptam wird man facili analog zu 49 citi auf die Schnelligkeit der Hunde (so ThLL VI 1,61,21 und zuletzt Williams) beziehen, und nicht wie in 184 auf ihre gute Dressur (so Burman), die in diesem Vers nicht verhandelt wird. sumere praedas Sumere heißt, wie aus 192 exanimare uelint tantum, non carpere sumptam (sc. praedam) hervorgeht, ~ ‚jagen und erlegen‘, nicht ‚aufnehmen und mit sich nach Hause führen‘. Der Versschluß begegnet wieder in cyn. 184 (vgl. auch 191f. praedam / … sumptam), als Junktur wird sumere praedam metaphorisch schon in ecl. 3,6f. genutzt. 51 timidos lepores, imbelles figere dammas Nach Verg. georg. 1,308 auritosque sequi lepores, tum figere dammas (vgl. auch Sen. Phae. 61f. ueloces / figis dammas), offensichtlich kombiniert mit Stat. Ach. 2,121ff. (Achills Jagden) numquam ille imbelles Ossaea per auia dammas / sectari aut timidas passus me cuspide lyncas / sternere. Die Attribute stehen antithetisch zu 52 audaces bzw. dolosam. Der Hase steht als häufigstes Jagdwild, das zu jeder Jahreszeit, v.a. aber im Herbst gejagt wurde (vgl. Keller I 210ff.; Gossen, RE VII 2477ff.), zu Recht am Anfang des Ka-

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taloges. Dammae sind in der Tierwelt Nordafrikas Antilopen und Gazellen (vgl. Keller I 286ff.; ders. RE VII 1,889ff.; Gsell I 118ff.), als Beutetiere ausführlicher von Ps.-Oppian 2,300–303 vorgestellt. 52 audacesque lupos, uulpem captare dolosam Dieses schon gefährlichere Paar begegnet auch Vers 307 uulpes acresque lupos; dolosus ist stereotypes Attribut, wie die Tier-Fabel bezeugt: Phaedr. 1,13,11 dolosa uulpes; ThLL V 1856,7ff. Das Iterativum captare steht unterschiedslos für capere. Zu Wolf und Fuchs Keller I 87f. und G. Richter, RE Suppl. XV 960ff. (ins. 965,45ff. zu seiner mit audaces hervorgehobenen Raubnatur) bzw. Keller I 88 und Wellmann RE VII 189ff., speziell zum Vorkommen in Afrika Gsell I 113f. 53 gaudemus Gemäß der in 1 hilaresque labores vorgenommenen Bewertung der Jagd als Sport. flumineas errare per umbras Vmbras unterstreicht hier die friedvolle Szenerie und bildet mit dem Attribut flumineas eine gesuchte Verbindung: ‚Schatten, die von den Bäumen geworfen werden, die am Fluß stehen‘. Burmans Deutung, wonach umbras für die Bäume selbst stünde, empfiehlt sich nicht, da umbrae das Laub, nicht den Baum bezeichnet. Withofs undas unterstellt dem Dichter eine Trivialität. Das Adjektiv begegnet auch ecl. 1,87 flumineos … liquores; errare wie 49 discurrere ~ ‚planvoll durchstreifen‘ als callida iunctura. 54 malumus Diese Verbform, nicht das Verbum an sich, scheint absolut prosaisch und ist in der Dichtung nur noch bei [Prosp.] prov. 883 nachgewiesen. placidis … ripis Barths placitis hatte schon Ulitius mit dem Argument zurückgewiesen, daß placidus hier trefflich die im Kontext betonte friedvolle Atmosphäre der Jagdszenerie zeichnet (vgl. 86 saltus placidos), die dem Lärm des städtischen Lebens (101f.) entgegengestellt wird. Martins Interpretation, wonach der Ausdruck auf das träge Wasser des Nils zu beziehen sei, schränkt den geographischen Raum Nordafrika zu sehr ein. ichneumona Eine nur in der Fauna Nordafrikas begegnende Art Wiesel (herpestes ichneumon, vgl. Keller I 158ff.; Gsell I 114; Hünemörder, DNP V 883). Schon Aristoteles, Hist. an. 9,6 612a15–20 beschreibt das auch als Pharaonsratte bezeichnete Tier, das in der Nähe des Wassers lebt (die zahlreichen antiken Belege, darunter Ps.-

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Oppian cyn. 3,407–432 [der deswegen nicht, wie Keydell, Oppian, RE XVIII 1,705. 707 meint, von Nemesian gelesen sein muß] sind bei Pease zu Cic. nat. deor. 1,101 gesammelt); in der lateinischen Dichtung wird es nur noch Mart. 7,87 erwähnt und als perniciosus bewertet. 55 inter harundineas segetes Seges gilt in der Regel Kulturplanzen, so daß übertragener Gebrauch vorliegt. Die erste Vershälfte begegnet auch noch bei Aus. Cup. cruc. 6 (Wagner 62). felemque minacem Feles ist hier die nordafrikanische Wildkatze (Keller I 64ff.): „Das Beiwort ‚dräuend‘ paßt vortrefflich auf die grimmig sich wehrende Wildkatze. Auch die Fabel bei Phaedrus II 4 läßt eine Deutung auf die Wildkatze zu: Adler, Wildschwein und feles wohnen in und auf und unter derselben hohen Eiche“ (Keller I 65). Heinsius’ Vorschlag melemque ist abzulehnen, da neben ichneumon nicht der Dachs, sondern ein typisch afrikanisches Tier zu erwarten ist. Auch stellt minax kein passendes Attribut für meles dar. Im übrigen wird nicht der Dachs, aber sehr wohl die Katze auf Bäumen erlegt. 56 praefigere telis Das überlieferte profigere ist nicht belegt; die Herausgeber lesen in der Regel mit Sannazaro praefigere (mit telis als Dativ, wie in ThLL X 2,633,72 eingeordnet). Johnsons perfigere bleibt gegenüber dem plastischen praefigere blaß. Telis ist Sannazaros Emendation für überliefertes olis (A) bzw. tolis (B). Baehrens’ Alternativvorschlag contis ist freilich nicht auszuschließen, zumal der Begriff, der einen zum Stoß bestimmten Jagdspieß bezeichnet, bei Grattius 117 als Jagdinstrument belegt ist. 57 implicitumque sinu Ein ovidischer Halbvers: ars 1,561, wobei sinus hier als cyneget. terminus den Bausch eines Fangnetzes bezeichnet (OLD 7b; Gratt. 29). Housmans Übersetzung ‚carry home the prickly hedgehog wrapped in one’s bosom‘ (Cl. Pap. III 1242; schon erwogen von Barth und wiederbelebt von Green 31) ist zu Recht von Williams zurückgewiesen worden; falsch auch ‚entwined in the convolution of its prickly body‘ (Duff-Duff) bzw. ‚erem sinu spinosi corporis implicitum‘ (Barth, Stern). erem Vor Nemesian nur Plaut. Capt. 184 i modo, uenare leporem: nunc irim tenes belegt. Der Igel war eine gesuchte Beute, da sein Fell zur Tuchproduktion gebraucht wurde: „Darum freut sich bei Nemesianus der Jäger, wenn er

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einen Igel als Beute heimbringen kann“ (Keller I 18; Hünemörder, DNP V 923). 58 ferre domum Cynegetisch schon bei Ov. met. 12,353f. prensos montibus ursos / ferre domum. 58b-62 Den Abschnitt beschließt eine nautische Allegorie, deren Auflösung im Grundsätzlichen wie im Detail zu tlw. absurden Mißdeutungen geführt hat. Absonderliche, die Topik der von E. R. Curtius 138ff. (vgl. auch G. Lieberg, Seefahrt und Werk, GIF 21 [1969], 209–240) vielfach belegten Metaphorik verkennende Theorien, wonach Nemesian hier auf weitere Gedichte wie etwa auf im Entstehen begriffene ‚Nautica‘ anspiele (so im Ansatz schon vertreten von Schanz-Hosius III 31 und Lenz 280; ganz verfehlt Verdière 18), scheitern schon, wie Schetter 180 in aller Klarheit dargelegt hat, an der Grammatik, da dum mit den Praesentia dat, linquit und audet die gleichzeitige Handlung im Nebensatz bezeichnet: Das kleine Schiff, das die Segel zu großer Fahrt setzt, steht für die ‚Cynegetica‘ (die starke Interpunktion nach 60 remis bei Williams ist, wenn es sich nicht nur um einen Lapsus handelt, verfehlt). Die gefährliche Fahrt auf dem offenen Meer wird auf kleinem Schiff unternommen, weil das Lehrgedicht in der Hierarchie der Gattungen noch nicht den gleichen Rang wie das Epos beanspruchen kann. Ein Anspruch auf gleiche Geltung wird pace Küppers 492 nicht erhoben (ungeachtet der richtigen Beobachtung, daß Nemesian die üblicherweise das Epos kennzeichnende ‚Hohe See‘ als Ort der Lehrdichtung reklamiert). Der Fahrt zur See unter Segeln (uelis), den ‚Cynegetica‘, steht die unter Ruderschlag (remis) verlaufende gefahrlose Fahrt entlang dem Ufer (59bf.) und allein Buchten querend entgegen, die gemäß der Topik ein in der Gattungshierarchie niedriges Werk bezeichnet. Gemeint sind folglich die ‚Bucolica‘, so daß, wenn man die Ankündigung des zeithistorischen Epos in 63ff. dazunimmt, von einem Werkprogramm die Rede ist, das in Abfolge und Gehalt die vergilische Werkchronologie mit den Gattungen Bukolik, Lehrdichtung und Epos wiederholt. Wie im Falle der Wagen- und Wegemetapher zitiert Nemesians Schiffahrtsmetapher eine Vielzahl klassischer Ausführungen: Die Basis bildet die gleich zweimal in 58b und 61 genutzte Aussage aus dem Prooem des 2. Buches der vergilischen ‚Georgica‘ (2,41ff.);

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Maecenas, pelagoque uolans da uela patenti ades et primi lege litoris oram in manibus terrae

Centoartig ist der locus classicus, wie Burman, Schetter 180 und ausführlich Küppers 490ff. gezeigt haben, mit Elementen entsprechender Schiffahrtsmetaphern aus Properzens Programmelegie 3,3 22

non est ingenii cumba grauanda tui. alter remus aquas, alter tibi radat harenas: tutus eris; medio maxima turba mari est

und Statius (silv. 4,4,99f.) dic, Marcelle, feram? fluctus an sueta minores nosse ratis nondum Ioniis credenda periclis?

ausgestattet. Rezipiert wird aber v.a. eine entsprechende Partie Ovids, der in seinem Prooem zum zweiten Buch der ‚Fasti‘ sein gattungshierarchisch bedeutenderes Kalendergedicht von der früheren Liebesdichtung (‚Amores‘, ‚Ars‘ etc.) absetzt (fast. 2,3f.): nunc primum uelis, elegi, maioribus itis: exiguum, memini, nuper eratis opus.

Vielleicht hat auch Pseudo-Seneca (H. O. 694ff.) nachgewirkt, mag auch dort die Schiffahrtsallegorie nicht der Dichtung gelten, sondern existentiell gefaßt sein: stringat tenuis litora puppis nec magna meas aura phaselos iubeat medium scindere pontum: transit tutos Fortuna sinus medioque rates quaerit in alto, quarum feriunt sipara nubes.

Ihrerseits wurde die nemesianische Allegorie von Claudian im Vorwort von ‚De raptu Proserpinae‘ genutzt, der sie wieder dem Epos zurückgewinnt (5ff.) tranquillis primum trepidus se credidit undis litora securo tramite summa legens; mox longos temptare sinus et linquere terras et leni coepit pandere uela Noto; ast ubi paulatim praeceps audacia creuit cordaque languentem dedidicere metum, iam uagus inrumpit pelagus caelumque secutus Aegeas hiemes Ioniumque domat.

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und von Venantius Fortunatus im Prooem des dritten Buches seiner ‚Martinus-Vita‘: 1 6

hactenus in bibulis fixa stetit anchora terris et pelages rate nauta petit; iam soluo rudentes litus harundineum linquens, leuo carbasa uentis. ante per Hadriacas spumas dare uela uidebar turbine raptus aquae per murmura rauca fragoris cum duce Sulpicio, bene cuius ab ore uenusto Martini sacros dulcis stilus edidit actus: quos ego sub geminis claudo pede curro libellis.

talique placet dare lintea curae Tali curae faßt den zuvor skizzierten poetischen Stoff zusammen, während cymbae (Heinsius; cumbae Postgate) neben tali inhaltlich unpassend wäre; auch ein allgemeiner zu tali passender Begriff für den Weg wie etwa der Dativ cursu (Baehrens) oder gyro (Damsté) ist unnötig, da cura seit Prop. 2,1,26 Caesare sub magno cura secunda fores bestens, wie Williams betont, im Sinne von carmen belegt (ThLL IV 1463,71ff.) und hier speziell mit ‚Sujet einer Dichtung‘ wiederzugegeben ist (s. McKeown zu Ov. am. 1,3,16; vgl. Aetna 24 ignotas molimur pectore curas). Als inhaltlich verfehlt muß Heinsius’ Alternativvorschlag parilique (sc. curae) für talique gelten, eine willkürliche Änderung, die einen schiefen Gedanken ergäbe. Mit placet wird die in 13f. insistere prato / complacitum, rudibus qua luceat orbita sulcis gestellte Frage nach dem Thema der Lehrdichtung endgültig beantwortet. Dare lintea ist Tessera aus Verg. Aen. 3,686 certum est dare lintea retro (an gleicher Position; sonst u.a. Hor. epod. 16,27; Prop. 3,4,7 mit Fedeli), welche die Metaphorik des in 61 zitierten Verses georg. 2,41 pelagoque uolans da uela patenti spiegelt. 59f. dum non magna ratis, uicinis sueta moueri / litoribus Die Metapher wurzelt in Verg. georg. 2,44 primi lege litoris oram, kombiniert mit Stat. silv. 4,4,99f. fluctus an sueta minores / nosse ratis nondum Ioniis credenda periclis? Johnsons cum für das tadellose dum ist wohl unnötig: Die Überlieferung dum non wird auch als Anverwandlung des nondum aus der statianischen Vorlage geschützt. Zu moueri, mediopassivisch bezüglich Schiffen, führt Williams Liv. 37,29,2 und Sil. 6,512f. uinclis resoluta moueri / paulatim et ripa coepit decedere puppis an. 60 percurrere remis Die Klausel nach Verg. Aen. 5,222 currere remis. Percurrere auf Schiffe bezogen stellt eine singuläre Raffinesse dar.

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61 nunc primum Nach Ov. fast. 2,3 nunc primum uelis, elegi, maioribus ite (s. Einl. zu 58b–62). dat uela Notis Vgl. Ov. epist. 3,58 te dare nubiferis lintea (s. 58) uela Notis. Notos ist der gefährliche, von Seeleuten gefürchtete Südwind (vgl. W. Capelle, Notos, RE XVII 1,1116ff.), der hier ganz horazisch in der Adria wütet: carm. 1,3,14ff. rabiem Noti, / quo non arbiter Hadriae / maior (und 3,3,4f.). portusque fideles / linquit Linquere hier nicht wie üblich ‚vorbeisegeln‘, sondern wie bei Verg. Aen. 3,124 linquimus Ortygiae portus ‚aufbrechen‘. Die Junktur portus fidelis scheint nur Ov. trist. 4,5,5 portus aperire fideles belegt zu sein. 62 Hadriacas … procellas Natürlich keine konkrete Reiseroute gen Rom, wie manche annahmen, sondern sprichwörtlich für ein gefährliches Revier: Fordyce zu Catull. 4,6f.; Nisbet-Hubbard zu Hor. carm. 1,16,4 und Partsch RE I 417ff., v.a. 418,60ff. audet temptare: Versatzstück aus Verg. georg. 3,77f. primus et ire uiam et fluuios temptare minacis / audet (die Verbindung selbst ist öfter belegt; z.B. Prop. 2,19,21). Barth will tranare in seinem ‚vetus liber‘ gelesen haben.

63–75 Ankündigung eines panegyrischen Epos Der Schiffahrtsallegorie, in der die ‚Cynegetica‘ als zweite Dichtung innerhalb der Werkchronologie bezeichnet werden, folgt die Ankündigung eines panegyrischen Epos, das den Kriegstaten der jungen Augusti an den Nord- und Ostgrenzen des Reiches gelten soll. Strukturell liegt für den Abschnitt wiederum die entsprechende Ankündigung eines Octavian-Epos im Prooem des 3. ‚Georgica‘-Buches zugrunde. Der Referenztext wird zum Auftakt direkt im Sinne eines Schlüsselzitates angeführt, vgl. mit

63f. mox uestros meliore lyra memorare triumphos / accingar 3,46f. mox tamen ardentis accingar dicere pugnas / Caesaris,

und danach wiederholt aufgegriffen: 65f.

atque canam nostrum geminis sub finibus orbis litus et edomitas fraterno numine gentes   .    μ "2 hingewiesen. Somit ist Wernsdorfs Interpretation „poteris e corporibus grauibus uel iis quae praeponderant, praenoscere, qui leues cursu futuri sunt, nempe leviores pondere“, die von vielen späteren Kommentatoren geteilt worden ist, zu verwerfen. Auf Basis von Grattius 298f. illius e manibus uires sit cura futuras / perpensare: leuis deducet pondere fratres (wobei Nemesian dessen leuis als Akkusativ versteht [Housman, Cl. Pap. III 1225]) wollte Muller 330 bei Nemesian für grauibus ein manibus herstellen, wodurch aber die schon von Enk zu Grattius loc. cit. gewürdigte, gesucht oxymoronartige Iuxtaposition leues grauibus aufgehoben würde. Mit perpendere, das in der Lehrdichtung seit Lukrez 2,1042 beheimatet ist, ersetzt Nemesian in klassizistischem Bestreben die grattianische Neuprägung perpensare, die ansonsten nur noch vereinzelt in der spätantiken Prosa begegnet. Leues … cursu ist eine vergilische Verbindung: Aen. 12,489 (Messapus) leuis cursu. Die B-Lesart cursus (schon vor Auffindung von B von Ulitius konjiziert) ist sachlich wenig prägnant. Zur Feuerprobe 140ff. hatte Barth (Adv. 803f.) auf Demetrios Pepagomenos 2 (ap. Aelian. n.h. II 588,11ff. Hercher) verwiesen: E;   !«  6« 2« » , D« 06« 3. φ ( 2   « $ μ   Ρ  φκ B 4«, ξ« >     B 2  , κ ξ 2  ;) . Dφ  ξ μ   2 ) , λ π C9 « μ   =φ  , $  κ 2, λ C9 « Ρ ; $>  B

μ« κ φ"  $ > φ )    ; .   ξ φ  )    )  λ   > "  λ  . 140 quin et „dichterisch seit Verg. und Hor.“ (H-S 677), hier „abgeschwächt zwecks Einführung eines bedeutsamen neuen Gliedes bei Aufzählungen“ (ebd.): ThLL V 2,945,46ff. flammato ~ ‚flammeo‘, ‚ardenti‘, der erste und neben Fulg. aet. mund. 175,19 H. flammato fulgore einzige Beleg für adjektivisches flammatus sensu proprio (ThLL VI 1,874,72ff.). 141 circuitu seit Vergil Aen. 3,413 ist dieses den sermo pedester atmende Nomen dichterisch, aber selten belegt (ThLL III 1103,3ff.). signet habilem uapor igneus orbem Das von C ergänzte

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signet (signet  Ald.) haben auch unabhängig Scaliger und Pithou hergestellt. Habilis ~ ‚apta magnitudine‘ (ThLL VI 3,2465,8). Der zweite Teil des Verses entstammt Stat. Theb. 4,471 (von den Augen des Tiresias) impletque cauos uapor igneus orbes (die Klausel igneus orbem ist seit Verg. georg. 4,426 geläufig). 142 impune ut medio possis consistere circo Heinsius’ und Johnsons ut (in ) ergibt erst den rechten Sinn, da die Aussage nur als Absichtssatz, nicht als Fortführung der Iussive zu fassen ist; Greens Zweifel (31) sind somit unberechtigt. Zur Verschreibung vgl. Sen. Thy. 148 ut strueres A: instrueres (E; Zwierlein Krit. Komm. 491. 493f.). Impune ~ ‚sine periculo‘. Zur Klausel vgl. Iuv. 9,144 clamoso insistere Circo. Consistere ~ ‚commorari‘, mit dem bloßen Abl. fast nur dichterisch seit Verg. Aen. 1,226 (ThLL IV 463,79ff.). Obgleich Nonius definiert circus dicitur omnis ambitus uel gyrus (p. 30,23 L.), ist der Gebrauch im Sinne von orbis, circulus auf astronomische Kreise beschränkt. Unsere Stelle ist neben einer Perikope aus der Basilius-Übersetzung des Eusthatius der einzige Beleg ‚cuiuslibet rei‘ (ThLL III 1184,25). Zum Attribut vgl. Verg. Aen. 5,109f. circoque locantur / in medio. 143f. huc omnes catuli, huc indiscreta feratur / turba Anaphorisches huc ist geläufig (ThLL VI 3,3071,4ff.), in Verbindung mit omnes schon Prop. 3,18,21 huc omnes, huc primus et ultimus ordo. Zu indiscreta vgl. Verg. Aen. 10,391f. simillima proles, / indiscreta suis. Zum Hiat s. 71. 144 examen ~ ‚examinatio‘, ‚iudicium‘ seit Stat. silv. 3,3,203 longaeque examina uitae, aber ansonsten prosaisch (ThLL V 2,1164,56ff.), in Verbindung mit dare analog zu dare iudicium. Die Konjektur examine der Ald. in der Abtrennung dabit mater partus examine honestos (wie Heinsius’ examini) ist schon aus metrischen Gründen bedenklich: Eine Synaloephe begegnet in der Klausel nur dreimal (s. zu 199). Scaliger und Barth stellen mit examen honesti hinsichtlich examen konjektural den Wortlaut der Überlieferung her – der Ablativ galt zu ihrer Zeit als textus receptus –; der Genitiv honesti aber basiert auf freier Erfindung, wonach die ‚Editio Germ.‘ den Vers 145 nicht böte. Auch Heinsius’ Alternativvorschlag matris partus examen honestos ist unnötig. honestos ~ ‚generosos‘, bzgl. Tieren nur noch Colum. 6,29,1 haec erunt honesti animi documenta (vom Pferd): ThLL VI 3,2909,70ff.

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145 iudicio natos seruans trepidoque periclo Der Vers hat Probleme aufgeworfen, so daß Barth ihn unter Berufung auf seinen ‚vetus codex‘ auslassen wollte: Gilt periclo den catuli oder ihrer Mutter? Scaliger ändert zu exitio (sachlich falsch indicio B; von Barth konjiziert). Aber auch trepidoque ist verdächtigt worden: Burman (und Postgate) lasen trepidansque, während Baehrens’ trepidosque den Beifall von Martin, Volpilhac und Mastrorosa (452 Anm. 20) gefunden hat. Üblicherweise verbindet man iudicio und periclo zeugmatisch, entweder ‚saving them by her judgment and from the danger‘ (Martin) oder ‚preserving the best ones by her judgment and in the face of alarming peril‘ (Williams); aber dies scheint reichlich gewunden. Näher liegt es vielleicht, beide Ablative parallel auf die Probe seitens der Mutter zu beziehen, periculum also schlicht gemäß seiner Grundbedeutung im Sinne von experimentum, probatio zu fassen. Zu seruare mit einem nicht separativen periculo verweist Beck auf Cic. dom. 93 ego respondere soleo meis consiliis, periculis, laboribus patriam esse seruatam. Ebenso irrt die communis opinio in der Auffassung von trepido: Denn weder die Kinder (so an sich richtig Williams) sind ängstlich noch ist es die Mutter, vielmehr agiert die Mutter ‚in erregtem Eifer‘ (OLD 3a) in ihrem Bestreben, nacheinander den jeweils Edleren aus dem Feuerkreis zu retten: Man vergleiche Servius zu Verg. Aen. 4,642 at trepida et coeptis immanibus effera Dido] trepida i.e. festina, nam moritura nihil timebat. Shackleton Bailey schließlich will ohne nähere Begründung für seruans ein cernens (~ ‚discriminating‘) herstellen (1978, 321 unter Hinweis auf ThLL III 864,57). Indes gibt es keinen Grund an honestos … seruans zu zweifeln, zumal die Verbindung seruans periclo (i.e. probatione [!]) ein glänzendes Aprosdoketon ausmacht. 146 postquam … uidet Postquam (~ ‚sobald als‘) verbindet sich bei den verba videndi gerne mit dem Praesens: H-S 598 (e.g. Ov. met. 2,403f. postquam … uidet; ThLL X 2,250,61ff. mit Beispielen für uidere). germina Erster Beleg für den rein spätantiken Gebrauch ‚de animalibus‘ (ThLL VI 2,1923,80 bzw. 28). Titius’ pignora ist trivial. 147 saltu transcendens steht für transsiliens; ohne saltu begegnet transcendere dann in dieser Bedeutung 308 transcendere saeptum.

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148 rapit rictu primum portatque cubili Vgl. Plin. nat. 8,62 optimus in fetu, qui nouissimus cernere incipit, aut quem primum fert in cubile feta. Primum ~ ‚honestissimum quemque‘ (OLD 14), nicht ‚principem et praestantissimum‘ (Wernsdorf). Cubili ist, wie die Plinius-Partie ausweist, fachsprachlicher t.t. für ‚Zwinger und Schlafstätte‘: (ThLL IV 1271,79ff.) und hier als Dativ des Ziels aufzufassen. Wölfflins Wiedergabe als separativer Ablativ ‚sie trägt ihn vom Lager fort‘ (ALL 2 [1885], 252) beruht auf einem Mißverständnis. 149 mox … mox deinde Neben Cyn. 286ff. einziger Dichterbeleg für die Anapher von mox (ThLL VIII 1550,1ff.; Wölfflin ALL 2 [1885], 252); mox deinde ist nicht nur prosaisch seit Livius nachgewiesen, wie ThLL VIII 1549,66ff. nahelegt, sondern dichterisch seit Tibull 1,5,73 und Ov. met. 9,143. conscia mater Die Versklausel schon Stat. Theb. 7,511; conscia (prädikativ) bezeichet hier erlesen die bewußte Entscheidung der Mutter, ein Gebrauch, der vor Nemesian in der Dichtung bei Prop. 3,15,5 (aber umstritten) und Val. Fl. 3,301 belegt ist (ThLL IV 373,43ff. ‚bene sciens‘, ‚peritus‘). Seine Begründung erfährt conscia durch das nachgestellte uirtutis amore. Die dreifache Katachrese schafft das genrehafte Bild einer anthropomorphen Natur. 150 segregat egregiam subolem Etymologisches Wortspiel: Paul. Fest. p. 21,22L. egregius dicitur e grege electus, v.a. Aug. serm. 169,3,5 egregius quasi e grege separatus; bzgl. Hunden scheint egregius ansonsten nur Gratt. 181 egregios … Molossos nachgewiesen. uirtutis amore Eine beliebte Klausel seit Hor. epist. 1,16,52 und Stat. Theb. 4,128, die hier unter weitgehender Wahrung ihrer ethischen Konnotation auf die Tierwelt übertragen ist. Virtus bezeichnet bei Nemesian allgemein ‚Tüchtigkeit‘, ‚Tauglichkeit‘, ‚Charakter‘ (183 cursus uirtute parem, 188 emeritae laudem uirtutis amare, 250 uirtusque artus animosa fatigat, 281 quaecumque suis uirtus bene floruit annis); dieser auf Tiere übertragene uirtus-Begriff, der im Lateinischen erst seit Grattius belegt ist (Eisenhut 119f. und Index s.v. ‚Tiere‘), dokumentiert nicht, daß dadurch „das Gefühl der Zusammengehörigkeit von uirtus und uir verblaßt war“ (Eisenhut 120), vielmehr nutzt Nemesian bewußt den uirtus-Begriff im Kontext weiterer Katachresen, um eine Antropomorphisierung zu gestalten.

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151–178 Fütterung 151 genetrice simul „Simul mit Abl. … dichterisch seit Hor. sat. 1,10,86 simul his und Ov. trist. 5,10,29 simul nobis“ (H-S 272) ist zu relativieren: Auch Verg. Aen. 5,357 simul his dictis (und Sall. Iug. 65,5) kennen die Konstruktion: OLD 12. Genetrix ‚de bestiis‘ ist seit Ciceros Übersetzung von Hom. Il. 2,315  (carm. frg. 23,15 Bl.) belegt (prosaisch vor Nemesian nur Plin. nat. 18,139): ThLL VI 2,1822,77ff. iam uere sereno / molli pasce sero Ein Wortspiel gewonnen aus der Verbindung von Verg. georg. 1,340f. iam uere sereno. / tum pingues agni et tum mollissima uina und georg. 3,405f. Molossum / pasce sero pingui. Dioscorides 2,71,1 und Colum. 7,12,10 empfehlen ebenfalls die Molke als Nahrung für die catuli, während Xenophon cyn. 7,4 und Arr. cyn. 30,1 nur allgemein Milch anraten. Mollis geht auf Geschmack und Duft der Molke wie Cels. 4,7,4 molles et non acres cibi und Plin. nat. 28,72 de lactis usu conuenit dulcissimum esse mollissimumque (ThLL VIII 1380,43ff.). 152f. passim nam lactis abundans / tempus adest Rezipiert wird die vergilische Klausel ecl. 2,20 niuei quam lactis abundans, wobei für das etymologische Wortspiel statt des Attributs das folgende Praedikat albent eintritt: lac uim nominis a colore trahit, quod sit albus liquor, μ« enim Graece album dicunt (Isid. orig. 11,1,77); kombiniert ist diese Klausel mit Elementen aus Aen. 12,96 nunc tempus adest. Passim hier ~ ‚abundanter‘, ‚large‘ gemäß spätkaiserzeitlichem Gebrauch (ThLL X 1,614.70ff.) in Verbindung mit abundans also pleonastisch expressiv, die Hyperbel albent … ouilia vorbereitend. Gegen Heinsius’ Konjektur passi (in der vor Ulitius üblichen Abtrennung pasce sero: passim etc.) hat Burman schon vorgebracht, daß gewiß lacte … passo in Ov. met. 14,274 der Käseherstellung gelte, aber man einen Hund nicht mit Käse füttere. albent plenis et ouilia mulctris Volle Melkkübel liebt die Georgik und Bukolik zu preisen (Verg. georg. 3,309 quam magis exhausto spumauerit ubere mulctra; Calp. ecl. 5,33 tumidis spument tibi mulctra papillis und Nemesian selbst ecl. 2,36 nosti numquam mea mulctra uacare), hier wirkt die Hyperbolik geradezu übertrieben. 154 cibo Cererem cum lacte ministra Cibo ist hier nicht mit sero (152) zu identifizieren (‚add to their food bread with milk‘ Duff-Duff), wie viel-

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leicht 175f. tunc rursus miscere sero Cerealia dona / conueniet nahelegen könnte, sondern als Dativus finalis (so ThLL VIII 1018,84 bzw. 1019,13 und Williams) zu fassen: Unter die Molke noch Milch (cum lacte Cererem) zu geben, schiene reichlich seltsam. Eingriffe wie cibos (Heinsius), tepido (Stern), nouo (Baehrens) oder ultro (Damsté 307f.) sind überflüssig. Eine ähnliche Anweisung lesen wir bei Varr. rust. 2,9,10 panem hordeacium dandum, ut non potius eum in lacte des intritum; Colum. 7,12,10 und Grattius 307 lacte nouam pubem facilique tuebere maza: Nemesians Wahl von Cererem statt maza zeigt sein klassizistisches Bestreben. 155 fortibus … sucis Ähnlich 176 fortem … de frugibus escam. Dieser Gebrauch von fortis ist dichter- wie fachsprachlich (ThLL VI 1158,73ff.). teneras complere medullas Formelhaft, vgl. Ov. am 3,10,27 tenerae … rapuere medullae und Lucan. 4,318 tenera sucos pressere medulla. 156 ualidas iam tunc promittere uires Zugrunde liegt Stat. Ach. 2,57 (vom kleinen Achill) iam tunc promitteris armis. Schon Lucr. 5,886 hat die alliterierende – und pleonastische – Verbindung ualidae uires genutzt, die hier gesperrt vor Penthemimeres und Versende eingesetzt wird. 157f. sed postquam Phoebus candentem feruidus axem / contigerit Nach Germ. 150f. hunc (sc. Leonem) ubi contigerit Phoebi uiolentior axis, / accensa in Cancro iam tunc geminabitur aetas, nicht Val. Fl. 3,481f. iam summas caeli Phoebus candentior arces / uicerat (so Martin und Volpilhac), wobei hier candentem … axem nach Ov. met. 2,297 uixque suis umeris candentem sustinet axem (sc. Atlas) das Himmelsgewölbe bezeichnet (s. Le Boeuffle 1987, 70). Candentem ‚glühend‘ gilt der Temperatur der Sommerzeit (als astron. t.t. Le Boeuffle 1987, 79f.), hier expressiv neben das synonyme feruidus (vgl. Le Boeuffle 1987, 135) gestellt. postquam ~ ‚quotiens‘ (ThLL X 2,246,53ff.), mit Futur II gemäß der Germanicus-Vorlage (vgl. auch zu 123). contigerit Zu tangere und seinen Komposita als astron. t.t. Le Boeuffle 1987, 257. 158f. tardasque uias Cancrique morantis / sidus init Als Periphrase der Zeit vom 19. Juni bis zum 19. Juli des solstitium (Le Boeuffle 1987, 79),

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vgl. Vitr. 9,3,1 geminis cum init ad cancrum (sc. sol), Germ. 6 qua sol ardentem Cancrum … ambit und v.a. Manil. 1,568ff. alter ad extremi decurrens sidera Cancri, / in quo consummat Phoebus lucemque moramque / tardaque per longos circumfert lumina flexus und 3,646 Phoebum repetentem sidera Cancri (vgl. auch Germ. 88 si Venus ingressa est spatiosa sidera Cancri). Zu tardus als dichterischem astronomischen terminus Le Boeuffle 1987, 257; für transitives inire vgl. Ov. fast. 5,617 Taurus init caelum (zum t.t. selbst Le Boeuffle 1987, 156); zum kontrahierten Perfekt ThLL VII 1,1294,77. Sidus bezeichnet hier die ‚Konstellation‘ (OLD 5a „as marking the progression of the seasons“), Le Boeuffle 1977, 17ff. minuisse saginam Dieser Gebrauch von minuere ist fachsprachlich: e.g. Cels. 5,26,35B (ThLL VIII 1036,24); sagina begegnet in der klassischen Dichtung mit Ausnahme von Prop. 4,8,25 und Iuv. 4,67 nicht. 160 profuerit Noch einmal in cyn. 201 unguere profuerit als Anweisung benutzt nach Verg. georg. 1,451 profuerit meminisse. Perfektisches profuisse ist medizinisch t.t. für die Wirkung eines Heilmittels: Adams 470f. magis ~ ‚potius‘: H-S 166.498. cibatus ‚de bestiis‘ fachsprachlich, in der Dichtung sonst nur Lukrez 6,1127 (ThLL III 1037,6ff.). 161 ne grauis articulos deprauet pondere moles Die Konjektur molles (Ald.) ist schon deshalb verfehlt, weil ein rechtes Bezugswort zu grauis fehlt, geht doch ein pluralisches cibatus voraus. Grauis moles von Tieren wie Flor. epit. 1,18,12 (ThLL VIII 1344,80ff.). Der Versschluß pondere moles ist episch: Lucan. 8,866; Sil. 3,643 (pondera molis Calp. 1,84). Articulos ist fachsprachlich (ThLL II 692,62ff.; André 1991, 79; Adams 549f.), wobei hier nicht nur an die Gelenke, sondern auch, wie aus 162f. hervorgeht, an die Vorder- und Hinterläufe gedacht ist. Abgesehen von Ter. Phorm. 697 stellt unsere Partie für deprauet den frühesten Dichterbeleg dar, hier tiermedizinischer t.t. ‚de partibus corporis morbidis‘ (ThLL V 595,26ff.). 162 membrorum nexus nodosque relaxant Erste Definition von articulos 161 (vgl. Plin. nat. 11,217 nodosque corporum qui uocantur articuli; André 1991, 79f.); membrorum nexus ist fachsprachlich (Plin. nat. 7,3; an-

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sonsten [Cypr.] gen. 1038, in alliterierender Verbindung mit nodos bei [Tert.] adv. Marc. 5,16 nexus nodosque resoluit). Die Klausel ist lukrezisch (6,878). Ulitius verweist zu Recht auf Xen. cyn. 7,4 ¹ > "! λ     φ   >  . 163 infirmosque pedes et crura natantia ponunt Die zweite Definition von articulus 161. Natantia (A: nutantia [A2B und Pithou konjektural ist unmetrisch, weshalb Barth zu crura et nutantia umstellen wollte; micantia [Withof] unter Hinweis auf Ov. met. 9,137 ist hier unpassend) in Verbindung mit crura in Ov. met. 14,551 in digitos abeunt et crura natantia remi belegt (zum Bild vgl. Stat. Theb. 6,841f. effusaque sanguine laxo / membra natant). Zu crus als t.t. Adams 395f., zur Verbindung mit ponere vgl. Verg. georg. 3,76 (pullus) altius ingreditur et mollia crura reponit. 164 niueis armantur dentibus ora Nach Ser. med. 1030 niueis cum dentibus armat, kombiniert mit der lukrezischen Klausel dentibus ora (4,1109). Natürlich ist Serenus der Gebende, Nemesian der Nehmende: Die von Smolak-Fischer (HLL V 319) erwogene These, daß Serenus Nemesian rezipiere, ist für diese Stelle von Phillips 557ff. widerlegt worden (Serenus folgt Lukrez) und berücksichtigt nicht die anderen Serenus-Zitate bei Nemesian. 165 sed neque Als Vers- und Satzanfang von Vergil georg. 2,103 in die Lehrdichtung eingeführt. conclusos teneas neque uincula collo / … circumdederis Pastiche aus Ov. met. 1,631 claudit et indigno circumdat uincula collo (von Argus, der Ino bewacht). 166 impatiens Üblicherweise werden – wie im Vorbild bei indigno – die Träger der Fessel mit diesem Attribut versehen, hier ist singulär, der Parallelität zu imprudens 167 wegen, derjenige, der die Kette anlegt, als impatiens ~ ‚voller Ungeduld über die langsame Entwicklung der catuli‘ (i.e. temere) bezeichnet. 167 cursibus Gemäß 106 elige tunc cursu facilem. remotis Selten für ‚eingesperrt‘; Damstés (308) remotas (sc. trabes) ist ein absurder Einfall.

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168 aut uexare trabes laceras aut mandere ualuas Gegen das von Heinsius (zu Ov. met. 3,89) geforderte mandere ist das überlieferte pandere von den Tierfreunden unter den Kommentatoren mit dem Hinweis verteidigt worden, daß der eigene Foxterrier in der Lage sei, Türen zu öffnen, bzw. daß pandere ualuas eine bereits von Pacuvius genutzte Junktur darstelle oder daß Nemesian hier Persius 4,36 pandere uuluas abwandelnd zitiere. Verkannt wird, daß nicht die Fähigkeit zu solchem Tun infrage steht, sondern die Verletzungsgefahr bei zu oft eingesperrten Tieren Nemesians ausschließliches Thema darstellt: Beschädigte Zähne (170) und abgebrochene Nägel an den Pfoten (171) werden nicht durch Öffnen des Zwingers (!), sondern durch Beißen (mandere Heinsius) hervorgerufen. Im übrigen ist eine Tür nicht lacer, wenn man den Riegel öffnet. Laceras mit Burman als Epitheton ornans zu verstehen (‚quae rimosae sunt et hiantes‘) ist nur hilflose Ausflucht. Das proleptische laceras, für das Williams Ov. met. 11,509 cum laceras aries ballistaue concutit arces vergleicht, ist nicht nur zu ualuas (so die meisten Interpreten) oder zu trabes (so Ulitius) zu beziehen, sondern gilt beiden Nomina. 169 mens erit mens est mit Infinitiv ist ovidische Prägung und bleibt rein dichtersprachlich (ThLL VIII 726,51ff.). Der Versauftakt mit mens erit speziell gemäß Ov. ars 1,359. et teneros torquent conatibus artus Pastiche aus Ov. am. 2,4,30 et tenerum molli torquet ab arte latus und epist. 20,117 parce precor teneros corrumpere febribus artus (an gleicher Position; die Junktur selbst ist gewiß häufiger belegt, e. g. Gratt. 290). Conatus ~ ‚impetus‘ wie Varro rust. 3,12,3 arbores … aquilae impediant conatus. Es besteht kein Grund, et durch at (Burman) oder ah (Barth auf Basis seiner ‚Editio Germanica‘, die a bieten soll) zu ersetzen. 170f. obtunduntue nouos adroso robore dentes / aut teneros duris impingunt postibus ungues Nach Stat. Theb. 10,47f. duris adfrangunt postibus ungues / pectoraque, et siccos minuunt in limine dentes (sc. lupi). Nemesian erweitert die Vorlage um lautmalerische Phänomene und oxymoronartige Iuxtapositionen nach der Art von Prop. 3,7,48 duro teneras laedere fune manus. Es scheint trotz des Vorbildes nicht notwendig, das tadellose impingunt (vgl. Lucan. 5,208f. pectore uatis / impactae cessere fores oder Vulg. I Sm 21,13 impigebat [sc. Dauid] in ostia portae) zugunsten von

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infringunt (Heinsius ad Ov. met. 3,89; vgl. Hor. epod. 11,22 limina dura, quibus lumbos et infregi latus) zu verschmähen: Williams verweist zu Recht auf Plin. nat. 8,8 inpactos arbori frangunt (sc. dentes elephanti), zumal inpingere so wie infringere durchaus im Sinne von laedere gebraucht werden kann: ThLL VII 1,617,10. Die üblicherweise Johnson zugewiesene Konjektur infigunt ist bei Johnson bloße Paraphrase, nicht Lesart. Der Dichter exzelliert in Onomatopoiie und Paronomasie: Adrodere ist rein prosaisch, wenn man von sprichwörtlichen Redensarten absieht. 172–176 Der Satz, der innerhalb des Komplexes ‚Aufzucht‘ eine neue Altersstufe einleitet, ist gemäß der allgemeinen Einleitung 157ff. postquam … contigerit … tunc minuisse saginam profuerit tenuesque magis retinere cibatus … nam tum … gebaut: mox cum spectauerit – tunc rursus … fortemque dari de frugibus escam … tunc geformt. 172 mox cum iam Mox cum wie in 123 zur Einleitung einer neuen Alterstufe, hier nach Verg. Aen. 12, 438 mox cum matura adoleuerit aetas. Die überlieferte Wortfolge mox iam cum hat schon die ed. Ald. geändert, da iam zu ualidis gehört. ualidis insistere cruribus In Antithese zu 163 infirmosque pedes et crura natantia ponunt; insistere mit Abl. instr. cruribus ist prosaisch: Plin. nat. 34,56; Mart. Cap. 6,712 (ThLL VII 1,1923,68). 173 quater binos uoluens ab origine menses Bini in Verbindung mit dem Quotientivum quater begegnet seit Mart. 9,31,3 luna quater binos non tota peregerat orbes (ThLL II 1997,49). Das feierliche uoluere menses hat im Adoneus des Hymnus Hor. carm. 4,6 seine Parallele: (Noctilucam) celeremque pronos / uoluere mensis (4,6,39f.); vgl. auch Verg. Aen. 1,269f. triginta magnos uoluendis mensibus / orbis imperio explebit. Der Versschluß begegnet schon Ov. fast. 6,75. 174 spectauerit sc. aetas (wie Verg. Aen. 1,265 dum … uiderit aetas). Johnsons Konjektur spectauerit für überliefertes spectaueris (spectaris et Withof, der aber später für Johnsons Konjektur votiert, und unabhängig auch Tross 22) ist syntaktisch notwendig, da ansonsten passa (sc. erit) und spectaueris einen Subjektwechsel in zwei, sogar noch unverbundenen parallelen Nebensätzen mit sich brächte, eine zu Recht von Williams zurückgewiesene Annahme. Spectaueris hingegen mit

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Wernsdorf und Martin als Praedikat der Apodosis zu betrachten, verbietet schon die in 172–176 aufgezeigte syntaktisch parallele Gedankenführung zu 157ff.: Die Apodosis setzt erst mit 175f. tunc rursus (!) miscere sero Cerealia dona / conueniet ~ 159f. tunc consuetam minuisse saginam / profuerit ein. Auch Burmans Versuch, iam – mensis als Parenthese abzutrennen, hilft nicht weiter: cum iam gehört, wie 179 zeigt, zusammen. undique membris Eine lukrezische Klausel: 3,403 circum caesis lacer undique membris. 175f. tunc rursus miscere sero Cerealia dona / conueniet fortemque dari de frugibus escam In Wiederaufname von 152ff. molli pasce sero … interdumque cibo Cererem cum lacte ministra / fortibus ut sucis etc. Für fortemque wollte Heinsius tostisque schreiben, aber fortis ist so tadellos wie in 155. Der Versschluß Cerealia dona ist seit Ov. fast. 6,391 und Sil. 7,183 nachgewiesen (die Junktur an sich auch seit Ov. met. 11,122 häufiger; ThLL Onom. II 343,58). Dare escam ist seit archaischer Zeit t.t.: ThLL V 2,854,67ff. 177f. libera tunc primum consuescant colla ligari / concordes et ferre gradus Bei der Spurensuche, nicht bei der Hatz, wurden zwei Hunde mit der copula, einer kurzen Leine, zusammengebunden (vgl. die Abb. 25 B bei Aymard). In Rezeption von Verg. georg. 3,166ff. ac primum laxos tenui de uimine circlos / ceruici subnecte; dehinc ubi libera colla / seruitio assuerint, ipsis e torquibus aptos / iunge pares, et coge gradum conferre iuuencos kombiniert mit Aen. 3,542 frena iugo concordes ferre unter Nutzung chiastisch gebauter Alliterationen abgewandelt. Consuescere mit Inf. Pass. scheint nur bei Fachschriftstellern zu begegnen: Colum. 6,2,1 uitulos oportet … consuescere manu tractari (ThLL IV 550,39). Ligare ‚unter einer copula / einem Joch vereinigen‘ hat nur bei Sen. Phaedr. 1003 ora frenis domita substrictis ligat und Vulg. Dt 25,4 non ligabis os bouis Parallelen. Libera colla ist natürlich mit Barth Accus. resp., nicht Subjekt. clausique teneri Anders als in früheren Lebensmonaten (167 catulis … saepe remotis etc.) hier ‚eingeschlossen‘, nicht ‚be kept on chain‘ (Duff-Duff; schon von Williams zurückgewiesen). Claudere selbst ist t.t. seit Cat. agr. 124 canes interdiu clausos esse oportet: ThLL III 1308,49ff., in Verbindung mit tenere häufiger (ThLL III 1313,69ff.), hier wohl nach Verg. georg. 3,352 illic clausa tenent stabulis armenta.

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179–192 Dressur 179 iam cum bis denos Phoebe reparauerit ortus Gliedernd in Fortführung der entsprechenden Periphrasen 123 mox cum se bina formarit lampade Phoebe und 157 sed postquam Phoebus etc. Bis denos ist sowohl fachsprachlich (Varro rust. 3,9,10) als auch dichtersprachlich belegt (ThLL V 526,47ff.), bei Nemesian noch ecl. 4,36, und zwar in gleicher Position iam tibi bis denis numerantur messibus annis. Zu reparauerit vgl. Hor. carm. 4,7,13 damna tamen celeres reparant caelestia lunae, Ov. met. 1,11 nec noua crescendo reparabat cornua Phoebe und Aus. ecl. 12,1 bis senas anno reparat Lucina kalendas (vielleicht mit Wagner 63 in Rezeption dieses Nemesian-Verses). Zu ortus als astron. t.t. Le Boeuffle 1987, 206ff. Bis senos will Stern – in Entsprechung zu Xen. cyn. 7,6 und Arr. cyn. 25,1 (bzw. 26,1) – herstellen, aber Nemesians Angaben sind, wie Phillips-Willcock zu Arr. cyn. 25.1 hervorheben, sachlich korrekt und können somit anderen, nicht erhaltenen antiken Quellen verpflichtet sein. 180 incipe Derselbe Versauftakt findet sich noch ecl. 1,3.6 und cyn. 322.323, ein in der vergilischen Bukolik, nicht Georgik wurzelnder Gebrauch. non longo catulos producere cursu Vgl. 253 (von den Pferden) ualent longos pratis intendere cursus. 181 sed bringt mit Williams einen Gegensatz zum Ausdruck (non longo … sed paruae … saeptoue). Damit ist der gegen sed vorgebrachte Einwand von Tross 22f., der seu als Entsprechung zum folgenden ue fordert, gegenstandslos. paruae uallis spatio Zu paruus ‚notioni longitudinis contrariam‘ ThLL X 1,556,16ff. 182 leporem praemitte manu In Dressur auf die eigentliche Jagd werden Hunde früh auf Hasen angesetzt: Xen. cyn. 7,7; Arr. cyn. 25; Varro rust. 2,9,5 (von ehemaligen Jagdhunden) si uiderint leporem … eum potius quam oues sequentur. Praemittere bedeutet hier sowohl ‚vorauslaufen lassen‘ als auch ‚(aus der Hand) loslassen‘ (~‚emittere‘, vgl. Plaut. Persa 435f. citius … fugiunt, quam ex porta ludis cum emissus est lepus). non uiribus aequis Ein vergilischer Versschluß (Aen. 12,218; danach Val. Fl. 5,284), innerhalb des Verses bereits in ecl. 3,60 non aequis uiribus hausit genutzt.

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183 nec cursus uirtute parem Zum uirtus-Begriff Nemesians vgl. zu 150. tarda trahentem / membra Die Alliteration ist in Verg. georg. 3,424 tardosque trahit sinus vorgeprägt, gerade in Verbindung mit dem Enjambement malt die Figur die Langsamkeit der Bewegung aus. 184 queant Im Gegensatz zum vergilischen Gebrauch weder am Versende noch verneint (Norden zu Aen. 6,463; Harrison zu Aen. 10,19 queamus), vielmehr gemäß Lukrez (1,586 et quid quaeque queant). Weitere in der Regel prosaische Belege bei Neue-Wagener 3III 625. iam nunc faciles ut sumere praedas Dieselbe Klausel wie 50 et uarias cupimus facili cane sumere praedas, wobei hier faciles als Attribut zu praedas zu fassen ist. Zum Monosyllabon vor der Hauptzäsur s. zu 16. 185 nec semel ‚nicht auf einmal‘; vgl. OLD 3 ‚once and for all‘, in Antithese zu diu (üblicherweise lautet die Antithese non semel-saepe); ‚regularly‘ (Williams) paßt nicht zu diu. indulge catulis moderamina cursus Mit Heinsius (und Johnson) ist für moderamine der Akkusativ herzustellen, da bei indulgere der Ablativ allenfalls als Abl. limit. verstanden werden könnte (so Bulhart ThLL VII 1,1250,84, wo unsere Stelle singulär neben Praepositionalkonstruktionen firmiert [indulgere ~ ‚coniuere‘, ‚cedere‘, ‚obsequi‘]; modale Auffassung ist mit Williams auszuschließen). Der Akkusativ der Sache moderamina entspricht der üblichen Konstruktion von indulgere und sollte hier mit Johnson im Sinne von ‚freie Verfügungsgewalt über etwas‘ wiedergegeben werden. Williams’ Auffassung ‚regularly give the dogs the control of a run‘, i.e. ‚controlled run‘ ist unbegründet und widerspricht der Antithese non semel – sed diu; auch die Einordnung in ThLL VIII 1204,43 unter der Rubrik ‚de restrictione‘, ‚de actione retinendi‘ ist verfehlt: moderamina ist wie in Vers 267 (equus) paret in obsequium lentae moderamine uirgae ~ im Sinne von ‚actio moderandi‘ zu fassen; so mit Genetiv cursus Avien. Arat. 791f. (Iuppiter) donec … / redderet aetherii Phoebo moderamina cursus. 186 donec ualidos etiam praeuertere suescant Nach Verg. Aen. 7,806f. adsueta … cursu … pedum praeuertere uentos und Stat. Theb. 4,271 (equum) trepidos suetum (sc. ceruos) praeuertere. Praesentisches suesco begegnet in der Dichtung erst im 3. nachchristl. Jh., zuerst bei Ter. Maur. 58.

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187 exerceto Dieser Imperativ begegnet in der Dichtung nur hier (vgl. aber Verg. georg. 1,210 exercete … tauros). uenandi munera Ulitius hat zu Recht die neben cogens discere unpassende Überlieferung munere (AC: numere B) gebessert, um so ein eigenes Objekt zu discere zu gewinnen. Postgate suchte den Ablativ zu halten, indem er exerceto diu uenandi munere, cogens abtrennte. Indes gibt es bei Nemesian keinen Beleg für syntaktische Abtrennung im 5. und 6. Fuß (so zu Recht Williams). Barths munia (‚vet. cod.‘) ist bare Willkür. Munus ~ ‚officium‘, von Tieren offenbar sonst nur Verg. georg. 4,178. 188 emeritae laudem uirtutis amare Zur doppelten Katachrese uirtutis und amare vgl. zu 150. Die Kommentatoren pflegen Grattius 282 (canis) emeritae seruat fastigia laudis anzuführen, aber emerere bedeutet hier gemäß kaiserzeitlichem Gebrauch ~ ‚impetrare‘, ‚assequi‘ (ThLL V 2,472,20ff. insb. 39). 189 nec non Eine Litotes, die ihrem Ursprung nach – seit Verg. georg. 2,2 – „eher der Dichtung als der volkstümlichen Sprache“ zuzuweisen ist (H-S 779). Nemesian nutzt die Formel gemäß dem – in der nachvergilischen Dichtung üblichen – abgeschwächten Gebrauch im Sinne von et, s. Önnerfors 103f. consuetae norint hortamina uocis Hortamen, ein seit Ovid (met. 1,277) vornehmlich in der Epik benutztes Wort, ersetzt das übliche hortatus, vgl. Sen. Phae. 1056 (equos) notae uocis hortatu ciet (und Ov. met. 3,242f. comites rapidum solitis hortatibus agmen [sc. canum] / ignari instigant). Der Anklang an das an gleicher Versposition vorangehende moderamina in 185 ist gesucht. Burmans Neugestaltung nec non consuetas norint, hortamina, uoces, / seu rursus reuocent etc. beruht auf barer Willkür. 190 seu cursus reuocent, iubeant seu tendere cursus Pedantisch wie 106 elige tunc cursu facilem facilemque recursu, womit sich Heinsius’ cursu oder Burmans rursus erübrigen; Williams’ Einwand „can find no example where the sphere of action from which a person or animal is recalled by another is in the accusative case“ kann jetzt mit den in OLD 16 angeführten Beispielen für reuocare mit bloßem Akkusativ begegnet werden: e. g. Val. Fl. 3,481f. summas caeli Phoebus … arces / uicerat et longas medius reuocauerat umbras. Verdières Verteidigung von cursus ~ ‚canis currens‘ (93) ist natürlich absurd. Die weiteren von Heinsius her-

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rührenden Änderungsvorschläge reuoces und iubeas sind im Gegensatz zu seinem cursu, wie Williams hervorhebt, arbiträr. Der Versschluß tendere cursus ist seit Lucr. 5,631 oftmals belegt und wird 253 namque ualent longos pratis intendere cursus noch einmal genutzt. 191 quin etiam ~ ‚etiam‘, ‚praeterea‘ (vi elatiua euand.) ThLL V 2,954,44ff., hier, wie in 231, das letzte Glied einer Kette einleitend. docti Mit Inf., bzgl. Tieren ThLL V 1,1761,4ff. 192 exanimare uelint tantum, non carpere sumptam Die gleiche Anweisung gibt Arr. cyn. 25,9: Der Hase soll beim Gastmahl körperlich unversehrt angeboten werden, vgl. Mart. 3,47,11; 14,200 non sibi sed domino uenatur uertragus acer, / illaesum leporem qui tibi dente feret. Zum Unterschied vgl. Sen. Thy. 1059f. corpora exanima … / in parua carpsi frusta. Zu praedam … sumptam s. 184.

193–223 Behandlungen von Krankheiten 193–198 Die Mahnung, stets den Bestand zu ergänzen, da immer wieder Krankheiten Tiere hinwegraffen, ist nach Verg. georg. 3,65–71 ausgeführt: atque aliam ex alia generando suffice prolem optima quaeque dies miseris mortalibus aeui prima fugit; subeunt morbi tristisque senectus et labor, et durae rapit inclementia mortis. semper erunt quarum mutari corpora malis: semper enim refice ac, ne post amissa requiras, ante ueni et subolem armento sortire quotannis.

Was Nemesian von Vergil unterscheidet, sind weniger die cynegetischen Details als vielmehr das fehlende Sentiment. 193 sic tibi Am Vers- und Satzanfang vor einem Imperativ wie in Verg. ecl. 10,4f. sic tibi … incipe (zur Position von tibi Wackernagel, Kleine Schriften, Göttingen 1955, I 79). Burmans Vorschlag, für sic ein hinc herzustellen, ist also zu verwerfen: sic „ea ratione, quam hactenus docui in foetura et educatione canum obseruandam“ (Wernsdorf). ueloces catulos reparare Verg. georg. 3,405f. ueloces Spartae catulos … / pasce. Reparare ~ ‚ergänzen‘ übertragen aus dem militärischen Bereich (in Analogie zu exercitum reparare).

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memento Wie in 293 am Versende gemäß vergilischer Praxis (Versschluß -are m. Aen. 2,549), in der Lehrdichtung seit georg. 2,259 (nach Hes. op. 641« ρ ). 194 protendere curas Die Junktur scheint singulär (ThLL IV 1460,82; aber intendere curas Ov. Pont. 3,9,29 und Ser. med. 58 jeweils am Versschluß). Cura ~‚liebevolle Pflege‘ (Erren zu Verg. georg. 1,3). 195 tristes morbi Entstammt dem Strukturvorbild Verg. georg. 3,67 subeunt morbi tristisque senectus (die Verbindung selbst georg. 4,252). Das von BC gebotene tristis hebt durch die Zuordnung tristis morbi scabies die Satzstruktur auf, da et dann überflüssig wäre. Zum Vorkommen von morbus vgl. zu 117. scabies et sordida uenis / saepe uenit Die dreifache s-Alliteration malt schneidend, während das Homoiarchon ue- eher wortspielerischen Charakter besitzt (Johnsons unter Zweifeln vorgeschlagenes subit hat zu Recht keinen Beifall gefunden). Überboten wird damit die Alliteration in georg. 3,441 turpis ouis temptat scabies. Nemesian seinerseits wird von Claudian in Eutr. 1,136 zitiert: iam scabie laceras deiecit sordidus aures (sc. canis). 196f. multamque canes discrimine nullo / dant stragem Nach Verg. georg. 3,246f. nec funera uulgo / tam multa informes ursi stragemque dedere, wobei sich aber die Bedeutung von stragem dare verschoben hat: Nicht mehr ‚ein Massaker anrichten‘ (so alle Beispiele ThLL V 1, 1686,14ff.), sondern, wie schon Wernsdorf gesehen hat, ‚selbst blutig umkommen‘, eine Nuance, die A. Fridh, Opera minora, Göteborg 1985, 91ff. für Coripp. Ioh. 8,527 funera dare nachgewiesen hat. Damit erübrigen sich Versuche, per Konjektur ein anderes Subjekt zu gewinnen, so Burmans cani … dat (sc. scabies) oder Damstés Änderung von canes in canum (308), die Verdière 93f. um eine abwegige Konstruktionserläuterung nam tristes morbi – et scabies sordida uenis saepe uenit – multamque canum discrimine nullo dant stragem erweitert hat. Der ovidische Versschluß discrimine nullo (trist. 5,10,29) faßt bündig zusammen, was Grattius mit 369ff. morbi / uenere in uulgum fusaque exercitus ingens / aequali sub labe ruit ausführt. 197 tu sollicitos impende labores Nach Verg. georg. 3,73f. tu modo, … / praecipuum iam inde a teneris impende laborem (unmittelbar dem Struk-

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turvorbild folgend). Labores steigert, verstärkt um sollicitos (‚anxiously careful‘, OLD 4a), curas (194). 198 et sortire gregem suffecta prole quotannis Zusammengesetzt aus dem vergilischen Strukturvorbild georg. 3,65 atque aliam ex alia generando suffice prolem und 3,70f. semper enim refice … / … et subolem armento sortire quotannis. Im Gegensatz zur Vorlage hat sortire hier die Bedeutung des vergilischen refice (‚fill up‘ richtig Mynors zu georg. loc. cit.) angenommen. 199–202 Veterinärmedizinische Anweisungen ergänzen den Komplex „Sorge für den Nachwuchs“. Ihre Position vor der Einheit ‚Tödliche Seuche‘ entspricht der Folge Verg. georg. 3,441–477 vor der Norischen Viehseuche ab 3,478. Die Anweisungen gelten der in 195 hervorgehobenen Räude, die gemäß Varro rust. 2,11,7 mit einer Salbe aus Wein und Öl behandelt werden soll. Vergil führt georg. 3,448ff. eine ähnliche Salbe für Schafe an, wie in georg. 3,452ff. folgt bei Nemesian als Alternative für schlimmere Wunden ein operativer Eingriff. 199 quin Steigerndes „bloßes quin ist hauptsächlich dichterisch“ (H-S 677). acidos Bacchi latices Tritonide oliuo / admiscere decet Eine Salbe aus Wein und Öl soll die Räude bekämpfen: Quelle ist Varro rust. 2,11,7 tonsas recentes … perungunt (s. 201) uino et oleo, non nemo admixta cera alba et adipe suillo. In der Metonymie (vgl. Gross 342ff.) für den sauren Wein standen Ser. med. 82 aut acido Baccho miscebis farra lupini und 197 laticem Bacchi (pluralisch an gleicher Position Stat. Theb. 4,452 und Val. Fl. 4,533) Pate (Mastrorosa 462). Die von Lenz (2331,67) geäußerten Zweifel an der Kenntnis des Serenus sind unbegründet: Nemesian rezipiert für ein Kapitel über Medizin natürlich die medizinische Lehrdichtung. Tritonide oliuo, der Wortlaut der Überlieferung, ist oftmals angezweifelt worden: Die Aldina korrigierte der Kongruenz wegen zu oliua, während andere von einer Glosse ausgehen und für oliuo ein adjektivisches Attribut wie pingui oder dulci (Housman, Cl. Pap. II 580; miti Helm 1004) herstellen, wieder andere an eine Verschreibung glauben (olenti Schenkl bzw. leui Postgate). Die ironisch von Housman als „pretty latin“ bewertete Überlieferung hat Zuspruch zuletzt nur bei Kuhlmann (ThLL IX 568,41) gefunden, m.E. zu Unrecht, da die adjek-

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tivische Verwendung von Tritonis bezeugt ist (so etwa Ov. met. 2,787 Tritonida … arcem) und die Elision in der Senkung des 5. Fußes auch in 219 und 295 begegnet, wie Williams hervorhebt. Vor allem aber wird man deshalb nicht an attributivem Tritonide zweifeln, weil es stilistisch das Pendant zu dem Attribut Bacchi darstellt. Zur Metonymie Tritonis s. Gross 375f. (Ad)miscere mit bloßem Abl. ist pharmakologischer t.t.: ThLL I 746,16ff. bzw. VIII 1086,61ff.; ähnlich 310 niueis … alios miscere colores, neben decet Mart. 13,108,2 misceri decet … merum. 200 catulosque canesque maritas Das erste -que verbindet die Praedikate, das zweite die beiden Akkusative (vgl. Christensen 188). canesque maritas Ob maritas hier adjektivisch (so ThLL VIII 403,80) oder substantivisch (vgl. ebd. 404,84 ‚de bestiis‘, bzgl. Hunden nur Gratt. 280) einzuordnen wäre, ist eine müßige Frage. 201 profuerit Das Futur II ist typisch für Anweisungen im Lehrgedicht: Verg. georg. 1,451 „future perfect of ‚recorded experience‘, you will find that it has paid you“ Mynors. tepidoque ostendere soli Nach Ser. med. 80 (auch als Rezept gegen die scabies empfohlen) conuenit hinc tepido lita tradere corpora soli (Lenz 2331,67; s. auch 199), ähnlich auch Verg. georg. 1,398 tepidum ad solem pennas in litore pandunt: „perhaps of a warmth that will dry … but not scorch“ (Mynors); ostendere soli ~ ‚exponere‘ ThLL IX 2,1134,3ff. seit Cato agr. 6,2. 202 auribus et tineas candenti pellere cultro Mit tineae sind hier gemäß spätlat. Idiom ‚Läuse‘, spez. Kopfläuse gemeint (Gossen, Art. ‚Laus 2‘, RE XII 1,1030ff., insb. 1034f.; vgl. Souter, Glossary s.v.). Varro (2,9,14) und Columella (7,13,1) führen Fliegen, Zecken und Flöhe als bedrohlich für Hundeohren auf, Plutarch nur Zecken (mor. 55e). Milben, wie es Volpilhac („Sarcoptes scabiei, soit le Demodex folliculorum“ 119) vorschlägt, werden schwerlich gemeint sein, da von „mit dem bloßen Auge sichtbaren Ektoparasiten“ (Trojahn 68) auszugehen ist. Pellere mit instrumentalem Abl. ist medizin. t.t. (ThLL X 1,1016,29ff.), vgl. etwa Ser. med. 722f. ferro … talem dolorem / exactum aut poto raporum semine pulsum (von einem Karbunkel). Candenti gilt nicht dem Glanz des Stahls, sondern ist mit Johnson als ab igne calido

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zu fassen. Vegetius mulom. 2,44 schildert, wie man mit der glühenden Zange Läuse bekämpft. 203–223 Analog zu der ‚Norischen Viehseuche‘ bei Vergil enthält der Teil ‚Aufzucht der Hunde‘ eine Seuchenschilderung – eine Tollwut, die einsetzt mit einer klimatischen Aitiologie (8 Vv.), auf welche die medizinische Pathologie (3 Vv.) und die Therapie (9 Vv.) symmetrisch gegliedert folgen. Die elaborierte Aitiologie sprengt in Charakter wie v.a. Umfang den Rahmen der Schilderung: Grattius-Überbietung, nicht Sachunterweisung bestimmt den Dichter. 203 est etiam canibus rabies letale periclum Der erste Vers dieser Einheit verweist nach Art eines Schlüsselzitates auf die entsprechende Ausführung in dem vergilischen Seuchenbericht: hinc canibus blandis rabies uenit (georg. 3,496); Vergils Ethos spart sich Nemesian für Vers 208 canibus blandis auf. Kombiniert ist dieses Vergil-Zitat mit Grattius 383f. plurima per catulos rabies inuictaque tardis / praecipitat letale malum. Est etiam ist ein Versauftakt, der dreimal bei Vergil begegnet, und zwar ausschließlich in den ‚Georgica‘ (2,397; 3,425; 4,271). Von der Wortstellung her sollte etiam – wie häufiger bei Nemesian und eben Verg. georg. 3,425, wo mit est etiam die schlimmste der Gefahren am Ende einer Reihe eingeleitet wird – als Einleitung des letzten Gliedes einer Reihe (vgl. ThLL V 2, 935,76ff.) aufgefaßt werden. Ein Komma nach rabies zu setzen – so seit Baehrens üblich – ist mit Williams unnötig. 204–211 Seine Elaboriertheit verdankt dieser Abschnitt dem Bemühen, die vierzeilige Aitiologie des Grattius quod siue a Stygia letum Proserpina nocte extulit et Furiis commissam ulciscitur iram, seu uitium ex alto spiratque uaporibus aether pestiferis, seu terra suos populatur honores: fontem auerte mali. (373–377)

an Aitia und doppelter Verszahl zu überbieten und zugleich ‚wissenschaftlich‘ zu korrigieren. 204 caelesti corrupto sidere Der Ausdruck wird seit Burman meist auf die Sonne, speziell auf eine Sonnenfinsternis bezogen, was aber schon

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an der Gedankenführung scheitert, da bei dieser Annahme der cum Phoebus Satz vorausgehen müßte; die überlieferte Folge legt zwingend nahe, daß in segnes radios … iaculatur … Phoebus die Ursache für corrupto sidere anzusetzen ist, folglich sidus nicht mit Phoebus / sol identisch ist. Auch die von Williams erwogene Variante, daß analog zur Zeitangabe in 208 (Hundsgestirn im Juli) die Jahreszeit des Herbstes mit ihrem Regen oder erneuten, abendlichen Aufgang des Hundsgestirns (e.g. Verg. Aen. 10,273ff.) gemeint sein könnte, ist unwahrscheinlich, da eine solche Identifikation gleichermaßen erst aus den folgenden Versen erschlossen werden könnte. Den Schlüssel zum Verständnis bietet m.E. vielmehr auch hier die entsprechende vergilische Vorbildpartie, die Pestschilderung im 3. Buch der ‚Aeneis‘: subito cum tabida membris corrupto caeli tractu miserandaque uenit arboribusque satisque lues et letifer annus. linquebant dulcis animas aut aegra trahebant corpora; tum steriles exurere Sirius agros etc. (3,137ff.)

Wie Vergil allgemein eine Verpestung des Klimas und dann speziell das Hundsgestirn anführt, so führt Nemesian, wie Martin gesehen hat, zunächst unbestimmt eine klimatische Störung am Himmel als Ursache auf, um danach, mit seu magis eingeleitet, eine erste variierende Spezifizierung (hoc) auf das Hundsgestirn vorzunehmen. Kurz: Das unscharfe caelesti corrupto sidere ist bewußt unscharf gelassen, eben so wie Grattius z. St. sich ausdrückt: seu uitium ex alto spiratque uaporibus aether / pestiferis (375f.). Mit dem gleichen Ausdruck wird auch Claudian in einer unheilvollen Prophetie die Ursache der Pest unscharf lassen: quid referam morbiue luem et crebras corrupto sidere mortes (15,39f.); aber auch schon Livius 8,9,12 hat sich mit einem pestifero sidere icti begnügt: Sidus ist somit mit ‚eine Konstellation, die Einfluß auf das Klima besitzt‘ (Le Boeuffle 1977, 18) wiederzugeben (‚Himmel‘ [OLD 7] erfordert den Plural). Burmans quod, seu caelesti corruptio sidere manat (mit faktischer Auffassung von quod) ist schon aus metrischen Gründen zweifelhaft. 205f. cum segnes radios tristi iaculatur ab aethra / Phoebus Zur Vorstellung von iaculari ~ ‚emittere‘ vgl. Cypr. Demetr. 3 sic sol in occasu suo radios minus claro et igneo splendore iaculatur, Ven. Fort. Mart. 1,124 Hilarius famae radios iaculabat in orbem (umstritten Manil. 4,500f. ia-

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culatur … Phoebusue uapores (Bentley: calores Hss.). Da aethra gerade den ‚caeli splendor‘ wiedergibt, ist die Verbindung mit tristis ebenso ein emphatisches Aprosdoketon wie segnes … iaculatur. attonito pallens caput exserit orbe Das früher umstrittene orbe (orbi Barth, ore Burman) ist adnominal-explikativer Ablativ, vgl. Hillen 128 Anm. 388; vgl. auch Housman zu Manil. 1,539 und Cl. Pap. III 1200f. Attonitus ist hier mit Williams aktivisch ~ ‚stupendus‘ wiederzugeben: ThLL II 1157,10ff. Pallens ist wohl Attribut zu caput, von den zahlreichen ThLL X 1,125,18ff. (vgl. auch André 1949,145; Le Boeuffle 1987, 209) zusammengestellten Partien für pallere ‚de sole, luna sim.‘ ist etwa Avien. Arat. 1613 (sol) ora laboranti similis languentia pallet oder, im Rahmen einer Pestschilderung, Sen. Oed. 45 mundus nubilo pallet nouo zu vergleichen. 207 magis Wie in 160 korrektiv ~ ‚potius‘ H-S 498; ThLL VIII 58,22ff. ignicomi candentia terga Leonis / cum quatit „Neben dem Sirius ist der Löwe im Altertum der Veranlasser der Hitze“ (Gundel, RE XII 1981). Die Umschreibung der Hitzeglut des Hochsommers nach dem 27. Juli gilt seit Thuc. 2,47 als übliche Ausbruchszeit einer Pest (s. Töchterle zu Sen. Oed. 39) und wird hier in Rezeption der senecanischen Pestschilderung gestaltet: sed ignes auget aestiferi canis / Titan, leonis terga Nemeaei premens (39f.; außerhalb dieser Pestschilderung ist die Junktur terga leonis auch als Klausel geläufig). Ovid ars 1,68 cum sol Herculei terga leonis adit beschreibt die Annäherung an den Löwen noch geradezu prosaisch; Senecas premit changiert zwischen lokaler und metaphorischer Bedeutung; Nemesians quatit spiegelt den Endpunkt der Entwicklung zur reinen Metapher. Quatere ~ ‚premere‘ ist bereits Cic. Arat. 16,2 prae se quatit Arctum in der astron. Lehrdichtung belegt (Le Boeuffle 1987, 220). Zu tergum im Rahmen der Beschreibung von Tierkonstellationen Le Boeuffle 1970, III 989. Ignicomus scheint eine nemesianische Neuprägung zu sein, die sich im 4. Jh. einer gewissen Beliebtheit erfreute (ThLL VII 2,285,37ff.); zu anderen Neubildungen mit -comus in der spätantiken Dichtung s. Guex 43 Anm. 139. Zu candentia ‚weißglühend‘ s. zu 157. 208 hoc canibus blandis inuiscerat aestus Wiederum nach Verg. georg. 3,496 hinc canibus blandis rabies uenit (s. zu 203). Das unbestimmte hoc (sc. letale periculum [204f.]) sollte nicht mit Scaliger und Ulitius zu hos geändert werden. Die Alternative seu … seu magis ist chiastisch gebaut:

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quod (Subj.) seu, cum … Phoebus … seu magis, cum (sc. Phoebus) …, hoc (Akk.) … Mit canibus blandis ist aus dem Blickwinkel des Pflegers der Zustand eines noch gesunden Tieres umschrieben, das nach der Heilung wiederhergestellt sein wird: 223 atque iterum blandas canibus componere mentes. Mit inuiscerare liegt nach ignicomi die zweite Neubildung vor: Das Verb begegnet ansonsten nur noch in der patristischen Prosa seit Augustin (ThLL VII 2,218,76ff.); weil die Belege entlegen sind, hatten Frühere den Neologismus konjektural beseitigen wollen: inuiserat (Ald.) und immiserit (Scaliger, Pithou), immiserat (Barths ‚vet. cod.‘). 209 exhalat … sinu sc. hoc (208), ThLL V 2,1403,60; Vorbild ist Verg. georg. 2,217 quae (sc. terra) tenuem exhalat nebulam. Sinus ist sowohl das ‚Innerste‘, als auch ein ‚Spalt‘. Das unabhängig jeweils von Scaliger, Heinsius (ad Ov. met. 4,393) und Johnson konjizierte sinu (-us AB; schon die Aldina hat mit Asteriskos auf eine Korruptel hingewiesen) bessert eine bloße Dittographie. Barths Alternativvorschlag seu terra, situ seu ist hingegen eine phantasievolle Neufassung. terra … aer … umor Drei Fachtermini der Lehre von den   !, die dem ausführlich gewürdigten Element aestus, d.h. ignis folgen: Cic. ac. 1,26 aer … et ignis et aqua et terra; nat. 1,19; Ov. met. 1,15 (viele weitere Belege bei Pease zu Cic. nat. deor. 1,29). 210 causa mali An gleicher Position Verg. Aen. 6,93 und 11,480 causa mali tanti. seu cum Der einzige Beleg für den in der Kaiserzeit verstärkt gemiedenen Gebrauch eines durch eine Konjunktion gebildeten Monosyllabons vor der Penthemimeres, hier, wie stets bei Nemesian, gemildert durch ein zweites einsilbiges Wort davor: Vgl. Braum 86 und oben zu 16. 128. gelidus non sufficit umor Nach Verg. georg. 1,43f. gelidus canis cum montibus umor / liquitur, 1,290 noctes lentus non deficit umor und 2,423f. ipsa satis tellus … / sufficit umorem. Der Versschluß sufficit umor ist Grattius 145 und Lucan. 9,757 non et sufficit umor nachweisbar. 211 torrida per uenas concrescunt semina flammae Heinsius hatte an der Wiederholung von concrescunt in 219 Anstoß genommen und crudescunt oder inolescunt lesen wollen. Aber Wiederholungen selbst auf engerem Raum sind bei Nemesian geläufig, v.a. ist der Ausdruck con-

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crescunt semina untadelig, wird doch ein lukrezisches Konzept zitiert: 4,1261 namque aliis rebus concrescunt semina membris (zu concrescere auf andere Elemente als Flüssigkeiten bezogen vgl. ThLL IV 95,44). Neben Lukrez hat Vergil gewirkt: quaerit pars semina flammae / abstrusa in uenis silicis (Aen. 6,6f.). Zu resultativem torrida ‚desiccated‘ OLD 2. 212 quicquid id est Ein lukrezisches Formular (e.g. 5,577) für die Zusammenfassung von Alternativen, von Vergil außerhalb der Lehrdichtung nur in Aen. 2,49 gebraucht. imas agitat sub corde medullas Subjekt ist natürlich das unspezifische hoc aus 209, nicht ein umor (so ThLL VIII 601,52 mit Druckfehler amor). Imis … medullis begegnet an gleicher Position bereits Catull 64,93 (und Ov. ars 3,793). 213f. inque feros rictus nigro spumante ueneno / prosilit Das metaphorische prosilire bezeichnet den aggressiven Charakter der rabies, die schnell äußerlich kenntlich wird: Feros gilt dem kranken und wie ein wildes Tier beißenden Hund, so wie blandas zuvor den gesunden Hund bezeichnet hat. Die Klausel begegnet schon Silius 3,210 (von einer Schlange) late umectat terras spumante ueneno. Zu niger ‚ungesund dunkel‘ vgl. OLD 6, als Attribut zu uenenum etwa Verg. Aen. 4,514 nigri cum lacte ueneni. 214 insanos cogens infigere morsus Das nachgestellte Participium coniunctum cogens nebst Inf. vertritt hier ebenso einen Konsekutivbzw. Finalsatz wie in 217 lentescere cogens. Infigere morsus vertritt das prosaische und veterinärmedizinische infigere dentes (ThLL VII 1,1420,32ff.), insanus ‚de bestiis rabidis‘ ist ansonsten nur noch bei Veterinärmedizinern belegt (ThLL VII 1,1832,72ff.). Burman wollte die Wiederherstellung von cogens in 217 dadurch beseitigen, daß er hier conans las (aus gleichem Grunde cupiens Withof); aber Wiederholungen sind eben typisch für Nemesian, s. Index s.v. 215 disce igitur potus medicos curamque salubrem Diese pharmakologischen Anweisungen werden gemäß dem ‚Liber medicinalis‘ des Serenus formuliert: 268 disce etiam miram ex humili medicamine curam (Mastrorosa 463); medicus potus begegnet nur dort (ThLL VIII 554,12), dafür

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jedoch gleich dreimal; ansonsten ist potus in der Dichtung vor der Spätantike nur Sen. Thy. 914 belegt: vgl. Heinsdorff zu Iuvenc. 2,252. Auch der Versschluß hat seine Parallele bei Serenus (166; aber auch Verg. georg. 3,530). 216f. uirosa … / castorea ‚scharfes Bibergeil‘ nach Verg. georg. 1,58f. uirosaque Pontus / castorea (sc. mittit), zur beruhigenden und krampflösenden Wirkung s. Mynors z. St. sumes Typisch für die Pharmakologie des Serenus (in zweiter Person 298. 1105). domabis hier ‚zerreiben‘, wie aus dem folgenden attritu silicis hervorgeht. 217 attritu Von Statius in die Dichtung eingeführt und ansonsten nur noch Ser. med. 252 belegt; hier im Sinne von ‚contritio‘ wie in Plin. nat. 11,162 (cibum) attritu subigere (ThLL II 1167,51ff.). silicis ‚Mörserstempel‘, erhaben für pistilli. lentescere cogens Lentescere ist dichterisch zuvor nur Verg. georg. 2,250 und Ov. ars 2,357 belegt. Zum geradezu phraseologischen cogens s. 214. Die Klausel begegnet wieder in Claud. carm. min. 9,37 subiectis eadem (sc. cornua) lentescere cogunt / ignibus. 218 ex ebore huc trito puluis sectoue feratur Zu Pulver geriebenes Elfenbein wird von Pelagonius 5 ad omnem morbum empfohlen (weitere Belege für den medizinischen Gebrauch ThLL V 2,21,23ff.). Trito sectoue bezeichnet keine Alternative, sondern ist Hysteronproteron (-ue also kopulativ ~ ‚-que‘ H-S 503). 219 admiscensque Wie 199 admiscere decet. facies Mit Infinitiv „passim apud medicos in compositionibus“ ThLL VI 1,116,6f.; Adams 469. concrescere Im Sinne von ‚coniungi‘, ‚cohaerere‘ (ThLL IV 96,44), ebenso auffallend unterminologisch wie 211 concrescunt semina flammae. 220 mox lactis liquidos sensim superadde fluores Selbstzitat aus ecl. 3,68f. siccare fluorem / lactis (von Haupt I 371 als Indiz für die Zuweisung der Eklogen an Nemesian gebucht) und gerade in Verbindung mit liquidos Variation des lukrezischen lactisque liquores (2,398). Fluores „pluralis rarus“ (ThLL VI 1,976,21, wo diese Stelle, der erste Dichter-

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beleg, übersehen ist). Der in der Dichtung erst bei Serenus benutzte Begriff ist hier nicht als medizinischer t.t. benutzt (als solcher bezeichnet fluor den Ausfluß der Krankheit). Sensim in der Dichtung mit Ausnahme Ovids nur vor- und nachklassisch (Kenney zu Mor. 5.86). 221 non cunctantes haustus ‚nicht verdickte‘ (cunctari ~ ‚morari‘, ThLL IV 1393,46ff.) ‚Flüssigkeit‘, in Verbindung von Partizip und Abstraktum auf -us sowohl typisch lukrezisch wie spätlateinisch, vgl. Lucr. 3,191f. mellis constantior est natura / et pigri latices magis et cunctantior actus bzw. Paneg. 12,34,4 spumat decolor cruore fluuius et cunctantes meatus … euoluit. Haustus ~ ‚medizinischer Trunk‘ hat in der Dichtung nur in Ser. med. 649 hi poterunt haustus rutilum purgare colorem eine Parallele. infundere cornu / inserto Nach Verg. georg. 3,509f. profuit inserto latices infundere cornu / Lenaeos; ea uisa salus morientibus una. Wie Erren z. St. nachweist, gehörte „ein an der Spitze geöffnetes Trinkhorn zum ‚Eintrichtern‘ von Medikamenten … wohl zur Grundausrüstung der Veterinärapotheke“. 222 possis furiasque repellere tristes Furias (nach Verg. georg. 3,511 furiisque refecti [equi]) vertritt am Ende des Abschnittes emphatisch rabiem (ThLL VI 1,1616,73ff.: spätlat.), während repellere durchaus als Terminus der Veterinärmedizin geläufig ist (OLD 3b). Vgl. auch Ov. fast. 6,129f. qua tristes pellere posset / a foribus noxas. 223 atque iterum blandas canibus componere mentes In Umkehr von 208 hoc (i.e. letale periclum) canibus blandis inuiscerat aestus und in Entsprechung zu Gratt. 397f. (nach der Heilung) ecce aderit factique oblitus uolneris ultro / blanditur mensis. Wenn Enk zu Gratt. 398 unseren Vers in der Fassung blandis canibus zitiert, handelt es sich um ein eben durch 208 verursachtes Versehen, nicht um eine – von Verdière 94 sogar empfohlene – Konjektur. Atque iterum ist ein bei Vergil genutzter Versauftakt (ecl. 4,36; Aen. 10,28). Componere mentes ist in der Dichtung seit Silius belegt, hat aber eine fachsprachliche Nuance, wie Cels. 3,18 p. 100,21 prodest … ad mentem ipsam componendam crocinum unguentum cum irino in caput datum (ThLL III 2118,2ff.).

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224–239 Katalog der Rassen 224–230 Diese Verse sind in den Hss. nach 122 überliefert. Schon Scaliger (Poet. VI 7 = vol. V p. 314,22 Deitz / Vogt-Spira) hatte moniert, daß der Katalog auf zwei Partien, auf den Anfang und das Ende von cura canum, verteilt sei. Schrader (Obs. lib. 86–88) zog die Konsequenz und wollte 231–236 nach vorne in den 1. Katalog nach olim 127 (heute = 228) Hibero versetzen, so daß sich die Folge 122.224–228. 231–236.229–230. 123 ergibt. Weil aber weder 224 auf 122 noch 237 recht auf das 223 beendete Thema ‚Krankheiten‘ folgen kann, sondern, wie zuletzt Williams betont hat, 236 aufnimmt, hat man seit Haupt den ersten Teil des Katalogs nach 223 als Auftakt des nunmehr geschlossenen Kataloges versetzt (eine Erklärung für die Verschlagung der sieben Verse suchte Haupt später in seiner Monographie zu geben [Opusc. I 404f.]). Freilich kann 231 quin et schwerlich 229 quin etiam folgen. Wahrscheinlich sind, aufgrund der Versprengung leicht möglich, nach 230 einige Verse ausgefallen, ist doch auch der Hundekatalog des Grattius weit umfangreicher als der Nemesians. 224f. sed non Spartanos tantum tantumue Molossos / pascendum catulos Der Abschluß des Kapitels ‚Aufzucht‘ (pascendum) greift zurück auf den ersten Abschnitt der cura canum, den dilectus 106f. elige tunc cursu facilem facilemque recursu, / seu Lacedaemonio natam seu rure Molosso, wobei hier nicht mehr die Wahl des Muttertieres, sondern die Aufzucht der Jungtiere den Schwerpunkt bildet. Vorbild in struktureller wie sprachlicher Hinsicht ist aber Verg. georg. 3,404ff. nec tibi cura canum fuerit postrema, sed una / uelocis (s. cyn. 226) Spartae catulos acremque Molossum / pasce sero pingui. Sed non gilt somit mit Williams gewiß 106ff., ist aber auch als Korrektur der vergilischen Aussage zu fassen. Zur unpersönlichen coni. periphr. pass. des Gerundiums mit Akkusativobjekt, für das Withof in Angleichung an das vergilische Vorbild pasce domi herstellen wollte, vgl. H-S 372f.; Bagnolini, Gerundio e gerundivo, Enc. Virg. II 716–718, dort 717; Horsfall zu Aen. 11,230 und Aalto 94ff.: Die Konstruktion begegnet in der Dichtung v.a. bei Vergil und seinen Nachahmern, in der Fachprosa seit Varro bis zu den spätantiken Medizinern. Pascendum gilt hier anders als in der vergilischen Vorbildstelle der gesamten Aufzucht wie in 129 (ThLL X 1,593,19).

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225f. diuisa Britannia mittit / ueloces nostrique orbis uenatibus aptos Rezipiert ist der vielzitierte (vgl. Pease zu Cic. nat. deor. 2,88) vergilische Eklogenvers 1,66 et penitus toto diuisos orbe Britannos (ueloces entstammt noch dem Strukturvorbild georg. 3,405, s. zu 224f.). Zu Britanniens Hunden vgl. Strab. 4,5,2; Ps.-Oppian cyn. 1,470ff. (Keller I 114; Enk und Verdière zu Gratt. 175). Zu mittit (‚exportiert‘; ThLL VIII 1186,38ff.; dichterisch seit Verg. georg. 1,57) vgl. 260; zu noster orbis als Bezeichnung der kaiserzeitlichen Oikumene ThLL IX 2,917,50ff., mit der Opposition Britannien Tac. Agr. 12,3 dierum spatia ultra nostri orbis mensuram; nox clara et extrema Britanniae parte breuis. Venatibus aptos ist eine ovidische Versklausel (ars 1,253; epist. 5,17), die noch einmal in 299 genutzt wird. 227 nec tibi Pannonicae stirpis temnatur origo Pannonische Hunde sind ansonsten unbekannt (vgl. Kellers Übersicht I 91; Orth, RE VIII 2554,40): Pannonisch steht wohl für thrakisch-illyrisch. Nicht auszuschließen freilich ist, daß eine Verschreibung aus Paeoni(c)ae vorliegt, stehen doch die P« bei Ps.-Oppian cyn. 1,371 an der Spitze des entsprechenden Hundekataloges. Der Auftakt nach Verg. georg. 3,404 nec tibi cura canum fuerit postrema (in 231 wieder zitiert), die Junktur stirpis origo ist Verg. Aen. 12,166 Romanae stirpis origo entlehnt. Zur Verneinung bei temno (~‚contemno‘, Norden u. Austin zu Aen. 6,620) vgl. Aen. 10,737 haud temnenda. Zu origo ~ ‚qui oritur‘, ‚suboles‘ ThLL IX 2,990,62ff. 228 nec quorum proles de sanguine manat Hibero Die spanische Rasse war berühmt: Schulten 1957 II 585; Mair zu Ps.-Oppian cyn. 1,371 und Corp. Paroem. Gr. I 130. Man muß nicht mit Ulitius und Enk 57f. an die Iberia Asiatica am Kaspischen Meer (Strabo 11,4,5) denken. Manare ‚de genere‘ hat prosaischen Kolor (dichterisch nur Sil. 10,175; ThLL VIII 321,64ff.). 229 quin etiam S. zu 191. siccae Libyes in finibus acres / gignuntur catuli Zu den afrikanischen Hunden vgl. Orth, RE VIII 2546,56ff.; Gsell V 173; einen Lobpreis auf diese Rasse bietet CE 1327 = Gsell, Inscr. lat. de l’Algérie I 2831. Für die Charakterisierung Nordafrikas nutzt Nemesian Lucan. 9,624 finibus extremis Libyes, ubi feruida tellus (vgl. auch Verg. Aen. 1,339 fines Libyci, genus intractabile bello und Ov. fast. 4,570 hinc Libys, hinc Me-

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roe siccaque tellus subest), erweitert um ein offensichtlich etymolog. Wortspiel gemäß Varros Ableitung Libya … quasi

 id est egens pluuiae (GRF 395 F.). Acer ist ein geläufiges Attribut für Hunde (so etwa Verg. georg. 3,405 acremque Molossum), hier wird es aus siccae begründet gemäß der Eukrasie-Lehre, die auch für Hunde gilt: mille canum patriae ductique ab origine mores (Gratt. 154 bzw. Manil. 5,200f. catulos nutrire sagaces / et genus a proauis, mores numerare per urbes). 230 quorum non spreueris usum Vgl. Verg. georg. 3,211 siue boum siue est cui gratior usus equorum. Das Fut. II vertritt im Spätlatein in Nebensätzen das Fut. I; H-S 324 „oft in Koordination sowohl zum Fut. I wie dessen praesentischen Ersatzformen“; usus ~ ‚Potential‘, ‚Wert‘ (OLD 11). 231f. quin et Tuscorum non est extrema uoluptas / saepe canum Da quin et nicht 229 quin etiam nahezu unmittelbar folgen kann, ist, wie zu 224ff. ausgeführt, eine Lücke anzusetzen. Quin et selbst leitet wie in 191 (s. d.) das letzte Glied in einer Aufzählung ein. Da es sich eben um den letzten Punkt handelt, sollte extrema nicht ~ ‚exiguus‘, ‚minutissimus‘ (so Burman; ThLL V 2,2004,11 und Williams), sondern gemäß postrema bei Verg. georg. 3,404 nec tibi cura canum fuerit postrema aufgefaßt werden. Das von W. Duff vorgeschlagene externa (‚not foreign to us‘) ist schon sachlich mit Williams zu verwerfen, da Nemesian sich nicht als italischer Dichter vorgestellt hat. Der Tuskische Hund steht für den ungleich bekannteren Umbrer, zumal Nemesian ihn mit den spezifischen Merkmalen des Umbrers als Leithundes beschreibt (vgl. Gratt. 172 mit Verdière; Sen. Thy. 497ff.; Keller I 124f.; Aymard 149f.; 262). Ob hier mit Keller 1905, 245 ein „derber Spitz“ gemeint ist, wie er auf etrurischen Münzen (ebd. Tafel Nr. 15) begegne, sei dahingestellt. 232 sit forma illis licet obsita uillo Zu sit … licet – haud tamen vgl. Prop. 1,16,29ff. sit licet et saxo patientior illa Sicano, / sit licet et ferro durior et chalybe, / non tamen etc. Das idiomatische sit (est ; sed Scaliger) hat wiederum Barth (‚vetus scriptura‘) gefunden. Obsitus mit dem Abl. nach dem Typus Verg. Aen. 7,790 saetis obsita (Io) ist grundsätzlich pejorativ. 233 dissimilesque … catulis uelocibus Dissimilis nebst Dat. „in comparatione compendaria“ ThLL V 1,1474,67ff. ist selten, vergleichbar Sen.

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clem. 1,19,2 (von den Bienen) insignis regi forma dissimilis ceteris. Der Bezug gilt ueloces (catuli) in 226 (Verg. georg. 3,405). 234 haud tamen iniucunda dabunt tibi munera praedae Iniucundus ist von Cicero geprägt, aber Hapax in der antiken Dichtung; zur Litotes Vell. 2,101,3 haud iniucunda … recordatione perfruor (und allg. ThLL VI 3,2558,68ff.). Haud selbst atmet episches Kolorit und ist bei Nemesian noch cyn. 272 belegt, nicht aber in den Eklogen, in denen das Wort wie in anderen ‚Kleinen Gattungen‘ gemieden wird (vgl. Axelson 91f.). Heinsius hatte in Unkenntnis der eigentlichen Überlieferung – die Aldina bot praeda – praedam als Apposition zu munus herstellen wollen, aber der bereits von Barth konjektural gefundene und später durch A2B bestätigte Genetiv. epex. ist untadelig. Dare munera verstehe ich als praestare officium. 235 namque S. z. 117. et odorato noscunt uestigia prato Die besondere Fähigkeit der Hunde besteht darin, Witterung selbst auf natürlich duftenden bzw. blumenreichen Wiesen (Xen. cyn. 5,5) aufzunehmen: et gehört zu odorato und steigert wie etiam in 236. Zur Sache vgl. 324f. und Grattius 223f. signa uapore ferino / intemerata. 236 atque etiam ‚ja, und noch dazu‘ ThLL II 1078,9 „raro apud poetas“ (Lucr. 6,1213; Prop. 2,34,35). leporum secreta cubilia monstrant Der Hase galt als sprichwörtlich scheues Tier (ThLL VII 2 1181,36ff.), das schwer aufzuspüren ist. Zum Ausdruck vgl. Lucan. 4,442f. (von einem Hund) qui presso uestigia rostro / colligit … contentus tremulo monstrasse cubilia loro; Rut. Nam. 1,624 olidum doctas nosse cubile canes. 237–238 Der Vorverweis gilt dem fehlenden, der eigentlichen Jagd gewidmeten Hauptstück: Zur Formulierung vgl. 63f. mox … accingar … 74 referam. animos Katachrestisch von Tieren (ThLL II 104.72ff.), speziell von Hunden Gratt. 266 expertos animi. moresque Bzgl. Hunden Gratt. 154 mille canum patriae ductique ab origine mores; Manil. 5,201 (ThLL VIII 1525,47ff.). naresque sagaces „Terminus technicus für den guten Geruchssinn des Hundes“ (Stähli-Peter zu Sen. Phaedr. 39; dichterisch Enn. ann. 333 Sk.; Lucan. 7,829; ThLL IX 1,57,75ff.), vgl. [Ov.] hal. 75f. quin laus

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prima canum, quibus est audacia praeceps / uenandique sagax uirtus uiresque sequendi. 238 mox … nunc In Korrelation eher ciceronianisch denn augusteisch (ThLL VIII 1550,4ff.). narranda Im Sinne von ‚tractare‘, dichterisch nur noch Ov. fast. 6,651 belegt (ThLL IX 1,74,31ff.). supellex / uenandi ‚Gerätschaften‘, ‚Hilfsmittel zur Jagd‘ nach der erweiterten Bedeutung ‚set of articles necessary to a particular occupation‘ (OLD s.v. b), in der Lehrdichtung seit Verg. georg. 1,165. 239 cultusque mihi dicendus equorum Zum Typus der Ansage vgl. Verg. georg. 1,3f. qui cultus habendo / sit pecori oder Colum. 8,17,16 redeamus autem sequenti exordio ad curam siluestrium pecorum cultumque apium.

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240–298 Pferde 240–278 Einzelne Rassen: Charakter und jeweilige Vorzüge Wie bei Vergil georg. 3,49ff. bildet die Auswahl (240 lectos ~ georg. 3,51 corpora praecipue matrum legat) den Auftakt des Abschnittes. Das Stichwort elige markiert das entsprechende, ebenso den ersten Abschnitt ausmachende Kapitel ‚Zuchtwahl bei den Hunden‘ (106). Nemesian führt nur drei Rassen an: die griechischen, spanischen und afrikanischen Pferde, wobei der afrikanischen Rasse doppelt soviel Verse gelten wie den beiden anderen zusammen. Die Folge ist gemäß dem Kriterium der Domestizierung gebaut: Die griechischen Pferde gelten als äußerst sensible Rennpferde, die spanischen als ausdauernde Pferde, die noch gegen das Zaumzeug ankämpfen, während die afrikanischen, ausdauernd wie die spanischen und schnell wie die griechischen, ohne jedes Zaumzeug geradezu als Wildpferde geritten werden. Daß zur Zucht die edelsten Tiere gewählt wurden (Hor. carm. 4,4,29ff. fortes creantur fortibus et bonis, / … est in equis patrum / uirtus; Sen. clem. 1,24,2; Keller I 235ff.), wird nur hinsichtlich der Kappadokier ausgeführt. Da auch deren äußere Erscheinungsform, wie sie von Nemesian beschrieben wird, dem idealen Pferd entspricht, wie es bei Xenophon (eq. 3,3; vgl. Ps.-Oppian cyn. 1,173 und Verg. georg. 3,79ff.; Varro rust. 2,7; Colum. 6,29; Calp. 6,52) beschrieben wird, steht das kappadokische Pferd in diesem Punkt für alle Rassen. Für die anderen Rassen führt Nemesian folglich nur noch spezifische Eigenschaften an. 240 cornipedes igitur Cornipes wurde von Vergil geprägt (Aen. 6,591 [auch catal. 3a,16]; Lindner 58) und besitzt stilistisch höchsten epischen Ton (Rittweger 328ff.; Sauvage 11f.), substantivisch seit neronischer Zeit belegt, alliteriert hier mit Cappadocum. Mit dem buchhalterischen igitur, das nur Lukrez häufig nutzt (Axelson 92f.; Clausen zu Verg. ecl. 7,18), wechselt der Lehrdichter wieder die Stilebene.

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241 Cappadocumque notas referat generosa propago Die Kappadokische Rasse, deren äußere Gestalt das Ideal vorgibt, ist gerade im 3. und 4. Jh. bekannt, so bei Ps.-Oppian cyn. 1,171 und 197, der sie unter die besten Rassen einreiht, bei Claudian 5,30f. iam pascua fumant / Cappadocum uolucrumque parens Argaeus equorum und carm. min. 30,190ff. dilectus equorum, / quos Phrygiae matres Argaeaque gramina pastae / semine Cappadocum sacris praesepibus edunt / primus honos, bei Veget. mulom. 3,6,4 curribus Cappadocum gloriosa nobilitas und in der HA innerhalb der Gordiansvita (4,5 equos … Cappadoces centum permittentibus imperatoribus factionibus diuisit): Schon Xenophon (cyr. 1,5,3; 7,4,16), Cicero (fam. 15,4,6), Livius 37,40,10 und Plin. nat. 8,173 berichten von Kappadokischen Pferden (ThLL onom. C, 169,56ff.; Keller I 225; Ruge, RE X 2, 1913,21ff.; Steier, RE XIX,1440,23ff.). Konkret ist die Gegend des Argaios auch noch in der Spätantike als Zuchtgebiet bekannt. Sprachliches Vorbild ist Verg. georg. 3,121f. et patriam Epirum referat fortisque Mycenas / Neptunique ipsa deducat origine gentem. Zu notas als t. t. der physischen Rassencharakteristik vgl. Colum. 6,2,1 talis notae uitulos und Gratt. 497 restat equos finire notis (Focardi 438). Generosus hat Verg. georg. 3,75 pecoris generosi pullus als erster auf Tiere übertragen, die Fachschriftstellerei ist ihm gefolgt (ThLL VI 2,1801,41ff.; vgl. auch Sauvage 76), während propago bzgl. Tieren bereits archaisch ist (ThLL X 2, 1943, 2ff.); die Klausel generosa propago ist Il. lat. 625 (und Rut. Nam. 1,7) belegt. 242 Argaea et palmas numeret grex omnis auorum Die zuletzt von Verdière 97 und Volpilhac zur Rettung von armata vorgetragenen Erklärungen sind mit Williams zurückzuweisen, da weder armata (sc. notis, analog zu signis armare) noch armata im Sinne von instructa ohne Ablativ Parallelen besitzen. Man wird sich auch schwerlich auf Vergil georg. 3,179–181 (sin ad bella magis studium turmasque ferocis,/ aut Alphea rotis praelabi flumina Pisae / et Iouis in luco currus agitare uolantis) zugunsten einer Aufteilung in Kriegs- und Rennpferde berufen können, weil anders als bei Vergil, der generell über Pferdezucht handelt, in den ‚Cynegetica‘ der Gedanke an Kriegspferde – und dies an erster Position – abwegig erscheint. Die meisten Kritiker haben m.E. zu Recht vermutet, daß sich hinter armata ein Eigenname verbirgt. Die bisher aber vorgetragenen Konjekturen wie Sarmatiae (Heinsius

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[unter Beibehaltung von et; Eden mit Tilgung von et (CR N.S. 20 [1970], 142), Marmaricae (Heinsius), Aemathiae (Swartius ap. Barth Adv. 139; Heinsius) scheiden mit Williams aus elisionstechnischen Gründen aus, aber ihr eigenes Argument gegen alle Eigennamen („omnis, however, indicates that v. 242 summarises vv. 240–1, and to conjecture the name of a particular country for armata would therefore be contrary to the demands of the sense“) kann nur überzeugen, wenn der Eigenname einer neuen, nichtgriechischen Region gilt (Kappadokien aber steht, wie aus 253 hervorgeht, exemplarisch für die griechischen Rassen). Somit spricht m.E. alles für Gothofredus’ Argaea als Konkretisierung des kappadokischen Zuchtgebietes: Ich verweise auf die oben zu 241 aufgeführten Claudian-Partien, in denen Argaeus unmittelbar neben Cappadocum steht. Ob Gothofredus Argaea auf propago oder – feminines – grex bezogen wissen wollte, bleibt unklar, – m.E. spricht nichts dagegen, das Wort auf propago zu beziehen: ‚berühmte Argaeerrasse‘. Das korrupte nuper sollte nicht zu superet (die Priorität gebührt Barth, Adv. 139 [alternativ palmas numerat maternas ad Stat. Ach. 1,420], nicht Burman oder Postgate), superat (Swartius lt. Ulitius) oder superans (Barth) gebessert werden. Zu referat fügt sich Gronovs numeret (543f.) weit besser. Liénards Versuch, die Überlieferungsprobleme lediglich als crux commentatorum zu bewerten, ist zurückzuweisen: Seine Paraphrase „Que leur descendance généreuse, récemment armée, (le court règne de Carus s’ est passé presqu’ en entier en Asie où il a fait une campagne heureuse contre les Perses) rappelle les caractéristiques des chevaux de Cappadoce et que le troupeau entier nous vaille à nouveau (s.e.: referat) les triomphes de ses aïeux“ (Latomus 2 [1938], 74) wird wohl niemanden überzeugen. Palmas zitiert Verg. georg. 1,59 (mittet) palmas Epiros equarum (vgl. auch Iuv. 8,58f. sic laudamus equum, facili cui plurima palma / feruet). 243 illis ampla satis leui sunt aequora dorso Aequora ist ein kühner Ausdruck, da aequor eine Ebene, eine Meeresfläche oder einen glatten Spiegel bezeichnet, hier aber dem Rücken eines Tieres gilt (keiner der ThLL I 1023,60ff. ‚de variis rebus‘ aufgeführten Belege ist im Entferntesten vergleichbar). Es bedarf dennoch keiner Änderung – etwa zu tergora (Haplographie) –, vielmehr ist von einer Hypallage, konkret der Vertauschung von Subjekt und ablativischer Umstandsbeschreibung

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auszugehen: Die vox propria dorsum steht in untergeordneter Position (vgl. Hillen 148ff.; insb. 279ff.). Ampla satis (zu satis als abschwächendem Ausdruck der „vornehm zurückhaltende[n] Gebildetensprache“ s. H-S 163; hier stilistisch der mittleren Höhe des Lehrgedichtes angemessen) gehört zusammen, vgl. 112 renibus ampla satis ualidis diductaque coxas (ob Rezeption von Prop. 1,2,24 illis ampla satis forma pudicitia vorliegt, bleibt zweifelhaft), wie überhaupt manche Phrasen aus der analogen Beschreibung der Hunde wieder Verwendung finden. 244 immodicumque latus Nach Verg. georg. 3,54 longo nullus lateri modus (vom Stier). Immodicus, hier ampla satis fortführend, begegnet seit Ov. met. 6,673 immodicum … rostrum bzgl. Körperteilen (ThLL VII 485,50ff.). paruaeque ingentibus alui Gemäß Xen. eq. 1,12; Varro rust. 2,7,5 uentre modico; Verg. georg. 3,80 breuis aluus, pointiert übersteigert durch die Stellungsantithese mit ingentibus i.e. ‚quamvis ingentes sint‘ (Wernsdorf). 245 ardua frons Vgl. Verg. georg. 3,79 illi ardua ceruix und Aen. 5,567 frontemque ostentans arduus albam (sc. equus). Ein Monosyllabon vor der Trithemimeres begegnet nur noch 268 uerbera sunt und 293 hordea tum, für Birt ein „artis emendationis documentum luculentissimum“ (65; Braum 105). auresque agiles Vgl. Verg. georg. 3,84 micat (s. cyn. 245) auribus. capitisque decori / altus honos Erhabene Periphrase der iubae (so ThLL VI 3,2929,81f.; Williams’ generalisierende, auf den ganzen Kopf bezogene Interpretation ‚dignity‘ [in diesem Sinne Ps.-Oppian cyn. 1,176f. " μ = ξ  (φ  D:  / $ ] fügt sich nicht in die Kette der Konkreta, welche die Teile des Kopfes aufzählen) nach Verg. ecl. 10,24 agresti capitis Siluanus honore; caput decorum ist seit Ov. met. 6,167f., altus honos seit Stat. Theb. 3,329 belegt (ThLL I 1776,30). Zum Motiv selbst Sauvage 21ff. Baehrens’ capitisque decori liegt näher am überlieferten Wortlaut (capitisque decoris A: captuque decoris B) als der Dativ capitique decoro (so C), der sich ohnehin nicht zu 243 illis sunt fügt. 246 oculique uago splendore micantes Vgl. 256 lumina uiuida torquet. Micare hatte Vergil georg. 3,84 micat auribus auf die Ohren bezogen,

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Nemesian nutzt das Verbum in Rezeption von Ov. ars 2,721 oculos tremulo fulgore micantes (vom Funkeln der Augen als Indiz der Liebesleidenschaft). Die Konjektur uagum der ‚Ed. Germ.‘ Barths ist eine preziöse Spielerei Barths (uagum als adv. Akk.), die Barth selbst als unnötig verwirft. 247 plurima se ualidos ceruix resupinat in armos Nach Verg. georg. 3,52 cui plurima ceruix (vom Rind) und 3,86 dextro iactata recumbit in armo (sc. iuba) kombiniert mit Stat. Theb. 9,284 figitur et ualidos sonipes Aetolus in armos. Resupinare ist prosaisch, in der Dichtung nur vorklassisch nachgewiesen. Vergil nutzt stattdessen resupinus in nebst Akk. (Aen. 3,624; an gleicher Position). 248 fumant umentes calida de nare uapores Expressiv-rhetorische Variation zu Verg. georg. 3,85 collectumque premens uoluit sub naribus ignem (und Gratt. 270f. patulis agitatos naribus ignes / spirent). Zum Bild vgl. Sil. 1,530f. sicco / fumat ab ore uapor. 249 nec pes officium standi tenet Das edle Tier ist besonders sensibel: Nach Verg. georg. 3,84 stare loco nescit. Officium wird bei den Augusteern nur im sermo pedester genutzt. ungula terram / crebra ferit Das strukturelle Vorbild Verg. georg. 3,87f. cauatque / tellurem et solido grauiter sonat ungula cornu wird mit einer anderen dem Rennpferd geltenden Partie georg. 3,499f. pede terram / crebra ferit kombiniert und durch den ennianischen Versschluß episiert: it eques et plausu caua concutit ungula terram (431 Sk.; daneben 242. 263). Crebra muß nicht gemäß der vergilischen Vorlage als adverbieller Akkusativ verstanden werden (so Titius und zuletzt Williams; weitere Beispiele ThLL IV 1121,64ff.): Wie in ecl. 3,44 crebro rumpitur pede uua ist die bei creber auch beliebte attributiv-adverbielle Auffassung anzunehmen (ThLL IV 1121,33ff.), zumal der Ponderierung zu uirtus … animosa wegen. 250 uirtusque artus animosa fatigat ‚ihr temperamentvolles Wesen läßt ihren Körper vor Nervosität erbeben‘: Fatigare ist hier nicht im Sinne von lassare, consumere (so ThLL VI 1,347,39), sondern als agitare, stimulare (ThLL VI 1,348,66ff.) aufzufassen. Animosus als Charakterzug von Pferden ist gut vergilisch: georg. 3,81 luxuriatque toris animosum pectus (ThLL II 88,72ff.; zum colloquialen, nichtepischen Ton dieses Wortes vgl. Knox 99). Eine animosa

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uirtus außerhalb des menschlichen Bereiches kennt auch der AetnaDichter in 417 uiuax animosaque uirtus (vom Lava-Gestein). Zur uirtusVorstellung bei Nemesian vgl. zu 150. 251–258 Den spanischen Pferden sind acht Verse gewidmet, in denen deren vorzügliches, der griechischen Rasse in allen Belangen gleichkommendes Naturell gewürdigt wird: Somit wird sowohl in der Reihenfolge der Aspekte wie auch in der sprachlichen Ausführung stetig vergleichend auf 240–250 rekurriert. Die spanischen Pferde waren im Altertum v.a. als Kriegs- wie Rennpferde ob ihrer Schnelligkeit berühmt, aber auch als für die Jagd geeignete Tiere bekannt (vgl. Schulten II 582ff.; Keller I 231f.; Schulten, RE VIII 2,2001,11ff.). Der Pferdereichtum wird ebenfalls in den laudes Hispaniae betont (RE VIII 2,2001,2040f.): Mela 2,86 uiris equis ferro … fertilis; Plin. 37,203 feracem … equorum; Sil. 1,222; Iust. 44,1,5; noch Claudian wird Laus Ser. 54 Spanien als diues equis bezeichnen und Isidor ‚De laude Spaniae‘ (Chr. min. II 267) u.a. ausführen: tibi cedet Alfeus equis. 251 quin etiam Am Versanfang in einem Katalog überleitend wie in 229. gens ampla iacet gens ~ ‚terra‘, ‚regio‘ (Housman zu Manil. 4,602; ThLL VI 2,1853,59ff.) ist eine ovidische Prägung: met. 15,829f. gentes … ab utroque iacentes / Oceano (zur Verbindung mit iacet s. Lucan. 1,20 et gens si qua iacet nascenti conscia Nilo). Amplus ~ ‚late patens‘ von Orten ist bis auf Verg. Aen. 6,743 und Sen. Herc. f. 673 eher prosaisch (ThLL I 2007,7ff.). trans ardua Calpes / culmina Formuliert aus afrikanischer Perspektive. Als praealtus gilt der 425 Meter hohe Felsen von Gibraltar dem Geographen Mela (1,27), als ardua Calpe wird er von Avienus orb. 478 bezeichnet in Rezeption der nemesianischen Klausel (vgl. Schulten, RE X 2,1759f.; id. 1955, I 234f.; 399ff.; Barceló, DNP VI 210f.). Die Genetivform ist seit Silius belegt (ThLL Onom. C, 100,14). 252 cornipedum late fecunda proborum Das episierende, hier auch der dreifachen Alliteration wegen gewählte cornipes greift auf 240 zurück und wird anläßlich der Einführung der dritten Rasse in 269 durch sonipes unter Wahrung der Stilhöhe (s. zu 240) variiert. Probus bzgl. Pferden ist singulär (ThLL X 2,1485,22), fügt sich aber trefflich in seinem

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archaisch vornehmen Kolor zu cornipes. Die Verbindung von fecundus mit dem Gen. copiae ist in der Dichtung seit Hor. carm. 3,6,17, wenn auch nicht häufig, belegt. Prosaisch ist die eben nur noch bei dem Lehrdichter Manilius (2,866 fecunda nimis) belegte Verbindung mit einem Adverb; vgl. ThLL VI 1,421,74ff. 253 namque In Begründung von proborum; zur Partikel s. 117. ualent longos pratis intendere cursus Ausdauer für die Jagd (pratis, vgl. 322 ueloces catulos inmittere pratis) ist das entscheidende Kriterium, das auch in 279 horum tarda uenit longi fiducia cursus und 180 bzgl. der Hunde incipe non longo catulos producere cursu betont wird. Ps.-Oppian hatte gerade den spanischen Pferden diese Fähigkeit abgesprochen (cyn. 1,286 λ    2        ) und stattdessen den maurischen Pferden Ausdauer zugewiesen (1,289f. M2 # ;  φB   6 φ   4  / $φλ   « 2«  λ $φλ  « $  2«). Nemesian scheint hier Ps.-Oppian korrigieren zu wollen. Die Stellung von longos … cursus gemäß Verg. Aen. 3,430 longos et circumflectere cursus (u. Aen. 5,131). Intendere cursus wie 190 tendere cursus – eine Variation der seit Verg. Aen. 5,291 beliebten Klausel contendere cursu – entstammt der Historikersprache, vgl. ThLL VII 1,2116, 8ff. (Liv. 37,31,5) und hat nur bei Prud. psych. 276 intendit gressum eine späte Parallele (ohne Objekt aber bereits schon Lucr. 5,513 int. eodem). 254 nec minor est illis Graio quam in corpore forma Die spanischen Pferde entsprechen den griechischen hinsichtlich ihres Äußeren, vorzüglich ihrer Größe. Barths grato pro corpore fama, das er in seiner ‚Ed. Germ.‘ gelesen haben will, ist schon inhaltlich abwegig und resultiert wohl in dem Anstoß an der Elision des Monosyllabons, die in den ‚Cynegetica‘ nur hier begegnet, aber, worauf Encuentra Ortega 308f. hinweist, zahlreiche Parallelen bei Vergil besitzt, darunter Aen. 11,309 für quam. Nec minor est ist bei Ovid in ars 2,13, mit illis schon Manil. 1,382 belegt; die Verbindung ist prosaisch und nur in der Lehrdichtung heimisch. 255 nec non S. zu 189. terribiles spirabile fulmen anheli / prouoluunt flatus Mit Heinsius und Johnson ist das sinnlose numen zu fulmen (~ ‚feuriges Schnauben‘)

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zu bessern; Nemesian steigert, wie Pinder zugunsten dieser Konjektur hervorhebt, das vergilische Strukturvorbild uoluit sub naribus ignem (georg. 3,85) bzw. georg. 2,140 spirantes naribus ignem hyperbolisch (vgl. auch Lucr. 5,30 [von den Pferden des Diomedes] spirantes naribus ignem; weitere Partien bei Sauvage 20f.). Williams’ Einwände gegen diese sichere Konjektur – „I find it impossible to see what sense fulmen could made“ – sind unverständlich: Zu terribiles fügt sich allein fulmen (Cic. carm frg. 3,23 terribili … fulmine; vgl. Ov. Pont. 3,2,9 fulmina terrent; Cic. nat. 2,14; Verg. Aen. 1,230), nicht das schwächere lumen (so Ulitius), während Scaligers flumen (auch von Titius, Barth, ‚Ed. vet.‘ [Adv. 1487; ad Stat. Theb. 6,439], Heinsius und Johnson erwogen), das Williams favorisiert, natürlich nicht mit der stoischen Physik als aer interpretiert und mit Hinweis auf Apul. mund. 10 (uentus) nec enim aliud est nisi multum et uehemens in unum coacti aeris flumen gerechtfertigt werden kann. Über Verdières flamen (99) hat schon Williams alles Nötige gesagt. Spirabile fulmen ist sog. parenthetische Apposition zu terribiles flatus. Zur dieser von Vergil in allen Gattungen genutzten Figur s. Brink zu Hor. epist. 2,1,234, Clausen zu Verg. ecl. 1,57 und vgl. J.B. Solodow, HSPh 90 (1986), 129–153. Anhelus bzgl. Pferden ist nahezu ausnahmslos dichtersprachlich belegt (ThLL II 68,7f.). Das Kompositum prouoluere hat nur bei Sulp. Sev. dial. 1,22,4 cruentas … spumas ore prouoluens eine Parallele (ThLL X 2,2360,57), während das Simplex seit Lukrez geläufig ist (OLD 7a). 256 lumina uiuida torquent Unter Austausch des Attributes wie die Schlange bei Vergil: flammantia lumina torquens (georg. 3,433): Die uiuida lumina sind im Sinne von 246 oculique uago splendore micantes zu verstehen. 257 hinnitusque cient Singulär (ThLL VI 3,2810,30), in spielerischer Variation des Versauftaktes Verg. georg. 4,64 tinnitusque cie. tremuli Schon die Wortstellung rät an, tremuli auf cient und nicht auf repugnant zu beziehen: Vgl. Lucr. 5,1077 concussis artibus hinnit. Zum Motiv vgl. aus dem vergilischen Strukturvorbild georg. 3,84 micat auribus et tremit artus. frenisque repugnant Die Junktur selbst ist ovidisch: rem. 514; trist. 4,6,24 (ThLL VI 1,1295,31).

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258 nec segnes mulcent aures Anders als etwa in Ov. met. 5,561 canor mulcendas natus ad aures „fere i.q. mollire, relaxare“ (ThLL VIII 1562,52, wo auf Plin. nat. 11,137 verwiesen wird, der resolutae aures bei Pferden als Krankheitssymptom aufführt, und wo für den Gebrauch von mulcere Prud. psych. 331 ferratos … toros obliso robore mulcet [sc. odor Luxuriae] angeführt wird). Burman erwog unnötig tollunt oder motant. Ein ähnlicher Gedanke wird in ecl. 1,60 mit den gleichen Worten eingeleitet: nec segnem passus nobis marcere iuuentam. nec crure quiescunt Wie das griechische Pferd 249 nec pes officium standi tenet; crus ist bzgl. Pferden fach- wie dichtersprachlich gebräuchlich, der Singular aber ist selten (ThLL IV 1251,15ff.). 259–278 Die afrikanische Rasse erhält mit zwanzig Versen doppelt so viele Verse wie die griechische und spanische. Der abschließende, einzige längere Vergleich im ganzen Werk unterstreicht die Bedeutung, die ihr vom – afrikanischen – Autor zugewiesen wird. Die afrikanischen Pferde werden als häßlich, aber besonders ausdauernd und schnell, als noch wild, aber trotzdem leicht zu lenken beschrieben, eine Charakterisierung, die auch bei Strab. 17,3,7 begegnet:  !« H

 « 4 (sc. I" «), J ξ λ 0  , , —# $ μ L" ;3, ; vgl. Keller I 221f.; Gsell V 183f. und Enk zu Gratt. 517. 259 sit tibi praeterea In der Wortstellung gemäß Vergils Usancen: Aen. 7,243 dat tibi praeterea bzw. 8,514 hunc tibi praeterea. sonipes In Variation von cornipes 240 und 252, aber unter Wahrung der Stilhöhe (Rittweger 326). Maurusia tellus / quem mittit Nach der üblichen Terminologie wären Marokko und Algerien gemeint, also der westliche Teil Nordafrikas, während Mazax in 261 Libyen gilt (vgl. Gsell V 82ff. bzw. 88ff.). Hier wird Maurusia tellus die romanisierten Küstenprovinzen bezeichnen, in denen Querzüchtungen möglich sind, so daß dann Mazax auf die unzugänglichen Wüstenregionen des Hinterlandes zu beziehen wäre. Zum Namen, der von Vergil Aen. 4,206 in die Dichtung eingeführt wurde, Weinstock, Mauretania, RE XIV 2,2349,10. Die Junktur selbst wird von Claud. 24,278f. namque feras aliis tellus Maurusia donum / praebuit rezipiert. Mittere changiert hier anders als in 225 (catulos) Britannia mittit, wo das Verbum eindeutig im Sinne von ~ ‚exportare‘ gebraucht wird, zwischen den Bedeutungen exportare und procreare (ThLL VIII 1176,75ff.).

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260 modo sit gentili sanguine firmus In ThLL VI 2,1867,68 wird gentili in eine eigens geschaffene Rubrik generosus, nobilis eingeordnet. Dagegen spricht sich zu Recht Williams aus, aber ihre Auffassung gentilis ~ ‚patruus‘ sollte im Sinne der bei Cic. Top. 29 referierten juristischen Definition zugespitzt werden: gentiles sunt inter se, qui … ab ingenuis oriundi sunt (s. ThLL VI 2,1867,21ff.). Auch firmus ist wohl nicht als robustus (so ThLL VI 1,814,55), sondern mit Pinder – trotz 262 – juristisch ~ ‚ratus‘, ‚uerus‘ (ThLL VI 1,818,69ff.) aufzufassen. 261f. quemque coloratus Mazax deserta per arua / pauit Mazax, mit Maurusia alliterierend, steht entweder für Libyens Wüsteneien oder, weil andere antike Quellen den Berberstamm in Marokko / Algerien lokalisieren, für alle Berber der Wüstenregionen (so Gsell V 118 Anm. 5; s. Treidler, Masices, RE XIV 2,2067,21ff.). Mazax ist als Name in der Dichtung zum ersten Mal bei Lucan. 4,681 vertreten, in der spätantiken Dichtung begegnet er verständlicherweise vor allem bei Coripp (vgl. Gsell loc. cit.; J. Partsch, Die Berber in der Dichtung des Corippus, Satura Viadrina, Breslau 1896, 20–38; dort 20f.). Das unabhängig von Salmasius und Pignerius vorgeschlagene Mazux (Mazys Pignerius) hat man auch bei Lukan herstellen wollen, aber beide Stellen stützen sich gegenseitig. Coloratus ~ ‚sole fuscatus‘ ist seit Verg. georg. 4,293 coloratis … ab Indis beliebtes Epitheton (ThLL III 1724,73ff.), deserta per arua eine Klausel Lukans (6,572). Für pascere ~ ‚educere‘ vgl. zu 225. assiduos docuit tolerare labores Docere ist ein t.t. wie auch dichtersprachlicher Begriff für die Dressur (ThLL V 1725,48ff.). Vom assiduus labor der Pferde spricht Plin. nat. 26,98 (andere Beispiele für die prosaische Junktur, ThLL II 88,83ff.). Die Klausel tolerare (-ate) labores ist seit Cic. carm. frg. 23,1 Bl.4 und danach häufiger seit Ovid genutzt. 263 nec pigeat Mit nec pigeat den Vers einzuleiten, entspricht ovidischer Technik (fast. 4,151; Pont. 2,6,14). turpe caput Ähnlich Liv. 35,11,7 nihil primo adspectu contemptius, formuliert in Anlehnung an das Strukturvorbild georg. 3,51f. optima toruae / forma bouis cui turpe caput, wo sogar die äußerliche Unförmigkeit die Vorzüglichkeit herausstellt. Zu turpis als Attribut fehlender physischer Proportion bei Tieren Monteil 264f. deformis et aluus / est ollis Die breuis aluus (Verg. georg. 3,80) entspricht dem Ideal (uentre modico heißt es bei Varro rust. 2,7,5), aber

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auch Amm. 31,2,6 betont die Güte solcher Pferde: (equis) duris quidem, sed deformibus (von den hunnischen Pferden). Deformis hier nicht ‚häßlich‘, sondern lediglich „l’absence de forme“ (Monteil 65). Das archaisch-festliche ollis soll analog zu Verg. Aen. 6,730 igneus est ollis uigor den nichtdomestizierten Charakter unterstreichen. Auch Avienus wird in seiner Lehrdichtung wieder diese von Lukrez in der Lehrdichtung genutzte Form gebrauchen. Barths deformior aluus (angeblich die ‚Ed. Germ.‘) ist willkürlich. 264 infrenes Nicht ~ ‚indomitus‘, ‚inmoderatus‘, ‚praeceps‘ (ThLL VII 1,1488,80), sondern nur den Habitus der afrikanischen Reiterei kennzeichnend, vgl. Serv. Aen. 4,41 Numidae infreni] qui equis sine freno utuntur. Pease z. St. verweist u.a. auf Liv. 35,11,7 equi sine frenis (von den Numidern), Lucan. 4,682f. gens … frenorum nescia, Sil. 4,314 infrenatique manipli, Ps.-Oppian cyn. 4,47–50 und Claud. carm. min. 28,20 infrenis Garamans. Postgates ohnehin nur zögerlich vorgetragenes infrenis ist neben liber eine Trivialisierung. liber uterque Bezogen auf das maurusische und das masacische Pferd, die ohne Zaumzeug geritten werden (so richtig Pinder und Williams; die von manchen Übersetzern erkannte ‚Freiheitsliebe‘ paßt nicht recht zu den Konkreta der Beschreibung). Damstés libera torque (308) ist von Williams zu Recht als schon sprachlich unhaltbar verworfen worden. 265 quodque iubis pronos ceruix diuerberat armos Kontrastimitation zu Verg. georg. 3,86 iuba … dextro iactata recumbit in armo (Varr. rust. 2,7,5 iuba … implicata in dexteriorem partem ceruicis). Gronovs iubas pronis … armis (544) basiert – wie Burmans euerberat – auf der Annahme, daß armos diuerberare iubis nicht vorstellbar sei, da diuerberare nicht flagellare, percutere, sondern nur euentilare, discutere bedeuten könne. Aber Williams weist zu Recht auf ThLL V 1571,37ff., wo diuerberare eben im Sinne von percutere nachgewiesen ist. Somit bedarf es auch nicht der gezwungenen Erklärung Wernsdorfs, der utrumque diuerberare als utrinque uerberare auffaßt. Der von C gebotene Konjunktiv diuerberet hat zu Unrecht Martins Beifall gefunden: Der Indikativ des Archetypus (vgl. 264 est) ist tadellos. 266 flecti facilis Wie in Ov. met 14,697; zu facilis ~ ‚tractabilis‘ s. cyn. 106.

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lasciuaque colla secutus Da der Zügel an sich am Nacken anliegt (e.g. Ov. epist. 19,12 flectitis aut freno colla sequacis equi), die afrikanischen Pferde aber ohne Zügel geritten werden, indes dennoch gehorchen (Strab. 17,3,7; Liv. 23,29,5; App. Lib. 100), wird man verstehen: ‚ist folgsam in Bezug auf seinen ausgelassen wilden Nacken‘, d.h. ‚gehorcht trotz fehlenden Zaumzeuges‘. Ich fasse colla als Acc. respectus, eine auf Wernsdorf zurückgehende Erklärung wie „the touch of a switch on his neck makes the horse turn in the direction his rider wishes him to go, and he ‚follows his nose‘“ (Williams) scheint gezwungen. Burmans solutus (i.e. ‚sine loro et freno‘) paßt nicht im Zusammenhang, in dem allein über den Gehorsam trotz fehlender Zügel gehandelt wird. Zum poetischen Plural bei Körperteilen Maas, ALL 12,541. 267 paret in obsequium lentae moderamine uirgae Vgl. Lucan. 4,682f. et gens quae nudo residens Massylia dorso / ora leui flectit frenorum nescia uirga, Mart. 9,22,14 et Massyla meum uirga gubernet equum und Claud. Stil. 1,259 hi uirga moderantur equos (weitere Parallelen bei Enk zu Gratt. 517). In obsequium ist augusteisch (Hor. epist. 1,18,10 in obsequium … pronus; Ov. am. 2,3,5 mollis in obsequium), in Abhängigkeit von parere singulär (ThLL X 1,385,7f., aber parere ad obsequium Cypr. Demetr. 8; parere obsequiis gehört der spätantiken Gesetzessprache an [ThLL X 1,380,46]; vgl. auch Colum. 6,29,4 [equi] ad obsequia repperiuntur habiles). Zu moderamine, dem zweiten mehrsilbigen Abstraktum im Vers s. 185 indulge catulis moderamina. 268 uerbera sunt praecepta fugae, sunt uerbera freni Der Vers wird ob seiner Prägnanz von Ausonius in seinem Panegyricus auf Gratian zitiert: mirabamur poetam, qui infrenos dixerat Numidas (d.h. Verg. Aen. 4,41), et alterum, qui ita collegerat ut diceret in equitando uerbera et praecepta esse fugae et praecepta sistendi (grat. act. 65). Ausonius hat freni zu Recht mit (praecepta) sistendi paraphrasiert, eine Nuance, die bei Volpilhac, aber nicht bei Duff-Duff (‚its strokes are as bridles too‘) beachtet wurde. Zur Antithese in der Wortwiederholung vgl. 106 cursu facilem facilemque recursu und 190 seu cursu reuocent, iubeant seu tendere cursus. Zum Gebrauch des Monosyllabons vor der Trithemimeres s. zu 245. 269 promissi Heinsius wie Johnson (nicht Burman, wie Martin und Williams anführen) wollten permissi lesen, aber promissi steht hier im

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Sinne von emissi (Martin, Williams; Wernsdorfs Deutung im Sinne von longi, porrecti ist abwegig) wie in den ebenfalls verdächtigten Stellen Lucr. 4,681 promissa canum uis und Sil. 3,534 (ThLL X 2,1863,26ff.). Die Deutung im Sinne von ‚long-extended‘, wie sie Pinder zweifelnd vorschlägt, empfiehlt sich weniger. spatiosa per aequora campi Imitiert von Auson. epigr. 7,1 (über ein Rennpferd) Phosphore, clamosi spatiosa per aequora circi (Wagner 63f.; auch dieses Pferd überholt wie in cyn. 271 seine Konkurrenten). 270 cursibus adquirunt commoto sanguine uires Nach Verg. Aen. 4,175 mobilitate uiget uiresque adquirit eundo (sc. Fama), verschmolzen mit dem Versschluß sanguine uires Aen. 10,203 (auch Ov. met. 7,859). 271 paulatimque auidos comites post terga relinquunt Comes gilt ‚de bestiis‘ in der Regel dem Begleiter des Menschen (ThLL III 1773,75ff.), wird aber hier wie noch in Sen. Tro. 537 von den Tieren untereinander gebraucht. Auidus abs. ~ ‚studiosus‘, ‚ambitiosus‘ (‚eager to win‘ Pinder) wie Ven. Fort. carm. 7,12,6 donec meta auidos sistere cogat equos. Post terga relinquere ist dichtersprachlich seit Ovid met. 2,187 (vom Phaethon-Gespann) und 10,670 (über einen Wettlauf) als Klausel genutzt. 272–278 Den Abschluß der Einheit markiert – gemäß der Technik der vergilischen ‚Georgica‘ (vgl. Schindler 212.278) – ein Vergleich. Während aber Vergil in seinem Lehrgedicht mehrere Vergleiche pro Buch einsetzt (s. Schindler 308f.), handelt es sich bei Nemesian – wie bei Grattius 223–229 – um den einzigen längeren Vergleich in dem als Torso erhaltenen Gedicht, der auch anders als vergilische Vergleiche eine rein deskriptive Funktion besitzt und nicht ‚transparent‘ eine höhere Dimension der Weltsicht erschließt. Der Vergleich selbst stellt die Weiterentwicklung eines Vergleiches bei Vergil dar, der die Schnelligkeit von Rennpferden mit dem Brausen des Nordwindes illustriert hat (s. Schindler 166ff.): tum cursibus auras tum uocet ac per aperta uolans ceu liber habenis aequora uix summa uestigia ponat harena: qualis Hyperboreis Aquilo cum densus ob oris incubuit, Scythiaeque hiemes atque arida differt

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nubila; tum segetes altae campique natantes lenibus horrescunt flabris, summaeque sonorem dant siluae, longique urgent ad litora fluctus; ille uolat simul arua fuga, simul aequora uerrens. (georg. 3,193–201)

Die ‚Georgica‘-Passage aber stellt – entgegen Effe 1977, 172 und Schindler 12 Anm. O – nicht den ausschließlichen Referenztext dar: Denn verschmolzen ist der vergilische Vergleich mit dem Bild vom Auftauchen des ob des Sturms erregten Meeresgottes, wie es etwa in der ‚Aeneis‘ interea magno misceri murmure pontum emissamque hiemem sensit Neptunus et imis stagna refusa uadis, grauiter commotus, et alto prospiciens summa placidum caput extulit unda (Aen. 1,124–127)

gemalt ist. Auch sind Details aus der Schilderung des Triumphzuges Neptuns, die Statius in seiner ‚Achilleis‘ bietet, centoartig eingearbeitet: Oceano ueniebat ab hospite, mensis laetus et aequoreo diffusus nectare uultus, unde hiemes uentique silent cantuque quieto armigeri Tritones eunt scopulosaque cete Tyrrhenique greges circumque infraque rotantur rege salutato; placidis ipse arduus undis eminet et triplici telo iubet ire iugales. illi spumiferos glomerant a pectore cursus, pone natant delentque pedum uestigia cauda. (1,53–60)

Weil man häufig nicht erkannt hat, daß die Verse 276ff. eben auf diesem Bildkomplex basieren, haben viele Interpreten ipse (276) fälschlich auf Boreas statt auf Nereus bezogen, der in 272 als Naturelement eingeführt, in 276 aber eine Metamorphose seiner Identifikationsstufe (zur Begrifflichkeit s. Eggers 106ff.) erfährt und als personifizierte majestätische Gottheit auftritt, deren Bewegung von der turba Nereidum so bestaunt wird wie der Lauf der afrikanischen Pferde von deren comites. Daß hier aber Nereus statt Neptun eingeführt wird, hat sein Vorbild in der augusteischen Dichtung, in der Nereus die Rolle Neptuns ausübt, welcher die Fluten erregt (Verg. Aen. 2,419) oder besänftigt (Hor. carm. 1,15,3ff.; s. Herzog-Hauser, Nereus, RE XVII 1,24–28, insb. 26,5ff.).

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272 haud secus Episch wie prosaisch (Horsfall zu Verg. Aen. 11,456; H-S 248.674); zu haud s. zu 234. effusis Nerei per caerula uentis Effundere uentos (sc. nubibus) ist eine gängige Metapher (ThLL V 2,222,80ff.); die Klausel entspricht Germ. frg. 3 perstridunt caerula uenti; per caerula ist schon ennianisch (ann. 535 Sk.). Nerei changiert hier zwischen metonymischer und personaler Auffassung (vgl. Gross 386ff.), in Vers 276 ist an die Gottheit gedacht. Nerei (A2: nerie B) ist die klassische Genetivform (vgl. Neue-Wagener 3I 506; zur Synizese vgl. Verg. Aen. 8,383; 10,764), während das von Baehrens akzeptierte Neri (A) keine Parallele besitzt. 273 cum se Threicius Boreas superextulit antro In Rezeption des Gleichnisses Stat. Theb. 6,107f. non sic euersa feruntur / Ismara, cum fracto Boreas caput extulit antro. Der Boreas wird üblicherweise in einer thrakischen Höhle lokalisiert, vgl. Soph. Ant. 983; Kall. Hymn. 4,62–65 (Gruber zu Boeth. cons. 1 carm. 3,7 hanc si Threicio Boreas emissus ab antro, einer vielleicht von Nemesian beeinflußten Partie). Die Junktur Threicius Boreas ist augusteisch (Ov. ars 2,431). 274 stridentique sono uastas exterruit undas Der Vers entfaltet die Etymologie des Windsnamen: Gell. 2,22,9 boream autem putant dictum $ μ « « quoniam sit uiolenti flatus et sonori. Den lautmalerischen Effekt von stridenti sono hat Nemesian ähnlich bereits ecl. 3,11 sonitu stridentis auenae genutzt. Der Gebrauch von exterrere ‚de regionibus‘ wurzelt in der Aeneis: 3,672ff. (Cyclopes) clamorem … quo contremuere undae penitusque exterrita tellus / Italiae (10,209f. Triton … concha / exterrens freta (ThLL V 2,2027,22ff.). Die Klausel selbst findet sich schon bei Colum. 10,62 Lethaeas terruit undas. 275 omnia turbato cesserunt flamina ponto Dem Boreas weichen die übrigen Winde, so wie den afrikanischen Pferden die anderen Rassen hintanstehen (271). Zugrunde liegt die Vorstellung von konkurrierenden, miteinander kämpfenden Winden, wie sie etwa Verg. Aen. 10,356ff. magno discordes aether uenti / proelia ceu tollunt animis et uiribus aequis / non ipsi inter se, non nubila, non mare cedit zum Ausdruck kommt. Flamina (AC [und von Ulitius konjiziert: flumina B Ald. per coniect.]; Barths numina ist lächerlich), identisch mit 272 uentis, gilt

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den leichten Winden (aurae), die personifiziert dem mächtigen Boreas weichen. Die Klausel entspricht dem lukanischen Vergleich ut tumidus Boreae post flamina pontus / rauca gemit (5,217f.). Cesserunt ist gnomisches Perfekt, wie es häufig gerade in Vergleichen begegnet (K-S I 132). 276 ipse super fluctus spumanti murmure feruens Subjekt ist, wie aus pelago caput eminet und Nereidum turba hervorgeht, natürlich Nereus, der jetzt unter Wandlung seiner Identitätsstufe (s. zu 272) auch als personifizierte Gottheit erscheint. Unnötig ist somit Baehrens’ Vorschlag, mit pater fluctus für super fluctus Neptun als vermißte Meeresgottheit einzuführen. Interpreten, die Boreas mit ipse identifizieren (so Titius, Johnson, Burman, Magnus [PhW 2 (1882), 813], Duff-Duff, Martin), haben sich durch die vergilische Vorlage in die Irre führen lassen, in der ille ein Boreas aufgreift. Aber mit 276 löst sich Nemesian vom vergilischen Vorbildgleichnis und greift nunmehr auf die Vorstellung vom Auftauchen der Meeresgottheit, konkret auf Stat. Ach. 1,53ff. zurück (s.o. Einleitung zu 272–278), wo es 1,57f. heißt: placidis ipse arduus undis / eminet (sc. Neptunus). Ipse gilt wie bei Statius dem Herrscher selbst, dessen Name nicht mehr genannt werden muß, da er bereits am Eingang der Szene gefallen war. Während caput eminet der personifizierten Gottheit gilt, zeichnet spumanti murmure feruens eher die Identitätsstufe des Naturelementes (vgl. Verg. Aen. 2,418f. saeuit … tridenti / spumeus Nereus; s. Eggers 57); murmure fügt sich untadlig zu spumanti (vgl. Stat. silv. 1,3,21f. [Anien] tumidam rabiem spumosaque ponit / murmura; schon von ThLL VIII 1675,69 verglichen) wie zu feruens, so daß eine Änderung zu marmore (Heinsius) willkürlich wäre. 277 conspicuum pelago caput eminet In Rezeption von Stat. Ach. 1,57f. ipse arduus undis / eminet. Wernsdorfs Erklärung „eminet, super omnes, qui iam oppressi sunt, ventos, tanquam caput late conspicuum pelago, ut qui nunc conspicitur“ ist zu hübsch. Eminet wird wie Avien. Arat. 1009 caput hic equus eminet üblicherweise transitiv aufgefaßt (ThLL V 2,493,3ff.; es würde sich offenbar um eine Neuerung Nemesians handeln, denn in Manil. 5,582f. caput eminet undas / scindentis [sc. monstri] ist undas natürlich Akkusativ zu scindentis). Ich sehe aber keinen Grund, warum der Akkusativ nicht mit Burman und Martin als Acc. resp. aufgefaßt werden sollte. Conspicuum ist resultativ wie in Hor. carm. 3,16,19 late conspicuum tollere uerticem gebraucht.

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omnis euntem / Nereidum mirata suo stupet aequore turba So wie Nereus, so staunen die Nereiden über die Geschwindigkeit und Wucht des Boreas. Zu ire ~ ‚uehi‘ ThLL V 2,635,55ff., was nicht die für den Vergleich geforderte schnelle Bewegung ~ ‚uolare‘ ausschließt (ebd. 79ff.). Zur Konstruktion von ire mit dem Ablativ der örtlichen Erstreckung H-S 131 (Verg. Aen. 4,404; 7,624). Weniger empfiehlt sich die Auffassung Johnsons, der den Ablativ auf mirata bezieht („gazes at him from the surface of the deep“). Zum Pleonasmus mirata stupet vergleicht Williams Apul. met. 9,34,2 stupore defixi mirantur und Vulg. Act. 8,13 stupens admirabatur. Ein Eingriff wie super (Burman) für stupet ist abzulehnen.

279–298 Cura equorum Anders als im entsprechenden Abschnitt über die Hunde (und anders als bei Vergil bzgl. der Pferdezucht) ist das Kapitel „cura equorum“ auf den saisonalen Nahrungswechsel konzentriert, während die Bereiche Ausbildung und Krankheiten (bis auf 284f.) nur angedeutet bleiben. Analog zu der ‚Alitio canum‘ ist der Abschnitt wieder ganz vergilisch (gemäß georg. I) gegliedert nach dem Prinzip der jahreszeitlichen Erfordernisse: Auf eine kurze Einführung (279–283) folgt der 1. Hauptteil zum Frühling (283–289), der mit einem vergilischen Leitzitat einsetzt, darauf – mit einer für den Autor typischen elaborierten Ekphrasis – schließt sich der dem Sommer gewidmete Hauptteil an (290–297). Der letzte, den famuli geltende Vers hat Übergangscharakter. 279f. horum … / his Das anaphorische Polyptoton gibt in polarer Ausdrucksweise dem zentralen Gedanken Ausdruck, wonach mit dem langsamen Trainingsaufbau eine langwährende Fähigkeit korreliert. Der Vers 279 fehlt in B durch Augensprung; an seiner Echtheit gibt es keinen Zweifel. longi fiducia cursus Ausdauerfähigkeit hatte Nemesian bereits in 180 für die Hunde und 253 für die Pferde als entscheidendes Kriterium der Ausbildung mit dem Begriff des longus cursus gefordert (vgl. Ov. Pont. 1,2,84 longis cursibus aptus equus). Die Klausel entspricht Stat. Theb. 5,167 (von der Hirschkuh) in uolucri tenuis fiducia cursu (in anderem Zusammenhang bereits mit gen. obiect. bei Lucan. 3,358).

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280 etiam emerito uigor est iuuenalis in aeuo Übertragenes emeritus kennt die römische Dichtung seit Ovid met. 15,226 emeritis mediis … temporis annis (ThLL V 2,470,70ff.); Nemesian selbst hat bereits ecl. 1,19 emeritae permensum tempora uitae die Metapher verwendet, die bzgl. Tieren nur noch Stat. Theb. 3,591 nec pudor emerito clipeum uestisse iuuenco und silv. 3,1,57f. coronat / emeritos Diana canes zu begegnen scheint. 281 nam quaecumque Eine lukrezische Formel (1,449 u. ö.). suis … annis Aus der Sprache der Politik (ThLL II 119,66ff.) übertragen. uirtus bene floruit Zum uirtus-Begriff s. 150. 282 non prius est animo quam corpore passa ruinam Die Antithese begegnet häufig (ThLL IV 1002,16ff.). Barths Interpunktion non prius est, animo quam, corpore ruinam (Adv. 804) ist aberwitzig. Est passa ist gnomisches Perfekt. 283f. pasce igitur sub uere nouo farragine molli / cornipedes Die praeventiv-therapeutischen Anordnungen der Verse 283–289 zur sanguinis detractio im Frühjahr, der eine Fütterung mit frischem Futter vorausgeht, entsprechen, wie Gitton 140ff. dargelegt hat, exakt den Vorschriften bei Apsyrtos (CHG I 97 p. 335,11):  > $  λ

4 ,  . μ H

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, ; ξ κ  ,, Q 4  « π , $ μ ξ 2  « Ν « (=  ξ "  , > 9 R > ,   . ; ξ 0  , 9 ( 29  ,), λ  , ,# ' π  ,« π  . … (p. 336,9) $« ξ  " « κ  , φ "! 0μ,   « >«  )  , φ "« λ κ = ) 4, H μ  μ S $ μ   H  ;« $    " , D  μ  ;« ,>« >« φ "«   .   λ« > D« ² H

« 0 L) «    ;« $ λ ,« =  . Apsyrtos spricht von einem bekannten Verfahren, so daß man für Nemesian eine lateinische Quelle postulieren wird. Im Ausdruck formuliert Nemesian parallel zu 151f. hos (sc. catulos) igitur … iam uere sereno / molli pasce sero, verschmolzen mit dem jewei-

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ligen Strukturvorbild Verg. georg. 1,43ff. uere nouo … / … / incipiat … Eine Mischung aus verschiedenen Getreidekörnern und Grünfutter nennt auch Verg. georg. 3,205f. tum demum crassa magnum farragine corpus / crescere iam domitis sinito als Futter für Pferde (s. Mynors z. St., Keller I 234 und Olck, RE VI 2,1999f.). Bei Vergil ist crassa farrago bereits gezähmten Tieren zugewiesen, Nemesian akzentuiert mit molli antithetisch. Zu sub ‚on the eve of‘ (OLD 23) s. zu 24. 284 uenamque feri Für den t.t. ~ ‚incidere‘ vgl. Verg. georg. 3,460 inter ima ferire pedis salientem sanguine uenam (bzgl. Schafen), aber auch außerhalb der Tiermedizin begegnender Gebrauch: Cels. 2,10,18; Sen. dial. 3,6,2 (ThLL VI 1,512,22f.). ueteresque labores / effluere aspecta Effluere ist medizinischer t.t. (ThLL V 2,193,7 ff. pass.); die Verbindung mit labores ueteres (~ ‚morbi‘) ist so gesucht, daß Heinsius zu uapores ändern wollte. Indes ist labor ~ ‚morbus‘, ‚defectus uirium‘ selbst bei Veterinärmedizinern geläufig (ThLL VII 2,792,13ff.) und schon für Vergil im Lehrgedicht nachgewiesen (georg. 3,452). An dem Abstractum pro concreto wird man sich nicht stören. Der Imperativ aspecta trägt archaischen Kolor (ThLL II 801,16ff.), in der Lehrdichtung ist er singulär. 285 nigri cum labe cruoris Barth (‚Ed. Germ.‘) und Heinsius wollten tabe lesen, aber die Überlieferung hat Flury mit Hinweis auf Paul. Nol. carm. 19,216f. ut saniem suffusa labe coactam / exprimeret (sc. medicus) geschützt (ThLL VII 2,769,75ff.; Williams). Es handelt sich um einen spätantiken, auch in der Prosa nachweisbaren Gebrauch, für den Nemesians Partie den ersten Beleg darstellt. Niger nicht ‚schwarz‘, sondern leuchtend ‚dunkelrot‘ (vgl. André 1949, 56.58). 286 mox laetae redeunt in pectora fortia uires In Anverwandlung von Verg. Aen. 12,424 nouae rediere in pristina uires und Verg. georg. 2,520 glande sues laeti redeunt, wo laeti ~ ‚pingues‘ ebenfalls die ‚notio ubertatis‘ ummalt. Hier wird man die Bedeutungsnuance ~ ‚distentae‘, ‚fortes‘ postulieren. Zu anaphorischem mox s. zu 149. Fortia wie 287 nitidae sind resultativ in der Bedeutung ‚wiedererstarkt‘, ‚vor Kraft strotzend‘ aufzufassen. Die Verbindung mit pectus ist episierend (vgl. ThLL VI 1,1154,8ff.), die Fachprosa hätte fortia cor-

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pora formuliert (ebd. 1154,61f.). Fortia uires ist eine vergilische Klausel: Aen. 8,509 seraeque ad fortia uires. Barths Umstellung fortia pectora (‚Ed. vet.‘) beruht auf barer Willkür. 287 nitidos artus distento robore formant Das überlieferte formant ist wohl entgegen dem Votum von Verdière (100), Kenney (CR 26 [1976], 272) und Williams, die Barths (‚Ed. vet.‘) und Heinsius’ firmant den Vorzug geben, zu halten: ‚Die Rückkehr der Kräfte füllt das Äußere des Körpers wieder mit der früheren Kraft aus‘ (nitidos resultativ wie fortia in 286), ‚nachdem sich die Kräfte des Körpers wieder spannen‘: Robore firmare mag gewiss eine idiomatische Verbindung darstellen (Ciris 43; Lucan. 1,142 u.ö), zu distento robore aber fügt sich formare besser, eben weil (so Garson 161) anders als noch in 285 jetzt die äußere Gestalt (nitidos) des gesundeten Körpers in Rede steht (Gitton 137 erklärt vielleicht zu Recht robur als Metapher für ‚Muskel‘). Burman hatte zu Recht 123 mox cum se bina formarit lampade Phoebe zur Stützung von formant angeführt. Distendere verbindet sich in der Regel mit Konkreta wie etwa cutis, neruus oder uenter und bezeichnet in medizinischer Terminologie vorrangig Krankheitssymptome; hier aber gilt distento robore dem Genesungsprozess (vgl. Verg. georg. 3,124 denso distendere pingui vom Anfüttern des jungen Hengstes). 288 mox sanguis uenis melior calet Nach Verg. Aen. 5,415 dum melior uiris sanguis dabat (anders Stat. Theb. 4,540 melior cum sanguis als Altersperiphrase). Der Ausdruck sanguis calet ist fachterminologisch: Vgl. ThLL III 147,33f., wo Cels. 4,6 und Sen. dial. 10,19,2 angeführt werden. Die Qualität des Blutes ist nach dem Aderlass des dunklen Saftes (nigri cruoris 285) eine bessere: Auch in 115f. dum laeto flore iuuentas / corporis et uenis primaeui sanguis abundat wurde bzgl. der Hunde auf die Bedeutung der Blutkonsistenz verwiesen. Burmans Umstellung melior uenis, der er einen „gratior auribus sonus“ zuspricht, ist unnötig. ire uiarum / longa uolunt Formuliert in Variation zu 279 longi fiducia cursus, weshalb sich auch ualent (Tross 23 unter Hinweis auf 253) nicht empfiehlt: Nicht die Fähigkeit an sich, sondern der Wille zur Ausdauer steht in Rede. Zur Konstruktion von substantiviertem Adjektiv nebst Genetiv s. K-S I 230, Austin zu Verg. Aen. 2,332; vgl. Iuvenc. 1,227 per longa uiarum deueniunt, Amm. 31,2,15 longa … terrarum, CE 2115,6 ui-

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tae longa (ThLL VII 2,1633,78ff.). Gerade bei uiarum findet sich diese Konstruktion bei Nemesians Referenzautor: Verg. Aen. 1,422 miratur … strata uiarum; 2,332 augusta uiarum. Zu ire mit dem Acc. des inneren Objekts vgl. Verg. Aen. 4,467f. longam … uidetur / ire uiam (ThLL V 2,638,10ff.). 289 latumque fuga consumere campum Vgl. 269f. spatiosa per aequora campi / cursibus adquirunt … uires und 323 cornipedes latos agitare per agros; consumere campum wird in ThLL IV 614,55f. neben Sol. 52,47 ramorum umbrae ambitu bina stadia consumunt ‚de numeris, mensuris‘ eingeordnet, aber man wird in der Metaphorik auch einige ebd. 613,26ff. ‚de alimentis‘ eingeordnete Partien vergleichen, die sich auf eine Ausdehnung beziehen: Cic. nat. deor. 2,64 (Saturnus) quia consumit aetas temporum spatia; zu fuga ~ ‚uelocitas‘, ‚discursus‘ vgl. 268 uerbera sunt praecepta fugae und Verg. georg. 3,141f. acri / carpere prata fuga (ThLL VI 1,1467,68ff.). 290–292 Die ausladende Ekphrasis temporis ist anders als in 104f. oder 155ff. streng funktional ausgerichtet, wird doch – wie in 283 pasce … sub uere nouo farragine molli – aus der Beschreibung heraus auf das zu verzehrende Nahrungsmittel verwiesen: Das Produkt des trokkenen Sommers ist – Stroh (293). 290 inde ubi pubentes calamos durauerit aestas Inde ubi – tum begegnet gerade in der Lehrdichtung (Lucr. 3,449; Verg. georg. 2,367f.). Pubens (‚full of sap; vigorous‘ OLD) ist dichtersprachlich: Verg. Aen. 4,514 pubentes herbae; Stat. silv. 3,3,129 pubentes … rosae. Die Klausel ist horazisch: sat. 1,4,119f. simul ac durauerit aetas / membra animumque tuum; transitives durare begegnet bei Nemesian bereits in ecl. 4,56 ferro praecordia duret. 291 lactentesque urens herbas Lactens ist ‚de frugibus‘ in Dichtung wie Prosa geläufig, e. g. Verg. georg. 1,315 frumenta in uiridi stipula lactentia turgent (ThLL VII 2,850,56ff.), in Verbindung mit herba aber ansonsten nur Sen. epist. 124,11 belegt, wo ebenfalls lactens einem frühen Stadium des Wachsens gilt: est aliquod bonum tritici: hoc nondum est in herba lactente nec cum folliculo se rexerit spica mollis, sed cum frumentum aestas et debita maturitas coxit. Herba bezeichnet die ‚prima quae exit ex terra viriditas‘ (ThLL VI 3,2622,57ff.), die zarten Halme.

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291f. siccauerit omnem / messibus umorem Messibus, Dativ. incommodi, bezeichnet hier metonymisch das reife Getreide selbst (vgl. ecl. 1,78 messem tristis hiems, aestas praestabit oliuam). Barth (und Ulitius) hatten mensibus (so C und die frühen Editionen) zu messibus gebessert und wurden später durch AB bestätigt. 292 culmosque armarit aristis Die von Baehrens und Postgate gehaltene, indes logisch schiefe Überlieferung culmusque … aristas (aestas B wie 290) wurde bereits in der Aldina zu culmisque … aristas gebessert; idiomatischer aber ist Martins culmosque … aristis: Martin hatte dafür auf Drac. Romul. 3,6 (von der Natur) culmos armet aristis verwiesen, anzuführen ist auch Drac. laud. 3,29 sic calamos nutrita seges stans armat aristis (Arevalo: -as codd.), sat. 231 segetes uiror armat aristis und ‚de mensibus‘ (= AL 874a R2) 11 messibus armatis crispae flauantur aristae. Schusters Einwand, daß die Änderung von zwei Wörtern methodisch unstatthaft sei (JAW 212 [1927] 120f.), hat Williams zu Recht widersprochen. Wight Duffs culmisque aptarit aristas tauscht die kraftvolle Metapher armarit gegen eine Banalität ein. 293 hordea tum paleasque leues praebere memento Die Verbindung hordea praebere für das Füttern ist seit Columella terminologisch (ThLL VI 3,2968,74); üblicherweise wird junge Gerste verfüttert, Gerstenstroh nennt Plin. nat. 18,79 und 297 als vorzügliche und auch von den Tieren begehrte Nahrung. Paleasque leues definiert hier epexegetisch, welcher Teil der Gerste verfüttert werden soll, nämlich der oberste zarte Teil des Halmes (vgl. ThLL X 1,112,45ff.): Zur Differenzierung vgl. Hier. vita Hilar. 5 aselle, faciam ut non calcitres: nec te hordeo alam, sed paleis. Die Junktur selbst ist vergilisch: georg. 1,368. Zum Monosyllabon vor der Trithemimeres s. zu 245. Die Klausel ist lukrezisch: 2,66 tu te dictis praebere memento (memento begegnet an gleicher Position schon 193). 294f. puluere quin etiam puras secernere fruges / cura sit Das neben fruges nur hier belegte puras (vgl. ThLL VI 1,1455,54) ist resultativ zu fassen (und ist natürlich der Alliteration wegen gewählt). Die dichtersprachliche Konstruktion von secernere mit dem bloßen Abl. ist seit Hor. carm. 1,1,32 belegt. Der Gebrauch von cura sit im Enjambement am Versauftakt entspricht vergilischer Manier: georg. 1,51f. uentos et uarium caeli praenos-

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cere morem / cura sit ac etc. (bei Nemesian selbst ist die cura in Aufforderungen natürlich häufiger vertreten: 103.133). 295 toros manibus percurrere equorum Der Gebrauch von percurrere im Sinne von ‚fouere‘, ‚tangere‘ ist selten; ThLL X 1,1233,25ff. führt u.a. Mart. 3,82,13f. percurrit agili corpus arte tractatix manumque … spargit omnibus membris und Marcell. med. 8,170 digitis … percurrens et pertractans oculum an. Auch dort ist von einer therapeutischen Maßnahme die Rede. 296 gaudeat ut plausu sonipes Auch die Fachschriftsteller wie Xenophon eq. 2,4; Arr. cyn. 10,1 und Varro rust. 2,7,12 empfehlen, Pferde lobend zu streicheln; formuliert ist die Empfehlung nach Verg. georg. 3,185f. tum magis atque magis blandis gaudere magistri / laudibus et plausae sonitum ceruicis amare (Focardi 444). Mynors z. St. und Sauvage 36f. verweisen u.a. auf Ov. ars 1,630 depexaeque iubae plausaque colla iuuant, Sil. 4,264 stimulans grato plausae ceruicis honore und Auson. lud. 9 nouit equus plausae sonitum ceruicis amare. Zu sonipes vgl. zu 259. laetumque relaxet / corpus Freudig ist nicht der Körper, sondern das Tier selbst: Es liegt also eine – geläufige – Enallage vor: Vgl. schon Catull 46,8 iam laeti studio pedes uigescunt oder Verg. Aen. 8,680f. geminas cui tempora flammas / laeta uomunt (s. ThLL VII 2,886,70ff.). 297 altores rapiat per uiscera sucos Adjektivisches altor ist lt. ThLL I 1770,56 ansonsten nur noch Paul. Petric. Mart. 6,497 altores … fauos belegt. Per uiscera rapere dichtersprachlich ~ ‚rasch im ganzen Leib aufnehmen und verteilen‘ (vgl. Claud. carm. 3,207 rapiunt Tyrios ibi uellera sucos [v.l. fucos]). 298 id curent famuli comitumque animosa iuuentus Während Vergils Anweisungen nur dem fiktiven Landmann gelten, hat Nemesian den adligen Jagdherrn vor Augen, dessen familia auf dem Landgut die Betreuung der Pferde obliegt. Mit Orth (RE IX 1,568,20ff.; ähnlich Verdière zu Gratt. 328) ist comites ebenfalls auf den Status der sozial abhängigen Dienerschaft zu beziehen, so daß also comitumque animosa iuuentus nichts anderes darstellt als einen der Stilhöhe des Lehrgedichtes geschuldeten Euphemismus für pueri: Nicht im Thesaurus-Artikel, aber im Wörterbuch von Klotz ist comes ~ ‚seruus‘ nachgewiesen (Suet.

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Aug. 98,2; Claud. 35,2). Dazu fügt sich vortrefflich das Attribut animosus mit seinem nichtepischen Ton (vgl. Knox 99) sowie id curare, das aus der Sprache der Komödie stammt und typisch ist für Aufträge an Sklaven (so Plaut. Cas. 101 u. ö.).

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299–320 Suppellex uenandi Den Abschluß des den Vorbereitungen zur Jagd geltenden erhaltenen Teils der ‚Cynegetica‘ bildet der in 238f. angekündigte Komplex omnis … suppellex uenandi: Den Netzen gelten vier (299–302), dem Fangseil neunzehn Verse (303–321); dieser umfangreiche Abschnitt ist in die Teile ‚Funktion‘ und ‚Beschreibung‘ (drei Dreiereinheiten 303–311) gegliedert. Ein Katalog von Vogelarten für pinnae markiert wiederum den Abschluß einer Partie (312–320). Der Katalog besitzt auch hier mit 9 Versen exakt den gleichen Umfang wie der sachliche Hauptteil zur linea selbst. Grattius hatte gemäß den Fachschriftstellern den ganzen Komplex nach dem Prooem positioniert (24–149) und neben den Fangnetzen auch Waffen wie Speere vorgestellt. Zugrunde liegt also eine zweifache Kontrafaktur: bei der Umstellung vom Anfang an das Ende wie im Verzicht, Offensivwaffen einzuführen. Letzteres ist auf die Intention des Nemesian zurückzuführen, die Jagd als ungefährlichen Freizeitsport darzustellen. Das für Grattius programmatische heroische armorum casses (24) ist zum suppellex uenandi prosaisch abgeschwächt. 299–303 Nemesian gibt, wie Aymard 209 ausführt, mit casses … plagas … retia die traditionelle Einteilung der griechischen Fachschriftsteller wieder, die in Ν «,    und   scheiden (Xen. cyn. 2,4–8; Pollux 5,27ff.): Cassis ist das ‚Tunnelnetz‘, plaga das ‚Wegnetz‘, rete das ‚lange Jagdzeug‘: vgl. Orth, RE IX 1,568f.; Herzog-Hauser RE XX 2,1953,21ff.; Aymard 209ff.; Mair zu Ps.-Oppian, cyn. 1,147ff.; Enk zu Grattius 24–33; F. Capponi, Art. Cassis, Enciclopedia Vergiliana I 692f.; ders., Art. Rete, EV IV 454ff.; ders.: Il cassis ed i suoi poeti, Latomus 17 (1958), 669–686. 299 nec non et casses idem uenatibus aptos In Rezeption von Verg. georg. 3,72 nec non et pecori est idem dilectus equino. Nec non et begegnet nur hier in den ‚Cynegetica‘, ansonsten in ecl. 3,1 und 4,1 in Aufzählungen für das zweite Glied; wie auch hier, wo der zweite der in 238f. ange-

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kündigten Teile einsetzt. Die Verbindung ist in der Lehrprosa seit Varro, in der Lehrdichtung seit Verg. georg. 1,212 nachgewiesen und begegnet hier nach vergilischer Praxis am Versauftakt. Siehe H-S 778; Fordyce und Horsfall zu Verg. Aen. 7,521. Die Klausel findet sich schon 226 (catulos) nostrique orbis uenatibus aptos (s. dort.). 300 atque plagas longoque meantia retia tractu Nemesian verzichtet auf konkrete Angaben, wie sie Grattius geboten hat: at bis uicenos spatium praetendere passus / rete uelim plenisque decem consurgere nodis (31f.). Der übertragene Gebrauch von meare bei unbeweglichen Sachen ~ ‚porrigi‘, ‚protendi‘ ist kaiserzeitlich (ThLL VIII 786,46ff.), dichterisch hier zum erstenmal. Ebenso prosaisch ist die Verbindung von tractus (~ ‚Ausdehnung‘, ‚Distanz‘; OLD 6a) mit longus: Plin. nat. 8,25 in uallem … longo tractu fallacem; 31,57 si longiore tractu ueniet (sc. aqua). 301 addiscant raris semper contexere nodis Vgl. Gratt. 90 ceruino iussere magis contexere neruo (sc. laqueos). Addiscere findet hier im Sinne des Simplex Verwendung (ThLL I 578,59ff.), mit Infinitiv wie Ov. met. 3,592f. Rarus ist t.t. für das weitmaschige Netz: Verg. Aen. 4,131 retia rara; Hor. epod. 2,33; Sen. Phae. 44 (OLD 1b). Die Klausel nutzt auch Claud. 17,86 alterno uerum contexere nodo. 302 et seruare modum maculis linoque tenaci Vgl. Varro rust. 3,11,3 saeptum totum rete grandibus maculis integitur, Cic. Verr. II 5,27 reticulum … / tenuissimo lino minutis maculis. Der erste Halbvers zitiert Verg. Aen. 10,502 et seruare modum rebus sublata secundis (sc. mens) und reduziert die stoische Sentenz auf eine handwerkliche Anweisung an Sklaven. Modus ‚de locorum vel corporum spatiis‘ ~ ‚Größenmaß‘ ist prosaisch und fachsprachlich: ThLL VIII 1259,31ff. Zu macula als t.t. ~ ‚foramen retis‘ ThLL VIII 27,81ff. Erst Barth hat die richtige Interpunktion nach 302 tenaci eingeführt; zuvor trennte man nach 303 linea ab. 303–320 Die linea, eine an Bäumen und Sträuchern befestigte Schnur, an der weiße oder rote Federn angebracht sind, soll die in die Enge getriebenen Tiere hindern, seitlich zu entkommen: Xen. cyn. 2; Plin. nat.19,11ff.; Poll. 5,26–32; Orth, RE IX 1,570,64ff. 303 quin etiam In gleicher Position 294 (s.d.).

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magnos circumdare saltus / quae possit Nach Verg. georg. 1,140 inuentum et magnos canibus circumdare saltus. 304 uolucresque metu concludere praedas Nach Sen. Phae. 46f. picta rubenti linea pinna / uano cludat terrore feras. Nemesian changiert hier spielerisch wie Seneca und Manil. 4,182 pacare metu siluas zwischen abstraktem (metu als explikativer Ablativ, s. Hillen 94) und konkretem Gebrauch (metu als reiner Instrumentalis), während 311 klar das Konkretum gemeint ist. Concludere ist der Alliteration zum parallelen circumdare wegen gewählt statt des üblichen includere: Verg. Aen. 12,749f. inclusum … / ceruum aut puniceae saeptum formidine pennae; Ov. met. 15,475 formidatis ceruos includite pennis. Den einzigen anderen Beleg für diesen Gebrauch stellt Sen. clem. 1,12 sic feras linea et pinna conclusas contineas dar. Metus ~ ‚formido venatoria‘ nutzt schon Gratt. 85 hic magis in ceruos ualuit metus (ThLL VIII 912,45ff.). Volucres fügt sich als Metapher ausdrucksstark trefflich zu metu concludere und gilt in der Sache vor allem Dammwild und Hasen; praedae vertritt konkret das anvisierte Beutetier, steht doch praeda für die corpora ipsa rerum quae capta sunt (Gell. 13,25,26). 305 digerat innexas non una ex alite pinnas Vgl. Sen. dial. 4,11,5 linea pinnis distincta. Detaillierte Anweisungen gibt Grattius: non sit creberruma nexu / ne reprehensa suis properantem linea pinnis / implicet (82ff.). Non una ex alite gilt dem unterschiedlichen Farbton der Federn und kündigt zugleich den Katalog in 312ff. an. 306 namque S. 117. ursos magnosque sues Es handelt sich um eine generelle Einlassung: Selbst große und gefährliche Tiere lassen sich von dem Blendwerk erschrecken (vgl. Gratt. 88 rarum si qua metus eludet belua falsos). Die Jagd auf Bären (und Eber) liegt, wie der Beutetierkatalog 51ff. dokumentiert, nicht außerhalb des geographischen (zum afrikanischen Bären vgl. Gsell I 115), sondern des konzeptionellen Zugriffs unseres Lehrdichters. Das Beiwort ist vergilisch: Aen. 1,634f. magnorum horrentia centum / terga suum. ceruosque fugaces Ein vergilischer Versschluß (georg. 3,539), wobei das Epitheton hier dem Umstand gilt, daß ohne Blendwerk eine Jagd auf das scheue und schnelle Rotwild nicht möglich wäre: Auch Grattius

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hatte in 85 hic magis in ceruos ualuit metus gerade das Rotwild als die Tierart aufgeführt, zu deren Jagd die formido notwendig sei. Zum afrik. Hirsch vgl. Gsell I 118 (Arr. cyn. 24,1; Ps.-Oppian cyn. 2,255). 307 et uulpes acresque lupos Gemäß dem Beutetierkatalog 52 audacesque lupos, uulpem captare dolosam zusammengestellt. Das Beiwort ist augusteisch: Hor. epod. 12,25; epist. 2,2,28; Verg. georg. 3,264 genus acre luporum (ThLL VII 2,1857,16f.). ceu fulgura caeli / terrificant Der Vergleich konkretisiert emphatisch die Wirkung der unstet leuchtenden formido: haec clara luce coruscant / terribiles species heißt es bei Grattius 78f. Die Versklausel wie Lucan. 6,428 (vgl. auch Verg. Aen. 8,431 fulgores … terrificos); zu terrificare, einem seltenen und von Lukrez in die Lehrdichtung eingeführten Verb, vgl. Pease zu Verg. Aen. 4,210. 308 linique uetant transcendere saeptum Lini saeptum gilt hier dem bereits durch Netze, Hunde und Treiber eingegrenzten, sich verengenden Raum der Treibjagd: Vgl. Ov. met. 7,768 (bestia) summa … transibat positarum lina plagarum. Zu transcendere ~ ‚transsilire‘ s. zu 147. 309 has igitur uario semper fucare ueneno Spielerische Kontrastimitation von Gratt. 86 interdum Libyco fucantur sandyce pinnae. Der erste Halbvers weist lukrezisches Gepräge auf: 2,682 haec igitur uariis, während der zweite Teil Verg. georg. 2,465 Assyrio fucatur lana ueneno zum Vorbild hat. 310 curabis Das überlieferte cura tibi bietet den Anstoß, daß die Ellipse der iussiven Kopula unstatthaft ist (Haupt I 403f.; Williams mit Hinweis auf K-S I 10ff.). Damstés (308) Hinweis auf Gratt. 495ff. und 346 ist gegenstandslos, da bei Grattius die Ellipse im abh. Nebensatz begegnet bzw. überhaupt keine Ellipse vorliegt. Die bei H-S 421 zitierten Belege für die Versparung von konjunktivischen Formen von esse beschränken sich auf umgangssprachliche Formeln wie bene tibi oder nicht vergleichbare Fälle wie Plaut. Cist. 732 non edepol praeda magna (sc. esset), wo Irrealis vorliegt. Das von Haupt konjizierte curabis hat in der Lehrdichtung bei Serenus med. 705 und Ter. Maur. 1767 seine Entsprechung. Haupts Alternativvorschläge curabunt (mit zu weit entferntem Subjekt famuli aus 301) oder curato ebenso wie Lachmanns curam athibe (aber gewöhnlich nicht mit Infinitiv, wie Williams einwendet, und auch elisionstechnisch nicht unproblematisch) empfehlen sich nicht.

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niueisque alios miscere colores In Konkretisierung von uario … ueneno. Die Klausel hat in Manil. 5,508 ihre Entsprechung. 311 alternosque metus subtegmine tendere longo Erst Ulitius hat mit tendere für tempore das Richtige gefunden (iungere Gronov und ponere Barth, Adv. 804 sind zu blaß), während man vorher den Fehler in subtegmine suchte und dafür subtegmina (so die Ald.) herstellte. Zu alternos vgl. Gratt. 80 über die formido: meliusque alterna ualet res. -Que ist hier epexegetisch gebraucht: ‚und auf diese Weise …‘. Anders als in 304 gilt metus hier eindeutig materiell der formido. Postgate führte unnötigerweise gegen die Hss. die Graphie subtemine ein: s. zu 91. 312 dat tibi pinnarum terrentia milia uultur Polemisch gegen die von Grattius geäußerten Vorbehalte formuliert: 75f. sunt quibus inmundo decerptae uolture plumae / instrumentum operis fuit et non parua facultas. Nemesians Patriotismus, der sich im folgenden Vers Bahn schafft, will nichts von unreinen, d.h. kadaververzehrenden, Vögeln wissen. Zum Geier und seinem dunklen Gefieder Capponi 1979, 511ff. Terrentia nimmt 308 terrificant (und metus 304.311) auf und wertet zugleich das grattianische Beiwort inmundo positiv um. Milia (~ ‚multa‘) mit vorangestelltem Genetiv ist seit Ciris 248 geläufig: Wölfflin ALL 9, 1896, 185; Heraeus ebd. 597; ThLL VIII 981,47ff. 314 dantque grues cycnique senes et candidus anser Zum Kranich, der von Ostafrika bis Nordeuropa zieht, vgl. Thompson 68–75; Sauvage 219ff.; Capponi 1979, 279ff. Senex als Attribut des Schwans gilt bei Stat. Theb. 5,341 mitior et senibus cygnis … uox und Mart. 5,37,1 puella senibus dulcior mihi cycnis (ThLL IV 1585,31ff.) dem ‚Schwanengesang‘, während hier die weiße Farbe der Federn gemeint sein muß, die für die formido benötigt werden: also senex übertragen ~ ‚niueus‘ und Überbietung der entsprechenden Aussage Gratt. 77 tantum inter niuei iungantur uellera cygni. Zum Schwan grundsätzlich: Thompson 179ff.; Sauvage 228ff.; Arnott 122ff. Das Beiwort candidus, das hier antithetisch zu puniceas (317) ein ‚leuchtendes Weiß‘ bezeichnet (Serv. georg. 3,82; André 1949, 32; zum Paar candidus / purpureus 346f.), ist als zoologischer Terminus auch prosaisch (Plin. nat. 10,53), in der Hexameterklausel schon bei Lucr. 4,683 Romulidarum arcis seruator, candidus anser. Aufgrund dieser und

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anderer Partien hat Burman seinen Vorschlag garrulus selbst zurückgezogen. Zur Gans generell Thompson 325ff.; Sauvage 259ff.; Capponi, 1979, 67ff. 315 quae fluminibus crassisque paludibus errant „Anates, fulicas, mergos intelligit“ (Wernsdorf). Nemesian formuliert in Anlehnung an Verg. georg. 2,110f. fluminibus salices crassisque paludibus alni / nascuntur. Errare ~ ‚uagari‘ kennzeichnet hier die Zugvögel (ist bzgl. von Vögeln aber selten [ThLL V 2,808,5ff.]). 316 pellitosque pedes stagnanti gurgite tingunt Pellitus gilt üblicherweise dem Schaf, der Gebrauch hier ist singulär (ThLL X 1,1009,1f.) und gewiß der dreifachen Alliteration geschuldet; das Wort hebt aber auch auf die wasserabweisende Funktion der pellis ab. Da gurges jede Art von Gewässer bezeichnet, kennzeichnet erst das Beiwort den spezifischen Aufenthaltsort. Stagnans ist seit Verg. georg. 4,288 effuso stagnantem flumine Nilum in der Dichtung belegt. Zu gurgite tingunt vgl. Verg. Aen. 11,913f. roseus fessos iam gurgite Phoebus Hibero / tingat equos. 313 dat Libye, magnarum auium fecunda creatrix An der überlieferten Position ist der Vers unhaltbar, weil er einerseits die Aufzählung einzelner Vögel unterbricht und dabei sachlich fehlerhaft in einem den Zugvögeln gewidmeten Teil eben diese Vögel als libysch bezeichnet, und weil andererseits hinc und illinc in 317f. eben die Angabe Libye erfordern. Deshalb hat Ulitius den Vers zu Recht nach 316 versetzt: Er leitet jetzt den sachlich neuen Teil ‚Vögel mit bunten Federn‘ ein und paßt genau dort, wo der Afrikaner Nemesian lokalpatriotisch gegen Grattius die Vorzüge natürlicher Farben (natiuo munere 317) hervorhebt. Anders als in 229f. siccae Libyes in finibus acres / gignuntur catuli steht das Toponymicon für das gesamte Nordafrika. Magnarum, weil nur große Federn für die formido brauchbar sind (vgl. Pallad. 12,8,1 pennis … auium maiorum, quae habent rigorem). Creatrix ist in der Lehrdichtung nur Lucr. 1,629 rerum natura creatrix nachgewiesen. Zum Versschluß vgl. Stat. Theb. 10,125 nimborum fulua creatrix. Die Klausel begegnet auch bei Rut. Nam. 1,355 ferri fecunda creatrix und Drac. Orest. 437 Graecia … legum fecunda creatrix. Zu übertragenem fecundus s. 252.

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317 hinc mage puniceas natiuo munere sumes Mage steht hier wohl weniger im Sinne von potissimum (so Williams), sondern ‚de numero‘ i.q. plus (plures), ThLL VIII 56,56ff. Das archaische, in der Lehrdichtung bei Lukrez noch häufiger als magis begegnende mage hat Vergil mit Ausnahme von Aen. 10,481 gemieden (ThLL VIII 52,81ff.). Auch Nemesian nutzt mage nur hier (aber 119, 160 und 207 magis). Puniceus ‚leuchtend rot‘ (André 1949, 98ff.), antithetisch zu 314 candidus, als Farbe der Federn gemäß Verg. georg. 3,272 puniceaeue agitant formidine pennae und Aen. 12,750 puniceae saeptum formidine pennae (ceruum). Barths (und Heinsius’) Konjektur murice ist verfehlt, da Nemesian, wie 318ff. zeigt, patriotisch auf die natürliche Farbe abhebt und damit gegen die Vorgabe des Grattius zielt, das Rot der Federn künstlich zu gewinnen. Natiuum munus gilt der Naturgabe, wie Ov. met. 14,684f. naturale decoris / munus (schon von ThLL VIII 1664,64f. verglichen; zu natiuus ~ ‚de eis, quae, ut arte quadam facta esse videantur, natura tamen ita orta sunt‘ vgl. ThLL IX 1,149,31ff.). Sumere ist t.t. ‚to take (a material, ingredient, etc.) as one stage in a process‘ (OLD 7). 318f. namque illic sine fine greges florentibus alis / inuenies auium Sine fine ~ ‚infinitus‘ ist eine seit Lucr. 2,92 in der Dichtung beliebte Verbindung (Wölfflin, ALL 1,364f.; ThLL VI 1,798,3ff.), die sich v.a. bei Ovid höchster Beliebtheit erfreut (A. R. Zingerle, Ovidius u. sein Verhältnis zu den Vorgängern, Innsbruck 1869–71,18f. zählt 17 Belege). Grex bzgl. Vögeln ist dichterisch wie prosaisch, mit Gen. auium Hor. epist. 1,3,19 und Curt. 4,8,6 (ThLL VI 2,2332,34f.). Florentibus ~ ‚nitentibus‘ (ThLL VI 1,923,42ff.), wobei die Metapher vorzüglich eingesetzt ist, da florentibus neben dem Glanz der Farbe auch auf deren natürliche Herkunft zielt. 319 suauique rubescere luto In Rezeption von Verg. ecl. 4,43f. ipse sed in pratis arces iam suaue rubenti / murice, iam croceo mutabit uellera luto, wo Servius luto mit colore rubicundo paraphrasiert (vgl. André 1949, 151f.). 320 et sparsos passim tergo uernare colores In Variation der üblichen Konstruktion spargere terga colore (etwa Verg. Aen. 7,189ff. quem … fecit auem Circe sparsitque coloribus alas), vgl. Sen. Tro. 776 sparsasque passim saltibus latis feras; zugleich vertritt tergo hier alis.

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Vernare führt die Metaphorik von florentibus fort (~‚nitere‘; hier konkret nicht ‚im Grünton –‘, sondern ‚in Rot glänzen‘). Venare (so die Ald.) ist bloßer Druckfehler, uariare (Wernsdorf) eine unnötige Konjektur.

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321–325 Jagd 321–325 Nach Ende der winterlichen Vorbereitungen kann im Frühjahr die Jagd beginnen. Im Sinne eines Buchschlusses wird der Hauptinhalt des Buches rekapituliert; 321 gilt der zuletzt behandelten suppellex, und mit den Stichwörtern ueloces catulos (322) und cornipedes (323) wird an Inhalte der vorangegangenen Partien erinnert. Zugleich zitiert Nemesian den Beginn seines Eklogenbuches, das in 1,1–8 eine ähnliche Reihung mit anaphorischem incipe im Hauptsatz und mit dum eingeleitetem Nebensatz bietet. Daß die letzten drei Verse ein Telestichon SAT bieten, wird man wohl kaum als Autorenkommentar oder intendierte Sphragis werten. 321 his ita dispositis hiemis sub tempus aquosae Den Winter als Jagdsaison – zu sub ~ ‚on the eve of‘ (OLD 23a) vgl. zu 24 – empfehlen auch Xen. cyn. 8,1; Ps.-Oppian cyn. 1, 455ff.; Vergil georg. 3,371ff. und Hor. epod. 2,29ff. (weitere Belege bei P.-J. Dehon, Hiems Latina [Coll. Latomus 219], Bruxelles 1993, 65f.). Disponere sowohl als ~ ‚praeparare‘ (so zur Stelle ThLL V 1,1426,24f.) als auch ‚ordinare secundum tempora‘ (ThLL V 1,1425,25): Der Gebrauch ist untypisch für die Lehrdichtung. Ita steht enklitisch an zweiter Position. Der zweite Halbvers zitiert Verg. ecl. 10,66 Sithoniasque niues hiemis subeamus aquosae. 322 incipe ueloces catulos immittere pratis Die Anapher von incipe findet sich auch zum Auftakt des Eklogenbuches (1,3; 1,6; schon bei Ov. am. 2,19,38f.); in den ‚Cynegetica‘ begegnet die Aufforderung in gleicher Funktion am Auftakt eines Hauptteils in 104 incipiat und 180 incipe non longo catulos producere cursu. Veloces catulos zitiert 193, 226 und 233. Immittere ist t.t., dichterisch seit Verg. georg. 3,371f. hos non immissis canibus, non cassibus ullis / punicaeue agitant (ThLL VII 471,17ff.), hier der Alliteration zu incipe wegen gewählt.

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323 incipe cornipedes latos agitare per agros Das epische cornipedes (Heinsius’ cornipedem ist arbiträr) war Leitbegriff des Abschnittes über die Pferdezucht: 240. 252. 284. Der Versschluß per agros ist geläufig (u.a. cyn. 4), in Verbindung mit latos Verg. georg. 4,522 discerptum latos iuuenem sparsere per agros (Ov. met 9,643). 324f. uenemur dum mane nouum, dum mollia prata / nocturnis calcata feris uestigia seruant Die Morgendämmerung, in der die Witterung noch aufgenommen werden kann, gilt als ideale Zeit zum Aufbruch: Xen. cyn. 6,4   ξ ) , H (« ;2« κ $  … 0 >   B C « π φ2 «  κ σ » —, Gratt. 223f. tum signa uapore ferino / intemerata (vgl. auch oben 235 odorato noscunt uestigia prato): Vgl. Aymard 153; Orth, RE IX 1,564,44ff.; S. Lilja, The Treatment of Odours in the Poetry of Antiquity, Helsinki 1972, 159; dies.: Dogs in Ancient Greek Poetry, Helsinki 1976, 101. Das unmittelbare Vorbild für Nemesian stellt Senecas Jagdlied, Phae. 41f. dum lux dubia est, / dum signa pedum roscida tellus impressa tenet (vgl. Stähli-Peter z. St.) dar, das dissimulierend mit vergilischen Phrasen ausgeschmückt wurde: So entstammt dum mane nouum georg. 3,324f. frigida rura / carpamus, dum mane nouum, dum gramina canent, mollia prata hingegen ecl. 10,42 hic mollia prata.

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Literaturverzeichnis

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I. Editionen –









Hoc volumine continentur poëtæ tres egregij nunc primum in lucem editi, Gratij, qui Augusto principe floruit, de venatione Lib. I. P. Ovidij Nasonis Halieuticôn liber acephalus. M. Aurelij Olympij Nemesiani Cynegeticôn Lib. I. Eiusdem carmen bucolicum. T. Calphurnij Siculi Bucolica. Adriani Cardinalis uenatio. . Venetijs, in ædibus hæredum Aldi Manutij & Andreæ soceri, M.D.XXXIIII, Mense Februario Hoc volumine continentur poëtæ tres egregij nunc primum in lucem editi, Gratij, qui Augusto principe floruit, de venatione lib. I. P. Ovidij Nasonis Halieuticôn liber acephalus. M. Aurelij Olympij Nemesiani Cynegeticôn Lib. I. Eiusdem carmen bucolicum. T. Calphurnij Siculi Bucolica. Adriani Cardinalis uenatio. Per virum egregium Georgium Logum Silesium. Excussum Augustae Vindelicorum, in officina Henrici Steyner, Anno M.D.XXXIIII. (XX. die mensis Iulii) Gratii Poetae De venatione liber I., P. Ouidij Nasonis Halieuticôn liber acephalus., M. Aurelij Olympij Nemesiani Cynegeticôn lib. I., Eiusdem Carmen bucolicum. T. Calpurnij Siculi Bucolica. Adriani cardinalis Uenatio. Lugduni, apud Seb. Gryphium 1537 Venatus et aucipium iconibus artificiosiss. ad vivum expressa, & succinctis versibus illustrata, Per Joan. Adam. Lonicerum, Francfortanum. Quibus praemisimus … venationem nobilißimi … poëtae Herculis Strozae Fiorentini, & Hadriani Cardinalis s. Chrysogoni, qui deinde Pontifex Max. factus est, Carmen elegans de Venatione Aulica. Ad calcem vero adiunximus poetas tres egregios, Gratium … de venatione, M. Aurelium Olympium Nemesianum, qui Cynegetica scripsit, & Ioannem Darcaeum Venusinum de canibus. Francoforti Impensis Sigismundi Feyerabendij 1582 Epigrammata et Poematia vetera. Quorum pleraque nunc primum ex antiquis codicibus et lapidibus, alia sparsim antehac errantia, iam undecunque collecta emendatiora eduntur . Parisiis 1590 (gemäß Kolophon 1589), vol. II 165–175 (Poem.; Emendationes 470)

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Literaturverzeichnis

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geticon; cvm notis selectis Titii, Barthii, Vlitii, Iohnsonii et Petri Burmanni integris , Mitaviae 1775 Poetae Latini minores, curavit Ioa. Chr. Wernsdorf, vol. I: Grattii Falisci, M. Aur. Olympii Nemesiani, D. Magni Ausonii aliorumque de venatione, aucupio et piscatu carmina et fragmenta, Altenburgi 1780 Gratii Falisci et Olympii Nemesiani carmina venatica cum duobus fragmentis de aucupio / cum scripturae varietate et aliorum suisque commentationibus ed. Reinhardus Stern, Halis Saxonum 1832 Corpus poetarum Latinorum. Uno volumine absolutum, cum selecta varietate lectionis et explicatione brevissima ed. Guil. Ern. Weber, Francofurti ad M. 1833 [pp. 1189–1191] Ovidii Halieutica, Gratii et Nemesiani Cynegetica, ex recensione Mavricii Hauptii. Accedunt inedita latina et tabula lithographica, Lipsiae 1838 Selections from the less known Latin Poets (Catullus, Tibullus, Propertius, etc.), ed. N. Pinder, Oxford 1869,459–462 [Cynegetica vv. 240–282] Poetae Latini minores. Recensuit et emendavit Aemilius Baehrens, vol. III, Lipsiae 1881 Corpus Poetarum Latinorum, a se aliisque denuo recognitorum, ed. J. P. Postgate,vol. II, London 1905 The Cynegetica of Nemesianus, by Donnis Martin, Thesis Cornell Univ. 1917 Minor latin poets, with engl. transl. by J. W. & A. M. Duff. (Loeb Class. Libr), London 1934 Les Cynégétiques de Némésien, ed. Paul van de Woestijne, Antwerpen 1937 Némésien: Œuvres. Texte établi et traduit par Pierre Volpilhac, Paris 1975 The Eclogues and Cynegetica of Nemesianus. Ed. with introd. & comm. by Heather J. Williams (Mnemosyne Suppl. 88), Leiden 1986

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Glasschale aus Wint Hill, Oxford, Ashmolean Mus. (Abb. Raeck, Abb. 27) Abb. 2 Mosaik ‚Die kleine Jagd’, Piazza Armerina, Villa del Casale (Abb. A. Caradini - A. Ricci - M. de Vos: Filosofiana. La Villa di Piazza Armerina, Palermo 1982, Abb. 53) Abb. 3 Hadrianischer Relieftondo, Konstantinsbogen Rom (Abb. M. Oppermann, Nikephoros 4, 1991, 331) Abb. 4 Treibjagdsarkophag, Osimo, Kathedrale (Abb. Andreae, Tafel 94,1)

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Indices

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Indices

Namen und Sachen

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I. Namen und Sachen Aetna – Dichter Rezeption bei Nem. 77 Ausonius Rezeption des Nem. 23; 106; 123; 153; 154 Avienus Rezeption des Nem. 23; 60; 147 B Calpurnius Siculus Rezeption bei Nem. 92; 93 Chlamys (als Jagdtracht) 97 Claudian Rezeption des Nem. 82; 90; 91; 127 Culex – Dichter Rezeption bei Nem. 96 B Datierung 3 Anm.1; 17; 86 Dracontius Rezeption des Nem. 111; 163 B Enallage 109; 164 Etymolog. Wortspiel 115; 139 B Feuerprobe 112 B Germanicus Rezeption bei Nem. 117 Grattius Jagdauffassung 5ff. Kriegsmetaphorik 6f. Mythen 8ff. Rezeption bei Nem. 4ff.; 8ff.; 56; 103; 105; 106; 111; 112; 130; 169; 170; 171 B Hinkmar v. Reims Rezeption des Nem. 23f.; 57 ‚Historia Augusta‘ Rezeption des Nem. 23 Homoioteleuton 72

Horaz Rezeption bei Nem. (in Auswahl) 75; 85 B Kallimachos Rezeption bei Nem. 96 B Livius Andronicus, ‚Ino‘ Rezeption bei Nem. 97f. Lukan Rezeption bei Nem. (in Auswahl) 74; 85 Lukrez Rezeption bei Nem. (in Auswahl) 62 B Metrik und Prosodie Aphäresen 21 Elision 21 – eines Monosyllabons 148 – i.d. Senkung des 5. Fußes 129 Hiat 21; 90; 113 Kolometrie 22 Monosyllabon vor Penthem. 21; 68; 109; 133 Monosyllabon vor Trithem. 145; 153; 163 o-finalis ˇ 21; 57 Mythen 8ff. B Nereus 155 B Ps.-Oppian, ‚Cynegetica‘ Rezeption bei Nem. 18; 148 Ovid Rezeption bei Nem. 67; 73 B Panegyrik 86; 87 Porphyrio, Horazerklärer Rezeption bei Nem. 75 Properz Rezeption bei Nem. 58f.; 64; 82; 92

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Indices

Saône 88 Selbstzitate aus den Eklogen 69; 78; 110; 135 Seneca tragicus Rezeption des Nem. 75; 132; 168; 175 Serenus Rezeption bei Nem. 3 Anm.1; 119; 128; 129; 134; 135; 136 Statius Rezeption bei Nem. (in Auswahl) 58f.; 67; 76; 155 Valerius Flaccus Rezeption bei Nem. 69; 108

Varro Rezeption bei Nem. 128 Venantius Fortunatus Rezeption des Nem. 23; 83; 92 Vergil Rezeption bei Nem. (in Auswahl) 10f.; 16; 55; 66f.; 77f.; 81f.; 84f.; 102; 126; 128; 131; 142; 154f. Vergleiche 154f. B Wortwiederholungen 101; 108; 133

Wörter

II. Wörter aequora ~ ‚dorsum‘ 144f. aeuum ~ ‚Jahr‘ 103 altor (adiect.) 164 animare 94 canere (i.d. Lehrdichtung) 56 carina ~ ‚spina‘ 104f. Castalius (subst.) 60 comes ~ ‚seruus‘ 164f. cornipes 142 cubile ~ ‚Zwinger‘ 115 cura ~ ‚Sujet‘ 83 deuotio 94 diductus ~ ‚patulus‘ 105 diuerberare ~ ‚percutere‘ 152 emerere ~ ‚impetrare‘, ‚assequi‘ 125 en (nachgestellt) 63 facilis ~ ‚tractabilis‘ 104. 152 fluores 135f. gens (v. Tieren) 103 gentilis ~ ‚patruus‘ 151 Glauce 75f. honestus ~ ‚generosus‘ 113 hortamen 125 iam nunc 59 ichneumon 79f. igitur 142 ignicomus 132 impingere ~ ‚laedere‘ 120f. inuiscerare 133 largus ~ ‚numerosus‘ 109 labes (v. Flüssigkeiten) 160 mage 172 magis ~ ‚potius‘ 118. 132 Maurusius 150 Mazax 151 meare ~ ‚porrigi‘ 167 mens est + Inf. 120

moderamen 124 Molossus 104 morbus 107 mox deinde 115 mox … mox 115 namque 107 nec non et 166f. nimis ~ ‚ualde‘ 105 non segnis 102 ollus 152 – osus 68 paelex (von Iuno) 68 paene 89 Pannonicus 138 pascendum + Akk. 137 pascere ~ ‚alere‘ 110. 137 pellitus (v. Vögeln) 171 percipe 111 percurrere ~ ‚fouere‘ 164 pinna 73 postquam + Praes. 114 principio 102 promissus ~ ‚emissus‘ 153f. quin etiam ~ ‚etiam‘, ‚praeterea‘ 126 ren ~ ‚Lende‘ 105 resupinare 146 robur ~ ‚Muskel‘ 161 sensim 136 simul + Abl. 116 sin uero 110 sol ~ ‚annus‘ 108 stragem dare 127 suesco (praesent.) 124 tinea ~ ‚Laus‘ 129 uates 61. 99 uirtus (v. Tieren) 115. 146f.

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Indices