Nahrhafte Landschaft: Ampfer, Kümmel, Wildspargel, Rapunzelgemüse, Speiselaub und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen 9783205126119, 9783205990055

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Nahrhafte Landschaft: Ampfer, Kümmel, Wildspargel, Rapunzelgemüse, Speiselaub und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen
 9783205126119, 9783205990055

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Böhlau

Michael Machatschek

Nahrhafte Landschaft Ampfer, Kümmel, Wildspargel, Rapunzelgemüse, Speiselaub und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen

3., unveränderte Auflage

Böhlau Verlag Wien • Köln • Weimar

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-99005-5

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der E n t n a h m e von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege u n d der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwetung, vorbehalten.

©

1. Auflage: 1999, 2. Auflage: 2003, 3. Auflage: 2 0 0 7 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H . & Co. KG, W i e n • Köln • Weimar http://www.boehlau.at http://www.boehlau.de

©

Fotos: Michael Machatschek, Wien

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- u n d säurefrei gebleichtem Papier. Druck: Imprint, Ljubljana

Karl Heinrich HÜLBUSCH machte während seiner Wiener Vorlesungen auf die „Botanischen Lehrbriefe" Rousseaus aufmerksam. Als ijj2 während der Französischen Revolution die Köpfe rollten, schrieb der flüchtende Jean-Jacques ROUSSEAU an seinen Schweizer Freund DUPEYROU, mit dem er sich den Besitz mancher botanischer Bücher teilte: „Vorderhand muß ich mich schön stille halten, abwarten und fortfahren, Kräuter zu sammeln. Ich frage mich, mein lieber Freund, wie machen Sie es nur? Sie denken, Sie sind ein Ehrenmann, und dennoch werden Sie nicht gehängt? Aber ich, wenn ich auf gute, nützliche Gedanken komme, sehe ich auf der Stelle Schafott und Galgen vor mir. Doch mit einem L I N N E in der Tasche und Heu im Kopf, werde ich wohl nicht gehängt werden!?"

Inhalt

9

Vorbemerkungen 1. Landschaft unter dem Aspekt der Nahrhaftigkeit

15

In der Landschaft liegen die „Mittel des Lebens" verborgen

16

Die Bereicherung an den Allmenden

17

Die Weltmacht des künstlichen Aromas

18

Landschaftsbild und Landschaftspflege

20

Begriffsklärungen 2. Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

27

Ampfergärten und Blackenäcker - die Nutzung des Alpenampfers als Nahrungs- und Futtermittel

48

Der Kümmel - ein „fürsorgliches Heilkraut"

57

Alpines Wildgemüse im Sommer

61

Die Kraft des Löwenzahns

66

Das Rapunzelgemüse - Von Teufelskrallen und Glockenblumen

76

Die Rapontikwurzel der Bergscharte

79

Die Nachtkerze als Wurzelgemüse und Heilpflanze

84

Der Wald-Geißbart als wohlschmeckender Wildspargel

93

Vom Hopfenblütentee bis zum Spargelgemüse

96

Thymian - ein Lockmittel für Bienen und ein Desinfektionsmittel 3. Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

99

Die Rotbuche

105

Die Eichen

116

Die Ahorne

120

Die Linde als Haus- und Nährbaum

123

Die Schwarzen Pappeln

126

Die Balsampappel und das Ol vom Lungauer Balsambaum

6

4- Speiselaub und Schnaitelnutzung 135

Die Nahrhaftigkeit der frischen Fichtentriebe

139

Laub- oder Grünmehl zur Streckung der Nahrung und des Futters

147

Der Efeu und die Nutzung des Laubs

151

Waldblätter zur Erzeugung von Schwarzem Tee 5. Die Wildobstnutzung

159

Die veredelte Hagebutte als Wintervorrat

168

Dirndln als Oliven, Marmelade, Kaffee und Rauschspender

176

Die Beeren der Lampionblume

184

Der Schneeball für Marmelade

189

Die Traubenkirsche - ein verkanntes Wildobst 6. Pilze, Flechten und Farne

195

Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel

212

Vom „Floigntod" durch den Fliegenpilz

217

Die „Graupen" oder das Isländische Moos

228

Vom Nutzen der Farne 7. Schlußbetrachtungen

257

Uber die Sammelnutzung

259

Landschaft und Wirtschaft

266

Natur und Arbeit - Die Kultur der Selbstversorgung

270

Verwendete Literatur

279

Register der Krankheiten

281

Stichwortregister

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7

KRAUTER

HANDLUNG

fr 9

Bei Spaziergängen in Wien-Hernals wurde ich Ende der achtziger Jahre auf einen alten Laden in der Weißgasse aufmerksam. Dieses Dürrkräutler-Geschäfl ist seit mehreren Jahrzehnten geschlossen. Solche Läden hatte es um die Jahrhundertwende viele in Wien gegeben. Kräuter, Wildgemüse und Wildobst zu sammeln und zu verarbeiten und u.a. an Kräutler zu verkaufen, hörte sich mit dem Aufkommen von Drogerien und Apotheken auf. In den Nachkriegsjahren schritt der Ersatz der dürren Kräuter durch die Aufwartung chemischer Mittel voran. Die Apotheken führten neben den Kräutern Tabletten, Pillen und synthetische Pulver. Brachten früher viele Sammler berufsmäßig ihre Ware zum Dürrkräutler, so erfolgte ab den 50er Jahren die Belieferung der Apotheken über den landwirtschaftlichen Anbau. Ab dieser Zeit war Sammelngehen ungepflogen. Mit dem Abkommen von der Sammelkultur gingen Erfahrungen verloren, und Wissensvorräte wurden abgeschafft. Dies betrifft das detaillierte Wissen um Verarbeitung und Verwendung wie die allgemeinen Kenntnisse. Ohne Detailwissen nützen die bekannten Pflanzen nichts, sie werden zum Dekor und die Kräuter zum Alibi der Drogisterei. Und die Menschen sind den scheinbar Wissenden ausgeliefert. Das Kraut gilt heute als Emblem auf synthetisch hergestellten Mitteln. Die Wirkstoffe der vielen heilwirksamen Kräuter und Aromastoffe sind im Labor nur scheinbar herstell- und ersetzbar. Die Heilpflanze mutiert zum Betrug und zum Alibi der Pharmaka und universitären Wissensverschüttung. Der geschlossene Kräuterladen steht symbolisch für das Verschließen unserer Gesellschaft vor den kleinen überschaubaren Einheiten mit kleinteiligen Waren und personal vermittelter Wissensvorräte, an denen viele Menschen (Lieferanten und Nutznießer) beteiligt sein könnten.

8

Vorbemerkungen „Die Ernährung ist die wesentliche Aktivität, durch die der Mensch in Beziehung mit seinem Milieu steht und durch die er es verändert. " ( L e v y STRAUSS zit. in TOLKSDORF, 1 9 7 1 : 5)

Wie das Buch zustandekam Für dieses Buch habe ich mich ausführlich mit dem Sammeln von Kräutern, Wildgemüse und Wildobst beschäftigt. Ich habe in verschiedenen Gegenden das entschwundene Wissen über die Pflanzen gesammelt, und dabei auch die Art und Weise des Sammeins und Verarbeitens erlernt. Aus der Fülle von Aufzeichnungen über dieses verschwundene Wissen wird hier ein Auszug wiedergegeben, der sich als eine Wanderung quer durch verschiedene Zeiten und Ortschaften versteht. Daneben habe ich auf das bereits aufgeschriebene Wissen der Fachliteratur zurückgegriffen. Die einzelnen Geschichten der Pflanzen stehen dabei im Wechselspiel zur Landnutzung oder beispielhaft für bestimmte Verwendungsarten. Das Vorhaben, sich mit dem Thema Sammelnutzung auseinanderzusetzen, erscheint in einer Zeit, die von Schnellebigkeit und Profitdenken, von Industrialisierung und Kapitalisierung sämtlicher Lebensbereiche und von Ausbeutung der Naturressourcen gekennzeichnet ist, ein paradoxes Unterfangen. Daher stieß mein interessiertes Nachfragen auf Verblüffung. Häufig wurde in einer Welt der Reglementierungen und Gebrauchsanweisungen der Sinn und Zweck meiner Neugier nicht verstanden. Man verläßt sich auf die Werbung der Medien und ist gegenüber vergangenen Ernährungstraditionen mißtrauisch geworden. Der genaue Blick auf das alte, entschwundene Gebrauchswissen und auf die vorhandene Nutzbarkeit der Landschaft (etwa von Wildgemüse, Wildobst, Kräutern, Bäumen, Naturheilmitteln usw.) wird im Zuge der Enteignung unserer Lebensgrundlagen in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Bei meinen Wanderungen bekam ich vor allem von den alten Leuten liebevolle Unterstützung. Der Blickwinkel des Sammeins und Vergleichens soll im Gegensatz zur gängigen Wissenschaftsperspektive gerade den schonenden sorgsamen Umgang mit der Natur

9

I Vorbemerkungen

Für den angehenden Hirten Fabian: Lernen beginnt beim praktischen Arbeiten, wo ausreichend Freiraum für die personale Wissensvermittlung besteht. Leute, die bei der Arbeit bleiben, tradieren das Gebrauchswissen.

fördern. Insofern kann von „Naturschutz

durch Landnutzung'

gespro-

chen werden (HÜLBUSCH, 1 9 8 6 ; SCHNEIDER, 1995 u. 1997).

Die Annäherung an das Thema Bereits als K i n d u n d Jugendlicher lernte ich das S a m m e l n von Pflanzen und gewann so eine Vertrautheit im U m g a n g mit ihnen. Im Salzkammergut streunte ich mit meinen Geschwistern durch die Gegend. D o r t war ich bei Bauern beschäftigt u n d bin im S o m m e r mit zwei Sennerinnen a u f die A l m gegangen, w o wir während der Aufsicht über das Vieh nebenbei Heilkräuter, Beeren und Pilze sammelten. Eine der Sennerinnen war meine Tante. Sie tauschte S a m m e l g u t gegen Lebensmittel ein. Von ihr lernte ich, daß bei regelmäßigen Sammelgängen ein beträchtliches A u s m a ß an Heil-, N a h r u n g s - u n d Hilfsmitteln erwirtschaftet werden kann. Es war eine spielerische Art des Lernens u n d der Wissensvermittlung durch Arbeiten. Ich begann die B e d e u t u n g der Pflanzen für den Alltag zu erkennen und erwarb allmählich einen beträcht-

10

Vorbemerkungen

I

liehen Wissensvorrat. In der landwirtschaftlichen Mittelschule in Elixhausen bei Salzburg wuchs mein Interesse für Pflanzen. M i t 15 Jahren sammelte ich Pflanzen für ein umfassendes Herbarium. Ich sah das als mein „erstes Forschungsprojekt" an u n d erfuhr dabei

lobenswerte

Unterstützung durch meine Lehrer Kurt HOFMANN und Karl SANTNER. Anfang der 80er Jahre begann ich zu studieren und unter anderem in den Bereichen Landschafts- und Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, Baumpflege, Bauwirtschaft, K o m p o s t i e r u n g

und Almwirtschaft zu

arbeiten. Dabei beschäftigte ich mich mit der einstigen N u t z u n g von W i l d g e m ü s e u n d Wildobst u n d dokumentierte das überlieferte Wissen darüber.

Danksagungen A n der Universität für Bodenkultur bekam ich viele Anregungen von Prof. Wolfgang HOLZNER, Prof. Erich HüBL u n d G e o r g SCHRAMAYR; später lernte ich durch den Hochschullehrer Karl Heinrich HÜLBUSCH aus Kassel vegetationskundige u n d planerische Überlegungen zu Bewirtschaftungsfragen kennen. HÜLBUSCH stärkte meine eigenmächtige Art als Planer u n d lernte mir, „an der kritischen Perspektive des Z u s t a n d e s " einen Ansatz zu finden. M i t ihm wurde die Landschaft sprechend. Aber das eigentliche Wissen habe ich von den Leuten, die es anwendeten.

11

I Vorbemerkungen

Aus den vielen kleinen Details, die ich in Gesprächen mit Bauern und Kräuterkundigen erfuhr, entstanden die hier erzählten Geschichten. Die Erforschung des angewandten Wissens wäre ohne die offene Gesprächsbereitschaft und Gastfreundschaft der Menschen, „die bei der Arbeit blieben" (BERGER, 1982), nicht möglich gewesen. Ihnen ist dieses Buch gewidmet, und die investierte Arbeit soll ihnen und ihren Nachkommen zugute kommen. Ihre Erzählungen über die Sammelnutzung fließen unmittelbar in meine Darstellung ein und bilden eine wichtige Voraussetzung für dieses Buch. Die einzelnen Beispiele stehen für das zähe Beharren dieser Menschen, die Pflanzen für verschiedene Zwecke zu verwenden. Als ich sah, wie mit dem Ableben meiner Großeltern- und Elterngeneration viel praktisches Wissen in der Landbewirtschaftung und im Umgang mit der Natur verlorenging, begann ich, mir über einige Geschichten Notizen zu machen. Anhand von Beispielen aus der Bauernund Almwirtschaft möchte ich neben dem Fachwissen über Kräuter auch die Vielschichtigkeit der bäuerlich-handwerklichen Praktiken herausstreichen. Sie tragen wesentlich dazu bei, daß das Wissen über die Nutzpflanzen nicht verlorengeht. Nach und nach gaben mir Resi ELSL (Strobl), Claudia von WERLHOF (Innsbruck), Inge Meta HÜLBUSCH (Bremen), Veronika BENNHOLDT-THOMSEN (Bielefeld) und Roswitha HUBER (Rauris) die Kraft und subsistenzwirtschaftliche Richtung, um diese Recherchen zu verfolgen. Ihnen allen sei besonders gedankt. Eric R. WOLF berichtet 1997 in Wien, daß in den USA in den 60er und 70er Jahren unter dem Motto „Eßbare Landschaften" oder „Landschaft zum Essen" eine Debatte über „Nahrhaftigkeit" der Landschaft und über den Nährgehalt von Nahrungsmitteln geführt wurde. Seit den frühen 80er Jahren gebrauchte Inge Meta HÜLBUSCH (Kassel und Bremen) den Begriff „Nahrhafte Landschaft" im Rahmen von Vorträgen und Lehraufträgen. An sie ist ein herzliches Dankeschön für die Briefe, Gespräche und Erklärungen über die Nahrhaftigkeit von Landschaften gerichtet. Unter der Betreuung von Karl Heinrich HÜLBUSCH entstand in Kassel eine Fülle kluger, landschaftsplanerischer Arbeiten. Darunter auch „Nahrhafte Landschaften" von Birgit und Andreas KLOSE-WEGMANN (1990). Die profunden Arbeiten und Seminare der Arbeitsge-

12

Vorbemerkungen

I

meinscbaft Freiraum und Vegetation, die teilweise in den Kasseler Notizbüchern veröffentlicht wurden, waren für meine Arbeit sehr hilfreich. Die Kasseler Autoren haben, trotz aller persönlichen Scharmützel, einen Anteil an dieser Arbeit, und ihnen gebührt hohe Wertschätzung. In ihrer Schriftenreihe findet die brauchbarste und kritischste Auseinandersetzung mit Vegetationskunde und Landschaftsplanung statt. Die wesentlichen Arbeiten sind in den Einzelkapiteln angeführt. Im besonderen sei die systematische Arbeit von Birgit AUERSWALD „Nahrhafte Spontanvegetation" (1996) erwähnt. Den Professoren Erich HüBL (Institut für Botanik an der Universität für Bodenkultur) und Karl PLEBER (Institut für Obst- und Gartenbau) sowie Christina WLMMER sei für die Durchsicht der Texte herzlichst gedankt. Besonderer Dank gilt den Leuten, die kein Gespräch und keine Arbeit gescheut haben, um mir Informationen zu vermitteln. Den Redakteurinnen der Zeitschriften Der Alm- und Bergbauer (Innsbruck), Der Osterreichische Kleingärtner

(Wien), Die Osterreichische

Forstzeitung (Klosterneuburg), Kraut und Rüben (München), Die Bergbauern (Wien), Der Almbauer

(Miesbach), Die Bienenwelt

(Graz),

Natur und Heilen (München), Der Komposttiger (Wien), u. v. a. gebührt für die Veröffentlichung verschiedener Beiträge ebenso ein Dankeschön. Eva REINHOLD-WEISZ und Ulrike DLETMAYER vom Böhlau Verlag sei herzlich für die Durchführung dieses Buchprojektes gedankt. Michael Machatschek

13

In der Landschaft kommen neben den „Gratisnaturproduktivkräften" die von den Menschen investierten Arbeiten zum Ausdruck. Sich in der Landschaft kundig zu machen und sie zu verstehen, braucht aufmerksame Spaziergänge. „Die Reise begleitet den Fremden, der sich und seine Lerngeschichte, seine Kenntnisse und Erfahrungen mitnimmt. Der Tourist kann auch in der Fremde nicht zu Hause sein, weil er auch zu Hause kein Reisender, Erfahrender ist", formuliert Karl Heinrich HÜLBUSCH 1992 trefflich. Jene, die als Reisende die Geschichten in der Landschaft wahrnehmen und zu unterscheiden wissen, entdecken darin auch neue Erfahrungen zum klugen Landnutzen. Sie vermögen über den Vergleich der Pflanzendecke, die von der investierten Arbeit der Vorgenerationen und der aktuellen Tätigkeit der Landbewirtschafter geprägt ist, die Landschaft sprechend machen. Heute macht sich in der agroindustrieilen Landschaft, die sich bis in das letzte Gebirgstal angesiedelt hat, „Ortlosigkeit" breit. Man findet überall das Gleiche und immer seltener irgendwelche interessante Geschichten des klugen Wirtschaftens. Somit verschwindet auch eine Art positiver Anstößigkeit und Bewegung als Anlaß des kommunalen Zusammenlebens, wo der einzelne Mensch sich einbringen kann und seine Fähigkeiten aufgehen können.

14

i. Landschaft unter dem Aspekt der Nahrhaftigkeit Wer nicht verwirrt ist, der hat keine Ahnung. Er wird nichts Anderes entdecken. ( S t e n NADOLNY,

1993)

In der Landschaft liegen die „Mittel des Lebens" verborgen Landschaften sind wie Bücher, in denen die Geschichten der Landnutzung und unserer Lebensbasis eingeschrieben sind. In der Landschaft spiegelt sich die Geschichte der Nahrungsherstellung wider. Sie ist Ausdruck unseres Verhältnisses zur Nahrung und zur Vielfalt an Nahrungsund Lebensmitteln. In ihr sind die lokale Ökonomie, die gesellschaftlichen Verhältnisse (HÜLBUSCH, 1988) und das Verständnis von Markt (BENNHOLDT-THOMSEN,

1994,

1996;

BENNHOLDT-THOMSEN/MIES

1997) abgebildet. Der Begriff „Nahrhafte Landschaft" beinhaltet neben dem Aspekt des Eßbaren auch alle möglichen Hilfs- und Lebensmittel zur selbstbestimmten Bewältigung des Alltags. Die Produkte aus der Landschaft können zwar sättigen, sie „ernähren" uns aber mittlerweile in den seltensten Fällen. In allen Bereichen der Landschaft wie Acker, Wiesen, Weiden, Wegränder, Böschungen, Wälder oder Gewässer mit ihren Pflanzen, Bäumen und Sträuchern wurde bis in die 60er Jahre gesammelt. Die Nahrhafte Landschaft enthält neben den landwirtschaftlichen Flächen, auf denen Grundnahrung produziert wird, auch Sammelplätze mit Wildfrüchten und Wildgemüse. Dieses Verständnis von Landschaft schließt aber auch den sozialen Aspekt der Nutzung verschiedener Flächen als „Allmenden" ein (z.B. Straßenanger, Straßenböschungen, Wegraine, Wälder, Almen; Obstalleen gehörten allen und wurden jedes Jahr zum Pflücken freigegeben ...). Die Nahrhafte Landschaft, aus der gemeinschaftlichen Landnutzung hervorgegangen, ist eine vielgestaltige und lebendige Landschaft mit vielen Nutzungsmöglichkeiten. Als ökonomische Basis gehört sie allen. In sie wird das „Gemeinwerk" investiert, welches zur Erhaltung dieser Wuchsorte für die jährliche, wiederkehrende und veränderliche Nutzung dient. Im „Gemeinwerk"sind

die kleinen Anteile zur Selbster-

haltung vieler Nutznießer enthalten. Das „gemeinschaftliche Werk" spiegelt sich in der gesamten Landschaft.

15

I Landschaft unter dem Aspekt der Nahrhaftigkeit

Die Bereicherung an den Allmenden Bestimmte Orte wie Wälder, Auen, Bergwälder, Almen, Gemeinschaftsweiden, Schwemmkegel, Lawinenstriche usw. werden in verschiedenen Regionen Europas heute noch gemeinschaftlich genutzt. Diese allmendwirtschaftlichen Nutzungen sind überkommene Reste, die früher, bevor Grundherrschaften den Menschen das Land genommen hatten, überall gültig waren. Heute ist der staatliche Einfluß insofern als versteckte Grundherrschaft zu sehen, als er die Umverteilung der Produktionsmittel vorantreibt und kontrolliert. Immer mehr Land gelangt in die Hände und Zuständigkeit weniger. Heute besetzen die Reichen auf der ganzen Welt das Land und lassen es einerseits brachliegen oder beschäftigen Bewirtschaftet unter neuzeitlichen Abhängigkeitsverhältnissen über den scheinbar humanen und gerechten Weg der L o h n a r b e i t (BENNHOLDT-THOMSEN/MIES 1 9 9 7 ) .

Durch brachliegendes Land und sogenannte „Ökologie-Flächen" wird Knappheit geschaffen, damit die Produktpreise hochgehalten werden können. Mit welchem Recht beanspruchen Menschen heute Landbesitz, ohne daß sie die Fähigkeit haben, das Land schonend zu bewirtschaften? Mit welcher Legitimation werden neue Aneignungsversuche der Landbewirtschaftung verboten? Aneignung durch Arbeit ist ein Grundrecht des Menschen. Allgemeingut bedeutet, daß jeder Mensch für ein nutzbares Stück Land zuständig ist, daß er aber dieses Land nicht besitzt. Der Begriff „Gemeinde" stammt von Allmende, dem gemeinsamen Wirtschaften. Die meisten Allmendrechte der Gemeindemitglieder sind verwässert oder aufgelöst worden. Das äußert sich auch darin, daß nur mehr in den seltensten Fällen gesammelt werden darf. Die „Entwertung durch von außen auferlegte Inwertsetzungen ist ein Prinzip, das kennzeichnend für die Modernisierung ist. Und wo Modernisierung beginnt, hört Wandlung im Sinne von ,aus-sichheraus-verändern' a u f ' (THÜRMER, 1993). Mit d e m Beginn der In-

dustrialisierung und der Agrarwissenschaften wurden die bäuerlichhandwerklichen Fähigkeiten völlig entwertet. Damit einher geht die Privatisierung der Landwirtschaft und das unternehmerische, marktund profitfähige Wirtschaften. Das wurde zum Herzstück eines neuen Okonomieverständnisses, das sich einem obskuren Fortschrittsdenken verschrieben hat.

16

Die Weltmacht des künstlichen Aromas

Die Landschaft Generationen.

des Lungauer

Murtals

entstand

Auch hier begann mit der Moderne

durch die investierte die

Arbeit

über

I

viele

Landschaftsausräumung.

Die Weltmacht des künstlichen Aromas Die Vielfalt der Natur stellt uns alle wichtigen Nahrungs- und Heilmittel mit facettenreichen Geschmäckern und Gerüchen bereit: herb, süß, neutral schmeckende Blüten und Beeren, frisches Spargelgemüse und Wurzwerk, eigenartig aromatische Pilze, eine Fülle von Würzkräutern, röstbares Gemüse, Öle, fermentierbare Nußfrüchte, Kaffee und Tee, leicht bittere Salate usw. Früher behalf man sich mit vielen Hilfs- und Ersatzmitteln. Z u m Beispiel stellte man aus jungen Pfirsichblättern Vanillegeschmack her. Pfefferersatz wurde aus den Samen des Hirtentäschels oder der Brunnenkresse gewonnen. Salz streckte man mit der Asche bestimmter mineralstoffreicher Pflanzen, oder man verwendete Pilze als Salzersatz. Kümmel diente nicht nur als Gewürz, sondern auch zur Abwehr von Fliegen. Pflanzen lieferten Nahrung für die Menschen und Futter für die Nutztiere. Wenn die Kräuter nicht mehr in den Wiesen vorkommen, können sie vom Menschen nicht mehr gesammelt und von den Nutztieren nicht mehr aufgenommen werden. Das hat zur Folge, daß wir

17

I Landschaft unter d e m Aspekt der Nahrhaftigkeit

über Milch oder Fleisch keine entsprechenden Wirkstoffe mehr zu uns nehmen u n d daß die Käsequalität v o m gehaltlosen Futter bestimmt wird. Wir vertragen die Wirkstoffe aus d e m Wildwuchs tendenziell nicht mehr u n d reagieren häufig allergisch a u f sie. W i r kompensieren die Z u f u h r lebenswichtiger Stoffe mit Pharmaka u n d

künstlichen

Ersatzprodukten aus der Lebensmittelindustrie. Seit d e m Zweiten Weltkrieg haben sich unter amerikanischem Einfluß die Aromaproduzenten durchgesetzt. Es war ihre Absicht, die natürlichen Aromastoffe der Pflanzen in den Nahrungsmitteln durch künstliche zu ersetzen. Mittlerweile ist es den Großkonzernen weitgehend gelungen, durch die Nahrungsmitteleinfuhr aus Ubersee bei uns ganze Landstriche aus der Produktion auszuschließen.

Landschaftsbild und Landschafitspflege Die ausgeräumte und später wieder installierte Landschaft ist als Signatur unserer Zeit zu verstehen. M i t immer größer werdenden landwirtschaftlichen Betrieben gehen weltweit scheinbare Ökologisierungsmaßnahmen einher. In den letzten 2 0 Jahren wird an die Landbewirtschafter eine E r m a h n u n g gerichtet, von der intensiven Produktion Abschied zu nehmen u n d „ u m z u d e n k e n " . D i e Absicht, die dahinter steht, nämlich die Auflassung der Landwirtschaft als solcher, wird jedoch verschwiegen. D i e sogenannte „ Ö k o l o g i e " wird als moralische Instanz u n d Kronzeugin in den Zeugenstand gerufen. Aber die eigentliche Ö k o l o gie erzählt uns etwas anderes als das, was die Anwälte erwartet haben. Sie zeigt uns die Verschüttung klugen Gebrauchswissens auf, die von jener „Intelligenz" erzwungen wird, die sich auf Akademikerebene rund u m die Politik z u m U m t r u n k versammelt. D i e „ Ö k o l o g i e " dient als Instrument zur Flächenstillegung u n d legitimiert die großflächige Zerstörung von Landschaft.

Politiker

benutzen die sogenannte „wilde N a t u r " (MERCHANT, 1 9 8 7 ) als ästhetischen D e k o r wie zu Zeiten des historischen (SCHÜRMEYER/VETTER,

Landschaftsgartens

1 9 8 2 u. 1 9 8 4 ) . D i e parkartige Landschaft

wurde als eine zooähnliche Menagerie der Grundherrschaften geschaffen. Eine solche G e g e n d besteht aus einer K o m p o s i t i o n von beweglichen Dekorationsstücken, die aneinander gereihte bäuerliche Bewirt-

18

Landschaftsbild und Landschaftspflege

I

Je kleinteiliger die Zuständigkeitsbereiche, umso vielfältiger ist die Landschaft an sammelbaren Orten (Südoststeiermark in Jugoslawien, 198g).

schaftungsbilder darstellen (vgl. HARD, 1985). Real wird aber nicht mehr gewirtschaftet, sondern gegen Bezahlung „gepflegt". Die Trennung in Natur- und Kulturgeschichte ist fatal für die Natur und somit für uns selbst, da die Naturaneignung verleugnet und die Gegenseitigkeit des Nutzens ignoriert wird. Landschaft ist aus der „Landwirtschaft", der Bewirtschaftung von Land, entstanden. Heute versucht man, die Landschaft (vornehmlich in den Randlagen) durch „Landschaftspflege" zu stabilisieren, ohne die „Impulse" und die produktiven Momente einer Landschaft wahrzunehmen (NEEF, 1983). Eine Gegend wird heute als Landschafts- oder Nationalpark gesehen oder dem externen Zugriff der Romantiker und Wissenschaftler ausgesetzt. In der Werbung wird heute die Natur wie im Landschaftsgarten als ästhetisches, dekoratives Element verwendet. Das Emblem mit stilisierten Früchten, Landschaften oder Kräutern auf den Gläsern, Kartonpackungen und Tuben unserer Lebensmittel ist im Grunde ein Betrug am Konsumenten. Es soll der Eindruck entstehen, im Produkt seien die in der Natur gewonnenen Aromastoffe enthalten. Dabei werden den Nahrungsmitteln mittlerweile künstliche Aromate beigegeben, die in

19

I Landschaft unter dem Aspekt der Nahrhaftigkeit

der Natur nicht existieren und die, wie etwa das Glutamat, eigentlich als „Drogen" bezeichnet werden müßten. Statt dessen kaufen die Konsumenten der „Natur" zuliebe in großen Mengen „milchähnliche" Produkte. Die Landschaft ist nutzlos geworden, sie existiert lediglich noch als steriles Bild, hat ihr umtriebiges Leben verloren.

Begriffsklärungen Vom Sammeln zur gärtnerischen

Anbauwirtscha.fi

Uber das Sammeln entstand an bestimmten Wuchsorten eine Selektion von Pflanzen, die sich durch die Bodenbearbeitung und durch das Sammeln über die Samen oder Ausläufer vermehrten. Die Pflanzen waren über mehrere Nutzungsjahre kräftiger im Wuchs geworden als jene an unbearbeiteten Wuchsorten. Aus dieser Handhabung entwickelte sich die Kultivierung der Standorte nach Gesichtspunkten, die sich am alltäglichen Gebrauch orientierten. Aus in der Landschaft frei wachsenden Nutzpflanzen wurden kultivierte. Man holte die Pflanzen in den umhegten Raum („ghorta"), also in den Garten hinein, um sie vor den Wild- und Weidetieren zu schützen. Die eßbaren Wildpflanzen konnten unter gärtnerischem Einfluß größer und „garer" werden. Sie beinhalten aufgrund gekonnter Düngung weniger Bitter- und Gerbstoffe als jene in der freien Natur. So findet man in der Nähe von Häusern und Siedlungen stets eßbare, aber wieder verwilderte Pflanzen, die über mehrere Jahrhunderte genutzt worden waren.

Sammelbare Nutzpflanzen — Vorbilder fiir die bäuerliche Ökonomie Eine reine „Wildbeuterphase" gab es vielleicht vor etwa 3000 Jahren. Mit der Jungsteinzeit beginnt die bäuerliche Ökonomie (vgl. S A H L I N S , 1978). Im Laufe der Zeit gingen die Menschen dazu über, ihre Tätigkeiten neben ihrem unmittelbaren Eigenbedarf zu spezialisieren. Aus der Sammelnutzung war die kulturelle Vorstufe des Gärtnerns geworden, und daraus entwickelte sich die Bauernwirtschaft. Die Art des Sammeins war von den Spezifika der Pflanzen und ihrer

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Begriffsklärungen

I

Wuchsorte abhängig und richtete sich nach dem Angebot der Natur und nach Wissen und Können der Menschen. Wurzeln zu graben, mit Laub Nußfrüchte einzulagern, junge Stengel als Spargelgemüse zu bereiten, Blätter und Blüten zu sammeln, hatte stets unterschiedliche Zwecke. Das Wissen um die verschiedenen Arten der Vorratshaltung wurde dann im Ubergang von der Sammel- zur Garten- und Ackerwirtschaft in abgewandelter Form übernommen. Einige der Kenntnisse haben sich bis heute erhalten und bewährt. Sie sind Relikte einer einst an Selbständigkeit und Gemeinschaftssinn orientierten Kultur. So wurden bis vor 15 Jahren in Wien am Tages- oder Wochenmarkt Kräuter u n d Wildgemüse verkauft (POHANKA, 1987).

Von der Sammel- zur Kulturpflanze In der Landschaft ist die Geschichte des Gebrauchs unserer Vorfahren enthalten; sie zeigt, daß die Kulturpflanze aus der Sammelpflanze hervorgegangen ist. Wir können also durch Selektion nahrhafte Kulturarten gewinnen. Das Sammeln und somit die kluge nicht die negative Selektion sind der erforderliche Prozeß, „(...) um aus einer ,Wildpflanze' eine ,Kulturpflanze' zu machen. Im Vordergrund dieser Transformation steht eindeutig der Nutzen, den der Mensch aus dem Anbau einer Pflanze ziehen kann. Deshalb werden die Begriffe .Nutzpflanzen' und ,Kulturpflanzen' oft synonym angewendet. Unter Nutzen wird dabei meist aus moderner agroindustrieller Sicht nur der relativ kurzfristig erzielbare und materielle Nutzen verstanden. (...) Im Laufe der

21

I Landschaft unter dem Aspekt der Nahrhaftigkeit

Jahre ist die Kulturpflanze in eine Symbiose mit dem Boden, den Tieren, anderen Pflanzen und den Menschen eingetreten. Kulturpflanzen sind weder entstanden, um jeweils höchstmögliche Erträge zu erreichen, noch um als eine Monokultur zu dominieren. Sie sind Bestandteil eines örtlich bestehenden Ökosystems ..." (GROENEVELD, 1996: 65f).

Sammeln im doppelten Sinn: Erntegut und Wissensvorräte „Das Wissen liegt am Weg" (APPEL, melt werden „Pflanzengesellschaften,

1992)

- oder am Wegrand. Gesam-

die auf dem Weg liegen"

(LüHRS,

1993). Ohne das Begehen dieser Wege eröffnen sich keine Erfahrungsund Sammelmöglichkeiten. „Erfahrung in diesem Sinn ist nicht so ohne weiteres übertragbar, man muß sie leben oder zur Vorstellungsbildung er-lebt haben. In diesem Sinn ist die Erfahrung als .alltägliche Form der Weisheit' und »Ausschaltung des Zweifels' für das selbstverständliche Handeln relevant." (EISL, 1995 in Anlehnung an MLETH, D. 1977). Wer wandert, um zu sammeln, betreibt gleichzeitig Forschung, verschafft sich Pflanzenkenntnisse und sammelt durch seine Tätigkeit (Wander-)Erfahrungen. Neben dem Sammelgut gewinnt er Eindrücke, die als Wissensvorräte im Gedächtnis bleiben. Immer wieder verfolgte mich die Frage: Warum änderte sich die Artenzusammensetzung der Wiesen meiner Kindheit? „Im Raunstal waren in den 60er Jahren im Frühjahr viele Wiesen durch die zarten Blüten der Schlüsselblume ganz gelb gefärbt. Wir sammelten große Mengen davon für Primellikör und glaubten, die Art konnte nie ausgerottet werden ..." Soweit die Erinnerung einer alten Kräuterkundigen. Die unter dem Einfluß des modernen Agrarwesens sich wandelnde Bewirtschaftung der Wiesen führte flächendeckend zum Verlust der Schlüsselblume, denn mit der breiten Anwendung von Agrartechnik und Kunstdüngung veränderten sich die Wuchsbedingungen.

Das Prinzip der Umwegigkeit zur besseren Ausnützung von Erntegut Umwegigkeit meint die vielen Möglichkeiten, Pflanzen zu nutzen. Es sind dies keine „unnötigen Wege", wie von den Rationalisten der ökonomischen Theorie behauptet wird, sondern längere Wege des wert-

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Begriffsklärungen

I

schaffenden Ge- und Verbrauchs. Die weiteren Wege können aus anderer Sicht die wirkungsvolleren sein. Das Umherstreifen auf Umwegen zum Sammeln von Beeren erlernten wir schon als Kinder (vgl. MUCHOW/ M U C H O W 1935/1980; HÜLBUSCH, I. M . 1987a: 88ff und 1 9 [87b] 97). Für das Sammeln ist die gesamte Landschaft Weg und Platz zugleich. Mit Umwegigkeit ist die vielfältige Nutzanwendung von Hilfsmitteln zur Bewältigung des Alltags gemeint. In diesem Begriff ist das Prinzip der Mehrfachnutzung enthalten, die gleichzeitig oder nacheinander stattfinden kann. All die Nutzungen führen zu Verbrauch, also zu Abnutzung, bis schließlich Futtermittel oder verfügbare Nährstoffe aus Mist, Staub oder Asche fiir die Bewirtschaftung von Land entstehen. Diese Form des umwegigen Gebrauchs „abfallender" Produkte ließ keinen Müll entstehen (HÜLBUSCH, 1991). Alles verwertbare Organische, aber auch Sandarten und Steinmehle wurden in die offenen Kreisläufe einbezogen. Die umwegige Verwendung war auf den vielschichtigen Verbrauch in verschiedenen Lebensbereichen ausgerichtet. Ein Beispiel fiir

Umwegigkeit:

Die Farne (Adler-, Wurm-, Königs-, Straußenfarn ...) wurden für verschiedene Nutzungen angewandt: In der Tierheilkunde mischte man dem Vieh Farn unter das Futter, den Schweinen gegen Rotlauf, den Rindern gegen Gicht und Rheuma. Den Hühnern verabreichte man Farn zur Verdauungsförderung in Mischungen mit Getreidemahlresten. Mit Wurmfarnrhizomen wurden Wurmmittel für Menschen erzeugt; der geerntete Wedel wurde bei Gichtschmerzen in die Matratzen oder in Kissen gefüllt. Als Mulchmaterial wurde das „Farnkraut" in den Gärten gegen Schnecken angewendet. Die Weidestandorte, auf denen wir die Farne in großen Mengen abernteten, wurden dabei „melioriert". Das heißt, wir entfernten die Gewächse derart, daß sie dort für mehrere Jahre nicht mehr dominant wuchsen. Gleichzeitig wurden die Standorte gedüngt. Das führte wiederum zu einer Weideverbesserung und zur Farnernte für verschiedene Verwendungszwecke. Das Material wurde zum Wändedämmen verwendet und im Frühjahr dann als Einstreu für die Tierlager gebraucht. Man hatte also mit der Verwendung der Farne gleichzeitig mehrere Absichten verfolgt. Und zu guter Letzt hatte man einen speziellen Mist

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I Landschaft unter dem Aspekt der Nahrhaftigkeit

bereitet, welcher wegen der kaliumreichen Farnstreu als Dünger für Erdäpfel (Kartoffeln) eingesetzt wurde. Außerdem mied der Kartoffelkäfer Acker, in denen Farn oder Farnmist eingestreut war. Für diesen umwegigen Gebrauch mußte man die Sammelorte festlegen und die veränderten Einflüsse (vgl. NEEF, 1976) abschätzen können. Das setzte reges Wissen, Gespür und Erfahrung voraus. Die vielfache Nutzung erfordert Arbeit für die Gewinnung, Lieferung, Verarbeitung, Lagerung und den Gebrauch. Gleich in mehrfacher Hinsicht war die investierte Be- und Verarbeitung von „sichtbarem Nutzen". Dem stehen heute das „Fertig-Wissen" und die „Beschäftigung" (ARENDT, 1958) der Wegwerfgesellschaft entgegen.

Wechselnde Nutzungsintensität in den „ Wildgärten " Bestimmte Wuchsorte in der Landschaft nutzte man wie Gärten. Ich möchte hierbei von „Wildgärten" sprechen. Die Standorte wurden durch die regelmäßige Aberntung wieder reproduziert, damit sie weiterhin Erträge abwarfen. Ein Beispiel dafür sind die „Wald-GeißbartGärten" in Südtirol, die Adler-Farn-Standorte in Südkorea (GLYEON, 1994) oder die Sammelstandorte POHANKAS im Wiener Umland. Die Wildgärtner in Südtirol, wo mit Wald-Geißbart bewachsene Waldstandorte gehölz- und staudenfrei gehalten werden, nutzen die „Natur als Garten " auf kluge Weise. Die sehr aufwendige Kultivierung des Kulturspargels (Asparagus) ist dagegen im Vergleich höchst unrentabel. Agnes POHANKA (1987) wies daraufhin, daß man die Vergänglichkeit und den Wandel verschiedener Pflanzengesellschaften beim Sammeln zu berücksichtigen habe. Genaue Vegetationskenntnisse, das Verstehen der Entwicklungen und der Bedingungen der Wuchsorte sind für das Auffinden notwendig. Auf bestimmten Kahlschlägen entstehen z.B. sogenannte „Himbeerschläge", die nach einigen Jahren wieder vergehen. Bärlauch (Allium ursinum) reproduziert sich dagegen gut, wenn die Blätter gepflückt bzw. die Zwiebeln gegraben werden. Bestimmte Standorte müssen offen sein, damit sich die Pflanzen ständig reproduzieren können. Darüber berichtet z.B. Stefan NOVAK in seiner Untersuchung: Durch ein hohes Maß an Abemtung entstehen Lücken und damit bessere Bedingungen für die Vermehrung von Speikpflanzen (Valeriana celtica) (NOVAK, 1995/1996). Ähnliche Beobachtungen machten wir Anfang der 90er

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Begriffsklärungen •

Die Natur als Garten: Ein Wald-Geißbart-Standort in Südtirol, der durch die ständige Frühjahrsnutzung stabilisiert wurde. Die Nutzung ist die Pflege und mehrt den Ertrag an Spargelgemüse.

Jahre auf Schweizer Alpweiden bei der Arnikabesiedelung, als wir hagere Weiden intensivem Weidegang aussetzten. Uber die N u t z u n g erfolgte eine Reproduktion. D i e wechselnde Bewirtschaftungs- bzw. Nutzungsintensität ist eine regulierende Pflege. D a r a u s kann geschlossen werden, daß durch die Extensivierung der Landwirtschaft u n d durch die Verbrachung der Standorte die Artenvielfalt wesentlich zurückgeht. D a s führt zu einem Verlust von sammelbaren Pflanzen u n d seltenen Tierarten u n d zum Entstehen von minderwertigem Futter und schließlich z u m Verlust der investierten Arbeit unserer Vorgenerationen in ein Stück Land. N e b e n der Agrarpolitik hat dies der amtliche Naturschutz, der angeblich für die Erhaltung seltener Arten und rar gewordener Biotope eintritt, mit zu verantworten. Der Naturschutz arbeitet in der Konsequenz gegen die Nahrhaftigkeit der Landschaft. Er wird als Instrument der Agrar- u n d Wirtschaftspolitik für die Flächenstillegung mißbraucht.

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Die Nährstoffanreicherung um die Almhütten durch das Weidevieh ließ Ampferfluren entstehen, die vielfältig genutzt wurden (z.B. Gasteiner Tal).

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2. Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen In den folgenden Teilkapiteln geht es um Gemüsenutzung, Wildobst, Bäume und Nußfrüchte, um Pilze, Farne und Flechten. Die einzelnen Beispiele stehen im Zusammenhang mit der jeweiligen Nutzung in der Landschaft. Heute sind die meisten Arten der Nahrungsbereitung aus frei wachsenden Pflanzen in Vergessenheit geraten. Die Beispiele sollen auch den Gedanken der Nahrhaften Landschaft und die Unterschiede zu den verarmten Landschaften verdeutlichen.

Ampfergärten und Blackenäcker - die Nutzung des Alpenampfers als Nahrungs- und Futtermittel Während meiner Hirtentätigkeit machte ich mir Gedanken über das Auftreten des Alpenampfers: Warum herrschte er auf bestimmten Standorten dominant vor, und welche Bedeutung hatte er als Kulturpflanze? Ich schrieb Erfahrungen in mein Tagebuch und ergänzte sie mit erzählten Geschichten von Bauern und anderen Hirten. Der Alpenampfer war einst ein wichtiges Lebensmittel. Die oberirdischen Teile wurden als Sauerkraut vergoren, die Blätter als Spinat und die Blattstiele ähnlich dem Rhabarber zubereitet. Die getrockneten und gesäuerten oder als Kraut vergorenen Blätter wurden als Schweinefutter verwendet. Die

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Heute gelten der Alpenampfer und Weißer Germer (Veratrum album) als Unkraut,früher waren sie Nutzpflanzen.

Pflanze war über die Samenvermittlung in ganz Europa verbreitet u n d wurde auch als Arznei genutzt. Heute haben wir keinen kulinarischen Umgang mehr mit diesen säuerlichen Pflanzen und begegnen vielen „Wildarten" mit Desinteresse. Rund u m die Alphütten wäre nach wie vor ein ausreichendes Angebot dieser Nähr- und Futterpflanzen da. Die umgangssprachlichen Namen des Alpenampfers (Rumex Butterblätsche, Saustampfer,

Saublotsche,

Saustrupfe,

Gugaza, Sauerrump

Blacke,

Labeße,

alpinus) Fabeße,

usw. sind von Region zu Region ver-

schieden u n d in Büchern nur selten angeführt. In ihnen sind alte Gebrauchsweisen enthalten. Vor etwa 25 Jahren bin ich das erste Mal für mehrere Wochen auf eine Alm im Salzkammergut mitgegangen. Seither beschäftigen mich diese großwüchsigen Pflanzen in vielerlei Hinsicht. Sie besetzten im eingezäunten Heuanger, dem sogenannten M a h d , große Flecken von wertvollen Heustandorten; die Blätter zerbröckelten bei der Heuernte, und die Stengel wollten nicht trocken werden. Andererseits nutzte man, wie ich bei meiner Tante sah, die Blätter als besonderes Futtermittel oder zum Einwickeln der Butter für den Transport ins Tal. W i r versuchten im H o c h s o m m e r Spinat aus den Blacken zu machen. Er wurde leider sehr bitter, da die Blätter schon reif waren. Außerdem

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Alpenampfer I kosteten wir auf einer Alm in den Niederen Tauern rote, junge Blätter und Blattstiele, die aus der Schneedecke herausragten. Die sauren Blattstiele verwendeten wir roh als Obstersatz und bereiteten ein gutes Kompott und eine wohlschmeckende Marmelade daraus. Aus den Indizien der landwirtschaftlichen Nutzungen ist eindeutig ableitbar, daß früher der Ampfer dem Menschen auch als Sauerkraut diente. Deshalb verschwimmen oft die Grenzen zwischen der Tierfutterbereitung und der Verwendung als Nahrungsmittel für den Menschen.

Der Pflanze in Büchern nachgespürt Die Pflanze faszinierte mich derart, daß ich in späteren Jahren begann, Literatur über sie zu suchen. Der Schweizer Heinrich BROCKMANNJEROSCH hat 1921 in einem umfangreichen Aufsatz auf die Bedeutung des Alpenampfers für die hauswirtschaftliche

Sauerkrautherstellung

hingewiesen. Er hat aus dem gesamten Alpenraum und auch außerhalb davon einen großen Wissensschatz an Nutzungsmöglichkeiten zusammengetragen. Heutige Hirten und Bauern können sich keinen Begriff mehr davon machen, welche Bedeutung diese Pflanze einst für den Bergraum hatte.

Ampfer gemäht und getrocknet, wird von den Nutztieren gerne gefressen.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Ehemalige Ampfergärten auf kleinen Terrassen im Bergamaskertand/Italien dienten dem Erhalt von „Obst" in extremen Gebirgslagen.

Seit jeher ist der Ampfer ein Lebensmittel der Menschen „Die pflanzliche Ernährung der Ureinwohner der Alpen fußte einst auf einheimischen Arten"

(BROCKMANN,

1925:796). Die meisten heimi-

schen Ampferarten wurden in der Küche verwendet, z.B. Sauerampfer (Rumex acetosa), Kleiner Sauerampfer (Rumex acetosella), der dem Sauerampfer sehr ähnliche Berg- oder Gebirgsampfer (Rumex arifolius), Römischer Spinat (Gewürzampfer oder Schildsauerampfer = Rumex Schöner Ampfer (Rumex pulcher), (Rumex patientia)

scutatus),

Gartenampfer, Englischer Spinat

oder Krauser Ampfer (R. crispus). Auch andere

großwüchsige Ampferarten unserer Bergweiden, Wiesen und Auen waren früher Kulturpflanzen. Die Ampferarten gehören zu den Knöterichgewächsen. Z u dieser Familie zählen auch bekannte Kulturpflanzen wie Rhabarber (Rheum rhabarbarum)

oder Echter Buchweizen (Fagopy-

rum esculentum). Der Alpenampfer war laut

BROCKMANN

u m die Jahr-

hundertwende „die am besten erforschte Sammelpflanze der Alpen. Obschon sie häufig und verbreitet ist, will der Landwirt sie gern in nächster Nähe des Hauses halten, wo er sie reichlich düngt. Vor dem Tritt des Viehs schützt man sie durch Zäune, und den so umhegten Raum nennt

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Alpenampfer

I

Ampferblätter wurden auf Holzgestellen getrocknet und mit Leinentüchern nach Hause getragen und im Winter im lauen Wasser als Bröselgut angeweicht und verfüttert.

man einen ,Garten'. U m die pflanzlichen Mitbewerber zu vertreiben, werden wenigstens gelegentlich Rindenstücke und Sägespäne auf das Land gestreut, wodurch das Gras erstickt. Auch ftir die Nachkommenschaft ist der Alpler besorgt und läßt Blüten- und Samenstände stehen; ja er bevorzugt unter ihnen die schönen und großen, er züchtet also bereits" (ebda: 797).

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen Der Alpenampfer war so viel wert, daß man ihn im Garten in Kultur nahm. Selbst Unkraut wurde zwischen den Pflanzen gezupft. Die Samenträger wurden nach der Blatternte stehen gelassen. (Skizze: Brockmann)

Rumex scutatus, der „Gewürzampfer", auf einer geröllreichen französischen Alm.

Als Spinat und als

Gemüsebeilage

I m Berner O b e r l a n d u n d in Teilen des Wallis w u r d e n „die Blagdenblätter m i t a n d e r e n g e s a m m e l t e n K r ä u t e r n wie Brennesselsprossen u n d Guter

Heinrich

gekocht

und

oft unter

Zutat

von

etwas

Mehl

g e d ä m p f t " (BROCKMANN, 1921). Diese Z u b e r e i t u n g s a r t k a n n t e n u m

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Alpenampfer

die Jahrhundertwende nur mehr wenige Menschen, sie muß aber früher zumindest in gewissen Regionen gang und gäbe gewesen sein. In verschiedenen Tälern dürfte das „Feldchrut" damals in großen Mengen verzehrt worden sein. Nach dem erstmaligen Aufkochen wurde der bitter schmekkende Absud des Ampfers weggeschüttet, neues Wasser dazugegossen, mit schmackhaften Wildkräutern gemischt und mit Mehl bestaubt. Den Eintopf oder die Soße aß man zusammen mit Grundnahrungsmitteln. Bald im Frühjahr wurden ganz junge Blätter und Stiele vor allem für den Rohverzehr geerntet. Um diese Zeit enthielten sie noch keine Bitterstoffe.

I

Schild-Sauerampfer - Rumex scutatus

Als Sauerkraut vergoren Aus Blättern und Stielen wurde Sauerkraut gemacht. Die fein geschnittenen Blacken wurden zur Freisetzung der Bitterstoffe in einem großen Topf gekocht, die Flüssigkeit wurde weggeschüttet, die abgekochten Pflanzenteile wurden leicht gesalzen, mit würzenden Kräutern vermischt und in luftdichten Holzbehältern gut eingestampft, damit Milchsäuregärung einsetzen konnte. Die Erzeugung eines Ampfersauerkrauts aus Blättern war sehr arbeitsaufwendig und wurde in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts nur mehr in Notzeiten durchgeführt. Es war im Geschmack etwas herber

Kleiner Sauerampfer- R. acetosella

Gartenampfer-R. patientia (Darstellungen aus: Rothmaler)

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

als das saure „Weißkraut" aus Rüben und aus Kohlkraut.

Als wertvoller Obstersatz im Berggebiet Als die Bedeutung des Alpenampfers als Spinat bereits zurückging, hielt sich in vielen Gebieten vor allem bei Kindern noch der Verzehr von Blattstielen als Obstersatz. „Im Lötschental, wo die Pflanze Chilln heißt, werden die grundständigen Blätter aus dem Boden gezogen, der untere Teil der Blattspreite mit der rechten Hand durch einen scharfen Knick nach rückwärts gebrochen, indem die Linke den Blattstiel festhält, so daß an der verbreiterten, abgeknickten Blattbasis Epidermis und Gefäßbündel festhalten. Leicht lassen sich nun diese vom übrigen Blattstiel abziehen, so daß er faserfrei wird. Er wird durch das Durchziehen der mittleren Gefäßbündel in zwei Hälften zerlegt, die sich nach außen krümmen. Die angenehm säuerlich schmeckenden Blattstiele werden von der Jugend, aber auch von Erwachsenen, roh gegessen" (BROCKMANN, 1921).

Als Ersatz für Rhabarber

Abziehen der Epidermis und Fasern von den Blattstielen des Alpenampfers (aus: Brockmann)

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Wenn man sich mit dieser Pflanze befaßt und die enge Verwandtschaft mit dem Rhabarber entdeckt, dann kann man sich auch die Zubereitung eines Kuchens aus Ampferblattstielen, der ähnlich wie Rhabarberkuchen

Alpenampfer I

Vorbereitung für das Kompott. schmeckt, gut vorstellen. Die älteren Bewohner des Engadin bestätigen noch heute diesen Gebrauch. Die Blattstiele bereitete man wie Rhabarberkompott zu: Sie wurden als süßes Kompott für den Winter eingemacht, indem man sie mit Zucker einkochte. Es kann auch sein, daß die oxalsäurehältigen Pflanzen, ähnlich wie etwa der saure Rhabarber im Sommer, zur Entkalkung des Topfgeschirrs verwendet wurden.

Die Erotik der Blattstiele des Alpenampfers.

35

I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Die jungen Blätter kommen bald nach dem Schmelzen der Schneedecke aus den Rhizo men hervor. Sie sind als Rohkost undfür Spinat verwendbar.

Der

Alpenampfer

als Heil-

und

Hilfsmittel

Ein bewährtes Heilmittel Der Ampfer wurde in den Talgärten und vor allem in Klostergärten kultiviert und deshalb auch „Mönchsrhabarber" genannt. Die Blätter dienten als Arzneimittel gegen Blähungen und gegen Husten. Als Absud halfen sie auch gegen Durchfall. Die Wurzelstöcke wurden als Abführmittel für Mensch und Tier verwendet. „In Guggisberg werden die Blätter zusammengerollt, das Bündel in Glut gelegt, wobei die äußeren verbrennen, die inneren verschmoren; sie werden auf Schnitt- oder Eiterwunden gelegt. Häufig werden die frischen Blätter auf heiße Körperstellen gelegt, um Kühlung zu bringen" (BROCKMANN, 1921).

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Alpenampfer

Als Hilfsmittel

im

I

Obstbau

Präparate aus den bitteren Wurzelstöcken des Alpenampfers oder aus den Wurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers (Rumex obtusifolius) können im Obstbau zur Bekämpfung von Echtem Apfelmehltau behilflich sein. Dazu werden die geputzten Wurzeln geschnitten und roh püriert. Zu etwa zehn Liter Wasser werden dann 200 Gramm des gewonnenen Breis beigegeben. Die Anwendung sollte erst ein bis zwei Stunden nach der Zubereitung erfolgen, damit sich die Wirkstoffe herauslösen können. Um die Spritzdüsen nicht zu verstopfen, wird die Mischung durch ein Leinentuch gefiltert. Von Mehltau befallene Apfelbäume sollten in der Zeit einer erhöhten Anfälligkeit für Pilzbefall vorbeugend periodisch einmal in eineinhalb Wochen behandelt werden.

Die Zubereitung

von „Mass" für

Futterzwecke

Für Futterzwecke wurden alle großblättrigen Ampferarten verwendet. In manchen Gebieten ließ man beim Mähen der Wiesen Ampferhorste stehen und erntete sie separat ab. Ende Juni bis Anfang Juli erfolgte die erste Ernte, die sogenannte „Heublackte". Die zweite Ernte, die „Emd-

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

blackte", (Grumet, der 2. Heuschnitt) erfolgte etwa Ende August bis Anfang September, später noch die „Weidblackte" oder „Nachblackte". Die Frauen ergriffen „Blatt für Blatt dicht über der Erde, drehten es mit einem eigenen Kunstgriff und zogen es aus. Die Blätter wurden ,gestraupft', wie man im Prättigau und in Churwalden sagt, damit die zarte, weiße Blattbasis, die ,Speck' heißt, mitkommt" (BROCKMANN, 1921). Die gezogenen Ampferpflanzen wurden manchmal über weite Entfernungen zu den „Masshüsern" getragen.

Das Überbrühen in den Kesseln

Vom vergorenen Massstock wurde jeden Tag ein Teil für Fütterungszwecke und früher für Nahrung abgeschnitten (aus: Brockmann).

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Die Blätter kochte man sodann in freistehenden Kesseln. Alle Blätter mußten dazu untergetaucht sein, sonst wurden sie schwarz. „Darum ergreift der Bauer einen Stössel und wälzt die Garben um, bis alle gleichmäßig gebrüht sind" (LOREZ, 1978). Wenn die Blätter ein wenig bräunlich wurden und sich die Blattstiele leicht zerdrücken ließen, nahm man die gesottenen Blätter heraus und legte sie auf ein siebartiges Gestell, damit das heiße Wasser wieder in den Kessel zurückfließen konnte. So sparte man Brennmaterial. Die Brühware wurde zugedeckt auf einem Brettergestell bis zu einen Tag lang zum Abtropfen liegengelassen.

Alpenampfer

I

Ampfertrocknung im Mölltal/Kärnten.

Die Lagerung in den „Masshüsern " Nach dem Abtropfen wurden die abgekochten Blätter zur Versäuerung unter Luftabschluß in viereckigen Holzgestellen, den freistehenden „Masshüsern", in Erdgruben oder in Kellern gelagert. Die Brühmasse wurde festgestampft, damit die Luft entwich. Solche mit Holzpfosten und Brettern eingefaßte Erdgruben findet man heute noch in der Nähe einiger Hütten. In den Gruben wurde der gebrühte Ampfer mit Fichtenrinde oder mit Brettern abgedeckt und mit Steinplatten beschwert. Oder man schichtete die Brühware zu Haufen und deckte diese gut ab. „Durch die Gärung wird die Zwischenzellsubstanz mehr oder weniger gelöst, und es ist das Sauerkraut durch die Gährung wirklich ,gar', also leichter verdaulich geworden" (BROCKMANN,

1921).

Die Nutzung im Winter In hochgelegenen Berggebieten fehlten zeitweise die Erdäpfel (Kartoffeln) für die Fütterung. Sie wurden ersetzt durch die sogenannte ,Ampfersilage", die gekochten, oberirdischen Teile des Ampfers. „Was das Heu für das Vieh, sind die Blacken für die Schweine", schreibt

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Als Silage ein optimales

Schweinemastfutter.

LOREZ (1943). Die Silage diente auch als Futter für die Rinder. Schon im Herbst, wenn der Pflanzenbewuchs als „Weide" ausblieb, griff man auf dieses konservierte Futter zurück. Im Winter ging man auf die Alp, teilte mit der Hacke den gefrorenen Stock in Stücke, brachte ihn zum Auftauen ins Tal und verfütterte ihn an die Schweine. Auch Carl

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Alpenampfer

I

Oben: ViehlägerfluraufderAlp Valtnov/Weisstannental/Schweiz. Unten: Ampferfütterung im süddeutschen Raum durch Mahd. SCHRÖTER ( 1 9 0 8 ) berichtete aus d e m Montafon in Vorarlberg, daß dort das gefrorene Mass in Klötzen auf Schlitten zu Tal gebracht wurde. Der Speck der damit gefutterten Schweine soll wesentlich schmackhafter und auch deutlich länger haltbar gewesen sein als der von Schweinen, die mit Küchenabfällen und Getreideschrot gefuttert wurden.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Die Nutzung in Tirol Der „Mistapostel" Adolf TRIENTL (1870) berichtet von seinen Wanderungen im Nord- und Südtiroler Raum: „Rumex alpinus hat eine sehr große Nährkraft, kann noch jung geschnitten, gehackt und mit Molke abgebrüht werden. Kommt der Ampfer in die Blüte, dann soll er ohneweiters gemäht, gehackt und in Fässer eingetreten werden wie Sauerkraut unter Zugabe von etwas wenigem Salz. Da leistet es dann herrliche Dienste während der ganzen Alpzeit. Ich habe auch gesehen, daß man die gehackten Blätter brüht, bevor man sie in die Fässer einlegt." Das eingesäuerte Kraut wurde von den Tieren und wahrscheinlich auch von den Menschen verzehrt. TRIENTL gibt hier keine eindeutige Auskunft.

Beigaben von Kräutern zur Aufbesserung Das Sauerkraut wurde gesalzen und mit dem sogenannten „Menthakraut" gewürzt. Die Beigabe von Pfefferminze „stellt wohl einen letzten Rest altertümlicher Sitte dar und stammt aus einer Zeit, als das Mass noch edleren Zwecken diente als nur der Schweinefütterung." BROCKMANN (1921: 22) berichtet, daß „sowohl die getrockneten und im Winter aufgekochten Blätter als auch das Sauerkraut der Blacken menschliche Speisen waren. Die ganze Zubereitung, das allgemein verbreitete Ausziehen der Blätter durch die Frauen, das Würzen des Krautes, die Schonung und Kultur der Pflanze deuten auf eine frühere Bedeutung der Dauernahrung hin." Auch andere Pflanzen, wie etwa die Alpenkratzdistel (Cirsium spinosissimum), die Brennessel (Urtica dioica) oder der Gute Heinrich (Chenopodium bonus-henricus) wurden dem Sauerkraut als Würze oder zum Zwecke der Streckung beigemischt. Sie gärten ähnlich wie der Ampfer.

Die Trocknung auf Gerüsten Zur Herstellung von dauerhaftem Futter wurden die Blacken getrocknet. Dazu wurden die Blätter mit den Blattstielen ausgerissen und gebündelt auf Stangengerüsten oder in Lauben unter Dachvorsprüngen aufgehängt. Sie verfärbten sich dann braun. Dort blieben sie hängen oder wurden separat in der Tenne gelagert, bis sie im Winter zerrieben

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Alpenampfer

I

Die Vorarlbergerin Monika Blum beim Aufhängen des Ampfers zur Trocknung als Futtermittel.

Ampferblätter und Holzasche als „Klopapier" und Desinfektionsmittel in der Trockentoilette.

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I Das alte Wissen v o m Nutzen der Pflanzen

und gekocht an die Schweine verfüttert wurden. Das Ampferheu wurde auch von allen anderen Nutztieren gerne gefressen.

Alpkraut für die Schweine In vielen alten Alpställen zeugen die hölzernen Boxen noch von der früheren Schweinehaltung. Die Schweine wurden mit Grünfutter, aufbereitetem Alpenampfer und Molke gefüttert. Beim Butterholen lieferten die Männer minderwertige Getreidemahlreste für Futterzwecke auf die Alp, die man der versauerten Molke und der Ampfersilage beimischte. Die Schweine wurden auf der Alp nicht gemästet, dazu war das Futter nicht geeignet, obwohl nach und nach Getreidemahlreste beigegeben wurden. Die Almhaltung diente nur dazu, den Heimhof von Futter- und Arbeitsaufwand zu entlasten und die Tiere über die Zeit zu bringen. Erst im Herbst gab man den Schweinen energiereiche Kost, damit sie an Gewicht zulegten.

Die Pflege der Ampfergärten und Blackenäcker Wenn sich die Blacken über Wiesen und Weideland verbreiteten, erntete man sie. Aus einigen Berggebieten der Schweiz, Frankreichs und Österreichs ist bekannt, daß eigens eingezäunte „Blackenäcker" oder

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Alpenampfer

Reste von Ampfergärten

I

im Tessin/Schweiz 1984.

„Ampfergärten" angelegt und erhalten wurden, um dieses Kraut für Futter- und Nahrungszwecke nutzbar zu machen. „Neben den wildwachsenden bei den Feldställen, besitzt jeder Bauer im Dorf noch eigentliche (...) Blackengärten" (LOREZ, 1943). Diese Acker oder „Dorfgärten" düngte man stark oder nützte sie als Auslaufweiden, damit dort ähnlich wie beim „Pferchen" (vgl. EBERHERR / MACHATSCHEK, 1990) Nährstoffe zugefügt und die Blacken gemästet wurden. Mitunter ließ man das Vieh bewußt den Boden vertreten, weil das dem Ampfer sehr förderlich war. Zudem rupfte man in solchen Gärten auch unliebsames Unkraut und Gras. Oder man versuchte, das Gras mit Fichtennadeln, Rindenstücken oder Sägemehl zu ersticken.

Die Pferchung zur intensiven Düngung Den Begriff „Pferch" verwendet man für verschiedene Arten der Bewirtschaftung. Bei der Pferchung zäunt man eine bestimmte Fläche ein, um sie durch gezielte Beweidung zu düngen oder um sie durch Ausschluß des Viehs für die Heuernte nutzbar zu machen. Ich pferchte zum Beispiel auf Almen das Jungvieh zum Verbessern von Magerrasenoder verheideten Pflanzenbeständen in ein mobiles Gehege zusammen.

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I Das alte Wissen v o m Nutzen der Pflanzen

Das Vieh ließ ich während mehrerer Wochen über Nacht auf der eingezäunten Fläche eingesperrt, bis sie stark gedüngt war. Meine Absicht war es, den anfallenden D u n g gezielt einzusetzen. Die Ampferfluren um die Hütten entstanden hingegen als Folge einer unkontrollierten Verteilung der Nährstoffe. Das Prinzip des Pferchens wurde auch in den Ampfergärten angewandt. In den Niederen Tauern der Steiermark nennt man die eingezäunten Flächen daher heute noch „Pfarrha" oder „Pfrenger". Sie dienten einst der Gewinnung von Schweinefutter. Die Samen von Alpenampfer wurden in ganz Europa gehandelt Die Ampfersamen wurden früher auf Märkten gehandelt. BROCKMANN berichtet 1925: „Bei ihren Wanderungen in fremde Landesteile, z.B. in den Jura und in die Vogesen, nehmen die Älpler die Pflanze mit, verschleppen sie von einem Gebirge in das andere. Rumex alpinus ist also nicht nur eine einheimische ,Sammelpflanze', sondern es ergeben sich bei ihr alle Ubergänge zur Kulturpflanze, und zwar selbst heute noch, wo die Art beinahe nur noch als Tierfutter gebraucht wird". Und Karel KOPECKY (1973) untersuchte für das Adlergebirge von Nordostböhmen bis in den südpolnischen Raum hinein die Alpenampfer-Vorkommen. Er vermutet, daß die Pflanze von Kolonisten aus dem Alpenraum Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts als Nutz- und Heilpflanze eingeführt wurde. Der Ampfer wird heute dort nicht mehr kultiviert, hält sich aber auf von Menschen beeinflußten Randstandorten. Der Verlust des Gebrauchswissens Aber nicht nur der Verlust des Wissens über die Zubereitung als Lebensmittel und der Ersatz durch andere Kulturpflanzen waren der Anlaß, daß man von der Verarbeitung des Ampfers zu Soßen und Sauerkraut abkam. Auch der grundsätzliche Einstellungswandel in bezug auf Nahrung, Natur und Arbeit ist maßgeblich für den Verlust des alten Zubereitungswissens. Früher hat sich die Landwirtschaft an den vorhandenen natürlichen Hilfsmitteln und Arbeitstechniken orientiert. Der Gebrauch richtete sich nach dem Bewirtschaftungsalltag, dem sparsamen Umgang mit den Naturressourcen und nach dem jeweiligen Arbeitseinsatz. Heute orientiert man sich an nichtbewährten Erfindun-

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Alpenampfer

I

gen der alles versprechenden Wissenschaft, an künstlichen Hilfsmitteln und an der Meinungsmache der Agrarwirtschaft, in weiterer Folge an der Agrarpolitik und am Weltmarkt. U n d nach wie vor empfehlen Futterbauberater den Einsatz von Totalherbiziden gegen das Unkraut .Ampfer" und unterstützen damit den seit Jahrzehnten andauernden fatalen Trend zur Industrialisierung der Landwirtschaft. Im Zeitalter des „Industrialismus" darf nicht mehr klug gefragt werden, sondern muß man sich an die Geld- und Machtverhältnisse anpassen. Wer das nicht tut, fällt durch den Rost, und gelangt vielleicht nie wieder auf fruchtbaren Boden.

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I Das alte Wissen v o m Nutzen der Pflanzen

Der Kümmel - ein „fürsorgliches" Heilkraut Die Verwendung des Kümmels als Nahrung, als Gewürz und als Droge entstammt einer Zeit lange vor der Seßhaftwerdung. Es wurden „Kümmelfrüchte in neolithischen Pfahlbauten aus dem 3. Jh. v. Chr. gefunden; es wird angenommen, daß Kümmel das älteste in Europa vorkommende und verwendete Gewürz ist" (FURLENMEIER, 1978). „In Krügen von Pfahlbaubewohnern wurden Kümmelkörner gefunden. Der kulturelle Anbau in Westeuropa soll zum ersten Male von Ludwig dem Frommen gegen 830 angeordnet worden sein" (LUDWIG, 1982).

Ein umfassendes Hilfsmittel Die Wertschätzung, die der Mensch dem Kümmel im Laufe der Jahrhunderte zuteil werden ließ, beruht nicht nur auf seinem charakteristischen Geschmack, sondern auch auf dem Umstand, daß er schwer verdauliche oder blähende Speisen bekömmlicher macht. Dieser gesundheitsfördernden Wirkung wegen ist der Wiesenkümmel (Carum carvi) das am weitesten verbreitete Gewürz in Europa, obwohl der einstige Gesundheitsaspekt heute anscheinend in Vergessenheit geraten ist. In der Vorzeit sprach man dem Kümmel kultische Funktionen zu, man glaubte, er könne mit seiner ätherischen Ausdünstung Dämonen vertreiben. Im Sommer und Herbst werden die aromatischen, sichelförmigen Samen geerntet. Sie werden als Gewürze, als Tee, für Heilzwecke oder für die Likör- und Branntweinherstellung verwendet. Wegen des scharf würzigen Geruchs kann man die Samen im Garten als Pflanzenschutzmittel einsetzen. Das Ausräuchern des Hauses mit Kümmel soll auch vor Flöhen, Läusen, Wanzen und Ameisen schützen. Darüber hinaus können über das ganze Jahr die grünen, doppeltgefiederten Blätter der Grundrosetten als äußerst schmackhaftes Wildgemüse sowohl zum Kochen als auch für Rohkostspeisen genutzt werden.

Die Wuchsorte des Kümmels Der Wiesenkümmel kommt a u f w i e s e n und Weiden vor, die halbwegs gut mit Nährstoffen versorgt und einer stärkeren Trittbelastung durch das Nutzvieh ausgesetzt sind. Er hat eine Pfahlwurzel und ist daher

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Kümmel

I

Kümmel" entstammt den Begriffen „Pflege" und „Fürsorge". trittfest. J . N . BAYER ( 1 8 6 9 ) verweist in seiner „Praterflora" a u f die früheren K ü m m e l v o r k o m m e n in den Wiener Praterwiesen. Auch diese sind heute a u f g r u n d der geänderten Bewirtschaftung verschwunden. D i e Praterwiesen sind seinerzeit vermutlich beweidet worden. H e u t e wächst

die K ü m m e l p f l a n z e vornehmlich

a u f Bergfettwiesen

und

Almen; in den intensiv bewirtschafteten Talwiesen k o m m t sie äußerst selten vor. Der Kunstdüngereinsatz, der frühe Schnitt durch die Silagewirtschaft u n d die seltene Weidehaltung sind die hauptsächlichen G r ü n d e für das Verschwinden des K ü m m e l s .

Das Sammeln

der

Körner

D i e sichelartigen Früchte zerfallen bei der Vollreife. In verschiedenen G e g e n d e n sammelte m a n den braun werdenden u n d beinahe Vollreifen K ü m m e l am M o r g e n , u m im taufrischen Z u s t a n d die k r u m m e n Körner nicht zu verlieren. D i e S a m e n wurden geerntet, indem die ganzen Pflanzen ausgerissen oder abgeschnitten und als Bündel zum Trocknen aufgehängt oder hingelegt wurden. M a n transportierte die Doldenernte in einer Trage, die mit einem Tuch ausgelegt war, damit die S a m e n nicht verlorengingen. Z u H a u s e ließ man sie auf einer Unterlage aus

49

I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Papier oder Leinen nachreifen und trocknen. Nach einiger Zeit konnte man sie leicht mit den Fingern von den Dolden abstreifen. Würzsamen wurden in verschließbaren Glasbehältern aufbewahrt. Die

Arzneipflanze

Kümmel

bedeutet Pflege und

Fürsorge

„Carum carvi" ist der lateinische Name fiir Kümmel. „Carum" soll von „Caria"herrühren, einer Gegend in Kleinasien, die reich an aromatischen Kräutern ist. Der englische Name „Caraway" drückt etwas vom eigentlichen Charakter des Kümmels aus, denn „care" heißt pflegen und jursorgen. Hierin liegt ein wesentliches Prinzip aller sammelbaren Nutzpflanzen. Maria G E U T E R ( 1 9 7 6 ) beschreibt bildlich die Wirksamkeit des Kümmels: „Er öffnet die Türen der Drüsen, er klettert hinauf bis in den Estrich und zündet das Licht im Gehirn an, er putzt die Fenster der Augen, damit sie die Welt besser sehen können, er lüftet und erwärmt alle Zimmer und verbrennt jede Art von Material, wie kalt und hart es auch sein mag." Die Kümmelsamen bestehen zu drei bis sieben Prozent aus ätherischem Carvonöl. Ferner „enthalten sie kleine Mengen von Gerbstoff, Harz sowie 1 6 % fettes Öl und 2 0 % Eiweiß" ( B ö R N G E N , 1 9 6 9 ) . Das Doppelnüßchen ist reich an Zucker und wertvollen Mineralstoffen.

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Kümmel I

Alle diese Inhaltsstoffe stärken den Appetit und die Verdauung. Sie wirken krampf- und hustenlösend und fördern auch die „Wasserausscheidung der Nieren" (MÜHLHANS 1952).

Kümmeltee als Wärmemittel fiir Bauch und Herz Zusammen mit Anis, Fenchel und Koriander ist Kümmel ein wichtiger Bestandteil von Teemischungen u.a. für Kinder. Maria GEUTER weist auf eine Zubereitung als vorzügliches Wärmemittel für den Magen hin: „Die Samen werden erst in einer kleinen Pfanne trocken geröstet, bis sie zu ,hüpfen' anfangen, dann mit kochendem Wasser übergössen und einige Minuten zum Ziehen stehengelassen." Früher war es üblich, den grünen oder braunen „Khimsam"regelmäßig

zu kauen. Er wird so lange

gekaut, bis er auf der Zunge brennt und süß wird. Grüner, frischer Samen brennt aber nicht so stark. Er regt die Darmdrüsensekretion an und hilft gegen Bauchschmerzen und Blähungen.

„Wenn 's Arscherl wieder brummt, is 's Herzerl wieder g'sund" Kümmel tee hat einen beruhigenden Einfluß auf die Verdauungsorgane. „ Wenn 's Arscherl wieder brummt,

is 's Herzerl wieder g'sund", heißt es

51

I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

im Volksmund. Bei Magen- und Darmkrämpfen, Durchfällen, Gärungserscheinungen sowie bei Gallen- und Leberleiden wirkt Kümmeltee lindernd. Auch krankheitserregende Mikroorganismen und Darmparasiten kann man mit ihm beseitigen. Z u hohe Dosen können allerdings Leber und Galle schädigen. Ein gehäufter Teelöffel zerdrückter oder gemahlener Kümmel wird mit heißem Wasser (oder mit heißer Milch) aufgegossen. Nach etwa zehnminütigem Ziehen siebt man ihn ab (die Körner können aber auch mitgetrunken werden) und süßt ihn je nach Geschmack mit ein wenig Honig. Frauen verwenden Kümmeltee bei Menstruationsbeschwerden, zur Geburtserleichterung, bei Nachwehen und während der Stillperiode zur Milchförderung. Uber die Muttermilch werden die blähungsmindemden Wirkstoffe auch beim Säugling wirksam (vgl. PRIHODA 1989). Bei Bauchweh legt man ein mit Kümmel gefülltes, flaches Leinensäckchen, das in heißem Wasser erwärmt und danach ausgedrückt wurde, auf den Bauch.

Kümmellikör und „Khimschnaps " Erntet man den Samen in grünem Zustand, wenn er schon sehr stark riecht, kann man die Körner in Schnaps ansetzen und erhält so einen grünen Likör, den man früher bei verdorbenem Magen oder zur besseren Verdauung nach schwerem Essen verabreichte. Wenn man etwa zwei Handvoll Körner in einem Liter Obstler ansetzt, sie drei bis vier Wochen zum Erwärmen ans Fenster stellt, sie abseiht und süßt, erhält man einen Kümmellikör. Kindern gibt man bei Leibschmerzen ein Stück Zucker mit „Khimschnaps". Kümmelöl wird auf der Basis von Oliven-, Raps- oder Erdnußöl hergestellt. M a n reibt sich damit bei Rheuma, bei Erkrankungen der Atemwege (z.B. Bronchitis), bei Rippenfellentzündung oder Blähungen ein. Außerdem verwendete man es als Reib- oder Badeöl bei beginnender Rachitis und gegen Hautparasiten.

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Kümmel

I

Die Körner machen unsere Nahrung - ob Brot, Fleisch, Käse, Kraut oder Gemüse - besser verdaubar.

Zum

Würzen

K ü m m e l s u p p e war eine gängige Mahlzeit. Deswegen hortete m a n viel K ü m m e l das ganze Jahr über. Z u r besseren Verdauung und als Schutz gegen Blähungen gab m a n ihn in verschiedene Speisen mit Kohl, H ü l senfrüchten, Gurken und Paradeisern (Tomaten), auf bestimmte Braten u n d vor allem ins Brot u n d in den Kuchen. W a r m e Käsegerichte werden mit gemahlenem oder gestoßenem K ü m m e l bestreut.

„Khümb"

Der

ist ein „stark ausgleichendes Gewürz für Kartoffel u n d die

vielen Speisen, die mit Zwiebeln gewürzt werden" (GEUTER, 1976). D a s A r o m a k o m m t a m besten zur Geltung, wenn m a n die Samen stampft und den Speisen kurz vor d e m Fertigkochen beigibt. D a K ü m mel „auch die Geschlechtslust d ä m p f t , setzten kinderreiche Frauen ihren M ä n n e r n K ü m m e l s u p p e vor" (LUDWIG, 1982). Z u m Aromatisieren gab m a n K ü m m e l in Backwaren, Getränke, Käse, Omeletts, Pudding u n d andere Speisen. „ I m Ural wurde vor noch nicht allzu langer Zeit in einigen Familien ein K ü m m e l t a g begangen. Es wurden Brot, Kalatschi (Osterkuchen) u n d Pfefferkuchen mit K ü m mel gebacken. ( . . . ) Ein solcher K ü m m e l t a g war einem Feiertag gleich" (KOSCHTSCHEJEW,

1986).

53

I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Der „Knetkäse" aus Topfen und mit Kümmel ist ein Würzmittel (Heiligenblut/Kärnten).

Als Heilkraut fitr Brotsuppen M a n röstet eine fein geschnittene Zwiebel goldbraun an, gießt sie mit Milch und etwas Wasser auf und läßt alles heiß werden. Dann wird in Milchwasser gelagertes, gesalzenes und zerkleinertes Hartbrot beigegeben, welches mit gestampften Kümmelsamen bestreut wurde. Etwas Sauerrahm und eine kleine Portion von überreifem, schon hart gewordenem oder zerronnenem Käse können die Suppe geschmacklich verfeinern.

Zur Konservierung

von Käse und Brot

W e n n der bräunliche Topfenkäse ( Q u a r k ) nach m e h r m a l i g e m Kneten speckig geworden ist, wird er in einem großen Gefäß gelagert. Nach Belieben wird er dann gesalzen und mit getrockneten K ü m m e l k ö r n e r n versehen. Der K ü m m e l hat wegen seiner ätherischen Öle offenbar eine fliegenabwehrende u n d p i l z h e m m e n d e W i r k u n g . Der ,Feldkümmel' wird auch ,Brotkümmel' genannt, da er i m Brot ebenfalls eine würzende, konservierende und fliegenvertreibende W i r k u n g hat.

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Kümmel

I

Ohne Weiden und Wiesen kein wilder Kümmel in der Landschaft Das Vorkommen der Kräuter hängt mit den natürlichen Standortbedingungen, der geographischen Verbreitung und den Wirtschaftseinflüssen zusammen. Ursprüngliche und durch den Menschen bedingte Verhältnisse prägen die Nahrhaftigkeit einer Landschaft. Findet man in der Gegend keine Kümmelpflanzen mehr oder hat man das Sammeln im Tal versäumt, so gibt es immer noch die Alm, wo man sie vom Hochsommer bis in den Herbst hinein sammeln kann. Hier gedeihen sie auf gut gedüngten Weiden bis auf 2000 Meter Seehöhe (meist in Hüttennähe), wo sie von Kennern auch bevorzugt gesammelt werden. Den Kümmel aus dem großflächigen Anbau in Ungarn, Tschechien, den ehemaligen Sowjetstaaten, Polen, Holland, Deutschland, den USA und Kanada verwendet man fair die Herstellung von Parfüm und Kosmetika.

Zur gärtnerischen

Kultivierung

Der zwei- bzw. mehrjährige Echte Kümmel kann problemlos im Garten angepflanzt werden. Er bevorzugt frische, tiefgründige, nährstoffund basenreiche Ton- und Lehmböden und kann dort im zweiten Jahr schon eine Höhe von bis zu 1,20 Meter erreichen. Die Samen müssen von Wildstandorten stammen, da die manipulierten Zuchtsorten nicht mehr vermehrbar sind. Für die Keimung braucht der Kümmel Licht, er soll deshalb nur leicht eingerecht werden. Er benötigt zum Keimen etwa 20 bis 30 Tage und sollte nicht zu dicht gestreut werden. Notfalls muß man auslesen oder auf 20 bis 30 cm verziehen. Gesät wird in der Regel im August, so daß sich die Pflanzen bestauden und im nächsten Jahr früh blühen können. Mit den Blattrosetten überwintern die frostbeständigen Pflanzen. Wenn die Körner beginnen, sich braun zu verfärben, kann man den Kümmel schon im Juni oder Juli ernten. Im März oder Anfang April kann ausgesät werden, wenn die Samen eine Kältestimmung erfahren haben. Die brauchen sie, sonst keimen sie nicht. Allerdings reifen die Pflanzen dann erst spät aus. Das Saatgut ist bis zu drei Jahre lang keimfähig. Vor und auch nach Hack- oder Hülsenfrüchten (Erbsen, Pferdebohnen), Raps, Mohn, Gelbsenf, Lein, Sommergerste und Hafer kultiviert, ist der Kümmel als Kultur gut geeignet. Er verträgt sich allerdings nicht mit dem Fenchel.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Da der Kümmel zweijährig ist, kann man ihn weitwürfig zwischen Salat, Spinat, Erbsen oder Bohnen in Abständen einsäen. „Nach der Ernte der Überfrucht wird das Land gereinigt, mit Kompost gedüngt und bedeckt", empfiehlt die ABTEI FULDA ( 1 9 9 1 ) . Über die Details des Kümmelanbaus unterrichtet HEEGER ( 1 9 5 6 ) in seinem Pflanzenbauhandbuch. Der Anbau von Kümmel für die

Wurzelernte

Der Kümmel wurde in hochgelegenen Gärten und Ackern des Alpenraums als Wurzelgemüse angebaut. Im Herbst wurde er ausgesät, um im darauffolgenden Jahr die Wurzeln ernten zu können. Die weißliche, spindelförmige Pfahlwurzel ähnelt in Form und Geschmack der Karotte, ist aber viel kleiner. Franz LLPPERT empfiehlt den Monat Mai für die Aussaat von Wurzelgemüse im Tal. Außerdem kann man, um eine „bessere Wurzel- und Blattbildung zu erzielen, auf Kosten der Körner natürlich die Blütenansätze herausbrechen" (ABTEI FULDA, 1 9 9 1 ) . Da die Wurzeln relativ herb schmecken, wurden sie gekocht oder für den Wintervorrat getrocknet. Diese Form der Konservierung sicherte die Versorgung mit Wurzwerk im Winter. Auch die im Geschmack ähnlichen Muttern-Wurzeln (Ligusticum muttelina) auf den Almen trocknete man und verwendete sie als Ersatz für Petersilie. Durch das Trocknen wurden die Wurzeln süß. Man verwendet sie als Beilage und Fülle für Fleisch- und Fischgerichte. Die frischen Kümmel- und Muttern-Blätter verwendete man das ganze Jahr über als spinatartiges Gemüse, für Topfencremen und Mischsalate. Bei Magenbeschwerden wurden sie als Gemüse zubereitet oder leicht gekocht reichlich in die Suppe gegeben. Mutterwurz (Ligusticum muttelina) ersetzte in Wurzel und Kraut in den Berggebieten die Petersilie.

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Alpines Wildgemüse

I

Alpines Wildgemüse im Sommer Die Vielfalt auf den Hochweiden Alte Hirten, Sennerinnen, Nachbarn und Almbauern erzählten mir vom einstigen Gebrauch verschiedener Pflanzen. Dieses Wissen habe ich auf verschiedene Weise ausprobiert. Spinat wurde aus Gutem Heinrich gemischt mit Brennesseln angerichtet. Zum Verfeinern dienten auch Blätter von Kümmel, Löwenzahn, Klee, Mittlerer Wegerich und von verschiedenen Ampferarten. Einige zartrote Blüten des zierlichen Schneeampfers (Rumex nivalis) verwendeten wir zum Garnieren von Speisen. Aus jungem Alpenampfer machten wir Spinat. Die frischen Blütenknospen des Wegerich aßen wir roh oder legten sie in Essig ein, gemeinsam mit anderen Knospen und grünem Kraut von Muttern, Kümmel und Sauerampfer. Dieses Essiggemüse war bereits nach zehn Tagen genießbar. Die frisch getriebenen Sprossen des Wacholders blanchierten wir und bereiteten sie als Beilage oder für einen Eintopf zu.

Die Alpenkratzdistel für Risotto und als Rohkost Verschiedene Distelarten wie die wunderschöne Alpenkratzdistel (Cirsium spinosissimum, siehe Abbildung) oder die Wollköpfige Kratzdistel (Cirsium eriopherum) dienen im jungen Zustand als Stengelgemüse im Risotto. Den nußähnlich schmeckenden Blütenboden, das Jägerbrot der Stengellosen Silberdistel (Eberwurz = Carlina acaulis), kann man roh verzehren. Die jungen Stengel der Kratzdistel, der Kohldistel (Cirsium oleraceum), der Bergringdistel (Carduus defloratus) und der Klettenringdistel (Carduuspersonata) sind in der ersten Hälfte des Alpsommers auch als Rohgemüse sehr bekömmlich. Auf nordexponierten Standorten halten sie sich besonders lange frisch. Das Abschaben der holzigen DistelFasern vertrieb uns die Zeit beim Hüten des Viehs.

Verschiedene Flechten-Suppen Mit Isländischem Moos (Cetraria islandica) kochten wir eine Soße, die ähnlich schmeckte wie eine Pilzsuppe. Durch vorheriges Einweichen

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen Die Stengel und Blütenböden der meisten Disteln kann man im jungen Zustand als Gemüse nutzen. Die Alpen-Kratzdistel (Cirsium spinosissimum) kann auf Almen in Massen vorkommen (Mattertal/Wallis).

des Mooses in kaltem Wasser und durch leichtes Vorkochen werden die Bitterstoffe entfernt. Am Ende erhält man eine cremige Mahlzeit. Diese Flechtenart kann in trockenem Zustand leicht gesammelt und aufbewahrt werden. Die Viehweide als Garten für

Salate

Für Salate verwendeten wir die jungen Blätter des Gewöhnlichen Leimkrauts (Silene vulgaris), des Schlangenknöterichs (Polygonum bistorta) und des Sauerampfers. Gemeinsam mit den leicht in Essigwasser gedünsteten Blütenknospen der Sumpfdotterblume (Caltha palustris) werden die Salate mit Essig und Ol angemacht. Die verschiedenen Mauerpfefferarten (Sedum ssp.) und das Bittere Schaumkraut (Cardamine amara) sind die Gewürze für unsere Salate

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Alpines Wildgemüse

I

Eine geringe Menge der intensiv-riechenden Gemskresse diente uns zum Würzen des selbstgemachten Topfens und von Suppen (Cottische Alpen/Italien, Frankreich).

aus dem „Alpweidegarten". Und die kleinwüchsige Alpen-Gemskresse (Hutchinsia alpina), die auf dem Sand zwischen dem Geröll ausgetrockneter Bachläufe wächst, ist aufgrund ihres intensiven Geschmacks in geringen Mengen ein guter Kresseersatz.

Wildes Wurzelgemüse Die Muttern (Ligusticum muttelina, auch „Madaun" genannt) ersetzen das Kraut und die Wurzel der Petersilie. Die Wurzeln von Muttern und Kümmel werden ausgegraben, gesäubert und bis zum Herbst über dem wärmenden Schamottofen an Schnüren zur langsamen Trocknung aufgehängt. Im Winter legt man sie über Nacht in Salzwasser ein und kocht sie dann wie anderes Wurzelgemüse.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Aus den roten Blüten der Alpenrosen lassen sich Celees zubereiten (Niedere Tauern).

Die Natur nutzbar machen und das Leben versüßen Z u m Verzieren von Speisen verwendeten wir die Blüten von Alpensonnenröschen (Heliantbemum verschiedenen Veilchen (Viola

alpestre) oder in geringen Mengen von calcarata,

V. lutea,

V. tricolor)

und

Primeln. Die Veilchen oder die Alpen-Grasnelke (.Armeria alpina) kann man auch mit Zuckerwasser kandieren, wodurch sie sich einige Wochen halten. Sie dienen auch als schmackhafte Dekoration für Süßspeisen. Aus den roten Blüten verschiedener Alpenrosen bereiteten wir ein zartrosa Gelee als Brotaufstrich. Man kann sie auch für Teemischungen trocknen. W i r sammelten auch Pilze, trockneten Beeren und verschiedenste Tee- u n d Heilkräuter für den Winter. Die Natur ist zwar wild, aber nicht bösartig u n d gefährlich. Die Natur nutzbar zu machen bedeutet, einen respektvollen Umgang mit ihr zu pflegen und sie nicht als Untertan zu betrachten.

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Löwenzahn I

Der Gemeine Löwenzahn gilt als „offizinal", also als heilwirksame Pflanze. Die hohlen Stengel gegessen, sind für die Leber gesund.

Die Kraft des Löwenzahns Der Gemeine Löwenzahn (Taraxacum ofßcinalis) tritt häufig im Garten auf. Wer den Rasen wie einen Kunstteppich betrachtet, dem ist der Löwenzahn ein lästiges Unkraut. Die Gärtner, die den Garten nicht als Prestigeobjekt sehen, sondern als vielfältigen Nutzgarten, wissen um die Nutzbarkeit dieser Pflanze. Sie verwenden die Blätter, die jungen Blütenknospen und die Blüten in der Küche. Als Salat das ganze Jahr über

verwendbar

Als ich mich während des Studiums und meiner Tätigkeit als Hirte auf Schweizer Alpen oder auf abgelegenen Bauernhöfen selbst versorgte, probierte ich verschiedene Löwenzahngerichte aus. Meist wird dieser

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

„Kuhblume" ein bitterer Geschmack nachgesagt, obwohl sie selten gekostet wird. Besonders im Frühjahr, wenn die Wintervorräte ausgegangen waren, nutzten die Menschen die ersten Schößlinge der Wiesen, Weiden, Gärten, Wegränder, Waldsäume, Sonnenböschungen oder Auen. Sie ernährten sich mehrere Wochen lang von verschiedenen Wildgemüsearten, bis das eigentliche Gartengemüse oder die Feldkultur herangewachsen war. Richtig zubereiteter Löwenzahn kann nach meiner Einschätzung das ganze Jahr über gegessen werden.

Als Roh- und

Bleichgemüse

Die zarten, kräftig austreibenden Blätter werden roh für Salate verwendet. Sie enthalten vergleichsweise wenig Bitterstoffe. Wenn die Blätter größer werden, bindet man die Blattrosetten zusammen und stülpt umgedrehte Töpfe oder Pflanzgeschirr darüber. Dadurch werden die Blätter gelb oder weiß, und sie lagern weniger Bitterstoffe ein. Solch ein Bleichgemüse ist sehr zart und kommt dem Geschmack von knackigem Endiviensalat sehr nah. Mittlerweile wird z.B. auf französischen Märkten ab März ein bleicher, gelber Kulturlöwenzahn angeboten. Dieser enthält weniger Bitterstoffe als der wildwachsende, da er durch Düngung milder geworden ist. Er wird in verdunkelbaren Glashäusern gezogen, wodurch er auch ein bleiches Aussehen bekommt.

Für Salate mit

Kräutern

Löwenzahn enthält Vitamin A und C und eignet sich, als Rohkost bereitet, hervorragend als Vertreiber von Frühjahrsmüdigkeit. Er wirkt entschlackend und stoffwechselanregend. In der Regel pflückt man die frischen, noch kleinen Blätter mit ihren noch weißen Stengeln und macht einen Salat daraus. Auf einem Bauernhof verwendete ich im Juni auch die ausgewachsenen Blätter, da ich nicht zum Geschäft im weit abgelegenen Tal hinuntergehen wollte. Ich schnitt das fest zusammengehaltene Blattbündel in feine Streifen, knetete das Schnittgut einmal durch und weichte es über eine halbe Stunde lang in Wasser ein. Ich vermischte den abgesiebten Löwenzahn mit anderen gehackten Kräutern und etwas

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Löwenzahn

I

Aus Löwenzahnblüten macht man honigartigen Sirup, aus den Blättern Salate und aus den jungen, geschlossenen Blütenknospen einen Kapern-Ersatz, den man in Essig wasser kurz aufkocht und im Glas mit Öl „zudeckt".

„spätreifem" Bärlauch von einem kühlen Nordhang und richtete mit Mostessig vom Bauern und etwas Ol einen herrlichen Salat an, den ich mit etwas Wiesenkerbel und Geißfuß würzte.

Ein

Apfel-Löwenzahn-Salat

In den ersten Tagen auf einer Schweizer Alp hatten wir erst wenig Lebensmittel hinaufgetragen. Rings um die Hütten, wo die Standorte gut mit Nährstoffen versorgt waren, trieb aber schon kleinwüchsiger Löwenzahn, den ich während der Holzsäumarbeit entdeckte. Unser Muli mußte das Brennholz von weither zur Hütte tragen. Dabei machte das Tragtier häufig Verschnaufpausen oder fraß an bestimmten Stellen, wo im Alpfrühjahr die Pflanzendecke noch frisch war. Während dieser Pausen sammelte ich den Löwenzahn gemeinsam mit Blättern von Kümmel und Gänseblümchen. So entstand eine unserer schönsten Mahlzeiten.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Die Kräuter wurden fein zerhackt, etwas gesalzen und mit Essig angemacht. Eineinhalb fein geschnittene Apfel und einige Walnüsse wurden dazugegeben. Zuletzt haben wir das Ganze noch einmal mit Ol durchmischt, und fertig war ein knackiger Salat, zu dem wir etwas Weißbrot aßen. Da dieser einfache Wildgemüsesalat so gehaltreich war, brauchten wir nicht viel davon, um satt zu werden. Mit solchen mineralstoffreichen Lebensmitteln konnten wir uns für einige Tage selbst versorgen.

In Essig eingelegte

Knospen

In den Blattrosetten werden im Frühjahr bald die Blütenknospen sichtbar. Solange sie noch klein sind, können sie roh oder in Salaten verzehrt werden. Ich verwendete sie auch für eingesäuertes Wildgemüse. Zudem können sie auch mit anderen Knospen (wenig von Spitzwegerich, mehr von Gänseblümchen . . . ) leicht blanchiert und in gesalzenem und verdünntem Essig gelagert werden. Als Schutz vor Luftzufuhr überdeckte ich das Eingelegte mit einer zentimeterdicken Schicht aus Öl, ehe das Glas luftdicht verschlossen wurde. Man kann zum Essig auch Estragon und andere Kräuter geben und die Knospen als Kapern-Ersatz verwenden. So werden die Frühlingskräfte haltbar gemacht, und im Herbst und Winter können sie als Salatbeilage dienen oder direkt als Salat genossen werden.

Die heilende Wirkung der Löwenkraft Der Löwenzahn hat allgemein eine kräftigende Wirkung. Im Frühjahr können die frischen Blätter der „Kuhblume" mit Schafgarbe, Gundelrebe, Schöllkraut und Bach-Ehrenpreis ausgepreßt oder passiert werden und als frischer Kräutersaft für Kuren dienen. Ein Aufguß mit der ganzen Pflanze oder der Saft der abgekochten Wurzeln diente unter anderem als Heilmittel bei Leber- und Gallenbeschwerden, Blutarmut, Rheuma, Gelbsucht, Darmverstopfung, Hämorrhoiden und Krampfadern.

Der Röhrlsalat In der Steiermark ist der „Röhrlsalat" noch unter älteren Gärtnern und Bauern bekannt. Die kleingeschnittenen Blätter wurden abwechselnd

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Löwenzahn

I

mit heißen, blättrig geschnittenen Erdäpfeln und fein gehackter Zwiebel oder etwas Knoblauch in eine Schüssel geschichtet. Dann salzte man den Salat leicht und ließ ihn einige Minuten ziehen, ehe man ihn mit Pfeffer, Essig und Kürbiskernöl durchmischte. Manchmal gab man auch würfelig geschnittenen Speck und ein Spiegelei darüber. Der Röhrlsalat wurde lauwarm serviert und mit allerlei Frühjahrsblüten garniert.

Als Dünstgemüse Mit Blättern von Sauerampfer, Spitzwegerich, Wiesenkerbel, Bibernelle und anderen Kräutern gemischt, werden Löwenzahnblätter mit geschlossenem Deckel in Fett gedünstet, bis sie weich werden. Dann bestäubt man sie mit Mehl und gießt sie mit Fleischbrühe auf, ehe man mit Sauerrahm verfeinert und serviert.

In Sand und Kellererde eingelagert In Frankreich ist es im Winter üblich, Löwenzahn wie den Chicoreesalat treiben zu lassen. Dazu gräbt man im Frühjahr oder Herbst die Wurzeln des Löwenzahns aus und lagert sie im Keller in mit Sand oder sandiger Erde gefüllten Holzgefäßen. Über das Steuern der Lichtzufuhr reguliert man das Austreiben des Bleichgemüses. Die Kellerräume sollten warm temperiert sein (etwa um 12-15°C), so daß der Bleichsalat bereits nach drei Wochen geerntet werden kann.

Die Wurzeln des Löwenzahns Die Wurzeln des Korbblütlers können das ganze Jahr gegessen werden. Im Winter enthalten sie weniger Bitterstoffe und haben beim Rohverzehr einen süßen Geschmack. Nach dem Abbürsten unter Wasser können die Wurzeln, der Länge nach geschnitten, in der Pfanne langsam gebraten und mit einer Soße zubereitet werden. Schneidet man sie in feine Scheiben, kann man sie mit gehackter Zwiebel dünsten und mit einer Gemüse- oder Fleischbrühe zu einer Suppe kochen. Gedünstete Scheibchen können auch in den Erdäpfelsalat eingemischt werden. Bekannt ist auch die Verwendung würfelig geschnittener und gerösteter Wurzeln für die Herstellung von zichorieartigem Kaffee.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Das Rapunzelgemüse Von Teufelskrallen und Glockenblumen Zu den Teufelskrallen sagt man landläufig auch Rapunzeln. Man meint damit vornehmlich die größerwüchsigen Arten wie die Ahrige Teufelskralle (Phyteuma spicatum), die Hallers Teufelskralle (Ph. ovatum), die Schwarze und die Kopfige Teufelskralle (Ph. nigrum und orbiculare), die Ziestblättrige und die Zahlbruckners Teufelskralle (Ph. betonicifolium und zahlbruckneri). Die Größen dieser Arten schwanken je nach Wuchsort. Im Regelfall werden sie ca. 30-40 cm hoch. Einige können aber auch auf gutwüchsigen Standorten (Säumen) eine Größe von bis zu 80 cm erreichen. Von den genannten Arten verzehrte man einst die länglichen, dickfleischigen oder dickknolligen Wurzeln, berichtete eine Südtiroler Bäuerin.

Die Herkunft des Namens Im Mittelalter bezeichnete man mit Raba, Rapa, Rappe, Rapuntium, Rapunculum, Rapontica und Rapumm die rübenförmige Wurzel. Der

66

Rapunzelgemüse

Begriff Rübe (mopp,) wurde dann auf vielerlei Gemüse übertragen. Johann ULSAMER schrieb 1907 in seinem Gartenbuch über die sogenannte Rapunzelrübe-. „Die Blätter werden als Salat benützt, aber auch die Wurzeln sind genießbar." Wahrscheinlich wurden die Teufelskrallen und Glockenblumen in den Gärten unserer Vorfahren gezüchtet und kultiviert. Leider berücksichtigen die Floristen in ihren neueren Exkursionsbüchern immer seltener die einstigen Gebrauchszusammenhänge.

I

Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicatum)

Gerhard GAWALOWSKI fertigte Zeichnungen von Hallers Teufelskralle an, die mein Interesse an der Nutzung der Rapunzel noch verstärkt haben.

Die Nutzung der Teufelskrallen als Spargelgemüse In einem Gespräch mit einer Südtiroler Bäuerin erfuhr ich, daß zum Beispiel auch die kraftvollen aufrechten Pflanzenstengel der Teufelskralle als Spargel verwendbar sind. Es sollen dafür allerdings die jungen und noch geschlossenen Blütentriebe verwendet werden. Auf Spaziergängen in den Buchenmischwäldern und entlang der Heckensäume sammelten wir die aufschießenden Triebe und bereiteten sie als Spargel zu, indem wir sie kurz mit leicht gesalzenem Wasser in einem abgedeckten Topf garten, so daß sie noch knackig blieben. Durch das Garen wurden sie mild und verloren etwas von ihrem würzig-scharfen Geschmack.

(Campanula

rapunculoides)

Breitblättrige Clockenblume (Campanula latifolia)

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Die Teufelskrallen als Blattgemüse

Rapunzel-Glockenblume (Campanula rapunculus)

Vom milchigen Saft des Stengels darf man sich nicht abschrecken lassen. Die Sprossen haben auch roh einen süßlichen, weichen Geschmack. Alle Blätter, vor allem aber die jüngeren und vor der Blüte gesammelten, können als Gemüse oder roh als Salat verwendet werden. Auch aus den nur wenige Minuten gegarten Blüten und aus den geschlossenen Blütenständen der Teufelskrallen läßt sich eine kleine Beilage bereiten. Nach dem Dünsten wird abgeseiht und mit (leicht gewärmtem) Sauerrahm, Bechamelsoße (Milcheinmach) oder Crème fraiche serviert. Ein delikates Gemüse aus Rapunzelwurzeln

Kugel-Teufelskralle (Phyteuma orbiculare) (Alle Abb. aus: Rothmaler)

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Die relativ tief reichende Wurzel (Phyteuma) ist in steinigen oder schweren Böden nur unter großem Aufwand erntbar. Lockere und leichte Böden erleichtern die Ernte. In der Schweiz, in den südlichen Teilen des Kantons St. Gallen und in Graubünden, wurden die dickfleischigen Wurzeln auch roh verzehrt. Der scharfwürzige Geschmack dieser Wurzeln vergeht beim längeren Kauen. Durch das Abziehen der Wurzelhaut wird der Geschmack milder und süßlicher. Der hohe Nährwert beruht auf dem hohen Stärkegehalt. In Südtirol wurde die Wurzel nach der Reinigung auch in Butter leicht oder goldbraun angebraten oder für Mischgemüse verwendet.

Rapunzelgemüse

I

I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Zur Kultur der Glockenblumen Daß der Volksmund für Pflanzen aus unterschiedlichen Gattungen den selben Namen verwendet, läßt den Rückschluß zu, daß diese Pflanzen einst auf die gleiche Weise genutzt wurden. Das kann man für die Ausdauernde Sandrapunzel (Jasione laevis) und die Bergsandrapunzel = Sandglöckchen (]. montana) ebenso vermuten wie für einzelne Glockenblumen, die mit den Teufelskrallen eng verwandt sind. Von der RapunzelGlockenblume (Campanula rapunculus), die auch „Rapunzelrübe" genannt wurde, lassen sich die dicken, fleischigen Wurzeln und zarten Stengel als Gemüse und die Blattrosetten der jungen Pflanze als Salat nutzen. Auch von der Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata) und der Pfirsichblättrigen Glockenblume (C. persicifolia) wurden die rübenartigen Wurzeln oder Knollen im Frühling oder im Herbst gekocht oder roh für Salate verwendet. Die Breitblättrige Glockenblume (C. latifolia) wurde vermutlich zur Nutzung in den Alpen und den Alpenvorländern „eingebürgert". Der Salzburger Vegetationskundler Heinrich WAGNER berichtet, daß die Fundstellen der Breitblättrigen Glockenblume in der Nähe von Siedlungen liegen. Das unmittelbare Vorkommen auf Schuttplätzen und Wegrändern in Dörfern läßt darauf schließen, daß es sich einst um Gartenvorkommen und möglicherweise um Speisenutzungen gehandelt haben könnte. Auch die in den Südalpen verbreitete kleinwüchsige Schopfrapunzel (Synotoma comosum = Physoplexis comosa) scheint einst eine ähnliche Bedeutung gehabt zu haben. In der Literatur wird für die Nachtkerze (Oenothera biennis) auch der Name „Gartenrapunzel" geführt, da deren Wurzeln wie Gemüse gegessen wurden. Sie läßt sich im übrigen sehr gut anbauen und bringt einen hohen Ertrag.

Die Rapunzel-Glockenblume Früher wurde die Rapunzel-Glockenblume (Campanula rapunculus) auch in Gärten angebaut. Sie findet sich auch heute noch in verschiedenen Bauerngärten. Hier sind lockere Böden mit reichem Humusgehalt von Vorteil, damit auch die Wurzeln an Umfang zunehmen und genießbar werden. Schatten fördert ebenso ihr Gedeihen wie regelmäßiges Gießen. Sie samt sich im Sommer aus und geht mit kleiner Blattrosette

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Rapunzelgemüse

I

Glockenblume, Margerite, Kuckuckslichtnelke, Klee, Ehrenpreis oder Vergißmeinnicht eignen sich gut zum Verzieren von Speisen.

und Wurzel über den Winter. I m ersten Jahr wächst bis z u m Herbst eine etwa

fingerdicke,

erntereife Wurzel heran. D a n a c h ist sie reif für die

Ernte. Läßt m a n sie über den Winter im Boden, dann treibt sie im folgenden Jahr ihre Blütensprosse, u m Samen zu bilden. Deshalb läßt man einige wenige Exemplare stehen, u m laufend Samen zu erhalten und ständig mit „ R ü b e n " versorgt zu sein. M a n achte deshalb jedes Jahr darauf, daß einige Pflanzen in den Beeten überwintern können. Eine Ansaat von Anfang M a i bis in den Juni und die nachfolgende Pflege müssen mit viel Feingefühl durchgeführt werden, da das Aufkommen schwierig ist. D i e Junisaat bewirkt, daß die Pflanzen erst im zweiten Jahr blühen. Diese H a n d h a b u n g eignet sich gut für die Wurzelernte. Pikieren und Umpflanzen bekommen der Rapunzel-Glockenblume nicht. Deshalb m u ß eine lockere Saat bei sehr feinen Samen wohl geübt sein.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Gedünstete

Rapunzelrüben

Die rübenartigen Wurzeln der Rapunzel-Glockenblume kann man roh essen oder als Salat zubereiten. Die jungen, fleischigen Rüben braucht man nicht zu schälen. Sie werden in breite Scheiben oder der Länge nach geschnitten u n d in Salzwasser nur kurz gedünstet, so daß sie knackig bleiben. Sie können auch mit ein wenig Zucker bestreut, mit etwas Essig oder Zitronensaft beträufelt u n d mit verschiedenen Gewürzen verfeinert werden. Die milchgefüllten Wurzeln wurden auch zerkleinert, getrocknet u n d je nach Gebrauch wieder eingeweicht, gekocht u n d mit Essig angerichtet. Ahnlich verwendete man einst wahrscheinlich auch die AckerGlockenblume (Campanula

rapunculoides). D e n n bei beiden Arten ist

der obere Teil der Wurzel stärker verdickt, was einen ausreichenden Ertrag garantiert. Aus diesem G r u n d wurden sie einst auch in der Flur gesammelt. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft ist diese Pflanze dort selten geworden, sie k o m m t aber relativ häufig auf Säumen und Schuttplätzen vor. Bei allen Glockenblumen kann man die Frühjahrssprosse wie Spargel zubereiten und die Blätter für Salate verwenden. Sie haben heilende W i r k u n g bei Halsentzündungen oder bei starker Ermüdung. Die Gattungen Phyteuma u n d Campanula enthalten Inulin u n d keine Stärke. Teufelskrallen sollen antisyphilitische W i r k u n g haben.

Gekröntes Rapünzchen (Valerianella coronata)

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Wollfrucht-Rapünzchen (V. eriocarpa)

Rapunzelgemüse

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Die Glockenblumen in unseren (Bauern-)Cärten sind die...

... Reste einer einstigen Gemüsekultur. Heute sind sie Zierpflanzen, früher waren sie Salatpflanzen.

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I Das aite Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Rapünzchen - Wilder Feldsalat vom Wegrand Der Feldsalat (Valerianella) wird im Volksmund auch „Rapünzchen" oder „eigentlicher Rapunzelsalat" genannt. Der Echte Feldsalat (SalatRapünzchen) und der Gezähnte Feldsalat (Valerianella locusta oder olitoria; V. dentata) zum Beispiel werden heute noch in Erich O B E R D O R F E R S Bestimmungsbuch als Salatpflanzen oder als „eingebürgerte" Pflanzen bezeichnet. Nach der Phase der Kultivierung sind sie dann auf Schuttplätzen und Wegrändern wieder verwildert. Vom Spätherbst bis in das Frühjahr, bevor die Blütenstengel aufwachsen, werden die jungen Blattrosetten knapp über dem Boden abgeschnitten. Sie ergeben zu Frühlingsbeginn einen beliebten Salat, der auch mit hartgekochten Eiern unter Erdäpfelsalat gemischt wurde. Läßt man das Schnittgut etwa einen Tag lang liegen, dann wird es im Geschmack milder. Der Anbau und die Nutzung von Rapunzelgemüse würden somit über Gartenarbeit und Gartenzaun hinaus einen Beitrag ftir die Vermehrung, Weiterzüchtung und Erhaltung von Teufelskrallen und Glockenblumen leisten.

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Rapunzelgemüse

I

Die Betonien-Teufelskralle (Phyteuma betonicifolium) lieferte Blätter für den Salat und Blütenknospen für ein Spargelgemüse-Gericht.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Die Rapontikwurzel der Bergscharte Namen und Ausseben der Pflanze Da diese Pflanze in Büchern selten erwähnt wird, möchte ich sie hier kurz anführen. Andere Namen sind: Rhaponticum scariosum oder auch Centaurea rhaponticum bzw. Leuzea rhapontica, Stemmacantha ticum, auch Sandblacke, Riesenflockenblume,

rhapon-

Berg- oder Alpenscharte,

Rapunte oder Schafzunge. Die Bergscharte (vgl. LANDOLT, 1992) gehört zu den Korbblütlern (Compositae) und ist eine sehr große und eindrucksvolle Pflanze. Sie kann etwa 50 bis 120 cm hoch werden und hat einen mächtigen, allein stehenden, purpurnen Blütenkopf, der der Flockenblume sehr ähnlich ist. Allerdings enthält sie nur Röhrenblüten, die von steifen, strahlenförmigen, nach außen gebogenen, hellbraunen Blättern umhüllt sind. Die Hüllblätter sind auf der Innenseite silbrig behaart. Der endständige Blütenkopf kann über 10 cm Durchmesser haben. Von Juli bis September trägt sie Blüten, die häufig von Hummeln angeflogen werden. „Wegen ihrer großen Blütenköpfe heißt die Riesen-Flockenblume im Kanton St. Gallen, in der Schweiz, Groß Trumme(n)chnebel

(Trom-

melschlegel) auch Centaurea jacea und Centaurea montana haben diesen Volksnamen mit ihr gemeinsam" (KOHLHAUPT, 1967). Der kräftige Blütenstengel ist unmittelbar unter dem Kopf trichterförmig verbreitert und über seine ganze Länge gefurcht und filzartig überzogen. Uber den Sommer verholzt er. Die Bergscharte wird in der Schweiz auch Sandblacke genannt, da sie sehr große, ausladende, grundständige Blätter hat, ähnlich den Blättern des Alpenampfers. Die gezahnten Blätter sind im Regelfall länglich und rund, die Blattunterseite ist mit einem grauweißlichen Filz überzogen. Gegen den Blütenkopf hin werden die Stengelblätter kleiner und lanzettförmig und umfassen den Stengel.

Wuchsorte Die Bergscharte k o m m t auf sandig-grusigen und tiefgründigen, basischen bis neutralen Böden auf 1600 bis 2400 m Seehöhe vor, die eine kontinuierliche Versorgung mit Feuchtigkeit aufweisen. Bei „frischer" Wasserführung der Böden ist die nötige Nährstoflzufuhr gesichert. Diese Standorte wurden früher als Weiden oder als Wildheuwiesen genutzt. Im

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Rapontikwurzel der Bergscharte

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Von der großwüchsigen, purpur blühenden Bergscharte nutzte man früher die einjährige Wurzelrübe für die Ernährung. (Foto: Elias Landolt)

Oberinntal, bei Obladis und Fis, war sie noch den Mähern als lästiges Unkraut bekannt, berichtete Paula KOHLHAUPT. Solche Standorte werden entweder schon seit Jahren nicht mehr genutzt, oder ihnen werden immer wieder Nährstoffe durch abrutschenden Schnee, durch Lawinen oder durch die Streuauflage des vor-

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

hergehenden Jahres zugeführt. Vereinzelt ist die Bergscharte auch in Hochstaudenfluren, in Grünerlenbeständen und auf frischen, mit Feinmaterial versetzten Schutthalden anzutreffen. KOHLHAUPT berichtet, daß sie in Europa nur mit einer Art, nämlich als Rhaponticum scariosum, vertreten ist. Sie kommt vornehmlich in den Westalpen vor und besiedelt in Osterreich einige Areale in WestTirol und Vorarlberg. Von siebzehn nahverwandten Arten sind zwölf in Westasien, je eine in Sibirien und in China, zwei in Nordwestafrika und eine in Australien anzutreffen.

Frühere Verwendung Früher wurde von dieser Pflanze die große, rübenförmige Wurzel geerntet und ähnlich wie Pastinak zubereitet. Wegen ihrem Bitterstoffgehalt kochte man sie in Zitronensaft oder unter geringer Essigbeigabe. Vielleicht wurde vor Weiterverarbeitung auch das Mehl der Rübe gewässert, um die Bitterstoffe zu entziehen. Paula KOHLHAUPT führt an, daß die „Wurzel der Pflanze als Ersatz für den echten Rhabarber, Rheum palmatum, gebraucht wurde". D.h., sie wurde zumindest vor einigen Jahrzehnten noch als Medizin eingesetzt. Die Botanikerin fährt fort: „Als Hieronymus BOCK im Jahre 1551 sein Kräuterbuch schrieb, würdigte er die Rhapontic als eine ,köstlich wurtzel' und empfiehlt, daß die gedörrte Wurzel ,gestossen zu meel (Mehl) und eines quinten (Quentlein) schwer mit wein getrunken das grimmen im leib frawen und mannen stilt (stillt)'." Wenn hier dieselbe Art gemeint ist, liegt die Vermutung nahe, daß die natürlichen Standorte der Rhapontik kontinuierlich bearbeitet wurden und daß die Stellen, an denen die Wurzeln ausgegraben wurden, wieder Keimstellen für neue Pflanzen bildeten. Man hatte also für gärtnerische Nutzungen die Wuchsorte instand gehalten. Ansonsten wäre diese Art über kurz oder lang ausgerottet worden, und man hätte nichts mehr zu essen gehabt. Vielleicht ist sie gerade wegen der Kultivierung erhalten geblieben und erst durch Brachephasen zurückgedrängt worden.

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Nachtkerze

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Die Nachtkerze als Wurzelgemüse und Heilpflanze Als ich Ende der 80er Jahre bei Andreas WlNKLER (Thurgau/Schweiz) in der Naturgärtnerei arbeitete, war ich u.a. beim Umpflanzen und Gartenanlegen mit den Wurzeln verschiedener Pflanzen beschäftigt. Einigen Wochen nach dem Saataufgang pikierten wir Wildpflanzen und verwendeten die in Töpfen gezogenen Stauden später für die Gestaltung von Gärten. Seit damals koste ich verschiedene Wurzeln roh und gekocht. Von Bekannten bekam ich den Hinweis, daß man früher auch die nahrhafte, süßliche Wurzel der Nachtkerze (Oenothera biennis) gegessen hatte.

Als Speisepflanze eingeführt Die Nachtkerze bildet im ersten Jahr eine Blattrosette aus und im zweiten einen 1 bis 1,5 Meter hohen, meist unverzweigten Blütentrieb. Sie wird heute in den Gärten wegen ihrer grellgelben, duftenden Blüten zur Zierde ausgesät. Man führte sie um 1600 wegen der großen, rüben-

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Mit der Nachtkerze gestalteten wir in der Schweiz wunderschöne Gärten... (Photo: A. Winkler)

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Nachtkerze

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artigen Wurzel als Nahrungsmittel aus Nordamerika ein. In italienischen Renaissance-Gärten kultivierte man sie auch als Zierpflanze. In Mitteleuropa aber wurde sie als Gemüse verbreitet, selten jedoch in Gärten kultiviert. Meist wächst sie wild auf Schutt- und Lagerplätzen, Schottergruben, Waldschlägen, trockenen oder frischen Böschungen und auf den Schotterbänken entlang von Flüssen. Da sich die Blüten in der Regel zwischen Juni und Oktober gegen Abend öffnen und stark duften, wurde sie Nachtkerze genannt. Die unteren Blüten öffnen sich vor den oberen. Sie locken mit ihrem intensiven Duft nächtliche Bestäuber, z.B. verschiedene Nachtfalter, an. Die trichterförmige Einzelblüte erschlafft bis zum nächsten Mittag und verblüht.

Die „Schinkentuurz" oder die „Rote Sellerie" Andere Namen weisen auf wichtige Gebrauchszusammenhänge hin: Schinkenwurz oder Schinkenwurzel, da sie sich beim Kochen leicht rosa färbt. Wegen des Aromas ihres Wurzelfleisches bezeichnet man sie auch als Weinblume. Die Namen Rhapontika oder Rbapontikwurzel, Rubra-

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

wurzel, Gelbe Rapunzel, Rote Sellerie oder Rapunzelsellerie hin, daß sie als Wurzelgemüse verwendbar ist. Die

weisen darauf

Kultivierung

Man kann die Nachtkerze auf tiefgründigen, aber nährstoffarmen Böden ansäen. Wird die Wurzel nicht geerntet, so stirbt die Pflanze nach zwei Jahren ab. Wer Erfahrung im Umpflanzen hat, der kann die Seitenwurzeln mit der Gartenschere abschneiden. Gut verrotteter Mist in geringen Dosen ist ihr förderlich, wenn er vorjährig ausgebracht wurde. Aus diesem Grunde wird sie in der Fruchtfolge nach Starkzehrern (wie frühen Salatsorten, Winterungen, Kohlrabi, Frühkohl und anderem Kohlgemüse) angebaut. Entweder macht man ab Mitte Mai bis Mitte Juni eine dünne Reihensaat mit 1 bis 2 cm Saattiefe und lichtet nach und nach etwas aus, oder man setzt vorgezogene Pflänzchen jeweils in einem Abstand von etwa 20 cm. Als Standorte eignen sich Stellen mit Steinen, Kies und Sand mit lehmigen Anteilen. Reiner Lehm ist nicht günstig, denn sie benötigen im Regelfall durchlüftete Böden. Die

Wurzelrübenernte

Die spindelförmige Wurzelrübe der Nachtkerze kann bis in den Spätherbst des ersten Jahres geerntet werden - oder im Frühjahr des zweiten Jahres bis in den Mai, bevor die Pflanze austreibt. Mit der Blütenbildung setzt die Verholzung der Wurzel ein, wodurch sie schwer verzehrbar wird. Die fleischige Starkwurzel kann eine Länge von über 20 cm und einen oberen Durchmesser von über sieben cm erreichen. Häufig ist sie in mehrere Teile verzweigt. Mit dem Distelstecher ist sie leicht auszugraben. Wer sich die Mühe machen will, kann auch die kleinen, mineralstoffreichen Wurzeln ernten. Die Verarbeitung der Wurzel in der Küche Bei meinen ersten Eßversuchen brannte die rohe Wurzel in der Mundhöhle und kratzte im Gaumen. Deshalb raspelte ich sie in Mischsalate oder verkochte sie. Das Abziehen der Wurzelhaut minderte die brennende Wirkung nicht wesentlich.

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Nachtkerze

I

Für warme Gerichte wird die Wurzel in Würfel oder Scheiben geschnitten oder nur grob zerkleinert und in gesalzenem Wasser oder Fleischbrühe weichgekocht. Sie kann sich rosa oder gelb verfärben. Ihr Geschmack ist süßer als der von Schwarzwurzeln. Mit etwas Soße dient sie als Gemüsebeilage. Mit Essig und Ol, Pfeffer und etwas Raute als Salat angemacht, schmeckt sie gekocht ähnlich wie Selleriesalat. Man kann die gesalzenen Stückchen auch in einer Pfanne mit Butter goldbraun anbraten. Wird sie als ganzes Stück gekocht, schneidet man sie nachher und richtet damit einen Salat mit Rahmsoße an. Nach dem Kochen läßt man die Wurzelstücke in Essigwasser oder leicht angesalzen kurz in einer Schüssel ziehen, ehe der Salat angemacht wird. Grob geschnittene, gekochte Wurzelstücke können auch püriert werden. Die jungen Blätter der Grundrosette können auch roh gegessen werden. Wenn sie älter werden, kocht man sie in geringen Mengen. Wegen des hohen Gerbstoffanteils verwendet man sie bei Durchfall auch als Tee. Von den Masuren ist bekannt, daß sie die Rosettenblätter und Wurzeln als Schweinemastfutter nutzten. Die knallgelben Blüten werden vereinzelt auch als Salatzierde verwendet.

Wurzeln, Samen und Blätter als Heilmittel Aus dem Ol der Samen gewann man ein Heilmittel gegen Neurodermitis und gegen Menstruationsbeschwerden. Die Wurzeln dienten zur Kräftigung von Genesenden. Die Schleimstoffe der Wurzeln und der lanzettförmigen Blätter wirken blutreinigend und krampflösend. Auch bei inneren Abszessen wurden die Wurzeln als öffnendes und wundheilendes Mittel verwendet.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Der Wald-Geißbart als wohlschmeckender Wildspargel

In einigen Südtiroler Tälern oder in verschiedenen Gebieten der Schweizer Kantone Graubünden und St. Gallen konnte ich über mehrere Jahre hinweg die Zubereitung von Wald-Geißbart (Aruncus dioicus, früher A. sylvestris) zu Spargel studieren. Im Weyerland an der oberösterreichischen Enns entdeckte ich ihn in mehreren Gärten ehemaliger kleiner Gehöfte. In einigen abgelegenen Tälern hat sich das Wissen über diese delikate Wildgemüseart erhalten.

Die verschiedenen Bezeichnungen Geißbart oder Fuchsschwoaf (von Fuchsschwanz) heißt die Pflanze wohl wegen ihres Aussehens im Herbst und Winter. In der Schweiz etwa bezeichnet man diese Pflanze auch als Brandchrut, weil sie nach einiger Zeit auf abgebrannten Waldlichtungen auftreten kann. Sie blüht zur Zeit des Johannistags, deshalb wird sie auch als Johanniswedel oder im Salzkammergut als Sunnawendstauan

bezeichnet. Wegen des Frucht-

standes nennt man sie auch Waldhirs und wegen der Bedeutung für die Bienen- oder Impenwirtschaft auch

Impenkraut.

Die Standorte Der Wald-Geißbart tritt auf den beschatteten Steilhanglichtungen der Nordseiten auf. Er kommt praktisch im gesamten Alpenraum und im flachhügeligen

Berggebiet vor und bevorzugt feuchte Bergwälder und

montane bis subalpine Hochstaudenfluren (vgl. KLAUCK, 1991; ADLER et al. 1994). Eberhard J. KLAUCK (1991) hat nachgewiesen, daß es sich um eine Saumpflanze handelt. Die frische Waldluft der Schattseiten bekommt dem Geißbart gut. Er wächst auch am Waldrand oder an den Böschungen, wo die Wegtrassen in das Gelände geschnitten wurden. Vor allem auf frischen, nicht allzu großen Schlägen und Lichtungen mit einem gewissen Quantum an Luftfeuchtigkeit gedeiht der zweihäusige WaldGeißbart. Er bevorzugt ständige Bodenfrische und kommt auch entlang der Bäche vor.

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Wald-Geißbart

Wald-Geißbart

I

(Aruncus sylvestris oder A. dioicus)

Die Wildgärten des Geißbarts Ohne die Nutzung durch den Menschen würden an bestimmten Stellen der Waldränder nicht so viele Geißbartpflanzen gedeihen. Die Wuchsorte wären infolge der natürlichen Sukzession längst von anderen Pflanzengesellschaften besiedelt worden. Wird der Fuchsschwoaf regelmäßig genutzt, so ist das an bestimmten Indizien feststellbar. Man erkennt die vormalig genutzten Standorte an den vielen abgestorbenen Austrieben des Vorjahres, denn nach dem Stechen treiben mehrere

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Im Frühjahr, bevor die Blätter schießen, sind die Wald-Geißbartschößlinge zu ernten. Danach sind sie giftig.

Knospen ihre Schößlinge aus. Wo hingegen kein gärtnerischer Einfluß besteht, wächst der Geißbart meist nur mit einem oder mit maximal drei Sprossen in die Höhe. Die Sammelnutzung stabilisiert die Wuchsorte und sichert ihren Bestand. Man erntet den Wildspargel lediglich ab und hält die Orte frei von Gehölzaufwuchs. Zwischen den vertrockneten und umgebrochenen Stengeln sammelt sich im Herbst die Laubstreu, die bis in das Frühjahr verrottet ist und dadurch den Standorten Nährstoffe zuführt. Von „Garten" kann man aber nur bedingt sprechen, denn die Standorte, z.B. auf dem rötlichen Bozner Quarzporphyr, sind sehr steinig und zum Teil sickerfrisch. Der Boden in Südtirol ist im Frühjahr, wenn der Wildspargel austreibt, ohne Streuauflage und beinahe nackt. Dadurch kann der Boden die Wärme der Frühlingssonne schneller aufnehmen, und die Triebe im Untergrund beginnen früher zu wachsen. Diese Beobachtung hat man sich für die sogenannte „Erdhügelkultur" zum Ziehen von Kulturspargel zunutze gemacht.

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Wald-Geißbart

I

Im ausgewachsenen Alter sind die Pflanzen nicht verwendbar. Dann lagern sie BlausäureClykoside ein, sind bitter und zäh.

Das Aussehen des

Wald-Geißbarts

Die zu den Rosengewächsen (Rosaceae) zählende Pflanze kann eineinhalb bis zwei Meter hoch werden. Sie fällt im Sommer mit ihren fein gefiederten, doppelt gesägten Blättern und den weißen, federbuschartigen Rispenblüten auf, die den Blütenfahnen der Astilben oder den Blüten des Mädesüß' (Filipendula ulmaria) gleichen. Die Gartenstilben, die zur Zierde gepflanzt werden, entstammen allerdings einer anderen Pflanzengruppe (Saxifragaceae). Die oberirdischen Teile sterben im Herbst ab, die verholzten Wurzelteile überdauern den Winter im Boden und treiben im Frühjahr wieder aus. Die Sprosse, die sich aus dem holzigen Wurzelstock über der Oberfläche ausbilden, werden als wilder Spargel verwendet. Die Sammelzeit ist je nach lokalem Klima im April oder im Mai.

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I Das alte Wissen v o m Nutzen der Pflanzen

Jmpenkraut", eine wertvolle Trachtpflanze für die Bienenwirtschaft.

Zur Ernte des Spargelgemüses Im Frühling schneide: man die 10 bis 15 cm aus dem Boden ragenden Stengelschößlinge, kurz bevor das Blattschieben beginnt. Mit einem scharfen und spatelartigen Messer werden sie knapp unter der Erde über dem verholzten Wurzelstock abgeschnitten. Nach einigen Tagen können die Standorte erneut abgegangen werden. Solange dicke, saftige Stengel aus dem Erdreich wachsen, kann man sie verwenden. Sie gleichen dann dem grünen Kulturspargel, sind allerdings leicht rot überlaufen. Erst mit dem Blattschieben werden die Stauden bitterer und verholzen zunehmend im Stengel. Mit der fortschreitenden Stengelausbildung lagern sich vermehrt organische Blausäureverbindungen in der Pflanze ein. Nach HEGI (1975: 264, Bd. IV/2A) enthält die ganze Pflanze ein cyanogenes Glycosid: „Wurzel, Blätter und Blüten dienten ehemals als stärkendes, leicht adstringierendes,

fieberwidriges

Mittel." Die Blausäure, die in vielen Lebensmitteln enthalten ist, zum Beispiel in Bohnen, kann man durch Kochen in Salzwasser entziehen. Die Pflanze wächst und sammelt über die Assimilation im Wurzelstock Speicherstoffe für die Schößlinge im kommenden Frühjahr. Des-

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Wald-Geißbart

I

Die eingeweckten Sprosse des „wilden Spargels" im das werden als harntreibendes Gemüse gegessen.

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I Das alte Wissen v o m Nutzen der Pflanzen

halb zehren die Nutznießer solche Stöcke nicht völlig aus, sondern lassen zahlreiche Triebe auswachsen. Ansonsten würden die Pflanzenstöcke eingehen, und ein derartiger Raubbau ist nicht im Interesse der Wildgärtner.

Das Einwecken des Wildspargels Die gestochenen Schößlinge werden zu Hause gewaschen und mitsamt den feinen Blattansätzen aufrecht in Gläser eingefüllt. Dann salzt man und füllt mit Wasser auf. Die Gläser werden mit einem metallenen Drehdeckel verschlossen, oder man verwendet die üblichen Einweckgläser. Ein großes Kochgefäß wird mit Tüchern ausgekleidet, damit die .siedenden' Gläser nicht zerspringen. Man gibt die Gläser hinein, füllt den Topf über die Hälfte mit Wasser und deckt ihn ab. Die Gläser werden in der Regel etwas länger gekocht (ca. 30—40 Minuten), als wenn man den Spargel für den direkten Verzehr bereiten würde, denn die Einweckgläser verzögern den Kochvorgang ein wenig. Wenn man die Gläser dann herausnimmt, sollten die Deckel so fest anliegen, daß

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Wald-Geißbart

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keine Luft eindringen kann. Danach läßt man die Gläser in der Küche abkühlen und einen Tag lang stehen. Am nächsten Tag kontrolliert man noch einmal das Festsitzen der Deckel. Dann gibt man sie in die Speisekammer oder in den Keller zur Lagerung, damit sie sich nicht erwärmen und nicht platzen. Der Spargel kann für Salate oder als Fleischbeilage verwendet werden.

Die delikate Eßkultur in den abgelegenen Tälern Im Frühjahr gab es dieses einfache Wildgemüse in den eingangs erwähnten Gegenden zur Genüge. Natürlich kann der Geißbart, in Salzwasser gekocht, auch direkt zu einem Salat bereitet werden. Frisch verarbeitet, schmeckt jedes Gemüse besser. Gibt man beim Kochen etwas Milch, Essig oder Weinessig dazu, so wird der leicht bittere Geschmack etwas gebunden. Die Spargelrezepte in den Kochbüchern kann man alle auch für den Wald-Geißbart anwenden. Als Gemüseeinlage eignet er sich zum Beispiel für ein Risotto. In echter Bauernbutter geschwenkt, schmeckt der

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Selber gesammeltes und verarbeitetes Gemüse gibt uns auch im Winter Freude und Wohlbefinden.

Geißbart wesentlich besser als in herkömmlicher Butter. Die in Schinken eingerollten oder mit verschiedenen Soßen übergossenen Schößlinge sind nicht nur eine Gaumenfreude, sondern auch eine Augenweide. Eine Cremesuppe aus wildem Spargel ist eine Delikatesse. Manche blanchieren den Wildspargel auch und frieren ihn ein. Dann nimmt er aber einen weniger guten Geschmack an. Der Geißbart hat einen Wassergehalt von etwa 95 Prozent, wenig Eiweiß und Fett und ist deshalb für Frühjahrskuren geeignet. Dem zubereiteten Wildspargel sagt man harntreibende Wirkung nach.

Kulturspargel einst und heute Vor allem in der höfischen Speisekultur des 18. Jahrhunderts war der heute bekannte Kulturspargel etwas sehr Vornehmes. Aber lange zuvor hatten die einfachen Leute schon ihre eigenen Wildpflanzengärten, aus denen sie delikates Geißbartgemüse bezogen. Die heutige Bewirtschaftung der Kulturspargelfelder ist jedoch höchst aufwendig und schädlich, denn der Asparagusspargel wird mehrmals gegen Schimmelinfektionen gespritzt und übermäßig gedüngt.

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Hopfenblüten

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Vom Hopfenblütentee bis zum Spargelgemüse Im Frühjahr sammelten die Leute die Schlingtriebe des Wilden Hopfens (Humulus lupulus), die sie in den Flußauen, in Wärmegebieten an bestimmten Hecken, am besonnten Waldrand und ab April auch im Garten vorfanden. Sie wurden als schmackhaftes Gemüse zubereitet. Die zäpfchenförmigen Blüten sind ein ausgezeichnetes Schlaf- und Beruhigungsmittel.

Der Volksmund nennt ihn „Hopfenspargel" Bald im Frühjahr treiben die wilden Hopfenschößlinge in kräftigen Schüben aus ihrem starken Wurzelstock aus. Sie schlingen sich mit den Sprossen an Gehölzen empor, um später im oberen Dickicht ausreichend Licht zu bekommen. Wenn die zweihäusige Pflanze ausgewachsen ist, werden Blätter und Stengel derb und die Klimmhaare hart. Dann kann man sie in der Küche nicht mehr verwenden. Die jungen Bodentriebe und später auch die Sproßspitzen hingegen, an denen sich noch keine oder nur kleine Blätter befinden, können wie Spargel zubereitet werden. Man bindet die leicht brüchigen

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Sprossen mit Zwirn in mehrere Bündel zusammen und kocht sie in Salzwasser weich. Dann entfernt man die Bindfäden wieder. Als Gemüsebeilage mischt man die Sprossen mit in heißer Butter angerösteten Semmelbröseln. Leicht blanchierte Sprossen, wie üblich in Essig und Ol angemacht, ergeben einen bekömmlichen Salat. Ganz kurz in Wasser gekochte, kleingeschnittene Hopfensprossen kann man auch in Butter weichdünsten. Leicht mit Mehl gestäubt und mit Suppenbrühe verdünnt, ergeben sie eine gute Mahlzeit. Ohne aufzugießen, können auch verschiedene Rahmsoßen zubereitet werden.

Hopfenblütentee zur Beruhigung In der Schule glaubten wir, der „Hopfenblütentee" sei eine witzige Umschreibung ftir Bier. Aber es gibt ihn tatsächlich. Im Sommer kann man die Blütenzäpfchen und im Herbst die Fruchtzäpfchen sammeln, die zwischen den kleinen Fruchtschuppen gelben Hopfenstaub enthalten. Dieses sogenannte „Hopfenmehl" dient zur Haltbarmachung von Bier und verleiht ihm seinen bitteren Geschmack. Der Hopfenstaub kann in seltenen Fällen Hautausschläge und Augenentzündungen verursachen. Die Zäpfchen verwendet man für einen Aufguß mit beruhigender Wirkung, den man am besten mit Honig süßt. Ein Hopfenabsud wird lindernd bei Darm- und Magenbeschwerden angewendet. Die Blüten im Tee wirken krampfhemmend und appetitanregend, sie gelten auch als gutes Harntreibmittel. Bei Unterleibsschmerzen machte man damit Auflagen (gemischt mit Thymian, Kamille und Rosmarin).

Kulturhopfen war nahrhaft Auch die jungen und blattlosen Triebe des Kulturhopfens, den man auf großflächigen Plantagen für die Biererzeugung anpflanzte, wurden wie Spargel zubereitet. Doch seitdem die immer intensiver angebauten Hopfensorten gegen verschiedene Insekten, Pilze usw. stark gespritzt werden, erntet man den Kulturhopfen nicht mehr und greift lieber auf die Wildhopfenvorkommen zurück. Es wurde nachgewiesen, daß die eingesetzten Spritzmittel die Zeugungsfähigkeit der Hopfenarbeiter stark beeinträchtigt haben und daß es zu vielen Totgeburten und Mißbildungen bei Mensch und Tier gekommen ist.

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Hopfenblüten

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Wilder Hopfen liefert Sprosse für Gemüse und Blüten für beruhigenden Tee.

Hopfenpflanzen im Garten Wer Interesse am Wilden Hopfen hat, kann sich mehrere Pflanzen nebeneinander in den Garten setzen. Er eignet sich hervorragend als Sichtschutzpflanze. Allerdings wird ein Gerüst oder ein Zaun aus Holz oder Schnurgeflecht benötigt, an dem sich die Schlingpflanze emporarbeiten kann. Hopfen kann nicht wie Efeu oder Mauerkatze an den Wänden emporwachsen. Die Lage sollte süd-, südost- oder südwestseitig sein, und die Wasserversorgung und Bodendurchlässigkeit müssen ausreichend sein. Die Sproßspitzen sind im Frühjahr leicht brüchig. Darum muß man beim Ausrichten der Triebe am Gerüst vorsichtig sein. Im Spätherbst werden die verholzten Triebe über dem Boden abgeschnitten. Neben dem Zierwert und Sichtschutz hat man eine nahrhafte Pflanze und zur Not auch ein Laubfutter für die Haustiere.

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I Das alte Wissen vom Nutzen der Pflanzen

Der Thymian ist als Desinfektionsmittel geschätzt worden.

Thymian — ein Lockmittel für Bienen und ein Desinfektionsmittel Als Trachtpflanze und zum Desinfizieren Der Thymian wird in der Bienenfachwelt als stark duftende Trachtpflanze beschrieben. Dies erinnert mich an die Bedeutung des Thymians für die Bienenhaltung. Gewiefte Imker haben sich die Wirksamkeit des Thymians (alle Tbymus-Aiten aus der unmittelbaren Gegend) zunutze gemacht. Früher verwendeten die Imker einen Thymianabsud zur Reinigung der „Bienenbeuten". Diese hölzernen Bienenstöcke wurden mit einem Absud davon ausgewaschen und nach der Trocknung mit frischem Thymiankraut ausgerieben. Man wußte um die antiseptische Wirkung der Inhaltsstoffe. Man konnte dadurch verschiedene Bakterien,

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Thymian

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Milben, Motten und Parasiten abtöten, die sich einnisteten und ganze Bienenvölker zum Absterben bringen konnten. Das ätherische Ol saugte sich in das Holz ein, und durch festes Einreiben wurden die balsamartig-aromatischen Duftstoffe frei, die beruhigend auf die Bienen wirkten.

Für das Locken der Schwärme Gerade in neuen Bienenbeuten ergaben sich aufgrund der Armut an Vorwachs häufig Probleme mit Krankheiten und Schädlingen. Deshalb wurden die Bienenstöcke vor dem ersten Gebrauch mit Thymiankraut eingerieben. Dadurch wurden auch Schwärme angelockt bzw. wieder leichter eingefangen. Der Holzduft wurde mit den Phenolen (Thymol und Carvacrol u.a.) übertüncht, und das neue, alte Heim wurde gleichzeitig gegen Bakterien und Fäulnis behandelt. Auch bei Schwarmteilungen nutzte man die Wirkung des Thymians. Beim Schmökern in verschiedenen Fachbüchern fand ich bei M. LASSEL (1957) die Thymian-Synonyme Bienenkraut und

Immenkraut;

allerdings ohne konkreten Hinweis auf Nutzungszusammenhänge. Fritz-Martin ENGELS Buch (1978: 183) enthält einen mittelalterlichen Spruch, leider ohne nähere Angabe der Herkunft: „Der stock soll sein bestrichen mit edlem Thymian wans nur das Kräutlein riechen sie gern sich halten lan."

Melisse und

Immenblatt

Die Imker nutzten zahlreiche Pflanzen als Hilfsmittel. Zum Beispiel ist das Immenblatt (.Melittis melissophyllum), dessen Flor viel Nektar enthält, in Ostösterreich als ergiebige Bienenweide bekannt. Aufgrund dieses Ertragsreichtums ist im Namen „gleich zweimal mit melitta und melissa das griechische Wort für Biene enthalten" (ENGEL, F.-M. 1978). Diese Pflanze dürfte offenbar im Vergleich zur Bienenfutterpflanze Melisse (Melissa officinalis) eine größere Bedeutung gehabt haben. Werner-Christian SIMONIS (1967) beschreibt u.a. für die Melisse eine Anwendung ähnlich wie die der Thymiannutzung: „Man bestreicht darum auch neue Bienenstöcke, die man beschicken will, mit Melissenkraut."

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Die Waldweide war die Mutter des Ackers. Im Wald wurden über den Weidegang der Nutztiere Nährstoffe gefressen und am Hof in Form von Kot und Harn gesammelt. Dieser Mist mit verschiedener Streu gemehrt, wurde auf den Acker ausgebracht. Die vielfältige Nutzung des Waldes bedingte dort eine unterschiedliche Vegetationsausstattung, die durch die naturbürtigen Verhältnisse sehr artenreich war. Erst durch die Ablösung des Waldbaus durch forstwirtschaftliche Intentionen entstanden artenarme Gehölzbestände. Die Geldwert- und die großmarktwirtschaftliche Orientierung machte aus den Wäldern Forste, die sich heute infolge des Preisverfalls auf dem Holzmarkt zu Forstbrachen entwickeln. Überall, wo in den monotonen Forsten die Laub- und Nadelstreu liegen bleibt, entstehen artenarme Pflanzengesellschaften, die von wenigen Arten dominiert werden. Je höher die Nutzungsvielfalt ist, umso höher wird das Artenvorkommen und umso größer ist die Möglichkeit, verschiedene Pflanzen zu sammeln.

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3. Bäume und ihre vergessenen Nutzungen Die Rotbuche Neben der Nutzung des harten Holzes der Buche (Fagus sylvatica) fiir Brenn- und Werkzwecke wurden von dem Baum auch Nußfrüchte, Speiseöl, Asche und Rindenmehl zum Strecken des Brotteigs gewonnen. „Auf den Eichen wachsen die besten Schinken", lautet ein mittelalterlicher Spruch. Reichlichen Speckertrag können auch die Bucheckern abwerfen.

Schweinemast mit Bucheckern Die Hirten trieben ihre Schweine im Herbst und im Frühjahr nicht nur in die Eichen-, sondern auch in die Buchenwälder, damit sie sich an den Bucheckern mästeten. Diese intensive Mast erfolgte binnen weniger Wochen, ehe die Schweine dann im Winter geschlachtet wurden. Der Speck aus der Eichelmast ist aber haltbarer und im Geschmack besser. Der Speck aus der Bucheckernmast tropft beim Selchen (Räuchern) stark und soll weniger schmackhaft sein. Das Buchenholz wurde mit seinem Sägemehl allerdings zum Selchen bevorzugt. Man legte auch frische „Kranawitt", also Wacholderäste mitsamt den Nadeln, zur starken Rauchentwicklung auf den Scheiterhaufen.

Die Buchenasche, Waschlauge und Rinde als Brotstreckmehl Die Buchenasche wurde in der Glashüttenindustrie verwendet. Außerdem verarbeitete man sie zu Laugen, indem man die Asche mit Wasser übergoß und eine Nacht lang stehen ließ. Dann filterte man die Lauge ab und verwendete sie zur Reinigung von Wäsche, Holzgeschirr und Fußboden. Damit wurden nicht nur Fettflecken entfernt, sondern auch Holzmaterialien bakterienfrei gehalten. Wegen dieser desinfizierenden Wirkung setzte man die Asche auch als Heilmittel ein. Sie wurde mit verschiedenen Kräuterölen zu einer Salbe vermischt und bei bestimmten Geschwüren verwendet. Buchenholzteer aus der Holzkohle ist nach wie vor vereinzelt als Desinfektions- und Ätzmittel bekannt. Er wurde auch zur lokalen Betäubung eingesetzt.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Da die Buchenasche sehr viel Kalium enthält, wurde sie gezielt zur Düngung eingesetzt. Zum Beispiel streute man sie sparsam auf Weiden mit hagerem Bewuchs, damit er vom Vieh besser abgefressen wurde, wenn das Wild nicht zuvorkam, wie Helmut KONZETT (1996) berichtet. Gleichzeitig gelangte dabei auch etwas Asche in den Boden und diente so als Dünger. Die fein zermahlene Rinde wurde früher in Notzeiten in ganz Europa zum Strecken dem Brotmehl beigemischt (vgl. MARTINI, E 1974). Die feinen Holzspäne verwendete man in den Haushalten zur Essigherstellung.

Die Bucheckernernte fiir Brot und Backwaren Die minderwertigen, verwurmten und tauben Nüsse fallen zuerst mit dem Laub ab, die reifen und gesunden erst zuletzt, nach schönen und trockenen Herbsttagen. Deshalb konnte man die Bucheckernernte gut mit der Ernte von Laubstreu kombinieren. War das meiste Laub weg, breitete man die Tücher aus und ging an die gefährliche Arbeit des Schütteins oder Herunterschlagens der Eckern mit langen Holzstangen. Das Abschütteln gegen Ende Oktober war deshalb wichtig, da die guten Nüsse gerne bis in die Frost- und Schneezeit in ihren Hüllen blieben. Diesen Ertrag wollte man sich nicht entgehen lassen. Oder das Laub wurde gemeinsam mit den Fruchtbechern und den herausgefallenen Früchten gesammelt. Zu Hause löste man die Eckern in Handarbeit aus und sortierte die tauben aus. Zudem gab es eigene Methoden des Aufschütteins und Aufwerfens mit Tüchern oder Maschennetze, durch die die Blätter nicht durchfallen konnten. Die Bucheckern werden sodann getrocknet, manchmal geräuchert oder gewässert, auf luftigen Schüttböden oder in Säcken aufbewahrt und gut vor Mäusen und Vorratsschädlingen geschützt. Regelmäßiges Umschaufeln half gegen Schimmel, der durch Feuchtigkeit entstehen kann. Auch Schnelltrocken- bzw. Dörrverfahren bei etwa 30°C wendete man an. Verändert sich die Farbe der Schalen in ein helles Braun, so ist die Haltbarkeit gewährleistet. Die Menschen lernten im Laufe der Zeit, daß die Eckern giftige Blausäure enthalten und daß man diese durch Erhitzen, Darren oder durch Abkochen und Rösten verwandeln oder entfernen konnte. Wenn man etwa durch Sieden die Blausäure aus den Eckern entfernte, konnte man die geschälten Nüsse auch in Brot oder Kuchen verbacken.

100

Rotbuche I

Junge Buchen werden schon in den ersten Jahren aufgeastet, um geradschafliges den Wuchs und die Terminalknospe zu fördern (Bild aus dem Teutoburger Wald).

Holz,

101

• Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Bucheckern dienten für Backwaren, der Ölgewinnung und Schweinemast.

Zur Ölgewinnung aus Bucheckern Jeremias GOTTHELF ( 1 9 7 8 a : 67) machte sich über das S a m m e l n der „Buchnüsse" lustig: „Nun dachte er schnell auf Errichtung einer großartigen Ölfabrik, da es ringsum viel Buchwälder gab, in welchen er das Recht, Buchnüsse aufzulesen, wohlfeil zu erhalten hoffte . . . " W ä h r e n d meiner achtjährigen Schulzeit in Strobl a m Wolfgangsee, als ich regelmäßig den selben W e g zur Schule ging, gab es, soweit ich mich erinnern kann, nur ein einziges Vollmastjahr der Buchen. Da die Eckernerträge stark schwanken und m a n nur etwa alle sieben Jahre einen guten Ertrag einbrachte, hatte die arbeitsaufwendige Ölkultur keinen langfristigen Bestand. Buchenöl w u r d e durch andere Öle (aus Hanf, Mais, S o n n e n b l u m e n usw.) vom M a r k t verdrängt. In m a n c h e n europäischen Gegenden w e i ß m a n heute noch u m die Bedeutung der Rotbuche zur Versorgung mit Speiseöl. Die Nußfrüchte enthalten 18—40% Öl. In ertragreichen Jahren w ä h r e n d des Krieges wurden Kinder dazu angehalten, die Bucheckern in der Hochreife zu sammeln.

102

Rotbuche

I

Aügemeines zur Ölgewinnung aus Früchten N a c h dem Reinigen der Früchte beginnt m a n m i t dem Schälen oder Dreschen, dann folgt das S c h r o t e n und bei leichter E r w ä r m u n g das Pressen. W i r d der D r u c k dabei erhöht, so wird das O l stärker beansprucht und verliert wertvolle Verbindungen. Langsame und niederenergetische Konservierungsverfahren sind für den G e s c h m a c k der Ö l e von großer Bedeutung. Deshalb wird die schonende Pressung bei der G e w i n n u n g des sogenannten „kaltgepreßten Ö l s " bevorzugt. Frisches, kaltgepreßtes Ö l sieht trüb aus und wird deshalb per Filter gereinigt. Bei

mehreren

Filtergängen

und

unterschiedlichen

Filterstärken

b e k o m m t das klarer werdende Ö l auch ein anderes A r o m a . In diesen Ö l e n bleiben aber im Unterschied zu raffinierten Ö l e n die Färb-, Geruchs- und Schleimstoffe erthalten. Sie sollen i m m e r lichtgeschützt, z.B. in verdunkelten Glasbehältern, aufbewahrt werden. Nach dem ersten vorsichtigen Pressen folgen weitere Pressungen bei höherem D r u c k und höherer Temperatur, wobei jeweils unterschiedliche Ö l q u a litäten hergestellt werden. So kann man den noch enthaltenen Ölrest ausnutzen. Das Bucheckernöl besitzt einen typischen Nußgeschmack. U n d der Ö l k u c h e n , der beim Pressen schalenloser Eckern übrigbleibt, wurde als Kraftfutter den Schweinen, Jungstieren und dem Geflügel verabreicht.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Der Eichenwald - Nährmutter unserer Vorfahren.

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Eiche

I

Die Eichen Die Menschen haben sich die Eichenwälder für ihre Ernährung und als Weiden zunutze gemacht. Vor allem die Schweinehirten schlugen mit langen Stangen regelmäßig die Fruchtnüsse der Eichen (Quercus ssp.) herunter, so daß in bestimmten Herbstphasen die Tiere täglich Futter hatten. Gegen den Spätherbst fielen dann die reifen Früchte von alleine herunter. Die Eicheln fanden aber auch als Brotmehl Verwendung. Die Rinde wird heute noch in der Naturheilkunde verwendet, und das herbe und sperrige Eichenlaub eignet sich gut fiir die Herstellung von Jauche. Man weicht es in Wasser ein, wodurch sich Gerbsäuren lösen. Mit diesem Gießwasser übergossene Pflanzen und besprengtes Erdreich werden von verschiedenen Gartenschädlingen gemieden.

Das Mär vom „Raubbau" unserer Wälder Es war zur Erhaltung der Eichenwälder üblich, in bestimmten Jahren sogenannte Weideschonungen einzuhalten, damit sich die Eichen wieder vermehren konnten. Der angebliche „Raubbau" unserer Vorfahren

In blanchiertem Eichenlaub wurde zur Haltbarmachung

Käse eingewickelt.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Am meisten Ertrag liefert die großfruchtige Zerreiche (Ouercus cerris).

ist ein Märchen, mit dem die Grundherrschaften die Enteignung der Bauern rechtfertigten. Die Bauern waren klug genug, ihre eigenen Naturressourcen, von denen sie leben mußten, zu schonen. Nur unter dem Druck durch die Klöster und den Adel, Abgaben zu leisten, wurden sie zur übermäßigen Beanspruchung der Natur gezwungen.

Über die Eicheln „Unsere alten Kräuterbücher teilen unsere drei Eichenarten in mehrere Sorten ein, und oft spielt als Unterscheidungsmerkmal der Geschmack der Eichel eine gewissen Rolle; man kannte also die Tatsache, daß die Eicheln verschiedener Bäume verschieden schmecken, beim gleichen Baum aber recht ähnlich. Es wäre bei der Wichtigkeit der Eiche merkwürdig, wenn die Menschen nicht die gerbstoffarmen Eicheln vorgezogen hätten. Das muß wohl wenigstens zu einer gewissen Auswahl geführt haben, worüber vielleicht gerade indirekt die Kräuterbücher berichten. Wenn heute vereinzelte Bäume mit süßen Eicheln oder mit süßen Mehlbeeren gefunden werden, so ist dies wohl keine Neubildung, sondern etwas ,ganz altes', vielleicht sogar einst gewolltes', berichtet Heinrich BROCKMANN (1925). Bis um die Jahrhundertwende mischte man nachweislich zum Weizen- oder Roggenmehl auch

106

Eiche

Getrocknete Eicheln zur Entbitterung und Bearbeitung

I

eingewässert.

Eichenmehl dazu. In Rußland mahlte man in den Notzeiten für das Bauernbrot sogar die Eichelschalen mit. Das Brot bekommt dadurch beim Backen eine graue bis schwarze Farbe (vgl. MAURIZIO 1901).

Eichengeschichten

aus Portugal

Jose SARAMAGO berichtet 1979 in seinen Erzählungen von der Bedeutung der knorrigen Stein- und Korkeichen, deren Eicheln die portugiesischen Bauern und Arbeiter in Notzeiten als Mehlfrucht sammelten. Für einen reicheren Fruchtansatz wurden die Bäume geschnitten. Die Bauern, die als Kleinpächter in den Latifundien ein kärgliches Leben führten, protestierten Ende des 19. Jahrhunderts gegen die „Fron und andere Zwänge und beschwerten sich über die schlechte Kost, mit der sie sich wegen der zahlreichen Steuern und sonstigen Abgaben begnügen mußten". Das Latifundium hätte „die Familien im Uberfluß ernähren können, es gab Kork, Weizen, Oliven und für die Mastschweine Eicheln . . . " Aber die Gesetze der Großgrundbesitzer waren streng, wenn sie das, was allen gehörte z.B. Eicheln, Reisig oder Brennholz als ihr Eigentum beanspruchten. Diebstahl wurde mit Gefängnis oder Prügeln bestraft. Hier ein kurzer Auszug aus der Rechtfertigung eines Mannes, der beim

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Gewässerte Eicheln werden geschält, in kleine Stücke geschnitten und geröstet. Dabei entstehen durch Fermentationsvorgänge kaffeeartige Aromastoffe.

illegalen „Eichelsammeln für eine Mahlzeit" von der bewaffneten Garde ertappt wird: „Eichellesen ist kein Diebstahl, u n d wenn es so wäre, dann ist der H u n g e r eine gute Entschuldigung, wer stiehlt, u m zu leben, dem ist für hundert Jahre vergeben, ich weiß, das Sprichwort geht anders, aber so m ü ß t e es lauten, wenn ich ein Dieb sein soll, nur weil ich Eicheln stehle, dann ist auch ihr Besitzer ein Dieb, denn er hat weder die Erde bestellt noch den Baum gepflanzt, gedüngt

und

beschnitten . . . " Z u r Verhöhnung u n d Strafe m u ß t e sich der Vater mit seinem Sohn vor den Augen der Garde schlagen, u m die gesammelten Eicheln behalten zu dürfen.

Von Wild- und Hausschweinen

und vom Menschen

Wenn man die Wildschweine beobachtet, bemerkt man, daß sie selten die ersten im Herbst von den Bäumen fallenden Eicheln auffressen. Sie durchwühlen den Boden mit Laub u n d vergraben dabei die N u ß f r ü c h te, damit sie keimen. Sobald die Eicheln zur Keimung ansetzen, verlie-

108

Eiche I

Jene Leute, die das Kaffeemachen keit nachzureden.

nicht können, haben es leicht, dem Eichelkaffee

Leicht und stärker gerösteter Eichelkaffee nach der Röstung

Bitter-

zermahlen.

ren sie Gerbstoffe und werden dann von den Wildsäuen gefressen. Gleichzeitig wachsen übersehene Keimlinge auf. Diese Methode hat sich der Mensch für seine Ernährung und für die der Hausschweine zunutze gemacht. Die Eicheln ließ man in mit Wasser gefüllten Bottichen vorkeimen, damit sie ihren bitteren Geschmack verlieren. Sie waren dann auch bekömmlicher und leichter verdaulich. Eicheln als Nahrungsmittel

für den

Menschen

Die Eicheln enthalten bis zu 70% Stärke und Zucker und etwa 6% Eiweiß, weshalb sie lange Zeit als Nahrungsmittel geschätzt waren. Uber Nutzung und Züchtung erhielt man auch Sorten mit „Süßen Eicheln ". Manche Baumfrüchte sollen süßer als die Eßkastanien gewesen sein. In den Eichengebieten Nordamerikas (den „Oaklands") verwendeten die Indianer bis vor etwa 70 Jahren die Eiche für Breinahrung, Brot, Süßspeisen und Suppen. Dazu wurden alle Eicheln verwendet, von denen es in Amerika die vielfältigsten Sorten gibt. Auch bei uns backte man vor langer Zeit Brot aus Eichelmehl. Dieses gewann

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

man, indem die geschälten Eicheln vorher zum Entzug der Bitterstoffe in Wasser eingeweicht wurden, bis es nach mehrmaligem Wechseln klarer wurde. Danach wurden die Eicheln zerkleinert und im Backofen gedörrt oder getrocknet. In verschiedenen Regionen gab es unterschiedliche Aufbereitungsverfahren. „Reste ausgesprochener Eichelkulturen haben sich in abgelegenen Gebieten sogar bis in unser Jahrhundert erhalten. ( . . . ) In Japan wurden die geschälten Eicheln in Hanfsäcke gefüllt und in einem Wasserfall oder in einem rasch fließenden Bach verankert, wo sie einige Wochen lang verblieben" (SCHNEIDER, M . 1990).

Der Eichelkaffee Eichelkaffee zuzubereiten ist nicht schwierig, braucht aber etwas Erfahrung. Es gibt mehrere Zubereitungsweisen: 1. Man entfernt die Schale, zerkleinert die vom Baum gefallenen Früchte in grobe oder feinere Teile und röstet diese langsam in einer Pfanne an. Ab und zu schüttelt man sie mit geschlossenem Deckel kräftig durch, damit sie nicht anbrennen. Wenn sie braun geworden sind und geröstet riechen, läßt man sie trocknen, ehe man sie in geschlossenen Gläsern aufbewahrt. Erst kurz vor dem Einweichen und Kochen in heißem Wasser sollte man sie grob mörsern, das bewirkt einen intensiveren Geschmack. Bei Espresso- und Filtermaschinen sollte man keinen pulverisierten Kaffee verwenden, denn sonst verstopfen die feinen Stärketeile die Filter (Explosionsgefahr!). 2. Wenn man auch die zerkleinerten Eichelteile mittrinken oder -essen will, dann kann man sie vorher auch kleiner zerreiben und in einem offenen Gefäß anweichen lassen. Einen Löffel für eine Schale läßt man etwa 8 bis 10 Minuten aufkochen. 3. Es ist auch möglich, unmittelbar vor der Kaffeezubereitung die getrockneten, groben Kaffeeschnitzel braun zu rösten und erst dann zu mörsern und aufzugießen. 4. M a n kann die Früchte auch vor dem Rösten etwas kochen, vor allem wenn sie sehr reich an Gerb- und Bitterstoffen sind; für die geschmackliche Abschätzung braucht man einige Erfahrung. Allerdings verlieren sie beim Kochen wichtige Heilstoffe.

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Eiche

Geschnittene

Eichelstücke

Mischmehle

verwenden.

werden angeröstet

I

Man kann sie zerrieben dann auch für

Eichelkaffee hilft bei Durchfall, Krämpfen, Leibschmerzen und Hartleibigkeit. Der heilkundige K N E I P P empfahl den regelmäßigen Konsum von Eichelkaffee. Für Kinder und alte Menschen wurde zur Kräftigung über mehrere Tage ein Gemisch aus Eichelkaffee mit Kakao und etwas Milch verabreicht.

Von Galläpfeln Die schwarzen Eichengallwespen stechen die Eichenblätter an und legen ihre Eier darin ab. Es entstehen „Galläpfel", die die Eiche gegen den Fraß der Wespenlarven schützen, und der Baum reagiert in diesen Kugeln mit einer erhöhten Gerbstoffproduktion. Im sich vergrößernden „Apfel" hat sich die Gallwespenlarve darauf eingestellt und frißt diesen von innen her auf. Diese frischen Galläpfel wurden einst für Heilzwecke gesammelt. Sie waren auch die Basis für Farben, Tinten und für das Gerben.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Die Eichengalläpfel waren für das Färben, die Tintenherstellung und spezielle Gerbereien verwendet worden.

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Eiche

I

Die gerbstoffreiche Medizin aus Eichenrinde Alle gerbstoffhaltigen Teile sind in der Medizin eingesetzt worden. Früher hatte man stets getrocknete Eichenprodukte (Stammrinde, Astrinde, Blätter, Gallen, Blüten etc.) zu Hause im Medizinschrank. Bei Hautunreinheiten und -ausschlagen, fetter Haut, Ekzemen, Frostbeulen, Drüsenanschwellungen, bei Mastdarmproblemen, Hämorrhoiden, Scheidenkatharr und Gebärmutterentzündungen nutzte man vor allem die Rinde für Voll- oder Sitzbäder (sogenannte Lohbäder). Den Rindenabsud trinkt man bei starkem Durchfall sowie bei Magen- und Darmschleimhauterkrankungen; bei Angina, geschwollenen Mandeln und zur Stärkung des Zahnfleisches wird er für Mundspülungen genutzt (vgl. FRANCIA, 1991).

Ob Trauben-, Stiel-, Flaum- oder Zerreiche - sie wurden früher, bevor das Getreide als Kulturpflanze eingeführt wurde, als wichtiges Nahrungsmittel verwendet.

Misteln zur Herstellung von Leim Misteln der Arten (Loranthus europaeus und seltener Viscum album) kommen hauptsächlich auf Eichen vor. Aus den gelblichen, schleimigen

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Die Mistel (Viscum album) hat weiße Beeren und diente als Kleber.

Beeren kochte man Leim zum Vogelfangen. Die oben schwimmende Schicht wurde als Kleber abgeschöpft. Bestimmte, von Vögeln häufig angeflogene Aste wurden mit diesem Leim bestrichen, dann legte man sich auf die Lauer. Früher war die Vogeljagd eine gängige Art der Nahrungsbeschaffung. Bis vor wenigen Jahrzehnten war diese Methode noch bei den Vogelfängern im Salzkammergut bekannt. Ein alter Förster aus Mazedonien erzählte, daß die Misteln früher von den Eichen geschnitten und als Ziegenfutter verwendet wurden. Man benutzte abgekochte Beeren auch für warme Auflagen und Tragverbände bei langwierigen Verstauchungen und Zerrungen. Damit der Verband auch hielt, mußte man die Glieder beim Verbinden ruhig halten, bis er hart wurde.

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Eiche

Mit dem ersten Ansatz der Eicheln kann man durch die austretenden kräftigendes bierähnliches Cetränk gewinnen.

Kohlehydrate

I

ein

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Aus den Ahorn-Blüten

kann man nahrhaflen Mischsalat

zubereiten.

Die Ahorne Der Bergahorn Den Bergahorn (Acerpseudoplatanus)

findet

man bis in höhere Gebirgs-

lagen, da er die kühle u n d feuchte Luft gut verträgt. D a er ein seidenglänzendes, weißes Holz hat, ist er bei Möbeltischlern, Drechslern, Bildschnitzern u n d Intarsieneinlegern sehr gefragt. Als Klangholz ist er bei Instrumentenbauern beliebt. Aber auch Bottichmacher, Wagenbauer und Parkettleger verwendeten für besondere Stücke u n d Verzierungen Ahornholz. Die Almhirten und Fahrenden schnitzten in ihrer Freizeit Milchgeschirr, Schüsseln, Löffel und Figuren als Geschenke oder für den Verkauf auf dem Herbstmarkt.

Sauerkraut aus

Bergahornblättern

Bergahornbäume findet man in rauhen Berglagen inmitten von Landschaften mit hohem Fichtenanteil. Im Guilingtal in den Niederen Tauern z.B. stehen sie in der offenen Landschaft als Grenzzeiger und als Schattenbäume für das Weidevieh. Man kann an ihnen noch einstige

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Ahorn

I

Die verschiedenen Varietäten von Zucker- und Silberahorn sind/waren die Zuckerlieferanten Nordamerikas.

Schnittmaßnahmen ablesen. Ihr Laub diente als Futter, oder man bereitete aus den Blättern Sauerkraut zu. Dazu wurde das Laub in Holzbottiche oder Erdgruben eingestampft und luftdicht abgeschlossen. Der Spitzahorn (Acer platanoides) hingegen eignet sich wegen des Milchsafts in seinen Stengeln und Blattnerven nicht zur Bereitung von Sauerkraut. Der

Zuckerahorn

Von den Indianern aus Nordamerika ist bekannt, daß sie aus dem 35 bis 40 Jahre alten Zuckerahorn (Acer saccharum) und Silberahorn (A. saccharinum) „Zucker" gewonnen haben. Der Frühlingssaft wird an warmen Tagen nach einer kalten Nacht abgezapft. Vor dem Laubaustrieb im März hatte man bestimmte Stellen ungefähr 5 cm tief angebohrt, um den ausströmenden Saft in Behältern aufzufangen. In drei bis vier Wochen fließt dann der Saft aus. Allerdings stockt nach einigen Tagen der Saftfluß. Dann wird eine andere Stelle angebohrt und das vorige Loch mit Holz zugestoppelt. Die Flüssigkeit wird dann so lange gekocht, bis ein Sirup und bei längerem Kochen eine bräunliche Paste übrigbleibt. Bei etwa 5% Zuckergehalt kann pro Baum 3 bis 4 kg Ahornzucker gewonnen werden. In Kanada wird heute diese Art der Zuckergewinnung industriell betrieben.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Junge Feldahornblätter für den Salat

Zuckergewinnung

aus Berg- und

verwendet.

Spitzahorn

Unbekannt ist heute, daß auch bei uns aus dem Bergahorn Zucker gewonnen wurde. Er wurde meist nach „Mittsommer" am Johannistag (24.6.) angezapft. Aus dem Saft stellte man neben Zucker und Sirup auch Essig her. Aus 50 Litern Ahornsaft gewann man etwa 0,5 Liter Zucker. (Im Frühjahr ist der Saft reicher an Zucker.) So kamen die .raffinierten' Menschen zu einem unraffinierten Süßmittel, welches sie für Konservierungszwecke verwenden konnten. Andererseits machte man aus der süßen Flüssigkeit einen delikaten Aufstrich für warme Waffeln. Man verarbeitete sie in Puddings und Reisdesserts. In der frühen Blüte diente der Ahornbaum auch als wichtige Bienentrachtpflanze. Die süßen Blüten können auch verspeist oder für Mischsalate verwendet werden. In Mitteleuropa wurden früher die Spitzahorne angebohrt, es sollen auch größere Mengen des Saftes vergoren worden sein (vgl. K E L L E R , 1 9 7 0 ) .

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Ahorn

I

Der Feldahorn als Speisebaum Der Feldahorn (Machandelbaum = Acer campestre) war unter den Germanen als Speisebaum bekannt. Er lieferte Laubfutter für das Vieh, und der Mensch konnte aus den frischen Blättern Brei oder Sauerkraut zubereiten und die getrockneten, grünen Blätter fiiir den Winterbrei horten. In der Volksmedizin wurden aus dem Feldahorn auch Blatt- und Rindenabsude bereitet, die man zur Schmerzlinderung mit Stofflappen auf erhitzte Stellen legte. Bei lang andauerndem Fieber nahm man Bäder mit diesen Ingredienzien. Wenn infolge von Geschwüren oder Anschwellungen Hitze entstand, legte man gequetschte FeldahornblattPflaster oder erwärmtes Ahornholz auf.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Die Linde als Haus- und Nährbaum Die Nutzung der Fasern In der Steinzeit nutzten die Menschen die Fasern aus dem Bast der Linde (Tilia ssp.) für feines Flechtwerk, Kleider, Siebe, Körbe, Matten, Stoffe und Stricke. Dazu wurde die Rinde im Frühjahr, wenn sie sich gut lösen ließ, geschält. Die Innenseite der Rinde wurde abgeschält und in Wasser gelegt. So trennten sich nach einiger Zeit die Bastfasern und konnten dann getrocknet werden. Diese Technik wurde immer mehr perfektioniert. Im Mittelalter fertigte man auf diese Weise Seile und Stricke, und, soweit ich gehört habe, bei uns noch bis in die Nachkriegszeit. Die Blüten in der Heilkunde

und das Ol der Nüßchen fiir Salate

Die Lindenblüten enthalten ätherische Öle, Gerbstoffe, Glycoside und Saponine. Als Tee wirken sie schweißtreibend, schleimlösend und werden bei Erkältung, Grippe und Lungenerkrankung empfohlen. Bekanntlich wirkt er noch besser, wenn man sich nach dem Trinken gut zudeckt. Warme Lindenblütenauszüge verleihen eine schöne Haut und können zur Entspannung als Kompresse auf die Augenlider gelegt werden.

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Linde

I

Die kleinen Lindennüßchen verwendete man zur Ölgewinnung, auch wenn das Sammeln und die Aufbereitung noch so aufwendig waren.

Linden

blättersalate

Im Frühjahr werden die frischen Blätter der Linden als stärkendes, frisches Wildgemüse für köstliche Salate, Mischsalate und Gemüsebeilagen verwendet. Die frisch geschobenen, noch hellgrünen Blätter können roh verzehrt werden. Sie enthalten noch keine Bitterstoffe und sind noch nicht rauh. M i t der Zeit werden sie steifer und bekommen an den Blattunterseiten steife Haare, was beim Kauen und Schlucken unangenehm ist. Nach dem Blattschieben schneide ich sie in Streifen und mache sie wie einen Salat mit Essig, Ol und Gewürzen an. Besonders gut machen sich die Blätter in Mischungen mit geringen Mengen anderer Wildsalatkräuter, wie zum Beispiel Löwenzahn, Bibernelle, Kleiner Wiesenknopf, Gänseblümchen, Spitzwegerich, Wiesenkerbel, Bärenklau, Wiesenkümmel, Hühnerdarm und Gundelrebe. Der Salat wird besonders schmackhaft, wenn man kleine Stücke säuerlicher Apfel, wie zum Beispiel die bis zum Frühjahr lagerfähigen Boskop- und Lederäpfel, einige Sonnenblumenkerne oder Nüsse beigibt. Ein solcher Mischsalat ist ein höchst nahrhaftes Naturgeschenk, er verleiht Kraft, und zur Sättigung braucht man nur eine kleine Menge.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Als Speiselaub auf das Butterbrot Das Laub der Lindenbäume diente nicht nur als Futter und im Herbst als Einstreulaub für das Vieh, es wurde im Frühjahr auch als Speiselaub geerntet. Das dunkle, langsam gebackene Vollkornroggenbrot beträufelte man (noch bis vor wenigen Jahrzehnten) mit Zitronensaft, bestrich es dann mit Butter und legte eine dicke Schicht frischer Lindenblätter darauf. Getrocknetes Lindenlaub wurde im Frühjahr zermahlen und dem Brotmehl, den Eintöpfen oder anderen Speisen beigemischt, um diese zu strecken.

Lindenblätter als Toilettenpapier Die „linden" Blätter dieser Baumart dienten früher auch als Toilettenpapier. Wurden die Bäume regelmäßig zurückgeschnitten, so trieben sie mit voller Wucht wieder aus und bekamen wesentlich größere Blätter als ungeschnittene Bäume. Man erntete die Blätter, bevor sie steifer wurden. Dazu streifte man sie direkt von den ein- bis zweijährigen Trieben am Baum ab oder schnitt die Kopftriebe alle zwei Jahre ab und entblätterte sie in der milden Frühjahrssonne vor dem Haus. Toilettenpapier oder Zeitungspapier konnte und wollte man sich vor 50 Jahren nicht leisten.

Heilkohle und Zahnputzmittel aus Lindenholz In der Hausapotheke durfte das aus weichem Lindenholz gewonnene Kohlepulver nicht fehlen. Bei Vergiftungen und großer Übelkeit war es ein unverzichtbares Mittel. Durch ihr großes Porenvolumen nahmen die verkohlten Holzteile die Giftstoffe schnell auf. Die Kohle mußte dann durch Abführmittel abgetrieben werden, damit sie mitsamt den schädlichen Stoffen nicht zur Verdauung und in den Blutkreislauf kam. Lindenkohle hilft auch bei starkem Durchfall und Blähungen. Mit fein zerriebenen Salbeiblättern vermischt, wurde sie zum Zähneputzen und zur Straffung des Zahnfleisches verwendet.

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Schwarze Pappel

I

Die Schwarzen Pappeln Der lateinische Name fiir die Schwarze Pappel lautet Populus nigra. Populus heißt auf deutsch, Volk' und weist vielleicht auf den Baum fiir das Volk hin. Im Volksmund heißt sie auch „Allerbaum " oder .Allerweide". Dahinter verbirgt sich entweder die landwirtschaftliche Bedeutung der Allmende oder jene der Beschattung der Straßen für die Kriegsheere, wie sie z.B. Napoleon pflanzen ließ, damit er mit seinen Soldaten per pedes schneller vorwärts kam. Pappeln erreichen im Schnitt ein Alter von etwa 1000 Jahren. Der Baum kann wegen seiner Raschwüchsigkeit über die Stecklingsvermehrung schnell zu einem stattlichen Baum heranwachsen. Das Holz ist aber nicht hart und haltbar, weswegen es fiir Papier und Sperrholzplatten und früher fiir Holzschuhe, Schnitzereien und Zündhölzer verwendet wurde.

Die Blätter als

Sauerkraut

Das frische Pappellaub soll laut BROCKMANN (1936: 608) in Südfrankreich als Sauerkraut vergoren worden sein. Die Blätter haben einen vergleichsweise hohen Fettgehalt. Wenn man im Frühjahr die Blatternte

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Bevor die Blätter schießen, sind die harzreichen Knospen zu ernten.

übersah, mußte das verspätete Erntegut überbrüht werden, um die bereits eingelagerten Gerbstoffe, Harze oder die Gallussäure zu entfernen. Die Brühmasse stampfte man für den Wintervorrat in Holzfässer ein.

Pappelknospen für Bienenkitt und als Heilmittel Noch heute ist die Nutzung der harzhaltigen Knospen für heilende Zwecke bekannt. Im Frühjahr werden die frisch getriebenen, aber noch geschlossenen Pappelknospen (der Schwarz-, Zitter-, Silber-, Grauund Pyramidenpappel) eingesammelt. Die Schwarzpappel (Populus nigra) ist die heilkräftigste. Das abgesonderte klebrige Harz verströmt einen balsamartigen Duft. Die Knospen werden getrocknet und in Gläsern gelagert. Die Harzschicht um die Knospen hat die Aufgabe, vor Schädlingen, Bakterien, Pilzen und vor der winterlichen Witterung zu schützen. Gerade Bienen brauchen das Pappelharz für den Bienenkitt (Propolis) zur Abdichtung ihrer Bienenstöcke und als Schutz gegen Bakterien. Die Inhaltsstoffe der Pappelknospen haben desinfizierende, blutstillende, wassertreibende, wundheilende und nierenanregende Wirkung.

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Schwarze Pappel Allgemein stellen die Pappeln den Bienen das Harz für die Wabenerrichtung zur Verfügung. Mit den Pappelharzen erfolgt in den Bienenbehausungen eine Desinfektion von Schadbakterien. Diese Harze nimmt der Mensch über PropoiisErzeugnisse als Medizin ein.

I

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Harzreiche Knospen fiir Tee und Tinktur Die getrockneten oder frischen Knospen verwendet man als Tee gegen Harnsäureleiden, Rheuma, Gicht, Prostatabeschwerden, Harnverhalten, Nierenschwäche, Grippe, Blasenleiden und Fieber. Einen Teelöffel läßt man in heißem Wasser fünf Minuten lang ziehen. Es wird auch eine Tinktur in 45%igem Obstler angesetzt und drei Wochen lang verschlossen gelagert. Ab und zu schüttelt man das Glas. Die Tinktur wird durch ein Papier gefiltert und in Gläser abgefüllt. Dreimal täglich nimmt man vor der Mahlzeit 20 bis 30 Tropfen.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Pappelknospensalbe Die Salben aus Pappelknospen dienten zur Behandlung von Brandwunden und entzündeten Hämorrhoiden. Die frisch gesammelten Knospen (300g) werden zerquetscht, in ein Glas gegeben, mit etwa 750 Milliliter Olivenöl oder Vaseline verrührt und mit einem Deckel verschlossen. Zwei Wochen lang schüttelt man die Mischung einmal täglich durch. Zur Gewinnung des Öls wird das Glas in ein Warmwasserbad gegeben und dann das Ol abgefiltert. In die Salbe können, solange das Öl noch warm ist, verschiedene Ingredienzen gemischt werden, zum Beispiel 150 Gramm Bienenwachs. In Tirol wurde aus den harzreichen Knospen, den „Alberpotzen" oder „Almapotzen"\ der Schwarzpappel eine Salbe zur Förderung des Haarwuchses hergestellt.

Die Balsampappel und das Öl vom Lungauer Balsambaum

Die verschiedenen Balsampappelarten Der „Balsambaum" gehört zu den Weidengewächsen und heißt eigentlich „Westliche Balsampappel" (Populus trichocarpa). Dieses fremdländische Gehölz stammt ursprünglich aus dem pazifischen Teil Nordamerikas, wo es vom südlichen Alaska bis Nordkalifornien vorkommt. Als Nutzbaum findet man ihn heute noch im Salzburgischen Lungau. Dort wird er in wenigen Fällen weiterhin angepflanzt. Der Baum ist an mit Wasser gut versorgten und sonnigen Standorten zu finden und per Steckling vermehrbar. Manchmal wurde dieser Hausbaum von mehreren Leuten gemeinsam gepflanzt und genutzt. In Hausnähe dient er als Blitzableiter. Daneben gibt es in unseren Breiten die ähnliche, ebenfalls eingeführte „Amerikanische Balsampappel" (Populus balsamifera). Aus Südostasien wurden auch Balsampappelarten als Zierbäume eingeführt. In der medizinischen Fachliteratur wird fiir diese Arten und verschiedenen Kreuzungen die allgemeine Bezeichnung Balsampappel angeführt und häufig bei der Namensgebung nicht unterschieden. Offenbar dürften sie alle annähernd die gleichen Wirkstoffe haben. Meist wird diese

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Balsampappel

I

Die Balsampappel (Populus c.f. trichocarpa) wurde wegen ihres hohen Wertes für die Medizin von den Wissenschaftern wiederentdeckt. Es ist zu hoffen, daß das Wissen aus der Volksheilkunde von der Medizinlobby nicht monopolisiert wird.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Knospen und Blätter der Lungauer Balsampappel, deren Herkunft noch nicht ergründet ist.

seltene Baumart in der Literatur auf die Zierfunktion, die forstliche Holznutzung und auf das bevorzugte Vorkommen in Auenwäldern reduziert. Das war aber nicht der Grund, diese wertvolle Baumart in unseren Breiten einzuführen. Alle Namen der genannten Arten beinhalten das Wort „Balsam", was auf die Nutzung zu Heilzwecken verweist.

Die

Balsampappel

Die „Westliche Balsampappel" (Populus trichocarpa) hat meist breite, eiförmige oder (seltener) rhombische Blätter, die unterhalb der Mitte am breitesten u n d am Ende zugespitzt sind. Sie fühlen sich ledrig an. Die Oberseite ist dunkelgrün und glatt, die Blattunterseite hingegen weißlich bis rostfarben u n d häufig leicht flaumig. Die Blattnerven sind gut sichtbar, der Blattrand ist gekerbt. Diese Pappel ist nahe mit der Schwarzpappel verwandt und dieser in der Wuchsform nicht unähnlich. Die Baumkronen sind verhältnismäßig licht u n d schlank u n d können schon ab Ende August das Laub

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Balsampappel

I

Die Balsampappel war auch als „Blitzbaum" - zum Auffangen des Blitzschlages, damit er nicht in die Häuser einschlug - in der Nähe des Bauernhofes gepflanzt worden.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

gelbbraun zu verfärben beginnen. Die vorderen Astknospen können ab Spätsommer langsam einen Harztropfen absondern, der am Knospenhals kleben bleibt. Die Harztropfen und Knospen riechen süßlich-ätherisch und schmecken herb-bitter. Das angenehm balsamartig riechende Harz beinhaltet ätherische Öle und hat eine dickflüssige Konsistenz. Im Frühjahr tropft das Harz ab oder fällt mit den Knospenschuppen auf den Boden. Einige Leute legten alte Leintücher unter die Bäume, um das Harz auf diese Weise zu sammeln. Die älteren Menschen konnten anhand des Duftes das Wetter vorhersagen: Wenn das Wetter umschlug, zeigte sich dies an dem intensiven balsamischen Duft dieses Baumes.

Die Verwendung als Heilmittel Die Schuppenharze enthalten u.a. im Glykosidkomplex Salicin und Populin. Diese ätherisch-öligen Pflanzenstoffe können äußerlich und innerlich angewandt werden, allerdings mit Vorsicht. Innerlich verwendet, bewirken sie eine „starke Senkung der Blutharnsäure und eine verbesserte Ausscheidung der Harnsäure im Harn und werden besonders zur Behandlung der chronischen Polyarthritis empfohlen. In der Volksheilkunde werden die Pappelknospen innerlich als Diureticum, Diaphoreticum

u n d als Expectorans,

äußerlich

in

Salbenform

(Unquentum Populi) als Wundheilmittel und bei Hämorrhoiden angewendet" (HEGI, 1957:29). Das Harz reizt leicht die Mund- und Rachenschleimhäute. Es kann hier starkes Kratzen und Brennen verursachen. Bei innerlicher Anwendung wurde es deshalb in Pillenform verabreicht. Auch als Ol oder in Weingeist angesetzt, kann es in geringen Mengen eingenommen werden. Zur Wundreinigung bei Mensch und Tier kann das Harz a 'f folgende Weise angewendet werden: Die klebrige Masse wird auf Leinentüchern aufgetragen und bei Geschwüren als Pflaster oder Verband umgebunden. Dadurch konnte man Wunden und Brüche heilen. Auf die gleiche Weise verwendetete man auch Lärchenharz oder Salbenmischungen auf der Basis von Bienenwachs, um Eiter herauszuziehen oder Frostbeulen zu heilen. Im Frühjahr, wenn die Fohlen oder Kälber zur Welt kamen und z.B. Nabelgeschwüre auftraten, wurde die Balsamsalbe mit der Hand oder mit einer Spachtel aufgestrichen.

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Balsampappel

I

Das Lungauer Balsamöl Mein Interesse am Balsambaum wurde durch Erzählungen von Kräuterkundigen und Heilpraktikern aus dem Lungau geweckt. Die harzreichen Knospen werden teilweise heute noch gesammelt und für verschiedene Öle und Salben verwertet. Die 88jährige Frau Koller aus Mauterndorf etwa bereitet aus ihnen Balsamöl. Sie sammelt die Knospen ab Februar zum Teil direkt vom Baum, wenn sie stark kleben und bevor sie auszutreiben beginnen. Man kann sie aber auch im Herbst einsammeln, wenn sie Anzeichen der Harzabsonderung zeigen. Die Harztropfen wurden manchesmal auch mit einer Holzspachtel abgestreift, damit man nicht zu viele Knospen abbrechen mußte. Das Sammelgut wird in Gläser mit Drehverschlüssen gefüllt und mit kaltgepreßtem Olivenöl angesetzt. Man stellt diese für etwa vier bis sechs Wochen ans Fenster in die Sonne und kann dann die Knospen abseihen. Das Ol verfärbt sich relativ schnell braun. Es kann gegen Fieberblasen, zur schnelleren Wundheilung nach Operationen und zur besseren Hautregeneration nach Brandverletzungen verwendet werden. Auch zum Einreiben bei Knochen- und Knorpelbrüchen, bei Gliederschmerzen, Hämorrhoiden und schlecht heilenden Wunden soll das Balsamharz seine Wirkung tun. Mit den harzigen Knospenschuppen wurden auch Tees für die Heilung von Blasenleiden, Prostata, Gicht oder Rheuma bereitet. Der Tee duftete balsamisch und wurde mit etwas Honig gesüßt. - Eine Bäuerin aus Tamsweg erzählte, daß sie das Ölglas im Boden eingrub, mit einem Leinentüchlein abdeckte und mit Erde überschüttete. Ohne Sonneneinwirkung soll das Harz intensivere Wirkkräfte entwickelt haben. Die B"!samsalbe Eine abereitungsart der Balsamsalbe wurde mit Schweinefett und Bienenwachs durchgeführt. Heute verwendet man Melkfett anstelle von Schweinefett. Dabei werden die Knospen gequetscht, getrocknet, gemörsert und schließlich in Fett angesetzt. Oder sie werden in 0 1 angesetzt und ans Fenster gestellt. Nach etwa drei Wochen wird das 0 1 erhitzt, allerdings nicht gekocht. Man zieht den Topf an den Herdrand und rührt etwa eine Viertelstunde nach, ehe man absiebt und Bienenwachs beigibt. Dann wird die Salbe in Gefäße abgefüllt und an einem kühlen Ort gelagert.

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I Bäume und ihre vergessenen Nutzungen

Holzöl, Motten- und

Räuchermittel

Die einstige Verwendung könnte vielleicht auch eine andere gewesen sein. Entweder hat man in größeren Mengen Holzkonservierungsöle oder -harze daraus bereitet, damit Holzwürmer ausgetrieben wurden, oder aber Mottenmittel, da das Knospenharz einen sehr intensiven, aber angenehmen Geruch hat. Wenn man zum Beispiel in Kirchen alte Holzschnitzereien besichtigt, so strömt einem ein solcher Harzgeruch entgegen, ähnlich wie vom Zirbenholz. Möglicherweise wurden auch Ersatzmittel für Weihrauch und Myrrhe daraus bereitet und Räume damit ausgeräuchert.

Das Balsamharz aus fernen

Ländern

Aus der antiken und mittelalterlichen Literatur geht hervor, daß seinerzeit die Wertschätzung für Balsame sehr hoch war. Kreuzritter und Händler brachten Balsamstoffe wie Myrrhe und Weihrauch aus fernen asiatischen und afrikanischen Ländern mit. Sie waren der Inbegriff des Wohlbefindens und begehrte Prestigeobjekte und Handelswaren. In mitteleuropäischen Ländern wurde versucht, dieses teure und knappe Gut zu fälschen. Das eigentliche Balsamharz ist ein Sekret, welches honigsüß duftet. Vom kleinen Baum des Mekka-Balsams (Balsamodendron gileadense, aus der Familie der Burseraceen) stammt der Name. Die Herkunft der südarabischen Baumbalsame (der Gattung Commiphora und Cadia) wurde streng geheimgehalten (vgl. LUDWIG, 1982). Es ist bis heute unklar, ob die damals gehandelten Balsame aus Saudi-Arabien, Somalia oder aus den Savannengegenden Nordafrikas stammten. Man weiß aus Berichten, daß „die tropfenden Harze in Tüchern aufgefangen oder abgekratzt wurden, wobei sorgsam darauf geachtet werden mußte, daß kein Eisen die Rinde der heiligen Bäume verletzte, denn das hätte die Götter verärgert" (ebenda). Die Ernte wurde mit anderen Duftstoffen und Luxusgegenständen zu den Handelsplätzen der Mittelmeerküste gebracht. Laut Otto LUDWIG dürfte der echte Mekka-Balsambaum aber ausgerottet worden sein. Mit Balsamweinen wurden Leichen gewaschen. Die echten und unechten Balsamöle dienten zum Einbalsamieren der Leichenkörper,

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Balsampappel

I

damit die angesehenen Menschen „würdig vor dem Forum der seligen Geister erscheinen" konnten. Wann im Lungau der Balsambaum erstmals angepflanzt wurde, müßte erst genauer erforscht werden. Meiner Vermutung nach dürfte er schon vor dem Mittelalter über die östlichen Handelsbeziehungen mit China bei uns eingeführt worden sein. Vielleicht wurde das Lungauer Balsamharz in Mitteleuropa sogar als Fälschung gehandelt, denn der Baum sicherte wichtige Nebeneinkünfte.

Ersatzstoffe flir Balsam Derart wertvolle Baumarten und nach honigsüßem Balsam riechende Pflanzen wurden eingeführt, und wenn sie bei uns nicht gediehen, dann besorgte man sich Ersatzpflanzen, wie zum Beispiel die Westliche Balsampappel, die bei uns gut wuchs. Es gibt eine Vielzahl von Balsampflanzen, die gehandelt wurden und denen man balsamische Wirkung nachsagte. O b sie alle

fiebersenkend,

magenberuhigend oder

regenerierend bei Brandwunden wirkten, ist unklar. Der würzige PeruBalsam etwa wurde durch die Blätter und Samen von Schabzigerklee (Trigonella coerulea) ersetzt. Die heilwirkende Kraft der wunderschön rotblühenden Gartenbalsamine {Impatiens balsamina-, aus der Familie der Springkrautgewächse, Heimat Asien) ist vielen Gartenbesitzern unbekannt. Meiner Einschätzung nach dürfte sie wie auch das Fleißige Lieschen (Impatiens walleriana, aus dem tropischen Ostafrika) zur medizinischen Nutzung bei uns eingeführt worden sein. Beide werden heute als Zierpflanzen in vielen Sorten kultiviert. Die Gartenbalsamine findet man mittlerweile auch ,verwildert' auf Schuttplätzen. In Kärnten spricht man bei der Gattung der Minzen allgemein von den „Bälsn" (Balsam) (ADLER, et al. 1994). Ebenso wurde Balsamkraut (Balsamita major) als Arzneipflanze aus Südwestamerika in Österreich eingeführt und u.a. in Bauerngärten kultiviert. Sie wurde auch als „Frauenminze" oder „Frauensalbei" bezeichnet (ebenda), da sie in der Frauenheilkunde ein hohes Ansehen genoß. Dieses Balsamkraut ist mittlerweile verwildert auf Schuttplätzen und Böschungen in Ostösterreich anzutreffen. Es gibt eine Unzahl von ähnlich wohlriechenden Pflanzenarten, zu denen z.B. auch die Balsamtanne (Abies balsamea) zählt.

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Das Laub verschiedener Gehölze - vornehmlich im frischen, grünen Zustand geerntet fand bis vor wo Jahren Verwendung für unsere Ernährung. Bis in die siebziger Jahre wurden Bäume für Futterzwecke in ganz Europa geschnaitelt. „Schnaitein" beschreibt den Vorgang des Schneidens und Blattrupfens von ein- bis zweijährigen, belaubten Baumtrieben an den selben Stellen. Von der Bauernwirtschaft wurden die Tätigkeiten zur Imitation romantischer Landschaftsbilder in die Parkanlagen, Gärten und Straßen der Herrscher übernommen. Deshalb findet man heute in solchen Anlagen ständig geschnittene Bäume als Zeichen des repräsentierten Reichtums. Die Vornehmheit trugen aber schon lange Zeit zuvor die Bauern mit ihren klugen Wirtschaftszusammenhängen. In dieser Form der Baumbewirtschaftung stecken kluge Weisen der Subsistenzproduktion - der Selbstversorgung durch Selbstbestimmung. „Laubernten" war als Grundrecht „erlaubt".

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4- Speiselaub und Schnaitelnutzung Die Nahrhaftigkeit der frischen Fichtentriebe In diesem Kapitel finden sich einige Verwendungen der frischen Fichtentriebe. Die Geschichten wurden von Bekannten und Verwandten weitergegeben, die sie bis heute noch anwenden. Die Zubereitungsweisen entstammen aus verschiedenen Regionen Mitteleuropas.

„ Tannenwipfelhonig" im Frühjahr Im Salzkammergut versteht man unter „ Tennerwipfihenig" einen Fichtenwipfelhonig. Man kann aus den Tannentrieben (Abies alba) ebenso einen Honig herstellen wie aus Lärchen-, Kiefern- und Wacholdersprossen. Ich habe das selbst mit den Schößlingen der Fichte (Picea abies) ausprobiert. Dabei verwendete ich im späten April und im Mai ganz junge Fichtentriebe für einen hustenlindernden Fichtenhonig von dunkelbrauner sirupartiger Konsistenz. Dazu werden die frischen Triebspitzen in ein Gefäß gefüllt und über drei bis vier Tage in Wasser angesetzt. Beim Aufstellen des großen Topfes soll die Umgebung warm sein. Nach vier Tagen erhitzt man den Inhalt und filtert die Teile ab. Die Trieblinge und Siebriickstände wurden früher nach dem Abfiltern den Haustieren verfuttert. Den Begriff „Müll" gab es zu dieser Zeit weder bei den Bauern noch bei den Kleinhäuslern. In die Flüssigkeit gibt man zur Eindickung und Süßung im selben Verhältnis zum Saft Zucker dazu und läßt das ganze zur Auflösung des Zuckers noch einmal unter Rühren kurz aufwallen. Dann läßt man den Topf am Herdrand leicht weiterköcheln, bis der Inhalt dickflüssig wird. Man kann auch bei Abkühlung auf etwa 40°C anstelle von Zucker Honig in den abgefilterten Saft einrühren. Die zähe Flüssigkeit fiillt man ab. Nach einigen Monaten der Lagerung entstehen in den Gläsern schöne Kristallausbildungen. Man verwendet diesen kräftigenden „Honig" bei Husten, Grippe, Heiserkeit und Erkältungen, da er schleimlösend und durchblutungsfördernd wirkt. Er wird aufs Brot gestrichen oder löffelweise verabreicht. In manchen Fällen mischte man auch beim letzten Aufwallen Spitzwegerich oder Huflattichblüten bei oder auch Isländisches Moos.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

Auch Kren (Meerrettich) oder Wermut fügte man nach eigenem Rezept hinzu. Sie wurden nach einer halben Stunde des Ziehenlassens abgefiltert, ehe der Süßstoff beigegeben wurde. Sie alle gelten im Volksbrauch als erprobte Hustenheilmittel.

Fichtensirup ah Hustenmittel Im Mölltal wurde aus den Fichtenspitzen ein Sirup als Lungenheil- und Hustenmittel gewonnen. Bei Lungenschwäche und starkem Husten wurde dieser alle paar Stunden mit dem Löffel eingenommen. Zudem wurden die frischen, feingehackten Knospen in etwa drei Zentimeter dicke Schichten gelagert, und dazwischen kam je eine zwei Zentimeter dicke Lage mit weißem Kandis- oder braunem Zucker, bis das Glas voll war. Danach stellte man es zwei bis vier Wochen ans Fenster. Der Zucker entzog den Fichtentrieben den Saft und die Inhaltsstoffe. Diesen Sirup konnte man dann separat abfiltern. Aber manchmal wurde bei starkem Husten alles gemeinsam, die gehackten Fichtenspitzen und der Sirup, gegessen. In einem anderen Rezept wurde auf ein Kilo Triebspitzen auch 0,25 kg passierte Zwiebel eingerührt. Ein anderes Rezept: Man nimmt 1 Kilo Wipfeln, mischt sie mit 1 Kilo Zucker und lagert sie in Einsiedegläsern. Man läßt sie bis zum Herbst verschlossen stehen, ehe man sie mit einer Presse ausquetscht und filtert. Frische in Zucker eingemachte Maisprosse haben eine antiskorbutische Wirkung. Eingelagerte Triebe verlieren ebenso wie veredelte binnen einem Jahr einen Großteil ihres Vitamin-C-Gehalts. Deshalb werden Fichtenprodukte in kleinen Mengen hergestellt und jedes Jahr frisch zubereitet. Auch mit Bier wurden sie gekocht, um sich im auslaufenden Winter mit Vitaminen zu versorgen. Der bittere Geschmack fiel dabei nicht ins Gewicht. Auch in gesüßtem und gewässertem Wein oder Most wurden sie zugedeckt gesotten und der Filtersaft getrunken.

Der Fichtenlikör Auf ähnliche Weise kann ein süßer Fichtenlikör angesetzt werden. Nach vierwöchiger schichtweiser Lagerung von Sprossen und Zucker gießt man Alkohol auf. Die Mischung wird abermals vier Wochen ste-

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Fichte

I

hengelassen, abgefiltert, noch einmal fünf Tage aufgestellt und schließlich durch, ein feines Tuch oder ein Papierfilter gesiebt, damit die Trübstoffe entfernt werden. Kornschnaps eignet sich hierfür besonders gut, da sein Geschmack neutral ist.

Tannenwipfeltee gegen

Frühjahrsmüdigkeit

Aus den jungen Asttrieben und frischen Nadeln kann man einen Tee bereiten. Man übergießt zwei Teelöffel voll Sammelgut mit gekochtem, aber wieder etwas abgekühltem Wasser. Man läßt es über fünf Minuten ziehen und süßt dann mit Honig. Dieser Aufguß hilft gegen Keuchhusten, Bronchitis, Katarrhe, Grippe und gegen die Frühjahrsmüdigkeit, die meist auf Vitamin-C-Mangel zurückzufuhren ist. Der schweißtreibende und blutreinigende Tee wirkt auch bei Blasenkatarrh und gegen Zahnfleischbluten.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

In Kärnten nennt man die Fichtentriebe auch „Pröbstling" oder „Bröbstling", berichtet Manfred FISCHER vom Botanischen Institut in Wien. Diese Bezeichnungen verweisen auf die Bedeutung der Fichte als Heilpflanze. Noch um die Jahrhundertwende war bekannt, daß eine Abkochung von einer Handvoll Fichten-, Tannen- und Kiefernsprosse in gut einem Viertelliter Wasser als bewährtes blutreinigendes Mittel und zum Abführen des Wassers bei Wassersucht diente.

Maisprosse für

Einreibungen

Ohne Zuckerung des alkoholischen Ansatzes entsteht aus den frischen Maisprossen ein Schnaps zum Einreiben. In einen Glasbehälter gibt man frische, feingehackte Fichtentriebe, Wacholderbeeren, Lavendelblüten oder Rosmarinzweige und füllt diese mit 70%igem Alkohol auf. Den Behälter stellt man ans Fenster und rührt regelmäßig um oder schüttelt ihn. Nach drei bis vier Wochen wird der Inhalt abgesiebt. Zur Behandlung von rheumatischen Beschwerden, von Gicht oder Hexenschuß bewahrt man den Fichtenschnaps in dunklen Flaschen auf.

Fichtentriebe als Frühjahrsgemüse In manchen Gegenden spricht man bei der Fichte auch von „Krestling". Meiner Einschätzung nach ist in diesem Begriff das „G'resten", das Anrösten der Triebe für Speisezwecke, enthalten. Im Frühjahr werden die ersten Wipfel der Aste als Gemüse genutzt. Man sammelt die ganz jungen, leicht bitteren und harzigen Knospen, wenn sie noch in den braunen Schuppen eingehüllt sind. Solange sich die Triebe mit den Fingern leicht zerdrücken lassen, sind sie gut geeignet, da sie wenig Harz- oder Gerbstoffe in die Nadeln eingelagert haben. Solche Triebe werden in Salzwasser blanchiert und wie Gemüse verwendet. Sie haben dann eine kräftigende und gesundheitsfördernde Wirkung. Ich kann mir auch vorstellen, daß ganz frische Triebe im Backrohr oder -ofen schnell getrocknet wurden und daß man sie zerrieben den verschiedenen Speisen als Mehl beigab. Durch das schnelle Rösten verlieren sie die Bitterstoffe und werden für das Zerreiben spröde.

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Laub- oder Grürimehl

I

Laub- oder Grünmehl zur Streckung der Nahrung und des Futters Ein Uberblick über die verschiedenen Arten der Kultivierung, der Gewinnung und praktischen Verwendung von Laub- und Nadelmahlprodukten als Futter- und Nahrungsmittel soll die Bedeutung dieser Hilfsmittel näher beleuchten. Es werden darüber hinaus, beruhend auf mündlichen Quellen, konkrete Anwendungsbereiche in der Tiermedizin und in der Ernährung vorgestellt. Nadel- und

Laubmehle

Früher war es üblich, den Tieren in den Wintermonaten und im Frühjahr sogenanntes „Laub- oder Grünmehl" oder, wie Jeremias G O T T H E L F (1978a) es nannte, „ Tannenkries" zu verfüttern. Das diente dazu, um mit dem Futter bis ins Frühjahr auszukommen, um verschiedene Futtermittel als Ergänzung einzusetzen und um das bestehende Futter qualitativ aufzubessern oder um medizinalen Interessen nachzugehen. Das „ Tannenkries" ist mehr als nur

Notnahrung

Die heilkundliche Verwendung verschiedener Blätter war einst im Alpenraum bekannt. „Tannenkries" ist eine schweizerische, volkssprachliche Bezeichnung für getrocknete Fichtennadeln. Aus Befragungen geht hervor, daß die Nadelmahlprodukte als ein Phytopharmakon (Pflanzenschutzmittel) oder als Heilmittel bei Verdauungsstörungen und Blähungen eingesetzt wurden. Tannenkries enthält blutstillende Gerbstoffe und wurde besonders bei Durchfällen der Kälber angewendet. Darüber hinaus war man sich der entzündungshemmenden Wirkung der Nadeln bewußt, denn die natürlichen Gerbstoffe haben einen heilenden Einfluß auf entzündete Darmepithelzellen und unterstützen deren Regeneration. Die Nadelmehle dienten als ständiger Futterzusatz zur Steigerung des Appetits. Laubmehle wurden auch bei Pferden, Mulis und Eseln nach anstrengenden Arbeitsphasen (Holz- und Käsetransport, Wald- und Almwirtschaft, Postdienst, oder Fuhrwerkunternehmen) oder bei längerem Viehtrieb zu entfernt gelegenen Weiden eingesetzt. Der hohe Mineralstoffge-

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

halt des Nadel- und Futterlaubs stärkte den Kreislauf. Im hochalpinen Bereich griff man u.a. auf Grünerlen (Alnus viridis = A. alnobetula) zurück. Nadeln und Futterlaub als mineralstoffreiches

Futtermittel

In der Hauptsache handelte es sich einerseits um getrocknete und zerriebene Laubblätter verschiedener Gehölzarten und andererseits vornehmlich um Fichtennadeln. Man erntete diese z.B. bei den Holzschlägerungen oder schnitt vornehmlich im Winter mehrere Aste direkt von den Fichten (Picea abies) ab. Oder man „Schnaitelte" sie regelmäßig stets an derselben Stelle, von wo die Schosse jedes Jahr erneut austrieben. Entweder ließ man die Aste mitsamt den Nadeln trocknen, bis sie von alleine abfielen, oder man erntete die Nadeln durch Abstreifen der abgeschnittenen oder am Baum belassenen Äste ab, um dann die Nadeln zu einem Pulver zu zermahlen. Probleme machten dabei die Harzstoffe, die die Schleifsteine verklebten. Heinrich B R O C K M A N N (1936: 604) führt an: „Dort werden die Fichten geschnaitelt, die Zweige zum Trocknen auf Tücher gelegt, bis die Nadeln abfallen, diese weiter getrocknet und dann von Hand in Mörsern, aber auch offenbar in Mühlen, fein zerstampft oder zerrieben." Andere Möglichkeiten der Aufbereitung waren das Schneiden der Nadeln auf etwa einen Millimeter oder das Quetschen der frischen Nadeln durch Zahnräder und ihre anschließende Trocknung. In einem anderen Fall wurden sie einmal gebrochen und dem Schrot beigemischt. Die Zubereitung

der

Mahlprodukte

Im Rauristal zum Beispiel wurden Kleinäste, gehäckselt und in großen, kistenartigen Holzverschlägen gestampft, um sie von allein „abbrennen" zu lassen (HUBER, 1997). Von dieser Verarbeitungsweise stammt der Begriff „Äbrennat", das als Futtermittel zum Einsatz kam und heute seltener als Streumittel Verwendung findet. Abbrennen ist eine Form der Fermentation durch Verpilzung, wobei das Erntegut hohe Temperaturen erreichen kann. Dies ist von der Größe der zu fermentierenden Menge abhängig. Das geriebene oder auch gequetschte Laubfutter wurde nicht nur mit Salz und anderen Zutaten roh verabreicht, sondern häufig eingeweicht oder noch zusätzlich überbrüht oder aufgewallt. Dieses gekochte Futter

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Laub-oder Grünmehl

I

Das Laub von Linde (Bild oben), Ulme (Bild Mitte), Hasel oder Feldahorn wird getrocknet und pulverisiert. Es dient als Mineralstofflieferant und zum Strecken unserer Nahrung.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

diente zum Verzehr sowohl für Wiederkäuer als auch für Schweine und Hühner. Besonders beliebt war das Laub der Ulmen (aller Ulmtts-Anen) und Eschen (Fraxinus excehior). In manchen Gegenden wurden häufig noch Beeren beigegeben, wie z.B. Mehlbeeren (Sorbus aria und S. torminalis), Beeren von Ebereschen (Sorbus aucuparia), Wacholder (Juniperus communis und J. nana) und Sauerdorn (Berberis vulgaris). Diese Zutaten kamen frisch, gesäuert oder getrocknet zur Verwendung. Solche „Mehle" wurden meist heiß angegossen und direkt verfüttert. Je nach verwendeter Gehölzart wurden die Mahlprodukte auch über Nacht zur Entbitterung angesetzt und dann erst gebrüht (wie z.B. die frischen Blätter der Traubenkirsche oder der Eiche). Diese mineralstoffreichen und appetitanregenden Futtermittel konnten auch mit dem Mehl von Rindenteilen junger Triebe oder mit den Bastteilen (vgl. TuRl, 1912) und Knospen von geschlagenen Bäumen angerichtet werden. Dazu mischte man in mancher Gegend Pulver zerriebener Ahorn-, Eschenoder Lindensamen bei, die energiereich sind und mitsamt ihren Flugeinrichtungen verwendet wurden. Auch der angewärmte Preßkuchen aus der Bucheckern-Olherstellung kam als Beimischung zum Einsatz. Jean Nicolas HAAS u n d Peter RASMUSSEN (1993: 470, 472) weisen

auch auf die Verwendung von „Reisigfutter" hin, wobei getrocknete, laublose Ast- und Rindenteile für Fütterungszwecke verwendet wurden. Sie belegen dies mit archäologischen Mistfunden und Magenanalysen von Rindern, Ziegen und Schafen aus der Zeit um 4300 v. Chr. Im Bregenzer Wald soll das Reisigfutter von Sträuchern und von der Wilden Rebe (Clematis vitalba) auch noch um die Jahrhundertwende und während der Kriegsjahre geerntet worden sein. Während verschiedener Aufbereitungsversuche konnte festgestellt werden, daß sich schnell geröstete Feinäste, Knospen oder Kernabfälle von verschiedenen Wildobstarten wesentlich besser mahlen lassen als langsam getrocknete. Die Schnellröstung führt zu einer spröden Konsistenz des zu mahlenden Gutes. Wenn es gut zermalmt wurde, war es als Mischfutter besser geeignet und leichter verdaulich.

Geeignete Gehölze für Streckmehle Neben den vornehmlich verwendeten Fichtennadeln wurden auch andere Gehölzarten zur Gewinnung von Mahlprodukten genutzt.

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Laub- oder Grünmehl

I

Meine Befragung kam 1997 zu folgendem Ergebnis: • Baumarten: Tanne, Lärche, Wacholder, junge Triebe der Kiefern; Ahorn, Linde, Erle, Apfel, Birne, Kirsche, Zwetschke, Marille, Maulbeere, Edelkastanie, Weide, Pappel, Birke, Esche, Buche, Hainbuche, Eiche, Eberesche, Eis- und Mehlbeere, Speierling, Vogel- und Traubenkirsche, Robinie. • Sträucher: Hasel, Wacholder, Erlen, Weiden • Besondere Pflanzen: Weinreben, Wilder Wein, Waldrebe, Efeu Heckenschnittgut wurde als Laubfutter von den Sträuchern geerntet. Des weiteren eignen sich als Futterzugaben Heublumen, Ahrenborsten und Getreidemahlreste, die meist in lauwarmem Wasser angesetzt und mitgefüttert wurden. Mündlich überliefert ist auch die Verwendung des Feinreisigfutters und der Rinden von Obstbäumen.

Als Wintervorrat In Notzeiten und wenn im Frühjahr der Vorrat an Winterfutter ausgegangen war, griff man auf „Kries" und Laubfutter zurück. Natürlich war anderes Futter „besser als Tannennadeln, die auch an Orten zu drei Franken per Zentner verkauft worden sein sollen", berichtet der Schweizer Jeremias GoTTHELF (1978b) für den Zeitraum von 1780 bis etwa 1840. Im Frühjahr war deshalb das „Tannenkries das Köstlichste, was man den Kühen, die dazu noch fast erfroren, bieten konnte". GOTTHELF (1979a) berichtet weiter über das „Kries": „So verfloß der Sommer uns am Hungertuch. Im Herbst kam es Hansli in Sinn, er habe fast kein Heu auf der Bühne, ging in den Wald und schaffte einen großen Haufen Tannäste herbei. Fragten die Leute: Sorgst für den Winter, Hansli?, so antwortete er: Er hätte wohl wenig Heu bekommen, darum mache er Kries herbei; es sei wohlfeiler als Heu und doch bsunderbar gesund, ... Den Kühen, welche er nicht mästen wollte, gab er um so weniger, uns Auserwählten aber mischte er zum Mästen Heu, Kries und Erdäpfel und gab es uns wohlgerüttelt ein. Dünkte ihn, sein Häufchen Erdäpfel nehme zu stark ab, sagte er: Z'stark z'trybe nütze nüt u vrstopfe gerne, er wolle ein paar Tage nachlassen und durchziehen; dann kriegten wir pures Kries."

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

In den österreichischen Alpen zog m a n in verschiedenen G e g e n d e n relativ früh a u f die Hochweiden, wenn der Winterschnee noch a u f den Almen lag, u m das gelagerte H e u zu verfüttern. Bei extrem lang andauernden Schneelagen, wenn das Frühjahr lange a u f sich warten ließ, wurde das Vieh im Stall gelassen u n d „ G r a s " von den N a d e l b ä u m e n an die Tiere verabreicht. D a z u gab es eigene Gesetze, die regelten, wieviel an B ä u m e n oder „Grastaxen" den einzelnen Bauern zustand.

Der Wandel von der Futter- zur

Streunutzung

Fichtennadeln durften zumindest in der alpinen Fütterung nicht fehlen. Aber auch die gezielte Beimischung von wichtigen Heilkräutern und Blättern von Laubgehölzen war verbreitet. Möglicherweise hat m a n die Fichtennadeln früher zur Verpilzung a u f H a u f e n zusammengeworfen u n d im Wald gelassen u n d erst nach geraumer Zeit als fermentiertes Futtermittel z u m H o f gebracht. A u f diese Weise hätte m a n die Q u a l i t ä t des Futters verbessert. So betrieben zumindest noch unsere Großeltern die Streunutzung verschiedener Nadeln. N e b e n den N a d e l n von Fichte u n d Tanne wurden auch die frischen N a d e l n des Wacholders (Juniperus

communis

u n d J . nana)

und

der Lärche (Larix decidua) als Futtermittel verwendet.

Die Ernte durch Laubstreifen

und

Schnaitelwirtschafi

Im Kärntner Maltatal, erzählt H a n s GRITZNER (1996), wurden die grünbelaubten Aste von allerlei L a u b b ä u m e n im frühen Herbst geerntet. M a n schlug oder hackte sie vor d e m ersten Reif zwischen A n f a n g September und A n f a n g Oktober mit einer „Gertel", einem schweren Haumesser, ab. D a s Erntegut wurde gebündelt und in der Laube oder auf Gerüsten getrocknet u n d später in der Tenne für die Winterfutterung gelagert. Im zweiten Jahr, kurz nach der vollständigen Blattausbildung, wurden von den einjährigen Trieben a m B a u m die Blätter von H a n d abgestreift. D a s Laubstreifen war ein geselliges Unternehmen, bei d e m Geschichten erzählt und a m Abend die getane Arbeit gefeiert wurde. Erst im dritten Jahr wurden wieder die belaubten Triebe für die Schnaitelnutzung abgeschlagen, u m die Triebkraft der B ä u m e nicht zu beeinträchtigen. Grünes Laub wurde im Frühjahr oder Herbst auch im frischen Zustand verfuttert, wenn die Tiere durch den Mangel an Weidefutter

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Laub- oder Grünmehl

I

ausgelaugt waren und an Vitamin- und Mineralstoffmangel litten. Im Herbst und Winter wurde das getrocknete Grünlaub dem Heu beigemischt. Sind die Aste mehrere Jahre lang ohne Schnittmaßnahmen weitergewachsen, dann wird das geerntete Futterlaub von den Rindern nicht mehr so gerne gefressen wie frisches Laub aus der Schnaitelwirtschaft.

Norbert Kerschbaumer demonstriert die Erreichbarkeit der Astköpfe zum Schnaitein der frischen Äste.

In der Schweiz ging man mit dem Laubfutter folgendermaßen um: Geschnittene, meist zweijährige Aste der Eßkastanie (Castanea sativa und C. vesca) wurden zum Beispiel im Tessin in Garben zusammengebündelt und entweder nach Hause getragen oder in den Astgabeln der Bäume, in einer für das Weidevieh nicht erreichbaren Höhe, zur Trocknung eingeklemmt. Im Winter wurden Schafe und Ziegen aus dem Stall gelassen, die getrockneten Astbündel von den Schnaitelbäumen heruntergeholt und im Freien verfüttert. Auch wurden im Herbst riesige Stöße von Laubbündeln in geschützter Lage als Wintervorrat aufgetürmt und vor den Ziegen gut abgezäunt.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

Speiselaub und Laubmehle in der Ernährung des Menschen Getrocknetes Laub von z.B. Ulme, Bergahorn, Linde, Pappel, Birke und jungen Wacholdertrieben wurde einst zermahlen und das Pulver dem Brotmehl zur Streckung beigemengt. Beim Pulverisieren werden auch die Blatthaare zerkleinert, welche beim Rohgenuß unangenehm sind. Solche Erzeugnisse eignen sich auch hervorragend als Würzpulver für Speisen und zum Strecken des Salzvorrats. Besonders beliebt war das Ulmenlaub. Es galt neben der Linde als das Speiselaub schlechthin. Je nach Wuchsort hält es sich bis in den November hinein. Es wird im grünen Zustand geerntet und kann dann zum Beispiel in einer elektrischen Kaffeemaschine pulverisiert werden. Getrocknet ist es bis ins Frühjahr gut lagerbar und sollte dann bald verbraucht werden, da es sonst „verraucht". Ich verwende es für Suppen oder Eintöpfe kurz vor dem Servieren, zum Würzen oder Strecken der Nahrung oder zum Färben von Aufläufen mit Joghurt oder Topfen (Quark). Laubmehle sind sehr mineralstoffreich und regen die Verdauung an. Heute, wo die Haushalte bestens mit technischen Geräten ausgestattet sind, kann frisches Pulver mit wenig Aufwand hergestellt werden.

Bauernwirtschaft in zwei Etagen im Sarntal/Südtirol: Hangstabilisierende Schnaitelbäume, darunter Grünland- oder Ackerwirtschaft.

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Efeu I

Der Efeu und die Nutzung des Laubs Die ehemalige

Laubfiitterwirtschafi

An Häusern, Obstbäumen oder Kapellen rankt sich mancherorts der Gemeine Efeu (Hedera helix). Der Efeu war bis zum 19. Jahrhundert im gesamten europäischen Raum eine wichtige Futterpflanze des auslaufenden Spätwinters. Das Laub wurde vornehmlich an Schafe und Ziegen verfuttert, vielleicht auch an das Großvieh, wenn ihm die Giftstoffe entzogen wurden. Ging gegen Ende des Winters der Futtervorrat für das Vieh zur Neige, so griffen die Bauern auf die Blätter des Efeus zurück. Deshalb findet man an den Bauernhöfen, in Spalier gebunden, an Kapellen oder auf einzelnen Obstbäumen geduldet, solche „Baumläufer" vor. Sie sind Relikte einer einstigen Laubfutterwirtschaft, die allmählich in eine Wiesenheu- und Ackerwirtschaft übergegangen ist. Auch als „grüne Hausapotheke" wurde diese Laubwirtschaft früher betrieben.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

„Ep-heu " kommt von „Ewigheu " Sprachforscher sind sich über die Herkunft des Begriffs Efeu bis heute im unklaren. In Osterreich kommt der volkssprachliche Name „Ewigheu" vom immergrünen „Wintergrean". In alten Büchern wird der Begriff auf „Epheu" zurückgeführt. Jost TRIER ( 1 9 6 3 ) schreibt dazu: „Im Worte Ep-heu, das wir infolge eines griechelnden Irrtums Efeu lesen, haben wir noch heute Heu im Sinne von ,Laub'. Vom Laub der Hedera als Viehfutter spricht C A T O ausdrücklich, und was er sagt, wird durch neuzeitliche Nachrichten bestätigt." Karl KARSTHOFER berichtet von einer Alpenreise um 1825: „Im Berner Oberland werden oft von Kindern ganze Ladungen von Epheublättern zur Fütterung der Schafe und Ziegen während des Winters gesammelt." Und BROCKMANN verweist 1936 neben der Verwendung der Mistel auf denselben Zusammenhang: „Auch der Efeu ist ein beliebter, aber eben nicht in Menge vorkommender Notbehelf." Die Bedeutung der Efeuranken am Haus Aus der Tradition, die Efeuzweige als Weihnachtsschmuck zu verwenden, lassen sich ähnliche Schlüsse ziehen. Im Salzkammergut etwa werden sie im Advent zum Schmücken der Innenräume und des Herrgottwinkels verschenkt. Dieses Geschenk steht symbolisch für die Verteilung immergrüner Futterarten als Zeichen des Glücks. Denn ursprünglich wurde er nach dem Abkränzen verfuttert und nicht auf den Müll geworfen. In den Traditionen stecken oft uralte Erfahrungen. Es war z.B. in vielen Regionen Deutschlands Brauch, während der Fastenzeit im Vorfrühling einen Efeukranz mit Wasser zu übergießen. Meiner Einschätzung nach handelt es sich hier um ein Ritual, das auf altem Gebrauchswissen beruht. Denn früher wurden die Blätter in Wasser abgebrüht, um sie für die Fütterung geeignet zu machen. Dieses Ritual beinhaltet zugleich eine Fruchtbarkeitssymbolik.

Uber die Giftigkeit des Efeus Im Efeu (Hedera helix) ist sehr viel Hederin enthalten, das früher für Abtreibungen und Austreibung der Pest verwendet wurde. Bei Rindern

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Efeu I

Der Efeu lieferte im Winter und Frühjahr Futter für den Stall. Zur Entgiftung wurde er abgebrüht.

erleichtert eine Menge von etwa ein Eimer voll von Efeublättern das Kalben. Darum ließen die Bauern die Efeuranken in unmittelbarer Hofnähe für den medizinischen Gebrauch wachsen.

Als Schaf- und Ziegenfiitter Da Schafe und Ziegen einen Magen haben, der viel Gerbstoffe und sperriges Futter verarbeiten kann, vertragen sie sogar den rohen Efeu. Da ihnen aber trotzdem das giftige Hederin, in größeren Mengen verabreicht, gesundheitlich zusetzt, wurden die scharf

riechenden

Efeublätter in Wasser abgebrüht, um das Hederin zu entziehen. Das bittere Wasser wurde weggeschüttet und das Siebgut verfüttert. Der Efeu war aber nur ein kleiner Bestandteil einer ausgewogenen Fütterung. Man beginnt immer mit kleinen Garben, die in Tagesabständen gesteigert werden. Im Frühjahr hat der Efeu eine verdauungsfördernde und aufputschende Wirkung und steigert die Milchleistung.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

Der Efeu als „lebendige Apotheke" rankte in Hof nähe auf einem Baum.

Die rankende Apotheke am Haus Bei starkem Husten, Keuchhusten und Lungenerkrankungen nahm man ganz geringe Mengen der Efeublätter für einen Auswurftee. Ein solcher Tee oder ein Efeusirup wirkt auch harntreibend und gegen Schwindsucht (Maurice MESSEGUTS, 1976). Bei Geschwüren

und

Brandwunden kann man aus Efeublättern Pflaster und Umschläge, Kompressen, Fußbäder, Gurgelwasser und Breiumschläge herstellen. Eingenommen wirken sie auch gegen Zellulitis (bei anschließender Verabreichung eines abführenden Mittels). DlOSKORlDES erwähnt die Verwendung gegen Ruhr, Rheuma, Zahnschmerzen, Ohrenerkrankungen, Milzleiden, Gelbsucht, Kopfweh, schlechten Schlaf, Sehstörungen, Taubheit und bei Menstruationsproblemen. Efeu regt das Schwitzen an, senkt das Fieber und wirkt schmerzstillend. Auf alle Fälle sollte man sich das Wissen über den Efeu von erfahrenen Naturheilkundigen vermitteln lassen.

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Waldblätter zur Erzeugung von Schwarzem Tee I

Waldblätter zur Erzeugung von Schwarzem Tee In Südtirol zeigte mir ein Bauer, wie man aus Himbeer-, Brombeer- und Erdbeerblättern einen Tee machen kann, der dem Schwarzen Tee im Geschmack sehr ähnlich ist. Die Blätter werden ohne Blattstengeln gesammelt.

Die Anwelkung und Bündelung 1. Die Blätter werden zu Hause zur Anwelkung etwa einen halben Tag lang aufgelegt, damit sie etwas an Wassergehalt verlieren (a). Das sollte nicht unter direkter Sonneneinstrahlung erfol-

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gen. Dann knetet man die Blätter kräftig durch, besprenkelt sie mit etwas frischem Wasser, legt sie nach nochmaligem Durchmischen auf ein Tuch und wickelt sie straff ein (b).

Ü M « Bpyi^Ee^sH I

p f y r p

Dann werden sie mit einem Bindfaden zu einem Bündel zusammengeschnürt und an einem warmen Ort aufgehängt (c, d). 2. W e n n sich das Kräuterbündel dann nach etwa einem Tag etwas erwärmt hat, bindet man es auf und läßt die sich leicht dunkel verfärbenden Blätter etwas „Luft holen". Nach dem Besprenkeln mit Wasser werden die Blätter abermals geknetet, wieder in das Tuch eingerollt, fest zusammengeschnürt und wieder aufgehängt. Das wiederholt man etwa drei bis vier Tage lang.

Das Ausbreiten zur Endtrocknung 3. Durch die Fermentation wird der Geschmack der Blätter wesentlich verändert. Die heilwirkenden Inhaltsstoffe bleiben aber enthalten.

Über die praktische Handhabung des Fermentierens.

Die Blätter haben sich schwarz verfärbt, sind durch das Kneten und Pressen kleiner gewor-

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

den und können nun zum schnellen Trocknen auf einem Packpapier im Schatten aufgelegt werden. Hier sollten sie mehrmals gewendet und durchmischt werden. 4. Damit diese Art der Fermentation gut gelingt, braucht man eine größere Menge dieser Blätter. Die Wärme, die im Bündel entsteht, ist notwendig für die Fermentation. Entwickelt sich bei großen Mengen zuviel Wärme, so empfiehlt sich, das Bündel zur Zwischentrocknung auseinanderzunehmen, da sonst, ähnlich wie bei der Kompostierung, eine Verrottung und Zersetzung beginnt. Wenn man die Zeit übersehen hat, entwickelt sich der Geschmack anders und der Tee wird unbrauchbar. Dafür bekommt man im Laufe der Zeit ein Gespür.

Fermentierung mit Mischkräutern Es können auch gemeinsam mit den oben genannten Blättern andere Kräuter gesammelt werden, die ebenfalls fermentiert werden. Dann ergibt sich jeweils ein ganz anderer Geschmack. Ich habe es zum Beispiel probiert mit ein wenig Schafgarbe (Achillea millefolium), etwas Heidekraut (Calluna vulgaris), Wildem Thymian (Thymus pulegioides, serpyllum und praecox) und Wildem Oreganum (Gemeiner Dost = Origanum vulgare), mit Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) und Silbermantel (Alchemilla alpina), mit Blättern von Berberitze (Berberis vulgaris) und Schlehdorn (Prunus spinosa), gemeinsam mit großen Mengen von Himbeer-, Brombeer-, Erdbeer- und Heidelbeerblättern (Rubus aller Arten; Rubus idaeus und saxatilis, Fragaria vesca oder viridis, Vaccinium myrtillus). In anderen Fällen habe ich auch geringe Mengen von Lärchennadeln (Larix decidua) und die einjährigen Triebe von Wacholder (Juniperus communis und nana) beigegeben.

Den eigenen Schwarzen Tee Die fermentierten Blätter kann man auch als Grundlage für Teemischungen verwenden und normal luftgetrocknete Kräuter beimischen oder mit großen Mengen bestimmter Kräuter eigene Geschmacksrichtungen hervorbringen. Ab und zu gebe ich auch getrocknete Früchte von Hagebutte, Weißdorn, Berberitze u.a. bei. Da sind dem Experimentiergeist

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Waldblätter zur Erzeugung von Schwarzem Tee I

Wald-Erdbeeren sind nicht nur als intensiv duftende Früchte genießbar. Die Blätter eignen sich für Wildkräuter-Topfencreme und für Mischtees.

keine Grenzen gesetzt. Es macht Freude, aus dem Garten oder der unmittelbaren Umgebung den eigenen „Schwarzen Tee" zu gewinnen, von dem man weiß, wie er gewachsen und hergestellt worden ist.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

Alle Blätter der verschiedenen Brombeerarten und Himbeeren (S. 755 rechts) eignen sich zum Fermentieren. Mit verschiedenen Teekräutern kann man, je nach Geschmacksempfinden, in Mischung seinen eigenen Haus- oder Weihnachtstee kreieren.

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Waldblätter zur Erzeugung von Schwarzem Tee

I

Nach Regen sind die Blätter z.B. von Himbeere nicht für die Fermentation geeignet. Sie sind dann geschmacklos und neigen zur Schimmelbildung bei der Aromatisierung durch das Fermentieren. Ein Aufguß von fermentierten Himbeerblättern allein kommt im Geschmack dem Schwarzen Tee sehr ähnlich und ist äußerst gesund.

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I Speiselaub und Schnaitelnutzung

Brombeer- (Bild oben), Himbeer- (Bild unten), Erdbeer- und Heidelbeerblätter stellen die Grundbasis für Mischtees her. Auch Hanfblätter eignen sich dafür hervorragend. „Brombeere ist die Pflanze für den Mann und die Himbeere für die Frau." In diesem Spruch stecken viele Gebrauchserfahrungen.

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Hagebutte I

Die Wildrosenzweige sammelte man vor mehreren Jahrtausenden, um mit ihnen die Behausung und den Garten einzuhegen. Davon stammt der Begriff „Hag", „Hecke" und „Heckenrose".

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Seit dem Mittelalter wird eine Entkoppelung der Wörter von ihrem Gebrauchszusammenhang betrieben.,, Wildobst" umschreibt diefür Obst nutzbaren Bäume, Sträucher und Stauden. Damit war ursprünglich alles benannt, was nicht als Brot oder Fleisch auf den Tisch kam, wie im Herkunftswörterbuch plausibel geschrieben steht. Der Begriff,, Wildfrüchte" hingegen beschreibt nur mehr die Erscheinung der botanischen Wahrnehmung und trägt zur Verschüttung des vielfältigen Gebrauchswissens bei. Im Wort „Obst" ist „Essen, Speise, Nahrung und Futter" enthalten. Das bedeutet, daß damit im erweiterten Bedeutungszusammenhang nicht nur die (süßen) Früchte, sondern alles was der Ernährung dienstbar war, als Obst bezeichnet wurde. Von dieser Betrachtung ausgehend reduziert und ignoriert der postmoderne Begriff „Wildfrüchte" von alters her überlieferte Nutzungsgeschichten. Wildfrüchte stellen das Dekor der heute sich alternativ gebenden Gourmetküche dar, und damit werden die Bedeutungen aus ihrem ökonomischen Zusammenhang der Nahrhaftigkeit und des Sammeins, Verarbeitens, Heilens, Bevorratens usf. herausgelöst. Wildobst offeriert uns allerdings die Gebrauchsgeschichte der Verwendung und Verarbeitung in der Küche und Heilkunde. Wildobst versteckt und ignoriert nicht die Arbeit zur inwertsetzung für Marmelade, Liköre, Essig, Most und Wein, Farbstoffe, Speiselaub, Öle, Sproßgemüse, Laubmehle, Vitamine und Mineralstoffe oder pulverisierte Rinde zum Strecken der Nahrung oder zur Herstellung von Kaffee. Diese vielen Wildobstgeschichten gilt es über den Gebrauch zu erhalten. Wildfrüchte sind zum Anschauen schön. Wildobst ist auch schön und wird obendrein noch schöner, wenn es zum Essen und Nähren und andere Verwendungen vielfältig nutzbar wird, wie alte Leute vergewisserten und der Moderne eine Abfuhr erteilten. Menschen, die auf ihr altes Gebrauchswissen beharren, sind nicht rückständig, sondern im höchsten Grade fortschrittlich.

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5. Die Wildobstnutzung

Die veredelte Hagebutte als Wintervorrat Im Volksmund werden alle möglichen Wildrosen als „Hagebutten" bezeichnet. Hauptsächlich findet man die Hunds- oder Heckenrosen (Rosa canina), die Erdäpfelrose (Rosa rugosa), die Bibernellblättrige Rose (Rosa spinosissima) oder auf den Almen und Weiden die Gebirgsrose (Rosa pendulina) vor. Man kann aber aus allen Früchten der verschiedenen Rosenarten Marmelade machen. In diesem Kapitel soll auf die Bedeutung der Fruchtnutzung für die menschliche Ernährung eingegangen werden.

Geschichtliches Funde von Lebensmittelresten aus der Jungsteinzeit in mitteleuropäischen Siedlungen belegen die große Bedeutung dieser Scheinfruchtart. Irgendwann sind die Menschen auf die Idee gekommen, die Früchte der Heckenrosen zu zerquetschen, sie von den Kernen und Haaren zu reinigen und aus dem Fruchtfleisch rot glänzendes, angenehm säuerlich

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I Die Wildobstnutzung

Selbst mit den Hagebutten-Kernen, die heilwirksam gegen Cicht und gesund für Nieren sind, kann man Tee und geröstet Kaffee herstellen.

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Hagebutte I

riechendes Mark zu pressen. Dieses Fruchtmark ist zumindest für ein Jahr leicht zu lagern. Rund um die Pfahlbauten der Kelten und Germanen wurden Reste in Tongefäßen oder als Beigaben in Opferstätten und in Gräbern gefunden. Hagebutten waren ein wichtiger Bestandteil der vorgeschichtlichen Ernährung und werden erst seit rund 200 Jahren als „Wildobst" und Heilpflanzen betrachtet. Sie werden als Marmelade (Moscht), als ungekochtes Mark, als Tee und für die Wein- und Likörherstellung genutzt. Aus den gerösteten Hagebuttenkernen hat man einst auch KaffeeErsatz gewonnen.

Die vielfältige Verwendung der Hagebutten Produkte aus Hagebutten gehörten bis vor 50 Jahren auch in unseren Haushalten zum Wintervorrat. Als Kinder sammelten wir noch in den 70er Jahren die Früchte für die Marmelade. Vor nicht all zu langer Zeit zogen noch in manchen schweizerischen Dörfern und Städten alte Frauen mit kleinen, vollbepackten Handwägen umher und verkauften selbstgemachte Marmelade, indem sie die Ware in den Quartiersstraßen ausriefen. Im Kanton Solothurn zum Beispiel erzählt man von einer gewissen Züri-Marie, die vor etwa 120 Jahren als Fremde in ein

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I Die Wildobstnutzung

Dorf gekommen war und der Bereitung der Konfitüre wieder zu neuem Aufschwung verhalf. Alsbald haben mehrere Nachbarinnen die Fertigkeiten übernommen, so daß sich die „Buttenmoschterei"

in dieser

Gegend wieder verbreiten konnte. Aus dem Hagebuttenfleisch stellten diese Frauen Suppen, Saucen, in Weinessig eingelegte Butten, Süßmost, Marmelade oder Kompotte her, die vor allem bei Steinleiden, bei Wassersucht, bei bestimmten Magen-, Leber-, Blasen- und Nierenkrankheiten regelmäßig verabreicht wurden. Man war sich der harntreibenden, schmerzlindernden, blutreinigenden, abführenden und stoffwechselfördernden Wirkung der Hagebutten bewußt. Vorbeugend gegen Erkältungen wurden in Wasser angesetzte und danach getrocknete Butten gemeinsam mit anderen Gewürzen in verdünnten Wein oder gesüßten Most gegeben, aufgekocht und vor dem Schlafengehen heiß getrunken. An heißen Tagen stellte sich durch das Kauen entkernter Hagebutten eine durststillende Wirkung ein. Auch gegen den Bandwurm wurden die Butten mit den feinen Kernhärchen verwendet. Alle diese Rezepturen wurden über Generationen weitergegeben. Viele von ihnen sind durch den Einfluß der industriellen Produktion verlorengegangen.

Die

„Butte-Confi"

Nur wer selbst Buttenerzeugnisse hergestellt hat, weiß, wieviel Arbeitsaufwand und Sorgfalt es im Herbst bedeutet, die Butten zu pflücken, heimzutragen, von Blüten- und Stengelresten zu befreien, zu säubern, zu entkernen, zu zermalmen, zu sieben, die Schalen einzukochen, in Gläser zu geben, bis etwa ein Liter Hagebuttenprodukt fertig ist. Die Früchte müssen zwar nicht unbedingt gefroren gewesen sein, aber die Frosteinwirkung verleiht den Erzeugnissen wiederum ganz andere Geschmacksnuancen. Im Regelfall werden die Hagebutten in der Mitte der Länge nach auseinandergeschnitten, nachdem die Stiele und die verdorrten Blütenreste mit einem Messer entfernt wurden. Dann werden die Kerne herausgeschält und zur Trennung von den Härchen gründlich gewaschen. Das gewonnene Fruchtfleisch legt man dann einen Tag lang in Wasser. Dann wird es zu einem Mus etwa eine halbe Stunde lang weichgekocht und nach dem Abkühlen passiert oder durch ein feines Sieb gerührt.

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Hagebutte I

Eine jede Wildrosenart bringt uns vielseitigen Nutzen. Die ganz jungen lassen sich in Backteig getaucht in Öl herausbacken.

Blütenknospen

Es kann dann direkt eingefroren oder nochmals aufgekocht und dann als Marmelade heiß in Gläsern abgefüllt werden. Gibt man beim zweiten Aufkochen Zucker und etwas feinpürierte Quitten (marmelade) oder Pektine dazu, dann erhält man eine feste Buttenmarmelade. Manche verwenden auch Honig als Süßstoff, weil dadurch die Marmelade besser konservierbar ist. Die Zubereitung mit Äpfeln oder Paradeisern (Tomaten) unter Zugabe von etwas Rotwein ist das Geheimrezept einer Bäuerin aus dem Thurgau.

Der

Süßmost

Früher wurden die gekochten Früchte mit einem Fleischwolf zerkleinert oder durch die ,Flotte Lotte' gelassen oder zerstampft. Heute kann man dazu elektrische Maschinen verwenden, wobei auch hierbei die Kerne und die juckenden Haare zerkleinert werden. Wenn die zermalmten und zerquetschten Teile eingedickt werden, spricht man vom „Buttenmark". Der „Buttenmoscht" ist eine flüssigere Form zwischen

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I Die Wildobstnutzung

Marmelade und Most. Man erhält Moscht, wenn man etwa 5 kg zerkleinerte Hagebutten mit 2,5 Liter Wasser übergießt und zugedeckt in einem kühlen Raum stehen läßt. Zu den sich mit Wasser ansaugenden Butten wird etwa 0,5 kg Zucker eingerührt. Dann entsaftet man eine Stunde lang. Es entsteht ein köstlicher Buttenmoscht, den man mit einigen Tropfen Zitrone noch erfrischender machen kann. Der Zitronensaft dient auch zur Konservierung. Wenn man mehr Wasser dazugibt, kann leicht säuerlicher Most bereitet werden. Wenn man die Flüssigkeit eindickt oder mit Quittenbrei einkocht, entsteht wiederum ein herrliches Gelee.

Der

Hagebuttenwein

verweisen auf eine interessante Rezeptur für Hagebuttenwein. Die Zutaten sind in folgendem Verhältnis zu mischen: 1 kg Hagebutten, 3/4 kg Zucker und 1,5 Liter abgekochtes Wasser. „Die Hagebutten von Stielen und Blütenresten befreien, waschen und als Ganzes mit dem Zucker in ein großes Glas geben. Das abgekochte, kalte Wasser drübergießen und das Glas mit Leinen verschließen. Dieser Ansatz wird nun sechs Wochen lang stehen gelassen und dann abgeseiht. Nach einem Tag zum Absetzen eventueller Schwebestoffe wird der Hagebuttenwein vorsichtig mit einem Schlauch abgezogen und in Flaschen gefüllt. Diese gut verschließen und kühl lagern." Durch Abfiltern erhält man eine klare Flüssigkeit. Sollte der Wein infolge längerer Lagerung oder durch einen Fehler bei der Zubereitung umkippen, dann kann man probieren, ob er nicht als Most getrunken oder als Essig verwendet werden kann. GRAUPE/KOLLER

Der Buttenlikör Eine Frau aus der Schweiz hatte ein Rezept mit folgenden Zutaten für etwa 1,5 Liter Likör: 600 g entstielte und entkernte Butten, 250 g weißer Kandiszucker, 3 dl duftende Rosenblätter und ein Liter 40%iger Obstbranntwein. Die Hagebutten werden grob zerhackt und in ein großes Gefäß gegeben. Alle anderen Zutaten werden beigemischt. Das Gefäß wird dicht verschlossen und gut durchgeschüttelt. Die Mischung läßt man

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Hagebutte I

Die Kartoffelrose (Rosa rugosa) kommt heute für Zierzwecke in Grünflächen zum Einsatz. Sie steht symbolisch für den Wandel vom Wildobst zum Ziergehölz und für die Zupflanzung städtischer Freiräume.

vier Wochen lang in der S o n n e stehen, u m das G a n z e ziehen zu lassen. D a n n wird der Likör durch einen Kaffeefilter in Flaschen abgefüllt, die mit einem Korken verschlossen werden. M a n c h m a l wird in Büchern auch Weingeist oder Kornbranntwein anstelle des Obstbranntweins als Z u g a b e empfohlen.

Zu den

Hagebuttensuppen

In der französischsprachigen Schweiz stellt m a n ähnlich wie mit Kirschen auch ungemein schmackhafte Hagebuttensuppen her, die lauw a r m oder kalt serviert werden können. D a b e i wird Hagebuttenmark mit Wasser verdünnt u n d aufgewärmt. Zimtrinde oder etwas Vanillerinde wird beigegeben u n d mit erhitzt. Vor d e m Aufkochen gibt man dann je nach G e s c h m a c k Zucker und eventuell etwas Zitronensaft bei. Bis zu diesen Zubereitungsschritt könnte m a n das Ergebnis als K o m pott verwenden. Wird allerdings vor d e m Aufkochen etwas Speisestärke oder angerührtes Mehl beigemischt und ein wenig leichter, heller Wein zum Abschmecken beigegeben, dann wird die Masse geleeartig.

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I Die Wildobstnutzung

In alten Kochbüchern wird auf ein ähnliches Rezept verwiesen, bei dem frisch geriebene, geschälte Apfel oder Apfelmus beigegeben werden, um die Menge zu strecken. Eine solche Suppe kann auch mit eingeweichtem Weißbrot serviert werden.

Süße

Hagebuttenbutter

Aus der Basler Gegend bekam ich ein Rezept für Hagebuttenbutter. Die Zutaten für ein gutes Kilogramm sind: 500 g küchenwarme Butter, 200 g Staubzucker, zwei Zitronen, 2 5 0 g Hagebuttenmark und drei Eier. Die Zubereitung: Die Butter wird mit dem Staubzucker versetzt und schaumig geschlagen. Der Saft der beiden Zitronen wird gemeinsam mit einer abgeriebenen Schale der gezuckerten Butter beigegeben. Das Buttenmark oder je nach erwünschtem Süßegrad auch Buttenmarmelade wird beigemischt, und die drei Eier werden mit einem Mixer eingerührt. Diese Butter eignet sich sehr gut als Belag von Pfannkuchen oder als Buttercreme für einen Tortenboden, für eine „Früchteweihe" oder für Gebäcksfüllungen.

Andere Rezepte Daneben kann man für Reh-, Hirsch- oder Kaninchenbraten eine exquisite Hagebuttensoße bereiten, die auch gut zu Pilzgerichten paßt. Auch (Früchte-) Brot mit entkernten und weichgekochten

Butten

wurde früher gebacken. Oder man machte aus den Hagebutten der großfruchtigen „Erdäpfelrose"

(Rosa

rugosa)

Tortendekorationen.

Zudem wurden die weichen Früchte vorsichtig mit einer Häkelnadel entkernt und nach ganz leichtem Sieden je nachdem, wie weich sie schon sind, vorsichtig Stück für Stück mehrmals in flüssigen Zucker getaucht. So bekamen sie einen glänzenden Uberzug und dienten zum Verzieren von Torten.

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Hagebutte I Über

die

Kernnutzungen

Die Verwendung der Früchte für Tee Sowohl dem Mark als auch dem Tee der „Hetschepetschi" wird eine heilende Wirkung gegen Nieren- und Blasensteine sowie gegen Brustund Seitenstechen nachgesagt. Vorsicht ist allerdings angebracht bei Magenbeschwerden, da die Härchen extreme Reizungen an den Schleimhäuten hervorrufen können. Die Butten werden zunächst einige Stunden eingeweicht und dann etwa zehn Minuten leicht gekocht, dann erhält der Tee den höchsten Vitamin-C-Gehalt. Der Tee hat harntreibende Wirkung und soll vor allem bei Erkältungen und bei Fieber getrunken werden.

Hagebuttenkerne als Brotstreckmehl Die Hagebuttenkerne werden auf Backblechen langsam getrocknet und in fest verschließbare Gläser gefüllt. Für den Teegebrauch werden die Kerne über Nacht lang in lauwarm gehaltenem Wasser eingeweicht und dann am Morgen eine Stunde lang kräftig abgekocht. Solch ein Tee soll gut gegen Gicht und Ischias, gegen Wassersucht und Rheumabeschwerden sein. Ebenso wie Buttenmark, das gemeinsam mit den Kernen bereitet wurde. Beim Passieren durch die „Flotte Lotte" zur Herstellung von Marmelade bleiben an den Kernen noch Fleischreste übrig. Sie haben einen hohen Gehalt an Vitamin C und A, an ätherischen Ölen, Fruchtsäuren, Mineralstoffen (Magnesium, Kalium) und Spurenelementen. Deshalb eignet sich der getrocknete „Abfall" für erfrischende FrüchteteeMischungen. Bei einjähriger Lagerung verringert sich allerdings der Vitamin-C-Gehalt schon wesentlich. Die übrigbleibenden Kerne können getrocknet und gemahlen als Brotstreckmehl Verwendung finden.

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I Die Wildobstnutzung

Dirndln als Oliven, Marmelade, Kaffee und Rauschspender Die Dirndln (Kornelkirschen, Cornus mos) wurden früher häufig genutzt, wie archäologische Funde aus verschiedenen europäischen Ländern belegen. Sie dürften aber vor allem in der Türkei und im Kaukasus noch bis ins 20. Jahrhundert angebaut und regelrecht selektiert worden sein. Auf Anregung des Kasseler Hochschullehrers Karl Heinrich HÜLBUSCH versuchte ich, aus Dirndln Oliven zu bereiten.

Allgemeines zum „Baumstrauch" Der Gelbe oder Echte Hartriegel wird bei uns auch als Dirndl, Dirlitze, Herlitze oder Kornelle bezeichnet. „Hartriegel" verweist auf das „harte Holz" des kleinen Baumstrauchs. Der Name „Kornelle" kann von den länglichen, kornähnlichen Kernen kommen, auch er deutet auf die Zähheit des Holzes hin. Der Strauch benötigt warme Lagen und kommt in warmen Regionen an Wegrändern, am Waldrand und an sonnigen, oft steinigen Hängen vor. Die Sträucher und im besonderen die davon gezogenen Bäume wachsen sehr langsam und tragen nach etwa acht Jahren. Die Bäume werden in der Regel bis zu sieben Meter hoch. Bei guter Pflege können sie meiner Einschätzung nach über 150 Jahre alt werden, wenn gründliche Verjüngungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Sie vertragen ohne weiteres Schnittmaßnahmen, die das Ertragsniveau der kultivierten Sorten steigern und ein langes Leben sichern. Josef BUCHINGER (1950) berichtet von einem Baum, der einen Umfang von 4,60 m aufwies und dessen Alter auf 800 Jahre geschätzt wurde. Die Steinfrüchte Wenn die Früchte gereift und tiefrot geworden sind, können sie roh gegessen werden. Sie können 1,5 bis 2 cm groß werden. Im Herbst sind sie säuerlich-herb und werden erst süß, wenn man sie z.B. zu Hause einige Zeit in einer Schüssel lagert. Wenn sie weich werden, beginnen sie aber bald zu schimmeln. Sind sie einmal abgefallen und lagen einige Tage am Boden, dann müssen sie schnell verarbeitet werden. Man-

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Dirndln

I

Die blühende Wildform der Kornelkirsche.

Die großfrüchtige Selektion Cornus mas Jolico' (Photo: Franz Praskac).

che Gartenbesitzer legen eingeschwerte Tücher aus, um die Beeren täglich aufzufangen und abzuernten. Daneben gibt es im Reifezustand seltener auch weiße und gelbe Variationen, die im Geschmack ebenso gut sind. Bulgarische Kultursorten können eine Länge von 2 bis zu 3 cm erreichen. Sie stehen im Geschmack den wildwachsenden um nichts nach.

Varietäten und Vermehrung Vereinzelt sind lokale Selektionen mit verschiedenen Sorten beobachtbar. Es gibt runde oder längliche Fruchtformen, groß- und kleinkernige (von der Größe eines Getreidekorns), schnell reifende und

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I Die Wildobstnutzung

Kornelkirschen - Fruchtsorten nach Praskac/Tulln: Von links: Kasanlaker, Jolico, eine Wildform (Abb. ca. die Hälfte der Fruchtgröße).

Schumener,

geschmacklose. Es finden sich einzelne Varietäten, bei denen sich das Fruchtfleisch schwer von den Kernen ablösen läßt. Sorten mit schlecht verarbeitbaren Früchten haben dafür eine hohe Qualität beim Holz und Laub. Ausgesäte Kerne k e i m e n erst im zweiten Jahr, w i e ich bei Versuchen im W i e n e r w a l d beobachten konnte. Neben der Verwendung von S ä m lingen sind Wurzelschößlinge oder abgestochene Ableger vorteilhafter. Stark beschattete Sträucher im Unterholz z.B. der

Kiefer-Laub-

mischwälder bringen weniger Fruchtertrag. Die Blüten können sich zwar selbst befruchten, es ist aber ratsam, in der N ä h e einer Pflanze auch eine oder mehrere andere zu setzen, damit die Befruchtung gesichert ist.

Kornelkirschen-Marmelade Die i m Kahlenbergdorf u n d im W i e n e r w a l d gesammelten schwarzroten Kornelkirschen waren a u f g r u n d des w a r m e n Sommers schnell überreif geworden. W i r waren im September zum S a m m e l n eigentlich schon zu spät dran. Trotzdem lasen wir die weichen, saftigen Steinfrüchte vom Boden auf. Einige begannen schon bald nach d e m Abfallen zu schimmeln.

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Dirndln I

Die Früchte, die weinsäuerlich und etwas herb schmeckten, verwendete ich für Marmelade. Dazu entkernte ich vorher die Früchte und bereitete sie wie jede andere Marmelade auf kleiner Flamme zu. Wenn ich bei Sammelgängen zu wenig Beeren finde, dann strecke ich die Marmelade in der Regel mit Banane, Birne oder Apfel - je nachdem, was vorrätig ist. Einmal gab ich zwei zerstampfte Bananen bei, ehe ich ein Kilogramm Fruchtmark mit einem halben Kilo Zucker und etwas Honig süßte. Zu guter Letzt wurde das M u s mit etwas Quittenmarmelade vom letzten Jahr zum Gelieren gebracht. Nach dem leichten Dünsten der Früchte preßte ich sie durch ein Tuch aus grobem Stoff aus.

Oliven, aus Dirndln

zubereitet.

Früchtetees und das Geheimnis des Wiener Kaffees Die Fruchtsteine, die bei der Marmeladebereitung übrigblieben, besitzen noch Reste von Fruchtfleisch. Deshalb sind sie zu schade zum Wegwerfen. Ich breitete sie auf einem Backblech aus und stellte sie zum langsamen Trocknen auf. Nach mehrmaligen Wenden habe ich sie dann gemeinsam mit Sauerdorn/Berberitze, Hagebutten, Weißdorn und Apfelschalen zu einem Winter-Früchtetee gemischt. Die frischen

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I Die Wildobstnutzung

Früchte und die Marmelade der eingekochten Steinfrüchte wirken leicht stopfend. Die hellbraun gerösteten und gemahlenen Kerne kann man zum Kaffee geben, was ihm einen Vanillegeschmack verleiht. Viktor L O H N E R (1948) sieht darin das „Geheimnis des Wiener Kaffees". Das Pulver gerösteter Kerne verwendete man auch direkt als Kaffee, indem man es in heißem Wasser ansetzte und süßte. Da der Kaffee bei uns von den Türken eingeführt wurde und dort die Kornellen ein wichtiges Obst waren, dürfte diese Methode der Streckung wohl aus der Türkei stammen.

„Die Olive der nördlichen

Länder"

Die Kornellen kommen selbst in Nordeuropa vor und werfen hier je nach Witterung gute Erträge ab. In Norddeutschland z.B. ersetzten sie die Olive, die einst als delikate Handelsware importiert wurde und sehr teuer war. Die Gärtner und Sammler wußten sich mit Dirndlkirschen zu behelfen. Wenn sie im Herbst bei einem frühzeitigen Kälteeinbruch nicht ausreiften, wurden sie in Salzwasser oder Essig und später in Öl eingelegt. Da ich wußte, wie schnell die Haut der Kirschen aufspringen kann, gab ich knallrote, reife und weich gewordene Dirndln nur ganz kurz in kochendes Wasser, nahm den Topf vom Herd und siebte sie nach einer Minute ab. Dann salzte ich das Wasser, erhitzte es erneut, goß es nach kurzem Abkühlen über die mittlerweile in Gläser gefüllten Kornelkirschen und verschloß die Gläser sofort. An Gewürzen verwendete ich etwas Fenchel, Oregano und Lorbeerblätter. Ein anderes Mal gab ich einige Wacholderbeeren und Pfefferkörner, etwas Senf und getrockneten Rosmarin dazu. Nach einigen Tagen bemerkte ich, daß in den Gläsern kleine Bläschen aufstiegen, was auf eine Vergärung der Früchte hindeutete. Durch die Luftzufuhr begannen die Früchte zu arbeiten. Offenbar war schon viel Fruchtzucker in den allzu reif gesammelten Komellen. Ich kostete regelmäßig die mittlerweile an die Oberfläche gestiegenen Kirschen. Sie waren ganz weich und schmeckten süßsauer. Ihre Haut war aufgesprungen, der hellrote und mittlerweile leicht trüb gewordene Saft schmeckte gut. Ich verwendete die Oliven binnen acht Tagen für Salate, Käse- und Wurstplatten, und als die Früchte aufgegessen waren, bereitete ich aus dem Saft eine Salatsauce.

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Dirndln

I

Zur Lagerung der Oliven Für die Olivenbereitung sollte man keine reifen Früchte verwenden. Nach dem Offnen müssen die Gläser im Kühlschrank aufbewahrt und die Früchte möglichst schnell verbraucht werden. Eine andere Möglichkeit ist die Lagerung der eingelegten Oliven zunächst in einer Salzlacke und dann in Öl. Nach vier Wochen werden sie umgefüllt, wodurch sie sich mehrere Monate lang halten. Dann kann man auch Knoblauch und etwas Rosmarin und Oregano beigeben. Oder man beläßt sie im Salzwasser und deckt mit einer zentimeterdicken Ölschicht ab. Oliven aus unreifen Früchten Früchte, die noch unreif sind, haben meist eine grünliche bis hellrote Farbe, manchmal eine gelb-rote Wange. Beim Pflücken gaben wir bereits die ganz reifen, dunkelroten Früchte für Konfitüre in ein separates Gefäß. Von diesem Ausflug zurückgekehrt, nutzten wir die Erfahrungen, die wir bei der Zubereitung gemacht hatten. Wir setzten nun stark gesalzenes Wasser auf und gaben die hellroten, unreifen, festen Kornellen drei bis vier Minuten lang in das kochende Wasser. Dann wurde alles in die Gläser eingefüllt, die im noch heißen Zustand verschlossen wurden. Bei einigen Gläsern gaben wir auch etwas Zucker dazu. Als wir sie dann im Winter verspeisten, waren sie weder aufgesprungen noch aufgestiegen. Die unreifen Kirschen bleiben viel fester und haben einen intensiveren Geschmack als die reiferen und weichen. In Essigwasser eingelegt In den Balkanländern wurden die Früchte reif wie unreif in Essig eingelegt. Ihr Aussehen und Geschmack sind olivenartig, besonders wenn man die noch grünen Steinfrüchte verwendet oder die gelborangen, die sich zu röten beginnen. In den Lagerungssaft kann man auch die verschiedensten Würzkräuter geben, die in die Oliven einziehen. In Essigwasser eingelegte Dirndln müssen nach dem Öffnen des Glases nicht sofort verbraucht werden. Der Essig ergibt ein ausgezeichnetes Würzmittel für Salate.

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I Die Wildobstnutzung

Dirndln süßsauer Zutaten: zwei kg Früchte, 0,75 1 Essig, ein kg Gelierzucker, Zimtstange, Pfeffer, Nelken, Muskat und geriebener Ingwer. In die Mischung aus Essig und Gelier-Zucker werden Früchte beigegeben und zwei bis drei Minuten lang gekocht. Danach läßt man die Früchte kalt werden und siebt sie ab. Die Brühe wird am nächsten Tag noch einmal aufgekocht und über die in Gläsern gefüllten Dirndln gegossen. Darauf werden die Gläser verschlossen. Süßsaure Dirndln eignen sich besonders gut als Beigabe für falsche Wildgerichte. Dirndlschnaps und -likör Durch das Einlegen der knapp vor der Reife stehenden Früchte wird ein ausgezeichneter Likör hergestellt. Dieser wird gezuckert, und man beläßt die Kirschen in den Gläsern. Sie machen den Likör als Aperitif besonders attraktiv. Diese Art der Verarbeitung wird heute noch in Polen und mehreren ehemaligen Sowjetländern praktiziert. Die Früchte können (auch mit anderem Obst) eingemaischt und zu Dirndlschnaps gebrannt werden.

Süßmost als Rauschspender Vermutlich wurde in der mittleren Steinzeit durch Vergärung des Fruchtfleisches ein leicht berauschendes und schmerzstillendes Getränk hergestellt. Bis vor etwa 50 Jahren hat man noch bei uns aus den Früchten einen Süßmost hergestellt. Zu einem Liter Saft gab man einen halben Liter Wasser und gut einen Zehntel Liter Zucker. Der entstandene Most diente im Winter als Vitamin-C-Lieferant und wurde einmal die Woche aufgetischt.

Lavasch und Scherbett In Kleinasien werden heute noch die Früchte kandiert oder getrocknet. Im Kaukasus etwa bereitet man „Lavasch"zw. Das sind aus dem geriebenen Fruchtfleisch hergestellte lutschbare Kügelchen, die eine ähnliche Konsistenz wie Rosinen

haben u n d zeitweise am

Wiener

Naschmarkt erhältlich sind. Sie liefern reichlich Vitamin C und werden

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Dirndln

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auch zu verschiedenen Reis- und Gemüsegerichten beigegeben. Sie dienen auch zur Färbung der Früchte- oder Erfrischungstees. Aus den Früchten werden seltener auch Kompotte, Sirup oder Weine zubereitet. In der Türkei gewinnt man aus ihnen ein Getränk namens „Scherbett", eine erfrischende Fruchtlimonade, die häufig mit Most gemischt wird.

Zur Magenkräfiigung, für Bäder und Tees Die Kornelkirsche dürfte auch als Heilpflanze eine wichtige Rolle gespielt haben. Tees aus den getrockneten Blättern und Früchten verwendete man zur Linderung von Entzündungen in den Verdauungsorganen und zur Kräftigung des Magens. Häufig wurden aus gesundheitlichen Gründen gedörrte Dirndln mit den Kernen gelutscht. Aber auch die Früchte soll man laut PARACELSUS gegen die Rote Ruhr verwendet haben, weshalb sie auch als „Ruhrkirschen " bezeichnet wurden. Ein konzentriertes Fruchtmark bewahrte man auf, um es bei hohem Fieber, Blutsturz, Blutungen oder ruhrartigem Durchfall einzusetzen. Die Früchte kamen auch bei Halsentzündungen, Mandelanschwellungen und bei Problemen mit den Lymphknoten zum Einsatz. Das Fruchtfleisch enthält Invertzucker, ein Gemisch aus Frucht- und Traubenzucker. Es ist reich an Vitamin C und enthält viel Apfel- und Weinsäure. Aus der Rinde bereitete man Mittel gegen starke Durchfälle. Ein Rheumabad macht man aus abgekochten Teilen der Rinde, Zweige und Blätter. Tee aus den bitteren Blättern schmeckt ein wenig wie Schwarztee. Sie werden in kleinen Mengen zu anderen Teekräutern beigemischt.

Uber die Holzverwendung des Kleinbaums Im südlichen Tessin stellten die Bauern noch vor wenigen Jahrzehnten aus dem Holz der jungen Aufwüchse strapazierfähige Spazierstöcke her. Altes Holz von geraden und astlos gezogenen Bäumen, die zu diesem Zweck aufgeastet wurden, verwendete man zur Herstellung von Waffen, Werkzeugen, Kämmen und Knöpfen, fxir Schnitz- und Drechslerarbeiten und für den Bau von Wagen- und Mühlrädern. Auch für Zahnräder von Uhren gebrauchte man das Holz. Es war wegen seiner Schwere, Zähigkeit und feinen Struktur besonders wertvoll im Tausch und Verkauf.

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I Die Wildobstnutzung

Die Beeren der Lampionblume Die Lampionblume (Physalis alkekengi) gehört zu den Nachtschattengewächsen und wird u.a. auch als „Judenkirsche", „Blasenkirsche", „Schlutte", „Teufelspuppe" oder „Boberelle" bezeichnet. Der Name „Judenkirsche" rührt von der Ähnlichkeit des pergamentartigen, orangen Blasenkelchs mit der mittelalterlichen jüdischen Kopfbedeckung her. Die beerenähnlichen Früchte wurden in der Heilkunde eingesetzt. Man kann sie auch zu einer vorzüglichen Marmelade verarbeiten.

Uber das Vorkommen Die Lampionblume wurde bei uns aus den östlichen Mittelmeerländern eingeführt und als Heilmittel sowie in geringen Mengen auch als Nahrungs- und Würzmittel im Garten kultiviert. Sie ist allgemein als hübsche Trockenblume und Zierde im Winter bekannt. Sie findet sich heute verwildert auf Schuttplätzen und Böschungen. Ihre leuchtenden, balgartigen Fruchthüllen sieht man im Herbst auch im Staudenbereich von Waldungen, am Rand von Weinbergen, Hecken und in Auen. Sie bevorzugt nährstoffreiche Standorte.

Die Lampions Die aufgeblähte Beerenhülle verfärbt sich im Herbst rotorange und wird papieren und trocken. Dieses Lampion enthält Bitter- und Giftstoffe. Es umgibt die Beere mit einer luftgefüllten, blasenartigen Umhüllung. Ihr geringes Gewicht ermöglicht, wenn das feine Gewebenetz des Lampions vom Wind ausreichend durchgeschüttelt und getrocknet wurde, die Windverbreitung der Beere via „Luftballon". Eine ausgeklügelte Einrichtung der Natur zur Samenverbreitung, ohne den Gang durch den Vogelmagen. Der dünne Wurzelstock ist weitverzweigt. Im Herbst sterben die oberirdischen Pflanzenteile ab. Über Wurzelstecklinge ist die Pflanze aber während der Vegetationszeit sehr gut vermehrbar.

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Lampionblume

I

Die Lampionblume wurde als Heilpflanze und Obst in unsere Breiten eingeführt. Die Beeren und Blätter nutzte man vielfältig in der Medizin. Von den Gärten aus „verwilderte" sie wieder und findet sich heute in Wäldern und Hecken.

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I Die Wildobstnutzung

Anstelle von Tabletten verwendete man die getrockneten Beeren als Vitamin-C-Spender im Winter.

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Lampionblume

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Rohe Früchte, Mus und Marmelade nahm man bei Blasenschwäche, Leber- und Gallenleiden ein.

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I Die Wildobstnutzung

In den Auen sammeln In den Auen und in den gealterten Hecken des Alpenvorlandes kommen die Judenkirschen vor. Ich nahm die Beeren beim Pflücken sofort aus der lampionförmigen Umhüllung heraus und gab sie in eine Dose. Wenn man das nicht tut, soll die leuchtend orange, safrangelbe oder zinnoberrote pergamentartige Hülle Bitterstoffe abgeben. Die Beeren sind so orange wie die Kaugummikugeln, die wir als Kinder aus den Automaten holten.

Den Rohgenuß nicht übertreiben Alle Teile der Pflanze werden in den Büchern als giftig eingestuft. Allerdings probierte ich den rohen Verzehr von mehreren reifen (!) Beeren ohne schädliche Nachwirkungen aus. Es gibt über die Giftigkeit bislang noch keine gesicherten Kenntnisse. Den Verzehr von einigen angenehm säuerlich-süß schmeckenden Beeren betrachte ich als unbedenklichen Vitaminstoß. Bei Menschen mit empfindlichem Magen ist allerdings bei Genuß einer größeren Beerenmenge Übelkeit nicht auszuschließen. In der Heilkunde wurden rohe wie getrocknete Beeren in größeren Mengen verabreicht. Das ist ein Beweis dafür, daß die Beere nicht allzu giftig sein kann.

Judenkirschen-Marmelade Als die gesammelte Menge bei einem Spaziergang im späten September sehr gering ausfiel und ich wenigstens ein Gläschen zusammenbringen wollte, bereitete ich die Marmelade folgendermaßen zu: Zum Strecken der Marmelade schälte ich eineinhalb saure Äpfel (von der Sorte Boskoop-Berlepsch), schnitt sie klein und kochte sie bei geschlossenem Deckel auf. Die Apfelschalen legte ich zum Trocknen für den Früchtetee beiseite. Dann zerdrückte ich die Apfel zu Mus und gab die Judenkirschen dazu. Damit nichts anbrennt, bleibt man auf kleiner Flamme und gibt ein wenig Wasser hinzu. Wenn dann die Beeren garen und Wasser freisetzen, ist das kein Problem. Dann zerdrückte ich auch die Beeren, wodurch die vielen weißen, steinchenförmigen Samenkerne zum Vorschein kommen. Man kann sie auch durch die , Flotte Lotte'

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Lampionblume

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Wenn das Lampion zersetzt ist und die Nervatur dieser Hülle übrigbleibt, finden die Vögel die Beeren zum Verzehr und zur Verbreitung.

lassen oder mit Püriergeräten bearbeiten, wenn man größere Mengen zur Verfügung hat. Dann wird die zarte Schale der Beeren zerkleinert, z.B. mit Püriergeräten. Nach längerem Garen auf kleinster Flamme rührte ich Gelierzucker zu und ließ den Topf noch fünf Minuten auf dem Herd stehen. Nach einer Abkühlungsphase füllte ich die Marmelade in das Glas. Es war dann doch noch ein großes Glas geworden. Durch die Mischung der Marmelade mit Apfel wurde sie sehr bekömmlich. Sie hat einen ähnlich süß-bitteren Geschmack wie Orangenmarmelade und bringt Abwechslung auf den Frühstückstisch.

Kompott aus Judenkirschen Für Geschmack und Auge gleichermaßen zuträglich ist die Verarbeitung zu Kompott. Aus Wasser und Essig wird im Verhältnis 1:1 eine Mischung hergestellt. M a n rührt Zucker ein und gibt sie in Gläser mit Drehverschlüssen, in denen zuvor die Beeren eingelegt wurden. Die Gläser werden eingeweckt oder im Dampf eines großen Topfs etwa eine

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I Die Wildobstnutzung

halbe Stunde lang gekocht. Dieses vitaminreiche Kompott schmeckt hervorragend und hat eine wunderschöne Farbe. Die Beeren wurden deshalb auch zur Färbung von Apfel-, Birnen- oder Quittenkompott verwendet.

Die Bedeutung als Heilmittel Der Hauptgrund der Kultivierung der Judenkirsche in unseren Gärten dürfte in seiner Bedeutung als Heilmittel liegen. Man darrte die Beeren im Schatten oder bei bis zu 40°C. Sie wurden dann geruchlos und schmeckten bitter. Das Trockengut nutzte man für verschiedene Heilzwecke, indem man es einweichte und oder aufkochte. Der sehr hohe Vitamin-C-Gehalt der Beere liegt über dem der Zitrone. Auch enthält sie viel Vitamin B. Sie wurde deshalb während der kalten Jahreszeit vorbeugend gegen Grippe eingenommen. Im Proviant der Seefahrer durften getrocknete Beeren nicht fehlen. Sie waren eines von vielen Anti-Skorbutmitteln. Für Auszüge wurden 20 bis 30 Gramm reife Beeren zerdrückt und in Wasser angesetzt. Dieses flüssige Mus trank man aufgrund seiner harn- und wassertreibenden Wirkung bei Blasenleiden oder Wassersucht zweimal am Tag. Gegen Nierensteine wurden Teeaufgüsse mit etwa zehn warm gepreßten Beeren pro Tasse angesetzt. Die Wirkstoffe der Beeren scheiden in unserem Körper harnsaure Salze aus und werden deshalb als Gicht- und Rheumamittel verwendet. Die rohen Früchte wurden gegen Blasenschwäche verwendet, ebenso bei Leber- und Gallenleiden. Sie sind auch entzündungshemmend, blutreinigend, schmerzstillend und haben eine beruhigende Wirkung.

In Wein und Schnaps Damit die Wirkstoffe der Beeren auch schnell die schmerzenden Nieren oder die Blase erreichen, wurden Früchte zerquetscht, in Wein aufgerührt und nach einer kurzen Standzeit mit dem Wein eingenommen. Sie wurden auch zu einem eigenen Wein vergoren, der bei den oben genannten Leiden nüchtern eingenommen wurde. Bauern haben die Beeren auch als Schnäpse angesetzt. Die eingelegten Beeren wurden

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Lampionblume

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Die Beeren von Physalis in Schnaps eingelegt ergeben einen herrlichen Aperitif und ein gesundes Cetränk. Insofern wird „Alkohol" wieder zu Schnaps als Medizin aufgewertet. Schnaps bedeutete ursprünglich „ein schneller Schluck", aber nicht mehr als ein „Mundvoll".

auch als „gesunde" Aperitifs verabreicht. In Weinbrand eingelegte und leicht gezuckerte Früchte ergeben einen leckeren Likör. Die grüne Pflanze wurde verwendet bei Leberleiden, Wassersucht, Gicht, Steinleiden, Syphilis und Harnverhalten. Bei Hauterkrankungen, Ausschlägen oder Ekzemen verwendete man das abgekochte Kraut.

Die nahverwandte Peru-Beere Die Peru-Beere (Physalis peruviana), die jetzt vermehrt auf den Märkten angeboten wird, ist quasi die Schwester unserer Blasenkirsche aus Ubersee. Sie kann ohne weiteres roh und mit Zucker gegessen werden. Sie wurde als Mittel gegen Skorbut (aus Vitamin-C-Mangel) aus Südamerika nach Afrika und Europa eingeführt und teilweise kultiviert. Heute wird sie in Marmeladen eingemischt. In Mexiko und Guatemala wird die Physalis ixocarpa kultiviert. Sie ist der Paradeiser (Tomate) ähnlich und wird dort wie diese zubereitet.

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I Die Wildobstnutzung

Gemeiner Schneeball (Viburnum

opulus)

Der Schneeball für Marmelade Die Fachliteratur behauptet, daß die Früchte vom Schneeball

(Vibur-

num opulus) giftig seien u n d daß man besser die Finger davon lassen solle. Die Erfahrungen unserer Vorfahren werden dabei jedoch völlig ausgeblendet.

Roh genossen, aber mit Vorsicht Werden mehrere der glänzend roten beerenartigen Früchte („Beeren") roh genossen, kann das aufgrund ihrer leicht giftigen Inhaltsstoffe bedenklich sein. Die Wirkstoffe können Magen-Darm-Entzündungen hervorrufen. Eine ähnliche Unverträglichkeit kennen wir auch vom G e n u ß roher Holunderbeeren. Es fehlen allerdings in den Fachbüchern Hinweise darauf, daß diese Giftstoffe bei der Verarbeitung der Schneeballfrüchte zu Marmelade umgewandelt werden u n d daß das Erzeugnis dann sehr wohl eßbar ist. Die Autoren lösen das Gebrauchswissen aus seinem Zusammenhang, weil sie nicht selbst sammeln und Marmelade kochen.

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Schneeball

Zum

I

Strauch

Der Strauch kann bis zu vier Meter hoch werden und hat drei- bis fiinflappige Blätter. Er kommt hauptsächlich an Bächen, Flüssen, in Auen, an Hohlwegen und in Mischwäldern vor, wo es nährstoffreich ist. Er liebt grundwasserfeuchte, meist lehmige Standorte. In den Gärten wurde er gepflanzt und z.B. wie im Mühlviertel von Bauern abgeerntet. Die randständigen, weißen Blüten des einzelnen Rispendoldenstandes (Scheindolde) bilden strahlenförmig vergrößerte Blütenblätter aus. Sie sollen im Mai und Juni Insekten zum Bestäuben anlocken. Die inneren Einzelblüten hingegen bleiben unscheinbar und bilden die Samen aus. Die Trauben der rot-glänzenden „Beeren" können bis in den Spätwinter an den Sträuchern hängen bleiben. Sie werden dann sehr bitter und sind daher weder für die Marmeladeherstellung geeignet, noch werden sie gerne von den Vögeln gefressen.

„Herzbeere" Der Name Schneeball leitet sich von den gefüllten weißen Blütenbällen gezüchteter Zierformen ab. Wegen seines holunderähnlichen Aussehens wurde er auch Wasserholder genannt. Wegen der erbsengroßen,

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I Die Wildobstnutzung

Die großen Randblüten locken die Insekten für die Bestäubung an und sichern so die Vermehrung der Pflanze.

wäßrigen „Beeren" nennt man ihn auch Glasbeere, Drosselbeere oder Blutbeer. Aufgrund der rosafarbenen, flachen und herzförmigen Steinkerne bezeichnet man ihn auch liebevoll als Herzerlbeere.

Die

Schneeball-Marmelade

Die kugeligen Steinfrüchte haben roh keinen besonders guten Geschmack. Da die „Beeren" den giftigen Bitterstoff „Viburnin" und relativ viel Baldrian- und Buttersäure enthalten, können sie beim rohen Verzehr Übelkeit, Erbrechen und Durchfall bewirken. Beim Kochen werden diese Stoffe zum Großteil in eine ungefährliche Verbindung umgewandelt. Die fertig gekochte Marmelade behält aber trotzdem geringe Mengen von Buttersäure. Deshalb ist sie geschmacklich nicht jederfraus und jedermanns Sache. Die Marmelade eignet sich aber hervorragend für Aufstriche mit Frischrahmkäse und kann zum Müsli und zum Joghurt beigemischt werden. Ebenso verwendete man sie für Tortenböden und als Würzmittel für Fleischsaucen.

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Schneeball

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I Die Wildobstnutzung

Gleich nach der Reife sammeln und verarbeiten Sammeln kann man die Schneeball-Beeren schon Ende September bis in den Oktober hinein, wenn sie reif sind. Werden die „Beeren" nicht sofort in den ersten Reifetagen geerntet, so bleiben in der Marmelade zuviel Baldrian- und Buttersäure enthalten und machen sie ungenießbar. In Südosteuropa werden die „Beeren" heute noch als Kompott verwendet oder als Speisewürze mitgekocht. In Nordamerika wurden sie anstelle von Moosbeeren zur Sirupherstellung verwendet.

Die Verwendung der Rinde Früher wurde die Rinde vom Gewöhnlichen (Viburnum opulus) und die Wurzelrinde vom Amerikanischen Schneeball (V. prunifolium) als Mittel zur Entspannung der Muskeln bei Krampfschmerzen verwendet. Der gekochte Absud wirkte schmerzstillend und vor allem beruhigend bei Hysterie. Er wurde besonders bei Unterleibskrämpfen schwangerer Frauen und vorbeugend gegen Fehlgeburten eingesetzt. Auch Aufgüsse von der Pflanze dienten zum Gurgeln bei Mund- und Halserkrankungen. Rohe Früchte gebrauchte man in größeren Mengen als Abführmittel.

Im Winter leuchten die knallroten Beeren entgegen.

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Traubenkirsche

I

Die Traubenkirsche - ein verkanntes Wildobst Die

Kindheitserinnerungen

In unserer Kindheit hieß es immer wieder, die Früchte der Traubenkirche (Prunus padus) seien giftig. Doch bei unseren Indianerspielen stolperten wir zwangsläufig über diese Baumart und kamen mit ihren Beeren, der bitteren Astrinde oder mit ihren Blättern in Berührung. Den herb-bitteren Geschmack der Pflanze vergißt man nie mehr. Aber als „Indianer" glaubten die meisten von uns an die Nutzbarkeit dieser Beeren. Sie hatten schon ab Juli ein sehr verlockendes Aussehen, und obendrein werden sie auch von den Amseln, Krähen, Wacholderdrosseln oder Rotschwänzen rasch gefressen. Sie dürften also doch in irgendeiner Form eßbar sein, und wir kosteten sie, ohne daran zu sterben. Die erbsengroßen, schwarz-blauen Früchte des Traubenkirschbaumes schmecken roh bittersüß und unangenehm. Sie liegen schwer im Magen und sind schwer verdaulich. Die herben Inhaltsstoffe sind auch gezuckert kaum genießbarer. Wegen des Blausäuregehalts kann ein Rohgenuß in größeren Mengen bei empfindlichen Menschen Kopfschmerzen und Erbrechen hervorrufen. Für die Verarbeitung zu Saft, Gelee

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I Die Wildobstnutzung

Bevor die Vögel die Traubenkirschen holen, muß man im Sommer schnell sein, um einen Ertrag einzufahren.

oder für Marmelademischungen ist diese Steinfrucht aber durchaus geeignet, da durch das Kochen die Blausäure und die Bitterstoffe entzogen werden. Wenn die Klaräpfel reif wurden, mischte man damit von Juli bis September eine eigene Marmelade zusammen. Allerdings erweist sich das Auslösen der Kirschkerne als eine sehr mühsame Arbeit, wenn man überhaupt von ,Auslösen" sprechen kann, denn es ist nur spärlich „Fruchtfleisch" an den verhältnismäßig großen Kernen vorhanden. Die Verarbeitung der Kerne fiir die „Elschkrapfen " Bei meinen AJpenwanderungen wurde mir von einer früher weitverbreiteten Verwertungsmöglichkeit der „Eischen", wie die Traubenkirschen in Kärnten genannt werden, berichtet. Da diese Baumart mit ihren kleinen Früchten nur wenig Ertrag hergab, stampfte man sie mitsamt den Kernen ein. Man kann sie so als köstliche Krapfenfüllung verbacken (RANACHER, 1994). Diese wurde mit gedämpften Erdäpfeln (Kartoffeln) oder Topfen (Quark) gestreckt, mit einem Schuß Rum versehen und gesüßt in die ausgestochenen Taschen aus mittelfestem Germteig (Hefeteig) eingefüllt. Schließlich wurden die Elschbeerkrapfen in heißem Schmalz gebacken (RANACHER, 1988). Diese Speise gab es häufig am Samstag oder am Sonntag, was

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Traubenkirsche I

ihre besondere Wertschätzung unterstreicht. Auch während der Heuarbeit kamen diese delikaten Krapfen auf den Tisch.

Das Mörsern der kernhaltigen

Wildobstfrüchte

Z u m Zerkleinern wurde ein Holzstampfer verwendet, den sie im Mölltal als „ K u m p f ' bezeichneten. Er war etwa einen Meter hoch und hatte einen Durchmesser von etwa 20 cm. Er wurde aus Kirsch- oder Birkenholz gefertigt, einem Material, welches auch bei starker Stoßeinwirkung nicht springt. Die Bäume wurden bei „abnehmendem Schein" geschlagen. Im Hohlraum war ein „Rückschlag" vorgesehen, damit der Obstbrei nicht aus dem Kumpf herausgeschleudert wurde. Das war im obersten Teil eine Verengung, ähnlich wie bei den richtigen Sensenkumpfen. Der hochschießende Brei sollte beim Stampfen gebrochen werden und an der Wand des Kumpfes abfließen. Die Stoßstange war eine Eisenbrechstange mit einem breiteren, auseinandergezogenen Bodenteil. Sie m u ß t e schwer sein, damit das Stampfen auch funktionierte. Ein Deckel verhinderte, daß im Winter Mäuse in den Behälter krochen. Mit diesem Stampfer wurden auch Vogelkirschen, Späte Traubenkirschen (Prunns serótina), Steinweichsel (Prunus mahaleb), aber auch kleinkernige Schlehen, Haferschlehen, Hagebutten, Mehlbeeren, Weißdorn und vielleicht auch Zürgelbaum (Celtis occidentalis und C. australis), getrocknete Eßkastanien, H a n f für Hanfmus, M o h n , entbitterte Eicheln, Getreidearten und vor allem spröd gedörrtes Kulturobst zerkleinert. Die Kerne beließ man, um damit die Speise zu strecken und u m den Magen aufzuräumen. Es wurden auch die sogenannten

„Fleisch-

wolfwinden" verwendet, u m die Kerne zu tranchieren. Feiner zermahlt wurden sie allerdings mit dem Stampfer. Derartige haupt-

Ein Obst- und Körnerstampfer aus Holz war bis vor loo Jahren ein unabläßliches Gerät zur Nahrungsaufbereitung.

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I Die Wildobstnutzung

sächlich in Europa verwendete Gerätschaften von Mörsern, Stampfern und Walzen hat Elisabeth MEYER-RENSCHHAUSEN dargestellt. Die Eßgewohnheiten

in früheren Zeiten

Je ausgiebiger die Zerkleinerung über das Stampfen erfolgte, um so weniger brauchte man die Krapfen zu kauen. Da die Menschen seinerzeit meist früh ihre Zähne verloren, erleichterte das den Verzehr. Man mußte die weichen Krapfen mit der zerkleinerten Füllung lediglich grob zermalmen und konnte dadurch die verbliebenen Zähne schonen. Das war vor allen ein Vorteil für alte Leute, die vornehmlich von dem zu leben hatten, was sie in der Natur vorfanden. Beispiele der Verwertung aus Rußland Das Wort Elschbeere (Prunus padus) klingt ähnlich wie die Eisbeere. Der völlig anders aussehende Ebbeerbaum (Sorbus torminalis) hat vermutlich wegen derselben Verarbeitung einen ähnlichen Namen. Weitere Namen der Traubenkirsche oder Elsche sind noch: Trudenbaum, Stinkbaum, Olasber, Eßen, Ellexn, Elexln, Elsen, Alsenbeere, Ahlbeere, Ahlkirsche, Albaum und Alexkirsche. Die Verwertungsmöglichkeiten der Traubenkirschen sind auch im asiatischen Raum bekannt. Zum Beispiel schreibt der Russe A.K. K O S C H T S C H E J E W : „Aus den getrockneten und frischen Beeren der Traubenkirsche stellt man Kissel und Kompotte her, aus Traubenkirschenmehl bäckt man Piroggen und Watruschki (Quarktaschen)." Das Kissel Beim Kissel kocht man die Traubenkirschen etwa 20 Minuten lang. Dann zerdrückt und passiert man sie, um die Kerne zu entfernen. Es erfolgt die Beigabe von Zucker und von etwas in Wasser aufgelöster Stärke oder Mehl. Nach dem Aufkochen nimmt man das Geschirr vom Herd. Man kann das Kissel warm oder abgekühlt essen. Kocht man es auf kleiner Stufe weiter, so entsteht daraus eine Art „Powidel" (ähnlich der Pflaumenmarmelade), das in Gläsern gut haltbar ist. Man braucht dafür aber eine große Menge.

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Traubenkirsche

I

Traubenkirsche (Prunus padus)

Die Piroggen „Piroggen" sind Sauerteigtaschen. Zur Bereitung der Füllung werden getrocknete Traubenkirschen verwendet. Diese mahlt man im Mörser oder in einer Kaffeemühle. Unter dieses Mehl rührt man Zucker und auf 300g Traubenkirschenmehl etwa 100g Malz ein. Dann verdünnt man es mit etwas Wasser - und fertig ist die süße Füllung für die Teigtaschen.

Ein Gärgetränk aus Traubenkirschen fiir den Sommer In Rußland bereitete man auch ein Gärgetränk\ Frische Eischen (etwa 1 kg) werden mit Zucker bestreut und zwölf Stunden lang aufgestellt. Nach einer kräftigen Verrührung wird das Mus mit drei Liter heißem Wasser übergössen, dann werden Zucker und Germpulver (Hefe) beigemischt. Das soll dann wiederum zwölf Stunden lang gären, ehe es abgesiebt werden kann. Die Flüssigkeit soll dann noch bis zu zwei Tage in einem großen Glas stehengelassen werden. Durch die Gärung entsteht ein erfrischendes, durstlöschendes, beinahe alkoholfreies Getränk,

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I Die Wildobstnutzung

das sich im Zustand der Nachgärung befindet und deshalb bald aufgebraucht werden sollte. Während der Erntemonate wurde diese Zubereitung beinahe jeden zweiten oder dritten Tag durchgeführt.

Wie wurden die Beeren sonst noch verwendet? Die Früchte der Traubenkirsche wurden früher auch mit Salz bestreut und roh genossen. Aus dem gepreßten Saft machte man Branntwein, Wein und Essig. Die Kerninhalte schmecken ähnlich wie bittere Mandeln. Wenn man sie trocknete und stampfte, konnte man aus ihnen eine ,Mandelmilch' bereiten, die in geringen Mengen zum Kochen verwendet wurde. In ertragreichen Jahren wurde aus dem Sammelgut ein eigenes Ol gepreßt. Die Kerne wurden auch geröstet und dann als Ersatz für Kaffee verwendet.

Nutzung im Garten und in der

Landschaft

Im Hausruckviertel fand ich am unmittelbaren Rand eines Bauerngartens eine Traubenkirsche. Sie hatte hier mit ihren herben Ausdünstungen auch die Aufgabe, bestimmte Fliegen und Mücken vom Misthaufen und von den Gemüsekulturen fernzuhalten. Bei „Elsen" und „Gelsen" ist auch bereits im Wort eine Verbindung erkennbar. Als wir als unwissende Kinder nach einem Streifzug der Mutter vom schön blühenden Traubenkirschenbaum einen Strauß mit nach Hause brachten, stank nach wenigen Stunden der Raum so penetrant, daß uns schlecht wurde. Nicht umsonst nennt man diesen Baum auch „Stinkbaum". Als „Obstersatz" werden auch in unseren Regionen Traubenkirschenhecken in edelobstlosen Bergtälern, aber auch in den Obstgärten frostgefährdeter Tieflagen angelegt. Im Herbst kann man an der roten Verfärbung der Herbstblätter jene Gemeinden gut erkennen, welche vor etlichen Jahrzehnten noch Traubenkirschen, Vogelkirschen und Vogelbeeren wertschätzten und erhielten.

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6. Pilze, Flechten und Farne

Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel Uber die Einstellung zu den Pilzen Die Einstellung zu den Pilzen hat sich im Wandel der Zeit völlig geändert. Noch im 14. Jahrhundert wurden Pilze im Norden Deutschlands als Naturalabgabe gehandhabt. Stets sammelte man in verschiedenen Regionen nicht nur für den Eigenbedarf, sondern darüber hinaus für den Verkauf auf den Wochenmärkten (POHANKA, 1987 für Wien). Mit dem Wechsel von der Selbstversorgung hin zur Versorgung durch die Nahrungsmittelindustrie änderte sich auch die Einstellung zu den in der freien Natur wachsenden Pilzen. Als fortschrittlich galt, wer sich solche Delikatessen im Geschäft kaufen konnte. Bemerkenswert ist aber, daß erst durch den Einfluß der Lebensmittelindustrie z.B. Champignon- und Austernpilze zu Massennahrungsmitteln geworden sind (vgl. TOLKSDORF 1971). Vor allem die künstliche Züchtung und Konservierung mittels Salzwasser oder Essig verdrängten Frischangebote und Dörrpilze. Somit fand ein Bruch in der Tradition des Sammeins und Verarbeitens statt.

Parasol oder „Regenschirmpilz" (Macrolepiota procera)

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I Pilze, Flechten und Farne

Wenn das Sammelgut sofort beim Sammeln geputzt wird, braucht man es dafür kein weiteres Mal in die Hände zu nehmen.

Die heutige Ablehnung der Pilze beruht auf dem Vorurteil, Pilze seien giftig und hätten keinen Nährwert. Schon „im Mittelalter und lange bis in die Neuzeit herein war ,Pilz' und ,Tod' so ungefähr das gleiche" (BECKER-DILLINGEN, 1950: 842). Dabei gedeihen bei uns wesentlich weniger giftige Pilze als genießbare. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl von 1986 und „ihre stille Post", der radioaktive Niederschlag in allen Regionen Europas, haben bewirkt, daß weniger Pilze gesucht werden. Mit der Zeit akkumulieren Pilze radioaktive Substanzen. Es dauert viele Jahre, bis diese abgebaut werden. Bestimmte Sammelgebiete sollten nach wie vor wegen der starken radioaktiven Verstrahlung gemieden werden. Pilzsammler sollten beim Umweltministerium Karten der radioaktiven Verseuchung bestellen.

Frische Zubereitung Ich habe mittlerweile unter anderem mit Herren- oder Steinpilz, mit Rotkappe, Birkenpilz, verschiedenen Röhrlingen, Semmelstoppelpilz, Bovist, Echtem Reizker, Eierschwammerl oder Pfifferling, Braunem Ledertäubling, Gold- und Heringstäubling, Habichtspilz, Parasol oder Regenschirmpilz, Schopftintling, Feld- und Amis-Champignon Erfah-

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel

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rungen gemacht. Frisch verarbeitete Pilze haben das beste Aroma. Man kann Pilze sofort nach dem Abschneiden mit dem Messer reinigen. Auf keinen Fall sollte man Pilze waschen, da die Pilze sich dabei mit Wasser vollsaugen und an Aroma verlieren. Der köstliche Eigengeschmack der verschiedenen Pilzarten kommt beim bloßen Anschwitzen in Butter oder Ol am besten zur Geltung. Anfangs sollte man sie lediglich etwas salzen. Von Gewürzkräutern sollte man absehen, da sonst der charakteristische Pilzgeschmack übertüncht wird. Sie können gegessen werden, wenn die meiste Flüssigkeit verdunstet ist und das Fett wieder klar geworden ist oder wenn sie goldbraun geröstet und fest geworden sind. Die phantasievollen Nuancen der Zubereitungen liegen bei den Köchinnen und Köchen. Findet man mehrmals Pilze, so kann ein Grundgericht variiert und ausgeweitet werden. Nach dem Anschwitzen und Salzen kann z.B. etwas Weißwein beigegeben werden.

Pilze in Soße Man kann etwas Zitronensaft dazugeben, mit Schnittlauch oder etwas Petersilie würzen und etwas pfeffern. Nach dem Stauben mit eingebranntem Mehl wird mit verdünntem Weißwein gelöscht und bei kleiner Hitze kochen gelassen. Mit etwas Sauerrahm oder Sahne bekommt

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I Pilze, Flechten und Farne

Auf Packpapier aufgelegte Herrenpilze (Boletus edulis) zum Trocknen im Schatten.

die Soße einen leicht süßlichen Geschmack. Manche stauben nicht mit Mehl, sondern machen separat eine „Einbrenn" (Mehlschwitze), die dann untergerührt wird. Mit Semmelknödeln kommt eine Pilzsoße zur höchsten Vollendung. Andere Steinpilzsoßen können auch mit etwas Majoran und Weinbrand angerichtet werden. Wieder andere mit ein wenig Knoblauch, Oregano, Basilikum, mit einem Schuß Weißwein-Essig oder mit goldbraun gerösteten Zwiebeln. All diese Soßen sind, wenn man gedämpfte Erdäpfel hinzu stampft, auch hervorragend für Teigfüllungen geeignet. Wenn man beim Pilzsammeln glücklos ist und nur eine geringe Menge nach Hause bringt, kann man sie mit Gemüse wie Paprika, Paradeiser (Tomaten), Zucchini oder mit Fleisch- oder Wurstresten strecken.

Mischpilze in Knoblauchsoße Zutaten: drei Zwiebeln, zwei Knoblauchzehen, 70g Butter, 0,75 kg gemischte Pilze, Salz, Pfeffer, Petersilie, ein Glas Sauerrahm, ein Eidotter. Die würfelig geschnittenen Zwiebeln werden mit den feingehackten

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel

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Getrocknete und gedörrte Pilze geben im Winter Soßen und Suppen die Würze und nähren uns mit Mineralstoffen.

Knoblauchzehen im Fett auf mittlerer Stufe angedünstet. Dann gibt man feingeschnittene Pilze in das Zwiebelfett und läßt sie etwa zehn Minuten unter gelegentlichem Umrühren schmoren. Etwas salzen und pfeffern. Bescheidene Akzente von Thymian oder Dill verleihen der Soße einen eigenen Geschmack. Dann von der Herdstelle nehmen und die gehackte Petersilie einrühren. Der Sauerrahm wird mit dem Eidotter gemischt, und die Pilze werden damit übergössen. Deckel drauf und nach etwa zwei Minuten servieren.

Grundanleitung flir Suppen Meistens werden die geschnittenen Pilze in eine zubereitete Suppenbasis gegeben. Aber die Pilze werden dann eher fad im Geschmack. Deshalb brät man besser die Pilze in Ol oder Butter an, damit das Wasser verdampft, salzt sie etwas und gibt sie zum langsamen Aufwallen zur Suppe dazu. Dann entfalten sie nach längerem Köcheln ihren charakteristischen Pilzgeschmack. Besonders gut eignen sich Erdäpfelsuppen ohne übermäßige Würzkräuterbeigabe.

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I Pilze, Flechten und Farne

Wer Pilze findet, hat Glück, wer sie trocknet, hat auch für den Winter „die Fröhlichkeit" beim Speisenzubereiten „bevorratet".

Über Dörr- und

Räucherpilze

In manchen S o m m e r n kann m a n nicht alle gesammelten Pilze sofort zum Essen verkochen. In der Regel sollen sie an d e m Tag, an d e m sie gesammelt werden, auch zubereitet oder verarbeitet werden. Auch sollten sie kein zweites M a l aufgekocht werden. Frische u n d mittelreife Pilze können für eine spätere Verwendung getrocknet werden. Früher trocknete m a n regelmäßig Pilze, da sie sehr viele Mineralstoffe enthalten u n d so als natürlicher und kostenloser Salzersatz

dienten. N i c h t alle

Pilzarten eignen sich zum Trocknen, u m sie dann im Winter für verschiedene Speisen vor allem als „Würzmittel" zu verwenden. Z u m Beispiel kann es v o r k o m m e n , daß Pfifferlinge einen bitteren G e s c h m a c k b e k o m m e n . Deshalb sollte m a n sie a m besten frisch zubereiten. H a t man die Pfifferlinge oder den Habichtspilz dennoch getrocknet, so empfiehlt sich vor d e m Kochen ein mehrstündiges Einweichen, da ansonsten das Trockengut zäh bleibt.

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel

I

Der aromatische Habichtspilz (Hydnum imbricatum)

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I Pilze, Flechten und Farne

Täublinge in Wasser gekocht und anschließend gebraten, sind fast alle eßbar.

Trotz seines im frischen Zustand unangenehmen Geschmacks sind die zubereiteten Hüte des Hallimaschs ebenfalls sehr wohlschmeckend. Sie eignen sich als Gemüsebeigabe, für Suppen oder zum Einkochen, aber nicht zum Trocknen. Das gleiche gilt für den Semmelstoppelpilz, der lediglich im jungen Zustand für Speisen geeignet ist. In Ost- und Westpreußen und Alpingegenden wurden Pilze zur Verfeinerung des Geschmacks und zur besseren Haltbarkeit geräuchert.

Pilze für den Winter trocknen Für die Trocknung sammelt man möglichst junge, madenfreie und nicht überreife Pilze, die man sofort vor Ort reinigt. Zu Hause breitet man sie aus und schneidet sie, ohne zu waschen, in zwei bis fünf Millimeter breite Scheiben. Trocknet man sie ohne Wärmezufuhr, dann werden sie dünner geschnitten. Wenn man sie auf einem lauwarmen Kachelofen, im Backrohr, in eigenen Obstdarren oder oberhalb des Herdes auf Rosten oder Sieben ausbreiten kann, dann können sie breiter geschnitten werden. Nach dem Schneiden breitet man sie auf Packpapier (nicht Zeitungspapier wegen der Druckerschwärze) aus, und

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel •

Ein junger Herrenpilz optimal geeignet zum Trocknen.

Reif- oder Zigeunerpilz (Rozites caperata), ein hervorragender Bratpilz.

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I Pilze, Flechten und Farne

Verschiedene Täublinge für eine Weinrahmsoße.

zwar so, daß sie nicht übereinander liegen. Die aufgelegten Pilzscheiben sind am ersten und zweiten Tag zu wenden, da sie schwitzen und am Papier ankleben können. Geduldige fädeln geschnittene Pilze ähnlich wie die Scheiben von Pastinakwurzel, Zucchetti, Gelber Rübe und Karotte auf einen starken Faden auf und hängen die Ketten quer durch den Raum an der Decke auf. Nur völlig getrocknete Pilze kann man in gut verschließbaren Gefäßen lagern. Ansonsten beginnen sie zu schimmeln und entwickeln möglicherweise Giftstoffe.

Pilzpulver als Salzersatz Wenn man getrocknete Pilze aus dem verschlossenen Glas nimmt, dann haben sie einen salzig-würzigen Geschmack. Sie kristallisieren bei der Trocknung an ihrer Oberfläche verschiedene Mineralstoffe und Salzverbindungen aus. Es handelt sich dabei nicht um Natriumchlorid, wie es im Speisesalz vorhanden ist, sondern um salzig schmeckende Phosphate, Calzium- und Kaliumsalze. Auch der Gehalt an Eisen, Kupfer, Selen und anderen Spurenelementen ist verhältnismäßig hoch. Getrocknete Pilze wurden wegen ihres hohen Mineralstoffgehalts im Backofen kurz knusp-

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel

Der Schafporling (Albatrellus ovinus) hat ein weißes bis zitronengelbes, festes welches man wie Schnitzel panieren und zubereiten kann.

I

Fleisch,

rig gebacken und mit Mörsern oder in der Bröselmühle zu einem feinen Pulver zerrieben. Man verwendete es nur als Würzmittel und als Salzersatz, da Salz sehr teuer war. Erst viel später gab man zu den pulverisierten Pilzen Salz dazu und sprach dann von der ,Pilzwürze' oder von ,Pilzsalz'. Verwendet man stark würzige Pilze und macht daraus Pilzpulver, so entsteht daraus eine Art Pfefferersatz oder der , P i l z p f e f f e r ' . Die Verwendung getrockneter

Pilze

Der alte Giancarlo in Walther KAUERs Roman „Spätholz" ist als Hausierer bekannt. Er sammelt Pilze in der Umgebung eines Tessiner Tals. Sie sollen den vom Priester als Abgabe eingeforderten Schinken ersetzen und vergessen machen. „Am Weihnachtsabend in jenem Jahr gab es dann anstelle des entschwundenen Rauchschinkens einen guten Risotto mit viel Safran und getrockneten Steinpilzen. Safran und Steinpilze sammelte der Hausierer nebst Wurzeln, Pflanzen und Kräutern selbst an den Hängen des Monte Lema." Pilze wurden als minderwertiger Fleischersatz betrachtet, obwohl man wußte, daß Geschmack und Nährwert ausgezeichnet waren. Bei Kochpilzen ist die Verwertung am ergiebigsten. „Ein Kilo frischer Pilze

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I Pilze, Flechten und Farne

enthält etwa ebensoviel verdauliches Eiweiß wie 100 Gramm frisches Fleisch", schreibt Heinrich MARZELL (1924). In bestimmten Regionen waren Pilze an Werktagen als Hauptspeisen vorgesehen. Für besondere Anlässe verwendet man heute nach wie vor Pilzsuppen und Pilzbeilagen als traditionelle Gerichte. Im oststeirischen Hügelland z.B. wurde bei den Bauern ein ,Heidensterz' (Buchweizen) in Herrenpilzsuppe serviert. Im Winter kann man mit den Pilzen köstliche Suppen zubereiten, meist verfeinert mit Grieß, goldbraun angedünsteter Zwiebel und altem Schafs- oder Ziegenkäse. Oder man verwendet sie für Soßen. Dabei empfiehlt es sich, sie vorher zwei bis vier Stunden oder über Nacht zum Aufquellen in lauwarmes Wasser einzulegen, ehe man sie zur heißen Rahmsoße gibt und einige Minuten mitkochen läßt. Dann bleiben die Pilzscheiben knackig. Diese Soße kann zu Rindfleisch serviert werden. Verwendet man die Pilzsoße zu Gemüsereis oder gedämpften Erdäpfeln, so wird sie zur Hauptspeise.

Pilzextrakte als Würzmittel Zur Herstellung von Pilzextrakten wurden nichtschleimende Mischpilze durch den Fleischwolf gedreht und am Herd dickgekocht. Zur Konservierung streute man etwas Salz und Gewürze darüber oder mischte bestimmte Gemüsearten dazu. Das Ganze wurde dann zwischen ein und zwei Stunden bei kleiner Flamme gekocht und schließlich in verschließbare Gläser gefüllt. Man trug die Eindicke auch flach auf einen Teller auf und gab sie zum Trocknen in das Herdrohr. Sie wurde dann gebrochen und in Dosen aufbewahrt. Das flüssige und das trockene Extrakt diente als Suppenwürze für allerlei Speisen.

Pilzextraktherstellung aus Hallimasch „Zuerst werden die Pilze in ihrem eigenen Safte gekocht und die abgeseihten Pilze nochmals in wenig Salzwasser tüchtig ausgekocht und dieser Saft mit der ersten Abkochung vermengt. Um allen Saft zu gewinnen, preßt man die Pilze in einem Leinen- oder Musselinbeutel gut aus. Sodann fügt man auf jeden Liter Saft einen Kaffeelöffel voll Salz zu und dampft nun so lange ein, bis der Extrakt sirupdick ist. Zum Kochen

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel

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und Eindampfen verwende man ganz neues Tongeschirr oder ganz neue unbeschädigte Emailletöpfe. In kleinen weithalsigen, gut verschließbaren Fläschchen aufbewahrt, hält sich der Extrakt jahrelang." (Aus: Imperial-Feigenkaffee) Diesen Extrakt verwendet man zum Würzen von Suppen, Bratensoßen und Hauptspeisen aus Gemüse oder Teigwaren. Für sechs Teller Suppe genügt ein Kaffeelöffel Extrakt, den man vorher mit etwas heißem Wasser aufquirlt. Für diese Art der Zubereitung eignen sich auch Reizkern, Habichtspilz oder Pfifferlinge. Das Preßgut wurde auch für Bratlinge zum Beimischen verwendet.

Weitere Kochrezepte Damit ein Gericht den typischen aromatischen

Pilzgeschmack

bekommt, werden einige frische und junge Pilze aufgehoben und erst zum Schluß fein gehackt und roh unter das fertige Gericht gemischt.

Das Pilzomelett Zutaten: 150g Schinkenspeck in Scheiben, eine Zwiebel, 500g Steinpilze (oder Champignons, Rotkappen, Maronipilze, Pfifferlinge oder Butterpilze) Pfeffer, Salz, 50g (Gouda-)Käse, sechs Eier.

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I Pilze, Flechten und Farne

Zubereitung: In einer Pfanne werden die Schinkenspeckscheiben kurz angebraten. Dann werden Zwiebelwürfel im Speckfett glasig angedünstet, die in feine Scheiben geschnittenen Pilze dazugegeben und etwa zehn Minuten schmoren gelassen. Dann pfeffern und salzen. Der Käse wird fein gerieben, mit den Eiern verquirlt und dann über die Pilze gegossen. Wenn die Eimischung dann stockt, löst man das Omelett vom Pfannenboden. Dazu können gebratene Erdäpfelscheiben mit grünem oder Paradeisersalat, mit Estragon gewürzt, serviert werden. Dieses Gericht geht schnell und schmeckt ausgezeichnet.

Frischer Pilzsalat Aus dem Echten Reizker, einem Pilz mit orangeroter Milch, kann man einen sehr würzigen Salat zubereiten. Man kocht die frischen Pilze vorsichtig in Salzwasser halbweich und schneidet sie dann in kleine Stücke oder Scheiben. Dann werden sie gesalzen und mit ein wenig Schwarzpfeffer in Essig und Ol angerichtet.

Bratlinge mit Pilzen Man kocht grob zerkleinerte Pilze in ihrem eigenen Saft und hackt sie dann mit einem Messer fein, gibt eingeweichte Semmeln oder Semmelbrösel, Haferflocken, Grünkernschrot oder Grieß und etwas Mehl bei. Dann knetet man eine gehackte Zwiebel und je nach Menge ein bis zwei Eier ein. Eventuell kann man mit Petersilie würzen. Auch frische, feingehackte Pilze verfeinern den Geschmack. Nach dem Abschmecken werden Bratlinge geformt, in Brösel gewendet und im heißen Fett gebacken. Mit einer fein abgestimmten Wildkräutersoße serviert, erhält man ein himmlisches Mahl.

Pilzfrikadellen aus Täublingen Kurz in Salzwasser gekochte Täublinge werden mit etwas Zwiebel und grüner Petersilie gehackt. Man gibt etwas Thymian, ein wenig geriebene Zitronenschale und in Milchwasser eingeweichtes und zerkleinertes Alt-, Weiß- oder Semmelbrot dazu. Das Ganze wird dann mit etwas Fett oder Butter und mit Eiern verrührt. Dann kann man die geform-

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel

I

ten Frikadellen in Bröseln wenden und goldbraun backen. Mit einer leichten Kräuterrahmsoße, Erdäpfeln und Salat ergibt das eine herrliche Hauptspeise.

Pilzschnitzel — ein Hochgenuß aus verschiedenen

Pilzen

Von allen Rezepten sind besonders die panierten Pilze ein Hochgenuß. Dazu eignen sich vor allem Steinpilze, Rotkappen, Champignons und der Regenschirmpilz (= Parasol). Auf der Alm bereiteten wir unzerteilte oder gevierteilte Hüte vom Schirmpilz oder zentimeterdicke Scheiben von Steinpilzen wie panierte Koteletts zu. Ein Parasol, in einer Panier aus Semmelbröseln und geriebenen Haselnüssen angerichtet, schmeckt ausgezeichnet und ist mehr als nur ein Fleischersatz.

Das Einwecken von Pilzen Zum Einkochen sind alle Pilze geeignet, die zum Schmoren und Kochen gut sind. Olle PERSSON und Heinrich PRINZ (1973) empfehlen folgende Zubereitung: „Dazu darf man nur völlig einwandfreie, junge Pilze verwenden, die sehr gut gesäubert werden müssen. Man füllt sie in Gläser, nachdem man sie vorher ohne Zugabe von Fett kurz angedünstet hat, fugt die übliche Menge Flüssigkeit hinzu und kocht 1,5 Stunden bei 98° bis 100° Celsius ein. Nach zwei Tagen wird nochmals bei gleicher Temperatur eine Stunde lang sterilisiert. Pilzkonserven müssen laufend kontrolliert werden, aufgegangene Gläser sind nicht mehr zu verwenden." Manche filtern den Saft ab und füllen verdünnten Pilzsaft ins Weckglas. Sie sterilisieren nach drei Tagen nochmals eine halbe Stunde lang, um die Bildung möglicher Fäulniserreger zu verhindern.

Einfrieren und Einsilieren Zerkleinerte Kochpilze werden blanchiert und danach schnell in eiskaltem Wasser abgekühlt. Nach einer kurzen Abtropfzeit werden sie in Dosen oder Plastikbeutel abgefüllt und eingefroren. Solche Pilze sollen binnen einem halben Jahr aufgebraucht werden. Im südlichen Mühlviertel erzählte mir ein Bauer, wie seine Großeltern die Pilze für den Winter einlagerten. Dazu verwendeten sie beson-

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I Pilze, Flechten und Farne

ders harte Pilze, wie Pfifferlinge und Habichtspilze. Größere wurden der Länge nach geschnitten, kleine beließ man und legte sie sauber in große Gläser oder Holzbottiche ein. Zu einem Kilo Pilze mischte man etwa 20 Gramm Salz und zwei Löffel Magermilch. Dann wurde der gereinigte Holzdeckel aufgelegt und mit Steinen beschwert. Nach etwa vier Monaten (ab Dezember) war die Milchsäuregärung abgeschlossen. Das war von der Raumtemperatur abhängig. Für Fleischbraten, Gemüsesoßen und für Erdäpfelsuppen wurden die sogenannten „SauerkrautPilze" verwendet. In den ehemaligen Ostblockländern und in den GUS-Staaten werden Pilze in großen Mengen zu Herstellung von Pilzkonserven eingesalzen. Zur besseren Aufbewahrung streute man auch etwas Pfeffer über die Pilze.

Eingelegte Pilze in Salz oder Essig Rohe Pilze können nach dem Reinigen auch in Salzwasser oder Essig gemeinsam mit Gewürzen in keimfrei gemachten Gläsern oder Steinguttöpfen eingelegt werden. Dazu kann man auch leicht blanchierte, gröber geschnittene Pilze verwenden. Diese werden schichtweise einge-

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Pilze als Mineralstofflieferanten, Salzersatz und Würzmittel I

Auch der sehr schmackhafte Frauentäubling (Russula cyanoxantha, Aquarell von Erhard Ludwig) ist wegen seiner violettgrünen Färbung noch lange nicht giftig (Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, Berlin).

legt, gewürzt u n d mit abgekochtem, kaltem Essig- oder Salzwasser übergössen, ehe sie luftdicht verschlossen werden. Die Pilze saugen sich dann an u n d werden so über Milchsäurevergärung konserviert. In den nördlichen Ländern wird dazu vor allem Reizker (für Fleischbeilagen) in Holzfässern verwendet. Vor einer Zubereitung werden die Pilze in Wasser eingelegt, damit sie wieder vom Salz befreit werden. Das Salzwasser verabreicht man dann den Nutztieren. Eine andere Möglichkeit der Bevorratung ist folgende: M a n kocht die Pilze im Emailgeschirr in Salzwasser u n d verwendet das Siebwasser für die Extraktbereitung. Nebenbei richtet man in einem Topf eine kurz aufgekochte Marinade her. Bestandteile sind: Wasser, etwas (Wein-)Essig, Pfefferkörner, Lorbeerblätter, Estragon, Thymian, Dill, Senfkörner, Zwiebel oder Perlzwiebel. M a n legt n u n die abgesiebten Pilzstücke in Schichten in weithalsige Gläser ein und gibt die heiße Marinade darüber. Das Essigwasser soll fingerhoch über den Pilzen stehen. Die aufgeschraubten Deckel saugen sich mit fortschreitender Abkühlung fest u n d verschließen die Gläser luftdicht.

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I Pilze, Flechten und Farne

Vom „Floigntod" durch den Fliegenpilz Der Fliegenpilz (Amantia muscaria L. ex Fr. oder Agaricus muscarius L.) verweist mit seinem Namen auf seine Eigenschaft, Fliegen abzuwehren. Sein Aussehen braucht nicht ausführlicher beschrieben werden, denn er ist in unseren Breiten neben dem Herrenpilz der bekannteste Pilz. „Der rote Hut mit den zahlreichen weißen Flocken, der weiße Stiel mit den Gürteln an der Basis und die weißen Lamellen lassen keine Verwechslung zu" (RLCEK, E.W. 1965). Vor allem in der roten Haut des Schirmes sind Muscarin-StofFe angereichert, aus denen erst durch Umwandlung Giftstoffe (Ibotensäure und Muscimol) entstehen. Wenn Hausinsekten über die Nahrungsaufnahme damit in Kontakt kommen, werden sie betäubt oder sterben daran. Praktische Anwendungen 1. Walther

gegen

Fliegen

K A U E R hat in einem sehr empfehlenswerten Roman auf eine Verwendung von getrocknetem Fliegenpilz hingewiesen: „Kein Terzo-

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Vom „Floigntod" durch den Fliegenpilz

Dort, wo Fliegenpilze vorkommen, findet man häufig Herrenpilze und Pfifferlinge. Sie stehen in einem symbiotischen Zusammenhang, weshalb man den Fliegenpilz nicht zerstören soll. ner Bauer, mit Ausnahme von Rocco Canonica, rührte Pilze auch nur an, geschweige, daß er davon gegessen hätte. Pilze galten als Ausgeburten der Hölle, als Wesen, die sich von giftigen Erdreich ernährten, von Abfall und Verwesung. Klagten die Bauern aber über die Fliegenplage in ihren Häusern und Ställen, dann brachte ihnen Rocco ein leinenes Säcklein, das sie in der Stube oder im Stall aufhängen sollten - binnen Kürze würde keine Fliege mehr leben. In diesen Säcklein war nichts anderes als von Rocco gesammelter und getrockneter Fliegenpilz." 2. Zerschnittene Stücke wurden häufig in Milch, Wasser, H o n i g - oder Zuckerwasser eingeweicht. D i e Giftstoffe entweichen in die Flüssigkeit. Saugen die Fliegen u n d andere Insekten daran, d a n n sterben sie binnen kurzer Zeit. D i e Giftstoffe sind fettlöslich, d.h., sie gehen leicht in das Milchfett über u n d k o m m e n so besser zur Wirkung. (Deshalb ist auch der Rat, bei Pilzvergiftungen Milch einzuflößen, höchst umstritten.)

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I Pilze, Flechten und Farne

Im heutigen Tschechien wurden kleingeschnittene Würfel in gezuckerter Milch angesetzt. Solche mit Milch gefüllte, flache Schüsseln stellt man in der Stube oder im Stall in besonderer Lage auf. Sie müssen vor dem Zugriff durch Kinder, Katzen und Vögel geschützt sein. Wenn etwa Katzen davon tranken, haben sie erbrochen und waren für mehrere Stunden berauscht. Die Hühner, die vom Erbrochenen gefressen hatten, torkelten über den Hof. 3. Und zum „Floigntod", wie der Schwamm in der Region Attergau genannt wird, bemerkt der bekannte Pilzkundler Erich Wilhelm RlCEK (1981): „Der Pilz wird zum Vernichten der Stubenfliegen verwendet. Dazu wird die Oberseite mit Milch bestrichen. Naschen die Insekten davon, so gehen sie zugrunde." Vermutlich bestreicht man den Hut mehrmals mit Milch, damit der Wirkstoff sicher aus der Haut hervortritt.

Frühere Vertuendungen in Ernährung und

Heilkunde

Der Pilz riecht eigenartig und brennt auf der Zunge. Das weiße Fleisch ist beinahe geruchlos. Manche Pilzkundige meinen, man könne alle Pilze als Nahrungsmittel verwenden. Man müsse nur wissen, wie man sie richtig zubereitet. Das stimmt aber nur bedingt. „Fliegenpilze einfach durch Abziehen der roten Oberhaut, in der wohl das meiste, bei weitem aber nicht alles Muscarin konzentriert ist, unschädlich machen zu können" (CERNOHORSKY/ MACHURA, 1948) und dann das übrigbleibende Fleisch gut abzubrühen, wäre durchaus eine Möglichkeit. Aber es ist größte Vorsicht geboten, denn jede Gegend hat andere Giftgehalte in den Pilzen. Nach mündlichen Mitteilungen aus dem Waldviertel und der Gegend um Mistelbach ist die Verwendung während der Kriegs- und Nachkriegsjahre für Nahrungszwecke bekannt. Früher wurden verschiedene Fliegenpilzbereitungen von Ärzten gegen allerlei Geschwüre, Drüsengeschwülste, Schwindsucht und bei Nervenkrankheiten angewendet. Dabei verwendete man den unteren Teil des Pilzstrunks und machte daraus nach der Trocknung ein Pulver und dann eine Tinktur.

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Vom „Floigntod" durch den Fliegenpilz I

Verwendungen als Rauschmittel Manche Völker verstehen es, aus dem Fliegenpilz ein berauschendes Getränk zu brauen. CERNOHORSKY/MACHURA (1948) weisen darauf hin, daß „der Fliegenpilz in Nordosteuropa als eine Art Berauschungsmittel und wohl auch als Speise Verwendung findet". Das Muscarin im Fliegenpilz ist ein Berauschungsstoff, der die Synapsen des Nervensystems blockiert und auf den Kreislauf einwirkt und der „sogar im Urin der Genießer seine Wirkung nicht einbüßt" (SIMONIS, 1981:83). Die sogenannte „Ibotensäure" verliert auch bei mehrmaligen Durchläufen durch den Körper nicht an halluzinogener Wirkung. „Die Kirgisen trinken solchen Urin von Fliegenpilzgenießern und setzen damit zuweilen ganze Dorfgemeinschaften in den Rauschzustand." Diese im Harn umgewandelte Säure ist aber weniger toxisch als die Giftstoffe direkt im Pilz (vgl. dazu SCHMID/HELFER, 1995). Für den Winter wurde getrockneter Fliegenpilz gehortet und in einigen Regionen als Kulturgut gehandelt. Die Verwendung des Fliegenpilzes als Droge diente den halbnomadischen Völkern dazu, die strengen Winter leichter zu überstehen. Alkohol, das Rauschmittel Nummer eins unserer Zeit, dürfte erst mit der Seßhaftwerdung im großen Ausmaß hergestellt worden sein.

Anwendung in der Heilkunde In bestimmten Mengen eingenommen, sollen einige Giftpilze die Fähigkeit haben, bei Parkinson-Krankheit oder Epilepsie das Gewebe zu regenerieren (vgl. SIMONIS, 1981). In der Homöopathie verwenden Arzte neuerdings wieder Präparate des Fliegenpilzes bei Krämpfen, Epilepsie, Erfrierungen, speziellen Hauterkrankungen, Nasenbluten bei alten Leuten, Zahnschmerzen, Hüftschmerzen und bei Lähmungserscheinungen infolge der Erweichung des Rückenmarks. Verschiedene Rauschmittel wurden eingenommen, da sie in schwierigen Situationen, wie bei Knochenbrüchen, Krankheiten oder Kummer, vor allem die Schmerzen zu lindern halfen. Heute erzielt man dieselben Wirkungen mit synthetisch erzeugten Produkten, die allerdings nicht mehr von den Menschen selbst hergestellt werden können.

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I Pilze, Flechten und Farne

Flechten - eine Symbiose aus Algen und Pilzen -fanden als Futter-, Nahrungs- und Heilmittel Verwendung. Als Beispiel ist das sog. „Isländische Moos" angeführt.

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„Graupen" oder das Isländische M o o s

I

Die „Graupen" oder das Isländische Moos Heute beziehen wir unsere Heilmittel in der Regel vom Apotheker. Früher war die Landschaft die Apotheke der Menschen. Man versorgte sich ständig und vorausschauend mit Medizin - im Winter mit einer anderen als im Sommer. Es sei hier exemplarisch das Isländische Moos angeführt, welches früher auch eine Bedeutung für die Ernährung von Mensch und Tier hatte. Was heute als Notfutter oder Notnahrung bezeichnet wird, hat einen ärmlichen Beigeschmack. Früher aber war es ein wichtiger Bestandteil der Ernährungskultur.

Beschreibung der Flechte Das etwa zehn bis zwölf cm hohe „Isländische Moos" (Cetraria islándica) ist eigentlich eine Blatt- oder Laubflechte. Sie war früher eine wichtige Kulturpflanze. Die Oberseite ihrer Lappen ist von einem dunklen Olivgrün bis Grün-Braun. Die Farbe wechselt je nach Standort. An der Unterseite haben die Lappen eine grau-weiße bis weißlich-hellbraune und oft auch grüne Färbung. Sie fühlen sich ledrig an, und ihre Zipfel sind geweihähnlich eingebogen und am Rand fein bewimpert. Ihr Name rührt daher, daß sie in Island weit verbreitet ist und eine große kulturgeschichtliche Bedeutung hatte. Die Einheimischen nennen sie dort „Fjallagrös", was soviel wie „Berggras"bedeutet.

Bei uns nennt man

sie „Graupen", da sie ein knorpeliges, gabelig verdrehtes Aussehen hat. Sie ist auch als Alm-

oder Ahngraupe,

Blutlungenmoos,

Felsengras,

Geißtrauben, Heideflechte, Raspel oder Rispel, Hirschhornflechte, Fiebermoos, Tratschen- oder Tartschenflechte oder Lungenflechte (GABRIEL/KELLERMANN et al., 1978: 92) und in der Schweiz als Masigge, Matzegge und Strübli bekannt. Die regionalen Bezeichnungen verweisen auf die alten Gebrauchszusammenhänge.

Vorkommen des Isländischen Mooses Das Moos kommt oberhalb der Waldgrenze auf anspruchslosen Hochgebirgslagen des Kristallingesteins vor und ist über die ganze nördliche kalte und gemäßigte Zone verbreitet. Es findet sich auch in tief gelegenen, lichten und trockenen Nadelwäldern, auf Böden mit darunter lie-

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I Pilze, Flechten und Farne

gendem sauren Gestein, auf denen trockene Mager- u n d Zwergstrauchweiden in kühleren Klimaten gedeihen. Es wächst auch dort, wo sich Streuauflagen natürlich oder infolge der Weidewirtschaft gebildet haben.

Der Weidegang als eine gärtnerische

Sammelnutzung

Bei Rindern, Schafen oder Ziegen kann man beobachten, daß sie manchmal verschiedene Flechten von den Bäumen abfressen. Vor allem in Schafkoppeln kann man die im unteren Teil .abgegrasten' Baumstämme gut erkennen. Die Tiere holen sich auf diese Weise wichtige Mineralstoffe, denn bei natürlicher Haltung müssen sie ihre ,Medizin' selber erweiden. Die Beobachtung des Freßverhaltens u n d der bevorzugten Futterarten war die Wissensbasis für die Zufütterung, für medizinale Verabreichungen, die winterliche Stallfütterung u n d für die Bewirtschaftung der Weiden. W i r gingen mit unserer Viehherde gerade während starker Tau- oder Regentage oder kurz danach über die mit Flechten bewachsenen Zwergstrauchweiden oder in ansonsten trockene Fichtenwälder, da die Flechten an solchen Tagen stark aufgequollen u n d somit leichter freßbar waren. W i r m u ß t e n das Vieh auf diese Weiden führen, da die Beweidung der steilen Hänge an Regentagen zu gefährlich war. Das Risiko wollten wir nicht eingehen. Erst nach mehreren Wochen Regen u n d Schneefall verstanden wir, daß die Rinder sehr wohl zwischen den Zwergsträuchern etwas zum Fressen fanden. An trockenen Tagen hingegen sind die Flechten sehr starr u n d sperrig. D a n n werden sie von den Rindern nicht angerührt. Werden sie feucht, dann saugen sie sich voll u n d werden zu bandförmigen oder blättrigen Lappen. Sie sind dann für das Vieh leicht verzehrbar. Solches Wissen schaffte Wahlmöglichkeiten beim Abweiden u n d hatte daneben noch den Effekt, daß diesen Weiden über den D u n g der Tiere wieder organische Nährstoffe zugeführt wurden. Gleichzeitig werden die sprödstengeligen Zwergsträucher etwas zerstampft, u n d es entstehen durch offene Trittstellen neue Keimstellen. Dies wurde in den nächsten Jahren vor allem durch das verstärkte Auftreten von Arnikapflanzen erkennbar. Adolf TRIENTL (1863) bemerkt dazu: „Die isländische Flechte kann uns sehr willkommen sein, weil sie für das

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„Graupen" oder das Isländische Moos

I

Vieh ein vortreffliches Futter und nach geeigneter Behandlung sogar Nahrung für den Menschen liefert. Ob nicht auch andere Flechten, besonders die nicht so seltene Rentierflechte nach richtiger Behandlung ein brauchbares Futter gäbe, darüber müßten Versuche entscheiden." Darüber hinaus fuhrt er ein wesentliches Prinzip der Nährstoffökonomie an: „Die abgeräumten Flechten geben Dünger." TRIENTL führt auch die „ Vertilgung" dieser Flechten durch Maßnahmen zur Weideverbesserung an, da er auch schon die Vorstellung eines minderwertigen Futters propagierte. TRIENTL hatte übersehen, was aus alpinen Sagen aus dem Kanton St. Gallen oder dem Otztal hervorgeht, daß nämlich der „Milchreichtum" auf bestimmten Almen u.a. dem Frauenmantel (Alchemilla vulgaris), den Wegericharten (Plantago montana und alpina), dem Alpenrispengras (Poa alpina), der Mutterwurz (Ligusticum muttelina), den Rentierflechten {Cladonia-Arten) und auch dem Isländischen Moos zu verdanken war. Versuche, in dieser Höhe die Weiden zu verbessern, gehen in der Regel daneben.

Flechten als Winterweide

der Lappen

In den polnahen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, Kanadas und Skandinaviens ist das Isländische Moos neben den Rentierflechten (Gattung Cladonia) bis heute die wichtigste Futterbasis für die Rentiere oder Caribous. Sie war dort auch für die Menschen im Winter ein kräftigendes und appetitanregendes Nahrungsmittel; man kann sie das ganze Jahr über sammeln. Wenn man die lange Entwicklungszeit von über 100 Jahren bedenkt, die die Flechten entsprechend der extremen Standortsbedingungen zum Auswachsen benötigen, erscheint die seit 100 Jahren erfolgende staatlich geregelte Seßhaftmachung der Lappen in Skandinavien als paradox. Sie brauchen vor allem im Winter weite Streifräume, um genügend Futter zu finden und um über die Jahre immer wieder zu neuen Flechtenweiden zu gelangen, ehe die alten Weidegebiete wieder mit Flechten bewachsen sind. Die Abweidung der Flechten kann nur als weitläufige „Sammelnutzung" erfolgen, bei der in Form von vielen „Tagesreisen" erst nach mehreren Jahren wieder ein Ertrag eingeholt werden kann. Die Grenzziehung zwischen den nordeuropäischen Staaten und die Abdrängung der Lappen in Reservate

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I Pilze, Flechten und Farne

sowie die Schaffung von festen Siedlungen zerstören letztlich die Lebensbasis dieses Volkes. Der Lappe Johan TURI (19[12]93: 60f.) betonte bereits vor 100 Jahren die Bedeutung der Flechten als alleinige Futterbasis des Winters: „Aber wenn nur die Rentierflechten gut sind, dann bekommt das Rentier doch Nahrung, und selbst wenn da Eis auf dem Boden ist. Und das Rentier weiß auch schon im Herbst, wo Weide wird, es strebt im Herbst dorthin, wo es weiß, daß da ein guter Boden ist, und wenn die Leute im Herbst die Rentiere laufen lassen, werden sie schon dahin Im Herbstlagerplatz werden wichtige Vorbereitungen für den Winter getroffen.

Wanderung zur Winterzeit: gerade im Winter ist man auf die Flechten angewiesen, da es von jeher im nördlichen Skandinavien keine Heubevorratung gibt.

Es wird von Lager zu Winterlagergezogen und so über diese „ Reisen " der Weideertrag eingesammelt. Eine andere Form der Landbewirtschaftung ist in Lappland nicht möglich.

(Abb. aus: Johan Turi, 1993)

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„Graupen" oder das Isländische Moos

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gehen, wo Nahrung ist; und diese leben; die aber, die man bewacht, die hungern, die werden entkräftet und fangen schon im Herbst an, ermattet zu werden, (...) und sterben." TuRIs Prophezeiung, daß die Rentier-Wirtschaft dem Untergang geweiht sei, erfüllt sich immer mehr, da die Herden nicht mehr über das weite Land ziehen können. Die alpine Sammelnutzung fiir Futter und

Tierheilkunde

In Südtirol sammelten im vorigen Jahrhundert noch Kleinlandwirtschaft betreibende Arbeiter und Handwerker die Flechten von den Nadelbäumen zur Verwendung als Futtermittel. Diese waren auf den Bäumen gut „konserviert" und konnten vor allem im Winter je nach Bedarf von den Bäumen genommen werden. Erst die Verbannung der Landwirtschaft aus dem Wald und das strenge Verbot von Sammelnutzungen unterbanden die „Sammelkultur" dieser Leute. Das Islandmoos hat einen sehr hohen Gehalt an Stärke (50%). Bis vor wenigen Jahrzehnten gaben deshalb die Sennerinnen auf österreichischen Almen den Schweinen abgekochte Flechten dem Futter bei. Diese Flechten wurden deshalb in den Niederen Tauern auch als „Saugraupen" bezeichnet. Im Sommer sammelte man sie auf Almen von Hand oder erntete sie mit schmalen Holzrechen ab und steckte sie in alte Leinensäcke. Wenn die Graupen etwas aufgequollen sind, kann man sie leichter sammeln. Man muß dann aber die Stoffsäcke zur Trocknung aufhängen und dem Windzug unter dem Dach aussetzen. Sie sind sehr gut lagerfähig. Im Winter wurden sie gekocht und verfüttert. Noch in den Nachkriegsjahren wurde das Isländische Moos für die Rinder, Schafe, Ziegen, Esel und Schweine gesammelt und als mineralstoffreicher „Trank" im Winter aufbereitet. Indem das ,Moos' mit Wasser aufgequollen oder lauwarm angesetzt wird, bekommt es eine schleimige Konsistenz. Manchmal schüttete man nach dem Sieben der Flechten die Flüssigkeit weg. Es sind dann immer noch Bitterstoffe enthalten, aber die aufgequollenen Flechten sind erträglicher im Geschmack. FEIGE/KREMER (1979: 50) weisen auf eine einfache Möglichkeit hin, die Bitterstoffe zu entziehen: „Hierfür eignet sich beispielsweise eine Behandlung von Isländischem Moos mit einer Sodalösung, die die Flechtensäuren als Natriumsalze aus dem Thallus herauslöst.

221

I Pilze, Flechten und Farne

Nach einer solchen alkalischen Extraktion sind die Flechten zwar immer noch nicht völlig bitterstofffrei, als Zusatzfutter fiir einige Haustiere jedoch eher verwendbar als frisch eingetragene Flechten." In den österreichischen Regionen konnte allerdings noch nicht herausgefunden werden, ob zur Aufbereitung Soda verwendet wurde. Lungenkranken Tieren verabreichte man eine Handvoll aufgequollenes Isländisches Moos direkt in den Schlund als Heil- und Mineralfutter zur Lösung des Lungenschleims. Dann muß aber genügend Wasser nachgeschüttet werden, sonst spucken die Rinder das Moos wieder aus. Flößt man den vorher gut zerkleinerten und lang angesetzten Absud von dieser Flechte mit einer langhalsigen Sektflasche ein, so wirkt er aufgrund seiner Bitterstoffe abführend. Durch den hohen Anteil von Schleimstoffen wirkt der erneut kurz angesetzte Absud bei extremen und schleimhautschädigenden Durchfällen beruhigend, vor allem, wenn man etwas Leinsamen beimengt.

Das Isländische Moos als Nahrungsmittel Die Leute verstanden es, mit allerlei Kochtricks der kohlehydrathaltigen Flechte die Bitterstoffe zu entziehen. Will man sie als Nahrung verwenden, dann muß die Flechte etwa 20 Stunden lang eingeweicht werden, ehe man sie ein- bis zweimal aufkocht. Die Entbitterung gelingt auch durch das zweimalige Abkochen ohne vorheriges Einweichen. Es wurde dann mindestens einmal der Absud weggeschüttet, ehe das Gekochte mit anderen Beigaben geschmacklich verfeinert oder angereichert wurde. Für eine sogenannte „Moossuppe" kochte man den zweiten Absud der Flechte mit Milch und verfeinerte sie mit Wein oder verschiedenen Gewürzen. Sie schmeckt ein wenig wie eine Pilzsuppe. Man kann auch etwas Grieß oder eine Einbrenn (Mehlschwitze), getrocknete Pilze, Pilzpulver und Kräuter zum Würzen beigeben, ehe man sie mit etwas Salz abschmeckt. Das Isländische Moos kann nach dem Teeabsieben auch gegessen werden. Vermutlich wurden gewisse Lebensmittel, die die Menschen einst gegessen hatten, später den Schweinen und anderen Nutztieren verabreicht. Die Flechte gilt heute deshalb für einige Leuten als minderwertiges „Notfutter" oder „Notnahrung". Und doch griff man früher, wenn sich im Winter nach einem Föhn schneefreie Lagen ergaben und

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„Graupen" oder das Isländische Moos

I

wenn im beginnenden Frühjahr die Futter- und Nahrungsvorräte zur Neige gingen, auf die Sammlung von Flechten zurück.

Die Nutzung der Flechte zur Konservierung von Brot Besonders in den nordeuropäischen Regionen und im Alpenraum wurden die Flechten in die menschliche Nahrung einbezogen. Flechten des Isländischen Mooses wurden durch längeres Einweichen in einer wahrscheinlich schwachen Sodalösung oder in Kalkwasser (TRIENTL, 1870) zur Entfernung der meisten Bitterstoffe vorbehandelt, dann getrocknet und zermahlen. Bis zu Anteilen von 50% wurde das Gemahlene dem Roggenmehl zum Brotbacken beigemischt. Ein solches Brot „erwies sich als außerordentlich lagerungsfähig, da die natürlich nicht vollständig extrahierten Flechtensäuren aufgrund ihrer antibiotischen Wirksamkeit das Wachstum unerwünschter Schimmelpilze verhinderten und damit ein allzu rasches Verderben des Brotes ausblieb. Dieser Effekt war auch für ähnlich hergestellten Schiffszwieback, den man auf längere Seereisen mitzunehmen gedachte, durchaus von großer Bedeutung. Für diese Zwecke wurden überwiegend die Arten Cladonia rangiferina, Cladonia alpestris (Rentierflechten), Cetraria islandica (Isländisches Moos) und Umbilicaria pustulata (Nabelflechte; oder japan. .Felsenpilz') gesammelt und verwendet" (FEIGE/KREMER, 1979: 51). Da die Flechte sehr viel Moosstärke (sogenanntes Lichenin) und auch Fett besitzt, vermute ich, daß ausschließlich aus ihr, also ohne Getreide, Brot gemacht wurde. Laut Hugo HERTWIG (1938) genoß man in Island die Isländische Flechte in Milch, verbackte sie mit dem Mehl zu einem bitteren, nahrhaften Brot und setzte sie Grützen zu. Auch das biblische „Manna-Brot" dürfte vermutlich eine süß schmeckende Flechte (Lecanora esculenta = Mannaflechte) gewesen sein, welche in der Steppe und Wüste vom W i n d zu den hungernden Menschen geweht wurde und ohne Vorbehandlung verzehrbar war. In der Literatur werden andere Flechten beschrieben, deren aufbereiteter Traubenzucker als Gärsubstrat zur Alkoholherstellung diente. Im letzten Jahrhundert soll z.B. die eigentliche Lungenflechte (Lobaria pulmonaria) wegen der enthaltenen Bitterstoffe in sibirischen Klöstern als Hopfenersatz zur Bierbereitung Verwendung gefunden haben. Die Isländer verstanden es, scharfe Schnäpse aus den ledernen Flechten zu

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I Pilze, Flechten und Farne

erzeugen. Und einige von diesen dienten nach einer aufwendigen Vorbehandlung, z.B. mit Urin, als Farbstofflieferanten oder als aufbereitete Essenzen für Parfüme (FEIGE/KREMER 1 9 7 9 : 53ff.). Die Vielfalt der

Heilanwendungen

In den 20er Jahren entdeckte man auch die antibiotische Wirkung der Flechten gegenüber Bakterien und Pilze wieder (wie sie anhand der Konservierung von Brot beschrieben wurde). Die leicht jodhaltige IslandFlechte wird heute hauptsächlich bei Erkrankungen der Atemwege als schleimlösendes Bronchial- und reizlinderndes Hustenmittel gebraucht. In der Volksmedizin kommt sie als „Kramperltee oder Brusttee" bei Keuchhusten und Heiserkeit heute noch gelegentlich zur Anwendung. Wenn die Flechte ohne Lichteinfluß und unter festem Verschluß gelagert wird, behält sie sehr lange ihre Heilkräfte. Man kann auch verschiedene Tees zubereiten, je nachdem welche Wirkung man erzielen will. Im Regelfall wird die Flechte zweimal gekocht, denn der erste Absud ist bitter und der zweite schleimstoffreich. Damit der Tee der „Lungenflechte" (Cetraria islandica) nicht zu bitter wird, muß man ihn entweder kalt ansetzen und nur ganz kurz (eine Minute) kochen lassen, das erste Wasser wegschütten und erst den zweiten oder dritten lauwarmen Aufguß einnehmen, der noch ausreichend Schleim- und Wirkstoffe enthält. Von den Bitterstoffen befreit, ist dieser Tee ein ausgezeichnetes Diätikum. Außerdem enthält er wichtige Enzyme und Vitamine. Förderlich ist ein purer Tee auch zur besseren Milchabsonderung bei stillenden Frauen. Zur Milchentwicklung bei schwangeren Frauen wurde eine Grütze aus der Flechte bereitet. Eine andere Zubereitungsart ist folgende: Man gibt auf eine große Tasse einen Teelöffel Flechte und setzt diesen ein bis zwei Stunden kalt an. Dann wird er abgesiebt, auf Trinktemperatur erwärmt und zwei bis dreimal täglich getrunken. Manche Heilkundige schwören auf die besondere Wirkung am Morgen, da dieser Tee den Nachtschleim löst. Ulrich RODT (1980: 46) meint dazu: „In zahlreichen Hustenarzneimitteln ist die Droge wegen ihrer auswurffordernden und hustenreizmildernden Wirkung enthalten (z.B. Isländisch-Moos-Lutschpastillen). Der isolierte Bitterstoff wirkt leicht tuberkulostatisch, weswegen Isländisch Moos eine gewisse Bedeutung in der Behandlung der Lungentuberkulose hat."

224

„Graupen" oder das Isländische M o o s

I

Weil die Leute diese Zubereitung heute nicht mehr kennen, wird der Tee als etwas Altertümliches betrachtet. Solche Tees werden gerade wegen ihres Gehaltes an Flechtensäuren auch als Bittermittel zur Anregung des Appetits, zur Verdauungsförderung und zur Vermehrung der weißen und roten Blutkörperchen angewendet. Im Wechsel der Übergangszeiten und in den Wintermonaten ist der Tee ein wirkungsvolles Vorbeugungsmittel gegen Erkältungskrankheiten und Skorbut. Er stärkt die Abwehrkräfte, weswegen er fein zerbröselt in ganz geringen Mengen in Kräuterteemischungen nicht fehlen sollte. Denn es ist leichter, Krankheiten vorzubeugen, als sie zu heilen! Für die Teebereitung „kann man Isländisches Moos mit anderen auswurffördernden Tees mischen, wie Sonnentau, Fenchel, Eibisch, Thymian, Salbei, Huflattich, Süßholz und Spitzwegerich", schreibt Berthold WLTHALM (1955). Dieser gemischte ,Brusttee' wird bei langwierigen Katarrhen, chronischer Bronchitis und leichtem Asthma zur Absonderung des Schleims in den oberen Atmungsorganen empfohlen, und der Tee soll nach schnellem Abseihen schluckweise und möglichst warm und regelmäßig getrunken werden. Man kann auch noch Schlüsselblume, Königskerze, Lungenkraut, Holunderblüten oder Mistel beimischen. Die IslandFlechte wird auch bei separaten Mischungen gegen Kehlkopfkatarrh, Lungenleiden, Lungengeschwüre oder Darmtuberkulose angeführt.

Ein Flechtensirup nach Doras Art Das Isländische Moos kann man auch für einen Sirup verwenden, der bei Hals- und Lungenentzündung angewendet wird. In einem Liter Wasser werden zwei Handvoll Graupen gekocht. Der erste Absud kann wegen des hohen Bitterstoffgehalts nach kurzer Zeit weggeschüttet werden. Beim zweiten Aufkochen wird immer wieder Wasser zugegeben. „An heißes Wasser gibt die Droge über die Hälfte ihrer Trockensubstanz ab und bildet einen bitteren Schleim" ( GABRIEL/KELLERMANN et al„ 1978: 93). Es werden dann die Flechten abgesiebt, und sie können verfüttert werden, da sie wertvolle Stärke enthalten. Danach wird etwa ein halbes Kilogramm Kandis- oder Rohrzucker in die Flüssigkeit zugegeben und einige Stunden auf kleiner Flamme gekocht, bis ein dickflüssiger, geleeartiger, brauner Sirupsaft entsteht, den man in Flaschen abfüllt. Eine

225

I Pilze, Flechten und Farne

Frau im Mölltal, Dora SEMLER, stellt den Sirup einen Tag in den Keller, ehe sie ihn noch einmal etwa eine Stunde lang aufkocht. Bei Erkrankungen der Atemwege und Bronchien nimmt man diesen süß-bitteren Saft löffelweise ein. Er enthält kohlehydrathaltige Schleimstoffe und Bitterstoffe (Cetrarsäure). Man kann ihn auch verdünnt regelmäßig zu sich nehmen. Zudem kann in der Abkühlungsphase auch Honig zum Eindicken untergerührt und aufgelöst werden, ehe man den Saft in Gläser abfüllt. Der Sirup soll reizmildernd und kräftigend auf die Schleimhäute der Atmungsorgane und des Darms wirken. Vor allem die Schleimstoffe des Isländischen Mooses kommen gleichzeitig bei gereizten und geschwächten Schleimhäuten im Magen, Darm, in Harnblase und bei Harnwegsbeschwerden, beim Brennen in der Luftröhre und in der Lunge zur Wirkung. Bei Magenübersäuerung und zur Förderung der Magensaftsekretion werden Islandmoos-Aufbereitungen ungesüßt angewandt.

Isländisches Moos in kandierter Form Man kann Isländisches Moos auch in kandierter Form zubereiten. Dazu schüttet man nach einstündigem Kochen den ersten Absud weg. Dann läßt man noch einmal die Flechte kurz aufkochen, siebt die Flechten heraus, gibt Zitronensaft und Vanille- und Ingwerpulver hinzu und süßt den Sirup je nach Geschmack zum Eindicken, ehe man ihn in einer flachen Glasschüssel oder auf einer Platte (nicht aus Metall) zum Trocknen auseinanderstreicht. Man kann auch andere Gewürze, wie z.B. Thymian, wilden Origanum oder etwas Minze und Melisse, verwenden, die man fein pulverisiert beim letzten Aufkochen beigibt. Werden sie in grober Form verwendet, filtert man sie danach wieder ab. Zur Trocknung bei ganz geringer Hitze eignet sich das Backrohr oder der Kachelofen. Wenn die Schleimstoffe einen schützenden Film über die Reizstellen bilden sollen, dann verwendet man am besten einen Kaltauszug der Flechte. Auch bei schlecht heilenden Wunden, bei starker Eiterung und bei Akne wurde früher ein .Pflaster' aus aufgeweichter Flechte aufgelegt oder ein Verband bzw. Umschlag gemacht, der mit der schleimenden Flüssigkeit getränkt wurde. H E R T W I G empfiehlt Islandmoos als Mittel bei Blutarmut oder Bleichsucht, bei Erschöpfung und Abmagerung sowie für Genesende.

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„Graupen" oder das Isländische M o o s

I

Bei Blutauszehrung und Menstruationsstörungen erwähnt HERTW1G (1938) neben Eiche, Baldrian, Melisse, Arnika, Bitterklee und Bärlappsamen auch das Isländische Moos. „Im 16. Jahrhundert war das Isländische Moos ein Hausmittel bei Abmagerung, chronischer Diarrhöe und allen Schwächen der Schleimhäute." Diese Flechte wurde auch bei Brechreiz, bei Schwindsucht, in Verbindung mit Wermut bei Migräne und gemeinsam mit Meeresalgen gegen Epilepsie eingesetzt. In verschiedenen Büchern wird Isländisches Moos vermutlich wegen seines Jodgehalts für den Rückgang von Kropf empfohlen. Bei stärkeren fieberartigen Zuständen, Lungen- und Brustfellentzündungen und Blutungen im Lungenbereich soll sie vermieden werden. Flechten ab Indikatoren für die

Umweltverschmutzung

Einst sammelte man die Graupen entlang der Großglockner-Hochalpenstraße zur Schweinefütterung und für heilkundliche Zwecke. Dadurch konnte man jedes Jahr sehen, wie groß der Bestand war. Verschiedene Bauern erzählen aber, daß seit dem massiven Ausbau der Hochalpenstraße und dem hohen Verkehrsaufkommen die Flechten stark zurückgegangen und heute beinahe verschwunden seien. Die Flechten sind bekannt für ihre hohe Empfindlichkeit für Schadstoffe und dienen als Anzeiger für Umweltschäden. Das Vergessen des Isländischen Mooses steht symbolisch fiir unseren ignoranten Umgang mit dem „lebensvermittelnden" Angebot der Natur und mit dem Wissen unserer Vorfahren. Die Natur schenkt so viel, daß wir nur zu ernten brauchen. Die vielbeschworene „Knappheit an Mitteln zum Leben " ist nur eine Illusion, die uns das Leben schwermacht.

227

I Pilze, Flechten und Farne

Vom Nutzen der Farne Farngewächse scheinen heute keine Bedeutung mehr zu haben, wiewohl sie einst als Heilmittel für Mensch und Tier, als Mittel zur Entwurmung, gegen Läuse und Ungeziefer in Haus und Garten, zum Miststrecken oder als spezielle Düngerasche für Erdäpfel genutzt wurden und im Obstbau, zum Dachdecken, als Wandisolation, ja, sogar als Speisemittel Verwendung fanden. Die vielen mythologischen Auslegungen seit dem Mittelalter haben die meisten Verwendungsmöglichkeiten vergessen lassen. Wer Umgang mit dem „Hexenkraut" hatte, galt als abergläubisch oder war im Bunde mit dem Satan. Wurde während der Hexenverfolgung nur ein Körnchen der Farnsporen gefunden, war dies ein Grund, solche Menschen dem Inquisitor vorzuführen und auf das Schafott zu bringen. Mit der Industrialisierung und der synthetischen Herstellung von künstlichen Ersatzmitteln verschwand das letzte Wissen über den volksmedizinischen Gebrauch.

Alle paar Jahre wird von dieser Weide in Graubünden/Schweiz ein Viertel der Fläche von Farn freigemacht. Dies bringt eine Aufwertung der Weide und Farnware für verschiedene Verwendungsmöglichkeiten.

228

Farne I

Der Farn wedel gegen Rheuma und Gicht Getrocknete „Farnblätter" von verschiedenen Arten wurden in Kissen oder Stoffsäckchen gefüllt und dienten als schmerzlindernde Mittel bei Rheumatismus, Kopfschmerzen und Nervenleiden, Gicht oder Hexenschuß und zur Abwehr von Läusen. Zu diesem Zweck wurde der Farn in das Bett oder in die Matratzenfüllung gegeben. Bettlägerige Kranke bekamen Auflagen auf die schmerzenden Stellen. Nicht entrollte Farnwedel haben eine intensivere Wirkung und wurden z.B. direkt um schmerzende Glieder oder Körperstellen gebunden. Dünner Farntee, in geringer Menge angesetzt, ist darm- und magenreinigend. Kim GlYEON (1994:125) erwähnt für Südkorea einen dem Königsfarn nahverwandten Farn: „Im Frühjahr gesammelte Blätter (Osmunda

japonica

Zhunb.), gekocht und dann getrocknet, dienen als Tee gegen Rheumatismus und als Blutgerinnungsmittel."

Der Wurmfarn Der Name „Wurmfarn" deutet an, daß diese Pflanze einst ein Mittel gegen Darmwürmer war. Der Wurmfarn (Dryopteris filix-mas)

wird auch als

Johanniswurz

bezeichnet, da die Wurzel am Johannistag (22.6.= Mittsommer; 24.6. = Johannes der Täufer) zu sammeln ist. Vermutlich half er dann besonders gut gegen Wurmparasiten. Weitere volksmündliche

Bezeichnungen

waren: Farm, Farmawurz'n, Fanara, Farra, Fasen, Faden, Faren, Federfaden, Flöhkraut, Fünffingerwurz, Hexenkraut,

Gichtkraut,

Hirschzehen,

Pfarma, Schabel, Schawel,

Glückshand, Maukenkraut, Schnakenkraut

gegen Mücken und Snakkenkraut Nattern, Teufelswisch, Wanzenkraut

gegen und

Wanzenwurz. Der Wurmfarn kommt in nährstoffreichen Laub- und Nadelwäldern vor und

229

I Pilze, Flechten und Farne

ist dort bis in die 50er Jahre für Einstreu genutzt worden. Er bevorzugt schattige Plätze; auf nordseitigen Almweiden tritt er gemeinsam mit der Heidelbeere auf. „die wurtzel treibt auß die breiten

würme"

Obiger Spruch stammt von Leonhart F U C H S ( 1 5 4 3 ) . Zur kräftigeren Wirkung empfiehlt er die Ergänzung durch schwarzen Nieswurz (Helleborus niger). Bei einer Entwurmungskur sollte man sehr behutsam vorgehen und nur unter ärztlicher Aufsicht geringe Mengen verwenden. Durch Fahrlässigkeit ist es einst zu vielen Vergiftungsfällen gekommen. Das Wurzelrhizom ist brauchbar, wenn es im Bruch grün ist. Mit fortschreitendem Alter wird es zimtfarben. Der Wurzelstock wurde früher im Herbst ausgegraben, wenn zur Überwinterung die meisten heilwirksamen und nährenden Substanzen enthalten waren. Nach der Reinigung wurde er bei etwa 35°C im Schatten getrocknet. Daraus stellte man jedes Jahr in geringen Mengen ein Pulver her, da es bei seiner Anwendung nicht älter als ein Jahr sein soll. Es wurde in Glasgefäßen luft- und lichtgeschützt gelagert. Das Pulver war vor allem ein Mittel gegen Bandwürmer. Bei der Anwendung mußte man unbedingt genau nach Rezept vorgehen. Die Empfehlungen bei der Dosierung sind in der Fachliteratur unterschiedlich, aber meist sehr gering bemessen (sieben bis vier Gramm). Das Pulver wurde in Wasser angesetzt und zwei Tage hintereinander auf kleine Dosen verteilt eingenommen. Am dritten Tag wurde ein kräftiges Abführmittel verabreicht und eine längere Pause gemacht, da sonst schädliche Wirkungen eintreten konnten. Der Darm mußte vollständig geleert werden, damit es nicht durch den längeren Verbleib zu Dauerschäden an der Leber oder am Sehnerv kam. Vergiftungen machten sich bemerkbar durch Benommenheit, Krämpfe, (Atem-Lähmungen), Durchfälle oder optische Störungen. Eine andere

Bandwurmkur

1 9 0 8 beschreiben O E R T E L / B A U E R eine andere Bandwurmkur: „Man beginnt damit am besten des Abends vorher mit einer sogenannten Vorkur, die aus einem gut gesalzenen Hering, feingeschnittenem Knob-

230

Farne

I

Farn gilt heute als Weideunkraut, weil für ihn keine Verwendung mehr vorgesehen ist. Anstelle von Stroh dient auch Farn als gesunde Einstreu. Der kaliumreiche Mist eignet sich optimal für die Erdäpfel (Kartoffel)-Düngung.

lauch und Zwiebel besteht." Man kann auch Heringssalat essen. Diese Maßnahmen erfolgen zwei Tage vor der eigentlichen Behandlung, sie sollen die Würmer schwächen. „Am anderen Morgen trinkt man dann zunächst eine Tasse starken, schwarzen Kaffee, gut gesüßt, und nimmt dann das Wurmmittel, nach weiteren 2,5 Stunden 1 Tasse Abführtee (aus Tausendguldenkraut, Faulbaum, Wermut, Sennesblätter = Cassia angustifolia) und wartet den Erfolg ab . . . " Das im Wurmfarn enthaltene Ol beinhaltet Nerven- und Muskelgifte, welche die Bandwürmer sofort vorübergehend lähmen.

Die

Schmarotzer trieb man danach mit einem starken Abführmittel ab. Die Exkremente mußten dann untersucht werden, um zu sehen, ob der K o p f mit dem Hakenkranz dabei war. Dieser mußte dann abgetötet werden, damit er sich nicht weiter vermehren konnte. Eine andere Möglichkeit ist folgende: Nach einer kurzen Fastenkur trinkt man ein wenig Wurzelstockpulver in Limonenblütenwasser angerührt.

Am

Abend und am Morgen führt man mit etwas Rizinusöl ab.

231

I Pilze, Flechten und Farne

Die jungen, 10 cm großen Triebe des Straußenfarns (Matteuccia struthiopteris) können in Essigwasser eingeweckt werden. Sie schmecken dann ähnlich wie Essiggurken.

232

Farne

Ausgewachsener Außerdem

Farn ist zähfaserig und lagert vor allem für uns Menschen

schmeckt er stark nach vermoderter

I

Giftstoffe ein.

Laubstreu.

233

I Pilze, Flechten und Farne

Weitere Anwendungen des Wurmfarns Eine weitere Anwendung beschreiben O E R T E L / B A U E R : „Ein sehr gutes Hilfsmittel bei Verbrennung ist der aus der Wurzel gepreßte Saft." Und wenn Kinder von Darmwürmern befallen waren, rührte man pulverisierten Wurmfarnwedel (ohne Sporen) mit Honig an und verabreichte täglich zwei Teelöffel, bis die Würmer im Kot sichtbar wurden. Erwachsenen wurde eine größere Menge verabreicht. Bei Trübung der Augen legte man die grünen Farnwedel auf die Augenhöhlen. Bei Lahmheit und Gichtigkeit wurden die grünen Wedel (im Juni) in großen Mengen für ein warmes Bad verwendet. Verdünnungen waren nicht so wirksam. Blätter helfen auch gegen Bettnässen und Rachitis bei Kindern. Eine Uberdosis von sporentragenden Farnwedeln kann zu Leberund Augenschäden führen. Deshalb ist die Ernte frühzeitig vor der Sporenausbildung durchzuführen. Bei schwangeren Frauen können Farnprodukte Fehlgeburten hervorrufen.

Farnsporen und Farnwedel in die Schuhe Sporen und frische Wedel legte man für lange Fußmärsche in die Schuhe. Das soll weniger Ermüdung aufkommen lassen. Die Sporen verwendete man zur Desinfektion von Wunden. Im Mittelalter wurden laut Hildegard von B I N G E N „Farnsamen" für verschiedene Zwecke verwendet: bei Vergeßlichkeit (Sporen in der Hand halten), bei Taubheit und Schwerhörigkeit (Sporen in ein Tuch geben und vorsichtig ins Ohr stopfen und eine Zeitlang belassen oder mit Farnheu gestopfte Schlafkissen) und bei Stummheit (Zungengicht; Sporen auf die Zunge legen).

Der Wurmfarngeist und -essig Gegen Gicht, Arthrosen, Hexenschuß, Neuralgie, Gelenksentzündungen oder Rheuma wurde mit einem Farngeist eingerieben. Dazu wurden frische, meist noch schneckenartig eingerollte Wedel in Alkohol oder Birnenobstler ein bis zwei Wochen lang angesetzt. Es wurden auch Wurzeln verwendet, die man drei bis fünf Tage darin ziehen ließ. In Holzapfelessig angesetzte Wurzeln sollen als Umschläge bei Durchblutungsstörungen helfen ( P O H L - S E N N H A U S E R , 1996). Johann

234

Farne

I

Wenn der Farn frühzeitig, also zwischen den Heuernten, gemäht, getrocknet und heimgefahren wird, eignet er sich besser als Vieheinstreu als bei der Herbstmahd, da er leichter zersetzt wird.

meint, Fußbäder von der Wurzel „ 8 bis 1 4 Tage lang angewendet, heilen die schwersten krampfartigen und gichtischen Leiden". Regelmäßige Farnbäder helfen gegen Rheuma und Krampfadern. K Ü N Z L E empfiehlt bei Kropferkrankungen das Einreiben mit dem Absud der in Essig gesottenen Farnwurzel oder Umschläge damit. Das hilft auch bei ,Brand' nach Erfrierungen an den Füßen, selbst wenn diese schon schwarz und blau angelaufen sind. Laut MESSFIGUFI unterstützt Farn auch die Vernarbung von Wunden und hat blutstillende Wirkung. KÜNZLE ( 1 9 1 3 )

Frauenfarn hat eine mildere Wirkung Der zierlichere Frauenfarn (Athyrium filix-femina) hat mildere Eigenschaften und ist nicht so riskant in der Anwendung und Dosierung wie der Wurmfarn. Er unterscheidet sich vom Wurmfarn durch seine feineren Teilblättchen und kantigen Seitenstengel. Wegen seiner Zartheit wurde er früher als Toilettenpapier' sehr geschätzt.

235

I Pilze, Flechten und Farne

Farne als

Nahrungsmittel

Bitter- u n d Giftstoffe werden erst nach einigen Wochen in den Farntrieben eingelagert. Sie dienen z u m Schutz vor Schädlingen. Deshalb gelten j u n g e Pflanzen allgemein als besser bekömmlich und gesundheitlich weniger bedenklich als ältere. Vorsicht ist allemal angesagt, der G e n u ß sollte nie einseitig sein oder übertrieben werden. In den Farntrieben sind z.B. Substanzen enthalten, die bei der A u f n a h m e in unseren Körper ein B-Vitamin umwandeln und einen Mangel daran erzeugen können.

Der

Straußenfarn

Im Frühjahr 1998 konnte ich in einem Seidelwinkler Auwald, einem Seitental des Rauristales, im Erlenwald die etwa 10 c m hohen Trieblinge des Straußenfarns (Matteuccia

struthiopteris)

ernten. D i e trichterförmig

abstehenden Wedel waren noch eingerollt und hatten kleine, leicht abstreifbare S c h u p p e n an ihren Trieben, die wie ein kleiner Bischofsstab aussehen. Ich wusch u n d blanchierte das S a m m e l g u t in Salzwasser u n d aß es als G e m ü s e b e i l a g e .

E s s c h m e c k t e ähnlich

wie

Broccoli.

SCHLOSSER et al. ( 1 9 9 1 ) verweisen auf die Verwendung des nahverwandten Matteuccia

pensylvanica

in Nordamerika, dessen j u n g e Wedel

ebenfalls als Frühjahrsspargel verzehrt wurden.

Der

Wurmfarn

Maurice MESSfiGUß weist darauf hin, daß in Norwegen u n d Schweden die im Frühjahr wachsenden und noch nicht ausgerollten Schößlinge des Wurmfarns a u f die gleiche Art wie Spargel zubereitet werden. D a s müßte aber noch überprüft werden, denn es gibt Sorten mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen. Bei einigen können Nebenwirkungen oder Vergiftungserscheinungen auftreten, andere können ohne weiteres als G e m ü s e verzehrt werden. J u n g e Wurmfarntriebe sind faseriger u n d meiner M e i n u n g nach für den Verzehr lediglich in Notsituationen heranzuziehen. B e i m sehr ähnlichen Frauenfarn hat das Wurzelrhizom eine geringere wurmabtreibende W i r k u n g , weshalb ich die Trieblinge für weniger bedenklich halte als die des Wurmfarns.

236

Farne

I

Der Adlerfarn Aus den ganz kleinen, wie ein Bischofsstab geformten Jungtrieben bereiteten die Menschen in Europa im Frühjahr eine Art Spargelgemüse zu. In Südkorea wird der Adlerfarn (Pteridium aquilinum var. latiusculum [Desv.]) nicht direkt kultiviert, aber es werden gute Ernteplätze gepflegt und von Gehölz freigehalten. „Die jungen Blätter mit noch eingerollten Spitzen werden im Frühjahr geerntet, in Wasser gekocht und entweder gleich gegessen oder an der Sonne getrocknet. Die getrockneten Blätter halten sich bis zur nächsten Ernte und werden vor dem Kochen in kaltem Wasser quellen gelassen. Die gekochten Blätter werden wie diejenigen von Osmunda geröstet und gewürzt. Bei Pteridium aquilinum ist es besonders wichtig, daß das Kochwasser weggeschüttet wird, da die Pflanze Giftstoffe (Pteridin, Blausäureglykoside etc.) enthält. Trotzdem ist der Adlerfarn eine der meist verwendeten Gemüsepflanzen, die regelmäßig auf den Markt kommt" (GIYEON, 1994:125). Im indischen Kerala war es allerdings vor etlichen Jahren zu Vergiftungstoten gekommen, da von der Pflanze Radioaktivität aufgenommen wurde. Dies war vermutlich auf die natürliche radioaktive Bodenstrahlung zurückzuführen.

Der Zimtfarn Für Nordamerika beschreibt JARV1S (1961:61) folgende Verwendung des Zimtfarns: „Von der hierzuland verbreiteten Art „cinnamon fern" (Zimtfarn) - werden die ganz jungen, eben aus dem Boden kommenden, wie die Schnecke einer Geige eingerollten Triebe gegessen, ehe sie sich aufrollen (...). Gekocht wie jedes andere Blattgemüse oder roh als Salat. Schmeckt wie Spargel."

Der Königsfarn Der Königsfarn (Osmunda regalis) hat seine Verbreitung in Bruch- und Moorwäldern und im Sumpfgebüsch. Er kommt in Europa relativ selten vor und meidet Kalkböden. Die jungen Blätter wurden laut DOSTAL (1984) als Kochgemüse verwendet. In Korea wird ein Nahverwandter des Königsfarns, Osmunda japonica (Zhunb.), als Nahrungs-

237

I Pilze, Flechten und Farne

Spät geernteter Adler-Farn diente zur längeren Aufbewahrung von Obst und für den Einsatz im Carten gegen Schnecken und später als Kartoffeldünger.

mittel verwendet, berichtet Kim GlYEON (1994:125): „Die jungen Blätter mit noch eingerollten Spitzen werden gekocht, geröstet und mit Salz und verschiedenen Gewürzen gegessen. Besonders wichtig auch für alle anderen Frühlingsgemüse ist die Zugabe von Sesamöl."

Der Adlerfarn zum Strecken des Brotmebles Der Adlerfarn hat eine vergleichsweise schwache Wirkung als Wurmmittel. Seinen Wurzelstock verarbeitete man ab Mai zu Brotstreckmehl. Er wurde gründlich gesäubert, getrocknet und anschließend gemahlen. Das Mehl wurde zum Strecken des Teiges dem Roggenmehl beigemischt. Bei Stärkeuntersuchungen der Winterwurzelstöcke wurde festgestellt, „daß 100 kg frische Kartoffeln durch 65 kg frische Adlerfarnwurzeln ersetzt werden können" (LlPPERT, 1953). Aus 100 kg frischen Wurzelstöcken konnte bis zu 25 kg trockenes Mehl erzeugt werden. Da die Farne auch als Entlausungsmittel eingesetzt werden können, liegt die Vermutung nahe, daß die Beigabe von „Farnwurzelmehl" nebenbei die Funktion hatte, mit dem Farnduft Vorratsschädlinge fernzuhalten.

238

Farne

I

Andrea Bremm beim Aufhängen der Farnblätter zum Trocknen für Farnkissen. Solche brauchte man bei Gicht und Rheuma zum Draufiiegen.

Farnwurzelbrei und Färbemittel Es ist bekannt, daß aus der Wurzel des Adlerfarns Brei zubereitet wurde. Bei den Maoris auf Neuseeland war die Wurzel wegen ihres hohen Stärkegehalts in Hungerzeiten ein Hauptnahrungsmittel. Die getrocknete Wurzel wird in Kombination mit anderen Pflanzen für verdauungsfördernde Heiltees verwendet. Auch sammelte man größere Mengen dieses Farns zur Färbung von Wolle. Man kochte dabei die ganze Pflanze mit und fixierte sie mit verschiedenen chemischen Mitteln.

Andere

Farne

als

Heilmittel

Die „Süßwurzel" wurde frisch

gekaut...

Der Tüpfelfarn oder Engelsüß (Polypodium vulgare) wurde in kalkarmen Laubwäldern in Felsenritzen, auf Moosfelsen und Mauern gesammelt.

239

I Pilze, Flechten und Farne Weil er zudem in den Astgabeln alter oder liegender Bäume vorkommt, heißt er auch „Baumfarn". Volle Sonneneinstrahlung ist seinem Gedeihen nicht zuträglich. Dieser Farn wurde auch als Adderledder (Schlangenleiter), Bärenzucker,

Großes Bittersüß, Home, Insüß,

Kropfivurz,

Schnakenblätter oder -kraut, Süßfarn, Süßwurz, Steinfarn oder -würzet, als Steinlaxe oder „Steinlakritze"

bezeichnet, wegen seiner blutauffri-

schenden Wirkung auch als Süßes Blut, Tropfuturz und Wrangelwurzel. Die Schulkinder im Mölltal kauten im Frühjahr und Herbst die frischen Wurzeln, wobei Süßstoff frei wurde, der sehr erfrischend und stärkend wirkte.

... und holt von den Engeln zurück. Der Tüpfelfarn ist im Geschmack dem Süßholz sehr ähnlich, deshalb nannte man ihn seit der Antike auch „Engelsüß". Bei Schlaganfällen wurde man bei Einnahme der gestampften Wurzel wieder „von den Engeln oder durch die Engel" zurückgeholt. Alte Leute kauten die Wurzel vorbeugend als Schutz vor Schlaganfällen, Kreislaufproblemen oder als leichtes Abführmittel. Die Wurzel kann etwa ein Jahr lang getrocknet in dunklen Gläsern aufbewahrt werden. Danach verliert sie langsam ihre Wirkkraft. Sie hat

BWWMIBWIWl

Die Wurzeln vom Tüpfelfarn für die Herstellung von Lakritze.

240

Farne

In den ersten Jahren seiner Ansiedlung,

wenn der Adlerfarn eine pfahlförmige

ausbildet, ist er gut ausziehbar. Den Adlerfarn (Pteridium aquilinum) Dämmittel,

zum Dachdecken

oder seine eingerollten jungen

seine Wurzelstöcke und Ausläuferfür

die

I

Wurzel

benutzte man als

Triebe als Gemüse

und

Brotmehlstreckung.

241

Pilze, Flechten und Farne

reinigende und schleimlösende Wirkung und wurde bei starker Bronchitis, Husten und Katarrhen eingesetzt. Sie hat auf die Milz- und Leberregulation eine förderliche Wirkung und ist appetitanregend. Durch langsames Kauen werden auch Wurmparasiten im Darm beseitigt.

Als Lakritze verwendet Das Engelsüß enthält viel Stärke, weshalb es auch früher als nährendes und heilendes Mittel Gemeiner Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) gesammelt wurde. Aus der „Süßwurz" machte man lange Zeit die sogenannte „Lakritze", indem man den Wurzelabsud langsam eindampfte. Die eingedickte Masse wurde auf einem Blech aufgestrichen und zu kleinen Würsten geformt. Sie wurden lichtgeschützt in Gläsern aufbewahrt und bei Husten gelutscht oder in Wasser aufgelöst: „Der aus der frischgetrockneten Wurzel (alte haben keine Wirkung) bereitete Tee dient als auflösendes Mittel bei katarrhalischem Husten und da, wo starker Auswurf und Abmagerung mit dem Husten verbunden sind. Bei beginnender Schwindsucht gibt man schwachen Absud zum Auflösen und zum Stärken der Brustorgane (8-16 gr auf mehrere Tassen). Wirkt auch bei Kröpfen und eröffnend auf den Unterleib" (OERTEL/BAUER 1908). Auch zur Heilung entzündeter Bronchien und der Harnblase soll dieser Farn besonders gut wirksam sein. Zur Herstellung von bitteren Likören wurde er zerstoßen, weshalb er auch als „Bitterwurz" bezeichnet wurde.

Die Hirschzunge Die Hirschzunge (Phyllitis scolopendrium) hat einen ungeteilten Wedel. Aus diesem wird ein Absud (zwei Eßlöffel auf ein Viertel Liter Wasser, oder Wasser mit gleichen Teilen Wein) hergestellt. Er dient als wasser-

242

Farne

I

treibendes Mittel bei Milz- und Blasenleiden, wenn er nach dem Essen eingenommen wird. Er kam auch bei Blutspeien und geschwollener Leber zum Einsatz. Wird er mit Honig oder Zucker angerührt, findet er als Hustenmittel Verwendung. Bei Schwäche und Kopfschmerzen wurde laut Hildegard von BINGEN auch das Pulver aus gedörrten

und

zerstampften

Wedeln eingenommen.

Hirschzunge (Phyllitis scolopendrium): eine Abkochung diente bei Milz- und Leberleiden und bei geschwollener Leber als Heilmittel.

Das „Kraut des Mondes" Die Echte Mondraute (Botrychium lunaria)

kommt

trockenen Weiden

auf und

hageren, lichten

Waldstellen und im Almbereich vor, im Himalaja bis auf 3800 Meter Seehöhe. Der 5 bis 20 Zentimeter hohe Farn war früher für die Wundheilung sehr begehrt. Ihm wurden im Mittelalter Wunderkräfte zugeschrieben. „Die bletter zerstossen vnd übergelegt/ heylen wunden"

(FUCHS,

1543).

Die

Mondraute hat eine wohltuende Wirkung bei Lebererkrankungen (Leberraute,

Leberkraut).

In der Literatur ist die Bedeu-

Mondraute (Botrychium lunaria): Ein Wundheilmittel für die Menschen und Aphrodisiakum für Kühe.

tung für das Nutzvieh sehr widersprüchlich angeführt. In der Oberpfalz und laut Fritz-Martin ENGEL (1977) auch in den Schweizer Alpen wurde das Mondkraut in gerin-

243

I Pilze, F l e c h t e n u n d F a r n e

gen Dosen den Kühen bei Magerkeit und als Aphrodisiakum in das Futter gemischt. Es heißt deshalb auch Rinderchrut. In Bayern galt das Mondkraut als Nutzkraut, weil es die Milchleistung steigerte oder zumindest stabilisierte. Paula

KOHLHAUPT

(1967) erwähnt dieselbe

Anwendung im Frühjahr für den südlichen Böhmerwald und für das Zillertal: „Wenn die Kühe von der Fruchtähre des Bseichkrauts fressen, geben sie weniger Milch" („B'seichen" bedeutet „versiegen"). Im Berner Oberland spricht man wegen seiner Giftigkeit für Rinder und Pferde vom Tüfelschlüssel und vom Geißtödi, weil es im Frühjahr gefressen, die Ziegen tötet.

KOHLHAUPT

Wiederkehrkraut,

führt noch andere Namen an: Ankehr- oder

Geburtskraut, Himi-Stegn,

Klein-Allermannsharnisch,

Kompaßblume, Sonnäwirbel, Schlüsselkraut, Mondfarn oder Maitrauben. Da der Farn für Abtreibungen verwendet wurde, bezeichnete man ihn in Südtirol noch bis vor wenigen Jahrzehnten als Hurenkraut.

Der Königsfarn Dieser elegante Farn (Osmunda regalis) wird auch als Mondraute,

Ris-

penfarn oder Walburgiskraut bezeichnet, er kommt an Waldsäumen, Sumpfgebüsch und in Bruch- und Moorwäldern vor. Die ausgewachsenen Wedel wirken als Absud abführend, harntreibend, kräftigend und blutstillend. Die Wurzelstöcke sollen im Herbst gezogen und im Schatten getrocknet werden. Maurice

MESSEGUT

empfiehlt einen „Auf-

guß und Absud von Königsfarn gegen Blutbeschwerden, Harnverhaltung, Harnsteine, Zellulitis, Gicht, Rheuma: Zehn Prisen geriebene Wurzeln, zwei bis drei Tassen täglich." Weiters schlägt er für Hand- und Fußbäder 20 Prisen Wurzelpulver auf einen Liter Wasser vor.

Nutzungen

in der

Bauernwirtschaft

Die Standorte des Adlerfarns Eberhard Johannes

KLAUCK

(1996: 362f.) verweist auf interessante

Nutzungsweisen des Adlerfarns im Hunsrück. Der Farn breitet sich von den Säumen aus, wenn ausreichend Licht vorhanden ist oder wenn Weiden und Böschungen vernachlässigt wurden. Aber auch in den

244

Farne

I

Junger Straußenfarn (Matteuccia struthiopteris) in Salzwasser gekocht schmeckt wie Broccoii-Cemüse. Bestimmte Farne ais Gemüse zubereitet soll man im Verzehr nicht übertreiben, damit kein Mangel an Vitamin B entsteht.

245

I Pilze, Flechten und Farne

Das Rauristal mit seinen Wiesen und mit Wurmfarn bewachsenen Weiden. Moorbirkenforsten ist er infolge des Niederforstbetriebs verbreitet, wenn genügend Licht bis zur Krautschicht vordringen kann. Andererseits tritt er durch die Auflage saurer Nadelstreu in den Nadelforsten

sind. In Hungersituationen gelangt aber immer etwas Farn in den

246

Farne

Das „Farnloch"

am Breitenberg,

Wolfgang-

I

oder Abersee.

Magen der Tiere. Der Adlerfarn enthält z.B. Pteritansäure und das Enzym Thiaminase. Diese können, in geringen Mengen gefressen, in den Milchprodukten einen bitteren Geschmack hinterlassen. Bei meiner Hirtenarbeit im Schweizer Taminatal (Kanton St. Gallen) und bei Wanderungen im Schanfigg (Graubünden) fand ich auf mehreren Niederalmen eigenartige Verteilungsmuster des Adlerfarns. Auf diesen Weiden hatte es den Anschein, als würde periodisch je ein Viertel der Gesamtfläche einer Farnschnittnutzung unterliegen. Wenn sie über mehrere Jahre kräftig wuchsen und den Futterpflanzen zuviel Standort und Licht wegnahmen, dann wurden sie wieder geschnitten. Eine Aufdüngung machte die Standorte künftig wieder für mehr Futterertrag verfügbar. In vielen Fällen wurde für eine wirksame Langzeitminderung nachgemäht oder der Farn ausgerissen.

Das „Farnloch" am Aberseer Breitenberg Das „Farnloch", topographisch gesehen eine geneigte Mulde, mähten die Zinkenbachbauern früher regelmäßig. Der Farn wurde im Sommer oder Herbst mit der Staudensense auf großen Flächen geschnitten. Sie mähten tagelang auch bei wechselhafter Witterung und streuten die

247

I Pilze, Flechten und Farne

Farn im Garten war ein nachwachsendes Kali-Dünger

Hilfsmittel

gegen Schnecken, eingehackt

und als Absud ein Mittel gegen Läuse und

ein

Ungeziefer.

Mahden auseinander. Wenn der Adlerfarn ausgedörrt war, wurde er in großen Bündeln ausgetragen, per Gefährt zur Almhütte gebracht und in der Hütte zwischengelagert. Zu Weihnachten transportierten die Bauern den Farn auf das Heimgut. Hier wurde er mittels Schneidemaschine auf sieben bis acht Zentimeter Länge abgeschnitten. Dann gab man ihn in die Streuhütte. Selbst die harten Stengelstücke waren dann im Mist gut verrottet. Vor Jahren hatten die Bauern im Herbst auch den Farn im Tal ausgebreitet und mit einem Ladewagen aufgeladen. Der Wagen hatte eigens montierte Messer, die den Farn zerschnitten und so das Häckseln ersparten. Im Lesachtal, in Südtirol, Schanfigg und in Großbritannien wurde der Farn auf ähnliche Weise genutzt.

Als Einstreu für das , Tret' In Niederösterreich nannte man den Adlerfarn wegen der Streunutzung auch „Strafarn", und im Churfirstengebiet heißt er „Farnstreu". Verschiedene Farngewächse wurden im grünen Zustand gemäht und je nach Saugfähigkeit verwendet. Die Vorverrottung erfolgte in manchen

248

Vom Nutzen der Farne I

Fällen im Wald auf riesigen Haufen oder Tristen oder in Streugruben, wobei der Farn vorher leicht angegossen und festgestampft wurde. In manchen Gegenden wird der Stall heute noch als „Tret" bezeichnet. Das Wort kommt von „treten". Die Tiere liefen in einem eingegrenzten Bereich umher, der ständig bestreut wurde. Durch die ständige Feuchtigkeit unter dem Einfluß von Harn und Kot hielt sich die anwachsende Mistschicht warm, verpilzte und verrottete leichter. Im Winter aus dem Stall gefahrener und streuarmer Mist kam hingegen über bestimmte Temperaturen nicht hinaus und brauchte für die Verrottung viel länger. Das wenig saugfähige Laub des Adlerfarns oder hartes Laub konnten unter Tretmist-Bedingungen gut vorverrotten. Man schaffte so eine optimale Mineralisierungbasis und erzielte damit eine Aufwertung und Streckung des Mistes. Wurmfarnstreu hingegen verrottet wesentlich leichter.

Die Farnasche zur Hebung der Erdäpfelerträge Auch als Pottasche-Lieferant für die Glashütten diente der Adlerfarn. Die Bauern machten sich das Wissen um den hohen Kaliumgehalt von Asche und Streu zunutze. Auf den Acker wurde Farnasche oder getrocknetes Farnhäcksel (im Juni oder Juli geerntet!) oder eigens gelagerter Farnstreumist ausgestreut. So gediehen die Erdäpfel, Zwiebeln, der Kohl oder die Erdbeeren besonders gut. Auch sollen die Inhaltsstoffe der Farne Drahtwürmer und Kohlweißlinge abhalten. Der Kalimangel in unseren Böden beruht zu einem gewissen Teil auf dem mittelalterlichen Farntabu aufgrund der Hexenverfolgung. Die Kaliindustrie erfuhr seit LlEBlGs Kunstdüngerpropaganda einen enormen Aufschwung. Davor wußten die Bauern aber geschickt mit den Farnen in der Bodenwirtschaft umzugehen. In manchen Gegenden wurden die Erdäpfel- und Zuckerrübenäcker während der Kultur oder über den Winter säuberlich mit Farn abgedeckt. Der verrottete Farn diente als Dünger. Jedes Jahr wurden dazu große Mengen an Farn von den Weiden und Wäldern benötigt, was dort wiederum eine sinnvolle Pflege nach sich zog. Eine solch kluge Einbeziehung in den Bewirtschaftungskreislauf hat z.B. in Schottland in wenigen Jahre zu fruchtbaren Böden geführt. Auf brachliegenden Weiden mit hohem Farnbe-

249

I Pilze, Flechten und Farne

wuchs wurden deshalb in der Folge Erdäpfel angebaut. Im zweiten Jahr erfolgte nur an der Oberfläche eine minimale Bodenbearbeitung. Man wollte verhindern, daß sich der Farn allzu schnell abbaute. Der Geruch des Farns hielt zudem den Kartoffelkäfer ab, verhinderte die Eiablage des Kohlweißlings und hemmte den Raupenbefall.

Der Lanzenfarn Auf einer Alm am Dachstein wurde den Ziegen im Stall etwas Lanzenfarn (Polystichum lonchitis) und Wurmfarn als Futter verabreicht. Sie suchten diesen auch von alleine auf. Besonders im Frühjahr, wenn es auf die Alm ging, waren sie in der Waldzone gierig danach, berichtet Bodo

Für

Haushalt

und

HELL.

Nutztiere

Für den schnellen Gebrauch aus dem Bauerngarten Den Wurmfarn findet man häufig heute noch aus Tradition in den Bauerngärten vor. Früher hatte er eine Bedeutung in der Haus(tier)apotheke. Aus dem intensiv riechenden Wurzelstock und aus den Sporen machte man ein Pulver, welches man gegen den Rinder- und Schweinebandwurm, den Hackenwurm und gegen Eingeweidewürmer nach genauen Regeln über zwei bis vier Tage anwandte. Bei schlecht heilenden und eitrigen Wunden verwendete man einen solchen Absud auch häufig bei den Haustieren (Wunde auswaschen und Absudauflage machen). Farntee wurde auch gegen Bandwürmer bei Hunden eingesetzt. Früher durfte der Farn für den schnellen Gebrauch im Garten und für die Haus- und Hofwirtschaft nicht fehlen. Heute wird das einstige „lebensunterstützende Mittel" entweder als Unkraut oder als Ziergewächs angesehen, da wir seinen Gebrauchswert vergessen haben.

Der Farn in der Tierhaltung und Tiermedizin Häufig wurde aus den Farnwedeln ein Kranz gebunden und an bestimmten Stellen zum Abhalten von Läusen und Milben aufgehängt. In Südtirol wurde zur Bekämpfung von Rheuma bei Nutztieren ein Standort-

250

Vom Nutzen der Farne

I

Wechsel im Stall durchgeführt und ein dickes Farnstreulager eingebracht. Es kamen auch Eingüsse von Farnpräparaten zur Anwendung. Gegen Rotlauf bei Schweinen wurde in der Johannisnacht gesammelter Farn als Streu eingesetzt. D a die Haustiere zur W u r m e n t f e r n u n g den dargebotenen W u r m f a r n von alleine nicht fressen, zerschneidet man die Wedel ganz fein u n d mischt sie unter den Hafer (ROGLER, 1949). Gegen Leberegel wurde er ebenfalls verabreicht. Engel-Süßwurzel mischte man fein zerkleinert unter das Futter der Schweine, wodurch sie gesund blieben u n d gediehen. Wurmfarn nannte man auch Maukenkraut,

da er gegen die Bein-

krankheit „Mauk'n" zum Einsatz kam. Dieser allgemeine Sammelbegriff steht für eitrige Entzündungen an Klauen u n d H u f e n der Nutztiere. Der Wedel des Farnes enthält sehr viel Tannin, welches zusammenziehend, austrocknend und desinfizierend bei W u n d e n wirkt.

Gegen Ungeziefer bei Hühnern

...

Früher waren die H ü h n e r über den Winter in der Küche oder in der Stube untergebracht, damit sie es warm hatten. Ihnen streute man fein zerbröckelten Farn ein, damit aus ihrem Käfig kein Ungezieferlager wurde. M a n verwendete gedörrten Farn gegen Flöhe, Milben, Wanzen u n d Läuse, die auch dem Menschen lästig wurden. Auch der gereinigte Hühnerkäfig wurde mehrmals mit einem frischen Farnabsud eingelassen. Das half ebenso gegen Hühnerläuse wie eine Rauchanwendung mit Farn. Bei Freßunlust der H ü h n e r verabreichte man ihnen ein Breipräparat aus zerkleinerten Eierschalen, geschrotetem Korn u n d etwas Wurzelpulver aus Farn.

... und bei Menschen D a ß Blätter u n d Farnpulver als Mittel gegen Läuse und Flöhe eingesetzt wurden, stand in Zusammenhang mit dem Fachwerkbau. Der Farn diente dabei als Dämmittel fiir W ä n d e und Zwischendecken, als Farnheu für die Matratzen, als Grabschmuck oder als Einstreu. Zur Abwehr von Läusen und Flöhen wurden nicht nur beim Hühnervolk, sondern auch beim Menschen die Matratzen mit Farnwedel gefüllt oder mit Mischungen versehen. Der Farn wirkte auch gegen Rheuma, Kreuz-, Kopf- und Zahn-

251

I Pilze, Flechten und Farne

weh, gegen Ischias, Gliederschmerzen und Krämpfe. Auf die Leintücher schichtete man auch kreuzweise in mehreren Lagen frische Farnblätter. Der Kranke legte sich hinein und wurde mit Farn und einem Leintuch zugedeckt. Darauf kam eine wärmende Decke. Wenn der Farn trocken wurde, wechselte man ihn mehrmals aus. Bei Rachitis brachte ein mit Wurmfarn ausgekleidetes Bett Schmerzlinderung. Der Farn wurde zur Verstärkung der Wirkung immer wieder erneuert. Im Winter weichte man Farn in Wasser an und legte damit getränkte Tücher auf. Man gab auch getrocknetes Farnkraut in Leinensäckchen oder Kissen und nahm diese mit ins Bett.

Für Fachwerkbau und Dachhaut Vom Wald bezog man „die Wedel zur Wärmedämmung der Kellerluken und hinter den Scheunentoren der Bauernhäuser (...), indem sie in Säcke gefüllt in die Luken gezwängt oder an die Torinnenseite genagelt wurden", wie dies KLAUCK (1996) bis in die 70er Jahre hinein beobachten konnte. „Als gehäckseltes Material hat man den Adlerfarn (mit Stroh) einem SandLehm-Gemisch beigefugt und zur Ausfachung von Innenwänden der (...) Bauernhäuser (...) verwendet." Wegen des Adlerfarns nistete kein Ungeziefer in diesen Wänden. Laut DOSTAL (1984) wird der Farn auch als Strohersatz zur Dachdeckung genutzt. Vermutlich ist diese Methode in Jahren des Strohmangels beim Dachhautwechsel eingesetzt worden.

Zum Reinigen des Käsekellers und zur Blitzabwehr In der Schweiz wurden die Alp-Käsekeller mit Farnbrühe gereinigt und die Käsebretter damit abgebürstet. Getrockneten Farn hängte man auf bzw. streute ihn zerbröselt auf den Erdboden. Er hielt das Auftreten der Käsemilben auf dem reiferen Käse gering. Diese Anwendung gehörte teilweise auch in den Bergamasker Alpen zur traditionellen Käsereivorbereitung auf den Almen. Die einstige Verwendung als Strahlenschutz und zur Blitzabwehr wird allgemein dem Farn nachgesagt. Das war neben der Bevorratung für den Hausgebrauch wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum er in mehreren Büscheln in Dachböden, Vorhäusern, in Almhütten, Scheunen und Heustadeln aufgehängt wurde.

252

Vom Nutzen der Farne

I

Am Grab stand der Farn symbolisch für die Verwertung von Moder und verhinderte das „Auskriechen " von Eingeweide- und Bandwürmern.

In der

Garten-

und

Obs^twirtschaft

Grabschmuck zum Vertreiben der Würmer Als traditioneller Grabschmuck kommt der Wurmfarn heute noch in vielen Gegenden vor. Man sagt, er soll die bösen Geister vertreiben. Es kann dafür aber auch einen anderen Grund geben. Er hatte ursprünglich nämlich bei den Gräbern den Zweck, die Insekten abzuwehren, die sich bei beginnender Verwesung einstellten. Auch die in den Leichen befindlichen Band- oder Hakenwürmer wurden so abgetötet oder zumindest deren Verbreitung verhindert. Und nicht umsonst wurde Frauen- und Wurmfarn als Toilettenpapier verwendet. Sie waren weich, verrotteten leicht und vertrieben die ausgeschiedenen Würmer vom ,Plumsklo'.

Gegen Schnecken im Garten Getrockneter und sehr klein zerbröselter Farn wurde gegen Schnecken auf den Wegen der Hausgärten ausgestreut. Auch folgendes Gemisch diente diesem Zweck: getrockneter Farn, trockene Sägescharten aus

253

I Pilze, Flechten und Farne

Buchen, viele zerkleinerte Gerstengrannen und am Herd spröd gemachte und zerkleinerte Eierschalen. Auch scharfer Kalk wurde häufig beigemischt. Solch ein Gemenge wurde regelmäßig rund um die Gartenbeete und zwischen den Erdbeerpflanzen in breiten Streifen nachgestreut. Jedes Jahr wurde dieses Material von den Wegen abgezogen, auf den Kompost geworfen und wieder erneuert. Da Farn nicht von den Schnecken angenommen wird, eignet er sich auch hervorragend als Mulchmaterial, nicht nur bei Kraut und Kohl. Obendrein verbessert es den Mineralstoffgehalt des Bodens. Im Frühjahr ist der Farn bis auf die Stengel abgebaut und das Bett saatbereit. Um dem Kalibedürfnis des Selleries nachzukommen, hackte man vorher aufgetragenes Farngehäcksel (mit Holzasche und Beinwell gemischt) ein. Theresia AlTENBERGER aus dem Pinzgau holte den Farn vom Waldrand. Sie schrieb in einem Brief: „Die am ergiebigsten vorkommende Art ist der Bergfarn, und den verwende ich gegen Schnecken. Den schneid' ich knapp am Boden ab und leg' ihn schön dicht entlang der Gartenwege aus. In meinem Garten sind wenig Schnecken im Vergleich zu den Nachbarinnen."

Der Einsatz von Farnbrühe im Obstbau Zur Herstellung einer Farnbrühe füllt man einen Zehn-Liter-Eimer mit frisch geschnittenem, zerkleinertem, zerbröseltem oder zerquetschtem Farn (Adler-, Frauen- oder Wurmfarn), drückt ihn fest und gießt mit Wasser auf. Die entstehende Brühe läßt man etwa 24 Stunden lang stehen und verdünnt sie dann auf das Zehnfache. Sie wird beim Auftreten der Schmier-, Schild- oder Blutlaus und bei Rostkrankheiten in den Obstkulturen vor allem im Winter eingesetzt. Damit werden die Stellen abgebürstet, auf denen die Blutlaus auftritt. Mittels Aufbewahrung von pulverisiertem Trockengut kann es im Frühjahr oder im Winter gespritzt werden. Die Wirksamkeit steigt bei kurzem Aufkochen. Bei Stachelbeer-Mehltau hat Farn eine mindernde Wirkung.

Farn zur Konservierung

von Obst

In England wickelte man die Früchte zur längeren Aufbewahrung im Herbst in frischen, aber trockenen Farn ein. Richard WlLLFORT (1959)

254

Vom Nutzen der Farne

I

hatte für das 18. Jahrhundert recherchiert: „Im Sommer gepflücktes auf einem Dachboden aufgehängtes und gut getrocknetes Farnkraut, lege man zur Obsternte in die Obstregale im luftigen, trockenen Keller. Das nur in einer Schichte darauf gelagerte Obst hält sich lange gesund und frisch und wird nicht so rasch von Lagerungsschäden befallen. Diese Farnkrautunterlage m u ß im nächsten Jahr ausgewechselt werden." Zusätzlich kann das Obst auch mit Farn abgedeckt werden.

255

7. Schlußbetrachtungen „Aber erst, seit sich die Kultur dem höchsten Gipfel materieller Leistungsfähigkeit nähert, hat sie dem Unerreichbaren, den unbegrenzten Bedürfnissen einen Schrein gestiftet" (M. SAHLINS 1978:195).

Aus dem Vergleich der Pflanzengeschichten läßt sich erkennen, daß es sich bei unserer heutigen Kultur um ein „tradiertes Vergessen" oder bewußtes Verschütten von Gebrauchswissen handelt. Daran beteiligen sich aktiv die Nahrungs- und die medizinische Industrie, die bei der Schaffung von künstlichen Heil- und Nahrungsmitteln lediglich ihren Profit verfolgen. Die monopolistische Handhabung einzelner Pflanzen durch Konzerne erfolgt über Patentrechte, obwohl die Pflanzen uns allen gehören und nicht einzelnen Wirtschaftstreibenden.

Uber die Sammelnutzung Sammelnutzungen hat es immer schon gegeben. Sie waren ein Hauptbestandteil der Ernährung bis weit in unsere Zeit. Agnes POHANKAs wirtschafte- und sozialgeschichtliche Berichte bis in die 80er Jahre sind dafür ein wesentliches Dokument. Dafür sei ihr gedankt, ebenso den Bearbeiterinnen dieser Dokumentationsreihe, die die Gespräche führten und sie niederschrieben. Dadurch wurden verschiedene Zusammenhänge sichtbar, die oft genug als Erfindungen abgetan werden.

Das verschüttete Wissen Die unmittelbaren Quellen und Anlässe zu diesem Buch entstanden aus dem Spurenlesen in der Landschaft und aus vielen Gesprächen. Aus einem Konvolut von Aufzeichnungen konnten in Vergessenheit geratene und auch neue, unbekannte Gebrauchszusammenhänge dargestellt werden. Mit den angeführten Beispielen von Nutzpflanzen werden verschiedene Prinzipien der Be- und Verarbeitung geschildert. Dabei handelt es sich um kluge, zusammenhängende Wirtschaftsprinzipien unserer Vorfahren: Nahrung, Nahrungsstreckmittel, Heilmittel, Frauenwis-

257

I Schlußbetrachtungen

sen, Tauschen, Haupt- und Nebenprodukte, Bewirtschaftung mit mehreren Standbeinen, Abfallverwertung, Allmendenutzungen, allerlei Hilfsmittel aus der Natur, ortsbezogene Nutzung, Vorratswirtschaft, Kontinuität der Nutzung zur Stabilisierung der Bewirtschaftungs- und Sammelverhältnisse, Nährstoffnutzung usw. „Die pflanzliche Ernährung der Ureinwohner der Alpen fußte einst auf einheimischen Arten; die Menschen (...) wußten sie zu gebrauchen und damit die sich ihnen bietenden Nahrungsquellen sehr gut auszunutzen", berichtet BROCKMANN (1925). Verschiedene Vorstellungen sind vielleicht unwiederbringlich verloren. Heute verspielen wir bewußt oder unbewußt das restliche, erworbene Wissen, welches durch viele Generationen erprobt wurde. Dieses Gebrauchswissen richtete sich danach, was in der Landschaft vorhanden und durch Gebrauch gefördert worden war.

Der wissenschaftliche Fortschritt ist ein Rückschritt Während der Hexenverfolgung verbrannte man die heilkundigen Frauen, um das Wissen über die Natur auszumerzen. Dadurch glaubten die herrschenden Männer die Frauen vollends unterdrücken zu können. Aber damit war es nicht getan. Die heutige Inquisition verläuft subtiler über die „Mikrophysik des Denkens", wie Michel FOUCAULT (1976) es nannte. Im Grunde unterwirft man mit der „neuen Wissenschaft" die Frauen und Männer und versucht, Männermacht als Patriarchat durchzusetzen und z u stabilisieren (MICHELET, 1 8 6 3 ; LEVACK, 1 9 9 5 ; GINZBURG, 1 9 9 3 ; HAS-

LER, 1982). Die Propagierung der modernen Wissenschaft betrieb die Diffamierung und Entwertung des alten Wissens, um dem akademischen Betrieb und der Wirtschaft ein Standbein zu verschaffen. Wer altes Wissen abschafft und neues durchsetzen kann, hat Macht. Mit dem Aufkommen des technischen Fortschritts beschleunigte sich der Verlust des alten Wissens rasant, als gelte es, einen Wettlauf zu g e w i n n e n . D i e „ F o r t s c h r i t t l i c h k e i t " (GROENEVELD, 1 9 9 6 ; v. WERLHOF,

1991) ging einher mit der Verhöhnung der jeweils vorhergehenden Generation, die seit der Moderne stets als rückständig galt. Mit der Industrialisierung wurde die .Arbeit" zur „Beschäftigung". Dieser Vorgang spiegelt sich im Umgang mit der Landbewirtschaftung und Sammelnutzung wider. Die Industrialisierung der Landwirt-

258

Landschaft und Wirtschaft

I

schaft entwertete ganze Landschaftsteile u n d -strukturen (vgl. LEDERMANN, 1989; LÜHRS, 1994). Stichworte dazu sind: die Trockenlegung der S ü m p f e u n d Naßwiesen, Z u s a m m e n l e g u n g von Grundbesitz, Flurbereinigung, Bodenverbesserung, Aufforstung, Entwässerung, Bachregulierung, Intensivierung durch synthetische D ü n g e r und Spritzmittel, Verbrauch und Minderung der natürlichen Produktivkräfte, Straßenbau, Entfernung von Hecken, B ä u m e n u n d Alleen etc. Für diese Zwecke gab es eine massive K a m p a g n e , die von den Regierungen, Landwirtschaftskammern, der Chemischen Industrie, von den Schulen u n d Universitäten betrieben wurde (HÜLBUSCH et a l „ 1986). W o die Landschaft ausgeräumt, neu eingeteilt, begradigt

und

maschinengerecht gestaltet wurde, sind keine S a m m e l g ä n g e mehr möglich. Auch die künstlich angelegten Hecken u n d Ökostreifen laden nicht im geringsten z u m S a m m e l n ein. Sie sind in den Ackergebieten die Filterstreifen der Spritzmittel, da die Hecken die Abtrift dieser Gifte aufnehmen. D i e S ä u m e sind meist nitratverseucht, da sie bis zum Äußersten bearbeitet u n d gedüngt werden.

Landschaft und Wirtschaft Ausräumung

und

Einräumung

N a c h der „ A u s r ä u m u n g " betrieben die „Landschaftseinräumer" Flurzusammenlegungen, die unter d e m Einfluß der Ö k o l o g i e oder der ästhetischen Landschaftsbilddebatte standen (vgl. z.B. KLEMSTEDT 1969; KAULE 1986). D i e Anlage von Gehölzstreifen hat nichts mit den M e n schen zu tun, die von diesem L a n d ihre Existenz zu bestreiten haben. D i e Landschaftseinräumung mit Biotopen und die Nutzungsverbote u n d -Vorschriften enteignen die Landbewirtschafter. D a v o n sind wir alle betroffen, denn die Wildgehölzstreifen stehen nicht mehr in einem nützlichen Z u s a m m e n h a n g , sondern dienen faktisch nur der Enteign u n g u n d Reglementierung. D i e installierte H e c k e in einer agroindustriell geprägten Gegend wird als Alibi verwendet, sie schafft die Illusion einer heilen Landschaft. Was nützt das Biotopverbundsystem der Ö k o logie, wenn die Vögel beim Brüten infolge der hohen Spritzmittelkonzentrationen in/ ihrer N a h r u n g die d ü n n e n Schalen ihrer Bruteier

259

I Schlußbetrachtungen

zerbrechen? Was haben die Gehölze und ihre Ökologie für einen Nutzen für die Landbewirtschafter? Die Forderung „aus dem Naturschutzgesetz, die eine technizistische Verfügungs- und Machbarkeit der Natur voraussetzt, geht davon aus, daß andernorts durchgeführte Veränderungen und Inanspruchnahmen von Standorten und Lebensräumen irgendwo kompensierbar wären" (HÜLBUSCH et al., 1986; DAMS/ MICHEL, 1989). Uber die flächendeckende Landschaftszerstörung wird dann nicht mehr geredet. Der ökologische Gedanke, mit unseren natürlichen Ressourcen schonend umzugehen, dient unserem Nutzen (vgl. THIENEMANN, 1956; NEEF, 1983). Ökologie muß den Gebrauchszusammenhang berücksichtigen. Eine Landschaft ist dann reichhaltig, wenn sie von vielen Menschen bewirtschaftet wird und wenn die Notwendigkeit z.B. von Flurgehölzen oder Wirtschaftswiesen im Einklang mit der Produktion steht. Je mehr Leute in einer Gegend für das Land zuständig sind, um so nahrhafter ist die Landschaft und um so vielfältiger sind die Möglichkeiten der Sammelnutzung (vgl. KURZ, 1998). Je mehr Großgrundbesitz es gibt, desto ärmer wird die Landschaft, weil dadurch die Sammelstandorte, z.B. Äcker, Wiesen und all ihre Ränder, großflächig zerstört werden. Dann findet man vergiftete Pflanzen oder zumindest keine eßbaren Wildpflanzen mehr, denn ein großflächiges Eigentum führt zu einer standardisierten, von Maschine und Profit geprägten Landschaft.

Die Arbeit als Basis des Lernens Die Sammelnutzung mit ihren vielen Gebrauchsgeschichten und ihren Aspekten der Selbstversorgung kann als Gegengewicht zu den herrschenden Absichten der Politik gesehen werden. Sobald damit jedoch ein politisches Alternativkonzept verfolgt wird (vgl. dazu z.B. BAHRO, 1991), wie es seit der Ökologiebewegung erkennbar ist, sind die klugen Gedanken zur Nahrhaften Landschaft wiederum der machtpolitischen Ebene ausgesetzt. „Die Produktionsweise des Sammeins kann zur Ergänzung der eigenen Versorgung beitragen und durch den Verkauf überschüssigen Ernteguts gleichzeitig als Zuerwerbsmöglichkeit verstanden werden", meint Birgit AUERSWALD (1996: 209). Die Definition des „Zuerwerbs" entstammt der herkömmlichen Wirtschaftstheorie, ist auf Geldwert

260

Landschaft und Wirtschaft

I

ausgerichtet (GRONEMEYER, 1988) und ignoriert den hauswirtschaftlichen Hauptnutzen. Das Sammeln allein als Zuerwerb zu sehen, beruht auf der Unsicherheit, seine Anschauungen selbstbewußt zu leben. In unserem Denken und Fühlen ist noch immer die Angst vor dem Verhungern verankert, wie dies SAHLINS beschreibt, einer vielgestaltigen Kultur der Selbstversorgung ist damit die Tür versperrt. Aus heutiger Sicht erscheint das Wissen um Naturzusammenhänge als rückständig oder „steinzeitlich". Betrachtet man aber den Arbeitsaufwand im Verhältnis zum Ertrag, dann waren die Menschen in der Steinzeit hochgradig fortschrittlich (vgl. SAHLINS, 1978). Heute glaubt man, daß die künstlichen Mittel in allen Belangen besser seien als die ersetzten, früheren Mittel. Das ist nicht bewiesen, da die Frage der Qualität willkürlich interpretiert wird. Im Gegenteil werden heutige Hilfsmittel oder Eßwaren, gemessen am Aufwand und an der Müllverarbeitung, äußerst unökonomisch hergestellt und gehandhabt. Andererseits wird behauptet, daß wir heute vergleichsweise eine größere Vielfalt hätten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die heute üblichen Ersatzmittel stillen zwar den Hunger, aber sie nähren nicht mehr. Wir bewegen uns auf ein immer enger werdendes Angebot zu, woraus sich viele Mängel in der Ernährung ableiten. Vor allem ist mit den üblichen Grundnahrungsmitteln die Versorgung mit Mineralstoffen, Spurenelementen, Aromastoffen, ätherischen Ölen und Vitaminen, die in den ,wildwachsenden' Pflanzen enthalten sind, nicht mehr gewährleistet. Wir ernähren uns heute zum Großteil von Produkten aus Getreide, Fleisch, Milch und nährstoffarmem Gemüse und Obst. Vieles scheint durch synthetische Erzeugnisse ersetzbar geworden zu sein. Die vielfach umgewandelten Nahrungsmittel in unseren Supermärkten täuschen eine Vielfalt nur vor. Die Wirkstoffe aus Thymian, Schafgarbe, Bärenklau, Bärlauch, Arnika, Speik, Steinklee, Ehrenpreis, Eisenkraut, Echter Heidelbeere, Schneeball u.s.w. können nicht durch künstliche Produkte ersetzt werden.

Das tradierte Wissen und die Wissenschaft, die Wissen abschafft Aus der Erfahrung entstand über viele Generationen kontinuierlich ein Wissen, welches sich unter kleingesellschaftlichen, lokalen und natürlichen Verhältnissen bewähren und das Uberleben der Menschen

261

I Schlußbetrachtungen

sichern mußte. Die „Verheißungskultur" der modernen Gesellschaft ist der Motor unseres heutigen Verschwendungskonsums. Der Raubbau wird zur Altlast der Zukunft. Bis heute wurde ein Minimum an altem Gebrauchswissen in den meisten Fällen durch alte Frauen erhalten. Dieses Wissen entstammt aus einer einstmals weiblich ausgerichteten Kultur und schuf Unabhängigkeit von Geld und Macht für die „Anwenderinnen". Ohne diese Frauen gäbe es heute das Wissen nicht mehr (BERGER, 1984). Vor allem Bäuerinnen oder Sennerinnen haben das Wissen noch im Gebrauch. Wenn heute die alten Menschen sterben, nehmen sie ihr Wissen mit ins Grab. Mit ihnen geht jedesmal eine ganze Bibliothek verloren. Das durch die Arbeit und aus Erzählungen erworbene Wissen ist der Grundstock für neue Umgangsweisen und Zugänge - und nicht das spekulative und manipulierte Wissen trockener Theorien des staatlichen Schulsystems und Wissenschaftsbetriebs. Heute wird meistens modernes Wissen vermittelt, welches in der Anwendung nur von kurzer Dauer ist und immerfort aktualisiert werden muß. Wir können mittlerweile abschätzen, wo dies alles hinführen wird. Eine Auseinandersetzung damit ist dringend nötig, „(...) weil ich glaube, daß der größte Teil der heutigen Zukunftsforschung dazu angetan ist, Legitimation für eine weitere Institutionalisierung von Werten zu liefern, und daß wir die Bedingungen festlegen müssen, die genau das Gegenteil ermöglichen würden" (ILLICH, 1972). Der Fortschritt ist in Wirklichkeit ein Rückschritt, bei dem bewußt mit verschleierten Absichten wichtige Werte und kluge Wissenszusammenhänge zerstört werden. Absichtlich insofern, als Interessenten dahinterstecken, die ihre Neuerfindungen in Profit umsetzen wollen. Das Wissen müßte mehr von der gesellschaftlichen, kulturell-politischen und sozio-ökonomischen Bewährung getragen sein als von wirtschaftlichen Interessen. Das wäre eine sinnvolle Aufgabe für die zukünftige Forschung und Lehre.

Die Armut ist eine Folge der Verschüttung des Wissens Die Armut in allen Teilen der Welt beruht nachweislich auf der Zerstörung des Wissens über die Möglichkeiten der Selbstversorgung (v. WERLHOF/MIES/BENNHOLDT-THOMSEN,

262

1 9 8 8 ; v. WERLHOF,

1993).

Landschaft und Wirtschaft

I

SAHLINS (1978) bemerkt dazu: „Wie sieht es denn in der Welt von heute aus? Ein Drittel, vielleicht sogar die Hälfte der Menschheit geht unseres Wissens jeden Abend hungrig zu Bett. In der älteren Steinzeit m u ß dieser Anteil viel geringer gewesen sein. Unsere Zeit ist die Ära nie gekannten Hungers. Heute, in einer Zeit gewaltiger technischer Möglichkeiten, ist der Hunger zur Institution geworden. Es wäre also noch ein ehrwürdiger Glaubenssatz auf den Kopf zu stellen: Mit der kulturellen Evolution nimmt der Hunger relativ und absolut zu. (...) Armut ist ein sozialer Status und als solcher eine Erfindung der Zivilisation. Die Armut ist mit der Zivilisation gewachsen, einmal als neiderzeugender Unterschied zwischen den Klassen, zum anderen und wichtiger noch als Verteilungsrelation, die die landbestellenden Bauern für Naturkatastrophen noch anfälliger machen kann als jedes Winterlager der Alaska-Eskimos" (SAHLINS, M. 1978:193f). Ivan ILLICH (1972) schildert, daß die Armut aufgrund von Marktmechanismen und von der Wissenschaft herbeigeredeten „Sachzwängen" in der Hand der Mächtigen liege und beliebig ausgenützt werde. Die „Food and Agriculture Organisation" der U N O (FAO) behauptet, die Ernährung der sogenannten „Entwicklungsländer" durch die Einführung der Gentechnik sicherzustellen. In Wirklichkeit stützt sie damit die Zerstörung der regionalen Selbstversorgung und leistet einer weiteren Kolonialisierung durch die Großkonzerne Vorschub ( v g l . KRAMMER,

1976;

MIES,

1996;

BENNHOLDT-THOMSEN/

MIES,

1997). Mit neu eingeführten Produkten und Kultivierungsweisen werden Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen, die den Konzernen Profit a b w e r f e n sollen (IMFELD, 1998).

Natur bleibt Natur Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, früher seien die Lebensumstände harmonisch und gut gewesen. Vielmehr ist es Absicht, den Mangel an Wissen und Handfertigkeiten im Umgang mit den Pflanzen und der Landschaft darzustellen. Marshall SAHLINS (1978:154f) bemerkt dazu: „Wenn Ökonomie die Wissenschaft vom ach so schweren Leben des Menschen ist, dann ist das Studium der Jäger- und Sammler-Gesellschaften ihr fortgeschrittenster Zweig. Fast durchweg von dem Glauben besessen, daß das

263

I Schlußbetrachtungen

Leben im Paläolithikum entsetzlich schwer gewesen sei, überbieten sich unsere Lehrbücher gegenseitig, d e m Leser ein G e f ü h l ständig drohenden Untergangs zu vermitteln. ( . . . ) Bei der Gesellschaft der Jäger u n d S a m m l e r handelte es sich in Wirklichkeit u m die erste Wohlstandsgesellschaft; m a n braucht nur genauer hinzusehen. ( . . . ) N a c h h e r k ö m m lichem Verständnis herrscht in einer Gesellschaft d a n n Wohlstand, wenn alle materiellen Bedürfnisse der Menschen leicht befriedigt werden können. ( . . . ) Zwar soll damit nicht bestritten werden, daß die präagrikulturellen Gesellschaften unter schwierigen Bedingungen operieren, sondern nur ausgehend von Beobachtungen an heutigen S a m m lern u n d Jägern darauf bestanden werden, daß der Lebensunterhalt in aller Regel mit Erfolg bestritten wird." Unser heutiges Verständnis von Zivilisation entfernt uns von der Natur als unserer Basis der Ernährung. D i e Natur soll auf allen Ebenen durch Labor- u n d Fabrikprodukte ersetzt werden. Wer die Produktionsmittel knapp halten kann, bestimmt den Preis. Langfristig werden wir dadurch an G r u n d u n d Boden enteignet. Dieser Versuch m u ß in die Irre fuhren, da Menschen und die Kulturpflanzen Natur bleiben werden, auch wenn sie künstlich beeinflußt oder gentechnisch manipuliert werden.

Die Fülle der Natur und Wohlstand ohne

Uberfluß

N a c h einem Vergleich des Lebensstandards der einfachen Völker mit d e m unserer Wohlstandsgesellschaft zieht SAHLINS ( 1 9 7 8 : 1 6 5 F ) die Bilanz: „Dieser Wohlstand hängt ebensosehr v o m objektiv niedrigen Lebensstandard ab. Ausschlaggebend ist, daß die regulären M e n g e n an Konsumierbarem (wie auch die Zahl der K o n s u m e n t e n ) kulturell auf einem bescheidenen Niveau gehalten werden. ( . . . ) Andererseits ist Bewegung die B e d i n g u n g erfolgreichen Nahrungserwerbs,

einmal

mehr, einmal weniger, immer aber genug, u m Befriedigung via Besitz rasch wertlos erscheinen zu lassen. V o m Jäger u n d S a m m l e r läßt sich mit recht sagen, daß i h m Reichtum eine Last sei." D a s ist ein kluger Mechanismus, u m über geringen gegenständlichen Besitz keine Machtstrukturen entstehen zu lassen. „Wir neigen dazu, Jäger u n d S a m m l e r als arm zu betrachten, weil sie nichts haben; besser wäre es vielleicht, sie aus eben diesem G r u n d als frei zu betrachten" (ebenda: 168).

264

Landschaft und Wirtschaft

I

Einer der letzten alten Schnaitelahorne in Südösterreich. In ihm stecken mehrere Menschengeschichten, denn seine Nutzung ist eingeschrieben und für Baum- und Arbeitskundige lesbar.

265

I Schlußbetrachtungen

Vielgestaltige Landschaft durch viele Landnutzer im burgeniändisch-ungarischen Hügelland.

Natur und Arbeit - Die Kultur der Selbstversorgung Das Verschwinden der Nahrhaften

Landschaft

„In der Kultur der Subsistenz sind Wissen und Erfahrung im Sinne von lokaler Eigenmacht zusammengefaßt. Genau das wird durch die offizielle Europapolitik und den Mythos .freier Welthandel' zerstört. Grundlegend für die Subsistenzwirtschaft ist, daß Wirtschaft und Gesellschaft selbst organisiert werden. Das stärkt die personale und lokale Identität" (SCHNEIDER, G. 1997: 48). Seit dem Mittelalter ist die Kultur der Selbstversorgung einem massiven Zerstörungsprozeß ausgesetzt worden. Mit der Einfuhrung industrieller Erzeugungs- und Verarbeitungsmethoden wurde die Basis für die weltwirtschaftliche Produktionsschlacht bis hin zur Gentechnik, d.h. der Herstellung von Lebensmitteln im Labor unter .bodenlosen' Verhältnissen, geschaffen (vgl. HOPPICHLER, 1991). Die ersten Produkte aus den „Bioreaktoren" kursieren bereits auf dem Markt. Diese Fehlentwicklung spiegelt sich auch in der Landschaft wider.

266

Natur und Arbeit

I

Man erkennt sie nicht nur an der Seltenheit der ehemaligen Sammelorte, den Hecken, Bachrändern, Säumen und Baumreihen, sondern auch am mangelnden Nährgehalt der üblichen Grundnahrungsmittel. Ziel der globalen Agrarpolitik ist es, über Kompensationsgeschäfte ganze Großregionen aus der landwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen. Von der handfertigen Arbeit zu den kauffertigen Waren Die jüngere Generation weiß kaum noch, wie die Wildpflanzen verwendet werden und wie bekömmlich sie sein können. Verwenden heißt Zeit aufwenden. Das Sammeln und die Zubereitung des Wildgemüses verlangen handfertige Arbeit im Vergleich zu den im Supermarkt kauf fertig dargebotenen Waren. Heute lassen wir uns lieber in allen Lebensbereichen fremdversorgen. Der Gedanke, die „Natur als Garten"zu nutzen, wird als unrealistische Spinnerei abgetan. Seit der Ausnutzung der Menschen als Leibeigene (HARRIS, M. 1995) sammelte man, um im Tausch das Sammelgut zu Geld zu machen. In wenigen Fällen jedoch sammelten vornehmlich Frauen aus Wertschätzung, man könnte auch sagen „aus Liebe zur Natur", und aus dem Bedürfnis, dem wirtschaftlichen Denken auszuweichen. Mit den technischen Neuerungen erfolgte eine Leistungssteigerung durch Züchtung und Kultivierung, die nicht für die lokale Selbstversorgung, sondern für den Gelderwerb massiv propagiert wurde. Die Spezialisierung auf wenige Nahrungsprodukte ging einher mit der Umstellung vieler Grenzstandorte auf industrielle Landwirtschaft. Cash-crops und fast-food waren auch bei uns die Ergebnisse einer „Entwicklung", die die Menschen von der Selbstversorgung und der direkten Nutzung ihrer Landschaft abschnitt (vgl. IMFELD, 1985; M A X NEEF, 1984; MIES, 1983; 1987). Die wenigen und zunehmend standardisierten Kulturen erleichterten zudem die Eintreibung der Steuern.

Neugierig und mutig sein Mit der Industrialisierung der Landnutzung wurden Heilpflanzen in der Landschaft seltener. Es wurden Vereine zum Schutz von rar gewordenen Arten gegründet. Der amtliche Naturschutz akzeptierte mit seinen „Roten Listen" der rar gewordenen Pflanzen indirekt ihre Knappheit

267

I Schlußbetrachtungen

Gänseblümchen (Bellis perennis): Blüten für die Erzeugung von „Honig" und Knospen in Essig eingelegt als kappernartige Salatwürze.

und unterstützte damit die

flächendeckende

Industrialisierung. Diese

Listen bildeten das Alibi für die Zerstörung von Landschaften (vgl. HÜLBUSCH, 1988c). M i t der Verankerung des Naturschutzes auf Länderebene wurden die Pflanzen zur Monopolware des Naturschutzes, der Züchter und der Medizin. Mittels gentechnischer Beeinflussung u n d Patentrechten werden sie zum alleinigen Besitz der Pharmakonzeme gemacht. D a s ist die jüngste Form der Schaffung von gesteuerter Knappheit. So werden heute Heilpflanzen für wenige wieder profitträchtig. „Es gilt jetzt als sicher, daß die natürliche U m w e l t bald durch biochemische Verschmutzung zerstört wird, wenn wir die derzeitigen M e t h o d e n der Warenerzeugung nicht ändern. Ebenso sollte m a n zugeben, daß das Leben der Gesellschaft u n d des einzelnen auf ähnliche Weise von der Verschmutzung durch Bildungsverwaltung

bedroht

wird, die das unvermeidliche Abfallprodukt eines pflichtmäßigen, wettbewerblichen K o n s u m s von Fürsorge ist. ( . . . ) Wer die Folgemaßnahmen der bedenkenlos eingegangenen Modernisierungsphase der 60er u n d 70er Jahre ernst n i m m t , z.B. die stark wachsende Verschuldung der Landwirtschaft a u f g r u n d hoher Kreditaufnahmen, oder der massiven

268

Schlußbetrachtungen

I

E i n g r i f f e in labile Ö k o - S y s t e m e , o d e r a u c h d i e w a c h s e n d e A b h ä n g i g keit vieler L ä n d e r v o n L e b e n s m i t t e l i m p o r t e n , w i r d die F r a g e nach einer längerfristig stabilen B o d e n k u l t u r m i t allen erforderlichen K o n s e q u e n zen n e u stellen m ü s s e n " (GROENEVELD, 1 9 9 6 : 6 1 u. 6 6 ) . D e m ist nicht m e h r allzuviel h i n z u z u f ü g e n , außer: „Statt feudalistischer Vertreibung u n d E n t e i g n u n g der Ressourcen wäre streitbare A u f k l ä r u n g nötig. ( . . . ) W e n n wir über unseren Z u s t a n d u n d über unseren U m g a n g m i t d e n Ressourcen n a c h d e n k e n , d a n n m ü s s e n wir an der kritischen Perspektive des Z u s t a n d e s lernen" (HÜLBUSCH et a l „ 1 9 8 6 : X I I ) . M e i n Anliegen war es, d e n L e u t e n viele der vergessenen E r f a h r u n g e n wieder z u r ü c k z u g e b e n u n d ihnen zu zeigen, d a ß es v o n u n s e r e m Willen a b h ä n g t , einen verantwortungsbewußteren U m g a n g m i t der N a t u r zu pflegen. D a z u gehören die N e u g i e r u n d der Zweifel (PEIRCE, 1 9 7 5 ) ebenso wie der M u t , eine kritische A u s e i n a n d e r s e t z u n g über die N u t z u n g s möglichkeiten zu fuhren.

Die Abbildung erzählt mehrere gegensätzliche Geschichten in einer Vorratskammer Kasseler Berufskollegen aus der Folge des Zugriffes und der Zerstörung eines Stücks Landschaft. Als die Bauerei zu Ende ging und die industrielle Landwirtschaft per Propaganda Auftrieb bekam, griff der Naturschutz auf die Teile der Nahrhaften Landschaft zu. Solange nach bäuerlich-ökonomischem Verständnis gewirtschaftet wurde und dies einen gesellschaftlichen Stellenwert fand und bevor die Enteignung durch den Naturschutz per Verbotstafel ausgewiesen wurde, waren alle Gläser des Kellers voll mit Marmeladen, Gelees, süß-sauer Eingelegtem, Likören, Tees, Würz-Kräutern, Heilpflanzen, Samen uvm. Der Naturschutz ist Alibi und die Kehrseite der landwirtschaftlichen Industrialisierung. Die staatlich vorgeschriebene Landespflege fördert die Verbrachung der Landschaft und ist für das Verschwinden der Nahrhaftigkeit verantwortlich. Volle oder leere Gläser? Naturschutz durch bäuerliche Landnutzung? Oder: Naturschutz durch staatliche Pflege? Das Foto stammt von der Titelseite des Notizbuches 42 „Land und Lüge" der Kasseler Schule nach einer Idee von Florian Bellin, Helmut Böse-Vetter und Frank Lorberg, 1996.

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1 9 [ 8 3 ] 8 8 : F r a u e n , die letzte

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-

1989:

Das Naturgarten-Handbuch

für

Praktiker.

Aarau, Stuttgart. WITHALM, B. - 1955: Naturgemässes Volksheilbuch. Homöopathischer Hausarzt, altbewährte Kräuterrezepte. 12. Aufl. Graz, Stuttgart.

Zeichnungen und Photos wurden im wesentlichen selbst angefertigt. Einige Zeichnungen den aus dem Bildhand3

278

„Exkursionsflora" von Werner ROTHMALER, (1987)

wur-

entnommen.

Register der Krankheiten Abführmittel 36, 122, 188, 230f., 240

Diätikum 224

Abmagerung 226f., 2 4 2

Drüsengeschwülste 214

Abszesse 83

Durchblutungsstörungen 135, 234

Akne 226

Durchfall 36, 83, 111, 113, 122, 175,

Angina 113

186

Appetitlosigkeit 51, 94, 139, 142, 219, 225, 2 4 2

Eiterung 226

Arthrosen 234

Ekzeme 183

Asthma 225

Entwurmungskur 228, 230

Atemwegserkrankungen 52, 224, 226,

Entzündungen 72, 94, 113, 175, 184,

230

227, 234, 251

Ausschläge 94, 113, 183

Epilepsie 215, 227

Bandwurm 162, 230f., 250

Erkältung 120, 135, 162, 167, 225

Beruhigungsmittel 93

Erschöpfung 226

Bettnässen 234

Erweichung des Rückenmarks 215

Erfrierungen 2 1 5 , 2 3 5

Blähungen 36, 51ff., 122, 139 Blasenkrankheit 125, 131, 137, 162, 167, 182, 226, 242f. Blasensteine 167 Bleichsucht 226

Fehlgeburten 188, 234 Fieber 88, 119, 125, 131, 133, 150, 167, 175, 217, 227

Blutarmut 64, 226

Fieberblasen 131

Blutauffrischung 240

Frostbeulen

Blutgerinnungsmittel 229

Fußbäder

113,130 150,235,244

Blutreinigung 83, 137f., 162, 182 Blutspeien 2 4 2

Gallenleiden 182

Blutstillmittel 124, 139, 244

Gelbsucht 64, 150

Blutsturz 175

Gelenksentzündungen 234

Blutungen

geschwollene Leber 243

175,227

Brandwunden 126, 133, 150

Geschwüre 99, 119, 130, 214, 225

Brechreiz 227

Gicht 23, 125, 131, 138, 167, 182f„

Brennen in Luftröhre und Lunge 130,

226 Bronchitis 52, 137, 225, 242

229, 2 3 4 f „ 244 Gliederschmerzen

131,252

Grippe 120, 125, 135, 137, 182

Bruststechen 167 Halsentzündung 72, 175 Darmreinigung 52, 229

Hämorrhoiden 64, 113, 126, 130f.

Darmschleimhautentzündung 113

Handbäder 244

Darmtuberkulose 225

Harnsteine 244

Darmwürmer 229, 234

harntreibendendes Mittel 92, 94, 150,

Diarrhöe 227

162, 167, 244

279

I Register der Krankheiten

Harnverhalten 125, 183, 244 Harnwegsbeschwerden 2 2 6 Hauterkrankungen Heiserkeit

183,215

135,224

Milchentwicklung in der Schwangerschaft 224 Milzleiden

150,242

Milzregulation 2 4 2

Hexenschuß 1 3 8 , 2 2 9 , 2 3 4

Munderkrankungen 188

Hüftschmerzen 215 Husten 36, 51, 135ff., 150, 224, 242f.

Nabelgeschwüre 130

Hysterie 188

Nasenbluten 215 Nervenkrankheiten 214

Ischias 1 6 7 , 2 5 2

Neuralgie 234

Katarrh

Nierenkrankheit 162

Neurodermitis 83 137,225,242

Nierensteine 182

Kehlkopfkatarrh 225 Keuchhusten

137,150,224

Knochenbrüche 215

Ohrenerkrankungen

150

Knorpelbrüche 131 Kopfschmerzen 189, 229, 243

Prostatabeschwerden 125, 131

Krampfadern 64, 235 Krämpfe 52, 111, 188, 215, 230, 252

Rachitis 5 2 , 2 3 4 , 2 5 2

Krampfschmerzen 188

Rheuma 23, 52, 64, 125, 131, 138, 150,

Kreislaufprobleme 240

167, 175, 182, 229, 234f., 244, 250f.

Kreuzschmerzen 251

Ruhr 150, 175

Kropf 227, 235 Schlafstörungen 93, 150, 234 Lahmheit 234

Schlaganfall 240

Lähmungserscheinungen 215

Schmerzmittel 119, 150, 162, 174, 182,

Läuse und Flöhe 48, 228f., 250f. Leberleiden 52, 64, 162, 182f„ 230, 234, 243

188, 215, 229, 2 5 2 Schwäche 2 2 7 , 2 4 3 Schwerhörigkeit 234

Leberregulation 2 4 2

Schwindsucht 150, 214, 227, 242

Lungenentzündung 225

Sehstörungen 150

Lungenerkrankungen 120, 150

Seitenstechen 167

Lungengeschwüre 225

Skorbut 136, 182f„ 225

Lungentuberkulose 224

Steinleiden 162, 183

Lymphknotenerkrankungen 175

Stoffwechselerkrankung 62, 162 Stummheit (Zungengicht) 234

Magenkrankheit 52, 56, 94, 134, 162,

Syphilis 183

167, 175 Magenreinigung 191, 2 2 9

Taubheit

Magenschleimhautentzündung 112,

Trübung der Augen 234

150,234

184, 2 2 6 Magenübersäuerung 226 Mandelanschwellungen

Menstruationsprobleme 52, 83, 150, 227

280

Unterleibskrämpfe 94, 188, 2 4 2

113,175 Verbrennung 234

Stichwortregister •

Verdauungsstörungen 139 Vergeßlichkeit 234

Wunddesinfektion 96, 99, 124, 234, 251

Vermehrung der weißen und

Wundheilung 83, 124, 130f., 243

roten Blutkörperchen 225 Verstauchungen 114

Zahnschmerzen 150, 215 Zellulitis 150,244

Wassersucht 138, 162, 167, 182f.

Zerrungen 114

Stichwortregister Abfall 23, 167, 213, 258, 268

Buchenasche 99f.

Acer

Buchenöl 102

116

Acer saccharum

117

Buttenerzeugnisse 162

Adlerfarn 237ff., 244, 246ff.

Buttenlikör 164

Ahornblättersauerkraut 119 Ahorne 116

Campanula

Allmende 15f., 123, 258

Carum carvi

Alpenampfer 27ff.

Cetraria isLindica

Amantia muscaria

212

48, 50 57, 217, 223f.

Cirsium spinosissimum

Ampfergärten 27, 44ff. Apfel-Löwenzahnsalat

70ff.

42, 57

Cornus mos 168 63

Aromastoffe 18f., 261

Desinfizieren 96, 99, 124, 251

Aruncus dioicus

Dirndl-Likör 174

84

Asparagus officinalis

24, 92

Dirndln 168 Dirndl-Schnaps 174

Balsambaum 126, 131 ff.

Dryopterisfilix-mas

229

Balsamersatzstoffe 133 Balsamharz 130, 132f.

Echte Mondraute 243

Balsamöl 126, 130f.

Efeu 143, 147ff.

Balsampappelarten 133

Eichelbrei 109

Balsamsalbe 131

Eichelkaffee 110

Bandwurmkur 230

Eicheln 105ff.

Baumnutzungen 99ff.

Eichen 99ff.

Bergahorn 116ff., 146

Eichen-Galläpfel

Bergscharte 76ff.

Eichenrinde 113f.

Bienen 84, 96f„ 118, 124

Einstreu 23, 122, 230, 248, 251

Blackenäcker 27, 44

Erdäpfel 24, 39, 65, 74, 143, 190, 198f.,

Botrychium

lunaria

243

Brombeere 151 f.

lllf.

206, 208ff„ 228, 249f. Erdbeere 151f., 249, 254

Brotmehlstreckung 100, 105, 122, 146, 238 Buchecker 99f., 102f„ 142

Fagus sylvatica 99 Farnasche 249

281

Stichwortregister •

Verdauungsstörungen 139 Vergeßlichkeit 234

Wunddesinfektion 96, 99, 124, 234, 251

Vermehrung der weißen und

Wundheilung 83, 124, 130f., 243

roten Blutkörperchen 225 Verstauchungen 114

Zahnschmerzen 150, 215 Zellulitis 150,244

Wassersucht 138, 162, 167, 182f.

Zerrungen 114

Stichwortregister Abfall 23, 167, 213, 258, 268

Buchenasche 99f.

Acer

Buchenöl 102

116

Acer saccharum

117

Buttenerzeugnisse 162

Adlerfarn 237ff., 244, 246ff.

Buttenlikör 164

Ahornblättersauerkraut 119 Ahorne 116

Campanula

Allmende 15f., 123, 258

Carum carvi

Alpenampfer 27ff.

Cetraria isLindica

Amantia muscaria

212

48, 50 57, 217, 223f.

Cirsium spinosissimum

Ampfergärten 27, 44ff. Apfel-Löwenzahnsalat

70ff.

42, 57

Cornus mos 168 63

Aromastoffe 18f., 261

Desinfizieren 96, 99, 124, 251

Aruncus dioicus

Dirndl-Likör 174

84

Asparagus officinalis

24, 92

Dirndln 168 Dirndl-Schnaps 174

Balsambaum 126, 131 ff.

Dryopterisfilix-mas

229

Balsamersatzstoffe 133 Balsamharz 130, 132f.

Echte Mondraute 243

Balsamöl 126, 130f.

Efeu 143, 147ff.

Balsampappelarten 133

Eichelbrei 109

Balsamsalbe 131

Eichelkaffee 110

Bandwurmkur 230

Eicheln 105ff.

Baumnutzungen 99ff.

Eichen 99ff.

Bergahorn 116ff., 146

Eichen-Galläpfel

Bergscharte 76ff.

Eichenrinde 113f.

Bienen 84, 96f„ 118, 124

Einstreu 23, 122, 230, 248, 251

Blackenäcker 27, 44

Erdäpfel 24, 39, 65, 74, 143, 190, 198f.,

Botrychium

lunaria

243

Brombeere 151 f.

lllf.

206, 208ff„ 228, 249f. Erdbeere 151f., 249, 254

Brotmehlstreckung 100, 105, 122, 146, 238 Buchecker 99f., 102f„ 142

Fagus sylvatica 99 Farnasche 249

281

I Stichwortregister

Farnbett 2 2 9 , 2 5 2

Kalium 24, 100, 167, 204, 249

Farnbrühe 2 5 2 , 2 5 4

Kernnutzungen 167

Farne in der Heilkunde 239

Kissel 192

Farnsporen 228, 234

Knappheit 16, 227, 267f.

Feldahorn 119

Königsfarn 229, 237, 244

Fermentation 140, 151 f.

Komelkirsche 168, 170, 172, 175

Fermentierung 152

Kornelkirschen-Marmelade 170

Fichtenlikör 136

Kümmel 17, 48ff.

Fichtensirup 136

Kümmellikör 52

Fichtentriebe 135ff.

Kümmelwurzel 56

Flechten 27, 57f., 195, 218ff. Flechtensirup 225

Lakritze 240, 242

Flechten-Suppen 57f., 217ff.

Lampionblume 176

Fliegenpilz 212ff.

Lanzenfarn 250

Frauenfarn 235f.

Laubmehle 139, 146 Lavasch 174

Gärgetränke 193

Linden 120

Glockenblumen 66ff.

Lindenblätter 122 Lindenblättersalate 121

Hagebutten 159ff.

Linden-Fasernutzung 120

Hagebuttenkerne 161, 167

Loranthus europaeus 113

Hagebuttensuppen 165

Löwenzahn 57, 61 ff.

Hagebuttenwein 164

Löwenzahnwurzel 65

Hanffermentierung 110 Harzung 132

Marmelade-Streckung 171

Heckenrose 159

Medizinkohle 122

Hedem helix 147f.

Melisse 97, 226f.

Himbeere 151ff.

Mineralstofflieferanten 195

Hirschzunge 242

Misteln 113f.

Hirten 27, 29, 57, 61, 99, 105, 116, 247

Most 136, 162ff„ 174f.

Holzkohle 99 Holzstampfer 191

Nachtkerze 70, 79ff.

Hopfen 93

Nadelmehle 139

Humulus lupulus 93

Nutzschweine 23, 27, 39f., 83, 99, 103, 105, 107f., 142, 221f„ 227, 251

Immenblatt 97 Isländisches Moos 135, 222ff.

Obstbau 37, 228, 254 Obstersatz 29, 34, 194

Judenkirsche 176ff.

Oenothera biennis 70, 79

Judenkirschen-Marmelade 180

Ölgewinnung 102f., 121 Olive des Nordens 172

Kaffee (Ersatz) 65, 110, 146, 161, 165, 168, 171, 194

282

Olivenbereitung 173 Osmunda regalis 237, 244

Stichwortregister

Osmunda regalis 237, 244

I

221

Pappelknospensalbe 126

Scherbett 174f.

Pferchung 45

Schnecken 23, 253f.

Phyllitis scolopendrium 242

Schneeball 184if.

Physalis alkekengi 176

Schneeballmarmelade 184

Phytheuma 66

Schnellrösten 138

Picea abies 135, 140

Schwarzer Tee 151 fF.

Pilzbratlinge 207f.

Schwarzpappel 124ff.

Pilze 10, 17, 27, 60, 94, 124, 195ff.

Schweinemast 83, 99

Pilze trocknen 200, 202, 206

Silieren 209

Pilze einwecken 209

Spargelgemüse 17, 21, 67, 88, 93, 237

Pilzextrakte 206

Speisefarne 236

Pilzfrikadellen 208f.

Speiselaub 122, 135, 146

Pilzomelette 205f.

Streckmehle 142

Pilzpulver 204

Stumpfblättriger Ampfer 37

Pilzsalat 208

Subsistenzproduktion 12, 266

Pilzschnitzel 209

Süßwurz 239f., 242, 251

Piroggen 192 Populus cf. trichocarpa 126ff.

Tannenkries 139, 143

Populus nigra 123ff.

Tannenwipfelhonig 135

Prunus padus 189ff. Pteridium aquilinum

Tannenwipfeltee 137 TS]

Taraxacum officinalis 61 Täublinge 2 0 8 , 2 1 1 Teufelskrallen 66ff.

Quercus 105ff.

Thymian 94, 96ff. Rapontikwurzel 76

Thymus agg. 96ff.

Rapunzelgemüse 66, 74

Tierheilkunde 23, 221

Rapunzel-Glockenblume 70ff.

Tilia 120

Rapunzelpflanzen 66ff.

Toilettenpapier 122, 235, 253

Rapunzelrüben 72

Trachtpflanze 96, 118

Räucherpilze 200f.

Traubenkirsche l42f., 189ff.

Rauschmittel 215

Trockenpilze 200(f., 205

Rhaponticum scariosum 76ff. Rindenverwendung

31, 45, 99, 113,

119, I42f. Röhrlsalat 64f.

Verdaubarkeit

39, 48, 51ff., 109, 122,

142, 146, 149, 175, 189, 225, 239 Viburnum opulus 184ff.

Rosa canina 159

Viscum album 113ff.

Rotbuche 99ff.

Vorratsbewirtschaftung 21, 56, 124, 143,

Rumex alpinus 28, 42, 46

145, 147, 159, 161, 211, 252, 258

Salzersatz 17, 195, 200, 204f.

Wald-Geißbart 24, 84

Sauerkraut 27, 29, 33, 39, 42, 46, 116fF.

Weidegang 2 5 , 2 1 8

Schaffutter 142, 145, 147f., 149f., 218,

Westliche Balsampappel 126

283

I Der Autor

Wildgärten

24,85

Wildschweine

Wurzelgemüse 56, 59, 7 9 , 8 2

108

Wildspargel 84ff.

Zahnputzmittel

Wurmfarn 23, 2 2 6 f „ 231f., 234fF„ 250ff.

Ziegenfutter 114, 149

Wurmfarngeist

Zuckerahorn

Wurmmittel

234

23,231,238

122

117

Zuckergewinnung

117fF.

Der Autor Michael MACHATSCHEK, 1963 in Bad Ischl geboren, im Salzkammergut aufgewachsen, studierte in Wien Landschaftsökologie, ist in verschiedenen Berufen tätig, u.a. als Hirte und freiberuflicher Landschafts- und Freiraumplaner in Österreich. Er schreibt für verschiedene Fachzeitschriften u n d fuhrt fachbezogene Projekte u n d Forschungen zur Erhaltung des alten, agri-culturellen Gebrauchswissens über Nutzpflanzen, alte Landbewirtschaftungsformen u n d Subsistenzwirtschaft durch. Wer d e m Autor Anregungen zu den genannten Pflanzen oder eigene Erfahrungen mitteilen möchte, m ö g e diese an die folgende Adresse richten: Michael MACHATSCHEK, p.A. Böhlau Verlag, Postfach 8 7 , A - 1 2 0 1 Wien.

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I Der Autor

Wildgärten

24,85

Wildschweine

Wurzelgemüse 56, 59, 7 9 , 8 2

108

Wildspargel 84ff.

Zahnputzmittel

Wurmfarn 23, 2 2 6 f „ 231f., 234fF„ 250ff.

Ziegenfutter 114, 149

Wurmfarngeist

Zuckerahorn

Wurmmittel

234

23,231,238

122

117

Zuckergewinnung

117fF.

Der Autor Michael MACHATSCHEK, 1963 in Bad Ischl geboren, im Salzkammergut aufgewachsen, studierte in Wien Landschaftsökologie, ist in verschiedenen Berufen tätig, u.a. als Hirte und freiberuflicher Landschafts- und Freiraumplaner in Österreich. Er schreibt für verschiedene Fachzeitschriften u n d fuhrt fachbezogene Projekte u n d Forschungen zur Erhaltung des alten, agri-culturellen Gebrauchswissens über Nutzpflanzen, alte Landbewirtschaftungsformen u n d Subsistenzwirtschaft durch. Wer d e m Autor Anregungen zu den genannten Pflanzen oder eigene Erfahrungen mitteilen möchte, m ö g e diese an die folgende Adresse richten: Michael MACHATSCHEK, p.A. Böhlau Verlag, Postfach 8 7 , A - 1 2 0 1 Wien.

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Michael Machatschek

t

Nahrhafte Landschaft 2 Mädesüß, Austernpilz, Bärlauch, Gundelrebe, Meisterwurz, Schneerose, Walnuß, Zirbe und andere wiederentdeckte Nutzund Heilpflanzen 2004. 135 x 210 m m . 308 S. mit ca. 200 Farbabb. Gb. ISBN 978-3-205-77198-2

Forschen hat stets etwas mit Archäologie zu tun. Man gräbt sich in die Wissensmaterie ein, kann über das Freilegen der Wurzeln und das Nachspüren alten Erfahrungswissens neue Zusammenhänge sichtbar machen. Köstlichkeiten und Kostbares wurden im Laufe der Zeit verschüttet. Heute erfährt das Volkswissen, lange Zeit als altertümlich und hinterwäldlerisch angesehen, eine Wiedergeburt, da die Möglichkeiten der Umsetzungen auf fruchtbaren Boden fallen. Der zweite Band befasst sich mit der Erforschung alten Heil- und Kräuterwissens. So ernteten die Kinder früher entlang der Schulwege „Kinderbrote" und „Naschobst". Dieses Wissen diente später den Erwachsengewordenen, um im Frühjahr Vitamin C-spendende Kräuter, Spargelgemüse, Teekräuter oder Bärlauch, Zahnwurz und Schneerosen als nahrhafte oder heilende Nahrung sammeln zu können. Waldmeister diente für die Maibowle und bestimmte Pflanzenteile der Bereitung von Blütenessig und Kapernersatz. Im Sommer nutzte man Bärenklau, Gundelrebe und Mädesuß, das berüchtigte Gartenkraut Giersch oder die Wasserlinsen der Teiche. Anhand vieler Beispiele werden Fragen zur Bevorratung, Garmachung, Aufbereitung und Haltbarmachung von Lebensmitteln, Einsatz von Aromastoffen, Gesundheit und Heilwirksamkeit der Lebensmittel beantwortet. Aus dem alten Wissen können heute wiederum völlig neue Ideen für Produkte entwickelt werden.

Wiesingerstrasse 1, A-1010 Wien, Telefon (+43 1) 3302427, Fax 3302432

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