Nanomaterialien als Risiko? – Herausforderungen an das Europarecht: Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Welthandelsrechts [1 ed.] 9783428543076, 9783428143078

Die Nanotechnologie ist eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichk

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Nanomaterialien als Risiko? – Herausforderungen an das Europarecht: Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Welthandelsrechts [1 ed.]
 9783428543076, 9783428143078

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Schriften zum Europäischen Recht Band 168

Nanomaterialien als Risiko? – Herausforderungen an das Europarecht Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Welthandelsrechts

Von Tobias Johannes Schulz

Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS JOHANNES SCHULZ

Nanomaterialien als Risiko? – Herausforderungen an das Europarecht

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 168

Nanomaterialien als Risiko? – Herausforderungen an das Europarecht Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Welthandelsrechts

Von Tobias Johannes Schulz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-14307-8 (Print) ISBN 978-3-428-54307-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84307-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn als Dissertation angenommen. Die Veröffentlichung befindet sich auf dem Stand von März 2014. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Matthias Herdegen, der mich bei der Entstehung der Arbeit stets gefördert und unterstützt hat. Ich danke weiterhin Herrn Priv.-Doz. Dr. Dr. Tade Matthias Spranger für die Erstellung des Zweitgutachtens und für den vielfältigen Gedankenaustausch über die „Nano“-Welt. Den Herausgebern danke ich herzlich für die Aufnahme meiner Dissertation in die „Schriften zum Europäischen Recht“. Ich bedanke mich weiterhin bei der Konrad-Redeker-Stiftung, Bonn, für die Gewährung eines großzügigen Promotionsstipendiums. Philipp Maack, LL. M., und Markus Wimmer, eMBA, danke ich herzlich für die kritische Auseinandersetzung mit meiner Arbeit. Ich danke darüber hinaus Joke Voogd und Berta Schulz, ohne deren Unterstützung diese Drucklegung nicht möglich gewesen wäre. Ohne die große Unterstützung durch Christina Anton, die die Erstellung dieser Arbeit – wie auch meine gesamte juristische Ausbildung – stets mitgetragen hat, wäre diese Arbeit so nicht zustande gekommen. Gewidmet sei diese Arbeit meinen Eltern Dr. Walter Schulz und Hedwig Voogd-Schulz, die mich in jeder Hinsicht bedingungslos unterstützt haben. An Jan-W. W. aus W. repliziere ich: „Ich verbeuge mich in größter Hochachtung bis zur Kniekehle daL.“ Erkrath, im März 2014

Tobias J. Schulz

Inhaltsübersicht A. Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Einführung in die Nanotechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vor dem Hintergrund nanospezifischer Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 D. Pflicht des EU-Gesetzgebers zur Nanoregulierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene: Der bestehende Rechtsrahmen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht anhand konkreter Instrumente . 117 G. Nanoregulierung auf nationaler Ebene: Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten . 212 H. Die Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht . . . . . 222 I. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Einführung in die Nanotechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten . . . . . . 30 1. Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Definitionen der ISO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Weitere begriffliche Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Differenzierung zwischen natürlichen, anthropogenen und synthetischen Nanomaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. Differenzierung zwischen gebundenen und ungebundenen Partikeln . . . . . . 37 5. Neue Stoffeigenschaften als Anknüpfungspunkt der Nanotechnologien . . . . 38 6. Nanomaterialien als neue Stoffe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

II. Anwendungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Haushaltsprodukte/Kosmetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Medizinische Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Anwendungen im Lebensmittelbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Ressourcenschonung durch Nanomaterialien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5. Nanobiotechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Nanomaterialien als Risiko? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Nanomaterialien im Stoffkreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Risiken für den Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Nanospezifische Charakteristika mit toxikologischer Relevanz? . . . . . . 49 b) Wirkungen in den Körperzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 c) Aufnahme durch und Wirkungen in der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 d) Aufnahme durch die Haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) Aufnahme durch den Magen-Darm-Trakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Inhaltsverzeichnis

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3. Umweltrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Schwierigkeiten bei der Bewertung von Nanomaterialien . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Fazit zu Teil B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vor dem Hintergrund nanospezifischer Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I.

Die nanospezifische Ungewissheit als herausragendes Charakteristikum und als Rechtsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

II. Die Bewältigung von Ungewissheit als rechtliche Herausforderung . . . . . . . . . 58 1. Die Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Gesetzgeberische Ansätze zur Bewältigung von Ungewissheit . . . . . . . . . . . 59 3. Vorsorge unter Ungewissheitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Regelungsgehalt des Vorsorgeprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Differenzierung nach Tatbestand und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Vorsorgeanlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (1) Der Begriff des potenziellen Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (2) Der Begriff des hypothetischen Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (3) Fazit zum Risikobegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Vorsorgemaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 cc) Kosten-Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Die Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips auf Nano­materialien . . . . . . . . . . . 68 a) Vorsorgeanlass (Tatbestand) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Vorliegen eines Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Unterschiedliche Literaturauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (a) Größenbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (b) Stoffbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (c) Konstruktion einer „Gefährlichkeitsvermutung“ . . . . . . . . . 71 (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Product approach oder process approach? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Das vorsorgespezifische Schutzniveau in der Union . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Fazit zu Teil C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 D. Pflicht des EU-Gesetzgebers zur Nanoregulierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I.

Schutzpflichten aus den Unionsgrundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Normative Vorgaben der Unionsgrundrechte und die Bedeutung der EMRK 77 2. Die Schutzpflichtdimension der Unionsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Inhaltsverzeichnis

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a) Allgemeine Schutzpflichtdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Pflicht zur Regulierung von Nano­materialien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Tatbestandliche Voraussetzungen der Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 1 GrCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (1) Schutz der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (2) Schutz der Umwelt und der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Rechtsfolgen der Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Die Pflicht zur Einhaltung eines hohen Schutzniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Fazit zu Teil D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene: Der bestehende Rechtsrahmen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I.

Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. REACH-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Qualifizierung als neuer Stoff/Registrierung von Nano­materialien . . 89 (1) Die Registrierung von Nano­materialien unter ­REACH . . . . . . . . 90 (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Einstufung von (Nano-)Stoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Bestehende Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Mengenbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 dd) Stoffinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 ee) Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Änderungen mit dem Primärrecht 96 2. Seveso II-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Immissionsschutz-, Luft- und Anlagenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Abfallrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5. Wasserrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

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6. Arbeitsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7. Novel-Food-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 8. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Kosmetik-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Überblick über den Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Kennzeichnungspflichten nach der Kosmetik-Verordnung . . . . . . . . . . . 106 c) Ansätze zur Bewältigung von Ungewissheit in der Kosmetik- Verordnung 106 d) Allgemeine Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Lebensmittelinformations-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Allgemeine Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Allgemeine Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Allgemeine Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5. Die neue Biozid-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Allgemeine Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6. Verordnung über besondere Lebensmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Allgemeine Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 7. Exkurs: Verordnung über Medizinprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Fazit zu Teil E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht anhand konkreter Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I.

Die Kennzeichnung von Nano­materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Die Kennzeichnung im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Spezielle Kennzeichnungspflichten für Nano­materialien . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Allgemeine Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhaltsverzeichnis

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4. Ausgestaltungsoptionen einer weitergehenden Kennzeichnung . . . . . . . . . . 122 5. Primärrechtliche Implikationen einer Nano-Kennzeichnung . . . . . . . . . . . . . 125 a) Bewertung der Kennzeichnungspflicht im Lichte der EU-Grundrechte . . 125 aa) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh 125 bb) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh . . . . . . . . 128 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Bewertung der Kennzeichnungspflicht im Lichte der EU-Grundfreiheiten 131 aa) Allgemeine normative Vorgaben der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . 131 bb) Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV . . . 132 c) Vereinbarkeit mit dem Vorsorge­prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Bestehender Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Allgemeine Melde-/Notifizierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Meldepflicht nach der Kosmetik-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Ausgestaltungsoptionen für weitergehende Meldepflichten für Nano­materia­ lien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Nanoproduktregister zur Verbraucherinformation und Markttransparenz 137 b) Nanoproduktregister als Risikomanagement-Maßnahme . . . . . . . . . . . . . 138 c) Exkurs: Meldepflicht für Nano­materialien in Frankreich . . . . . . . . . . . . . 139 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Bewertung der Einführung einer allgemeinen Meldepflicht für Nanoprodukte im Lichte des Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Öffentliches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh . 143 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (2) Veröffentlichung der gemeldeten Daten im Produktregister . . . . 145 (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh . 146 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Nicht-öffentliches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

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Inhaltsverzeichnis (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh . 150 (2) Speicherung der Daten in einem internen Register . . . . . . . . . . . 150 (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh . 151 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Bewertung der Einführung einer allgemeinen Meldepflicht für Nanoprodukte im Lichte der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Öffentliches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (2) Veröffentlichung der Informationen in einem Produktregister . . 153 bb) Nicht-öffentliches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (1) Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (2) Speicherung der Daten in einem internen Register . . . . . . . . . . . 155 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Vereinbarkeit mit dem Vorsorge­prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Implementierung in den bestehenden Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 155 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Bewertung der Notifizierungspflicht für Nano­materialien nach der KosmetikVerordnung im Lichte des Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh 157 bb) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh . . . . . . . . 159 b) Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV . . . . . . 160 c) Veröffentlichung bestimmter Informationen durch die Kommission . . . . 161 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. Partikelgrenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Bestehender Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Festlegung von Nano-Grenzwerten durch die Union? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Vereinbarkeit mit dem Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Sinn und Zweck von Zulassungsregimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Bestehender Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Inhaltsverzeichnis

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a) Das Zulassungsregime nach ­REACH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Aktuelle Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Anwendbarkeit auf Nano­materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Allgemeine Zulassungsregime in anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Nanospezifische Zulassungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Ausgestaltungsoptionen eines Zulassungsregimes für Nano­materialien . . . . 174 a) Stoffbezogene oder verwendungsbezogene Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Stoffbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Verwendungsbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Das Objekt eines Zulassungsvorbehalts: Jedes oder nur bestimmte Nano­ materialien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Der Beschluss des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments 178 bb) Der Vorschlag des Sachverständigenrats für Umweltfragen . . . . . . . 178 cc) Allgemeine Zulassungspflicht für alle Nano­materialien . . . . . . . . . . 179 dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 ee) Die Schwierigkeit der unterschiedlichen Größenbereiche . . . . . . . . . 180 c) Die Rechtsfolge der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Voraussetzungen der Erteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 bb) Wirkung der Erteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (1) Generelle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (2) Individuelle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 d) Flexible Mechanismen als Reaktion auf die Ungewissheit . . . . . . . . . . . 182 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 5. Die Vereinbarkeit eines Zulassungsregimes für Nano­materialien mit dem Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Verhältnismäßigkeitsaussagen bei Ungewissheit als grundsätzliches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 dd) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV . . . . . . 192 6. Bewertung der bereits bestehenden Zulassungspflichten für Nano­materialien im Lichte des Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Grundrechte und Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 194

Inhaltsverzeichnis

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c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 V. Die Zulässigkeit eines Moratoriums/Stoffverbots für Nano­materialien . . . . . . . 197 1. Moratorium durch explizites Stoffverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Moratorium durch Aussetzung von Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. De-facto-Moratorium durch Zulassungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Vereinbarkeit mit den EU-Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Explizites Stoffverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Aussetzung der Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 VI. Die Regulierung von Nano­materialien unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz und des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Das Kohärenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Das Kohärenzgebot als Bestandteil des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Die Justiziabilität der Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Kohärenz bei der Regulierung von Nano­materialien . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Erstreckung der Registrierungspflicht auf Nano­materialien . . . . . . . 204 bb) Die Kennzeichnung von nanopartikulären Inhaltsstoffen . . . . . . . . . 204 cc) Die Einführung einer Meldepflicht für ein Produktregister . . . . . . . . 205 dd) Zulassungspflichten für Nano­materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Kohärenz der bestehenden Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Kohärenz eines umfassenden Zulassungsvorbehalts . . . . . . . . . . 207 ee) Moratorium/Stoffverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Das Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 VII. Fazit zu Teil F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 G. Nanoregulierung auf nationaler Ebene: Gestaltungsspielräume der Mitglied­staaten 212 I.

Regelungszuständigkeit des europäischen Normgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

II. Gestaltungs- und Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . 213 1. Nationale Kennzeichnungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Nationale Meldepflichten für Produktregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Nationale Partikelgrenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4. Nationale Zulassungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 5. Nationale Stoffverbote/Moratorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Fazit zu Teil G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Inhaltsverzeichnis

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H. Die Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht 222 I.

Überblick über das Regelungssystem der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Das GATT-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Das SPS-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Das TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

II. Die WTO-Konformität der Kennzeichnung von Nano­materialien . . . . . . . . . . . 224 1. Die Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Anwendbarkeit im Falle der Kennzeichnung von Lebensmitteln . . . . . . 226 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Die Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Vereinbarkeit mit dem Verbot der Errichtung unnötiger Hemmnisse nach Art. 2.2 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) „Berechtigtes Ziel“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) „Notwendigkeit“ der Kennzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 d) Berücksichtigung internationaler Normen nach Art. 2.4 TBT . . . . . . . . . 231 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Die Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Die Vereinbarkeit mit Art. III:4 GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Die Vereinbarkeit mit Art. XI:1 GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Zwischenergebnis zur Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 III. Die WTO-Konformität von Meldepflichten für Nano­materialien und Nanoprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Bewertung der Einführung einer allgemeinen Meldepflicht für Nanoprodukte 235 a) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Die Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 c) Die Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Die Vereinbarkeit mit Art. III:4 GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Die Vereinbarkeit mit Art. XI:1 GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

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Inhaltsverzeichnis 2. Die WTO-Konformität der Notifizierungspflicht für Nano­materialien in kosmetischen Produkten nach Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung . . . . . . . . . 239 a) Die Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Eröffnung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 cc) Vereinbarkeit mit dem Verbot der Errichtung unnötiger Hemmnisse nach Art. 2.2 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (1) „Berechtigtes Ziel“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT . . . . . . . . . . . . . . . 240 (2) „Notwendigkeit“ der Notifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 dd) Berücksichtigung internationaler Normen nach Art. 2.4 TBT . . . . . 241 b) Die Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 IV. Die WTO-Konformität von Partikelgrenzwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 V. Die WTO-Konformität von Zulassungsvorbehalten für Nano­materialien . . . . . . 242 1. Bewertung der Einführung von (weiteren) Zulassungsvorbehalten für Nano­ materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Vereinbarkeit mit dem Verbot der Errichtung unnötiger Hemmnisse nach Art. 2.2 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) „Berechtigtes Ziel“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) „Gefahr“ nach Art. 2.2 Satz 4 TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (3) „Notwendigkeit“ eines Zulassungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . 245 (4) Einhaltung internationaler Normen nach Art. 2.4 TBT . . . . . . . . 246 (5) Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 5 TBT . . . . . . . . . . 246 (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 c) Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Die WTO-Konformität der Zulassungspflicht für Nano­materialien nach den Lebensmittel- und Biozid-Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Der Zulassungsvorbehalt nach der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung

249

aa) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (1) Die Einhaltung wissenschaftlicher Grundsätze nach Art. 2.2 SPS 249 (2) Die Risikobewertung nach Art. 5 SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (3) Vorübergehende Maßnahmen nach Art. 5.7 SPS . . . . . . . . . . . . . 251

Inhaltsverzeichnis

21

(4) Die Bedeutung für den Zulassungsvorbehalt der Zusatzstoff-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (a) Das Vorliegen internationaler Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (b) Einhaltung wissenschaftlicher Standards nach dem SPS . . . 253 (c) „Notwendigkeit“ nach Art. 2.1, 2.2 SPS . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 cc) Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Der Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien in Lebensmittelkontakt­ materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Vereinbarkeit mit dem SPS-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (1) Eröffnung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (2) Das Vorliegen internationaler Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (3) Einhaltung wissenschaftlicher Standards nach dem SPS . . . . . . 256 (4) „Notwendigkeit“ nach Art. 2.1, 2.2 SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Vereinbarkeit mit dem TBT-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 cc) Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Der Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien in Biozidprodukten . . . . . 257 aa) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 bb) Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 VI. Die WTO-Konformität einer von der ISO-Norm abweichenden Definition . . . . 258 VII. Die WTO-Konformität eines Moratoriums/Stoffverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Vereinbarkeit mit dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 VIII. Fazit zu Teil H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Auffassung ABl. Amtsblatt der Europäischen Union/Europäischen Gemeinschaften Accounts of Chemical Research Acc. Chem. Res. AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union American Institute of Chemical Engineers AIChE Anm. Anmerkung AtG Atomgesetz Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA BB Betriebs-Berater ber. berichtigt BfR Bundesinstitut für Risikobewertung BGBl. Bundesgesetzblatt BPUVZ Zeitschrift für betriebliche Prävention und Unfallversicherung BR-Ds. Bundesrats-Drucksache bspw. beispielsweise BT-Ds. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVerwGE Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts dass. dasselbe ders. derselbe dies. dieselbe(n) Diss. Dissertation DLR Deutsche Lebensmittel Rundschau Ds. Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt DVBl. ebd. ebenda ECHA Europäische Chemikalienagentur EFFL European Food and Feed Law Review Europäische Gemeinschaften EG Egl. Ergänzungslieferung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR EJRR European Journal of Risk Regulation EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EU Europäische Union EuG Gericht (erster Instanz) der Europäischen Union (der Europäischen Gemeinschaften) EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuR (Zeitschrift für) Europarecht

24

Abkürzungsverzeichnis

Vertrag über die Europäische Union EUV EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations Frankfurter Allgemeine Zeitung F. A. Z. FS Festschrift GA Generalanwalt GefStoffV Gefahrstoffverordnung GenDG Gendiagnostikgesetz GenTG Gentechnikgesetz GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GrCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union Habil.-Schr. Habilitationsschrift Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland HdbStR hrsg. herausgegeben Hrsg. Herausgeber insbes. insbesondere i. S. d. im Sinne des/der ISO International Organisation for Standardisation in Verbindung mit i. V. m. im weiteren Sinne i. w. S. JA Juristische Arbeitsblätter J. Agric. Food Chem Journal of Agricultural and Food Chemistry JEEPL Journal for European Environmental & Planning Law Journal of World Trade JWT Kap. Kapitel Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch LFGB lit. Buchstabe LMuR Lebensmittel und Recht Minn J. L. Sci & Tech Minnesota Journal of Law, Science and Technology µm Mikrometer m. w. N. mit weiteren Nachweisen Nano Lett. Nano Letters Neue Juristische Wochenschrift NJW nm Nanometer Natur und Recht NuR NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht oder ähnliches o.ä. OECD Organisation for Economic Co-operation and Development oben genannte(n) o.g. OLG Oberlandesgericht Pace Envtl. L. Rev. Pace Environmental Law Review Haftpflicht international – Recht und Versicherung PHi Registration, Evaluation and Authorization of Chemicals REACH RL Richtlinie Rn. Randnummer Rs. Rechtssache S. Seite

Abkürzungsverzeichnis

25

Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks SCENIHR Scientific Reports Sci. Rep. Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts s. o. siehe oben StoffR Zeitschrift für Stoffrecht TA Technische Anleitung unter anderem u. a. UBA Umweltbundesamt Univ. Universität u.s.w. und so weiter unter Umständen u. U. UWSF Umweltwissenschaften und Schadstoffforschung v. von/vom vor allem v. a. Verwaltungsblätter Baden-Württemberg VBlBW. verb. verbunden VerwArch Verwaltungsarchiv VO Verordnung WHO World Health Organization World Trade Organization WTO zum Beispiel z. B. Zbl. Arbeitsmed. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie Zeitschrift für europarechtliche Studien ZEuS ZLR Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht ZP Zusatzprotokoll zugl. zugleich Zeitschrift für Umweltrecht ZUR

A. Einleitung und Problemstellung Nanopartikel sind allgegenwärtig. Die winzigen Stoffteilchen von der Größe etwa eines Enzyms oder Virus (ein nm entspricht 0,000000001 m) umgeben den Menschen seit jeher. Jeder Mensch nimmt täglich geschätzte 1012 Nano-und Mikropartikel allein an Lebensmittelzusätzen durch den Mund auf.1 Nanopartikel können einen natürlichen oder anthropogenen Ursprung haben. So baut die Nanotechnologie auf die größenbedingt neuen stofflichen Eigenschaften von Nano­ partikeln auf und will diese für verschiedenste Zwecke nutzen. Bereits realisierte und mehr noch erst vorgestellte Anwendungsfelder vermitteln den Eindruck einer immensen Vielfalt der zu erwartenden Einsatzmöglichkeiten, so dass bereits von einer neuen Stufe der industriellen Revolution gesprochen wird.2 Angesichts der beinahe unüberschaubaren Vielfalt an potenziellen Einsatzmöglichkeiten in den verschiedensten technischen Bereichen wird die Nanotechnologie auch illustrativ als Querschnittstechnologie bezeichnet.3 Das Spektrum der einzelnen Verwendungen lässt es so auch angebracht erscheinen, von Nanotechnologien zu sprechen. Die Nanotechnologien werden künftig die Lebensbedingungen des Menschen vor allem in den modernen Gesellschaften bestimmen. Im Jahre 2011 wurde der Weltmarkt für Nanomaterialien, Beschichtungen, Strukturierungen und Analytik auf bereits 93 Milliarden US-Dollar taxiert.4 Bei der künftig zu erwartenden Bedeutung der Nanotechnologien für die Wertschöpfung wird das weltweite Marktvolumen auf ein bis zwei Billionen US-Dollar prognostiziert.5 Bei allen vielfältigen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Nutzung verweisen in jüngerer Zeit erste Studien auf mögliche negative Auswirkungen für Mensch und Umwelt. Durch spezifische physikalische und chemische Besonderheiten sind die Folgen der Nutzung dieser Kleinstpartikel ungewiss und bedürfen noch jahre-, wenn nicht sogar jahrzehntelanger Untersuchungen. Bestimmte Nanomaterialien können in der Lage sein, die Zellmembrane und teilweise auch die Blut-HirnSchranke zu überwinden. Verschiedene, im Einzelnen aber noch strittige Studien weisen auf teilweise sehr besorgniserregende Auswirkungen von Nanomaterialien sowohl im menschlichen Körper als auch im ökologischen Wirkungsgefüge insgesamt hin. Schwierigkeiten bei der Risikobewertung bereiten dabei neben einer fehlenden einheitlichen Testanalytik auch teilweise unzureichende Nachweis­ 1

Lomer/Thompson/Powel, Proceedings of the Nutrition Society 61 (2002), S. 123 (123). Schmid, Chancen und Risiken, in: Hendler/Marburger/Schröder, S. 11 (11). 3 Z. B. Wendorff, in: Scherzberg/Wendorff, S. 3 (3). 4 Bundesministerium für Bildung und Forschung, nano.DE-Report, S. 24. 5 Ebd. 2

28

A. Einleitung und Problemstellung

methoden. Hinzu kommt, dass die risikokonstitutiven Faktoren eines Nanomaterials bislang unklar sind. So spielt nicht nur die Größe eines Partikels, sondern auch dessen im Vergleich zum Makrostoff deutlich gesteigerte Reaktivität eine erhebliche Rolle. Freilich ist auch das zugrunde liegende Material von Bedeutung. Zuletzt können sich sogar innerhalb desselben Stoffes in unterschiedlichen Abmessungen erhebliche charakteristische Unterschiede ergeben. All dies stellt die Technikfolgenabschätzung und die Rechtsordnung vor große Herausforderungen. So bedarf es einer sorgsamen Abwägung von Wirtschafts-, Gesundheits- und Umweltschutzbelangen. Die erhebliche strukturelle Ungewissheit, die den Nanotechnologien aktuell inhärent ist, erfordert besonders flexible Regelungsmechanismen, um das breite Spektrum an unterschiedlichen Nanomaterialien erfassen zu können. So liegt es auf der Hand, dass biozidal wirkendendes Nanosilber in Textilien eher regulatorische Fragestellungen aufzuwerfen vermag als von Natur aus in der Milch vorkommende nanoskalige Caseine oder Molkenproteine. Trotz dieser aufgezeigten Unsicherheiten befinden sich schon vielfältige Produktangebote auf dem freien Markt, die sich die besonderen Eigenschaften von Nanomaterialien zu Nutze machen. Angesichts dieses Spannungsverhältnisses von wirtschaftlichen Chancen und möglichen, im Einzelnen aber noch ungewissen Risiken wird seit einiger Zeit das Erfordernis regulierender Eingriffe diskutiert, die dem Schutz von Umwelt und Gesundheit hinreichend Rechnung tragen. Dies geschieht sowohl auf der Ebene des nationalen Rechts als auch auf der Ebene des Rechts der Europäischen Union. Angesichts der stetig wachsenden Be­deutung der Nanotechnologien kommt dabei einheitlichen, unionsweiten Regelungen eine besondere Bedeutung zu. Denn nationale Alleingänge, wie sie teilweise bereits angedacht werden, bergen stets das Risiko unzulässiger Hemmnisse für den Binnenmarkt, jedenfalls aber einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die betroffenen Unternehmen. So hat die EU in einigen Regelungsbereichen (v. a. Lebensmittel, Kosmetika, Biozidprodukte) bereits nanospezifische Vorschriften erlassen. Die Änderung weiterer Vorschriften, insbesondere der REACH-Verordnung, wird seit geraumer Zeit diskutiert. Nach einer Analyse des bestehenden Regelungsgefüges (Abschnitt E.) will die Arbeit untersuchen, in welchem Maße die zahlreichen im Raum stehenden Vorschläge für eine harmonisierte Regulierung von Nanomaterialien mit dem Primärrecht vereinbar sind bzw. in Einklang gebracht werden können (Abschnitt F.). Angesichts der Fülle von potenziellen Regulierungsmechanismen beschränkt sich die Untersuchung auf die praktisch relevantesten, im Fokus der Debatte stehenden Gestaltungsoptionen. Hierbei handelt es sich um eine Kennzeichnungspflicht (Abschnitt F.I.), eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister (Abschnitt F.II.), ein Zulassungsregime (Abschnitt F.IV.) und ein Moratorium bzw. Stoffverbot (Abschnitt F.V.). Zudem wird die rechtliche Realisierbarkeit von Nano-Grenzwerten (etwa in Luft und Wasser) erörtert (Abschnitt F.III.). Dabei will sich die Arbeit nicht auf die rechtliche Zulässigkeit der verschiedenen Instrumente beschränken, sondern auch die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten auf ihre Prak-

A. Einleitung und Problemstellung

29

tikabilität hin beleuchten und bewerten. Im Kontext dieser Ausführungen wird auch untersucht, inwieweit die neuen, expliziten Regelungen von Nanomaterialien EU-grundrechtlichen und -grundfreiheitlichen und den übrigen primärrechtlichen Standards genügen. Anschließend wird in Abschnitt G. erörtert, welche kompetenziellen Regelungskorridore den Mitgliedstaaten der Europäischen Union für eigene Nano-Regulierungen verbleiben. Die regional beschränkte Regulierung von Technologien birgt stets ein gewisses Potenzial internationaler Handelskonflikte in sich. Maßnahmen zur Regulierung der Nanotechnologien müssen daher mit dem Recht der Welthandels­organisation WTO vereinbar sein.6 Zuletzt setzt sich die Arbeit daher mit der Frage auseinander, welche Anforderungen das Welthandelsrecht an die unionsrechtliche Regulierung der Nanotechnologien stellt und ob diesen genügt werden kann (Abschnitt H.). Bevor jedoch der bestehende Rechtsrahmen und mögliche Veränderungen einer rechtlichen Bewertung unterzogen werden können, ist es erforderlich, zunächst die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Nanotechnologien darzulegen und die zahlreichen Begrifflichkeiten zu klären (Abschnitt B.).

6

Siehe etwa van Calster, in: Hodge/Bowman/Ludlow, S. 287 (289 f.).

B. Einführung in die Nanotechnologien I. Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten Der Begriff der Nanotechnologien verbindet Forschungsgebiete, denen die Orientierung an einer bestimmten Größenordnung gemeinsam ist. Geprägt wurde der Begriff „Nano“ (altgriechisch νάνος, nános für Zwerg) durch den japanischen Wissenschaftlicher Norio Taniguchi, der ihn 1974 erstmalig im wissenschaftlichen Kontext verwendete.1 Gleichwohl sind die weitergehenden Überlegungen einer Stoffmanipulation im Nanometerbereich (etwa der Manipulierung einzelner Atome) auf Richard P. Feynman zurückzuführen, der mit dem Vortrag „There’s Plenty of Room at the Bottom“2 im Jahre 1954 berühmt wurde.3 Der Einsatz winziger Stoffpartikel etwa zum Färben von Glas wurde jedoch schon im 17. Jahrhundert durch den preußischen Alchemisten Johann Kunckel praktiziert und beschrieben. Dieser setzte kolloidales Gold ein, das im nanoskaligen Größenbereich zu einer Rotfärbung des Glases führte.4 Ein Beispiel aus noch früheren Zeiten stellt die Verwendung von Ton dar, der teilweise aus nanodicken Mineralplättchen aufgebaut war.5 Die besondere Schärfe und Bruchfestigkeit von im Mittelalter eingesetzten Damaszener-Klingen ist auf Kohlenstoffnanoröhrchen zurückzuführen.6 So machte man sich also bereits vor langer Zeit faktisch die Eigenschaften von Nanomaterialien zunutze, ohne dass man diese Wirkungen und Materialeigenschaften mit ihnen wissend in Verbindung hätte bringen können.7 Bevor nun im Folgenden unter Abschnitt II. auf die Anwendungsfelder der Nanotechnologien eingegangen werden soll, bedarf es zunächst der Klärung der verschiedenen und im Einzelnen auch noch nicht abschließend konturierten Begrifflichkeiten.

1

Yamamoto u. a., in: Kateb/Heiss, S. 7 m. w. N. Der Vortrag ist abrufbar unter http://www.zyvex.com/nanotech/feynman.html. 3 Bemerkenswert ist v. a. die Passage, in der Feynman den Zuhörern die Potenziale kleinster Stoffe andeutet: „What would the properties of materials be if we could really arrange the atoms the way we want them? They would be very interesting to investigate theoretically. I can’t see exactly what would happen, but I can hardly doubt that when we have some control of the arrangement of things on a small scale we will get an enormously greater range of possible properties that substances can have, and of different things that we can do.“ 4 Ausführlich Kuhnert, S. 301 ff. 5 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 14. 6 Ebd. 7 Ebd. 2

I. Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten 

31

1. Definitionsversuche Zentrale Bedeutung kommt der einheitlichen Definition dessen zu, was überhaupt als Nanopartikel oder Nanomaterial zu verstehen ist. Verbindliche internationale Begriffsfestlegungen existieren bislang nicht. Aus diesem Grunde ist zunächst eine von der International Organisation for Standardisation (ISO) ausgearbeitete Definition vor allem für die Industrie und den internationalen Warenverkehr von maßgeblicher Relevanz. a) Definitionen der ISO Nach der ISO-Spezifikation TS/80004-88 wird der Terminus „Nanomaterial“ wie folgt definiert: „Material with any external dimension in the nanoscale or having internal structure or surface structure in the nanoscale.“9

Der Begriff „nanoscale“ wird dabei durch die ISO-Spezifikation TS/27687 aus 200810 spezifiziert: „Size range from approximately 1 nm to 100 nm.“ Als Nanomaterialien können sowohl Nanoobjekte (Nanopartikel, Nanofasern und Nanoplättchen)11 als auch „nanostructured materials“ gelten.12 Somit bezeichnet der Begriff „Nanomaterial“ eine übergeordnete Kategorie. Nanopartikel verfügen gemäß der ISO-Spezifikation über drei, Nanofasern über zwei und Nanoplättchen über ein Außenmaß(e) im Nanomaßstab. Nanostrukturierte Materialien enthalten demgegenüber „interne“ oder an der Oberfläche des Materials befindliche Nanostrukturen, die insoweit einen „integralen Bestandteil“ eines größeren Objekts bilden.13 Damit kann ein Nanomaterial auch ein makroskopischer Körper sein, der in seinem Inneren Nanostrukturen enthält.14. Den Festlegungen der ISO hat sich im Wesentlichen auch die OECD mit ihrer Working Party on Manufactured Nanomaterials angeschlossen.15 8

ISO/TS 80004-1:2010, 3.4 (Nanotechnologies – Vocabulary – Part 1: Core terms). Die hier beschriebenen ISO-Normen sind größtenteils frei zugänglich unter cdb.iso.org. 10 ISO/TS 27687: 2008, 2.1. Zur Normung insgesamt siehe etwa Heinrich, in: Weber, S. 181 ff. 11 Vgl. Schmitt, Hessen-Nanotech News, 6/2008, S. 5. 12 Vgl. ISO/TS 80004-1:2010, 3.7 (Nanotechnologies – Vocabulary – Part 1: Core terms). 13 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 73. 14 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 83. Bei den hier zitierten „ISO-Normen“ handelt es sich jedoch noch nicht um offizielle „internationale Standards“, sondern allein um sog. „technische Spezifikationen“, was auch durch das Präfix „TS“ zum Ausdruck kommt. Technische Spezifikationen werden insbesondere dann veröffentlicht, „when the subject in question is still under development“, International Organisation for Standardisation, Directives, S.  35. Zu der Bedeutung von ISO-Normen und den insoweit vorzunehmenden Differenzierungen im welthandelsrechtlichen Kontext siehe ausführlich unten H. VI. 15 Lövestam u. a., S. 14. 9

32

B. Einführung in die Nanotechnologien

b) Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission An der ISO-Definition orientiert sich auch die von der Europäischen Kommission im Jahre 2011 veröffentlichte Empfehlung einer Definition des Terminus „Nanomaterial“: „‚Nanomaterial‘ ist ein natürliches, bei Prozessen anfallendes oder hergestelltes Material, das Partikel in ungebundenem Zustand, als Aggregat oder als Agglomerat enthält, und bei dem mindestens 50 % der Partikel in der Anzahlgrößenverteilung ein oder mehrere Außenmaße im Bereich von 1 nm bis 100 nm haben.“16

Ein Nanopartikel ist ein „sehr kleines Teilchen einer Substanz mit definierten physikalischen Grenzen“ (Nr. 4 lit. a der Empfehlung). Ein Nanomaterial setzt sich demnach u. a. aus einzelnen Nanopartikeln zusammen. Fullerene, Graphenflocken und einwandige Kohlenstoffnanoröhrchen sollen abweichend bereits dann als Nanomaterial qualifiziert werden, wenn ein oder mehrere Außenmaße unter 1 nm groß sind (Nr. 3). Die Definition ist an die Mitgliedstaaten, die EU-Agenturen und die Wirtschaftsteilnehmer gerichtet (Nr. 7 der Empfehlung). c) Zusammenfassung Ein Nanomaterial kann gemäß der ISO-Definition ein einzelnes, losgelöstes Nanoobjekt sein, soweit es mindestens in einer Dimension eine Länge von einem bis zu 100 Nanometern (1 nm entspricht einem Milliardstel Meter = 10 –9 m = 0,000000001 m) aufweist. Dieser Abmessungsbereich entspricht auch zahlreichen nationalen Definitionsversuchen.17 Unter einem Nanomaterial kann aber auch eine stoffliche Zusammensetzung verschiedener Substanzen verstanden werden, in welcher den Nanostrukturen entscheidende Bedeutung zukommt. Dies kann etwa ein sog. Komposit, ein Aggregat oder Agglomerat oder aber auch ein makroskopisches Material mit einer nanostrukturierten Oberfläche oder einer internen Nano-Dimension sein.18 Hiervon weicht die Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission insofern ab, als dass sie sich ausdrücklich nur auf partikuläre Substanzen bezieht und Materialien mit internen Nano-Dimensionen oder Oberflächen ausklammert.19 Insoweit weicht sie u. a. von der in der EU-Kosmetik-

16 Empfehlung der Europäischen Kommission zur Definition von Nanomaterialien, 2011/ 696/EU, ABl. 2011 L 275, S. 38 ff. 17 Vgl. die Übersicht bei Lövestam u. a., S. 16 f. Sehr anschaulich ist auch die zusammenfassende Darstellung von Greßler/Gaszó. 18 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 73. Zur Form als Anknüpfungspunkt für begriffliche Ausdifferenzierungen siehe Williams, in: Hodge/Bowman/Maynard, S. 107 (114 f.). 19 Europäische Kommission, Questions and answers on the Commission Recommendation on the definition of nanomaterial, MEMO/11/704, S. 2 (abrufbar unter www.europa.eu). Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 14 der Kommissionsempfehlung.

I. Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten 

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Verordnung vorgesehenen Begriffsbestimmung ab.20 Die Begriffskategorie des „Nanomaterials“ trägt dem Umstand Rechnung, dass im Kontext der Nanotechnologien zumeist stoffliche Zusammensetzungen verwendet werden, die viele verschiedene Nanopartikel (insbesondere mit Blick auf den Größenbereich) aufweisen. d) Bewertung Eine Beschränkung der Definition auf einen Größenbereich von 1 bis 100 nm ist nicht unumstritten. Kritiker machen insbesondere geltend, dass auch Stoffpartikel oberhalb einer Größe von 100 nm membrangängig sein können.21 Studien deuten darauf hin, dass die menschliche Plazenta für Partikel bis zu einer Größe von 240 nm durchlässig ist.22 Dies spricht dafür, den oberen Grenzwert auf 300 nm zu erhöhen. Um dem großen praktischen Bedürfnis nach einheitlicher internationaler Standardisierung gerecht zu werden, scheint die Festlegung auf einen Größenbereich bis 100 nm indes nachvollziehbar. Ohnehin sehen sowohl die Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission als auch einige im Sekundärrecht vorgenommene Begriffsbestimmungen Überprüfungen und Anpassungsmöglichkeiten an den aktuellen Stand der Wissenschaft vor.23 Ein weiteres Augenmerk ist auf die Anzahlgrößenverteilung zu richten, die die Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission als weiteres Kriterium aufführt. Sie besagt, dass ein Nanomaterial per definitionem nur dann vorliegt, wenn mindestens 50 % der Partikel nanometrischer Abmessung sind. Sollte sich herausstellen, dass Methoden entwickelt werden, um die Anzahlgrößenverteilung bewusst geringfügig zu senken, um so einer etwaigen Regulierung zu entgehen, bedarf die Definition der Überarbeitung.24 Gleiches gilt für den Fall, dass Aspekte des­ Gesundheits- und Umweltschutzes dies erforderlich machen. Ohnehin bleibt aber abzuwarten, inwieweit der Wert von 50 % oder der Aspekt der Anzahlgrößenverteilung generell in die Definitionen der einzelnen Regularien übernommen werden. So schließt bislang allein die neue, seit September 2013 geltende EU-Biozid 20

Zu den erheblichen praktischen Auswirkungen siehe auch unten E. II. 1. d). Aus diesem Grunde ist das Umweltbundesamt der Auffassung, dass Partikelgrößen bis 300 nm erfasst werden sollten, siehe Standpunkt im Rahmen der Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 7. Ähnlich Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 83, 86. Kritisch, aber im Ergebnis ohne Festlegung Krug/Wick, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1294 (1295 f.) m. w. N. Auch im internationalen Dialog divergieren die Vorschläge teilweise erheblich, siehe Klaessig/Marrapese/Abe, in: Murashov/Howard, S. 21 (25). 22 Wick u. a., Environmental Health Perspectives 118 (2010), S. 432 ff. 23 Erwägungsgrund Nr.  6 der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Definition von Nanomaterialien, 2011/696/EU, ABl. 2011 L 275, S. 38 ff.; Art. 18 Abs. 5 der VO (EU) Nr. 1169/2011, ABl. 2011 L 304, S. 18 ff.; Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1223/2009, ABl. 2009 L 342, S. 59 ff. 24 Dies erkennt auch die Kommission und regt eine Überprüfung des Wertes der Anzahlgrößenverteilung bis Dezember 2014 an, siehe Erwägungsgrund Nr. 14. So soll eine Herabsenkung etwa aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes möglich sein (Nr. 11). 21

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B. Einführung in die Nanotechnologien

Verordnung25 diesen Teil der Definitionsempfehlung in ihre Definition eines Nanomaterials mit ein.26 Im Übrigen bleibt die Schwierigkeit bestehen, die Anzahlgrößenverteilung eines Nanomaterials zu bestimmen.27 Was die Erfassung von Nanomaterialien betrifft, die per definitionem nicht als solche im Sinne der jeweiligen Regelung qualifiziert werden können (weil die zugrunde liegende Definition enger gefasst ist), scheidet eine direkte oder analoge Anwendung der nanospezifischen Vorschriften des jeweiligen Rechtssatzes aus. Denn es entspricht dann der gesetzgeberischen Wertung, eben bestimmte Mate­ rialien vor schärferer Regulierung zu verschonen.28 Diese Arbeit wird sich im Folgenden an der Kommissionsempfehlung zum Begriff des „Nanomaterials“ orientieren. Wird also im Folgenden von einem „Nano­ material“ gesprochen, so ist die o.g. Definition zugrunde zu legen. Synonym hierzu werden in dieser Arbeit die Begriffe „Nanostoff“, „Nanosubstanz“ und „Nanostruktur“ verwendet. Von einem „Nanopartikel“ ist immer dann die Rede, wenn es um den einzelnen Stoffpartikel geht. 2. Weitere begriffliche Differenzierungen Nach alledem bewegen sich Nanopartikel per definitionem in einem Abmessungsbereich oberhalb von Atomen (etwa 0,1 nm groß) und unterhalb von Bakterien (ca. 1 µm).29 Sie bewegen sich damit in vergleichbaren Größenordnungen wie Enzyme, Viren und Proteine. Die Partikel stellen entweder eine Miniatur eines bereits vorhandenen Stoffes dar oder aber einen aus Atomen und Molekülen kreierten neuen Stoff. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der sog. bottom up- und der top down-Methode. Bei der bottom up-Methode werden Nanopartikel z. B. durch Selbstorganisation aus Atomen und Molekülen zusammengesetzt.30 Demgegenüber werden bei einem top down-Verfahren makroskopische Stoffe auf Nanogröße verkleinert.31 Damit fällt die Herstellung synthetischer Nanomaterialien hauptsächlich in den Bereich der Chemie.32

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VO (EU) Nr. 528/2012, ABl. 2012 L 176, S. 1 ff. Siehe auch Art.  2 Abs.  1 lit.  t der Lebensmittelinformations-Verordnung VO (EU) Nr. 1169/2011, ABl. 2011 L 304, S. 18: „[…] von denen viele [Hervorhebung durch Autor] in einer oder mehreren Dimensionen eine Abmessung in der Größenordnung von 100 nm oder weniger haben […].“ 27 Reihlen/Jepsen, Instrumente zur Bewertung, S. 17. 28 Siehe hierzu am Beispiel der Kosmetik-Verordnung Rucireto, S. 468. 29 Zum Vergleich: Ein menschliches Haar besitzt bereits einen Durchmesser von 70–100 µm. 30 Luttge, S. 93 f. 31 Hierzu Royal Society, S. 25 f. 32 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanotechnologie erobert die Märkte, S. 8; zu weiteren Aspekten der industriellen Fertigung Hartmann, S. 84 ff. Zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen im Detail Wautelet, S. 145 ff. 26

I. Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten 

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Auch der Begriff der Nanotechnologien als solcher ist noch nicht abschließend geklärt. So verwendet die Nanokommission der deutschen Bundesregierung folgende Definition: „Der Begriff der Nanotechnologien umfasst verschiedene Verfahren zur Untersuchung und zur gezielten Herstellung und Anwendung von Prozessen, Strukturen, Systemen oder molekularen Materialien, die in mindestens einer Dimension typischerweise unterhalb von 100 Nanometern (1 nm = 10 –9m) liegen.“33

Die ISO-Spezifikation TS/80004-7:2011 definiert den Begriff der „Nanotechnologie“ wie folgt: „Application of scientific knowledge to manipulate and control matter in the nanoscale […] in order to make use of size- and structure-dependent properties and phenomena, as distinct from those associated with individual atoms or molecules or with bulk materials“ (Nr. 2.3).

Angesichts dieses sehr weiten Bedeutungsgehalts sind erste Versuche von Kategorisierungen unternommen worden. Ein vereinfachender Ansatz differenziert dabei zwischen aktiven, passiven und hybriden Nanotechnologien.34 Passive Nanotechnologie ist dabei die Verwendung nanoskaliger Materialien zur Optimierung von Eigenschaften herkömmlicher Materialien, etwa der Einsatz von Nano­silber in Textilien.35 Im Gegensatz dazu werden im Rahmen der aktiven Nanotechnologie Nanomaterialien entwickelt, die aktiv Prozesse steuern oder in Gang setzen.36 Als Beispiel nennt der Autor Tour sog. nanocars, also nanogroße Vehikel, die durch Lichteinfall auf einer Oberfläche in Bewegung gesetzt werden und einzelne Atome transportieren können.37 Ein ähnlicher, zweiter Differenzierungsversuch kategorisiert ebenfalls nach „aktiven“ und „passiven“ Nanostrukturen.38 Die verschiedenen Versuche von Begriffspräzisierungen und -eingrenzungen verdeutlichen die Unschärfe des Terminus „Nanotechnologie“, zumal seine Verwendung dahingehend missverstanden werden könnte, dass nur bestimmte Formen von Stoffen gemeint sind. Effektiv wird mit dem Begriff der Nanotechnologie zumeist der Einsatz von Nanomaterialien zum Ausdruck gebracht, auf die sich auch – wie sich noch zeigen wird – die Risikodiskussion bezieht. Im Folgenden wird daher zumeist von der „Verwendung von Nanomaterialien“ gesprochen.

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Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 12. Tour, Nanotechnology Law and Business 4 (2007), S. 361 ff. 35 Tour, Nanotechnology Law and Business 4 (2007), S. 361 (362). 36 Ebd. 37 Vgl. Shirai/Tour u. a., Directional Control in Thermally Driven Single-Molecule Nanocars, Nano Lett. 5 (2005) Nr. 11, S. 2330 ff. 38 Roco, AIChE Journal 50 (2004), S. 890 (895 f.). 34

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B. Einführung in die Nanotechnologien

3. Differenzierung zwischen natürlichen, anthropogenen und synthetischen Nanomaterialien Nanoskalige Teilchen sind keine menschliche Erfindung. In der freien Natur treten seit jeher Nanomaterialien etwa als nanogroße Pollen, Stäube oder als Fullerene39 aus Verbrennungsprozessen (z. B. Waldbränden) auf.40 So enthält beispielsweise der Sahara-Sandstaub gleich eine Vielzahl nanoskaliger Stoffteilchen. Auch bei Vulkaneruptionen erfolgt eine natürliche Freisetzung.41 In Kuhmilch befinden sich von Natur aus Caseine, Molkenproteine und ähnliche Substanzen im Nanoformat.42 Gleichwohl hat die Exposition bestimmter Nanomaterialien in die Umwelt ein menschliches Verhalten als Ursache. Dies gilt etwa für Feinstaub emittierende Dieselfahrzeuge oder kleinste Silberpartikel, die seit geraumer Zeit aufgrund ihrer antibakteriellen Wirkung eingesetzt werden.43 Die Autoren Oberdörster44 haben vor diesem Hintergrund eine Differenzierung zwischen den einzelnen Arten von Nanomaterialien vorgenommen, die sich inzwischen auch allgemein durchgesetzt hat. Zu unterscheiden sind hiernach absichtlich hergestellte, also synthetische Nanomaterialien (z. B. Nanosilber für Textilien oder Kohlenstoffnanoröhrchen, sog. carbon nano tubes), unabsichtlich verursachte Emissionen von Ultrafeinstäuben (etwa durch anthropogene Faktoren wie Dieselmotoren und Industrieanlagen) und Stoffe natürlichen Ursprungs (z. B. Ferritin, Fullerene, Ultrafeinstäube aus Waldbränden oder Vulkanausbrüchen). Ultrafeinstäube unterscheiden sich von Nanostrukturen aus synthetischen Herstellungsprozessen dadurch, dass es sich bei ihnen um Stoffgemische handelt, die in Form, Zusammensetzung und Größe sehr unterschiedlich sind, während gezielt produzierte Nanomaterialien zumeist Reinsubstanzen darstellen.45 In Abgrenzung zum sog. Ultrafeinstaub wird als Feinstaub solcher bezeichnet, der sich noch im mikroskaligen Größenbereich bewegt.46 Vor allem aber die Differenzierung zwischen natürlichen und synthetischen Nanomaterialien hat Eingang in verschiedene Definitionen auf EU-Ebene gefunden. So ist zuvörderst die bereits erörterte Definitionsempfehlung der Euro­päischen Kommission zu nennen, die sowohl „ein natürliches, bei Prozessen anfallendes oder hergestelltes Material“ erfasst. Ähnlich ist auch die Formulierung in der EU 39 Unter Fullerenen werden sphärische Moleküle aus Kohlenstoffatomen verstanden. Das berühmteste Fulleren ist das C60 -Fulleren, das vom Aufbau einem Fußball gleicht; hierzu Hartmann, S. 28 ff. und Royal Society, S. 8 f. 40 Vgl. Krug, in: Scherzberg/Wendorff, S. 59 (61). 41 Beide Beispiele nach Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 8 f. 42 Milchindustrie-Verband. 43 Siehe hierzu Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 12, 20. 44 Oberdörster, Günter/Oberdörster, Eva/Oberdörster, Jan, Environmental Health Perspec­ tives 113 (2005), S. 823 (823 f.). 45 Oberdörster, Günter/Oberdörster, Eva/Oberdörster, Jan, Environmental Health Perspec­ tives 113 (2005), S. 823 (823 f.). 46 Siehe im Detail dazu unten B. III. 2.

I. Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten 

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Biozid-Verordnung VO (EU) Nr. 528/201247: „natürlicher oder her­gestellter Wirkstoff“. Die EU-Kosmetik-Verordnung Nr. 1223/200948 erfasst demgegenüber nur „absichtlich hergestelltes Material“ (Art. 2 Abs. 1 lit. k). Gleiches gilt für die EULebensmittelinformations-Verordnung Nr.  1169/201149. Ob ein Rechtssatz dabei natürliche Nanomaterialien in seinen Anwendungsbereich miteinbezieht, hängt insbesondere davon ab, ob er insgesamt auf hergestellte Materialien ausgerichtet ist.50 Für die Regulierung von Nanomaterialien ist es vor diesem Hintergrund entscheidend, sinnvoll zwischen natürlichen und synthetischen Nanomaterialien zu unterscheiden. Ob auch natürliche Nanosubstanzen von einer Maßnahme erfasst werden sollen, hängt dabei vom Einzelfall ab. Soweit in dieser Arbeit von Nanomaterialien gesprochen wird, sind damit, soweit nicht ausdrücklich anders fest­ gelegt, auch natürliche Materialien gemeint. 4. Differenzierung zwischen gebundenen und ungebundenen Partikeln Neben der Differenzierung von natürlichen und synthetischen Nanomaterialien ist noch eine weitere Unterscheidung von großer Relevanz. So können nano­skalige Partikel zum einen fest in eine Matrix eingebunden oder mit einer Ober­f läche verbunden sein.51 Besonders letzteres ist etwa bei Farben, Lacken und anderen Oberflächenbeschichtungen der Fall.52 Zum anderen können sie auch ungebunden in einem Produkt enthalten sein. Sie besitzen dann die Fähigkeit, frei zu zirkulieren und sich vom Medium zu lösen, z. B. Nanomaterialien in Kosmetika.53 Grund für die Differenzierung zwischen gebundenen und ungebundenen Stoffpartikeln ist die Annahme, dass das Expositionsrisiko bei gebundenen Substanzen deutlich niedriger ist als bei frei beweglichen.54 So müssen gebundene Partikel zum di­rekten Kontakt mit Mensch oder Umwelt zunächst aus der Matrix heraus­gelöst werden. Neben den unter Expositionsgesichtspunkten also besonders relevanten un­ gebundenen Nanomaterialien erfassen die hier vorgestellten Definitionen ausdrücklich (Kommissionsempfehlung) oder implizit (ISO-Norm) auch Aggregate oder Agglomerate (s. o.). Dies ist damit zu erklären, dass für Nanopartikel durch 47

ABl. 2012 L 176, S. 1 ff. ABl. 2009 L 342, S. 59 ff. 49 ABl. 2011 L 304, S. 18 ff. 50 Europäische Kommission, Questions and answers on the Commission Recommendation on the definition of nanomaterial, MEMO/11/704, S. 3 (abrufbar unter www.europa.eu). 51 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 89 f. m. w. N. 52 Ebd. 53 Ebd. 54 Steinfeldt u. a., S. 48; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 114 ff. 48

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B. Einführung in die Nanotechnologien

ihre besonders hohe Reaktivität (dazu sogleich) eine hohe Agglomerations- bzw. Aggregationsfähigkeit charakteristisch ist. Obwohl diese Partikelagglomerate – oder Aggregate dann Größen bis über 500 nm aufweisen können55, werden sie von den einschlägigen Definitionen mit erfasst. Denn einzelne Nanopartikel können auch wieder freigesetzt werden und somit in den ungebundenen Zustand zurückfallen.56 Da sich diese Arbeit wie dargelegt an der Kommissionsempfehlung orientiert, sind im Folgenden ungebundene sowie agglomerierte oder aggregierte Nanopartikel gemeint, soweit nichts Abweichendes ausdrücklich festgelegt wird. 5. Neue Stoffeigenschaften als Anknüpfungspunkt der Nanotechnologien Anders als makroskopische Teilchen (also Teilchen, die mit dem bloßen Auge sichtbar sind und sich somit von vornherein in einem anderen Größenrahmen bewegen) weisen Nanopartikel eine veränderte Skalierung auf. Unterhalb einer Größe von 100 nm gelten die Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik.57 Wird ein Bauteil verkleinert, so verringert sich das Volumen stärker als die Oberfläche. Je kleiner also ein Stoffteil, desto größer seine Oberfläche und damit die Anzahl der Oberflächenatome.58 Dieses veränderte Oberfläche-Volumen-Verhältnis kann jedoch zu erheblichen Veränderungen in der Reaktivität und der Wirkungsweise eines nanoskaligen Partikels führen, der aus diesem Grunde qualitativ erheblich von seinem makroskaligen Pendant abweichen kann. Die erhöhte Reaktivität ist damit zu begründen, dass – die bei einem Nanopartikel besonders zahlreich vorkommenden – Oberflächenatome eine starke Neigung haben, ihre Bindungsmöglichkeiten zu nutzen.59 Des Weiteren führt eine Verkleinerung eines Stoffes in allen linearen Längen zu einem Anstieg seines elektrischen Widerstands.60 Die physikalischen, chemischen und auch biologischen Eigenschaften nanoskaliger Partikel weichen so häufig erheblich von den bekannten der größeren, makroskaligen Stoffgeschwister ab. In diesem Zusammenhang wird auch von größeninduzierter Funktionalität gesprochen.61 Beispiele für diese Wirkungen sind ein deut-

55

Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 83. Erwägungsgrund Nr. 12 der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Definition von Nanomaterialien, 2011/696/EU, ABl. 2011 L 275, S. 38 ff. 57 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 34. 58 Siehe hierzu die anschaulichen Erläuterungen bei Hoffmann, in: Scherzberg/Wendorff, S. 13 (15). So enthält etwa ein Nanopartikel mit einem Durchmesser von 3 nm ca. 800 Atome, von denen 30 % Oberflächenatome sind, siehe den Vortrag von Wagner im Rahmen des 16. Thüringer Arbeitsschutztags. 59 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 4, 34. 60 Hoffmann, in: Scherzberg/Wendorff, S. 13 (15). 61 Müller/Fritz/Buchter, Zbl. Arbeitsmed 58 (2008), S. 238 (240). 56

I. Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten 

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lich niedrigerer Schmelzpunkt62, eine zum Teil drastisch erhöhte Brennbarkeit63, eine Fluoreszenz oder Transparenz kleinster Metallteile64, eine veränderte elekt­ rische Leitfähigkeit, Farbe, Dichte, Löslichkeit65 oder ein Magnetismus66. Als biologisch relevante Spezifika sind eine differente Membrangängigkeit und Diffu­ sionseigenschaft zu nennen.67 Nanopartikel weisen im Vergleich zu ihrem Grundstoff also oftmals noch nicht näher erforschte neue Eigenschaften auf. Obwohl die Grundstoffe und ihre Wirkungen häufig seit Jahrzehnten bekannt sind, führt eine Verkleinerung dieser Stoffe im Sinne der top down-Methode vielfach zu völlig neuen Stoffeigenschaften. Konsequenz ist, dass bestehende Erkenntnisse über die Wirkungsweisen vorhandener Stoffe auf die jeweiligen nanoskaligen Miniaturen nicht ohne weiteres übertragen werden können, also empirische Unwissenheit über bestimmte Wirkungszusammenhänge besteht. Diese vom Grundstoff abweichenden Eigenschaften stellen das entscheidende Charakteristikum der Nanotechnologien dar, welches jedoch mit der Schwierigkeit der Bewältigung der daraus resultierenden Ungewissheit einhergeht.68 Denn die neuen Stoffeigenschaften korrelieren etwa mit Durchmesser, Masse und Oberfläche des Partikels.69 Sie sind daher für fast jeden Stoff oder jedenfalls für Stoffgruppen neu zu bestimmen. 6. Nanomaterialien als neue Stoffe? Nach herkömmlichem Verständnis spielt die Größe eines Stoffpartikels für seine Eigenschaften keine Rolle und ist somit auch kein taugliches Kriterium für eine Stoffdifferenzierung.70 Dieses Dogma gründet auf der vom Mikrometer- bis in den Meterbereich geltenden Annahme der identischen physikalischen und chemischen Eigenschaften eines Stoffes. Vor dem Hintergrund neuer Kenntnisse über die Wirkungsweisen von nanoskaligen Stoffen stellt sich nunmehr die Frage, ob solche Miniaturen ‚herkömmlicher‘ Stoffe als zu diesen ‚zugehörig‘ oder entgegen der bisherigen Praxis als neue Stoffe angesehen werden sollten.71 62 Hinreichend kleine Goldpartikel können schon bei Raumtemperatur schmelzen, siehe Wendorff, in: Scherzberg/Wendorff, S. 3 (5). 63 Hoffmann, in: Scherzberg/Wendorff, S. 13 (16). So sind winzige Eisenpartikel hoch entzündlich. 64 Krug/Kern/Diabeté, Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis Nr. 2 (2004), S. 58 (61). Nanoskaliges Titanoxid ist transparent. Dazu und zu den sich ergebenden Verwendungsmöglichkeiten siehe unten B. II. 1. 65 Siehe z. B. Stähle, in: Scherzberg/Wendorff, S. 43 (44). 66 Hierzu eingehend Wautelet, S. 185 ff. 67 Rathke, in: Scherzberg/Wendorff, S. 233 (234); Stähle, in: Scherzberg/Wendorff, S. 43 (44). 68 Decker, in: Scherzberg/Wendorff, S. 114 (115). 69 Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 21. 70 Vgl. Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S. 21, 41. 71 Zur vergleichbaren Diskussion in den USA Landy, in: Bosso, S. 87 f.

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B. Einführung in die Nanotechnologien

Hierzu sollte zunächst die Differenzierung zwischen exclusive und non-exclusive nanomaterials in Erinnerung gerufen werden. Exclusive nanomaterials werden ausschließlich im Nanoformat hergestellt. Bei ihnen fällt es relativ leicht, eine stoffliche Neuheit anzunehmen, denn diese Stoffe weisen eine eigene molekulare Struktur auf.72 Anders verhält es sich bei den non-exclusive nanomaterials, die nur eine Miniaturisierung einer bestehenden Substanz darstellen und somit über keine abweichende Molekülstruktur verfügen. Die teilweise erheblich veränderten Eigenschaften der nanogroßen Stoff­ geschwister gegenüber den (herkömmlichen) Makrostoffen legen eine Qualifikation als neuen Stoff nahe.73 Idealerweise ginge dies mit einer eigenen CAS-Nummer für Nanomaterialien einher.74 Diese Vorgehensweise entspricht der bisherigen chemikalienrechtlichen Praxis, die Eigenschaften eines Stoffes als Unterscheidungskriterium zu wählen.75 Dennoch dürfte sich diese Ansicht noch nicht durchgesetzt haben, da überwiegend – unter Bezugnahme auf die identische chemische Zusammensetzung – die Neuheit eines nicht-exklusiven Nanomaterials abgelehnt wird.76 Welche Bedeutung dabei die Frage nach der stofflichen Eigenständigkeit hat, lässt sich anhand der REACH-Verordnung demonstrieren.77 Soweit eine explizite Qualifikation als neuer Stoff z. B. aus politischen Gründen nicht gewollt ist, stellt der Rückgriff auf eine rechtliche Fiktion eine Alternative dar. So bestimmt Art.  12 der EU-Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung78, dass ein Lebensmittelzusatzstoff, der „durch die Anwendung der Nanotechnologie“ in seiner Partikelgröße verändert wird, „als ein anderer Zusatzstoff anzusehen“ ist. Entscheidend ist insofern vor allem die eigenständige Behandlung eines Nanomaterials, weniger die Frage, ob es explizit als neuer Stoff eingestuft oder aber nur entsprechend behandelt wird.79 72 Z. B. Fullerene als sphärische Moleküle aus Kohlenstoffatomen. Schwierigkeiten er­ geben sich jedoch dann, wenn der Nanostoff nur eines von verschiedenen Stoffallotropen ist. So wäre es denkbar, Kohlenstoffnanoröhrchen nicht als neuen Stoff zu qualifizieren, sondern als Form eines von zahlreichen Kohlenstoffallotropen, siehe Führ/Hermann/Merenyi/Moch/ Möller, S. 43. Diese Problematik kann hier aber nicht vertieft werden. 73 So auch Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S. 42 f.; Dederer, in: Spranger, S. 71 (85); Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. April 2009 zu Regelungsaspekten bei Nanomaterialien (2008/2208(INI)), ABl. 2010 C 184 E, S. 82 (87); Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S.  337 f.; BUND, Kriterien zur Kontrolle, S. 5; A. A. offenbar Europäische Chemikalienagentur, siehe Verband der Chemischen Industrie, Anforderungen, S. 2. Siehe weiterhin Breggin/Falkner/Jaspers/Pendergrass/ Porter, S. 46 und Raupach, S. 417 ff. 74 Die CAS-Nummer (Chemical Abstract Service)  ist eine internationale Registrierungsnummer für Chemikalien. Hierzu Franco/Hansen/Olsen/Butti, Regulatory Toxicology and Pharmacology 48 (2007), S. 171 (182). 75 Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S. 21, 41. 76 Siehe etwa UBA/BfR/BAuA, Nanomaterialien und REACH, S. 6 und Anl. I, S. 1. 77 Insoweit sei auf die entsprechende Darstellung unten unter E. I. 1. b) aa) verwiesen 78 VO (EG) Nr. 1333/2008, ABl. 2008 L 354, S. 16 ff. 79 Vgl auch Rucireto, S. 239.

I. Naturwissenschaftliche Grundlagen und Klärung von Begrifflichkeiten 

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Legt man unterschiedliche stoffliche Eigenschaften als normativen Anknüpfungspunkt für eine eigenständige Betrachtung von Nanomaterialien zugrunde, so wird schnell deutlich, dass eine Differenzierung zwischen Makrostoffen und Nanostoffen, also solchen in einem Größenbereich von 1–100 nm, nicht ausreicht. Wie auch im Abschnitt III. noch zu zeigen sein wird, können die Charakteristika eines Nanomaterials wiederum erheblich nach der Partikelgröße variieren.80 Dies macht grundsätzlich die Betrachtung der verschiedenen Größenbereiche eines Nanomaterials erforderlich.81 Insofern stellte zwar der Theorie nach die Untersuchung jedes einzelnen auch nur möglicherweise relevanten Größenbereichs die sicherste Lösung zur Ermittlung der Stoffeigenschaften dar. In der Praxis dürfte indes eine Differenzierung nach 1 nm-Schritten nicht mehr umsetzbar sein. Insofern bietet sich als Kompromiss möglicherweise eine Unterscheidung in 10 nm-Stufen an (z. B. nanometriges Silber mit einem Anteil von mindestens 50 % der Nanopartikel in einem Größenbereich von 0 bzw. 1–10, 10–20, 20–30, 30–40 nm u.s.w.). Doch nicht nur die Partikelgröße kann Auswirkungen auf die Materialeigenschaften haben. Bereits kleine Unterschiede in der physikalisch-chemischen Struktur eines Nanopartikels können dessen Charakteristika beeinflussen.82 Auch sog. Coatings können die Parameter verändern. Hierbei handelt es sich um Modifizierungen der Oberfläche eines Nanopartikels zur Erzielung spezifischer Stoffeigenschaften.83 Konsequenterweise bedürfen auch Materialien, die solche Partikel enthalten, einer eigenständigen Betrachtung. Insgesamt zeigt sich, dass die stoffrechtliche Erfassung von Nanomaterialien angesichts der ganz erheblichen Bandbreite an unterschiedlichen Stoffeigenschaften, die zudem auf verschiedenen Faktoren beruhen können, eine echte Heraus­ forderung sowohl für die Forschung84 als auch für die Rechtsordnung darstellt. Solange noch keine näheren Erkenntnisse über mögliche Kategorien bestehen, denen man Nanomaterialien zuordnen könnte und welche die Testmethodik erleichterten, scheint eine Einzelbetrachtung unumgänglich. Doch das enorme Spektrum an neuen Eigenschaften von Nanomaterialien eröffnet auch technologisch vollkommen neue Möglichkeiten etwa in Medizin, Bio 80

So am Beispiel von Nano-Gold: Hartl u. a., S. 14 und Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 199, wobei die Autoren des Sachverständigenrats betonen, dass weitere Experimente zur Bestätigung erforderlich sind. Während z. B. Aluminiumoxidpartikel in einem bestimmten Größenbereich das Wurzelwachstum von Nutzpflanzen negativ beeinflussen könnten, scheint dies bei dem gleichen Stoff in anderen Größenbereichen den Untersuchungen zufolge nicht der Fall zu sein, siehe Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 24 m. w. N. 81 Decker, in: Scherzberg/Wendorff, S. 113 (115). 82 Schulze, Christine, S. 100. 83 Ausführlich Hosokawa/Nogi/Naito/Yokoyama, S. 84 f., 164 f. 84 Auch der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD betont: „Die staatliche Begleitforschung zu Nanomaterialien ist verstärkt weiterzuführen“, siehe: Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18.  Legislatur­ periode, S. 121 (abrufbar unter www.bundesregierung.de).

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B. Einführung in die Nanotechnologien

technologie, Elektronik und Verbraucheranwendungen. Im Folgenden werden einige Beispiele näher beleuchtet.

II. Anwendungsfelder Das Anwendungsfeld der Nanotechnologien, also primär der Einsatz von Nanomaterialien, ist denkbar weit. Nicht ohne Grund wird häufig der Begriff der Querschnittstechnologie verwendet. Hierdurch soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Nanomaterialien in den verschiedensten Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen können und dabei auch an andere Verfahren etwa aus dem Bereich der Biotechnologie und der Medizin anknüpfen. Bereits im Jahre 2007 waren allein auf dem deutschen Markt nach Schätzungen etwa 600 Produkte verfügbar, die auf den speziellen Eigenschaften von Nanomaterialien beruhten.85 Diese Zahl dürfte sich inzwischen deutlich erhöht haben. So erfasste das amerikanische Woodrow Wilson International Center for Scholars in seiner Online-Datenbank im März 2014 1856 Produkte, die Nanomaterialien enthalten und von Verbrauchern erworben werden können.86 1. Haushaltsprodukte/Kosmetika Besonders Produkte aus dem Haushaltsbereich und der Körperpflege nutzen die nanospezifischen Charakteristika und sind im Einzelhandel in den verschiedensten Ausgestaltungen zu erwerben. Als prominentestes Beispiel können Reinigungsmittel oder Textilien genannt werden, die sich den sog. Lotus-Effekt zu Nutze machen. Hierbei handelt es sich um den Blättern der Lotusblume nachempfundene „selbstreinigende“ Oberflächen bzw. Oberflächenbeschichtungen, an denen Schmutzpartikel nicht haften bleiben.87 Daher können Schmutzpartikel ohne größeren Aufwand von der Oberfläche „gespült“ werden. Auf der jeweiligen Oberfläche sorgen Nanostrukturen (etwa Siliciumdioxid) dafür, dass Verunreinigungen keine Haftung finden können.88 Diese Technik findet etwa in Zelten, Markisen oder Sonnenschirmen Verwendung.89 Feine Nanostrukturen sind auch in der Lage, Strömungswiderstände zu senken und werden daher etwa in Schwimm­

85

Zu den Zahlen im Einzelnen Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S.  88 ff. Solche Schätzungen leiden jedoch allgemein unter der Schwierigkeit fehlender Definitionen und Abgrenzungen, siehe Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 87. 86 Project on Emerging Nanotechnologies (2013). Consumer Products Inventory, abrufbar unter: http://www.nanotechproject.org/cpi/browse/. 87 Beringer, in: Scherzberg/Wendorff, S. 21 (22 f). 88 Ebd. Zu den naturwissenschaftlichen Wirkungsweisen des Lotus-Effekts im Einzelnen Nosonovsky/Bormashenko, in: Favret/Fuentes, S. 43 ff. 89 Warzelhahn/Breiner, in: Scherzberg/Wendorff, S. 29 (33).

II. Anwendungsfelder

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anzügen für Hochleistungssportler verarbeitet.90 In anderen Textilien dient eine dünne Nanotitandioxid-Beschichtung dem UV-Schutz. Silber-Nanomaterialien in Sportbekleidung dienen der Bakterienreduktion.91 Die Silberpartikel unterbinden das Zellwachstum und damit die Vermehrung der unerwünschten Bakterien.92 Durch die antibakterielle Wirkung werden Nanosilberbeschichtungen inzwischen in zahlreichen Produkten verwendet, in denen ein besonders Aufkommen von Bakterien typisch ist (z. B. Kühlschränke, Waschmaschinen, etc.).93 Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für Nanomaterialien finden sich auch im Bereich der Kosmetik. Bekanntestes Beispiel sind Titandioxid- und Zinkoxid-Nanomaterialien in diversen schon seit geraumer Zeit erhältlichen Sonnencremes. Die winzigen Nanoteilchen haben die Eigenschaft, keinen für konventionelle Sonnencremes typischen „Weißeleffekt“ (einen weißen Film auf der Haut) hervorzurufen.94 Vielmehr wird durch die geringe Partikelgröße das sichtbare Licht kaum noch gestreut, was zu einer deutlichen Reduzierung des o.g. Effekts führt.95 2. Medizinische Anwendungen Dass Nanomaterialien Potenziale für weitaus folgenreichere Verwendungen als Reinigungsmittel oder Sonnencremes entfalten können, zeigen Beispiele aus dem Bereich der „Nanomedizin“. Dabei zählen antiadhäsive Wundverbände mit keramischen Nanobeschichtungen noch zu den weniger medienwirksamen Errungenschaften.96 Vor allem präzise steuerbare „Carrier“ für nanogroße Medikamentendosierungen haben weltweit Aufsehen erregt. Hierbei handelt es sich um nanopartikuläre Systeme, die mit Arzneimitteln „beladen“ werden können, welche dann kontrolliert (etwa bei Tumorzellen) freigesetzt werden.97 Dabei macht man sich die größere Durchlässigkeit der Blutgefäße in Tumoren für Nanomaterialien zu Nutze.98 Diese und andere Formen des sog. Drug Delivery befinden sich jedoch noch im Entwicklungsstadium und dürften erst langfristig in der breiten Krebstherapie einsetzbar sein.99 Große Hoffnungen setzt die Krebstherapie auch in sog. Quantum dots. Diese kleinen Partikel werden mit fluoreszierenden Stoffen verbunden und können in der nicht-invasiven Diagnostik eingesetzt werden.100 Ein 90

Beringer, in: Scherzberg/Wendorff, S. 21 (23). Hu, S. 170 ff. 92 Ebd. 93 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 20 f. 94 Huber, in: Scherzberg/Wendorff, S. 35 (38 f.). 95 Ebd. 96 Siehe Beringer, in: Scherzberg/Wendorff, S. 21 (25). 97 Vienken, in: Scherzberg/Wendorff, S. 49 (52); Ulbrich/Lamprecht, Journal of the Royal Society Interface 7 (2010), S. 55 ff. Zum Einsatz der Nanotechnologien in der Krebstherapie umfassend Jain, S. 271 ff. 98 Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, S. 12. 99 Vgl. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, S. 19 f. 100 Vienken, in: Scherzberg/Wendorff, S. 49 (52). 91

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B. Einführung in die Nanotechnologien

neues bereits in der EU zugelassenes Therapieverfahren im Bereich der Behandlung von Glioblastomen (bösartigen Hirntumoren) nutzt die selektive Aufnahme von Eisenoxid-Nanomaterialien durch Tumorzellen. Durch einen Magnet werden die Eisenpartikel ohne direkten Kontakt mit dem Patienten erhitzt und führen zu einer präzisen Zerstörung der Krebszelle.101 Im Bereich des Tissue Engineering werden Nanomaterialien als Gerüststrukturen eingesetzt.102 Sie dienen der Kultivierung lebender Zellen, um diese dann später dem Ausgangsorganismus wieder einzusetzen.103 Erste Versuche haben gezeigt, dass die zu kultivierenden Zellen in der Lage sind, die Nanofasern als Gerüst zu nutzen und so möglicherweise auch dreidimensionale Formen anzunehmen.104 3. Anwendungen im Lebensmittelbereich Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von Nanomaterialien sind auch im Bereich der Lebensmittel vorstellbar und haben teilweise auch schon ihre praktische Umsetzung gefunden.105 So kann durch Nanomaterialien etwa die Fließfähigkeit, der Geschmack oder das Mundgefühl von Lebensmitteln optimiert werden.106 Auch eine verlängerte Haltbarkeit und eine gezieltere Nährstofffreisetzung stellen zukünftige Vorteile dar.107 Nanoverkapselungen könnten in Zukunft Stoffe umschließen, die zwar ernährungsphysiologisch bedeutend, aber nicht schmackhaft sind; eine Eigenschaft, die etwa auf bestimmte Omega-3-Fettsäuren zutrifft.108 Die Verkapselung ließe eine Freisetzung des Stoffes dann erst im Magen zu.109 Neue Verpackungs­typen sollen die Haltbarkeit der Produkte anzeigen, diese besser vor äußeren Einwirkungen schützen und gezielt Stoffe an das verpackte Lebensmittel (z. B. Konservierungsstoffe) abgeben können.110 So wird bereits Nano-Ton in Polyethylenflaschen eingesetzt, um u. a. die Barrierefunktion der Verpackung zu stärken.111 Nanobeschichtungen auf den Innenseiten von Verpackungen sollen zukünftig eine bessere Restentleerbarkeit gewährleisten.112 101

Siehe Maier-Hauff u. a., Journal of Neurooncology, Onlineveröffentlichung vom 16. September 2010. 102 Jain, S. 261 f. 103 Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, S. 21. 104 Ebd. 105 Siehe umfassend BUND, Nanotechnologie im Lebensmittelsektor, S. 14 ff. 106 Stähle, in: Scherzberg/Wendorff, S. 43 (45). Siehe auch Greßler u. a., Nano-Trust Dossiers Nr. 4 (Mai 2008), S. 2 ff. 107 Ebd. 108 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 29. 109 Ebd. Siehe auch Rizvi u. a., in: Boisrobert/Oh/Stjepanovic/Lelieveld, S. 263 (266). 110 Rathke, in: Scherzberg/Wendorff, S. 233 (245); umfassend Chaudry/Watkins/Castle, in: dies., S. 9. 111 European Food Safety Authority, The EFSA Journal (2009) 958, S. 1 (9). 112 Zum bekannten Beispiel der sich selbst entleerenden Ketchup-Flasche siehe Sabotka, in: Weber, S. 23 (26 f.).

II. Anwendungsfelder

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4. Ressourcenschonung durch Nanomaterialien? Neben den bereits beschriebenen Anwendungsfeldern werden in verschiedenen Untersuchungen die Umweltschutzpotenziale der Nanotechnologien diskutiert. Dabei wird insbesondere auf die längere Haltbarkeit verschiedener Produkte abgestellt oder mit einer effizienteren Produktion argumentiert. Für letzteren Punkt kann Nano-Titannitrid als Beispiel herangezogen werden, welches die Verarbeitung von PET-Kunststoffen vereinfacht113 und als Lebensmittelkontaktmaterial EU-weit zugelassen ist.114 Im Bereich der Energiespeicherung wird die Lebensdauer großformatiger Lithium-Ionen-Batterien durch Membranen mit nano­skaligen Oxiden deutlich verlängert.115 Langfristiges Ziel ist auch die Verringerung des Bedarfs an seltenen Erden.116 Kohlenstoffnanoröhrchen können in Zukunft herkömmliche Verbundstoffe bei deutlich geringerem Materialverbrauch, längerer Haltbarkeit und verbesserten Gewichts- und Leiteigenschaften teilweise ersetzen.117 Nanoskalige Beschichtungen führen zu einer Verringerung der Schichtdicke der verwendeten Materialien und dienen so der Ressourceneinsparung.118 Noch im Entwicklungsstadium befinden sich synthetische Nanoschäume, die durch verbesserte Abdichtungseigenschaften einen wichtigen Beitrag in der zukünftigen Wärme­ isolierung erbringen könnten.119 In der Wasserreinhaltung und -entsalzung werden zurzeit verschiedene Nanofilter erprobt, die durch veränderte Membranstrukturen von Krankheitserregern und Salzen befreien.120 Zuletzt sollen Nanomaterialien langfristig auch als Ersatz von bislang in der Industrie verwendeten toxischen Stoffen dienen, etwa bei Korrosionsschutz- oder Baumaterialien.121 Allzu großen Erwartungen in die Ökopotenziale der Nanotechnologien wird jedoch entgegengehalten, dass zahlreiche Produkte die Entwicklungs- oder Pilotphase angesichts der oftmals hohen technischen Komplexität der Produkte noch nicht überwunden haben und nachteilige Effekte von Nanomaterialien auf die Umwelt noch un­ geklärt sind.122

113

Nanokommission, Bericht der Themengruppe 2, S. 16. Siehe FCM-Nr.  807 in Anhang I der Verordnung (EU) Nr.  10/2011, ABl.  2011 L  12, S. 1 ff. 115 Nanokommission, Verantwortlicher Umgang, S. 30. 116 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Aktionsplan, S. 13. 117 Hessen-Nanotech News 1/2012, S. 11 ff. (14). 118 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 5. 119 Nanokommission, Verantwortlicher Umgang, S. 33. 120 Hartmann, S. 113; Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 6; Sartorius, Hessen-Nanotech News 1/2012, S. 9 f. 121 Hartmann, S. 116. 122 BUND, Umweltprobleme, S. 15; in die gleiche Richtung Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 7. 114

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B. Einführung in die Nanotechnologien

5. Nanobiotechnologie Mit der sog. Nanobiotechnologie hat sich in jüngster Zeit eine eigene Forschungsrichtung entwickelt, die sich der Untersuchung und Nachahmung bio­ logischer Prozesse im Nanometerbereich verschrieben hat.123 Die praktischen Anwendungsbereiche sind auch hier vielfältig. Durch biomolekulare Bausteine im Nanoformat soll etwa die Analytik im Bereich der Zellbiologie optimiert werden.124 Die Fähigkeit der DNA zur Selbstorganisation wird in neuesten Versuchen zur Herstellung winziger Nanostrukturen eingesetzt, die dann später in optischen oder elektrischen Komponenten verwendet werden könnten.125 Noch im Entwicklungsstadium befinden sich sog. „Gentaxis“, die als nanoskalige Träger im Rahmen der somatischen Gentherapie DNA-Sequenzen transportieren, die fehlerhafte Gene ersetzen sollen.126

III. Nanomaterialien als Risiko? Neue technologische Entwicklungen haben in der Vergangenheit regelmäßig zu einer Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität geführt. Zumeist gingen diese Fortschritte aber auch mit teilweise nicht unerheblichen Schadenspotenzialen für Mensch und Umwelt einher. Vor diesem Hintergrund kommt der Risiko- und Technikfolgenabschätzung eine besondere Bedeutung zu. Gerade unklare Gefährdungspotenziale stellen eine besondere juristische Herausforderung dar. Sie erfordern ein fein austariertes Regelungssystem, welches trotz der Ungewissheit sowohl Wirtschafts- als auch Gesundheits-und Umweltschutzbelangen in verhältnismäßi­ ger Weise Rechnung trägt. Hierauf wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit einzugehen sein. Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit wie etwa Asbest, FCKW oder Contergan lehren, welche Relevanz einer sorgsamen Betrachtung der Risikopotenziale neuer technologischer Entwicklungen zukommt.127 Auch im Kontext der Nanotechnologien wird eine zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit rückende Debatte über die Sicherheit von Nanomaterialien geführt. Der folgende Abschnitt analysiert, ob und inwieweit nach bisherigem Kenntnisstand von Nanomaterialien Risiken ausgehen können. Dabei soll nach möglichen Risiken für den menschlichen Organismus und das ökologische Wirkungsgefüge insgesamt differenziert werden. Um die Besonderheiten der nano­bezogenen Risiko­

123 Shoseyov/Levy, in: Shoseyov/Levy, S. 3 (5). Siehe auch Paradise u. a., Minn J. L. Sci & Tech 9 (2008), S. 399 ff. 124 Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa), S. 3. 125 Bilow, F. A. Z. vom 15.02.2012, S. N2. 126 Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa), S. 5. 127 Umfassend Harremoës u. a. Siehe aber auch die Fundamentalkritik am Vorsorgeprinzip durch Sunstein.

III. Nanomaterialien als Risiko? 

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diskussion zu verdeutlichen, soll zuvor auf den Stoffkreislauf eingegangen werden, in dem sich Nanomaterialien bewegen. 1. Nanomaterialien im Stoffkreislauf Nanoskalige Stoffe umgeben den Menschen seit jeher von Natur aus.128 Seit der industriellen Revolution ist jedoch ein erheblicher Anstieg der anthro­pogen freigesetzten Nanomaterialien zu verzeichnen.129 Angesichts der zukünftigen wirtschaftlichen Bedeutung der Nanotechnologien und den damit verbundenen Produktionsausweitungen muss mit einer weiteren Steigerung der Freisetzung menschlich erzeugter Nanomaterialien in Luft, Wasser und Boden gerechnet werden.130 Bei der Exposition von Nanostrukturen ist zwischen ungebundenen Einzel­ partikeln und solchen zu unterscheiden, die in Stoffgemischen (Matrizes) fest eingebunden sind. Bei Letzteren bedürfen vor allem die Fragen nach der Aus­lösung aus der Matrix und der Freisetzung bei der Produktion und der Entsorgung der Klärung. Im Fokus toxikologischer Untersuchung stehen indes überwiegend ungebundene Nanomaterialien, die frei zirkulieren können. Grundsätzlich können Nanomaterialien während der Herstellung, des Transports und schließlich im Rahmen der Nutzung und anschließenden Entsorgung beim Endverbraucher freigesetzt werden.131 So weisen einige Materialien offenbar eine sehr hohe Biopersistenz und geringe Löslichkeit auf.132 Damit bedarf es insgesamt eines ganzheitlichen Ansatzes in der Risikoanalyse, der nicht nur den Arbeitsschutz bei der Produktion von Nanomaterialen, sondern auch deren Verbleib im Ökosystem nach der Verwendung und Entsorgung miteinbezieht. 2. Risiken für den Menschen Die obigen Ausführungen haben verdeutlicht, dass der menschliche Organismus auf vielfältige Weise mit nanoskaligen Strukturen in Berührung kommen kann. Die daran anknüpfende Frage betrifft die Auswirkungen dieser Expositionen auf die menschliche Gesundheit. Vor allem Feinstäube und Ultrafeinstäube waren in der Vergangenheit Gegenstand verschiedener Studien. In diesem Rahmen konnten vielfach erhebliche schädliche Auswirkungen auf den menschlichen Organismus

128

Dazu oben B. I. 3. Oberdörster, Günter/Oberdörster, Eva/Oberdörster, Jan, Environmental Health Perspec­ tives 113 (2005), S. 823 (823). 130 Krug, UWSF 4 (2005), S. 223 (224); Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 8. 131 Siehe hierzu Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 11. 132 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S.  121 m. w. N; SCENIHR, Definition, S. 16. 129

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B. Einführung in die Nanotechnologien

aufgezeigt werden.133 Da es sich bei Ultrafeinstäuben ebenfalls um Nanomaterialien handelt, lassen die Feinstaubstudien Hinweise auf ein Gefahrenpotenzial v. a. „reiner“ Stoffe aufscheinen.134 Diese Studien reichen jedoch nicht aus, um die Risiken von Nanomaterialien aus industrieller Produktion bestimmen zu können.135 Denn (Ultra)Feinstäube sind im Gegensatz zu synthetischen Nanomaterialien aus vielen verschiedenen Substanzen zusammengesetzt.136 Industriell produzierte Nanomaterialien können demgegenüber oberflächenmodifizierte Partikel enthalten und weisen, anders als Ultrafeinstäube, wie bereits dargelegt eine zwar in aller Regel nicht homodisperse, d. h. gleiche, aber insgesamt ähnliche Partikelgröße auf.137 Somit sind weitergehende spezifische Untersuchungen notwendig. Den Verdacht schädlicher Wirkungen auf den menschlichen Körper scheinen erste nanotoxikologische Studien vorsichtig zu bestätigen. Dabei beziehen sich die Verdachtsmomente hauptsächlich auf freie, d. h. nicht in Stoffen gebundene Partikel.138 Hierbei ist jedoch zweierlei zwingend zu beachten: Zum einen existieren bislang in Relation zu dem ganz erheblichen Forschungsbedarf nur relativ wenige toxikologische Untersuchungen. Zum anderen herrscht in der Wissenschaft noch Unklarheit über die Verfahren und Methoden zur Bestimmung der Eigenschaften und Wirkungen nanoskaliger Partikel.139 Ein entscheidender Faktor ist damit die bislang fehlende Vergleichbarkeit von Studien. Das Fehlen standardisierter Messmethoden und die allgemeine Unsicherheit über die Auswirkungen von Nano­materialien ist dabei auf das technologiespezifische Charakteristikum der Nanotechnologien schlechthin, nämlich die Abhängigkeit der Wirkungsweisen nanoskaliger Partikel von einer Vielzahl verschiedener Faktoren, zurückzuführen. So hängen die Eigenschaften eines nanogroßen Stoffteils z. B. vermutlich auch von Oberfläche und Volumen des jeweiligen Stoffpartikels ab.140 Nanopartikel des einen Ausgangsstoffes können daher völlig andere Wirkungen entfalten als solche eines anderen. Bestimmte Stoffgruppen sind dabei prioritärer Untersuchungsgegenstand. Nach Krug sind mit Blick auf ihre bereits verbreitete Verwendung v. a. Metalloxide (Zinkoxid, Titandioxid u.s.w.), Metalle (Gold, Silber …), Kohlenstoffmodifikationen (Fullerene und Kohlenstoffnanoröhrchen), keramische und be-

133 Müller/Fritz/Buchter, Zbl. Arbeitsmed 58 (2008), S.  238 (242) m. w. N.; Krug, in: Scherzberg/Wendorff, S.  59 (62); ders., UWSF 4 (2005), S.  223 (226 f.); umfassend hierzu Oberdörster, Günter/Oberdörster, Eva/Oberdörster, Jan, Environmental Health Perspectives 113 (2005), S. 823 (825 f.); Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 35. 134 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Tätigkeiten mit Nanomaterialien, Fragen 2, 4 und 9; ausführlich Krug, UWSF 4 (2005), S. 223 (226 f.). 135 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 8. 136 Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW. 137 Vgl. Simkó, Nanotrust-Dossiers Nr. 28 (Januar 2012), S. 2. 138 Kuhlbusch/Nickel, S. 88. 139 Dazu ausführlich unten B. III. 4. 140 Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 21 m. w. N.

III. Nanomaterialien als Risiko? 

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stimmte organische Materialien vorrangig zu untersuchen.141 Ähnliche Stoffe enthält ein Vorschlag der OECD.142 a) Nanospezifische Charakteristika mit toxikologischer Relevanz? Nanopartikel verfügen größenbedingt über spezifische Merkmale wie eine besonders große Oberfläche. Fraglich und insbesondere auch unter Regulierungsgesichtspunkten entscheidend ist, ob sich aus der Nanoeigenschaft eines Partikels eine eigene toxikologische und damit möglicherweise auch regulatorische Relevanz herleiten lässt. Zwar verbietet sich nach aktuellem Kenntnisstand eine Qualifikation von Stoffen allein ihrer Größe wegen als toxisch (siehe sogleich). Gleichwohl existieren nach Ansicht von Krug/Wick drei Prinzipien, die eine eigene toxikologische Relevanz von Nanopartikeln bzw. Nanomaterialien begründen und zugleich den Terminus der „Nanotoxikologie“ rechtfertigen.143 Zunächst sind Nanopartikel hiernach in der Lage, auf verschiedene Weise in Körperzellen einzudringen. Sie können etwa die Zellmembran überwinden144, aber auch mit anderen „Vesikeltransportwegen in die Zelle gelangen“ (Transportprinzip).145 Die Ober­f läche von Nanopartikeln verfüge zudem über eine besonders hohe Anzahl von Oberflächenatomen. Dies könne zu einer erhöhten Reaktivität mit Zellen oder einer Verstärkung der oxidativen Wirkung oder der Protein-Bindung führen (Oberflächenprinzip). Zuletzt hänge die toxische Wirkung aber auch vom Material ab (Materialprinzip). b) Wirkungen in den Körperzellen Ein Eintrag von Nanomaterialien in den menschlichen Körper ist grundsätzlich physiologisch über die Haut, den Magen-Darm-Trakt und vor allem den Atemtrakt möglich. Angesichts ihrer geringen Größe sind verschiedene nanoskalige Stoffe in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke146 zu überwinden (was zugleich einen Anknüpfungspunkt für medizinische Anwendungen bietet).147 Einmal in den Blutkreislauf gelangte Partikel können über das Blut zu verschiedenen Organen wie etwa dem 141

Krug, in: Scherzberg/Wendorff, S. 59 (60 f.). OECD, List of Manufactured Nanomaterials, ENV/JM/MONO(2010)46. 143 Krug/Wick, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1294 (1304 f.). 144 Siehe etwa Verma u. a., Nature Materials 7 (2008), S. 588 ff. Insoweit von der „Janus­ köpfigkeit“ („janus face“) der Anwendung von Nanomaterialien sprechend Leroueil u. a., Acc. Chem. Res. 40 (2007), S. 335 ff. 145 Krug/Wick, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1294 (1304). 146 Hierbei handelt es sich um eine im Gehirn lokalisierte biologische Schutzbarriere, die den Blutkreislauf und das Zentralnervensystem trennt. Die Blut-Hirn-Schranke verhindert ein Eindringen von Fremdstoffen und Krankheitserregern in das Gehirn. 147 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 10, 11.  142

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B. Einführung in die Nanotechnologien

Herz, der Leber oder den Nieren transportiert werden.148 Gleichermaßen sind Nanopartikel wie gesehen dazu in der Lage, in Körperzellen einzudringen. Sind sie einmal in eine humane Körperzelle gelangt, sind verschiedene Re­ aktionen vorstellbar, aber noch nicht abschließend geklärt. Denkbar ist, dass die Energieproduktion der Zelle gestört und durch die nanogroßen Fremdkörper oxida­tiver Zellstress149 ausgelöst wird.150 Der oxidative Stress verursacht dann Folgereaktionen wie etwa eine akute Beeinträchtigung der Gefäßfunktion oder Herzrhythmusstörungen. Nanomaterialien könnten sich sogar in der DNA ab­ lagern.151 Bestimmte unverträgliche Metalle können auch bereits in geringen Mengen als Nanosubstanzen den Zelltod herbeiführen.152 Einige Untersuchungen deuten zudem auf ein genotoxisches Potenzial bestimmter Nanomaterialien hin.153 Siliziumoxid-Partikel blockierten im Versuch wichtige Funktionen des Zellkerns wie etwa die DNA-Replikation.154 c) Aufnahme durch und Wirkungen in der Lunge Der Aufnahme von Nanomaterialien durch die Lunge wird momentan in der Toxikologie die größte Bedeutung zugesprochen.155 Bei der Abschätzung der Auswirkungen nanoskaliger Partikel im Atemtrakt kann dabei auch auf die Wirkungsstudien zu Ultrafeinstäuben zurückgegriffen werden. Diese zeigten die Akkumulation von ultrafeinen Stäuben in der Lunge und ein gesteigertes Herzinfarktrisiko.156 Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass Nanopartikel die Luft-Blut-Schranke überwinden und so in den Blutkreislauf gelangen können.157 Die in der Lunge lokalisierten Immunzellen158 sind nicht in der Lage, eingedrungene Nanostrukturen vollständig zu beseitigen; die Bekämpfung der eingedrungenen Partikel kann dann Entzündungen auslösen.159 Bestimmte Nanomaterialien, namentlich Kohlenstoffnanoröhrchen (sog. carbon nanotubes), weisen eine 148

Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 10. Gelangen Nanopartikel in ein Organ, werden sie von den dortigen Abwehrzellen als Fremdkörper aufgenommen (phagozytiert). Die betroffenen Zellen schütten reaktiven Sauerstoff aus, der die Nanopartikel zerstört. Die hier freigesetzten Sauerstoffradikale können jedoch auch zu Beeinträchtigungen der Gefäßfunktion und zu Herzrhythmusstörungen führen. 150 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 10. 151 Ebd. 152 Krug/Wick, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1294 (1305). 153 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 275 m. w. N. 154 Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 21. 155 Siehe etwa Krug/Wick, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1294 (1299). 156 Müller/Fritz/Buchter, Zbl. Arbeitsmed 58 (2008), S. 238 (242) m. w. N. Siehe auch oben B. III. 2). 157 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 9; Schulze, Christine, S. 101. 158 Sog. Alveolarmakrophagen. 159 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 9; Müller/Fritz/Buchter, Zbl. Arbeitsmed 58 (2008), S. 238 (243); Krug, in: Scherzberg/Wendorff, S. 59 (63). 149

III. Nanomaterialien als Risiko? 

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der Asbestfaser ähnliche Struktur auf und stehen unter dem Verdacht, ähnliche Gesundheitsschädigungen verursachen zu können.160 Nach der Injektion in den Bauchraum von Ratten zeigten sich für Asbest typische Gewebsschädigungen und Entzündungsreaktionen.161 Zu beachten ist jedoch, dass verschiedene Tierversuche relativ hohe bis artifiziell hohe Dosen an exponierten Nanomaterialien einsetzten und dies bei der Interpretation der Toxizität zu berücksichtigen ist.162 d) Aufnahme durch die Haut Synthetisch erzeugte Nanomaterialien (v. a. Zinkoxid und Titandioxid) finden Anwendung in zahlreichen Kosmetikprodukten und werden wegen ihrer besonderen Eigenschaften überwiegend in Sonnencremes verwendet.163 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit diese nanoskaligen Stoffe über die Haut in den Körper gelangen können. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass eine intakte Haut eine undurchlässige Barriere für die in den Kosmetika üblicherweise verwandten Nanomaterialien darstellt.164 Ungeklärt sind die Folgen der Applikation von Nanomaterialien (hier wiederum insbesondere Titan­dioxid) enthaltenden Cremes auf verletzter Haut165, so dass von einer entsprechenden Anwendung abgeraten wird.166 Anders als Zinkoxid und Titandioxid sind Fullerene möglicherweise in der Lage, auch gesunde Haut zu durchdringen.167 Schwierigkeiten bei der Untersuchung der Hautpenetration bereiten wiederum die nicht standardisierten Bewertungsmethoden.168 Insgesamt wird die Aufnahme von Nano­ materialien über die Haut jedoch als weniger akutes Problem betrachtet.169

160 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, ebda; Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S.  19 f.; Müller/ Fritz/Buchter, Zbl. Arbeitsmed 58 (2008), S. 238 (246). Eine detaillierte Auflistung aller relevanten Studien findet sich bei Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 241 ff. 161 Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, ebda; Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, ebd. 162 Oberdörster, Günter/Oberdörster, Eva/Oberdörster, Jan, Environmental Health Perspec­ tives 113 (2005), S. 823 (827); kritisch auch Schmid, Diskussionsbeitrag, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, S. 62. 163 Hierzu oben B. II. 1. 164 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 39 (Interview mit Tilman Butz). 165 Bundesministerium für Bildung und Forschung, ebda; Huber, in: Scherzberg/Wendorff, S. 35 (40). 166 Butz, in: Scherzberg/Wendorff, S. 81 (85). 167 Umfassend mit einer Übersicht über verschiedene Studien zu Aufnahmepfaden Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 258. 168 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 10; Butz, in: Scherzberg/Wendorff, S. 81 (86) m. w. N. betreffend Studien zur Penetration durch Fullerene. 169 Vgl. Krug, in: Scherzberg/Wendorff, S. 59 (62, 65).

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B. Einführung in die Nanotechnologien

e) Aufnahme durch den Magen-Darm-Trakt Grundsätzlich ist auch eine Aufnahme von Nanomaterialien über den MagenDarm-Trakt möglich.170 Verschiedene Stoffe führten in Versuchen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Belastbare Aussagen für eine lokale Toxizität liegen noch nicht vor.171 Nach aktuellem Kenntnisstand scheint eine effiziente Ausscheidung von Nanomaterialien über den Darm gewährleistet.172 f) Fazit Angesichts der bereits angesprochenen fehlenden Test- und Untersuchungsstandards ist eine abschließende Aussage über die Toxizität von Nanomaterialien (noch) nicht möglich. Einer breiteren Risikodiskussion fehlt nach wie vor ein wissenschaftlich gesichertes Fundament. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der stark voneinander abweichenden Stoffeigenschaften, die unzählige Untersuchungen erforderlich machen. Zwar besteht inzwischen weitgehende Einigkeit, dass die Nanoeigenschaft eines Materials nicht per se ein Gefährlichkeitsmerkmal darstellt.173 Dennoch weisen vor allem Studien zu Ultrafeinstäuben und auch erste Untersuchungen mit industriell hergestellten Nanomaterialien auf Risiken für die menschliche Gesundheit hin. Vereinzelt wird sogar die Frage aufgeworfen, „ob es inhärent sichere Nanopartikel überhaupt geben kann“174. So scheint die Toxizität eines Nanomaterials auch mit der Partikelgröße zu korrespondieren. Je geringer die Größe, desto höher die vermutete Toxizität.175 Die durch die geringere Größe bedingte erweiterte Partikeloberfläche führt offenbar in höherem Maße zu entzündlichen Reaktionen.176 Gleichwohl scheint hier auch das Material eine wichtige Rolle zu spielen. Dabei darf freilich nicht vergessen werden, dass manche besorgniserregenden Studienergebnisse auf einer ohnehin bekannten Toxizität des Ausgangsmaterials beruhen. Mit Blick auf die bereits zahlreichen Anwendungen von Nanomaterialien in verbrauchernahen Produkten besteht jedenfalls ein dringendes Bedürfnis nach weiterer Untersuchung.

170

Krug/Wick, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1294 (1301). Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 5. 172 Greiner, in: Weber, S. 131 (141). 173 Siehe etwa Möller u. a., S. 170. 174 Stark, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1276 (1289). 175 Müller/Fritz/Buchter, Zbl. Arbeitsmed 58 (2008), S. 238 (247). 176 Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 18 m. w. N. 171

III. Nanomaterialien als Risiko? 

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3. Umweltrisiken Neben der Toxizität für den menschlichen Körper bedürfen auch die Auswirkungen von Nanomaterialien auf das ökologische Wirkungsgefüge insgesamt näherer Betrachtung. Dabei ist zu klären, welche Folgen der Eintrag von Nanomaterialien in Luft, Boden und Wasser hat. Die Freisetzung synthetischer Nanostoffe in die Umweltmedien ist dabei kein neues Phänomen. So gelangten in der Vergangenheit bspw. große Mengen an Nanosilber in die Umwelt, das der Fixierung von Schwarzweißfotografien diente.177 Gerade Wasserorganismen sind seither natürlich vorkommenden Stoffen auch in Nanogröße ausgesetzt und haben sich daher entsprechend angepasst.178 Untersuchungen zur Ökotoxizität von Nanomaterialien deuten teilweise auf für die Umwelt nachteilige Effekte hin. So wurde die Aufnahme von Fullerenen und deren Transport in das Gehirn bei Fischen nachgewiesen.179 Beschrieben wurde in Studien auch die verminderte Fortpflanzungsfähigkeit bei Zebrafischen nach der Exposition mit Kohlenstoffnanoröhrchen.180 Weitere Studien zeigten ein eingeschränktes Wurzelwachstum von Nutzpflanzen bei der Verwendung von nanoskaligem Aluminiumoxid und Kupfer181, höhere Fehlbildungsraten des Zebrabärblings („Zebrafisch“) bei schon geringer Konzentration von Nanosilber im Wasser und eine hohe Mortalitätsrate bei Wasserflöhen nach dem Einsatz von Titandioxid-Partikeln.182 Studien zu Auswirkungen auf nichtaquatische Ökosysteme, z. B. Landpflanzen, Mikroorganismen, Wirbel- und Säugetiere existieren bislang kaum.183 Hier besteht dringender Forschungsbedarf. Schwierigkeiten bereitet des Weiteren eine bislang aufwändige und nicht einheitliche Testmethodik und -analytik speziell bei Verunreinigungen von Böden und Wasser.184 4. Schwierigkeiten bei der Bewertung von Nanomaterialien Aber auch die Unsicherheiten bei der Bewertung des humantoxikologischen Poten­zials von Nanomaterialien werden flankiert durch noch nicht standardisierte Mess- und Untersuchungsstandards, die ein entscheidendes Problem in der Na-

177

Bundesminiterium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 20. Krug, in: Scherzberg/Wendorff, S. 59 (69). 179 Oberdörster, Eva, Environmental Health Perspectives 112 (2004), S. 1058 ff. 180 Hierzu im Einzelnen Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S.  18 m. w. N.; Becker/Dubbert/ Schwirn/Völker, S. 11. Weitere Nachweise: OECD, Guidance Notes, ENV/JM/MONO(2010)25, S. 24. 181 Tesseraux/Wehrle/v. d. Trenk, S. 24 m. w. N. 182 Siehe Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S. 10 f. m. w. N. 183 Becker/Dubbert/Schwirn/Völker, S.  11; Gogos/Knauer/Bucheli, J. Agric. Food Chem (60) 2012, S. 9781 (9788). 184 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 135 f., 138. 178

B. Einführung in die Nanotechnologien

54

notoxikologie darstellen.185 So sind die herkömmlichen toxikologischen Analyse­ verfahren auf makroskalige Stoffe ausgerichtet. Vor allem die Auswirkungen der spezifischen Oberfläche und damit Reaktivität der Substanzen müssen zukünftig in die Stoffanalyse stärker miteinbezogen werden.186 Hierzu korrespondierend spielt im nanometrischen Größenbereich die Masse eines Stoffes eine geringere Rolle.187 Zentrale Schwierigkeit bei der Bewertung eines Nano­materials bleibt aber die Exposition. Insbesondere das Maß und die Wege des Eintrags nanoskaliger Partikel in die Umweltmedien sind, wie bereits aufgezeigt, bislang kaum erforscht.188 Auch über die Konzentrationswerte bei einer Exposition besteht Unklarheit.189 Letztere wird vor allem durch die mangelnde Verfügbarkeit von Nachweis- und Messverfahren vergrößert. So sind die aktuellen Messverfahren häufig nicht oder nur bedingt geeignet, zwischen natürlichen und anthro­ pogenen Nanomaterialien zu unterscheiden.190 Angesichts der teilweise noch nicht bekannten Parameter gestaltet sich die abschließende und wissenschaftliche gesicherte Risikobewertung von Nanomaterialien daher schwierig.191 Dies gilt vor dem Hintergrund der Anzahl unterschiedlicher Stoffe vor allem für die Ausarbeitung allgemeiner, stoffübergreifender Kriterien.192 Doch auch die aus diesem Grunde empfohlene Analyse jedes einzelnen Stoffes193 vermag häufig noch keine abschließende Risikobewertung zu erlauben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung stellt zur Beurteilung eines möglichen Krebsrisikos durch Nanomaterialien fest: „Generell ist die Datenbasis zur Bewertung des von Nanomaterialien ausgehenden karzino­ genen Potentials nicht ausreichend. Während einige Studien Hinweise auf ein nanospezifisches Tumorpotential zeigten, kamen andere Untersuchungen zu negativen Ergebnissen. Dies ist möglicherweise auf eine unzureichende Charakterisierung des Prüfmaterials, Unterschiede im experimentellen Design der Untersuchungen, die Verwendung verschiedener Tiermodelle und -spezies und/oder auf Unterschiede in der Dosimetrie (sowohl hinsichtlich des geeigneten Dosismaßes wie auch in der Abschätzung wirksamer Dosis­mengen) zurückzuführen.“194

185

Krug/Wick, Angewandte Chemie 123 (2011), S. 1294 (1309). Umfassend zur Problematik SCENHIR, Existing methodologies, S. 41 ff., 55 ff. 186 OECD, Guidance Notes, ENV/JM/MONO(2010)25, S. 26. 187 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 7 (siehe auch S. 415). 188 SCENHIR, Risk assessment, S. 50. 189 Ebd. 190 SCENHIR, Risk assessment, S. 53 ff.; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 19 m. w. N. 191 Nanokommission, Bericht der Themengrupppe 4, S. 6. 192 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 270 f. 193 Europäische Kommission, Classification, labelling and packaging of nanomaterials in REACH and CLP, CA/90/2009 Rev 2, S. 5 (abrufbar unter www.ec.europa.eu); Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 270, 271; Nanokomission, Bericht der Themengrupppe 4, S. 6. 194 Bundesinstitut für Risikobewertung/Umweltbundesamt, Stellungnahme 5/2011 vom 15.04.2011, S. 2 (abrufbar unter www.bfr.bund.de).

III. Nanomaterialien als Risiko? 

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Erschwerend kommt wie bereits dargelegt hinzu, dass die Eigenschaften eines Nanomaterials auch mit dem Größenbereich der Partikel korrespondieren können (siehe auch bereits oben). Dies macht grundsätzlich eine Untersuchung verschiedener Abmessungen erforderlich. Schließlich sind auch die Beständigkeit und die Form der Partikel von Bedeutung. Denn die Persistenz ist ein entscheidender Faktor bei der Bestimmung der Langzeitfolgen, die Form für die Fähigkeit der Par­ tikel zur Gewebedurchdringung.195 Der Sachverständigenrat für Umweltfragen kommt zu dem Ergebnis, dass „eine abschließende Risikobewertung der derzeit auf dem Markt befindlichen Nano­ materialien nicht möglich“ ist.196 Somit stellt sich auch bei einzelstoffbezogenen Untersuchungen die Frage nach der Belastbarkeit des jeweiligen Testergebnisses. Die teilweise erheblich voneinander divergierenden Studienergebnisse bei der Bewertung der Eigenschaften einzelner Nanomaterialien lassen so gewisse Unsicherheiten auch bei der Einzelstoffbeurteilung aufscheinen. Damit bleibt festzuhalten, dass bei Aussagen über die Schädlichkeit oder Nichtschädlichkeit einzelner Nano­ materialien stets gegenwärtig sein sollte, dass eine empirische Fundierung nicht oder nur in unzureichendem Maße vorhanden ist.197 Katalagarianakis fasste die derzeitige Situation auf dem Symposium „Sicherheitsfragen und regulatorische Herausforderungen von Nano­materialien“ des Joint Research Centre pointiert wie folgt zusammen: „However, from a regulatory nanosafety perspective, data on materials characterisation are insufficient to underpin Risk Assessment, hazards identification and quantification is not standardised, the exposure monitoring and metrics reliability is low, there is a need for insitu characterisation techniques, the current data from Life-Cycle Analysis are inadequate and there is a need of criteria for Risk evaluation/acceptance.“198

Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten haben verschiedene Organisatio­ nen Richtlinien zur vorläufigen Risikoabschätzung von Nano­ materialien ent­ wickelt, die als Grundlage für die Bewertung solange herangezogen werden können, wie allgemein anerkannte, standardisierte Verfahren noch nicht bestehen.199 195

Krug, in: Scherzberg/Wendorff, S. 59 (63). Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 268 f. 197 Ähnlich auch das Fazit der European Food Safety Authority (EFSA), The EFSA Journal 2011;9(5):2140: „There are currently uncertainties related to the identification, characterisation and detection of ENM [Anm.: ENM steht für engineered nanomaterials] that are related to the lack of suitable and validated test methods to cover all possible applications, aspects and properties of ENM. Similarly, there are a number of uncertainties related to the applicability of current standard biological and toxicological testing methods to ENM. For these reasons, this ENM Guidance will need to be updated based on experience and acquired knowledge.“ 198 Sintes/Blázquez/Moya/Vázquez, S. 8. 199 Siehe etwa OECD, Guidance Manual, ENV/JM/MONO(2009)20/REV oder OECD, Guidance Notes, ENV/JM/MONO(2010)25; ISO TR 13121/2011 (Nanotechnologies – Nano­ material risk evaluation); Krug, Nanommune; Nanokommission, Bericht der Themengruppe 4; siehe auch Reihlen/Jepsen, Instrumente zur Bewertung. Zu den Bemühungen der OECD im Bereich der Nano­materialien allgemein Visser, in: Hodge/Bowman/Ludlow, S. 320 ff. 196

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B. Einführung in die Nanotechnologien

IV. Fazit zu Teil B. Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass Nano­materialien ein enormes Potenzial, aber möglicherweise auch nicht zu unterschätzende Risiken bergen. Dabei steht die Entwicklung der Nanotechnologien noch ganz am Anfang. Prognoseunsicherheiten mit Blick auf zukünftige Entwicklungen sind daher nicht zu vermeiden. Die Erfahrung lehrt jedenfalls, dass die Entdeckung und Nutzung neuer Technologien stets auch mit technischen Rückschlägen und wissenschaftlichen Fehleinschätzungen verbunden war und ist.200 An der Grenze zur Science Fiction liegt die Vorstellung von aus einzelnen Atomen und Molekülen zusammengesetzten Nano-Maschinen. So werden Szenarien von sich selbst reproduzierenden Nanorobotern wie etwa von Drexler201 seitens der Wissenschaft als auch in ferner Zukunft nicht realisierbar zurückgewiesen.202 Gleichwohl wird das sog. self assembling in der zukünftigen (aktiven)203 Nanotechnologie eine wichtige Rolle einnehmen. Unter diesem Begriff wird die Fähigkeit von Nanostrukturen verstanden, sich automatisch oder durch geringen äußeren Einfluss zu einem bestimmten Material zusammenzusetzen.204 Diese Selbstorganisation von Materialien ist aller­dings momentan nur auf winzigster Ebene überhaupt technisch realisierbar.205 Bereits heute können mit Hilfe des sog. Rastertunnel-Mikroskops einzelne Atome nicht nur sichtbar gemacht werden. Die Technik erlaubt auch die Neu­anordnung etwa zu winzigen Schriftzügen.206 Eng mit der Selbstorganisation ist die Selbstreplikation von Nanopartikeln verbunden, die eine weitere große Zukunftsvision darstellt. „Selbstorganisierte“ Nano­materialien sind dabei schon der erste Schritt einer Selbstreplikation.207 Diese soll jedoch auch auf komplexe Strukturen übertragen werden. Ziel sind künstliche Strukturen, die sich – ähnlich wie Zellen – ständig reproduzieren.208 Auch wenn diese Überlegungen jedenfalls momentan eher dem Bereich der Science Fiction zuzuordnen sind, sollten sie angesichts der rasanten technischen Entwicklung nicht völlig aus dem Blickfeld geraten.209 200

Siehe umfassend Harremoës u. a. Siehe Drexler. Drexler stellte sich ein Szenario vor, in dem zur Selbstreplikation fähige Nanoroboter („Assembler“) sich verselbständigen könnten und dann als grauer Dunst („Grey Goo“) nicht mehr zu kontrollieren seien. 202 Siehe nur die Kritik von R. E. Smalley im Rahmen der Darstellung von Baum, Chemical and Engineering News 81 (2003), Nr. 48, S. 37 ff. Ein Hauptproblem besteht darin, dass nach heutigem Wissensstand keine Techniken vorstellbar sind, mit denen derart winzige Teilchen zu einer komplexen Maschine zusammengefügt werden könnten, vgl. Hartmann, S. 40 f. Die entsprechenden Nanomaschinen wären im Übrigen so winzig, dass bereits geringste Partikel die Maschinen zerstören könnten, Wautelet, S. 146. 203 Zum Begriff der „aktiven“ Nanotechnologie siehe oben B. II. 2. 204 Davies, S. 17 f. 205 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nanopartikel, S. 41. 206 Wautelet, S. 147. 207 Davies, S. 18. 208 Ausführlich Davies, S. 17 f. 209 Davies, S. 18 f. 201

C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vor dem Hintergrund nanospezifischer Ungewissheit I. Die nanospezifische Ungewissheit als herausragendes Charakteristikum und als Rechtsproblem Das herausragende und sie von anderen Hochtechnologien abgrenzende Charakteristikum der Nanotechnologien besteht darin, dass die Eigenschaften und Wirkungsweisen eines Nanopartikels oftmals vollständig von dem seines makroskaligen Pendants differieren. Die Erkenntnisse über bekannte Stoffe, deren Gewinnung oftmals Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte dauerte, sind auf die nanoskaligen Partikel dieser Makrostoffe nicht übertragbar. Stoffeigenschaften, die für Größenbereiche von einigen Metern bis in den Mikrometerbereich identisch sind, können sich im Nanometerbereich erheblich verändern.1 Entscheidend ist, dass die Eigenschaften der jeweiligen Nano­materialien durch eine Reihe verschiedener Faktoren begründet werden können. Von Bedeutung ist es somit vor allem, Kenntnisse über die die Toxizität von Nano­materialien determinierenden Faktoren zu erlangen. Beispielsweise konnte in Studien etwa eine Konnexität von Partikelgröße und Toxizität belegt werden.2 Denn je kleiner ein Stoffteilchen, desto größer seine reaktive Oberfläche. Auch das Volumen und die Form (insbesondere bei Fasern) scheinen wie dargelegt Einfluss auf die Toxizität zu haben. Somit ergibt sich die Schwierigkeit, dass nicht geklärt ist, über welche Eigenschaften ein Stoff in Nanoskalierung verfügt. Mit Blick auf die erforderlichen toxikologischen Studien ergeben sich zwei zentrale Schwierigkeiten: die schlichte Masse an notwendigen Tests und die fehlenden Standards. Die Erkenntnis, dass sich das Wissen über die Wirkungsweisen von Makrostoffen nicht auf Nanostoffe übertragen lassen und die Unsicherheit darüber, wann und unter welchen Umständen die nanoskaligen Teilchen veränderte Eigenschaften aufweisen, machen eine enorm große Anzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen erforderlich. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt korrespondiert dieser neuen Hochtechnologie eine spezifische Ungewissheit, die sowohl für die naturwissenschaftliche Erforschung des Gebietes wie für seine rechtswissenschaftliche Behandlung charakteristisch ist.

1

Wendorff, in: Scherzberg/Wendorff, S. 3 (4). Siehe oben und auch Oberdörster, Günter/Oberdörster, Eva/Oberdörster, Jan, Environmental Health Perspectives 113 (2005), S. 823 (836 f.).

2

58

C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

II. Die Bewältigung von Ungewissheit als rechtliche Herausforderung 1. Die Schwierigkeiten Die heutigen hochkomplexen und vielschichtigen technischen Systeme lassen die verlässliche Prognostizierbarkeit von Kausalverläufen immer schwieriger erscheinen. Die Wissenschaft stößt an die Grenzen des Nachweisbaren, es besteht Ungewissheit. Im Kontext der Anlagentechnik hat sich in der Rechtswissenschaft der Begriff der „sicherheitstechnischen“ Ungewissheit herausgebildet3, bei dem zwischen vier verschiedenen Stufen der Ungewissheit differenziert wird4: Auf erster Stufe steht die sog. kalkulierbare Ungewissheit, bei der aufgrund gebildeten Erfahrungswissens Wahrscheinlichkeitsprognosen über Schadenseintritt und Ausmaß möglich sind. Diese Situation dürfte mit dem Verständnis der polizeirechtlichen Gefahr korrespondieren. Die zweite Stufe bildet hiernach die unkalkulierbare Ungewissheit, die eine stochastische Aussage über ein an sich bekanntes Schadensszenario insgesamt nicht mehr zulässt, sondern nur noch für einzelne Teile eines Gesamtsystems möglich ist (Versagen der technischen Anlage). Auf der dritten Stufe sollen nur einzelne Anhaltspunkte für ein bestimmtes Risikopotenzial existieren, ohne dass dieses jedoch wissenschaftlich verifizierbar wäre. Die schließlich letzte, die vierte Stufe der Ungewissheit, betrifft hypo­thetische Kausalverläufe und Ursachenzusammenhänge. In diesem Bereich soll jede wissenschaftliche Nachweisbarkeit fehlen. Auf der anderen Seite können die Risikohypothesen auch nicht widerlegt werden. Die Ungewissheit stellt somit ein Rechtsproblem dar. Die Schwierigkeiten, die sich hieraus ergeben, bestehen vor allem in einem zeitlichen Moment, denn Rechtsvorschriften richten sich stets nach dem Wissensstand zum Zeitpunkt ihres Erlasses.5 Somit muss das Recht ständig einer fortschreitenden Entwicklung angepasst werden, es bedarf der regelmäßigen Überprüfung auf Aktualität.6 Maßgeblich hängt die Antwort des Gesetzgebers insofern davon ab, welche Annahme der Wirklichkeit er der Norm zugrunde legt.7 Gerade wenn die möglichen Risikopotenziale einer neuen Technologie weder bewiesen noch widerlegt werden können, also jedwedes Wissen fehlt, auf das der Staat zurückgreifen könnte, droht der staatlichen Entscheidung der Verlust an Rationalität.8

3

Scherzberg, Ungewißheit, in: Engel/Halfmann/Schulte, S. 113 (116 f.) m. w. N. Scherzberg, Ungewißheit, in: Engel/Halfmann/Schulte, S. 113 (117). 5 Scherzberg, Ungewißheit, in: Engel/Halfmann/Schulte, S. 113 (122 ff.). 6 Ebd. 7 Instruktiv Schneider, Karsten, in: Scharrer u. a., S. 177 (193 f.). 8 Vgl. Herdegen, Staat und Rationalität, S. 77 ff. 4

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

59

2. Gesetzgeberische Ansätze zur Bewältigung von Ungewissheit Diese Schwierigkeiten bei der rechtlichen Bewältigung von Ungewissheit, insbesondere dem aktuellen Wissensstand angepasste Vorschriften zu erlassen und Entscheidungen zu treffen, haben die Union und den deutschen Gesetzgeber in der Vergangenheit zu verschiedenen Reaktionen veranlasst. Dabei lässt sich als Tendenz ausmachen, den Anwendungsbereich von Vorschriften weit zu fassen und auf externes Wissen zurückzugreifen.9 So verweisen zahlreiche Regelungen auf nationaler Ebene auf den „Stand der Wissenschaft [und Technik]“, den der Normadressat wie z. B. die ausführende Behörde bei ihrer Genehmigung zugrunde zu legen hat.10 Durch die Verwendung derartiger verobjektivierter Wissensstandards kann der Gesetzgeber bei der Steuerung potenziell risikoträchtiger Technologien die Festlegung eines bestimmten Schutzgrades vermeiden und eine flexible Anwendung durch die Exekutive ermöglichen.11 Auch im Unionsrecht sehen inzwischen verschiedene Vorschriften ihre Anpassung an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik vor.12 Gerade diejenigen EU-Vorschriften, die bereits explizit Nano­materialien zum Regelungsgegenstand haben, greifen auf dieses Instrument zurück.13 Eine weitere Möglichkeit der Flexibilisierung von Vorschriften als Maßnahme zur Bewältigung von Ungewissheit ist die Einbeziehung externen Sachverstands. Dies kann etwa durch die Errichtung von Gremien oder Kommissionen erfolgen, die sich zu bestimmten Fragestellungen äußern.14 Sog. antizipierte Sachverständigengutachten stellen eine weitere Option zur Einbeziehung externen Wissens dar. Hierunter sind Regelungswerke ohne Gesetzescharakter zu verstehen, deren Einhaltung eine einheitliche Praxis der Beteiligten gewährleisten soll.15 Antizipierte Sachverständigengutachten treten zumeist in Form von Qualitätssicherungsrichtlinien auf und werden von nationalen oder internationalen Gremien formuliert. Beispiel ist die „Gute Laborpraxis“ (GLP), die etwa bei der Risikobewertung von chemischen Substanzen zu berücksichtigen ist (Art. 13 Abs. 4 REACH) und auf

9

Scherzberg, Ungewißheit, in: Engel/Halfmann/Schulte, S. 113 (126 f.), der von der „Entmaterialisierung“ des Rechts spricht. 10 Z. B. §§ 7 Abs. 1 Satz 1; 11 Abs. 1 Nr. 4; 15 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 2 GenTG, BGBl. I 1994, S. 2066 ff.; §§ 7 Abs. 2 Nr. 3; 26 Abs. 5; 53 AtG, BGBl. I 1985, S. 1565 ff. 11 Ausführlich Nicklisch, NJW 1982, S. 2633 (2633 f.). 12 Siehe bspw. Art.  85 VO (EU) Nr.  528/2012, ABl.  2012 L  176, S.  1 ff.; Art.  53 VO (EG) Nr. 1272/2008, ABl. 2008 L 353, S. 1 ff.; Art. 46a Abs. 2, 108 Richtlinie 2001/83/EG, ABl. 2001 L 311, S. 67 ff.; Art. 27 Richtlinie 2001/18/EG, ABl. 2001 L 106, S. 1 ff. 13 Siehe Art. 16 Abs. 6, 7 VO (EG) Nr. 1223/2009, ABl. 2009 L 342, S. 59 ff.; Art. 3 Abs. 5 VO (EU) Nr. 528/2012, ABl. 2012 L 176, S. 1 ff. 14 So etwa § 5 GenTG, BGBl. I 1994, S. 2066 ff., oder § 23 GenDG, BGBl. I 2009, S. 2529 ff., ber. 2009 S. 3672 ff. 15 Vgl. Vieweg, NJW 1982, S. 2473 (2474).

60

C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

Richtlinien der OECD16 beruht. Häufig bilden antizipierte Sachverständigengutachten auch die Grundlage für den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik.17 Auf der Ebene des Unionsrechts wird die Einbeziehung externen bzw. exekutiven Wissens vor allem durch das sog. Komitologieverfahren erreicht.18 In diesem Rahmen kann die Kommission Durchführungsvorschriften zu EU-Basisrechtsakten (Richtlinien, Verordnungen, Beschlüsse) erlassen und dabei auf Ausschüsse zurückgreifen, die mit einem Kommissionsvertreter und Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt sind (Art. 3 Abs. 2 Komitologie-Verordnung19).20 Zwar erhöht der Rückgriff auf externes und implizites21 Wissen die normative Flexibilität, in der Theorie birgt er jedenfalls aber auch das Risiko der Manipulation.22 Das Bedürfnis nach einer hohen Anpassungsfähigkeit von Vorschriften zur Regulierung neuer Technologien findet weiterhin Ausdruck in inzwischen zahlreich im EU-Recht vorhandenen Revisionsklauseln.23 Diese sehen zumeist nach dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne eine Normüberprüfung durch die Kommission und die Vorlage eines entsprechenden Überprüfungsberichts vor. Solche Regelungen machen indes nur Sinn, wenn auch ihre praktische Umsetzung gewährleistet wird. Die Möglichkeit der späteren Überprüfung kann sich dabei nicht nur auf Vorschriften erstrecken, sondern sich auch auf Einzelfallentscheidungen, i. d. R. Zulassungen, beziehen. So sehen verschiedene EU-Regelungen explizit allein befristete oder widerrufbare Genehmigungen vor.24 Ohnehin stellen gerade Zulassungsverfahren ein wichtiges Instrument dar, um der Ungewissheit über die Auswirkungen z. B. von Nano­materialien zu begegnen. So kann eine dem Inverkehrbringen oder der Verwendung vorgeschaltete Präventivkontrolle prinzipiell gewährleisten, dass die Folgen für Mensch und Umwelt hinnehmbar sind. 16 Erwägungsgrund Nr. 8 der Richtlinie 2004/10/EG, ABl. 2004 L 50, S. 44 ff. (betreffend die Angleichung der nationalen Vorschriften an die GLP). Hierzu Visser, in: Hodge/Bowman/ Ludlow, S. 320 (325). 17 Vieweg, NJW 1982, S. 2473 (2474). 18 Scharf, S. 6, 38. 19 VO (EU) Nr. 182/2011, ABl. 2011 L 55, S. 13 ff. 20 Siehe hierzu Art. 290 und 291 AEUV. 21 Implizites Wissen ist solches Wissen, das gemeinhin als „know how“ bezeichnet wird. Es gründet auf Erfahrungen und Intuitionen des Einzelnen und ist das Gegenteil expliziten, allgemein anerkannten und kommunizierbaren Wissens, siehe Hoffmann-Riem, in: Augsberg, S. 17 (25 f.). 22 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Augsberg, S. 17 (26 f.). 23 Siehe etwa Art. 16 Abs. 11 VO (EG) Nr. 1223/2009, ABl. 2009 L 342, S. 59 ff.; Art. 16 VO (EG) Nr. 648/2004, ABl. 2004 L 104, S. 1 ff.; Art. 138 VO (EG) Nr. 1907/2006, ABl. 2006 L 396, S. 1 ff.; Art. 14 VO (EG) Nr. 258/97, ABl. 1997 L 43, S. 1 ff. 24 Siehe etwa Art.  4 Abs.  1, 17 Abs.  4 VO (EU) Nr.  528/2012, ABl.  2012 L  176, S.  1 ff. (Zulassung von Wirkstoffen und Biozidprodukten); Art.  61 VO (EG) Nr.  1907/2006, ABl. 2007 L 136, S. 6 ff. (Zulassung von gefährlichen Stoffen); siehe auch zur Neubewertung aller vor 2009 zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe Art. 32 (VO) EG Nr. 1333/2008, ABl. 2008 L 354, S. 16 ff.

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

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3. Vorsorge unter Ungewissheitsbedingungen Diese verschiedenen möglichen Formen der Regulierungsakte zur rechtlichen Bewältigung von Ungewissheit bedürfen jedoch einer normativen Legitimation, welche sie durch das sog. Vorsorgeprinzip erfahren können.25 a) Regelungsgehalt des Vorsorgeprinzips Eines der zentralen, aber zugleich umstrittensten Rechtsprinzipien26 auf der Ebene des Unionsrechts ist das Vorsorgeprinzip, welches in Art. 191 Abs. 2 AEUV27 explizite Erwähnung findet. Der Begriff der Vorsorge hat dabei unionsrechtlich noch keine endgültige Klärung erfahren.28 Insgesamt ist jedenfalls anerkannt, dass das Vorsorgeprinzip den EU-Organen gestattet, grundsätzlich bereits im Vorfeld einer sich realisierenden Gefahr etwa für Mensch und Natur Schutzmaß­nahmen zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund wird das Vorsorgeprinzip oft mit dem Begriff der Risikovorsorge in Verbindung gesetzt.29 Die Europäische Kommission geht davon aus, dass bereits „potenzielle“ Risiken für die Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips ausreichen. Daher soll das Vorsorgeprinzip anwendbar sein, wenn „wissenschaftliche Informationen unvollständig sind oder keine eindeutigen Schlüsse zulassen und30 wenn es Anzeichen dafür gibt, daß die möglichen Folgen für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen potentiell gefährlich und mit dem angestrebten Schutzniveau unvereinbar sein könnten.“31

b) Differenzierung nach Tatbestand und Rechtsfolge aa) Vorsorgeanlass Beim Vorsorgeprinzip sind Tatbestand und Rechtsfolge zu unterscheiden.32 Der Tatbestand, als Vorsorgeanlass bezeichnet, betrifft dabei die Frage des ob, wäh 25

Grundlegend für das deutsche Recht Di Fabio, Risikoentscheidungen, § 4 f. (S. 65 ff.). Die Eigenschaft als Rechtsprinzip ist inzwischen weitgehend anerkannt, siehe statt vieler Epiney, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Art. 191 AEUV Rn. 10; Nettesheim, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Art. 191 AEUV Rn. 90 m. w. N. 27 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2008 C 115, S. 47 ff. 28 Vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 191 AEUV Rn. 89 f. 29 Siehe etwa Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  191 AEUV Rn.  91 m. w. N.; Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 191 AEUV Rn. 29. 30 Anmerkung: Hervorhebung durch den Autor. 31 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 8 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 32 Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art.  191 AEUV Rn.  31. Ähnlich Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 13 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 26

62

C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

rend auf Rechtsfolgenseite die Ausmaße des Vorsorgehandelns, also das wie, bestimmt werden.33 Ob Vorsorgemaßnahmen überhaupt getroffen werden können, ergibt sich aus einer umfassenden Risikobewertung34, die der jeweiligen Vorsorgemaßnahme vorgeschaltet ist.35 Nach der (rechtlich unverbindlichen) Kommissionsmitteilung zum Vorsorgeprinzip sind in diesem Rahmen eine Ermittlung und Beschreibung der Gefahren sowie eine Abschätzung und Beschreibung des Risikos vorzunehmen.36 Das Europäische Gericht erster Instanz definiert in vermutlich der unionsrechtlichen „Leitentscheidung zum Vorsorgeprinzip“37, dem Verfah­ fizer Animal Health, die Risikobewertung als „wissenschaftliches Verfahren ren P […], das darin besteht, eine Gefahr zu ermitteln und zu beschreiben, die Exposition zu bewerten und das Risiko zu bezeichnen.“38 Neben dieser Informationsermittlung ist hiernach aber auch die Bestimmung des Grades der Risikoaversion der betroffenen Bevölkerung und damit der Festlegung des beabsichtigten Schutzniveaus Teil der Risikobewertung.39 So ist es denkbar, dass eine risikogeneigtere Gesellschaft manches Schadenspotenzial noch hinzunehmen bereit ist und aus diesem Grunde kein Vorsorgeanlass gegeben ist. Die Möglichkeit der Risikovorsorge befreit die staatlichen Organe nicht von der Verpflichtung einer sorgsamen und gründlichen Wissensermittlung bis zu dem Punkt der empirischen Ungewissheit.40 Im Rahmen der vorsorgebezogenen Risikobewertung sind daher alle verfügbaren mathematischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisquellen heranzuziehen, um so die Risiken möglichst präzise erfassen zu können.41 Ein interessanter Aspekt ergibt sich dabei mit Blick auf die typischerweise in Situationen wissenschaftlicher Ungewissheit aufscheinenden Divergenzen in den Einschätzungen und Bewertungen von Kausalitäten. So ist im Rahmen der Risikobewertung nicht nur auf die herrschende Meinung in der Wissenschaft abzustellen. Auch hiervon abweichende Ansichten anerkannter Auto 33

Calliess, ebd. Die unionsrechtliche Terminologie unterscheidet sich insoweit von der in Deutschland gebräuchlichen, als dass dort zumeist zwischen Risikoermittlung und Risikobewertung differenziert wird, Arndt, S. 181. Teilweise wird diese deutsche Unterscheidung auch in das Unionsrecht übertragen: Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 191 AEUV Rn. 31. 35 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 14 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). Siehe auch EuGH, Rs. C-236/01, Slg. 2003, I-8105 Rn. 112 f. – Monsanto Agricultura. Kritisch zu dieser Differenzierung mit Blick auf die im Einzelfall schwierige Bestimmbarkeit eines Vorsorgeanlasses Mielke, S. 87. 36 Europäische Kommission, ebd. 37 Meßerschmidt, § 3 Rn. 108. 38 EuG, Rs. T-13/99, Slg. 2002, II-3305 Rn. 156 – Pfizer Animal Health. 39 EuG, Rs. T-13/99, Slg. 2002, II-3305 Rn. 149 – Pfizer Animal Health. Zu der insoweit nicht ganz konsistenten Rechtsprechung im Einzelnen Arndt, S.  180 f., 252 f. Unter diesem Gesichtspunkt von der „normativen Risikobewertung“ sprechend Calliess/Stockhaus, DVBl. 2011, S. 921 (922). 40 Wahl/Appel, in: Wahl, S. 110 f. 41 Ebd. 34

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

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ren sind bei der Bestimmung der Risiken zu berücksichtigen.42 Auf der Ebene des Welthandelsrechts hat sich bereits der Ansatz durchgesetzt, dass Vorsorgemaßnahmen, die zu Handelsbeschränkungen führen, auch auf fundierte Mindermeinungen gestützt werden können.43 Von der Risikobewertung zu trennen ist das Risikomanagement. Es betrifft den sich anschließenden Abwägungsprozess auf Rechtsfolgenseite, also die Wahl der Mittel zur Bewältigung des Risikos.44 (1) Der Begriff des potenziellen Risikos Die risikorechtliche Terminologie auf Ebene des Unionsrechts unterscheidet sich in einigen Punkten vom in Deutschland üblichen Sprachgebrauch. Dies macht einige klarstellende Erläuterungen zum Begriff des „Risikos“ bzw. des „potenziellen Risikos“ nach europäischem Verständnis erforderlich. Der Begriff des „potenziellen Risikos“ bringt eine Differenzierung von Gefahr und Risiko zum Ausdruck, die zwar auf der Ebene des Unionsrechts ebenso vorgenommen wird wie im deutschen Recht, dabei aber von anderen Begrifflichkeiten geprägt ist. Denn das Unionsrecht kennt keinen einheitlichen Gefahrbegriff.45 Insbesondere ist – anders als im deutschen Polizeirecht – die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht Gegenstand der Gefahr-Definition.46 Vielmehr wird die Gefahr als der Grund für eine potenzielle Rechtsgutsbeeinträchtigung, also als Ursache eines möglichen Schadens verstanden und beschreibt somit allgemein negative Auswirkungen.47 Demgegenüber stellt der Risikobegriff auf eben jenen Wahrscheinlichkeitsnexus ab.48 Somit bedeutet Risiko grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens in Abhängigkeit von dessen Ausmaß.49 Hier ist die Schadenswahrscheinlichkeit also durch Erfahrungswissen über den Schadensablauf empirisch abgesichert. Da jedoch in einer Situation von Ungewissheit eine Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und/oder das Schadensausmaß gerade nicht determiniert werden kann, stößt der unionsrechtliche Risikobegriff 42

Calliess, Umweltstaat, S. 217; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 18 (abrufbar unter www. eur-lex.europa.eu). 43 Hierzu Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 87. Zur Problematik im Detail siehe bei H. V. 2. a) aa) (1). 44 Zander, S. 19, 116 ff., der zugleich betont, dass eine strikte Trennung nicht immer möglich ist. 45 Mielke, S. 59 f. 46 Arndt, S. 114. 47 Arndt, S. 115 m. w. N. 48 Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 38 m. w. N.; Mielke, S. 60. 49 Winter, in: Hansjürgens/Nordbeck, S.  243 (251), der allerdings nicht zwischen Risiko und potenziellem Risiko differenziert; Pache/Rucireto, in: Führ, REACH, Kap. 16 Rn. 23. Zu den Besonderheiten des Risikobegriffs nach REACH Krause, StoffR 2009, S. 20 (26).

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C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

hier – ebenso wie der Gefahrbegriff nach herkömmlichem polizeirechtlichem Verständnis im deutschen Recht – an seine Grenzen.50 Aus diesem Grunde wird auf das „potenzielle Risiko“ zurückgegriffen51, welches auf diese Weise als normatives Gegenstück zum deutschen „Risiko“ fungiert. Dabei stellt das potenzielle Risiko richtigerweise aber ein aliud und kein minus zum Risiko dar.52 Denn es grenzt sich durch die Ungewissheit und eben nicht durch eine niedrigere Schadenseintrittswahrscheinlichkeit vom Risiko (der „Gefahr“ im deutschen Recht) ab.53 Über die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts wird dabei keine Aussage getroffen. Ein größeres Maß an Unwissenheit führt eben nicht automatisch zu einer geringeren Schadenswahrscheinlichkeit.54 Für ein – das Vorsorgeprinzip aktivierendes – potenzielles Risiko ist das Bestehen „ernsthafter und stichhaltiger Anhaltspunkte“55 für negative Auswirkungen erforderlich, wobei gleichzeitig Ungewissheit über die schadensauslösenden Parameter besteht.56 Die Mitgliedstaaten bzw. die Union können sonach Vorsorgemaßnahmen auch treffen, „ohne abwarten zu müssen, bis das tatsächliche Vorliegen und die Schwere dieser Risiken in vollem Umfang nachgewiesen sind.“57 (2) Der Begriff des hypothetischen Risikos Vom potenziellen, einen Vorsorgeanlass begründenden Risiko, ist das rein hypothetische Risiko zu unterscheiden, welches diese Erheblichkeitsschwelle nicht 50

Vgl. Reich, S.  82 f. Zur Risikovorsorge „jenseits traditionell begründeter Wahrscheinlichkeitsprognosen“ grundlegend Di Fabio, § 4, S. 73 ff. 51 Vgl. Arndt, S.  111. Siehe auch Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 14: „[E]in potentielles­ Risiko kann aber auch dann vorliegen, wenn dieses Risiko nicht voll nachweisbar ist, wenn nicht meßbar ist, in welchem Umfang ein Risiko besteht oder wenn wegen unzureichender oder nicht eindeutiger wissenschaftlicher Daten nicht feststellbar ist, wie sich das Risiko auswirken kann“ (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 52 So für das deutsche Recht Herdegen, in: Breuer, S.  61 (62 f.); Dederer, Wettbewerb, S. 76 ff.; Scherzberg, VerwArch (84) 1993, S. 484 (498). 53 So aber für das deutsche Recht etwa Breuer, NVwZ 1990, 211 (213) und offenbar auch Erbguth/Schlacke, § 3 Rn. 6. Siehe auch Reich, S. 75 ff. 54 Jaeckel, Risikodogmatik, S. 64, 291. 55 EuG, Rs. T-74/00, T-76/00; T-83/00 bis T-85/00; T-132/00; T-137/00; T-141/00, Slg. 2002, II-4945 Rn. 192 – Artedogan ./. Kommission. 56 Der Grund für die Ungewissheit kann dabei vielfältig sein. So kann sie „aus der gewählten Variablen, den vorgenommenen Messungen, den gezogenen Stichproben, den verwendeten Modellen oder dem zugrunde gelegten Kausalzusammenhang [resultieren]. Eine wissenschaftliche Unsicherheit kann sich auch daraus ergeben, daß Uneinigkeit darüber besteht, wie die vorliegenden Daten zu deuten sind, oder daß einige wichtige Daten fehlen“, Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 15 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 57 EuG, Rs. T-13/99, Rn. 139 Slg. 2002, II-3305 – Pfizer Animal Health; vgl. Scherzberg, ZUR 2010, S. 303 (306).

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

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mehr zu überschreiten vermag.58 So dürfen Vorsorgemaßnahmen nicht auf „bloße, wissenschaftlich noch nicht verifizierte Vermutungen gestützt“ werden.59 Vielmehr verlangt das Vorsorgeprinzip auch in einer Situation bestehender Ungewissheit über die Existenz oder den Umfang eines Risikos wissenschaftlich substantiierte Darlegungen, die „vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Durchführung der Maßnahmen geboten ist […]“.60 So gestattet das Vorsorgeprinzip keine Maßnahmen, die losgelöst von jeder wissenschaftlichen Erkenntnis ergehen.61 Bei hypothetischen Risiken bewegt sich die Schadensprognose im rein Spekulativen.62 Dies ist dann der Fall, wenn noch keine Untersuchungen zu einer bestimmten Fragestellung durchgeführt worden sind, somit vollkommenes Unwissen besteht.63 In diesen Situationen kann keinerlei Aussage über eine Schädlichkeit oder Unschädlichkeit getroffen werden. Damit liegt eine Ungewissheit „vierter Stufe“ vor.64 Anders als das potenzielle Risiko zeichnet sich das hypothetische Risiko also durch ein Maß an Ungewissheit aus, welches keine seriöse Risikovorhersage mehr zulässt. In Abgrenzung zum potenziellen ist das hypothetische Risiko damit von einem noch höheren Maß an Ungewissheit gekennzeichnet, welches sich nicht allein auf einzelne, sondern auf sämtliche schadensbegründenden Faktoren und das Schadensausmaß erstreckt. Es sind aber auch Situationen denkbar, in denen vorhandene Erkenntnisse eine Wahrscheinlichkeitsprognose gerade zulassen, der befürchtete Schaden aber extrem unwahrscheinlich ist und sich sein Eintritt somit ebenfalls im Bereich der Spekulation bewegt. Teilweise wird daher auch von einem „Nullrisiko“ gesprochen.65 Insofern können hier auch das Ausmaß des befürchteten Schadens sowie dessen Dauer und Wirkungen herangezogen werden, um den Grad des Risikos und seine Eignung zur Aktivierung des Vorsorge­prinzips zu bestimmen.66 Dass über das Risikopotenzial eines einzelnen Stoffes vor der Risikobewertung keine Aussage getroffen werden kann, hierüber also Ungewissheit besteht, scheint noch nicht die Annahme eines (noch nicht vorsorgerelevanten) rein hypothetischen Risikos zu begründen vermögen. So ging der Europäische Gerichtshof auch von der Einschlägigkeit des Vorsorgeprinzips bei einem Zulassungsregime für Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln aus, über deren Auswirkungen noch keine Kennt 58 EuGH, Rs. C-95/01, Slg. 2004, I-1333 Rn. 43 – Greenham und Abel; EuGH, Rs. C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn. 49 – Kommission ./. Dänemark; EuGH, Rs. C-236/01, Slg. 2003, I-8105 Rn. 106 – Monsanto Agricultura. 59 EuGH, Rs. C-236/01, Slg. 2003, I-8105 Rn. 106 – Monsanto Agricultura. 60 EuGH, Rs. C-236/01, Slg. 2003, I-8105 Rn. 113 – Monsanto Agricultura. 61 Herdegen/Dederer, in: dies., Kommentierung der Richtlinie 2001/18/EG Rn. 54 f. 62 Arndt, S. 112. 63 Ebd. 64 Zum Begriff siehe oben C. II. 1). 65 Arndt, S. 113. 66 EuG, Rs. T-13/99, Slg. 2002, II-3305 Rn. 153 – Pfizer Animal Health; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 191 AEUV Rn. 93 f.

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C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

nisse vorlagen.67 Durch die Erstreckung dieses Zulassungsregimes auf jedwede Zusätze mit noch nicht geklärten Auswirkungen auf den menschlichen Organismus wird offenbar allein auf das abstrakte Risiko abgestellt, das von unbekannten Stoffen, die über Lebensmittel direkt in den menschlichen Körper gelangen, ausgeht.68 Dies hat der Gerichtshof gutgeheißen.69 (3) Fazit zum Risikobegriff Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass weder auf der Ebene des nationalen Rechts noch auf der Ebene des Unionsrechts eine auf Wahrscheinlichkeitsprognosen beruhende Begriffsdifferenzierung ausreichend ist. Vielmehr muss, insbesondere bedingt durch die Herausforderungen neuer Technologien, die Ungewissheit über Ursachen und/oder Schadensausmaß Berücksichtigung finden. Eine Abgrenzung von Risiko, potenziellem Risiko und hypothetischem Risiko hat daher in erster Linie nach dem Grad an Unwissenheit über Schadenseintritt und Schadensausmaß zu erfolgen. bb) Vorsorgemaßnahme Während die Frage nach dem Vorliegen eines Vorsorgeanlasses den Tat­bestand des Vorsorgegrundsatzes betrifft, ist auf der Ebene der Rechtsfolge über die dem Anlass zur Vorsorge korrespondierende Schutzmaßnahme zu entscheiden. Liegt also ein Risiko vor, sollen – möglichst ausbalancierte – Vorsorgemaßnahmen den Eintritt eines Schadens von vornherein verhindern oder aber zumindest die Auswirkungen eindämmen. Schwierigkeiten kann die Auswahl der angemessenen Vorsorgemaßnahme in concreto bereiten. Das jeweils handelnde Organ hat zu berücksichtigen, dass im Stadium der gerade noch nicht realisierten Gefahr die Handlungsfähigkeit und die individuellen Freiheiten der von den Maßnahmen Betroffenen gewahrt bleiben müssen.70 Die Unschärfe des Vorsorgebegriffs schürt insoweit Ängste vor einer überbordenden Regulierung etwa im Bereich des Umweltrechts.71 Um jene zu verhindern, erfährt das Vorsorge­prinzip eine strenge Beschneidung durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.72 Je nach dem Ausmaß und

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EuGH, Rs. C-154/04, Slg. 2005, I-6451 Rn. 68 ff. – Alliance for Natural Health. Vgl. Arndt, S. 300 f. 69 Siehe hierzu unten F. IV. 5. a) cc). 70 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 71 Siehe vor allem die grundlegende Kritik am Vorsorge­prinzip des US-Verfassungsrechtlers Cass R. Sunstein. 72 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 19 f. (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 68

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

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der Wahrscheinlichkeit des drohenden Schadensszenarios sind abgestufte Maßnahmen im Rahmen eines sog. Risikomanagements denkbar. Ist ein Vorsorgeanlass zu bejahen, verfügt der Mitgliedstaat bzw. die Union über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der zu treffenden Schutzmaßnahme.73 Denn die Frage nach der ‚richtigen Antwort‘ ist nicht nur eine ­zutiefst politische Entscheidung. Sie wird auch von dem Grad der Risikoaversion einer Bevölkerung mitbestimmt.74 Bei der Wahl des jeweiligen Vorsorgeaktes ist die vorsorgende Institution keinesfalls auf legislatives Handeln (Gebots- und Verbotsnormen) beschränkt.75 Soweit etwa die Folgen neuer Technologien noch nicht umfassend abgeschätzt werden können, stellen etwa auch Forschungsinitiativen oder die bloße Beobachtung der weiteren Entwicklung zulässige und sinnvolle Maßnahmen dar.76 Gerade in Situationen von Ungewissheit sind die Vorsorgemaßnahmen stets daraufhin zu überprüfen, ob sie noch mit dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand in Einklang stehen.77 Eine Begrenzung dieses Ermessens erfolgt in erster Linie durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und durch das Diskriminierungsverbot.78 Inwieweit eine konkrete Vorsorgemaßnahme sich innerhalb dieses Rahmens bewegt, wird bei der Analyse der jeweiligen Maßnahme erörtert. In besonderem Maße dient das Vorsorge­prinzip also der rechtlichen Bewältigung von Ungewissheit. Denn dort, wo noch keine oder wenige empirisch validierte Erkenntnisse über bestimmte Wirkungszusammenhänge existieren, kann ein Bedürfnis nach Schutzvorkehrungen für Mensch und Natur bestehen. Gerade Nano­materialien sind durch einen hohen Grad an Ungewissheit über die Folgen für Menschen und Umwelt charakterisiert. Um die Vereinbarkeit etwaiger nanospezifischer Regulierungsakte mit dem Vorsorge­ prinzip erörtern zu können, muss zunächst die Frage nach dessen Einschlägigkeit geklärt werden. Denn soweit die Risikopotenziale von Nano­ materialien das Vorsorge­ prinzip noch nicht zu aktivieren vermögen, können risiko­bezogene nanoregulatorische Maßnahmen hiermit nicht in Einklang gebracht werden.

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Siehe etwa EuG, Rs. T-13/99, Slg. 2002, II-3305 Rn. 166 – Pfizer Animal Health. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 16 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 75 Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 41. 76 Meßerschmidt, § 3 Rn. 121. 77 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 23 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 78 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 3 f. (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 74

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C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

cc) Kosten-Nutzen-Analyse Nach der Mitteilung der Europäischen Kommission zum Vorsorge­prinzip soll dem Erlass einer Vorsorgemaßnahme eine Kosten-Nutzen-Analyse vorangehen.79 Hierbei sind die „wahrscheinlichsten positiven und negativen Folgen, die mit der in Betracht gezogenen Maßnahme oder mit einem Nichttätigwerden verbunden sind, […] gegeneinander abzuwägen“80 Der Gesetzgeber muss also auch die Belastungen prognostizieren, die mit einer Vorsorgemaßnahme verbunden sind. Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine gesetzliche Regelung ist die Durch­ führung einer Kosten-Nutzen-Analyse aber nicht.81 Insbesondere vermag die interinstitutionelle Vereinbarung zwischen, Rat, Kommission und Parlament über die „bessere Rechtssetzung“82, die ebenfalls eine Kosten-Nutzen-Analyse vorsieht83, keine rechtliche Verpflichtung zur Durchführung zu begründen.84 Eine umfassende Abschätzung der ökonomischen und ggf. auch sozioökonomischen Folgen85 der Regulierung von Nano­materialien kann diese Arbeit nicht leisten.86 Allgemeine Erwägungen zu Kosten und Nutzen finden sich jedoch in den Betrachtungen zur Verhältnismäßigkeit, auf die an dieser Stelle verwiesen werden soll. Detaillierte Kosten-Nutzen-Analysen sind aktuell ohnehin noch nicht verfügbar.87 4. Die Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips auf Nano­materialien Wie die vorangehenden Erläuterungen gezeigt haben, stellt das Vorsorge­prinzip eine der zentralen Säulen und Legitimationsfiguren im Bereich der Regulierung noch ungewisser Technologiefolgen dar. Auch Maßnahmen zur Vorsorge vor potenziellen Risiken von Nano­materialien, deren rechtliche Realisierbarkeit und Ausgestaltung die Arbeit in den folgenden Abschnitten analysieren will, haben sich an diesem Maßstab zu messen. Vor dem Hintergrund der unklaren Auswir-

79 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S.  21 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). Zu den Schwierigkeiten im Einzelnen Sunstein, S. 194 ff. 80 Europäische Kommission, ebd. 81 Arndt, S. 278 ff., 285. 82 ABl. 2003 C 321, S. 1 ff. 83 Siehe die Rn. 27–30. 84 Arndt, S. 279 f. 85 Für die Einbeziehung auch sozioökonomischer Gesichtspunkte Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 21 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 86 Allgemeine Erwägungen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis verschiedener Nano-Regulierungsmechanismen finden sich bei Stokes, Legal Studies (29) 2009, S. 281 (289 ff.). 87 Sintes/Blázquez/Moya/Vázquez, S. 8: „In addition comprehensive costs-benefits ­analyses are not really available“.

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

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kungen nanoskaliger Stoffe auf Mensch und Umwelt stellt sich die Frage, ob das Vorsorge­prinzip auch in dieser Situation sehr weitreichender Ungewissheit Anwendung finden kann. Dies gilt es nun zu erörtern. a) Vorsorgeanlass (Tatbestand) aa) Vorliegen eines Risikos Auf tatbestandlicher Ebene setzt das Vorsorge­prinzip nach unionsrechtlichem Verständnis wie gesehen ein „potenzielles Risiko“ voraus. Erst mit dem Überschreiten dieser Schwelle dient der Grundsatz der Vorsorge als Basis für entsprechende staatliche Maßnahmen. Im Folgenden will sich die Arbeit mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit mit Blick auf die möglicherweise von Nano­ materialien ausgehenden Schadenspotenziale bereits von einem solchen Risiko im Rechtssinne gesprochen werden kann. Eine Hauptschwierigkeit bei der Beurteilung der Auswirkungen von Nano­ materialien etwa auf menschlichen oder den tierischen Organismus liegt in der Anzahl der hierfür maßgeblichen Faktoren. Diese sind u. a. die Oberfläche, Größe und Art der jeweiligen Substanz. Somit weichen die Eigenschaften nanoskaliger Partikel nicht nur von denen anderer Nanopartikel im Regelfall erheblich ab. Vielmehr unterscheiden sie sich auch von den bekannten Eigenschaften ihrer makroskaligen Stoffgeschwister. Bestimmte synthetische Nano­materialien sind in der Diskussion um mögliche negative Auswirkungen in den Mittelpunkt gerückt worden. Kennzeichnend für viele dieser Stoffe ist bereits die Verwendung in Produkten, die zum Teil  eine große Nähe zum Endverbraucher aufweisen und von verschiedenen Institutionen als prioritär in der umfassenden Risikoanalyse qualifiziert werden.88 So schenkt die aktuelle Risikoforschung insbesondere nanoskaligen Edelmetallen wie Gold und Silber und Metall(di)oxiden von Eisen, Zink, Aluminium und Titan besondere Aufmerksamkeit. Im Zentrum des wissenschaftlichen Diskurses stehen darüber hinaus nanoskalige Faserstrukturen, hier vor allem die sog. Kohlenstoff­ nanoröhrchen (carbon nanotubes). Viele dieser Stoffe sind in wissenschaftlichen Studien bereits näher beleuchtet worden. Hierdurch zeichnen sich bei einzelnen Nano­materialien bereits erste belastbare Anhaltspunkte für Schadenspotenziale ab. Aus diesem Grunde erscheint es auf den ersten Blick denkbar, Vorsorgemaßnahmen allein stoffabhängig zu gestatten, also nur auf solche Materialien zu beziehen, bei denen sich aus den bisherigen Studien eine schärfere Risikokontur ergibt. 88 Siehe etwa die Liste der prioritären Stoffe nach Einschätzung der OECD, List of Manufactured Nano­materials, ENV/JM/MONO(2010)46, S. 13 oder die vom Sachverständigenrat für Umweltfragen erörterten Substanzen, Sondergutachten, S. 141 ff.

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C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

(1) Unterschiedliche Literaturauffassungen (a) Größenbezogener Ansatz Die Beantwortung der Frage nach dem richtigen Anknüpfungspunkt fällt in der Literatur bislang unterschiedlich aus. Einige Autoren sehen die allgemein von der Nanoskaligkeit einer Substanz ausgehenden Unwägbarkeiten als bereits soweit verdichtet an, dass von einem direkten Vorsorgeanlass gesprochen werden könne.89 Nach dieser Auffassung wird das Vorsorge­prinzip bereits durch den nanometrischen Abmessungsbereich eines Stoffpartikels ausgelöst. Der von der Europäischen Kommission 2009 entworfene Verhaltenskodex für eine verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanotechnologien konstatiert: „Given the deficit of knowledge of the environmental and health impacts of nano-objects, Member States should apply the precautionary principle in order to protect not only researchers, who will be the first to be in contact with nano-objects, but also professionals, consumers, citizens and the environment in the course of N&N research activities“.90

Diese Formulierung kann dahingehend verstanden werden, dass die Kommission zunächst auf tatbestandlicher Ebene des Vorsorge­prinzips allgemein von einem Vorsorgeanlass ausgeht. (b) Stoffbezogener Ansatz Andere Stimmen stehen einer direkten und nicht nach dem jeweiligen Nano­ material differenzierenden Anwendung des Vorsorgegrundsatzes kritisch gegenüber.91 Sie lehnen eine Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips allein der Nanoskaligkeit wegen ab und verweisen darauf, dass ein nanometrischer Größenbereich kein eigenes Gefährdungsmerkmal darstelle.

89 Decker, in: Scherzberg/Wendorff, S. 113 (129); Raupach, S. 410 f.; nicht eindeutig insoweit die Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 16 („Die Anwendung des Vor­ sorge­prinzips im Kontext der Regulierung von Nano­materialien ist notwendig und dadurch gerechtfertigt, dass es wissenschaftlich begründete Hinweise gibt (Besorgnisanlass), dass Mensch und Umwelt durch die Verwendung von Nano­materialien geschädigt werden könnten“) und Meyer, StoffR 2010, S. 1 (13 f.). 90 Nr. 4.2 der Empfehlung der Europäischen Kommission für einen Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien, K (2008) 424 endg., ABl. 2008 L 116, S. 46 ff. 91 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Anmerkungen, S. 5; Bundesministerium für Bildung und Forschung, Aktionsplan, S. 29: „Ein potenzielles Risiko muss also von Fall zu Fall betrachtet und im Ergebnis durch Langzeituntersuchungen abgesichert werden.“

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

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(c) Konstruktion einer „Gefährlichkeitsvermutung“ Innerhalb des stoffbezogenen Ansatzes wird auf der Basis eines Vorschlags von Calliess92 eine „Gefährlichkeitsvermutung“ als Instrument zur Begründung eines Vorsorgeanlasses für einzelne Nano­materialien und damit als Tür zu möglichen Vorsorgeakten diskutiert.93 Hiernach beinhalte das Vorsorge­prinzip einen Mechanismus zur grundsätzlichen Umkehr der Beweislast in Situationen der Ungewissheit. Dies ergebe sich neben den grundrechtlichen Schutzpflichten auch aus dem umweltrechtlichen Verursacherprinzip, denn es sei schließlich der Hersteller bzw. Nutzer der Technologie, in dessen Sphäre die Ungewissheit über die konkreten Auswirkungen falle.94 So soll ein Vorsorgeanlass dann vermutet werden, wenn erste Anhaltspunkte für ein Risikopotenzial eines Nano­materials bestehen, diese wissenschaftlich aber noch nicht abgesichert sind, also durch ähnliche Untersuchungen angezweifelt werden.95 Insbesondere, wenn verschiedene wissenschaftliche Studien zu gegensätzlichen Einschätzungen gelangen, also in „Patt“-Situationen (beweismethodisches non liquet)96, führe die o. g. Konstruktion zu einer Vermutung eines Risikos, die nur durch neue Erkenntnisse entkräftet werden kann.97 Deute sich ein Schadenspotenzial demnach an, so obliege es dem „Verursacher“, die Vermutung einer Gefahr durch entsprechende Untersuchungen zu entkräften. Die Last der Risikobewertung geht somit auf den Einzelnen über. Die insoweit beim Staat bzw. der Union verbleibende Darlegungslast98 beschränke sich daher auf das Vorliegen eines ersten, aber noch abgesicherten Hinweises auf negative Schadenspotenziale.99 Was die Widerlegbarkeit der „Gefährlichkeits­vermutung“ anginge, könne freilich nicht auf einen Beweis der Unschädlichkeit abgestellt werden. Ein solches sei schon angesichts der Relativität des Wissens gar nicht möglich.100 Nach dem Konzept der vermuteten Gefährlichkeit ist der Risikoverursacher daher nur „gehalten, Tatsachen darzulegen, die diese Vermutung erschüttern“.101 92 Grundlegend Calliess, Umweltstaat, S.  609 f.; Calliess, in: Hendler/Reiff/Marburger/ Schröder, S. 21 (40). 93 Siehe bspw. Hermann/Möller, S.  49; Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 14 f.; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 56 ff.; zustimmend Rucireto, S. 85 f. 94 Calliess, in: Hendler/Reiff/Marburger, S. 21 (44 f.). 95 Calliess/Stockhaus, DVBl. 2011, S. 921 (923); Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 56. 96 Sachverständigenrat für Umweltfragen, ebd. 97 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 56 ff., 485. Für eine „Beweislastumkehr“ auch Dederer, in: Spranger, S. 71 (90). Gegen eine Beweislastumkehr aus dem Vorsorge­prinzip Arndt, S. 290 m. w. N.; kritisch auch Prügel, S. 200 f. und ­Meßerschmidt, § 3 Rn. 102. 98 Vgl. Arndt, S. 310. 99 So auch Rucireto, S. 109. 100 Vgl. hierzu Schneider, Karsten, in: Scharrer u. a., S. 177 (191). 101 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 59. Ähnlich auch Calliess, in: Hendler/Reiff/Marburger/Schröder, S. 21 (44). Kritisch zur vorschnellen Annahme einer solchen Widerlegung Roller, S. 340 f.

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C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

(2) Bewertung Mit Blick auf obige Ausführungen stellt die Situation sich so dar, dass die Schadenspotenziale von Nano­materialien zwar in verschiedenen Studien angedeutet werden können, jedoch die breiteren Erkenntnisse über einzelne Nano­materialien auf ‚dünnem Eis‘ gründen. Ursache hierfür sind u. a. die bereits aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Durchführung und Bewertung labortechnischer Untersuchungen mit nanopartikulären Stoffen. Die aktuelle Untersuchung einzelner Stoffe vermag daher zwar den Wissensbestand über diese Substanzen zu vergrößern. Gleichwohl hat sich dieser bislang noch nicht in dem Maße konkretisiert, als dass bereits von abgesicherten bzw. anerkannten Erkenntnissen über Risiken gesprochen werden könnte. Als Beispiel für die aus diesen Unklarheiten resultierenden Schwierigkeiten kann etwa die Beurteilung von Nanosilber dienen. So empfahl das Bundesinstitut für Risikobewertung Ende 2009 unter Verweis auf die unsicheren Auswirkungen auf Körperzellen den vorläufigen Verzicht auf die Verwendung nanopartikulären Silbers vor allem in Lebensmitteln und Verbraucherprodukten.102 Die Europäische Kommission hingegen geht nach dem aktuellen Wissensstand eher davon aus „that nanosilver may not be hazardous to humans and may result in low internal exposure“.103 Auch wenn die zugrunde liegenden Studien umstritten sind, deuten sich bei den Stoffen, die bereits Gegenstand näherer Untersuchung waren, teilweise erhebliche Schadenspotenziale an, die insoweit auch schon einen Vorsorgeanlass zu begründen vermögen. Darüber hinaus und mit Blick auf die dargestellten Literatur­ auffassungen stellt sich die Frage, ob dieser auch allgemein für Materialien im Nanoformat angenommen werden kann. Wie gesehen weisen Nanopartikel bestimmte spezifische Eigenschaften auf (Stichworte Transportprinzip, Oberflächenprinzip104), die möglicherweise in einem Zusammenhang mit etwaigen Risiken stehen. Zwar zeichnet sich inzwischen ab, dass nicht alle Nano­materialien per se mit Risiken behaftet sind und die pauschale Annahme einer Gefährlichkeit nicht angezeigt ist. Insoweit ist zutreffend, dass es sich bei der Nanoskaligkeit eines Materials gerade nicht um ein „intrinsisches Gefährlichkeitsmerkmal“105 handelt. Gleichwohl scheint in vielen Fällen, in denen sich negative Eigenschaften eines Nano­materials andeuten, die Größe des Materials eine erhebliche Rolle zu spielen. Hier scheint ein möglicher Nexus von Nanoskaligkeit und Risiko auf, der näherer Erforschung bedarf und eine Erstreckung des Vorsorge­prinzips auf Nano­ 102 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Stellungnahmen 8/2012 vom 27.02.2012 und 24/2010 vom 28.12.2009 (abrufbar unter www.bfr.bund.de). Siehe auch Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen u. a., Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten zum Schutz von Mensch und Umwelt stoppen vom 10.11.2011, BT-Ds. 17/3689. 103 Anfrage an den Wissenschaftlichen Ausschuss SCENHIR Dezember 2011, Request for a scientific opinion on nanosilver (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 104 Hierzu oben B. III. 105 Vgl. DECHEMA/VCI, S. 3.

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

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materialien unabhängig von der zugrunde liegenden Substanz rechtfertigt. Dies gilt in besonderem Maße für synthetische Nano­materialien. Hierfür sprechen auch Prakti­kabilitätsgründe. Eine Aussage über die „Gefährlichkeit“ wird damit aber noch nicht getroffen. Vielmehr dient die Nanogröße eines Materials nur als normativer Anknüpfungspunkt. Insofern bedarf es auch nicht des Umweges einer „Gefährlichkeitsvermutung“ zur Aktivierung des Vorsorge­prinzips. Denn die Nanoskaligkeit eines Stoffes und die Ungewissheit über die stofflichen Charakteristika im Einzelnen begründen plausible Anhaltspunkte für einen Anlass zur Vorsorge, ohne dabei, dies bleibt zu betonen, eine abschließende Aussage über die tatsächlichen Gefahren zu treffen. Im Übrigen dürfte die Bestimmung der Situation eines non liquet, dem insoweit konstitutive Wirkung für die Annahme eines Vorsorgeanlasses zukommen soll106, im Einzelfall sehr schwierig sein. Zwar mögen die von verschiedenen Organisationen veröffentlichten Leitfäden und Empfehlungen für eine vorläufige Risikoabschätzung von Nano­materialien einen Orientierungspunkt bieten.107 Offen bleibt aber trotzdem die Frage, wann „widersprüchliche Ergebnisse“ im Sinne eines non liquet vorliegen sollen. Reichen hierzu eine risikopositive und eine no effectStudie aus? Oder bedarf es doch weitergehender Diskussionen? Neben diesen Abgrenzungsschwierigkeiten stellt sich zudem das Problem, dass die schiere Menge der zu untersuchenden Stoffe bei – zudem offenbar mit der Partikelgröße korrespondierenden Eigenschaften einer Substanz – für die meisten Nanostoffe die Annahme eines non liquet mittelfristig verbietet. Zuletzt sei daran erinnert, dass zwischen Vorsorgeanlass und Vorsorgemaßnahme zu differenzieren ist. Über die Rechtsfolge wird durch Annahme eines Vorsorgeanlasses noch keinerlei Aussage getroffen. Die konkrete Ausgestaltung der zu treffenden Vorsorgemaßnahme unterliegt insoweit bei allem institutionellen Ermessensspielraum einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.108 Aus diesem Grunde ist dem größenbezogenen Ansatz zu folgen. bb) Ergebnis Nach alledem kann ein Vorsorgeanlass für Nano­materialien allgemein bejaht werden.

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So Sachverständigenrat für Umweltfragen, Anmerkungen, S. 4. So Sachverständigenrat für Umweltfragen, Anmerkungen, S. 5. 108 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 19 f. (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 107

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C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

b) Product approach oder process approach? Ebenfalls mit der Frage der normativen Anknüpfung, allerdings in einem späteren Stadium der risikoregulatorischen Entscheidungsfindung, ist die Frage nach dem product approach oder process approach verbunden. Betrifft der Aspekt des Vorsorgeanlasses noch das „ob“ institutionellen Einschreitens, bezieht sich die Wahl des jeweiligen „approaches“ auf die Rechtsfolgenebene. Denn zu diesem Zeitpunkt hat die Risikobewertung ergeben, dass das Bedürfnis nach einem regulatorischen Tätigwerden besteht. Vor allem im Kontext der Regulierung der Gentechnologie stellte sich die Frage nach der normativen Anknüpfung an die Technologie selbst (process approach) oder das jeweilige Produkt, in dem gentechnisch veränderte Organismen eingesetzt werden (product approach).109 Im Falle der Gentechnologie hat das Unionsrecht dabei den zuerst genannten Lösungsweg gewählt und regulatorisch an das Verfahren angeknüpft.110 So ist gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG das Freisetzen gentechnisch veränderter Organismen (GVO) einem Zulassungsverfahren unterworfen. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie sieht ein Zulassungsregime für das Inverkehrbringen von Produkten vor, die GVO sind oder enthalten. Ist der Gesetzgeber der Auffassung, dass ein Nano­material, eine bestimmte Kate­gorie eines solchen oder  – rein hypothetisch  – alle Nano­materialien einer bestimmten regulatorischen Maßnahme unterworfen werden soll(en), so kann er einen process approach wählen und etwa an eine Art „Freisetzung“ ähnlich Art. 5 der Gentechnik-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG oder das Inverkehrbringen anknüpfen. Ein solch weitgehender Ansatz dürfte dem aktuellen Wissensstand und der Vielgestaltigkeit der nanospezifischen Effekte aber nicht gerecht werden. Aus diesem Grunde sollte eine Regulierung in concreto auch verwendungsbezogen ausgestaltet werden.111 Ein allein an die Nanoskaligkeit eines Materials anknüpfender „process approach“ auf Rechtsfolgenebene erscheint daher zu undifferenziert.112 c) Das vorsorgespezifische Schutzniveau in der Union Die Vorsorge vor bestimmten negativen Folgen impliziert die Bestimmung desjenigen Schutzniveaus, welches eine Gesellschaft oder Bevölkerung zu erreichen beabsichtigt. Dies gilt auch für den Schutz vor möglichen Risiken, die von Nano­ materialien ausgehen könnten. 109

Herdegen, in: Bermann/Herdegen/Lindseth, S. 301 (304 f.). Kritisch zu diesem Ansatz bei der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG Herdegen/­ Dederer, in: dies., Kommentierung der Richtlinie 2001/18/EG Rn. 68 f. 111 Siehe ausführlich unten bei F. IV. 4) a). 112 Mit Blick auf eine Kennzeichnung offen gelassen: Naidu, S. 298. 110

II. Die Bewältigung von Ungewissheit

75

Über den Grad des in der Union geltenden Schutzniveaus geben die Art. 114 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 11, Art. 168 Abs. 1, Art. 169 Abs. 1 und Art. 191 Abs. 2 AEUV Aufschluss, die allesamt die Gewährleistung eines „hohen“ Schutzniveaus in verschiedenen Politikbereichen als Ziel definieren. Nach Art. 114 Abs. 3 Satz 1 AEUV, der die Rechtsangleichung im Binnenmarkt betrifft, hat die Kommission, die Vorschläge für Vorschriften zur Rechtsvereinheitlichung gemäß Abs. 1 macht, von einem „hohen Schutzniveau“ in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz auszugehen. Auch die Art. 168 Abs. 1 und 169 Abs. 1 AEUV betonen das Ziel des „hohen Schutzniveaus“, hier in den Bereichen der Gesundheits113- und der Verbraucherschutzpolitik114. Art. 191 Abs. 2 AEUV, der umweltpolitische Ziele und Maßnahmen konkretisiert, stellt auf ein hohes Schutzniveau im Rahmen der Umweltpolitik insgesamt ab.115 Die genannten Vorschriften bezwecken damit ein Schutzniveau, das sich jedenfalls oberhalb des „unionalen Durchschnitts“ befindet116; im Übrigen bleibt der Begriff des hohen Schutzniveaus etwas unklar.117 Diese Zielvorgaben haben in verschiedenen sekundärrechtlichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden.118 Insgesamt kommt den Unionsorganen bei der Bestimmung des Schutzniveaus als politisch geprägter Entscheidung ein erheblicher Ermessensspielraum zu.119 Vor diesem Hintergrund ist die Union einem hohen Schutz auch im Falle der Nanotechnologien verpflichtet. Dies findet seinen Ausdruck etwa in Art.  16 Abs.  1 der Kosmetik-Verordnung, der betont, dass „für jedes kosmetische Mittel, das Nano­materialien enthält, […] ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt werden“ muss. Auch in den Erwägungsgründen der neuen Biozid-Verordnung wird die Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus mit Blick auf die wissenschaftliche Unklarheit über die Sicherheit von Nano­materialien hervorgehoben.120

113 Vgl. hierzu auch Art. 35 Satz 2 GrCh, nach dem die Union ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherstellt. 114 Vgl. hierzu auch Art.  38 GrCh: „Die Politik der Union stellt ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.“ 115 Vgl. hierzu auch Art. 37 GrCh, der die Einbeziehung eines hohen Umweltschutzniveaus in die Politik der Union fordert. 116 Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 35 m. w. N.; ähnlich Meßerschmidt, § 3 Rn. 61. 117 Vgl. Meßerschmidt, § 3 Rn. 61 ff. 118 Siehe etwa Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1272/2008, ABl. 2008, L 353, S. 1 ff.; Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009, ABl. 2009, L 309, S. 1 ff., Art. 1 Abs. 1 der REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, ABl. 2007 L 136, S. 6 ff.; Art. 1 VO (EG) Nr. 1223/2009, ABl. 2009 L 342, S. 59 ff. 119 Herrnfeld, in: Schwarze, Art. 114 AEUV Rn. 51 m. w. N. 120 VO (EU) Nr. 528/2012, ABl. 2012 L 176, S. 1 ff., Erwägungsgrund Nr. 66.

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C. Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips

III. Fazit zu Teil C. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass eine Bewältigung der nanospezifischen Ungewissheit mit dem Vorsorge­prinzip möglich ist. So ist ein Vorsorgeanlass und damit der Tatbestand des Vorsorge­prinzips mit Blick auf die Nanotechnologien, also den gezielten Einsatz von Nano­materialien, erfüllt. Damit kann der Vorsorgegrundsatz für Maßnahmen der Risikovorsorge insoweit eine Legitimationsgrundlage bilden. Es bleibt zu betonen, dass über die Qualität der jeweiligen Vorsorgemaßnahmen damit noch keine Aussage getroffen wird.

D. Pflicht des EU-Gesetzgebers zur Nanoregulierung? Im vorangegangenen Abschnitt wurde zunächst die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips konstatiert. Damit wurde maßgeblich auf das „Dürfen“ der Union zum Erlass von nanospezifischen Vorsorgemaßnahmen abgestellt, denn dem Vorsorge­prinzip kommt in erster Linie eine Ermächtigungsfunktion zu.1 Eng verbunden mit potenziellen Risiken neuer Technologien ist seither jedoch auch die Frage, inwieweit der Staat bzw. die Union Schutzmaßnahmen zu ergreifen verpflichtet ist, also das „Müssen“. Der folgende Teil setzt sich daher mit der Frage nach der positiven Verpflichtung der Union zum Erlass von Schutz­maßnahmen auseinander.

I. Schutzpflichten aus den Unionsgrundrechten 1. Normative Vorgaben der Unionsgrundrechte und die Bedeutung der EMRK Der Grundrechtsschutz innerhalb der Union wird maßgeblich durch die Euro­ päische Grundrechtecharta und den Menschenrechtskatalog der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)2 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des EGMR bestimmt (vgl. Art.  6 Abs.  3 EUV). Ursprünglich leitete der Europäische Gerichtshof die Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze aus den nationalen Verfassungen her. Diese wurden später in die Europäische Grundrechtecharta übernommen.3 Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat nunmehr auch die Grundrechtecharta verbindliche Wirkung für die Europäische Union erlangt: Sie ist den Verträgen rechtlich gleichrangig (siehe Art.  6 Abs.  1 EUV). Damit haben aber die richterrechtlich begründeten Grundrechte in Form von allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Wesentlichen keine eigenständige Bedeutung mehr.4 Dies gilt freilich nicht für die hierzu bislang vom EuGH ergangene Rechtsprechung, die auch weiterhin zur Auslegung und Anwendung der Grundrechte heranzuziehen ist. Bis zum vorgesehenen Beitritt der Union zur EMRK entfaltet deren Menschenrechtskatalog Wirkung über Art. 6 Abs. 3 EUV5 als Rechts 1

Arndt, S. 153 ff. BGBl. II 2010, S. 1198 ff. 3 Pache/Rösch, EuZW 2008, S. 519 (520). 4 Frenz, S. 12 Rn. 27. 5 Vertrag über die Europäische Union, ABl. 2007 C 306, S. 1 ff. 2

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D. Pflicht des EU-Gesetzgebers zur Nanoregulierung? 

erkenntnisquelle6. Nach dem Beitritt gelten dessen Gewährleistungen dann für die Unionsorgane unmittelbar. 2. Die Schutzpflichtdimension der Unionsgrundrechte a) Allgemeine Schutzpflichtdogmatik Nach der klassischen Schutzpflichtdogmatik kann der Staat verpflichtet werden, den Einzelnen vor dem grundrechtsverletzenden Verhalten Privater zu schützen. In jüngerer Zeit hat sich auch auf der Ebene des Unionsrechts die Ansicht durchgesetzt, dass die Unionsgrundrechte nicht nur dem Individuum zur Abwehr unionaler Eingriffe dienen, sondern auch die Union zum Schutz vor Eingriffen von privater Seite verpflichten können.7 Die Herleitung dieser zweiten Komponente ist dabei – ebenso wie in der deutschen Schutzpflichtendogmatik8 – umstritten. Überwiegend wird auf den „objektiv-rechtlichen Gehalt“ der Grundrechte rekurriert9, teilweise aber auch auf die abwehrrechtliche Dimension der Unionsgrundrechte verwiesen.10 Sowohl EuGH als auch EGMR scheinen inzwischen zu einer positiven Schutzfunktion zu tendieren.11. Voraussetzung für eine Schutzpflicht ist zunächst eine bereits realisierte oder zumindest drohende Beeinträchtigung des jeweiligen Konventionsrechts.12 In Fällen einer Schutzpflicht-Konstellation geht die Beeinträchtigung dabei von einem Privaten aus.13 Die Schutzpflicht wird verletzt, soweit die Mitgliedstaaten als Adressaten der Pflicht zum Schutz nicht oder nicht genügend nachgekommen sind. Insofern bietet sich hier – analog zum deutschen Recht14 – ein zweistufiger Prüfungsaufbau an, der zwischen Begründung und Umfang auf der einen und der Erfüllung der Schutzpflicht (also der Frage nach einem Schutzpflichtverstoß) auf der anderen Seite differenziert.15

6

Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 6 f. Frenz, S. 108 ff. Rn. 360 ff. m. w. N. 8 Siehe statt vieler Stern, Einleitung, in: Stern/Becker, S. 23 ff. m. w. N. 9 Frenz, S. 108 Rn. 360 m. w. N., der selbst jedoch für eine Herleitung aus dem subjektivrechtlichen Charakter der Grundrechte plädiert (Rn. 363); Jaeckel, Schutzpflichten, S. 131 ff.; Blau, ZEuS 2005, S. 397 (410 f.). 10 Szczekalla, S. 896 f.; Winkler, S. 215 ff. 11 Zur Schutzpflichtdogmatik nach der EMRK ausführlich Grabenwater, § 19 Rn. 5 ff.; zur Rechtsprechung des EuGH Suerbaum, EuR 2003, S. 390 (397, 414). 12 Szczekalla, S. 898 f. 13 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 140. 14 Siehe Epping/Lenz/Leydecker, Kap. 3 Rn. 143. 15 A. A. Szczekalla, S. 898 f., der für einen abwehrrechtsorientierten, dreistufigen Aufbau plädiert. 7

I. Schutzpflichten aus den Unionsgrundrechten

79

Da die Unionsgrundrechte eine maßgebliche Prägung durch die EMRK erfahren haben16, spielt für die Schutzpflichtdogmatik die Rechtsprechung des EGMR eine entscheidende Rolle. Denn nach der „Transferklausel“17 des Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh haben deren Gewährleistungen „die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der … [EMRK] verliehen wird“. Dies führt dazu, dass „soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, diese die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird.“18 Demnach kann auch die Schutzpflicht-Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte auf die Europäische Grundrechtecharta übertragen werden.19 In der Vergangenheit hat der EGMR mehrfach die Schutzpflichtdimension verschiedener Konventionsrechte, vor allem von Art. 2, 3 und 8 EMRK betont (zur Rechtsprechung im Einzelnen siehe sogleich), wobei die Urteilsbegründungen das dogmatische Fundament für diese Herleitung offen lassen. Die in der Rechtsprechung des Menschenrechtsgerichtshofs besonderes relevanten Art.  2, 3 und 8 EMRK finden in der Grundrechtecharta in den Art. 2, 4 und 7 in „Bedeutung und Tragweite“ ihre normativen Gegenüber.20 Im Sinne von Art. 52 Abs. 3 GRCh kann somit (jedenfalls) auf diese Normen die Auslegung und Anwendung der EMRK übertragen werden.21 Somit erfährt die Schutzpflichtdogmatik im Rahmen der Grundrechtecharta eine maßgebliche Ausprägung durch die der EMRK. Die Rechtsprechung des EuGH hat bislang vor allem die Herleitung von Schutzpflichten aus den Grundfreiheiten zum Gegenstand gehabt.22 Insgesamt hat sich der Gerichtshof der EU bis jetzt mit der Entwicklung einer grundrechtlichen Schutzpflichtdogmatik zurückgehalten. b) Pflicht zur Regulierung von Nano­materialien? Nano­materialien werden auf dem freien Markt angeboten und in zahlreichen, auch verbrauchernahen, Produkten genutzt. Mögliche Risiken haben insofern keinen staatlichen, sondern einen privaten Ursprung, weshalb sich die Frage nach staatlichen Schutzpflichten zugunsten des Einzelnen stellt, die sich etwa auf den Gesundheits-, Umwelt- oder Verbraucherschutz beziehen könnten.

16

Herdegen, Europarecht, § 8 Rn. 24. Zum Begriff Borowsky, in: Meyer, Jürgen, Art. 52 Rn. 30. 18 EuGH, Rs. C-92, 93/09, Rn. 51 = EuZW 2010, S. 939 ff. mit Anm. Guckelberger. 19 Ladenburger, in: Tettinger/Stern, Art. 51 Rn. 18. 20 Borowsky, in: Meyer, Jürgen, Art. 52 Rn. 32. 21 Borowsky, in: Meyer, Jürgen, Art. 51 Rn. 31. 22 EuGH, Rs. C-265/95, Slg. 1997, I-6959 Rn. 32 ff. – Kommission ./. Frankreich; EuGH, Rs. C-112/00, Slg. 2003, I-5659 Rn. 57 ff. – Schmidberger. Zur Rechtsprechung des EuGH zu den Schutzpflichten Suerbaum, EuR 2003, S. 390 (393 ff.). 17

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D. Pflicht des EU-Gesetzgebers zur Nanoregulierung? 

aa) Tatbestandliche Voraussetzungen der Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 1 GrCh (1) Schutz der Gesundheit Nach Art. 3 Abs. 1 GrCh hat jeder Mensch das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Damit sind Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit im physiologischen als auch im psychologisch-seelischen Sinne umfasst.23 Die Vorschrift schützt somit zunächst als Abwehrrecht vor allen erdenklichen staatlichen Eingriffen in Körper und Geist, soweit diese keine bloßen „Geringfügigkeiten“ darstellen.24 Für die Auslegung des Art. 3 GrCh sind nach Art. 52 Abs. 3 GrCh auch die Vorschriften der EMRK von Bedeutung. So bestimmt Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EMRK, dass „das Recht jedes Menschen auf Leben … gesetzlich geschützt“ wird. Hiernach besitzt der Einzelne zunächst ein Abwehrrecht gegenüber staatlichen Tötungsakten.25 Ebenso wie Art. 3 GrCh will Art. 2 Abs. 1 EMRK auch die physische Integrität schützen.26 Dies gilt etwa für drohende Verletzungen z. B. durch gravierende negative Umwelteinflüsse.27 Eine recht weitgehende Gewährleistung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit sieht der Gerichtshof im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Art. 8 EMRK verortet28, der insofern den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GrCh mit bestimmt.29 Damit bietet das Recht auf Privat- und Familienleben auch einen Schutz vor Umweltbeeinträchtigungen, soweit diese die körperliche Unversehrtheit verletzen.30 In diesem Rahmen hat der EGMR in der Vergangenheit mehrfach die Schutzpflichtdimension des Art.  8 EMRK unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Unversehrtheit betont. Die Vorschrift verpflichte den Staat zu „vernünftigen und angemessenen Maßnahmen“ zum Schutz der in der Vorschrift garantierten Rechte.31 Wie der EGMR in der Sache Tatar ./. Rumänien betonte, verpflichtet Art.  8 EMRK den Mitgliedstaat 23

Borowski, in Meyer, Jürgen, Art. 3 GrCh Rn. 36. Ebd. 25 Allerdings lässt die EMRK anders als die Grundrechtecharta die Todesstrafe als Ausnahme ausdrücklich zu (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK). 26 Meyer-Ladewig, Art. 2 Rn. 4 f.; Schorkopf, in: Ehlers, § 15 Rn. 22. 27 Zu Entscheidungen des EGMR zur Strahlungsbelastung nach Atomtests des Vereinigten Königreichs Meyer-Ladewig, NVwZ 2007, S. 25 (28). 28 Uerpmann-Wittzack, in: Ehlers, § 3 Rn. 3; Meyer-Ladewig, NVwZ 2007, S. 25 (26); ders. Art. 8 Rn. 12. 29 Borowski, in: Meyer, Jürgen, Art. 3 GrCh Rn. 34. 30 Siehe zu einer Beeinträchtigung durch Fluglärm: EGMR, Urteil v. 08.07.2003, Beschwerdenr. 36022/97 = NVwZ 2004, S. 1465 ff.– Hatton u. a./Vereinigtes Königreich; Beeinträchtigung durch Musik einer Diskothek: EGMR, Urteil v. 16.11.2004, Beschwerdenr.  4143/02, Nr. 61 = NJW 2005, S. 3767 ff. – Gómez/Spanien. 31 EGMR, Entscheidung v. 12.05.2009, Beschwerdenr.  18215/06 = NVwZ 2011, S.  93 ff. (94) – Greenpeace/Deutschland; EGMR, Urteil v. 16.11.2004, Beschwerdenr. 4143/02, Nr. 55 = NJW 2005, S. 3767 ff. – Gómez/Spanien. 24

I. Schutzpflichten aus den Unionsgrundrechten

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(auch) zu vorsorgenden Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Emissionen wie etwa Lärm, toxischen Stoffen oder Strahlung.32 Dies gilt jedoch immer nur, soweit das Privat- und Familienleben durch eine Verletzung der physischen Integrität berührt ist. Ein Grundrecht auf eine saubere Umwelt oder auf den Schutz oder Erhalt der Natur ergibt sich aus Art. 8 EMRK nicht.33 Vor diesem Hintergrund bleibt festzuhalten, dass die Gewährleistung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit in Art. 3 Abs. 1 GrCh auch eine positive Schutzverpflichtung enthält. Damit besteht zunächst grundsätzlich auch eine abstrakte Verpflichtung zum Schutz des Einzelnen vor potenziellen Gesundheitsschäden durch Nano­materialien. Fraglich ist, welches Risikomaß die grundrechtliche Schutzpflicht auf tatbestandlicher Ebene überhaupt auszulösen vermag. So stellt sich in concreto die Frage, ob die von einzelnen Nano­materialien möglicherweise ausgehenden Risikopotenziale schon eine Schutzpflicht auf tatbestandlicher Ebene begründen können. Mit Blick auf das deutsche Verfassungsrecht kann die Neigung konstatiert werden, die Über- bzw. Unterschreitung einer solchen Intensitätsschwelle am Produkt aus Schadenseintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß festzumachen.34 Im Gegensatz zum deutschen Verfassungsrecht hat die Schutzpflichtdogmatik auf europarechtlicher Ebene noch nicht ein solches Maß an Konturenschärfe gewonnen. Der EGMR stellt im Kontext von Schutzpflichterwägungen in einer Reihe von Entscheidungen zumeist auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ab.35 Der EuGH hat sich zu diesen Fragen noch nicht näher geäußert.36 Inwieweit die Gerichte eine Intensitätsschwelle zugrunde legen, ist ebenfalls ungeklärt.37 Die Ausführungen zum Risikobegriff38 haben jedoch ohnehin offenbart, 32

Hier ging es um die Freisetzung von Natriumzyanid bei der Goldgewinnung, siehe EGMR, Urteil v. 27.01.2009, Beschwerdenr. 67021/01 – Tatar/Rumänien (abrufbar unter hudoc.echr.coe.int). 33 EGMR, Entscheidung v. 12.05.2009, Beschwerdenr.  18215/06 = NVwZ 2011, S.  93 ff. (93 f.)  – Greenpeace/Deutschland.; EGMR, Urteil v. 09.07.2005, Beschwerdenr.  55723/00, Nr. 68 – Fadeyeva/Russland (abrufbar unter hudoc.echr.coe.int). 34 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Rn. 91; Scherzberg, JA 2004, S. 51 (52); BVerfG, 2 BvR 2502/08, Beschluss vom 18.02.2010, Rn. 12= NVwZ 2010, S. 702 ff.; zur norm-konstruierten Wirklichkeit als Aspekt der Schutzpflichtdogmatik Schneider, Karsten, in: Scharrer u. a., S. 177 (195 f.). 35 Wahrscheinlichkeitserwägungen spielen vor allem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Abschiebung von Personen in Staaten, in denen Folter oder sonst eine unangemessene Behandlung droht, eine Rolle. Siehe etwa EGMR, Urteil v. 28.02.2008, Beschwerdenr. 37201/06, Nr. 125 = NVwZ 2008, S. 1330 ff. – Saadi/Italien: „where substantial grounds have been shown for believing that the person concerned, if deported, faces  a real risk of being subjected to treatment contrary to Article 3.“ Siehe auch EGMR, Entscheidung vom 02.12.2008, Beschwerdenr. 32733/08, = NVwZ 2009, S. 965 ff. – K. R. S./Vereinigtes Königreich. Hierzu Meyer-Ladewig, Art. 3 Rn. 66 ff. 36 Ehlers, in: ders., § 14 Rn. 35. 37 So schon Jaeckel, Schutzpflichten, S. 165 m. w. N. aus der Literatur. 38 Siehe oben C. II. 3. b) aa) (1).

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D. Pflicht des EU-Gesetzgebers zur Nanoregulierung? 

dass die althergebrachten, auf Erfahrungswissen beruhenden, Kategorien von Schadenswahrscheinlichkeit und -höhe in Situationen der Ungewissheit nicht operabel sind.39 Denn ihre Bestimmung ist hier kaum möglich. Vielmehr bietet sich hier eine Orientierung am jeweiligen Grad der Ungewissheit an. Schwierigkeiten bei der Einordnung bereitet dabei die Ungewissheit über die konkreten Auswirkungen der meisten Nano­materialien. Aktuell deuten zwar unterschiedliche Studien für einige Nano­materialien Risikopotenziale für Mensch und Umwelt an. Diese Untersuchungen sind in der Fachwelt jedoch zumeist umstritten und leiden zudem an der noch fehlenden einheitlichen Testmethodik. Im Übrigen stellen die untersuchten Substanzen nur einen kleinen Ausschnitt dar. Die große Mehrheit der Nano­materialien war bislang noch nicht Gegenstand von Studien. Gleichwohl kann nach hier vertretener Ansicht bereits ein Vorsorgeanlass bejaht werden.40 Analog hierzu sollte auf abstrakt-tatbestandlicher Ebene eine Schutzpflicht für Nano­materialien angenommen werden, um so dem präventiven Charakter der Schutzpflichten zu entsprechen. Die Ungewissheit kann dann auf Rechtsfolgenebene durch Maßnahmen berücksichtigt werden, die sich etwa auf die Erforschung oder Beobachtung beschränken.41 (2) Schutz der Umwelt und der Verbraucher Zwar betonen die Art. 37 und 38 GrCh die Bedeutung des Umwelt- und Verbraucherschutzes für die Politik der Europäischen Union. Hierbei handelt es sich jedoch allein um Grundsätze und nicht um subjektive Rechte, so dass die Vorschriften keine einklagbare Verpflichtungsdimension aufweisen.42 bb) Rechtsfolgen der Schutzpflicht Wird auf tatbestandlicher Ebene eine Schutzpflicht bejaht, ist anschließend nach den Konsequenzen auf Rechtsfolgenebene zu fragen. Diese können die unterschiedlichste Ausprägung haben. Je nachdem, ob bereits Vorschriften bestehen, kann die Schutzpflicht Ausdruck in rechtlichen oder tatsächlichen Pflichten finden. Fehlt eine gesetzliche Regelung (auf Unionsebene eine Verordnung oder Richtlinie) vollständig, so können die Schutzpflichten grundsätzlich auch deren Erlass verlangen. Unterhalb dieser Stufe sind etwa Beobachtungs-, Informations- oder Warnpflichten als tatsächliche Maßnahmen denkbar.43 Entscheidend 39

So auch Lohse, in: Scharrer u. a., S. 37 (49). Siehe im Detail oben C. II. 3. b) aa). 41 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 85 f. 42 Jarass, Grundrechte, Art. 37 Rn. 3, Art. 38 Rn. 3; Epiney, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Art. 11 AEUV Rn. 4. 43 Szczekalla, S. 997 ff. m. w. N. 40

I. Schutzpflichten aus den Unionsgrundrechten

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ist, dass der Schutzpflichtadressat die bestehende Situation analysiert und auf dieser Grundlage eine Entscheidung trifft. Hier wird deutlich, dass der politische Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum erheblich ist und auch sein muss. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten in Fragen des Umweltschutzes betont.44 Dies gelte in besonderem Maße in Situationen der Ungewissheit.45 Der Prüfungsumfang des EGMR beschränke sich auf die Erzielung eines gerechten Ausgleichs der widerstreitenden Interessen des Einzelnen und der Öffentlichkeit46 und auf offensichtliche Fehler der Behörden47. Welche Ausprägung die Maßnahme im konkreten Fall erfährt, obliegt hiernach maßgeblich der Einschätzung des Schutzpflichtadressaten.48 Der EuGH hat sich bislang, soweit ersichtlich, nicht zur Frage von Schutzpflichten der Union geäußert. Um die Frage mitgliedstaatlicher Schutzpflichten ging es im Kontext der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV). So nimmt der Gerichtshof zwar grundsätzlich auch eine positive Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Schutz der Grundfreiheiten an. Dabei betonen die Richter allerdings, dass die Wahl der geeigneten Maßnahme im Ermessen des Staates liege.49 Bei der Erfüllung der Schutzpflichten nach der Grundrechtecharta kommt den Schutzpflichtadressaten ein vergleichbar weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu.50 Die Grenzen des Ermessens sind abhängig von der konkreten Fallgestaltung. Entscheidende Faktoren sind dabei „die Art des Konventionsrechts, seine Bedeutung für den Einzelnen und die Art der betroffenen Vorhaben“.51 Auch die Komplexität des Falles und der bestehenden rechtliche Rahmen werden durch den EGMR berücksichtigt.52 In Fragen des Umweltschutzes (Art. 8 EMRK) beschränkt sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf die Prüfung eines angemessenen Ausgleichs der widerstreitenden Interessen. Geht es um eine Gefährdung des Lebens (Art.  2 EMRK) durch mögliche Umwelteinflüsse- oder Katastrophen, so verlangt der Gerichtshof, dass die Öffentlichkeit hierüber informiert

44 EGMR, Urteil v.  08.07.2003, Beschwerdenr.  36022/97, Nr.  100 = NVwZ 2004, S.  1465 ff.– Hatton u. a./Vereinigtes Königreich; EGMR, Entscheidung v. 12.05.2009, Beschwerdenr. 18215/06 = NVwZ 2011, S. 93 ff. (94) – Greenpeace/Deutschland. Siehe Grabenwater, § 22 Rn. 55 f. m. w. N. zur umfangreichen Rechtsprechung. 45 So im Kontext der Auswirkungen von Mobilfunksendeanlagen EGMR, Entscheidung v. 03.07.2007, Beschwerdenr. 32015/02 = NVwZ 2008, S. 1215 ff. (1216) – Gaida/Deutschland. 46 EGMR, Entscheidung v. 12.05.2009, Beschwerdenr.  18215/06 = NVwZ 2011, S.  93 ff. (94) – Greenpeace/Deutschland. 47 EGMR, Urteil v. 09.07.2005, Beschwerdenr.  55723/00, Nr.  105  – Fadeyeva/Russland (abrufbar unter hudoc.echr.coe.int). 48 Frenz, S. 112 Rn. 367 ff. 49 EuGH, Rs. C-265/95, Slg. 1997, I-6959 Rn. 33. – Kommission ./. Frankreich. 50 Boroswki, in: Meyer, Jürgen, Art. 51 Rn. 32. 51 EGMR, Urteil v. 08.07.2003, Beschwerdenr. 36022/97, Nr. 101 = NVwZ 2004, S. 1465 ff.– Hatton u. a./Vereinigtes Königreich. 52 EGMR, Urteil v. 20.03.2008, Beschwerdenr. 15339/02, Nr. 136 – Budayeva u. a./Russland (abrufbar unter hudoc.echr.coe.int).

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D. Pflicht des EU-Gesetzgebers zur Nanoregulierung? 

wird.53 Dabei erschöpft sich die Verpflichtung nicht in der Schaffung eines legislativen und administrativen Rahmens zum Schutz der Bevölkerung. Der Schutzpflichtadressat hat im Falle von zivilen Opfern auch rechtliche Untersuchungen anzustellen.54 Eine Verdichtung des Ermessens auf eine bestimmte Maßnahme ist vor diesem Hintergrund wohl nur dann anzunehmen, wenn allein sie dem Schutz der bedrohten Rechtsgüter dienen kann.55 Überträgt man die vorangegangenen Ausführungen auf die Frage nach dem Schutz vor möglichen Risiken nanoskaliger Materialien, so wird deutlich, dass dem Europäischen Gesetzgeber ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zusteht. Wie bereits dargestellt, besteht noch erhebliche Unsicherheit über die Auswirkungen von Nano­materialien. Insbesondere können noch keine abschließenden Aussagen über eine mögliche Toxizität getroffen werden. Die hieraus resultierende breite Ungewissheit verlangt ein sorgfältiges und fein austariertes Regulierungsregime, das einerseits den Interessen von Wissenschaft und Industrie Rechnung trägt und ihnen den nötigen Spielraum für eine Weiterentwicklung in diesem Bereich bietet. Andererseits muss der Schutz des Einzelnen vor den möglichen Risikopotenzialen bestimmter Nano­materialien gewährleistet werden. Bis jetzt hat die Europäische Union bis auf eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, Biozidprodukte und Kosmetika eine Zulassungspflicht für Nano­ materialien in Biozidprodukten, Lebensmittelzusatzstoffen und Lebensmittelkontaktmaterialien sowie eine Meldepflicht für Nano­materialien in kosmetischen Produkten (dazu umfassend im nächsten Kapitel) noch keine gesetzgeberischen Maßnahmen zur Regulierung von Nano­materialien unternommen. In absehbarer Zukunft dürften jedoch Änderungen der REACH-Verordnung vorgenommen werden.56 Des Weiteren hat die Union zahlreiche Forschungsprogramme initiiert, um die Erforschung von Nano­materialien voranzutreiben.57 Vor dem Hintergrund des weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraums und der Ungewissheit über die Folgen der meisten Nano­materialien scheinen die durch die Union eingeleiteten Maßnahmen unter reinen Schutzpflichtgesichtspunkten derzeit ausreichend. Über die Qualität und Praktikabilität dieser Regularien im Einzelnen wird damit aber nur sehr bedingt eine Aussage getroffen.

53 EGMR, Urteil v. 30.11.2004, Beschwerdenr. 48939/99, Nr. 90 – Öneryildiz/Türkei (abrufbar unter hudoc.echr.coe.int). 54 EGMR, Urteil v. 20.03.2008, Beschwerdenr. 15339/02, Nr. 130 ff. – Budayeva u. a./Russland (abrufbar unter hudoc.echr.coe.int). 55 Frenz, S. 112 Rn. 372. 56 Vgl. etwa Aitken u. a., RIP-oN 3. 57 Siehe Art. 2 Abs. 1 i) lit. d des Beschlusses 1982/2006/EG, ABl. 2006 L 412, S. 1 ff., des Europäischen Parlaments und des Rats über das Siebte Rahmenprogramm der Euro­ päischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007 bis 2013). Siehe auch Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission, Horizont 2020 – das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, KOM(2011) 808 endgültig, S.  5, 11 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu).

III. Fazit zu Teil D.

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Somit bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessensspielraums nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Die Schutzpflichten aus Art. 3 GrCh werden erfüllt.

II. Die Pflicht zur Einhaltung eines hohen Schutzniveaus Das Primärrecht sieht durch die Art. 114 Abs. 3, Art. 168 Abs. 1, Art. 169 Abs. 1 und 191 AEUV die Gewährung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes vor. Aus diesen sog. Schutzniveauklauseln ergibt sich grundsätzlich die Pflicht der Unionsorgane zur Herstellung dieses hohen Schutzniveaus58 oder jedenfalls ein Gebot zur Optimierung.59 Hieraus kann sich auch eine Pflicht zur Überwachung und Anpassung bestehender Vorschriften an neue wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben60, die allerdings durch einen erheblichen Ermessensspielraum der Unionsorgane relativiert wird.61 So beschränkt sich die Justiziabilität der Wahrung eines „hohen Schutzniveaus“ wohl auf schwerwiegende Verstöße.62 Das Ermessen dürfte mit Blick auf die bereits getroffenen Maßnahmen der EU im Bereich der Regulierung von Nano­materialien so auch – wie bei den grundrechtlichen Schutzpflichten – fehlerfrei ausgeübt worden sein.

III. Fazit zu Teil D. Die Auswirkungen von Nano­materialien sind noch sehr ungewiss. Risiken für die Gesundheit deuten sich zwar häufig an. Von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen kann aber noch keine Rede sein. Die Europäische Union hat bereits in verschiedenen Regelungsbereichen Anpassungen der Vorschriften vorgenommen und Forschungsprogramme initiiert, die die Erkenntnisse über die Nano­toxikologie vergrößern sollen. Ein grundrechtswidriges Unterlassen ist – gerade auch vor dem Hintergrund des weiten Ermessensspielraums – nicht zu kon­ statieren.

58 Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 14.; ders., in: Streinz, Art. 191 AEUV Rn. 64 ff. 59 So Berg, in: Schwarze, Art. 168 AEUV Rn. 13. 60 Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 143. 61 Lurger, in: Streinz, Art.  169 AEUV Rn.  16; Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, Art.  114 AEUV Rn. 19; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 147 f. 62 Leible/Schröder, in: Streinz, Art. 114 AEUV Rn. 78 m. w. N.; Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 35.

E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene: Der bestehende Rechtsrahmen im Überblick Um die Diskussion über eine Nanoregulierung auf europäischer Ebene nachvollziehen zu können, ist es zunächst erforderlich, die bereits bestehenden relevanten Rechtssätze zu analysieren. Der nun folgende Abschnitt setzt sich daher mit den Vorschriften auseinander, die Nano­materialien und die darauf basierenden Produkte im jeweiligen Stadium des Herstellungs,- Verwendungs- und Entsorgungszyklus explizit oder implizit von ihrem Anwendungs- und Regelungsbereich umfassen. Gegenstand von Abschnitt I. werden dabei zunächst diejenigen Vorschriften sein, die Nano­materialien zwar nicht ausdrücklich, aber doch im­ plizit als Regelungsmaterie haben. Dies kann angesichts der enormen Bandbreite an potenziell implizit einschlägigen Vorschriften im sekundären Umweltrecht nur rein überblicksartig erfolgen und beschränkt sich auf diejenigen Regelungssätze, die im Umgang mit Nano­materialien die größte praktische Relevanz aufweisen dürften. Abschnitt II. wendet sich sodann den Vorschriften zu, die bereits explizit auf Nano­materialien eingehen und für diese spezifische Regelungen vorsehen. Beide Abschnitte beleuchten dabei in einem ersten Schritt die jeweiligen Anwendungsbereiche. Daran schließen sich jeweils eine allgemeine Bewertung und eine kurze primärrechtliche Einordnung des Befundes an.

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug Ganz überwiegend gehen die Regelungen des EU-Stoff- und Umweltrechts noch nicht auf Nano­materialien ein. In ihrer Eigenschaft als winzigste Stoffpartikel werden diese indes implizit durchaus von den bestehenden Rechtsregimen tatbestandlich erfasst. 1. REACH-Verordnung Eine besonders große praktische Bedeutung in dieser Rubrik der „impliziten Nano-Regelungen“ kommt dabei der REACH-Verordnung zu, die im Folgenden darzustellen ist.

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug

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a) Überblick Die REACH-Verordnung1 stellt seit ihrem Inkrafttreten am 1.  Juni 2007 das zentrale chemikalienrechtliche Regelwerk auf europäischer Ebene dar. Sie regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe2, und zwar die „Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung derartiger Stoffe“ (Art. 1 Abs. 2 Satz 2 REACH). Die REACH-Verordnung stützt sich auf Art.  114 AEUV als Kompetenzgrundlage, was den zahlreichen Vorschriften zur Produktions- und Zulassungsvereinheitlichung geschuldet ist. So ist es denn auch Ziel der Verordnung neben dem Gesundheitsschutz, „den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Zubereitungen oder in Erzeugnissen zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern.“3 Wie sich aus Art. 1 Abs. 2 REACH ergibt, umfasst der sachliche Anwendungsbereich der REACH-Verordnung Stoffe und Stoffgemische. Auch die Verwendung von Stoffen in Erzeugnissen wird erfasst (Art. 1 Abs. 2 REACH). Art. 3 Nr. 1 REACH stellt durch eine Begriffsdefinition zunächst klar, was als Stoff im Sinne der Verordnung zu verstehen ist: „[Ein] chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können.“

Ein Gemisch (Art. 3 Nr. 2 REACH) besteht aus mehreren Stoffen. Ein Erzeugnis (Art. 3 Nr. 3 REACH) ist ein in bestimmter Gestalt produzierter Gegenstand, also etwa ein Gummiball. In den Anwendungsbereich von REACH fallen somit zunächst alle Chemikalien mit Ausnahme radioaktiver Stoffe (Art. 2 Abs. 1 lit. a). Per definitionem umfasst der Stoffbegriff des Art. 3 Nr. 1 REACH somit auch Nano­materialien, denn eine Differenzierung nach Größen sieht er nicht vor.4 Ausdrücklich umfasst er sowohl natürliche als auch synthetische Elemente oder Verbindungen. Somit können nicht nur miniaturisierte Makrostoffe (sog. nonexclusive nanomaterials) wie z. B. Nanosilber, sondern auch sog. exclusive nanomaterials, also solche Stoffe, die allein als Nano­material erzeugt werden (z. B. Fullerene oder Kohlenstoffnanoröhrchen), unter den Stoffbegriff subsumiert werden. Um Überschneidungen mit anderen sekundärrechtlichen Rechtssätzen zu vermeiden, sieht Art. 2 Abs. 4 REACH weitere Ausschlüsse etwa für die Verwendung von Stoffen in Human- oder Tierarzneimitteln sowie Lebensmitteln vor. Nach Art. 5 REACH dürfen Stoffe im Sinne der REACH-Verordnung in der Union nur 1 VO (EG) 1907/2006, ABl. 2007 L 136, S. 6 ff. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorization of Chemicals. 2 Grundlegend hierzu Fischer, Kristian, DVBl. 2007, S. 853 ff. 3 Art. 1 Abs. 1 REACH, ähnlich vom Wortlaut Erwägungsgrund Nr. 1. 4 Vgl. Kayser, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, S. 67 (69).

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie zuvor registriert wurden (no data – no market). Hierzu ist durch den Hersteller oder Importeur bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) ein Registrierungsdossier (Art. 6 ­R EACH) einzureichen, welches in Art.  10 ­R EACH näher bestimmte Informationen enthält. Hauptbestandteile des Registrierungsdossiers sind ein technisches Dossier und ein Stoffsicherheitsbericht5 (Art. 10). Das technische Dossier enthält dabei Informationen u. a. über die Einstufung und Kennzeichnung des Stoffes, Leitlinien für die sichere Verwendung sowie Studienzusammenfassungen (Art. 10 lit. a). Je nach Stoffjahresmenge sind bestimmte in den Anhängen VI bis XI aufgeführte „Standarddatenanforderungen“ zu erfüllen (Art.  12 ­R EACH). Der Stoffsicherheitsbericht ist nach Art. 14 Abs. 1 ab einer Stoffmenge von 10 Jahrestonnen zu verfassen. Die Registrierungspflicht gilt nur für Stoffe, die in einer Menge von mindestens einer Tonne pro Jahr hergestellt oder eingeführt werden sollen. Sie umfasst auch Altstoffe. Dazu zählen überwiegend solche Stoffe, die sich bereits 1981 auf dem Markt befanden und im europäischen Altstoffregister EINECS6 verzeichnet ­ EACH-Verordnung als sog. Phase-in-Stoffe bezeichsind.7 Sie werden von der R ­ EACH). Das durch R ­ EACH begründete Registrierungsregime net (Art. 3 Nr. 20 R gilt für sie erst nach dem Ablauf einer Übergangszeit (Art.  23).8 Folglich können Phase-in-Stoffe aktuell auch ohne die sonst obligatorische Registrierung verwendet und vermarktet werden. Inwieweit Nano­materialien der Registrierungspflicht unterfallen, hängt entscheidend davon ab, ob sie als neue Stoffe qualifiziert ­werden.9 Nach den Art. 40 f. ­R EACH werden die Dossiers anschließend einer Prüfung unterzogen, ob und inwieweit die Vorgaben der ­R EACH-Verordnung eingehalten werden.10 Zu unterscheiden von der Dossierbewertung ist die Stoffbewer­ EACH geregelt ist. Diese stellt eine Prüfung besontung, die in den Art. 44 ff. R ders risikoträchtiger Stoffe dar und ist vom Registrierungsdossier losgelöst.11 Die Stoff­bewertung erfolgt durch die Behörden der Mitgliedstaaten (Art.  45 Abs.  1­ REACH).12 Die Information der der „Lieferkette“ angehörigen Personen über den jeweiligen Stoff wird durch ein Sicherheitsdatenblatt (SDB) gewährleistet, welches u. a. über die spezifischen Stoffeigenschaften, die Handhabung und zu treffende Schutzvorkehrungen aufklärt (Art. 31 Abs. 6 ­R EACH).13 5

Siehe hierzu Art. 14 ­R EACH. EINECS steht für European Inventory of Existing Commercial Chemical Substances. 7 Fischer, Kristian, DVBl. 2007, S. 853 (856). 8 Bis zum 01.12.2008 war nur eine sog. Vorregistrierung erforderlich, siehe Art. 28 Abs. 2­ REACH. 9 Zu dieser Problematik siehe bereits oben B. I. 6. und sogleich. 10 Dies geschieht nach Art. 41 Abs. 5 ­R EACH jedoch nur stichpunktartig. 11 Fischer, Kristian, DVBl. 2007, S. 853 (859). 12 Hierzu weitergehend Ingerowski, S. 223 ff. 13 Zum Sicherheitsdatenblatt siehe auch unten E. I. 1. b) dd). 6

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug

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Das Zulassungsverfahren der Art.  55 ff. R ­ EACH dient der Kontrolle und Beherrschung „besonders besorgniserregende[r]“ Stoffe. Hierzu bedürfen bestimmte, in Anhang XIV der Verordnung aufgeführte Stoffe der förmlichen Zulassung, über die die Kommission nach vorherigem Antrag bei der Chemikalienagentur entscheidet (Art. 60 ff. ­R EACH).14 Zuletzt sind nach den Art. 67 ff. ­R EACH auch Beschränkungen für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe möglich. b) Bewertung Seit geraumer Zeit ist zwischen Verbänden, Politik und Umweltgruppen strittig, inwieweit die R ­ EACH-Verordnung eine sachgerechte Behandlung nano­skaliger Partikel gewährleistet.15 Dabei stehen im Wesentlichen drei Regelungsaspekte der­ REACH-Verordnung im Mittelpunkt: der Stoffbegriff, die Mengenbeschränkungen und die Stoffinformation. aa) Qualifizierung als neuer Stoff/Registrierung von Nano­materialien Die Frage, ob ein Nano­material als neuer Stoff qualifiziert werden muss, erweist sich in besonderem Maße relevant im Kontext des Chemikalienregelungs­ EACH. Die Europäische Kommission ist insoweit der Ansicht, dass nach werks R aktueller Rechtslage ein Nano­material nur dann ein neuer Stoff im rechtlichen Sinne ist, soweit er nicht im Altstoffregister EINECS erfasst ist.16 Dem liegt offenbar die Annahme zugrunde, dass Nano­materialien grundsätzlich keiner eigenen

14

Zur Zulassungspflicht siehe auch unten F. IV. 2. a). Siehe beispielhaft Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. April 2009 zu Regelungsaspekten bei Nano­materialien 2008/2208(INI), ABl. 2010 C 184 E, S. 82 ff. Sehr viel zurückhaltender ist die Reaktion der Europäischen Kommission aus 2012, Mitteilung der Kommission, Zweite Überprüfung der Rechtsvorschriften zu Nano­ materialien, COM(2012) 572 final (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). Gleichwohl zieht auch die Kommission inzwischen Klarstellungen in einigen Anhängen von ­R EACH in Erwägung, Gesamtbericht zur R ­ EACH, COM(2013) 49 (final), Nr.  6 (S.  15) (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). Dies wiederum wurde vom Vorsitzenden Groote des Umweltausschusses als nicht hinreichend kritisiert: „While modifications of the Annexes to specify clear and relevant requirements for all nanomaterials falling under R ­ EACH are most welcome, it is also clear that more fundamental limitations of R ­ EACH should be addressed in order to address nanomaterials explicitly“, Brief vom 13.07.2013 an die Europäische Kommission, abrufbar unter: http://veillenanos.fr/wakka.php?wiki=NanoComEnviSept2013/ download&file=20130718-Com-ENVI.pdf. 16 Europäische Kommission, Nano­materials in ­R EACH, CA/59/2008 Rev. 1, S. 7 (abrufbar unter www.ec.europa.eu); ähnlich die Europäische Chemikalienagentur (ECHA), die nanound makroskalige Partikel bislang als einen Stoff betrachtet, siehe Verband der Chemischen Industrie (VCI), Anforderungen, S. 2. 15

E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

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Behandlung bedürfen.17 Damit sind solche non-exclusive nanomaterials grundsätzlich von der eigenständigen Registrierung ausgenommen, die auf einem bereits registrierten Makrostoff beruhen (dazu sogleich). Neue Stoffe sind demnach solche Nano­materialien, die nicht im EINECS aufgeführt sind. Bedeutung hat die Frage nach der Neuheit eines Stoffes vor allem für die Registrierung. (1) Die Registrierung von Nano­materialien unter ­REACH Eng verbunden mit der Frage der Eigenständigkeit nanoskaliger Stoffe ist also die Frage der Registrierung, die sich vornehmlich bei non-exclusive nanomaterials stellt. Diesbezüglich bestehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: 1. Werden Nano­materialien nicht als neue Stoffe betrachtet, sondern als bloße „Unterform“ eines (herkömmlichen) Makrostoffes, ist nach aktueller Rechtslage keine eigene Registrierung erforderlich. Allerdings hat das Registrierungs­ dossier nach Ansicht der Europäischen Kommission alle relevanten Größenbereiche eines Stoffes mit seinen möglicherweise differierenden Eigenschaften einzubeziehen.18 Dies ergebe sich aus Art. 1 Abs. 3 ­REACH, wonach Hersteller, Importeure und Verwender dafür Sorge zu tragen haben, dass von dem jeweiligen zu registrierenden Stoff in jedem Größenbereich und bei jeder vorgesehen Verwendungsweise keine Schäden für Mensch und Umwelt auftreten.19 Folglich sind im Rahmen einer Stoffregistrierung auch die besonderen Eigenschaften nanoskaliger Stoffteile zu berücksichtigen, soweit eine Anwendung im Nanoformat vorgesehen ist. Bei neuen Erkenntnissen etwa über die Toxizität oder neuen Verwendungen hat der Registrant das Dossier zu aktualisieren, Art. 22 Abs. 1 ­REACH. Diese Verpflichtung wird vor allem dann relevant, wenn das Registrierungsdossier nur einen Makrostoff zum Gegenstand hat und dieser nachträglich auch in nanopartikulärer Abmessung eingesetzt werden soll oder aber neue Erkenntnisse etwa über die Risiken des Stoffes vorliegen.20 Da nach Ansicht der Kommission nach bestehender Rechtslage die Eigenständigkeit von Nanostoffen von der Erfassung des Makrostoffes im Altstoffregister abhängt, entfällt für diese phase-in-Stoffe bis zum Ablauf der Übergangszeit21 die Registrierungspflicht.22 Ebenso wenig müssen die vorhandenen Daten ak 17

So noch Europäische Kommission, Regelungsaspekte bei Nano­materialien, KOM(2008) 366 endg., S. 13 7 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 18 Europäische Kommission, Nano­materials in ­R EACH, CA/59/2008 rev. 1, S. 6 7 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 19 Europäische Kommission, Nano­materials in ­R EACH, CA/59/2008 rev. 1, S. 6 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 20 Ebd. 21 Der Ablauf der Übergangszeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, vgl. Art.  23­ REACH. Spätestens endet sie aber am 1. Juni 2018. 22 Siehe dazu die allgemeinen Ausführungen zur ­R EACH-Verordnung oben E. I. 1.

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug

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tualisiert werden. Nach dem Ende der Übergangszeit müssten in konsequenter Fortsetzung dieser Ansicht non-exclusive nanomaterials mangels eigener Stoff­ eigenschaft nicht eigenständig registriert werden, sondern können vielmehr Bestandteil des Registrierungsdossiers des dann zu registrierenden Altstoffes (Makrostoffes) sein. Exclusive nanomaterials unterliegen bereits jetzt einer Registrierungspflicht, denn reine Nano­materialien haben ins Altstoffregister keinen Eingang gefunden.23 Somit gelten für sie als eigenständige Stoffe die Registrierungspflichten nach ­REACH. 2. Demgegenüber führt eine Einstufung von Nano­materialien als eigenständige Stoffe zur Notwendigkeit einer eigenen Stoffregistrierung auch bei non-exclusive nanomaterials. In diesem Fall hat der Hersteller oder Importeur ein neues, allein auf das Nano­material zugeschnittenes Registrierungsdossier zu verfassen. Nach der oben dargestellten Ansicht der Kommission soll dies jedoch nicht die aktuelle Rechtslage darstellen. (2) Bewertung Es zeigt sich, dass die ­R EACH-Verordnung grundsätzlich eine eigene Bewertung von Nano­materialien zulässt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man wie die Europäische Kommission der Ansicht ist, dass der Registrant im Dossier auf alle relevanten Größenbereiche mit ihren spezifischen Eigenschaften einzugehen hat. Insofern mag die explizite Qualifikation von Nano­materialien als neue Stoffe auf den ersten Blick nicht erforderlich erscheinen. Nur die Behandlung von Nano­ materialien als eigenständige Stoffe mit eigener Registrierung vermag aber mittelfristig die nötige Klarheit und damit Rechtssicherheit für Hersteller, Importeure und Verwender zu erzeugen. Ein Dossier, welches sowohl den Makro- als auch den (non-exclusive) Nanostoff erfasst, dürfte im Regelfall in seiner Erstellung zudem äußerst komplex sein.24 Auch eine stoffliche Differenzierung der jeweiligen Größenbereiche und den damit verbundenen Stoffeigenschaften nach Unterkategorien25 würde insgesamt die Verständlichkeit des ohnehin diffizilen Registrierungsregimes nach ­R EACH nochmals erhöhen.26 Dies kann nicht im Sinne des Verordnungsgebers sein. Wie bereits oben27 erörtert, ist aber eine explizite Qualifikation von Nano­materialien als neue Stoffe nicht zwingend erforderlich. Eine gleiche Wirkung kann eine entsprechende Behandlung als eigenständige Sub 23

Führ, in: Scherzberg/Wendorff, S. 139 (152). Rucireto, in: Führ, ­R EACH, Kap. 7 Rn. 32. 25 Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S.  43 f. Hier wird als Beispiel Phosphor aufgeführt, welches trotz unterschiedlicher Stoffeigenschaften nur über eine Nummer im Altstoffregister verfügt. Eine Unterscheidung findet mit Hilfe von Indexnummern statt. 26 In diesem Sinne auch Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, ebd. A. A. wohl UBA/BfR/ BAuA, Nano­materialien und ­R EACH, S. 4. 27 Siehe B. I. 6. 24

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

stanzen erzielen. Diesen Weg scheint der EU-Gesetzgeber aktuell in anderen Regularien zu präferieren.28 Die Europäische Kommission stützt ihre Ansicht, ein Registrierungsdossier müsse bereits nach aktueller ­R EACH-Fassung auf alle Größenbereiche eingehen, auf Art. 1 Abs. 3 R ­ EACH. Dies scheint vor dem Hintergrund der Zielsetzung von­ REACH (Verringerung der stoffbezogenen Ungewissheit, Gesundheitsschutz) durchaus nachvollziehbar und plausibel. Aus den Art. 5 ff. R ­ EACH lässt sich dieser Ansatz indes nur schwerlich herleiten. Insofern bedarf die ­R EACH-Verordnung zwingend einer Klarstellung. Schwerer als die Frage, ob Nano­materialien in einem eigenen Dossier oder zusammen mit dem Makrostoff zu registrieren sind, wiegt aktuell der Umstand, dass Nano­materialien, die auf Altstoffen beruhen, nach aktueller Rechtslage im ungünstigsten Falle erst ab dem 1.  Juni 2018 zu registrieren sind (vgl. Art.  23­ REACH). Damit können diese Nano­materialien ohne Risikoprüfung verwendet werden. Angesichts der nicht auszuschließenden Risiken scheint hier ein Regelungswiderspruch auf, der nur durch eine teleologische Reduktion des in Art. 5­ REACH niedergeschrieben Grundsatzes „Ohne Daten kein Markt“ behoben werden kann.29 Alles andere liefe dem Zweck der ­R EACH-Verordnung, nämlich die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für Mensch und Umwelt (Art. 1 Abs. 1­ REACH), entgegen. bb) Einstufung von (Nano-)Stoffen (1) Bestehende Rechtslage Gegenstand des Registrierungsdossiers nach ­R EACH ist u. a. die Angabe der Einstufung des Stoffes (Art. 10 lit. a iv) ). Bislang richtete sich diese Klassifizierung nach der Richtlinie 67/548/EWG30 (sog. Stoff-Richtlinie), siehe Anhang VI Nr. 4 der ­R EACH-VO. Diese sieht in Anhang V verschiedene Methoden zur Bestimmung der physikalisch-chemischen Eigenschaften von Stoffen vor. Seit dem 01.12.2010 richtet sich die Einstufung (auch31) nach der CLP-Verordnung32 (Art. 61 Abs. 3 CLP; siehe auch Art. 31 Abs. 10 ­R EACH). Hiernach ist jeder Stoff vor dem Inverkehrbringen mengenunabhängig durch den Hersteller, Importeur oder nach-

28 Siehe insoweit etwa Art. 12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, ABl. 2008 L 354, S. 16 ff.; hierzu unten E. II. 3. a). 29 Dederer, in: Spranger, S. 71 (85). 30 ABl. 1967 Nr. 196, S. 1 ff. 31 Bis zum 01.06.2015 erfolgt die Einstufung nach der Richtlinie 67/548/EWG und der CLP-VO (Art. 61 Abs. 3 CLP). 32 VO (EG) Nr. 1272/2008, ABl. 2008, L 353, S. 1 ff. CLP steht für Classification, Labelling, Packaging. Hierzu Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 517, 527 ff.

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug

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geschalteten Anwender einzustufen (Art. 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 CLP).33 Anhang VI der Richtlinie 67/548/EWG bzw. neuerdings Anhang VI, Teil 3 der CLP-Verordnung enthält Listen mit bereits eingestuften Stoffen. Hierbei handelt es sich um sog. harmonisierte Stoffe (vgl. Art. 36 ff. CLP). Unterliegt ein einzustufender Stoff einem Eintrag in dieser Liste der bereits harmonisierten Stoffe, so wird er dementsprechend eingestuft (Art. 4 Abs. 3 CLP). Dabei unterscheidet die Liste der harmonisierten Stoffe nicht nach verschiedenen Partikelgrößen. Vielmehr dürfte sie sich allein auf Makrostoffe beziehen. Soll die Einstufung eines Nano­materials im Registrierungsdossier angegeben werden, kann daher auf die Liste (noch) nicht zurückgegriffen werden. Im Übrigen unterliegen solche Substanzen der harmonisierten Einstufung, die bestimmte besorgniserregende Eigenschaften aufweisen (Art. 36 Abs. 1 CLP). Mit Blick auf die vorgesehene Erweiterung der Liste der harmonisierten Stoffe (Art. 1 Abs. 1 lit. d CLP) ist eine ausdrückliche Differenzierung zwischen Makro- und Nanostoffen wünschenswert. Weist ein zu klassifizierender Stoff eine von der bereits gelisteten Substanz abweichende Eigenschaft auf und unterfällt insoweit einer noch nicht im jeweiligen Listeneintrag genannten Gefahrenkategorie- bzw. klasse, ist eine Bewertung und Klassifizierung (Art. 5 ff. CLP) durch den Unternehmer vorzunehmen (Art. 4 Abs.  3 UAbs.  2 CLP). Diese Regelung dürfte auch für Nano­materialien gesteigerte Relevanz haben. Weichen nämlich die Gefährlichkeitsmerkmale des Nano­ materials von dem des makroskaligen ab, so sind insofern weitere Einstufungen vorzunehmen.34 Soweit eine Einstufung folglich durch den Unternehmer bzw. Hersteller erfolgt, ist hervorzuheben, dass dieser bei der Bewertung der verfügbaren Informationen alle „Formen oder Aggregatzustände, in denen der Stoff oder das Gemisch in Verkehr gebracht und aller Voraussicht nach verwendet wird“, einzubeziehen hat (Art. 9 Abs. 5 CLP, siehe auch Art. 8 Abs. 6 CLP). Damit umfasst die CLP-Verordnung jedenfalls implizit auch Nano­materialien.35 Weichen die einstufungsrelevanten Eigenschaften von Makro- und Nanostoff vonein­ander ab, so kann auch der nach herkömmlichem Verständnis „gleiche“ Stoff unterschiedlich eingestuft werden.36 Demnach erhielte u. U. ein nanogroßer Stoff eine andere Klassifizierung. Als gefährlich gelten z. B. Stoffe, die „giftig“, „hochentzündlich“, „krebserzeugend“, „erbgutverändernd“ oder „umweltgefährlich“ sind oder sonst dem Katalog des Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Anhang VI der Richtlinie 67/548/EWG unterfallen bzw. unter die durch die CLP-Verordnung geschaffenen neuen „Gefahrenklassen“ (physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren, Umweltgefahren) zu subsumieren sind (siehe Art. 2 Nr. 1, Art. 3 und Anhang I CLP). 33

Vgl. Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 527. Rucireto, in: Führ, ­R EACH, Kap. 7 Rn. 40. 35 Ebd. 36 Europäische Kommission, Classification, labelling and packaging of nanomaterials in­ REACH and CLP, CA/90/2009 Rev 2, S. 4 f. (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 34

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

(2) Bewertung Vor diesem Hintergrund bleibt zunächst festzuhalten, dass die Einstufung von Nano­materialien nach der Richtlinie 67/548/EWG bzw. der CLP-VO grundsätzlich zwar möglich ist. Auf die Liste der harmonisierten Stoffe kann dabei jedoch (noch) nicht zurückgriffen werden. Somit ist die Nanosubstanz durch den Hersteller bzw. Verwender selbst einzustufen. Schwierigkeiten bereiten hier vor allem die noch fehlenden Test- und Bewertungsverfahren. Da bislang geeignete, standardisierte Tests fehlen, ist die systematische Klassifizierung von Nano­materialien im Hinblick auf ihre Gefahrenklasse bislang nicht realisierbar.37 Hersteller und Verwender können zwar Einstufungen ihrer Nano­materialien vornehmen. Andere Unternehmen können hiervon jedoch abweichen, soweit sie zu anderen Zuordnungsergebnissen gelangen bzw. eine Gefährdung gänzlich verneinen.38 Im Falle einer Gefährlichkeitseinstufung eines Nano­materials stellt sich wiederum das Problem der chemikalienrechtlichen Identität von Makro- und Nanostoff.39 Denn die Bezeichnung eines Stoffes lässt keinen Rückschluss auf seine Ausmaße zu.40 Zur klaren Unterscheidbarkeit und Kennzeichnung bedürfte es insoweit einer eigenen CAS-Nummer für Nano­materialien.41 Für eine zu erwartende Zurückhaltung der Beteiligten bei der Einstufungspraxis spricht zudem, dass bei der Zuordnung von Umwelt- und Gesundheitsgefahren keine Verpflichtung zur Durchführung neuer Tests besteht, sondern auch auf bestehendes Wissen zurückgegriffen werden darf.42 Dies ist bislang jedoch kaum existent. Angesichts der daraus resultierenden Unsicherheiten schlägt die Europäische Kommission so auch vor, die Einstufung nanoskaliger Stoffe auf einer „case-by-case“-Basis vorzunehmen.43 Damit bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass das Einstufungssystem von ­R EACH und CLP-Verordnung Nano­materialien zwar prinzipiell erfasst, eine systematische und einheitliche Klassifizierung aus o.g. Gründen bislang jedoch nicht möglich ist.44 Dies begründet im Ergebnis einige Zweifel an einer sachgerechten Handhabung von Nano­materialien durch die CLP-Verordnung.45

37 Rucireto, in: Führ, R ­ EACH, Kap. 7 Rn. 40; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 345, 439 ff. 38 Vgl. Art. 41, 42 CLP. 39 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 346. 40 Ebd. 41 Siehe oben B. I. 6. 42 Europäische Chemikalienagentur, Einführende Leitlinien zur CLP-Verordnung, 2009, S. 50 (abrufbar unter www.echa.europa.eu). Vgl. Art. 8 Abs. 1 und 2 CLP. 43 Europäische Kommission, Classification, labelling and packaging of nanomaterials in­ REACH and CLP, CA/90/2009 Rev 2, S. 5 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 44 So auch Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 347 ff. 45 Rucireto, S. 336.

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug

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cc) Mengenbeschränkungen Fragen über die Eignung der ­R EACH-Verordnung zur adäquaten Erfassung nanoskaliger Partikel werfen auch die Regelungen über Mengenbeschränkungen auf, unterhalb derer die Registrierungspflicht wegfällt. So gilt die Pflicht zur Registrierung nach Art. 6 Abs. 1 ­R EACH erst ab einer Menge von mindestens einer eingeführten oder verwendeten Tonne an Stoffen pro Jahr. Gerade exclusive nanomaterials dürften diesen Grenzwert jedoch kaum erreichen.46 Eher überschritten werden dürfte diese Grenze bei Stoffen, die sowohl in Nano- als auch in Makroskalen verwendet oder eingeführt werden sollen, denn hier ist das Gesamtvolumen entscheidend.47 In diesem Fall ist im Registrierungsdossier auch auf alle relevan­ EACH vorgesehene Stoffsicherten Partikelgrößen einzugehen.48 Der in Art. 14 R heitsbericht ist erst ab einem Volumen von 10 Jahrestonnen zu erstellen (Abs. 1). Dies erscheint insofern besonders problematisch, als dass erst im Rahmen des Stoffsicherheitsberichts umfassend etwa auf mögliche Expositionsszenarien eingegangen werden muss, sofern ein Stoff als „gefährlich“ einzustufen ist (Art. 14 Abs. 4 ­R EACH). dd) Stoffinformation Überschreitet ein Stoff eine Jahresmenge von 10 Tonnen pro Registrant, so ist eine Stoffsicherheitsbeurteilung durchzuführen und in einem Bericht darzulegen (Art. 14 Abs. 1 R ­ EACH). Bei einer Stoffmenge bis zu 10 Jahrestonnen genügt für ­ EACH. die Registrierung das „einfache“ Registrierungsdossier nach Art. 10 lit. a R Dies gilt damit auch für Nano­materialien. Hier ergibt sich jedoch eine weitere Schwierigkeit. Denn die bislang existierenden Testverfahren sind auf „konventionelle“, d. h. in diesem Falle auf makroskalige Stoffe zugeschnitten.49 Angesichts der besonderen Eigenschaften von Nano­materialien werden jedoch neue Test- und Messverfahren benötigt, um zu einer präziseren Abschätzung der Risikopotenziale zu gelangen.50 Die (mengenabhängigen) Standarddatenanforderungen der Anhänge VI-XI sind zur allgemeinen Erfassung stofflicher Charakteristika zwar geeignet. Den zumeist abweichenden Eigenschaften nanoskaliger Partikel wird jedoch nicht spezifisch Rechnung getragen. So könnte bei Nano­ materialien beispielsweise das besondere Oberflächen- und Volumen-Verhältnis und die damit einhergehende gesteigerte Reaktivität Gegenstand einer Informa­

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Franco u. a., Regulatory Toxicology and Pharmacology 48 (2007), S.  171 (178).Vgl. Köck, in: Scherzberg/Wendorff, S. 183 (192); Dederer, in: Spranger, S. 71 (86) m. w. N.; vgl. auch Breggin/Falkner/Jaspers/Pendergrass/Porter, S. 45. 47 Kayser, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, S. 67 (70). 48 Siehe bereits oben E. I. 1. b) aa) (1). 49 Siehe umfassend Aitken u. a., RIP-oN 3. 50 Dederer, in: Spranger, S. 71 (86 f.).

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

tionsverpflichtung des Registranten sein.51 Ausführliche Daten etwa zur Inhalation oder dermalen Verabreichung gehören erst ab einem Stoffvolumen von 10 Jahrestonnen zur „Standarddatenanforderung“ (vgl. Anhang VIII). Dabei weisen gerade die Aufnahme über die Haut und insbesondere die Luft besondere Relevanz auf. Somit liegt es vor allem in der Verantwortlichkeit des Registranten, nanospezifische Daten zu übermitteln.52 Aus diesem Grunde sollten die Jahresmengenschwellen von ­R EACH jedenfalls für Nano­materialien ganz erheblich herab­gesenkt werden, z. B. auf 100 g/a.53 ee) Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Änderungen mit dem Primärrecht ­ EACH-Verordnung mit Fraglich ist, ob die hier erörterten Anpassungen der R Blick auf die effektivere Erfassung von Nano­materialien eigene primärrechtliche Fragen aufwerfen. Wie zuvor gesehen, erfasst die ­R EACH-Verordnung bereits in ihrer aktuellen Fassung grundsätzlich auch Nano­materialien. Nach zustimmungswürdiger Ansicht ergibt sich aus ihr eine Verpflichtung zur eigenständigen Bewertung von Stoffen im nanoskaligen Abmessungsbereich. Eine entsprechende Klarstellung im Verordnungstext hat daher allein deklaratorischen Charakter. Mit einer solchen Klarstellung sollten wie dargelegt eine Herabsenkung der Mengenschwellen sowie eine Anpassung der Testverfahren einhergehen. Beide Maßnahmen weisen jedoch keine eigenständige, nanospezifische grundrechtliche oder grundfreiheitliche oder sonst primärrechtliche Tendenz auf. Die Prüfung der allgemeinen ­R EACH-Vorschriften am Maßstab der Grundrechte und Grundfreiheiten ist nicht Teil  dieser Arbeit und wird daher an dieser Stelle nicht weiter­ erörtert.54

51 Nach Nr. 7.6. des Anhangs XII ist allein auf die Oberflächenspannung einzugehen. Vor allem auf die morphologischen Eigenschaften, Wasserlöslichkeit und Oberflächeneigenschaften abstellend UBA/BfR/BAuA, Nano­materialien und ­R EACH, S. 6. 52 Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 18. 53 Dieser Wert entspricht der Menge, die in Frankreich zu einer Meldeverpflichtung führt, siehe dazu unten F. II. 2. c). Siehe hierzu auch Antrag Nr. 325 vom 15.09.2006 der Abgeordneten Schlyter, Lucas und Breyer zur Änderung der ­R EACH-Verordnung im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments, siehe Europäisches Parlament, PE 378.597v01-00, S. 81 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). Für eine Herabsenkung auch Raupach, S. 426 f.; Mielke, S. 228, Calliess/Stockhaus, JEEPL 2012, S. 113 (124) und Rucireto, S. 241. 54 An der Vereinbarkeit mit verschiedenen Grundrechten zweifelnd Hohmann, StoffR 2006, S.  67 (74 f.); für eine Vereinbarkeit von ­R EACH mit den EU-Grundrechten Kuhn, S. 214 ff., 240. Zuzugeben ist, dass ­R EACH erhebliche bürokratische Lasten für die Unternehmen begründet. Siehe im Einzelnen Schulze, Günther G., 2009, S. 57 f. Zu ökonomischen Anreizen durch ­R EACH und möglichen Nachteilen für kleine und mittelständische Unter­ nehmen Bizer, in: Führ, R ­ EACH, Kap. 2.

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2. Seveso II-Richtlinie a) Überblick Große Bedeutung im sekundärrechtlichen Chemikalienrecht kommt zudem der Seveso II-Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen55 zu. Unternehmen, die bestimmte enumerativ auf­ gezählte bzw. bestimmten Kategorien angehörige gefährliche Stoffe besitzen, haben verschiedene Maßnahmen zu treffen, um Unfälle zu vermeiden. Hierzu gehört etwa eine Mitteilung der Unternehmen an die zuständigen Behörden über Art, Menge und Anwendung der gefährlichen Stoffe (Art. 6). Daneben sind Sicherheitsberichte (Art. 9) und Notfallpläne (Art. 11) zu erstellen. Der der Richtlinie zugrunde­liegende Stoffbegriff richtet sich nach Art. 3 Nr. 4 i. V. m. Anhang I. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit der Richtlinie auf Nano­materialien ist deren Aufführung in der Liste der gefährlichen Stoffe nach Anhang I Teil 1 oder eine Einstufung als gefährlicher Stoff nach den Gefährlichkeitskategorien des Anhangs I Teil 2. b) Bewertung Auch die für die Beherrschung von gefährlichen Stoffen äußerst praxisrelevante Seveso II-Richtlinie bedürfte zur besseren Erfassung nanoskaliger Materialien einiger Anpassungen. Für die nicht enumerativ in Teil  1 des Anhangs I aufgelisteten Stoffe sieht Teil  2 des Anhangs I bestimmte Mindestmengen vor. So greifen die Mitteilungspflichten der Unternehmen bei giftigen, oxidierenden oder explosionsgefährlichen Stoffen erst ab 50 t. Ein Sicherheitsbericht ist hier erst ab 200 t zu erstellen. Diese Mengenschwellen dürften analog zu denen in der­ REACH-Verordnung für Nano­materialien zu hoch angesetzt sein. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit der Seveso II-Richtlinie auf Nano­materialien ist indes deren Einstufung nach der Richtlinie 67/548/EWG etwa als (sehr) giftig, umweltgefährlich, hochentzündlich etc. (Anhang I, Teil  2). Damit bezieht sich das Seveso-Regime auf Substanzen mit nachgewiesener erheblicher Gefährlichkeit. Eine solche kann für Nano­materialien aktuell aber nicht angenommen werden. Ebenso wenig liegen entsprechende Einstufungen vor.56 Eine Herabsenkung der Mengenschwellen erscheint daher nur bedingt sinnvoll und bedarf daher hier auch keiner primärrechtlichen Beleuchtung.

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Richtlinie 96/82/EG, ABl. 1997 L 10, S. 13 ff. E. I. 1. b) bb).

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

3. Immissionsschutz-, Luft- und Anlagenrecht a) Überblick Zentrales Normenwerk der unionsrechtlichen Vorschriften zur Luftreinhaltung ist die 2010 in Kraft getretene Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa57. Diese beinhaltet u. a. Grenzwerte für Feinstaubemissionen bei einem Partikeldurchmesser unterhalb von 10 µm (sog. PM10 -Partikel) und unterhalb von 2,5 µm (sog. PM2,5-Partikel) (Art. 2 Nr. 19).58 Der Partikel PM2,5 wird dabei nach Erwägungsgrund Nr. 11 als „Schadstoff“ aufgefasst. Nach Art. 2 Nr. 2 soll dies jeder in der Luft vorhandene umwelt- oder gesundheitsschädliche Stoff sein. Anlagenverursachte Emissionen werden im Wesentlichen von der IVU-Richt­ linie 2010/75/EU59 erfasst. Diese sieht eine Genehmigungspflicht für verschiedene in Anhang I aufgezählte Anlagentypen vor (Art. 4 ff.). Nr. 4 des Anhangs I nennt dabei auch Anlagen der chemischen Industrie, soweit diese bestimmte Stoffe im Rahmen einer „chemischen Umwandlung“ produzieren. Ein solcher Umwandlungsvorgang dürfte bei der Herstellung nanoskaliger Stoffe in der Regel gegeben ­ EACH-Verordnung ist auch der „Stoff“-Begriff der sein.60 Ebenso wie bei der R IVU-Richtlinie („chemische Elemente und ihre Verbindungen […]“) durch Nano­ materialien unproblematisch erfüllt. Daraus folgt eine grundsätzliche Anwend­ barkeit der IVU-Richtlinie auf Nano­materialien, ohne dass diese jedoch auf die spezifischen Nanoeigenschaften einginge.61 b) Bewertung Die neue Luftqualitätsrichtlinie zielt auf die Begrenzung der Luftkonzentration bestimmter in Anhang VI aufgeführter Stoffe und allgemein von PM10 und PM2,5-Partikeln ab. Somit sind zunächst nur Feinstäube Gegenstand der Regelung.62 Diese erfassen zwar per definitionem alle Partikel bis zu einem Durchmesser von 2,5 µm (PM2,5) und erstrecken sich somit grundsätzlich auch auf Nano­ materialien bzw. sog. Ultrafeinstäube63.64 Aktuelle Konzentrationsgrenzwerte wie 57

ABl. 2008 L 152, S. 1 ff. Siehe Erwägungsgrund Nr. 11, Art. 15 und Anhang XIV. 59 Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. 2010 L 334, S. 17 ff. 60 Führ, in: Scherzberg/Wendorff, S. 139 (144). 61 Siehe hierzu auch Europäische Kommission, Commission Staff Working Document, Regulatory Aspects of Nano­materials, SEC(2008) 2036, S. 29 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 62 Zur Abgrenzung von Feinstäuben, Ultrafeinstäuben und Nanopartikeln siehe oben B. I. 4. und B. III. 2. 63 Ultrafeinstäube werden gemeinhin als solche oder auch als PM0,1-Partikel bezeichnet, siehe Jost/Pletcher, S. 1. 64 Europäische Kommission, Commission Staff Working Document, Regulatory Aspects of Nano­materials, SEC(2008) 2036, S. 34 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 58

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auch die der Luftqualitätsrichtlinie (vgl. Anhang XIV, B.: Minimalziel für eine PM2,5-Konzentration 18 µg/m3) haben dabei jedoch die Massenkonzentration zur Grundlage.65 Angesichts der großen Oberfläche weisen Partikel im Nanometerbereich allerdings nur eine sehr geringe Masse auf.66 Damit sind entsprechende Grenzwerte für die Erfassung von Nanosubstanzen bzw. nanoskaligen Ultrafeinstäuben kaum geeignet.67 Obwohl die neue Luftqualitätsrichtlinie zum ersten Mal also auch PM2,5-Partikel erfasst68, vermag sie ihre selbsternannten Ziele, die „Erhaltung der Luftqualität“ und die „Verbesserung der Luftqualität“ (Art. 1 Nr. 5), zunächst nur mit Blick auf mikroskalige Partikel zu verwirklichen. Inwieweit bereits die Festlegung von Grenzwerten für Nano­materialien sinnvoll ist und welchen Parametern dann gesteigerte Bedeutung zukommt, ist Gegenstand der Betrachtungen unter F. III. Dort werden auch die Implikationen des Vorsorge­prinzips und die grundrechtliche Bedeutung von speziellen „Nano“-Grenzwerten näher betrachtet. 4. Abfallrecht a) Überblick Nanoskalige Materialien werden nicht nur bei ihrer Verwendung exponiert. Ebenso kann eine Freisetzung in die Umwelt bei der Verwertung und Entsorgung als Abfall eintreten. Daher stellt sich die Frage, inwieweit die abfallrechtlichen Vorschriften auf europäischer Ebene auf Nano­materialien Anwendung finden. Die Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG69 regelt allgemein die Abfallwirtschaft innerhalb der Union. Dabei sind ihre primären Ziele der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt sowie die Abfallvermeidung durch ein effizientes Ressourcenmanagement (Art. 1). Der Richtlinie liegt dabei ein recht weiter Abfallbegriff zugrunde, wonach „Abfall“ „jeden Stoff oder Gegenstand [meint], dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss“ (Art. 3 Nr. 1). Von Bedeutung ist dabei die Frage, wann ein Abfall „gefährlich“ im Sinne der Richtlinie ist. Denn eine solche Qualifikation hat zur Folge, dass der Abfall besonders zu kennzeichnen (Art. 19) und eine umweltgerechte Erzeugung, Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung (Art. 17) gewährleistet ist. Insbesondere gilt ein Verbot der Vermischung mit anderen Abfällen (Art. 18). „Gefährlich“ ist Abfall dann, wenn er bestimmte im Anhang III der Richtlinie näher spezifizierte 65 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Nano­materialien am Arbeitsplatz, S. 12. 66 Ebd. 67 DGUV, ebda; Europäische Kommission, Commission Staff Working Document, Regulatory Aspects of Nano­materials, SEC(2008) 2036, S. 34 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 68 Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 386. 69 ABl. 2008 L 312, S. 6 ff.

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

Eigenschaften aufweist (Art. 3 Nr. 2). Hierbei handelt es sich um die Einstufung eines Stoffes z. B. als „reizend“, „krebserzeugend“ oder „ökotoxisch“. Insofern rekurriert die Abfallrahmenrichtlinie auf die Einstufungskriterien nach Anhang VI der Richtlinie 67/548/EWG.70 Des Weiteren sind auch die Aufzählungen gefährlicher Stoffe im Europäischen Abfallverzeichnis71 verbindlich (Art. 7 Abs. 1 Satz 3). b) Bewertung Von Nano­materialien ausgehende Risiken können von der Abfallrahmenrichtlinie erfasst werden, soweit sie eines der „H-Kriterien“ erfüllen.72 Ist eine Stoffeinstufung nach dem Gefahrstoffrecht noch nicht erfolgt oder ist kein Code nach dem Abfallverzeichnis einschlägig73, besteht die Möglichkeit, Nano­materialien unter Kapitel 16 des Abfallverzeichnisses zu subsumieren, welches dann greift, wenn keines der anderen Kapitel den Stoff erfasst.74 Die Abfallverbrennungsrichtlinie enthält Grenzwerte, welche jedoch nur für „konventionelle“ Stoffe gelten.75 Hier zeigt sich wiederum die Schwierigkeit, dass die besonderen Wirkungsweisen von Nanopartikeln neue Untersuchungen und möglicherweise spezifische Grenzwerte erforderlich machen. Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich mit Blick auf eine umweltgerechte Entsorgung auf einer Deponie. Diese richtet sich nach der Abfalldeponie-Richtlinie 1999/31/EG76, die zwischen Deponien für gefährliche, nicht gefährliche und inerte Abfälle unterscheidet (Art. 4). Grundlage für die Einstufung bildet die Entscheidung 2003/33/EG77 des Rates, die im Anhang verschiedene Grenzwerte aufführt. Auch diese sind aber nicht auf Nano­materialien ent­ haltende Abfälle zugeschnitten.78

70 Erläuterung Nr. 1 in Anhang III. Mit Blick auf die neuen Einstufungs- und Kennzeichnungsvorgaben nach Anhang I der CLP-Verordnung ist hier eine Anpassung der Abfall­ rahmenrichtlinie zu erwarten. 71 Hierbei handelt es sich um ein von der Europäischen Kommission festgelegtes Verzeichnis, welches der Kategorisierung und der Systematisierung von Abfällen dient. „Gefährliche“ Abfälle sind besonders gekennzeichnet. Das Abfallverzeichnis beruht auf Art. 1 lit. a) der alten Abfallrahmenrichtlinie 91/156/EWG, ABl. 1991 L 78, S. 32 ff., i. V. m. der Kommissionsentscheidung 2000/532/EG, ABl. 2000 L 226, S. 3 ff. Hierzu Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 459, 465. 72 Führ, in: Scherzberg/Wendorff, S. 139 (160). 73 Das Abfallverzeichnis weist den einzelnen Stoffen Codes zu, nach denen diese bestimmt werden können. 74 Führ, in: Scherzberg/Wendorff, S. 139 (160). Siehe hierzu Nr. 3.3 der Einleitung zum Anhang der Kommissionsentscheidung 2000/532/EG, ABl. 2000 L 226, S. 3 ff. 75 Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S. 18. 76 ABl. 1999 L 182, S. 1 ff. 77 ABl. 2003 L 11, S. 27 ff. 78 Vgl. Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S. 37.

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug

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Insgesamt lässt sich festhalten, dass auch im Bereich des besonders umwelt­ relevanten Abfall- und Entsorgungsrechts auf europäischer Ebene mit Blick auf die nanospezifischen Stoffeigenschaften Unschärfen zu konstatieren sind. Auch hier ist die Notwendigkeit unabweisbar, Grenzwerte zu überdenken und ggf. an Nano­materialien anzupassen. Mit Blick auf die Behandlung von „Nano-Abfällen“ als gefährliche Abfälle sind wie dargelegt entsprechende Einstufungen erforderlich, die bislang für Nano­materialien nicht bestehen. Damit sind die abfallrechtlichen Schwierigkeiten in erster Linie im allgemeinen Stoffrecht zu verorten.79 Ein erster Schritt zu mehr abfallrechtlicher Klarheit könnte ein eigener Abfallcode im Abfallverzeichnis sein, um die Erfassung durch das Verzeichnis zu unterstreichen.80 Eine solche Anpassung weist keine eigenständige primärrechtliche Tendenz auf. Mit Blick auf die Änderung der bestehenden oder der Einführung nanospezifischer Grenzwerte in der Abfallverbrennungsrichtlinie ist auf die Ausführungen in Abschnitt F. III. zu verweisen. 5. Wasserrecht a) Überblick Der Produktkreislauf der Herstellung, Verwendung und Entsorgung, in dem sich Nano­materialien bewegen, vermag insofern auch wasserrechtliche Implikationen aufzuweisen. Denn im Rahmen aller Stufen im Lebenszyklus eines Nano­ materials ist es denkbar, dass dieser beabsichtigt oder unbeabsichtigt ins Wasser gelangt.81 Schadstoffimmissionen in Gewässer sind auf europäischer Ebene primär Rege­ lungsgegenstand der Abwasser-Rahmenrichtlinie 2006/11/EG82 und der Grundwasser-Richtlinie 80/68/EWG83, die allerdings beide im Jahre 2013 durch die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG84 abgelöst wurden.85 Sowohl Abwasser- als auch Grundwasser-Richtlinie begründen Genehmigungspflichten und weiter­ gehend auch Verbote86 für die Einleitung bestimmter Stoffe, die in anhängigen Listen auf-

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Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 436 f. So etwa Führ, in: Scherzberg/Wendorff, S. 139 (172), der auch gleich einen konkreten Formulierungsvorschlag macht. 81 Vgl. Baumann, in: Frimmel/Niessner, S. 23 ff. 82 ABl. 2006 L 64, S. 52 ff. 83 ABl. 1980 L 20, S. 43 ff. 84 ABl. 2000 L 327, S. 1 ff. 85 Siehe Art. 22 Abs. 2 RL 2000/60/EG; die Wasserrahmenrichtlinie erfährt insoweit Konkretisierung durch die „neue“ Grundwasserschutzrichtlinie 2006/118/EG, ABl. 2006 L 372, S. 19 ff., siehe im Detail Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 351 f., 359 f. 86 Art. 4 RL 80/68/EWG, ABl. 1980 L 20, S. 43 ff.; Art. 3, 4, 6 RL 2006/11/EG, ABl. 2006 L 64, S. 52 ff. 80

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

gezählt werden. Konkrete Grenzwerte enthält demgegenüber die 2008 verabschiedete Richtlinie 2008/105/EG über Umweltqualitätsnormen87. b) Bewertung Allen wasserschutzrechtlichen EU-Vorschriften ist gemein, dass sie keinerlei nanospezifische Regelungen enthalten. Die Zulässigkeit der Einleitung von Nano­ materialien in Gewässer bemisst sich daher bislang nach Richtlinien, die auf makroskalige Stoffe zugeschnittenen sind. Dem Umstand, dass hier nicht aufgeführte Makrostoffe im Nanoformat ebenfalls gewässertoxische Wirkungen aufweisen könnten, wird also noch nicht Rechnung getragen. 6. Arbeitsschutzrecht a) Überblick Nach Art. 153 AEUV kann die Union Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz – ein weiterer zentraler Gesichtspunkt beim Schutz vor den Auswirkungen nano­ skaliger Materialien – erlassen. Grundlegende Regelung auf europäischer Ebene ist die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG88. Sie verpflichtet den Arbeitgeber zur Wahrung der Arbeitssicherheit am Arbeitsplatz (Art. 6 Abs. 1). Dabei umfasst die Richtlinie vom Anwendungsbereich her alle denkbaren Formen von beruflichen Tätigkeiten, also auch den Umgang mit Nano­materialien (vgl. Art.  2 Abs.  1). Auf Grundlage der Rahmenrichtlinie sind zahlreiche „Tochterrichtlinien“ erlassen worden, die den Umgang mit bestimmten Stoffen oder bestimmte Mindeststandards für Schutzmaßnahmen vorsehen, so etwa die Richtlinie zu Sicherheit und Gesundheit bei chemischen Arbeitsstoffen 98/24/EG89, die auf Grundlage der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie erlassen wurde (Art. 16 Abs. 1 RL 89/391/EWG).90 Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung (Art. 6 Abs. 3 lit. a RL 89/391/EWG) wird hier für „gefährliche chemische Stoffe“ weiter konkretisiert (Art. 4 Abs. 1). Quellen, die der Beurteilung zugrunde zu legen sind, nennen beide Richtlinien zwar nicht. Für die Stoffbeurteilung maßgeblich dürfte aber v. a. das Sicherheitsdatenblatt nach Art.  31­ REACH sein.91

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ABl. 2008 L 348, S. 84 ff. ABl. 1989 L 183, S. 1 ff. 89 ABl. 1998 L 131, S. 11 ff. 90 Siehe Erwägungsgrund Nr. 8. 91 So auch § 7 Abs. 2 S. 3 GefStoffV, BGBl. I 2010, S. 1643 ff.; siehe Scherzberg, in: Scherzberg/Wendorff, S. 219 (225). 88

I. Vorschriften ohne expliziten Nano-Bezug

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b) Bewertung Von besonderer Bedeutung für das Arbeitsschutzrecht sind die stoffrechtlichen Einstufungen, denn sie stellen die Grundlage für eine Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber dar.92 Problematisch ist insoweit, dass das Sicherheitsdatenblatt nicht hinreichend die speziellen Eigenschaften nanoskaliger Partikel würdigt. Dies gilt vor allem insofern, als dass aus dem Sicherheitsblatt nicht zwingend hervorgehen muss, ob es sich um ein Nano­material handelt oder nicht. Um einer lückenhaften Gefährdungsbeurteilung vorzubeugen, sollte sich der Arbeitgeber daher beim Lieferanten informieren.93 Nachhaltige Besserung vermag jedoch nur eine Anpassung der Vorschriften zum Sicherheitsdatenblatt nach ­R EACH zu erbringen.94 Problematisch ist des Weiteren, dass die bisherigen vom Hersteller oder Importeur zur Verfügung zu stellenden Informationen etwa im Registrierungsdossier oder im Stoffsicherheitsbericht an bestimmte Mengenschwellen gekoppelt sind.95 Unter Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes müsste hier vielmehr auf die Exposition am Arbeitsplatz abgestellt werden.96 7. Novel-Food-Verordnung ­ ovel Die EU-Novel-Food-Verordnung97 sieht eine Zulassungspflicht für sog. N Food vor. Hierbei handelt es sich um Nahrungsmittel, die „bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden“ (Art. 1 Abs. 2) und einer bestimmte Kataloggruppe unterfallen. So sollen unter Novel Food Lebensmittel verstanden werden, die etwa aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden oder eine veränderte Molekularstruktur aufweisen. Auch „nicht übliche“ Herstellungsverfahren führen zu einer Qualifizierung als Novel Food, soweit das Lebensmittel eine „bedeutende Veränderung“ seiner Zusammensetzung, Struktur oder Zutaten erfährt und dadurch sein Nährwert, Stoffwechsel oder die Menge unerwünschter Stoffe beeinflusst wird (Art. 1 Abs. 2 lit. f). Bevor das Lebensmittel in Verkehr gebracht werden darf, ist ein Zulassungsantrag in dem Mitgliedstaat der Erstzulassung zu stellen (Art. 4 Abs. 1). Durch den durch die Verwendung unscharfer Formulierungen teilweise unklaren Anwendungsbereich der Verordnung wurde seit 2007 eine Reform der Vorschrift angestrengt. U. a. sollte der Regelungsbereich explizit auf Nano­materialien 92

Scherzberg, in: Scherzberg/Wendorff, S. 219 (226). Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Nano­materialien am Arbeitsplatz, S. 15. 94 Für einen expliziten Hinweis im Sicherheitsdatenblatt im Falle eines Nano­materials die Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 26; so auch der Österreichische Aktionsplan Nanotechnologie, siehe Österreichisches Lebensministerium, S. 99. 95 Siehe oben E. I. 1. b) cc). 96 Scherzberg, in: Scherzberg/Wendorff, S. 219 (229 f.). 97 VO (EG) 258/97, ABl. 1997 L 43, S. 1 ff. 93

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

erstreckt werden, da deren Erfassung durch die bisherige Begriffsbestimmung in Art.  1 Abs.  2 nicht ausreichend erscheint.98 Nach langwierigen Verhandlungen ist eine Novellierung der Verordnung jedoch im März 2011 endgültig gescheitert. In den Erwägungsgründen zur neuen Lebensmittelinformations-Verordnung wird nunmehr eine Überprüfung der bestehenden Novel Food-Verordnung speziell mit Blick auf technisch hergestellte Nano­materialien angeregt.99 8. Fazit Obwohl viele sekundärrechtliche Vorschriften grundsätzlich von ihrem Anwendungsbereich her Nano­materialien erfassen, haben die vorangegangen Ausführungen gezeigt, dass im Detail häufig ein Anpassungsbedarf besteht.100 So werden in vielen Fällen die vom makroskaligen Stoff abweichenden Eigenschaften des Nano­materials nur unzureichend einbezogen. Mengenschwellen wie etwa bei der­ REACH-Verordnung verengen den Anwendungsbereich bestimmter Vorschriften. Allerdings scheint hier ein rechtliches Problem grundsätzlicher Natur auf: die Bewältigung von Ungewissheit. Beispiele, wie der EU-Gesetzgeber auf eben diese zu reagieren versucht, bilden einige derjenigen Vorschriften des Sekundärrechts, die bereits explizit auf Nano­materialien eingehen. Sie sind Gegenstand des nun folgenden Abschnitts.

II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug Neben den vorangehend aufgezeigten Rechtssätzen, die mit ihrem Anwendungsbereich nur implizit Nano­materialien erfassen, existieren inzwischen verschiedene unionsrechtliche Vorschriften, die explizit auf Nanostoffe eingehen. Hierzu gehören etwa die Kosmetik-Verordnung, die Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung und die Biozid-Verordnung. Besondere praktische Relevanz dürfte insofern die ab 2014 geltende Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit nanoskaligen Inhaltsstoffen haben. Daneben existiert ein unverbindlicher Verhaltenskodex der Europäischen Kommission für die verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien.101 Dieser Kodex bezieht sich jedoch vor allem auf eine verantwortungsvolle Forschung.102 98 Vgl. den Kommissionsentwurf 2008/0002 (COD) und hierzu Erwägungsgrund Nr. 6 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu); Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 31. Ausführlich zu den damaligen Änderungsplänen Raupach, S. 392 ff. 99 Erwägungsgrund Nr. 25 der VO (EU) Nr. 1169/2011, ABl. 2011 L 304, S. 18 ff. 100 So auch Spranger, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, S. 55 (71); a. A. Haber/Stähle, DLR 2008, S. 8 (14). 101 Empfehlung der Kommission für einen Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien, K(2008) 424 endg., ABl. 2008 L 116, S. 46 ff. Hierzu ausführlich Spranger, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, S. 55 ff. (55 f.). 102 Siehe hierzu bereits oben C. II. 4. a) aa) (1) (a).

II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug

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Der folgende Abschnitt II. beschreibt den Regelungsgehalt der ersten nano-regula­ torischen Ansätze im Sekundärrecht. Wie auch schon im vorangegangen Abschnitt I. schließt sich der Darstellung des Regelungsgehaltes eine zunächst allgemeine Bewertung der betroffenen Vorschriften an. Eine Untersuchung der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit den Vorgaben des Primärrechts ist indes Gegenstand der Ausführungen im Teil F., in dem einzelne Regulierungsinstrumente (u. a. Kennzeichnungspflicht, Meldepflicht für ein Produktregister, Zulassungspflicht) gesondert einer näheren Betrachtung und Bewertung zugeführt werden. Auf die ebenso bedeutende Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Welthandelsrecht wird der Übersichtlichkeit halber erst in Abschnitt H. eingegangen. 1. Kosmetik-Verordnung a) Überblick über den Regelungsgehalt Für kosmetische Produkte verfügt die Europäische Union über ein eigenes Re­ EACH-Verordnung teilweise exklugelwerk, das zudem die Anwendbarkeit der R ­ EACH).103 Die europäische Kosmetik-Verordnung104 diert (Art.  2 Abs.  6 lit.  b R dient der Schaffung einheitlicher kosmetikbezogener Schutzstandards innerhalb der Union. Seit dem Jahre 2013 löst sie die bisherige Kosmetik-Richtlinie105 ab (Art. 40). Als eines der ersten unionsrechtlichen Regelungsregime geht die Kosmetik-Verordnung explizit auf Nano­materialien ein und hält für diese eigene, recht umfangreiche Regelungen bereit. Die Kosmetik-Verordnung legt dabei eine eigene, auf ihren Anwendungsbereich zugeschnittene Definition von „Nano­material“ vor (Art. 2 Abs. 1 lit. k), die sich auf synthetische Substanzen beschränkt: „[…] ein unlösliches oder biologisch beständiges und absichtlich hergestelltes Material mit einer oder mehreren äußeren Abmessungen oder einer inneren Struktur in einer Größenordnung von 1 bis 100 Nanometern.“

Diese Definition ist jedoch einer Anpassung an den Stand der „laufenden technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen“ durch die Kommission zugänglich (Art. 2 Abs. 3). Zentrale Regelungselemente der Kosmetik-Verordnung sind eine Kennzeichnungspflicht sowie eine Anmeldepflicht („Notifizierung“) vor dem Inverkehrbringen. Eine erweiterte Pflicht zur Benachrichtigung der Kommission (Art. 16 Abs. 2) besteht bei der Verwendung von Nanosubstanzen im kosmetischen Produkt. So müssen bereits sechs Monate vor dem Inverkehrbringen u. a. die spezifischen Stoffeigenschaften, die Toxizität und die Expositionsbedingungen „notifiziert“ werden (Art. 16 Abs. 3 UAbs. 4 lit. a-f). Dies soll der Kommission offenbar einen größeren zeitlichen Spielraum zur Durchsicht und ggf. Prüfung der 103

Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 5 der Kosmetik-Verordnung. VO (EG) 1223/2009, ABl. 2009 L 342, S. 59 f. 105 RL 76/768/EWG, ABl. 1976 L 262, S. 169 ff. 104

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

notifizierten Informationen einräumen. Im Anhang enthält die Verordnung Listen mit Stoffen, deren Verwendung in Kosmetik entweder vollständig oder nur unter Einschränkungen möglich ist (vgl. Art. 14). Die zugelassene beschränkte Verwendung nach Art. 14 Abs. 1 lit. b i. V. m. Anhang III erstreckt sich dabei nur auf makroskalige Stoffe und nicht auch auf die nanogroßen Pendants.106 b) Kennzeichnungspflichten nach der Kosmetik-Verordnung Klassisches Instrument der Verbraucherinformation ist die Kennzeichnung. Die Kosmetikverordnung sieht eine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien enthaltende Kosmetikprodukte vor. Hiernach sind nanoskalige Bestandteile in der Inhaltsliste stoffunabhängig mit dem Zusatz „Nano“ zu vermerken (Art. 19 Abs. 1 lit. g UAbs. 4). c) Ansätze zur Bewältigung von Ungewissheit in der Kosmetik- Verordnung Die Vorschriften der Kosmetik-Verordnung zu Nano­materialien sind deutlich von dem Bemühen des Verordnungsgebers gekennzeichnet, der erheblichen Ungewissheit nach dem aktuellen Stand der Forschung gerecht zu werden. Der Ungewissheit über die Folgen der Verwendung solcher Substanzen wird durch die explizit mögliche Anpassung der Vorschriften an den aktuellen wissenschaftlichen Stand Rechnung getragen. Dabei wird zumeist auf das Komitologieverfahren zurückgegriffen (Art. 16 Abs. 8). So soll neben der Anpassung der Nano­ material-Definition auch die Änderung der Anforderungen an die Notifikation der Kommission möglich sein, soweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse die erfordern (Art. 2 Abs. 3, Art. 16 Abs. 7). Generell sollen die Nano-Vorschriften der Kosmetik-Verordnung einer regelmäßigen Überprüfung unterliegen (Art. 16 Abs. 11). Zentrale Bedeutung kommt dabei den Stellungnahmen des SCCS, dem Wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit, zu. Diese können durch die Kommission angefordert werden, soweit „Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von Nano­materialien“ bestehen (Art. 16 Abs. 4). d) Allgemeine Bewertung Mit der Kosmetik-Verordnung hat der europäische Gesetzgeber zum ersten Mal den Schritt zu einer eigenständigen rechtlichen Berücksichtigung von Nano­ materialien gewagt. Dies zeigt sich zunächst daran, dass die Definition eines Nano­materials nicht unerheblich von der erst deutlich später entwickelten Kom 106

Präambel der Anhänge II bis VI, 3. 

II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug

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missionsempfehlung 2011/696/EU abweicht. So umfasst die Begriffsbestimmung der Kosmetik-Verordnung auch solche Materialien, die eine „innere Struktur“ von 1–100 nm aufweisen. Welche enormen praktischen Auswirkungen hiermit im Einzelfall verbunden sind, zeigt anschaulich ein Urteil des Landgerichts Dortmund aus dem Jahre 2010. Hier ging es um die Frage, ob ein Sonnenschutzmittel auch dann mit dem Zusatz „frei von Nanotechnologie nach EU-Kosmetikverordnung“ oder „Nano-frei nach EU-Kosmetikverordnung“ beworben werden darf, wenn es in mikroskopischen Silika-Kapseln eingebundenes Titandioxid oder Zinkdioxid in einem Größenbereich von 12nm enthält. Die Antragsgegnerin führte an, „unter den Begriff der „inneren Struktur“ im Sinne der EU-Kosmetikverordnung seien solche Silika-Kapseln nicht zu fassen, bei denen Nanopartikel in Silika eingeschweißt seien und hierdurch in einer bestimmten Form, die produktionstechnisch vorgegeben sei, zusammen gehalten werden.107 Das Gericht folgte der Auffassung der Antragstellerin und bezog sich dabei auf den Begriff der „inneren Struktur“, der von der Definition ausdrücklich erfasst sei.108 Im Übrigen stellt sich allgemein die Frage, ob die in der Kosmetik-Verordnung vorgesehenen Instrumente zur Regulierung nanoskaliger Teilchen in Kosmetika ausreichend sind (zur Kennzeichnungs- und Notifizierungspflicht im Einzelnen sogleich). Art. 16 Abs. 10 der Verordnung sieht einen Katalog „aller Nano­materialien in kosmetischen Produkten“ vor, der bis 2014 von der Kommission veröffentlicht werden soll. Hier scheinen Ansätze eines „Produktregisters“ durch, welches jedoch durch seine Beschränkung auf die „vernünftigerweise vorhersehbaren Expositionsbedingungen“ stark limitiert ist. Insofern bietet sich schon aus Gründen der Transparenz und Verbraucherinformation die Bereitstellung weiterer Informationen (z. B. der Partikelgröße) an, wenngleich die Vorschrift über den Umfang der zu veröffentlichenden Daten ohnehin unklar bleibt. Denkbar und Gegenstand wei-

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LG Dortmund, Urteil vom 30.07.2010, Az. 34 O 77/10, Rn. 3, juris. „Dabei ist nicht entscheidend, ob sich in den streitgegenständlichen Sonnenschutz­m itteln auch frei schwebende Titandioxid-Partikel in Nanogröße haben finden lassen, wie die Antragstellerin behauptet. Maßgebend ist vielmehr, dass überhaupt Partikel in der Größe bis zu 100 Nanometer enthalten sind. Entgegen der von den Antragsgegnerinnen vertretenen Auffassung ist nicht entscheidend, dass die Nano-Partikel sich in einer Silika-Kapsel befinden, die nach der Behauptung der Antragsgegnerinnen praktisch unzerstörbar ist. Denn auch bei verkapselten Nano-Partikeln ist das Sonnenschutzmittel nicht Nano-frei. Es ist auch nicht „Nano-frei nach EU-Kosmetikverordnung“. Zwar hat die EU-Kosmetikverordnung bisher nicht ausdrücklich festgelegt, dass auch größere Objekte wie Aggregate und Agglomerate unter das Nano­material in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe k) fallen. Vielmehr hat sie diese Entscheidung bisher bewusst offen gelassen, wie sich aus Art. 2 Abs. 3 ergibt. Durch die Formulierung „innere Struktur“ hat sie sich jedoch den Empfehlungen verschiedener anderer Institutionen an­geschlossen, nicht auf die äußeren Abmessungen, sondern auch auf die einzelnen Nano-Partikel in egal wie gearteten Zusammenschlüssen von Nano-Partikeln abzustellen“, LG Dortmund, ebd.

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

terer Untersuchung im Abschnitt F. II. ist auch die Einbindung in ein allgemeines, produktbereichsübergreifendes Register. Über das Notifizierungssystem hinaus ist auch die Implementierung eines Zulassungsregimes denkbar. Dieses könnte – abhängig von der Ausgestaltung – die Verwendung von Nano­materialien in kosmetischen Produkten mit von der vorherigen Genehmigung durch die Behörde abhängig machen.109 Dabei ist der Kosmetik-Verordnung eine Form des Zulassungssystems nicht unbekannt. So dürfen bestimmte Substanzen nur nach vorheriger Zustimmung des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit in Kosmetika verwendet werden (Art. 15). Eine ähnliche Vorgehensweise hätte sich für Nano­materialien angeboten. Eine Zulassungsentscheidung setzt – anders als bei einer bloßen Anzeigepflicht – zwingend eine detaillierte Prüfung der vorgelegten Daten durch die Kommission vor dem Inverkehrbringen voraus. Somit würde für alle Beteiligten ein höheres Maß an Rechtssicherheit gewährleistet. Bedenklich ist auch der Ausschluss von UV-Filtern sowie Farb- und Konservierungsstoffen vom Anwendungsbereich des Art. 16 der Kosmetik-Verordnung (siehe Abs. 2). Dieser hat zur Folge, dass entsprechende Substanzen auf Nanobasis nicht der verschärften Notifizierungspflicht des Art. 16 unterliegen und somit nur wie jedes kosmetische Produkt nach Art. 13 anzumelden sind. Angesichts der erheblichen Verbreitung nanoskaliger UV-Filter vermag dieser Ausschluss so auch nicht recht in das System der Kosmetik-Verordnung zu passen. Zuletzt kann auch der lange Zeitraum bis zu einem ersten Überprüfungsbericht (Erstellung bis zum 11.  Juli 2018) durch die Kommission nach Art.  16 Abs.  11 nicht überzeugen. Die sich stetig vergrößernde Datenlage erfordert deutlich kürzere Normüberprüfungsintervalle, damit dieses Instrument sinnvoll eingesetzt werden kann. 2. Lebensmittelinformations-Verordnung a) Überblick Eine für den Verbraucher nicht minder relevante Kennzeichnungspflicht für nanoskalige Inhaltsstoffe sieht die neue Lebensmittelinformations-Verordnung110 vor, die ab Dezember 2014 Wirkung entfaltet. Die Verordnung betrifft die Kennzeichnung von Lebensmitteln und soll eine umfassende Verbraucherinformation gewährleisten (Art. 1). Von besonderem Interesse ist dabei Art. 18 Abs. 3, der bestimmt, dass alle synthetischen nanopartikulären Zutaten in der Liste der Inhaltsstoffe mit dem Wort „Nano“ zu versehen sind. Damit folgt die Lebensmittel­ informations-Verordnung dieser bereits in der Kosmetik-Verordnung vorgesehenen 109

Zu verschiedenen Ausgestaltungsoptionen für Zulassungsregime siehe unten F. IV. 4. VO (EU) Nr. 1169/2011, ABl. 2011 L 304, S. 18 ff.

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II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug

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Kennzeichnungsmethode. In Art. 2 lit. t sieht die Verordnung eine Definition des Begriffs „Nano­material“ vor, der sich an der Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission orientiert, aber wie die Begriffsbestimmung der Kosmetik-Verordnung auch „innere [Nano]Strukturen“ umfasst und sich zugleich auf synthetische Substanzen beschränkt. Im gleichen Zug werden die „durch die Nanoskaligkeit bedingten Eigenschaften“ näher erläutert, die abweichender „physikalisch-chemischer“ Natur sein können oder durch die „große spezifische Oberfläche“ hervorgerufen werden. Art. 18 Abs. 5 behält die Anpassung dieser Definition an den „wissenschaftlichen und technischen Fortschritt“ vor. Nach einer derzeit (Stand März 2014) noch im Entwurfsstadium befindlichen Ver­ordnung sollen solche Lebensmittelzusatzstoffe zunächst von der Kennzeichnungsverpflichtung nach Art. 18 Abs. 3 ausgenommen werden, die bereits vor Erlass der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung (dazu sogleich) zur Verwendung zugelassen waren.111 So soll vermieden werden, dass der Verbraucher durch den „nano“-Zusatz irrigerweise von einem neuen Zusatzstoff ausgeht.112 b) Allgemeine Bewertung Mit der ab Dezember 2014 verpflichtenden Kennzeichnung für Nano­materialien in Lebensmitteln ist eine zentrale Forderung von Verbraucherschutzverbänden erfüllt worden. Der Verbraucher kann dann eine bewusste Entscheidung über den Konsum entsprechender Produkte treffen. Durch die begriffliche Eingrenzung dessen, was als Nano­material im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist, wird ein Mindestmaß an Rechtssicherheit für den Normadressaten gewährleistet. Freilich kann auch hier bemängelt werden, dass die Beschränkung auf einen Größenbereich von 1 bis 100 nm möglicherweise zu kurz greift.113 Soweit im Einzelfall solche Stoffe von der Kennzeichnungsverpflichtung ausgeklammert werden sollen, die sich in ihrer Anwendung seit vielen Jahren bewährt haben und seit jeher produktionsbedingt im Nanoformat auftreten, erscheint dies sachgerecht.114

111 Europäische Kommission, Entwurf einer delegierten Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, C(2013) 8887 final, dort Erwägungsgrund Nr. 10 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 112 Ebda, Erwägungsgrund Nr. 11. 113 Zu dieser Problematik siehe oben B. I. 1. d). 114 Siehe hierzu auch unten F. I. 4.

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

3. Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung a) Überblick Die EU-Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung115 begründet ein umfassendes Zulassungsregime für Lebensmitteladditive. Diese dürfen erst dann verwendet werden, wenn sie in eine Gemeinschaftsliste der zugelassenen Substanzen aufgenommen worden sind.116 Dies erfolgt nur, soweit u. a. die gesundheitliche Unbedenklichkeit dargelegt wird (Art. 6 Abs. 1 lit. a). Damit liegt der Verordnung ein sehr weitgehendes Positivlistensystem zugrunde, welches die Beweislast in­ sofern auf den Antragsteller verschiebt, als dass diesen umfassende Darlegungsund Mitwirkungspflichten treffen.117 Bereits vor der Neufassung des EU-Kosmetikrechts wurde die Regelung der Lebensmittelzusatzstoffe überarbeitet. Damit erhielt die Verordnung als erste unionsrechtliche Vorschrift explizite Bezüge auf Nano­materialien. Nach Art. 12 der Verordnung sind Zusatzstoffe, deren Ausgangsstoffe oder Produktionsverfahren „durch die Anwendung der Nanotechnologie“ verändert werden, als neuer Zusatzstoff zu betrachten. Dies hat zur Folge, dass der Stoff eines eigenen Eintrags in die Gemeinschaftsliste der Zusatzstoffe bedarf. Damit begründet die Verordnung einen eigenständigen Zulassungsvorbehalt für nanopartikuläre Lebens­mittelzusatzstoffe. Darüber hinaus enthält die Verordnung jedoch keine nanospezifischen Vorschriften. Auch wenn diese nanospezifische Vorschrift zunächst recht unscheinbar wirkt, so dürfte ihre praktische Bedeutung zukünftig erheblich sein. Denn glaubt man aktuellen Voraussagen, dann wird die Anwendung nanopartikulärer Zusatzstoffe in Lebensmitteln erhebliche Relevanz haben. b) Allgemeine Bewertung Die Vorschrift des Art.  12 und die Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung ins­ gesamt müssen vor dem im Jahre 2008 noch deutlich geringeren Wissensstand über Nano­materialien gesehen werden. Gleiches gilt für die fehlenden Eingrenzungen des Begriffs der „Nanotechnologie“, der noch größere Unschärfen aufweist als der des „Nano­materials“, der im Übrigen in der Verordnung überhaupt

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VO (EG) Nr. 1333/2008, ABl. 2008 L 354, S. 16 ff. Die Verordnungen (EU) Nr. 1129/2011, ABl. 2011 L 295, S. 1 ff. und (EU) Nr. 1130/2011, ABl. 2011 L 295, S. 181 ff., enthalten Listen mit denjenigen Lebensmittelzusatzstoffen, die bereits vor dem Inkrafttreten der Zusatzstoff-Verordnung verwendet werden durften. Diese unterliegen einer Neubewertung auf Grundlage der VO (EU) Nr. 257/2010, ABl. 2010 L 80, S. 19 ff. 117 Siehe Art. 5 Abs. 1 der Verordnung. Zum Übergang der Beweislast Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zum Vorsorge­prinzip, KOM (2000) 1 endgültig, S. 23 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu) und Szajkowska, S. 74 f. 116

II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug

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keine Verwendung findet.118 Problematisch erscheint zudem mangels näherer begrifflicher Spezifizierung das Kriterium der „Unbedenklichkeit“ nach Art.  6 Abs. 1 lit. a., welche Voraussetzung für die Aufnahme eines Stoffes in die Gemeinschaftsliste ist. So kann die Regelung auch dahingehend verstanden werden, dass ein Stoff unbedenklich ist, wenn keine gegenteiligen Erkenntnisse vorliegen, welches häufig noch bei Nano­materialien der Fall sein wird.119 Von besonderem Interesse ist die Qualifizierung eines Zusatzstoffes als neuem, zulassungsbedürftigem Stoff, soweit die Partikelgröße durch „Nanotechnologie verändert wird“. Damit begründet die Verordnung die erste eigene Zulassungspflicht für Nano­ substanzen.120 4. Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnungen a) Überblick Die Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnung über aktive und intelligente Materialien und Gegenstände121 nahm als erster Rechtssatz im Feld des EU-Lebensmittelkontaktmaterialienrechts explizit auf Nanostrukturen Bezug. Damit trägt die Verordnung der zukünftigen Bedeutung von Nano­materialien in diesem sensiblen Bereich Rechnung.122 Aktive und intelligente Verpackungsbestandteile dürfen grundsätzlich nur auf Stoffen beruhen, die in einer „Gemeinschaftsliste“ aufgeführt sind (Art. 5 Abs. 1). Hiervon lässt Art. 5 Abs. 2 zwar bestimmte Ausnahmen zu. Diese gelten nach Abs. 2 lit. c ii) jedoch nicht für „Stoffe, die gezielt auf Partikelgröße synthetisiert wurden und deren funktionelle physikalische und chemische Eigenschaften sich erheblich von den Eigenschaften unterscheiden, die sie bei größerer Struktur aufweisen.“ Dabei betreffen die Ausnahmen von der Zulassungspflicht u. a. Stoffe, die nicht direkt mit dem Lebensmittel in Berührung kommen, da sie hieran von einer sog. funktionellen Barriere gehindert werden (Art. 5 Abs. 2 lit. c). Dieser Ausschluss von der Rückausnahme fußt auf der Erwägung, dass hierbei in geringfügigem Maße eine Migration in das Lebensmittel stattfinden kann. Wie sich auch aus den Erwägungsgründen ergibt, die explizit auf die Nanotechnologie eingehen123, soll damit vor allem den besonderen Herausforderungen durch Nano­materialien Rechnung getragen werden.

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Rucireto, S. 364 f. Hierzu auch Mielke, S. 212 ff. Rucireto, S. 369 f. 120 Nähere Betrachtung findet speziell das Zulassungsregime der Zusatzstoff-Verordnung im Abschnitt zu den Zulassungsvorschriften unten bei F. IV. 2. c) und F. IV. 6. 121 VO (EG) Nr. 450/2009, ABl. 2009 L 125, S. 3 ff. 122 Zur Bedeutung von Nano­materialien im Bereich der Lebensmittelverpackungen siehe oben B. II. 1. 123 Erwägungsgrund Nr. 14. 119

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

Seit Anfang 2011 erfasst auch die Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnung über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff124 „Nanostrukturen“. Diese sieht ebenfalls ein Zulassungssystem für Stoffe in Kontaktmaterialien vor, von dem wiederum im Falle einer funktionellen Barriere eine Ausnahme gemacht wird (Art. 13 Abs. 2, 14 Abs. 2). Nach Art. 9 Abs. 2 dieser Verordnung bedürfen „die bei der Herstellung von Kunststoffschichten in Materialien und Gegenständen aus Kunststoff verwendeten“ Nanostoffe der ausdrücklichen Zulassung.125 Die dem Makrostoff zugrunde liegende Risikobewertung soll nicht für den Nanostoff gelten und auf einer „Einzelfallbasis“ vollzogen werden.126 Wie schon bei der Verordnung Nr. 450/2009 gilt die Ausnahme im Falle einer funktionellen Barriere nicht, wenn im Kontaktmaterial Nano­materialien verwendet werden. b) Allgemeine Bewertung Mit der eigenständigen Zulassungspflicht und der Betonung einer Einzelfall­ betrachtung der möglichen Risiken von Nanostoffen in Lebensmittelkontaktmaterialien sieht die Verordnung (EU) Nr. 10/2011 ein wichtiges, aber auch einschneidendes Instrument vor, um der Ungewissheit über die Auswirkungen der Verwendung von Nano­materialien im Bereich der Lebensmittelverpackungen zu begegnen. Dabei fällt auf, dass die Vorschrift keine eigene Definition etwa des dort verwendeten Begriffs „Nanostruktur“ vorsieht. So bleibt eine gewisse Unsicherheit über den erfassten Größenbereich bestehen, die zu Rechtsunsicherheiten für den Normadressaten führen kann. Dieses Manko wird auch der Verordnung (EG) Nr.  450/2009 über aktive und intelligente Materialien zuteil. Im Zweifel wird man bei beiden Verordnungen die Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission zugrunde legen. Unklar bleibt die Verordnung (EG) Nr.  450/2009 auch im Hinblick auf eine eigene Zulassungspflicht für Nanostoffe in Kontaktmaterialien. Zwar betont sie in Art. 5 Abs. 2 lit. c ii), dass die Privilegierungen bei funktionellen Barrieren u. a. nicht für größenmodifizierte Partikel gelten sollen, worunter eindeutig auch Nano­materialien fallen sollen. Anders als Art.  9 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 10/2011 existiert aber keine Regelung, die explizit eine eigene Prüf- oder Zulassungspflicht für Nano­materialien vorsieht. Damit kann aktuell nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass eine eigene Zulassungspflicht für solche Materialien intendiert ist. Im Übrigen bleibt fraglich, was als „erheblicher“ Unterschied der Eigenschaften nach Art. 5 Abs. 2 lit. c ii) der Verordnung Nr.  450/2009 im Vergleich zum Makrostoff zu verstehen ist. Was die aus nanoregulatorischer Perspektive besonders relevanten Vorschriften zur

124

VO (EU) Nr. 10/2011, ABl. 2011 L 12, S. 1 ff. Die Zulassung von Lebensmittelkontaktmaterialien richtet sich nach den Art. 8 ff. der VO (EG) Nr. 1935/2004, ABl. 2004 L 338, S. 4 ff. 126 Erwägungsgrund Nr. 23. 125

II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug

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Zulassungspflicht von Nanostoffen in Kontaktmaterialien und deren primärrechtliche Bewertung angeht, sei wiederum auf die Ausführungen in Abschnitt F. IV. 6. verwiesen. 5. Die neue Biozid-Verordnung a) Überblick Seit dem Jahre 2013 wird die bisherige Biozid-Richtlinie 98/8/EG127 durch die neue EU-Biozid-Verordnung128 abgelöst. Diese sieht nach umfangreichen An­ passungen im Gesetzgebungsverfahren129 nunmehr verschiedene spezifische Regelungen für Nano­materialien vor. Die Biozid-Verordnung verfügt über Zulassungsregime für Wirkstoffe zur Verwendung in Biozidprodukten und für die Biozidprodukte selbst. Genehmigte Wirkstoffe werden in eine Positivliste der Union übernommen, so dass insofern die Zulassung generelle Wirkung entfaltet. Nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung erstreckt sich die Zulassung, soweit nichts anderes ausdrücklich geregelt ist, nicht auf nanoskalige Substanzen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese einer eigenen Genehmigung bedürfen. Daneben sieht die Verordnung ein aus­ differenziertes Zulassungssystem für Biozidprodukte vor (Art. 19 ff.). Soweit ein solches Biozidprodukt Nano­materialien enthält (also unabhängig von der Frage nach einem Wirkstoff mit nanoskaligen Bestandteilen), ist das Risiko für Umwelt und Gesundheit einer gesonderten Bewertung zu unterziehen (Art. 19 Abs. 1 lit. f). Einer eigenen Zulassung dieses Produktes bedarf es insoweit nicht. Das in bestimmten Fällen mögliche vereinfachte Zulassungsverfahren gilt nicht für Produkte, die Nano­materialien enthalten (Art. 25 lit. c). Neben diesem sich nunmehr explizit auch auf nanopartikuläre Zusätze beziehenden Zulassungsregime sieht die neue EU-Biozid-Verordnung nun ebenfalls eine Kennzeichnungspflicht für Biozidprodukte mit entsprechenden Inhalts­stoffen vor. Diese sind ebenfalls mit dem Zusatz „Nano“ zu versehen (Art. 69 Abs. 2 lit. b). Darüber hinaus soll das Etikett einen weiteren Hinweis auf nanoskalige Inhaltsstoffe aufweisen. Überdies sind „mögliche, sich daraus ergebende spezifische Risiken“ anzugeben. Damit weist die Kennzeichnungspflicht nach der Biozid-Verordnung einen Risikobezug auf, während die zusätzlichen Angaben im Bereich der Lebensmittel und Kosmetika allein der freien Verbraucherentscheidung dienen. Einen Risikohinweis allein eines nanopartikulären Inhaltsstoffes wegen sieht damit aber auch die Biozid-Verordnung nicht vor. Soweit einem Stoff oder einem Ge 127

ABl. 1998 L 123, S. 1 ff. VO (EU) Nr. 528/2012, ABl. 2012 L 176, S. 1 ff. 129 Siehe etwa Rat der Europäischen Union, Interinstitutionelles Dossier 2009/0076 (COD), 5412/12 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 128

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E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

misch lediglich ein oder mehrere Biozidprodukte mit Nanobestandteilen bei­gefügt werden (sog. behandelte Waren), soll ein entsprechender „Nano“-Zusatz wiederum ausreichend sein (Art. 58 Abs. 3 lit. d). Wie auch bei der Kosmetik-Verordnung weisen die nanospezifischen Vorschriften der Biozid-Verordnung vielfach die Möglichkeit der Überprüfung und Änderung vor. Dies gilt zunächst für die Definition eines „Nano­materials“, welche sich nach der Empfehlung 2011/696/EU der Europäischen Kommission130 richtet, Art. 3 Abs. 5. Hiernach kann die Kommission auch entscheiden, ob ein bestimmter Stoff als Nanosubstanz zu qualifizieren ist oder nicht (Art. 3 Abs. 3). b) Allgemeine Bewertung Die neue EU-Biozid-Verordnung enthält zusammen mit der Kosmetik-Verordnung die bislang detailliertesten nanospezifischen Regelungen. Ein Allein­ stellungsmerkmal ist die Verpflichtung zu einer risikobezogenen Produktkennzeichnung. Positiv hervorzuheben ist aber vor allem, dass die Eignung der wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung der Nano­materialien darzulegen ist.131 Eine eingehende Untersuchung der Kennzeichnungs- und Zulassungspflicht findet sich in den Abschnitten F. I. 2. und 5. sowie F. IV. 2. c) und 6. 6. Verordnung über besondere Lebensmittel a) Überblick Seit dem 19. Juli 2013 ist die Verordnung über besondere Lebensmittel (EU) Nr.  609/2013132 in Kraft. Die Verordnung sieht vor allem besondere Anforderungen für die Zusammensetzung von sowie die Information über besondere[n] Lebensmitteln vor (Kapitel II.). Unter die besonderen Lebensmittel fallen etwa Säuglingsnahrung, Getreidebeikost sowie Lebensmittel für medizinische Zwecke (Art. 1 Abs. 1). Weiterhin enthält die Verordnung eine Positivliste von Stoffen, die den besonderen Lebensmitteln beigefügt werden dürfen (Art. 15 i. V. m. dem Anhang). Besondere Lebensmittel dürfen „keinen Stoff in einer solchen Menge enthalten, dass dadurch die Gesundheit der Personen, für die sie bestimmt sind, gefährdet wird“ (Art. 9 Abs. 2). Die Unbedenklichkeit der Verwendung synthetischer

130

Siehe oben B. I. 1. b). Vgl. Anhang II Nr. 6: „Werden Versuchsmethoden für Nano­materialien angewendet, so ist ihre wissenschaftliche Eignung für Nano­materialien zu begründen; gegebenenfalls sind die technischen Anpassungen zu erläutern, die vorgenommen wurden, um den spezifischen Eigenschaften dieser Materialien gerecht zu werden“ (ebenso Anhang III Nr. 5). 132 ABl. 2013 L 118, S. 35 ff. 131

II. Vorschriften mit explizitem Nano-Bezug

115

Nano­materialien ist „gegebenenfalls anhand geeigneter Testverfahren nachzuweisen“ (Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2). Hinsichtlich des Begriffs eines „Nano­materials“ macht sich die Verordnung die Definition der Lebensmittelinformations-Verordnung zu eigen (Art. 2 Abs. 1 lit. b). Soweit u. a. die Partikelgröße eines Stoffes, der gemäß der Verordnung in besonderen Lebensmitteln verwendet werden darf, „durch Nanotechnologie geändert wird, sollte dieser Stoff als ein anderer betrachtet werden als der, der nach dieser Verordnung verwendet worden ist“, und gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 (Novel Food) und anschließend gemäß der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 einer erneuten Beurteilung unterzogen werden133. Damit rekurriert die Verordnung auf die Regelungen zum Novel Food. Vor allem die besonderen Anforderungen über die Zusammensetzung und die Information beanspruchen erst ab dem 20. Juli 2016 Geltung (Art. 22 Abs. 2). b) Allgemeine Bewertung Ebenso wie die Biozid-Verordnung stellt auch die Verordnung über besondere Lebensmittel auf „geeignete“ Testverfahren zum Nachweis der Unbedenklichkeit von Nano­materialien ab. Diese Vorschrift dürfte insbesondere auch vor den gescheiterten Bemühungen zur Reform der Novel-Food-Verordnung zu sehen sein, die in ihrer aktuellen Fassung keine nanospezifischen Regelungen trifft. Offenbar war hier der EU-Gesetzgeber um Klarstellung bemüht. Dies ist ihm angesichts der sehr allgemeinen Formulierungen jedoch nur sehr bedingt gelungen. Eine eigene primärrechtliche Relevanz entfaltet die Verordnung nicht. 7. Exkurs: Verordnung über Medizinprodukte Unter dem massiven Eindruck des Skandals um unsichere Brustimplantate wurde in der Union im Jahre 2012 die Neuregelung des Medizinprodukterechts forciert. Besteht der aktuelle unionsrechtliche Rahmen im Wesentlichen aus den Richtlinien 90/385/EWG134 und 93/42/EWG135, soll in Zukunft eine Verordnung einheitlichen Standards in der Union zur Geltung verhelfen.136 Diese soll nunmehr auch – anders als ihre Vorgängerregelungen – explizit Nano­materialien adressie-

133

Erwägungsgrund Nr. 23. ABl. 1990 L 189, S. 17 ff. 135 ABl. 1993 L 169, S. 1 ff. 136 Siehe umfassend Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr.  178/2002 und der Verordnung (EG) Nr.  1223/2009, COM(2012) 542 final (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 134

116

E. Nanoregulierung auf europäischer Ebene

ren.137 In Annex 1 des Verordnungsentwurfs sind allgemeine Vorgaben für Medizinprodukte festgeschrieben. So bestimmt Nr. 7.6: „Die Produkte werden so konzipiert und hergestellt, dass die Risiken in Verbindung mit der Größe und den Eigenschaften der verwendeten Bestandteile so weit wie möglich verringert werden. Besondere Vorsicht ist anzuwenden, wenn die Produkte Nano­materialien enthalten oder aus solchen bestehen, die in den Körper des Patienten oder des Anwenders übergehen können.“

Daneben soll das Medizinprodukt auch eine entsprechende Kennzeichnung erfahren: „Gegebenenfalls den Hinweis, dass das Produkt Nano­material enthält oder daraus besteht, sofern das Nano­material nicht auf eine Art und Weise verkapselt oder fixiert ist, dass es bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Produkts nicht in den Körper des Patienten oder des Anwenders freigesetzt werden kann“ (Nr. 19.2 lit. f).

Inwieweit diese Regelungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren Bestand haben werden, bleibt abzuwarten.

III. Fazit zu Teil E. Grundsätzlich ist eine Regelung von Nano­materialien durch das Unionsrecht zwar gewährleistet. Zunächst werden Nanostoffe durch alle ersichtlichen stoffrechtlichen Regelungsregime dem Grunde nach erfasst. Daneben existieren bereits nanospezifische Vorschriften für einzelne Regelungsbereiche. Der vorangegangene Teil E. hat jedoch aufgezeigt, dass im Detail noch großer Anpassungsbedarf besteht. Dies gilt nicht nur für die noch nicht nanospezifischen Normen, sondern durchaus auch für die Rechtsregime, die bereits Änderungen erfahren haben. So ist in manchen Fällen durch die Ergänzung nicht näher eingegrenzter Begriffe oder unklarer Vorschriften eine Unsicherheit geschaffen worden, die der zügigen Korrektur bedarf. Vor diesem Hintergrund kommt Rucireto zu dem Ergebnis, „dass das europäische Stoffrecht seine Ziele für Nano­materialien derzeit noch nicht erreichen [und] […] es bereits den aktuellen Herausforderungen, die mit dem Aufkommen der Nanotechnologie […] einhergehen, schon nicht mehr gerecht werden“ kann.138

137 Siehe Erwägungsgrund Nr.  64: „Verwenden Hersteller Nanopartikel, die im menschlichen Körper freigesetzt werden können, so sollten sie bei Konzeption und Herstellung der betreffenden Medizinprodukte besondere Vorsicht walten lassen; außerdem sollten diese Produkte den strengstmöglichen Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen werden.“ 138 Rucireto, S. 512.

F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht anhand konkreter Instrumente Im nun folgenden Abschnitt werden fünf klassische Instrumente der Techno­ logieregulierung dargestellt und ihre Anwendbarkeit und Tauglichkeit zur regulatorischen Steuerung von Nano­materialien untersucht. Hierbei handelt es sich um Kennzeichnungs-, Melde- und Zulassungspflichten sowie Partikelgrenzwerte und Stoffverbote/Moratorien, die allesamt bereits als Mechanismen zur Technologiesteuerung in der EU herangezogen werden bzw. herangezogen worden sind (Moratorien). Nach einer näheren Betrachtung der jeweils schon bestehenden Regelungen werden weitere Ausgestaltungsoptionen erörtert. Es wird erläutert, welche Form nanospezifische Ausprägungen dieser Regulierungsinstrumente annehmen könnten. Hieran schließt sich eine Überprüfung der primärrechtlichen Vereinbarkeit dieser möglichen zukünftigen Regelungen und auch des jeweils bereits bestehenden Rechts an. Insbesondere wird untersucht, welche Grenzen das Primärrecht der Ausgestaltung spezieller regulatorischer Nano-Mechanismen setzt und ob diese durch die bereits vorhandenen Regelungen im EU-Kosmetik-, Lebensmittel- und Biozidrecht eingehalten werden.

I. Die Kennzeichnung von Nano­materialien 1. Die Kennzeichnung im Recht der Europäischen Union Im sekundären Unionsrecht sind seit langem verschiedene Formen der Kennzeichnungspflicht bekannt. Im Wesentlichen kann insofern zwischen zwei Arten differenziert werden: zum einen die Angabe von Inhaltsstoffen und zum anderen Gefahren-, Gebrauchs- und Sicherheitshinweise einschließlich Informationen zur Produktsicherheit. Damit verknüpft das Unionsrecht ein berechtigtes Informationsinteresse des Verbrauchers über bestimmte Inhaltsstoffe nicht zwingend mit der Risikoträchtigkeit bestimmter Materialien. So ist bspw. seit dem Jahre 2003 der Einsatz genetisch veränderter Organismen in Lebensmitteln deklara­tionspflichtig.1 1 Dies gilt jedoch erst ab einem Mindestgehalt von 0,9 %, siehe Art.  12 Abs.  2 der VO (EG) Nr. 1829/2003, ABl. 2003 L 268, S. 1 ff., i. V. m. Art. 4 Abs. 6 der VO (EG) 1830/2003 ABl. 2003 L 268, S. 24 ff. Auch die VO (EG) Nr. 1394/2007, ABl. 2007 L 324, S. 121 ff., trägt dem Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers Rechnung, indem sie für sog. neuartige Arzneimittel folgende Kennzeichnung auf der Primärverpackung vorsieht: „Dieses Produkt enthält Zellen menschlicher/tierischer [je nachdem] Herkunft.“ (Art. 11 i. V. m. Anhang III lit. b). Daneben ist eine „Kurzbeschreibung dieser Zellen oder Gewebe und ihrer genauen Herkunft“ einschließlich der „Angabe der Tierart im Falle nicht menschlicher Herkunft“ erforderlich.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Zutaten und weitere Angaben bei Lebensmitteln oder die Inhaltsstoffe von Kosmetika oder Arzneimitteln sind ebenfalls auf der Verpackung aufzuführen.2 Von dieser vor allem dem Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers Rechnung tragenden Kennzeichnung sind risikobezogene Gebrauchs- und Sicherheitshinweise zu unterscheiden, die das Sekundärrecht vor allem bei zahlreichen Bedarfsgegenständen vorsieht.3 Soweit hier auch die Angabe von Inhaltsstoffen vorgeschrieben ist, beschränkt sich die Deklarationspflicht zumeist auf bestimmte Substanzen, die etwa eine sachgerechte Handhabung des Produkts erfordern.4 Erwachsen aus der Verwendung bestimmter Stoffe mögliche Risiken, besteht seitens des Verbrauchers ein besonderes Interesse an spezifizierender Information. Diesem wird durch die Kennzeichnungspflicht für Gefahrstoffe Rechnung getragen. Hiernach sind als gefährlich im Sinne der Richtlinie 67/548/EWG bzw. der CLP-Verordnung klassifizierte Stoffe und Stoffgemische entsprechend ihrer Einstufung zu kennzeichnen (Art. 4, Art. 17 ff. CLP). Auf andere Endprodukte als Stoffe und Stoffgemische erstreckt sich die Kennzeichnungspflicht nach der CLP-Verordnung jedoch nicht. Denn die Verwendung eines als gefährlich klassifizierten Stoffes soll nach Ansicht des EU-Gesetzgebers nicht zwangsläufig zu einem Risiko für den Nutzer eines auch auf der Substanz beruhenden Produkts führen.5 So könnten durchaus auch als karzinogen oder mutagen eingestufte Stoffe z. B. in kosmetischen Produkten verwendet werden.6 Freilich gelten aber auch für diese die allgemeinen Anforderungen an die Produktsicherheit.7 Wie bereits erörtert, gestaltet sich die entsprechende Klassi 2

Siehe für Lebensmittel: RL 2000/13/EG, ABl. 2000 L 109, S. 29 ff.; siehe für Arznei­ mittel: Art. 54 der RL 2001/83/EG, ABl. 2001 L 311, S. 67 ff., wobei eine detaillierte Auflistung der Inhaltsstoffe der Packungsbeilage zu entnehmen ist (Art. 59); siehe für Kosmetika: Art. 19 der VO (EG) Nr. 1223/2009, ABl. 2009 L 342, S. 59 ff. 3 So sind bspw. bei Textilien nach der VO (EU) Nr. 1007/2011, ABl. 2011 L 272, S. 1 ff. oder bei Schuhen nach der RL 94/11/EG, ABl. 1994 L 100, S. 37 ff. nur sehr allgemeine Hinweise über die Zusammensetzung des Produkts anzubringen, die eher eine Aussage über die allgemeine Produktqualität treffen. 4 Im Bereich der Kennzeichnung von Inhaltsstoffen in Wasch- und Reinigungsmitteln sind nach der sog. Detergenzien-Verordnung VO (EG) Nr. 648/2004, ABl. 2004 L 104, S. 1 ff., bestimmte Substanzen wie etwa verschiedene Tenside als Inhaltsstoffe anzugeben (Art.  11 Abs. 3, 4 i. V. m. Anhang VII, A. und B.). Auch Enzyme, Desinfektionsmittel, optische Aufheller, Duftstoffe und Konservierungsmittel sind deklarationspflichtig (ebda). Im Übrigen sind keine präzisen Angaben über die Inhaltsstoffe zu machen. Jedoch ist eine Liste der weiteren Inhaltsstoffe im Internet bereitzustellen (Art.  9 Abs.  3 i. V. m. Anhang VII, D.). Bei Waschmitteln ist zusätzlich auf die richtige Dosierung hinzuweisen (Art.  11 Abs.  4 i. V. m. Anhang VII, C.). Die Angabe spezieller Gebrauchshinweise sieht auch Art. 8 i. V. m. dem Anhang der sog. Aerosol-Richtlinie 75/324/EWG, ABl. 1975 L 174, S. 40 ff., vor. 5 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 32 der VO (EG) Nr. 1223/2009. 6 Ebd. Zur Problematik von Schadstoffen in Endprodukten siehe umfassend Kalberlah/ Schwarz. 7 Insoweit bestehen zahlreiche Regelungen im Bereich der Produktsicherheit. Einen grundlegenden Schutz soll die Produktsicherheitsrichtlinie RL  2001/95/EG gewährleisten, ABl. 2002 L 11, S. 4 ff. Darüber hinaus existieren zahlreiche spezielle Vorschriften. Zu gefährlichen Stoffen in Kinderspielzeug siehe etwa Art. 10 Abs. 2 und Anhang II, Teil III. der Richtlinie 2009/48/EG, ABl. 2009 L 170, S. 1 ff., zur Sicherheit von Kinderspielzeug. Zur Si-

I. Die Kennzeichnung von Nano­materialien

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fizierung von nanoskaligen Materialien angesichts von Un­sicherheiten in den Testund Messmethoden jedoch als schwierig. Eine gefahrstoffbezogene Kennzeichnungspflicht nach der bestehenden CLP-Verordnung ist daher kurzfristig nicht zu erwarten. Die Nanoeigenschaft ergibt sich aus den sog. H- und P-Sätzen der CLPVerordnung ohnehin nicht. 2. Spezielle Kennzeichnungspflichten für Nano­materialien Wie bereits erörtert, sehen bislang drei Regularien des Sekundärrechts Kennzeichnungsvorschriften für Nano­materialien vor: die Kosmetik-Verordnung, die Lebensmittelinformations-Verordnung und die Biozid-Verordnung. Allen drei Regimen ist gemein, dass sich die Kennzeichnung zunächst auf einen bloßen „Nano“Zusatz in der Liste der Inhaltsstoffe beschränkt (Art. 19 Abs. 1 lit. g UAbs. 4 Kosmetik-Verordnung; Art. 18 Abs. 3 Lebensmittelinformations-Verordnung; Art. 58 Abs. 3 lit. d und Art. 69 Abs. 2 lit. b Biozid-Verordnung). Hiervon weicht die Biozid-Verordnung indes insoweit ab, als dass sie darüber hinaus auch einen weiteren deutlichen Hinweis auf der Produktverpackung (Art. 69 Abs. 2 lit. b) und eine Risikokennzeichnung (ebda) vorsieht, wobei letztere in das Ermessen des Herstellers gestellt wird. Dies gilt jedoch nicht für sog. behandelte Waren (vgl. Art. 58 Abs. 3). 3. Allgemeine Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens An der unterschiedlichen Ausgestaltung von Kennzeichnungsverpflichtungen wird deutlich, dass die Angabe von Inhaltsstoffen nicht allein aus dem Blickwinkel eines vorsorgeorientierten Risiko- und Gefahrenmanagements zu betrachten ist. Zwar dienen diese Informationen auch dazu, Unverträglichkeiten oder Kreuzwirkungen mit anderen Substanzen zu vermeiden. Gerade im Bereich der verbrauchernahen Produkte wie Lebensmittel oder Kosmetika begründet aber auch das Informationsrecht des Verbrauchers nach Art. 169 Abs. 1 AEUV ein Recht auf das Wissen darüber, welche Substanzen dem menschlichen Körper durch welches Produkt zugeführt werden und bringt somit das Selbstbestimmungsrecht des Konsumenten zum Ausdruck.8 Aus grundrechtlicher Perspektive ist dieses Informations- und Selbstbestimmungsrecht am ehesten in den Vorschriften der Art. 7 und Art. 37 GrCh zu verorten.9 cherheit von Lebensmittelkontaktmaterialien siehe VO (EU) Nr.  10/2011, ABl.  2011 L  12, S. 1 ff. Neben den allgemeinen Anforderungen an die Produktsicherheit bestehen im nationalen und unionalen Recht Grenzwerte für einzelne Stoffe. 8 Vgl. Meyer, StoffR 2010, S. 11 (17) m. w. N. Ein berechtigtes Informationsinteresse des Konsumenten mit Blick auf nanoskalige Inhaltsstoffe konstatierend Calliess/Stockhaus, JEEPL 2012, S. 113 (134). 9 Unter dem Gesichtspunkt der Achtung des Privatlebens gewährleistet Art. 7 GrCh auch den Schutz des körperlichen Selbstbestimmungsrechts, siehe Tettinger, in: Tettinger/Stern, Art. 7 Rn. 11 ff.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Vor allem im Bereich neuer Technologien und neuartiger Produktanwendungen genießt das Informations- und Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers einen hohen Stellenwert. Dass es sich hierbei auch um individuelle Affinitäten und sozioökonomisch begründete Reflexe handelt, zeigt anschaulich das Beispiel der Kennzeichnung von Lebensmitteln, die genetisch veränderte Organismen enthalten.10 Da hier wie auch in zahlreichen anderen Fällen negative Auswirkungen auf die Verbrauchergesundheit bislang nicht festgestellt werden konnten und eine entsprechende risikobezogene Kennzeichnung nicht möglich bzw. sinnvoll ist, soll dem Konsumenten durch die Angabe der Inhaltsstoffe ermöglicht werden, sich bewusst für oder gegen den neuen Stoff oder das neue Produktionsverfahren zu entscheiden.11 Im Unterschied zur Gentechnologie können vergleichbar „affektiv aufgeladene Widerstände“12 bei den Nanotechnologien aktuell zwar noch nicht verzeichnet werden.13 Studien zeigen jedoch, dass die Verbraucherwahrnehmung offenbar einem Wandel unterliegt. Während die Sorgen über mögliche Risiken gewachsen sind, haben die Kenntnisse über spezifische positive Eigenschaften von Nano­materialien abgenommen.14 Dabei hängt die Verbraucherwahrnehmung auch davon ab, in welchem Produkt Nano­materialien eingesetzt werden sollen. Kritisch wird dies vor allem bei Lebensmitteln und Sonnencremes gesehen.15 In dieses Bild fügt sich auch das bereits genannte Urteil des LG Dortmund16 ein, in dem es um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit eines Werbeetiketts „Frei von Nanotechnologie“ auf einem Sonnenschutzmittel ging. Mit Blick auf die neuen stofflichen Eigenschaften von Nano­materialien kann konstatiert werden, dass auch hier der Gesichtspunkt der Verbraucherinformation im Vordergrund steht. Etwaige „Sicherheitshinweise“ dürften schon mangels gesicherter Erkenntnisse über die Expositionswege jedenfalls aktuell nur einen bedingten Nutzen haben. Hier scheint am ehesten sinnvoll, die Frage eines zusätzlichen Sicherheitshinweises in das Ermessen des Produzenten zu stellen, wie es etwa die Biozid-Verordnung vorsieht, wenngleich diese Lösung für die Hersteller eine gewisse Rechtsunsicherheit schafft. Die Wahlfreiheit des Kunden könnte hingegen durch einen stoffunabhängigen Zusatz wie „Nano“ (wie ihn das bestehende EU-Recht im Bereich der Lebensmittel, Biozidprodukte und Kosmetika vorsieht) 10 Art. 12 Abs. 2, 24 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1829/2003, ABl. 2003 L 268, S. 1 ff., i. V. m. Art. 4 Abs. 6 der VO (EG) 1830/2003, ABl. 2003 L 268, S. 24 ff. Vgl. hierzu den Erwägungsgrund Nr. 11 der VO (EG) Nr. 1830/2003: „Die vollständige und zuverlässige Information der Verbraucher im Zusammenhang mit GVO und aus diesen hergestellten Produkten sowie Lebens- und Futtermitteln muss gewährleistet sein, damit die Verbraucher eine sachkundige Produktauswahl treffen können.“ 11 Vgl. Meßerschmidt, § 20 Rn. 40, der von „politisch reklamierte[r] Konsumentensouveränität“ spricht. 12 Vgl. Herdegen, Staat und Rationalität, S. 79. 13 Grobe/Rissanen/Funda/de Beer/Jonas, S. 100 f. 14 Grobe/Rissanen/Funda/de Beer/Jonas, S. 61 f. 15 Carreira/Epp/Lohmann/Böl, S. 79. 16 E. II. 1. d).

I. Die Kennzeichnung von Nano­materialien

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oder deutlicher noch „Dieses Produkt enthält Nano­materialien“ gewährleistet werden (dazu im Detail sogleich). Die genannten expliziten Kennzeichnungspflichten für Nano­materialien haben gemeinsam, dass sie sich auf alle Stoffe mit nanopartikulärer Abmessung erstrecken. Insofern könnte der pauschale Hinweis auf die Nanoskaligkeit eines Inhaltsstoffes möglicherweise implizit eine Vorverurteilung der entsprechenden Produkte zum Ausdruck bringen. Ebenso wenig kann durch einen allgemeinen Hinweis auf nanogroße Inhaltsstoffe eine Aussage über die Qualität und die Eigenschaften des Produkts getroffen werden.17 Erörterungsbedürftig erscheint zudem die Nichterwähnung anderer Parameter wie etwa der Partikelgröße, die jedoch Einfluss auf die (negativen) Eigenschaften eines Stoffes haben kann.18 Zwar bietet die Angabe der genauen Abmessung eines verwendeten Materials dem Verbraucher den Vorteil, dass er selbst weitere eigenständige Recherchen über die Bedeutung des jeweiligen Größenbereichs vornehmen kann.19 Für die Produktkennzeichnung erscheint eine solche Angabe indes ungeeignet, da sie in der konkreten Kaufsituation dem Verbraucher kaum einen zusätzlichen Nutzen verschaffen dürfte. Dem weiteren Informationsbedürfnis des Konsumenten könnte hier freilich durch die Angabe der Partikelgröße in einem Produktregister Rechnung getragen werden.20 Gleichwohl ist die Angabe von Inhaltsstoffen primär als Erfüllung des Informations- und damit Selbstbestimmungsrechts des Verbrauchers zu betrachten.21 Dies gilt in besonderem Maße für den Zusatz „Nano“, der keinerlei Risikobezug aufweist und damit auch keine Risikoprävention zulässt. Unter dem Gesichtspunkt der Verbraucherinformation kann daher auch eine allgemeine, stoffunabhängige Kennzeichnungspflicht gutgeheißen werden. Sie entspricht zudem der Logik des hier vertretenen Ansatzes, dass Nano­materialien als neue Substanzen zu qualifizieren sind oder zumindest einer eigenen Behandlung bedürfen. Eine weitergehende Form der Produktkennzeichnung sieht die Biozid-Verordnung vor. So verlangt die Kennzeichnungsregelung des Art.  69 Abs.  2 lit.  b der Verordnung einen zusätzlichen Risikohinweis. Eine risikobezogene NanoKennzeichnung dürfte aktuell angesichts der Unsicherheiten über die Wirkungs­ zusammenhänge jedoch kaum zur Gefahrenvermeidung geeignet sein. Indes macht Art. 69 Abs. 2 lit. b die Nanoeigenschaft nicht zu einem eigenen Risikomerkmal. Denn die Verpflichtung bezieht sich auf die Angabe von „möglichen spezifischen Risiken“. Es obliegt somit im Ergebnis der Einschätzung des Her-

17

In diese Richtung auch Meyer, StoffR 2010, S. 11 ff. (17 f.). Meyer, StoffR 2010, S. 18. 19 Ebd. 20 So auch Meyer, StoffR 2010, S. 18. 21 Siehe die Begründungserwägung Nr. 25 der Lebensmittelinformations-Verordnung: „Um Verbraucher über das Vorhandensein von technisch hergestellten Nano­materialien in Lebensmitteln zu informieren …“ 18

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

stellers, ob er bestimmte nanospezifische Schadenspotenziale speziell deklariert, wenn über deren Existenz noch Zweifel bestehen. Zu dem Problem der fehlenden oder kaum standardisierten Testmethoden äußert sich die Vorschrift nicht. Ins­ besondere sieht sie keine Zweifelsfallregelung vor. Insoweit verbleibt aber auch ein Rest an Unsicherheit für die Industrie. Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass die neuen Kennzeichnungsvorschriften für Nano­materialien bereits viele gute Ansätze zeigen, im Detail aber noch erweitert werden könnten. Daher ist nunmehr zu beleuchten, welche weiteren Ausgestaltungsoptionen für eine Kennzeichnung von Nano­materialien in Frage kommen.

4. Ausgestaltungsoptionen einer weitergehenden Kennzeichnung Die Diversität der unterschiedlichen Kennzeichnungsvorschriften wirft die Frage auf, wie weit das Informationsrecht des Verbrauchers nach Art. 169 Abs. 1 AEUV und damit die Deklarationsbedürftigkeit von Nano­materialien reichen kann. Freilich kommt zunächst die Option in Betracht, jedweden Gegenstand, der synthetische Nano­materialien enthält, dementsprechend zu kennzeichnen. Eine derart pauschale Ausgestaltung scheint indes nicht sachgerecht. Daher stellt sich die Schwierigkeit einer näheren Eingrenzung des Produktbereichs, in dem die Inhaltsstoffe für den Konsumenten eine gesteigerte Relevanz aufweisen. So dürfte es für den Konsumenten nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, inwieweit Nano­materialien in seinem Fernsehgerät verwendet werden. Dies legt es nahe, sich bei der Kennzeichnung zunächst auf Produkte zu beschränken, die ungebundene Nano­materialien enthalten. Diese dürften für den Verbraucher eine höhere Relevanz haben als fest in Matrizen eingebundene Partikel. Auch unter Expositionsgesichtspunkten scheint das explizite Ausweisen von Inhaltsstoffen neben den Bereichen der oralen Aufnahme oder jedenfalls Applikation auf den menschlichen oder auch tierischen Körper immer dann angezeigt, wenn der Verbraucher mit dem Produkt dessen Bestimmung nach einen regelmäßigen Körperkontakt pflegt. Dies dürfte bspw. für Textilien, Schuhe, Reinigungsmittel oder auch zahlreiche Babyprodukte (Spielzeug etc.) gelten. Eine solche Differenzierung mag zwar im Einzelfall Abgrenzungsschwierigkeiten auslösen. Gleichwohl erscheint eine solche Unterscheidung nach Produktkategorien die praktikabelste Lösung. Denn ein vollständiger Verzicht auf die Deklaration von Nano­materialien vermag unter Gesichtspunkten des Informations- und Selbstbestimmungsrechts des Verbrauchers nicht zu überzeugen. Ebenso wenig erscheint aber eine umfassende, sich auf jegliche Produkte erstreckende Nano-Kennzeichnung ein gangbarer Weg. Hier stößt die rechtliche Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts

I. Die Kennzeichnung von Nano­materialien

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an ihre Praktikabilitäts- und v. a. auch Kohärenzgrenzen.22 Wie schwierig die Umsetzung jedoch im Einzelfall sein kann, zeigt das Verfahren zur Neufassung der RoHS-Richtlinie23. So sind Überlegungen des Europäischen Parlaments24 zur Einführung einer umfassenden Kennzeichnungspflicht für freisetzungsfähige Nano­ materialien in Elektro- und Elektronikgeräten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens verworfen worden.25 Hier hätte das Parlament durch eine Beschränkung der vorgeschlagenen Kennzeichnung auf wirklich verbrauchernahe Produkte wie möglicherweise Mobiltelefone oder Fernbedienungen mehr Augenmaß beweisen können.26 Eine Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht erscheint vor diesem Hintergrund immer dann sachgerecht, wenn von einem gesteigerten Interesse des Verbrauchers an der Kenntnis über nanoskalige Inhaltsstoffe nicht ausgegangen werden kann. Dies dürfte zunächst für viele fest in Produkten eingebunde Nano­ materialien gelten, insbesondere wenn der Verbraucher nicht direkt mit ihnen in Berührung kommt. Eine geringe Verbraucherrelevanz werden auch solche Stoffe aufweisen, die sich von Natur aus in einem Produkt oder Stoff befinden (v. a. im Bereich der Lebensmittel) und nichts „Neues“ darstellen. Zutreffend beschränkt sich daher der Anwendungsbereich der Kennzeichnungspflicht der EU-Lebensmittelinformations-Verordnung auf synthetische Nano­materialien (Art. 18 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 lit. t). Die Überlegung, eine Ausnahme auch für bestimmte Zusatzstoffe vorzusehen, die sich in jahrzehntelanger Anwendung bewährt haben und als solches ohnehin deklarationspflichtig sind, ist insoweit sachgerecht.27 Ist nun diese Frage nach einer Kennzeichnungspflicht positiv beantwortet, bedarf die Ausgestaltung in concreto näherer Betrachtung. Hier scheinen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten der Kennzeichnung auf: ein bloßer „Nano“-Zusatz in der Liste der Inhaltstoffe (so wie ihn das bestehende Sekundärrecht teilweise schon kennt) oder alternativ ein gesonderter Hinweis auf die enthaltenen Nano­ materialien.

22

Zum Problem der Kohärenz bei der Regulierung der Nano­materialien siehe unten Abschnitt F. VI. 1. 23 RoHS-Richtlinie (Restriction of Hazardous Substances) 2011/65/EU, ABl. 2011 L 174, S. 88 ff. 24 Der sog. Evans-Bericht sah die Ergänzung eines Art. 5a vor, der in Abs. 3 wie folgt lauten sollte: „Economic operators shall label EEE that contains nanomaterials that can lead to exposure of consumers no later than […**]“, Bericht zur ersten Lesung vom 15.06.2010, A7– 0196/2010 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 25 Tiedemann, ZUR 2012, S. 281 (285). 26 Kritisch insoweit und allgemein zu einer Kennzeichnung von Nano­materialien in Elektronikgeräten Boeing, Hessen-Nanotech NEWS, Nr. 4/2010, S. 10. 27 Siehe Europäische Kommission, Entwurf einer delegierten Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, C(2013) 8887 final, dort Erwägungsgründe 10, 11 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu).

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Als Beispiel soll hier Sportbekleidung dienen, die Nanosilber für eine antibakterielle Wirkung enthält. Am naheliegendsten erscheint es, die Verwendung von nanoskaligem Silber in Sportbekleidung etwa mit einer Aufschrift „Dieses Produkt enthält Nanosilber“ auf der Vorderseite der Verpackung zu deklarieren. Eine solche Kennzeichnung hat gegenüber dem z. B. in der Kosmetik-Verordnung beschrittenen Weg eines „Nano“-Zusatzes in der Liste der Inhaltsstoffe den Vorteil, dass er vom Verbraucher deutlicher wahrgenommen werden kann.28 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die neue Biozid-Verordnung, die neben der Deklaration der „Nano“-Eigenschaft eines Inhaltsstoffes auch eine hiervon losgelöste Angabe von nanopartikulären Materialien vorsieht (Art. 69 Abs. 2 lit. b). Diese bietet sich vor allem auch bei solchen Produkten an, die keine genaue Aufzählung der Inhaltsstoffe vorsehen. Freilich macht eine solche Form der Kennzeichnung die Angabe des Hinweises in der jeweiligen Landessprache des Mitgliedstaates erforderlich. Eine weitere Schwierigkeit bei der Ausgestaltung einer präzisen Kennzeichnung ist die Partikelgröße des jeweiligen Nano­materials. Zwar wäre es vorstellbar, dem Hersteller oder Importeur der Sportbekleidung folgende Kennzeichnungspflicht aufzuerlegen: „Dieses Produkt enthält Nanosilber in einem Größenbereich von 15- 25 Nanometern“. Der Aussagewert für den Verbraucher dürfte durch eine solche Präzisierung jedoch kaum steigen.29 Zuletzt könnte sich der Hinweis auch allgemein auf die Verwendung von Nano­materialien beziehen, ohne dabei einen konkreten Stoff zu nennen: „Dieses Produkt enthält Nano­materialien“.30 Um die von der Industrie befürchtete Stigmatisierung31 von Nano­materialien enthaltenden Produkten zu vermeiden, könnte eine Präzisierung der Kennzeichnung dahingehend erfolgen, dass die Funktion der nanoskaligen Substanzen näher beschrieben wird. Auf diese Weise könnte eine Missinterpretation der Kennzeichnung als Warnhinweis verhindert werden.32 Dementsprechend könnte die Kennzeichnung auch wie folgt lauten: „Zur Unterstützung der antibakteriellen Wirkung enthält dieses Produkt Nanosilber.“ Die Angabe der Funktion eines Nano­materials im Produkt kann jedoch im Widerspruch zu den schutzwürdigen Geheimhaltungs­

28

Vgl. Epp/Kurzenhäuser/Hertel/Böl, S. 163 ff. Im Übrigen müsste bei einer solchen Form der Kennzeichnung bedacht werden, dass Produkt- und Geschäftsgeheimnisse durch die Offenlegung des Größenbereichs eines Nano­ materials betroffen sein können. Siehe dazu ausführlich unten F. I. 5. a) bb). 30 Zu einer Kennzeichnung „Enthält metallische Zusätze“ siehe EuGH, Rs. C-343/09, Slg. 2010, I-7023 Rn. 85 ff. – Afton Chemical Limited ./. Secretary of State for Transport. 31 Stellungnahme des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des deutschen Bundestags am 24.10.2011 zum Thema „Verbraucheraspekte beim Umgang mit der Nanotechnologie, Ausschuss-Ds. 17 (10)615-B, Frage 13; Positionspapier des Europäischen Dachverbandes der Lack-, Druck­ farben und Künstlerfarbenindustrie (CEPE). 32 Stellungnahme der Verbraucherzentrale Bundesverband im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des deutschen Bundestags am 24.10.2011 zum Thema „Verbraucheraspekte beim Umgang mit der Nanotechnologie, Ausschuss-Ds. 17(10)615-E, Frage 13. 29

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interessen des Unternehmens stehen.33 Aus diesem Grunde sollte diese Ergänzung der Kennzeichnung freiwillig sein. Im Übrigen mutet die Sorge verschiedener Hersteller vor einer Stigmatisierung der Produkte, die Nano­materialien enthalten, widersprüchlich an, wurde doch die Verwendung von Nanosubstanzen lange Zeit ausdrücklich beworben. Dies gilt häufig bis heute. So werden zahlreiche Produkte nach wie vor mit dem Zusatz „Nano“ im Produktnamen versehen oder der Einsatz der Nanotechnologien geradezu angepriesen, obwohl einige dieser Produkte nanoskalige Materialien nicht einmal enthalten.34 5. Primärrechtliche Implikationen einer Nano-Kennzeichnung Gerade die zahlreichen mit der Abschätzung der Auswirkungen von Nano­ materialien verbundenen Unwägbarkeiten werfen die Frage auf, ob und inwieweit eine verpflichtende Produktkennzeichnung mit dem Primärecht im Einklang stehen kann. So begründen die Grundrechte und Grundfreiheiten und mit ihnen einhergehend insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutende Schranken der Technologieregulierung und damit auch der Regulierung von Nano­materialien. Im Folgenden wird untersucht, welche Grundrechte und Grundfreiheiten sowie übrigen Grundsätze des Primärrechts Vorgaben an eine NanoKennzeichnung machen. a) Bewertung der Kennzeichnungspflicht im Lichte der EU-Grundrechte Bei einer Kennzeichnungspflicht stehen die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht im Vordergrund. Fraglich ist daher, welcher Ausgestaltung eine grundrechtskonforme Kennzeichnung von Nano­materialien bedarf. aa) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh Zu klären ist zunächst, inwieweit eine Kennzeichnungsverpflichtung für Nano­ materialien den Schutzbereich des Art. 16 GrCh berührt. 33 Zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Hersteller von Nanoprodukten siehe unten F. I. 5. a) bb). 34 Als beinahe schon prominentes Beispiel kann insoweit das Versiegelungsspray „Magic nano“ genannt werden, welches angesichts gesundheitsschädlicher Auswirkungen einer der Auslöser der Debatte über die Sicherheit von Nano­materialien war, obgleich es überhaupt keine Nanostoffe enthielt, hierzu Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Nanopartikel waren nicht die Ursache für Gesundheitsprobleme durch Versiegelungssprays, Presseinformation 12/2006 vom 26. Mai 2006 (abrufbar unter www.bfr.bund.de).

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Die Gewährleistung der unternehmerischen Freiheit in „Aufnahme, Fortsetzung und Beendigung“ ist Gegenstand von Art.  16 GrCh35. Damit schützt die Vorschrift die selbständige unternehmerische Betätigung.36 Als Unternehmen im Sinne der Vorschrift wird jede Rechtseinheit mit Gewinnerzielungsabsicht unabhängig von ihrer Rechtsform und Finanzierung verstanden.37 Die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für bestimmte, Nano­materialien enthaltende Produkte, schreibt den Adressaten der Vorschrift vor, wie ihre Verpackungen zu gestalten sind. Die Verpackungsgestaltung ist der Teil der Außendarstellung eines Produkts und damit auch des Unternehmens.38 Zugleich beeinflusst die Verpackungsgestaltung auch den Vertrieb des Produkts.39 Somit ist sie Bestandteil der Ausübung unternehmerischer Tätigkeit. Durch die Vorgabe einer bestimmten Verpackungsausgestaltung wird in die Freiheit dieser Ausübung eingriffen.40 Um gerechtfertigt zu sein, muss ein Eingriff in ein Grundrecht der Grundrechtecharta erforderlich sein und den anerkannten Gemeinwohlzielsetzungen der Union entsprechen (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh). Im Übrigen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (ebda).41 Zwar sind viele Fragen der Eingriffs- und Rechtfertigungsdogmatik im Detail noch streitig und bedürfen noch der näheren Präzisierung.42 Zu den anerkannten Gemeinwohlbelangen zählen jedenfalls aber die von der Union (v. a. primärrechtlich) formulierten Ziele.43 Die Einführung von Kennzeichnungspflichten im Bereich verbrauchernaher Produkte stärkt das Informations- und Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers. Damit dient sie dem Schutz der Verbraucherinteressen, der seine normative Verankerung in Art. 169 Abs. 1 AEUV findet.44 Folglich liegt ein „anerkanntes Gemeinwohl“ nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh vor.

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Bernsdorff, in: Meyer, Jürgen, Art. 16 Rn. 10a. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 16 GrCh Rn. 1. 37 Blanke, in: Tettinger/Stern, Art. 16 Rn. 10. 38 So auch im Kontext von Art.  12 Abs.  1 Satz  1 GG BVerfGE 95, 173 (181 f.)  – Warn­ hinweise für Tabakerzeugnisse. 39 Ebd. 40 Auch der EuGH hatte sich im Fall British American Tobacco (Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453) mit der Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen zu beschäftigen. Er stellte ohne nähere Begründung und daher nicht überzeugend allein auf das Eigentumsrecht ab (Rn. 149 ff.). Hier kommt die unscharfe Differenzierung zwischen Berufs- bzw. unternehmerischer Freiheit und Eigentumsrecht in der Rechtsprechung des EuGH zum Ausdruck; hierzu Ruffert, in Calliess/Ruffert, Art. 15 GrCh Rn. 19. 41 Zur Anerkennung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im EU-Recht Herdegen, Europarecht, § 8 Rn. 19; Meßerschmidt, § 2 Rn. 271 ff.; umfassend Emmerich-Fritsche. 42 Siehe von Danwitz, in: Tettinger/Stern, Art. 52 Rn. 33 ff. m. w. N. 43 Jarass, Grundrechte, Art. 52 Rn. 31. 44 So auch die Schlussanträge der GA Kokott, EuGH, Rs.  C-343/09, Slg. 2010, I-7023 Rn. 123 – Afton Chemical Limited ./. Secretary of State for Transport, denen der Gerichtshof insofern zugestimmt hat (Rn. 89). 36

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Ein in ein Grundrecht eingreifendes Gesetz muss sich vor allem am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh). Soll eine Etikettierung dem Verbraucher eine Wahlfreiheit ermöglichen, indem sie bestimmte oder alle Inhaltsstoffe eines Produkts offenlegt, so ist diese Maßnahme zunächst geeignet. Fraglich ist indes, ob eine Kennzeichnung auch erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn der gleiche Zweck nicht auch durch ein milderes Mittel erreicht werden kann.45 Denkbar wäre hier prima facie eine freiwillige Kennzeichnung durch die Industrie.46 Eine solche dürfte jedoch kaum die gleiche Wirkung wie eine verpflichtende Deklaration erzielen. So könnten sich insbesondere marktmächtige Unternehmen der freiwilligen Kennzeichnung entziehen, ohne Sanktionen durch den Konsumenten fürchten zu müssen, oder im Vorfeld derart auf die Gestaltung einwirken, dass der Kennzeichnungszweck verfehlt würde. Dem entspricht der Befund bislang wenig erfolgreicher Ansätze zu freiwilligen Kennzeichnungen.47 Daher kann auch die Erforderlichkeit einer verpflichtenden Kennzeichnung bejaht werden. Zuletzt müssen das angestrebte Ziel (Verbraucherschutz) und die getroffene Maßnahme (Kennzeichnungspflicht) auch in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.48 Die Angabe von Inhaltsstoffen im Bereich verbrauchernaher Produkte wie Lebens- und Arzneimitteln sowie Kosmetika ist wie gesehen seit geraumer Zeit fester Bestandteil des EU-Verbraucherschutzrechts. Im Falle der Kennzeichnungsverpflichtung nach Kosmetik-, Lebensmittelinformations- und Biozid-Verordnung muss der Unternehmer durch den obligatorischen „Nano“-Zusatz lediglich wenige Buchstaben in seiner bereits bestehenden Produktbeschriftung ergänzen. Eine solche Belastung erscheint nicht unangemessen. Eine deutlichere Beschwer begründet insoweit freilich ein gesonderter Hinweis auf im Produkt enthaltene Nano­materialien, zumal dieser ggf. der Abfassung in der jeweiligen Landessprache bedarf. Allerdings lässt sich ein solcher gesonderter Hinweis dann nicht vermeiden, wenn auf dem Produkt ohnehin nur sehr allgemeine Angaben über die Inhaltsstoffe zu finden sind. Dem hierdurch gesteigerten Aufwand steht das besondere Interesse des Verbrauchers an der Kenntnis solcher Inhaltsstoffe gegenüber, die dazu bestimmt sind, unmittelbar und für einen längeren Zeitraum mit dem menschlichen Körper in Berührung zu kommen. Zudem bringt die primärrechtliche Verankerung des Rechts des Verbrauchers auf Information in Art. 169 Abs. 1 AEUV die Bedeutung des Schutzes der Verbraucherinteressen zum Ausdruck. In die unternehmerische Freiheit wird hingegen nur auf 45 Meßerschmidt, § 2 Rn. 271; Herdegen, Staat und Rationalität, S. 65; Emmerich-Fritsche, S. 211 f. m. w. N. 46 Zu den Ansätzen einer freiwilligen Nano-Kennzeichnung Eisenberger/Neßler/Grentwich, S.  2 ff. Zu freiwilligen Regulierungsmaßnahmen allgemein Fiedeler u. a., Nanotrust Dossiers Nr. 16 (März 2010), S. 1 ff. 47 Eisenberger/Neßler/Grentwich, S. 2. 48 Vgl. von Danwitz, in: Tettinger/Stern, Art. 52 Rn. 42.

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Ausübungsebene eingegriffen. Bei Abwägung dieser Rechtsgüter stellt eine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien folglich eine angemessene Maßnahme zur Durchsetzung des Informations- und damit Selbstbestimmungsrechts des Verbrauchers dar. Überschritten werden würde die Angemessenheit einer Produktkennzeichnung demnach dann, wenn sie in keiner Relation mehr zur übrigen Produktverpackung stünde und durch die Detailfülle der notwendigen Angaben den Großteil der Außendarstellung des Produkts in Anspruch nähme. Als weitere Schranke für einen Grundrechtseingriff sieht Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GrCh eine Wesensgehaltsgarantie vor. Hiernach ist der Kern des Grundrechts zu wahren, wobei dieses am Einzelfall, also relativ, zu beurteilen ist.49 Eine Verletzung des Wesensgehalts eines Grundrechts wird nur bei einer gravierenden Missachtung anzunehmen sein.50 Eine solche ist durch eine Kennzeichnungsverpflichtung in den hier erörterten Ausgestaltungen noch nicht gegeben. Damit bleibt festzuhalten, dass zunächst die Kennzeichnungsverpflichtung nach Kosmetik-, Lebensmittelinformations- und Biozid-Verordnung einen verhältnismäßigen und insgesamt gerechtfertigten Eingriff in die unternehmerische Freiheit des Art. 16 GrCh darstellt. Aber auch eine darüber hinausgehende Verpflichtung zu einem Hinweis auf der Verpackungsvorderseite, zumal in Fällen ohnehin nur sehr allgemeiner Inhaltsangaben, stellt noch keine Verletzung von Art. 16 GrCh dar. bb) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh Soweit regulatorische Maßnahmen das Produkt als solches betreffen, scheint regelmäßig auch die Frage nach einer Beeinträchtigung des Eigentumsrechts auf. Insoweit ist im Folgenden zu beleuchten, welche Bedeutung diesem Grundrecht im Kontext der Kennzeichnung von Nano­materialien zukommt. Wie Art.  14 GG51 stellt auch Art.  17 GrCh ein normgeprägtes Grundrecht dar.52 Der rechtliche Inhalt des Eigentumsrechts ergibt sich aus dem Unionsrecht und den mitgliedstaatlichen Verfassungen sowie der EMRK.53 Hiernach erstreckt sich der Schutz zunächst auf Sachen und alle anderen, nicht körperlichen vermögenswerten Rechtspositionen.54 Wie im deutschen Recht auch ist das Vermögen als solches nicht geschützt.55 Das Eigentumsrecht wird im Allgemeinen von der 49

Str., siehe Ehlers, in: ders., § 14 Rn.  70; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art.  52 GrCh Rn. 64; Becker, in: Schwarze, Art. 52 GrCh Rn. 7. 50 Jarass, Grundrechte, Art. 52 Rn. 46 mit Verweis auf EuGH, Rs. C- 408/03, Slg. 2006, I-2647 – K. ./. Belgien. Hier ging es um eine Ausweisung von Personen ohne weitere Prüfung. Der Gerichtshof sah insoweit den Wesensgehalt des Aufenthaltsrechts berührt (Rn. 68). 51 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 1949, S. 1 ff. 52 Calliess, in Calliess/Ruffert, Art. 17 GrCh Rn. 3. 53 Bernsdorff, in: Meyer, Jürgen, Art. 17 Rn. 15. 54 Calliess, in: Ehlers, § 16.4 Rn. 17 m. w. N. 55 Depenheuer, in: Tettinger/Stern, Art. 17 Rn. 37.

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Freiheit der unternehmerischen Tätigkeit dadurch abgegrenzt, dass sich ersteres auf das Produkt oder die Produktionseinrichtungen bezieht, während letztere einschlägig ist, soweit staatliche Maßnahmen die Ausübung der Tätigkeit als solcher betreffen.56 Ein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht dabei freilich nicht, so dass auch die Schutzbereiche beider Gewährleistungen betroffen sein können (Idealkonkurrenz).57 Im Rahmen der EMRK wird das Eigentum durch Art. 1 des „Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ geschützt. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts der Eigentumsgewährleistung in Grundrechtecharta und Zusatzprotokoll ist der Schutzbereich im Wesentlichen gleich. So erstrecken sich beide Vorschriften explizit (GrCh) bzw. implizit (Art.  1 ZP EMRK) auch auf geistiges Eigentum und klammern nicht rechtmäßig erworbene Positionen von ihrem Schutzbereich aus.58 Unklar ist, ob Art. 17 GrCh auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst. Für Art. 1 ZP EMRK ist anerkannt, dass das Recht am Gewerbebetrieb Bestandteil des Schutzbereiches ist und daher bspw. auch der good will des Betriebs Eigentumsschutz genießt.59 Wird eine staatlich erteilte Genehmigung zurückgenommen, kann dies einen Eingriff in Art. 1 ZP EMRK begründen.60 Angesichts des inhaltlichen Gleichlaufs von EMRK und Grundrechtecharta können die Grundsätze des Schutzes des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf Art.  17 GrCh übertragen werden.61 Der persönliche Schutzbereich des Eigentumsrechts erstreckt sich sowohl auf Privat- als auch auf juristische Personen.62 Als Eingriffe in das Eigentumsrecht kommen v. a. eine vollständige Entziehung als auch eine Nutzungsbeschränkung in Betracht (Art. 17 Abs. 1 Satz 1, 3 GrCh).63 Durch eine verpflichtende Kennzeichnung von Nano­materialien wird die konkrete Gestaltung des Produkts betroffen. Staatliche bzw. unionsrechtliche Vorgaben bei der Verpackungsgestaltung haben insofern zumeist eine markenrechtliche Relevanz, wobei das Markenrecht insoweit als „geistiges Eigentum“ nach Art. 17 Abs. 2 GrCh erfasst ist.64 Denn durch zusätzliche Kennzeichnungspflichten verringert sich die für die Markenangabe zur Verfügung stehende Fläche.65 Eine Kennzeichnungsvorgabe regelt die Nutzung des Produkts als Vermarktungs-

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Ruffert, in: Ehlers, § 16.3 Rn. 14. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 15 GrCh Rn. 20. Zum Verhältnis von unternehmerischer Freiheit und Eigentumsrecht siehe auch bereits Anm. 40. 58 Vgl. Bernsdorff, in: Meyer, Jürgen, Art. 17 Rn. 15 f. 59 EGMR, Urteil v. 07.07.1989, Beschwerdenr. 10873/84, Nr. 53 – Tre Traktörer Aktiebolag/ Schweden (abrufbar unter hudoc.echr.coe.int). 60 Ebd. 61 Vgl. Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak, § 32 Rn. 45 m. w. N. 62 Ebda Rn. 59. 63 Ebenso Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZP EMRK. 64 Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 17 GrCh Rn. 5 m. w. N. 65 Vgl. EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453 Rn. 149 f. – British American Tobacco. 57

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objekt und stellt damit einen Eingriff dar. So nimmt der EuGH einen Eingriff von Etikettierungsvorschriften in die Eigentumsfreiheit unter dem Gesichtspunkt des Markenrechts an.66 Dies gilt je nach Ausgestaltung auch für eine verpflichtende Nano-Kennzeichnung, wobei die Intensität des Eingriffs in den Schutzbereich freilich von der durch die Kennzeichnung in Anspruch genommenen Verpackungs- und damit Werbefläche abhängt. Der in der Kosmetik-, Lebensmittelinformations- und Biozid-Verordnung vorgesehene Zusatz „Nano“ hinter eine Zutat in diesem Größenbereich mag hier zwar auf den ersten Blick zu vernachlässigen sein, da er nur zu einem geringen zusätzlichen Flächenaufwand führt. Gleichwohl stellt jede noch so kleine Kennzeichnungsverpflichtung eine weitere Belastung (gerade auch in der Summe der einzelnen Verpflichtungen) für das Unternehmen dar und darf bei einer grundrechtlichen Betrachtung daher nicht ausgeklammert werden. Die gilt selbstredend erst recht für weitergehende Hinweise auf der Produktverpackung. Neben der Bedeutung der unternehmerischen Freiheit weist eine Nanoproduktkennzeichnung somit auch eine eigentumsrechtliche Dimension auf. Das Eigentumsrecht hat durch das Zusatzprotokoll auch Eingang in den Gewährleistungskatalog der EMRK gefunden. Nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GrCh sind bei der Einschränkung des Grundrechts die durch die Menschenrechtskonvention auferlegten Grenzen zu beachten. Bei den Vorgaben zu Beschränkungen des Eigentumsrechts ist im Wesentlichen ein inhaltlicher Gleichlauf von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 GrCh und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 ZP EMRK zu konstatieren.67 Sonach ist eine Nutzungsregelung wie im vorliegenden Fall im Sinne des Allgemeinwohls bzw. Allgemeininteresses zulässig, wobei insofern wiederum auf den Gemeinwohlbelang des Verbraucherschutzes nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh abgestellt werden kann.68 Was die Geeignetheit und die Erforderlichkeit einer Kennzeichnungsverpflichtung anbetrifft, so kann grundsätzlich auf die Ausführungen oben im Kontext der unternehmerischen Freiheit verwiesen werden. Speziell mit Blick auf den Schutz des geistigen Eigentums wird man eine Erforderlichkeit so lange annehmen können, wie die Kennzeichnungsverpflichtung sich auf einen Hinweis auf das enthaltene Nano­material ggf. einschließlich seines Größenbereichs beschränkt. Die Angabe der konkreten Funktion eines Nano­materials im Produkt berührt dagegen regelmäßig Geschäftsgeheimnisse und ist zur bloßen Gewährleistung einer freien Verbraucherentscheidung nicht mehr erforderlich. Der Eingriff in Art. 17 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 GrCh darf aber auch nicht unangemessen sein. Folglich sind die betroffenen Rechtsgüter, hier das Eigentum des Herstellers unter dem Gesichtspunkt des Markenrechts, und der Verbraucherschutz miteinander abzuwägen. Ein bloßer „Nano“-Zusatz in der Liste der Inhaltsstoffe nimmt einen kaum nennenswerten Teil der Produktverpackung in Anspruch und ist bei Abwägung mit dem Gut

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EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453 Rn. 150 – British American Tobacco. Siehe im Detail Calliess, in: Ehlers, § 16.4 Rn. 40 ff. 68 Vgl. Jarass, Grundrechte, Art. 17 Rn. 27. 67

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des Verbraucherschutzes angemessen. Dies gilt nicht ohne Weiteres für einen weitergehenden Hinweis etwa auf der Verpackungsvorderseite. Soweit eine solche obligatorische Form der Kennzeichnung aber nicht weite Teile der marken- und werberelevanten Fläche einnimmt (z. B. durch allzu umfassende Erläuterungen und eine unangemessene Schriftgröße), stellt auch sie bei Abwägung des Markenrechts mit dem Recht des Verbrauchers auf Kenntnis der Inhaltsstoffe eines Produkts einen angemessenen Eingriff dar. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes bzw. der Gewährleistung des Informations- und Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers begründet die hier erörterte Kennzeichnungsausgestaltung somit einen – nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 und Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh gerechtfertigten – Eingriff. cc) Ergebnis Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien grundsätzlich mit den Gewährleistungen der Europäischen Grundrechtecharta (hier Art. 16 und 17 GrCh) vereinbar ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Kennzeichnung auf die Gewährleistung einer selbstbestimmten Verbraucherentscheidung abzielt. Dies geschieht durch einen Hinweis auf nanopartikuläre Inhaltsstoffe. Nanospezifische Warnhinweise vermögen indes nur dann den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu genügen, wenn deutliche Anzeichen für nanospezifische Gefährdungspotenziale durch das Produkt bestehen. b) Bewertung der Kennzeichnungspflicht im Lichte der EU-Grundfreiheiten Neben den Grundrechten bilden die Grundfreiheiten den zentralen primärrechtlichen Maßstab für Akte einer Technologieregulierung. aa) Allgemeine normative Vorgaben der Grundfreiheiten Maßgeblicher Bestandteil der Verwirklichung des Binnenmarktes der Union sind die Gewährleistungen der Grundfreiheiten im AEU-Vertrag. Neben den Grundrechten sind sie es, die das Wirtschaftsleben innerhalb der Union massiv beeinflussen und wesentliche normative Faktoren für die Akteure sind. So zwangen die Grundfreiheiten die Mitgliedstaaten der EU in vielen Fällen zur Aufgabe von nationalem Protektionismus. In regelmäßigen Abständen müssen mitgliedstaatliche Rechtssätze in Verfahren vor dem EuGH ihre Grundfreiheitenfestigkeit unter Beweis stellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind jedoch nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Unionsorgane selbst an die Grund-

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freiheiten gebunden.69 Akte einer europäischen Nanoregulierung müssen sich daher gleichfalls am Maßstab der Grundfreiheiten messen lassen. bb) Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV Die in der Praxis vermutlich relevanteste Grundfreiheit stellt die Warenverkehrsfreiheit dar (Art. 34 AEUV). Hiernach sind alle Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung untersagt. Der Gewährleistungsbereich der Warenverkehrsfreiheit hat durch eine jahrzehntelange Rechtsprechung des Gerichtshofs erheblich an Konturenschärfe gewonnen. Bedeutung in der Praxis hat dabei vor allem das Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen. Durch die berühmte DassonvilleFormel erstreckt der EuGH den Schutzbereich von Art. 34 AEUV auf jede Handelsregelung, „die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“.70 Die Dassonville-Formel wird in ihrer Reichweite durch die Keck-Formel71 begrenzt. Diese Bereichsausnahme gestattet rechtlich wie tatsächlich nichtdiskriminierende Handlungsregelungen, die nicht die Beschränkung des grenzüberschreitenden Verkehrs zum Ziel haben, sondern bloße Verkaufsmodalitäten vorschreiben, also in der Regel nicht unmittelbar produktbezogen sind.72 Solche Regelungen der Verkaufsmodalitäten sind somit zulässig. Die Verpackungsgestaltung betrifft jedoch das Produkt selbst, so dass eine Kennzeichnungspflicht zunächst nicht unter die Bereichsausnahme nach Keck fällt.73 Kennzeichnungs- oder Etikettierungsvorschriften können eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 34 AEUV sein.74 Eine unionsrechtliche Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien enthaltende Produkte entfaltet für alle Mitgliedstaaten die gleiche Wirkung, so dass eine Diskriminierung ausscheidet. Die Dassonville-Formel fasst jedoch auch diskriminierungsfreie Maßnahmen unter den Beschränkungsbegriff.75 Danach verbietet Art.  34 AEUV „Behinderungen des freien Warenverkehrs, die sich daraus ergeben, dass Waren bestimmten Vorschriften entsprechen müssen (wie etwa hinsichtlich ihrer Bezeichnung, ihrer

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EuGH, Rs. C-154/04, Slg. 2005, I-6451 Rn. 47 – Alliance for Natural Health; EuGH, Rs. C-169/99, Slg. 2001, I-5901 Rn. 37 – Schwarzkopf; so auch Ehlers, in: ders., § 7 Rn. 49. 70 EuGH, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837 Rn. 5 – Dassonville. 71 Vgl. EuGH, verb. Rs.  C-267 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097 Rn.  16  – Keck und­ Mithouard. 72 Herdegen, Europarecht, § 15 Rn. 10. 73 Vgl. EuGH, Rs. C-463/01, Slg. 2004, I-11705 Rn. 67 – Dosenpfand. 74 Becker, in: Schwarze, Art. 34 AEUV Rn. 59. 75 Herdegen, Europarecht, § 15 Rn. 6.

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Form, ihrer Abmessungen, ihres Gewichts, ihrer Zusammensetzung, ihrer Auf­ machung, ihrer Kennzeichnung und ihrer Verpackung)“76. Dementsprechend stellt auch eine sekundärrechtliche begründete Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung nach Art.  34 AEUV dar und bedarf folglich der Rechtfertigung. Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit können unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Zum einen sieht Art. 36 Satz 1 AEUV einen Katalog mit geschriebenen Rechtfertigungsgründen vor. Zum anderen können auch zwingende Gründe des Allgemeinwohls eine Beschränkung rechtfertigen.77 Während der abschließende Katalog von Rechtfertigungsgründen des Art. 36 Satz 1 AEUV keine Maßnahmen zum Schutz der Verbraucherrechte vorsieht und damit als Rechtfertigungsnorm ausscheidet, stellt der Verbraucherschutz und damit auch das Informations- und Selbstbestimmungsrecht des Konsumenten (siehe Art. 169 Abs.  1 AEUV) ein Allgemeininteresse im Sinne der Cassis-Formel dar.78 Dass die hier erörterte Form der Nano-Kennzeichnung diskriminierungsfrei ist, wurde bereits festgestellt. Zentrales Element der Cassis de Dijon-Rechtsprechung ist darüber hinaus eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien nach der Kosmetik-, Lebensmittelinformations- und Biozid-Verordnung erfüllt alle Anforderungen an die Geeignetheit und Erforderlichkeit. Gleiches gilt für einen (ggf. zusätzlichen) Hinweis auf der Produktvorderseite. Darüber hinaus müsste der mit ihr verfolgte Zweck (Selbstbestimmung des Konsumenten) auch in einem angemessenen Verhältnis zu der betroffenen Freiheit des Warenverkehrs stehen. Eine EU-weit geltende und damit einheitliche Kennzeichnungspflicht behindert den Warenverkehr nicht in gleichem Maße wie einzelne, voneinander abweichende nationale Regelungen. Eine Kennzeichnungspflicht zur Verbraucherinformation und eine damit einhergehende Beschränkung des Warenverkehrs stehen in keinem unangemessenen Verhältnis. Folglich ist die durch eine Kennzeichnung von Nano­materialien begründete Beeinträchtigung von Art. 34 AEUV durch das Allgemeinwohl des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. c) Vereinbarkeit mit dem Vorsorge­prinzip Fraglich ist, ob eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien mit dem Vorsorge­prinzip vereinbar ist. Hierzu ist zunächst zu konstatieren, dass nach hier vertretener Ansicht für Stoffe im Nanoformat allgemein ein Vorsorgeanlass 76

EuGH, Rs. C-169/99, Slg. 2001, I-5901 Rn. 40 – Schwarzkopf; Schlussanträge des GA Tizzano, EuGH, Rs. C-229/01, Slg. 2003, I-2587 Nr. 41 – Susanne Müller. 77 EuGH, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 Rn. 8 – Cassis de Dijon. 78 Ebd.

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bejaht werden kann. Allerdings ist die von der Kosmetik-Verordnung vorgesehene Kennzeichnung angesichts der Ungewissheit über einen möglichen Kausalzusammenhang zwischen Nanosubstanzen und Gesundheitsrisiken kaum geeignet, dem Schutz der Gesundheit zu dienen. Bei einer entsprechenden Intention bedürfte es einer detaillierteren Kennzeichnung als der bloße Zusatz „Nano“. Auch die Begründungserwägungen der Kosmetik-Verordnung treffen keine Aussage zur Kennzeichnungspflicht und ihrer Qualifikation als Risikovorsorgemaßnahme. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung spricht bloß von der allgemeinen Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus, ohne dabei auf konkrete Maßnahmen abzustellen. Die Angabe von nanoskaligen Inhaltsstoffen stellt daher weder objektiv noch subjektiv eine Maßnahme zur Risikoprävention dar. Vielmehr stützt sich eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die Nano­materialien enthalten, vor allem auf das primär in Art. 169 Abs. 1 AEUV verankerte Informationsrecht des Verbrauchers. Damit ermöglicht sie die Wahlfreiheit des Konsumenten. Insoweit kommt es auf die Vereinbarkeit mit den Wertungen des Vorsorge­prinzips gar nicht an. d) Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass sowohl die in der Kosmetik-, Lebensmittelinformations- und Biozid-Verordnung vorgesehene Form der Kennzeichnung nanoskaliger Inhaltsstoffe in Form eines „Nano“-Zusatzes beim betreffenden Inhaltsstoff als auch die erörterten Formen der weitergehenden Deklaration mit dem EU-Primärrecht im Einklang stehen.

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister Ein weiteres Instrument zur Erzielung einer hohen Marktransparenz ist neben der Kennzeichnungspflicht die Meldepflicht. Diese dient dazu, die jeweilige Behörde in Kenntnis über bestimmte Produkteigenschaften zu setzen. Denknotwendig ist damit eine Meldepflicht mit der Frage nach der Speicherung der übermittelten Daten verbunden. Vor allem für Unternehmen hat eine Veröffentlichung dieser Informationen besondere Relevanz. Je nach der Bedeutung des Geheimnisschutzes im konkreten Fall ist eine Veröffentlichung etwa in einem allgemein zugänglichen Register denkbar. 1. Bestehender Rechtsrahmen a) Allgemeine Melde-/Notifizierungspflichten Das Sekundärrecht sieht in verschiedenen Bereichen Register mit Produktinformationen als regulatorische Maßnahme vor. So werden bspw. bestimmte Informa-

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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tionen über Biozidprodukte in einem nicht-öffentlichen Register erfasst. Daneben sieht die (neue) Biozid-Verordnung die Möglichkeit der elektronischen Abrufbarkeit bestimmter Informationen zu zugelassenen Wirkstoffen und Biozidprodukten vor (Art. 67). Diese Daten sollen allgemein zugänglich sein und im Falle von Wirkstoffen bspw. das toxikologische Profil, Angaben zur sicheren Verwendung und weitere insbesondere verbraucherrelevante Daten enthalten (Abs.  1). Ähnliches gilt für Biozidprodukte. Ebenso für die Allgemeinheit zugänglich ist das Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis für Gefahrstoffe bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA (Art. 42 CLP). Auch die Kosmetik-Verordnung sieht ein umfassendes Melderegime vor (Art. 13). Hiernach sind der Kommission zentrale Produktdaten wie die Kategorie eines kosmetischen Produkts oder dessen Rahmenrezeptur zu übermitteln („notifizieren“). Darüber hinaus kennt das Sekundärrecht Melde- bzw. Registrierungspflichten z. B. für chemische Stoffe nach den Art. 5 ff. ­R EACH oder für das Inverkehrbringen bestimmter Formen des sog. Novel Food nach Art. 5 Novel Food Verordnung. Die im Rahmen von ­R EACH an die ECHA übermittelten Informationen werden in bestimmtem Umfang allgemein der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt (Art. 119 R ­ EACH). Im Falle des Novel Food veröffentlicht die Kommission jährlich eine Zusammenfassung der Mitteilungen im Amtsblatt (Art. 5 Satz 4). Auch für Hersteller von Detergenzien bestehen Informationspflichten nach Art. 9 der Detergenzien-Verordnung. b) Meldepflicht nach der Kosmetik-Verordnung Die Notifizierung nach der Kosmetik-Verordnung verschafft der Kommission zwar einen Überblick über die auf dem Markt befindlichen Produkte mit Nano­ materialien und deren übermittelten Eigenschaften, insbesondere dem toxikologischen Profil. Gerade aber die Ermittlung möglicher Toxizitätspotenziale nanoskaliger Stoffe stellt sich als schwierig dar, denn entsprechende Verfahren befinden sich noch in der Entwicklung.79 Damit dürfte es gegenwärtig an der Vergleichbarkeit und damit auch der abschließenden Beurteilbarkeit dieser Informationen fehlen. Umweltbezogene Auswirkungen werden von den zu notifizierenden Informationen nicht umfasst. Dies ist jedoch der Zielrichtung der Kosmetik-Verordnung geschuldet, die sich allein auf „das Funktionieren des Binnenmarktes und ein hohes Gesundheitsschutzniveau“ beschränkt (Art. 1). Im Übrigen leiden die bestehenden Regelungen zu Meldepflichten an dem allgemeinen Problem der expliziten Bezugnahme auf Nano­materialien. Fehlt diese, sind Nano­materialien zwar grundsätzlich mit umfasst. Eine fehlende Differenzierung zwischen Makro- und Nanoformat führt aber dazu, dass eine eigenständige Anmeldung des Nano­materials nicht zwingend ist, was angesichts der neuartigen stofflichen Merkmale mehr als fraglich erscheint. 79

Siehe oben B. III. 4.

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2. Ausgestaltungsoptionen für weitergehende Meldepflichten für Nano­materialien Vor diesem Hintergrund wird in jüngerer Zeit von verschiedenen Interessensgruppen und Institutionen die Einführung einer allgemeinen Meldepflicht für Produkte gefordert, die Nano­materialien enthalten.80 Um ein höheres Maß an Verbrauchertransparenz zu schaffen, sollen die wesentlichen Informationen der Öffentlichkeit in einem allgemein zugänglichen Nanoproduktregister zur Verfügung gestellt werden. Dessen Aufbau ist inzwischen auch Gegenstand einer Initiative verschiedener EU-Mitgliedstaaten.81 Vor allem entsprechende Überlegungen der belgischen EU-Ratspräsidentschaft zu einer unionsweiten Einführung haben ein Nanoproduktregister in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit gerückt.82 Ein solches Register soll, je nach Konzeption, alle oder jedenfalls die verbraucherrelevanten Produkte aufführen, die Nano­materialien enthalten. Vor dem erstmaligen Inverkehrbringen ist das Produkt bzw. die Substanz (zu Art und Umfang der erfassten Materialien sogleich) der registerführenden Institution zu melden.83 Den gleichen Ansatz verfolgt auch die ­R EACH-Verordnung mit dem Grundsatz „no data no market“ nach Art.  5­ REACH. Hiernach dürfen Stoffe grundsätzlich nur dann hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie zuvor registriert worden sind. Hier wird deutlich, dass die Verwaltung des mit der Meldepflicht verbundenen Produktregisters vornehmlich durch die Europäische Union erfolgen sollte. Eine zentrale Zuständigkeit der Europäischen Kommission, wie sie die Kosmetik-Verordnung vorsieht, gewährleistet eine staatenübergreifende Information und Aktualität am besten. Derzeit gibt es zwar vor allem in Deutschland84, Italien, Belgien und Dänemark Bestrebungen zu eigenen Datenplattformen85, während in Frankreich bereits eine umfassende Meldepflicht einschließlich der Veröffentlichung 80 Verbraucherkommission Baden-Württemberg, S.  3; siehe die Vorschläge der Nano­ kommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 45 ff. Das Europäische Parlament forderte bereits im Jahre 2009 die Kommission dazu auf, „vor Juni 2011 ein Verzeichnis der Arten von Nano­materialien und ihrer Anwendungen auf dem europäischen Markt aufzustellen […] und dieses Verzeichnis öffentlich zugänglich zu machen“, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. April 2009 zu Regelungsaspekten bei Nano­materialien (2008/2208(INI)), ABl. 2010 C 184 E, S. 82 (88); für eine Meldepflicht unter Vorsorgegesichtspunkten auch von Schomberg, EJRR 2012, S. 147 (155) und Calliess/Stockhaus, JEEPL 2012, S. 113 (134 f.). Für ein Meldesystem in den USA nach französischem Vorbild Kaddour, Pace Envtl. L. Rev. (30) 2013, S. 486 (522). 81 Bundesministerium für Bildung und Forschung, nano.DE-Report, S. 85. 82 Pressemitteilung vom 14.09.2010, Regulation of products containing nanomaterial: Traceability, a pre-condition to acceptability (abrufbar unter www.eutrio.be). 83 Hermann/Möller, S. 57. 84 Siehe auch die politischen Forderungen nach einem öffentlichen Register in Deutschland, zuletzt etwa Antrag der Bundestagsfraktion SPD u. a., Chancen der Nanotechnologien nutzen und Risiken für Verbraucher reduzieren, BT-Ds. 17/8158, S. 2. 85 Reihlen/Jepsen, Rückverfolgbarkeit, S. 3.

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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bestimmter Daten Umsetzung gefunden hat (dazu im Detail sogleich). Im Juli 2013 hat der deutsche Bundesrat die Einführung eines Nanoproduktregisters auf EU-Ebene sowie flankierend auch auf nationaler Ebene gefordert.86 Gerade mit Blick auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr und die bürokratischen Hürden durch unterschiedliche Register muss jedoch eine europäische Lösung angestrebt werden87, auch wenn die Europäische Kommission der Errichtung eines unionsweiten Registers noch kritisch gegenübersteht.88 Damit stellt sich die Frage der konkreten Ausgestaltung einer Meldepflicht für ein Nanoproduktregister. Denkbar ist sowohl die Errichtung eines öffentlichen als auch ein nicht-öffentlichen Registers. Bisherige Vorschläge differieren vor allem mit Blick auf den Umfang der im Register erfassten Produkte und Produktinformationen. Überwiegend wird eine umfangreiche Erfassung im Register vertreten.89 Ausnahmen werden für diejenigen Produkte angedacht, die aufgrund anderer Regelungsregime (etwa im Pflanzenschutzrecht) bereits in einem Register aufgeführt sind.90 a) Nanoproduktregister zur Verbraucherinformation und Markttransparenz Eine Zielsetzung einer Meldepflicht für ein Nanoproduktregister kann ähnlich wie bei einer Kennzeichnung zunächst die Markttransparenz sein.91 Als „Fortführung“ einer Produktkennzeichnung kann ein Produktregister jedermann, also insbesondere dem Konsumenten als weitere Informationsquelle etwa über bestimmte Produkteigenschaften oder Verwendungsweisen dienen.92 Damit stellt ein Produktregister gewissermaßen eine verlängerte Kennzeichnung dar, die weitere Schritte des Informationssuchenden (nämlich das Aufrufen des Registers und die Suche nach dem entsprechenden Produkt) erfordert. Denn die Informationsmöglichkeiten durch eine Produktkennzeichnung bzw. -etikettierung sind allein schon durch die Produktverpackung limitiert.93 Diese Form des Produktregisters wäre 86 Beschluss des Bunderates vom 05.07.2013, Entschließung des Bundesrats zur Errichtung eines Nano-Produktregisters, BR-Ds. 344/13 (B). 87 So auch die Auffassung der Bundesregierung, Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage 17/8658, BT-Ds. 17/8885 v. 06.03.2012, S. 9; Reihlen/Jepsen, Rückverfolgbarkeit, S. 6 f. 88 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission, Zweite Überprüfung der Rechtsvorschriften zu Nano­materialien, COM(2012) 572 final, S. 12 (abrufbar unter www.eur-lex. europa.eu). 89 Siehe die verschiedenen Ansichten von Verbänden, Behörden und Stakeholdern im Rahmen der Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 57 ff. 90 Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 57. 91 So v. a. die Auffassungen des BUND und von Führ/Scherzberg im Rahmen der Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 55. 92 Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 58 ff. 93 Vgl. Epp/Kurzenhäuser/Hertel/Böl, S. 163 ff.

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insofern der Allgemeinheit zugänglich und diente der selbstbestimmten und sachkundigen Produktauswahl durch den Konsumenten. Bei der Ausgestaltung des Registers ist aus diesem Grunde darauf zu achten, dass – ähnlich wie bei einer rein informativen Kennzeichnung  – nicht der Eindruck entsteht, es handele sich um Warnhinweise. Sieht man ein Nanoproduktregister ähnlich wie eine Kennzeichnungspflicht also primär als Instrument der erweiterten Verbraucherinformation, dann sollte es sich zunächst jedenfalls auf solche Produkte erstrecken, die durch häufigen unmittelbaren Kontakt eine gesteigerte Verbraucherrelevanz aufweisen, neben Lebens- und Arzneimitteln also etwa Kosmetika, Textilien und Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens. Auch hier sollte das Augenmerk zunächst auf Produkten mit ungebundenen und v. a. synthetischen Nano­materialien und solchen liegen, die sich potenziell aus einer Matrix herauslösen können. Unter dem Gesichtspunkt der Verbraucherinformation ist diese Variante eines Produktregisters also eine Fortsetzung der Verpackungskennzeichnung. Soweit diese noch nicht existiert, stellt dann das Produktregister die maßgebliche Informationsquelle dar. Im umgekehrten Fall bietet es dem Verbraucher weitergehende Produktinformationen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei der Frage nach der Qualität der zu veröffentlichenden Daten zu. Soweit Sinn und Zweck die Ermöglichung einer selbstbestimmten Verbraucherentscheidung ist, sollte das Register bestimmte Basisdaten enthalten. Hierzu könnten neben den allgemeinen Herstellerinformationen etwa das verwendete Nano­material einschließlich seines Größenbereichs und, soweit mit der Art des Produkts vereinbar, der Teil des Produkts, in dem es eingesetzt wird, genannt werden. Neben diesen Basisdaten könnte das Register freilich auch weitergehende Informationen bereitstellen. Hierzu gehörten vor allem die konkrete Funktionsweise des jeweiligen Materials und die spezifischen chemischen und physikalischen Eigenschaften (insbesondere bei der Verwendung besonderer Coatings der einzelnen Partikel). Fraglich erscheint indes, bis zu welchem Punkt die Preisgabe sensibler Informationen noch durch das Informations- und Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers gerechtfertigt werden kann (dazu sogleich). b) Nanoproduktregister als Risikomanagement-Maßnahme Neben der Verbraucherinformation kann die Meldepflicht auch allein der behördlichen Informationsbeschaffung dienen, um für staatliche Stellen die Markttransparenz zu erhöhen und damit eine bessere Rückverfolgbarkeit94 zu gewährleisten. In diesem Fall würden die Daten in einem allein internen Register erfasst.

94

Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 46.

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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c) Exkurs: Meldepflicht für Nano­materialien in Frankreich Seit Beginn des Jahres 2013 sind Hersteller, Händler, Importeure, professionelle Nutzer und Forschungseinrichtungen in Frankreich verpflichtet, jährlich die Produktion, den Import oder die Verbreitung von Nano­materialien ab einer Menge von 100 g anzuzeigen.95 Damit sieht Frankreich als erster Staat in der Europäischen Union ein eigenes umfassendes Meldesystem für Nano­materialien vor. Nach Art. 523–1 des Code de l’environnement sind die Identität des Stoffes, die Menge und die Art der Verwendung zu übermitteln. Die Meldeverpflichtung beschränkt sich dabei auf synthetische Nano­materialien (Art.  R  523–12). Auf behördliche Anforderung hin sind auch alle verfügbaren Informationen über wahrscheinliche Gefahren und Expositionen und solche, die für eine Risikobewertung nützlich sind, mitzuteilen (Art. L 523–2). Die Informationen zur Identität und Verwendung eines Stoffes sowie etwaige gefahrenbezogene Daten sollen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden (Art. L 523–1, 523–2). Sinn und Zweck der Meldepflicht sind die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit und die Information der Öffentlichkeit (Art. L 523–1). Inwieweit ein Bußgeld in Höhe von dreitausend Euro bei einem Verstoß gegen die Vorschriften diesen zur Durchsetzung verhelfen mag, wird die Zukunft zeigen.96 d) Bewertung Angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen erscheint folgende Ausgestaltung am sinnvollsten: Das mit der Meldepflicht verbundene Produktregister sollte in einen öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil gegliedert werden. Während der allgemein zugängliche Part sowohl einer über eine Kennzeichnung hinaus­ gehenden Verbraucherinformation als auch einer entsprechenden Markttransparenz dient und demgemäß in seinem Datenbestand sowie Umfang beschränkt ist, zielt der nicht-öffentliche Teil auf eine umfassende Information der Behörden ab.97 Eine Meldepflicht sollte sich nach Sinn und Zweck auf Endprodukte beschränken. Die Erfassung von Halb- oder Zwischenprodukten dürfte dem Verbraucher keinen nennenswerten zusätzlichen Erkenntnisgewinn bieten. Aus dem gleichen Grunde erscheint auch die Erfassung einzelner, noch nicht in einem Produkt verwendeter Nano­materialien nicht überzeugend. Zwar könnten solche Informationen weiterverarbeitenden Unternehmen dienen. Innerhalb der Herstellungs- und Lieferkette sollte eine fach- und arbeitsschutzgerechte Benachrichtigung jedoch pri 95

Artikel L 523–1 bis 523–5 des Code de l‘environnement i. V. m. dem Dekret Nr. 2012– 232 vom 17. Februar 2012, Amtsblatt Nr. 0043 vom 19. Februar 2012, S. 2863, Text Nr. 4. Hierzu Meili/Schwarzkopf, PHi Nr. 3/2012, S. 92 f. Umfassender Überblick bei Kaddour, Pace Envtl. L. Rev. (30) 2013, S. 486 (506 ff.). 96 Meili/Schwarzkopf, PHi Nr. 3/2012, S. 93. 97 Ähnlich Umweltbundesamt, Konzept, S. 5.

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mär durch das Arbeitsschutz- und Chemikalienrecht erfolgen. Insofern ist eine Anpassung vor allem der R ­ EACH-Verordnung vorzugswürdig.98 Als allgemein zugängliche Basisdaten könnten etwa folgende Angaben dienen: Herstellerangaben, das verwendete Nano­material einschließlich des Größenbereichs und seiner Struktur und gegebenenfalls der Teil des Produkts, in dem das Material eingesetzt wird.99 Eine Beschränkung des öffentlichen Teils auf diese Daten erscheint insoweit sachgerecht, als dass der Mehrgewinn eines Nanoproduktregisters auch in der Möglichkeit für den Verbraucher besteht, sich einen Überblick über die entsprechenden Produkte zu verschaffen. Die Angabe weiterer Informationen, die etwa Aufschluss über die spezifische Funktion bestimmter Substanzen einschließlich ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften (insbesondere durch spezielle Coatings) geben, sollte angesichts des Spannungsverhältnisses von Verbraucher­ information und Betriebsgeheimnissen100 bei einem öffentlichen Register in das Ermessen des Herstellers fallen. Ein der Behördeninformation (Rückverfolgbarkeit) dienendes Register kann nur dann sinnvoll funktionieren, wenn es auf einem möglichst umfassenden Datenbestand beruht. Die durch die Hersteller zu übermittelnden Daten sollten die konkrete Produkt- oder Stoffzusammensetzung („Rezepturen“101) ebenso enthalten wie die spezifischen Funktionsweisen und Eigenschaften der Nano­materialien und die Verwendung etwaiger Coatings. Darüber hinaus sollte sich die Meldeverpflichtung auch auf Expositionsszenarien oder Studienergebnisse zur Gesundheits- und Umweltverträglichkeit des jeweiligen Produkts oder der jeweiligen Substanz erstrecken, um eine möglichst umfassende Information zu gewährleisten. Dabei könnte auch auf diejenigen Stoffinformationen zurückgegriffen werden, die die Unternehmen im Rahmen von ­R EACH-Verpflichtungen generiert haben. Fraglich ist, ob eine Ausnahme für diejenigen Produkte vorgesehen werden sollte, die durch bereits existierende Datenplattformen erfasst werden.102 Hiergegen spricht zum einen, dass die Nanoeigenschaft bestehender Produkte in diesen Registern keine hinreichende Berücksichtigung findet, da diese Register keine spezielle Nano-Ausrichtung aufweisen.103 Zum anderen kann nur ein einheitliches Register einen schnellen Überblick gewährleisten, während die Konsultation ver 98

Siehe hierzu oben E. I. 1. b) dd). Ähnlich Umweltbundesamt, Konzept, S. 9 f. 100 Vgl. Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 48. 101 Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24.  April 2009 zu Regelungsaspekten bei Nano­materialien (2008/2208(INI)), ABl. 2010 C 184 E, S. 82 ff. (88). 102 So etwa Verband der Chemischen Industrie (VCI), VCI-Position. 103 Stellungnahme des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des deutschen Bundestags am 24.10.2011 zum Thema „Verbraucheraspekte beim Umgang mit der Nanotechnologie, Ausschuss-Ds. 17(10)615-D, Frage 10. 99

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schiedener Datensammlungen eine unnötige Komplexität begründet. Insgesamt sollte ein Ausnahmenkatalog bei einem nicht-öffentlichen Register möglichst klein gehalten werden. Denkbar wäre hier etwa der Ausschluss einer Meldepflicht, soweit Fragen der Landesverteidigung betroffen sind.104 Insgesamt von einer Meldepflicht für ein Nanoproduktregister sollten wiederum solche Stoffe ausgenommen werden, die sich seither von Natur aus in bestimmten Produkten befinden und deren Unbedenklichkeit recht gut abgeschätzt werden kann. Dies gilt insbesondere für Lebensmittel (Bsp.: natürliche Nano­materialien in Milch105).106 Soweit sich mittel- oder langfristig auch eine Unbedenklichkeit einzelner synthetischer Nano­materialien – wissenschaftlich belastbar – herausstellt, sollten auch diese Substanzen mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der Meldepflicht ausgeklammert werden. Denn in diesem Fall besteht kein Bedürfnis mehr nach einer Rückverfolgbarkeit und kollektiven Erfassung durch die Behörden. Einen vergleichbaren Weg geht auch die ­R EACH-Verordnung, die bestimmte ungefährliche Stoffe vom Registrierungsregime ausnimmt.107 Aus bereits o.g. Gründen sollte das Register, ähnlich der Notifizierungspflicht der Kosmetik-Verordnung, zentral von der Europäischen Kommission verwaltet werden. Damit ginge eine Meldepflicht direkt bei der Kommission einher. In deren Zuständigkeit fiele auch die Veröffentlichung der Datensätze im Falle des öffentlichen Registers.108 3. Bewertung der Einführung einer allgemeinen Meldepflicht für Nanoprodukte im Lichte des Primärrechts Im nun folgenden Abschnitt sind die primärrechtlichen Implikationen einer Meldepflicht für ein Nanoproduktregister zu untersuchen. Erforderlich ist dabei eine Differenzierung zwischen den zwei zuvor dargestellten Ausgestaltungsalternativen, also dem öffentlichen und dem nicht-öffentlichen Register. Zuvor ist jedoch die bereits bestehende Notifizierungspflicht für Nano­materialien nach der EU-Kosmetik-Verordnung auf ihre Primärrechtsvereinbarkeit hin zu beleuchten.

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Hermann/Möller, S. 68. Siehe oben B. I. 3. 106 Zum natürlichen Vorkommen bestimmter Kohlenstoff-Nanopartikel in Karamell siehe Sk u. a., Sci. Rep. 2, 383 (April 2012). Die Autoren argumentieren, dass der über Jahrhunderte erfolgte Konsum von Karamellprodukten ein Beleg für die Unbedenklichkeit der natürlich vorkommenden Nanopartikel sei (S. 4). 107 Nach Art. 2 Abs. 7 lit. a) ­R EACH sind bestimmte Stoffe mit „minimalem Risiko“ von der Registrierungspflicht ausgenommen. Dies sind etwa verschiedene Zucker und Fette (Anhang IV). 108 Im Folgenden wird daher nicht von der „zuständigen Behörde“, sondern von der Kommission gesprochen. 105

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a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten Vor allem die Unionsgrundrechte stellen einen bedeutenden normativen Maßstab dar, an dem sich ein Nanoproduktregister messen lassen muss. Im Folgenden wird dabei zwischen der Meldeverpflichtung der Hersteller und der Veröffent­ lichung der Daten durch die Europäische Kommission109 differenziert. aa) Öffentliches Register (1) Meldepflicht Fraglich ist, ob eine Verpflichtung der Hersteller zur Übermittlung bestimmter produktbezogener Informationen an die Kommission zur späteren Veröffentlichung in einem allgemein zugänglichen Register Grundrechtsrelevanz aufweist. (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh Die Meldepflicht für ein öffentliches Produktregister könnte gegen die Freiheit der unternehmerischen Ausübung nach Art. 16 GrCh verstoßen. Eine Meldepflicht für Nano­materialien in Produkten knüpft sinnvollerweise an das Inverkehrbringen an. Damit legt sie aber zugleich dessen Zeitpunkt fest, nämlich erst nach der erfolgten Informationsübermittlung. Im Übrigen begründet eine Meldepflicht stets einen zusätzlichen, in der Regel nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand für die betroffenen Unternehmen. Zuletzt beeinträchtigt sie auch die unternehmerische Entscheidung über die Disposition der Geschäftsinformationen. Nach alledem greift eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister in den Schutzbereich des Art. 16 GrCh ein.110 Dieser Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Dafür müsste ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh vorliegen. Die Meldepflicht für ein öffentliches Nanoproduktregister verfolgt zum einen die Zielsetzung der Information der Behörden und durch die intendierte Veröffentlichung der Daten auch der Verbraucher und zum anderen die Zielsetzung der Markttransparenz. Damit zielt sie primär auf Aspekte des Verbraucherschutzes ab, welcher einen Gemeinwohlbelang nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 darstellt. 109 Die Arbeit legt an dieser Stelle eine zentrale Zuständigkeit der Kommission zugrunde. Soweit eine Veröffentlichung von Daten durch nationale Behörden erfolgte, wäre diese freilich am Maßstab der jeweiligen nationalen Grundrechte zu messen. 110 Vgl. – aus der Perspektive des deutschen Rechts (Art. 12 Abs. 1 GG) – Breuer, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR VIII, § 171 Rn. 38 f.

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Des Weiteren muss eine Meldepflicht geeignet, erforderlich und auch angemessen sein. Eine Meldepflicht für ein öffentliches Register ist zunächst der Behörden- und Verbraucherinformation zweckdienlich und damit zur Erreichung dieses Zwecks geeignet. Ein milderes Mittel als solch eine Informationsübermittlung ist nicht ersichtlich. Damit ist eine Meldepflicht auch erforderlich im Sinne der Verhältnismäßigkeit. Im Rahmen der Angemessenheit stehen sich als abwägungs­ relevante Güter der Verbraucherschutz und die unternehmerische Freiheit gegenüber. Den betroffenen Unternehmen entstehen durch die Meldepflicht und dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand Mehrkosten. Durch die Verknüpfung der Meldepflicht mit dem Inverkehrbringen müssen die Unternehmen zudem zunächst die Informationsverpflichtungen erfüllen, um einen Marktzugang zu erhalten. Dem steht jedoch das öffentliche Interesse an einer umfassenden Information gegenüber. Denn nur so kann eine Markttransparenz und – soweit erforderlich – die Einleitung weiterer Maßnahmen effektiv gewährleitet werden. So sehen wie dargelegt diverse sekundärrechtliche Regelungen Meldeverpflichtungen vor. Bei einer Abwägung dieser Güter lässt sich noch keine Unangemessenheit einer Meldeverpflichtung für ein öffentliches Produktregister der dargestellten Konzeption feststellen. Allerdings sollte mittelfristig eine Regelung implementiert werden, nach welcher bei nachhaltig abgesicherter Erkenntnis über die Unschädlichkeit eines Stoffes dieser von der Meldepflicht auszunehmen ist. Dies ist angesichts der aktuellen Bewertungsdefizite bei synthetischen Nano­materialien zwar noch nicht der Fall. Dies dürfte sich angesichts der erheblichen Forschungsanstrengungen im Bereich der Nanotoxikologie aber auf lange Sicht ändern. Auf diese Weise würde vor allem auch der sich aus dem Vorsorge­prinzip ergebenden Verpflichtung zur Verfolgung der wissenschaftlichen Entwicklung entsprochen.111 Nach alledem ist der Eingriff in Art. 16 GrCh durch die Verpflichtung zur Meldung bestimmter produktbezogener Daten an die Europäische Kommission gerechtfertigt. (b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh Fraglich ist, ob bereits die Verpflichtung zur Offenlegung bestimmter produktbezogener Basisdaten gegenüber der Europäischen Kommission (oder ggf. einer anderen EU-Institution) einen Eingriff in das Eigentumsrecht unter dem Gesichtspunkt des geistigen Eigentums (Abs. 2) begründen kann. Klärungsbedürftig ist insoweit, ob unter den Begriff des „geistigen Eigentums“ auch etwaige Produkt- oder Produktionsgeheimnisse fallen, welche durch eine behördliche Erfassung tangiert potenziell sein könnten. Zwar werden als geistiges Eigentum im Sinne von Art. 17 Abs. 2 GrCh primär Schutzrechte gegenüber 111

Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 21 ff. (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu).

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Dritten (Patente, Marken, etc.) verstanden.112 Angesichts der strukturellen Vergleichbarkeit mit ebenfalls vermögenswertem technischem Know How, welches typischerweise nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich ist, sind auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als geistiges Eigentum anzusehen.113 Zentrales Element eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses ist dabei die Nichtoffenkundigkeit der Information.114 Diese Grenze dürfte in der Praxis – gerade aus Unternehmensperspektive – relativ niedrig anzusiedeln sein. Für den Größenbereich oder die Struktur eines Nano­materials oder aber den Verwendungszweck kann eine solche Offenkundigkeit bereits nicht mehr angenommen werden. Gerade diese „Basisdaten“ werden jedoch regelmäßig Bestandteil einer Meldepflicht sein, deren Informationen später in einem öffentlichen Register veröffentlicht werden. Inwieweit eine Offenlegungsverpflichtung dieser geschützten Informationen gegenüber der Behörde einen Eingriff begründet, bedarf jedoch näherer Betrachtung. Diese kann in einer Nutzungsentziehung (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 GrCh) oder einer Nutzungsbeschränkung (Satz  3) liegen. Gerade die Eingriffskategorie der Nutzungsbeschränkung ist deutlich sachbezogen und im Falle des geistigen Eigentums nur bedingt operabel. So ist eine Information geheim oder eben nicht. Wird ein Hersteller zur Offenlegung von sensiblen Informationen gegenüber einer Behörde (hier der Kommission) verpflichtet, wird das Produktgeheimnis zwar nicht offengelegt. Denn die jeweilige Behörde bzw. der Sachbearbeiter wird zur Verschwiegenheit verpflichtet sein.115 Doch jede Herausgabe geschützter Informationen birgt ein gewisses Risiko. Dies gilt auch dann, wenn die bereitgestellten Daten de lege lata allein zu verwaltungsinternen Zwecken verwendet werden dürfen. Damit entzieht eine Mitteilungsverpflichtung dem Berechtigten die Stellung des Alleinwissenden und bricht den Geheimnischarakter der Information.116 Eine umfassende Entziehung gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 GrCh liegt insoweit zwar nicht vor. Im Sinne der abgestuften Eingriffskategorien des Art. 17 GrCh und vor dem Hintergrund der schwierigen Übertragbarkeit auf Geschäftsgeheimnisse besteht aber eine Situation, die jedenfalls mit einer Nutzungsbeschränkung vergleichbar ist. Soweit also nichtoffenkundige Informationen betroffen sind, begründet bereits die Meldepflicht als solche einen Eingriff in den Schutzbereich des Eigentumsrechts (Abs. 2).117 Mit Blick auf eine etwaige Rechtfertigung dieses Eingriffs dient die Übermittlung der Informationen an die Kommission der Behörden- und Verbraucherinformation und der Markttransparenz und somit wie dargelegt vor allem dem 112

Depenheuer, in: Tettinger/Stern, Art. 17 GrCh Rn. 30. So zu Produktionsgeheimnissen im Kontext des deutschen Gentechnikrechts OVG Münster, ZUR 2005, S. 420 ff. (422); siehe auch Schomerus/Scheel, ZUR 2010, S. 188 (191); Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak, § 31 Rn. 50 f. 114 Frank, S. 41. 115 Vgl. etwa Art. 105 ­R EACH. 116 So auch – für das deutsche Recht – Scholl, S. 19 f. 117 A. A. Frank, S. 76, 178. 113

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Verbraucherschutz. Insofern dient dieser Eingriff in das geistige Eigentum der betroffenen Unternehmen einem Allgemeinwohlinteresse nach Art.  17 Abs.  1 Satz 3 und Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh. Zunächst ist die Maßnahme nicht ungeeignet. Unter Gesichtspunkten der Erforderlichkeit, also der Frage nach einem gleich wirksamen milderen Mittel, wird regelmäßig zu prüfen sein, inwieweit die Übermittlung weniger umfangreicher Datensätze dem Informationsbedürfnis der Behörde gerecht wird. Sofern die bereits genannten Basisdaten (Art, Größe des Nano­materials, Verwendungszweck, Herstellerangaben) nicht eingeschlossen sind, wird eine solche Meldepflicht kaum ein gleich geeignetes Mittel sein. Zwischen der hier getroffenen Maßnahme in Form der Notifizierungsverpflichtung und dem verfolgten Ziel, hier dem Verbraucherschutz, besteht auch keine disproportionale Relation. Denkbar wäre aber auch hier mittelfristig die Implementierung einer Vorschrift, nach der die Notifizierungspflichten für bekanntermaßen sichere Nano­materialien herabgesenkt oder aufgehoben werden könnten. Damit ist die Pflicht zur Datenübermittlung verhältnismäßig. Auch der Kern des Eigentumsrechts wird durch die Notifizierung nicht berührt (vgl. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GrCh). Damit ist der Eingriff insgesamt gerechtfertigt. (c) Ergebnis Nach alledem verstößt eine Meldepflicht für ein öffentliches Nanoprodukt­ register nicht gegen den Gewährleistungskatalog der Europäischen Grundrechtecharta, solange sie sich im oben aufgezeigten Regelungskorridor bewegt. (2) Veröffentlichung der gemeldeten Daten im Produktregister Von der Verpflichtung der Hersteller zur Übermittlung produktbezogener Informationen an die Kommission ist die Veröffentlichung im Produktregister zu unterscheiden. Denn dieser Akt ist es, der das Produkt öffentlichkeitswirksam in den Mittelpunkt rückt. (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh Fraglich ist, ob die Veröffentlichung der Daten in einem allgemein zugänglichen Produktregister in das Grundrecht des Art. 16 GrCh eingreift. Grundsätzlich ist die Veröffentlichung produktbezogener Daten geeignet, die Ausübung der unternehmerischen Freiheit zu beeinträchtigen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn nicht jedermann offenkundige Informationen betroffen sind, durch deren Kenntnis Konkurrenten einen Vorteil erlangen können. Dies dürfte bereits für

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den spezifischen Größenbereich eines Nano­materials oder dessen Verwendungszweck gelten. Unter diesem Gesichtspunkt begründet die Veröffentlichung dieser Informationen schon einen Eingriff in Art. 16 GrCh. Zwar mag man möglicherweise den unmittelbaren Eingriffscharakter einer behördlichen Informationstätigkeit bezweifeln. Inzwischen ist jedoch auch in der Europäischen Grundrechtedogmatik die Figur des mittelbar-faktischen Eingriffs anerkannt.118 Damit kann auch hier ein Eingriff bejaht werden. Anders als etwa in dem in der deutschen Verfassungslehre prominenten „Glykolwein“-Fall119 dient ein Nanoproduktregister in der hier vorgesehenen Konzeption allerdings nicht der Warnung, sondern nur der allgemeinen Information von Verbrauchern und greift daher unter diesem Aspekt nicht in den Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit ein. Um einen entsprechenden Eindruck und damit eine „Prangerwirkung“120 zu vermeiden, sind ggf. diesbezügliche Hinweise zu geben. In die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GrCh wird nach alledem jedenfalls aber durch die Bereitstellung nicht offenkundiger Informationen wie etwa dem Größenbereich eines Nano­materials eingegriffen. Hinsichtlich der Frage der Rechtfertigung kann im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen zu Art. 17 Abs. 2 GrCh verwiesen werden. Eine Abwägung zwischen dem Allgemeinwohlbelang des Verbraucherschutzes und der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh wird hier zugunsten des Allgemeininteresses an einer Produktinformation ausfallen. Dies gilt vor allem mit Blick auf die recht geringe Eingriffsintensität der Veröffentlichung der Nanoproduktinformationen. Demnach ist der Eingriff in Art. 16 GrCh gerechtfertigt. (b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh Erörterungsbedürftig ist, ob die Veröffentlichung nanoproduktbezogener Daten durch die Kommission mit dem in der Grundrechte-Charta verbürgten Recht auf Eigentum nach Art. 17 vereinbar ist, dessen Gewährleistungsbereich sich durch Abs. 2 auch auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erstreckt. Sinn und Zweck der Veröffentlichung ist die Information der Allgemeinheit über bestimmte Eigenschaften des Produkts. Ein solches Register dient in erster 118

Unter der Problemkategorie „behördliche Informationstätigkeit“ hat sich vor allem in der deutschen Verfassungslehre eine lang anhaltende Diskussion zum sog. mittelbar-faktischen Eingriff entwickelt. Die diesbezüglichen Finalitätserwägungen können grundsätzlich auch auf den Eingriffsbegriff der Grundrechtecharta übertragen werden. Inzwischen ist über­ wiegend anerkannt, dass auch die Grundrechtecharta für einen mittelbar-faktischen Eingriffsbegriff offensteht, vgl. Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak, § 7 Rn.  23 ff. und Heselhaus, in: Hesel­haus/Nowak, § 31 Rn. 41. 119 BVerfGE 105, 252 – Glykol. 120 So allgemein zu staatlichen Warnungen Feik, S. 428.

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Linie der Verbraucherinformation und der Ermöglichung einer sachkundigen Entscheidung darüber, ob der Konsument ein Produkt, welches Nano­materialien beinhaltet, erwerben möchte. Ein dieser Zielsetzung gerecht werdendes Produktregister sollte sich auf die Veröffentlichung bestimmter Basisdaten beschränken.121 Auch wenn es sich bei den bereitzustellenden Informationen um vergleichsweise überschaubare Daten handelt, so können sie dennoch potenzielle Geschäftsgeheimnisse wie etwa den Größenbereich eines Nano­materials betreffen. Nach hier vertretener Auffassung stellt bereits die Offenlegung dieser Informationen gegenüber einer Behörde einen Eingriff in Art. 17 Abs. 2 GrCh dar. Dies muss erst recht gelten, wenn die Daten allgemein publik gemacht werden.122 Auch insofern kann jedenfalls ein mittelbar-faktischer Eingriff bejaht werden. Was die Rechtfertigung dieses Eingriffs anbelangt, so gilt wiederum, dass eine Abwägung des öffentlichen Interesses an Transparenz und Information (Verbraucherschutz) und der betroffenen Unternehmen am Schutz des geistigen Eigentums zugunsten der Allgemeinheit ausfällt, zumal die Veröffentlichung von „Basis­ daten“ keinen besonders schweren Eingriff in Art.  17 Abs.  2 GrCh begründet. Daher ist er auch durch den Allgemeinwohlbelang des Verbraucherschutzes nach Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GrCh gerechtfertigt. (3) Ergebnis Weder eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister noch die Veröffent­ lichung der übermittelten Informationen durch die Kommission verstößt demnach gegen die Gewährleistungsgehalte der Europäischen Grundrechtecharta, soweit sie sich innerhalb der hier aufgezeigten Grenzen bewegen. bb) Nicht-öffentliches Register Ist die Meldepflicht nicht auf die Veröffentlichung der übermittelten Daten ausgerichtet, sondern auf deren alleinige Erfassung und Auswertung durch die Behörden bzw. einen Behördenverbund (in diesem Falle also einem nicht-öffentlichen Produktregister), stellt sich die Frage, ob sich aus der hierdurch abweichenden Ausgestaltung andere grundrechtliche Implikationen ergeben. Auch hier ist wiederum zwischen der Meldepflicht als solcher und der Speicherung der Daten in dem nicht-öffentlichen Nanoproduktregister zu differenzieren.

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Siehe oben F. II. 2. Anders zur Einführung eines Nanoproduktregisters auf deutscher Ebene Hermann/Möller, S. 70. Vgl. für die Rechtslage in Deutschland Lübbe-Wolff, NJW 1987, S. 2705 (2708 ff.). 122

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(1) Meldepflicht (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh Die Ausführungen oben auf den S.  142 f. haben gezeigt, dass eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister in die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit nach Art. 16 GrCh eingreift. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob sich der Meldeverpflichtung eine Veröffentlichung in einem Register anschließt oder nicht. Folglich kann auf dieser Grundlage ein Eingriff in Art. 16 GrCh abgenommen werden. Fraglich ist, ob der Eingriff in Art. 16 GrCh auch gerechtfertigt ist, hier also ein Allgemeinwohlbelang nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh betroffen ist. Die Verpflichtung zur Offenlegung der Produktdaten gegenüber der Europäischen Kommission dient hier unmittelbar zunächst der Rückverfolgbarkeit und auch Markttransparenz und damit wiederum dem Verbraucherschutz. Soweit jedoch nicht nur Basisdaten, sondern auch umfangreiche toxikologische Informationen übermittelt werden, könnte auch der Allgemeinwohlbelang des Gesundheitsschutzes einschlägig sein. Denn eine umfassende Meldepflicht kann das Wissen über die relevanten Expositionsdaten und mögliche Toxizitätspotenziale vergrößern. Damit ermöglicht sie auf zweiter Stufe weitergehende Maßnahmen, falls sich Risikopotenziale für ein bestimmtes Produkt abzeichnen. Insofern dient die hier in Rede stehende Meldepflicht mittelbar auch dem Gesundheitsschutz.123 Fraglich ist, ob eine solche rein mittelbare Wirkung ausreicht, um die Meldepflicht dem „Gesundheitsschutz“ zuzuordnen. Hier gilt zunächst die allgemeine Regel, dass Rechtfertigungstatbestände von Grundrechtseingriffen eng auszulegen sind. Unmittelbar dient eine Meldepflicht für eine nicht-öffentliche Datenerfassung nur der Behördeninformation, der Rückverfolgbarkeit von Nano­ materialien und der Markttransparenz. Für den Fall, dass sich für ein spezifisches Nano­ material die Risikohinweise verdichteten, könnte die Kommission auf Grundlage der notifizierten Informationen weitere Maßnahmen einleiten. Diese stellten dann die eigentlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz dar. Vor diesem Hintergrund betrifft eine Meldepflicht zur Markttransparenz und Behördeninformation hauptsächlich Aspekte des allgemeinen Verbraucherschutzes, der wie gesehen ebenfalls einen legitimen Eingriffsgrund darstellt. In diese Richtung tendiert auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 36 AEUV mit Blick auf den Rechtfertigungsgrund des „Gesundheits- bzw. Umweltschutzes“.124 Aus diesem Grunde ist hier auf den Allgemeinwohlbelang des Verbraucherschutzes abzustellen.

123 124

Hermann/Möller, S. 86. Dazu sogleich unter F. II. 3. b) bb) (1).

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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Weiterhin müsste die Meldepflicht auch geeignet, erforderlich und angemessen sein. Zentrale behördliche Datenbanken über auf dem Markt befindliche Produkte, die Nano­materialien enthalten, stellen eine Rückverfolgbarkeit sicher. Die Meldepflicht ist mithin geeignet, das Ziel des Verbraucherschutzes zu erreichen.125 Darüber hinaus muss eine Meldepflicht für ein nicht-öffentliches Produktregister jedoch auch erforderlich sein. Zwar wäre es denkbar, die Meldepflicht allein auf freiwilliger Basis einzuführen und somit ein System ähnlich dem eines hier auch bereits erörterten allgemein zugänglichen Registers zu schaffen.126 Nicht verpflichtende Maßnahmen können jedoch kaum die Durchschlagskraft einer rechtlich zwingenden Regelung erreichen und sind damit nicht gleich wirksam.127 Zuletzt darf die Relation von Zweck und Mittel nicht unangemessen sein. Angemessen ist eine Maßnahme immer dann, wenn sich aus einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung ergibt, dass das verfolgte Ziel (Verbraucherschutz) ein höheres Gewicht hat als die betroffenen Rechtsgüter (Freiheit der unternehmerischen Betätigung).128 Angesichts der Bedeutung und Verbreitung von Nano­materialien und der zahlreichen (noch) ungeklärten Fragen zu deren Aus­ wirkungen und Verbleib kommt der umfassenden behördlichen Information ein besonders hoher Stellenwert zu. Dem wird durch eine interne Datenbank, welche im Falle neuer Erkenntnisse über bestimmte Wirkungszusammenhänge Basis für Vorsorgemaßnahmen sein kann, Rechnung getragen. Demgegenüber handelt es sich bei der Verpflichtung zur Datenübermittlung an eine Behörde (hier die Kommission) um einen recht moderaten Eingriff in die unternehmerische Freiheit, zumal mögliche Beeinträchtigungen des Rechts an Produkt- und Betriebsgeheimnissen der Hersteller durch die Nichtöffentlichkeit des Registers ohnehin auf ein wohl erträgliches Maß reduziert sind. Die Gefahr, dass Konkurrenten aus den Informationen Kapital schlagen könnten, besteht also nicht. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Unternehmer Vorteile aus der Nutzung der Nano­technologien ziehen. Insofern ist es nur billig, sie in ein umfassendes In­ formationssystem einzubinden. Eine unangemessene Relation von Zweck und Mittel kann mithin nicht konstatiert werden. Damit ist der Eingriff in Art. 16 GrCh gerechtfertigt. Auch hier gilt, dass mittelfristig solche Nano­materialien von der Meldepflicht ausgenommen werden sollten, von denen mit großer Wahrscheinlichkeit kein Risiko ausgeht.

125

Siehe insofern zur Notifizierungspflicht von Nano­materialien in kosmetischen Produkten unten F. II. 4. 126 Hierzu Fiedeler/Nentwich/Greßler/Gazsó/Simkó, S. 1 ff. 127 Hermann/Möller, S. 81; vgl. Meili/Widmer, in: Hodge/Bowman/Maynard, S. 446 (454 ff.). 128 Meßerschmidt, § 2 Rn. 276 ff.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

(b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh Nach dem hier zugrunde liegenden Regelungsvorschlag erfasst die Meldepflicht für das nicht-öffentliche Register sehr weitgehende Produktinformationen, die auch zahlreiche Geschäftsgeheimnisse berühren können. Durch die Verpflichtung des Herstellers zur Offenlegung gegenüber einer Behörde werden diese Informationen zwar nicht allgemein zugänglich gemacht, der Geheimnischarakter aber dennoch gebrochen. Somit ist eine solche Verpflichtung auch als Eingriff – vergleichbar mit einer Nutzungsbeschränkung129 – in den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nach Art. 17 Abs. 2 GrCh zu sehen. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GrCh i. V. m. Art. 1 Abs. 2 ZP EMRK kommen als Rechtfertigungsgründe alle Gemeinwohlbelange in Betracht. Insofern dürfte ein inhaltlicher Gleichlauf mit den Allgemeinwohl­ belangen nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh bestehen.130 Hier gilt ebenso wie im Rahmen von Art.  16 GrCh, dass dem Eingriff in die Betriebs- und Geschäfts­ geheimnisse als geistigem Eigentum nach Art. 17 Abs. 2 GrCh das Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden Information und Rückverfolgbarkeit gegenübersteht. Insoweit kann auf die obige Argumentation verwiesen werden. Auch hier gilt es zu bedenken, dass der Eingriff in die Geschäftsgeheimnisse durch die rein interne Erfassung nicht besonders schwerwiegend ist. Insgesamt ist daher auch der Eingriff in Art. 17 Abs. 2 GrCh gerechtfertigt. (2) Speicherung der Daten in einem internen Register (a) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh Die Speicherung zuvor offengelegter Betriebsgeheimnisse berührt die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit nicht. Ein Eingriff ist mangels Beschränkung der Unternehmensausübung erst recht zu verneinen. Etwas anderes gilt freilich für die Meldeverpflichtung als solcher. Insoweit kann auf die vorangegangen Ausführungen verwiesen werden.

129

Hierzu im Detail oben F. II. 3. a) aa) (1) (b). Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 17 GrCh Rn. 26 m. w. N.

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II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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(b) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh Zuletzt ist fraglich, ob die Speicherung produktspezifischer Daten die Schwelle zum Grundrechtseingriff überschreitet, wenn diese über allgemeine Basisdaten hinausgehen und potenziell auch Geschäftsgeheimnisse berühren können, selbst wenn die Daten nicht für die Veröffentlichung vorgesehen sind. Insofern hat die systematische, dauerhafte Erfassung von sensiblen Produktdaten, wie etwa den exakten chemischen oder physikalischen Eigenschaften eines Nano­materials oder Rezepturen von Stoffgemischen, eine andere Qualität als die Speicherung und Veröffentlichung allgemeiner Produktinformationen. Zwar mögen anders als bei einem öffentlichen Register diese Daten keiner breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Gleichwohl stellt auch die Preisgabe von Geschäfts- und Produktgeheimnissen gegenüber einer staatlichen oder wie hier unionalen Einrichtung nach hier vertretener Auffassung einen Bruch mit dem Geheimnischarakter der zu schützenden Information dar und begründet einen Eingriff in den Schutz­ bereich des Art. 17 Abs. 2 GrCh.131 Die Rechtfertigung dieses Eingriffs bemisst sich grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben wie bei der dem nicht-öffentlichen Register zugrunde liegenden Meldepflicht und kann daher aus den gleichen Gründen wie oben bejaht werden. (3) Ergebnis Damit bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, dass weder die hier erörterte Meldepflicht für ein nicht-öffentliches Register noch die dauerhafte und systematische Speicherung sensibler Produkt- und damit Geschäftsdaten in einem behördeninternen Register gegen die Gewährleistungsgehalte der Europäischen Grundrechtecharta verstößt, solange sie den aufgezeigten Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt. b) Bewertung der Einführung einer allgemeinen Meldepflicht für Nanoprodukte im Lichte der Grundfreiheiten Weiterer primärrechtlicher Maßstab einer Meldepflicht für Nanoprodukte sind die Grundfreiheiten, Entscheidender ist hier insoweit die Freiheit des Warenverkehrs nach Art. 34 AEUV.

131

Siehe insoweit bereits oben F. II. 3. a) aa) (1) (b).

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aa) Öffentliches Register Im Folgenden ist wiederum zwischen der Meldepflicht als solcher und der Erfassung bzw. Veröffentlichung der übermittelten Informationen zu differenzieren. (1) Meldepflicht Eine Meldepflicht für ein öffentliches Produktregister könnte den freien Warenverkehr beeinträchtigen. Der Warenverkehrsfreiheit stehen grundsätzlich alle mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung entgegen (Art. 34 AEUV). So können unter die Warenverkehrsfreiheit des Art. 34 AEUV auch einfache bürokratische Auflagen wie Registrierungs- oder Meldepflichten fallen, die jedenfalls potenziell den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen (Dassonville-Formel).132 Dies muss demnach auch für eine dem Inverkehrbringen eines Produkts vorgeschaltete Meldepflicht gelten, die durch den bürokratischen Mehraufwand den innergemeinschaftlichen Handel jedenfalls potenziell beeinträchtigt.133 Fraglich ist allerdings, ob eine Meldepflicht unter die Bereichsausnahme nach Keck fällt. Die Verpflichtung zur Informationsübermittlung bezieht sich auf das Produkt. Sie steht in keinem Zusammenhang mit dem Vertrieb, sondern betrifft vielmehr den Marktzugang.134 Insbesondere werden durch die Meldepflicht die Kosten für den Marktzugang erhöht.135 Damit liegt auch keine Ausnahme nach der Keck-Judikatur vor. Der Gewährleistungsbereich der Warenverkehrsfreiheit ist damit eröffnet. Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit haben sich primär am expliziten Rechtfertigungskatalog des Art.  36 Satz  1 AEUV zu messen. Daneben ist eine Rechtfertigung auch durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls möglich. Das allgemeine Basisinformationen enthaltende öffentliche Nanoproduktregister dient nach hier zugrunde liegender Konzeption der Verbraucherinformation und damit ebenso wie eine Produktkennzeichnung primär der selbstbestimmten Konsumentenentscheidung (vgl. Art. 169 Abs. 1 AEUV). Diese Zielsetzung korrespondiert mit dem Rechtfertigungsgrund des Verbraucherschutzes, der zwar nicht vom Katalog des Art. 36 Satz 1 AEUV erfasst ist, jedoch einen zwingenden Grund des Allgemeinwohls im Sinne der Cassis-Rechtsprechung darstellt.136 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit kann zunächst die Geeignetheit der Meldepflicht zur Er­ 132 So zu einer Registrierungspflicht für bestimmte digitale Übermittlungsgeräte EuGH, Rs. C-390/99, Slg. 2002, I-607 Rn. 29 – Canal Satélite Digital. 133 So für ein nationales Produktregister Hermann/Möller, S. 85 f. 134 Zum Kriterium des Marktzugangs ausführlich Becker, in: Schwarze, Art.  34 AEUV Rn. 49 m. w. N. 135 Vgl. insoweit EuGH, Rs. C-158/04, Slg. 2006, I-8135 Rn. 19 – Alfa Vita Vassilopoulos. 136 Siehe oben F. I. 5. b).

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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füllung des verfolgten Zwecks ebenso konstatiert werden wie die Erforderlichkeit. Im Übrigen ist eine Abwägung zwischen der Warenverkehrsfreiheit und dem Verbraucherschutz vorzunehmen, die in Anbetracht der recht geringfügigen Auswirkungen einer unionsweiten Meldepflicht auf den Warenverkehr zugunsten des Allgemeininteresses an Information und Transparenz ausfällt. Die Verpflichtung der Hersteller zur Übermittlung produktbezogener Informationen an die Kommission ist daher unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. (2) Veröffentlichung der Informationen in einem Produktregister Die Veröffentlichung der übermittelten Informationen in einem öffentlichen, durch die Europäische Kommission geführten Produktregister begründet keine eigene Beeinträchtigung der Freiheit des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und ist daher nicht gesondert zu prüfen. bb) Nicht-öffentliches Register (1) Meldepflicht Ebenso wie eine Meldepflicht für ein öffentliches Nanoproduktregister be­ einträchtigt auch eine Verpflichtung zur Informationsübermittlung zur bloßen behördeninternen Verwendung den freien Warenverkehr nach Art. 34 AEUV. Eine umfassende Meldepflicht, die sich auch auf toxikologische Informationen bezieht und etwa auch Expositionsdaten erfasst, könnte möglicherweise unter den Rechtfertigungsgrund des „Gesundheitsschutzes“ nach Art. 36 Satz 1 AEUV­ fallen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bedarf es insoweit zunächst einer Gefährdung des Schutzguts „Gesundheit“.137 Hiernach bedarf der Rückgriff auf diesen Rechtfertigungsgrund also grundsätzlich eines Mindest­ maßes an nachweisbarem Risikopotenzial. Allerdings könnte die Frage, ob ein solches für Nano­materialien bejaht werden kann, hier schon dahinstehen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Rechtfertigung nach Art. 36 Satz 1 AEUV schon unter einem anderen Gesichtspunkt ausscheidet.

137 So etwa EuGH, Rs. C-95/01, Slg. 2004, I-1333 Rn. 40 f. – Greenham und Abel; EuGH, Rs. C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn. 46 – Kommission ./. Dänemark; ausführlich Dammann, S. 72 ff.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

In der bisherigen Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof Art.  36 AEUV als Ausnahmevorschrift jedoch eng auslegt.138 In Abgrenzung zu den ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen des Verbraucher- und Umweltschutzes wird daher zumeist eine Anwendung des Rechtfertigungsgrundes „Gesundheitsschutz“ nur bei einer unmittelbaren Wirkung bejaht.139 Eine Meldeverpflichtung dient dagegen zunächst der umfassenden behördlichen Information über die auf dem Markt befindlichen Produkte einschließlich ihrer spezifischen Charakteristika. Auf Grundlage dieser Informationen kann die Behörde, falls notwendig, dann weitere Maßnahmen treffen. Damit dient sie nicht unmittelbar dem Gesundheitsschutz.140 Folgte man dieser engen Auslegung von Art. 36 Satz 1 AEUV unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes, fiele die hier in Rede stehende Meldepflicht für ein nicht-öffentliches Nanoproduktregister insofern schon nicht unter Art. 36 AEUV. Zwar wäre es denkbar, das Merkmal des „Gesundheitsschutzes“ nach Art. 36 Satz 1 AEUV etwas großzügiger auszulegen und auch solche Maßnahmen hierunter zu fassen, die, wie im Falle einer Pflicht zur Übermittlung bestimmter Produktinformationen und Sicherheitsmerkmale, nur mittelbar dem Gesundheitsschutz dienen können. Überzeugender ist jedoch eine erweiterte Auslegung der auf ein generelles Allgemeinwohl im Sinne der Cassis-Formel gestützten ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe, so dass es im Folgenden auf Art. 36 Satz 1 AEUV nicht ankommt. Der Europäische Gerichtshof fasst so auch Maßnahmen mit stark allgemein-umweltpolitischem Gehalt unter den ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund des „Umweltschutzes“ und nicht unter den „Gesundheitsschutz“.141 Daher kann an dieser Stelle die Frage nach dem erforderlichen Grad der gesundheitlichen Gefährdung offen bleiben.142 Als ungeschriebene Rechtfertigungsgründe nach der Cassis-de-Dijon-Judikatur sind etwa der Verbraucher- und der Umweltschutz anerkannt. Eine Meldepflicht dient wie dargelegt unmittelbar nur der Behördeninformation und Markttranspa 138

Siehe z. B. EuGH, Rs. C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn. 46 – Kommission ./. Dänemark; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 36 AEUV Rn. 76 m. w. N. 139 Leible/Streinz, in: Grabitz/Nettesheim/Hilf, Art. 36 AEUV Rn. 24; Becker, in: Schwarze, Art. 36 AEUV Rn. 15. So auch Hermann/Möller, S. 86. 140 So ausdrücklich Hermann/Möller, S. 86. 141 Siehe so etwa im Fall EuGH, Rs.  C-524/07, Slg.  2008, I-187 Rn.  56– Kommission ./. Österreich: „Hierzu ist festzustellen, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverunreinigung und Lärmbelästigung durch Fahrzeuge zwar dem Schutz der Gesundheit dienen, dieses Ziel aber schon unter das mit den betreffenden Maßnahmen ebenfalls verfolgte Ziel des Umweltschutzes fällt, das in einem weiteren Sinne den Schutz der Gesundheit bezweckt. Denn die genannten Maßnahmen sollen die Gefahren für die Gesundheit eindämmen, die mit einer Verschlechterung der Umwelt verbunden sind.“ Der Gerichtshof hat diese Ausführungen in einem Urteil vom 21.12.2011 in der Rs. C-28/09 – Kommission ./. Österreich bestätigt (Rn. 122). 142 Die Frage hat jedoch noch an anderer Stelle Relevanz und wird daher unten bei F. IV. 5. b) thematisiert.

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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renz und damit dem Verbraucherschutz. Auf Art. 36 Satz 1 AEUV kommt es daher nicht an. Weiterer Bestandteil der Rechtfertigungsprüfung ist die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit durch die Meldepflicht erscheint, gerade auch angesichts der zahlreichen Unsicherheiten über die Auswirkungen von Nano­materialien und dem damit verbundenen Bedürfnis einer behördlichen Kontrolle, nicht unverhältnismäßig. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Damit ist die diesbezügliche Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit jedenfalls gerechtfertigt.

(2) Speicherung der Daten in einem internen Register Die Speicherung der übermittelten Informationen in einem internen EU-Register stellt keine eigene Beeinträchtigung der Freiheit des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten dar und bedarf daher hier keiner weiteren Erläuterung.

cc) Ergebnis Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass eine Meldepflicht für Nanoprodukte zur Erfassung sowohl in einem öffentlich zugänglichen als auch in einem internen Register grundsätzlich mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV vereinbar ist. Dies gilt jedenfalls für die hier vorgeschlagene Konzeption.

c) Vereinbarkeit mit dem Vorsorge­prinzip Soweit das Produktregister wie eine Verpackungskennzeichnung allein der Verbraucherinformation und -selbstbestimmung im Sinne von Art. 169 Abs. 1 AEUV dient und damit keine Vorsorgemaßnahme darstellt, braucht es sich  – wie eine solch intendierte Produktkennzeichnung – nicht am Vorsorgegrundsatz messen zu lassen. Soweit eine Meldepflicht für ein Produktregister der behördlichen Information und der Rückverfolgbarkeit dient, ist sie zwar als Vorsorgemaßnahme zu qualifizieren. Nach hier vertretener Ansicht kann jedoch ein Vorsorgeanlass allgemein für Nano­materialien bejaht werden. Damit werden hier insofern keine neuen Rechtsfragen aufgeworfen.

d) Implementierung in den bestehenden Rechtsrahmen Zuletzt stellt sich die Frage der normativen Implementierung einer Meldepflicht für ein Produktregisters in den bestehenden Rechtsrahmen. Nach der hier vorge-

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

schlagenen Konzeption sollte eine Meldeverpflichtung idealerweise sämtliche betroffenen Produkte erfassen. Daher kann eine entsprechende Regelung allein schon aus Praktikabilitätserwägungen heraus kaum sinnvoll durch die Ergänzung der bestehenden EU-Normen geschaffen werden. Aus diesen Gründen kommt insbesondere auch keine Regelung in einem bereits bestehenden stoffrechtlichen und stoffbezogenen Regime wie der ­R EACH-Verordnung in Betracht.143 Überzeugender erscheint hier vielmehr ein eigenes Regelungsregime, wobei aus konzeptionellen Gründen allein die Form einer Verordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) in Frage kommt.144 e) Ergebnis Eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister steht dann im Einklang mit dem europäischen Primärrecht, wenn es vor allem einen ausreichenden Geheimnisschutz gewährleistet. Hierzu sollte eine Aufteilung des Registers in einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil erfolgen. Der öffentliche Teil dient primär der erweiterten Verbraucherinformation und ist dementsprechend auszugestalten. Der nicht-öffentliche Teil sollte umfassende Datensätze mit Detailinformationen u. a. zur Stoffstruktur, Exposition und zum toxikologischen Profil bereitstellen. Er dient der Behördeninformation und Rückverfolgbarkeit. Eine solche, ausdifferenzierte Gestaltung einer Meldepflicht für ein Nanoproduktregister verstößt weder gegen die Grundrechte noch gegen die Grundfreiheiten. Somit sind sowohl eine Meldepflicht für ein öffentliches als auch für ein bloßes nicht-öffentliches Register mit dem Primärrecht vereinbar. 4. Bewertung der Notifizierungspflicht für Nano­materialien nach der Kosmetik-Verordnung im Lichte des Primärrechts Die vorangegangen Ausführungen haben sich mit der Einführung eines allgemeinen, übergreifenden Melderegimes für Nano­materialien in Produkten beschäftigt. Wie bereits oben145 dargestellt, sieht die überarbeitete EU-KosmetikVerordnung eine Meldepflicht speziell für Nano­materialien vor. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob sich diese Meldepflicht im Rahmen des durch das Primärrecht vorgegebenen und zuvor aufgezeigten Regelungskorridors bewegt.

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So aber Fischer, Kristian, Rechtliche Stellungnahme, Vorsorge im Bereich Nanomaterialien, 2011, S. 38, zitiert nach Sachverständigenrat für Umweltfragen, Anmerkungen, S. 30. Zu den dort angestellten Kohärenzerwägungen siehe unten F. VI. 1. c) cc). 144 Vgl. Umweltbundesamt, Konzept, S. 11. 145 Siehe oben F. II. 1. b).

II. Melde-/Notifizierungspflichten für ein Produktregister

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a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten Auch hier begründen die Grundrechte wieder einen entscheidenden primärrechtlichen Prüfungsmaßstab. aa) Vereinbarkeit mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh Zunächst müsste ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen. Nach Art.  16 Abs.  3 der Kosmetik-Verordnung sind die betroffenen Unternehmen zur Offenlegung zahlreicher produkt- und geschäftsrelevanter Informationen verpflichtet (siehe im Einzelnen UAbs. 3). Hierdurch wird zunächst in die unternehmerische Dispositionsfreiheit über diese Informationen eingegriffen. Daneben beeinträchtigen die mit der Notifizierungspflicht verbundenen bürokratischen Lasten und der zusätzliche Kostenaufwand auch den unternehmerischen Geschäftsbetrieb. Anders als bei der Anmeldung der „konventionellen“ Kosmetika nach Art. 13 sieht die Kosmetik-Verordnung darüber hinaus für solche mit nanopartikulären Inhaltsstoffen eine zeitliche Differenz von sechs Monaten zwischen der Notifizierung und dem erstmaligen Inverkehrbringen vor (Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1). Daraus ergibt sich zugleich, dass ein Inverkehrbringen frühestens sechs Monate nach dem Datentransfer erfolgen kann. Mit dieser Regelung wird damit der Zeitpunkt des Marktzugangs für den Hersteller eines neuen Produktes reglementiert und auch unter diesem Gesichtspunkt in die unternehmerische Ausübungsfreiheit nach Art. 16 GrCh eingegriffen. Mit Blick auf eine etwaige Rechtfertigung muss geprüft werden, ob ein legitimer Eingriffsgrund nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh vorliegt. Hierzu gehören etwa der Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz. Die Erfassung produkt­ relevanter Daten durch die Europäische Kommission ermöglicht eine Rückverfolgbarkeit der entsprechenden Kosmetika und erhöht die Markttransparenz.146 Sie vergrößert zudem das Wissen über die relevanten Expositionsdaten und mögliche Toxizitätspotenziale, die explizit Teil der zu übermittelnden Informationen sind. So sieht Art. 16 Abs. 10 Kosmetik-Verordnung auch eine Veröffentlichung bestimmter Teile der notifizierten Informationen in einem öffentlichen Register vor. Demgegenüber kann eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister nicht direkt dem Gesundheitsschutz dienen, weshalb dieser hier nicht als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommt.147 Eine allgemeine Gefährlichkeit von Nano­materialien in kosmetischen Produkten kann zudem gerade nicht angenommen werden. Folglich ist hier wiederum auf den Rechtfertigungsgrund des Verbraucherschutzes abzustellen. 146

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 12 der Kosmetik-Verordnung. Siehe insoweit bereits oben F. II. 3. a) bb) (1) (a).

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Die Notifizierungspflicht müsste auch geeignet, erforderlich und angemessen sein. Zunächst ist die Notifizierungspflicht für Nano­materialien nach Art. 16 Abs. 3 der Kosmetik-Verordnung geeignet, dem Verbraucherschutz, hier unter dem Gesichtspunkt der Rückverfolgbarkeit von entsprechenden Produkten und der Erhöhung der Markttransparenz zu dienen. Die Notifizierungspflicht müsste aber auch erforderlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn keine milderen, gleich wirksamen Mittel ersichtlich sind. Die Notifizierungspflicht ist von dem Bemühen geprägt, unter Verzicht auf einen Zulassungsvorbehalt für Produkte mit Nano­materialien, wie ihn etwa die Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung vorsieht, dennoch sichere Kosmetika zu gewährleisten. Dies soll durch die umfassende Information der Kommission geschehen. Damit besitzt die Notifizierungspflicht nicht die Schärfe eines Zulassungsvorbehaltes. Zwar sind die relevanten Informationen bereits sechs Monate vor dem Inverkehrbringen der Produkte zu übermitteln. Anders als im Falle eines Zulassungsvorbehaltes und der damit verbundenen Präventivkontrolle ist eine Überprüfung der notifizierten Daten aber nicht obligatorisch. Freilich könnte unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten, wie auch bei „konventionellen“ Kosmetika vorgesehen, das Inverkehrbringen ohne zeitliche Verzögerung an die Notifizierung anschließen. Der insoweit in Art. 16 Abs. 3 speziell für Nanoprodukte vorgesehene Überprüfungszeitraum für die Kommission erscheint aber als ein guter Kompromiss. Würde diese temporäre Spanne verkürzt oder aufgehoben, dürfte eine präventive Analyse der Daten und die Einleitung weiterer Schritte, wie etwa die dem Inverkehrbringen des kosmetischen Produkts zeitnahe Einbeziehung des wissenschaftlichen Ausschusses nach Art. 16 Abs. 4, kaum noch möglich sein. Angesichts der zahlreichen Unklarheiten über die Testverfahren und -methoden kommt aber gerade der vorherigen Kontrolle eine besondere Bedeutung zu. Damit würde eine Verkürzung dieser Frist den Wirkungsgrad der nanospezifischen Notifizierungspflicht erheblich beschneiden. Die aktuelle Ausgestaltung ist somit insgesamt auch erforderlich im Sinne der Verhältnismäßigkeit. Zuletzt muss die Notifizierungspflicht auch angemessen sein. Als abwägungsrelevante Güter stehen sich insoweit der Verbraucherschutz und die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GrCh gegenüber. Durch die verpflichtende Notifizierung sechs Monate vor dem Inverkehrbringen des Produkts wird dem Unternehmer die alleinige Entscheidung über den Zeitpunkt der Markteinführung genommen und insoweit seine unternehmerische Ausübungsfreiheit beeinträchtigt. Dem steht das beträchtliche Allgemeinwohlinteresse an einer Rückverfolgbarkeit von kosmetischen Produkten mit Nano­materialien und an einer höheren Markttransparenz gegenüber. Die Notifizierungspflicht begründet zwar einen im Einzelfall für den Unternehmer lästigen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Insbesondere ist der Produktentwicklungsprozess so auszurichten, dass er eine Notifizierung sechs Monate vor dem Inverkehrbringen zulässt. Die ungewissen Auswirkungen von Nano­materialien erfordern indes Instrumente zur Rückverfolgbarkeit, zu-

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mal im sensiblen Bereich von Produkten zur unmittelbaren Applikation auf dem menschlichen Körper. Vor diesem Hintergrund kann kein disproportionales Verhältnis der betroffenen Rechtsgüter festgestellt werden. Die Angemessenheit der Notifizierungspflicht nach Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung ist damit zu bejahen. Sie greift auch nicht in den Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit ein. Folglich ist der Eingriff in die unternehmerische Freiheit des Art. 16 GrCh nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh gerechtfertigt. Allerdings sollte die Kosmetik-Verordnung um eine Regelung ergänzt werden, nach welcher bei nachhaltig abgesicherter Erkenntnis über die Unschädlichkeit eines Stoffes dieser zumindest von der über die allgemeine Anmeldepflicht des Art. 13 Kosmetik-Verordnung hinausgehenden nanospezifischen Meldepflicht auszunehmen ist. Dies ist angesichts der aktuellen Bewertungsdefizite bei synthetischen Nano­materialien zwar noch nicht der Fall. Mittelfristig dürfte sich die Datenlage aber erheblich verbessern. Art. 16 der Kosmetik-Verordnung sollte daher um eine entsprechende Ausschlussklausel, die sich etwa an Art. 2 Abs. 7 lit. a) ­R EACH orientieren könnte, ergänzt werden. Eine solche Änderung könnte im Rahmen der in Art. 16 Abs. 11 Kosmetik-Verordnung vorgesehenen Überprüfung der Vorschriften durch die Kommission erfolgen. Auf diese Weise würde vor allem auch der sich aus dem Vorsorge­prinzip ergebenden Verpflichtung zur Verfolgung der wissenschaftlichen Entwicklung entsprochen.148 bb) Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht nach Art. 17 GrCh Die Verpflichtung zur Übermittlung der Daten an die Kommission zur weiteren Verwendung und Prüfung könnte zudem in das Eigentumsrecht eingreifen. Dessen Schutzbereich erfasst gemäß Absatz 2 auch das geistige Eigentum. Hierunter fallen wie gesehen auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Zentrales Element eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses ist dabei die Nichtoffenkundigkeit der Information.149 Die nach Art. 16 Abs. 3 UAbs. 4 der Kosmetik-Verordnung zu notifizierenden Informationen beinhalten recht detaillierte Daten, etwa zu den physikalischen und chemischen Eigenschaften des Nano­materials, zur Exposition und zum toxikologischen Profil. Viele dieser Charakteristika eines Nano­ materials sind aber nicht offenkundig, sondern bedürfen vielmehr oft jahrelanger Erforschung. Dies dürfte in besonderem Maße auch für spezielle Nano­materialien mit oberflächenmodifizierten Partikeln gelten. Damit sind hier potenzielle Produkt- oder Geschäftsgeheimnisse betroffen. Durch die Verpflichtung zur Offenlegung dieser Geheimnisse wird in das Eigentumsrecht nach Art. 17 Abs. 2 GrCh eingegriffen.150 148

Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 21 ff. (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 149 Frank, S. 41. 150 Siehe oben F. II. 3. a) aa) (1) (b).

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Fraglich ist, ob der Eingriff gerechtfertigt ist. Die Übermittlung der Informationen an die Kommission dient der Rückverfolgbarkeit und Markttransparenz und damit wie dargelegt vor allem dem Verbraucherschutz. Insofern entspricht dieser Eingriff in das geistige Eigentum der betroffenen Unternehmen einem Allgemeinwohlinteresse nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 und Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh. Zunächst ist die Maßnahme nicht ungeeignet. Unter Gesichtspunkten der Erforderlichkeit, also der Frage nach einem gleich wirksamen milderen Mittel, könnte indes eine Reduzierung der zu notifizierenden Informationen in Betracht kommen. Hiergegen spricht jedoch entschieden, dass die nach Art. 16 Abs. 3 UAbs. 4 Kosmetik-Verordnung zu übermittelnden Datensätze für eine Bewertung durch die Kommission allesamt von Bedeutung sind und ein Verzicht auf bestimmte Informationen wie etwa die Partikelgröße eine Bewertung erheblich erschwert, wenn nicht sogar im Regelfall unmöglich machen würde. Zwischen der hier getroffenen Maßnahme in Form der Notifizierungsverpflichtung und dem verfolgten Ziel, hier dem Verbraucherschutz, besteht deshalb auch keine disproportionale Relation. Damit ist die Pflicht zur Datenübermittlung verhältnismäßig. Auch der Kern des Eigentumsrechts wird durch die Notifizierung nicht berührt (vgl. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GrCh). Damit ist der Eingriff insgesamt gerechtfertigt. Denkbar wäre aber auch hier mittelfristig die Implementierung einer Vorschrift, nach der die Notifizierungspflichten für bekanntermaßen sichere Nano­materialien herabgesenkt oder aufgehoben werden könnten. b) Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV Die Meldeverpflichtung nach Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung begründet zunächst eine Beeinträchtigung des Gewährleistungsbereichs des Art. 34 AEUV. Insoweit kann auf die Ausführungen oben151 zu den Meldepflichten verwiesen werden. Insbesondere liegt danach keine Bereichsausnahme nach Keck vor. Was die Rechtfertigung anbetrifft, so ist auch hier auf den ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund des Verbraucherschutzes abzustellen, der wie gesehen insbesondere dann einschlägig ist, wenn eine Maßnahme allgemein der Markttransparenz und Rückverfolgbarkeit dient. Dies gilt auch für die Notifizierungspflichten nach der Kosmetik-Verordnung. Die Notifizierungspflicht bewegt sich im Übrigen unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten im Rahmen dessen, was an primärrechtlichen Vorgaben bereits im vorangegangenen Teil konstatiert wurde. Damit stellt sie insgesamt eine gerechtfertigte Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV dar.

151

F. II. 4. b).

III. Partikelgrenzwerte

161

c) Veröffentlichung bestimmter Informationen durch die Kommission Neben der Notifizierungsverpflichtung nach Art. 16 Abs. 3 sieht die Kosmetik-Verordnung eine Veröffentlichung bestimmter Informationen in einem öffentlichen Register vor (Art. 16 Abs. 10). Dieser von der Kommission noch zu erstellende „Katalog aller Nano­materialien in kosmetischen Mitteln“ erfasst jedoch ausschließlich das Nano­material, das entsprechende kosmetische Produkt und die „vernünftigerweise vorhersehbaren Expositionsbedingungen“. Unklar bleibt insoweit, welchen Detailgrad die veröffentlichten Informationen aufweisen werden. Soweit alleine abstrakt das Nano­material, das entsprechende Produkt und der Expositionspfad aufgeführt werden, sind jedenfalls keine besonders schützenswerten Informationen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 GrCh betroffen. Die Veröffentlichung dieser allgemeinen Informationen berührt folglich nicht das geistige Eigentum des betroffenen Unternehmens unter dem Gesichtspunkt der Produktgeheimnisse. Auch die unternehmerische Freiheit wird noch nicht berührt. Ein Verstoß gegen die Grundrechtecharta liegt daher nicht vor. Eine eigene grundfreiheitliche Relevanz weist die Veröffentlichung der Daten nicht auf. 5. Fazit Es zeigt sich, dass die Einrichtung einer allgemeinen Meldepflicht, verbunden mit der Veröffentlichung bestimmter, nicht geheimnisbedürftiger Produkt­ daten, nicht nur primärrechtlich möglich, sondern auch durchaus sinnvoll sein kann. Nach hier vertretener Auffassung ist eine Aufteilung in einen öffentlichenund einen nicht-öffentlichen Teil einer Datenbank („Produktregister“) zu präferieren. Aber auch beide Lösungen für sich genommen stehen zumindest dann mit den EU-Grundrechten im Einklang, wenn sie sich in dem hier aufgezeigten Rahmen bewegen. Als Vorreiter einer Meldepflicht für Nano­materialien kann Frankreich gelten. Mit diesem regulatorischen „Alleingang“ wird zugleich deutlich, dass weitere nationale Regelungen zu erwarten sind, sollte eine EU-weite Lösung nicht erreicht werden. Dies kann nicht im Sinne des Binnenmarktes sein. Die Notifizierungspflicht in der Kosmetik-Verordnung kann – trotz aller aufgezeigten Mängel – als Beispiel für eine primärrechtskonforme Ausgestaltung einer Meldepflicht herangezogen werden.

III. Partikelgrenzwerte Nachdem die Abschnitte I. und II. mit der Verpackungskennzeichnung und einer Meldepflicht für ein Produktregister solche Instrumente dargestellt haben, die der Transparenz und Information dienen, soll der nun folgende Abschnitt sich mit der Einführung von Grenzwerten für Nano­materialien und deren Umsetzbar-

162

F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

keit beschäftigen. So wird für verschiedene Regelungssektoren das Fehlen nanospezifischer Grenzwerte moniert.152 Zudem sind in jüngster Vergangenheit durch verschiedene Institutionen Vorschläge für etwaige Maximalkonzentrationen von Nano­materialien in der Luft veröffentlicht worden.153 1. Allgemeines Die Festlegung von Grenzwerten ist ein probates Mittel, um potenziell negative Auswirkungen noch nicht näher charakterisierter Stoffe auf das ökologische Wirkungsgefüge einschließlich des menschlichen Organismus einzudämmen.154 So könnte die Festlegung von Maximalkonzentrationen in Luft oder Wasser grundsätzlich ein geeignetes Instrument zum Schutz vor den möglichen Auswirkungen bestimmter Nano­materialien sein. Allerdings birgt die luft- und wasserrechtliche Erfassung von Nano­materialien einige zusätzliche Schwierigkeiten. Diese liegen zunächst in den fehlenden oder noch nicht standardisierten Mess- und Nachweisverfahren. So bereitet der Nachweis von Emissionen nanoskaliger Materialien besondere Schwierigkeiten.155 Erkenntnisse über Feinstäube und insbesondere die nanopartikulären Ultrafeinstäube (UFP’s) können nur eine Grundlage für toximaterialien bieten.156 Im Übrikologische Untersuchungen synthetischer Nano­ gen bedarf es weitergehender Studien, die spezifisch auf synthetische Reinsubstanzen ausgerichtet sind. Noch deutlich geringer als beim Umweltmedium Luft ist der Erkenntnisstand über die Auswirkungen von Kleinstpartikeln auf aquatische Organismen, was vor allem auf bislang fehlende Untersuchungen zurückzuführen ist.157 2. Bestehender Rechtsrahmen Dem Unionsrecht sind Partikelgrenzwerte als umweltregulatorisches Instrument gut bekannt. Vor allem die in den vergangenen Jahren aufgekommene „Feinstaub“-Problematik hat zu Verschärfungen des Luftqualitätsrechts in der Union

152

Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S. 39. Umfassend Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Maßstäbe zur Beurteilung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen, http://www. dguv.de/ifa/de/fac/nanopartikel/beurteilungs-massstaebe/index.jsp m. w. N. Siehe vor allem den Vorschlag des britischen Standardisierungsinstituts BSI (British Standards Institution), welches einen Grenzwert von 20.000 Partikeln/cm 3 vorschlägt (S. 14); umfassend Schneider, Gerald, BPUVZ 2010, S. 492 (492); hierzu auch Scherzberg, ZUR 2010, S. 303 (309). 154 Calliess, Umweltstaat, S. 238; Wahl/Appel, in: Wahl, S. 129. 155 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 416. 156 Müller, Zbl. Arbeitsmedizin 58 (2008), S. 238 ff. (242). 157 Hierzu bereits oben B. III. 3. 153

III. Partikelgrenzwerte

163

geführt.158 Die durch die neue Luftqualitätsrichtlinie definierten Werte richten sich jedoch zunächst nur an die Mitgliedstaaten, die eine Umsetzung durch eigene Maßnahmen erreichen sollen. Dabei zielen die Vorgaben erstmals auch auf eine Verringerung von PM10 - und PM2,5-Partikeln, also solchen mit einem Durchmesser, der unterhalb von 10 bzw. 2,5 µm liegt. Hierbei stellt sich jedoch die Schwierigkeit, dass die bestehenden Grenzwerte massebezogen sind, Nanopartikel angesichts ihrer großen Oberfläche jedoch nur über eine geringe Masse verfügen und somit ihre Erfassung nicht immer gewährleistet ist.159 Mit dieser Problematik korrespondiert der Vorschlag, statt auf die Masse- auf die Partikelanzahlkonzentration abzustellen.160 Auch im Wasserrecht bestehen Werte für Maximalkonzentrationen verschiedener Substanzen, die jedoch wiederum keinen spezifischen Nanobezug aufweisen.161 3. Festlegung von Nano-Grenzwerten durch die Union? Gerade die Festlegung von Grenzwerten für Nano­materialien ist jedoch keine allein auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entscheidung. Denn gerade im Bereich unklarer oder (Langzeit)Auswirkungen oder sehr unwahrscheinlicher Schadenseintritte kommt der Risikoneigung einer Gesellschaft ein besonderes Gewicht zu.162 Vor diesem Hintergrund sollte die vornehmliche Aufgabe der Union darin bestehen, soweit es der wissenschaftliche Erkenntnisstand dann zulässt, vertretbare Mindestgrenzwerte festzulegen, von denen die Mitgliedstaaten dann abhängig von der nationalen Risikoaffinität nach „oben hin“ abweichen dürfen. Dies entspricht der Regelung des Art. 193 AEUV, der höhere mitgliedstaatliche Schutzstandards zulässt, soweit es um Maßnahmen auf Grundlage des Art. 192 AEUV (Umweltpolitik) geht.163 158 Partikelgrenzwerte werden durch die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG, ABl.  2008 L 152, S. 1 ff., festgelegt. Hierzu, insbesondere zu den Begrifflichkeiten und den verschiedenen Partikel-„Klassifizierungen“ auch bereits oben bei E. I. 3. und im Überblick Meßerschmidt, § 15 Rn. 38 f. 159 Europäische Kommission, Commission Staff Working Document, Regulatory Aspects of Nano­materials, SEC(2008) 2036, S. 34 (abrufbar unter www.ec.europa.eu) und Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Nano­materialien am Arbeitsplatz, S. 12; siehe auch Stokes, Legal Studies 29 (2009), S. 281 (285 f.). 160 Siehe Anm. 153. 161 Vgl. bspw. Anhang I der Richtlinie 2008/105/EG, ABl. 2008 L 348, S. 84 ff. 162 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S.  309 f. m. w. N.; vgl. auch Herdegen, Staat und Rationalität, S. 79. 163 Der auch im Bereich des Umweltrechts teilweise als Kompetenzgrundlage herangezogene Art.  114 AEUV (zur Frage der Unionszuständigkeit siehe unten G. I.) lässt schärfere bzw. abweichende nationale Standards demgegenüber nur mit Einschränkungen zu. Diese müssen vor allem auf „neue[n] wissenschaftliche[n] Erkenntnisse[n]“ beruhen und ein spezifisches Problem des jeweiligen Mitgliedstaats betreffen (Abs. 5). Siehe hierzu auch EuGH, Rs. C-439/05 P, Slg. 2007, I-7141 – Land Oberösterreich ./. Kommission. Hierzu Herdegen/ Dederer, in: dies., Kommentierung der Richtlinie 2001/18/EG Rn. 180 f.

164

F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Alternativ können auch unverbindliche „Richtgrenzwerte“ festgelegt werden. So verfährt die Union etwa im Arbeitsschutzrecht. Hier obliegt es den Mitgliedstaaten, auf Grundlage der von der Kommission für einzelne Stoffe vorgeschlagenen Richtgrenzwerte eigene Arbeitsplatzgrenzwerte zu statuieren, wobei sie „dessen Natur […] gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten bestimmen“.164 Hier kommt besonders die Berücksichtigung der zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten variierenden Risikoakzeptanz zum Ausdruck. Auch im Wasserschutzrecht existieren unterschiedliche Mindestvorgaben und Richtwerte, die den Mitgliedstaaten einen gewissen regulatorischen Spielraum zusprechen.165 4. Vereinbarkeit mit dem Primärrecht Sowohl mit Blick auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Partikelgrenzwerten mit etwaigen betroffenen Grundrechten als auch mit dem Vorsorge­prinzip stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Fraglich ist vor dem Hintergrund der obigen Erläuterungen, ob die Festlegung von Konzentrationsgrenzwerten für Nano­materialien in Luft und Wasser überhaupt als geeignete regulatorische Maßnahme zum Umwelt- und Gesundheitsschutz betrachtet werden kann, soweit sie allein auf Mutmaßungen gründet und Ungewissheit nicht nur über diejenigen Partikelausgangskonzentrationen vorherrscht, die etwa zu Umwelt- oder Gesundheitsschäden führten, sondern vor allem über die Schädlichkeit der einzelnen Stoffe besteht.166 Hier ergibt sich die Schwierigkeit, dass die bislang im Raume stehenden Vorschläge für einzelne Partikelgrenzwerte keinesfalls den Anspruch erheben, etwa dem Schutz der menschlichen Gesundheit zu dienen.167 So herrscht, wie bereits oben angedeutet, Unklarheit über die für mögliche Toxizitätspotenziale maßgeblichen Faktoren. Dies verhindert die Bestimmung der in der Toxikologie bedeutenden Dosis-WirkungsBeziehung, die Voraussetzung für die Festlegung von Grenzwerten ist.168 Denn es bleibt offen, ob die hierfür relevante Dosis über die Partikelanzahl169, die Ober­ flächenreaktivität oder doch einen anderen Parameter zu definieren ist.170

164 Erwägungsgrund Nr.  3 der Richtlinie 2000/39/EG zur Festlegung einer ersten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG des Rates zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit, ABl. 2000 L 142, S. 47 ff. 165 Siehe im Detail Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Teil O, Rn. 345. 166 Schneider, Gerald, BPUVZ 2010, S. 492 (494 f.). 167 Schneider, Gerald, ebd. 168 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Nano­materialien am Arbeitsplatz, S. 13. 169 Siehe Vorschlag des BSI, oben Anm. 153. 170 Simkó, Nanotrust-Dossiers Nr. 28 (Januar 2012), S. 2.

III. Partikelgrenzwerte

165

Bereits im Jahre 2003 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Zulässigkeit von etwaigen Grenzwerten für Nano­materialien auseinanderzusetzen.171 Die Richter billigten die Festlegung von Grenzwerten für eine nanopartikelemittierende Industrieanlage durch die zuständige Behörde. Diese hatte sich mangels nanospezifischer Werte bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Anlage an Irrelevanzgrenzen für den bekanntermaßen karzinogenen Dieselruß nach einer Studie des Länderausschusses für Immissionsschutz orientiert und einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor eingerechnet. Auf dieser Grundlage hatte die Behörde einen Emissionsgrenzwert von 50 und später 0,5 µg/m3 festgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht konstatierte die Zulässigkeit einer solchen Festlegung vor allem mit Blick auf das immissionsschutzrechtliche Minimierungsgebot nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. Nr. 2. 3 Abs. 1 und Nr. 3 1. Abs. 7 TA Luft. Dieser Fall zeigt anschaulich die Schwierigkeiten, die sich aus den bislang fehlen­ den nanospezifischen Regelungen im Einzelfall ergeben können. Dem könnte durch Nano-Grenzwerte zwar abgeholfen werden. Fraglich ist indes, wie weit der Gestal­ tungsspielraum des EU-Gesetzgebers angesichts der erheblichen Ungewissheit über diese maßgeblichen Parameter bei der Festlegung verpflichtender, vorsorgeorien­ tierter Grenzwerte für Nanopartikelkonzentrationen in Luft und Wasser reichen darf. Denn nach aktuellem Kenntnisstand dürften solche vorsorgeorientierten Werte für Maximalkonzentrationen nur schwerlich einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten. Vielmehr bewegen sie sich unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsund Umweltschutzes im Bereich des Hypothetischen und vermögen somit keine geeignete Maßnahme zum Schutz von Gesundheit und Umwelt darzustellen.172 Eine gravierende Regelungslücke entsteht durch das Fehlen nanospezifischer Grenzwerte aktuell ohnehin nicht. Durch die in den verschiedenen EU-Regelungsakten vorgesehenen Begrenzungs- und Minimierungsgebote existieren jedenfalls für manche Bereiche allgemeine Verpflichtungen zur Einschränkung von Emissionen.173 So sieht die IVU-Richtlinie174 ein allgemeines Gebot vor, „alle geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschmutzungen“ zu treffen (Art.  11 lit. a; zum Begriff der Umweltverschmutzung siehe Art. 3 Nr. 2). Hierunter dürfte auch die übermäßige Emission nanoskaliger Stoffe fallen, wobei eine Konkretisierung der entsprechenden Maßnahmen für den Einzelfall freilich wiederum durch den Mitgliedstaat erfolgen muss und somit im Ergebnis nur eine Problemverschiebung stattfindet.175 Die Mitgliedstaaten können auf dieser Grundlage dann „case 171

BVerwGE 119, 329 – Nanopulver. Hierzu ausführlich Spranger, in: Hendler/Marburger/ Reiff/Schröder, S. 55 ff. (58 f.). 172 So auch Gantzer, VBlBW 2004, S. 174 (175). 173 Vgl. Schneider, Gerald, BPUVZ 2010, S. 492 (495). 174 RL 2010/75/EU, ABl. 2010 L 334, S. 17 ff., über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung). 175 So begründet § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG (BGBl. I 2002, S. 3830 ff.) analog hierzu eine allgemeine Vorsorgepflicht des Anlagenbetreibers vor potenziell schädlichen Emissionen, siehe hierzu Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 50 f.

166

F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

by-case“-Entscheidungen treffen.176 Auch die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/ EG trifft allgemeine, grenzwertunabhängige Festlegungen zur Wasserqualität und sieht dabei u. a. ein Verschlechterungsverbot vor (Art. 4 Abs. 1). Das EU-Arbeitsschutzrecht betont die Verpflichtung des Schutzes der Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers durch verschiedene grundlegende Maßnahmen wie die „Vermeidung von Risiken“ oder die „Berücksichtigung des Stands der Technik“ (Art. 6 Abs. 2 der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG177). Dabei fällt die Konkretisierung dieses „Minimierungsgebots“178 wie auch die der übrigen Regelungen in die Verantwortung der Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 1). Somit obliegt es auch hier den nationalen Institutionen, in geeigneter Weise auf den Umgang mit Nano­ materialien in den Unternehmen zu reagieren.179 Allerdings dürften die Schwierigkeiten im Bereich des Arbeits- wie auch Umweltschutzes aktuell ohnehin eher in den noch nicht standardisierten oder für Nano­materialien geeigneten Messverfahren zu verorten sein. Aus den gleichen Erwägungen wie zum Vorsorge­prinzip könnten verpflichtende Grenzwerte etwa im Bereich des Arbeitsschutzes auch kaum einer Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt des Gesundheits- oder Umweltschutzes zugänglich sein, soweit man ihnen einen grundrechtseingreifenden Charakter zuspricht. 5. Fazit Die vielen Unwägbarkeiten bei der Bestimmung potenziell gesundheits- oder umweltgefährdender Konzentrationen stehen einer Festlegung allgemein-verbindlicher vorsorgebezogener Grenzwerte damit sowohl auf Ebene der Europäischen Union als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten entgegen. Zunächst sind durch die Toxikologie und die Ökotoxikologie die relevanten Parameter wie Masse, Oberfläche, Größe etc. näher einzugrenzen, bevor etwa der Industrie verpflichtende Emissionsgrenzwerte vorgeschrieben werden können.180 Bis dahin vermögen in bestimmten Regelungsbereichen wie dem Wasser-, Arbeits- oder Immissionsschutzrecht allgemeine Minimierungsgebote und ihre Konkretisierungen durch 176

Dederer, in: Spranger, S. 71 (81). ABl. 1989 L 183, S. 1 ff. 178 Scherzberg, in: Scherzberg/Wendorff, S. 219 (224). 179 So erstreckt die deutsche Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, BGBl. I 2010, S. 1643 ff.) das Minimierungsgebot auch auf Stäube (Anhang I Nr. 2), die so weit wie möglich abzuführen sind. Hiervon dürften auch Nano­materialien erfasst sein, Schneider, Gerald, BPUVZ 2010, S. 492 (494 f.). 180 Schneider, Gerald, ebd. Aus „arbeitsmedizinisch-toxikologischer Sicht“ Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Nano­materialien am Arbeitsplatz, S.  13. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen kommt im Sondergutachten zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Festlegung von Grenzwerten „derzeit nicht gegeben sind“ (S. 417, siehe auch S. 10 und S. 317). Grenzwerte ablehnend für das Bundesimmissionsschutzgesetz Dederer, in: Spranger, S. 71 (80). 177

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

167

mitgliedstaatliche Einzelfallentscheidungen (wie im „Nanopulver“-Fall) jedenfalls einen Basisschutz zu gewährleisten. Darüber hinaus gehende Maßnahmen könnten auf freiwilliger Basis eingeführt werden.

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien 1. Sinn und Zweck von Zulassungsregimen Ein besonders invasives Instrument zur Regulierung neuer Technologien ist die Pflicht zur vorherigen Zulassung. Hiernach ist – je nach der Form der konkreten Ausgestaltung – eine bestimmte Tätigkeit nur dann gestattet, wenn hierzu eine behördliche Erlaubnis erteilt worden ist. Dem deutschen Recht ist diese Art der behördlichen Präventivkontrolle auch unter dem Begriff des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt bekannt.181 Wird etwa ein Nano­material unter einen Zulassungsvorbehalt gestellt, so könnte es zugelassen werden, wenn seine Unbedenklichkeit und damit Markttauglichkeit (ggf. in der konkreten Verwendungsweise) geklärt ist. Sinn und Zweck eines Zulassungssystems ist es somit, in der Situation eines drohenden Nachteils dem Hoheitsträger die vorherige Prüfung der z. B. risikoträchtigen Tätigkeit oder chemischen Substanz zu ermöglichen und den Umgang mit dieser auszuschließen oder auf bestimmte Fälle zu begrenzen. In den Kategorien der Vorsorgedogmatik wäre dies also die Risikobewertung. Auf dieser im Idealfall gesicherten Erkenntnisgrundlage kann dann eine Zulassung unbeschränkt oder beschränkt erteilt oder eben abgelehnt werden. 2. Bestehender Rechtsrahmen Das Sekundärrecht sieht in einer ganzen Reihe von Vorschriften Zulassungsverfahren vor. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht über die wichtigsten Zulassungsregime gegeben werden. a) Das Zulassungsregime nach ­REACH aa) Aktuelle Ausgestaltung Das allgemeine Chemikalien-Registrierungsregime der Art.  5 ff. R ­ EACH ­ EACH jedoch auch ein Zulaswurde bereits oben182 erläutert. Daneben kennt R sungssystem. Diesem sind nach den Art.  55 ff. besonders risikoträchtige Stoffe (krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend, toxisch, persistent, 181

Vgl. Maurer, S. 227 Rn. 51 ff. E. I. 1.

182

168

F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

etc. i. S. d. CLP-Verordnung, siehe Art.  57 R ­ EACH) unterworfen (vgl. Art.  56 Abs. 1 lit. a, 60 ff. ­R EACH). Stoffe, die diese Kriterien erfüllen, werden gemäß Art. 58 ­R EACH in den Anhang XIV aufgenommen und unterliegen damit einem grundsätzlichen Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung (Art.  56 Abs. 1 ­R EACH). Hiervon können unter engen Voraussetzungen Ausnahmen zugelassen werden. Dieses Zulassungsverfahren soll vor allem die sichere Verwendung dieser Substanzen gewährleisten.183 Dies gilt grundsätzlich auch für nanoformatige Stoffe, soweit sie eine der genannten negativen Eigenschaften aufweisen.184 Daneben sieht Art. 57 lit. f) ­R EACH eine Art Auffangtatbestand für solche Substanzen vor, die „nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben“. Auch diese Stoffe können in die Liste des Anhangs XIV aufgenommen werden. Angesichts der Gefährlichkeit der dem Zulassungssystem der Art. 55 ff.­ REACH unterfallenden Substanzen sollen diese schrittweise auch durch Alterna­ EACH). Neben dem Zulassungssystem sieht die tivstoffe ersetzt werden (Art. 55 R ­R EACH-Verordnung in den Art. 67 ff. R ­ EACH sog. Beschränkungen vor. Im Unterschied zum Zulassungssystem sind die hier umfassten Substanzen in bestimmter Hinsicht (Inverkehrbringen, bestimmte Verwendungsweisen) beschränkt, können aber im Übrigen frei genutzt werden.185 In diesem Fall wird ein Eintrag in die Liste des Anhang XVII vorgenommen, der auch „alte Beschränkungen“ nach der sog. Beschränkungsrichtlinie186 einschließt.187 bb) Anwendbarkeit auf Nano­materialien Fraglich ist, inwieweit dieses Zulassungsregime auch Nano­materialien erfassen kann. Nach aktuellem Kenntnisstand deuten sich zwar bei einigen Nano­ materialien Risikopotenziale an. Das aktuelle Wissen ist jedoch zu gering, als dass bestimmte Materialien bereits als toxisch oder erbgutverändernd qualifiziert wer­ EACH die Gefährlichkeitseinstufunden könnten.188 Darüber hinaus legt Art. 57 R gen der CLP-Verordnung zugrunde. Eine standardisierte Zuordnung von Nano­ materialien zu den jeweiligen Gefahrenklassen ist jedoch mangels einheitlicher Test- und Messverfahren aktuell kaum möglich.189 Ebenso wenig kann nach aktuellem Kenntnisstand eine abschließende Aussage über wahrscheinlich „schwer­ EACH wiegende Auswirkungen“ von Nanosubstanzen im Sinne von Art. 57 lit. f R getroffen werden.190 Aus diesem Grunde dürften Nanostoffe in absehbarer Zeit 183

Hermann/Ingerowski, in: Führ, ­R EACH, Kap. 15 Rn. 7. Vgl. Führ/Hermann/Merenyi/Moch/Möller, S. 46. 185 Pache/Rucireto, in: Führ, R ­ EACH, Kap. 16 Rn. 10, 18 ff. 186 RL 76/769/EWG, ABl. 1976 L 262, S. 203 ff. 187 Pache/Rucireto, in: Führ, R ­ EACH, Kap. 16 Rn. 10. 188 So auch Raupach, S. 421. 189 Siehe hierzu ausführlich oben bei E. I. 1. b) bb). 190 Calliess/Stockhaus, DVBl. 2011, S. 921 (927). 184

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

169

auch noch nicht in Anhang XIV ­R EACH aufgenommen werden. Die Zulassungspflicht nach den Art. 55 ff. R ­ EACH vermag daher kein taugliches Instrument für die Zulassung von Nanostoffen darzustellen. b) Allgemeine Zulassungsregime in anderen Vorschriften Neben der ­ R EACH-Verordnung sehen auch zahlreiche weitere Sekundärrechtsakte Zulassungssysteme vor. Nach der EU-Pflanzenschutzverordnung (EG) 1107/2009191 unterliegen Wirkstoffe, Safener, Synergisten und Beistoffe (Art. 4 ff.) auf der einen und Pflanzenschutzmittel (Art.  28 ff.) auf der anderen Seite einer Zulassungspflicht. So sollen die möglichen Risiken, die von Pflanzenschutzmitteln ausgehen, abgewehrt werden (Erwägungsgrund Nr. 7).192 Vor der Zulassung wird der Stoff einer Risikobewertung unterzogen. Der Hersteller hat nachzuweisen, dass die jeweilige Substanz die Zulassungskriterien erfüllt (Art. 7 Abs. 1, 29 Abs. 2)193. Auch Humanarzneimittel (Art. 6 ff. der Richtlinie 2001/83/EG194) oder Tierarzneimittel (Art. 5 ff. der Richtlinie 2001/82/EG195) bedürfen vor dem Inverkehrbringen einer Zulassung. Auch hier soll die vorgeschaltete behördliche Überprüfung der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einen Schutz vor potenziell negativen Auswirkungen gewährleisten.196 Zuletzt sieht auch die „alte“197 Novel Food-Verordnung ein System der Zulassung für das neuartige Lebensmittel oder die entsprechende Zutat vor (Art. 4 ff.).198 Für die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln in Vitaminen und Mineralstoffen begründet die Richtlinie 2002/46/EG199 ein Positivlistensystem (Art. 4). Nach der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG200 bedarf das Inverkehrbringen von genetisch veränderten Organismen einer vorherigen Anmeldung (Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1). Durch das Erfordernis einer Zustimmung der Behörde besitzt auch diese Form der „Anmeldung“ die Qualität eines Genehmigungsvorbehalts.201

191

ABl. 2009 L 309, S. 1 ff. Zur wachsenden Bedeutung von Nano­materialien in Pflanzenschutzmitteln siehe Gogos/ Knauer/Bucheli, J. Agric. Food Chem (60) 2012, S. 9781 ff. 193 Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 8. 194 ABl. 2001 L 311, S. 67 ff. 195 ABl. 2001 L 311, S. 1 ff. 196 Erwägungsgrund Nr. 7 RL 2001/83/EG; Erwägungsgrund Nr. 11 der RL 2001/82/EG. 197 Zu den – im Ergebnis gescheiterten – Reformbemühungen siehe oben E. I. 7. 198 Kritisch hierzu Schroeter, ZLR 2005, S. 191 (197). 199 ABl. 2002 L 183, S. 51 ff. 200 ABl. 2001 L 106, S. 1 ff. 201 Herdegen/Dederer, in: dies., Kommentierung der Richtlinie 2001/18/EG Rn. 74. 192

170

F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Nach Art. 15 Abs. 1 und 2 der Kosmetik-Verordnung (EU) Nr. 1223/2009202, die im Jahre 2013 in Kraft trat, ist die Verwendung sog. CMR-Stoffe203 nach An­ EACH-Verordnung in Kosmetika grundsätzlich verboten. Eine Aushang VI der R nahme ist jedoch dann möglich, wenn der Wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit die Verwendung für sicher erachtet. Auf diese Weise wird ein de-facto Zulassungsregime für die Verwendung dieser Stoffe geschaffen. Im Übrigen konstituiert die Kosmetik-Verordnung kein allgemeines Zulassungsregime, sondern sieht vielmehr eine bloße Anmelde- bzw. Notifizierungspflicht jedes kosmetischen Mittels vor dem Inverkehrbringen vor (Art.  13). Für Kosmetika, die Nano­materialien enthalten, gelten darüber hinaus verschärfte Vorgaben (Art. 16), insbesondere sind der Kommission die entsprechenden Daten schon sechs Monate vor dem Inverkehrbringen zu übermitteln.204 Damit kommt die Notifizierungspflicht hier einer Zulassungsregelung schon näher. c) Nanospezifische Zulassungsregelungen Im Bereich der Biozidprodukte, Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmittelkontaktmaterialien existieren Zulassungsregime, die ihre Anwendungsbereiche ausdrücklich auch auf Nanosubstanzen erstrecken und deren eigenständige Untersuchung verlangen. So verlangt Art.  12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung, dass größenmodifizierte Stoffteilchen einer eigenen Zulassung bedürfen. Ein eigenes, spezifisches Zulassungsverfahren sieht die Verordnung indes nicht vor. Ähnlich wie die Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung erstreckt auch die Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnung (EU) Nr. 10/2011 den Anwendungsbereich ihres Zulassungsregimes auf „Nanostrukturen“ (Art. 9 Abs. 2). Diese dürfen nur dann in Kontaktmaterialien verwendet werden, wenn sie in einer entsprechenden Positivliste aufgeführt sind. Nach der neuen EU-Biozid-Verordnung bedürfen sowohl nanopartikuläre Wirkstoffe als auch Biozidprodukte mit anderen zugesetzten Nanosubstanzen einer eigenen Bewertung (Art. 4 Abs. 4; 19 Abs. 1 lit. f EU-Biozid-Verordnung). In diesem Rahmen treffen den Antragsteller erhebliche Darlegungslasten (Art. 6, 20). Im Falle nanopartikulärer Wirkstoffe ist sogar ein eigener Genehmigungsantrag erforderlich. Die Regelungen in der Verordnung über besondere Lebensmittel, die ebenfalls eine eigenständige Bewertung von Nano­materialien vorsehen, zeichnen sich demgegenüber durch ihren sehr unverbindlichen Wortlaut aus.205 Sie sollen daher im Folgenden ausgeklammert werden.

202

ABl. 2009 L 324, S. 59 ff. CMR steht für cancerogen, mutagen oder reproduktionstoxisch. 204 Hierzu im Einzelnen bei E. II. 1. a) und F. II. 1. b). 205 Siehe oben bei E. II. 6. 203

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

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3. Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens Die ganz überwiegende Zahl der existierenden Zulassungsregime differenziert wie gesehen nicht nach der Größe der verschiedenen Stoffe. Sie umfassen damit grundsätzlich auch Substanzen im Nanoformat, ohne jedoch auf diese explizit einzugehen. Zwei zentrale Schwierigkeiten scheinen hierdurch im Umgang mit den meisten Zulassungsvorschriften auf: Ist die makroskalige Substanz bereits zugelassen, gilt dies grundsätzlich auch für das nanoskalige Format. Dies ist eine Konsequenz der fehlenden Differenzierung zwischen den verschiedenen Größenbereichen.206 Zum anderen sind die Regime nicht auf die Bewältigung der erheblichen Ungewissheit zugeschnitten, die allgemein über die Auswirkungen von Nano­ materialien auf Mensch und Umwelt besteht. Insofern bedarf es einer Spezifizierung der im Rahmen der üblichen Sicherheitsbewertungen vorzunehmenden Untersuchungen. Soweit noch keine standardisierten Verfahren vorliegen, könnte auf empfohlene Testmethoden etwa der OECD oder anderer Organisationen zurückgegriffen werden.207 Gerade solange noch auf keine international genormten oder anerkannten Testverfahren zurückgegriffen werden kann und die Antragsteller insoweit eigene Verfahren anwenden, könnte die Pflicht des Antragstellers zur Begründung der nanospezifischen Testmethoden, wie sie neuerdings die Biozid-Verordnung vorsieht208, hilfreich sein. Was die Regelungen anbetrifft, die bereits explizit auf Nano­materialien oder „nanotechnologisch“ modifizierte Teilchen eingehen, so liegt häufig ein Problem in der anzutreffenden begrifflichen Unbestimmtheit. Weder die Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung noch die Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnungen grenzen den relevanten Größenbereich näher ein. So bleibt im Falle der Zusatzstoff-Verordnung offen, ob eine „Veränderung der Partikelgröße“ auch noch in einem Größenbereich von über 100 bzw. 200 nm erfasst werden soll. Im Zweifel wird man aber die Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission zugrunde legen müssen. Im Kontext der Zusatzstoff-Verordnung stellt sich zudem die Frage, wie angesichts der noch nicht standardisierten Bewertungs- und Testmethoden die eigenständige Prüfung der nanopartikulären Additive durchgeführt werden soll. Hier kommt, solange allgemein akzeptierte Standards noch nicht bestehen, allein eine Einzelfallbewertung in Betracht, in deren Rahmen die jeweils dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Methoden zugrunde zu legen sind. Eine gute Grundlage bieten hierfür verschiedene Richtlinien für eine vorläufige Risikoabschätzung von Nano­materialien, die von nationalen und internationalen Organisationen veröffentlicht worden sind.209 Ein de-facto-Moratorium210 ist daher weder angebracht noch verhältnismäßig. 206

Siehe Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 43. Siehe Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 366; Rucireto, S. 243. 208 E. II. 5. a). 209 Siehe oben Anm. 199 zu B. III. 4. 210 Vgl. Meyer, StoffR 2010, S. 11 (16). 207

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien verweist auf eine weitere, hier anzusprechende Problematik. Diese ist tatsächlicher Natur und liegt darin begründet, dass zwischen den einzelnen Nano­materialien erhebliche qualitative Unterschiede liegen können, die etwa von der Oberfläche und der Partikelgröße abhängen. So kann der Größenbereich eines Partikels z. B. für die Zytotoxizität offenbar entscheidend sein. Diese Unsicherheiten schließen jedenfalls derzeit eine generelle Zulassung von einzelnen Nano­materialien insoweit aus, als dass eine ausschließliche Anwendung des Größenkriteriums zwischen 1 und 100 nm nicht als ausreichend angesehen werden kann. Auf der anderen Seite scheitert eine Bezugnahme auf einen ganz bestimmten Maßstab daran, dass typischerweise Nano­ materialien herstellungsbedingt Partikel unterschiedlicher Größenbereiche erfassen.211 Die Zulassung sollte sich daher auf die toxikologisch relevanten Anteile von Nanopartikeln in einem bestimmten Größenbereich beziehen. Insoweit könnte man etwa in 10 nm-Stufen differenzieren (z. B. nanometriges Silber mit einem Anteil von mindestens 50 % der Nanopartikel in einem Größenbereich von 0 bzw. 1–10, 10–20, 20–30, 30–40 nm u.s.w.).212 Eine solche Differenzierung nach Größen innerhalb eines Nano­materials bildet zwar ein Novum, da bisher eine Unterscheidung nach Abmessungsbereichen im Stoffrecht nicht vorgenommen wurde. Diese bisherige Praxis ist aber schon durch die neue Differenzierung nach Nanound Makrostoffen hinfällig. Eine weitere Unterteilung im Nanometerbereich ist vor diesem Hintergrund nur die konsequente Fortsetzung und Ausdruck einer notwendigerweise neuen Herangehensweise bei nanoskaligen Stoffen. Nach Art.  12 der Zusatzstoff-Verordnung bedarf es u. a. dann eines eigenen Eintrags in die Liste der zugelassenen Zusatzstoffe, „wenn bei einem Lebensmittelzusatzstoff, der bereits in der Gemeinschaftsliste aufgeführt ist, sein Produktionsverfahren oder die verwendeten Ausgangsstoffe erheblich geändert werden oder die Partikelgröße – z. B. durch die Anwendung der Nanotechnologie – geändert worden ist.“ Die Vorschrift lässt gerade angesichts dieser allgemeinen, recht unspezifischen Formulierung Raum für eine separate, nach Größenbereichen innerhalb des Nano­materials differenzierenden Betrachtung. Gleichwohl sollte hier eine entsprechende Klarstellung eingefügt werden.213 Auch Nano­materialien mit modifizierter Oberfläche (etwa sog. Coatings) dürften unter Art. 12 fallen, denn auch sie sind jedenfalls in ihrer Partikelgröße verändert. Diese Schwierigkeit betrifft gleichfalls die Kontaktmaterialien-Verordnungen. Die Formulierung des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 10/2011 („Stoffe mit Nanostruktur dürfen nur verwendet werden, wenn sie ausdrücklich zugelassen […] sind“) lässt jedenfalls Raum für eine eigene Betrachtung, Bewertung und im Ergebnis Zulassung unter-

211

SCENIHR, Definition, S. 16. Zur gesamten Problematik im Detail oben bei B. I. 6. 213 Ähnlich Meyer, StoffR 2010, S. 11 (15), der aus Praktikabilitätsgründen Art. 12 dahingehend auslegt, dass nur „erhebliche“ Veränderungen der Partikelgröße zu einer erneuten Zulassungspflicht führen sollen. 212

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

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schiedlicher Größenbereiche eines Nano­materials. Zudem lässt der Wortlaut der Regelung eine eigenständige Betrachtung von Materialien mit oberflächenmodifizierten Partikeln zu. In jedem Fall bedarf die Regelung daher einer Klarstellung. Wie schon im Kontext der Zusatzstoff- und Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnung stellt sich auch mit Blick auf die neue Biozid-Verordnung die Frage nach einer größenbezogenen Differenzierung innerhalb eines Nano­materials. Weder Art. 4 Abs. 4 noch Art. 19 Abs. 1 lit. f der Verordnung treffen hierzu eine Aussage, schließen aber eine eigenständige Bewertung unterschiedlicher Größenbereiche auch nicht aus. Damit besteht auch hier das Bedürfnis nach einer entsprechenden Klarstellung. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das EU-Recht in einigen Teilen, insbesondere im sensiblen Bereich der Lebensmittelregulierung, bereits Zulassungsregime für Stoffe oder Produkte vorsieht. Andere Rechtsregime, die teilweise kaum eine geringere Verbraucherrelevanz haben, kennen eine vorgeschaltete behördliche Prüfung indes nicht. Dies gilt insbesondere für den Bereich der nicht minder verbrauchernahen Bekleidung und Bedarfsgegenstände. Die hier einschlägigen Vorschriften beschränken sich auf allgemeine Mindestsicherheitsanforderungen und überlassen die nähere Konkretisierung im Wesentlichen den Mitgliedstaaten.214 Die sich daraus ergebenden Diskrepanzen lassen sich anschaulich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Während für Babynahrung215 und Babypuder umfangreiche unionsrechtliche Vorgaben bestehen, ist dies für Babybekleidung nicht der Fall. Insofern macht die vorangegangene Analyse des bestehenden Rechtsrahmens einschließlich der aufgezeigten Inkonsistenzen hinsichtlich der einzelnen Regelungsgegenstände deutlich, dass auf der Ebene des Unionsrechts Zulassungsregime für Nano­materialien grundsätzlich durchaus eine Regelungsoption darstellen, aber insoweit einer spezifischen Ausgestaltung bedürfen. Dabei ist zu differenzieren zwischen der Ergänzung und Anpassung bestehender Zulassungsregime etwa im Falle von Biozidprodukten oder Pflanzenschutzmitteln einerseits und der Begründung eines sehr viel weitergehenden, nicht sektorspezifischen, sondern allgemeinen Zulassungsvorbehalts andererseits. In diese Richtung gehen Überlegungen im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments216 und des Sachverständigenrats für Umweltfragen (dazu sogleich). Sinn und Zweck eines Zulassungsregimes für Nano­materialien wäre es demnach, eine behördliche Präventivkontrolle zu ermöglichen. Diese soll gewährleisten, dass Nano­materialien sicher verwendet werden können, der Einsatz von 214 So vor allem im Bereich der allgemeinen Produktsicherheit: Nach Art. 3 Abs. 1 der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG, ABl. 2002 L 11, S. 4 ff., „dürfen nur sichere Produkte in Verkehr“ gebracht werden. Die Sicherheit ergibt sich dabei primär durch mitgliedstaatliche Vorschriften (Abs. 2 f.), vgl. hierzu etwa § 30 LFGB, BGBl. I 2010, S. 1770 ff. 215 Richtlinie 2006/141/EG, ABl. 2006 L 401, S. 1 ff. 216 Europäisches Parlament, Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, 15.09.2006, PE 378.597v01–00, S. 8 (abrufbar unter www.europarl.europa. eu).

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Nano­materialien also ein beherrschbares Risiko darstellt. Dabei dient ein „NanoZulassungssystem“ in besonderem Maße der Bewältigung der Ungewissheit. Denn durch vorgeschaltete Untersuchungen ist zunächst das Risikopotenzial eines Stoffes zu klären und eine dementsprechend sichere Verwendung zu bestimmen. Diese Ungewissheit, so mag man entgegenhalten, könnte aber auch bereits durch eine – ggf. angepasste – Registrierungspflicht bewältigt werden, wie sie die­ REACH-Verordnung bereits vorsieht. Dass dies indes nicht ohne Weiteres der Fall ist, wird unten bei Abschnitt F. IV. 5. a) cc) dargelegt. Somit ist die dem Herstellen oder Inverkehrbringen vorgeschaltete Wissensgenerierung ein Hauptzweck einer Nano-Zulassung, was sie insoweit mit einer Meldepflicht für ein Produktregister gemein hat. Gleichwohl besteht ein erheblicher qualitativer Unterschied zwischen einer Meldepflicht und einem Zulassungsregime. Denn während erstere zunächst nur die Datenbasis vergrößern soll und im Übrigen die Betätigungsfreiheit der betroffenen Unternehmen unberührt lässt, führt eine Zulassungspflicht zu einer direkten Beschränkung unternehmerischer Ausübung. Seiner Natur nach bezweckt ein Zulassungsregime insoweit den unmittelbaren Schutz vor bestimmten Risiken, die vom tatbestandlich erfassten Objekt ausgehen und durch eine Präventivkontrolle minimiert werden sollen. Insgesamt wird in jüngerer Zeit auf politischer Ebene neben besagtem Antrag im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments die Einführung einer (allgemeinen) Zulassungspflicht für Nano­materialien bzw. solche enthaltende Produkte diskutiert.217 Im Folgenden soll daher untersucht werden, inwieweit eine effektive Regulierung durch die Begründung eines allgemeinen umfassenden Zulassungsregimes für Nano­materialien möglich ist und welche rechtlichen Ausgestaltungen hierfür in Frage kommen. 4. Ausgestaltungsoptionen eines Zulassungsregimes für Nano­materialien materialien kann unterEin unionsrechtliches Zulassungsregime für Nano­ schiedliche Ausprägungen aufweisen. Im Folgenden sollen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten dargestellt werden.

217 Siehe zum Beispiel Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen u. a., Nanotechnologie – Chancen nutzen und Risiken minimieren, BT-Ds. 17/9569, S. 2; Antrag der Bundestagsfraktion Die Linke u. a., Wirksamen Verbraucherschutz bei Nanostoffen durchsetzen, BT-Ds. 17/5917, S. 3 oder die Dokumente zur Anhörung „Verbraucheraspekte beim Umgang mit der Nanotechnologie“ im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Bundestags vom 24. Oktober 2011, Ausschuss-Ds. 17/10(615)A bis H.

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

175

a) Stoffbezogene oder verwendungsbezogene Anknüpfung Zunächst stellt sich bei der Ausgestaltung eines Nano-Zulassungsregimes die Frage nach einer stofflichen oder verwendungsbezogenen Anknüpfung. So kann ein Zulassungsvorbehalt sich auf das Nano­material als solches, also als Stoff, oder aber auf die konkrete Verwendung beziehen.

aa) Stoffbezogener Ansatz Auf Ebene des Unionsrechts begründet die R ­ EACH-Verordnung das zentrale stoffrechtliche Regelungswerk. Soll ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien an den Nanostoff als solchen anknüpfen, kommt insoweit nur die Integration einer entsprechenden Vorschrift in die ­R EACH-Verordnung in Betracht. Dabei scheint die Einfügung eines neuen „Art. 59a ­R EACH“ der Erweiterung des bestehenden­ REACH-Zulassungsvorbehalts vorzugswürdig. Denn jener ist wie gesehen strukturell nur auf bekanntermaßen gefährliche Substanzen ausgerichtet. Demgegenüber ist für Nano­materialien gerade die  – sie von den anderen (Makro)Stoffen zumeist unterscheidende – erhebliche Ungewissheit charakteristisch. Soweit der Anwendungsbereich der R ­ EACH-Verordnung von vornherein bestimmte Substanzen bzw. deren Verwendungsweisen nicht erfasst (Art. 2 Abs. 5 ­R EACH), wären ggf. entsprechende Zulassungsvorbehalte in den jeweiligen spezifischen Vorschriften einzufügen.

bb) Verwendungsbezogener Ansatz Neben der sehr weitgehenden Lösung eines stoffbezogenen Zulassungsvorbehaltes für Nano­materialien stellt eine verwendungsbezogene Regelung eine weitere Ausgestaltungsoption dar. Hierzu sind zwei Varianten denkbar: 1. Zunächst könnte die ­REACH-Verordnung um einen entsprechenden rein verwendungsbezogenen Vorbehalt ergänzt werden. 2. Alternativ hierzu wären die zahlreichen sekundärrechtlichen sektorspezifischen Vorschriften im Bereich einzelner Produkte (Kosmetika, Pflanzenschutzmittel, Kinderspielzeug etc.) oder allgemein der Produktsicherheit um entsprechende Zulassungsregularien zu erweitern. Während ­R EACH grundsätzlich umfassend gilt und sich vom Anwendungsbereich her nicht auf bestimmte Verwendungsweisen beschränkt, sieht das Sekundärrecht für verschiedene stoffrechtliche Bereiche spezielle Regelungen vor, die insofern die ­R EACH-Verordnung verdrängen (vgl. Art. 2 Abs. 5 ­R EACH) oder weitergehende Fragen betreffen. So existieren, wie bereits aufgezeigt, eigene Vorschriften etwa im Bereich der Lebensmittelsicherheit, der Biozidprodukte und

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Pflanzenschutzmittel, der Arzneimittel und der kosmetischen Produkte. Diese Rechtsregime beschränken sich tatbestandlich also auf bestimmte Verwendungsweisen von Stoffen. Vor diesem Hintergrund könnte also statt der Einführung R EACH für die Verwendung eines allgemeinen Zulassungsvorbehaltes unter ­ von Nano­materialien auch die Ergänzung dieser speziellen Rechtssätze in Betracht kommen, wie sie auch teilweise (insbesondere im Falle der Kosmetik- und der Biozid-Verordnung und der Verordnungen zu Lebensmittelzusatzstoffen und -kontaktmaterialien) schon erfolgt ist. So wird in vielen Fällen die jeweilige Verwendung von Stoffen auch jeweils einem spezifischen Rechtsregime unterworfen. Der Vorteil einer Ergänzung dieser Vorschriften besteht darin, dass für jede Verwendungskategorie (Biozidprodukt, Arzneimittel, etc.) eigenständig geprüft werden kann, ob ein Zulassungssystem tatsächlich notwendig erscheint. Doch eine sektorspezifische Regelung ist auch nicht ohne Nachteile. So werden nur einige, aber längst nicht alle verbraucherrelevanten Verwendungskategorien von Stoffen in eigenen EU-Vorschriften erfasst, wie sich etwa bei Textilien zeigt.218 In diesem Falle wären allenfalls Verwendungsbeschränkungen nach den Art. 67 ff. ­R EACH eine denkbare Alternative, was jedoch den Nachweis eines „unannehmbaren Risikos für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt“ erforderte (Art. 68 Abs. 1 Satz 1). Diese regulatorische Lücke müsste daher entweder durch entsprechende EU-Vorschriften oder aber durch Regelungen auf Ebene der Mitgliedstaaten219 geschlossen werden. cc) Bewertung Für die Implementierung eines Zulassungsvorbehalts in die ­R EACH-Verord­ nung spricht deren Charakter als allgemeines stoffrechtliches Regelungsregime. Die aktuelle Debatte um die Einführung einer Genehmigungspflicht für Nano­ materialien fokussiert sich daher auch auf die Anpassung von ­R EACH (dazu sogleich). Gegen eine Implementierung in ­R EACH sprechen jedoch verschiedene gewichtige Argumente. Die Erfassung des Inverkehrbringens eines Stoffes durch Art. 56 Abs. 1 Satz 1­ REACH erscheint für Nano­materialien zu weitgehend, denn anders als bei den nach Art.  56 ff. R ­ EACH regulierten Makrostoffen kann bei Nano­materialien

218

Insoweit existiert allein eine Regelung zur Bezeichnung der Textilfasern, siehe VO (EU) Nr. 1007/2011, ABl. 2011 L 272, S. 1 ff. Allerdings soll die Kommission bis zum 30.09.2013 eine Studie durchführen, mit der ein Kausalzusammenhang zwischen allergischen Reaktionen und chemischen Stoffen in Textilien untersucht werden soll, Art. 25. Mit seiner Forderung nach einer expliziten Erwähnung zur Untersuchung von „Nanopartikeln“ hat sich das Europäische Parlament nicht durchsetzen könne, siehe Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 18.05.2010, EP-PE_TC1-COD(2009)0006, siehe dort Art. 28 Abs. 2 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 219 Hierzu unten G. II. 4.

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

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nicht ohne Weiteres von einer erheblichen Grundgefährlichkeit ausgegangen werden. Ein Vermarktungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt ginge zu weit. So sind auch viele Stoffe zwar mit sekundärrechtlichen Verwendungseinschränkungen oder sogar -verboten belegt, fallen aber nicht unter den Vorbehalt des Art. 56 Abs. 1 ­R EACH.220 Was einen rein verwendungsbezogenen Vorbehalt anbetrifft, enthält die­ REACH-Verordnung zwar verschiedene verwendungsbezogene Vorschriften wie etwa zu den Verwendungsbeschränkungen nach den Art.  67 ff. ­R EACH. Allerdings wird die Verwendung von Stoffen in Endprodukten in vielen Fällen durch spezielles Sekundärrecht geregelt (vgl. bspw. Art.  56 Abs.  4 und 5 und Art.  67 Abs. 2 ­R EACH).221 Sowohl gegen einen stoff- als auch verwendungsbezogenen Vorbehalt in ­ EACH spricht weiterhin, dass die Verordnung ihrem bereits vorhandenen ZulasR sungsregime ein deutlich höheres Maß an verfügbarem Wissen über die stoff­lichen Auswirkungen zugrunde legt. Aus diesem Grunde begründete die Integration eines Zulassungsvorbehalts in die R ­ EACH-Verordnung einen gewissen rechtssystematischen Bruch mit den übrigen Regelungen. Ein solcher könnte allenfalls durch eine teilweise angedachte grundlegende Änderung des ­R EACH-Zulassungsregimes vermieden werden (hierzu sogleich). Angesichts der Bedeutung der Einfügung eines Zulassungsvorbehaltes in­ REACH im Rahmen der öffentlichen Debatten wird im Folgenden dennoch sowohl die Ergänzung der ­R EACH-Verordnung als auch des übrigen produktsektorspezifischen Sekundärrechts um Zulassungsregelungen erläutert. Die folgenden Ausführungen können insofern sowohl auf eine ­R EACH- als auch auf sektorspezifische Regelung(en) übertragen werden. b) Das Objekt eines Zulassungsvorbehalts: Jedes oder nur bestimmte Nano­materialien? Entscheidende Bedeutung kommt der Frage nach dem Objekt des Zulassungsvorbehaltes für Nano­materialien zu. So könnte sich ein Zulassungsvorbehalt auf jeden Stoff in einem Nano-Abmessungsbereich erstrecken oder aber ein bestimmtes Risikopotenzial als Anknüpfungsmoment haben.

220 Siehe bspw. Anhang II der Kosmetik-Verordnung, der Substanzen aufführt, die nicht in kosmetischen Produkten verwendet werden dürfen. Sie unterfallen aber größtenteils nicht Art. 56 Abs. 1 ­R EACH, so dass auch ihre Vermarktung keiner Zulassung bedarf. 221 Vgl. Kuhn, S. 101; Albrecht/Krause, StoffR 2006, S. 243 (244 f.) mit verschiedenen Beispielen.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

aa) Der Beschluss des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments Im Jahre 2006 wurde im Umweltausschuss im Europäischen Parlament mehrheitlich ein Antrag der Abgeordneten Schlyter, Lucas und Breyer angenommen222, der auf die allgemeine Erstreckung des Zulassungsregimes der Art. 55 ff. ­R EACH auf Nano­materialien abzielte.223 Konkret ging es hierbei um einen umfassenden Entwurf für eine Empfehlung für die zweite Lesung zur ­R EACH-Verordnung. ­ EACH um einen Unterpunkt „fa) Nanopartikel“ Dem Antrag nach soll Art. 57 R ergänzt werden. Dies hätte zur Folge, dass solche Substanzen in die Liste der zulassungspflichtigen Stoffe aufgenommen werden könnten. Damit knüpft der Antrag allgemein an die Nanoskaligkeit eines Materials an und macht dieses zum Anlass der Zulassungspflicht. Diese würde allerdings erst dann begründet, sofern der ­ EACH in die Liste der zulassungsNanostoff nach dem Verfahren des Art. 58 R pflichtigen Substanzen aufgenommen würde. bb) Der Vorschlag des Sachverständigenrats für Umweltfragen Eine Zulassungspflicht könnte sich alternativ auf solche Stoffe beschränken, die eine bestimmte Qualität aufweisen, in diesem Falle also etwa auf „gefährliche“ Nano­materialien. In Frage käme hier eine Erfassung allein solcher Substanzen, die entweder als gefährlich im Sinne des Stoffeinstufungssystems der Richtlinie 67/548/EWG bzw. der CLP-Verordnung gelten oder aber, im Falle einer fehlenden Einstufung, jedenfalls gesicherte Erkenntnisse über ein Gefährdungspotenzial vorliegen. Da aber ein entsprechendes Wissen noch nicht besteht und daher auch die Anwendbarkeit des Zulassungsregimes der Art. 55 ff. ­R EACH auf nanoskopische Stoffe ausscheidet224, schlägt der Sachverständigenrat für Umweltfragen eine Anpassung von Art. 57 ­R EACH dahingehend vor, dass auch bereits Stoffe einer Präventivkontrolle unterworfen werden können, für die nur die Möglichkeit einer schwerwiegenden negativen Auswirkung auf den menschlichen Organismus oder das ökologische Wirkungsgefüge besteht.225 Damit präferiert der Sachverständigenrat eine umfassende, nicht auf Nano­materialien beschränkte Änderung des­ REACH-Zulassungsregimes.

222 Europäisches Parlament, Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, Protokoll der Sitzung vom 10.10.2006, ENVI_PV(2006)1010_1 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 223 Europäisches Parlament, Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, 15.09.2006, PE 378.597v01–00, S. 8 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 224 Siehe oben F. IV. 2. a) bb). 225 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 341 f.

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

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cc) Allgemeine Zulassungspflicht für alle Nano­materialien Eine dritte Ausgestaltungsoption besteht darin, den Anwendungsbereich eines Zulassungsvorbehaltes auf alle Stoffe im nanometrigen Größenmaß zu erstrecken. Damit unterläge jedes Material in einem bestimmten als „Nano“ definierten Größenbereich der Zulassungspflicht. Dieser Ausgestaltung eines Zulassungsregimes liegt die Erwägung zugrunde, dass zunächst auf abstrakt-tatbestandlicher Ebene für Nano­materialien ein Vorsorgeanlass zu bejahen ist und somit auch ein Stoff im Nanoformat einer allgemeinen Präventivkontrolle durch ein Zulassungsregime unterworfen werden könnte. Auch die bereits bestehenden sekundärrechtlichen Nano-Zulassungsregeln machen sich diesen Ansatz zu eigen und knüpfen an die Nanoskaligkeit einer Substanz allgemein an. dd) Bewertung Der bereits 2006 vom Umweltausschuss des Parlaments beschlossene Antrag auf Änderung der ­R EACH-Verordnung hat den Vorzug der einfachen Umsetzung. Das ­R EACH-Zulassungssystem beruht indes auf der Annahme einer ganz erheblichen „Grundgefährlichkeit“ der zulassungspflichtigen Substanzen.226 Damit leidet der Vorschlag des Umweltausschusses vor allem daran, dass er nicht der Regelungssystematik der Art. 55 ff. ­R EACH entspricht.227 Der Ansatz des Sachverständigenrats zielt auf eine grundlegende Änderung der Zulassungsphiloso­ EACH ab, indem auch nur „mögliche“ Risiken erfasst werden sollen. phie unter R Damit entzieht sich der Vorschlag ein Stück weit dem Vorwurf der Systemwidrigkeit, indem der Vorbehalt allgemein bereits an eine abstrakte Besorgnis im Sinne ­ EACH eines non liquet anknüpfte.228 Eine entsprechende Änderung von Art. 57 R fügt sich zwar insgesamt recht gut in das bestehende System ein. Leider treffen die Autoren des Sachverständigenrats keine konkrete Aussage zur Einbindung der Mechanismen zur Widerlegbarkeit der zugrunde liegenden Gefährlichkeitsvermutung. Darüber hinaus hat eine Lösung, die auf das bestehende ­R EACH-Zulassungs­ regime zurückgreift, den Nachteil, dass über die tatsächliche Zulassungspflicht und die dafür notwendige Aufnahme des jeweiligen Stoffes in Anhang XIV­ REACH erst im Rahmen eines bürokratischen Verfahrens nach Art. 58 R ­ EACH entschieden werden muss.229 Insbesondere verfügen die Mitgliedstaaten im „Ausschuss der Mitgliedstaaten“ über ein Stimmrecht (Art.  59 Abs.  8 ­R EACH). Im Falle eines nicht einstimmigen Beschlusses wird in einem sich dann anschlie 226

Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 342. Zu entsprechenden Kohärenzerwägungen siehe unten H. VI. 1. c) dd). 228 Vgl. Calliess/Stockhaus, DVBl. 2011, S. 921 (927). 229 Vgl.  zu den einzelnen Verfahrensschritten insoweit Hermann/Ingerowski, in: Führ,­ REACH, Kap. 15 Rn. 111 ff. 227

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

ßenden Komitologieverfahren entschieden (Art.  59 Abs.  9 ­R EACH). Insofern erscheint es fraglich, ob eine Eingliederung eines Zulassungsvorbehaltes für Nano­materialien in das bestehende System eine umfassende Präventivkontrolle nanoskopischer Substanzen gewährleisten kann. Die dritte Option erstreckt den Zulassungsvorbehalt auf jedes Nano­material, macht die Zulassungspflicht also an der Nanoskaligkeit des Stoffes fest. Dies ist freilich der weitgehendste Ansatz. Er entspricht der hier vertretenen Auffassung, dass bereits die Nanoskaligkeit eines Stoffes auf abstrakt-tatbestandlicher Ebene des Vorsorge­prinzips einen Vorsorgeanlass begründet (ohne damit aber eine verbindliche Aussage über eine etwaige Gefährlichkeit zu treffen!). Auf dieser Annahme beruhen auch die bereits bestehenden Zulassungsregelungen für Nano­materialien im EU-Recht. So sehen bspw. weder die Regelung in der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung noch in der Biozid-Verordnung eine Differenzierung nach bestimmten Risikoabstufungen oder Schadensmöglichkeiten vor, sondern knüpfen ganz allgemein an die Nanoskaligkeit eines Stoffes an. Auch wenn eine solche Vorgehensweise freilich den größten bürokratischen Aufwand begründet, vermag sie eine Präventivkontrolle des jeweiligen Nano­materials am besten zu gewährleisten. Im Übrigen gilt, dass auf Ebene der Verhältnismäßigkeit für solche Substanzen Ausnahmeregelungen getroffen werden können, deren Wirkungen – etwa durch entsprechende Erfahrungswerte aus langjähriger Anwendung – relativ gut abgeschätzt werden können oder die von Natur aus im Produkt enthalten sind. ee) Die Schwierigkeit der unterschiedlichen Größenbereiche Wie bereits oben230 ausführlich erläutert, machen die unterschiedlichen Auswirkungen von Nano­materialien in verschiedenen Größenbereichen eine insoweit erneute Differenzierung innerhalb eines Stoffes erforderlich. Die bisherigen Regelungen im EU-Recht treffen hierzu keine eindeutige Aussage, schließen eine solche Unterscheidung aber auch nicht aus. Nach hier vorgeschlagener Konzeption könnte eine eigenständige Bewertung eines Nano­materials in 10 nm-Schritten erfolgen. Dies würde den offenbar teilweise stark vom Größenbereich abhängigen Charakteristika eines Materials am ehesten gerecht werden. Auch sollten Stoffe mit Oberflächenmodifikationen gesondert bewertet werden. c) Die Rechtsfolge der Zulassung Mit Blick auf die Rechtsfolge eines Zulassungssystems wird zwischen der generellen und der individuellen Zulassung unterschieden.231 Wird bei einem ge 230

F. IV. 3. Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 42 f.

231

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

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nerellen Genehmigungsvorbehalt eine Zulassung erteilt, so gilt diese zugunsten aller Marktteilnehmer.232 Eine individuelle Zulassung hat demgegenüber eine beschränkte Wirkung. Sie erstreckt sich nur auf einen Antragsteller.233 aa) Voraussetzungen der Erteilung Eine Zulassung kann dann erteilt werden, wenn die jeweilige Verwendungsweise als unbedenklich gilt bzw. das stoffliche Risiko nachweislich sicher beherrscht wird. Alternativ ist die Genehmigung der Verwendung einer Substanz auch dann denkbar, wenn die Unbedenklichkeitsanforderungen zwar nicht erfüllt werden, aber andere Kriterien wie etwa ein hoher sozio-ökonomischer Nutzen vor­ EACH die Zulassung eines Stoffes vor, dessen Risiko zwar nicht liegen. So sieht R sicher beherrscht wird, der aber in seinem sozio-ökonomischen Nutzen die Risi­ EACH).234 Unter umweltpolitischen ken übersteigt (Art. 60 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 R Gesichtspunkten ist aber die Zulassung der Verwendung einer Substanz, deren Risiko nicht vollumfänglich beherrscht wird, zweifelhaft. Im Übrigen dürfte die Bestimmung jedenfalls des sozio-ökonomischen Nutzens eines Nano­materials aktuell noch recht schwierig sein. bb) Wirkung der Erteilung (1) Generelle Wirkung Eng verbunden mit der Frage der tatbestandlichen Reichweite des Zulassungsvorbehalts ist die Ausgestaltung der Rechtsfolge. Dabei geht es vor allem um die Umsetzung in einem generellen oder individuellen Zulassungssystem. Im Rahmen einer generellen Zulassung erstreckte sich nach der erstmaligen positiven Entscheidung die behördliche Erlaubnis zur Verwendung des jeweiligen Nano­ materials auf jeden Antragsteller. Dieses Modell hat den Vorteil der bürokratischen Entlastung späterer Verwender, denn diese brauchen keinen Zulassungsantrag mehr zu stellen.235 Übertragen auf das hier vorgeschlagene System bedeutet dies, dass die jeweilige zugelassene Verwendungsweise generelle Wirkung entfaltet. Im Falle der generellen Zulassung könnte das jeweilige Nano­material also von jedermann auf die

232

Ebd. Ebd. 234 Siehe z. B. auch Art. 19 Abs. 1 lit. b EU-Biozid-Verordnung, der als Voraussetzung für die Zulassung eines Biozidprodukts vorsieht, dass dieses keine „unannehmbaren“ Wirkungen auf die menschliche oder tierische Gesundheit oder die Umwelt hat. 235 Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 42. 233

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zugelassene Weise verwendet werden.236 So könnte sich die Zulassung z. B. auf die Verwendung von Silber in einem Abmessungsbereich von 10–20 nm in Sport­ socken oder allgemeiner in Textilfasern beziehen.237 Die zugelassene Verwendungsweise könnte in einer öffentlichen Liste oder Datenbank (Positivliste der zugelassenen Verwendungsweisen) erfasst werden, um so einen Überblick über die zugelassenen Formen der Verwendung zu ermöglichen. (2) Individuelle Wirkung Denkbar wäre aber ebenso eine individuelle Lösung, nach der jeder Antragsteller für die jeweilige Verwendungsweise des Nano­materials einer eigenen Zulassung bedürfte. Dies böte freilich den Vorteil einer noch präziseren Präventivkontrolle als bei einer generellen, sich auf eine bestimmte Verwendungskategorie beziehenden Zulassung. Gegen eine individuelle Zulassung spricht indes der noch höhere bürokratische Aufwand im Vergleich zu einer Zulassung bestimmter (Verwendungs-)Kategorien. d) Flexible Mechanismen als Reaktion auf die Ungewissheit Diejenigen EU-Vorschriften, die, wie vor allem die Kosmetik-Verordnung und die Biozid-Verordnung, im Rahmen von Neufassungen bereits nanospezifische Tatbestände erhalten haben, sind von dem Bemühen des EU-Gesetzgebers gekennzeichnet, den großen Wissenslücken durch möglichst flexible Normen und zahlreiche Überprüfungsmechanismen gerecht zu werden. Auch ein Zulassungsregime für Nano­materialien bedarf solcher Instrumente, die einmal  – auf einer bestimmten Wissensbasis  – getroffene Entscheidungen grundsätzlich auch wieder rückgängig machen lassen. Insofern muss es möglich sein, eine positive Zulassungsentscheidung auch wieder aufzuheben, wenn neue Erkenntnisse bislang unbekannte Schadenspotenziale nahelegen.238 Dem hiermit kollidierenden berechtigten Vertrauen des Zulassungsinhabers auf den Bestand der Entscheidung muss

236 Vgl. insoweit Art. 56 Abs. 2 R ­ EACH, der eine generelle Wirkung der zugelassenen Verwendung für den nachgeschalteten Anwender vorsieht. 237 Vgl. Art. 67 Abs. 1 ­R EACH, der u. a. Verwendungsbeschränkungen für Stoffe zulässt. Diese Beschränkungen können dabei sehr detaillierte Vorgaben machen. So dürfen „flüssige Stoffe oder Gemische, die nach den Definitionen in der Richtlinie 67/548/EWG und der Richtlinie 1999/45/EG als gefährlich gelten“, nicht in „Scherzspielen“ oder „in Dekorationsgegenständen, die zur Erzeugung von Licht- oder Farbeffekten (durch Phasenwechsel), z. B. in Stimmungslampen und Aschenbechern, bestimmt sind“, verwendet werden, siehe Anhang XVII, Nr. 3 der ­R EACH-Verordnung. 238 Vgl. Art. 23 Abs. 1 der EU-Gentechnik-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG, nach der die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, Einsatz oder Verkauf eines gentechnischen Produkt auf Grundlage neuer Erkenntnisse vorübergehend zu untersagen.

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

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durch eine starke inhaltliche Beschränkung dieser „Widerrufs“-Möglichkeit entsprochen werden. Zudem können Zulassungen auch zeitlich befristet werden.239 Nun stellt sich angesichts der erheblichen Ungewissheit über die Auswirkungen von Nano­materialien die Frage, wie mit einem Nano­material verfahren werden soll, wenn sich – durch das Zulassungsverfahren – eine breitere Erkenntnisbasis über die Sicherheit verschiedener Verwendungsweisen entwickelt hat. Hier bietet sich insbesondere unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten folgende Lösung an: Zeichnet sich die Unbedenklichkeit im Sinne eines nur minimalen Risikos einer Nanosubstanz oder aber einer guten Beherrschbarkeit eines noch überschaubaren stofflichen Risikos ab, so könnte sie von der Zulassungspflicht ausgenommen werden.240 Ihre Verwendung wäre dann nach den allgemeinen Regeln möglich. Bestimmte natürliche Nano­materialien sollten von vornherein von der Zulassungspflicht ausgeklammert werden.241 Zeigt sich durch die im Rahmen der Zulassungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse, dass eine Verwendungsweise eines bestimmten Nano­materials mit erheblichen und schwierig zu beherrschenden Risiken behaftet ist, so könnte die Zulassungspflicht für die Verwendung bestehen bleiben, um so zu gewährleisten, dass die jeweilige Verwendungsweise tatsächlich auch im Einzelfall sicher ist. Schließlich ist es auch vorstellbar, dass die durch die Risikobewertungen mittelfristig erlangten Ergebnisse auf ein ganz erhebliches Gefahrenpotenzial eines Nano­materials hindeuten. Dann könnten die Stoffe jedoch auch dem allgemeinen­ REACH-Zulassungsregime der Art. 55 ff. unterfallen. Dem Bedürfnis nach einer hohen Flexibilität dürfte am ehesten eine sich im Anhang der Vorschrift befindliche Positivliste gerecht werden, deren Änderung, also die Ergänzung oder Entfernung von Stoffen von der Liste, im Rahmen eines Komitologieverfahrens erfolgen kann. Diese Liste könnte diejenigen Stoffe enthalten, deren Verwendung zugelassen wurde. Die Auswahl der hierfür in Frage kommenden Substanzen würde insofern durch den Expertenausschuss in Abstimmung mit der Kommission erfolgen. Dabei können grundsätzlich auch kurzfristige Entscheidungen getroffen werden, denn die Komitologie-Verordnung sieht auch Mechanismen zur beschleunigten Verfahrensdurchführung vor, so dass in „hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit“ schnelle Reaktionen der Kommission möglich sind (Art. 8 der Verordnung Nr. 182/2011242).243 Über die Zulassung eines Nanostoffes sollte analog zur Zulassungssystematik von R ­ EACH die Europäische Kommission entscheiden. Diese Vorgehensweise gewährleistet eine ein 239

Zu Beispielen aus dem EU-Recht siehe oben bei C. II. 2. die Anm. 24. Insofern für eine „vorläufige“ Zulassungspflicht für verbrauchernahe Nanoprodukte Bundestagsfraktion der SPD u. a., Chancen der Nanotechnologien nutzen und Risiken für Verbraucher reduzieren, BT-Ds. 17/8158 v. 14.12.2011. 241 Siehe bereits oben F. IV. 4. b) dd). 242 ABl. 2011 L 55, S. 13 ff. 243 Vgl. auch Erwägung Nr. 65 VO (EG) Nr. 1223/2009, ABl. 2009 L 342, S. 59 ff. 240

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heitliche Praxis. Ergänzt werden könnte dieses System um eine weitere Liste der Nano­materialien, die von vornherein nicht von der Zulassungspflicht umfasst werden sollen.

Quelle: Eigene Darstellung.

Vorschlag für ein Zulassungssystem für Nanomaterialien am Beispiel von Nanosilber

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e) Zwischenfazit Eine Zulassungspflicht verhilft dem Ansatz der Präventivkontrolle am optimalsten zu Geltung. So wird ein Nano­material bereits vor seiner Verwendung auf seine Auswirkungen hin untersucht. Damit gewährleistet dieses Regulierungs­ instrument ein hohes Maß an naturwissenschaftlicher Sicherheit. Für eine Zulassungspflicht spricht daneben entscheidend, dass Verwender im Falle einer positiven Zulassung Rechtssicherheit genießen.244 Dem stehen im Einzelfall erhebliche Belastungen für die betroffenen Unternehmen gegenüber. Um die noch jungen Nanotechnologien nicht zu „zerregulieren“, bedarf es einer Anwendung von Zulassungsregelungen mit Augenmaß. Die teilweise befürwortete allgemeine Zulassungspflicht für Nano­materialien im Rahmen von ­R EACH dürfte dem nicht mehr ­ EACH gerecht werden und stellte einen Bruch mit der Regelungssystematik von R dar. Vor diesem Hintergrund müsste bei der Integration eines Zulassungsvor­ EACH-Verordnung deren Regelungsphilo­ behalts für Nano­materialien in die R sophie insgesamt angepasst werden.245 Insgesamt praktikabler erscheint aber eine Ergänzung produktspezifischer Regularien und damit die Fortführung des vom EU-­Gesetzgeber bereits eingeschlagenen Weges. 5. Die Vereinbarkeit eines Zulassungsregimes für Nano­materialien mit dem Primärrecht Nachdem im vorangegangen Abschnitt verschiedene Ausgestaltungsoptionen für ein Zulassungsregime für Nano­materialien beleuchtet worden sind, bedarf es nunmehr einer Analyse, inwieweit eine Zulassungspflicht mit dem Primärrecht in Einklang gebracht werden kann. a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten Fraglich ist, ob und inwieweit ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien mit Art. 16 GrCh vereinbar ist. Dieser schützt die unternehmerische Ausübung. Hierzu gehört auch die Entscheidung eines Unternehmens, ein Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Markt anzubieten. Ein Zulassungsvorbehalt entzieht diese Entscheidungen dem autonomen Handeln des Unternehmens, indem es den Marktzugang von einer positiven Behördenentscheidung abhängig macht. So muss der Antragsteller die Unbedenklichkeit der Verwendung (hier etwa die sichere Beherrschung eines Risikos) seines Nano­materials darlegen. Ein solcher Zulassungsvorbehalt begründet daher ohne Weiteres einen Eingriff in Art. 16 GrCh.

244 245

Nanokommission, Bericht der Themengruppe 3, S. 44. Zu entsprechenden Kohärenzerwägungen siehe unten H. VI. 1. c) dd).

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Daneben könnte jedoch auch das Eigentumsrecht des Art. 17 GrCh berührt sein. Eine Zulassungsregelung kann die Verwendung eines Nanostoffes in einem Endprodukt beschränken. Jedenfalls dann, wenn sich Nano­materialien bereits im Betriebseigentum befinden und als Produktionsmittel für ein Endprodukt dienen, kann eine Zulassungspflicht eine Nutzungsbeschränkung nach Art.  17 Abs.  1 Satz 3 GrCh begründen. Fraglich ist, ob auch auf einen etwaigen Marktanteil des Herstellers, in dessen Produkt die Nano­materialien verwendet werden sollen, abgestellt werden kann. Soweit dem Produkt, in dem das Nano­material verwendet werden soll, eine besondere Bedeutung zukommt, könnte der Hersteller seinen Marktanteil durch eine Zulassungspflicht einbüßen (z. B. bei Nanosilber in Sportbekleidung). Gleiches könnte für den Marktanteil des Herstellers des Nano­materials selbst gelten. Indes stellt ein Markanteil nur eine vorübergehende Position dar, die im Gefüge des Wettbewerbs auch wieder verloren werden kann. Der Marktanteil selbst soll aus diesem Grunde nicht unter das Eigentumsrecht fallen.246 Gerechtfertigt werden kann ein Eingriff in die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit durch die Verfolgung eines Allgemeinwohls nach Art. 52 Abs. 1 Satz  2 GrCh. Dieses läuft inhaltlich parallel zum Allgemeininteresse im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 Satz 3 GrCh. Hierunter können etwa der hier insoweit einschlägige Umwelt- und Gesundheitsschutz gefasst werden. Entscheidend ist aber vor allem die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip als solches ist so auch seit langer Zeit fester Bestandteil des EU-Rechts und etwa in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh niedergeschrieben.247 Ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien muss vor diesem Hintergrund geeignet, erforderlich und angemessen sein. aa) Verhältnismäßigkeitsaussagen bei Ungewissheit als grundsätzliches Problem Bei der Beurteilung von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit von Vorsorgemaßnahmen scheint eine generelle Schwierigkeit auf.248 Angesichts der Ungewissheit über die Wirkungszusammenhänge im Einzelnen kann keine sichere Aussage darüber getroffen werden, ob eine Maßnahme der Zielsetzung (etwa dem Gesundheitsschutz) überhaupt dienen kann. Somit ist eine Betrachtung der Ist-Situation in einem Moment der Ungewissheit kaum zweckdienlich und würde der Beurteilung von Vorsorgemaßnahmen nicht gerecht. Zielführend 246 EuGH, Rs. C-154/04, Slg. 2005, I-6451 Rn. 129 – Alliance for Natural Health; EuGH, Rs. C-280/93, Slg. 1994, I-4973 Rn. 79 – Deutschland ./. Rat. 247 Herdegen, Europarecht, § 8 Rn. 19. Art. 5 Abs. 4 EUV bezieht sich dagegen allein auf die Verhältnismäßigkeit der Kompetenzausübung durch die Union, so: Bast/von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 5 EUV Rn. 67 f. 248 Vgl. Meßerschmidt, § 2 Rn. 272; Arndt, S. 270 ff.

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kann daher allein eine abstrakte Betrachtung der Geeignetheit sein.249 Damit korrespondiert die gerichtliche Zurückhaltung bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit unter Ungewissheitsbedingungen, die sich nach der Annahme eines Vorsorgeanlasses auf „pauschale Gewichtungen“ beschränken.250 Daneben verfügt der unionale Gesetzgeber bei der Beurteilung der Geeignetheit einer Maßnahme über einen beträchtlichen Ermessensspielraum, vor allem dann, wenn „von ihm politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt werden und […] er komplexe Prüfungen durchführen muss“.251 Anders als im Falle nationaler Legislativakte besteht bei einer EU-Regelung auch nicht das Risiko der „Fraktionierung des Marktes“252. Bei der Regelung noch unklarer Kausalzusammenhänge kann den Gesetzgeber jedoch eine Beobachtungspflicht treffen.253 Auch über die Auswirkungen von Nano­materialien besteht Ungewissheit. Damit kann auch die Beurteilung der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Zulassungsregimes für Nano­materialien nur abstrakt erfolgen. bb) Geeignetheit Die Implementierung eines Zulassungsvorbehalts für Nano­materialien müsste geeignet sein, den verfolgten Zweck zu erreichen. Dieser ist die Ermöglichung einer behördlichen Präventivkontrolle und damit im Ergebnis der effektive Schutz von Mensch und Umwelt vor möglichen negativen Auswirkungen nanoskaliger Stoffe, also der Gesundheits-, Umwelt- und ggf. Verbraucherschutz. Eine Zulassung der Verwendung eines Nano­materials dient dem präventiven Ausschluss bestimmter schädlicher Substanzen oder einer Verwendung unter Auflagen. Soweit einzelne Substanzen tatsächlich Schäden im menschlichen Organis 249

Arndt, S. 271. Siehe auch Kuhn, S. 218. Arndt, S. 272. Arndt verweist dabei vor allem auf die Pfizer Animal Health-Entscheidung des EuG, in der die Richter konstatieren: „Im Übrigen ist, da die Gemeinschaftsorgane zu dem Schluss gelangen durften, dass ein Zusammenhang zwischen der Verwendung von Virginiamycin als Zusatzstoff in der Tierernährung und der Entwicklung von Resistenz beim Menschen bestehe, das Verbot dieser Verwendung eine, wenn auch nicht die einzige, geeignete Maßnahme, um zu vermeiden, dass die Wirksamkeit von Streptograminen in der Humanmedizin beeinträchtigt oder sogar aufgehoben wird. Unter diesen Umständen konnten die Gemeinschaftsorgane entgegen dem Vorbringen von Pfizer mit guten Gründen zu dem Ergebnis gelangen, dass der Erlass von Maßnahmen zur Einschränkung oder Verbesserung des Gebrauchs von Antibiotika in der Humanmedizin keine Alternative zum Widerruf der Zulassung von Virginiamycin darstelle, sondern vielmehr ein mögliches ergänzendes Vorgehen. Dass der Erlass derartiger ergänzender Maßnahmen erforderlich ist, beweist nicht, dass die angefochtene Verordnung ungeeignet ist“, EuG, Rs. T-13/99, Slg. 2002, II-3305 Rn. 419 – Pfizer Animal Health. 251 EuGH, Rs. C-343/09, Slg. 2010, I-7023 Rn. 46 – Afton Chemical Limited ./. Secretary of State for Transport. 252 Vgl. Schlussanträge von GA Maduro, Rs. C-41/02 Rn. 30 – Kommission ./. Niederlande. 253 Herdegen, Staat und Rationalität, S. 64 m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG. 250

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mus oder ökologischen Wirkungsgefüge auszulösen vermögen, kann eine vorgeschaltete behördliche Prüfung eine Verwendung beschränken oder unterbinden. Sie ist damit abstrakt geeignet, mögliche negative Folgen von Nano­materialien für die Umwelt und die menschliche sowie tierische Gesundheit zu verringern. cc) Erforderlichkeit Im Rahmen der Erforderlichkeit ist die Existenz einer gleich wirksamen, aber weniger grundrechtsintensiven Vorsorgemaßnahme zu prüfen. Insbesondere bei Zulassungsvorbehalten stellt sich die Frage nach weniger einschneidenden Regulierungsoptionen. Sinn und Zweck eines Zulassungsvorbehaltes für Nano­ materialien ist zum einen die Bewältigung der erheblichen Ungewissheit über die Folgen auf die menschliche Gesundheit und das ökologische Wirkungsgefüge durch die Gewinnung von Informationen im Rahmen des Zulassungsverfahrens. Zum anderen soll er gerade angesichts dieser Ungewissheit einen hohen Schutz von Mensch und Umwelt gewährleisten. Vor diesem Hintergrund kommt als milderes Instrument einer umwelt- und gesundheitsvorsorgebezogenen Nano-Regulierung insbesondere eine bloße Anmelde- bzw. Notifizierungspflicht in Betracht. So könnte – ähnlich der Ausgestal­ tung in der Kosmetik-Verordnung oder aber auch dem Registrierungsregime nach­ REACH – der Antragsteller vor der Verwendung des Nano­materials im Produkt zur Übermittlung der relevanten Produktdaten verpflichtet sein, ohne aber einer ausdrücklichen Zulassung durch die Kommission als zuständiger Behörde zu bedürfen. Möglicherweise könnte – jedenfalls im Kontext der ­R EACH-Verordnung – auch schon eine bloße Anpassung des bestehenden Registrierungsregimes (nano­spezifische Testmethoden, Herabsenkung der Mengenschwellen, etc.254) ausreichend sein. Denn dieses betrifft auch Stoffe in Stoffgemischen und damit auch bereits bestimmte fertige Produkte mit einem entsprechenden Verwendungszweck.255 Durch die Verpflichtung der Registranten zur Einstufung des Stoffes und zur Ermittlung weiterer sicherheitsrelevanter Daten wird bereits ein Mindestmaß an Informationsdichte gewährleistet und somit die Ungewissheit über die Eigenschaften und Auswirkungen von Stoffen (ggf. in Stoffgemischen) verringert. In diesem Zusammenhang könnte der Registrant dann auch darlegen, dass die vorgesehene Verwendung des Nano­materials unbedenklich ist. Dies entspräche der Zielsetzung der ­R EACH-Verordnung, nach der die beteiligten Akteure „sicherstellen müssen, dass sie Stoffe herstellen, in Verkehr bringen und verwenden, die die

254

Siehe im Detail oben E. I. 1. b). Nach Art. 6 Abs. 1 ­R EACH sind auch Stoffe in Gemischen von der Registrierungspflicht umfasst. Ein Gemisch ist eine Zusammensetzung mehrerer Stoffe (vgl. Art. 3 Nr. 2 ­R EACH). Solche Stoffgemische können etwa kosmetische Produkte, Reinigungsmittel oder andere Zubereitungen sein. 255

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menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht nachteilig beeinflussen“ (Art. 1 Abs. 3 ­R EACH). Dem steht jedoch bei näherer Betrachtung insbesondere entgegen, dass mangels ausdrücklicher Entscheidung der Behörde (hier der Kommission) nicht zwingend eine Auseinandersetzung mit den übermittelten Informationen erfolgt, die dann etwa ein Einschreiten zur Folge hätte. Dies birgt letztlich die Gefahr eines Kontroll­ EACH-Registrierungsregime vakuums. Das insoweit als Beispiel heranziehbare R sieht etwa allein stichpunktartige Überprüfungen der Dossiers vor (Art. 41 Abs. 5­ REACH). Überdies kennt die ­R EACH-Verordnung keinen Sanktionsmechanismus für unzureichende Registrierungsdossiers, so dass ein „Platzhaltercharakter“ der übermittelten Informationen zu befürchten ist.256 Erste Berichte lassen zudem Zweifel an der Qualität der durch die Industrie eingereichten Registrierungsdossiers aufkommen.257 Gerade aber im Falle der noch neuen Nano­materialien mit ihren unklaren Auswirkungen bedarf es einer besonders gewissenhaften stofflichen Untersuchung und Anfertigung des Registrierungsdossiers. Hier könnte insofern zwar vielleicht die Integration einer Strafvorschrift für den Fall unrichtiger oder unvollständiger Datensätze Abhilfe schaffen. Dennoch vermag eine Anmeldepflicht nicht das gleiche Schutzniveau zu gewährleisten wie ein Zulassungsvorbehalt, der eine Prüfung der vorgelegten Informationen zwingend vorschreibt. Im Übrigen bringen sanktionsrechtliche Vorschriften wiederum eigene Beweisproblematiken mit sich. Einen ähnlichen Standpunkt zur Erforderlichkeit von Zulassungssystemen scheint auch der Europäische Gerichtshof zu vertreten. Dieser billigte ein Positivlistensystem für in Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen Vitaminen und Mineralstoffen258 ausdrücklich als noch verhältnismäßig und stellte in der Entscheidung „Alliance for Natural Health“ dabei primär darauf ab, dass ein anderer Modus der Kontrolle (dort ein Negativlistensystem) nicht in gleichem Maße dem Gesundheitsschutz dienen könne.259 Die bei einem Negativlistensystem fehlende wissenschaftliche Bewertung im Vorfeld der Verwendung begründe im Vergleich zu einer Präventivkontrolle von bedenklichen Zusatzstoffen höheres Gesundheits-

256

Führ, ­R EACH-Mechanismen, in: ders., ­R EACH, Kap. 1 Rn. 127. Siehe Ahrens, VDI-Nachrichten vom 29. Juli 2011, S. 20. 258 Siehe RL 2002/46/EG, ABl. 2002 L 183, S. 51 ff. 259 EuGH, Rs. C-154/04, Slg. 2005, I-6451 Rn. 70 – Alliance for Natural Health: „Entgegen der Auffassung der Klägerinnen […] würde ein Negativlistensystem, mit dem das Verbot auf die in dieser Liste angegebenen Stoffe beschränkt wird, möglicherweise nicht ausreichen, um das Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit zu erreichen. Die Anwendung eines solches Systems hätte nämlich im vorliegenden Fall zur Folge, dass ein Stoff, solange er nicht in diese Liste aufgenommen ist, ohne Einschränkung bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden könnte, obwohl er, z. B. aufgrund seiner Neuheit, keiner wissenschaftlichen Bewertung unterzogen worden wäre, mit der sichergestellt wird, dass er nicht mit einer Gefahr für die menschliche Gesundheit verbunden ist.“ 257

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schutzniveau.260 Diese Auffassung wird von deutschen Gerichten geteilt.261 In der Literatur hat die Entscheidung einige Kritik hervorgerufen, die sich u. a. gegen die aus Sicht einiger Autoren zu einseitige und damit unverhältnismäßige Betonung des Gesundheitsschutzes richtet.262 Insgesamt weist eine Zulassungspflicht mittels einer Positivliste damit zwar einen in der Tat „innovationshemmenden“ Charakter auf.263 Allein ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gewährleistet aber, dass ein Stoff vor seiner Verwendung auf seine Unbedenklichkeit hin geprüft wird. Dieses hohe Schutzniveau vermögen aber weder eine Negativliste noch eine Notifizierungspflicht sicherzustellen. Aus diesem Grunde bedarf es also richtigerweise einer Präventivkontrolle der durch den Antragsteller übermittelten Informationen zur konkreten Verwendungsweise des jeweiligen Nano­materials. Zur Wahrung der Erforderlichkeit ist ein Zulassungsvorbehalt jedoch um einen Mechanismus zu ergänzen, der die Ausklammerung nanotoxikologisch unbedenklicher Substanzen vorsieht. In der Literatur wurde so auch kritisiert, dass das EuGH-Urteil im o.g. Falle außer Acht ließ, dass zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel seit geraumer Zeit ohne Anzeichen für gesundheitliche Nachteile verwendet wurden.264 Insoweit könnte ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien solche Nanosubstanzen ausnehmen, die seit geraumer Zeit verwendet werden und bei denen ein auf dieser Anwendung gründendes Erfahrungswissen keine gravierenden Schadenspotenziale einschließt. Dies dürfte vor allem für natürliche Nano­ materialien gelten. Ein solcher Ansatz liegt auch dem US-amerikanischen Lebensmittelzusatzstoffrecht zugrunde, welches solche Stoffe von einer grundsätzlichen Zulassungspflicht ausnimmt, die der Kategorie der sog. GRAS-Stoffe265 angehören (21 USC § 348 i. V. m. § 321 (s)). Hierunter fallen u. a. Zusatzstoffe, deren Verwendung über Jahrzehnte (vor 1958!) keine Nachteile für die menschliche Gesundheit hat aufscheinen lassen und die darüber hinaus biologischen Ursprungs sind (21 CFR § 170.30 (d)).266 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Union nunmehr im Kontext der Kennzeichnung solcher Zusatzstoffe.267 Durch eine Ausklammerung unbedenklicher oder sich als unbedenklich erweisender Stoffe würde auch der Verpflichtung zur Verfolgung der wissenschaftlichen Entwicklung entsprochen, die Teil des Vorsorge­prinzips ist. 260

EuGH, Rs. C-154/04, Slg. 2005, I-6451 Rn. 70 – Alliance for Natural Health. OLG Köln, Az. 6 U 145/06, Rn. 15, juris. 262 Arndt, S. 300 f.; vgl. Gerstberger/Krabichler, LMuR 2006, S. 5 ff.; siehe auch Faßbender, EuZW 2005, S. 682 ff. 263 Delewski, LMuR 2005, S. 149 (159 f.). 264 Schroeter, ZLR 2005, S. 616 (617 f.). 265 GRAS steht für generally recognized as safe. 266 Siehe hierzu umfassend Neltner u. a., Comprehensive Reviews in Food Science and Food Safety (10) 2011, S. 342 (346 ff.). 267 Europäische Kommission, Entwurf einer delegierten Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, C(2013) 8887 final, dort Erwägungsgrund Nr. 10 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 261

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dd) Angemessenheit Neben der Eignung und der Erforderlichkeit muss ein Zulassungsregime für Nano­materialien auch angemessen sein. Gerade angesichts der sehr einschneiden­ den Wirkung von allgemeinen Zulassungsvorbehalten für nanoskalige Stoffe kommt der genauen Untersuchung der Angemessenheit eine besondere Be­deutung zu. Wiederum stehen sich hier die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen (hier in Ausprägung der Art. 16 und 17 GrCh) und der Umwelt- und Gesundheitsschutz gegenüber. Ein Vorbehalt für die Verwendung von Nano­ materialien greift tief in die unternehmerische Autonomie ein. Neben dem zusätzlichen bürokratischen Aufwand besteht ein erheblicher Nachteil eines Systems der Präventivkontrolle darin, dass bis zu einer Entscheidung kein Marktzugang möglich und der Antragsteller von einer zügigen Bearbeitung des Antrags durch die Behörde bzw. die Kommission abhängig ist. Denkbar wäre zwar insofern die Erteilung einer Zulassung von Gesetzes wegen nach Ablauf einer bestimmten behördlichen Prüffrist als Schutz vor administrativer Untätigkeit. Dies ändert aber im Ergebnis nicht die nach wie vor einschneidende Wirkung eines Zulassungsregimes.268 Denn im schlimmsten Fall droht hier eine Nichtzulassung. Dem stehen auf der anderen Seite möglicherweise erhebliche Schadenspotenziale gegenüber, die im Einzelnen aber noch ungewiss sind. Der Europäische Gerichtshof betont in seiner Rechtsprechung die Bedeutung des Schutzes der menschlichen Gesundheit.269 So sollen zum Gesundheitsschutz auch erhebliche Eingriffe in die unternehmerische Betätigung zulässig sein. Ihm ist dabei „vorrangige Bedeutung beizumessen“.270 Welche Relevanz der Gerichtshof dem Gesundheitsschutz einräumt, zeigt sich auch an dem bereits oben erwähnten Urteil im Falle Alliance for Natural Health. Trotz des in Relation zu anderen Gesundheitsgefahren eher überschaubar scheinenden Risikos durch Stoffe (Vitamine, Mineralstoffe) in Nahrungsergänzungsmitteln bejahte dieser die Verhältnismäßigkeit des zugrunde liegenden Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Eine solch fast schon einseitige, maßgeblich auf Gesundheitsschutzaspekte bezogene Rechtsprechung birgt freilich die Gefahr einer zu starken Begrenzung von Forschung und Entwicklung innerhalb der Europäischen Union.271 Zugleich sind die Entscheidungen des Gerichtshofs auch vor dem regelmäßig betonten weiten Ermessensspielraum des EU-Gesetzgebers zu sehen, dessen Überschreitung der EuGH nur restriktiv konstatiert.272

268 Insoweit kritisch zu den zahlreichen Zulassungsvorbehalten im EU-Lebensmittelrecht Schroeter, ZLR 2005, S. 191 (197 f.). 269 EuGH, Rs. C-183/95, Slg. 1997, I-4315 Rn. 42 ff. – Affish; EuGH, Rs. C-331/88, Slg. 1990, I-4023 Rn. 17 – Fedesa. 270 Schlussanträge des GA Tizzano, EuGH, Rs. C-453/03, Slg. 2005, I-10423 Nr. 58 – ABNA (mit Verweis auf o.g. Urteile). 271 Kritisch auch Delewski, LMuR 2005, S. 149 (159 f.). 272 Faßbender, EuZW 2005, S. 682 (684).

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Bei einer Abwägung der potenziellen, aber im Einzelnen unklaren Auswirkungen nanoskaliger Materialien auf den menschlichen Organismus und das ökolo­ gische Wirkungsgefüge einerseits und den wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen anderseits begründet ein Zulassungsvorbehalt daher noch keine justiziable Unangemessenheit. Ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialen berührt darüber hinaus – trotz der zweifelsohne bestehenden zusätzlichen Belastungen – noch nicht den Wesensgehalt von Art. 16 oder 17 GrCh, denn ein QuasiEntzug dieser Rechte oder eine kaum noch mögliche Ausübung sind insoweit nicht ersichtlich. Nach alledem ist ein Zulassungsregime auch erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. b) Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV Im Folgenden ist zu untersuchen, inwieweit ein Zulassungsregime in der hier erörterten Ausgestaltung mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV im Einklang steht. Ein Zulassungsvorbehalt muss darüber hinaus mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV vereinbar sein. Ein solcher, der zu einer Beschränkung oder sogar zu einer gänzlichen Untersagung der Verwendung eines Nano­materials führen kann, schränkt den innergemeinschaftlichen Handel recht deutlich erkennbar ein und begründet damit – als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine Mengenbeschränkung – zunächst eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels im Sinne von Art. 34 AEUV. Fraglich ist, ob diese Beeinträchtigung gerechtfertigt ist. So könnte hier zunächst auf Art. 36 Satz 1 AEUV unter dem Gesichtspunkts des Gesundheitsschutzes abgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 36 AEUV bedarf es hierzu grundsätzlich einer „Gefahr“ für die Gesundheit.273 Zwar bringt der unionsrechtliche Gefahrenbegriff keine bestimmte Schadenswahrscheinlichkeit zum Ausdruck.274 Gleichwohl verlangt die EuGH-Judikatur ein Mindestmaß an wissenschaftlicher Absicherung für die Annahme eines Schadenspotenzials für die Gesundheit i. S. v. Art. 36 Satz 1 AEUV275 und verlangt eine Risikobewertung, 273 Siehe etwa EuGH, Rs. C-95/01, Slg. 2004, I-1333 Rn. 40 f. – Greenham und Abel; EuGH, Rs. C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn. 46 – Kommission ./. Dänemark; Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 36 AEUV Rn. 23 m. w. N. 274 Siehe zum Gefahrenbegriff oben bei C. II. 3. b) aa) (1). 275 EuGH, Rs. C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn. 48 – Kommission ./. Dänemark: „[…] wenn die geltend gemachte Gefahr für die öffentliche Gesundheit auf der Grundlage der letzten wissenschaftlichen Informationen, die bei Erlass eines solchen Verbotes zur Verfügung stehen, als hinreichend nachgewiesen anzusehen ist.“

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die nicht allein auf hypothetischen Erwägungen gründet.276 Gerade durch den Rekurs der genannten Urteile auf das Vorsorge­prinzip277 wird deutlich, dass es effektiv auf das Vorliegen eines potenziellen Risikos für die Gesundheit ankommt. Ein solches kann wie dargelegt für Nano­materialien allgemein bejaht werden. Im Übrigen ist die in dieser Hinsicht teilweise recht einzelfallbezogen wirkende Kasuistik des EuGH278 vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie in aller Regel einzelstaatliche Maßnahmen betrifft, die ein sehr viel größeres Risiko für den Binnenmarkt darstellen als unionsweite Regularien wie ein Nano-Zulassungsregime. Als Rechtfertigungsgrund nach Art. 36 Satz 1 AEUV kommt daher der Gesundheitsschutz in Betracht. Dafür müsste die Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit auch verhältnismäßig sein. Wie gesehen ist ein Zulassungsregime zunächst geeignet, dem Gesundheitsschutz zu dienen. Mildere gleich wirksame Mittel sind nicht ersichtlich. Insoweit kann auf die vorangegangenen Verhältnismäßigkeitsausführungen verwiesen werden. Angesichts der Bedeutung des Gesundheitsschutzes kann bei einer Abwägung von Warenverkehrsfreiheit und Gesundheitsschutz auch keine Unangemessenheit festgestellt werden. Dies gilt hier umso mehr, als es sich um eine unionsweite Regelung handelt und insoweit keine Fraktionierung des Marktes zu befürchten ist. Demnach ist der hier in Rede stehende Zulassungsvorbehalt als verhältnismäßige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit zu qualifizieren. Nach alledem bewegt sich ein Zulassungsregime in der hier dargestellten Ausgestaltung auch noch in dem von der Warenverkehrsfreiheit vorgegebenen normativen ­Rahmen. 6. Bewertung der bereits bestehenden Zulassungspflichten für Nano­materialien im Lichte des Primärrechts Wie bereits ausgeführt, bedürfen nach Art.  12 der EU-Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung solche Stoffe einer eigenen Zulassung, deren Partikelgröße „nanotechnologisch“ verändert wurde. Damit werden solche Substanzen in das allgemeine Zulassungsregime für Lebensmittelzusatzstoffe eingefügt. Der Zulassungsvorbehalt der Verordnung soll dabei dem Gesundheitsschutz dienen, wie sich jedenfalls aus den Begründungserwägungen279 und Art. 1 Abs. 1 entnehmen lässt. Vor diesem Hintergrund begründet die Verordnung die Pflicht zum Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit für jeden Zusatzstoff vor der Verwendung. Dies gilt hierdurch auch für Nano­materialien. Auch die Lebensmittel-Kontaktmaterialien-Verordnung (EU) Nr. 10/2011 weist wie gesehen eine nanospezifische 276

EuGH, Rs. C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn. 49 – Kommission ./. Dänemark. EuGH, Rs. C-95/01, Slg. 2004, I-1333 Rn. 48. – Greenham und Abel; EuGH, Rs. C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn. 49 – Kommission ./. Dänemark. 278 Dammann, S. 75 f. m. w. N. 279 Erwägungsgründe Nr. 1, 2 und 3. 277

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Vorschrift auf. Diese beschränkt sich indes, wie auch Art. 12 der Zusatzstoff-Verordnung, darauf, die Pflicht zur eigenständigen Prüfung von Nano­materialien zu betonen, ohne dabei ein spezifisches Zulassungsregime für solche Stoffe vorzusehen (Art. 9 Abs. 2). Die Notwendigkeit einer eigenen Bewertung konstatiert in vergleichbarer Weise zuletzt auch die neue Biozid-Verordnung durch die Art. 4 Abs. 4 und 19 Abs. 1 lit. f). Im folgenden Teil  wird untersucht, inwieweit diese Regelungen mit den hier zuvor getroffenen Feststellungen zur Vereinbarkeit einer Zulassungspflicht für Nano­materialien mit dem Primärrecht übereinstimmen und sich demnach im hier aufgezeigten Regelungskorridor bewegen. a) Grundrechte und Grundfreiheiten Art. 12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung erstreckt die Zulassungspflicht des Art.  6 der Verordnung auch auf Nanostoffe. Ein eigenes Zulassungsregime sieht die Verordnung aber nicht vor. Gleiches gilt für Art.  9 Abs.  2 VO (EU) Nr. 10/2011 und die Art. 4 Abs. 4 und 19 Abs. 1 lit. f) der Biozid-Verordnung.280 Diese bloße Ausdehnung der vorhandenen Systeme weist somit keine eigene spezifische, hier zu erörternde grundrechtliche oder grundfreiheitliche Tendenz auf. Insoweit soll hier auf die Frage nach dem Eingriff in EU-Grundrechte (hier vor allem die Freiheit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh) durch den allgemeinen Zulassungsvorbehalt der Verordnung nicht weiter eingegangen werden.281 Gleiches gilt für Art. 34 AEUV. b) Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Fraglich ist die Beurteilung der genannten Regelungen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Die Erstreckung des jeweiligen Zulassungsvorbehaltes auf Nano­materialien bzw. das Erfordernis einer eigenen Risikobewertung dient angesichts deren neuer Eigenschaften – wie das Zulassungsregime der Verordnung insgesamt – dem Gesundheitsschutz. Damit wird ein legitimer Zweck verfolgt. 280 Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 19 Abs. 1 lit. f Biozid-Verordnung keine eigene Zulassungspflicht vorsieht, sondern im Falle der Verwendung von Nano­materialien allein eine gesonderte Betrachtung der Gesundheits- und Umweltrisiken verlangt. Anders als bei Art. 4 Abs. 4 ist dafür aber kein eigener Antrag erforderlich. Somit ist die hier verwendete Bezeichnung „Zulassungspflicht“ mit Blick auf diese Vorschrift nicht völlig zutreffend. Sie soll aber zur sprachlichen Vereinfachung hier im Übrigen beibehalten werden. 281 Die Arbeit will sich auf die Untersuchung der nanospezifischen Regularien beschränken und verzichtet daher auf eine nähere Prüfung der Vereinbarkeit der zugrunde liegenden allgemeinen Zulassungsregime oder Regulierungsmechanismen, soweit diese nur pauschal wie im vorliegenden Falle auf Nanostoffe übertragen werden und keine weiteren nanospezifischen Bestimmungen enthalten. Allein die Verhältnismäßigkeit bedarf hier gesonderter Beleuchtung.

IV. Zulassungspflichten für Nano­materialien

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Darüber hinaus müsste die Zulassungspflicht auch geeignet, erforderlich und angemessen sein. Vor dem Hintergrund der neuen stofflichen Charakteristika von Nano­materialien gewährleistet eine eigenständige Bewertung die Unbedenklichkeit der Verwendung in Lebensmitteln, Kontaktmaterialien oder Biozidprodukten. Folglich ist die eigenständige Zulassungspflicht abstrakt geeignet, den Gesundheitsschutz und Umweltschutz zu erhöhen. Dies gilt auch trotz der noch fehlenden einheitlichen Standards bei der Bewertung von Nano­materialien. In diesem Fall ist eine Einzelfallprüfung durchzuführen, die etwa auf den verschiedenen nationalen und internationalen Empfehlungen zur Bewertung von Nano­materialien beruhen kann. Diese eigenständige Zulassung von nanoskaligen Inhaltsstoffen müsste aber auch erforderlich sein. Damit stellt sich die Frage nach einem milderen Mittel als dem der Unterwerfung von Nano­materialien als Zusatzstoffen, in Kontaktmaterialien oder in Biozidprodukten unter einen Zulassungsvorbehalt. So wäre hier etwa auch eine Notifizierungspflicht, wie sie die Kosmetik-Verordnung vorsieht, denkbar. Auch ein Negativlistensystem könnte als weniger invasive Maßnahme in Betracht kommen. Wie gesehen vermag ein Verbotslistensystem aber nicht das gleiche Schutzniveau zu gewährleisten wie eine Präventivkontrolle. Dieser Gedanke hat insbesondere Eingang in die Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung gefunden, Für diese kennzeichnend ist zunächst die undifferenzierte Erstreckung des Zulassungsvorbehalts nach Art. 6 auf alle in Frage kommenden Substanzen, unabhängig von einem möglichen Schadenspotenzial. Damit knüpft der Zulassungsvorbehalt der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung an die Ungewissheit der Auswirkungen eines neuen, noch nicht getesteten Additivs an und macht diese zum Anlass der Präventivkontrolle. Vor diesem Hintergrund ist eine eigenständige Prüfung von Nano­materialien nur eine konsequente Fortsetzung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift. Dies gilt ebenfalls für Art. 9 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 10/2011, der Stoffe mit „Nanostrukturen“ in Kunststoff-Lebensmittelkontaktmaterialien einer eigenen, vom Makrostoff losgelösten, Zulassung unterwirft. Zuletzt können diese Überlegungen auch auf Art. 4 Abs. 4 und Art. 19 Abs. 1 lit. f der Biozid-Verordnung übertragen werden, die eigenständige Untersuchungen für Nano­materialien in Wirkstoffen und in Biozidprodukten vorsehen. Zuletzt müsste die eigenständige Zulassungspflicht für Nano­materialien auch angemessen sein. Bei der Abwägung von Wirtschaftsinteressen und Gesundheitsschutz betont der Europäische Gerichtshof die Bedeutung von letzterem.282 Gerade in sehr gesundheitssensiblen Bereichen wie eben der Lebensmittelsicherheit erscheint dies auch sachgerecht. Die Unterwerfung von nanoskaligen Stoffen unter eine eigene Zulassungspflicht (bzw. im Falle von Art. 19 Abs. 1 lit. f BiozidVerordnung einer eigenen Bewertungspflicht) greift zwar zumindest in die Aus 282 EuGH, Rs. C-183/95, Slg. 1997, I-4315 Rn. 42 ff. – Affish; EuGH, Rs. C-331/88, Slg. 1990, I-4023 Rn. 17 – Fedesa. Zu einer Überbetonung des Gesundheitsschutzes durch die EU-Institutionen kritisch Sunstein, S. 191 f.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

übung der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GrCh und ein und beschränkt die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV. Dem steht hier jedoch zunächst das bedeutende Gut des Gesundheitsschutzes gegenüber. Im Übrigen erstrecken die Rechtsregime ohnehin schon bestehende Zulassungspflichten nun eben auf Nano­materialien. Dies schafft für die betroffenen Unternehmen insofern keine völlig neue Situation, so dass auch der daraus resultierende zusätzliche bürokratische Aufwand geringer ausfallen dürfte. Mit Blick auf den ganz erheblichen Forschungsaufwand, der im Bereich der Risikobewertung von Nano­materialien betrieben werden muss, scheint eine Verpflichtung des Herstellers zur umfassenden Mitwirkung an der Risikobewertung (vgl. Art. 5 VO (EU) Nr. 234/2011) gerechtfertigt und verhältnismäßig, zumal der Antragsteller von der Verwendung neuer Substanzen auch profitieren wird. Angesichts der Bedeutung des Gesundheitsschutzes kann daher bei einer Abwägung der genannten Rechtsgüter noch keine Disproportionalität konstatiert werden. In die in Rede stehenden Vorschriften sollte allerdings mittelfristig wiederum eine Klausel eingefügt werden, nach der Nano­materialien mit minimalem Risiko von der Zulassungspflicht ausgenommen werden. Im Falle der Biozid-Verordnung könnte etwa für diese Stoffe das vereinfachte Zulassungsverfahren nach Art. 25 gelten, welches bislang Biozidprodukte mit nanoskaligen Zutaten ausklammert. Dass eine solche Ausnahmeklausel aktuell noch nicht vorgesehen ist, kann aktuell noch als unschädlich betrachtet werden, weil noch keine abschließenden Aussagen über mit großer Wahrscheinlichkeit sichere Nano­materialien getroffen werden können. Dies wird sich jedoch mittelfristig ändern. Spätestens dann bedürfen die Zulassungsvorbehalte einer entsprechenden Ausnahmeklausel, um noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen.

c) Ergebnis Damit steht die Ausdehnung der Zulassungsvorbehalte der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung, der Kontaktmaterialien-Verordnung (EU) Nr. 10/2011 und Biozid-Verordnung auf Nano­materialien im Einklang mit dem Primärrecht.

7. Fazit Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass sich eine Zulassungspflicht für Nano­materialien grundsätzlich im Rahmen des unionsrechtlich Zulässigen und damit Möglichen bewegt (die nun noch folgenden Kohärenzüberlegungen einmal hinweggedacht). Dabei kommen sowohl eine bereits im Europäischen Parlament diskutierte Ergänzung der ­R EACH-Verordnung als auch eine Anpassung einzelner EU-Vorschriften zu bestimmten Produktsegmenten in Betracht, wobei letztere vermutlich sehr viel einfacher politisch durchzusetzen ist, wie die bereits

V. Die Zulässigkeit eines Moratoriums/Stoffverbots für Nano­materialien

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bestehenden Regelungen zeigen. Entscheidend ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten vor allem, dass das Zulassungsregime mittelfristig auch Mechanismen zur Ausklammerung unbedenklicher Stoffe bietet. Die bereits bestehenden eigenständigen Zulassungspflichten im Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe und -kontaktmaterialien sowie Biozidprodukte stellen dabei einen ersten Schritt des EU-Gesetzgebers zu sektorspezifischen Zulassungsvorbehalten dar. Zu kritisieren bleibt hieran, dass die zugrunde liegenden Zulassungsverfahren keinerlei nanospezifische Ausgestaltung aufweisen. Hier besteht in der Zukunft Nachbesserungsbedarf, etwa durch die Ergänzung der Vorschriften um weitere Testrichtlinien.

V. Die Zulässigkeit eines Moratoriums/Stoffverbots für Nano­materialien Die schärfste Stufe der Technologieregulierung ist ein Moratorium, also eine in der Regel zeitlich befristete Aussetzung der Erforschung, Verwendung oder Vermarktung eines Stoffs oder Produkts. Ein äußerst prominentes Beispiel eines Moratoriums innerhalb der Europäischen Union liegt erst wenige Jahre zurück und endete schließlich in einem welthandelsrechtlichen Disput: die Aussetzung der Zulassung gentechnologisch veränderter Lebensmittel.283 Zwar ist die öffentliche Wahrnehmung der Nanotechnologien keinesfalls in vergleichbarem Maße negativ aufgeladen wie bei der Gentechnologie.284 Dennoch wird auch für die Forschung mit Nano­materialien und die Vermarktung von Produkten mit nanoskaligen Inhaltsstoffen inzwischen von verschiedenen nationalen und internationalen Umweltverbänden und Parteien ein Moratorium gefordert.285 Im Folgenden soll untersucht werden, welche Formen eines Moratoriums für Nano­materialien in der Europäischen Union denkbar und wie sie grundrechtlich und grundfreiheitlich zu bewerten sind. 1. Moratorium durch explizites Stoffverbot Ein Moratorium könnte zunächst explizit ausgesprochen werden. Je nach Ausgestaltung ist ein Herstellungs-, Verwendungs-, Vermarktungs- oder sogar Forschungsverbot denkbar, welches sich wiederum auf bestimmte Stoff-286 oder Ver 283

WTO Panel Report, European Communities — Measures affecting the approval and marketing of biotech products, WT/DS291, DS292 und DS293 (2006) (abrufbar unter www. wto.org). 284 Umfassend Gaskell u. a. 285 BUND, BUND fordert Moratorium für den Einsatz von Nano­materialien in Kosmetika, Pressemitteilung vom 29.03.2009, abrufbar unter www.bund.net; ETC Group. 286 Vgl. Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen u. a., Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten zum Schutz von Mensch und Umwelt stoppen, vom 10.11.2010, BT-Ds. 17/3689.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

wendungskategorien287 oder allgemein auf verbrauchsgüterrelevante Materialien erstrecken könnte. 2. Moratorium durch Aussetzung von Zulassungsverfahren Analog zum bereits erwähnten Biotech-Fall könnte eine weitere Form des Moratoriums in der Aussetzung von Zulassungsverfahren bestehen, die Nano­ materialien zum Gegenstand haben. Anknüpfungspunkt könnte dabei die Nanoskaligkeit eines Stoffes allgemein oder aber die Zugehörigkeit zu einer bestimmten, möglicherweise als besonders besorgniserregend eingestuften Stoffkategorie (z. B. sehr biopersistente Faserstrukturen) sein. Dass insoweit die große Mehrheit der bestehenden Zulassungsregime noch nicht explizit auf Nanostoffe Bezug nimmt, wäre unschädlich, da sie sich jedenfalls implizit auf alle stofflichen Größenbereiche erstrecken.288 Ein Moratorium könnte etwa solange aufrechterhalten werden, bis die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt schärfer konturiert sind oder aber standardisierte Methoden für eine Risikobewertung existieren. Die Umsetzung des Moratoriums könnte dabei auf zweierlei Wegen erfolgen: durch Festlegung in einer förmlichen Rechtsvorschrift oder durch interne, informelle Regelung289. Im Falle einer rechtlich angeordneten, also förmlichen Aussetzung würde dies die typischerweise mit einem Zulassungsvorbehalt verbundenen präventiven Verbote aufrechterhalten. Einer solchen – im Übrigen politisch äußerst fragwürdigen  – „informellen“ Lösung käme faktisch die gleiche Wirkung zu. 3. De-facto-Moratorium durch Zulassungsverfahren? Vor allem im Kontext der (im Ergebnis gescheiterten) Reform der Novel-FoodVerordnung290 wurde die Auffassung vertreten, die Begründung eines Zulassungsverfahrens für Nano­materialien (in diesem Fall in Lebensmitteln) komme man 287 Für ein Verbot von synthetischen Nano­materialien in Lebensmitteln, Lebensmittelbedarfsgegenständen und Bedarfsgegenständen für Kinder vgl. Antrag der Bundestagsfraktion Die Linke u. a., Wirksamen Verbraucherschutz bei Nanostoffen durchsetzen, vom 25.05.2011, BT-Ds. 17/5917. 288 Siehe oben bei F. IV. 3. Die eigentliche Schwierigkeit liegt vielmehr darin, dass die meisten Regime eben keine eigenständige Prüfpflicht für Nano­materialien vorsehen. 289 Dies war der Fall im o. g. Biotech-Disput, vgl. WTO Panel Report, European Communities — Measures affecting the approval and marketing of biotech products, WT/DS291, DS292 und DS293 (2006), Nr. 7.451 (abrufbar unter www.wto.org). 290 Art. 7 der Novel-Food-Verordnung sollte nach Auffassung des Europäischen Parlaments folgenden Wortlaut erhalten: „[…] 2. Lebensmittel, bei deren Herstellung Produktionsverfahren angewandt werden, die spezifische Risikobewertungsmethoden erfordern (z. B. mithilfe von Nanotechnologien hergestellte Lebensmittel), dürfen nur dann in die Gemeinschaftsliste

V. Die Zulässigkeit eines Moratoriums/Stoffverbots für Nano­materialien

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gels vorhandener Test- und Bewertungsmethoden einem de-facto-Moratorium gleich.291 Die nun von unterschiedlichen Institutionen vorgelegten Richtlinien zur vorläufigen Bewertung von Nano­materialien vermögen insoweit aber eine gute Grundlage im Rahmen eines Zulassungsverfahrens darzustellen. Im Übrigen bedarf es wie gesehen einer Einzelfallbetrachtung. Damit liegen (inzwischen) solche Instrumentarien vor, dass eine Zulassungspflicht nicht mehr zu einem de-factoMoratorium führt. 4. Vereinbarkeit mit den EU-Grundrechten a) Explizites Stoffverbot Dass ein explizites Verbot zur Herstellung oder Verwendung von Nano­ materialien in das Grundrecht auf Freiheit der unternehmerischen Ausübung nach Art. 16 GrCh eingreift, dürfte auf der Hand liegen. Durch ein Verwendungsverbot bestimmter Nano­materialien kann zudem Art. 17 GrCh berührt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nanostoffe bereits im Betriebseigentum stehen und nicht mehr im Produkt verwendet werden können. Sollte darüber hinaus sogar die Forschung von einem Moratorium umfasst sein, läge auch ein Eingriff in die Freiheit der Forschung nach Art. 13 Satz 2 GrCh vor.292 Als Rechtfertigungsgründe für ein Moratorium kommen wie schon zuvor der Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh (ggf. i. V. m. Art. 17 Abs. 1 Satz 3 GrCh) in Betracht. Damit stellt sich  – gerade auch im Kontext des Vorsorge­prinzips  – die zentrale Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines solchen Moratoriums für Nano­ materialen. Die Untersagung der Herstellung oder der Verwendung von Nano­ materialien ist zunächst zwar abstrakt geeignet, dem Schutz von Mensch und Umwelt zu dienen. Fraglich ist hingegen, ob ein umfassendes Verbot auch erforderlich ist. Dem begegnen auf den ersten Blick insoweit Zweifel, als dass der Schutz der menschlichen Gesundheit und des ökologischen Wirkungsgefüges in seiner Gänze vor den Auswirkungen nanoskaliger Stoffe ebenso gut durch ein System der Präventivkontrolle im Sinne eines Zulassungsregimes gewährleistet zu werden scheint. Nun mag man argumentieren, dass der bestehende Rechtsrahmen im EU-Recht nur in wenigen Fällen nanospezifische Zulassungsvorbehalte vorsieht. Aus dieaufgenommen werden, wenn diese Methoden zur Anwendung zugelassen worden sind und mit einer angemessenen Sicherheitsbewertung anhand dieser Methoden die sichere Verwendung der betreffenden Lebensmittel nachgewiesen worden ist“, siehe Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 25.03.2009, P6_TA(2009)0171 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). 291 Zweifel, Alimenta 8/2009, S. 10 (10). 292 Vgl. Bernsdorff, in: Meyer, Jürgen, Art. 13 Rn. 12 ff. Sparr, in: Schwarze, Art. 13 GrCh Rn. 1 f.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

sem Grunde bedarf es gerade der hier vorgeschlagenen Anpassungen. Nur wenn die Verwendung eines Stoffes nach vorgenommener Risikobewertung als unbedenklich gilt, wäre nach dieser Konzeption eine Zulassung zu erteilen. Zuzugeben ist, dass die derzeitige Bewertungsmethodik wie gesehen noch Lücken und Unklarheiten aufweist. Standardisierte, allgemein anerkannte Verfahren zur Risikobewertung von Nano­materialien existieren noch nicht und machen eine Einzelfallbewertung erforderlich. Hierzu kann zwar auf verschiedene Richtlinien und Empfehlungen nationaler und internationaler Organisationen zurückgegriffen werden.293 Diese Methoden zur „vorläufigen Risikoabschätzung“ lassen aber einige Unsicherheiten bestehen. Vor diesem Hintergrund vermag ein umfassendes Stoffverbot insgesamt ein noch höheres Maß an Sicherheit zu bieten und kann damit als noch erforderlich betrachtet werden. Schließlich muss ein Stoffverbot auch angemessen sein. Wie gesehen, kann dieses zwar einseitig ein Höchstmaß an Schutz bieten – dies geht denknotwendig mit einem völligen Verbot einher. Es greift auf der anderen Seite tief in die Grundrechte der betroffenen Unternehmen und ggf. der Forschungseinrichtungen ein. Diesen ist – je nach konkreter Ausgestaltung des Moratoriums – eine Herstellung oder Verwendung in bestimmten Produkten oder Produktkategorien gänzlich untersagt, obwohl für die meisten Nano­materialien bislang keine abschließende Aussage zur Gefährlichkeit getroffen werden kann. Folglich würden Nanostoffe auf eine Stufe mit solchen Stoffen gestellt, von denen nachweislich ein ganz erhebliches Risiko ausgeht. Auch ein Zulassungsregime vermag aber grundsätzlich mögliche Gefährdungen durch die Herstellung oder Verwendung von Nano­ materialien erheblich zu reduzieren, wenn nicht sogar zu beseitigen. Anders als ein pauschales Stoffverbot lässt es die Verwendung nach eingehender Prüfung zu und trägt der unklaren Datenlage im Bereich der Nano­materialien sehr viel besser Rechnung. Ein – wie auch immer geartetes – Stoffverbot erscheint daher nicht mehr angemessen zum Schutz von Mensch und Umwelt.294 Der Wesensgehalt der Grundrechte (vgl. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GrCh) dürfte indes selbst durch ein Verbot noch nicht berührt sein. So ist es den Unternehmen schließlich noch möglich, alternative Stoffe heranzuziehen oder die Produktion umzustellen.295 Im Üb 293

Siehe hierzu oben bei B. III. 4. Zur Unangemessenheit eines nationalen Verbots von Lebensmitteln mit zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen EuGH, Rs.  C-192/01, Slg. 2003, I-9693 Rn.  55  – Kommission ./. Dänemark. Ähnlich EuGH, Rs. C-41/02, Slg. I-11375 Rn. 48 ff. – Kommission ./. Niederlande: „Ein Verbot des Inverkehrbringens eines angereicherten Lebensmittels […] kann nur erlassen werden, wenn die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit auf der Grundlage der letzten wissenschaftlichen Informationen, die bei Erlass eines solchen Verbotes zur Verfügung stehen, als hinreichend nachgewiesen anzusehen ist“ (Rn. 49). 295 Mit dieser Argumentation zu Milchquoten auch EuGH, Rs.  C-177/90, Slg. 1992, I-35 Rn. 17 – Ralf-Herbert Kühn ./. Landwirtschaftskammer Weser-Ems: „Diese Regelung tastet das Eigentumsrecht und das Recht auf freie Berufsausübung nicht in ihrem Wesensgehalt an, da es den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern unbenommen bleibt, in dem fraglichen Betrieb etwas anderes als Milch zu erzeugen.“ 294

V. Die Zulässigkeit eines Moratoriums/Stoffverbots für Nano­materialien

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rigen gilt hier, dass gewisse Unwägbarkeiten neuen Technologien stets immanent sind und nicht dazu führen dürfen, dass diese von vornherein durch Verbote in ihrer Entwicklung gehindert werden.296 Vor diesem Hintergrund vermag ein Zulassungsregime einen guten Kompromiss darzustellen. Dass ein Moratorium ebenfalls die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEVU beeinträchtigt, ist offensichtlich. Mit Blick auf die Rechtfertigung kann auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden, die hier ebenso gelten. b) Aussetzung der Zulassungsverfahren Neben einem expliziten Stoffverbot kommt als Moratorium auch die Aussetzung der Zulassung von entsprechenden Produkten in Betracht. Soweit diese förmlich durch Rechtsakt angeordnet würden, käme sie in ihrer Wirkung einem direkten Verbot gleich, denn durch die Suspendierung der Zulassung würde das präventive Verbot, von dem eine Zulassung eine Ausnahme darstellte, bestehen bleiben. Damit können die obigen Erwägungen zur Vereinbarkeit von Stoffverboten mit dem Primärrecht hier übertragen werden. Anders verhält es sich mit einer rein informellen Aussetzung der Zulassungsverfahren, wie sie sich auch im Biotech-Fall darstellte. Zwar sind die grundrechtlichen und grundfreiheitlichen Auswirkungen faktisch deckungsgleich, denn auch hier wird das präventive Verbot aufrechterhalten. Indes gründet die Aussetzung eben nicht auf einem formellen Rechtsakt, der in einem gerichtlichen Verfahren angegriffen werden könnte. Damit bleibt den betroffenen Unternehmen nur die Untätigkeitsklage nach Art. 265 Abs. 3 AEUV. 5. Fazit Die vorangegangen Ausführungen haben gezeigt, dass ein Moratorium für Nano­materialien nicht mit dem EU-Recht in Einklang gebracht werden kann. Die politischen Akteure sollten sich daher darauf konzentrieren, geeignete Zulassungsmechanismen zu installieren, um so dem reklamierten Verbraucherschutz zu mehr Durchsetzung zu verhelfen.

296

Insoweit eine „lähmende“ Wirkung der Vorsorge diagnostizierend Sunstein, S. 44 ff.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

VI. Die Regulierung von Nano­materialien unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz und des Diskriminierungsverbots e

1. Das Kohärenzgebot Das Umweltrecht bietet mit seinen vielgestaltigen Maßnahmenkatalogen für das Kohärenzargument viele Angriffsflächen.297 Anknüpfungspunkt für eine Kohärenzdebatte mit Blick auf die besondere Erfassung von Nano­materialien im Chemikalienrecht ist der Gesichtspunkt einer ausgewogenen und in sich konsistenten Regulierung von gefährlichen oder risikobehafteten Stoffen. So ist die nationale und internationale Chemikaliengesetzgebung seit jeher von der Diskussion geprägt, welche Substanzen durch bestimmte Regulierungs- oder Verbotsregime zu erfassen sind und welche nicht. Dies kann anschaulich etwa am Beispiel der­ REACH-Verordnung erläutert werden. Zentraler Streitpunkt dabei ist zumeist die Frage nach der wissenschaftlichen Gewissheit über Art und Ausmaß eines stofflichen Risikos. Dies zeigt sich bei der Aufnahme von Substanzen in Anhang XIV der ­R EACH-Verordnung.298 Insofern stellt sich die Frage, ob eine eigenständige Regulierung von Nano­ materialien noch als kohärent bezeichnet werden kann. Denn sie betrifft Substanzen, deren Auswirkungen aktuell noch in vielerlei Hinsicht ungewiss sind: sehr viel „ungewisser“ als die solcher Stoffe, die etwa dem Zulassungsregime nach ­R EACH unterworfen werden können. Doch die Erfassung und Regelung von Stoffen mit ungewissen Auswirkungen ist gerade auch ein Aspekt der­ REACH-Verordnung. Damit kann eine Aussage zur Kohärenz der Regulierung von Nanostoffen nur mit Blick auf die jeweilige Vorsorgemaßnahme getroffen werden. Im Folgenden sollen die einzelnen in dieser Arbeit erörterten Ansätze zur (besseren) Erfassung von Nano­materialien unter Kohärenzgesichtspunkten betrachtet werden. a) Das Kohärenzgebot als Bestandteil des Unionsrechts Neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist beim Erlass von Vorsorgemaßnahmen vor allem das Kohärenzgebot zu beachten.299 Nach diesem auch allgemein für die Politik der Union geltenden Grundsatz (Art. 7 AEUV) sollen die 297

Vgl. Meßerschmidt, § 7 Rn. 14 ff. Siehe statt vieler Wefers/Cameron, S. 22 f. Während Umweltverbände die Aufnahme von in Fachkreisen sehr umstrittenen Substanzen wie Bisphenol A in die Liste der zulassungspflichtigen Substanzen fordern, hält die European Food Safety Authority die Anwendung für grundsätzlich unbedenklich, siehe EFSA, Bisphenol A, 2010. 299 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 20 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 298

VI. Die Gesichtspunkte der Kohärenz und des Diskriminierungsverbots

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von der Union getroffenen Maßnahmen insgesamt konsistent, in ihrem Gesamtzusammenhang aufeinander abgestimmt und widerspruchsfrei sein und in einem Gleichklang stehen.300 So sind bei der Normsetzung die verschiedenen Politiken der Union und ihre Zielsetzungen einzubeziehen.301 Eine vorsorgebezogene Kohärenz ist insbesondere dadurch zu gewährleisten, dass im Falle ungewisser Risiken die getroffenen Vorsorgemaßnahmen „anderen Maßnahmen, die in ähnlichen Bereichen getroffen wurden, in denen alle erforderlichen wissenschaftlichen Daten vorliegen, inhaltlich entsprechen und von gleicher Tragweite“ sind.302 b) Die Justiziabilität der Kohärenz Eine zu großzügige gerichtliche Überprüfbarkeit der inneren Konsistenz und „Harmonie“ von Vorschriften würde der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht gerecht. Insofern muss die Justiziabilität des Kohärenzgrundsatzes auf grobe, offensichtliche Verstöße beschränkt werden.303 Was die Berücksichtigung der unterschiedlichen Politiken anbetrifft, so stehen sich bei der Regulierung von Nano­materialien die Gesundheits-, Verbraucherschutz- und Umweltpolitik bei gleichzeitiger Betonung der Bedeutung eines hohen Schutzniveaus (Art. 168, 169 und 191 AEUV) und die Wirtschafts- und Industriepolitik (Art. 120 ff., 173 AEUV) gegenüber. Die vorangehend erörterten Maßnahmen wie eine Kennzeichnungs- oder Zulassungspflicht oder ein Produktregister dienen dabei der Umsetzung des hohen Schutzniveaus in den besagten Politikbereichen. Insbesondere eine Zulassungspflicht berührt indes die Zielsetzungen der Wirtschafts- und Industriepolitik der Union, die etwa gerade auf eine „Förderung […] in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung“ ausgerichtet sein soll (Art. 173 Abs. 1, 4. Spiegelstrich AEUV). Ein justiziabler Verstoß gegen das Kohärenzgebot wäre aber erst in der groben Missachtung der übrigen Politiken zu sehen. Dem ist durch eine hinreichend flexible Ausgestaltung nanoregulatorischer Vorschriften bei gleichzeitiger Ausklammerung der sich als in der Verwendung unbedenklich erwiesenen Substanzen von der Zulassungspflicht vorzubeugen. Überdies könnte eine Ausnahme für die Forschung in geschlossenen Systemen vorgesehen werden.304

300

Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 7 AEUV Rn. 2 f.; Folz, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Art. 7 AEUV Rn. 5; zur Verbesserung der Kohärenz im EU-Umweltrecht allgemein Meßerschmidt, § 7 Rn. 14 ff. 301 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 7 AEUV Rn. 17. 302 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 20 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 303 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 7 AEUV Rn. 5: „offensichtliche Mißachtung anderer Politikfelder“; Streinz, in: Streinz, Art. 7 AEUV Rn. 8. 304 Vgl. Art. 56 Abs. 3 ­R EACH.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

c) Kohärenz bei der Regulierung von Nano­materialien aa) Erstreckung der Registrierungspflicht auf Nano­materialien Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage nach der Kohärenz der ­ EACH auf Nano­materialien in dem Erstreckung der Registrierungspflicht nach R ­ EACH liegt der Gedanke Sinne, dass diese einer eigenen Registrierung bedürfen. R der Stoffsicherheit und der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für Mensch ­ EACH-Verordnung geund Umwelt (Art. 1 Abs. 1) zugrunde. Zudem macht die R rade die Ungewissheit über die Auswirkungen zahlreicher chemischer Substanzen zum Anlass der Registrierungspflicht. Daher ist die Erstreckung des Registrierungsregimes mit den damit verbundenen Untersuchungs- und Bewertungspflichten auf Nano­materialien (einschließlich der notwendigen nanospezifischen Anpassungen etwa bei den Testmethoden) auch nicht inkohärent, sondern nur die konsequente Umsetzung dieser Prinzipien. Dies gilt auch für eine Herabsenkung der Mengenschwellen nach Art. 6 und 12 ­R EACH, die für eine Erfassung von Nanostoffen notwendig ist. Folglich ist die Einführung einer eigenständigen Registrierungspflicht für Nano­materialien unter ­R EACH ebenso mit dem Kohärenzgebot vereinbar wie die damit verbundene Herabsenkung der entsprechenden Mengenschwellen. bb) Die Kennzeichnung von nanopartikulären Inhaltsstoffen Das Sekundärrecht sieht bereits in verschiedenen Regelungssystemen Kennzeichnungspflichten für nanoskalige Produktzutaten vor, so im Bereich der Kosmetika, Lebensmittel und Biozidprodukte. Diese Kennzeichnungspflicht könnte so oder in abgewandelter Form (z. B. als Frontaufdruck und nicht durch bloßen „Nano“-Zusatz in der Liste der Inhaltsstoffe) auch auf weitere vor allem verbrauchernahe Produktsegmente erstreckt werden. Dabei soll die Angabe der Inhaltsstoffe in erster Linie einer selbstbestimmten Verbraucherentscheidung dienen. Angesichts der spezifischen, vom Makrostoff abweichenden Eigenschaften eines Nanostoffs ist die Angabe der Nanoskaligkeit einer Produktzutat nur folgerichtig und systemgerecht. Etwaige spezifische risikobezogene Kennzeichnungspflichten für Nano­materialien sind nach dem aktuellen Wissensstand noch nicht sinnvoll umsetzbar und werden vom bestehenden EU-Recht auch noch nicht vorgesehen. So stellt die Biozid-Verordnung auch die Angabe von „möglichen spezifischen Risiken“ nanoskaliger Materialien implizit in das Ermessen des Zulassungsinhabers (siehe Art. 69 Abs. 2 lit. b). Damit wird nur die allgemeine Pflicht zum Hinweis auf mögliche Gesundheits- und Umweltrisiken des Biozidprodukts ergänzt. Vor diesem Hintergrund des hohen Stellenwertes einer präzisen Verbraucherinformation kann der Hinweis auf im Produkt enthaltene Nanostoffe als kohärent bezeichnet werden.

VI. Die Gesichtspunkte der Kohärenz und des Diskriminierungsverbots

205

Freilich kann dieser Feststellung noch mit dem – in beinahe jeder Situation operablen – Argument entgegnet werden, dass in anderen verbrauchernahen Produkten verwendete Substanzen mit einer sehr viel höheren und deutlicher konturierten Schädlichkeit als Nano­materialien keiner Kennzeichnung unterliegen, obgleich auch hier ein Interesse des Verbrauchers an dieser Information unterstellt werden darf.305 Diese Argumentation vermag indes nicht zu überzeugen. Denn das Kohärenzgebot verpflichtet den Gesetzgeber gerade nicht zu „absoluter Widerspruchsfreiheit“.306 Eine solche Annahme widerspräche der Wirklichkeit der politischen Praxis, die vollkommen homogene Rechtsvorschriften kaum zulassen dürfte. Im Übrigen ist es fragwürdig, mögliche Mängel oder Regelungslücken in bestehenden Vorschriften als Argument gegen zukünftige, ausgewogenere Rechtssätze heranzuziehen. Aktuelle Defizite etwa bei der Kennzeichnung von Weichmachern in verbrauchernahen Produkten können daher keine valide Begründung für eine Inkohärenz der Kennzeichnung anderer Substanzen sein, über deren Kenntnis vom Vorhandensein der Konsument ein berechtigtes Interesse hat. Gravierende Unterschiede in der Behandlung von im Wesentlichen gleichen Sachverhalten können jedoch u. U. einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot begründen, welches eine weitere Schranke des Vorsorge­prinzips darstellt (dazu sogleich). cc) Die Einführung einer Meldepflicht für ein Produktregister Neben der Kennzeichnungspflicht wird als weitere Maßnahme zur Schaffung von mehr Transparenz und zur besseren Rückverfolgbarkeit auch die Einführung einer Meldepflicht für ein Nanoproduktregister diskutiert. Während vor allem Umwelt- und Verbraucherschutzverbände ein eigenständiges, umfassendes Register fordern, lehnt die Industrie ein solches unter Hinweis auf bereits bestehende Notifizierungs- und Meldepflichten in verschiedenen produktrechtlichen Regelungsregimen ab.307 Nach hier vertretener Ansicht kann nur ein eigenständiges Nanoproduktregister das aktuelle Transparenzdefizit effektiv beheben. Dabei sollte zwischen einem öffentlichen und einem nicht-öffentlichen Teil differenziert werden.308

305

Als ein Beispiel von vielen kann hier auf die Diskussion zu Weichmachern (v. a. Phtalate) in Verbraucherprodukten verwiesen werden. Siehe hierzu etwa Umweltbundesamt, Phtalate. Lenzen-Schulze, F. A. Z. v. 21.03.2012, S. N1. So besteht aktuell allein eine Kennzeichnungspflicht für das Phtalat DEHP in Medizinprodukten, siehe Anhang I, Nr.  II, 7.5. der Richtlinie 93/42/EWG, ABl. 1993 L 169, S. 1 ff. Zur Reform des EU-Medizinprodukterechts siehe umfassend oben bei E. II. 7. 306 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 7 AEUV Rn. 11. 307 Siehe zur Diskussion im Einzelnen oben bei F. II. 2. d). 308 Siehe oben F. II. 2.

206

F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Soweit einzelne produktspezifische Regularien allgemeine Meldepflichten oder Produktregister vorsehen, die sich explizit auch auf Nano­materialien erstrecken (wie etwa im Falle von Art. 16 Abs. 3 und 10 Kosmetik-Verordnung), wird damit nur dem Sinn und Zweck dieser Instrumente, nämlich der Gewährleistung einer Rückverfolgbarkeit und Markttransparenz entsprochen. Demgegenüber ist die Errichtung eines Nanoproduktregisters in der hier erörterten Konzeption vom bestehenden Stoff- und Produktrecht losgelöst und durch eine eigenständige EU-Verordnung zu verwirklichen. Dieser fehlende Bezug zu ähnlichen Regelungen mag auf den ersten Blick Zweifel an der Kohärenz aufkommen lassen. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass ein umfassendes Melderegister für Produkte, die Nano­materialien enthalten, kaum sinnvoll in einem bestimmten, sektorspezifischen Rechtssatz geregelt werden kann. ­ EACH-Verordnung sieht nur wenige Regelungen zur TransInsbesondere die R parenz von Produktinformationen vor (etwa Art.  33 ­R EACH).309 Zwar mag es durch ein eigenständiges Nanoproduktregister zu Überschneidungen mit bestehenden Meldepflichten (wie etwa den nach der Kosmetik-Verordnung) kommen. Dies allein vermag aber noch keine Inkohärenz eines umfassenden Registers zu begründen. Denn die bestehenden Vorschriften zur Datenübermittlung weisen mit Ausnahme von Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung keine nanospezifische Ausrichtung auf und betreffen jeweils nur bestimmte Sektoren. Damit erfahren aber Nano­materialien bzw. sie enthaltende Endprodukte durch ein entsprechendes Register eine spezifische, über das stoff- bzw. produktrechtliche Normalmaß hinausgehende Behandlung. Angesichts der eigenen, vom Makrostoff abweichenden chemischen und physikalischen Charakteristika bilden Nanostoffe indes eine autarke Stoffkategorie, die mit Blick auf die unklaren Wirkungen und der dadurch mit bedingten Forderung nach Transparenz die Erfassung in einem eigenen Melderegister rechtfertigt, so wie etwa auch im Falle von in Biozidprodukten eingesetzten Wirkstoffen. Insbesondere erfordert das Kohärenzprinzip wie gesehen auch keine umfassende Homogenität des Rechtssystem im Sinne einer absoluten inhaltlichen Konsistenz. Ggf. kann zur Vermeidung von unnötigen Kosten durch „Doppel­notifizierungen“ auf die übermittelten Datensätze aus anderen Meldeverpflichtungen zurückgegriffen werden, soweit diese das Nano­material hinreichend erfassen. Nach alledem ist die Kohärenz eines umfassenden, eigenständigen Nanoproduktregisters zu bejahen.310

309 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Anmerkungen, S. 30. Zwar sind insbesondere Erzeugnisse (und teilweise Gemische) schon fertige Produkte. Der Schwerpunkt von ­R EACH liegt aber in der Erfassung von noch nicht als Endprodukten zu qualifizierenden Stoffen, siehe Kuhn, S. 101; deutlich auch Albrecht/Krause, StoffR 2006, S. 243 (247). 310 Vgl. zur Kohärenz eines Nanoproduktregisters auf nationaler Ebene Hermann/Möller, S. 54 f.

VI. Die Gesichtspunkte der Kohärenz und des Diskriminierungsverbots

207

dd) Zulassungspflichten für Nano­materialien Wie oben dargestellt, sehen sektorspezifische Vorschriften im Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe und der Biozidprodukte bzw. den diesen zugrunde liegenden Wirkstoffen explizit eigenständige Zulassungspflichten für nanopartikuläre Substanzen vor. Daneben wird die Einführung eines allgemeinen Zulassungsregimes für Nano­materialien diskutiert, welches in die ­R EACH-Verordnung implementiert werden oder aber produktsektorspezifisch umgesetzt werden könnte. Fraglich ist, ob ein solcher Zulassungsmechanismus noch mit dem Kohärenzgebot im Einklang steht. Doch bevor dieser Frage nachgegangen werden soll, sind zunächst die bereits bestehenden Zulassungspflichten für Nano­materialien zu betrachten.

(1) Kohärenz der bestehenden Vorschriften Die Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung, die Kontaktmaterialien-Verordnung Nr.  10/2011 und die Biozid-Verordnung sehen eigenständige Zulassungspflichten für nanoskalige Stoffe vor. Hiernach bedürfen diese also einer vom dem Makrostoff losgelösten Prüfung (Art. 12 der VO [EG] Nr. 1333/2008, Art. 9 Abs. 2 VO [EU] Nr. 10/2011 und Art. 4 Abs. 4 VO [EU] Nr. 528/2012). Diese eigene Betrachtung nanoskopischer Materialien ist vor dem Hintergrund ihrer abweichenden Eigenschaften nur eine konsequente Anpassung der bestehenden Vorschriften, welche eine umfassende Präventivkontrolle der Stoffe in ihrer konkreten Verwendungsweise (Wirkstoff im Biozid, Zusatzstoff in Lebensmitteln) gewährleisten sollen. Die Klarstellung einer eigenen Prüfpflicht für Nano­materialien behebt daher gerade eine andernfalls bestehende Inkohärenz in den jeweiligen Regelungsregimen. Damit ist zugleich auch die Anpassung bestehender, aber noch nicht nanospezifischer Zulassungsregime (wie etwa der Pflanzenschutzmittel-Verordnung) kohärent. Mithin erfüllen die bereits bestehenden sektorspezifischen Regelungen die Anforderungen an eine normative Kohärenz.

(2) Kohärenz eines umfassenden Zulassungsvorbehalts Einer eigenen Beleuchtung unter Kohärenzgesichtspunkten bedarf die Überlegung der Implementierung einer allgemeinen Zulassungspflicht für die Verwendung von Nano­materialien in Produkten. Hierbei bestehen wie dargelegt zwei Umsetzungsoptionen: die Einfügung eines entsprechenden Vorbehalts in R ­ EACH oder alternativ die Ergänzung produktspezifischer EU-Regularien. Zunächst soll hier die Einfügung einer solchen Regelung in das ­R EACH-System betrachtet werden. Insoweit stellt sich die Frage, ob ein umfassender (ggf. verwendungsbezogener) Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien (sei es durch Ergänzung von Art.  57­

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

REACH wie nach dem Beschluss des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments oder durch Einfügung eines „Art. 59a ­R EACH“ als eigenständigem Zulassungsvorbehalt) „harmonisch“ in das Gesamtregelungsgefüge der Verordnung eingegliedert werden kann. Um dies beantworten zu können, muss erneut kurz der regulatorische Rahmen von ­R EACH reflektiert werden. Dabei fällt auf, dass die besonders invasiven Instrumente der Stoffzulassung und der Stoffbeschränkung hohe Anforderungen an die Risikoprofile der entsprechenden Substanzen stellen. So bedarf es eben einer sich aus der Stoffeinstufung ergebenden Gefährlichkeit oder aber bei deren Nichtvorhandensein jedenfalls „wahrscheinlicher ­ EACH). Eine Stoffbeschränkung schwerwiegender Wirkungen“ (Art.  57 lit.  f R nach den Art. 67 ff. ­R EACH ist nur im Falle eines „unannehmbaren“ Risikos für Mensch und Umwelt möglich (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 ­R EACH). Angesichts des semantischen Gleichlaufs von „Gefahr“ nach deutschem Verständnis und dem unionsrechtlichen „Risiko“ wird auch hier die Kenntnis der wesentlichen schadensbegründenden Faktoren vorausgesetzt.311 Noch ungewisse Risiken werden durch ­R EACH nicht besonders erfasst. Die Implementierung eines allgemeinen, nur auf Nano­materialien bezogenen Zulassungsvorbehalts in ­R EACH begegnet vor diesem Hintergrund mit Blick auf die Kohärenz einer solchen Regelung einigen Bedenken. Auch aus diesem Grunde befürwortet der Sachverständigenrat für Umweltfragen wie bereits aufgezeigt daher eine allgemeine Herabsenkung von Art. 57 ­R EACH auf „mögliche“ Risiken im Sinne der Vorschrift und damit eine Änderung der Zulassungsphilosophie insgesamt.312 Jedenfalls dann dürfte eine Inkohärenz nicht mehr zu bejahen sein. ­ EACH könnte ein Zulassungsregime für Neben einer Implementierung in R Nano­materialien auch in die jeweiligen produktspezifischen Regelungen eingefügt werden. Dies hat zwar den Nachteil, dass für verschiedene Produktkategorien im EU-Recht noch keine speziellen Regularien existieren; indes liegt der Schwer­ EACH-Verordnung eben nicht in der Erfassung von Produkten. Was punkt der R die Kohärenz der eigenständigen Zulassung von Nano­materialien im Rahmen dieser Vorschriften angeht, so muss grundsätzlich jedes betreffende Regelungsregime separat betrachtet werden. Insbesondere die Regularien, die bereits Zulassungssysteme vorsehen, stellen damit in besonderem Maße auf die Produktsicherheit ab (z. B. die Novel-Food-Verordnung, die Pflanzenschutzmittel-Verordnung oder die Arzneimittel-Richtlinien). Insofern scheint hier eine gesonderte Erfassung von Nano­materialien nicht nur nicht inkohärent, sondern unter Kohärenzgesichtspunkten sogar geboten. Soweit die Regelungen etwaiger Produkte noch keine Zulassungsvorbehalte vorsehen oder noch gar nicht auf EU-Ebene existieren, dürfte ihre Anpassung bzw. Schaffung wiederum in das politische Ermessen des EUGesetzgebers fallen und daher keine justiziable Inkohärenz begründen. Nach alle­

311 312

Zum Risikobegriff ausführlich oben bei C. II. 3. b) aa)  Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 341 f.

VI. Die Gesichtspunkte der Kohärenz und des Diskriminierungsverbots

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dem ist auch die produktsektorspezifische Einführung von Zulassungsvorbehalten für die Verwendung von Nano­materialien mit dem Kohärenzgebot vereinbar. ee) Moratorium/Stoffverbot Gerade bei der schärfsten aller hier erörterten Maßnahmen, einem Moratorium in Form eines expliziten oder de-facto-Stoffverbots, drängt sich die Frage nach der Kohärenz auf. Wie bereits im Kontext der Stoffbeschränkungen nach der R ­ EACH-Verordnung erläutert, sind Begrenzungen der Verwendung von Stoffen dem Sekundärrecht keinesfalls fremd. So sehen verschiedene Regime verwendungsbezogene Stoffverbote vor.313 Diesen Regimen ist dabei gemein, dass sie sich auf Substanzen beziehen, von denen nachweislich eine erhebliche, je nach Verwendung nicht mehr beherrschbare Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgeht. Ein vergleichbar hohes Risikopotenzial kann indes für die aktuell besonders industrierelevanten und daher im Fokus der Studien stehenden Nano­materialien nicht konstatiert und schon gar nicht an der Nanoskaligkeit eines Materials per se festgemacht werden. Anders als ein Zulassungssystem, welches allein der präventiven Überprüfung dient und eine Verwendung damit sehr wohl billigen kann, begründet ein Stoffverbot vor diesem Hintergrund durch seine ihm inhärente Ausschließlichkeit eine Inkohärenz mit dem übrigen EU-Stoffrecht. So vermochten sich Überlegungen des Europäischen Parlaments zu einem Verbot von Nanosilber und Kohlenstoffnanoröhrchen in Elektronikgeräten nicht durchzusetzen.314 An diesen Vorbehalten vermögen auch sehr begrenzte, etwa auf ganz präzise Sachverhalte gefasste Stoffverbote oder umfangreiche Ausnahmekataloge nichts zu ändern. Gleiches gilt für eine Aussetzung der entsprechenden Zulassungsverfahren, die, wie dargelegt, in ihrer Wirkung einem Stoffverbot gleichkommt. Anders als ein Zulassungsvorbehalt stellt damit ein Stoffverbot als Moratorium eine insgesamt justiziabel inkohärente Maßnahme dar. Diese Feststellung kann freilich dann keine Geltung mehr beanspruchen, wenn für einzelne Nano­ materialien wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über ganz erhebliche, im 313 Siehe etwa die sog. RoHS-Richtlinie (Restriction of Hazardous Substances) 2011/65/EU zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, ABl. 2011 L 174, S. 88 ff. Hiernach ist nach Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Anhang I die Verwendung u. a. von Blei, Quecksilber und Cadmium in entsprechenden Geräten untersagt (allerdings sollen Höchstkonzentrationen zwischen 0,1 und 0,01 Gewichtsprozent zulässig sein [Anhang II]; daneben bestehen einige Ausnahmen vom Verbot [Anhang III]). Zum Verbot der Verwendung von Bisphenol A in Säuglingsflaschen siehe Richtlinie 2011/8/EU, ABl.  2011 L 26, S. 11 ff. 314 Siehe den sog. Evans-Bericht zur Neufassung der RoHS-Richtlinie, Bericht zur ersten Lesung vom 15.06.2010, A7–0196/2010, S. 61 (abrufbar unter www.europarl.europa.eu). Kritisch zu einem Verbot auch Boeing, Hessen-Nanotech NEWS, Nr. 4/2010, S. 10.

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F. Die Regulierung von Nano­materialien im EU-Recht 

Einzelnen nicht mehr beherrschbare Risiken vorliegen. In einem solchen Falle schiene auch ein wie auch immer im Detail ausgestaltetes Stoffverbot grundsätzlich zulässig und mit dem übrigen Recht kohärent. 2. Das Diskriminierungsverbot Zu untersuchen ist nun zum Ende des Teils F noch die Frage, inwieweit die hier diskutierten Maßnahmen zur Regulierung von Nano­materialien mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar sind. Neben dem Kohärenzgebot stellt das Diskriminierungsverbot eine weitere Schranke des Vorsorgegrundsatzes dar.315 Das Diskriminierungsverbot untersagt die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte.316 Nanostoffe und Makrostoffe berühren als chemische Substanzen die gleiche Sachmaterie und sind folglich als „gleich“ im Sinne des Diskriminierungsverbots zu qualifizieren. Dies gilt auch dann, wenn man Nano­materialien, wie hier befürwortet, als eigenständige, neue Stoffe betrachtet. Denn auch dann sind sie unter die Vergleichskategorie „Stoff“ zu fassen. Eine ungleiche Behandlung beider Stoffkategorien etwa durch eine weitergehende Kennzeichnungspflicht für Nano­ materialien, eine eigenständige Meldepflicht oder eine spezifische Zulassungspflicht muss daher durch objektive Gründe gerechtfertigt sein. Diese Gründe finden sich in den spezifischen Eigenschaften nanoskaliger Stoffe (Transportprinzip, Oberflächenprinzip), die anders als ihre makroskaligen Stoffgeschwister bspw. Zellmembrane zu durchdringen und teilweise auch die menschliche Blut-Hirn-Schranke zu überwinden vermögen, um nur einige spezifische Merkmale zu wiederholen.317 Diese mit der Nanoskaligkeit eines Stoffes verbundenen Eigenschaften und den sich verschiedenen Studien andeutenden, teils beträchtlichen Risikopotenzialen rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Im Übrigen besteht kein Anspruch auf Gleichheit im Unrecht.318 Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wird daher nicht allein dadurch begründet, dass weitergehende Maßnahmen gegenüber anderen Objekten (hier: Makrostoffen) in rechtswidriger Weise unterbleiben.

315 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorge­ prinzips, KOM (2000) 1 endgültig, S. 20 (abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu). 316 EuGH, Rs. C-343/09, Slg. 2010, I-7023 Rn. 74 – Afton Chemical Limited ./. Secretary of State for Transport. Hier ging es u. a. um eine von der Klägerin geltend gemachte Ungleichbehandlung der metallischen Kraftstoffzusätze „MMT“ und „CMT“ (Rn. 70 ff.). Der Gerichthof konstatierte: „Demnach sind der MMT betreffende Sachverhalt und der für die anderen manganbasierten metallischen Zusätze geltende Sachverhalt nicht gleich, so dass der Unionsgesetzgeber nicht gehalten war, für die anderen Zusätze Grenzwerte festzulegen“ (Rn. 76). 317 Im Übrigen sei auf die Darstellung oben bei B. III. verwiesen. 318 EuG, Rs. T-13/99, Slg. 2002, II-3305 Rn. 479 – Pfizer Animal Health mit Verweis auf EuGH, Rs. C-284/95, Slg. 1998, I-4301 Rn. 41 – Safety Hi-Tech.

VII. Fazit zu Teil F.

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VII. Fazit zu Teil F. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die bestehenden Rechtsvorschriften noch Raum für weitere Anpassungen an die nanospezifischen Charakteristika lassen und vor allem die Einführung einer Meldepflicht für ein Produktregister unter grundrechtlichen sowie grundfreiheitlichen Erwägungen möglich ist. Auch eine Ausdehnung der Kennzeichnung ist grundsätzlich primärrechtskonform. Besondere Beachtung hat die Diskussion um die Begründung einer umfassenden Zulassungspflicht für die Verwendung von Nano­materialien gefunden. Dabei bestehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: die weitere Einführung neuer und Ergänzung bestehender sektorspezifischer Zulassungsvorbehalte einerseits und die Einführung eines allgemeinen, allein an die Partikelgröße einer Sub­ EACH-Verordnung. Eine stanz anknüpfenden Vorbehaltes etwa im Rahmen der R Zulassungspflicht stellt dabei zweifelsohne das invasivste Regulierungsinstrument dar. Ihre Einführung ist stets auch mit der Gefahr einer Überregulierung und einer innovationshemmenden Wirkung verbunden. Damit liegt hierin auch eine zutiefst politische Entscheidung. Unter Gesichtspunkten des rechtlichen „Könnens“ bestehen jedenfalls gegen einen solchen Zulassungsvorbehalt keine durchgreifenden Bedenken, sofern die aufgezeigten Parameter beachtet werden. Insbesondere kann noch keine justiziable Inkohärenz konstatiert werden. Damit bleibt es dem EU-Gesetzgeber überlassen, in den aufgezeigten Regelungskorridoren politisch durchsetzbare unionsweite Vorschriften zu erarbeiten.319 Doch nicht nur auf der Ebene des Unionsrechts kommt der Regulierung von Nano­materialien eine große Bedeutung zu. So wird in zahlreichen Mitgliedstaaten offen ein nationaler „Alleingang“ diskutiert. Der folgende Abschnitt wird daher beleuchten, welche kompetenziellen Räume den Mitgliedstaaten für eigene Nano-Vorschriften verbleiben.

319 Hartl u. a. werfen so pointiert die Frage auf: „What is the solution for the […] dilemma: invest in nanotechnology to improve human health and safety and use „precautionary principle“ in the sense not to stop an activity that can bring big benefits“, or slow down nanotechnology development until potential negative side effects are recognized, and use „precautionary principle“ in the sense „stop a new technology since it may bring health and safety risk?“, siehe S. 14 f.

G. Nanoregulierung auf nationaler Ebene: Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten Im Kontext der Übertragung staatlicher Befugnisse auf eine supranationale Ebene stellt sich stets die Frage, welche Kompetenzen dem Nationalstaat verbleiben. Dies gilt in besonderem Maße für das diffizile Kompetenzgeflecht, welches zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten besteht. Will die Union in einem bestimmten Regelungsbereich regulatorische Maßnahmen treffen, so bedürfen diese einer Kompetenzgrundlage, die zugleich den Souveränitätsverzicht der Mitgliedstaaten zum Ausdruck bringt. Das beinahe schon unüberschaubar große Feld des Umweltrechts fällt ebenfalls zu einem beträchtlichen Teil in die Kompetenz der EU (siehe nur die Art. 191 ff. AEUV), verbleibt aber unter vielen anderen regulatorischen Gesichtspunkten im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Dies kann im Einzelfall recht subtile Kompetenzabgrenzungen erforderlich machen. Auch die Regulierung von Nano­materialien macht es notwendig, die kompetenziellen Grenzlinien zwischen Union und Mitgliedstaaten zu skizzieren und aufzuzeigen, welcher Regelungs- und Gestaltungskorridor dem einzelnen Staat verbleibt. Im folgenden Abschnitt ist daher zu erläutern, auf welcher Kompetenzgrundlage die EU Vorschriften zur Regulierung von Nano­materialien erlassen kann und inwieweit nationale „Alleingänge“ oder abweichende Regelungen hiermit vereinbar sind.

I. Regelungszuständigkeit des europäischen Normgebers Nach Art. 4 Abs. 2 lit. e AEUV und den Art. 191 ff. AEUV verfügt die Europäische Union über eine „geteilte“ Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich der Umwelt. Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit nur dann ausüben können, soweit die Union von ihrer Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat oder die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt hat (Art. 2 Abs. 2 AEUV). Nach Art. 191 Abs. 1 AEUV soll die Union u. a. den Umwelt- und Gesundheitsschutz und eine „rationelle“ Ressourcenverwendung gewährleisten. Problematisch und unklar ist bisweilen die Abgrenzung der Zuständigkeit der Union nach den Art.  191 ff. AEUV von der Harmonisierungskompetenz nach Art.  114, 115 AEUV.1 Hiernach ist die Union zum Erlass von Maßnahmen zur Rechtsangleichung im Binnenmarkt ermächtigt (Art. 114 Abs. 1 AEUV). Eine entsprechende Vereinheitlichung nationaler Vorschriften soll Wettbewerbsverzerrungen aufhe 1

Herdegen, Europarecht, § 24 Rn. 9.

II. Gestaltungs- und Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten 

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ben, die durch unterschiedliche Regelungsregime in den Mitgliedstaaten entstehen können. Ob eine Regelung auf die Art. 191 ff. oder die Art. 114, 115 AEUV gestützt wird, hängt maßgeblich vom Schwerpunkt der jeweiligen Vorschrift ab.2 Gleiches dürfte für die Kompetenz der Union im Bereich des Verbraucherschutzes nach Art. 169 AEUV gelten.3 Mit Blick auf die Regulierung von Nano­materialien kann konstatiert werden, dass hierzu die Ergänzung bestehender Rechtssätze im Vordergrund steht und teilweise auch schon realisiert wurde. Insofern ist auch hier auf den Schwerpunkt der einzufügenden Vorsorgemaßnahme abzustellen. Ein Zulassungsvorbehalt birgt typischerweise Risiken für den Binnenmarkt. Gleiches gilt für Meldepflichten für ein Nanoproduktregister einschließlich zugrunde liegender Meldepflichten, Kennzeichnungspflichten4 oder ein Stoffverbot5. Insofern dürfte Art.  114 AEUV als Kompetenzgrundlage heranzuziehen sein. Die Einführung von Partikelgrenzwerten weist demgegenüber einen stark umweltrechtlichen Einschlag auf. Ein entsprechender Rechtsakt wäre demnach auf Art. 191, 192 AEUV zu stützen.6

II. Gestaltungs- und Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten Die bislang zu konstatierende Zurückhaltung insbesondere der Europäischen Kommission bei der Regulierung von Nano­materialien durch das EU-Recht hat in verschiedenen Mitgliedstaaten Debatten um etwaige nationale Regelungen befördert. Auch in Deutschland sind Forderungen nach einem Tätigwerden des Bundesgesetzgebers laut geworden.7 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Gestaltungsspielräume den nationalen Gesetzgebern angesichts des bereits existierenden Normgefüges im EU-Umweltrecht verbleiben. Ebenso gilt es zu klären, wie sich die Mitgliedstaaten gegenüber bereits bestehenden Vorschriften zu verhalten haben. Die sich nun anschließenden Ausführungen werden anhand der im Rahmen dieser Arbeit erörterten Regulierungsinstrumente (Kennzeichnung, 2 Meßerschmidt, § 2 Rn. 112. Siehe zu Inkonsistenzen vor allem im EU-Gentechnikrecht Herdegen, Europarecht, § 24 Rn. 9. 3 So beruhen inzwischen einige EU-Vorschriften auf Art. 114 AEUV, obgleich sie Fragen des Verbraucherschutzes betreffen, siehe Herdegen Europarecht, § 26 Rn. 8. 4 So stützt sich auch die EU-Lebensmittelinformations-Verordnung (EU) Nr.  1169/2011 auf Art. 114 AEUV. 5 Als Beispiel kann die sog. RoHS-Richtlinie 2011/65/EU, ABl. 2011 L 174, S. 88 ff., zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten aufgeführt werden, die ebenfalls Art. 114 AEUV als Kompetenzgrundlage aufweist. 6 So etwa die Kompetenzgrundlage der „neuen“ Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG, ABl. 2008 L 152, S. 1 ff. 7 Siehe etwa Antrag der Bundestagsfraktion SPD u. a., Chancen der Nanotechnologien nutzen und Risiken für Verbraucher reduzieren, BT-Ds. 17/8158, S. 5 f.; Antrag der Bundestagsfraktion Die Linke u. a., Wirksamen Verbraucherschutz bei Nanostoffen durchsetzen, BTDs. 17/5917, S. 2.

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G. Nanoregulierung auf nationaler Ebene

Meldepflicht für ein Register, Partikelgrenzwerte, Zulassungspflicht und Stoffverbot) beleuchten, welche Regelungskorridore den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht offen stehen. 1. Nationale Kennzeichnungsvorschriften Das EU-Sekundärrecht sieht in einer ganzen Reihe von Regelungsfeldern Kennzeichnungsverpflichtungen für Endprodukte vor. Explizite Vorschriften zur Deklaration nanopartikulärer Inhaltsstoffe existieren bereits für Kosmetika, Lebensmittel und Biozidprodukte. Nationale Kennzeichnungsvorschriften, die in anderen Produktsegmenten ebenfalls einen „Nano“-Zusatz in der Liste der Inhaltsstoffe vorsehen oder aber die Kennzeichnung von Nano­materialien z. B. in Lebensmitteln verschärfen sollen, bedürfen eines entsprechenden Spielraumes des nationalen Gesetzgebers. Ob dieser gegeben ist, hängt von zweierlei Faktoren ab: erstens dem Vorhandensein etwaiger EU-Regelungen und zweitens, im Falle von deren Existenz, die diesen zugrunde liegende Kompetenzvorschrift (zumeist Art. 114 ff. oder Art. 191 ff. AEUV). Zum ersten Punkt: Zunächst ist von zentraler Bedeutung, ob in dem Regelungsfeld, in dem eine nationale Kennzeichnung beabsichtigt ist, bereits eine Harmonisierung stattgefunden hat. Die genaue Abgrenzung zwischen Harmonisierung und Nichtharmonisierung kann dabei im Einzelfall recht schwierig sein und erfordert eine genaue Untersuchung des Regelungsbereichs der in Frage kommenden Vorschriften.8 So liegen wie gesehen bereits einheitliche EU-Regelungen für die Deklaration von Inhaltsstoffen in Lebensmitteln, Kosmetika oder Arzneimitteln vor. Anders verhält es sich bspw. mit der Kennzeichnung der Inhaltsstoffe von Bekleidungstextilien. In diesem Falle werden zwar bestimmte Aspekte durch die EU-Textilkennzeichnungs-Verordnung Nr. 1007/20119 harmonisiert. Eine genaue Angabe der im Textil verwendeten Substanzen und Materialien gehört indes nicht dazu.10 In diesem Falle verbleibt ein Handlungsspielraum bei den Mitgliedstaaten11, der auch eine Kennzeichnung von Nano­materialien zulässt. Am Beispiel der Textilkennzeichnungs-Verordnung wird deutlich, dass im Einzelfall eine sorgsame Prüfung des Regelungsbereiches eines EU-Rechtsaktes erforderlich ist, um den verbleibenden Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten zu determinie 8

Meßerschmidt, § 2 Rn. 226. ABl. 2011 L 272, S. 1 ff. 10 „Unter anderem“ sollte aber bis zum 30.09.2012 geprüft werden, ob die Verordnung um die Angabe allergener Stoffe ergänzt wird, Art. 24 Abs. 3 lit. d. 11 So bestimmt Erwägungsgrund Nr.  5 der Verordnung: „Mit dieser Verordnung werden harmonisierte Vorschriften hinsichtlich bestimmter Aspekte der Etikettierung und Kennzeichnung von Textilerzeugnissen, insbesondere Bezeichnungen von Textilfasern, festgelegt. Andere Formen der Etikettierung und Kennzeichnung können bestehen, sofern sie nicht denselben Geltungsbereich wie diese Verordnung abdecken und sofern sie mit den Verträgen vereinbar sind.“ 9

II. Gestaltungs- und Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten 

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ren. Gleiches gilt auch für die Angabe von (bestimmten) Inhaltsstoffen in Elektronikgeräten. Zwar schreibt insoweit die RoHS-Richtlinie die Verwendung des sog. CE-Zeichens vor (Art. 15 Abs. 1). Dieses trifft jedoch allein eine Aussage zur Konformität des Produkts mit den geltenden EU-Standards (Art. 3 Nr. 15 RoHS-RL). Umfassende Kennzeichnungsvorgaben für Gefahrstoffe enthält die CLP-Verordnung.12 Was die gefahrstoffbezogene Deklaration solcher Substanzen angeht, ist die Verordnung als abschließend zu betrachten. Nanopartikuläre Miniaturen makroskaliger Gefahrstoffe unterfallen damit diesem Rechtsregime, welches eine spezielle Nanokennzeichnung aktuell aber noch nicht vorsieht.13 Zum zweiten Punkt: Liegt eine Regelung der entsprechenden Sachmaterie auf Ebene des Unionsrechts vor, so ist in einem zweiten Schritt die kompetenzielle Grundlage zu betrachten. Denn hiervon hängt entscheidend ab, in welchem Umfang den Mitgliedstaaten ein Abweichungsspielraum zusteht. Gründet die Vorschrift auf Art. 192 AEUV (Umweltschutz), so können die Mitgliedstaaten „verstärkte Schutzmaßnahmen“ beibehalten oder auch nachträglich treffen (Art. 193 Satz  1 AEUV). Die weitergehenden nationalen Regelungen sind der Kommission zu notifizieren (Satz  3), eine Genehmigungspflicht besteht aber nicht. Vor diesem Hintergrund ist das Ansinnen des EU-Gesetzgebers zu sehen, häufig und auch in nicht eindeutigen Fällen (s. o.) die Rechtsangleichungskompetenz nach den Art. 114, 115 AEUV heranzuziehen. Denn anders als bei den Art. 192 ff. AEUV bedarf es hier einer ausdrücklichen Genehmigung des mitgliedstaatlichen Alleingangs durch die Europäische Kommission (Art. 114 Abs. 4 und 5 i. V. m. Abs. 6 AEUV). Dabei statuiert Art. 114 Abs. 5 AEUV recht enge Kriterien für eine von der EU-Regelung abweichende nationale Vorschrift. Während eine bereits bestehende Norm beibehalten werden darf, wenn sie „durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Art. 36 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt ist“ (Abs. 4), bedarf eine der EU-Regelung zeitlich nachfolgende nationale Vorschrift „neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse“ (Abs.  5). Dabei beschränkt Abs. 5 anders als Abs. 4 seinen Anwendungsbereich auf die Bereiche der Umwelt und der „Arbeitsumwelt“. Rein gesundheitsbezogene Maßnahmen scheiden demnach aus.14 Weitere Voraussetzung sind „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ des jeweiligen Mitgliedstaates und ein „spezifisches Problem“ in diesem Land. Durch das Kriterium der „neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ wird sichergestellt, dass verschärfte einzelstaatliche Akte einer belastbaren empirischen Absicherung bedürfen.15 Allgemeine Ausführungen reichen insoweit nicht aus. Vielmehr bedarf es konkreter Darlegungen, aus denen sich die Notwendigkeit einer neuen wissenschaftlichen Beurteilung ergibt.16Als  – vor dem Hintergrund 12

Dazu ausführlich oben F. I. 1. Zu den vielgestaltigen Änderungsvorschlägen siehe etwa Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten, S. 348 f. 14 So auch Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 62. 15 Siehe Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 192 f. 16 EuGH, Rs. C-439/05 P, Slg. 2007, I-7141 Rn. 61 f. – Land Oberösterreich ./. Kommission. 13

216

G. Nanoregulierung auf nationaler Ebene

der Ausstrahlungswirkung des Vorsorge­prinzips – ausreichend wird insofern erachtet, dass jedenfalls belastbare wissenschaftliche Anhaltspunkte bestehen, die im Einzelnen auch noch streitig sein können.17 Fraglich ist, welche Relevanz die Regelung insoweit für die Einführung nationaler Zulassungsvorschriften für Nano­materialien aufweist. Zunächst ist insoweit zu konstatierten, dass insbesondere im Bereich der Ökotoxikologie der Kenntnisstand über die Aus­wirkungen von Nano­materialien sehr gering ist. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft kann noch nicht von gesicherten Erkenntnissen über Schadenspotenziale für das ökologische Wirkungsgefüge gesprochen werden. Im Übrigen bedürfte es des Weiteren gemäß Art. 114 Abs. 5 AEUV eines spezifischen Problems im jeweiligen Mitgliedstaat. Dieses – kumulativ zu erfüllende – Tatbestandsmerkmal verlangt einen Nexus zwischen den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Situation im betreffenden Mitgliedstaat. Hiervon ist dann auszugehen, wenn eine „spezifische Situation“ vorliegt, „die mit den neuen Erkenntnissen verknüpft ist und für diesen Staat in besonderer Weise eine Abweichung von den Harmonisierungsmaßnahmen rechtfertigt“.18 Dies können grundsätzlich etwa besondere ökologische19 geographische, geopolitische oder soziale Umstände sein.20 Jedenfalls derzeit ist nicht ersichtlich, inwieweit sich für einen Mitgliedstaat oder einzelne Mitgliedstaaten aus der Verwendung von Nano­ materialien ein spezifisches Problem ergeben soll. Denkbar wären hierzu zwar verschiedene Szenarien wie etwa Ökosysteme, die auf Nano­materialien empfindlicher reagieren als andere. Über solche oder ähnliche Zusammenhänge kann aktuell aber noch keine Aussage getroffen werden. Damit kann insoweit konstatiert werden, dass Art.  114 Abs.  5 AEUV für die nationale Regulierung von Nano­ materialien derzeit noch keine Relevanz beizumessen ist. Eine weitere Möglichkeit für mitgliedstaatliche Sonderregelungen sieht Art. 114 Abs.  10 AEUV vor. Hiernach können Harmonisierungsvorschriften Schutzverstärkungsklauseln beinhalten, die es den Mitgliedstaaten gestatten, „aus einem oder mehreren der in Art. 36 genannten nicht wirtschaftlichen Gründe vorläufige Maßnahmen zu treffen […]“. Wie gleich zu sehen sein wird, verfügen zahlreiche Sekundärrechtsakte über entsprechende „Schutzklauseln“. Mit Blick auf die explizite Deklaration von nanoskaligen Inhaltsstoffen eines Produkts ergibt sich damit folgendes Bild: Sieht eine EU-Regelung die Angabe von Inhaltsstoffen oder auch nur allgemein eine bestimmte Form der Kennzeichnung vor, so ist genau zu prüfen, wie weit sich ihr Regelungsbereich erstreckt. So wäre eine nationale Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien in Textilien aus 17 Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 193; Herrnfeld, in: Schwarze, Art. 114 AEUV Rn. 101. Ähnlich Epiney, in: Ipsen/Stüer, S. 215 (227 f.) m. w. N. 18 Schlussanträge des GA Tizzano, EuGH, Rs. C-3/00, Slg. 2003, I-2643 Nr. 75 – Kommission ./. Dänemark. 19 EuGH, Rs. C-439/05 P, Slg. 2007, I-7141 Rn. 63 f. – Land Oberösterreich ./. Kommission. 20 Albin/Bär, NuR 1999, S. 185 (189).

II. Gestaltungs- und Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten 

217

rein kompetenzieller Perspektive zunächst einmal zulässig, da insoweit noch keine EU-Regelungen bestehen. Gleiches gilt für die Verpflichtung zur Angabe von bestimmten, nicht schon von durch das Gefahrstoffrecht erfassten, Materialien in Elektrogeräten. Freilich müssten solche Regelungen auch mit dem übrigen Primärrecht vereinbar sein und hier insbesondere den Anforderungen der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV genügen. Zudem dürfte gerade eine nationale Kennzeichnung von Elektrogeräten unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten problematisch sein. Anders verhält es sich mit den bereits bestehenden EU-Vorschriften zur Kennzeichnung von Nano­materialien in Kosmetika, Lebensmitteln und Biozidprodukten. Alle drei Rechtsregime beruhen auf der Rechtsangleichungskompetenz der Union nach Art.  114 AEUV. Einzelstaatliche Verschärfungen21 können somit grundsätzlich zwei Grundlagen haben: eine auf Art. 114 Abs. 10 AEUV beruhende Schutzverstärkungsklausel oder aber Art. 114 Abs. 5 AEUV, der wie gesehen ebenfalls – in engen Grenzen – nationale Einzellösungen zulässt. So sieht die Kosmetik-Verordnung mit Art. 27 eine „Schutzklausel“ vor, die die nationalen Behörden zu vorläufigen Maßnahmen ermächtigt. Hierfür muss die Behörde von einem wahrscheinlich ernsten Risiko für die menschliche Gesundheit ausgehen (Art. 27 Abs. 1). Den Erlass abweichender Vorschriften durch den nationalen Gesetzgeber beinhaltet die Schutzklausel indes nicht (eine solche Ausgestaltung einer ­ EACH, dazu sogleich). Schutzverstärkungsklausel findet sich etwa bei Art. 129 R Auch die EU-Biozid-Verordnung enthält in Art. 88 eine Schutzklausel, die eine Ermächtigung zu vorläufigen „geeigneten“ nationalen Maßnahmen einschließt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Mitgliedstaat ein „unmittelbares oder langfristiges gravierendes Risiko“ durch ein bestimmtes Biozidprodukt annimmt (Abs. 1 Satz 1). Die Schutzverstärkungsklauseln in der Kosmetik- und der Biozid-Verordnung zielen insoweit auf kurzfristige und vorläufige nationale Interventionen ab. Eine verschärfte risikobezogene Kennzeichnungspflicht dürfte in der Praxis kein geeignetes Instrument hierfür sein.22 Einen mitgliedstaatlichen Abweichungsspielraum sehen auch die Art. 39 ff. der Lebensmittelinformations-Verordnung vor. Der hier insoweit besonders relevante Art. 39 Abs. 1 lässt zwar grundsätzlich spezifische nationale Kennzeichnungen zu, beschränkt diese Gestaltungsoptionen aber auf die Art. 9 und 10 der Verordnung. Art. 18 Abs. 3, der die „Nano“-Kennzeichnung regelt, wird nicht erwähnt und ist daher auch nicht von der Regelung betroffen.

21

Insoweit rein deklaratorisch Erwägungsgrund Nr.  49 der VO (EU) Nr.  1169/2011, ABl. 2011 L 304, S. 18 ff. 22 Zur Anwendbarkeit von Art. 88 Abs. 1 der Biozid-Verordnung auf Nano­materialien ausführlich auch sogleich unter Punkt 4).

218

G. Nanoregulierung auf nationaler Ebene

2. Nationale Meldepflichten für Produktregister Eine noch größere Aktualität als die Frage nach mitgliedstaatlichen Kennzeichnungspflichten begründet die Einführung einer umfassenden Meldepflicht für Nanoprodukte. So hat eine allgemeine Meldeverpflichtung für Nano­materialien bereits ihre Umsetzung im französischen Umweltrecht gefunden.23 Wie bereits im Kontext der Kennzeichnungspflichten bedarf es wiederum der Klärung, welcher Spielraum den Mitgliedstaaten zur Festlegung von Nano-Meldepflichten (in Verbindung mit einem Produktregister) zukommt. Die bereits vorgenommene Analyse des bestehenden EU-Rechts24 hat ergeben, dass verschiedene Regelungen Meldepflichten vorsehen, im Rahmen der Kosmetik-Verordnung sogar mit explizitem Bezug auf Nano­materialien. Diese Meldepflichten sind dabei sektorspezifisch ausgestaltet und eingebettet in spezifische Regelungskomplexe, die im Hinblick auf die Veröffentlichung der übermittelten Daten – etwa in einem öffentlichen Register – sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. So sind zwar die notifizierten Daten nach der Kosmetik-Verordnung mit Einschränkungen auch der Allgemeinheit zugänglich zu machen (Art. 16 Abs. 10 lit. a), womit jedenfalls für diesen Bereich grundsätzlich bereits eine EU-Regelung existiert. Der einer umfassenden Meldepflicht für Nanoprodukte zugrunde liegende Ansatz weist jedoch eine andere Zielrichtung auf als die vielgestaltigen Melde- und Registrierungspflichten im aktuellen Sekundärrecht. So fußt die angedachte Meldepflicht (und das ihr zugehörige Produktregister) auf einer denkbar breiten Erfassung nanoskaliger Stoffe in Produkten, wie sich anschaulich an der französischen Regelung illustrieren lässt. Diese bezieht jegliche Nano­materialien ab einer Jahresproduktionsmenge von mehr als 100 g in ihren Anwendungsbereich mit ein. Informationsempfänger sind dabei (schon denknotwendig) nationale und nicht etwa EU-Behörden. ­ EACH-Verordnung bereits einen umAllerdings sieht das Unionsrecht mit der R fassenden Mechanismus zur „Registrierung“ von Stoffen vor (Art.  5 ff.). Damit geht insbesondere auch die Veröffentlichung zahlreicher stofflicher Informationen ­ EACH). Somit stellt sich die in einer elektronischen Datenbank einher (Art. 119 R Frage, inwieweit hier Raum für nationale Meldesysteme verbleibt. Hierzu ist zu konstatieren, dass ein Nanoproduktregister, wie schon der Name sagt, grundsätzlich einen stark verwendungsbezogenen Einschlag hat. Die ­R EACH-Regularien knüpfen indes an den Stoff bzw. die Kategorien von Gemisch und Erzeugnis an, welche nur in einigen Fällen fertige Endprodukte darstellen. Damit bleibt Raum für nationale Regelungen von Meldepflichten für Produkte, die Nano­materialien enthalten.

23

Siehe oben bei F. II. 2. c). Siehe oben bei F. II. 1.

24

II. Gestaltungs- und Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten 

219

3. Nationale Partikelgrenzwerte Was die Festlegung bzw. Ausgestaltung von nationalen Partikelgrenzwerten angeht, sei auf die Ausführungen oben im Abschnitt F. III. verwiesen.

4. Nationale Zulassungspflichten Nur sehr partiell sieht das Unionsrecht bislang explizite Zulassungspflichten für Nano­materialien vor. Fraglich ist, inwieweit diese um mitgliedstaatliche Zulassungsregime für nanoskalige Stoffe ergänzt werden könnten. Hierzu ist die Differenzierung zwischen sektorspezifischen Regelungen und einem allgemeinen Zulassungsvorbehalt in Erinnerung zu rufen. So kann zunächst in verschiedenen Produktsektoren ein kompetenzieller Spielraum für die Einführung von einzelstaatlichen Zulassungspflichten konstatiert werden. Dies gilt für jene Regelungsbereiche, in denen überhaupt keine oder nur partielle Harmonisierungen vorgenommen worden sind. So erfasst die EU-Regulierung von Textilien bislang nur die Kennzeichnung. Demnach besteht hier bei rein kompetenzieller Betrachtung Raum für mitgliedstaatliche Zulassungsvorbehalte. Sehen EU-Regelungen dagegen bereits Zulassungsvorschriften vor, wie z. B. im Falle der Lebensmittelzusatzstoffe, der Arzneimittel, der Biozidprodukte u.s.w., ist die Tür zu weitergehenden nationalen Vorschriften grundsätzlich verschlossen. Zwar enthalten zahlreiche Regelungen wie z. B. zu Human- und Tierarzneimitteln keine nanospezifischen Tatbestände. Sie erfassen Nano­materialien indes zumindest implizit. Eine nationale nanospezifische Vorschrift wiese auch die gleiche Stoßrichtung wie der bereits existente Zulassungsvorbehalt auf, nämlich primär den Gesundheits- und Umweltschutz. Damit verbleibt für nationale Zulassungsregelungen nur in den Fällen Raum, in denen noch keine etwaigen sekundärrechtlichen Vorgaben bestehen. Soweit von diesen Regelungen abgewichen werden soll, kommen wiederum nur die Schutzverstärkungsklauseln in Betracht. Wie bereits gesehen, kommt dabei Art. 114 Abs. 5 AEUV aktuell noch nicht als Grundlage in Betracht. Anderes könnte aber für die Schutzverstärkungsregelung des Art. 114 Abs. 10 AEUV gelten. In diesem Kontext ist zu beleuchten, inwieweit der jeweilige Sekundärrechtsakt nationale Abweichungen im Rahmen einer Schutzklausel zulässt. Eine solche Regelung sieht wie erörtert die Biozid-Verordnung mit Art. 88 vor, der hier im Folgenden beispielhaft auf seine Einschlägigkeit hin geprüft wird. Eine – vorläufige – nationale Maßnahme ist demnach zulässig, wenn ein Mitgliedstaat aufgrund neuer Belege berechtigte Gründe zu der Annahme hat, „dass ein Biozidprodukt, obwohl es nach dieser Verordnung zugelassen wurde, dennoch ein unmittelbares oder langfristiges gravierendes Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier, insbesondere für gefährdete Gruppen, oder für die Umwelt darstellt“ (Art. 88 Abs. 1 Satz 1). Als eine nationale Maßnahme wäre eine weitergehende Prüfpflicht vorstellbar. Was die Auswirkungen von Nano­materialien

220

G. Nanoregulierung auf nationaler Ebene

anbetrifft, so kann indes nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft noch kein unmittelbares oder gravierendes Risiko konstatiert werden. Zu groß ist bislang die bereits vielfach beschriebene Ungewissheit in vielen Detailaspekten. Nach der gegenwärtigen Kenntnislage können verschärfte nationale Maßnahmen, die Biozidprodukte mit Nano­materialien betreffen, daher nicht auf Art. 88 Abs. 1 der BiozidVerordnung gestützt werden. Dies kann auf ähnliche Schutzklauseln in anderen sekundärrechtlichen Vorschriften übertragen werden. Eine umfassende Zulassungspflicht für Nano­materialien wird prinzipiell auch eine an den Stoff anknüpfende Regelung in Betracht zu ziehen haben. Hier stellt sich die Situation unter dem Gesichtspunkt von nationalen Gestaltungskorrido­ EACH-Verordnung sieht bereits ein umfassenren indes anders dar. Denn die R des stoffrechtliches Regime vor, welches sowohl die Registrierung von Stoffen regelt als auch insbesondere ein Zulassungsregime für verschiedene Stoffe vorsieht. Konsequenterweise beansprucht ­R EACH daher, eine abschließende Regelung zu sein (Art. 128 Abs. 1). Mit Art. 129 sieht die Verordnung indes ebenfalls eine Schutzklausel vor, die ein – vorläufiges – nationales Abweichen dann gestattet, wenn ein Mitgliedstaat Grund zur berechtigten Annahme hat, „dass hinsichtlich eines Stoffes als solchem, in einem Gemisch oder in einem Erzeugnis sofortiges Handeln erforderlich ist, um die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu schützen“ (Art. 129 Abs. 1 Satz 1 ­R EACH). Als Ausnahmeregelung darf Art. 129 Abs. 1 Satz 1 jedoch nicht als Einfallstor für allzu großzügige nationale Vorschriften dienen und ist dementsprechend eng auszulegen.25 Insofern müssen hohe Anforderungen an einen nationalen Alleingang gestellt werden. Auch hier gilt daher, dass die Notwendigkeit eines sofortigen Handelns eines einzelnen Mitgliedstaats angesichts eines von (bestimmten) Nano­materialien ausgehenden Gefährdungspotenzials nach aktuellem Kenntnisstand kaum zu begründen sein wird und einer Prüfung durch die Europäische Kommission (vgl. Art. 129 Abs. 2 ­R EACH) aller Voraussicht nach nicht standhalten kann. Nach alledem lässt sich konstatieren, dass Raum für nationale Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien nur im Falle sektorspezifischer Regelungen besteht. Dies gilt überdies nur dann, solange noch keine sekundärrechtlichen Zulassungsregelungen existieren. 5. Nationale Stoffverbote/Moratorien Nicht nur auf der Ebene der Europäischen Union, sondern durchaus auch auf Ebene der Mitgliedstaaten sind nanospezifische Stoffverbote bzw. Moratorien vorstellbar. Hier gelten im Grundsatz dieselben Erwägungen wie zu nationalen Zulassungsvorbehalten. So sind Beschränkungen wiederum nur dann zulässig, wenn das Sekundärrecht einen entsprechenden Spielraum lässt. Insoweit kann auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen werden. Was ein allgemeines Stoff 25

Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn, Art. 129 ­R EACH Rn. 18.

III. Fazit zu Teil G.

221

verbot angeht, so stünde dies wiederum im Konflikt mit der ­R EACH-Verordnung. Gleiches gilt ebenso für wie auch immer geartete Moratorien. Ohnehin dürften nationale Stoffverbote oder Moratorien nach aktuellem Kenntnisstand nicht mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV in Einklang zu bringen sein.

III. Fazit zu Teil G. Grundsätzlich besteht Raum für verschiedene mitgliedstaatliche Vorschriften zur Regulierung von Nano­materialien. Bei allen „lauten“ politischen Forderungen nach nationalen Maßnahmen gilt es jedoch zu beachten, dass diese den Binnenmarkt nicht nur unerheblich beeinträchtigen können. Aus diesem Grunde sollte stets eine unionsweite Lösung angestrebt werden, wie es nun vor allem im Bereich der Kennzeichnung bereits gelungen ist.

H. Die Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Regulierung neuer Technologien oder auch die bloße Begrenzung der Verwendung einzelner Substanzen ein beträchtliches Konfliktpotenzial im Kontext des freien Welthandels bieten kann. Insbesondere die unterschiedlichen Philosophien und gesellschaftlichen Gewohnheiten im Umgang mit Risiken und Gefahren1 haben dabei seit Gründung der Welthandelsorganisation WTO2 im Jahre 1994 zu zahlreichen Verfahren vor deren Streitbeilegungsorganen geführt.3 Der im europäischen Verständnis sehr viel stärker verankerte Vorsorgegedanke ist so Auslöser verschiedener (transatlantischer) Handelsdispute gewesen, die zum Teil bis heute andauern. Diese hatten etwa ein europäisches Moratorium für genetisch veränderte Organismen4 oder ein unionsweites Einfuhr- und Vermarktungsverbot für das Fleisch hormonbehandelter Rinder5 zum Gegenstand. Als Mitglied der WTO sind die Organe der Union und die Mitgliedstaaten nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an das WTO-Recht gebunden.6 Dieses Konfliktpotenzial setzt sich nun bei der Regulierung von Nano­materialien fort.7 Denn angesichts der erheblichen zukünftigen Bedeutung der Verwendungen von Nano­materialien sind solche Akte, die die Verwendung beschränken oder in anderer Weise potenzielle Handelshemmnisse verursachen können, auch am Maßstab des WTO-Rechts zu messen. Inwieweit das derzeit forcierte TTIP-Übereinkommen zumindest im transatlantischen Verhältnis dieses Konfliktpotenzial zu 1

Aus US-amerikanischer Perspektive siehe v. a. Sunstein. Siehe ABl. 1994 L 336, S. 3 ff. 3 Hierzu Herdegen, in: Bermann/Herdegen/Lindseth, S.  301 ff., insbes. S.  303 ff.; van Calster, in: Hodge/Bowman/Ludlow, S. 287 (292 ff.). 4 WTO Panel Report, European Communities  – Measures Affecting the Approval and Marketing of Biotech Products, WT/DS291, 292, 293/R (2006). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass alle hier zitierten Entscheidungen der WTO-Spruchkörper unter www.wto. org abrufbar sind. Auf einen sich stets bei der Zitierung der einzelnen Entscheidungen wiederholenden Hinweis auf diese Website soll im Folgenden verzichtet werden. 5 WTO Appellate Body Report, European Communities  – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R (1998). 6 Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des WTO-Rechts im Recht der EU Herdegen, Europarecht, § 27 Rn. 18 ff. 7 Zu den Unterschieden zwischen den Regelungsansätzen bei Bereich der Produktkennzeichnung im Unionsrecht einerseits und im US-amerikanischen Recht andererseits Falkner/ Breggin/Jaspers/Pendergrass/Porter. Angesicht der unterschiedlichen Regelungsphilosophien plädieren die Autoren für eine stärkere transatlantische Abstimmung (S. 10). Ein umfassender Überblick zu US-amerikanischen Regulierungsansätzen findet sich auch bei Kaddour, Pace Envtl. L. Rev. (30) 2013, S. 486 (496 ff.). 2

I. Überblick über das Regelungssystem der WTO

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reduzieren vermag, bleibt abzuwarten.8 Der folgende und letzte Abschnitt dieser Arbeit soll daher untersuchen, welche Anforderungen das WTO-Recht an die Regulierung von Nano­materialien stellt und wie die hier konzipierten Regulierungsvorschläge aus der Perspektive des Welthandelsrechts zu bewerten sind.

I. Überblick über das Regelungssystem der WTO 1. Das GATT-Abkommen Das Fundament des Welthandelsrechts bildet das 1947 geschlossene GATT-Abkommen (General Agreement on Trade and Tariffs)9. Durch die Reform des Welthandelsrechts im Jahre 1994 und der damit einhergehenden Gründung der WTO wurden verschiedene ergänzende Abkommen geschlossen und zusammen mit dem bereits existierenden GATT unter dem institutionellen Dach der WTO zusammengefasst.10 Dieses neue Regelungsgefüge erfasst nun weitere Gesichtspunkte des freien Welthandels wie etwa die Regelung der Anwendung „gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen“ (Sanitary and Phytosanitary Measures)11 oder die Regelung technischer Handelshemmnisse (Technical Barriers to Trade)12. Flankiert wird das WTO-System von einem Streitbeilegungsabkommen.13 Hauptzweck des GATT ist die Beseitigung von Handelshemmnissen. Diese müssen nicht zwingend tarifärer Natur sein. Vielmehr hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Mitgliedstaaten einen außerordentlich großen Einfallsreichtum bei der Begründung nichttarifärer Behinderungen des Welthandels an den Tag legen. Dem soll durch das GATT entgegengewirkt werden.14 Besondere praktische Relevanz haben insoweit der Grundsatz der Meistbegünstigung (insbesondere Art. I:1 GATT 1994), das Verbot der Diskriminierung (Art. III GATT) und das Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen (Art. XI:1 GATT).

8

Zwischen den USA und der EU wird derzeit das sog. TTIP-Übereinkommen (Trans­ atlantic Investment and Trade Partnership) ausgehandelt, welches transatlantische Handelsbarrieren abbauen soll. Dieses Übereinkommen soll auch Fragen der Regulierung von Nano­ materialien beantworten, siehe Europäische Kommission, EU and the US extend scientific co-operation on standards and measurements, Pressemitteilung vom 17. Juli 2013 (abrufbar unter www.ec.europa.eu). 9 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1947 (GATT 1947), ABl. 1994 L 336, S. 11 ff. 10 Siehe Krajewski, § 2 Rn. 215. Das GATT 1947 ist in das neue GATT 1994 überführt worden, besteht aber hiernach weitestgehend fort, Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 8 f. 11 Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrecht­ licher Maßnahmen (SPS-Abkommen), ABl. 1994 L 336, S. 40 ff. 12 Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Abkommen), ABl. 1994 L 336, S. 86 ff. 13 Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes. 14 So der letzte Absatz der Präambel zum GATT 1947.

224

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

2. Das SPS-Abkommen Im Bereich von Handelshemmnissen, „die zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen notwendig sind“, begründet das SPS-Abkommen ein eigenständiges Regime zur Kontrolle solcher Mechanismen (Art. 2.1 SPS). Hiernach müssen Maßnahmen, „die sich mittelbar oder unmittelbar auf den internationalen Handel auswirken können“ (Art. 1.1 Satz 1 SPS), einer Erforderlichkeitsprüfung unterzogen werden, die vor allem auf die Erbringung eines grundsätzlich „hinreichenden wissenschaftlichen Nachweises“ gerichtet ist (Art. 2.2 SPS). Der Katalog der erfassten rechtlichen Handlungsformen ist dabei lang. So können nach Anhang A Nr. 1 SPS „alle einschlägigen Gesetze, Erlasse, Verordnungen, Auflagen und Verfahren“ etc. eine handelshemmende Maßnahme im Sinne des SPS sein. Soweit die staatlichen Maßnahmen von internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen abweichen, müssen sie auf einer wissenschaftlich fundierten Risikobewertung beruhen (Art. 3.1, 3.3, 5 SPS). 3. Das TBT-Übereinkommen Handelsbeschränkende Maßnahmen in Form von technischen Vorschriften hat das TBT-Übereinkommen zum Gegenstand. Solche können etwa Regelungen zur Kennzeichnung, Verpackung oder Beschriftung sein oder aber die Produktionsmethoden betreffen (Art. 2 i. V. m. Anhang 1 TBT). Anders als das SPS- stellt das TBT-Übereinkommen dabei auf einen diskriminierenden Charakter ab (Art. 2.1 TBT). Im Übrigen sieht es wie das GATT 1994 eine Meistbegünstigungsregel vor (Art. 2.1 TBT).

II. Die WTO-Konformität der Kennzeichnung von Nano­materialien Kennzeichnungsvorschriften erlangen durch den durch sie verursachten zusätzlichen Aufwand bei der Produktgestaltung und durch die mögliche Beeinflussung des Verbraucherverhaltens eine besondere welthandelsrechtliche Relevanz und bergen ein enormes Streitpotenzial, zumal sie auch in der EU ein gängiges Instrumentarium des Gesundheits- oder Verbraucherschutzes darstellen.15 So sehen die Kosmetik-, die Lebensmittelinformations- und die Biozid-Verordnung allesamt seit kurzem den verpflichtenden Hinweis auf die Nanoskaligkeit eines Inhalts 15 Siehe etwa zuletzt die von den USA geltend gemachten Bedenken gegen einen neuen verpflichtenden Hinweis auf möglicherweise schädliche Wirkungen bestimmter Lebensmittelfarbstoffe nach Art.  24 i. V. m. Anhang V der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung (EG) Nr.  1333/2008, ABl.  2008 L  354, S.  16; WTO, Committee on Sanitary and Phytosanitary Measures, G/SPS/GEN/204/Rev.11/Add.1 (01.03.2011), S. 12 ff.

II. Die WTO-Konformität der Kennzeichnung von Nano­materialien 

225

stoffes durch den Zusatz „Nano“ vor.16 Diesem System der Nano-Kennzeichnung schließen sich nunmehr auch Nicht-EU-Staaten an. So hat Israel im Oktober 2013 der WTO unter Bezugnahme auf die EU-Kosmetik-Verordnung einen Normentwurf zur Regulierung von kosmetischen Produkten übermittelt, der auch eine explizite Nano-Kennzeichnung vorsieht.17 Dabei stellt diese Form der Kennzeichnung noch das untere Ende der vorstellbaren Kennzeichnungsmöglichkeiten dar. Denkbar wäre ebenso ein klarerer, etwa auf der Vorderseite eines Produktes platzierte Hinweis auf mögliche nanoskalige Inhaltsstoffe, zumal für zahlreiche Produkte der Abdruck einer Liste von Inhaltsstoffen nicht vorgesehen ist.18 Im Folgenden ist zu untersuchen, inwieweit diese Formen der Kennzeichnung von Produkten, die Nano­materialien enthalten, mit den Vorgaben des WTO-Rechts im Einklang stehen. 1. Die Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen Fraglich ist, ob die Kennzeichnung von Nano­materialien mit dem SPS-Übereinkommen vereinbar ist. Im Bereich „gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen“ enthält das SPS-Abkommen insoweit zum GATT- und zum TBT-Übereinkommen spezielle Regelungen.19 Daher ist es primärer Prüfungsmaßstab für eine Nano-Kennzeichnungspflicht. a) Anwendungsbereich Zunächst ist für eine Anwendbarkeit des SPS-Übereinkommens erforderlich, dass die Maßnahme sich auf den Welthandel auswirkt, Art. 1.1 Satz 1 SPS. Eine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien kann zunächst, gerade im Falle unterschiedlicher Regelungen auf den Absatzmärkten, den internationalen Handel negativ beeinflussen.20 Auch begründet eine entsprechende Verpflichtung einen zusätzlichen Kostenaufwand, der sich allerdings im Falle der bloßen Angabe „Nano“ in Grenzen halten dürfte. Jedenfalls kann eine solche Kennzeichnungspflicht den Welthandel im Sinne von Art. 1.1 Satz 1 SPS behindern. Dies 16

Hierzu ausführlich bei F. I. 2. Siehe WTO, Committee on Technical Barriers to Trade, G/TBT/N/ISR/709: „This draft regulation fully adopts the European model for marketing of cosmetics outlined in ‚Regulation (EC) No. 1223/2009 of The European Parliament and of The Council of 30 November 2009 on Cosmetic Products‘, which according to professionals provides the best basis for controlling the marketing of cosmetics, the lowering of trade barriers and safeguarding of consumers“ (abrufbar unter www.ec.europa.eu). Hierzu Barker, Israel to reign in nanomaterials with new regulations, www.cosmeticsdesign-europe.com/Regulation-Safety/Israelto-reign-in-nano-materials-with-new-regulations. 18 Siehe insofern die Ausführungen oben unter F. I. 4. 19 Siehe Art. 1.5 TBT. 20 Vgl. D’Silva/Bowman, EJRR 2010, S. 420 (424 f.). 17

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

gilt auch dann, wenn die Produktverpackung mit einem ausformulierten Hinweis zu versehen ist, bei dem dann auch noch auf die jeweilige Landessprache zu berücksichtigen ist. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine Kennzeichnungspflicht für Nano­ materialien in Produkten überhaupt dem Tatbestand des SPS-Übereinkommens unterfällt. Nach Anhang A Nr. 1 lit. a SPS ist eine gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme eine solche, die sich vor allem gegen die Einschleppung oder Verbreitung von Schädlingen, Krankheiten oder krankheitsverursachenden Organismen wendet. Zwar mögen Nano­materialien in ferner Zukunft als einem Organismus oder Schädling vergleichbar betrachtet werden. Aktuell sind sie aber als chemische Substanzen zu qualifizieren und stellen damit keinen Organismus o. ä. im Sinne der Buchstaben a), c) und d) des SPS-Übereinkommens dar.21 Nach Buchstabe b) des Anhang A Nr. 1 SPS kann eine Maßnahme im Sinne des Art. 1.1 jedoch auch den Schutz vor Gefahren durch Zusätze, Verunreinigungen und Toxine in Nahrungsmitteln, Getränken und Futtermitteln zum Gegenstand haben. Damit wird der Anwendungsbereich im Falle von Lebens- und Futtermitteln auch auf chemische Substanzen erstreckt, womit Nano­materialien insoweit erfasst werden. Insofern steht der Anwendungsbereich des SPS-Abkommens jedenfalls im Bereich der Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln offen. Im Übrigen hat das SPS-Abkommen für die Regulierung von Nano­materialien (noch) keine Relevanz.22 b) Anwendbarkeit im Falle der Kennzeichnung von Lebensmitteln Nanopartikuläre Bestandteile in Lebensmitteln (zumeist als Zusatzstoffe) unterfallen somit als „Zusätze“ in Nahrungsmitteln dem Anwendungsbereich des SPS nach Anhang A Nr. 1 lit. b. Hierzu korrespondierend sieht die EU-Lebensmittelinformations-Verordnung wie gesehen neuerdings eine Kennzeichnung von

21

Vgl. Thayer, Duke Law & Technology Review 15 (2005), Nr. 25 ff. Dies gilt auch für die Regelungen der EU-Biozid-Verordnung. Denn auch insoweit stellen nanoskalige Wirkstoffe in Biozidprodukten „Zusätze“ dar, die anders als im Falle von Lebens- oder Futtermitteln aber nicht erfasst werden. Die Überlegungen von Thayer, Duke Law & Technology Review 15 (2005) Nr. 25 ff., inwieweit Nanopartikel auch schon als Schädlinge („pests“) nach Anhang A Nr. 1 lit. a) und c) SPS zu qualifizieren sein könnten, dürften auf lange Sicht noch keine praktische Relevanz haben, da die aktuelle Technologie von der Erschaffung „intelligenter“ Nanoteilchen, die dann möglicherweise Ähnlichkeiten mit einem Schädling haben könnten, noch weit entfernt ist (siehe im Detail oben bei B. IV.). Insofern kann den Ausführungen von D’Silva/Bowman, EJRR 2010, S. 420 (425) („Since some of the measures regulating trade in nano-products will be justified on the need to protect animal, plant or human health against risks, such measures would be subject to the SPS Agreement“), die sich auf Thayer beziehen, in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. 22

II. Die WTO-Konformität der Kennzeichnung von Nano­materialien 

227

Nano­materialien in Lebensmitteln vor (Art. 18 Abs. 3). Im Folgenden ist zu prüfen, inwieweit diese Kennzeichnungspflicht am SPS-Übereinkommen zu messen ist. Die in der Verordnung vorgesehene Kennzeichnungspflicht ist zunächst ge­ eignet, den internationalen Handel im Sinne des Art. 1.1 Satz 1 SPS zu beeinträchtigen. Weitere Voraussetzung für die Einschlägigkeit des SPS-Übereinkommens ist, dass die Maßnahme auch „zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen und Tieren“ getroffen wurde. Ein bloßer „Nano“-Zusatz in der Zutatenliste ist bei entsprechenden Inhaltsstoffen jedoch weder objektiv zum Gesundheitsschutz geeignet noch verfolgt er eine solche Zielsetzung.23 Ob es insoweit auf objektive oder subjektive Erwägungen ankommt24, kann daher in concreto offen bleiben. Mithin unterfällt auch die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit nanopartikulären Zusätzen nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 nicht dem Regelungsregime des SPS-Übereinkommens. c) Ergebnis Damit kann konstatiert werden, dass die Kennzeichnung von Nano­materialien in Produkten insgesamt nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens unterfällt. Dies gilt auch für die bereits im EU-Recht vorgesehene Form der Kennzeichnung nanoskaliger Inhaltsstoffe nach der Kosmetik-, Lebensmittelinformations- und der Biozid-Verordnung. 2. Die Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen Neben dem SPS- kommt auch dem TBT-Übereinkommen in der welthandelsrechtlichen Praxis eine besondere Bedeutung zu. Dieses ist u. a. dann anzuwenden, wenn keine gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme nach dem SPS vorliegt (Art. 1.5 TBT). Gerade Kennzeichnungsregelungen stellen einen klassischen Fall des TBT dar und beschäftigen häufig die Streitbeilegungsorgane der WTO.25

23

Siehe Erwägungsgrund Nr. 25 der VO (EU) Nr. 1669/2011, ABl. 2011 L 304, S. 18 ff. Siehe Cremer, ZEuS 2004, S. 579 (586 f); Scholz, S. 147 m. w. N. 25 Siehe etwa jüngst WTO Appellate Body Report, United States – Measures Concerning the Importation, Marketing and Sale of Tuna and Tuna Products, WT/DS381/AB/R (2012); WTO Appellate Body Report, United States – Certain Country of Origin Labelling (COOL) Requirements, WT/DS384/AB/R, WT/DS386/AB/R (2012). 24

228

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

a) Anwendungsbereich Voraussetzung für eine Eröffnung des Anwendungsbereichs des TBT-Über­ einkommens ist zunächst, dass Regelungsgegenstand eine Ware bzw. Industrie­ produkt ist (Art. 1.3 TBT). Darüber hinaus muss die Maßnahme eine technische Vorschrift darstellen. Hierbei handelt es sich nach Anhang 1 Nr. 1 Satz 1 TBT um „ein Dokument, das Merkmale eines Produkts oder die entsprechenden Verfahren und Produktionsmethoden einschließlich der anwendbaren Verwaltungsbestimmungen festlegt, deren Einhaltung zwingend vorgeschrieben ist“. Nach Satz 2 können dies etwa „Kennzeichnungserfordernisse“ sein. Eine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien betrifft Produkte, die diese enthalten, und damit Waren gemäß Art. 1.3 TBT. Damit stellt sie eine technische Vorschrift nach Anhang 1 Nr. 1 TBT dar. Der Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens ist eröffnet. b) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT Kennzeichnungspflichten für Nano­materialien könnten zunächst gegen den Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT verstoßen. Dies wäre dann der Fall, wenn Produkte eines anderen Mitgliedstaates eine weniger günstige Behandlung erfahren als die eigenen (Grundsatz der Inländergleichbehandlung), Art. 2.1 TBT. Die im bestehenden Sekundärrecht vorgesehenen Kennzeichnungspflichten betreffen alle Produkte, auch die der EU-Mitgliedstaaten. Dies gilt auch für die hier vorgeschlagene Erstreckung der Kennzeichnungspflicht auf weitere verbrauchernahe Güter. Damit scheidet eine direkte Diskriminierung zunächst aus. Eine Diskriminierung kann jedoch prinzipiell auch dann in Frage kommen, wenn zwar formal eine Gleichbehandlung gewährleistet ist, ein ausländisches Produkt aber in besonderem Maße betroffen ist, also eine faktische Diskriminierung vorliegt.26 Die Annahme einer faktischen Diskriminierung hat jedoch bislang vor allem im Kontext des GATT eine Rolle gespielt.27 Bei GATT und TBT-Übereinkommen handelt es sich indes um zwei eigenständige Verträge, so dass die Auslegung des GATT nicht ohne Weiteres auf die Auslegung und Anwendung des TBT übertragen werden kann.28 Jüngste Entscheidungen der Spruchkörper tendieren aber zu einer Interpretation jedenfalls im Lichte von Art.  III:4 GATT.29 Doch 26 WTO Appellate Body Report, Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry, WT/DS139/AB/R, WT/DS142/AB/R (2000), Nr. 77 ff. 27 Cremer, ZEuS 2004, S. 579 (596). 28 WTO Panel Report, United States  – Measures Affecting the Production and Sale of Clove Cigarettes, WT/DS406/R (2011), Nr. 7.95 f.; Voland, S. 135. 29 Großzügiger WTO Panel Report United States – Certain Country of Origin Labelling (COOL) Requirements, WT/DS384/R, WT/DS386/R (2011), Nr. 7.669 und WTO Appellate

II. Die WTO-Konformität der Kennzeichnung von Nano­materialien 

229

selbst wenn demnach eine Übertragbarkeit im Falle einer Kennzeichnungspflicht für Produkte mit nanopartikulären Inhaltsstoffen bejaht werden kann, liegt eine de-facto-Diskriminierung nicht vor. Denn anders als etwa im Falle der grünen Gentechnik, deren Produkte insbesondere aus den USA und Südamerika stammen30, weisen Nanoprodukte keinen besonderen lokalen Schwerpunkt außerhalb der Union auf.31 Vielmehr trifft eine Kennzeichnungspflicht auch zahlreiche Unternehmen der EU-Mitgliedstaaten und damit auch den europäischen Markt. Mithin begründet die hier erörterte Kennzeichnungspflicht keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT. c) Vereinbarkeit mit dem Verbot der Errichtung unnötiger Hemmnisse nach Art. 2.2 TBT Nach Art. 2.2 Satz 1 TBT stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass ihre technischen Vorschriften kein „unnötiges“ Hemmnis für den internationalen Handel darstellen. Bestimmte Belange von allgemeiner Bedeutung („berechtigtes Ziel“) können jedoch als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden (Art.  2.2 Satz  3 TBT), soweit die technischen Vorschriften nicht „handelsbeschränkender als notwendig“ sind. Zu „berechtigten Zielen“ gehören etwa der Schutz der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Gesundheit sowie der Umweltschutz. Diese Aufzählung hat jedoch nur beispielhaften Charakter, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt („unter anderem“).32 Dass eine Verpflichtung zur Kennzeichnung ein Handelshemmnis begründen kann, wurde bereits festgestellt. aa) „Berechtigtes Ziel“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT Damit stellt sich die Frage, ob eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die Nano­materialien enthalten, unter eines der berechtigten Ziele nach Art. 2.2 Satz 3 TBT fällt. Wie bereits konstatiert wurde, dient die hier erörterte Form der Kennzeichnung nicht dem Gesundheitsschutz. Auch liegt ihr keine dementsprechende Intention zugrunde. Eine Ausnahme bildet insoweit Art. 69 Abs. 2 lit. b der Biozid-Verordnung, der ausdrücklich auch nanospezifische Risikohinweise vorsieht, diese dabei aber in das Ermessen des Zulassungsinhabers stellt. Allerdings kann auch der Verbraucherschutz einen Rechtfertigungstatbestand nach Art. 2.2 Satz 3

Body Report, United States – Measures Affecting the Production and Sale of Clove Cigarettes, WT/DS406/AB/R (2012), Nr. 100. 30 Cremer, ZEuS 2004, S. 579 (596). 31 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, nano.DE-Report, S. 74 f. 32 WTO Panel Report, European Communities  – Trade Description of Sardines, WT/ DS231/R (2002), Nr. 7.118; Matsushita/Schoenbaum/Mavroidis, S. 497.

230

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

TBT darstellen.33 Insbesondere die Verbraucherinformation ist grundsätzlich als ein solches „berechtigtes Ziel“ zu qualifizieren.34 Dies gilt vor allem dann, wenn eine bestimmte Produkteigenart eine besondere Relevanz für die Kaufentscheidung haben könnte.35 Die Kennzeichnung nanoskaliger Inhaltsstoffe in (verbrauchernahen) Produkten zielt ebenfalls auf eine umfassende Verbraucherinformation ab. So ermöglicht die explizite Ausweisung nanopartikulärer Materialien eine bewusste Entscheidung des Konsumenten für oder gegen das entsprechende Produkt und stärkt somit seine Wahlfreiheit, der gerade im Bereich neuer Technologien und Herstellungsverfahren eine besondere Bedeutung zukommt. Demgemäß ist zu vermuten, dass der Verbraucher seine Kaufentscheidung auch von nano­ skaligen Inhaltsstoffen abhängig machen könnte, deren Auswirkungen noch nicht bekannt sind.36 Damit ist eine solche Kennzeichnungspflicht zunächst abstrakt ein „berechtigtes Ziel“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT. bb) „Notwendigkeit“ der Kennzeichnungspflicht Nach Art. 2.2 Satz 2 TBT darf eine technische Vorschrift darüber hinaus nicht „handelsbeschränkender als notwendig sein“. Damit finden Verhältnismäßigkeitserwägungen Eingang in die Beurteilung einer „Nano“-Kennzeichnung.37 Die zusätzliche Deklaration der Nanoskaligkeit eines Inhaltsstoffes, sei es nun auf der Produktvorder- oder rückseite, ist zunächst geeignet, das verfolgte Ziel, nämlich die Verbraucherinformation und damit den Verbraucherschutz, zu erreichen („fulfil a legitimate objective“). Fraglich ist, ob sie auch notwendig ist oder nicht weniger handelsbeschränkende Ausgestaltungen zur Verfügung stehen. Denkbar wäre hier zwar erneut eine freiwillige Kennzeichnung durch die Industrie. Diese wird jedoch kaum die gleiche Durchschlagskraft wie eine verpflichtende Regelung entfalten können.38 Somit ist eine obligatorische Kennzeichnung von Nano­ materialien auch „notwendig“ im Sinne von Art. 2.2 Satz 2 TBT. Auf die Frage 33 WTO Panel Report, European Communities  – Trade Description of Sardines, WT/ DS231/R (2002), Nr. 7.121 ff., 7.138. 34 WTO Appellate Body Report, United States  – Certain Country of Origin Labelling (COOL) Requirements, WT/DS384/AB/R, WT/DS386/AB/R (2012), Nr. 432 f. Hier ging es um eine Herkunftskennzeichnung von Fleisch zur Verbraucherinformation. Appellate Body und vorangehend bereits das Panel (Nr. 7.671 ff.) sahen dies als legitimes Ziel nach Art. 2.2 Satz 3 TBT an. 35 So zum Beispiel der Regulierung einer Kennzeichnung von delphinschonenden Fangmethoden bei Thunfisch WTO Panel Report, United States – Measures Concerning the Importation, Marketing and Sale of Tuna and Tuna Products, WT/DS381/R (2011), Nr. 7.439 ff.: „[…] Hence, the Panel considers that regulating the information that appears on a label to ensure that consumers may safely exercise their preference is a legitimate mechanism to ensure this purpose“ (Nr. 7.440). 36 Dieses Phänomen ist jedenfalls bei der Verwendung gentechnisch veränderter Organismen insbesondere in Lebensmitteln zu beobachten. 37 Allgemein Jessen, in: Hilf/Oeter, § 18 Rn. 20. 38 Siehe insoweit bereits die Ausführungen oben bei F. I. 5. a) aa).

II. Die WTO-Konformität der Kennzeichnung von Nano­materialien 

231

einer „Gefahr“ im Sinne von Satz 4 und einer entsprechenden Risikobewertung kommt es hier im Kontext der Verbraucherinformation nicht an.39 cc) Ergebnis Damit begründet die hier in Rede stehende Kennzeichnungspflicht für nano­ partikuläre Inhaltsstoffe auch kein unnötiges Handelshemmnis nach Art.  2.2 Satz 1 TBT. d) Berücksichtigung internationaler Normen nach Art. 2.4 TBT Zentrale Bedeutung misst das Welthandelsrecht (insbesondere die hier relevanten SPS- und TBT-Übereinkommen) internationalen Normen und Richtlinien bei. Nach Art. 2.4 TBT verwenden die Vertragsstaaten die „einschlägigen internationalen Normen […] als Grundlage für ihre technischen Vorschriften“. Hierdurch soll der zentralen Zielsetzung des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse, namentlich einer Vereinheitlichung der weltweiten technischen Regularien und Standards40 (siehe auch Art. 2.6 TBT), zur Durchsetzung verholfen werden. Vor diesem Hintergrund bedarf zunächst einer begrifflichen Klärung, was als „internationale Norm“ im Sinne des Art. 2.4 TBT zu verstehen ist. Anders als das SPS-Übereinkommen sieht das TBT zunächst keine Definition vor.41 Auch durch die im Vergleich zum SPS fehlende Eingrenzung der insoweit relevanten Normierungsorganisationen bleibt der Begriff der internationalen Norm nach dem TBT in vielerlei Hinsicht, insbesondere aber im Hinblick auf die Normqualität und ihre „Internationalität“, unklar.42 Abzulehnen ist jedenfalls eine Qualifikation von Normen als international, wenn diese eigentlich für eine national oder regional limitierte Verwendung konzipiert worden sind.43 Im Übrigen sollte die Standardisierung einen Schwerpunkt der jeweiligen normgebenden Organisation bilden, wobei die Liste der Normungsorganisationen des World Standard Services Network insoweit einen Anhaltspunkt geben kann.44

39

Zur Risikobewertung nach Art. 2.2 Satz 4 TBT siehe unten bei H. V. 1. b) bb) (1). Jessen, in: Hilf/Oeter, § 18 Rn. 21. 41 Matsushita/Schoenbaum/Mavroidis, S. 489. Zur Bedeutung internationaler Normen im Rahmen des SPS-Übereinkommens siehe unten bei H. VI. 42 Fischer, Daniel, S. 209 ff. Nach Anhang 1 Nr. 2 TBT ist eine Norm ein „von einer anerkannten Stelle angenommenes Dokument, das zur allgemeinen und wiederholten Anwendung Regeln, Richtlinien oder Merkmale … festlegt, deren Einhaltung nicht zwingend vorgeschrieben ist“. 43 Fischer, Daniel, S. 215. 44 Koebele, in: Wolfrum/Stoll/Seibert-Fohr, Artikel 1 und Annex 1 TBT, S. 178 (203 f.). 40

232

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

Stellt man auf die Normen unstreitig internationaler Normorganisationen im Sinne von Art. 2.4 TBT45 ab, so wird schnell deutlich, dass die Anzahl nanospezifischer Regularien noch sehr überschaubar ist.46 So hat bislang vor allem die International Organisation for Standardisation (ISO) verschiedene Normen ausgearbeitet. Diese beziehen sich neben der bereits oben47 angesprochenen Nano-Definition auf die Vereinheitlichung von Begriffen oder die Charakterisierung von Risiken.48 Besondere Relevanz im Kontext der hier erörterten Kennzeichnung von Nano­ materialien kommt der sich aktuell noch im Entwurfsstadium befindlichen ISOSpezifikation ISO/TS 13830:2013 zu. Hiernach soll eine einheitliche Kennzeichnung synthetischer Nano­materialien in Produkten festgelegt werden. Im Detail regelt die technische Spezifikation Vorgaben zu einer freiwilligen Kennzeichnung von Nano­materialien in Produkten. Dazu will die Spezifikation einen Leitfaden bieten, der jedoch keine Verbindlichkeit beansprucht und im Übrigen als bloße technische Spezifikation auch nicht beanspruchen kann.49 Dabei wird ebenfalls auf einen „Nano“-Zusatz, wie ihn das EU-Recht bereits teilweise vorsieht, abgestellt.50 Damit liegt keine verbindliche internationale Norm i. S. d. Art. 2.4 TBT vor. e) Ergebnis Nach alledem ist die hier diskutierte Form der Kennzeichnung nanoskaliger Inhaltsstoffe in Produkten mit dem TBT-Übereinkommen vereinbar. Hier stellt sich nun die Frage, ob als weiterer normativer Maßstab auch das GATT heranzuziehen ist. Daher ist das Verhältnis beider Abkommen zueinander zu klären. Die Spruchpraxis der Streitbeilegungsorgane der WTO vermag hier keine eindeutige Lösung zu erbringen. Während teilweise offenbar von einer „Idealkonkurrenz“ ausgegangen wird51, halten andere Spruchkörper die Prüfung einer technischen Vorschrift, die gegen das TBT verstößt, am Maßstab des GATT für nicht mehr erforderlich.52 45

Siehe Koebele, in: Wolfrum/Stoll/Seibert-Fohr, Artikel 1 und Annex 1 TBT, S. 205 ff. Vgl. auch Mielke, S. 188 ff. 47 B. I. 1. a). 48 Siehe z. B. ISO/TS/80004:1-2010 („Core terms“); ISO/TS/80004:3-2010 („Carbon nano objects“); ISO/TS/80004:4-2011 („Nanostructured materials“); ISO/TS/80004:5-2011 („Nanobio interface“); ISO/TS/80004:7-2011 („Diagnostics and therapeutics for healthcare“); ISO/ TS/80004:8-2013 („Nanomanufacturing processes“); ISO/TR 13121:2011 („Nano­ material risk evaluation“); ISO/TR 13014:2012 („Guidance on physico-chemical characterization of engineered nanoscale materials for toxicologic assessment“). 49 Zu den verschiedenen Ausdifferenzierungen der ISO-Normen i. w. S. unten bei H. VI. 50 Monica Jr. 51 So Dederer, Weiterentwicklung, S. 123 mit Verweis auf WTO Appellate Body Report, European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-containing Products, WT/DS135/R (2001), Nr. 80 f. 52 Siehe jüngst WTO Panel Report, United States – Measures Affecting the Production and Sale of Clove Cigarettes, WT/DS406/R (2011), Nr. 7.310 und WTO Appellate Body Report, United States – Certain Country of Origin Labelling (COOL) Requirements, WT/DS384/R, WT/DS386/AB/R (2011), Nr. 493. 46

II. Die WTO-Konformität der Kennzeichnung von Nano­materialien 

233

Diese Vorgehensweise ist jedoch prozessökonomischen Erwägungen geschuldet und kann daher keinen Aufschluss über das Verhältnis der Abkommen zueinander geben. Für eine „Idealkonkurrenz“ spricht indes, dass das TBT eine Vorschrift wie Art. 2.4 SPS (Vereinbarkeit einer SPS-konformen Maßnahme auch mit dem GATT) gerade nicht vorsieht.53 Im Übrigen dürften sich Schwierigkeiten ohnehin nur dann ergeben, wenn die hier erörterte Nano-Kennzeichnung nicht mit dem GATT im Einklang steht. Dies gilt es daher hier zu prüfen. 3. Die Vereinbarkeit mit dem GATT Zentrales Element des GATT ist der Grundsatz der Inländergleichbehandlung (Diskriminierungsverbot) des Art. III GATT. Dieser enthält in Absatz 2 ein Gebot der Gleichbehandlung bei Abgaben und anderen fiskalischen Belastungen und in Absatz 4 ein allgemeines Gebot der Gleichbehandlung, welches für alle nicht-fiska­lischen Maßnahmen gilt. Bei einer Kennzeichnungspflicht für Nano­ materialien ist folglich auf Art. III:4 GATT abzustellen. a) Die Vereinbarkeit mit Art. III:4 GATT Bei der Beurteilung der Frage nach einer Diskriminierung ausländischer Waren kommt es entscheidend darauf an, ob diese als mit den inländischen Waren gleichartig betrachtet werden können (Art. III:4 Satz 1 GATT). Die hier in Rede stehende Kennzeichnungspflicht betrifft bestimmte Produktkategorien, die Nano­ materialien enthalten. Damit erfasst sie die gleichen Produkte, nämlich solche mit nanopartikulären Inhaltsstoffen. Da sich die Pflicht zur Deklaration auf inländische und ausländische Waren gleichermaßen erstreckt, scheidet eine formale Diskriminierung aus. Allerdings wendet sich Art. III:4 GATT auch gegen indirekte Ungleichbehandlungen.54 Wie bereits festgestellt wurde55, vermag die hier er­ örterte Kennzeichnungspflicht jedoch auch keine faktische Diskriminierung zu begründen. Eine Verletzung von Art. III:4 GATT ist somit zu verneinen. b) Die Vereinbarkeit mit Art. XI:1 GATT Möglicherweise könnte aber die Vorschrift des Art. XI:1 GATT berührt sein. Hiernach sind mengenmäßige Beschränkungen oder sonstige Belastungen bei der Einfuhr oder Ausfuhr einer Ware unzulässig. Die Vorschrift zielt dabei jedoch 53

Dederer, Weiterentwicklung, S.  123. Siehe auch Matsushita/Schoenbaum/Mavroidis, S. 481 f. 54 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 47. 55 H. II. 2. b).

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

auf Maßnahmen ab, die sich auf den Grenzübertritt beziehen und an Herkunft oder Ziel der Ware anknüpfen.56 In Abgrenzung zu Art.  III GATT, der interne produktbezogene Beschränkungen erfasst, bezieht sich Art. XI:1 GATT auf den Produktionsprozess.57 Eine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien ist eine­ EU-interne Maßnahme, die nicht die Ein- oder Ausfuhr betrifft. Zudem bezieht sie sich in der hier erörterten Ausgestaltung auf das Produkt selbst (nanoskalige Inhaltsstoffe) und nicht auf das Verfahren der Produktion. Art. XI:1 GATT ist daher nicht einschlägig. c) Zwischenergebnis zur Vereinbarkeit mit dem GATT Damit bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die in der EU-Kosmetik-, EU-Biozid- und EU-Lebensmittelinformations-Verordnung vorgesehene Konzeption einer Nano-Kennzeichnung mit dem GATT vereinbar ist. Gleiches würde auch für eine Platzierung eines ähnlichen, der Verbraucherinformation dienenden Hinweises, auf der Produktvorderseite gelten. 4. Ergebnis Nach alledem ist eine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien mit den Regelungen des WTO-Rechts grundsätzlich vereinbar. Während die Relevanz des SPS-Übereinkommens (noch) sehr begrenzt ist, begründet das TBT-Übereinkommen den entscheidenden welthandelsrechtlichen Überprüfungsmaßstab für NanoKennzeichnungen. Nicht nur die bereits bestehenden Kennzeichnungspflichten für nanoskalige Materialien in Kosmetika, Lebensmitteln und Biozidprodukten sind mit den Bestimmungen des Welthandelsrechts vereinbar. Auch lassen die WTOBestimmungen eine Ausdehnung dieser Kennzeichnung zur Verbraucherinformation zu. Nicht mehr von den WTO-Regularien wäre nach aktuellem Kenntnisstand über die Auswirkungen von Nano­materialien auf Mensch und Umwelt hingegen eine Kennzeichnung gedeckt, die explizite nanospezifische Warnhinweise enthielte, die über die bestehenden gefahrstoffrechtlichen Regelungen hinausgingen. Eine solche Kennzeichnung wäre zum Gesundheitsschutz nicht geeignet (Art. 2.2 Satz 3 TBT) und zur Verbraucherinformation nicht notwendig.

56

Bender, in: Hilf/Oeter, § 10 Rn. 14. Zum Verhältnis von Art. III und XI GATT bei der Verwendung bestimmter Öko-Labels Feik, S. 402 ff. 57 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 54 mit Verweis auf die Anmerkung zu Art. III GATT in Anlage I.

III. Meldepflichten für Nano­materialien und Nanoprodukte

235

III. Die WTO-Konformität von Meldepflichten für Nano­materialien und Nanoprodukte Neben einer Kennzeichnungspflicht stellt eine Meldepflicht für ein Produktregister ein sehr relevantes Instrument für die Transparenz und Information dar. Dies gilt umso mehr, wenn die übermittelten Daten ganz oder zum Teil allgemein zugänglich gemacht werden sollen. Ausgangspunkt für die Beurteilung der teilweise bestrittenen58 WTO-Konformität eines Nanoproduktregisters sind die oben59 ausgearbeiteten Ausgestaltungsoptionen, welche sich an den in der Literatur diskutierten Modellen orientieren und sich je in einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil aufgliedern. Hiernach dient ein Produktregister zum einen der Verbraucherinformation, zum anderen aber auch der Rückverfolgbarkeit durch die Behörden. Während der öffentliche Abschnitt sich auf verbrauchernahe Produkte beschränkt, erfasst der nicht-öffentliche Teil sämtliche Produkte und enthält sehr viel weitergehende Informationen. Von besonderem Interesse ist soweit auch die Regelung des Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung, der eine Notifizierungspflicht für Nano­materialien und damit verbunden ebenfalls eine Teilveröffentlichung der übermittelten Daten vorsieht (Abs. 10). Dieser Abschnitt wird daher beleuchten, welche Anforderungen das WTO-Recht an eine Meldepflicht für ein Produktregister (1.) stellt und ob die Notifizierungspflicht nach der Kosmetik-Verordnung diesen Anforderungen gerecht wird (2.). 1. Bewertung der Einführung einer allgemeinen Meldepflicht für Nanoprodukte a) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen Zunächst ist zu prüfen, inwieweit eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister sich an den Regelungen des SPS-Übereinkommens messen lassen muss. Wie sich aus den Ausführungen zur Kennzeichnung ergibt, fallen Maßnahmen zur Regulierung von Nano­materialien schon aus dem Grunde nicht unter das SPSAbkommen, da sie nicht als Organismen oder Schädlinge nach Anhang A Nr. 1 zu qualifizieren sind. Eine Ausnahme besteht indes für Maßnahmen zur Bekämpfung von Gesundheitsgefahren im Bereich der Lebens- und Futtermittel, welche sich auch auf Zusätze und Toxine erstrecken, worunter Nano­materialien gefasst wer 58

Sehr allgemein so der Verband der Chemischen Industrie, Stellungnahme zum Sondergutachten, S. 5: „Außerdem stehen die WTO-Regeln einer solchen Einrichtung eines Registers entgegen, da es nicht der Gefahrenabwehr dient, da Nanoprodukte nicht generell gefährlich sind.“ 59 F. II. 2.

236

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

den können (lit. b). Damit bedarf es näherer Betrachtung, ob eine Meldepflicht für ein Produktregister auch die übrigen Tatbestandsmerkmale einer gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Maßnahme im Sinne des Art. 1.1 i. V. m. Anhang A Nr. 1 lit. b SPS erfüllt. Eine Meldepflicht für ein öffentliches Nanoproduktregister dient durch die Beschränkung auf sehr allgemeine und nicht gesundheitsschutzgeeignete Daten der Verbraucherinformation und stellt damit qualitativ keine SPS-Maßnahme dar. Das der hier zugrunde liegenden Konzeption nicht-öffentliche Nanoproduktregister soll demgegenüber vor allem der effektiven behördlichen Rückverfolgbarkeit dienen. Es umfasst ebenfalls alle Produkte mit nanoskaligen Inhaltsstoffen, mithin auch solche aus dem Bereich der Lebens- und Futtermittel. Diese Feststellung lässt zwei Folgefragen aufscheinen: zum einen, ob eine Meldepflicht für ein Produktregister mit Blick auf Lebensmittelzusätze tatbestandlich als SPS-Maßnahme nach Anhang A Nr. 1 lit. b SPS qualifiziert werden kann; zum anderen, welche Auswirkungen eine solche Qualität insgesamt auf die Einstufung eines Produktregisters hat. Was den ersten Punkt angeht, so ist bereits dargelegt worden, dass eine Meldepflicht für ein nicht-öffentliches Produktregister der umfassenden Behördeninformation und damit auch der Rückverfolgbarkeit dient. Dass letztere wiederum neben dem Umwelt- und Verbraucherschutz auch dem Gesundheitsschutz dienen kann, falls sich ein Risikopotenzial eines bestimmten in Produkten verwendeten Nano­materials konkretisiert, ist nur eine mittelbare Konsequenz der abstrakten Ermöglichung der Rückverfolgbarkeit. Klärungsbedürftig erscheint die Frage, ob insoweit schon von einer Maßnahme „zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit“ nach Anhang A Nr.  1 lit.  a-c SPS auszugehen ist. Nach der Spruchpraxis der WTO-Streitbeilegungskörper kommt es hierbei auf die objektive Zielrichtung einer Maßnahme an.60 Und diese liegt bei einer Meldepflicht nicht im unmittelbaren Gesundheitsschutz. Denn wie gesehen ergehen gesundheitspolizeiliche Maßnahmen, soweit sie für erforderlich gehalten werden, in einem zweiten Schritt und nur auf Grundlage der durch die Meldepflicht erlangten Informationen. Insgesamt wird hier deutlich, dass die Klassifizierung einer Regelung als SPS- oder TBTMaßnahme im Einzelfall Abgrenzungsschwierigkeiten bereitet.61 Gerade bei nicht eindeutig kategorisierbaren Maßnahmen ist für eine Qualifizierung als SPS-Maß-

60

WTO Panel Report, European Communities  – Measures Affecting the Approval and Marketing of Biotech Products, WT/DS291, 292, 293/R (2006), Nr. 7.2558: „Finally, our approach is consistent with the view expressed by the Appellate Body that in identifying the purposes of a measure, panels need not seek to determine the subjective intent of the legislators or regulators who adopted the measure. According to the Appellate Body, the purposes of a measure may and should rather be ascertained on the basis of objective considerations […].“ 61 Siehe Bronckers/Soopramanien, EFFL 6 (2008), S. 361 (363), die die Problematik auch am Beispiel des Versuchs der EU, die Regulierung von Novel Food nach der Verordnung (EG) Nr. 258/97 unter das TBT-Übereinkommen zu fassen, erläutern (S. 363 ff.).

III. Meldepflichten für Nano­materialien und Nanoprodukte

237

nahme zu verlangen, dass sie unmittelbar dem Schutz des jeweiligen SPS-Rechtsguts (menschliche, tierische oder pflanzliche Gesundheit) dient.62 Was den zweiten Gesichtspunkt betrifft, so stellen nanopartikuläre Zusätze in Lebens- und Futtermitteln nur eine Verwendungsweise von nahezu unüberschaubar vielen dar. Die diese Verwendungen erfassenden Regelungen unterfallen aber wie gesehen nicht dem Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens, sondern müssen sich am Maßstab des TBT-Abkommens messen lassen. Das hier zu konstatierende Zusammenspiel von allein mittelbarer Gesundheitsschutzwirkung mit einer zudem das SPS-Übereinkommen tatbestandlich nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt (nämlich den Zusätzen in Lebens- und Futtermitteln) unterfallenden Maßnahme schließt die Qualifikation einer Meldepflicht für ein Produktregister insgesamt als SPS-Maßnahme aus.63 b) Die Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen Damit stellt sich die Frage, inwieweit eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister unter das TBT-Übereinkommen fällt. Voraussetzung hierfür ist zunächst die Eigenschaft als technische Vorschrift. Gemäß Anhang 1 Nr. 1 TBT handelt es sich hierbei um „ein Dokument, das Merkmale eines Produkts oder die entsprechenden Verfahren und Produktionsmethoden einschließlich der anwendbaren Verwaltungsbestimmungen festlegt, deren Einhaltung zwingend vorgeschrieben ist“. Dies können auch allein „Verpackungs-, Kennzeichnungs- oder Beschriftungserfordernisse“ sein, denn es bedarf nicht zwingend einer umfassenden Regelung von Produktmerkmalen.64 Eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister erfasst verschiedene relevante Produktdaten über ein Produkt, in dem das Nano­material enthalten ist. Anders als etwa eine Kennzeichnungs- oder Beschriftungspflicht oder die Vorgabe bestimmter Inhaltsstoffe treffen eine Meldepflicht als solche und die Erfassung in einer öffentlichen oder nicht-öffentlichen Datenbank keine Festlegungen zu Merkmalen des Produkts. Vielmehr werden allein die auf dem Markt vorhandenen Produkte mit nanopartikulären Inhaltsstoffen dokumentiert. Damit liegt keine technische Vorschrift im Sinne des TBT-Übereinkommens vor.65 Anders könnte sich die Situation darstellen, wenn die Meldepflicht für ein Produktregister in einen bestehenden Rechtssatz wie etwa in die ­R EACH-Verordnung implementiert würde. 62 Vgl. Bronckers/Soopramanien, EFFL 6 (2008), S. 361 (364). Für eine Erfassung aller „im weitesten Sinne der Gesundheitsvorsorge dienenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften“ dagegen Spranger, ZLR 2000, S. 111 (112) m. w. N. 63 Vgl. zur Qualifizierung der Registrierungspflicht nach R ­ EACH als TBT-Maßnahme Tietje/Wolf, S. 10. 64 Tietje/Wolf, S. 11 m. w. N. 65 Vgl. auch Rosenbaum, StoffR 2006, S. 207 (209).

238

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

Denn in einem solchen Fall wäre auf den vollständigen Gesetzeskomplex abzustellen.66 Die ­R EACH-Verordnung kann durch ihre verschiedenen Festlegungen von Produktmerkmalen als technische Vorschrift qualifiziert werden67, so dass dies dann auch für eine hier eingefügte Meldepflicht gelten würde. Wie bereits oben erörtert68, wird hier jedoch eine rechtliche Umsetzung in einem eigenständigen Rechtssatz präferiert. Mithin ist der Anwendungsbereich des TBT durch eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister nicht eröffnet. c) Die Vereinbarkeit mit dem GATT Insofern ist nun im Anschluss die GATT-Konformität der hier in Rede stehenden Meldepflicht für ein Nanoproduktregister zu betrachten. aa) Die Vereinbarkeit mit Art. III:4 GATT Als nicht-fiskalische Maßnahme hat sich ein Nanoproduktregister bzw. die ihm zugrunde liegende Meldepflicht am Diskriminierungsverbot des Art. III:4 GATT messen zu lassen, denn es regelt den Verkauf und die Verwendung eines betroffenen Produkts. Die von der Meldepflicht betroffenen Produkte sind auch gleichartig. Das Diskriminierungsverbot richtet sich dabei sowohl gegen die formale als auch gegen die faktische Schlechterstellung ausländischer Unternehmen. Eine solche diskriminierende Behandlung durch eine Meldepflicht für ein Nanoprodukt­ register ist jedoch nicht ersichtlich. Dies gilt sowohl in formaler wie faktischer Hinsicht. Ein Nanoproduktregister der hier diskutierten Ausgestaltung verstößt daher nicht gegen Art. III:4 GATT. bb) Die Vereinbarkeit mit Art. XI:1 GATT Ein Nanoproduktregister bezieht sich nicht auf die Herstellungsmethode, sondern auf das Produkt selbst. Im Übrigen handelt es sich um eine innerstaatliche Maßnahme, die nicht die Ein- oder Ausfuhr betrifft. Auch ein Verstoß gegen Art. XI:1 GATT kommt daher nicht in Betracht.

66

Dazu sogleich ausführlich unter H. III. 2. a). Tietje/Wolff, S. 11 f.; Quick, StoffR 2008, S. 134 (139). 68 F. II. 3. d). 67

III. Meldepflichten für Nano­materialien und Nanoprodukte

239

d) Ergebnis Eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister ist in der hier diskutierten Ausgestaltung (die sich an den allgemein im Raum stehenden Vorschlägen orientiert) sonach mit den Bestimmungen des GATT vereinbar. An den Regularien des SPSoder der des TBT-Übereinkommens muss sie sich wie dargelegt nicht messen lassen. Den vereinzelt geäußerten Bedenken an der WTO-Vereinbarkeit ist daher nicht zuzustimmen. 2. Die WTO-Konformität der Notifizierungspflicht für Nano­materialien in kosmetischen Produkten nach Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung Durch Art. 16 Abs. 3 unterwirft die EU-Kosmetik-Verordnung Nano­materialien in kosmetischen Produkten einer besonderen Notifizierungspflicht. Hiernach müssen die entsprechenden Datensätze bereits sechs Monate vor dem Inverkehrbringen an die Kommission übermittelt werden. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit diese Regelung, die freilich auch Hersteller aus Nicht-EU-Staaten betrifft, mit den Vorschriften des WTO-Rechts im Einklang steht. a) Die Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen aa) Eröffnung des Anwendungsbereichs Die Notifizierungspflicht für Nano­materialien unterfällt dann dem TBT-Übereinkommen, wenn sie eine technische Vorschrift nach Anhang 1 Nr. 1 TBT darstellt. Hierbei handelt es sich um „ein Dokument, das Merkmale eines Produkts […] festlegt“. Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung sieht indes nur die Übermittlung bestimmter Daten vor, so dass insoweit mangels der Festlegung von Produktmerkmalen schon keine technische Vorschrift vorzuliegen scheint. Regelmäßig sind angefochtene Rechtsvorschriften jedoch nur Teil eines übergeordneten Regelungsgefüges. Folglich stellt sich die Frage, ob dieses in seiner Gesamtheit zu betrachten ist oder ob eine Differenzierung nach den einzelnen Teilen erfolgt.69 Die bisherige Spruchpraxis stellt insofern auf das gesamte in Rede stehende Regelwerk ab.70 Damit wird eine artifizielle Aufsplittung eines einheitlichen Sach­ verhalts verhindert.71 69

Tietje, in: Prieß/Berrisch, B. I. 5. Rn. 26. WTO Appellate Body Report, European Communities – Measures affecting Asbestos and Asbestos-containing Products, WT/DS135/AB/R (2000), Nr. 60 ff.: „Viewing the measure as an integrated whole …“ (Nr. 75); Quick, StoffR 2008, S. 134 (139); siehe auch ­Koebele, in: Wolfrum/Stoll/Seibert-Fohr, Artikel 1 und Annex 1 TBT, S. 178 (188). 71 Tietje, in: Prieß/Berrisch, B. I. 5. Rn. 26. 70

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

Auf den vorliegenden Fall übertragen kommt es also darauf an, ob die Kosmetik-­ Verordnung Produktmerkmale festlegt. Schon mit Blick auf die Kennzeichnungspflichten nach Art. 19, aber auch hinsichtlich der Verwendungsbeschränkungen nach den Art. 14 f. kann dies bejaht werden. Im Übrigen können die im Rahmen der Notifizierungspflicht übermittelten Informationen dazu führen, dass das zugrunde liegende Nano­material in seiner Verwendung beschränkt wird (vgl. Art. 16 Abs. 6). Damit würde sich die Meldepflicht dann doch auf die Produktmerkmale auswirken.72 Insgesamt ist damit der Anwendungsbereich des TBT eröffnet. bb) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT Die Notifizierungspflicht nach der Kosmetik-Verordnung betrifft sowohl in rechtlicher als auch in faktischer Hinsicht EU- und Nicht-EU- Staaten gleichermaßen. Damit begründet sie keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 2.1 TBT. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. cc) Vereinbarkeit mit dem Verbot der Errichtung unnötiger Hemmnisse nach Art. 2.2 TBT Die Notifizierungspflicht für Nano­materialien in kosmetischen Produkten nach Art. 16 Abs. 3 Kosmetik-Verordnung könnte jedoch ein unnötiges Handelshemmnis nach Art. 2.2 Satz 1 TBT begründen. Die Verpflichtung zur Notifizierung der Produktdaten sechs Monate vor dem Inverkehrbringen des kosmetischen Produkts verursacht für die betroffenen Unternehmen zusätzlichen Aufwand und Kosten und kann daher den internationalen Handel beeinträchtigen. Damit stellt die Notifizierungspflicht ein Handelshemmnis dar. (1) „Berechtigtes Ziel“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT Dieses Hemmnis könnte dann gerechtfertigt sein, wenn es ein „berechtigtes Ziel“ verfolgt. Zwar dient eine Meldepflicht für ein Produktregister wie gesehen nicht unmittelbar dem Gesundheitsschutz. Die Erfassung und Auswertung von Informationen über kosmetische Produkte, die Nano­materialien beinhalten, dient aber jedenfalls dem Verbraucherschutz und der Markttransparenz, beides „berechtigte Ziele“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT.73 72

Vgl. Quick, StoffR 2008, S. 134 (139). So ausdrücklich WTO Panel Report, European Communities  – Trade Description of Sardines, WT/DS231/R (2002), Nr. 7.121 ff., 7.138; hierzu und allgemein Tamiotti, in: Wolfrum/Stoll/Seibert-Fohr, Artikel 2 TBT, S. 212 (219 f.). 73

III. Meldepflichten für Nano­materialien und Nanoprodukte

241

(2) „Notwendigkeit“ der Notifizierung Gemäß Art.  2.2 Satz  2 TBT dürfen technische Vorschriften nicht handels­ beschränkender als notwendig sein. Zwar könnte hier insofern wiederum die Zeitspanne von sechs Monaten zwischen Datenübermittlung und Inverkehrbringen des Produkts hinterfragt werden. Diese Verschärfung der Meldepflicht (im Vergleich mit Art. 13 Kosmetik-Verordnung) soll der Europäischen Kommission jedoch die Möglichkeit der näheren und bei Nano­materialien auch erforderlichen Untersuchung der notifizierten Daten einräumen. Eine Herabsenkung dieses Zeitraums könnte womöglich dazu führen, dass die sorgsame Prüfung der übermittelten Informationen vor dem Inverkehrbringen nicht mehr gewährleistet wäre und damit auch eine Anrufung des wissenschaftlichen Ausschusses erschwert würde. Vor diesem Hintergrund ist die Notifizierung in ihrer aktuellen Ausgestaltung auch notwendig bzw. „necessary“ im Sinne von Art. 2.2 Satz 2 TBT. (3) Ergebnis Damit verstößt die Notifizierungspflicht für Nano­materialien in kosmetischen Produkten nach Art. 16 Abs. 3 der EU-Kosmetik-Verordnung auch nicht gegen das TBT-Übereinkommen. dd) Berücksichtigung internationaler Normen nach Art. 2.4 TBT Wie bereits dargelegt, ist die Anzahl internationaler Normen zu Nano­materia­ lien noch sehr überschaubar. Insbesondere sind keine Regularien ersichtlich, die die Verwendung von Nano­materialien in kosmetischen Produkten betreffen. b) Die Vereinbarkeit mit dem GATT Wie bereits gesehen, kann neben dem TBT-Übereinkommen auch das GATT zur Anwendung kommen. Die hier insoweit in Betracht kommenden Art. III:4 und XI:1 GATT sind indes aus den gleichen Gründen wie oben74 nicht verletzt. Insbesondere handelt es sich bei der Notifizierungspflicht nicht um eine Maßnahme, die an den Grenzübertritt anknüpft, sondern um eine EU-interne produktbezogene Regelung, so dass Art. XI:1 GATT nicht einschlägig ist.

74

H. II. 3.

242

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

c) Ergebnis Nach alledem steht die hier gegenständliche Notifizierungspflicht nach der Kosmetik-Verordnung insgesamt mit dem Welthandelsrecht im Einklang.

IV. Die WTO-Konformität von Partikelgrenzwerten Die Statuierung nanospezifischer Grenzwerte erscheint aktuell nicht sinnvoll und kaum realisierbar.75 Im Übrigen erscheint ihre welthandelsrechtliche Relevanz auch sehr gering. Denn Höchstkonzentrationswerte bestimmter Nanosubstanzen etwa in Luft und Wasser stellen keine Beeinträchtigung des Welthandels dar.

V. Die WTO-Konformität von Zulassungsvorbehalten für Nano­materialien V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien Damit wendet sich die Arbeit nun dem wohl umstrittensten Instrument zur Regulierung von Nano­materialien zu, nämlich einem Zulassungsvorbehalt. Dessen Ausgestaltung wurde ausführlich oben76 beleuchtet und dabei konstatiert, dass sowohl eine Implementierung in ­R EACH als auch sektorspezifisch in einzelne Rechtsvorschriften grundsätzlich möglich ist, auch wenn nach hier vertretener Auffassung eine Ergänzung einzelner Regelungsregime vorzuziehen ist. Die in diesem Kontext erörterten Ausgestaltungsoptionen eines Zulassungsvorbehaltes für Nano­materialien werden im Folgenden an den Bestimmungen des WTORechts gemessen (1.). Anschließend wird geprüft, ob die bereits bestehenden Vorschriften betreffend Lebensmittelzusatzstoffe, Lebensmittelkontaktmaterialien und Biozidprodukte diesen Anforderungen genügen (2.). 1. Bewertung der Einführung von (weiteren) Zulassungsvorbehalten für Nano­materialien Die Vereinbarkeit von Maßnahmen zur Regulierung von Nano­materialien mit dem SPS-Übereinkommen war bereits Gegenstand ausführlicher Erörterung in den vorangegangenen Abschnitten. Auch mit Blick auf einen Zulassungsvorbehalt sind diese Ausführungen erneut in Erinnerung zu rufen.

75

Siehe oben bei F. III. F. IV. 4.

76

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

243

a) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen Hiernach sind die von (bestimmten) Nano­materialien möglicherweise ausgehenden Risiken für die menschliche Gesundheit und das ökologische Wirkungsgefüge  – anders als etwa genetisch veränderte Organismen  – schon tatbestandlich nicht vom SPS-Abkommen erfasst. Dies gilt mit Ausnahme von Maßnahmen im Bereich der Lebens- und Futtermittel. Damit hat das SPS nur dann Relevanz, wenn sich ein Zulassungsvorbehalt auf Nano­materialien als Zusätze oder Verunreinigungen in Lebens- oder Futtermitteln bezieht (Anhang A Nr. 1 lit. b SPS). Entsprechende Sachverhalte werden bereits durch die EU-Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung und durch die EU-Verordnungen zu Lebensmittelkontaktmaterialien erfasst. Diese Regelungsregime enthalten wie gesehen umfassende Zulassungsvorbehalte, die zudem eigenständige Bewertungspflichten für Nanostoffe begründen. b) Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen Damit stellt sich nunmehr die Frage nach der Vereinbarkeit des hier erörterten Zulassungsvorbehalts mit dem TBT-Übereinkommen. Eine rechtliche Norm, die ein solches Zulassungssystem für die Verwendung von Nano­materialien vorsieht, legt damit bestimmte Produktmerkmale der zugrunde liegenden „Ware“ (vgl. Art. 1.3 TBT) Nano­material fest und stellt folglich zunächst eine technische Vorschrift nach Art. 2.1 i. V. m. Anhang 1 Nr. 1 TBT dar. Zudem begründet sie recht eindeutig auch ein Handelshemmnis. aa) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT An dieser Stelle kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. Auch ein Zulassungsvorbehalt für Nanosubstanzen stellt weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung dar. bb) Vereinbarkeit mit dem Verbot der Errichtung unnötiger Hemmnisse nach Art. 2.2 TBT (1) „Berechtigtes Ziel“ nach Art. 2.2 Satz 3 TBT Ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien mit dem ihm impliziten System der Präventivkontrolle zielt auf die Gewährleistung sicherer Verwendungen in Produkten ab. Durch die durch eine positive Entscheidung bedingte Erlaubnis zur Verwendung soll ein Zulassungssystem ein besonderes hohes Maß an Sicherheit

244

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

für den Menschen und das ökologische Wirkungsgefüge sicherstellen. Damit liegt abermals ein „berechtigtes Ziel“ vor. (2) „Gefahr“ nach Art. 2.2 Satz 4 TBT Ein Handelshemmnis ist dann mit Art.  2.2 TBT vereinbar, wenn zumindest eine Gefahr für das „berechtigte Ziel“ vorliegt (Art. 2.2 Satz 4 TBT). Solche Gefahren sind zu bewerten und dabei „unter anderem verfügbare wissenschaftliche und technische Informationen“ zugrunde zu legen. Zwar konkretisiert das TBTÜbereinkommen den Begriff der „Gefahr“ bzw. „risk“ nach Art. 2.2 Satz 4 nicht näher. In Anlehnung an die ähnliche Terminologie des SPS-Übereinkommens dürfte aber jedenfalls eine empirisch wenigstens einigermaßen belastbare Wahrscheinlichkeitsprognose erforderlich sein. Eine solche Schadensaussage kann wie gesehen für Nano­materialien noch nicht getroffen werden. Damit schließt sich die Frage an, ob ähnlich wie im Falle des Art. 5.7 SPS das TBT-Übereinkommen auch Maßnahmen zulässt, die die Regulierung noch ungewisser Risiken betreffen. Aufschluss gibt zunächst Art. 2.2 Satz 4 TBT, der für die Gefahrenbewertung das „verfügbare wissenschaftliche“ Material nur als einen von verschiedenen Gesichtspunkten zugrunde legt („unter anderem“). Einen Fall, in dem „das einschlägige wissenschaftliche Beweismaterial“ wie bei Art. 5.7 SPS nicht ausreicht, kennt das TBT gerade nicht. Bei einer vergleichenden Gesamtschau der Vorschriften von SPS und TBT wird deutlich, dass letzteres insgesamt einer wissenschaftlichen Absicherung von technischen Vorschriften geringere Bedeutung beimisst. Entscheidend ist aber im Ergebnis, dass anders als im Falle von Art. 2.2 SPS im Zusammenhang mit der Ausnahme des Art. 5.7 SPS die Vorschrift des Art. 2.2 Satz 4 TBT die wissenschaftliche Absicherung gerade nicht zur Bedingung einer technischen Vorschrift macht77, sondern eben allein die Berücksichtigung verlangt. Daher reicht ein ungewisses Risiko bzw. ein Vorsorgeanlass aus, um ein etwaiges durch die jeweilige Maßnahme begründetes Handelshemmnis zu rechtfertigen.78 Dies gilt demnach auch für eine Vorschrift, nach der die Verwendung von Nanostoffen in einem Produkt der vorherigen Sicherheitsbewertung bedarf. Die durch die Größe bedingte Zellgängigkeit nanoskaliger Materialien (Transportprinzip), die hohe Reaktivität (Oberflächenprinzip) sowie die Fähigkeit verschiedener Nano­materialien zur Überwindung der Blut-Hirn-Schranke begründen nach hier vertretener Auffassung einen Vorsorgeanlass, der im Übrigen durch verschiedene besorgniserregende, im Detail aber noch kontrovers diskutierte Studien untermauert wird. Vor dem bereits angesprochenen Hintergrund, dass Art. 2.2 Satz 4 TBT kein zwingendes Erfordernis eines bestimmten wissenschaftlichen Mindestmaßes an Erkenntnissicherheit statuiert und das TBT-Übereinkommen im Übrigen auch die „Anerkennung“ des Rechts der Vertragsstaaten auf die Festlegung 77

Fischer, Daniel, S. 198. Fischer, Daniel ebd. Tietje, in: Prieß/Berrisch, B. I. 5. Rn. 85.

78

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

245

von Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit79 betont, ergibt sich aus der Nanoskaligkeit eines Stoffes bereits ein ausreichender Anhaltspunkt für eine „Gefahr“ nach Art. 2.2 Satz 4 TBT. Ohnehin findet eine zu stark ausufernde Regulierung ihre Grenzen im „necessity“-Kriterium nach Art. 2.2 Satz 3 TBT. (3) „Notwendigkeit“ eines Zulassungsvorbehalts Gerade bei einem Zulassungsregime drängt sich die Frage nach der Ein­haltung der Verhältnismäßigkeit bzw. hier Notwendigkeit auf. Die ist in diesem Zusammenhang im ersten Schritt erforderliche Betrachtung der Geeignetheit kann hier recht kurz ausfallen. Zwar mag man argumentieren, dass angesichts der Ungewissheit über die Auswirkungen nanopartikulärer Materialien eine Zulassungspflicht schon kein geeignetes Instrument zum Umwelt- und Gesundheitsschutz darstellen kann. Dem ist indes entgegenzuhalten, dass die Bewältigung von Ungewissheit oder zumindest Unsicherheiten gerade Ausgangspunkt zahlreicher Zu­ EACH) ist. Insofern kann es auch hier lassungs- und Registrierungsregime (z. B. R (wie schon im Kontext der EU-Grundrechte und Grundfreiheiten) allein auf eine abstrakte Betrachtung ankommen. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass wie aufgezeigt das TBT-Übereinkommen gerade auch Maßnahmen zulässt, die noch unklare Risiken betreffen. Abstrakt ist ein Zulassungsvorbehalt für Nano­ materialien jedenfalls geeignet, die menschliche, tierische und pflanzliche Gesundheit zu schützen. Besondere Relevanz kommt hier der Frage zu, ob ein Zulassungsregime möglicherweise „handelsbeschränkender als notwendig“ im Sinne des Art. 2.2 Satz 2 TBT ist. Nach hier vorgeschlagener Konzeption sollte sich die Zulassungspflicht auf die Verwendung von Nano­materialien beziehen. Damit würde eine grundsätzlich umfassende Verpflichtung zur Präventivkontrolle geschaffen, die freilich die Markteinführung nanotechnologischer Produkte nicht unbeträchtlich verlangsamte. Zwar existieren verschiedene andere regulatorische Instrumente, die nicht mit gleicher Intensität den Welthandel beeinträchtigen, wie z. B. die hier bereits erörterte Kennzeichnungspflicht oder Meldepflicht für ein Produktregister. Beide Lösungen vermögen – bei der hier angezeigten abstrakten Betrachtung – indes nicht annähernd das gleiche Schutzniveau zu gewährleisten wie eine der Verwendung zeitlich vorgeschaltete Risikoprüfung und -bewertung. Zur auch mittel- und langfristigen Wahrung der „necessity“ eines Zulassungsvorbehalts ist es indes auch hier entscheidend, dass dem Regime umfangreiche Listen mit sich als unbedenklich abzeichnenden und daher von der Zulassungspflicht auszunehmenden Substanzen angehängt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die nano­toxikologischen Erkenntnisse zu einzelnen Stoffen oder idealerweise auch bestimmten Stoffkategorien soweit verdichtet haben, dass relativ belastbare Aus 79

Präambel zum TBT-Übereinkommen, 6. Absatz.

246

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

sagen zur Unbedenklichkeit bestimmter Materialien (ggf. verwendungsbezo­gen) getroffen werden können. Diese Ausnahmenlisten müssten sodann rasch ­geändert werden können – wie hier vorgeschlagen im Rahmen eines Komitologie­verfahrens. Nach alledem ist ein Zulassungsvorbehalt für das Inverkehrbringen und die Verwendung nanoskopischer Substanzen in Produkten necessary im Sinne von Art. 2.2 Satz 2 TBT. (4) Einhaltung internationaler Normen nach Art. 2.4 TBT Wie bereits aufgezeigt, existieren zwar verschiedene internationale Normen im Bereich der Nano­materialien und Nanotechnologien. Diese beziehen sich aber mit Ausnahme des Entwurfs zur Kennzeichnung auf Begriffsbestimmungen und naturwissenschaftliche Methoden und Verfahren. Auch zu einem Zulassungsverfahren für Nano­materialien bestehen aktuell noch keine internationalen Regularien, die insoweit „als Grundlage“ heranzuziehen wären. (5) Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 5 TBT Art.  5 TBT statuiert Grundvoraussetzungen für Konformitätsbewertungsverfahren, „in denen ein positiver Nachweis für die Übereinstimmung mit technischen Vorschriften und Normen verlangt wird“ (Art. 5.1 TBT).80 Hierdurch soll verhindert werden, dass etwaige Zulassungsverfahren zur Schlechterstellung ausländischer Waren genutzt werden.81 Somit stellt Art. 5 TBT auch für ein Zulassungsregime für die Verwendung von Nano­materialien in Produkten bestimmte Anforderungen auf, die zu erfüllen sind. Im Folgenden sollen diese Kriterien kurz beleuchtet werden. Zunächst sieht Art. 5.1.1 TBT eine Meistbegünstigungsklausel vor, die eine Diskriminierung „gleichartiger Waren mit Ursprung im Gebiet anderer Mitglieder“ untersagt. Ein Zulassungsverfahren für die Verwendung von Nano­materialien erstreckte sich aber auch auf nationale bzw. unionale Unternehmen. Eine insofern allein in Frage kommende indirekte Diskriminierung scheitert wie dargelegt bereits an einem ersichtlichen regionalen Schwerpunkt für entsprechende Materialen und Produkte. Des Weiteren sind Konformitätsbewertungsverfahren nach Art.  5.1.2 TBT so auszugestalten und anzuwenden, dass sie keine „unnötigen“ Handelshemmnisse hervorrufen. Unnötig sind diese u. a. dann, wenn sie strenger als notwendig sind oder angewendet werden (Art. 5.1.2 Satz 2 TBT). Damit weist Art. 5.1.2 einen mit 80

Siehe ergänzend hierzu auch Anhang 1 Nr. 3 TBT. Muñoz, in: Wolfrum/Stoll/Seibert-Fohr, Art. 5 TBT, S. 261 (264).

81

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

247

Art. 2.2 TBT vergleichbaren Regelungsgehalt auf.82 Insoweit kann auf die Ausführungen oben zur neccessity nach Art. 2.2 TBT verwiesen werden. Art. 5.2 TBT enthält sodann weitere allgemeine Vorgaben etwa zum Ablauf des Verfahrens und verlangt eine transparente und zügige Durchführung. Von einiger Relevanz ist auch die Anknüpfung von Art. 5.4 TBT an „einschlägige Richt­ linien oder Empfehlungen internationaler Normorganisationen“, die wiederum „als Grundlage“ dienen sollen. Damit geht Art. 5.4 TBT weiter als Art. 2.4, der nur von „internationalen Normen“ spricht und „Empfehlungen“ insoweit ausklammert. Für Zulassungsverfahren ist Art.  5.4 insoweit lex specialis. Die Vertragsstaaten können von entsprechenden internationalen Regularien jedoch abweichen. Dies gilt etwa dann, wenn die internationalen Normen zum Schutz verschiedener Interessen wie etwa dem Umwelt- und Gesundheitsschutz „ungeeignet“ sind. Internationale Normen für die Ausgestaltung von Konformitätsbewertungsverfahren im Bereich von Nano­materialien existieren jedoch wie dargelegt bislang nicht. Allein standardisierte Verfahren zur Risikobewertung von Nanostoffen könnten hier Bedeutung erlangen. Die insoweit zunächst in Frage kommenden Darlegungen der ISO zur Prüfung und Bewertung von Nano­materialien83 stellen zwar allein „technische Berichte“ dar, die noch keinen Anspruch auf normative Bindung er­heben und rein informativen Zwecken dienen.84 Ein Empfehlungscharakter kann ihnen aber nicht abgesprochen werden. Gleiches gilt für die von der Working Party on Nano­materials der OECD (auch die OECD gilt als internationale Normenorganisation85) ausgearbeiteten „Guidelines“ zur Prüfung und Bewertung von Nano­ stoffen.86 Indes sieht auch Art. 5.4 TBT die Möglichkeit der Vertragsstaaten vor, von den einschlägigen Richtlinien und Empfehlungen abzuweichen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass diese zum Schutz bestimmter Interessen wie dem Umwelt- oder Gesundheitsschutz „ungeeignet“ sind. Falls ein Konformitätsbewertungsverfahren von internationalen Normen abweicht oder solche nicht existieren und zudem eine erhebliche Beeinträchtigung des Handels zu erwarten ist, sind gemäß Art. 5.6 TBT im Vorfeld der Einführung des Verfahrens die übrigen Vertragsstaaten zu unterrichten. Dies gilt damit auch für ein Zulassungsverfahren für die Verwendung von Nano­materialien.

82

Fischer, Daniel, S. 205. ISO/TR 27628:2007 („Workplace atmospheres – Ultrafine, nanoparticle and nano-struc­ tured aerosols – Inhalation exposure characterization and assessment“); ISO/TR 11360:2010 („Nanotechnologies  – Methodology for the classification and categorization of nanomaterials“); ISO/TR 13121:2011 („Nanotechnologies  – Nano­material risk evaluation“); ISO/TR 13014:2012 („Guidance on physico-chemical characterization of engineered nanoscale materials for toxicologic assessment“). 84 Siehe im Detail unten bei H. VI. 85 Schroeder, JWT 43 (2009), S. 1223 (1227); OECD, Regulatory Reform, TD/TC/WP(98) 36/FINAL, S. 26. 86 Siehe etwa OECD, Guidance Manual, ENV/JM/MONO(2009)20/REV oder OECD, Gui­dance Notes, ENV/JM/MONO(2010)25. 83

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

(6) Ergebnis Demnach verstößt ein Zulassungsvorbehalt für Nano­ materialien zumindest dann nicht gegen das TBT-Übereinkommen, soweit er sich im aufgezeigten Regelungskorridor bewegt und sich im Übrigen an die Vorgaben des Art. 5 TBT hält. Ein Verstoß gegen Art. 2.2 Satz 2 TBT wird dagegen dann anzunehmen sein, wenn zu einem späteren Zeitpunkt, in dem nanotoxikologisch belastbare Aussagen über Materialien getroffen werden können, auch solche Substanzen noch einer Zulassungspflicht unterliegen würden, die recht unstreitig (ggf. in der konkreten Verwendung) als unbedenklich zu betrachten sind. c) Vereinbarkeit mit dem GATT Wie auch die übrigen hier analysierten Regulierungsinstrumente muss sich ein Zulassungsregime für Nano­materialien am GATT messen lassen. Dabei ist zu konstatieren, dass weder ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. III:4 GATT noch gegen das Verbot grenzbezogener Handelsbeschränkungen nach Art. XI:1 GATT vorliegt. Damit wird auch den Vorgaben des GATT genügt. d) Ergebnis Nach alledem steht auch ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien grundsätzlich im Einklang mit dem Welthandelsrecht. Bei seiner Ausarbeitung ist jedoch darauf zu achten, dass ausreichende Mechanismen zur Ausklammerung unbedenklicher Stoffe integriert werden, um so der „Notwendigkeit“ nach Art. 2.2 TBT zu genügen. Ob der hier konzipierte Zulassungsvorbehalt in ­R EACH eingefügt wird oder aber allein sektorale Berücksichtigung findet, wirft insoweit keine eigenen welthandelsrechtlichen Fragestellungen auf. 2. Die WTO-Konformität der Zulassungspflicht für Nano­materialien nach den Lebensmittelund Biozid-Vorschriften Verschiedene sekundärrechtliche Regelungsregime im Bereich der Lebensmittel (hier Zusatzstoffe und Kontaktmaterialien) und der Biozide sehen, wie bereits ausführlich erörtert, explizite Zulassungspflichten auch für nanoskalige Inhaltsstoffe vor. Im Folgenden wird deren WTO-Vereinbarkeit näher beleuchtet.

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

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a) Der Zulassungsvorbehalt nach der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung Art.  12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung erstreckt den Anwendungs­ bereich des allgemeinen Zulassungsregimes für Zusätze in Lebensmitteln ausdrücklich auf Partikel, deren Größe „durch die Anwendung der Nanotechnologie“ geändert wurde und unterwirft diese einer eigenständigen Zulassung losgelöst vom makroskaligen Additiv. aa) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen (1) Die Einhaltung wissenschaftlicher Grundsätze nach Art. 2.2 SPS Fraglich ist, ob insoweit der Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens eröffnet ist. Lebensmittelzusatzstoffe unterfallen zunächst als „Zusätze“ in Nahrungsmitteln dem Anwendungsbereich des SPS nach Anhang A Nr. 1 lit. b. Dies gilt auch für solche Additive im Nanometerbereich. Des Weiteren ist die in Art. 12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung vorgesehene eigene Prüfpflicht für Nano­ materialien auch geeignet, den internationalen Handel im Sinne des Art. 1.1 Satz 1 SPS mit solchen Substanzen zu beeinträchtigen. Weitere Voraussetzung für die Einschlägigkeit des SPS-Übereinkommens ist, dass die jeweilige Maßnahme auch „zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen und Tieren“ getroffen wurde. Ob hierbei objektive oder subjektive Gesichtspunkte entscheidend sind, kann auch hier wiederum offen bleiben, da jedenfalls eine eigene Untersuchung nanopartikulärer Additive im Rahmen des Zulassungsverfahrens der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung bei zunächst abstrakter Betrachtung objektiv dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen kann und der Verordnung subjektiv auch eine entsprechende Zielsetzung zugrunde liegt87. Zuletzt erforderlich für eine Einschlägigkeit des SPS ist eine „Gefahr“, die von den Lebensmittelzusätzen für die menschliche oder tierische Gesundheit ausgeht (siehe Anhang A Nr. 1 SPS). Fraglich ist, ob eine solche für Nano­materialien angenommen werden kann. Auch im Bereich noch unklarer Risiken lässt das SPS indes grundsätzlich Maßnahmen der Vertragsstaaten zu (dazu sogleich). Die Frage, inwieweit von einem Gesundheitsrisiko ausgegangen werden kann, welches bereits dem SPS-Übereinkommen unterfällt, ist damit im Rahmen der konkreten Vorschrift zu prüfen.88 Der Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens ist mithin eröffnet.

87 Siehe vor allem die Erwägungsgründe Nr. 1, 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, ABl. 2008 L 354, S. 16. 88 Voland, S. 162.

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

Nach Art. 2.2 SPS müssen gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten der WTO auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen und dürfen außer im Falle des Art. 5.7 SPS nicht ohne hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis aufrechterhalten werden. Damit wird deutlich, dass das SPS jedenfalls grundsätzlich den Erlass von Maßnahmen in einer Situation wissenschaftlicher Ungewissheit ablehnt. Mit Blick auf eines der wesentlichen Ziele des SPS, nämlich der Harmonisierung einschlägiger Maßnahmen, sollen die Mitgliedstaaten ihre Maßnahmen auf internationale Normen, Richtlinien oder Empfehlungen „stützen“ (Art. 3.1 SPS). Anders als Art. 2.4 TBT spezifiziert das SPS durch Anhang A Nr. 3 dabei die normgebenden Organisationen. Diese sind primär die Codex Alimentarius Kommission, das Internationale Tierseuchenamt und das Sekretariat der Internationalen Pflanzenschutzkonvention.89 Zentrales Element des SPS-Übereinkommens ist eine vorgeschriebene Risikobewertung (Art. 5 SPS). Hierbei sind zum einen die Methoden der „zuständigen internationalen Organisationen“ (Art. 5.1) und zum anderen „das verfügbare wissenschaftliche Beweismaterial“ (Art. 5.2) zu berücksichtigen. Die Rechtfertigung handelsbeschränkender Maßnahmen erfordert einen „hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis“ (Art. 2.2 SPS). Auf rein hypothetische oder wissenschaftlich nicht ausreichend begründete Erwägungen kann eine solche Maßnahme daher nicht gestützt werden.90 Die Berufung auf eine seriöse (qualified and respected sources) wissenschaftliche Mindermeinung ist hingegen zulässig.91 Zwar kann sich das von den Mitgliedstaaten verfolgte Schutzniveau auch oberhalb des internationalen Standards bewegen, Art.  3.3 SPS.  Allerdings erfordert auch dies eine entsprechende Bewertung und Begründung im Sinne von Art. 5.1 SPS.92 Nationale ‚Alleingänge‘ sind zulässig, soweit entweder keine internationalen Normen bestehen oder aber eine wissenschaftliche Begründung für ein höheres Schutzniveau artikuliert werden kann (Abs. 3). Damit verschafft das SPSÜbereinkommen etwa den Empfehlungen und Richtlinien der Codex Alimentarius Kommission rechtliche Bindungswirkung (vgl. Art. 3.4 SPS). Eine gesundheitspolizeiliche Maßnahme im Sinne des SPS-Übereinkommens muss darüber hinaus zum Schutz der Gesundheit „notwendig“ bzw. „necessary“ sein (Art. 2.1 und 2.2 SPS; ebenso Art. 5.6). Hier kommt es vor allem darauf an, ob eine andere

89 Für andere Fragestellungen können auf Beschluss des SPS-Ausschusses auch die Normen anderer Organisationen herangezogen werden, Nr. 3 lit. d). 90 WTO Panel Report, Japan  – Measures Affecting the Importation of Apples, WT/ DS245/R (2003), Nr. 8.93: „[…] Article 2.2 excludes in essence not only insufficiently substantiated information, but also such things as a non-demonstrated hypothesis.“ 91 WTO Appellate Body Report, European Communities  – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R (1998), Nr. 194. 92 WTO Appellate Body Report, European Communities  – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R (1998), Nr. 177; zustimmend Gehring, in: Hilf/Oeter, § 19 Rn. 18.

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

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SPS-Maßnahme denkbar ist, die „das angemessene Schutzniveau erreicht und wesentlich weniger handelsbeschränkend ist.“93 (2) Die Risikobewertung nach Art. 5 SPS Eine maßgebliche Rolle vor dem Erlass einer handelsbeschränkenden Maßnahme kommt der Risikobewertung (risk assessment) durch den Mitgliedstaat (als darauf basierendem Risikomanagement) nach Art. 5 SPS zu.94 Die durch den Staat vorzunehmende Risikobewertung sollte in drei Schritten erfolgen und dabei die Schäden, die abgewehrt werden sollen, und deren Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmen und die getroffenen Maßnahmen in diesem Kontext prüfen.95 Die Spruchpraxis der Streitbeilegungskörper der WTO stellt dabei vor allem auf eine „rational relationship“ zwischen Risikobewertung und Maßnahme ab.96 Demnach müssen die Ergebnisse der Bewertung zum Erlass der Maßnahmen befugen bzw. diese stützen.97 Insbesondere ist dabei die Verhältnismäßigkeit zwischen der Maß­ ahren.98 nahme und dem nach der Risikobewertung identifizierten Risiko zu w (3) Vorübergehende Maßnahmen nach Art. 5.7 SPS Eine wichtige, im Detail aber nicht unumstrittene Ausnahme formuliert Art. 5.7 SPS.  Hiernach sind „vorübergehende“ Handlungen auch dann zulässig, „wenn das einschlägige wissenschaftliche Beweismaterial nicht ausreicht“ (Satz 1). Hierin und in Art. 3.3 SPS hat der Appellate Body im Fall European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products (Hormones) (sog. „Hormonstreit“) eine Öffnung des SPS auch für Vorsorgemaßnahmen angedeutet gesehen.99 Damit ist grundsätzlich ein Handeln auch unterhalb der Schwelle empirischer Sicherheit, also bei ungewissen Kausalzusammenhängen, möglich.100 Entscheidend ist jedoch, dass die Anforderungen an die Risikobewertung nach Art. 5.1 und 2 SPS 93

Fußnote 3 zu Art. 5.6 SPS.  Siehe im Detail Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 85 ff. 95 WTO Appellate Body Report, Australia – Measures Affecting Importation of Salmon, WT/DS 18/AB/R (1998), Nr. 121. 96 WTO Appellate Body Report, European Communities  – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R (1998), Nr. 193. 97 WTO Appellate Body Report, European Communities  – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), ebda: „that the results of the risk assessment must sufficiently warrant – that is to say, reasonably support – the SPS measure at stake“ (Nr. 193). 98 WTO Appellate Body Report, Japan – Measures Affecting the Importation of Apples, WT/DS245/AB/R (2003) Nr. 162 ff. 99 WTO Appellate Body Report, European Communities  – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS 26/AB/R, WT/DS 48/AB/R (1998), Nr. 124; Gehring, in: Hilf/Oeter, § 19 Rn. 25: „konkreter Anwendungsfall des Vorsorge­prinzips“. 100 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 88. 94

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

auch in diesem Fall einzuhalten sind.101 Das Ansinnen der Europäischen Union, diese Standards durch eine Verortung des Vorsorge­prinzips im SPS-Abkommen herabzusenken, ist damit nicht erfüllt worden.102 Voraussetzung für eine vorübergehende Maßnahme nach Art. 5.7 SPS ist das Fehlen hinreichender empirischer Erkenntnisse über die zugrunde liegenden Wirkungszusammenhänge („where relevant scientific evidence is insufficient“, Art. 5.7 Satz 1 SPS). Eine solche Situation ist dann gegeben, wenn keine oder kaum verlässliche Daten vorliegen („little, or no, reliable evidence“).103 So dürfte es auch mit dem Sinn und Zweck des SPS-Übereinkommens, nämlich der Gewährleistung eines freien Warenhandels bei Berücksichtigung anerkannter wissenschaftlicher Standards, kaum vereinbar sein, wenn das zugrunde liegende Risiko sich im hypothetischen Bereich befindet oder auf affektiven Verbraucherängsten gründet.104 Folglich bedarf es auch bei einer „vorübergehenden“ Maßnahme nach Art.  5.7 SPS eines „gewissen Besorgnispotenzials“.105 Staatliche Maßnahmen auf Grundlage von Art. 5.7 SPS sind zudem nur zulässig, wenn sie auf dem einschlägigen relevanten Datenmaterial beruhen und der Staat sie regelmäßig einer Revision unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten unterzieht.106 (4) Die Bedeutung für den Zulassungsvorbehalt der Zusatzstoff-Verordnung (a) Das Vorliegen internationaler Normen Wie bereits aufgezeigt, haben sich SPS-Maßnahmen zuvörderst an internationalen Normen und Richtlinien zu orientieren (Art. 3.1 SPS). Solche Maßnahmen, die „internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen entsprechen“, gelten auch als notwendig im Sinne des SPS (Art. 3.2 SPS). Daher ist zunächst zu prüfen, ob relevante internationale Normen oder Richtlinien existieren. Der Codex General Standard for Food Additives (GSFA) legt in einer regel­mäßig aktualisierten Liste fest, welche Zusatzstoffe als zur Verwendung in Lebensmitteln unbedenklich betrachtet werden können. Hierzu enthält er Grenzwerte und 101 WTO Appellate Body Report, European Communities  – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS 26/AB/R, WT/DS 48/AB/R (1998), Nr. 125; Scholz, S. 157. 102 Arndt, S. 356 m. w. N. 103 WTO Panel Report, Japan  – Measures Affecting the Importation of Apples, WT/ DS245/R (2003), Nr. 8.219. 104 Voland, S. 185. Siehe auch Herdegen, Staat und Rationalität, S. 79 f. und ders., in: Bermann/Herdegen/Lindseth, S. 301 (305 f.). 105 Voland, ebd. 106 WTO Appellate Body Report, Japan – Measures Affecting the Importation of Apples, WT/DS245/AB/R (2003), Nr. 176.

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

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nähere Erläuterungen zur Verwendung und beruht dabei auf Empfehlungen der Codex Committees und dem Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Addi­ tives (JECFA).107 Nanospezifische Normen oder Richtlinien bestehen aktuell indes noch nicht.108 Im Übrigen sieht Anmerkung 161 des GSFA eine „opt-out“-Klausel vor. Hiernach können die Mitgliedstaaten von den Vorgaben des Codex abweichen, wenn der Zusatzstoff „subject to national legislation“ ist.109 Das Zusammenspiel aus fehlender nanospezifischer Regelung und opt-out-Klausel steht damit nationalen oder unionsweiten Regelungen nicht entgegen. (b) Einhaltung wissenschaftlicher Standards nach dem SPS Soweit ein Mitgliedstaat eigene SPS-Maßnahmen trifft, müssen diese auf wissenschaftlichen Grundsätzen (Art. 2.2 SPS) und anerkannten Risikobewertungsmethoden (Art.  5.1 SPS) beruhen. Betrachtet man den in der Zusatzstoff-Verordnung vorgesehenen Zulassungsvorbehalt der Art. 5 ff. und die Vorschrift des Art. 12 vor dem Hintergrund dieser Ausführungen, so fällt auf, dass der Zulassungsvorbehalt an die Eigenschaft einer Substanz als Lebensmittelzusatzstoff anknüpft.110 Denn jeder neue, noch nicht auf der Gemeinschaftsliste aufgeführte Zusatzstoff bedarf im Rahmen einer Risikobewertung des Nachweises der Unbedenklichkeit. Das Zulassungsregime der Zusatzstoff-Verordnung knüpft damit abstrakt an die unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener Lebensmitteladditive an. Die Erstreckung des Zulassungsvorbehaltes der Art. 5 ff. der Verordnung auf Nano­materialien ist damit nur die konsequente Fortführung dieses Gedankens.111 Ein neues, spezifisches Zulassungsregime sieht die Zusatzstoff-Ver­ordnung für Nano­materialien indes nicht vor. Diese sind vielmehr nach dem Verfahren der Art. 5 ff. Zusatzstoff-Verordnung zuzulassen, welches auch für alle anderen ‚herkömmlichen‘ Lebensmitteladditive gilt. Damit kommt dem Erfordernis der Einhaltung wissenschaftlicher Standards nach den Art.  2.2, 5.1 SPS mit Blick auf Art. 12 Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung keine eigene Bedeutung zu. Die Prüfung der SPS-Konformität des allgemeinen Zulassungsvorbehalts der ZusatzstoffVerordnung ist indes nicht Teil dieser Arbeit. 107 Codex General Standard for Food Additives, CODEX STAN 192–1995, S. 1 (abrufbar unter www.codexalimentarius.net). 108 Suppan, S. 5 ff. Aktuell existiert allein ein Bericht mit Empfehlungen eines FAO/WHO Expert Meeting von Juni 2009, siehe Bericht der Weltgesundheitsorganisation. 109 So Note 161 des Codex General Standard for Food Additives: „Subject to national legislation of the importing country aimed, in particular, at consistency with Section 3.2 of the Preamble“. Die häufige Berufung einiger Staaten auf diese „opt-out“-Klausel hat Forderungen Nahrung gegeben, die Klausel angesichts der daraus erwachsenden Hemmnisse für den internationalen Handel zu streichen, siehe Codex Alimentarius Commission, Report of the fortythird session of the Codex Committee on Food Additives, REP11/FA, Nr. 107 ff. 110 Siehe im Detail bereits oben E. II. 3. 111 Siehe Erwägungsgrund Nr. 13 der VO (EG) Nr. 1333/2008, ABl. 2008 L 354, S. 16 ff.

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

(c) „Notwendigkeit“ nach Art. 2.1, 2.2 SPS Neben der Einhaltung wissenschaftlicher Standards muss eine SPS-Maßnahme auch „necessary“ sein, Art. 2.1, 2.2 SPS. Auch insoweit gilt, dass es auf die „neces­ sity“ des allgemeines Zulassungsregimes abzustellen ist, dem Nano­materialien nach Art. 12 unterworfen werden. Einen eigenen Verstoß gegen Art. 2.1, 2.2 SPS begründet Art. 12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung daher nicht. (5) Ergebnis Damit bleibt insgesamt festzuhalten, dass die Vorschrift des Art. 12 Lebens­ mittelzusatzstoff-Verordnung mit den Bestimmungen des SPS-Übereinkommens im Einklang steht. Inwieweit jedoch das eigentliche Zulassungsregime der Verordnung nach den Art.  5 ff. SPS-konform ist, muss an dieser Stelle offen bleiben. bb) Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen Fraglich ist, ob neben dem SPS-Übereinkommen, dessen Einschlägigkeit bejaht worden ist, kumulativ auch noch der Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens eröffnet sein kann. Die grundsätzliche Spezialität des SPS ergibt sich zunächst aus Art. 1.4 SPS und Art. 1.5 TBT. Danach sind solche Maßnahmen, die in den Anwendungsbereich des SPS fallen, auch allein an dessen Maßstab zu bewerten. In der Literatur werden indes Überlegungen angestellt, eine Anwendung des TBT dann zuzulassen, wenn eine Maßnahme verschiedene Zweckrichtungen aufweist, von denen eine auch unter das TBT-Übereinkommen fällt.112 Im vorliegenden Falle des Zulassungsvorbehaltes für Lebensmittelzusatzstoffe sind diese Gedanken jedoch nicht zu vertiefen, denn die in diesem Fall dem Inverkehrbringen vorgeschaltete Präventivkontrolle (nanoskaliger) Lebensmitteladditive dient vornehmlich dem Schutz der menschlichen Gesundheit.113 Damit ist für die Anwendbarkeit des TBT-Übereinkommens hier kein Raum. cc) Vereinbarkeit mit dem GATT Ebenso wenig muss sich Art. 12 der Zusatzstoff-Verordnung am Maßstab des GATT messen lassen. Im Falle eines Widerspruchs zwischen den Regelungen des GATT und des SPS geht letzteres vor (Allgemeine Auslegungsregeln zu An 112

Cremer, ZEuS 2004, S. 579 (591). Siehe auch Tietje, in: Prieß/Berrisch, B. I. 5. Rn. 41. Erwägungsgrund Nr. 1, 2, 3 der VO (EG) Nr. 1333/2008, ABl. 2008 L 354, S. 16 ff.

113

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

255

hang 1 A WTO). SPS-konforme Maßnahmen gelten demgegenüber als auch mit dem GATT vereinbar (Art. 2.4 SPS). Dies gilt mithin auch für Art. 12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung. dd) Ergebnis Nach alledem steht Art.  12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung mit dem WTO-Recht im Einklang. b) Der Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien in Lebensmittelkontaktmaterialien Auch die Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnung (EU) Nr. 10/2011 sieht eine eigene Zulassungspflicht für Nanostoffe vor, die in Lebensmittelkontakt­ materialien verwendet werden sollen. So müssen sich diese einer eigenständigen vorgeschalteten Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit unterziehen (Art. 9 Abs. 2). Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit diese Vorschrift WTO-konform ausgestaltet sind. aa) Vereinbarkeit mit dem SPS-Abkommen (1) Eröffnung des Anwendungsbereichs Nach Anhang A Nr. 1 lit. b SPS dient eine Maßnahme im Sinne des SPS dem Schutz vor Gesundheitsgefahren für Mensch und Tier u. a. durch „Zusätze“ oder „Verunreinigungen“. Lebensmittelkontaktmaterialien bzw. deren Bestandteile können einerseits unter gewissen Umständen in das Lebensmittel migrieren und dieses insofern verunreinigen oder anderseits zur Freisetzung im Lebensmittel gerade konzipiert sein.114 Damit unterfallen sie zunächst dem Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens. Die Verpflichtung zur eigenständigen Bewertung von Nanostoffen in Lebensmittelkontaktmaterialien, die eine ausreichende Inertheit oder Unbedenklichkeit entsprechender Substanzen gewährleisten soll, dient daher folgerichtig auch dem Gesundheitsschutz.115 Zuletzt begründet sie auch ein Handelshemmnis (Art.  1.1 Satz 1 SPS), aus welchem Grunde der Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens insgesamt eröffnet ist.

114 Siehe Erwägungsgründe Nr. 3 der VO (EG) Nr. 1935/2004, ABl. 2004 L 338, S. 4 ff., und Nr. 13 der VO (EG) Nr. 450/2009, ABl. 2009 L 125, S. 3 ff. 115 Erwägungsgrund Nr. 3 der VO (EG) Nr. 1935/2004.

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

(2) Das Vorliegen internationaler Normen Im Bereich der Lebensmittelkontaktmaterialien existieren bislang keine umfassenden Richtlinien oder Normen der Codex Alimentarius Kommission.116 Dies gilt damit auch für etwaige nanometrische Materialien. (3) Einhaltung wissenschaftlicher Standards nach dem SPS Grundsätzlich dürfen nur solche Substanzen, die in den entsprechenden Positivlisten aufgeführt sind, in Lebensmittelkontaktmaterialien verwendet werden. Ähnlich wie bei den Lebensmittelzusatzstoffen gehen die KontaktmaterialienVerordnungen von einem abstrakten Risiko aus, welches durch die Migration der verwendeten Substanzen (z. B. Kunststoffe) in das Lebensmittel begründet wird.117 Wie im Falle der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung ist daher die Erstreckung der präventiven Prüfpflicht auf Nano­materialien nur die konsequente Fortsetzung des Regelungsgedankens, das jeder einzelne Stoff einer gesonderten Betrachtung bedarf.118 Was die wissenschaftliche Absicherung des zugrunde liegenden Zulassungsverfahrens nach den Art. 2.2, 5.1 SPS betrifft, so gilt auch hier, dass Art. 9 Abs. 2 VO (EU) Nr. 10/2011 keine eigene, hier zu erörternde SPS-Tendenz aufweist, sondern insoweit allein das zugrunde liegende allgemeine Zulassungsverfahren maßgeblich ist. (4) „Notwendigkeit“ nach Art. 2.1, 2.2 SPS Auch mit Blick auf die Notwendigkeit nach Art. 2.1, 2.2 SPS sind allein die – hier nicht näher zu erläuternden – Art. 5 ff. der VO (EU) Nr. 10/2011 entscheidend. (5) Ergebnis Mithin stehen auch die Pflichten zur eigenständigen Zulassung von Nano­ materialien in Lebensmittelkontaktmaterialien nach der Verordnung (EU) Nr. 10/ 2011 im Einklang mit den Bestimmungen des SPS.

116

Kopper/Ariosti, in: Boisrobert/Oh/Stjepanovic/Lelieveld, S. 227 (248). Ausführlich Kopper/Ariosti, in: Boisrobert/Oh/Stjepanovic/Lelieveld, S. 228 ff. 118 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 14 der VO (EG) Nr. 450/2009 und Nr. 23 der VO (EU) Nr. 10/ 2011. 117

V. Zulassungsvorbehalte für Nano­materialien

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bb) Vereinbarkeit mit dem TBT-Abkommen Wie im Falle der Lebensmitteladditive zielen die EU-Vorschriften zur Regulierung von Substanzen in (nanoskaligen) Lebensmittelkontaktmaterialien allein auf den Gesundheitsschutz ab. Das TBT-Abkommen ist folglich nicht durch die Maßnahmen betroffen. cc) Vereinbarkeit mit dem GATT Steht eine Vorschrift im Einklang mit dem SPS-Übereinkommen, so gilt sie auch als mit den Regelungen des GATT im Einklang (Art. 2.4 SPS). Eine entsprechende Prüfung des GATT ist daher an dieser Stelle nicht erforderlich. dd) Ergebnis Nach alledem sind die Verpflichtungen zur eigenständigen Zulassung nano­ partikulärer Stoffe in Lebensmittelkontaktmaterialien gemäß Art.  9 Abs.  2 VO (EU) Nr. 10/2011 mit den Vorschriften des Welthandelsrechts vereinbar. c) Der Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien in Biozidprodukten Nach der EU-Biozid-Verordnung bedürfen Wirkstoffe mit nanoskaligen Bestandteilen einer eigenen Zulassung (Art. 4 Abs. 4). Enthalten daneben (fertige) Biozidprodukte nanopartikuläre Bestandteile, so bedürfen diese einer eigenen Risikobewertung (Art. 19 Abs. 1 lit. f). In Anbetracht der damit verbundenen Hindernisse für den freien Welthandel stellt sich auch hier die Frage nach der Vereinbarkeit mit WTO-Recht. Die folgende Betrachtung soll sich dabei wie bisher auf die nanospezifischen Vorschriften beschränken. Diese sind im vorliegenden Fall nur Bestandteile umfassender Einzelnormen (Art. 4 und 19), die Zulassungsvorbehalte begründen. Im Folgenden soll daher auf den nanospezifischen Bestandteil dieser Normen abgestellt und dieser am Maßstab des WTO-Rechts gemessen werden. aa) Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen Ein Biozidprodukt selbst kann zwar dem Pflanzenschutz dienen. Die Zulassungspflicht für Biozidprodukte zielt aber auf den Umwelt- und Gesundheitsschutz ab. Sie soll gewährleisten, dass Biozide keine „unannehmbaren Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf die Umwelt haben“.119 119

Erwägungsgrund Nr. 37 der VO (EU) Nr. 528/2012, ABl. 2012 L 176, S. 1 ff.

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

Damit ist die Zulassungspflicht als solche aber keine gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme im Sinne des Anhang A Nr. 1 SPS, denn sie wird nicht angewendet zum Schutz vor eingeschleppten Krankheiten oder Schädlingen (lit. a), zum Schutz vor Toxinen, Zusätzen u. ä. in Lebens- und Futtermitteln (lit. b) oder zum Schutz vor Krankheiten oder Schädlingen (lit. c und d). Vielmehr soll die Zulassungspflicht vor den Auswirkungen der Biozidprodukte als Chemikalien schützen. Daher ist der Anwendungsbereich des SPS nicht eröffnet. bb) Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen Indes könnte hier der Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens eröffnet sein. Die Art. 4 Abs. 4 und 19 Abs. 1 lit. f) der Biozid-Verordnung schreiben vor, dass nanoskalige Wirkstoffe und Biozidprodukte, die Nano­materialien beinhalten, einer eigenständigen Bewertung (im Falle der Wirkstoffe auch einer eigenständigen Genehmigung) bedürfen und bestimmten Sicherheitsanforderungen zu genügen haben. Damit legen sie Produktmerkmale fest und stellen als Bestandteil der Zulassungsregime jedenfalls einen Teil einer technischen Vorschrift nach Art. 2 i. V. m. Anhang 1 Nr. 1 TBT dar. Der Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens ist damit eröffnet. Auch hier gilt, dass die Biozid-Verordnung zwar die eigenständige Bewertung von Nano­materialien vorsieht. Gleichwohl werden sie den allgemeinen Regimen der Art. 4 und Art. 19 unterworfen. Damit gilt auch für diese Vorschriften, dass sie keine eigenständige, hier zu erörternde welthandelsrechtliche Tendenz aufweisen, sondern insofern auf die zugrunde liegenden und für alle Stoffe und Materialien geltenden Regelungen abzustellen ist. Aus den gleichen wie bereits zuvor genannten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen das GATT vor. Die Vorschriften der Art. 4 Abs. 4 und 19 Abs. 1 lit. f verstoßen daher nicht gegen das Welthandelsrecht.

VI. Die WTO-Konformität einer von der ISO-Norm abweichenden Definition VI. Von der ISO-Norm abweichende Definition Zentrales Fundament für eine nationale und internationale Regulierung von Nano­materialien ist die Verwendung einer einheitlichen Definition dessen, was als „Nano­material“ zu verstehen ist. Nach der aktuellen ISO-Definition TS/27687 wird mit dem Präfix „Nano“ ein Abmessungsbereich von 1 bis 100 nm zum Ausdruck gebracht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie eine Nano­ material-Definition zu bewerten ist, die von dieser ISO-Vorschrift abweicht. Dazu gilt es zunächst zu beachten, dass die bislang von der ISO ausgearbeiteten „Normen“ zu den Nanotechnologien/Nano­materialien noch keine „internationalen ISO-Normen“ sind, sondern allein „technische Spezifikationen“ (technical specifications) und „technische Berichte“ (technical reports) darstellen. Dies gilt

VI. Von der ISO-Norm abweichende Definition

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auch für o.g. Definition, die ebenfalls die Qualität einer technischen Spezifikation aufweist. Eine solche wird etwa dann als Kommunikationsform gewählt, „when the subject in question is still under development“ oder die erforderliche Mehrheit für den Beschluss einer ISO-Norm im engeren Sinne (noch) nicht erreicht wurde.120 Damit bilden technische Spezifikationen gewissermaßen eine Vorstufe zu späteren internationalen Normen.121 Im Übrigen können sie der „pre-standardization“ dienen.122 In diesem Falle ist im Vorwort der Norm explizit darauf hinzuweisen, dass es sich noch nicht um einen internationalen Standard handelt.123 Ein technischer Bericht enthält demgegenüber allein eine Zusammenstellung von Informationen und beansprucht keine weitergehende normative Kraft.124 Beide Instrumente erreichen damit nicht den normativen Grad eines „International­ Standard (IS)“. Technische Spezifikationen und Berichte haben also nur vorläufigen Charakter und beanspruchen noch nicht den Status als internationale Norm. Auch mit Blick auf ihre zeitlich begrenzte Geltung auf drei Jahre125 vermögen sie noch keine internationalen Normen nach Art. 2.4 TBT darzustellen. Indes könnten die technischen Spezifikationen und Berichte der International Organisation for Standardisation als Empfehlungen qualifiziert werden. Dann könnten sie grundsätzlich auch unter Anhang A Nr. 3 lit. d SPS gefasst werden. Selbst wenn man die technischen Spezi­ fikationen der ISO insoweit als internationale Normen nach Art. 2.4 TBT qualifizierte, stellen diese hiernach nur eine „Grundlage“/„a basis“ für die jeweilige technische Vorschrift dar. Hieraus ergibt sich gerade kein Gebot der Übernahme des genauen Inhalts, sondern allein der tragenden Prinzipien und Grundsätze.126 Diese Formulierung eröffnet den Vertragsstaaten einen Gestaltungsspielraum und räumt ihnen eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung internationaler Normen in nationales Recht ein.127 Im Einzelnen ist jedoch noch nicht geklärt, wie weit dieser Gestaltungsspielraum zu reichen vermag.128 Im Rahmen des SPS-Übereinkommens unterliegt eine solche Abweichung gemäß der Art. 3.1 und 3.3 SPS zwar strengeren Maßstäben. Allerdings ist noch nicht geklärt, inwieweit ISO-Normen überhaupt als internationale Normen nach dem SPS in Betracht kommen.129 Daher soll hier dieser Gesichtspunkt nicht vertieft werden. 120

International Organisation for Standardisation, Directives, S. 35. Vgl. International Organisation for Standardisation ebda: „The reasons for publishing the Technical Specification, and an explanation of its relationship to the expected future International Standard, shall be given in the foreword.“ 122 Ebd. 123 Ebd.: „This document is not to be regarded as an ‚International Standard‘.“ 124 International Organisation for Standardisation, S. 36: „The document shall be entirely informative in nature and shall not contain matter implying that it is normative.“ 125 Ebd. 126 Fischer, Daniel, S. 219: „grundlegende technische Lösungsansätze“. 127 Tamiotti, in: Wolfrum/Stoll/Seibert-Fohr, Artikel 2 TBT, S. 212 (224). 128 Siehe im Detail Schroeder, S. 47 f. 129 International Organisation for Standardisation, Standards, S. 3. 121

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H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

Damit bleibt zu konstatieren, dass auch eine „Nano“- bzw. „Nanomaterial“Definition, die von den Spezifikationen der ISO abweicht, mit dem TBT- und auch mit dem SPS-Übereinkommen grundsätzlich vereinbar ist.

VII. Die WTO-Konformität eines Moratoriums/Stoffverbots Erhebliche Risikoaversionen in den Bevölkerungen veranlassten die Europäische Union Ende der neunziger Jahre zu einem de-facto-Moratorium auf genetisch veränderten Organismen in Lebensmitteln. Diese Maßnahme mündete 2006 in einer viel beachteten Panel-Entscheidung, dem Biotech-Fall. Nunmehr werden Forderungen nach einem Moratorium auf Nano­materialien bzw. dem Verbot einzelner Nanostoffe laut.130 Als regulatorisch schärfste Maßnahme sollen daher nun zuletzt ein solches Moratorium und Stoffverbot am Maßstab des WTO-Recht bewertet werden. 1. Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen Zentrale Bedeutung bei der Frage nach der Einschlägigkeit des SPS-Übereinkommens kommt angesichts dessen begrenzten Anwendungsbereichs der konkreten Ausgestaltung eines etwaigen Stoffverbotes zu. Diese ist nur dann gegeben, wenn das Stoffverbot als gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme qualifiziert werden kann. Auch hier gilt, dass wie dargelegt Nano­ materialien (noch) nicht als „Schädlinge“ zu klassifizieren sind, so dass das SPSÜbereinkommen allein unter dem Gesichtspunkt des Schutzes vor Zusätzen oder Toxinen in Lebens- und Futtermitteln in Betracht kommt. Soweit ein Stoffverbot sich also auf die Verwendung eines Nano­materials insgesamt oder sogar explizit nur auf die Verwendung in Lebensmitteln bezieht (vgl. Anhang A Nr. 1 lit. b), ist das SPS mithin einschlägig. Dies hätte zur Folge, dass ein entsprechendes Stoffverbot eines „hinreichenden wissenschaftlichen Nachweises“ der Risiken für die menschliche oder tierische Gesundheit nach Art.  2.2 SPS bedürfte.131 Insoweit mag man unter Risikogesichtspunkten an die abstrakte Gefahr des Verzehrs einer nicht im Vorfeld untersuchten Substanz anknüpfen, die in der internationalen Praxis der Präventivkontrolle von Lebensmitteladditiven ihren Ausdruck findet. Ein Stoffverbot erfüllt indes nicht die necessity-Anforderungen der Art. 2.1, 2.2 SPS.  So stellte etwa eine Zulassungsregelung ein weniger einschneidendes Mittel dar. Die Anforderungen an die necessity würden auch dann bestehen bleiben, wenn man ein Stoffverbot als vorläufige Maßnahme nach Art. 5.7 SPS quali-

130

Siehe oben bei F. V. Zum Wissenschaftlichkeitsmaßstab nach dem SPS-Übereinkommen siehe ausführlich oben bei H. V. 2. a) aa) (1). 131

VII. Die WTO-Konformität eines Moratoriums/Stoffverbots

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fizierte. Denn auch solche vorläufigen Maßnahmen müssen das Notwendigkeitskriterium einhalten (Art. 2.2 SPS). Würde ein Stoffverbot in Gestalt eines de-facto-Moratoriums durch die Aussetzung von Zulassungsverfahren angestrebt, so müsste danach differenziert werden, ob die Aussetzungsentscheidung Normcharakter aufweist oder allein auf informell administrativer Ebene erfolgt ist. Im letzteren Fall läge mangels eigener jus­tiziabler SPS-Maßnahme zwar kein Verstoß gegen Art. 1.1, 2 SPS vor. Jedoch verstieße die artifizielle Hinauszögerung einer Zulassungsentscheidung grundsätzlich gegen das Gebot der zügigen Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach Art. 8 i. V. m. Anhang C Nr. 1 lit. a) SPS.132 2. Vereinbarkeit mit dem TBT-Übereinkommen Ein Stoffverbot ist je nach Ausgestaltung auch am TBT-Übereinkommen zu messen. Dazu müsste die Verbotsnorm eine technische Vorschrift darstellen. Ein Stoffverbot legte fest, in welchen Fällen ein Nano­material nicht in einem bestimmten Produkt oder in Produktkategorien verwendet werden dürfte. Damit würden aber zugleich Merkmale der betroffenen Produkte festgelegt. In­soweit kann auch ein Stoffverbot als technische Vorschrift nach Art. 2.1 i. V. m. Anhang 1 Nr. 1 TBT qualifiziert werden.133 Ein Verstoß gegen das Gebot der Inländergleichbehandlung nach Art. 2.1 TBT würde durch ein Stoffverbot nicht begründet. Es stellte angesichts der Möglichkeit einer Zulassungspflicht aber ein nicht mehr notwendiges Handelshemmnis nach Art. 2.2 Satz 2 TBT dar. Sonach würde ein Stoffverbot auch gegen die Bestimmungen des TBT-Übereinkommens verstoßen. Eine Aussetzung der Zulassungsverfahren würde wiederum das Gebot der raschen Durchführung von Zulassungsverfahren verletzen, welches sich hier aus Art. 5.2.1 TBT ergibt. 3. Vereinbarkeit mit dem GATT Angesichts der Verstöße sowohl gegen das SPS- als auch gegen das TBT-Übereinkommen kommt es auf die Vereinbarkeit eines Stoffverbots mit dem GATT nicht mehr an (vgl. Allgemeine Auslegungsregel zu Anhang 1 A WTO).

132 WTO Panel Report, European Communities — Measures affecting the approval and marketing of biotech products, WT/DS291, DS292 und DS293 (2006), Nr.  7.1530. Hierzu Herdegen/Dederer, in: dies., Kommentierung der Richtlinie 2001/18/EG Rn. 67. 133 So auch WTO Appellate Body Report, European Communities – Measures affecting­ Asbestos and Asbestos-containing Products, WT/DS135/AB/R (2000), Nr. 75.

262

H. Vereinbarkeit der Regulierung von Nano­materialien mit dem WTO-Recht

4. Ergebnis Nach alledem verstieße ein Stoffverbot, sei es nun expliziter Natur oder in Form eines de-facto-Moratoriums wie im Biotech-Fall, umfassend gegen die Bestimmungen des WTO-Rechts.134

VIII. Fazit zu Teil H. Die vorangehenden Untersuchungen führen zu dem Ergebnis, dass eine umfassende Regulierung von Nano­materialien durch das Unionsrecht entgegen anders verlautender Auffassungen sehr wohl WTO-konform ausgestaltet werden kann. Zunächst zeigte sich, dass – mit Ausnahme des Bereichs der Lebens- und Futtermittel  – dem SPS-Übereinkommen kaum eine Relevanz zukommt. Ebenfalls wurde deutlich, dass bislang kaum internationale Normen zur Regulierung von Nano­materialien existieren. Dies verschafft dem Unionsgesetzgeber zunächst einmal einen größeren Gestaltungsspielraum. Soweit von einer Meldepflicht für ein Nanoproduktregister und einem Zulassungsregime mittelfristig solche Nano­ materialien ausgenommen werden, die deutlich kein spezifisches Gefährdungspotenzial erkennen lassen, stehen solche Regulierungsmechanismen auch im Einklang mit dem Welthandelsrecht. Dies gilt auch für die bereits bestehenden Regelungen in den Lebensmittel- und Biozidregularien.

134

Kritisch auch Stokes, Legal Studies 29 (2009), S. 281 (296 f.).

I. Zusammenfassende Thesen 1. Die aktuellen Definitionsempfehlungen der ISO und der Europäischen Kommission begrenzen den definitorischen Größenbereich eines Nanopartikels auf 1 bis 100 nm. Die besonderen Eigenschafen und Charakteristika nanoskaliger Stoffteilchen (etwa Zellgängigkeit und erhöhte Reaktivität) können jedoch durchaus auch in Größenbereichen bis mindestens 300 nm auftreten. Aus diesem Grunde sollte erwogen werden, die „Nano“-Definition auf Größen bis 300 nm zu erstrecken. Die begriffliche Begrenzung eines „Nano­materials“ nach der Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission auf ein Material, welches mindestens 50 % Nanopartikel enthält (Anzahlgrößenverteilung), findet aktuell keine hinreichende wissenschaftliche Absicherung. 2. Die spezifischen Eigenschaften von Nanopartikeln hängen nach gegenwärtigem Kenntnisstand von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von dem Material, der Oberfläche und der Partikelgröße. Damit ergibt sich die Problemkonstellation, dass grundsätzlich jedes Nano­material mit Partikeln abweichender Größe oder modifizierter Oberfläche einer eigenen Bewertung bedarf. Der hiermit verbundene ganz erhebliche Forschungs- und Bewertungsaufwand rechtfertigt es, von der nanospezifischen Ungewissheit zu sprechen. 3. Die bisherige chemikalienrechtliche Praxis verknüpft den Stoffbegriff mit stoffspezifischen Eigenschaften, die insoweit als maßgebliches Unterscheidungskriterium dienen. Vor diesem Hintergrund sind auch Nano­materialien als neue Stoffe zu qualifizieren. Jedenfalls bedürfen Nano­materialien einer eigenständigen Betrachtung. 4. Insbesondere die größenbedingte Zellgängigkeit, die partiell auftretende Fähigkeit zur Überwindung der Blut-Hirn- und der Luft-Blut-Schranke sowie die deutlich gesteigerte Reaktivität begründen eine eigene toxikologische Relevanz von Nano­materialien und damit einen Anlass zur Vorsorge im Sinne des Vorsorge­prinzips. Diese Annahme wird durch verschiedene Untersuchungen bestätigt, die bei unterschiedlichen Nanostoffen auf teilweise erhebliche Auswirkungen vor allem auf den menschlichen und tierischen Organismus hindeuten. Eine pauschale Aussage zu einer Gefährlichkeit von Nano­materialien wird durch die Annahme eines Vorsorgeanlasses nicht getroffen und wäre sachlich auch nicht gerechtfertigt. 5. Die verschiedenen Maßnahmen des EU-Gesetzgebers zur Regulierung von Nano­materialien haben bereits jetzt eine solche Dichte erreicht, dass nicht von einer Verletzung der Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 1 GrCh ausgegangen werden kann.

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I. Zusammenfassende Thesen

6. Die Notwendigkeit einer eigenständigen Bewertung von Nano­materialien sollte ihren Ausdruck auch und vor allem in der ­R EACH-Verordnung finden. Insofern bedürfen die Art. 5 ff. ­R EACH einer Klarstellung dahingehend, dass Nano­ materialien im Rahmen der Registrierung gesondert zu bewerten sind. Vorteilhaft erscheint dabei ein eigenes Registrierungsdossier. Hiermit verbunden ist zugleich die Herabsenkung der Mengenschwelle für Nano­materialien, die sich insoweit an der seit 2013 geltenden Meldepflicht in Frankreich (100 g/a) orientieren könnte. 7. Die in Art. 19 Abs. 1 lit. ii Kosmetik-Verordnung (EG) Nr. 1223/2009, Art. 18 Abs.  3 Lebensmittelinformations-Verordnung (EU) Nr.  1169/2011 und Art.  58 Abs. 3 lit. d und Art. 69 Abs. 2 lit. b Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 vor­ gesehene Kennzeichnungspflicht von Nano­materialien mit einem „Nano“-Zusatz in der Liste der Inhaltsstoffe ist sowohl mit Art.  16 und 17 GrCh als auch mit Art. 34 AEUV vereinbar. Gleiches gilt für den im Ermessen des Zulassungs­ inhabers stehenden zusätzlichen Risikohinweis nach Art. 69 Abs. 2 lit. b BiozidVerordnung. 8. Im Bereich verbrauchernaher Produkte kann prinzipiell ein berechtigtes Interesse des Konsumenten an der Kenntnis über etwaige nanopartikuläre Inhaltsstoffe attestiert werden. Mit dieser Annahme korrespondieren die wachsende Zurückhaltung der Verbraucher gegenüber den Nanotechnologien und die bereits vereinzelt vorzufindende Werbung mit der Abwesenheit von Nano­materialien in einem Produkt. Eine Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht erscheint vor diesem Hintergrund immer dann sachgerecht, wenn von einem gesteigerten Interesse des Verbrauchers an der Kenntnis über nanoskalige Inhaltsstoffe nicht ausgegangen werden kann. Dies dürfte zunächst für viele fest in Produkten eingebunde Nano­materialien gelten, insbesondere wenn der Verbraucher nicht direkt mit ihnen in Berührung kommt. Eine geringe Verbraucherrelevanz werden auch solche Stoffe aufweisen, die sich von Natur aus in einem Produkt oder Stoff befinden (v. a. im Bereich der Lebensmittel) und nichts „Neues“ darstellen. Zutreffend beschränkt sich daher der Anwendungsbereich der Kennzeichnungspflicht der EU-Lebensmittelinformations-Verordnung auf synthetische Nano­materialien (Art. 18 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 lit. t). Die Überlegung, eine Ausnahme auch für bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe vorzusehen, die sich in jahrzehntelanger Anwendung bewährt haben und als solches ohnehin deklarationspflichtig sind, ist insoweit sachgerecht. Über die bereits bestehenden EU-Regularien hinaus sollten solche Nano­materialien daher in allen verbrauchernahen Produkten gekennzeichnet werden, um dem primärrechtlich in Art.  169 Abs.  1 AEUV verankerten Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers Rechnung zu tragen. Dies kann durch einen Hinweis auf der Produktverpackung geschehen oder durch eine Klarstellung in der Liste der Inhaltsstoffe erfolgen. Die Kennzeichnung soll dabei allein der Selbstbestimmung des Verbrauchers dienen und dementsprechend keinen Risikonexus aufweisen, sofern ein solcher nicht eindeutig besteht. Eine solche Kennzeichnung ist mit dem Primärrecht (Art. 16, 17 GrCh und Art. 34 AEUV) vereinbar.

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9. Zur Verbesserung der Markttransparenz und zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit sollte eine Meldepflicht für ein unionsweites Nanoproduktregister eingeführt werden. Dabei bietet sich eine Aufteilung des Registers in einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil an. Während der öffentliche Teil der ergänzenden Verbraucherinformation dienen würde und mit Rücksicht auf etwaige Geschäftsgeheimnisse im Informationsumfang beschränkt wäre, würde der nichtöffentliche Teil durch eine umfassende Information der Behörden vor allem die Rückverfolgbarkeit gewährleisten. Sowohl die Meldepflichten als solche als auch die Veröffentlichung der Daten (öffentlicher Teil) bzw. deren dauerhafte Speicherung (nicht-öffentlicher Teil) sind in einer solchen oder ähnlichen Ausgestaltung mit den Grundrechten der Art.  16 und 17 GrCh und der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV vereinbar. 10. Die spezielle Notifizierungspflicht für Nano­materialien in kosmetischen Produkten nach Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1 i. V. m. Art. 13 Kosmetik-Verordnung steht ebenfalls mit Art. 16 und 17 GrCh und Art. 34 AEUV im Einklang. 11. Der Einführung von nanospezifischen Partikelkonzentrationsgrenzwerten etwa im Luft- oder Wasserrecht stehen derzeit vor allem die erschwerte Nachweisbarkeit von Nano­materialien in den Umweltmedien und fehlende Erkenntnisse über Dosis-Wirkung-Beziehungen entgegen. Aus diesem Grunde ist aktuell die Festlegung von Grenzwerten kein geeignetes Mittel zum Umwelt- und Gesundheitsschutz. Bei einem künftig verbesserten Wissensstand sollte der Beitrag der Europäischen Union vor allem in der Festlegung von Mindestgrenzwerten oder alternativ Richtgrenzwerten bestehen, von denen die Mitgliedstaaten nach oben hin abweichen können. 12. In verschiedenen Produktbereichen sieht das Sekundärrecht bereits Zulassungsregelungen für Nano­materialien vor. Diese produkt- und damit verwendungsbezogenen Vorschriften knüpfen an die Nanoskaligkeit des Materials an. Die damit verbundene Verpflichtung zur eigenständigen Bewertung von Nano­ materialien in Lebensmittelzusatzstoffen, Lebensmittelkontaktmaterialien und Biozidprodukten (Art.  12 Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung [EG] Nr.  1333/ 2008; Art. 9 Abs. 2 Verordnung [EU] Nr. 10/2011; Art. 4 Abs. 4, Art. 19 Abs. 1 lit. f der Biozid-Verordnung [EU] Nr. 528/2012) wird Verhältnismäßigkeitsanforderungen noch gerecht. Bei einem künftig verbesserten Wissensstand sollten diese Regelungen jedoch um Mechanismen zur Ausklammerung unbedenklicher Nano­ materialien ergänzt werden. 13. Zur Gewährleistung einer Präventivkontrolle von Nano­materialien ist die Einführung weiterer Zulassungspflichten grundsätzlich möglich. Entsprechende Regelungen sollten wie das bestehende Recht ebenfalls an die Nanoskaligkeit eines Materials anknüpfen und verwendungsbezogen sein. Die teilweise befürwortete allgemeine Zulassungspflicht für Nano­materialien im Rahmen der ­R EACHVerordnung stellte einen Bruch mit der Systematik von ­R EACH dar und erscheint unter Kohärenzgesichtspunkten fragwürdig. Vorzuziehen ist eine Ergänzung bzw.

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Einführung weiterer produktspezifischer EU-Regelungen, insbesondere im Bereich verbrauchernaher Produkte. Solche Zulassungsregime stehen dann im Einklang mit den Art.  16 und 17 GrCh und Art.  34 AEUV, wenn es hinreichende Mechanismen zur Ausklammerung unbedenklicher, insbesondere natürlicher Nano­materialien vorsieht. Soll ein Material in verschiedenen Maßstäben verwendet werden, sollte bei der Bewertung innerhalb eines Materials nach 10 nm-Größenbereichen differenziert werden. Die Betrachtung eines einzigen Größenbereichs reicht angesichts sich abzeichnender größenabhängiger Effekte nicht aus. 14. Anders als eine Zulassungspflicht genügt ein Moratorium für Nano­ materialien in Form eines Stoffverbots nicht den Anforderungen an eine angemessene Regulierung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Es verstößt damit gegen die Art. 16 und 17 GrCh sowie gegen Art. 34 AEUV. Im Falle eines de-facto-Moratoriums durch die (bloße) informelle Aussetzung von Zulassungsverfahren etwa im Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe verbleibt den Betroffenen allein die Untätigkeitsklage nach Art. 265 Abs. 3 AEUV. 15. Vor allem das Kohärenzgebot als Schranke des Vorsorge­prinzips ist im Rahmen der Regulierung von Nano­materialien einzuhalten. Dieses verlangt eine insgesamt „harmonische“ Regulierung, aber keine völlige Widerspruchsfreiheit. Aus diesem Grunde sind sowohl Kennzeichnungspflichten als auch eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister als mit dem bestehenden Rechtsrahmen kohärent zu betrachten. Die Ergänzung bestehender Zulassungsregime um eine Nano-Komponente scheint unter Kohärenzgesichtspunkten sogar geboten, um den besonderen Eigenschaften von Nano­materialien Rechnung zu tragen. Im Übrigen vermag eine Zulassungspflicht für die Verwendung von Nano­materialien in anderen Produktbereichen noch keine justiziable Inkohärenz zu begründen. Im Gegensatz dazu stellt ein Stoffverbot keine kohärente Maßnahme mehr da. 16. Nanostoffe und Makrostoffe betreffen als chemische Substanzen die gleiche Sachmaterie und sind daher als „gleich“ im Sinne des Diskriminierungsverbots zu qualifizieren. Die aus diesem Grunde erforderliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung etwa im Rahmen einer Kennzeichnung liegt hier in den spezifischen Merkmalen von Nano­materialien begründet. 17. Grundsätzlich verbleibt den Mitgliedstaaten ein eigener Gestaltungsspielraum zur Regulierung der Nanotechnologien. Dies gilt insbesondere für nationale Regelungen von Meldepflichten für Produkte, die Nano­materialien enthalten, wie sich auch am Beispiel der entsprechenden französischen Vorschriften zeigt. Raum für nationale Zulassungsvorbehalte besteht nur im Falle sektorspezifischer Regelungen und auch nur dann, wenn noch keine sekundärrechtlichen Zulassungssysteme existieren. Nationale Alleingänge bergen jedoch ein erhebliches Risiko der Fragmentierung des Binnenmarktes. Vorzuziehen sind daher stets unionsweite Regelungen. 18. Die Regulierung von Nano­materialien birgt ein enormes Potenzial für welthandelsrechtliche Auseinandersetzungen. Aus diesem Grunde ist auf die Verein-

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barkeit entsprechender Maßnahmen insbesondere mit dem GATT, dem TBT- und dem SPS-Übereinkommen zu achten. Nano­materialien als Stoffe unterfallen dem Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens nur insoweit, als sie in Form von Zusätzen, Verunreinigungen oder Toxinen in Lebens- und Futtermitteln vorhanden sind (Anhang A Nr. 1 lit. b SPS). Sie stellen insbesondere keine Organismen oder Schädlinge nach den Buchstaben a, c und d dar. 19. Die Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien in Lebensmitteln nach der EU-Lebensmittelinformations-Verordnung dient in objektiver und subjektiver Hinsicht allein der Gewährleistung einer selbstbestimmten Verbraucherentscheidung und fällt daher nicht unter den Anwendungsbereich von Anhang A Nr.  1 lit. b SPS. 20. Eine Kennzeichnungspflicht für Nano­materialien nach bestehendem EURecht und in der hier vorgeschlagenen Ausgestaltung unterfällt dem TBT-Übereinkommen. Sie begründet jedoch weder einen Verstoß gegen den Grundsatz der Inländergleichbehandlung (Art. 2.1 TBT) noch stellt sie ein unnötiges Handelshemmnis nach Art.  2.2 Satz  1 TBT dar. Soweit die Kennzeichnung von Nano­ materialien in verbrauchernahen Produkten der Verbraucherinformation dient, ist sie vielmehr ein „berechtigtes Ziel“ („legitimate objective“) im Sinne des Art. 2.2 Satz 3 TBT. Auch eine Vereinbarkeit mit Art. III:4 und XI:1 GATT ist zu bejahen. 21. Die Pflicht zur eigenständigen Zulassung von Nano­materialien als Lebensmittelzusatzstoffe nach Art.  12 der Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung muss sich zwar grundsätzlich am SPS-Übereinkommen messen lassen. Sie weist indes keine eigene welthandelsrechtliche Tendenz auf. Vom insoweit nach Art. 3.1 SPS grundsätzlich einzuhaltenden Codex General Standard for Food Additives (GSFA) als internationaler Norm kann nach dessen Anmerkung 161 durch nationale Vorschrift abgewichen werden. Auch Art. 9 Abs. 2 VO (EU) Nr. 10/2011, der eine Verpflichtung zur eigenständigen Zulassung nanopartikulärer Stoffe in Lebensmittelkontaktmaterialien vorsieht, ist selbst mit den WTO-Vorschriften vereinbar. 22. Eine von der ISO-Definition ISO/TS 27687 abweichende Festlegung des Größenbereichs eines Nano­ materials verstößt nicht gegen die Vorschrift des Art. 2.4 1. Hs. TBT, da es sich bei den definitorischen Festlegungen der ISO noch nicht um einen „International Standard“ handelt und somit noch keine internationale Norm vorliegt, die zwingend zu berücksichtigen wäre. 23. Eine Meldepflicht für ein nicht-öffentliches Nanoproduktregister dient nur mittelbar dem Gesundheitsschutz und betrifft alle Arten von Produkten, von denen Lebensmittel nur ein kleiner Teil  sind. Aus diesem Grunde ist der Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens nach Anhang A Nr.  1 lit.  b SPS nicht eröffnet. Eine Meldepflicht für ein Nanoproduktregister legt keine Produktmerkmale fest und stellt damit auch keine technische Vorschrift nach Anhang 1 Nr. 1 TBT dar. Auch der Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens ist folglich

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nicht eröffnet. Ein Verstoß gegen Art. III:4 und XI:1 GATT kommt nicht in Betracht. 24. Ein Zulassungsvorbehalt für die Verwendung von Nano­materialien unterfällt bis auf die Ausnahme von Lebens- und Futtermitteln nicht dem Anwendungsbereich des SPS. Es begründet keinen Verstoß gegen Art. 2.1, 2.2 oder 2.4 TBT, soweit eine Ausklammerung unbedenklicher Stoffe vom Zulassungsregime gewährleistet ist. Gemäß Art. 5.4 TBT sind u. a. Empfehlungen internationaler Normorganisationen als Grundlage heranzuziehen. Hierzu zählen etwa die Empfehlungen der OECD zur Bewertung von Nano­materialien. Auch im Übrigen steht ein Zulassungsvorbehalt für Nano­materialien noch im Einklang mit den Vorschriften der WTO. 25. Ein Moratorium in Form eines Stoffverbotes verstößt sowohl gegen Art. 2.2 SPS als auch gegen Art. 2.2 Satz 2 TBT. Eine Aussetzung von Zulassungsverfahren als de-facto-Moratorium begründet demgegenüber einen Verstoß gegen Art. 8 i. V. m. Anhang C Nr. 1 lit. a SPS und gegen das Gebot der raschen Durchführung von Zulassungsverfahren nach Art. 5.2.1 TBT.

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–– bestehende 162 –– für Nanomaterialien  163 –– Mindestgrenzwerte 163 –– Minimierungsgebot 166 –– Nanopulver-Entscheidung 165 –– Richtgrenzwerte 164 –– Wasserrecht 102 Größeninduzierte Funktionalität  38 Harmonisierungskompetenz 212 H-Kriterien  93, 100 ISO-Norm –– Abweichungsspielraum 259 –– welthandelsrechtliche Bedeutung  232, 247 IVU-Richtlinie 98 Kennzeichnungspflichten –– Ausgestaltungsoptionen bei Nanomaterialien 122 –– Ausnahmen für bestimmte Nanomaterialien 123 –– Beschränkung von Art. 34 AEUV  133 –– Eingriff in Art. 16 GrCh  126 –– Eingriff in Art. 17 GrCh  129 –– freiwillige Kennzeichnung  127 –– für Nanomaterialien  119 –– nationaler Gestaltungsspielraum  215, 217 –– Selbstbestimmungsrecht des Konsumenten 119 –– Stigmatisierung 124 –– Überblick über  117 –– Vereinbarkeit mit dem GATT  233 –– Vereinbarkeit mit dem TBT  227 –– Vereinbarkeit mit SPS  225 –– welthandelsrechtliche Bedeutung  224 Kohärenzgebot –– Justiziabilität 203 –– Kennzeichnung von Nanomaterialien  204 –– Meldepflichten für Nanomaterialien  205 –– Moratorium für Nanomaterialien  209

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Sachverzeichnis

–– Regelungsgehalt 203 –– Zulassungspflichten für Nanomaterialien  207 Kohlenstoffnanoröhrchen 50 Komitologieverfahren  60, 180, 183 Kosmetik-Verordnung –– Kennzeichnungspflicht für Nanomaterialien 106 –– Notifizierungspflichten  135, 156, 158 –– Regelungsgehalt 105 –– Vereinbarkeit mit dem TBT  239 –– Veröffentlichung von Produktinformatio­ nen  107, 161 Landgericht Dortmund – Sonnencreme-Entscheidung  107, 120 Lebensmittelinformations-Verordnung –– Ausnahmen von Kennzeichnungspflicht für Nanomaterialien  109, 123 –– Kennzeichnung von Nanomaterialien  108 –– Regelungsgehalt 108 Lebensmittelkontaktmaterialien-Verordnungen –– Begriff der Nanostrukturen  112 –– funktionelle Barriere  111 –– Regelungsgehalt 111 –– Vereinbarkeit mit dem SPS  255 Lebensmittelzusatzstoff-Verordnung –– Begriff der Nanotechnologie  110 –– Gemeinschaftsliste der Zusatzstoffe  110 –– Regelungsgehalt 110 –– Vereinbarkeit mit dem SPS  249 –– Vereinbarkeit mit dem TBT  254 Lotus-Effekt 42 Materialprinzip 49 Meldepflichten –– Abgrenzung zur Zulassungspflicht  174 –– Ausgestaltungsoptionen bei Nanomateria­lien  136 –– Beschränkung von Art. 34 AEUV  152 –– Eingriff in Art. 16 GrCh  142, 148 –– Eingriff in Art. 17 GrCh  143, 150 –– für Nanomaterialien in Frankreich  139 –– Geschäftsgeheimnisse  144, 151, 159 –– Nationaler Gestaltungsspielraum  218 –– Sinn und Zweck  137, 138 –– Vereinbarkeit mit dem GATT  238 –– Vereinbarkeit mit dem SPS  235

–– Vereinbarkeit mit dem TBT  237 –– welthandelsrechtliche Relevanz  235 Moratorium –– als Stoffverbot  199 –– de-facto 199 –– durch Aussetzung von Zulassungsverfahren  198, 201 –– durch Stoffverbot  197 –– Vereinbarkeit mit dem SPS  260 –– Vereinbarkeit mit dem TBT  261 Nanobiotechnologie 46 Nanomaterialien –– als Abfall  101 –– als neue Stoffe  91 –– Begriff  32, 34 –– bestehende Zulassungspflichten  170 –– Bewertung 94 –– Definition der Europäischen Kommission  32 –– Definition der ISO  31 –– Eigenschaften  39, 41, 57, 72 –– exclusive 40 –– gebundene 37 –– Gesetzgebungszuständigkeit 212 –– Grenzwerte 163 –– im Stoffkreislauf  47, 101 –– Membrangängigkeit 50 –– natürliche  36, 190 –– non-exclusive 40 –– Oberfläche  38, 39 –– Ökotoxizität 53 –– Qualifizierung als neuer Stoff  39 –– REACH siehe REACH, Erfassung von Nanomaterialien –– Reaktivität 38 –– Risiken  46, 49, 52, 73 –– Risikobewertung  53, 55, 72 –– synthetische 36 –– Toxizität 52 –– Überwindung der Blut-Hirn-Schranke  49 –– ungebundene  37, 122, 138 –– Ungewissheit siehe Ungewissheit, nanospezifische –– Verbraucherwahrnehmung 120 –– Zulassungspflichten 172 Nanomedizin 43 Nanopartikel

Sachverzeichnis –– Definition der Europäischen Kommission  32 –– Definition der ISO  31 Nanoproduktregister siehe Meldepflichten Nanopulver-Entscheidung 165 Nanotechnologien –– als Querschnittstechnologie  42 –– Begriff  30, 35 –– Charakteristikum 48 –– Kosten-Nutzen-Analyse 68 Nanotoxikologie 49 Novel Food  103, 115, 135, 198

289

–– Rechtsfolgen 82 –– tatbestandliche Voraussetzungen  81 Schutzverstärkungsklausel  216, 217, 219 Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers  121, 126, 138 Seveso II-Richtlinie  97 Sonnencremes  43, 51 –– Entscheidung des Landgerichts Dortmund  107 SPS-Übereinkommen –– Regelungsgehalt 224 –– Risikobewertung 251 –– vorübergehende Maßnahmen  252

Oberflächenprinzip  49, 72 Pfizer Animal Health 62 phase-in-Stoffe  88, 90 process approach  74 product approach  74 quantum dots  43 REACH –– Erfassung von Nanomaterialien  90, 91, 92, 168 –– Mengenbeschränkungen 95 –– nationale Gestaltungsspielräume  220 –– Registrierungsdossier  88, 92, 95, 189 –– Registrierungspflicht  88, 204 –– Stoffbegriff 87 –– Stoffinformation 95 –– Stoffsicherheitsbericht  88, 95 –– Überblick über  86 –– Zulassungspflichten  167, 177, 179 Risikobegriff  63, 64 –– hypothetisches Risiko  64 –– potenzielles Risiko  63 Risikomanagement  63, 67 Risikovorsorge  61, 62 RoHS-Richtlinie 123 Schutzpflichten 77 –– bei Nanomaterialien  84 –– Herleitung 78 –– Herleitung aus der EMRK  79 –– Herleitung aus der Grundrechtecharta  79 –– Intensitätsschwelle 81 –– Prüfungsumfang 83

TBT-Übereinkommen –– Inländergleichbehandlung 228 –– internationale Normen  231 –– Konformitätsbewertungsverfahren 246 –– Regelungsgehalt 224 –– unnötige Handelshemmnisse  229 Testverfahren – OECD  60, 171, 247 Transportprinzip  49, 72 Ultrafeinstaub  36, 48, 52, 99 Ungewissheit –– als Rechtsproblem  58 –– Bewältigung  59, 182 –– Bewältigung in der Kosmetik-Verordnung 106 –– hypothetisches Risiko  65 –– im Rahmen des SPS  251 –– im Rahmen des TBT  244 –– nanospezifische 57 –– Revisionsklauseln 60 –– sicherheitstechnische 58 –– Verhältnismäßigkeitsaussagen unter  186 –– Vorsorgemaßnahmen bei  67 –– Vorsorgeprinzip 62 –– Zulassungspflichten 60 Verbraucherwahrnehmung 120 Verhaltenskodex der Europäischen Kommission  70, 104 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  66, 183 –– Ungewissheit 186 Verordnung über besondere Lebensmittel  114, 170 Verordnung über Medizinprodukte  115

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Sachverzeichnis

–– Kennzeichnungspflicht für Nanomaterialien 116 Vorsorgeanlass 73 –– bei Nanomaterialien  69, 73 Vorsorgeprinzip –– Anwendbarkeit bei Nanomaterialien  69 –– Gefährlichkeitsvermutung 71 –– hypothetisches Risiko  64 –– Kosten-Nutzen-Analyse 68 –– Meldepflichten 155 –– potenzielles Risiko  61, 63, 64 –– Rechtsfolge  62, 66 –– Regelungsgehalt 61 –– Tatbestand 61 –– vorsorgespezifisches Schutzniveau  75 Wasserrecht 101

Zulassungspflichten –– Abgrenzung zur Meldepflicht  174 –– Ausgestaltungsoptionen bei Nanomateria­lien  174 –– Beschränkung von Art. 34 AEUV  192 –– bestehender Rechtsrahmen  169 –– Eingriff in Art. 16 GrCh  185 –– Eingriff in Art. 17 GrCh  186 –– nanospezifische 170 –– nationaler Gestaltungsspielraum  219 –– Rechtsfolge 180 –– sektorspezifische 176 –– Sinn und Zweck  167 –– stoffbezogener Ansatz  175 –– Vereinbarkeit mit dem SPS  243 –– Vereinbarkeit mit dem TBT  243 –– verwendungsbezogener Ansatz  175