Nahrhafte Landschaft 4: Von Ferkelkräutern, Wiesenknopf, Ziegenmilch, Ruchgras, Rasch, Birnmehl, Täublingen und Kraterellen 9783205205777, 9783205205166

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Nahrhafte Landschaft 4: Von Ferkelkräutern, Wiesenknopf, Ziegenmilch, Ruchgras, Rasch, Birnmehl, Täublingen und Kraterellen
 9783205205777, 9783205205166

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Der Autor im Kreis von Seminarteilnehmern im Großen Walsertal (Land Vorarlberg): Die Vermittlung des Bewirtschaftungswissens von Weiden erfordert eine fundierte Standortsansprache sowie Erfahrungen im Umgang mit den Pflanzenbeständen und der Viehhaltung. Der Autor lernte diese Aspekte schon als Kind auf verschiedenen Almen am Wolfgangsee im Salzkammergut und bekam so die geeigneten Voraus­setzungen für die Landschafts- und Vegetationskundigkeit mit. Diese Erfahrungen konnte er als Hirte und Senner auf Schweizer Alpen erweitern und später wiederum bei Landschaftsplanungen, Weideerhaltungs- und Meliorationsprojekten umsetzen. Um die Vegetation interpretieren zu können, bedarf es der Pflanzenkunde. Diese erlernt man am besten über die Gebräuche unserer Wildpflanzen, sei es z.B. in der Bauernwirtschaft in Form der Heu- oder Streubereitung, in der Kräuterkunde durch die Verwendung als essbares Wildgemüse und Wildobst oder in der Heilkräuternutzung für Mensch und Tier.

Michael Machatschek

Nahrhafte Landschaft 4 Von Ferkelkräutern, Wiesenknopf, Ziegenmilch, Ruchgras, Rasch, Birnmehl, Kraterellen und und anderen wildwachsenden Nutzpflanzen

Böhlau Verlag Wien . Köln . Weimar

Umschlagabbildungen: Vorderseite:

Die Art der Landbewirtschaftung bestimmt über die Güte unserer Nahrungsmittel. Jeder Eingriff zum Erwerb von Nahrung steht mit dem lokalen Gesamthaushalt einer Landschaft in Zusammenhang. Der sorgsame Umgang mit Land und Boden ist im Einklang mit den Naturkräften abzuschätzen. So stellt z.B. der Wechsel zwischen Acker- und Wiesenwirtschaft eine profunde Landnutzungsweise und Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit dar. Dabei verwerten die Nutztiere die Rohfaser der Wiesen, werten mit Kot und Harn die Einstreu auf und erzeugen somit den notwendigen Dünger für die Äcker. Richtig bewirtschaftete Heuwiesen bauen Humusformen auf, welche vom Acker benötigt und abgebaut werden (Buckelige Welt, Land Niederösterreich).

Rückseite:

Die genäschige Ziege Tara setzt aufkommenden Gehölzen und unliebsamen Pflanzen in den Weiden zu. Alle Ziegen besitzen dieses selektive Fressverhalten. Mit der Beweidung durch Nutztiere erfolgen die Erhaltung einer offenen Kulturlandschaft und die Schaffung einer höheren Artenvielfalt. Die Rohfaserverwerter geben somit Voraussetzungen, von denen die Wildkräutler einen Nutzen ziehen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co.KG, Wien . Köln . Weimar, www. boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. © Fotos: Michael Machatschek, Hermagor Korrektorat: Josef Georg Majcen, Graz Umschlaggestaltung: Susanne Keuschnig, Wien Satz, Layout: Ulrike Dietmayer, Wien Bildbearbeitung: Pixelstorm, Wien Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Printed in Europe ISBN 978-3-205-20516-6

Im Anblick der Natur unsere Eigenmacht bewahren. Dieses Buch ist Fèro (Ferruccio Valentini) aus Tuenno (heute Ville d’Anaunia) gewidmet. Der kritische Landschafts- und Naturbeobachter lebt in einfacher ­Weise im Nonstal (Val di Non) der Provinzregion Trient/Trentino, wo er sich inmitten der Berge als Wildkräuter- und Fossiliensammler betätigt. Wegen seines Einsatzes um die Erhaltung einer unverfälschten Natur wird versucht, ihn behördlicherseits einzuschüchtern. Fèro hat niemanden etwas zuleide getan, ganz im Gegenteil, s­eine Gutmütig­keit und Gastfreundschaft, Gaben wie Käse, Wein und Selbstbevorratetes bedingungslos weiterzureichen, sieht er als Verpflichtung. Er durchstreift die Bergwälder seiner Region seit Kindheit an und wird heute wegen Sammlertätigkeiten gerichtlich verfolgt. Sogar ein Betretungsverbot wurde ausgesprochen. Mit diesem Vorwand versucht man kritisch denkende Leute mundtot zu machen. Seit alten Traditionen werden hier wie auch anderswo fWildkräuter gesammelt und für Nah-

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Widmung

rungs- und Heilzwecke verarbeitet. Das Sammeln ist eine Art der gelebten Wissenserhaltung. Der Gebrauch und die Verarbeitung der Sammelwaren führen zur Weitergabe des Wissens an die nächsten Generationen. In den abgelegenen Tälern, da wo noch die Menschen fernab der üblichen Geldwertorientierung wirtschaften, dort liegt das uralte Wissen zum Überleben verborgen. – Was ist das für eine Welt, in der durch die Unterwerfung der Natur nun auch die letzten unberührten Landschaften der Profitgier und dem Ökonomismus ausgesetzt werden? – Was ist das für eine Welt, in der die letzten Sammler und Wahrer des Naturwissens ihre Berechtigung verlieren, indem ihnen der „Lebens­ stoff“ und die „Lebensenergie“ genommen werden? – Was ist das für eine Welt der Ignoranz und des Opportunismus, in der sich alle Menschen in konforme Wesen verwandeln lassen und somit den neuen Formen der Sklaverei unterworfen werden? – Was ist das für eine verrückte und entmenschlichte Welt geworden, die den Hausverstand, die Empathie und Naturnähe verweigert und uns die Eigenschaften von Konsummarionetten aufzwingt? In den Jahren, wo Du den Akten normalen Lebens und den Arbeiten in der Landschaft nachgingst, kristallisierten sich aus den Wahrnehmungen und eingefahrenen Momenten Erfahrungen heraus. Es entstand und verfestigte sich Dein Wissen über die Zusammenhänge in der Natur. Die Erscheinungen sind Dir begegnet mit dem Sinn, sie für Dich bewusst und nutzbar zu machen. Schön, wenn Dich nichts aus den Angeln heben kann. Fèro, wie bewahrst Du das Vertrauen, die Gelassenheit und Deine erstaunliche Fröhlichkeit? Wie sehr hast Du unsere Herzen berührt, als wir Dich eines Vormittags überraschend aufsuchten! Es war eine Selbstverständlichkeit uns in Deine Behausung einzuladen und uns durch die Landschaft zu führen, um Einblick in Dein Tun zu gewähren. Im Anblick der Natur kann uns niemand unsere Eigenmächtigkeit nehmen. Unser Wirken wird Sprossen und Samen gedeihen lassen, aus denen sich Verästelungen und neue Keime entwickeln werden und „­diese Pflänzlein“ werden das Land besiedeln und andere grüne Herzen erblühen lassen.

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Nahrung ist kein Schicksal Zweifelsohne benötigt der Mensch einen „Bedarf “ an Nahrung, Zuneigung und Behausung. Haus und Nahrung ist käuflich, ehrliche Zuneigung nicht. Die Spektakelwelt des Konsums redet uns „Bedürfnisse“ ein. Doch der Mensch ist erst dann frei und unbekümmert, wenn er keine Bedürfnisse hat und keine törichten Leidenschaften verfolgt. Wer konstant nach tradiertem Wissen fortschreitet, unterliegt nicht unbedingt dem Fortschritt der Moderne, sondern inkludiert Neuerungen in das Gebrauchswissen. Die Erneuerungsfähigkeit sollten wir uns erhalten, um in der Zukunft bestehen zu können. Die Kräuternutzung war vor der heutigen Kulturnahrung vorhanden. Sie stellt das ureigenste Lebensmittel dar und das Wissen darum wurde seit Anbeginn der Menschheit weitergegeben.

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❚ Selbstgenügsamkeit und Wahrhaftigkeit

Ganz gewiss stellt die Beweidung der Straßenränder und Steilflächen z. B. mit Schafen eine sehr kostengünstige und ökologisch-orientierte Flächenpflege dar. Leider erfahren die Wanderschäfer in Europa seitens der kommunalen Verwaltungen keine oder eine unzureichende Unterstützung (das Bild entstand in Friaul, Norditalien).

Selbstgenügsamkeit und Wahrhaftigkeit Die Welt der Kräuter bringt uns jene Unabhängigkeit und Eigenmacht zurück, welche wir durch die überbordende Spaß- und Konsumwelt verloren haben. Das Pflanzenwissen stellt eine Basis dar, aus unserem unmittelbaren Tun des Erntens in der Landschaft zu überleben und die Selbstgenügsamkeit und Zufriedenheit täglich zu erneuern. Die Kräuterkunde kann als Mythos der „seligen Kräuterhexen“ dargestellt werden. Diese unkritische Betrachtung einer Subkultur erscheint reaktionär, romantizistisch und voyeuristisch. Doch auf der „Straße der Mythen“ werden die Kräuter reaktionär verhandelt und ihnen wird durch diese Einstellung jeder Wert für die Zukunft verweigert. Im Kräuterwissen steckt „vorgeleistete Arbeit“. Es ist allzeit ein brauchbares und umsetzbares Überlebenswissen unabhängig der ideologischen Einflüsse.

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❚ Selbstgenügsamkeit und Wahrhaftigkeit

Ganz gewiss stellt die Beweidung der Straßenränder und Steilflächen z. B. mit Schafen eine sehr kostengünstige und ökologisch-orientierte Flächenpflege dar. Leider erfahren die Wanderschäfer in Europa seitens der kommunalen Verwaltungen keine oder eine unzureichende Unterstützung (das Bild entstand in Friaul, Norditalien).

Selbstgenügsamkeit und Wahrhaftigkeit Die Welt der Kräuter bringt uns jene Unabhängigkeit und Eigenmacht zurück, welche wir durch die überbordende Spaß- und Konsumwelt verloren haben. Das Pflanzenwissen stellt eine Basis dar, aus unserem unmittelbaren Tun des Erntens in der Landschaft zu überleben und die Selbstgenügsamkeit und Zufriedenheit täglich zu erneuern. Die Kräuterkunde kann als Mythos der „seligen Kräuterhexen“ dargestellt werden. Diese unkritische Betrachtung einer Subkultur erscheint reaktionär, romantizistisch und voyeuristisch. Doch auf der „Straße der Mythen“ werden die Kräuter reaktionär verhandelt und ihnen wird durch diese Einstellung jeder Wert für die Zukunft verweigert. Im Kräuterwissen steckt „vorgeleistete Arbeit“. Es ist allzeit ein brauchbares und umsetzbares Überlebenswissen unabhängig der ideologischen Einflüsse.

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Unser in die Irre geführtes Denken fördert die Tendenz, die Menschen von den natürlichen Lebensquellen abzutrennen. Die Ausrichtung des Lebens auf das Geldverdienen, Freizeit und vier bis sechs Wochen Urlaub pro Jahr schafft erschöpfende Abhängigkeiten, aber keine Befreiung und Ausgleiche. „Heute stellt sich die Situation anders dar. Die Zukunft scheint gegenwärtig geschrumpft, und die Vergangenheit wird als überflüssig dargestellt, schrieb John Berger (2003). Der Glaubwürdigkeit der Worte und Bilder in den Medien vertrauen wir, obwohl sie uns großteils verheißungsvoll zu täuschen beabsichtigen. Die Vorzüge des Beliefertwerdens mit Konsumgütern sind nur scheinbar, sie lenken uns vom eigentlichen Leben ab. Die Menschen leben schon lange nicht mehr würdig und wahrhaftig.

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❚ Selbstgenügsamkeit und Wahrhaftigkeit

Im Wandern, Sammeln, Gärtnern und Nutzen der Landschaft liegt die Bedeutungskraft der Natur. Diese Tätigkeiten und Naturkontakte wirken meditativ im Sinne des Japaners Masanobu Fukuoka (1913 bis 2008), der im Einklang mit der Natur gearbeitet und gelebt hat. Wenn wir mit Ruhe durch die Landschaft gehen, darin Arbeiten verrichten, die Natur betrachten und wir in uns gehen können, so vernehmen wir die Zeit und die Weite des Raumes und stellen die benötigten Bezüge zur inneren Natur her. Daraus lernen wir, mit uns selber anders umzugehen. Wer die Blumen als das Lächeln der Erde und die Blüten als das Lächeln der Pflanzen betrachtet, sieht die Welt anders. Man merkt erst dann die Arroganz, welche sich der elitär gewordene Mensch gegenüber seinem Leben und der Natur herausnimmt. Jeder Mensch lernt auf eine andere Weise durch die unmittelbare Bezugsherstellung von den natürlichen Verhältnissen. Um diese Verbundenheit beizubehalten, sind die Vermittlung der Naturkenntnisse und die Möglichkeit der Naturaneignung unumgänglich. Das Wissen um die Natur ist in Verantwortung an die nächsten Generationen weiterzugeben. Karl Heinrich Hülbusch schreibt in seinem Aufsatz „Heilende Landschaften?“ 2005: „In einer Landschaft mehr zu sehen, als die Werbung von uns erwartet, dass ich dieses oder jenes beladene Interieur genieße – was ja schlicht langweilig ist –, setzt voraus, dass ich statt Vorurteilen über einige Kenntnisse verfüge.“

Das kalkhaltige Standorte bevorzugende Narzissen-Windröschen (Anemonastrum narcissiflora) gilt mittlerweile als eine unbekannte Heilpflanze. Das „Berghähnlein“ fand in der Volksmedizin als wirksames Mittel aufgelegt gegen rheumatische Beschwerden und bei Wechselfieber, sowie als reinigendes Mittel bei Ausschlägen, Flechten, Hautunreinheiten und Geschwüren Einsatz. Dabei wurde ausschließlich der frische Saft der angepressten Blätter auf betreffende Stellen oder der Wurzelsaft für diesbezügliche Umschläge oder zur Erweichung von Verhärtungen verwendet.

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Inhalt

 8 Selbstgenügsamkeit und Wahrhaftigkeit 15 Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung





48 Nahrhafte Landschaft – Von der neuen Allmacht der

Kräuter und vom Heilen durch sich selber 81 Der gesundheitliche Wert der Geißmilch steht in Abhängigkeit zur Nahrhaftigkeit von Weide und Futter

FRÜHLING 99 Der Kleine Wiesenknopf (Sanguisorba minor) bietet ein erstes



kräftigendes Frühlingsgemüse

107 Der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) – eine selten gewordene Heilpflanze 1  1 4 Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse – eine kleine kulinarische Übersicht 126 Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria) ist eine der ältesten Kulturpflanzen Europas 142 Das Blasen-Leimkraut (Silene vulgaris) – eine wunderbare Wildgemüse-Art 154 Das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium) – ein ergiebiges Sprossen-, Blatt- und Spargelgemüse 165 Der Rindentee des Faulbaums (Frangula alnus) – ein Mittel gegen Verstopfungen und zur Entschlackung

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❚ Inhalt

SOMMER 176 Der G’schmierte Michl – Die kraftgebenden Ferkelkräuter (Gattung Hypochaeris) und ihre Bitterstoffe 191 Das Ruchgras (Anthoxanthum adoratum) gibt dem Heu den Duft, kündigt Regen an und dient als Aromamittel 205 Natürliches Antibiotika „Columbine Flower“ – Über den arzneilichen Nutzen der Akeleiblätter 220 Frische Malvenblätter und -früchte sind gut bevorratbare Lebensmittel vom Sommer bis zum Herbst 243 Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides) zur Herstellung von Flechtschuhen, Matratzen und Polsterungen

HERBST 265 Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz aus dem Haselstrauch (Corylus avellana) 285 Das Birnenmehl als Süßstofflieferant und vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten 300 Es war ein Kraterellen-Fest – Erfahrungen sammelt man wie Pilze

WINTER 313 Das Jätgut verwertete Marianne im Kräutersalz 320 Pilzpulver – Die wichtigsten Pilze für die Würzpulverherstellung 331 Ist das Kaffeewürzen schon verloren gegangen?

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❚ Inhalt

345 AUS DEM GELD SEIN … Eine reale Geschichte zur Selbstversorgung

353 Literatur- und Quellenverzeichnis 358 Allgemeines Stichwortverzeichnis 365 Krankheiten und betroffene Körperteile 370 Der Autor: Michael Machatschek

Dinkelreis mit in Butter geschwenkten Blütenknospen der Schwarzwurzel

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Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung Wenn wir frei auf die Dinge zugehen können, werden wir sie liebenlernen. Und nur durch die lieb gewonnenen Dinge erkennen wir den Wert des Lebens. Wenn man das Wissen der Landnutzung dokumentiert, soll es aus der Erfahrung kommen.

Eine Landschaft zu verstehen, ist kein Geheimnis, und doch tritt sie jedem anders vor Augen, da jeder Mensch aus einer anderen Erfahrungswelt kommt und einen anderen Blick für die äußeren Erscheinungen hat. Das jeweilige Wissen, welches wir mitbringen, öffnet uns dementsprechend ein Tor zu einem tiefgründigeren Verständnis einer Gegend, die offenbare Unzugänglichkeit und funktionelle Allgemeinheit einer Landschaft hinter uns lassend. Jene Landschaft, wo wir aufgewachsen sind und in kindlicher Neugier die Landnutzungsweisen mitverfolgen konnten, begreifen wir unbestritten am besten, und trotz vieler Animositäten konnten die meisten von uns diese Landschaft irgendwie lieb gewinnen. Aus den Beobachtungen und der Mitarbeit wurden die täglichen Arbeitsgänge und jährlichen Abfolgen im Kontext zur sichtbaren Landschaftsausstattung verstehbar. Entsprechend unmittelbarer Arbeitserfahrungen reflektieren die Menschen nebenher die Standorte des Vorkommens von Pflanzen und Tieren. Und wer sich bei der Arbeit der Landnutzung auskennt, kann auch in anderen Gegenden die Vegetation interpretieren und die Landschaft gewinnbringend verstehen, auch wenn sich die Dinge und Situationen in eine andere Richtung verändert hatten.

Der Geruch des praktischen Lebens Der „Geruch des praktischen Lebens“ zeigte mit großer Leichtigkeit die Zusammenhänge der Einflussfaktoren einer Landschaft auf. Wir unterlagen bei unseren Betrachtungen nicht dem romantischen Blick eines Bildungsbürgertums, sondern lernten aus den Arbeiten das Über-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

lebenswissen, wie das Land nutzbar war und nutzbar gehalten werden konnte. Das sogenannte „Besitz ergreifen von seiner Umwelt“ im Sinne von Aneignung (s. bei Böse, H. 1981; Hülbusch, I. M. 1981) war uns selbstverständlich. Ich weiß heute noch genau, wo wir beim Mistanstreuen die Schlüsselblumen und Schneeglöckchen sammelten, wo wir beim Heumachen die leckeren Erdbeeren oder Kriecherl genossen hatten, wo beim Viehhüten die schönsten Steinpilze, Morcheln und frischesten Parasole zu entdecken waren oder beim Brennholzmachen die ertragreichsten Himbeerschläge und Haselhecken und auf den Weiden und Böschungen das Ferkelkraut für den Salat zu finden waren. Beim Laubrechen und den Waldarbeiten im Herbst fanden wir die letzten Brombeeren vor. Mit all diesen Augenblicken und Funden verbanden wir pro Standort prägende Nutzungseinflüsse und naturbürtige Voraussetzungen zugleich. Geologische Unterschiede in unserer Landschaft erarbeiteten wir uns später und verstanden sie aus den Geländearbeiten. Spielerische Erlebnisse und Entdeckungen machten unsere Mitarbeit auf dem Land erträglicher und interessanter und durch das Kosten und Probieren bei den Sammelgängen blieben in uns die unverfälschten Aromen und Geschmäcker der verschiedenen Vegetabilien gespeichert. Gleichzeitig prägten wir uns jeweils das Pflanzenkleid ein und konnten derlei bei weiteren Streifzügen und Spielplätzen woanders ähnlich Nutzvolles und Lohnenswertes entdecken. Durch diese Kleinnutzungen verbrachten wir die Tage kurzweiliger. Wir unterstanden einem langsameren Zeitgefüge, wodurch das Wissen in die Erinnerung getragen werden konnte und wir zunehmend den Atem für das Erwachsenenleben bekamen.

Die Ignoranz gegenüber dem Unnützlichen Als Kinder besaßen wir großes Interesse an den Geschehnissen in der Natur. Doch waren die Wahrnehmungen dieser Beobachtungen niemals dem Stigma unterworfen, unnützlich zu sein. Später hatten wir bei Landschaftsprojekten die Gelegenheiten, aus den Querbezügen zwischen Bewirtschaftungs- und Nahrungsfragen und Naturbeobachtungen ökologisch-komplexe Zusammenhänge abzuleiten. Das Ganze hatte stets etwas mit dem Einzelnen und das Große mit dem Klei-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Freilaufende Schafe und Ziegen pflegen im Frühling die Ränder der Gehölzaufwüchse und Böschungen und erhöhen mit den scharfen Hufen den Bestockungsgrad der G ­ räser auf den Wiesen. Dadurch wird der Heuertrag gefördert. Außerdem reduzieren sie junge „Unkräuter“.

nen zu tun, und die Summe der kleineren Lebensstätten und Lebensäußerungen prägte den gesamten Charakter des mit Leben erfüllten Raumes. Die noch so kleinen oder stark dominanten Unkräuter, die Gräser, Flechten und Moose, wie auch Vögel, der Plankton im Meer, Libellen oder die Feld-Grillen, welche wir als Kinder gerne mit einem Grashalm aus den Erdlöchern hervorgekitzelt hatten, sie alle haben eine gewichtige Bedeutung im Kleinen wie im Großen innerhalb der einzelnen Ökosysteme. Der Mensch sieht in der Landschaft und in der Natur eine Zweckdienlichkeit in Abhängigkeit der natürlichen Kreisläufe. Insofern versteht er sich als Glied der Natur (s. Thienemann, A.F. 1956  /1989). Frei nach Leopold (1953) kann man sagen: Wer die Entstehung der Erde und die Entwicklung und das Vorhandensein der Pflanzen und Tiere nicht erkennt, ist wirklich ein Narr. Wer die Zusammenhänge der Pflanzengemeinschaften mit den Tier- und Standorteinflüssen nicht versteht, sondern ignoriert, dem sollte die Lizenz zur Landbewirt-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

schaftung und Herstellung von Lebensmitteln entzogen werden. Viele Spektakel und Moden sind zur Triebfeder unseres gesellschaftlichen Lebens geworden. Sie organisieren in meisterlicher Ignoranz, unterstützt durch die Medien, die Wertvorstellungen und das Vergessen des Brauchbaren und der gesamtheitlichen „Urnaturwerte“ der Menschen. Die Ökosysteme sind nicht nutzlos, auch wenn wir offenbar ihre unmittelbaren Werte nicht erkennen. Der Forstökologe Aldo Leopold (1887–1948) hat diesen Gedanken erweitert formuliert: „Wildnis ist eine Absage an die Arroganz des Menschen.“ So entdeckten wir die unmittelbar nutzvollen und in authentischen Erfahrungen staunend auch die schönen Aspekte einer Gegend. Vor allem so Pflanzen wie Sonnentau, Fieberklee, schöne Orchideen, Perl- und Straußgras, Schwert-Enzian, Sumpfauge, Schwertlilien, Hauhechel, Türkenbundlilie, Teufelsabbiß, Arnika, schöne Moospolster und Farnfluren fanden später Erweiterungen, indem wir uns für entdeckte Vogelnester und deren Eierschalen, Schlangen, Ameisenhaufen oder Hirschkäfer, Wiedehopf, Spechte und verborgene Schönheiten interessierten. Mit vier Jahren beschloss ich, Bauer zu werden, und verfolgte akribisch das Arbeiten der Bauern in unserer Umgebung. Mein schmunzelnder Großvater war stolz darüber und meinte, welche Bauerstochter ich den nun im Auge hätte, damit ich an einen Hof herankäme. Damals wurden noch Getreideäcker angelegt, welche mit dem Ende der 1960er-Jahre in Dauerwiesen umgewandelt wurden. Als ich nach der Grundschule die landwirtschaftliche Lehranstalt besuchte, erfuhr ich eine ausgedehnte Unterrichtung in Botanik, Pflanzenbau, Waldbau und Tierwirtschaft etc. Mit dieser Basis tat ich mir beim Studium an der Universität für Bodenkultur leichter. Bei den Exkursionen in „Botanik Übungen“ waren wir zu viele Studenten, und Professor Wolfgang Holzner überredete mich zu einer kleinen Studienarbeit, wodurch ich als bereits Fortgeschrittener mir die Übungen ersparen konnte. So verfasste ich durch einfache Darstellung eine schriftliche Arbeit über die an mein Elternhaus angrenzenden Wiesen unserer beiden Nachbarbetriebe – die eine von einem Bauern und die andere von einem Landwirt bewirtschaftet –, indem ich die Pflanzengemeinschaften textlich darstellte. Der Unterschied lag in der hohen Abweichung der Artenvielfalt.

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Der wunderschön blühende Klappertopf oder Klåfter beeinträchtigt durch den AucubinGehalt die Gesundheit unserer Nutztiere und schmälert als „Halbschmarotzer“ den Heuertrag gravierend. Ein alter Spruch lautet: „Entweder geht der Klaft, oder es geht der Bauer“ – entweder reduziert man den Klappertopf oder der Bauer verliert seine Existenzgrundlage­.

Kindheitsentdeckungen früher und heute Im Vergleich zu diesen eingeprägten Kindheitserlebnissen ist die Landschaft heute in den meisten Fällen hochgradig ausgeräumt worden und dem Diktat des Geldes und der Maschinen unterstellt. Unabhängig heutiger Ablenkungen (z.B. durch Computerspiele, Handy, Tablet, Musik, …) können unsere Kinder und Enkel solche Erlebnisse nicht mehr wahrnehmen, da sich die Landschaften und die darin getätigten Maschinenarbeiten so radikal geändert haben, dass die Spiel- und

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Die Natur ist nicht nur in Verbindung mit der Lebensmittelsicherung zu sehen, sie schenkt auf verschiedenen Ebenen Energien und Möglichkeiten zur Entspannung. In der Kulturlandschaft steckt die in den Phänomenen und Produkten dieser Gegend verschwundene Arbeit. Schöne und wahrlich nahrhafte Landschaften als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse widerspiegeln u. a. die Wertschätzung der Konsumenten. Je artenreicher die Wiesen sind, umso gehaltvoller ist z. B. die Milch und gesünder sind Tier und Mensch. Die vorhandenen Hecken oder „Dirndlzeilern“ (Cornus mas) erfüllen viele Funktionen und die Obstbäume liefern das Obst für Speise, Dörrwaren, Kompott, Most, Essig und Laub (Bilder: Stanz in Tirol und Pielachtal in Niederösterreich).

Sammelplätze verloren gingen. Im Vergleich zu den schönen Margeriten-Glockenblumen-Wiesen findet man heute Silage-Einheitsgrünland, soweit das Auge reicht. Vielfach wurden die Wirtschaftsflächen überdüngt, entwässert und trockengelegt, sind die Raine verbuscht oder wurden eingeebnet oder aufgeforstet, viele Zäune wurden abgetragen und schöne Bächlein verrohrt. Die Pflanzenbestände unnützer Flächen werden aktuell mit schwerem Gerät gemulcht oder verfallen der Brache. Die Landwirte rasen mit ihren Maschinen durch die Landschaft, als wäre ein Krieg ausgebrochen und böte sich heute die letzte Gelegenheit zum Leben.

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Die Landschaft besitzt Indizien voller Kontexte Die Medien vermögen Landschaften schmuck und romantisch adrett darzustellen und als Abbildung einer dreisten Behauptung fast täuschend anderen Überlegungen näher zu bringen. Das schöne Bild hat zumeist nichts mit dem Kommentar zu tun, denn in den Landschaften stecken andere Wahrheiten. Die reduzierte Betrachtung auf die Erscheinung des Schönen (vgl. Machatschek, M. 1997) erklärt keineswegs die Ursachen der Landschaftsentstehung, nichts über die Lebensverhältnisse der Leute und offenbar verborgenen, herrschaftlichen Einflüsse aus Politik und Marktwirtschaft. Die in den Landschaften intendierten Absichten lassen sich nur schwerlich erahnen. Wenn wir die Phänomene wahrnehmen, glauben wir alles darüber zu wissen, wenn sie ein Ausdruck der etablierten Nutzung seien und im Dienst politischer Ordnung stünden. Doch liegen die interessanten Details und wahren Einflüsse dieser Landschaften tiefer und sind vielschichtiger zu betrachten, als wir sie uns vorstellen. Der genaue Blick auf die Ve-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

In der Kulturlandschaft ist die investierte Kulturarbeit ablesbar und neben vielen Indizien bietet vor allem die Art der Vegetationsausstattung eine Aussagekraft über verschiedene Einflüsse und zeitliche Entwicklungen: Auf die Egart- und Ackerwirtschaft folgte Vergrünlandung, aus Mischwald wurden Fichtenforste, die böschungssichernden Flurgehölze wurden mit den Jahren entfernt (hügeliges Alpenvorland im Mühlviertel, Oberösterreich). Bild rechts: Der kleine, heute mäandrierende und krebsführende Bach ist ein Produkt der agrarischen Landnutzung. Dieses neu angelegte Gewässer rührt einerseits von einer Entwässerung her, in Dürrezeiten diente es der Bewässerung und wird bis heute als Viehtränke gebraucht. Dazu sind Instandhaltungsarbeiten notwendig, von denen auch die Natur ihren Nutzen zieht (Gitschtal in Kärnten).

getation eröffnet tiefere und vielfältigere Kenntnisse im Wechselspiel zwischen Naturverhältnissen und einflussnehmender Kulturarbeit. Die verschiedenen Betrachtungsebenen eines „Stücks Landschaft“ (s. Hülbusch, K.H. 1976) lassen nicht nur einen Zugang in das Terroir naturbürtiger Voraussetzungen zum Gedeihen von Pflanzen zu, sondern eröffnen einen Einblick auf die gesellschaftlichen Bestimmungsebenen, welche die Landschaft prägen. Man könnte sagen, eine jede Gesellschaft hat die Landschaft und Nahrung, welche sie verdient

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

(s. Berger, J. 1982). Über diese Meinung muss eine längst fällige Debatte, in der vor allem die kritischen Standpunkte vertreten werden, geführt werden, denn die Bewirtschaftung einer Landschaft bestimmt die Qualität unserer Nahrungsmittel und weiters über das Vorhandensein nutzbarer Wildkräuter. Das Verschwinden jeglichen Gebrauchsund objektiven Geschichtswissens dient der spekulativen Interpreta­ tion von Landschaften und der permanenten Aufbereitung des Landes als Kolonie. „Ein Ort ist mehr als eine Gegend. Ein Ort umschließt etwas. Ein Ort ist die Ausdehnung einer Gegenwart oder die Folge einer Handlung“ (Berger, J. 2003).

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Das Land neu sehen und erkennen Um sich mit Indizien in der Landschaft zu beschäftigen, sind nachvollziehbare und überprüfbare Kenntnisse im Zusammenhang mit der Landnutzung zweckmäßig. Was die Augen sehen und die Ohren hören, daran glaubt der Mensch. Doch welche wahren Sinneszusammenhänge und Kontexte sich hinter verschiedenen Phänomenen in der Landschaft verbergen, das vermag nur das geübte Auge zu deuten und ist als eine erweiterte und tiefgründigere Geschichte des Vergleiches von Beispielen zu erarbeiten. Landschaft gibt allerdings keine Antworten, solange man keine Fragen an sie stellt, machte uns Karl Heinrich Hülbusch (1988) bei seinen Seminaren in Österreich klar. Alle ursächlichen Geschichten sind im Landschaftskleid enthalten. Viele Interpretationen sind unserem Denken entschwunden, können durch richtig gestellte Fragen erst an Bedeutung gewinnen und kontextgebunden erlernt werden. Und es sind die lokalen Geschichten der Leute, welche in diesen Gegenden leben und arbeiten, und der Einfluss allgemeiner Aspekte unserer Gesellschaft, welche in direktem Kontext als Einfluss wahrgenommen werden. Sind die Bewirtschaftungs-, Herrschafts- sowie Lebensgeschichten der Menschen verstanden worden, so ist auch der koloniale Blick der regulierenden Macht- und Wirtschaftsakteure in Frage gestellt.

Querverbindungen zur Nahrungsqualität An die ersten Bücher „Nahrhafte Landschaft“ (Bände 1 bis 3), „Laubgeschichten“ und „Alleebäume“ (alle im Böhlau-Verlag) und an das Thema „Hecken“ (im Stocker-Verlag) sei im vierten Band thematisch angeschlossen. Darin finden sich eine Sammlung von Gebrauchswissen zur Nutzung von Pflanzen und Prinzipien ihrer Verarbeitung. Anhand weiterer Handreichungen und vorgefundener Indizien und Beobachtungen sollen weitere Aspekte der Landnutzung und Kräuterkunde Erläuterungen finden. Das Buch umfasst zur Einleitung einige allgemeine Themenbereiche zu grundlegenden Aspekten der „Nahrhaften Landschaft“, zur Heilkraft der Landschaften, der darin hergestellten Nahrungsmittelqualitäten und das kranke, angeschlagene Gesundheits-

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Wenn in den Notzeiten den Menschen die Schweine zur Nahrungskonkurrenz wurden, setzten sie vermehrt auf die Ziegen- und Schafhaltung, da diese aus rohfaserreichen Pflanzen, dem Futter aus Wiesen und Weiden, Nahrungsmittel lieferten (Milch, Käse, Butter, Fleisch). In Slowenien konnten die Bauern mit zehn Melkschafen und ihrer Nachzucht das Leben bestreiten. Und zwei Ziegen versorgten ganzjährig den Haushalt einer Familie täglich mit Milch.

wesen, zu Ernährungsfragen und den Bezügen zur Natur der Mutter Erde. Die Dokumentationen zu Pflanzennutzungen stellen dabei wiederum so wie in den bisher erschienenen Bänden den größeren Umfang dar. Die Themen Ernährung und Milch wurden in diesen Band auf­ genommen, da ihre Qualitäten unmittelbar etwas mit der Art der Landbewirtschaftung zu tun haben. Welche Ziegenmilch ist die gesündere? Aus welchen Pflanzenbeständen formen die Ziegen ihre g­ehaltvolle Milch? Der Artenreichtum einer Landschaft bedingt artgerechtes Futter für unsere Nutztiere und dient der Gesundheit von Tier und Mensch. Je artenreicher die Fluren sind, umso eher kann man von einer nahrhaften Landschaft sprechen und umso gesünder sind unsere Nutztiere, umso gehaltvoller sind die Erzeugnisse und umso stabiler sind die auf das kultivierte Land ausgleichend wirkenden Ökosysteme (vgl.

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Hochleitner, P. et al. 2014). Von dieser Vielfalt in der Landschaft profitieren unmittelbar die Wildkräutler, indem sie nebenher auf ein reichhaltigeres Angebot nutzbarer Kräuter zurückgreifen können. Es geht in den Überlegungen rund um die Nutzung der Landschaft und der Nahrungsherstellung nicht um Perfektion, es soll vielmehr in den einleitenden Kapiteln etwas Systemsubversives enthalten sein, um den Status quo zu hinterfragen. Bei meinen Wanderforschungen und im Rahmen landschaftsrele­ van­ter Projekte und Vortragstätigkeiten in verschiedenen europäischen Regionen hatte ich das Glück, von beteiligten oder zufällig anwesenden Leuten Hinweise zur Landnutzung, Tierhaltung oder Kräuternutzung vermittelt zu bekommen und eine Vielzahl praktizierter Anwendungen besichtigen zu können. Dabei stand es mir offen, dort mitzuarbeiten. Mit großer Freude wuchs zu verschiedenen Fragen das Gebrauchswissen zu, wurden andernorts berichtete Nutzungen bestätigt und auf interessante Weise stets erweitert und präzisiert. Es diente dieses Wissen zu wei­teren Anlässen von Gesprächen und Nachforschungen und konnte wieder über Lehrtätigkeiten und Veröffentlichungen in Fachpublikatio­nen den Leuten zur Anwendung zurückgegeben werden. Das Sammeln von Gebrauchshinweisen war ähnlich der Rekonstruktion eines in Scher­ben zersprungenen Kruges. Spannend allemal, mit den Leuten zu reden oder auf ihren Höfen, in den Gärten oder Fluren über die Arbeit Erfahrungen machen zu dürfen und fesselnde Geschichten vermittelt zu bekommen.

Wildkräutlern – den ureigenen Kontakt mit Pflanzen und Boden pflegen Die Beschäftigung mit Pflanzen aus dem täglichen Nahrungserwerb, sei es aus dem Garten oder aus der Landschaft Essbares, Futter oder Gebrauchsgegenstände zu sammeln oder zu erarbeiten, indem die Natur „überhöht“ genutzt wird, gehört zu den ureigenen Tätigkeiten der Menschheit. Für die Menschen war das „Wildkräutlern“ überlebenswichtig. Die Tätigkeiten des Sammelns und Verarbeitens von Wildpflanzen unterstanden großteils den Frauen und bildeten die Lebens­basis

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Mit der naturschonenden Landbewirtschaftung wird eine Artenvielfalt gesichert, welche sich insgesamt auf Boden- und Tierfruchtbarkeit und auf bessere Lebensmittelqualität und somit auf die Gesundheit und Gesamtökonomie eines Betriebes gut auswirkt (im Bild Mittlerer Wegerich, Rauer Leuenzahn, Bibernelle, Gold-Pippau, u. v. m.).

einer­Gemeinschaft. Das Stellen von Tieren lieferte ab und zu Fleisch. Die spätere gärtnerische und ackermäßige Kultivierung von gezüchteten Arten basierte auf den Erfahrungen des Wildpflanzengebrauchs. Pflanzen sammeln oder die Böden so zu „stören“, um bestimmte Pflanzen zu fördern, war leichter als die Bejagung der Wildtiere. Heute wird das „Kräutlern“ vielfach als Hobby und Luxus betrachtet und wird von einigen Naturvermittlern esoterisch verbrämt in Szene gesetzt. Es wird so getan, als seien die Wildkräuter überall und allzeit ausreichend kostenlos verfügbar, und man müsse sich nicht um ihr Vorhandensein kümmern. Wenn es um den praktischen Gebrauch geht, bewegen sich viele Möchtegern-Kräutler in der Imagination oder Theorie und holen sich das Wissen aus dem Internet, und garnieren das Kräuter-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

wissen mit etwas Großmutter-Geschichten ihrer Kindheit. Das Gesagte beruht in seltenen Fällen auf mehrjähriger praktischer Erfahrung. Doch sind beim praktischen Umgang mit Wildkräutern die gesundheitsfördernden Effekte des Kontakts mit der Natur Faktum: Das Handeln mit Kräutern bringt den notwendigen Kontakt mit der Mutter Erde mit sich und legt uns das Einfache in dankenswerter Weise so nahe, dass es uns die Unbilden des Lebens vergessen lässt, indem wir für kurze oder längere Momente wieder in das Urwesen menschlichen Lebens eintauchen können. Das regionale Vorkommen, die verschiedenen Standortansprüche, die jahreszeitlichen Verschiedenheiten und Wachstumsphasen, das Auskommen mit wenigen Voraussetzungen zum Gedeihen/Wachsen der Pflanzen erzählen herrliche Geschichten – und doch liegt mehr in der Bedeutung.

Die bäuerliche Ökonomie hat ihren Selbstschutz verloren Neben der Beschäftigung mit Fragen im Zusammenhang mit Landschaft, Heilkräutern und der Ernährung seien im vorliegenden Band abschließend Beispiele der existenziellen Aspekte unseres Lebens, der persönlichen Lebensgestaltung in Bezug auf Ernährung, Selbstversorgung, landwirtschaftliche Initiativen, Marktgeschehen und Geldverdienen angeführt. Diese Kernthemen weichen in Bereiche aus, welche zur Mitte der Probleme und verständnisbildend zu Lösungen führen sollen. Bei der Betrachtung von Querverbindungen der Tätigkeiten in der Landschaft kreuzen wir unweigerlich die Wege anderer B ­ iografien, um zu sehen, wie diese Menschen ihre Lebenssituationen meistern oder den Alltag bewältigen. Diese ähnlichen biografischen Annäherungen von Nachbarn, Bauern, Handwerkern, Häuslern und Haushalterinnen, Hebammen und Ärzten, Dürr- und Wildkräutlerinnen, Sammlern und Wanderern usf. helfen, über deren und somit über unser Tun und das Treiben der Zeit nachzudenken. Denn umgekehrt stecken hinter den Nutzgeschichten der Pflanzen viele Menschengeschichten mit Freude aus der Heilung und mit der Not in der Krankheit und der Errungenschaft, das in vielen verschiedenen Fällen „erfahrene Heilwissen“ mit hoher Garantie und bei verschiedenen Beschwerden anwenden zu können.

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Die Gebrauchszusammenhänge veranlassen uns, die Phänomene in der Landschaft im Bezug zu den Lebensabhängigkeiten im Guten wie im Schlechten zu verstehen und daraus Schlüsse zu ziehen (vgl. Hülbusch, I. M. 1978). Die Pauschalierungen und Verallgemeinerungen, von gut und schlecht, von wahr und unwahr sind eigentlich schon die verlogenen Stigmen, welche von den wahren Qualitäten, den wahren Inhalten und den Bedarfsnotwendigkeiten des Menschen ablenken. Dazwischen bestehen andere Wahrheiten und Wertigkeiten, welche die Leute für sich selber zu bestimmen haben und nicht von außen mit dem versteckt kolonialen Blick regulierender Vorschreibungen drübergestülpt werden können. Der „externe Blick“ unterliegt dem Einfluss der Propaganda und dient zur Lenkung der Bereicherungs- und Ausbeutungsinteressen. Und das in vielen Beispielen verschiedener Gegenden hergestellte Obst und Gemüse muss nicht unbedingt gesund sein, wie uns die Ernährungsberater weismachen wollen, und Fleisch und Milch können bei guter Herkunft und Tierhaltung eine ausgezeichnete Qualität haben. Die Frage der Kultivierung, Standortbeeinflussung, Futter- und Tierhaltungsqualitäten bestimmen den Wert guter Nahrung oder ihrer Verwerflichkeit. Das Bauernleben hat sich völlig gewandelt. Das gilt es in der Landschaft zu verstehen, und die Vegetationsausstattung ist ein lesbares Indiz zur Interpretation dieser Phänomene. „Bis vor nicht langer Zeit ist landwirtschaftliche Ökonomie immer eine Ökonomie innerhalb einer Ökonomie gewesen. Es ist diese Tatsache, die sie befähigte, die globalen Umwälzungen der übergreifenden Ökonomie zu überleben – feudale, kapitalistische, sogar sozialistische. Diese Umwälzungen brachten Wandlungen im Modus des Überlebenskampfes des Bauern mit sich, aber die entscheidenden Veränderungen ereigneten sich in den Methoden, mit denen ihm der Überschuss abgepresst wurde: Frondienst, der Zehnte, Pacht, Steuern, Naturalien, Darlehenszinsen, Produktionsnormen usw. Anders als alle anderen arbeitenden und ausgebeuteten Klassen hat sich der Bauernstand immer selbst ernährt, und dies hat ihm in bestimmtem Maß eine Sonderstellung als Klasse gegeben. Soweit er den nötigen Überschuss produzierte, war er in das geschichtliche ökonomischkulturelle System integriert. Soweit er sich selbst ernährte, stand er am Rande des Systems. Und ich glaube, dies trifft auch dort und auf die Zeiten zu, wo die Bauern die Mehrheit der Bevölkerung darstellen (Berger, J. 1984: 268).

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Die Konsolidierung der Weiden entstand aus dem Einfluss des Weidegangs verschiedener Tiergattungen (durch Fressen, Vertritt und Dungeinfluss), der Rodungen (Entnahme von Gehölzen u. a. mitsamt Wurzelstöcken), Bestandesregulation (gezielte Reduktion unliebsamer Pflanzen), Standortveränderungen (wie Entsteinungen, Ziehen von Entwässerungsgräben, Bewässerung, Geländeregulation), gezieltes Ausbringen der Dünger (u.a. Stallmist, Jauche, später Gülle) und Mahd zum Erwerb von Futter bzw. Pflegemahd. Ohne diese investierte Arbeiten hätten mehrere Bauernfamilien ihre Existenz nicht bestreiten können, zumal dies eine Sennalpe war, wo einst Käse und Butter erzeugt wurden (Bild: Alpe Probst, Laternsertal, Land Vorarlberg). Durch diese „kultürlichen Maßnahmen“ – die Meliorations- und Nutzungseinflüsse zur Stabilisierung der Weidevegetation und Sicherung der Erträge – hat sich eine Pflanzendecke mit einer hohen Artenvielfalt eingestellt. Von dieser profitieren die Weide- und Wildtiere und auch der sammelnde Mensch, der hier unmittelbar nutzbringende Heilpflanzen vorfindet. Würde hier keine Beweidung erfolgen, dominierten die Buschund Waldgehölze mit einer auf „natürliche Weise“ einseitig ausgebildeten Vegetation.

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Eine bäuerliche Ökonomie ohne interne Schutzmechanismen und ohne gesellschaftliche Wertschätzung ist zum Scheitern verurteilt. Durch die Auflösung kleiner Strukturen von der Produktion, Veredelung bis hin zum Absatz und zur Vermarktung werden aus Bauern unternehmerische Landwirte gemacht. Insofern gibt es heute keine Bauern mehr, da ihnen die strukturellen Voraussetzungen zur Exis­tenz­sicherung genommen und sie wegreguliert wurden. Landwirte unterliegen den Konzernmächten und sind zu „neuen Knechten“ internationaler Wirtschaftsinteressen geworden.

Landschaft zwischen Produktion und Reproduktion Eine bäuerliche Landbewirtschaftung setzt auf die Reproduktion der natürlichen Produktivkräfte der Natur. Die produktiven Momente im Rahmen einer nachhaltigen Landnutzung kommen besser zum Tragen, wenn auf die Reproduktion der Naturkräfte Rücksicht genommen wird. Aus dem bäuerlichen Verständnis soll die Nutzung der Natur in einem ausgleichenden Verhältnis erfolgen und darf langfristig zu keiner Ausbeutung führen. Dieses Haushalten mit den Naturkräften und der Reproduktion der Naturressourcen hätte sich eigentlich der ökologische Landbau nicht nur auf die Fahnen zu schreiben, sondern diesen sorgfältigen Umgang mit den Produktionsvoraussetzungen auch vollends in die Praxis umzusetzen. Die getätigten Eingriffe wären für einen produktiven Erhalt von Erträgnissen notwendig, aber nicht zur Aufrechterhaltung eines Landschaftsbildes im Joch eines obskuren Landschafts- oder Ökologie-Begriffes. „Die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit der Natur, die die Gewinnung der notwendigen Subsistenzmittel zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse zum Ziel hat, ist ein historischer Prozeß, der in Abhängigkeit von der Entwicklung der Gesellschaft einem stän­ digen Wandel unterworfen ist. (…) Auch die sich auf spätere Zeiten forterbenden objektiven Gestaltelemente der Kulturlandschaft werden immer unter den in Raum und Zeit veränderlichen gesellschaftlichen Bedingungen gesehen“ (Neef, E. 1976). Werden Standorte von der Intensität her unterschiedlich gedüngt und genutzt, so verändern sich die Pflanzengesellschaften und ebenso lang-

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Das Gebirge bietet den letzten Rückzugsraum vieler früher weit verbreiteter Pflanzenund Tierarten, da diese Bereiche nicht unmittelbar einer monetären Nutzung unterzogen werden können, wenn z.B. das Gelände dies nicht zulässt. Viele Gebiete im Gebirge konnte sich der Mensch nutzbar machen. Diese großteils unberührten Landschaften bieten auch den Menschen Ruhezonen, wo man von den Ablenkungen der Konsumwelt entfernt ist und zur Ruhe kommen kann. Doch eine jede Landschaft kann der Erholung dienen, nicht nur in den Alpen (Bild: Karwendelgebirge, Tirol).

fristig ihre nachfolgenden Nutzungsschwerpunkte. Die Nutzung zur Erhaltung von Erträgen war die Pflege und investierte Maßnahmen dienten der Reproduktion der Standorte und umgekehrt. Deshalb gilt für die Pflanzendecke als Ergebnis der landwirtschaftlichen Produktion und Reproduktion der geschichtliche und prognostische Charakter, denn „(…) der gesellschaftliche Anlass wird meist in allgemeiner Form und ohne Differenzierung der dabei eingesetzten Arbeitsprozesse

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Die Acker-Witwenblumen öffnen uns beim Landschaftlesen ein Fenster in die Vergangenheit, wenn sie auf frühere Acker-Wechselwiesen- oder Egartwirtschaft sommertrockener Wiesen hinweisen.

genannt, und das Ergebnis wird als mehr oder weniger späte Wirkung wiederum ohne Berücksichtigung von Struktur und Dynamik der natürlichen Einheiten beschrieben und kann allenfalls als Indikator für

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❚ Ideal Wiese – Praetensis lesen lernen

Die Weidewirtschaft auf der Broglesalm (im Hintergrund mit den Geislerspitzen, in Villnöß, Südtirol) ist wie eine wohltuende Liebkosung der alpinen Landschaft. Jährlich ötzen die sömmernden Weidetiere die Weiden ab, wodurch sie eine Pflege erfahren und der Artenreichtum erhalten bleibt. Die Kühe liefern eine gehaltvolle Milch, aus der beste Produktqualitäten erzeugt werden. Die Bewirtschafter tragen durch die Reduktion der Gehölze und unliebsamen Konkurrenzpflanzen und die Mahd zur Offenhaltung der Flächen bei. Im Almzentrum befinden sich die artenreichen Heumähder, welche qualitativ hochwertiges Heu liefern.

die abgelaufenen oder noch ablaufenden Prozesse dienen“ (ebenda). Dieser Wechsel zwischen gesellschaftlichem Anlass und ihrer tatsächlich investierten Arbeit sowie die Veräußerung in den verschiedenen

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Die produktive Schönheit unserer Gärten ist ein Ergebnis des Produktionsimpulses investierter Arbeit: Seien es die Krautköpfe, die Indianernessel, Korn- oder Ringelblume, welche unmittelbar die Ernährung und Gesundheit sicherstellen. Zwischendrin kommt durch das Begärtnern spontan eine große Menge nutzbarer Bei- oder Unkräuter auf.

Phänomenen von Landschaft bereiten in besonderer Weise den Absolventen der Biologie, Ökologie, Geografie, Landschafts-, Regionalund Raumplanung besonderes Kopfzerbrechen. Sie verstehen es in seltenen Fällen, die Genese einer unmittelbaren Landschaft zu begreifen und aber noch weniger häufig daraus plausible Schlüsse zu ziehen. Vielmehr genügt ihnen ein historistisches Deckmäntelchen, um restriktiv und reglementierend, meist auch denkmalschützerisch gegen Entscheidungen der Landnutzer vorzugehen bzw. deren selbstbestimmte Intentionen zu verunmöglichen. Verallgemeinerte Konzepte auf Basis fragwürdig erhobener Grundlagen stülpt man schlicht über die Regionen drüber, ohne auf die Lebensverhältnisse der dort wirtschaftenden Leute einzugehen und um vielmehr den Regulierungen der auf den Weltmarkt ausgerichteten Agrarpolitik zu entsprechen.

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Standortfaktoren und „Lokalisationsimpulse“ Die Phänomene einer Landschaft stehen in Abhängigkeit von den „Lokalisationsimpulsen“ oder „lokalen Impulsen“, wie dies Ernst Neef (1976) benennt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit bäuerlichen, gärtnerischen Maßnahmen und mit subsistenzwirtschaftlichen Arbeiten geschehen und wirksam werden: – „Diese Änderungen – Zuführung definierter Stoffe, Entnahme bestimmter Materialien, Zufuhr von Energie, Entnahme von Energie – wirken als „Impulse“ auf das Natursystem. – Die Impulse verändern das Gleichgewicht des bestehenden Natursystems oder einzelner seiner Teilsysteme, indem sie einzelne Faktoren des Kräftegleichgewichts positiv oder negativ verändern oder auch neue hinzufügen. Diese Störung des Gleichgewichts löst Folgeprozesse aus, die mit naturgesetzlicher Notwendigkeit ablaufen. – Diese Folgeprozesse sind die eigentliche Antwort des Natursystems auf die Impulse (Impulsantwort). Sie bestehen in einer Verstärkung oder Beschleunigung bereits vorhandener Prozesse oder in deren Abschwächung. Auch können bisher nicht vorhandene neue Reaktionen als Folgeprozesse auftreten“ (ebda.). Neef führt u. a. noch weitere Zusammenhänge neuer Folgereaktionen und deren Rückkoppelungseffekte an. Und er betont: „Der Überlagerung und der Vernetzung der Folgeprozesse ist daher eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.“ Aus diesen Ausführungen kann die Behauptung aufgestellt werden, dass die Standorte, wie sie z.B. durch Sammelgänge nachhaltig genutzt werden, über den „Naturvorgang der spontanen Nebenwirkungen“ (ebda) sich in einem gewissen Sinne reproduzieren. Dies steht im Gegensatz zur Bewirtschaftung des Grünlands (zum Erhalt von Wiesenheu), wo die Stabilisierungsmechanismen für regelmäßige Erträge straffer angehalten werden, dass mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu reagieren ist: dies können z.B. Kalkung, Mistung, Bewässerung, Entwässerung, Weide, Heuschnitt vor dem Juni-Regen usf., „zur Erhaltung, Sicherung und Mehrung der Naturressourcen“ (ebda.) sein. Diese Maßnahmen als Arbeitsaufwand müssen aber - in der Entscheidung der Bewirtschafter und in Abhän-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

gigkeit der jährlich sich verändernden Situation liegend - im Verhältnis zum Ertrag stehen. Wenn sich die Wertschätzungen und Produktionsziele ändern, ist das in der Landschaft ablesbar. Insofern kommen in der Vegetationsausstattung die natürlichen Produktivkräfte wie auch die gesellschaftlichen Intentionen zum Ausdruck. Karl August Wittfogel (1932) führte an: „Der Mensch mit seiner Arbeitstätigkeit repräsentiert das Moment der Unruhe, der Bewegung. Die Natur, ursprünglich oder modifiziert, repräsentiert das Moment des objektiven Substrats, das durch seine sachliche Struktur dieser Tätigkeit einen ganz bestimmten Weg weist (oder auch nicht weist). Der Mensch, der sich in Gestalt des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses der Natur gegenüber aktiv verhält, kann doch, einen bestimmten Stand seiner gesellschaftlichen Produktivkräfte vorausgesetzt, seine Aktivität nur so gestalten, wie es die ihm zugänglichen natürlichen Arbeitsmittel und die von ihm aus der ‚Erde‘ losreißenden natürlichen Arbeitsgegenstände gestatten.“ Dies steht sowohl im Einfluss gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen aber nicht zu vergessen im Endeffekt in der Entscheidung und den Einsprüchen des/ der Einzelnen, denn „im Prozesse des Wechselspiels mit dem gesellschaftlich arbeitenden Menschen ändert sich die Natur selbst“ (ebda).

Der Subsistenzansatz und die Vielfalt in der Landschaft Die Subsistenzwirtschaft (s. bei Werlhof, C.v. et al 1983) bäuerlicher und gärtnerisch wirtschaftender Landnutzer ist im Vergleich zur agroindustriell orientierten Landwirtschaft in Form einer struktur- und artenreichen Landschaft sichtbar. Eine subsistenzorientierte Landnutzung geht aus der Bestimmung durch die Frauen nach anderen Gesichtspunkten vor, wie z. B. sorgsamer Umgang mit dem Boden, Erhaltung einer vielgestaltigen Landschaft und Tierwelt, Berücksichtigung der vier Elemente, stärkere Betonung pflanzlicher Nahrungsaspekte und regionaler Energie- und Ressourcennutzung, schonende und ethisch überlegtere Nutztierhaltung, Wirtschaften auf Ebene mehrerer Standbeine und Berücksichtigung der Produktveredelung, der Direktvermarktung und sozialen Verhältnisse, Wirtschaften in größeren Gemeinschaften und durch mehrere Arbeitsmitglieder, Orientierung auf Tauschhandel und

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Bei selber gezogenem Gemüse wie z.B. Mai- oder Stoppelrüben, Kohlgewächse und Kohlrübe usf. weiß man, was man hat! Den Wert können jene Menschen am meisten schätzen, welche die Pflanzen unmittelbar kultivieren und verwerten. Es schmeckt nicht nur besser, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein mit eigener Hände Arbeit die Grundlage für Speisen zu erzeugen und daraus Vorräte anzulegen.

Ausgleich, Sinn für das natürlich Schöne und die Künste u.v.m. Das bedeutet, der Subsistenzansatz durchdringt alle Lebensbereiche. Doch bis heute sind die Kleinlandwirtschaft und die profunde Nahrungsmittelherstellung real selten und knapp geworden, und ihre qualitativ hochwertigen Erzeugnisse werden von Restminoritäten selber verzehrt oder sehr teuer veräußert. Dies gilt erfahrungsgemäß für einen Großteil der Produkte aus den sich als „biologisch“ deklarierenden LandbauVereinigungen, und mit der Monopolisierung der Bio-Produkte wird viel Geld gemacht. Grundsätzlich müsste gelten: Alle Menschen sollen ­beste Nahrungsmittelqualitäten zu erschwinglichen Preisen erhalten und nicht nur die gut bemittelten Gesellschaftsschichten. Kulturen mit Subsistenzorientierung unterlagen den gesellschaftlichen Veränderungen, welche vom männlichen Denken bestimmt waren/sind. Machtinteressen konnten von außen in gemeinschaftlich genutzten Bereichen über direkte oder subtil wirksame Gewalt ein-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

dringen. Von innen heraus wurden diese durch Beteiligung des Volkes gefestigt. Man beutete funktionierende Lebensgemeinschaften aus und eignete sich durch Unterdrückung alle Ressourcen an. Der Kulturzeit der griechischen Hochblüte standen die Epikureer mit ihrer Lebenshaltung des Gärtnerns außerhalb der Stadtstaaten und der Politik friedlich entgegen. Ludwig Marcuse (1972) schreibt dazu: „An Platons Akademie soll eine Inschrift gewarnt haben: Wer nichts von Mathematik versteht, soll draußen bleiben. Am Eingang des Epikur soll man eingeladen worden sein: Freund, das ist ein guter Ort; hier wird nichts verehrt als das Glück.“ Bis zum Mittelalter hörte in Bezug auf die sammelbare Landschaft der Machteinfluss z.B. vor den Wäldern und den Allmenden auf. ­Heute ist er überall allgegenwärtig – bis in die kleinste Zelle des Denkens hinein mikrophysisch fremdsteuernd (s. Foucault, M. 1976). Durch „Überwachen und Strafen“ und „Brot und Spiele“ in Form von Spektakel und medialer Welten werden die Konsummarionetten unmittelbar zur Ausbeutungsressource „funktioniert“. Mit dem Interesse der Grundherrschaften an der Verwertung dessen, was der Allgemeinheit gehört, wie z.B. des Holzes, des Wildes und Wassers aus den „Allmenden“ zur Monopolisierung der Bergbau-, Eisen- und Glashüttenindustrie, erfolgte der Zugriff und somit der Raubbau in unseren Wäldern, Gewässern und an der Natur. Nahrung gehört heute den Konzernen und nicht mehr den Menschen. Die Konzerninteressen innerhalb der Staatenbünde wie z.B. der EU stehen über dem notwendigen Bedarf und Bedürfnissen der Menschen, und die primären Nahrungsmittelhersteller werden agrarpolitisch vor vollendete Tatsachen gestellt. Der wirtschaftliche Druck verlangt von den Bauern alles ab, bis diese Art der Strukturanpassung ihre Betriebe hinweggerafft hat. Dieser Betrachtungszusammenhang ist wesentlich, da man eilfertig die Schuld der Ressourcen-Übernutzung den Bauern und Landwirten unterschiebt und diese uneindeutigen Aussagen und unbewiesenen Behauptungen zur Diffamierung der Landbevölkerung bis heute heranzieht.

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Wir lassen auch dem Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas) im Garten seinen Platz. Er erfreut uns mit seiner schönen Wuchsform und Farbe und bietet den Bienen Nahrung in Zeiten, wo blühende Pflanzen in der zu intensiv genutzten Landschaft im Mangel sind. Junge Blätter werden in Salaten oder für Spinat genutzt, die grünen Fruchtkapseln können roh wie gekocht verwendet werden und aus den Blütenblättern bereiten wir Gelees und färben Fruchtaufstriche.

Zu den Gebrauchsgeschichten der Pflanzen Seit dem Zweiten Weltkrieg war die wirkungsvoll erregte Aufmerksam­ keit für die Kräuterkunde von den Medien nicht so deutlich an die Öffentlichkeit gedrungen als in den letzten 15 Jahren. Seit der NaziZeit ist sie offenbar der Ideologie entzogen, sehr wohl aber der Postmoderne erlegen. Es besteht ein großes Interesse an der Kräuterkunde, da die Menschen spüren, was in den Pflanzen für Kräfte und Wissensgebiete liegen. Vor allem steht die Ausrichtung auf das Pflanzenwissen in Verbindung mit Selbstbestimmung, Selbstversorgung und im Sicherheitsbedürfnis nach Bewährtem mit erfahrungsgeschichtlichem Hintergrund im Interesse der Leute. Das Bedürfnis, aus verschiedenen

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Holzofen-Pizza mit Wildgemüsen und -kräutern

Nahrhafte Landschaften bieten mit ihrem Potential an wildwachsenden Pflanzen bessere Nahrungsgrundlagen als agroindustriell bewirtschaftete. Zu allen Zeiten sind wir auf das Wissen der WildkräutlerInnen angewiesen – am stärksten allerdings, wenn wir durch überbordenden Ressourcenverbrauch, durch Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit, Verzüchtung der Kulturartengene, Wirtschaftskrisen und Krieg Hungerperioden heraufbeschwören.

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

Flächen, sei es im Garten oder in der freien Natur, Nahrung zu erhalten, stellt eine immerwährende sichere Zukunftsperspektive dar. Wenn wir Wildkräuter als Gemüse in der Speisezubereitung berücksichtigen, bedeutet das keineswegs einen Konsumverzicht oder einen unwiederbringlichen Ressourcenverbrauch. Zudem treiben Opportunismus und die Einvernahme des Kräuterwissens die Ziele einer Wertschöpfung aus den Nutzkräutern in unanständiger Weise voran. Wenn man die investierte Zeit für das Sammeln oder die Verarbeitung bedenkt, braucht man keine Rentabilitätsrechnungen anstrengen, denn für die Kultur der Garten- und Wildpflanzennutzung besteht keine Deckungsbeitragsrechnung, sondern andere Wertigkeiten und ein anderes Verständnis von Ökonomie. Die Ausrichtung auf Selbstversorgung, wo aus verschiedenen Flächen, sei es im Garten oder in der freien Natur, Nahrung erarbeitbar wird, stellt die einzige Zukunftsperspektive dar, um dem überbordenden Ressourcenverbrauch entgegenzuwirken. Heute glauben wir auf die Erfahrungen vergangener Zeiten verzichten zu können. Das bedeutet einerseits Verzicht auf die erprobten Kenntnisse unserer Vorgenerationen und Verleugnung der Kulturmomente der Menschheit und unserer Vergangenheit.

Lösungs- oder symptomorientierte Wissenschaft? Die Ursachen für Erkrankungen liegen im Lebensstil, in der Berufs­ situation sowie in der Art der Ernährung und Nahrungsmittelqualität. Ziel soll nicht die Entwicklung neuer Abhängigkeiten sein, wenn z. B. aus den Naturstoffen der Pflanzen, Pilze oder Bakterien oder deren abgeleiteten Substanzen neue Arzneimittel – so genannte Phytopharmaka – entwickelt werden. Vielmehr stehen die genannten Aspekte und vor allen eine gesunde Ernährung im Vordergrund, welche gleichzeitig wieder Heilmittel sein soll. Die klinischen bzw. „tot“-gemachten und in ihren Bestandteilen zerlegten Phytomittel und die Beigabe von Ersatzstoffen sind abzulehnen, denn sie sind von ihrer Wirksamkeit her fraglich und von Profitmacherei getragen. Es ist die Frage zu stellen, warum soll zu Krankheiten geforscht werden bzw. die Krebsforschung vorgeschoben werden, wenn wir heute ohnehin wissen, dass die Ursachen im Lebensstil und im fragwürdigen Nahrungsumgang liegen? Es geht

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

allein um das neue Geschäft mit Grün. Die Biodiversität wird als neue Ressource entdeckt. Wegen der neu aufstrebenden Bereicherungsallüren im Deckmantel der alternativen Weltrettung ist die Biodiversität heute en vogue geworden, sind Politik und Medien auf diese Themen aufgesprungen. Eine Wissenschaft, die den Zwängen wirtschaftlicher Rentabilität unterstellt ist, kann keine positiven Beiträge zur Verbesserung finden, sondern führt vielmehr zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensmöglichkeiten und zu neuen Abhängigkeiten.

Gesellschaftspolitische Arbeit ist notwendig Provozieren bedeutet, Situationen herauszufordern und Gedanken zur Anstrengung zu bringen, andere Leute anzustoßen und zum Nachund Querdenken oder somit zur Kreativität anzuregen. Die naive Wald- und Wiesenseeligkeit bei der Betrachtung unserer Landschaften und der oberflächliche Umgang in der Ernährung und Gesundheit entfernen uns von einem selbstständigen Umgang mit der Natur. Das Wissen um die Kräuterkunde gehört in Verantwortung unserer Vorfahren an die kommenden Generationen weitergegeben. Dies gelingt, indem wir das Kräuterwissen wieder in den praktischen Gebrauch nehmen. Die Vermittlung und Etablierung der Kenntnisse rund um die Pflanzen reichen allein nicht aus, da dieses Anliegen solange realitätsfern bleibt, so lange z.B. die Standorte der Kräuter in der Landschaft durch die Art der Landbewirtschaftung verloren gehen oder weniger verfügbar werden. Wir kommen nicht umhin, unser Tun auch politisch zu sehen. Zur Erreichung einer Breitenwirkung gehören das Netzwerken und die kritische Hinterfragung des Pflanzenbaus, der Grünlandwirtschaft, der Viehwirtschaft und der Bodenkultur dazu.

In der Einfachheit des Lebens liegt die Würze Neue Wertschöpfungen gelten laut Politik nur dann als positiv, wenn sie fiskale Mehrwerte erbringen und durch Umwegrentabilitäten weiteren Konsum im Sinne des Wirtschaftswachstums ankurbeln. Dadurch ist weiteren Maßlosigkeiten die Tür geöffnet und wird der

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Vielfach werden Lebensmittel in der Gastronomie feilgeboten, welche woanders hergestellt wurden. Authentische Produkte findet man dort, wo man die Landbewirtschaftung vorort miterleben und somit kontrollieren kann und die Erzeugnisse verarbeitet auch aufgetischt bekommt (Almsee Schrabachalm, Donnersbach, Land Steiermark).

Erziehung einer konsumgefügigen Generation kein Einhalt geboten. Das Falsche oder Unechte erfuhr eine neue Qualitätszuschreibung und wurde indes zum Echten. „Da man dafür gesorgt hat, dass nur sehr wenige Leute wissen, wo sich Authentisches noch finden lässt, kann das Falsche den Namen des entschwundenen Wahren legal für sich einnehmen“ (Debord, G. 1996). Es bestehen kaum mehr Bereiche, welche gemäß den Interessen der modernen Industrie und Marktwirtschaft beeinflusst, verseucht und transformiert wurden. Irgendwann sind alle Moden abgetragen und modischer Wechsel führt lediglich in eine Sackgasse. Warum werden absurde Produkte, welche mehr Müll sind, als sie an Gebrauch ermöglichen, den Leuten angeboten und wa-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

rum ist ein Kauf oder krankmachender Konsum unvermeidbar? Wann kommt eine Debatte über die Reduktion des Warenverbrauchs und der Verschwendungskonsumtion, indem z.B. sinnlose Produkte, der Flugtourismus oder Billigimporte hinterfragt und Waren erzeugt werden, welche länger halten und nicht im schnellen Wechsel als Müll deklariert werden? Wann wird die Kostenwahrheit offengelegt werden? Mehr Konsum bedinge nicht mehr Freiheit, mehr Lebensqualität und mehr Zeit. Das intendierte Versprechen eine bessere Welt zu bekommen, wenn Ökosandalen oder Bionahrung gekauft würden, geht in die Irre. Ökoprodukte hätten etwas mit einem nachhaltigen Konsum zu tun, indem diese offenbar sorgfältiger hergestellt und mit einem ruhigeren Gewissen gekauft würden, doch real verändern sie gar nichts an der Warenproduktion und der überbordenden Ressourcenverschwendung. Diese Nachhaltigkeit des Umsatzes auf alternativer Ebene ist ebenso eine Triebfeder des Materialismus. Die scheinbar optimierteren Ökoprodukte ersetzen heute die herkömmlichen Produkte und stellen Erzeugnisse der Wachstumsgesellschaft dar. Viele von diesen sind bereits so abartig geworden, dass sie im Endeffekt gleichfalls als Müll zu entsorgen sind. Über die Ökoschiene werden auf offenbar ökologisch tragfähigerem Wege ebenso die Waren als Ressourcen genutzt und als „Spektakel“ der Supermarktketten angepriesen. Die Umsätze bei Ökoprodukten sind ebenso dem Raubbau und der „Fortschrittsverschwendung“ geschuldet. Die Industriegesellschaft bedient sich dieses Denkens, Öko sei besser für die Welt, und sie versucht, uns zur Gewissensberuhigung mit alternativen Erzeugnissen zu versorgen. Doch die Umsätze und somit die Ressourcenverschwendung bleiben trotz verlockender Ökoprodukte hoch. Der ökologische Landbau hätte etwas mit ressourcenschonenden und sozialökonomischen Aspekten zu tun und müsste auf der Gesamtheit der Betriebe und Haushalte bauen.

Produkt- und Kostenwahrheiten Die Dinge, Situationen und Perspektiven neigen sich in eine falsche Richtung, und nach Jahrzehnten ratloser Politik bleibt neben dem dumpfen Gefühl die Ohnmacht, wie es mit unseren konkreten Le-

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❚ Vorbemerkungen zur Landschaftsbetrachtung

bensverhältnissen weitergehen soll. Real müsste bei den angepriesenen Konsumprodukten eine Kostenwahrheit offengelegt werden und bestimmte Verbrauchsgüter entsprechend der investierten Energie teurer werden. Selber hergestellte oder regionale Erzeugnisse würden wieder obsolet werden, wenn die weltweiten Transportkosten, Umweltverschmutzungen und Arbeitskräfteausbeutungen in den Drittländern Berücksichtigung fänden. Eine Debatte verlangt in erster Linie keine Antworten zu Lösungen, sie wäre ein wichtiger Schritt, die unzulänglichen Verhältnisse sichtbar zu machen. Darüber zu reden wäre der erste Schritt zur Veränderung, indem die Leute zu diesen Themen sensibilisiert würden und gemeinschaftlich und gleichberechtigt Wege im schonenden Umgang mit der Mutter Erde ergründen. Echte Mehrwerte und Freiräume entstehen, indem weniger konsumiert wird. Ein einfacheres Leben lässt uns die Nutzungsmöglichkeiten aus dem Garten und der Landschaft wieder mehr wertschätzen. Eine Umsetzung alternativen Wissens in die Praxis ist immer ein Gebot der Zeit. Ohne Wandlung findet keine Veränderung statt, damit wieder eine blühende Vielfalt in der Landschaft mit guten Nahrungsmittelqualitäten zu finden ist. Heute sind Waren nach kurzer Zeit verbraucht und werden wegen geringer Gebrauchs- und Verwertungsfähigkeit zu Müll. Das gegenwärtige Wirtschaftssystem ist mit seiner grenzenlosen Ausbeutung und mit seinen selbstwürgenden Verflechtungen an sein Ende geraten und kann nur durch eine andere Form des ökonomischen Handelns ersetzt werden. Uns fehlen heute die Selbstgenügsamkeit und das Wissen, aus unserem unmittelbaren Tun zu überleben. Vom Überfluss produzierter Waren und der Ressourcenverschwendung müssen wir uns befreien und die Sichtweise grenzenlosen Wachstums überwinden. Neue Lösungen entstehen bei kritischer Betrachtung während der Prozesse. Veränderungen können den Zeiten entsprechend gelingen, wenn der jeweilige Bedarf von Mensch und Natur insofern berücksichtigt werden, ihr Zusammenleben harmonischer, nachhaltiger und gleichberechtigter zu gestalten und nicht weiterhin der „Macht der Bedürfnisse“ (s. Gronemeyer, M. 1988) unterliegen. Ein anderer Umgang mit der Nahrungs- und Landbewirtschaftung würde einem anderen Umgang mit uns selber entsprechen und würde sich in der Landschaft widerspiegeln.

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Nahrhafte Landschaft – von der neuen Allmacht der Kräuter und vom Heilen durch sich selber1 Wenn wir schwierige Situationen nicht wagen, bleiben sie ungelöst und wer­ den dadurch erdrückender. Eine gesunde Ernährung ist machbar und löst viele Probleme im Gesundheitsbereich. Eine ernstzunehmende Medizin hat sich an der Gesundhaltung der Menschen zu orientieren und nicht an ihrem kranken Zustand zu bereichern.

Die Nahrung und eine ausgewogene Nahrungsenergie stellen die Basis unseres Lebens dar. „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel, und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein“, stellte der griechische Arzt Hippokrates (460 –377 v. Chr.) fest. Der Grundgedanke zur „Nahrhaften Landschaft“ geht von der gesunderhaltenden und gesundmachenden Nahrung für die Nutztiere und somit auch für die Menschen aus. Alle heilwirksamen Ergänzungen in Form von Heilkräuter-Teezubereitungen, diverser Aufbereitungen wie z.B. Essenzen, Tinkturen und nichtalkoholischen Extrakten, Ölauszügen, medikamentöser und alternativ-medizinischer Mittel sollten nur in Härtefällen eingesetzt werden, aber nicht systemimmanent eine fragwürdige Ernährungskultur unterstützen und alibisieren, denn dadurch würde eine ursächlich falsche Ernährung aufrechterhalten bleiben. Eine ernstzunehmende Medizin hat sich an der Gesundhaltung der Menschen zu orientieren und nicht an ihrem kranken Zustand zu bereichern.

„Fressen wir uns zu Tode?“ (Galina Schatalova) Heute ist das gesamte Leben auf Erwerbsarbeit, Geldverdienen und Konsum aufgebaut. Jeden Tag im Leben stehen wir mit einer Art von Ernährung in Verbindung, bei der viel zu große Mengen an Nahrung verschlungen werden und das Essen mittlerweile zu einer „animalischen Form des Fressens“ ausgeartet ist (s. Schatalova, G. 2002). In Fragen der Qualitäten und Menge sind die Lebensmittel durch die 1

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Überarbeiteter und stark erweiterter Vortrag beim 1. Kongress „Heilkraft der Alpen“ vom 10. bis 12.4.2015 in Mauterndorf, Land Salzburg.

❚ Nahrhafte Landschaft – von der Allmacht der Kräuter und vom Heilen durch sich selber

Verarbeitung großteils denaturiert worden und zu einem hochgradigen Müll verkommen, mit dem wir uns mengenmäßig zu Tode „ernähren“. Was wir zu uns nehmen, ist durch die Herstellungsart in der Landwirtschaft und durch die industrielle Verarbeitung im hohen Grad bedenklich geworden. Die Masse an essbaren Kaufwaren ist wertlos in der Nährwirkung und an gesundheitsförderlichen Stoffen. Richtigerweise müsste man heute anstelle von Lebens- und Nahrungsmitteln vom Begriff „Sättigungsmittel“ sprechen, wenn ein Großteil unvollkommener Nahrung mittels Tabletten ergänzt werden muss (s. bei Werfel, F. 1981). Basis der übergebührlich hohen Nahrungsaufnahme ist unsere mangelnde Selbstbeherrschung im Erliegen an die Versprechungen der Moderne. Heute verfügen wir über wesentlich mehr Ernährungsmöglichkeiten als früher, doch stimmt etwas dabei nicht, wenn wir im Gesundheitswesen mit immer gravierenderen Problemen zu tun haben. Wenn wir vom Leitspruch Hippokrates’ ausgehen, dass Lebensmittel zugleich auch Heilmittel sind, so ist für heutige Verhältnisse folgende Überlegung anzustrengen: Aktuell erfolgt eine Zweiteilung der Nahrung, denn offenbar werden Lebensmittel im üblichen Handel vertrieben, und in zunehmendem Ausmaß in den Apotheken die Heilmittel. Das würde bedeuten, die Lebensmittel seien nicht mehr heilwirksam. In wenigen Kuranstalten und Gesundheitszentren werden seit einigen Jahren wieder vollbiologisch erzeugte Nahrungsmittel in der Küche berücksichtigt. Eigentlich müssten alle (!) Kuranstalten und Krankenhäuser auf ökologisch einwandfrei hergestellte Produkte umstellen und erweitert alle Nahrungsmittel in den Verkaufsregalen allen Leuten als gesundheitsfördernd zur Verfügung stehen. Viele Leute sind über die gefährlich gewordenen Nahrungsmittel verstört und alarmiert, sind im Vertrauen an die Technik stark erschüttert.

Fehlverhalten in der Ernährung aus heutiger Sicht: 1. Wir essen nicht nur zu viel, sondern in vielerlei Hinsicht das Falsche –­ und das in unausgewogen großen Mengen. 2. Und essen wir offenbar das im Mainstream liegende Richtige, ist es mit Zusatzstoffen haltbar gemacht und im Grunde genommen kaputt „verarbeitete“ Nahrung geworden.

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3. Die aktuelle Art der Kulturmaßnahmen zur Herstellung der Lebensmittel auf den Feldern entwertet, ja degeneriert unsere Nahrung, abgesehen von der Denaturierung durch die Verarbeitungsindustrie zu marktgängigen und dauerhaltbaren Waren. 4. Unbeachtet bleiben bislang die völlige Überzüchtung der Grundnahrungsmittel als Grundproblem für Allergien und die einseitige Versorgung aus Fetten, Kohlehydrat- und Eiweiß-Lebensmittel­ arten und im Speziellen die fleischbetonte Ernährung. 5. Das Fehlen natürlicher Immunstärkung und einfacher Ernährungsweisen bildet die Grundlage für eine Reihe von Krankheiten. 6. Die in großem Stil eingesetzten Gegenspieler uns krankmachender Mikroorganismen, wie z.B. Antibiotika und andere Medikamente, versagen mittlerweile in ihrer Wirkung und stellen einen falsch eingeschlagenen Weg dar. 7. Es fehlt an regelmäßiger Bewegung und körperlicher Betätigung wie auch an der Kultur der „konsumbefreiten“ Ruhephasen, Kontemplation oder Meditation. Aus dieser unvollständigen Aufzählung des üblichen Gesundheitsverhaltens ist die andere Seite eindeutig interpretierbar, wie die Ernährung im Zusammenhang mit einer Gesundheitsvorsorge auszusehen hätte. In Fragen einer gesunden Ernährung sind wir gezwungen, uns mit den Kräften und Energien der Landschaft und Bodenkultur auseinanderzusetzen. Insofern seien die folgenden Ausführungen immer von Neuem an die öffentliche Meinung zu appellieren und als ein provokatives Bekenntnis zu einem Umdenken und Einfühlen in real wahrzunehmende Heilkräfte aus einer solid hergestellten Nahrung zu sehen. Dies sei aus der Sicht eines Nichtmediziners und Nichtwissenschaftlers gesagt und aus der Betrachtungsebene eines nicht müde werdenden Naturbeobachters und hausverständigen Naturforschers ausgeführt.

Ein Vergleich mit den früheren Ernährungs- und Lebensweisen Folgende Darstellung beruht auf nachlesbaren Fakten und hat nichts mit Verklärung zu tun. Die Entwicklung der Zivilisationskrankheiten

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Der Salat mit den in Erdgruben gelagerten Esskastanien und Löwenzahn-Rosetten, Ferkelkraut- oder Löwenzahn-Schmalzsalat und die mit Gundelrebe-Creme gefüllten Eier bieten im April nahrhafte, kräftigende sowie reinigende Speisen mit hohen Mineralstoff- und Vitamingehalten.

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wurde beispielhaft in einer Untersuchung des Schweizer Arztes und Zahnforschers Adolf Roos zusammengefasst, welche 1962 als Buch veröffentlicht wurde. Sie steht stellvertretend für die Entwicklung der Ernährungsgeschichte in Europa – vielleicht sogar aller Regionen der Welt – und ist gegenwärtig aktuell, da sich seither nichts geändert hat: Der Baseler Arzt und Zahnforscher Adolf Roos (1888 –1974) stell­ te in akribischen Feldstudien die Zahnkaries-Entwicklung und den allgemeinen Gesundheitszustand in unmittelbaren Zusammenhang mit der Ernährung. In der westlichen Talregion Goms des Schweizer Kantons Wallis führte er an einer für ihre Gesundheit bekannten und zahngesunden Bevölkerung diesbezügliche Untersuchungen 1930 und 1955 durch. Die vergleichenden Ergebnisse verdeutlichen, wie sich in einer autonomen und stark isolierten Region durch den Einfluss der Konsumwelt im Zuge des Baus der Furkapass-Straße (1921 befuhr das erste Postfahrzeug den Pass) und -Bahn (fertiggestellt 1925) der Zahnund allgemeine Gesundheitsverfall einstellten. Die Einfuhr der nun­ mehr aufbereiteten „Feinkost“, neuer und verarbeiteter Lebensmittel und vor allem der rasant ansteigende Zucker- und Weißmehlkonsum veränderten nicht nur die Koch- und Ernährungsweise der Menschen von jung bis alt, sondern die Entwicklung der Lebensgewohnheiten und erweitert auch die der Landnutzung und somit die Qualität und Zusammensetzung der eigenen Nahrungsmittel, wobei auch die Ablöse der alten Sorten durch Neuzüchtungen betroffen war. Früher ernährten sich die Leute im Goms mit den alten Sorten des Vollgetreides (Vollkornmehl, z.B. Gerste, Hafer, Hirse, Hanf, Buch­ weizen), mit Vollkornbrot (Roggen), frischer Milch, Käse und selber hergestellten Milchprodukten, Gemüse (Erbsen, Bohnen, Kohl, Kraut u.a. Arten) und Kartoffeln. Fleisch war in manchen Haushalten selten oder einmal wöchentlich genossen worden. Obst war in dieser Gegend eine Mangelware, doch gab es welches im Tausch mit anderen Waren aus dem unteren Rhonetal. Mit der Erschließung des Tales und der Einfuhr von Konsumwaren aus anderen Teilen der Schweiz waren die­ se vollwertigen Ernährungsgewohnheiten fast vollständig verschwun­ den. Angelieferte Lebensmittel hatten eine mindere Qualität und der Kaffeekonsum nahm zu. Anstelle einer einst gesunden Ernährungsbasis fanden sich denaturierte Kohlenhydrate (Industriezucker, Süßigkeiten,

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Robuste Mangold- bzw. Krautstiel-Sorten waren relativ früh aus Küstenpflanzen gezüchtet und in mitteleuropäischen Gärten schon vor der Römerzeit gezogen worden. Stiele und Blätter nutzte man als Gemüse und die Oxalsäure band man durch Mit­ kochen von Kalk, Soda oder Asche. Heute vergessen wir die Nutzbarkeit der Wurzel, aus der sich durch Kochen Zucker gewinnen lässt.

Konfitüren, Weißbrot, Weißmehl, Teigwaren, Backwaren, …), Zu­ satzstoffe und Zucker in den Kaufwaren, künstliche Eiweißbeigaben, synthetische Konservierungsmittel in Konserven usf., Färbemittel, raffinierte oder hydrierte Pflanzenöle, pasteurisierte, homogenisierte Mager- oder Vollmilch. Es wurden behandelte und künstlich haltbar­ gemachte Milchprodukte und „keimlingslose“ Mehle geliefert, deren Fette durch denaturierte Fette ersetzt wurden und welche nicht mehr für den Körper so gut verwertbar waren. Vor der Einführung der Zivilisationskost kannten die Kinder we­ der Zahnkaries, sondern hatten tadellose Gebisse, und die sehr betagten Leute besaßen einwandfreie Zähne. Schon 1930, fünf bis zehn Jahre nach der Pass-Erschließung, hatten von 795 Schulkindern nur mehr 24,7 % kariesfreie Gebisse. 25 Jahre später waren es von 742 Schul­

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kindern nur mehr 2,3 %. Die Krankengeschichten (nicht nur der Zäh­ ne) weiteten sich aus der unmittelbar geänderten Ernährung rasant auf Kleinstkinder aus und waren schon Folgen aus dem Einfluss der Ernährungsweise der Mütter während der Schwangerschaft. Dr. Adolf Roos fand alte Bauern vor, welche im Alter von 80 oder 90 Jahren keinen einzigen Karies zu verzeichnen hatten und aufgrund des völlig gesunden Gebisses steinhartes Brot zu kauen vermochten. Er berichtet von alten, aber sehr kräftigen Frauen, welche 90 kg schwere Lasten bis zu vier Stunden weit tragen konnten. Gesundheitlich hatten sie kaum Probleme. Nach der Einführung der modernen Ernährungs- und Lebens­ gewohnheiten verlor sich die Lebens- und Körperkraft und nahmen Krankheiten und der Zahnverfall sehr rapide zu. Einher mit diesem „Zahnverderbnis“ erläutert Roos die auf Fakten bezogene Veränderung der Landwirtschaft, des Getreideanbaus, des Mühlereiwesens, des Brot­ backens und den Niedergang der subsistenzorientierten Kultur.

Der Anbeginn der Zivilisationskrankheiten Auch andere Forscher konnten dieselben Entwicklungen der Degeneration anhand der Gesundheit des Kauorgans und den allgemeinen Verfall der Organe und des Kreislaufs feststellen: Solange die profund erzeugte Nahrung roh oder durch behutsames Kochen aufbereitet genossen wurde, blieben die Zähne makellos. Sobald die gesunde Ernährungsweise durch eine „modern zivilisierte“ Ernährung z.B. mit Weißmehlprodukten, Süßwaren und -säften, Zucker, durch lange Erhitzung denaturierte und deformierte Nahrung und Konserven abgelöst wurde, kommt es zu Fehlentwicklungen im Gebiss und schon kurz- bis mittelfristig zum Verlust der allgemeinen Gesundheit. Die festgestellten Beschwerden führten kurzfristig ebenso zu einer Veränderung des psychischen Wohlbefindens. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft zur Herstellung industriell verarbeitbarer Nahrungsmittel erfuhr die Qualität der Nahrung im Wesentlichen einen graduellen Abstieg. Und nicht nur das. In den industriell bewirtschafteten Agrarlandschaften finden sich aus

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Gerade in den Balkanstaaten kultiviert bis heute die Bevölkerung sehr große Mengen verschiedener Bohnensorten und schafft sich mit dieser energiereichen und gut bevorratbaren Nahrung eine Unabhängigkeit vom Markt (im Bild Käfer- oder Feuerbohne, Phaseolus coccineus).

der Durchkapitalisierung der Produktion und dem „Diktat der Maschine und des Chemieeinsatzes“ kaum mehr nutzbare Wildpflanzen oder wirksame Heilkräuter. Die Abschätzung der Kontaminierung z.B. durch die Einwirkung der Hormone auf unsere Landschaft, auf das Wasser und somit die Lebensmittel können nicht mehr abgeschätzt werden. Oder kurz auf den Punkt gebracht: Mit der auf Ausbeutung der Naturkräfte und der geldwertorientierten Folge des Kulturverfalls kommt es nicht nur zum Zahnverderbnis, sondern zum überbordenden Gesundheitsverfall.

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Die Vielfalt an Bohnensorten bietet für die Küche verschiedene Vorzüge (oben links: weinrot-weißlich-beige gesprenkelte „Feuerzunge“ oder „Borlotto Lingua di fuoco“; oben rechts: „Inca Pea Bohne“ ist weinrot-weiß gescheckt und wird mit der schwarzweißen Ying-Yang-Sorte verwechselt). Diese eignen sich z.B. gut für Eintöpfe. Die „Feuerbohne“ oder „Steirische Käferbohne“ (Phaseolus coccineus) diente für Salat mit Kernöl, für scharf würzigen Eintopf, als Beilage, für Suppe oder für verschiedene Streichpasten auf das Brot (vier unteren Bilder).

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Landschaft und Nahrungsherstellung Neue Entwicklungen verlangen neue Einstellungen und richtige Reaktionen, wenn man in solchen Systemen bestehen will. Mehr denn je sind heute kritische Betrachtungen zur Landbewirtschaftung und Landschaft herzustellen. Die derzeit ablaufenden Mechanismen und Unzulänglichkeiten sprengen die Grenzen eines sorgsamen Umgangs mit der Natur, den Standortbedingungen und den erzeugten Nahrungsmitteln. Die einseitige Landnutzung in Form der Produktspezialisierungen zwingt zur intensiveren Wirtschaftsweise und Massenproduktion. Reine Ackerbau-, Ackerfutterbau-, Obst- und Weinbaugebiete sind heute von hohen Erosionsphänomenen infolge des durch Chemieeinsatz strapazierten und gegen Null reduzierten Bodenlebens, durch Maschineneinsatz zerstörter Bodenstruktur und des Humusabbaus gekennzeichnet (s. bei Francé, R.H. 1922; Rusch H.P. 2014). Eine Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und des Humusaufbaus ohne externe Hilfsmittel erfordert z.B. die Kombination der Acker- mit der Viehwirtschaft und eine humusaufbauende Wirtschaftsweise. Durch eine artgerechte Viehhaltung und -fütterung kann in geeigneter Weise ein organischer Dünger erzeugt werden, welcher als „Futter für die Mikroorganismen im Boden“ dient. Die Wechselwirtschaft zwischen Acker- und Grünlandnutzung ist nach fachlichen Gesichtspunkten zu entscheiden und nicht nach marktpolitischen Steuerungskriterien. Die Ernährung mit Getreide ist grundsätzlich nicht zu verteufeln. Doch sind heute die Sorten des Getreides im Genmaterial derart überzüchtet worden, sodass sie unmittelbar die Menschen krank machen. Durch die Zielsetzung der Hochleistungszucht übersah man bewusst oder unbewusst den gesundheitlichen Wert. Die hochgezüchteten Weizensorten beinhalten aus dieser unzulänglichen Züchtung mittlerweile bedenklich wirkende Stoffe, weshalb wir sie nicht mehr zu verdauen vermögen. Heutige genetisch veränderte Hochleistungsgetreidesorten beeinträchtigen unsere Gesundheit und Denkleistung und schädigen schleichend Nerven, Gehirnfunktion und Blutkreislauf, so die Aussage namhafter Kardiologen (s. Davis, W. 2013). Darüber wurde von kritischen Wissenschaftlern weltweit Beweis geführt. Getreide auf einen hohen Gehalt an Gluten gezüchtet, würde offenbar das Brot schmackhafter machen und länger frisch erhalten, obwohl gesunde Menschen

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die Gluten nicht mehr vertragen. Bei der Züchtung des Dinkels auf resistente Gene gegen Krankheiten während der Feldkultur übersahen die Agrarwissenschaftler die höhere Anfälligkeit auf Lagerverpilzungen im Depot, welche mittelfristig schädigende Auswirkung auf die Verträglichkeit des Menschen haben. Und wenn die Milch nicht verträglich ist, dann muss man sich in erster Linie fragen, was bekommt das liebe Vieh zum Fressen vorgesetzt und wie wird es gehalten, sodass untauglich-ernährende Milch entsteht? Das Obst wurde gezielt auf Süße gezüchtet, was sich in einem höheren Fructosegehalt äußert. Nur weil eine Ware als „Apfel“ bezeichnet wird, besitzen die heute hochgradig gespritzten, kunstgedüngten und überzüchteten Äpfel noch lange keinen gesundheitlichen Wert, sondern ganz im Gegenteil.

Das Heilwesen beginnt mit der sorgfältigen Nahrungsherstellung Eine ganzheitliche Heilkunde orientiert sich bei der Ernährung und diese beginnt bei der Herstellung der Lebensmittel in der Landwirtschaft, beginnt bei den unmittelbaren Fragen der Behandlung unserer Nutzflächen wie Äcker und Grünland, also bei der Art der Bodenkultur. Der Arzt Hippokrates ging von den Überlegungen einer „vorsorglich“ richtigen Ernährung und Lebensweise aus: „Führe ein gesundes Leben, und du wirst kaum erkranken, es sei denn durch einen Unfall oder in einer Epidemie. Wirst du krank, so gewährt dir die richtige Diät die beste Möglichkeit, wieder gesund zu werden.“ Er sprach damit eine „natürliche Ordnung“ des gesamten Organismus und der Körperenergien eines Menschen im Zusammenhang mit der Ernährungsweise an. Bei Krankheit besteht auf beiden Seiten eine Disharmonie und eine Genesung gelinge, wenn der Mensch „seine Lebensweise ändere“ bzw. sich an einer „natürlichen Lebensweise“ orientiere. Richtige Heilung und Empfehlungen zur Gesundwerdung setzen bei Abb. S. 59: Frisch geerntet gilt Rosenkohl (Sprossenkohl oder Kohlsprossen) als eine ausgezeichnete Wintergemüseart. Sie hält tiefe Nachttemperatur gut aus und wird deshalb im Winter auf lokalen Märkten geführt. Kohlsprossen schmecken frisch in Salzwasser gekocht und Butter geschwenkt am besten. So zubereitet können sie als Beilage dienen oder mit Reis serviert werden.

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der Ernährungsberatung zur Erhaltung der Gesundheit an. Und im Gesundheitswesen tätige Leute sollten über das Hintergrundwissen der Nahrungsmittelherstellung verfügen und etwas von Ernährung, Kochen und vom Leben verstehen.

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Denaturierte Nahrung und Nebenwirkungen Krankheiten sind auf die Denaturierung unserer Nahrungsmittel und die hohen Essmengen zurückzuführen. Obst und Gemüse gelten allgemein als gesund, da sie Vitamine als Antioxidantien enthalten zur Bindung freier Radikale, doch hierbei wird nicht nach Herkünften und der Herstellungsart unterschieden. Weltweite Studien verdeutlichen bei hohem Genuss von Obst und Gemüse die Kontraproduktivität der in großen Mengen aufgenommenen Antioxidantien. Heute wird bei den einzelnen Nahrungsgruppen viel zu allgemein und undifferenziert argumentiert. Auf Qualitätsunterschiede wird dabei nicht eingegangen. Die im Supermarkt erstehbaren Produkte z.B. aus Obst, Gemüse, Getreide, Milch und Fleisch oder die Getränke sind unmittelbar und mittelbar nicht als gesund zu erachten. Es ist zu bedenken, dass es sich dabei um künstlich beeinflusste, chemisch bearbeitete oder haltbar gemachte, überhitzte und somit denaturierte Lebensmittel handelt. „Frisch gekocht“ bedeutet nicht unbedingt, dass die Herkünfte der Kochwaren auch koscher sind. Doch viele Nahrungsmittel basieren großteils nur mehr auf Surrogat-Grundstoffen und chemischen Zusätzen. Obst und Gemüse enthalten ihre eigentümlichen Aromen und gesunden Inhaltsstoffe, wenn sie wenig gedüngt oder mit mittelmäßig hohen Gaben langsam wirksamer Düngerarten beeinflusst werden. Je weniger diese Vegetabilien mit Düngern gepusht sind, umso mehr sekundäre Inhalts- bzw. Wirkstoffe bauen sie auf und sind dadurch widerstandsfähiger gegen ihre natürlichen Schädlinge und schnellen Bakterienabbauvorgänge, um sich mit höherer Wahrscheinlichkeit generativ weitervermehren zu können. Bei regelmäßiger Aufnahme von ausgewogenen Gemüse- und Obstmengen stärken ihre Inhaltsstoffe auch die menschlichen Körperzellen, Organe, Knochen, Nerven, Kreislauf und Blut. Gute Vegetabilien aus den Gärten wirken somit wie die Wirkstoffe der Garten- und Wildkräuter, welche ebenso in Maßen genossen werden sollen. Ja man könnte behaupten, dass die Menschen bei Genuss von Wildpflanzen, welche nebenbei in die Speisen in kleineren Würzgaben und größeren Streckmengen eingegliedert wurden, wesentlich gesünder waren, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie weniger Fleisch und mehr vollwertige und alte gesunde Getreideund Gemüsesorten genossen und mehr Bewegung gemacht hatten.

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Je stärker die Kulturflächen gedüngt sind, umso weniger gesund sind ihre pflanzlichen Produkte – roh wie gekocht. Alle in Verkehr gebrachten und aufbereiteten Nahrungsmittel sind von öffentlicher Hand genehmigt. Sie gelten trotz fragwürdiger Zusätze laut Lebensmittelbehörden als unbedenklich. Ihre nachweislichen Nebenwirkungen und bedenklichen Langzeit-, Wechsel- oder Kreuzwirkungen auch mit anderen Zusätzen in anderen Lebensmitteln wurden nicht vollständig untersucht oder bekannt gemacht. Es bestehen gegenwärtig vor allem im Zusammenhang mit Ernährungsfragen viele Phänomene, welche den Menschen früher krank machen. Und unbestrittenerweise wissen Ärzteschaft, Pharmazie und Gesundheitsämter von den Nebenwirkungen der Medikamente und je stärker diese sind, umso stärker können sich die Arzneimittelnebenwirkungen äußern. Man lese dazu in etwa die Begleitbeschreibungen der Beipacktexte. Mit der Vervollkommnung der Medikamente überwiegen die Nebenwirkungen und laut Physiologen nimmt ihre Schädlichkeit im Vergleich zum Nutzen zu. Die Verantwortung aller Akteure liegt in einer tiefergreifenden Einmischung in die Nahrungsmittelerzeugung, in die Lebensmittelverarbeitung und auf der Ebene der Lebens- und Ernährungsberatung. Müssten nicht die Ärzte die Ersten sein und selber für das Erkennen bereit sein, was gute Nahrung und gutes Leben wirklich trägt? Die Ärzte haben die Verpflichtung zur Hilfeleistung und Achtsamkeit des menschlichen Lebens. Der „ärztliche Eid“ besteht heute immer noch und nicht die Pflicht der Geschäftemacherei auf Kosten der Kranken.

Jeder Mensch ist ein Patient und Verbrauchsgut Ein alltagstaugliches Gesundheitswesen hat das Gesundmachen und die Gesunderhaltung der Menschen zum Ziele zu haben und nicht eine Wertschöpfung aus dem Kranksein zu lukrieren. In seinen Ausführungen gegen die Zwänge großer Institutionen zeigt der Philosoph und Kulturkritiker Ivan Illich (1995), dass ganze Lebensbereiche beherrschende Interessensgruppen oder „radikale Monopole“, wie Ärzteschaft, Krankenversicherungen, Wohlfahrtseinrichtungen, Pharmaindustrie und die sie begleitende Gesundheitsideologie und -politik

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zusammenarbeiten und die Patienten zu süchtig gemachten Verbrauchern und aus der Medizin eine Gesundheitsökonomie werden lassen. Schon in den 1970er-Jahren legte Illich mit einigen Büchern, Interviews und Vorträgen die kritischen Standpunkte für einen anderen Umgang mit dem Gesundheitswesen vor. Es diskutierten damals Fachleute die Untergrabung unserer Gesundheit durch die Medizin, wenn z.B. durch ihre Aktivitäten und Verbürokratisierung quälende Bedürfnisse und lähmende Abhängigkeiten erzeugt würden. Der Medizinbetrieb hat sich an die Industriegesellschaft und die Gepflogenheiten des Industriezeitalters angepasst und ihre verrechtlichte Bürokratie verwaltet dieses monopolistische System in einer obskur anmutenden Verantwortung über die zu Patienten gemachten Menschen. Die Art der Medizinbürokratie beseitige das Recht auf Selbstheilung. Die Medizin lebt vom Verlust der Selbstbestimmung des Menschen. Ja die Industriegesellschaft ist heute so weit, eine echte medizinische Gesundheitsverweigerung geradezu zu kultivieren oder durch verbürokratisierte und scheinbar verbesserte Dienstleistungen zu konterkarieren. Die Indus­ trialisierung und ihre Verwaltung arten in eine Selbstzerstörung und Kontraproduktivität aus. Die Medizinbetriebe und Heilanstalten verlieren ihre ursprünglichen Ziele oder verfolgen mittlerweile versteckte Absichten einer systemimmanenten Ausbeutung, wenn reine Geschäftemachereien im Vordergrund stehen.

Systemimmanente Krankheiten Die Medizin dient keineswegs mehr dem ursprünglichen, eigentlichen Zweck, wenn sie aus selbstverantwortlichen Personen sogenannte „Patienten“ macht und ihre helfende Absicht und Wirkung zerstört. Der Mensch wird in dieser Mühle zum wertschöpfenden Verbrauchsgut, wenn er zu einer Ware geworden ist, welche für potenziell krank gehalten werden darf, solange sie nicht untersucht und gesundgeschrieben wurde. „Modern medicine is a negation of health. It isn’t organised to serve human health, but only to serve itself as an institution. It makes more people sick than it heals“ (Ivan Illich). Dieser Umstand liegt auf der Hand und ist systemimmanent geworden: Heute weiten sich die Krankheiten aus, ja werden sie geradezu

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geldgewinnorientiert modernisiert, dramatisiert und wahrscheinlich aktiv beschleunigt, damit die Gesundheitsbranche davon gut leben kann. Hierbei wird vielfach von den Ursachen durch desorientierende Informationen abgelenkt. Die Kommerzialisierung der „Beseitigung von Krankheit“, Gesundheit, Leiden und Sterben stellen die Basis unseres heute lukrativ gewordenen Gesundheitssystems dar. Stellt sich nur die Frage, wer dies alles zu bezahlen hat. Illich ist von einem anderen Weg überzeugt: „Healthy people are those who live in healthy homes on a healthy diet; in an environment equally fit for birth, growth work, healing, and dying … Healthy people need no bureaucratic interference to mate, give birth, share the human condition and die.“

Versagendes Gesundheitssystem Das Gesundheitswesen versagt auf weiter Ebene, wird unerschwinglich teuer und kommt aus den eingefahrenen Gleisen kaum mehr heraus, sondern versucht eine fortgesetzte schädigende Problemlage und Abhängigkeit von der Medizintechnik in selbstverständlicher Weise zu modernisieren. „Die schädlichen Nebenwirkungen der Medizin überwuchern längst ihre Heilwirkungen. Die Medizin heilt die Menschen nicht mehr, sondern macht sie krank“, so sinngemäß Illich zur unaufhaltsamen Medikalisierung der Gesundheit. Eine der spezifischen Kontraproduktivitäten unseres Systems erklärt Ivan Illich (1975) anhand der Medizin: „Einerseits wird durch das Abhängigwerden des Menschen von Sozialversicherungen die Umwelt auf behördliche Dienstleistungen hin verwandelt: Es wird immer schwerer, selbst für seine Gesunderhaltung verantwortlich zu bleiben – man kann in seiner Wohnung nicht mehr geboren werden, krank sein oder sterben. Der Zugang zu Heilmitteln wird unter das Monopol einer Behörde gestellt, und das Vertrauen, das Sichverlassen auf andere Formen von Placebo, wird untergraben. Mit anderen Worten: Der Wille zur Selbstverantwortung erlahmt.“ Auf die Folgen des kommerziellen Missbrauchs angesprochen, weist Illich auf die negativen Rückkopplungseffekte durch das System hin: „Es handelt sich in keiner Weise um den romantischen Ruf: ,Zurück zur Natur!‘ oder darum, die Technologie zu verdammen, es handelt sich

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allein darum, dass wir uns mit politischer Technik befassen, um festzustellen, dass, werden Erzeugnisse einer übertriebenen Technologie in einer Gesellschaft verwendet, dieser Gesellschaft soziale Verhältnisse aufgezwungen werden, die ausbeuterischen Charakter tragen.“

Der lukrative Gesundheitswahn Das kommerzielle Interesse erzeugt die „Bedürfnisse“ (im Sinne von Marianne Gronemeyer , 1988), das Leben nicht nur mit Massengütern zu „versüßen“, sondern die Lebensdauer auch zu maximieren und gleichzeitig Schmerzen und Krankheit aus den Folgen des überbordenden Esskonsums zu minimieren. Ohne Zweifel hat der technische Fortschritt Nützliches geleistet, doch wird die Gesundheit in einem medizinisch-industriellen System derart „perfektioniert“, sodass die Medizin als Industrie mehr davon profitiert als die kranken Menschen. Ivan Illich formuliert diese (Unter-)Entwicklung auch so: „Der Weg zur Armut (und Krankheit, Anm. d. Verfassers) ist mit technischer Hilfe gepflas­ tert.“ Und er warnte davor, die Ärzte zu Sündenböcken zu machen und ihnen die Schuld für diese Zustände zuzuschieben. Der bestehenden „Um­wandlung der Welt in eine inhumane Krankenstation“ setzte der Kritiker „die persönliche Verantwortung für unsere Gesundheit als Tugend, als Fähigkeit, mit der Krankheit zu leben und bewusst zu sterben, sowie die Eindämmung der Industrialisierung“ entgegen. Unsere „Gesundheit ist bestimmt durch die Fähigkeit eines autonomen Lebewesens, mit seiner Umwelt fertig zu werden“, so Illich. In seiner fundamentalen Kritik am Gesundheitswesen legte er Wert auf einen Ansatz, wie er früher Bestand hatte, ohne die frühere Geschichte idealisieren zu wollen. Er sprach von einem Lösungsansatz der „Mobilisierung der Selbstheilungskräfte des Individuums“.

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Gemüse per se ist nicht unbedingt als gesund zu erachten, wenn man die Herkünfte nicht berücksichtigt. Intensiver Anbau produziert wasserreiche und wenig gehaltvolle Nahrungsmittel. Entweder kennt man Bauern, welche eine sorgsame Anbaukultur betreiben und nahrhaftes und gesundes Gemüse herstellen oder man baut es selber an.

Zur Fragwürdigkeit der Nahrungsergänzungsmittel Warum redet man den Leuten Nahrungsergänzungsmittel ein? Weil unsere Nahrung nicht mehr vollkommen ist? Was ist eigentlich mit unserer Nahrung passiert, wenn sie nicht mehr nährt? Und warum benötigen wir etwas Komplementäres oder Ergänzendes, wenn es eine grundnormale, gesundhaltende Ernährung geben könnte oder sanft wirkende Heilmittel gibt? Die bedenklichen Antibiotika z. B. mit dem abschwächenden Knoblauch auszugleichen, ist eine dämliche Sache und zeugt von der Fragwürdigkeit einer unverantwortlich gewordenen Heilkunde. Schulmedizin kann im Grunde genommen mit einer Komplementärmedizin nicht ergänzt oder verbessert werden, sie kann aber durch einzelne Aspekte aus der Komplementärmedizin und alternativen Heilpraktiken ersetzt werden.

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Anfangen sollte man bei der Klärung von Grundthemen. Das Beispiel des Basler Zahnarztes verdeutlicht die umfassende Bedeutung einer „Nahrhaften Landschaft“, gesunder Lebensmittel und eines guten Nat­urbezugs: Die Frage ist zu stellen, wie es zur Schulmedizin kam? Welcher Umgang mit Gesundheit und Ernährung war vorher gegeben? Waren die Krankheiten einfach aus heiterem Himmel aufgetaucht? Wo lernt man Schulmedizin und was bedeutet die Schulung in der medizinischen Anwendung? Weder die harte Medizin noch die Komplementärmedizin ist ein Komplement an die Natur des Menschen und schon gar nicht ein Kompliment.

Die neue Allmacht der Phytomedizin Ein krankes System kann nicht komplementär behandelt oder ergänzt werden, außer man möchte etwas „Grünes“ zur Symptombekämpfung hinzufügen, z.B. in eine Glutamat-Suppe trendige Wildkräuter zum Drüberstreuen. Dann ist von einer „Alibisierung“, Bedeckmantelung oder Behübschung dieses Systems zu sprechen. Die Pulvermacht wird zum Pulverfass der Gesundheit, wenn sie mit den „stillen Pulvern“ (s.  Rosegger, P. 1887) über Leichen geht. Wir schlucken weiterhin harte chemische Erzeugnisse und nehmen gleichzeitig eine grüne oder gelbbraune Brennnessel-Essenz zu uns, bringen aber keine klugen Gedanken in Bewegung, in sinnvoller Weise die Ursachen des Krankseins anzugehen? Das ist doch krank und die wirkliche Krankheit unserer Gesellschaft. In der Neuzeit verlor das Volksheilwesen durch verschiedene Einflüsse und Zugriffe vollständig ihre selbstständige Bedeutung, und der menschliche Körper wurde von den Ärzten als Apparatur betrachtet, welche wie eine Maschine funktioniere. Ab dieser Zeit haben wir Gesundheit, Krankheit und Tod dem modern ritualisierten Tun der Ärzte und entscheidenden Krankenkassen überlassen. Durch die Entfremdung unserer diesbezüglichen natürlichen Erfahrungen sind wir dem Irrglauben verfallen, der Mensch sei im Krankheitsfall durch Heilanstalten oder Medizin vollständig reparierbar. Besitzen nicht die „reine, weiße Medizin“ und die „grünalternative Medizin“ auf der Komplementär- bzw. Ergänzungsebene in der Handhabung die gleiche „Blaupause“ und im

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Denken dieselbe Struktur? Was, bitte, soll mit einem Konzept-Vorgehen gelöst werden, wenn es um die heilsame Anregung für ein konkretes und individuelles Problem geht? Derlei alternative Heilmethoden, die Kräuterheilkunde oder Phytomedizin einzusetzen, helfen die Ursachen zu verstecken und alibisieren eine Scheinwelt, damit Wertschöpfungen im Gesundheitsbereich weiterhin funktionieren. Das ist nichts anderes als „Grüne Pharmazie“ oder „Schulmedizin im grünen Deckmäntelchen“. Gerade jene Einstellung, die Kräuter im Glauben einzusetzen, damit sei ohnehin alles richtig zu machen, entwertet deren weisen Einsatz. Welches Kraut wirkt gegen welche Beschwerden, das ist die falsche Frage oder eine Frage der „verschulten Medizin“.

Zulassung einer Grünen Schulmedizin und Verschuldungs­anstieg trotz Sparmaßnahmen Seit dreißig Jahren wird man in den Ministerien mit der Begründung des Sparenmüssens vertröstet, wenn man Forschungsinnovationen vorschlagen möchte. Doch die Verschuldung hat massiv zugenommen. Der aus den Rudern gelaufene Etat für Gesundheitsangelegenheiten erzwingt seitens notwendiger medizinischer Betreuung alternative und privat zu finanzierende Möglichkeiten, um den Bedarf abzudecken. Die alternativen Heilmethoden haben in den letzten Jahrzehnten deshalb an Wert für die Gesellschaft zugewonnen, da das herkömmliche Gesundheitssystem in einer Sackgasse angelangt ist und die Verwaltung aus gesundheitsökonomischen Gründen diesbezüglich Möglichkeiten einer anderen gesundheitlichen Behandlung zulassen musste. Nun bestehen Bemühungen, „heilpraktische Alternativen“ im alten System zu verankern, um das vorhandene Verwaltungsgeflecht mithilfe dieser zu perfektionieren. Wildpflanzen für sich heilen keineswegs, die haben Wichtigeres zu tun, als es den Bedürfnissen der Menschen recht zu machen. Und die Kräuter als kausal-mechanistisches Knopfdruckwissen einzusetzen, das kann nicht heilen, obwohl die Pflanzen heilwirksam wären (vgl. Illich, I. 1975, 1977). Kräuter können eine Heilung unterstützen oder beeinflussen. Die distanzierte Beobachtung und die Beschäftigung mit verschiedenen Dingen wie z.B. mit Heilpflanzen schafft die Nähe zu

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sich selber, den Problemen und öffnet in letzter Konsequenz auch die persönlichen Heilebenen. Damit Heilwirkungen erzielt werden können, muss ein kranker Mensch einmal in der Lage sein, auf die Ebene einer Bereitschaft zu kommen und sollte erst einmal das „Warum des Krankseins“ und die Heilung verstehen lernen. Denn es ist davon auszugehen, dass die innere Einstellung und die Basis der Bereitschaft eines Menschen für die Wirksamkeit heilender Kräuter oder heilsamen Denkens ausschlaggebend sind.

Der innere Arzt – oder: Die Landschaft im Denken … Eine Weitwanderung über das Land oder die Alpen verändert die Weltsicht des Menschen und beinhaltet wirkungsvollere Heileffekte, als Pillen und Phytomedizin zu schlucken, oder ein fragwürdiger Kuraufenthalt. Und die Beschäftigung mit Heilpflanzen allein kann gesund oder krank machen, wenn man dazu ein falsches Verständnis mitbringt. Mittels Heilkräutern können Heilprozesse angeregt oder eingeleitet werden, kommen „öffnende“ Impulse in Gang, aber heilen tun sie über andere Wege, auch wenn versucht wird, das weiche Wissen der „weisen Natur­beobachtung“ über die Fakten der Wissenschaften (hard facting) zu erhärten. Wildpflanzen können die Heilung anregen, den Weg zum Heilen muss der Mensch jedoch selber finden, indem er seine eigene Heilfähigkeit wahrnimmt und an der Stärkung des Ichs arbeitet. Und die Freude, mit den Briefmarken zu hantieren, hält den Briefmarkensammler auch gesund, oder? So wie wir denken und dem Denken entsprechend handeln, so sieht die aktuelle Landschaft aus. „Die Landschaft ist Ausdruck gesellschaft­ licher Verhältnisse“, lernten wir in den 1980er-Jahren bei Professor Karl Heinrich Hülbusch im Rahmen seiner Wiener Vorlesungen an der Universität für Bodenkultur. Doch gehen in den maschinengeformten und -gepflegten Agrarlandschaften allgemein sehr viele Pflanzen- oder Kräutergemeinschaften und somit ihre Aussagekraft zur Naturbürtigkeit verloren. Die lesbaren Indizien in der Landschaft sind unverrückbar, aber sehr aussagekräftig für unsere „Denklandschaften“. Ein ausgeräumter und steriler Garten verdeutlicht die Kehrseite des vorgesetzten Schönen, das Krankhafte im Inneren dieser Leute. Den echten

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Wärmecharakter der Menschen kann man über feine Schwingungen erkennen, welche über die Pflanzengemeinschaften in der Landschaft oder im Garten ausströmen. Selbstfindung und Heilung beginnt bei der Reinigung der Denkmuster und beim Ausmisten des angesammelten Gedankenmülls. Deshalb ist das beste Heilmittel der lernende und einsichtig werdende Mensch selber bzw. ist sein soziales, geistiges und materielles Umfeld einwirkend, welches er nützt oder dem er erliegt, wenn er sich dem nicht entzieht. Ohne Konsequenzen im Handeln zu ziehen, ohne Eigenbeobachtung und ohne Selbstbeherrschung in der Abkehr vom üblichen Weg geht in der Heilung nichts.

Unverträglichkeit gegenüber Milch, Fruchtzucker oder Weizen? Heute tun wir so, als wäre die Allergie eine Frage angeborener Gene. Die Menschen reagieren in natürlicher Weise auf jene sättigende Ware, welche gezwungenermaßen z.T. ohne Alternativen zu kaufen ist und sich Nahrung nennen darf. Zum Glück reagieren unsere Körper darauf, bei jedem Menschen ein bisschen anders. Auf die allergische Reaktion ist allerdings anders zu reagieren, indem auf gesellschaftlicher Ebene eine Prävention zum Tragen kommt, bei der vom Grunde auf ausschließlich gesunde und nicht krankmachende Nahrung Berücksichtigung findet. Bei Allergien hilft eine vollwertige Küche aus Lebensmitteln des Biolandbaus auch nichts mehr, da diese Nahrung ebenfalls vom Grunde auf fragwürdig geworden ist und großteils auf hochgezüchteten Sorten beruht und aus der zu hohen Düngung herrührt. Man kann heute davon ausgehen, dass 98  % aller im Handel erhaltenen Lebensmittel ungesund sind und selbst bei den gesunden Menschen allergische Reaktionen hervorrufen. Einfach auf andere Lebensmittel in der täglichen Ernährung auszuweichen, welche keine Beschwerden verursachen oder offenbar Beschwerden aufheben, löst nicht das Problem, welches viel tiefer liegt! Der Verzicht und viele Einschränkungen bei der Speiseauswahl und in der Lebensqualität, vor allem wenn mehrere Empfindlichkeiten zugleich auftreten, sind eine Zumutung. Anstatt die glutenhaltigen Sorten, hohe Fructose- und Histamin-Gehalte und den Milchzucker über die Züchtungen und die Produktionsintensität in den Griff zu

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bekommen, müssen mühselig die Inhaltsstoffe der Lebensmittelverpackungen und Menükarten deklariert und jahrelange Leidenswege der Patienten geduldet werden. Es ist unverständlich, welchen Zickzack-Lauf heute Menschen wegen unzulänglich hergestellter Lebensmittel täglich durchlaufen müssen (s. z.B. bei Daniluk, J. 2012). Mit den Nahrungsunverträglichkeiten sind zumeist Depressionen verbunden, nicht nur aus der deprimierenden Ernährungssituation allein heraus, sondern aus der mangelnden Fructose-Absorption bei biochemischen Zusammenhängen der Dünndarm-Resorption. Der Innsbrucker Ernährungsmediziner Maximilian Ledochowski schreibt zu dieser Frage richtigerweise: „Der im Dünndarm nicht resorbierte Fruchtzucker blockiert die Aufnahme jener essenziellen Aminosäure, aus der sowohl das Glückshormon Serotonin als auch das Schlafhormon Melatonin gebildet wird. So kommt es zur Depression“ (zit. in: Awad-Geissler, J. 2006). Eine „Arbeitsgruppe (…) wies in einer Studie an rund 200 Patienten nach, dass Medikamente aus der Gruppe der sogenannten Protonenpumpenhemmer die Entstehung von Allergien auf Nahrungsbestandteile fördern können. Dafür wurde sie mit dem Preis für europäische Allergieforschung ausgezeichnet. Der Magen ist die oberste Instanz der Verdauung, um aufgenommene Proteine unschädlich zu machen und in gut zerkleinerte Nährstoffe umzuwandeln, erläutert Jensen-Jarolim. Wenn der Magen seine Aufgabe erfüllt, kann es zu keiner Allergie kommen, denn das Fremdeiweiß ist zerstört. Um dies zu bewerkstelligen, benötigt er das Enzym Pepsin, das bei hoher Konzentration von Magensäure aktiviert wird. Ohne Magensäure kein aktives Pepsin, und ohne Pepsin keine Eiweißverdauung,“ erklärt Johanna Awad-Geissler.

Es genügt der Vergleich mit früheren Lebensweisen Wir können an unseren einschlägigen Erfahrungen im Essen, den Auswirkungen mit schweren kognitiven Beeinträchtigungen und an unseren handwerklichen Fähigkeiten der Nahrungszubereitung ansetzen. Bei unseren Denkmustern gehören die bisherigen Vorstellungen gesunder Ernährung (vegetarisch, fettarm und kohlehydratreich) aufgelöst und auf kohlehydratarm, nicht fettarm und eine Vielfalt von

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Eiweißträgern richtiggestellt. Eine Ernährung, welche zucker- und kohlehydratreduziert ist, bestimmte Fette und pflanzliche wie auch geringe Mengen an tierischen Eiweißen berücksichtigt, vermeidet Zivilisationskrankheiten, wie Übergewicht, Herz- und Kreislauf-, Magen- und Darmerkrankungen. Bei Bewegung und starker körperlicher Anstrengung benötigt der Körper sehr wohl Kohlehydrate und Fette für eine ausgewogene Ernährung. Ein Überhang verzehrter Getreideprodukte heutiger Sorten führt zu Vitamin- und Mineralstoffmängeln und tiefgreifenden Erkrankun­ gen, wie Osteoporose, Organproblemen, Energie-, Hormon- und Entwicklungsstörungen, Veränderungen im Fettstoffwechsel, folglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen und geschwächtes Immunsystem. Bei der Züchtung von Pflanzen hatte man die Wirkung der gegen fraßschädigende Organismen oder Verpilzungen vermehrt eingelagerten Abwehrproteine übersehen, welche auch den Menschen stark schädigen können. Durch die Überzüchtung des Getreides in den letzten Jahrzehnten erfolgte keine genetische Anpassung unseres Körpers an diese Nahrung, und es konnte sich der Stoffwechsel nur ungenügend anpassen. Über öffentlich zugängliche Studien beweisgeführt, werden mit der derzeitigen Qualität unserer Getreidesorten aller Art, AutoImmunerkrankungen wie Morbus Crohn, Zöliakie, Colitis ulcerosa, Diabetes Mellitus, Arteriosklerose, Rheuma und Arthritis, IgA-Nephropathie (chronisches Nierenversagen), Bluthochdruck, Magengeschwüre, Dickdarmentzündung, Gallenblasenstörungen, Krampf­ adern, bis hin zu Lupus und Multipler Sklerose, degenerative Erkrankungen wie Demenz, Parkinson und Alzheimer, Schlaf- und neurologische Störungen, Schizophrenie, Depressionen, Nervenerkrankungen und chronische Leiden in Verbindung gebracht (vgl. Davis, W. 2013).

Artgerechtes Futter artenreicher Wiesen und Weiden entscheidet z.B. über eine gesunde Milch Der Mythos, Milchprodukte seien nahrhafte, gesunde N ­ ahrungsmittel, ist ebenfalls zu verwerfen, auch wenn es weiterhin propagiert wird. Kühe bleiben trotz aller Zuchtfortschritte noch immer Rohfaserverzehrer und haben keinen Schweinemagen (s. dazu bei Lührs, H. 1994).

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Deshalb ist das Raufutter „Erstschnittheu“ für die Rinder das Um und Auf. Aus diesem Grundfutter erarbeiten sie ihre Leistung. Die Wiesen und Weiden sind aber artenarme Grünländer geworden, welche wegen der starken Verunkrautung und Überdüngung zumeist für Silage genutzt werden. Mit der Eintönigkeit der Grünländer, welche beinahe schon jedes Jahr eine Neu-, Über- oder Untersaat bekommen, wird ein fragwürdiges, eiweißbetontes Futter erzeugt. Zudem werden den Rindern enorm hohe Kraftfuttergaben verabreicht und somit die daraus entstehenden Milchprodukte auf mindere Qualität gestellt. Artenreiches Wiesenheu ist artgerecht für die Rohfaserverzehrer. Je artenreicher die natürlichen Wiesen- und Weidebestände sind, umso wirkstoffreicher und heilwirksamer ist dieses Futter, umso besser sind die in der Milch enthaltenen Stoffe für uns Menschen verdaubar, dann ist die Milch für uns „artgerechter“ (s. Schatalova, G. 2002). Dass alle deklarierten „Heumilchregionen“ auch tatsächlich gute Futter- und somit Milchqualität erzeugten, ist nicht glaubhaft und entzieht sich unserer näheren Erkenntnisse.

Manipulierte Grünland-Pflanzen und „Pflanzenmast“ Mittlerweile werden in der Grünland-Züchtung fragwürdige Gene in den Gräser- und Kleesorten gefördert oder in das bestehende Genmaterial vermutlich hineinmanipuliert, welche Konkurrenzvegetation verdrängen soll, ebenso wie pilzliche Regulatoren (Grasendophyten), welche die unerwünschte Biodiversität – die real natürliche, standortgebundene Wiesenpflanzen, Unkräuter etc. – reduzieren bzw. ausmerzen sollen (s. z.B. dazu Vanselow, R.U. 2010). Diese gnadenlose Aufrüstung gegen die „natürliche Natur“ wirkt sich auf den Gesundheitszustand der Nutztiere und nachgewiesenermaßen auf den der Menschen aus. Die Zunahme der über die Züchtung künstlich forcierten pflanzlichen Wirkstoffe steht mit der Zunahme von Zivilisations­ krankheiten in unmittelbarem Zusammenhang. Durch intensive Düngung werden die Pflanzen „überfüttert“ oder „gemästet“. Die feinstoffliche Wachstumsinformation in den gemästeten, eiweißreichen Pflanzenbeständen setzt sich via Nahrung in den

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Eine gute Obsorge der Weidetiere und der Weidebestände bedingt gesundes und langlebiges Vieh und ausgezeichnete Nahrungsmittelqualitäten. Hingegen ist in schnellgemäs­ teten Pflanzen und Tieren die hohe Zellteilungsinformation enthalten, welche auf unseren Körper übertragen wird. – Im Bild: Mein Sohn Matteo Etzer bei der Viehbetreuung im Maltatal.

Tieren und Menschen fort. Diese „unreifen Prozesse“ führen weiters zur „Mästung“, vermehrter Zellteilungen und Wachstum in den Zellen der Pflanzenfresser bzw. -esser. Viele Krebserkrankungen haben eine weite Ursachenamplitude, eine davon ist vermutlich in der durch „Mästung“ (massive Kunst- und organische Düngung) entstandenen Nahrungsmitteln begründet.

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Erziehung robuster Bakterienstämme durch Antibiotika-Einsätze Der Mensch zeichnet sich bei der immer perfekter werdenden Krankheitsbekämpfung durch seine häufig in die Irre gehenden Einschätzungen aus. Ohne der Gesundung der Menschen effektiv genug zu dienen, wird auf möglichst hohe Gewinnabschöpfungen abgezielt. Den krankheitserregenden Bakterien wurde der Krieg erklärt, den Menschen schädigende Keime sollten auf ewig eliminiert werden. Der Siegeszug der Antibiotika seit 1928, seitdem diesbezügliche Versuche vom schottischen Bakteriologen Alexander Fleming durchgeführt wurden, dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Niederlage werden und ins Gegenteil ausarten. Die Bakterien entpuppen sich als widerstandsfähiger und entwickeln gegen die Antibiotika resistente Stämme, welche noch heftiger als ihre Vorläufer-Generationen wirken. Durch diese vom Menschen verursachte Fehlentwicklung schlägt die Natur der anpassungsfähigen Bakterien erbarmungslos und mit Vehemenz in Form von Epidemien zurück. Der Themenbereich „resistente Krankenhauskeime“ wie auch „Haushaltskeime“ als Brutstätten verdeutlicht die Sackgasse, in der man sich mit der allzu freizügigen Anwendung des „Allheilmittels Antibiotikum“ und hochsteriler Hygienemittel eingelassen hatte. Bei als einfach geltenden Entzündungen, grippalen Infekten oder harmlosen Erkältungen wurden in den letzten Jahrzehnten unbedacht Antibiotika eingesetzt, wodurch ein hoher Druck auf die Krankheits- bzw. Entzündungserreger stattfand – ein Selektionsdruck, bei dem die widerstandsfähigsten überlebten und sich weiterentwickelten. Die Wirksamkeit der seit den 1940er-Jahren verwendeten Antibiotika (wie z.B. Penicillin, Amoxycillin, Methicillin, Erythromycin, Chinolon usf. sowie Glyko-, Polypeptide, Polyketide, Aminoglykoside, Sulfonamide u. a. Gruppen) ist durch die genetische Anpassung der Strepto-, Pneumo- und Staphylokokken infrage gestellt.

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„Epidemien der Moderne“ – multi- und panresistente Mikroben vom Menschen nebenher mitgezüchtet Sprach man von resistenten und multiresistenten Keimen, so muss man heute von einer Panresistenz sprechen, wenn Keime praktisch gegen alle Antibiotika widerstehen. Das mechanistische Denken ist vielleicht bei Maschinen umsetzbar, funktioniert allerdings nicht in der Biologie und Ökologie. Diese Antibiotikaeinflüsse befinden sich in den verschiedensten Kreisläufen, sei es aus human-, veterinärmedizinischen Einsätzen oder sei es aus der ohnehin fahrlässigen Tierfütterung und Tiergesundheitseinsätzen (z.B. als Wachstumsförderer, Prophylaxe in der Tiermast …) stammend, wodurch sich die Mikrobenwelt äußerst gut anpassen konnte, ja durch die überbordende Hygiene sogar gefördert wurde. Nicht nur die Kläranlagen, sondern Oberflächen-, Grundwässer und Böden sind mit Antibiotikaeinflüssen kontaminiert. Auch nützliche Bakterien entwickeln durch den Antibiotika-Einsatz mittlerweile Resistenzen dagegen und übertragen über den „horizon­ talen Gentransfer“ diese Resistenzen auf krankheitserregende Keime. Das wird zu fatalen Folgen führen. Doch die Forschung wird so weiter machen wie bisher, mit der kriegerischen Einstellung gegen die Keime, mit der neuen Spielwiese einer Suche nach aggressiven Gegenspielern und mit dem Risiko der Zucht neuer fehlentwickelter Resistenzkeime. Eine Kritik und Debatte darum wird nicht zugelassen. Die Mikrobiologen meinen, die „Baupläne“ der Mikroben sorgfältig zu beforschen oder zu kennen. Doch die Natur ist viel wendiger und weiser, als der primitiv-mechanistisch denkende und handelnde Wissenschaftler. Die Manipulation des Bakterienlebens ist eine grobfahrlässige. Wenn die Menschheit nicht einmal eine tragfähige, gesundheitstaugliche Züchtung bei Getreide- und Kulturarten zuwege bringt, was für einen Unfug treibt sie erst in der Mikrobenzucht?

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Natürliche Biotika – für ein immunstärkendes Leben und nicht dagegen arbeiten Eine Gegenbewegung sind die Vermeidung von antibiotisch wirkenden Medikamenten und der Aufbau einer natürlichen Bakterienflora ohne medikamentöse Einflüsse. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung sowie ein gesundes Lebensumfeld stellen die wichtigste Lebensbasis gesunder Wesen dar. Es wären ein anderer Umgang mit Hygiene und ein angepasster, distanzhaltender Kontakt mit der Natur, mit dem Boden und den Tieren, also die Anpassung der Immunabwehr vom Kindesalter an, höchst erstrebenswert. Die Einnahme von Antibiotika ist grundsätzlich zu vermeiden. Werden keine Antibiotika eingenommen, umso weniger resis­ tente Keime können sich im menschlichen Körper entwickeln. Und die Bildung ist auf gesunde Lebensweisen, gehaltvolle Ernährung und die Herstellung gesunder Grundlebensmittel zu orientieren. Naturheilmittel können nicht wirken, wenn Antibiotika Verwendung finden, auch komplementär nicht. Bevor Antibiotika oder fragwürdige Chemotherapien eingesetzt werden, ist dies zu überlegen und im Grund genommen vorbeugend eine andere Kultur der Abwehrkräfte steigernden Mechanismen zu forcieren. In Zukunft dürften in Fragen der natürlichen Immunstärkung eine natürliche, einfache Lebensweise und die „pflanzlichen Biotika“ eine große Rolle spielen. Das ist langfris­ tig die einzige Chance, um aus der bisherigen Fehlentwicklung einen Ausweg zu finden.

Nährende Wildkräuter und spezifische Heilkräuter Viele Kräuter können in der Ernährung in geringen Mengen oder mittleren Beigaben, aber in einem ausgewogenen Verhältnis eingesetzt werden. Bei den Heilkräutern ist zwischen mehreren Gruppen zu unterscheiden: 1. In die Speisen eingliederbare wildwachsende Pflanzen – wie Wildgemüse, Wildobst, Nussfrüchte etc. – bilden die Grundlage und Basis anderer speziell anwendbarer Kräuter. „Sie öffnen, reinigen, machen den Weg frei, mobilisieren und transportieren.“ Hier ist

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Bei freiem Weidegang können die Tiere selber entscheiden, welche Pflanzen ihnen wohlbekommen, welche sie aus Gründen der Selbstmedikation aufsuchen, wo und wann sie sich ausruhen und wie sie ihren Tag einteilen. Die Nachkommen lernen binnen weniger Wochen alles Lebensnotwendige von den Älteren.

eine große Vielfalt gegeben, deren Abwechslung in der Küche eine geschmackliche Bereicherung bietet. Sie sind für vorsorgend-heilwirksame Aspekte zu berücksichtigen. 2. Kräuter vermögen den Boden, die Voraussetzung für die Heilung, aufzubereiten. Grundsätzlich existiert eine breite Palette vieler Pflanzenbeispiele mit speziellen Wirkungen in speziellen Krankheitsfällen oder für die Zielrichtung bestimmter Erkrankungsgruppen. Sie können unmittelbar in geringen Mengen als Würzkräuter oder Heilkräuter eingesetzt werden. In Bezug auf die Wirkstoffgehalte (Aroma, Heilkraft) spielt vor allem die Herkunft (Tiefland oder Höhenlage, Witterungsbedingung, Wind, Besonnung, Bodensituation etc.) eine Rolle. Pflanzen aus der Wildsammlung beherbergen bessere Gehalte als jene aus der intensiven Kultivierung. Spezifisch einsetzbare Kräuter sind ergänzend wirksam zu den Hauptkräutern. Bei der ergänzenden Anwendung steht ihre gesundheit­

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liche Wirkung im Vordergrund z.B. in Form von Tees. Auch ihre verschiedenen Extraktionen sind je nach individuellem Heilzugang ergänzend oder vorbeugend verwendbar oder kurmäßig genossen vor dem Essen dienlich. 3. Hochwirksame Heil- und sogenannte „Giftkräuter“ werden ausschließlich für Heilzwecke angewandt. Für akute Fälle werden Extraktionen und energetisierte Aufbereitungen aus Kräutern genutzt. Hierbei handelt es sich um spezifische und tiefenwirksame Pflanzen, welche ansonsten in der Ernährung unmittelbar keinen Einsatz haben.

Beispiele natürlicher, pflanzlicher „Biotika“ Baldrian, Großer (Valeriana officinalis) Brennnessel-Samen (Urtica dioica) Eiche (Quercus spec.) Engelwurz (Angelica sylvestris) Fichte (Picea abies) Gehölzknospen (gemma silva, nodus silva) Holunder (Sambucus spec.) Johannisbeere, Schwarze (Ribes nigrum) Kräuterknospen (gemma herbidus, nodus herbidus) Liebstöckel (Levisticum officinale) Mädesüß (Filipendula ulmaria) Mistel, Laubgehölz- (Viscum album) Mutterwurz (Ligusticum mutellina) Nussfrüchte (Walnuss, Eichel, Marone) Ringelblume (Calendula officinalis) Rosenwurz (Rhodiola rosea, Sedum rosea) Rote Rübe (Beta vulgaris subsp. vulgaris) Schachtelhalm, Acker- (Equisetum arvense) Sellerie (Apium graveolens) Tanne (Abies alba) Wasserdost (Eupatorium cannabinum) Weide (Salix spec.) Wilde Karotte (Daucus carota)

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Beispiele natürlicher, pflanzlicher „Antibiotika“ Apfelkerne (Malus domestica) Bärlauch (Allium ursinum) Blutwurz (Potentilla erecta) Bibernelle, Große / Kleine (Pimpinella major, P. saxifraga) Brunnenkresse (Nasturtium officinale) Chili (Capsicum spp.) Echinacea (Echinacea spp.) Enzian, Gelber (Gentiana lutea) Essig (acetum) Fieberklee (Bitterklee, Menyanthes trifoliata) Flechten (Lichenes) Gartenzwiebeln (Allium cepa var.) Gewürznelken (Syzygium aromaticum) Ingwer (Zingiber officinale) Kalmus (Acorus calamus) Kamille (Matricaria chamomilla) Knoblauch (Allium sativum) Kümmel, Wiesen- (Carum carvi) Kurkuma (Gelbwurz, Curcuma longa) Lauch (Allium porrum) Löffelkraut (Cochlearia officinalis) Meerrettich (Kren, Armoracia rusticana) Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) Mutterkümmel (Kreuzkümmel, Cuminum cyminum) Nelkenwurz, Echter (Geum urbanum) Paprika (Capsicum annuum) Pfefferoni (Capsicum spp.) Radieschen (Raphanus sativus var. sativus) Rettich (Raphanus raphanistrum, R. sativus) Rosmarin (Rosmarinus officinalis) Rucola (Eruca, Diplotaxis) Salbei, Echter (Salvia officinalis) Schafgarbe (Achillea millefolium) Schaumkräuter (Cardamine spec.) Schwarzkümmel (Nigella sativa)

Der Meerrettich (Kren, Armoracia rusticana) gilt als „natürliches Antibiotikum“ und liefert in allen Teilen ein sehr kraftgebendes, immun­ kraftstärkendes Würzmittel. Die Inhaltsstoffe wirken verdauungs- und kreislauf­ fördernd, schweißtreibend und entgiftend auf alle Körperteile.

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Senf, Brauner (Brassica juncea) Senf, Schwarzer (Brassica nigra) Senf, Weißer (Sinapis alba) Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) Thymian (Thymus spp.) Wacholder (Juniperus communis) Wasserdost (Eupatorium cannabinum) Weißkraut / Sauerkraut Wermut (Artemisia absinthium)

Ursachen und Wirkungen – Schulmedizin im grünen Mäntelchen Nützen wir das Angebot der natürlichen Vielfalt und machen wir nicht denselben Fehler wie bisher in der Knopfdruckwissenschaft: Da ein Problem, dort ein Mittelchen. Nur auf einen Knopf zu drücken, wie man eine Maschine aus- und einschaltet, so funktioniert Heilung oder Gesundwerdung nicht. Die Beschäftigung mit der Natur und ihre Nutzbarmachung für nahrhafte Speisen oder als Heilmittel bringen uns auf andere Ebenen oder auf die „Bereitschaft für Gesinnungen“, mit uns einen gesundheitswertschätzenden Umgang zu finden. Das Gesamte und das Umfeld der gesamten Organismen und Lebensbereiche, welche uns gesund­haltende Nahrung sein sollen, sind zu sehen und zu verstehen lernen. Das wäre die Geburt einer neuen Richtung im Gesundheitsbereich. Doch dürfen alternative Heilverfahren nicht als Äquivalent zur herkömmlichen Medizin­ entwicklung gesehen werden oder gar zu einer „Grünen Schulmedizin“ verkommen, denn dann wird das Vorgehen erst wieder zu ­einer Bedeckmantelung von Symptomen und nicht zu einer Lösung der Ursachen. Wir können wieder in den „Normalzustand unserer eigenen Menschen-Natur“ zurückkehren, welcher von gesunden Wesen ausgeht und nicht von einem sich mehrenden gesellschaftlichen Zustand des Krankseins. Ziel der Debatte rund um die „Nahrhafte Landschaft“ oder die „Heilkraft von Landschaften“ und das wirkungsvolle Einsetzen von Heilkräutern ist die Bereitstellung einer Handhabung, sich selbst aus einer misslichen Situation herausziehen und wieder danke sagen zu können.

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Die Ziegen brocken das Futter, aber sie grasen nicht, wie z. B. die Rinder! Sie naschen und suchen sich stets das beste Futter oder von überall etwas aus. Wenn die Samen der Gräser milchreif werden, lagern sie zunehmend Stärke ein. Die schlauen Ziegen wissen um die Nahrhaftigkeit dieses „Naturgetreides“ und holen es sich abwechselnd mit vielen Kräutern und Gehölzteilen.

Der gesundheitliche Wert der Geißmilch steht in Abhängigkeit zur Nahrhaftigkeit von Weide und Futter Die Milch der Ziegen gilt in unseren Breiten als eine der besten in ihrer Qualität. Die gewieften Geißen suchen sich bei ihren weiten Weidegängen gezielt geschmacklich gute und heilkräftige Kräuter sowie die Blätter und Triebe verschiedener Gehölze. Sie stimmen ihr Nahrungs- und

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Die Ziegen brocken das Futter, aber sie grasen nicht, wie z. B. die Rinder! Sie naschen und suchen sich stets das beste Futter oder von überall etwas aus. Wenn die Samen der Gräser milchreif werden, lagern sie zunehmend Stärke ein. Die schlauen Ziegen wissen um die Nahrhaftigkeit dieses „Naturgetreides“ und holen es sich abwechselnd mit vielen Kräutern und Gehölzteilen.

Der gesundheitliche Wert der Geißmilch steht in Abhängigkeit zur Nahrhaftigkeit von Weide und Futter Die Milch der Ziegen gilt in unseren Breiten als eine der besten in ihrer Qualität. Die gewieften Geißen suchen sich bei ihren weiten Weidegängen gezielt geschmacklich gute und heilkräftige Kräuter sowie die Blätter und Triebe verschiedener Gehölze. Sie stimmen ihr Nahrungs- und

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Frei laufende Ziegen suchen täglich eine Vielzahl verschiedener Standorte auf, um sich mit Kräutern, Gehölzen und Gräsern zu sättigen. Sie haben einen siebten Sinn für die Inhalts­ stoffe in den einzelnen Pflanzenteilen und holen sich die besten Leckerbissen. Bei freiem Weidegang z. B. auf den Alpweiden entsteht durch die Aufnahme der Vielfalt an Pflanzen eine vorzügliche Milchqualität, aus der z. B. Josef Schneider (Alpe Almein, Viktorsberg, Land Vorarlberg) ausgezeichnete und vor allem gut verträgliche Käseprodukte herstellt. In Damüls, Warth und Schröcken waren bis Anfang der 1960er-Jahre die Menschen stets gesund und erreichten ein hohes Alter, obwohl sie in dieser rauen Höhenlage weder Salat, Gemüse noch Obst zur Verfügung hatten und kaum etwas eingekauft wurde. Die Höfe besaßen zwei bis drei Kühe und einige Ziegen. Die Leute lebten Großteils von der gehaltvollen Milch, welche aus den kräuterreichen Weiden und Heuwiesen herrührte. Diese Milch deckte den Vitamin- und Spurenelementbedarf der Menschen ab.

Suchverhalten nach den in der Landschaft vorhandenen Futterpflanzen ab. „Wer eine Ziege besitzt und ihre Milch nutzen kann, der benötigt keinen Arzt“, heißt es bei alten Leuten. Früher wurden die Wanderwege von den Ziegenherden frei gehalten. Ein Hirte machte mit seiner Herde verschiedene Tagesreisen, wodurch die Tiere in den Genuss vieler Nahrungsmöglichkeiten kamen. Auf diese Weise erfolgte die Zurückdrängung der Gehölze und auf den Weiden die Reduktion von unliebsamen Konkurrenzpflanzen.

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Effiziente Weide- und Landschaftspflege Früher hielten sich die Leute pro Haushalt eine Geiß oder mehrere Ziegen. Diese zogen jeden Morgen gemeinsam unter Aufsicht eines Hirten oder einer Hirtin in einer Herde in der Gemeinde umher, um die Weidepflege zu verrichten. Am Abend wurden die Tiere wieder wohlbehalten im Dorf abgeliefert. So hatten die Menschen stets frische Milch zum Kochen und die Leute blieben bis ins hohe Alter gesund.

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Vor Jahren hielt sich einmal ein versiertes Ehepaar aus Nassereith in Tirol eine Ziegenherde und zog täglich mit der Herde bestimmte Wanderrunden durch die Landschaft. Sie nutzten alte Wander- und Durchzugsrechte, weshalb ihnen niemand diese Streifzüge streitig machen konnte. Die Tiere verbissen die Wegränder so gut, dass die Gemeinde kaum eine Wegrandpflege durchführen musste. Vor allem die in die Wege einwachsenden Gehölze wurden als Futter genutzt und in Schach gehalten. Sie erzeugten vorzüglichen Käse, welcher in die besten Gasthäuser und Hotels geliefert wurde. Eines Tages kam ein Mann von der Hygienebehörde in den Kleinbetrieb und schikanierte das Paar bezüglich der Einhaltung von Vorschriften bei der Käseherstellung und -lagerung so lange, dass die Leute gezwungen waren, wegen der Unerfüllbarkeit der Auflagen die Käseproduktion aufzulassen. Mit „großer Wut im Bauch“ wurden die lieben Tiere verkauft. Ab dieser Zeit wuchsen die von den Ziegen beweideten Wanderwege zu und die Gemeinde sah erst jetzt, welche Arbeit die Tiere geleistet hatten und welche Kosten bei der Wegrandpflege neuerlich entstanden. Da erkennt man, was eine kleinere oder größere Ziegenherde für eine Bedeutung haben kann, und von den Käsegenießern ist auch keiner gestorben. Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Behörden im Grunde genommen darauf aus sind, möglichst viele Kleinbetriebe zur Aufgabe zu zwingen, und bei den großen Betrieben sehen sie bezüglich Einhaltung gesetzlicher Vorschriften absichtlich weg.

Das Futter und die Haltung entscheiden über die Milchqualität Die Milch der Ziegen ist wie auch jene der Rinder von stark divergierender Qualität gekennzeichnet. Nur eine vielfältig nahrhafte Landschaft garantiert auch eine nahrhafte Milch. Der hohe Kräuteranteil bestimmt

Durch die Verarbeitung zu Käse kann die Milch für einige Wochen, Monate und sogar Jahre bevorratet werden. Mit bestimmten Materialien, wie z. B. aromatische und desinfizierend wirkende Kräuter (Thymian, Oregano, Rosmarin), gerbstoffhältige Baumblätter (Kastanie, Eiche, Walnuss), wie auch Weintrester, Dörrobstmehl, Asche etc. kann der Käse länger haltbar gemacht werden (Käsegeschenke von Affineur Hans Baumgartner aus Vahrn bei Brixen in Südtirol und Tiroler Bauern).

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

den Grad an gesundheitlicher Wirkung der Geißen- und Kuhmilch. Zudem spielt die Höhenlage der Weiden und der Futterflächen eine bedeutende Rolle. Zu einer artgerechten Fütterung und Haltung der Ziegen zählen kräuterreiche Weiden mit artenreichen Gehölzbeständen und stark reliefierten Geländeformen. Aufgelassene „Huden“ könnten mit Ziegen und Schafen wieder in Beweidung genommen werden und dadurch offen und im Charakter erhalten bleiben. Die heute konsumierte Milch und ihre verarbeiteten Produkte sind vom Nährgehalt her gesehen im Vergleich zu früher für unsere Gesund­ erhaltung unzumutbar. Denn was die Tiere fressen, das ist in umgewandelter Form in seiner positiven oder negativen Wirksamkeit auch in der Milch enthalten. Heute werden in verschiedenen „Genussregionen“ so genannte Heumilchkäse-Sorten hergestellt und beworben. Die Basis für diesen ausgezeichneten Käse sollte der erste Heuschnitt und Grummet, der zweite evtl. dritte Schnitt sein. Die erhaltene Milchqualität sollte in einer besseren Qualität in Käse und anderen Milchprodukten geschmacklich wirksam sein. Solche Milch steht jener aus der Silage und kraftfutterbetonten Tierernährung entgegen. Deshalb gilt die Frage: Welche Milch ernährt uns und auf welcher Futterbasis ist eine gute Milchqualität gestellt? Bestehen zwischen den Nutztiergattungen Unterschiede in der Milchqualität?

Die Tierhaltung liegt im Argen Die Milch unserer heutigen Landschaft ist inhaltsleer und nicht im Geringsten heilwirksam ernährend. Sie ist wie eine dünne Suppe, die vielleicht vergleichsweise viel Eiweiß hat, aber sie kann eher als krankmachend angesehen werden, da nicht ausreichende Prozesse der Landwirtschaft, wie z.B. eine sorgfältige Behandlung der organischen Düngemittel, die Art der Grünland- und Ackerbewirtschaftung, Energieeinsätze, profunde Bodenbeeinflussung, solide Tierhaltung, ggfs. Einsätze chemischer Mittel, in der Milch einwirkten und nachwirken. Wesentlich für diese Behauptung ist die Beobachtung der Landbewirtschaftungsweisen in verschiedenen Regionen. Je größer die Betriebe sind und je mehr in die Masse produziert wird, desto gehaltloser wird die Milch. Man kann davon ausgehen, dass die Kuhmilchwirtschaft für sich schon

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

die industrielle Produktion an Massenmilch bedeutet. Die heutige Rinder-, Schweine-, aber auch Hühnerhaltung ist die industrielle Form der seinerzeit subsistenzorientierten Schaf- und Ziegenhaltung geworden. Man spricht nicht umsonst vom „Milchsee“, „Fleisch-“ oder „Butterberg“, wie die Agrarüberschüsse benannt werden. Wegen der beengten und Massentierhaltung wird seit einigen Jahren nun die Enthornung der Ziegen diskutiert. Absurd, den Tieren ein Organ zu entfernen, welches es benötigt, um z.B. Energie, Strahlung und Temperatur auszugleichen, um das Wetter oder Gewitter zu fühlen, mit dem es sich an beinahe allen Stellen des Körpers kratzen und wehren kann und dem Alter entsprechend innerhalb der Herde eine rangmäßige Anerkennung bekommt. Ein alter Bauer in der Schweiz meinte zu dieser Art der Industrialisierung der Tierwirtschaft: „Hornlose Vieher, hirnlose Landwirte“. Darin steckt Wahrheit.

Bauern machen sich Gedanken, Landwirte lassen andere für sich denken Die Verarbeitungsindustrie zieht in der Primärproduktion im Prinzip eine agroindustrielle Herstellung nach sich. Ausnahmen bestätigen allerdings diese Regel, wenn sich manche Bauern mehr Gedanken über die Qualität ihrer Produkte machen als agroindustriell-orientierte Landwirte. Und je sorgsamer die Landnutzer mit den natürlichen Produktivkräften umgehen, desto qualitätsvoller sind ihre Erzeugnisse. Mit Düngern gemästetes Futter ergibt getriebene Milch und getriebenes Fleisch. Aufgeschlossene Ärzte vermuten in der Lebensmittelherstellung, die auf übergebührliche, konventionelle Düngung zurückzuführen ist, viele Ursachen für gesundheitliche Beschwerden bis hin zur Krebsursache. Die erzwungenen Massenerträge und künstlich gemästetes Intensivfutter bedingen gemästetes Fleisch und in der Qualität fragwürdige Milch. Diese könnten demnach, über einen längeren Zeitraum eingenommen, Verursacher für gesundheitliche Beschwerden sein, da natürliche Wachstums- und Reifeprozesse bei den Pflanzen nicht abgeschlossen sind und diese Informationen auf die Prozesse in den Tieren und Menschen aus der Nahrung übertragen werden.

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Leider wird heute immer noch bei der Milchannahme in die Tankfahrzeuge ausgezeichnete Milch zur herkömmlichen Milch dazugemischt. Und leider unterscheidet sich das Gros der Biomilch großer Vertreiberfirmen in der Qualität von der herkömmlichen Milch nicht wesentlich, zumal sie ebenfalls mittlerweile aus Logistik- und Haltbarkeitsgründen hochhygienisiert wird. Die sorgfältige Überprüfung der Futter- und Milchherstellung liegt im Argen, denn lediglich Richtlinien in oberflächlicher Weise zu kontrollieren und nicht Grundfragen der Lebensmittelherstellung kritisch zu betrachten, ist für eine verbesserte Milchqualität zu wenig. Eines ist zur Verträglichkeit der Milch allgemein anzumerken: Echte Almmilch oder Milch von kräuter- und energiereichen Weiden v­ ertragen wir heute nur mehr bedingt gut, da uns von Kindheit an aus der Verarbeitung behandelte Milch und zu große Milchproduktmengen in der Ernährung anerzogen wurden. Jene Milchtrinker, welche von klein auf eine qualitätsvolle Milch genießen konnten, verzeichnen mit diesem Nahrungsmittel keine gesundheitlichen Bedenken. Bekommen Kinder und Kranke eine Milch aus einer 100%ig profunden Landnutzung mit artgerechter Fütterung der milcherzeugenden Tiere, so kann dieses Lebensmittel in Abhängigkeit des Lebensstils als Heilmittel wirksam werden. Die Agrarberatung treibt mit den jährlich abwechselnden Agrarmoden den Milchmarkt mit der Folge immer größer werdender Betriebe in eine Sackgasse. Sie werden volltechnifiziert und gieren nach größeren Milchmengen, wobei die Milchpreise und die Milchqualitäten der einzelnen Länder stark am Sinken sind. Dieser Preisverfall trifft allerdings die größeren Betriebe gravierender als die kleinen, welche auf mehreren Standbeinen ihre Betriebe aufgestellt haben.

Gute Geißmilch entsteht auf der Basis kräuterreichen Futters Die Milch der Geißen und Schafe verzeichnet eine anders strukturiere Fett- und Proteinzusammensetzung als jene der Kuhmilch und gilt deshalb den Kindern und erwachsenen Menschen als besser verdauungsverträglich. Diese mineralstoffreiche Milch regelmäßig in normalen Mengen getrunken, ist ein wahres Lebenselixier. Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen finden bei längerem Ziegenmilchgenuss ein

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Ende. Die Milch solider Land- und Bergziegenrassen wird von Kuhmilch-Allergikern gut vertragen, hingegen jene von neu gezüchteten Hochleistungsziegenrassen nicht. Doch stellt die Geißmilch von Kleinbetrieben eine gesündere Milch dar, da die Ziegen grundsätzlich ein ganz anderes Futterspektrum beziehen können als z.B. jene von Großbetrieben. Kleinbetriebe zeichnen sich durch eine höhere Artenvielfalt und somit Futterauswahlmöglichkeit aus. Die wählerischen Tiere fressen bevorzugt Kräuter, Laub, Reisig und Knospen, herbe Pflanzen und karge Vegetation. Ihre Milch enthält im Vergleich zur Kuhmilch einen geringeren Fettgehalt, höhere Mineralstoffgehalte (Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphor, …), Spurenelemente (Kupfer, Zink, Natrium) und – unter den Bedingungen der Trocken- und Magerstandorte – weitere Wirkstoffe, die zur Geltung kommen. Vergleichsweise liegt der Gehalt der Vitamine A, B1, B2, D, E und C höher. Die Art der Weide und des Futterangebotes bestimmt über die Qualität der Milch. Je höher der Grad der freien Futteraufnahme besteht und je vielfältiger die Angebote an Kräutern in der Landschaft zur Verfügung stehen, umso gehaltvoller ist die Milch. Ziegenmilch enthält keine Folsäure und einen geringeren Gehalt an Laktose. Im Vergleich zur Kuhmilch führt man die leichtere Verdaulichkeit der Ziegenmilch auf die kleineren Fettkügelchen und den höheren Anteil kurz- und mittelkettiger Fettsäuren zurück, welche durch Enzyme leichter zerlegbar sind und vom Körper besser absorbiert werden können. Verglichen mit Kuhmilch weist die Ziegenmilch einen geringeren Gehalt an Alpha-s1-Kasein auf, welcher in großen Mengen allergen wirkt und zu einer schwereren Verdaulichkeit führen kann. Insofern kommt der guten Geißmilch eine diätetische Bedeutung zu, da ihre Fette sich infolge besserer Verdauung nicht im Körper der Milchtrinker so leicht ansetzen, wie dies z.B. durch langkettige Fettsäuren der Kuhmilch induziert ist.

Zwei Beispiele des heilwirksamen Milcheinsatzes Mit der Geißmilch kann man jedes „verweiste“ Säugetier aufziehen. Selbst kleine Hasen, Rehkitze, Hirschkälber oder Igel fanden damit ein Fortkommen. Zur Wirkung der Ziegenmilch in der Schweiz berichtete

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Pfarrer Johann Künzle von einer Begebenheit, die ihm vor 1900 zugetragen wurde. Ich ließ mir diese erzählte Geschichte auf der Zunge zergehen, als ich vor zwanzig Jahren in der Umgebung in Vilters bei Sargans mehrere Monate bei der Familie Hans und Hilde Roth in der Bauernwirtschaft arbeitete: Es ging um eine Bauernfamilie, bei der trotz guter Kost alle Kinder bleich und schwach waren. Häufig musste der Doktor das Haus konsultieren und die Leute behandeln. Das ging ins Geld, und trotzdem hörten die gesundheitlichen Probleme nicht auf. Eines Tages riet ihnen ein Mann, die Familie solle sich eine kleine Ziegenherde anschaffen und den Kindern neben der üblichen Nahrung auch Tag für Tag die gewonnene Geißmilch und keine Kuhmilch mehr verabreichen. Der gesagte Rat wurde befolgt. Nach einigen Wochen war schon ein merklicher Erfolg gegeben, nach einem Jahr eine außerordentlich gute Wirkung, sodass die Kinder wieder „pumperlgesund“ waren, und ab da an der Arzt ein sehr seltener Gast wurde. Auch Erika Hubatschek erzählte vor Jahren, dass sie als Kleinkind einen ganzen Sommer lang auf die Alm gegeben wurde, damit sie das Kränkliche verlor. Dort bekam sie Ziegenmilch zu den Mahlzeiten verabreicht, und bald wurde ihr gebräuntes Gesicht vollbackiger. Fortan hatte sie keine gravierenden gesundheitlichen Probleme mehr – sowohl in der Kindheit als auch in der Zeit bis ins hohe Alter. Diese Almkur verbesserte die körpereigene Immunabwehr, half die asthmatischen Beschwerden zu heilen und ihre unreine Haut wurde binnen weniger Wochen wieder schön. Auch äußerlich einwirkend reinigt sich die Haut. Andere Leute berichteten: Die Milch – über einen längeren Zeitraum genossen – fördere die Konzentration, stärke die Nerven und beruhige bei Stress und Angst. Schnupfen und Husten, bei Hautausschlägen, Ekzemen und Dermatitis, Migräne und Kopfschmerzen verschwinden offenbar. Eine entgiftende Wirkung auf die Organe und bei Strahlenverseuchung und krebsschützende Bedeutung sagt man der Ziegenmilch ebenfalls nach.

Was ist aus den zwei Beispielen zu lernen? Erstens hat die Milch kurzfristig keine direkte Wirkung wie bei dem uns eingebläuten Rezeptdenken, sondern der gesundheitliche Einfluss beruht auf einer langfristigen Wirksamkeit und ist von verschiedenen Fak-

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toren abhängig. Warum ist das so? Wenn man davon ausgeht, dass einerseits das Futter aus einer vielfältigen Landschaft stammte und diese Vielfalt das ganze Jahr über von den Tieren genossen wurde, so profitierten die Kinder das ganze Jahr über von den unterschiedlichen pflanzlichen Wirkstoffen. Diese oder ihre Informationen sind den Jahreszeiten entsprechend in der Milch enthalten. So wirkt sich neben dem Weidefutter die Art der Heuqualität auf die Milchqualität aus. Deshalb bestehen Altbauern darauf, dass das Wild- oder Bergheu von den Almen oder extensiv bewirtschafteten Standorten zumindest in wenigen Fuhren auf den Heimbetrieb transportiert wird, damit Vieh und Mensch gesund bleiben. Sie sprechen vom „Medizinal-“ oder „Gesundungsheu“ von diesen artenreichen Standorten. Die Wirksamkeit gesund erhaltender Milch erfährt eine Steigerung gemeinsam mit ausreichender Bewegung der Tiere auf den Weiden, an der frischen Luft und vor allem in der Sonne. Zweitens kann aus diesen Beispielen die Almmilch z.B. als wertvoller eingestuft werden. Dieses Erachten ergibt sich daraus, dass innerhalb der kurzen Almvegetationszeit von drei bis vier Monaten im Grunde genommen komprimiert dasselbe abläuft wie in der Talvegetationsperiode und sich durch die Umstände der Standorts- und Witterungseinflüsse höhere Stoffgehalte ergeben. Die Pflanzen schaffen binnen kurzer Zeit eine andere und vermehrte Konzentration an Wirkstoffen, Vitaminen und Spurenelementen aufgrund der Höheneinflüsse. Dasselbe gilt auch für die Kuhmilch von der Alm.

Nicht jede Geißmilch ist gut genug Hingegen ist jene Milch von Ziegen, die lediglich „nur“ mit dem Heu und /oder Silage unserer heute üblichen Grünländer gefüttert werden, mit qualitativen Abstrichen zu bewerten. Was heute undifferenziert als Fettwiesen bezeichnet wird, liefert vielleicht rohfaser- und eiweißreiches Futter, aber kein gehaltvolles Heu mehr. Es existieren auch artenreichere Kräuterwiesen mit hohem Ertrag, wie z.B. die echte Glatt- und Goldhaferwiesen, deren typische blumenbunte Vegetationsformationen allerdings sehr selten geworden sind. In der Hauptsache findet man bei uns überdüngtes „Grasland“ vor, wo die Vielfalt an Kräutern fehlt. Bei Untersuchungen homogener Flächen

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ist aufgefallen, dass in der intensiven Landwirtschaft selbst auf den Wirtschaftsflächen so genannter Biobauern eine durchschnittliche Artenzahl von rund zehn bis zwölf Arten besteht. Ein Jammer für jene Landwirte, die ihr Wirtschaften als „biologisch“ oder „ökologisch“ bezeichnen und da­für höhere Produktpreise einfordern. Ganz zu schweigen ist die ­Fütterung von fragwürdiger Silage und Kraftfutter zur Steigerung der Milchmenge, deren Inhaltsstoffe in die Milch übergehen. Gute Wiesen haben eine Artenzahl von fünfundvierzig aufwärts bis über sechzig Pflanzenarten. Etwas und verschiedenes Laubheu verabreicht, ist aus gesundheitlichen Gründen vorteilhaft, wenn sich Ziegen durch die Landschaft verkosten. Allzu reichliche Laubfütterung aus der Schneitelwirtschaft kann hingegen zu bitterer Milch führen. Deshalb reicht man den Ziegen vornehmlich während der Trockenstehzeit, wenn sie bis zur Geburt des Kitzes einige Monate lang keine Milch geben, vermehrt Futterlaub und während der Laktation zwischendurch eine geringere Menge davon (s. Machatschek, M. 2002). Nicht gut ist z.B. auch Bärlauch (Allium ursinum) im Weideangebot oder zu viel Herbstlaub (von Eichen, Hasel, Pappeln etc.), da die Milch und in der Folge ausreifender Käse nach den Blattgeschmäckern herb werden können bzw. sich die Käserei schwierig gestaltet. Im Fall von Bärlauch im Futter bedingt der Schwefelgehalt stinkenden Käse. Ebenso beeinflusst der ab und zu von den Ziegen aufgenommene Weiße Germer (Veratrum album) oder Allermannsharnisch (Allium victorialis) die Qualität der Milch und das Gelingen der Käserei negativ. Hingegen gelten Brennnessel, Beifuß und etwas Laub (Esche, Ulme, Feld- und Berg-Ahorn, Apfel, Kirsche, Zwetschke, …) uva. kleine scheinbar unbedeutende Kräuter in der Tierernährung als besonders gut für gesunde Milch. Aromatischer und fettreicher wurde die Milch, wenn man den Ziegen die Blüten oder grünen Samenstände des Wiesen-Bärenklaus (Heracleum sphondylium) verabreichte. Die Ziegenmilch und ihre Molke haben immunisierende und heilwirksame Kräfte, sodass sie zur Aufzucht von verwaisten Säugetieren eingesetzt werden. Schwächelnde Personen und kranke Kinder, welchen echte Ziegenmilch verabreicht wird, genesen wieder bzw. bleiben als Erwachsene gesund.

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Was Ziegen gerne fressen Wenn ich mit unseren verschiedenen Ziegenherden auf den Höfen oder bei den Weideprojekten einige Tage lang mitgegangen bin oder bei den Feldarbeiten nebenbei beobachte, so ist es sehr faszinierend, was die Tiere alles fressen und was sie verschmähen. Neben allen Kräutern genießen die Ziegen vor allem die Laubgehölze. Je jünger die Knospen, Blätter und Feintriebe, desto lieber sind sie ihnen. Besondere Vorlieben zeigen sie für Gemeine Esche, Holunder, Ulmen, Weißdorn, Apfel- und Kirschbaum, Ahorne und Erlen. Bei Mineralstoff- und Kalium-Mangel oder zum Entwurmen gehen sie die gerbstoff- oder harzreichen Rinden der Gehölze an. Hierbei nutzen sie die Triebe und Blätter von Fichte, Tanne und Lärche bzw. Eichen, Erlen oder Edelkastanie wie auch deren Rinde wegen ihres Harz- und Gerbstoffreichtums zum Würmerabtreiben. Auch Wermut und Beifuß erfüllen wurmabtreibende Funktion. Auf den Schlägen, Hecken- und Waldrändern stürzen sich die konkurrierenden Ziegen auf die Blätter der Brombeere und Himbeere. Doch nichts liebt sie mehr als die jungen Blütenknospen und Triebe der Heckenrosen. Deshalb sind die Ziegen auch bei den Frauen etwas verpönt, da sie um die Häuser alle Rosen und Zierpflanzen verbeißen, wenn man ihnen eine zügellose Freiheit ließe. Auch den Knospen der Malventriebe oder der Korbblütler (Kratzdisteln, Pippau, Bocksbart, …) sind sie nicht abgeneigt. Gräsersamen in der Milch-, Teig- und Endreife verzehren sie vom Sommer bis Herbst. Die jungen Triebe oder Knospen der Zwergsträucher wie Wacholder, Alpenrose, Heidelbeere und Heidekraut sowie dem zweiten Jungaufwuchs der Farne (Adler-, Wurm- und Bergfarn) oder der Ampfer stellen sie begierig nach, weshalb Ziegen in der Weidepflege eine wichtige Bedeutung übernehmen.

Gesundheitliche Wirkung Bis um die 1950er-Jahre war die Bazillenfreiheit der Ziegenmilch bekannt und man wertschätzte diese Eigenschaften auch in der Ärzteschaft. Heute erkennt man auch den höheren Omega-3-FettsäurenGehalt sorgsam erwirtschafteter Milch. Die Wirkung der getrunkenen Milch bedeutete für die Menschen eine Stärkung des sensiblen Magens

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Die Zusammensetzung der Futterpalette auf artenreichen Weiden bestimmt über die Güte der Milch. Je vielfältiger das Nahrungsangebot in der Landschaft, umso wertvoller ist die Geißmilch. Hingegen zieht eine einseitige Fütterung mit zu jung gemähtem Heu bzw. Grummet, Silage und Kraftfutter keine heilsame Milch nach sich. – Früher setzte man gezielt als „Weideputzer“ Ziegen zur Reduktion unliebsamer Pflanzen ein. Der ­weidepflegliche Aspekt der Ziegen wird wieder neu entdeckt: Es ist von Vorteil, wenn ausbreitende Arten wie Brennnesseln, Disteln, Farne, Brombeere usf. von den Ziegen verwertet und in Schach gehalten werden.

und der Darmentwicklung, Reinigung und Erstarkung des Blutes, Aufbau von Abwehrstoffen und ist allgemein dem Stoffwechsel sehr förderlich. Die körperliche Konstitution erfährt eine Kräftigung wie auch die Lunge, Haut und Haare. So wurde früher warme Ziegenmilch – evtl. mit einem Löffel Honig – vor allem bei Lungen- und Atemwegserkrankungen regelmäßig verabreicht. Der Heilpraktiker Alois Krautgartner aus Salzburg erzählte von der Teebereitung mit Geißmilchzugabe. Dabei wird entweder ein geringes Quantum der Geißmilch mit den Teekräutern mitgekocht oder nach der Absiebung der Kräuter in den reinen Tee beigegeben. Der Zweck dieser Heilteekultur liegt darin, dass vermehrt z.B. fettlösliche Stoffe über ­dieses Milchfett verfügbar und für den Menschen aufnehmbar werden. Vor ­allem bei Wurzelteemischungen wird das Mitkochen der Geißmilch angewandt.

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Im Gegensatz zur Kuhmilch verschleimt die in Mäßigung getrunkene Geißmilch nicht den menschlichen Körper. „Wenn im Frühling die Geißen wieder kitzen, kann ich wieder weiter zu Fuß gehen und besser schnaufen“, berichtete Josef Schneider aus Schwarzenberg im Bregenzerwald von der Wirkung dieser Milch auf einen alten Mann. Nach dem Genuss der Geißmilch war die von der Kuhmilch verschleimte Lunge befreit worden und der geschwächte Mann bekam wieder besser Luft.

Und der schlechte Ruf der Geißmilch? Die aromatisch riechende Milch schmeckt frisch leicht süßlich und bekommt bei längerer Lagerung einen strengeren Geschmack. Dieser ­erklärt sich aus dem höheren Gehalt an Caprinsäure gegenüber anderen Milch­ arten. Aber warum hat dann die Ziegenmilch einen so schlechten Ruf ? Schlecht gekühlte oder über zwei Tage alt gewordene Milch führt bereits zu geschmacklichen Veränderungen, da sich die Fette und Eiweiße umzu­ wandeln beginnen. Wenn die Ziegen im eigenen Mist oder feuchten Tret­ mist stehen, zieht – wie beim Wild – innerhalb einer halben Stunde der Geruch über die Beine oder das Euter ein. Ziegenmilch ist dafür be­kannt, relativ rasch Fremdgerüche des Stalles und von Artgenossen – im Be­son­ deren des Ziegenbocks – aufzunehmen, weshalb man auch vom „Böckeln der Milch“ spricht. Diese Gerüche setzen sich auch in den Käse­produkten fort. Durch diese Haltungsfehler wird heute die Frischmilch abschätzig bewertet, weshalb man lieber auf pasteurisierte Geißmilch zurückgreift. Die Verdrängung der Ziegenwirtschaft hängt sicherlich mit der Abschätzig- und Verächtlichmachung der unangepassten Ü ­ berlebenskultur der „Kleinen Leute“ zusammen. Wer wenig oder kein Land besaß und mit der Ziegenwirtschaft das Leben bestreiten und Futter in der Landschaft sammeln musste, galt weniger als jemand, der Rinder hielt oder einen größeren Besitz hatte. Dabei vollzogen die Ziegenhalter einen großen Anteil der Landschaftspflege und Hintanhaltung missliebiger Pflanzenarten.

Die Menschen entdecken den Wert der Ziegen wieder Sowohl aus humanmedizinischen als auch aus landschaftspflegerischen Gründen ist den Ziegen wieder eine höhere Bedeutung beizumessen.

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❚ Der gesundheitliche Wert der Geißmilch

Die „Eisenbahner-Kühe“ sind vielen Kleingartenbesitzern noch bekannt, welche entlang der Geleise die Böschungen pflegten und den Ziegenhaltern eine gesunde Nahrungsbasis lieferten, solange entlang der Bahndämme und des Gleiskörpers keine schädigenden Spritzmittel zur Anwendung kamen. Verschiedene Gründe bewogen die Ziegenhalter entlang der Bahntrassen zur Aufgabe der Ziegenwirtschaft. Auch die Buschenschank- oder Heurigen-Betreiber in Wien und in den Weinbaugebieten hatten einst Ziegen und Schafe in den Ställen stehen, denen u.a. die ausgebrochenen Geiztriebe der Rebkulturen und der Bewuchs zwischen den Rebstöcken verabreicht wurden und von deren Milch Joghurt, Butter, Hart- und Streichkäse zum Verkauf zubereitet wurden. Aber die Ansicht der Forstpropaganda, die Ziege sei der „Todfeind des Waldes“, brach letztendlich dieser nützlichen Tiergattung das Genick. Bei sorgsamer Haltung und guter Erziehung entsteht kein Waldschaden und werden Nadelgehölze sogar gefördert, was der Forstwirtschaft lange Zeit sehr dienlich war. Die Ziege wurde als Tierart der armen Leute diffamiert. Wer aber wollte als arm gelten? Nichtsdestoweniger wollen heute beinahe alle Menschen modern sein und die üblichen Prestigewaren der Supermärkte konsumieren und haben sich an die herkömmliche, zumeist krankmachende Ernährung angepasst. Diese Kenntnisse über die Ziegenmilch gelten ebenso für die Alpoder Almmilch von Kühen, welche geringe Mengen gemahlenen Getreides als Lockmittel in den Futterbarren verabreicht bekommen, aber ansonsten mit dem mineralstoffreichen Alp- oder Almweidefutter und etwas Heuzufutter bedient sind. Nur mehr selten findet man im Tal artenreiche und reife Weiden oder weitläufige Weidewälder, welche den Kühen als Futterquelle dienen, welche ebenso sehr gute Milchqualität und somit besten und lang haltbaren Käse liefern würden. Im alten Wissen um die Landnutzung und Ernährung liegt viel mehr an Erkenntnissen verborgen, als uns heute eingeredet wird. Deshalb: Sammeln wir doch selber wieder die leckeren Kräuter der offenen Landschaften wie die genäschigen Ziegen. An anderer Stelle werde ich auf die Bedeutung der „Ziegenarbeit“ für die Offenhaltung unserer Kulturlandschaft und ihren Einsatz zur Rekultivierung von Weiden und den Wert in der Waldwirtschaft näher eingehen.

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FRÜHLING

Der Kleine Wiesenknopf (Sanguisorba minor) bietet ein erstes kräfigendes Frühlingsgemüse Als eine der ersten sehr nahrhaften Pflanzen im Frühjahr schiebt der Kleine Wiesenknopf (Sanguisorba minor) seine Blätter. Wenn man im Herbst genau Nachschau hält, so entdeckt man einen Teil der Blattrosette mit Altblättern, der über den Winter geht. Dabei werden in manchen Fällen bereits im Spätherbst in der Mitte neue, klein bleibende Blattausbildungen angelegt. Diese halten den Winterfrost aus. Sobald nach der Schneeschmelze die Sonne die Vegetationsdecke erwärmt und die ersten Strahlen der Kleinen Bibernelle schenkt, beginnen die jungen Fiederblätter zu schieben. So können die Blätter bereits an schneefreien Tagen geerntet werden. Die Pflanze hat als Rohkost, Suppen- und Würzkraut eine sehr kräftigende Wirkung. Sie enthält sehr viele Mineralstoffe, und die widerstandsfähigen Blätter stärken mit ihren Inhaltsstoffen unser Immunsystem und schützen uns in der Übergangszeit vor Erkältungen. Die purpurroten und zwittrigen Perigonblüten der knopfartigen Blütenstände sehen mit ihren abstehenden Blütenteilen sehr anmutig aus. Die Pflanze wird durch den Wind bestäubt, weshalb sie kleine, unauffällige und nektarlose Blüten besitzt.

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❚ FRÜHLING

Auch Pimpinelle genannt Die ausdauernde Pflanze ist zur Familie der Rosengewächse hinzuzuzählen und hat einen größerwüchsigen Verwandten, den Großen Wiesenknopf. Die Wiesenknopfarten benennt man im Volksmund auch als „Pimpinelle“ oder „Bibernelle“. Diese Bezeichnungen werden ebenso für heilkräftigere Doldenblütler wie z.B. Kleine und Große Bibernelle (Pimpinella minor und P. major) verwendet, da sie offensichtlich in ähnlicher Weise medizinale Verwendung finden. Um Verwirrung und Verwechslungen zu vermeiden, wäre vom eindeutigen Namen „Wiesenknopf“ auszugehen, ohne ihre Heilwirkung schmälern zu wollen. Die zweite Wiesenknopfart – der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) – besitzt blutrote bis purpurbraune Blüten und ist als Heilpflanze bekannt. Auch deren Blätter können in geringen Mengen fein geschnitten in Salaten oder Topfencreme Verwendung finden. Der Name Sanguisorba bezieht sich einerseits auf die rot leuchtende Farbe der Blütenköpfe bzw. Narben und andererseits auf die blutstillende Wirkung. Er entstammt dem lateinischen „sanguis“, welches Blut meint, und „sorbere“ von „aufsaugen“ kommend, weil die Pflanzenwirkstoffe das Vermögen der Blutstillung besitzen. Im Volksmund sind für den Kleinen Wiesenknopf auch andere Namen gebräuchlich, wie Falsche oder Welsche Bibernelle, Garten- und Salat-Pimpinelle, Schwarze oder Rote Bibernelle, Kleines Blutkraut, Blutstillerin, Blutströpferl, Drachenblut, Braunelle, Herrgottsworte, Körbels- und Költeltskraut, Hahnenkopf, Sperber- und Wurmtreibkraut, Milchtreibkraut, Megenkraut, Becherblume, Trommelschlägel oder Ziegenbart. Manche dieser Bezeichnungen werden auch für den Großen Wiesenknopf verwendet.

Das Aussehen An den zumeist zwanzig cm langen, unpaarigen Fiederblättern (meist 3 bis 12 Paare) befinden sich die rundlichen, einfach gekerbt-gesägten Einzelblätter, welche 0,5 bis 1,8 cm breit, sitzend oder fünf bis zehn cm lang gestielt sein können. Die in Halbrosetten angeordneten Blät-

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Die rundlichen, gekerbten Fiederblätter des Kleinen Wiesenknopfs schieben bald im Frühjahr und liefern eine mineralstoffund vitaminreiche Nahrung. Die Wurzeln dienen als Husten- und Wundheilmittel, Verdauungsförderer und zur Ausleitung von Schwermetallen.

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❚ FRÜHLING

ter können bis zu vierzig cm lang, die kahle Pflanze je nach Standort zwanzig bis über achtzig cm und mehr hoch werden. Auch die rundlichen, meist kantigen Stängel können rot-bräunlich überlaufen sein. Die kugelig- bis eirundlichen, knopfartigen bis drei cm groß werdenden Blütenstände tragen zusammengedrängte, zierliche, grüne bis purpurrote und zwittrige Perigonblüten mit ebenso gefärbten Kelchen. Die Blüten haben keine Kronblätter. Sehr anmutig sehen die kompakten Blütenköpfe vom Mai bis August aus, wenn beim Blühen die oben abstehenden, feinen roten pinselförmigen Narben der weiblichen Blüten und die gelben, langgestielten Staubbeutel unterhalb angeordnet und seitlich abstehend sind und nach dem Abblühen herabhängen. Die Pflanze entwickelte sich nicht in Abhängigkeit einer Insektenbestäubung, sondern ist auf Windblütigkeit ausgerichtet, weshalb sie eher kleine, unauffällige und nektarlose Blüten besitzt. Doch durch verschiedene Ausreifung der weiblichen Blüten wird die Fremdbestäubung begünstigt. Die Fruchtstände bestehen aus kleinen und leichten Nüsschen. Sie werden mittels Wind und Schwemmwasser verbreitet. Aus Schutz vor stärkeren Frösten lagert der Kleine Wiesenknopf ab Jänner oder Februar vermehrt Mineralstoffe und Salze in die kleinen Blätter ein, ebenso rote Farbstoffe. Der Wiesenknopf kann, sobald der Schnee weggeschmolzen ist und eine gewisse Sonnenscheindauer den Boden erwärmt, seine Blätter bis zur vollen Ausbildung schieben. Er hält dann die kühlen Nächte aus und gegebenenfalls auch Fröste und Schneefall. Dann ist allerdings sein Wachstum eingeschränkt, bis wieder die Sonne wärmt. Erst in den vollen Zügen des Frühjahrs werden die gefiederten Blätter länger und bilden eine vollbuschige Blattrosette aus. Im herben, zähfasrigen Wurzelstock sind Mineralstoffe enthalten.

Vorkommen Der im süd- und mitteleuropäischen Raum vorkommende Rohbodenpionier ist häufiger auf Standorten mit trockenen, kalkhaltigen Böden verbreitet. Auch an sonnigen Orten der Gebirge findet man das Kraut bis auf eine Seehöhe von 1.500 m auf lückigen, sandigen Lehmböden. Ferner hält sich der Kleine Wiesenknopf auch auf Weiden mit Magerrasen und Trockenböschungen oder in den Weingär-

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❚ Der Kleine Wiesenknopf (Sanguisorba minor)

ten. In den Niederungen kommt er hingegen an mäßig trockenen und hageren Weg-, Wiesen- und Ackerrändern oder auf steinigen Hügeln mit leichten Böden vor. Hier gedeiht er vornehmlich auf der Sonnenseite. Mittels unterirdischer Rhizom-Ausläufer ist eine vegetative Ausbreitung möglich. Der Kleine Wiesenknopf besitzt die Fähigkeit, eine spezielle Mykorrhiza auszubilden, wobei dadurch die Phosphor-Versorgung anderer Pflanzen, welche damit in Symbiose stehen, gesteigert wird.

In den Gärten als Würzmittel angebaut Der Kleine Wiesenknopf wird wegen seines angenehmen Geruchs auch im Garten an einer sonnigen Stelle als Salatpflanze, Suppen- oder Salatgewürz kultiviert. Im Juni bis Juli blüht er mit hellgrünen Blütenköpfchen, die leicht rötlich überlaufen sein können. Werden bei gärtnerischer Kultur die Blütentriebe und Blätter regelmäßig entfernt, so wird die pflegeleichte Pflanze zum Treiben neuer Blätter angehalten. Jährlich treibt die Pflanze wieder aus und periodisch geerntet, erhält man das ganze Jahr über Salatware und mildes Salatwürzkraut. In milden Wintern ist man auch über frische Ernten froh. Allerdings sollte man diese Standorte mit zweijährigem Kompost alle paar Jahre düngen. Das frische Aroma der Triebe, Blätter und Blütenknospen ist mit dem der Gurken vergleichbar. Verwendet werden sie für: gemischte Wildsalate, Suppen, Soßen, Marinaden, Getränke, Omeletten, Kräuterbutter, Kräutertopfen bzw. Kräuterquark, Salatwürze, Fischgerichte, … Die Blätter sind getrocknet aufbewahrbar, allerdings nur einige Monate zur Lagerung geeignet, da das Aroma verraucht. Für Spinat sind ältere Blätter verwendbar. Beim Kochen verliert sich aber der typische, sanft würzige Geschmack. Auch die Wurzel wurde als Bratenwürze verwendet. Wird im Besonderen in der Hessischen, Frankfurter oder Kasseler Grünen Soße verwendet.

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Ein einfacher Salat ist meist das Beste Von den verschiedenen Salaten sei hier ein simples Gericht aufgezeigt. Das ist ziemlich sicher ein Geheimtipp für Salatfreunde. Man benötigt dazu folgende Zutaten: Zwei Äpfel, eine Orange, eine halbe Zwiebel oder Porree, Essig und Walnuss-Öl, etwas Salz und wenige Walnüsse.

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❚ Der Kleine Wiesenknopf (Sanguisorba minor)

Man schneidet eine halbe Zwiebel, eine geschälte Orange, zwei Äpfel in feine Stücke und mischt sie in der üblichen Salatmarinade mit Essig und Öl an. Mit wenig Salz schmeckt man ab. Dann schneidet man ein Büschel entstängelter Wiesenknopfblätter und wiegt sie fein. Wenn die Blätter zart und klein sind, braucht man sie nicht zu schneiden. Das Kraut untergemischt und etwas geriebene Nüsse darübergestreut, ergibt dies eine ausgezeichnete Speise und obendrein eine „Vitaminbombe“. Der Salat hat geschmackliche Anklänge nach Melone und Gurke. Als kräftigende Variation kann etwas Karotte oder wenig Sellerie da­ zu­­gerieben werden. Dieser mineralstoffreiche Salat ist äußerst sättigend und regt den Stoffwechsel an. Er vertreibt die Frühjahrsmüdigkeit, und es genügt bei gutem Kauen und langsamem Genuss eine Salatschale mit einer Scheibe Brot, um satt zu werden. Schön den Salat auf die Teller aufgelegt oder ausgebereitet, wird „die Gaumenfreude auch zur Augenweide“.

Heilwirkung des Kleinen Wiesenknopfs Wegen der Inhaltsstoffe wie Gallussäure, Gerbsäure, Phenolcarbonsäuren, ätherischen Ölen, Flavonoiden, Triterpenen, wie z. B. Urol-, Tormentinsäure, Tormentosid, Kampferol und Vitamin C, werden in der Naturheilkunde alle Pflanzenteile innerlich wie äußerlich verwendet. Unsere Vorfahren sammelten die Pflanze mitsamt den Wurzeln das ­ganze Jahr über zur Stärkung der Verdauung und des Harnapparates. Aus den Erzählungen heilkundiger Frauen kennt man die Anwendung bei Krankheiten. Ein Tee davon kam hauptsächlich bei Bauchschmerzen und Blähungen, zur Wundheilung und Harntreibung zum Einsatz. Äußerlich wurde der Kleine Wiesenknopf bei Sonnenbrand, Verbrennungen und Hautproblemen angewandt. Bei kleineren Brandwunden legte man zur Schmerzlinderung und Wundheilung den Brei des Krautes oder die in Scheiben geschnittenen Wurzeln auf. Für eine gute Verdauung wird er ab und zu im Salat quasi als Medizin mitgegessen. Bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum, bei Katarrhen und leichtem Durchfall, aber vielmehr bei einer gestörten Verdauung mit Blähungen versuchte man, mit dem stopfend wirkenden, magenwirksamen und verdauungsfördernden Tee einen Ausgleich zu finden.

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❚ FRÜHLING

Ein Aufguss aus den Blättern wurde z.B. als Mittel gegen innere Blutungen der Lunge, des entzündeten Magens und Darms sowie bei Gastritis und Leberschwäche verwendet. Sehr interessant ist die Verwendung der Wurzelauszüge bei Vergiftungen von Schwermetallen, wenn diese durch die Krautwirkstoffe mobilisiert und durch viel Wassertrinken abgeführt werden. Zur Schweißtreibung diente ebenfalls der Tee. Auch der Saft aus dem frischen Kraut diente als Mittel gegen Schwindsucht und Lungenblutungen. Als Hustenmittel dienten Tee wie auch ein husten­ sirupähnlicher Auszug von Kraut und Wurzel. Die zusammenziehenden Gerbstoffe verdichten die Gewebeoberflächen und bilden eine Schutzhaut aus, bzw. entziehen den Bakterien durch Austrocknung die Lebensbasis, sodass ihr Eindringen erschwert wird. Durch die Verwendung eines Wiesenknopf-Absuds gehen Entzündungen zurück, werden Blutungen gestillt und die Wundsekretion gebremst. Deshalb wurde die gesamte Pflanze auch zur Wundheilung, z.B. bei Schnittwunden, bei Hämorrhoiden und inneren Blutungen oder Verbrennungen, wie auch in den Wechseljahren der Frau eingesetzt. Bei zu langer Einsatzdauer und hohen Dosen erfolgen Symptome wie Brechreiz, Magenschleimhautentzündungen und eine Schädigung der Leber. Um Nebenwirkungen zu vermeiden, wurde nur wenige Tage oder bis zu zwei Wochen dreimal täglich eine Tasse Tee getrunken.

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Der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) – eine selten gewordene Heilpflanze Auch den Großen Wiesenknopf nutzte man sowohl als innerlich und äußerlich wirkendes Heilmittel und als Speisegemüse. Die hauptsächliche Anwendung aller Pflanzenteile erstreckt sich von den Beschwerden im Magen-Darm-System, den venösen Gefäßen und Krampfaderleiden, der weiblichen Geschlechtsorgane – z.B. bei zu starker Monatsblutung und Gebärmutterproblemen – bis zur Blutstillung und Wundhei-

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❚ FRÜHLING

lung. Die Wurzel galt seit alters her als heilsame Gerbstoffdroge gegen die Ruhr und wichtiges blutstillendes Mittel bei äußeren und inneren Wunden. Annähernd dieselben Namensgebungen wie beim Kleinen Wiesenknopf sind der offizinellen Pflanze zuteil: Wegen der Ähnlichkeit der Blätter wird sie als Bibernelle oder Pimpinelle bezeichnet. Es gibt unzählige Begriffe, welche auf den köpfchenartigen Blütenstand hinweisen, wie z. B. Hartkopf, Hosenknopf, Hemdenknopf, Heidekopf, Bolle, Kölble, Trummelschlägala, Kaminkehrer, Kaminfegerle, Schlotfeger, Kanonenputzer, Grummetkopf … und andere auf die blutrote bis -braune Färbung wie z. B. Braunelle, Braunalle, Prunelle, Rotkopf, Blutknopf, Blutkopf, Blutkraut, Bluatsknöpfl, Blutstropfen, Mohrenkopf, Tintenbleaml, Kaffeebohne …

Das Aussehen Der mehrjährige Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) unterscheidet sich im Aussehen vom Kleinen vor allem in der Größe. Er kann je nach Standortbedingungen dreißig bis einhundertfünfzig cm hoch werden und die unpaarigen, zwanzig bis vierzig cm langen, kahlen Blattfiedern zwischen fünf bis fünfzehn Fiederpaare besitzen. Der aufrechte gabelästige, kahle und hohle Stängel trägt endständige, braunrote Blütenköpfe und ist mit vier bis sechs an Größe und Fiederzahl abnehmenden Blättern spärlich beblättert. Die rundlichen bis herzeiförmigen, grob gezähnten Teilblätter sind gestielt, oberseits typisch grasgrün glänzend und unterseits blau- bis graugrün und bereift. Die Fiederblätter besitzen an der Basis stark gezähnte Nebenblätter und sind in feinen Halbrosetten angeordnet. Das Rhizom verholzt. Die zwittrigen Einzelblüten sind zu kugeligen bis länglich-eiförmigen Blütenständen vereinigt und besitzen dichte dunkel-braunrote bis weinrote, vierzipfelige Kelche, aber keine Kronblätter. Sie blühen von Mai bis September, wobei sich die einzelnen Blüten von oben nach unten entfalten. Die bürstenartig hervorstehenden Staubfäden gaben dem Großen Wiesenknopf den Namen „Herrgotts-“ oder „Ziegenbärtchen“. Die Bestäubung der auffälligen Blüten erfolgt meist durch Insekten. Früchte sind kleine Nüsschen, welche durch Regen und

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❚ Der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis)

Die jungen Blätter des Großen Wiesenknopfes eignen sich sehr gut als Rohkost-Salat und zum Verkochen, und gelten seit alters her als ein entzündungshemmendes Wundheilmittel.

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❚ FRÜHLING

Wenn sich der Frühsommer niederschlagreich gestaltet, so kann sich auf den Blättern ein „Mehltau“ anlegen, welche man für kulinarische Zwecke oder Tee nicht sammelt.

Verwehung verbreitet werden. Der dunkelbraune Wurzelstock wächst in einer kriechenden Form und wirkt aufgrund des hohen Gerbstoff­ gehaltes bitter.

Bevorzugte Standorte Der Große Wiesenknopf ist von der Atlantikküste bis nach Südostasien verbreitet, wo er von den Niederungen bis in die subalpine Höhenstufe reicht. In Nordeuropa sind beide Wiesenknopfarten sehr selten anzutreffen oder fehlen dort gänzlich. Der Große Wiesenknopf besiedelt in Bezug auf den Standort nährstoffreiche bis -arme, mäßig-trockene bis sehr nasse Standorte, welche durch Mahd oder Weide stabilisiert werden. So findet man ihn als typischen Vertreter der wechselfeuchten Nasswiesen, Moorwiesen, Frischwiesen, und er siedelt sich gerne entlang von Bächen oder an den Grabenböschungen an, wo er den ganzen Sommer über blühen kann.

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❚ Der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis)

Naturheilkunde Flavonoide, Sterole, Triterpene und die charakteristischen Gerbstoffe (Casuarinin, Sanguinin) stellen die bedeutenden Wirkstoffe der oberirdischen Pflanzenteile dar. In den ölhältigen Samen finden sich Linolund Linolensäure und in den Wurzeln die Triterpene Sanguisorbine und mehrere Gerbstoffarten. Bezüglich Anwendung des Großen Wiesenknopfs gilt ein ähnlicher innerlicher und äußerlicher Gebrauch wie bei der kleinen Artgenossin. Man berief sich in der Signaturlehre auf die rote Farbe der Blüte, dass die Pflanze und ihre wirksamen Teile für Heilaspekte bei Blutungen einsetzbar sein würden. Oder man benutzte die Rotfärbung als Erinnerungsmerkmal für den Gebrauchszusammenhang. Wenn man die Farbe der schönen weinroten Blütenköpfe in Alkohol auszuziehen versucht, so verwandelt sie sich durch die Wirksamkeit der Gerbstoffverbindungen in eine braune Tönung. Im Mittelalter wurde sie bei „Blutruhr“ oder „Roter Ruhr“, in der heutigen Zeit bei inneren bzw. Uterusblutungen und bei der Monatsblutung der Frau sowie bei Magen- und Lungenblutungen eingesetzt. Wegen dieser Anwendung gegen Durchfall sprach man von der „Cholerawurzel“ oder vom „Stopf ’s vor’s Loch“. Heute wird mit dem Tee des Krauts oder den mit den Blättern zubereiteten Speisen eine vorbeugende Blutreinigung beabsichtigt. Von der Pflanze nutze man das blühende Kraut für Auszüge und Tee, deren frischen Presssaft und die Wurzel im Herbst oder frühen Frühling gesammelt. Die Inhaltsstoffe sind wiederum ähnlich wie Gerbstoffe, Flavonoide, Saponine (Sanguisorbin), Pseudosaponine, Steroide und Vitamin C. Vor allem die zusammenziehende Wirkung des Wiesenknopfs war gefragt. Wurde ein Auszug der Wurzel in Rotwein in einer Kur genossen, so reduzieren sich das Schwitzen und die Schweißabsonderung unter den Achseln.

Ein angenehmes Wundheilmittel Aus dem Kraut lässt sich ein verdauungsfördernder und magenwirksamer Tee zubereiten, welcher ca. drei Minuten ziehen sollte. Bei längerer Ausziehzeit nimmt der Gerbstoffgehalt zu und kann sich auf die Verdauung bei längerem Teegenuss negativ auswirken, da die Schleim-

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❚ FRÜHLING

häute angegriffen werden und anstelle einer Endzündungshemmung eine Steigerung der Entzündung eintritt. Weitere Anwendungen sind z.B. bei Durchfall bzw. infektiöser Darmerkrankung, Darmkatarrh, Diarrhö mit blutigen Stuhlgängen, Hämorrhoiden, Verbrennung, Weißfluss, Wechseljahre. Bei übermäßig stark blutender Menstruation verwendete man den Wiesenknopf-Tee zum Trinken und für Spülungen des entzündeten Unterleibs. Bei sehr starker Menstruation kam zum Großen Wiesenknopf noch Frauenmantel und Hirtentäschelkraut im Tee dazu oder es wurde in geringen Mengen über den Tag verteilt ein Pulvergemisch aus Blättern, Wurzeln und Blütenköpfen eingenommen und viel temperiertes Wasser dazu getrunken. Bei Lungenblutungen, Lungentuberkulose, Verletzungen der Lunge und anderer Organe, bei Tumoren fand der Pflanzenpresssaft, der gerbstoffhältige Wiesenknopf als Tee und homöopathisch Einsatz. Bei Darmproblemen und Durchfall wurde das Kraut frisch gegessen oder ein Kaltansatz – mit zwei Teelöffeln Wiesenknopfkraut auf einen halben Liter Wasser – acht Stunden ziehen gelassen und angewärmt langsam getrunken. Meist wurde aber ein Tee bereitet gemeinsam mit Blutwurz-Wurzel, Eisenkraut und Odermennig. Bei Darmentzündung (entzündete Schleimhäute von Dünn- und Dickdarm) war eine Abkochung aus der frischen, blühenden Pflanze oder der frischen Wurzel im Frühling oder Herbst, gemeinsam mit etwas Butter oder Butterschmalz verabreicht, heilsam. Der rohe Saft des Krauts und der Wurzel hat eine wurmabtreibende Wirkung und hilft auch bei Harnverhaltung und zur Harntreibung, Venenentzündung und Krampfadern. Die Wirkstoffe der frischen und in Tee ausgezogenen Pflanze beschleunigen die Heilung von Wunden und wirken entzündungshemmend bei äußerlicher Anwendung, z.B. bei Geschwüren, Hautausschlägen im Zusammenhang mit anderen Haut- und allgemeinen Krankheiten (z.B. in Verbindung mit kranker Lunge), unreiner Haut mit Talgdrüsenverstopfungen, Finger- und Zehennägelproblemen. Die gesamte Pflanze wurde auch bei Fisteln und Krebs verwendet und Auflagen mit Tüchern gemacht, welche im Absud getränkt wurden. Auch Verbände mit dem gequetschten Kraut wurden hierfür verwendet. War das Vieh erkrankt, so wurden die Kinder in die nassen Wiesen oder zu den Gräben geschickt, den Tieren mehrere Tage lang jeweils

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❚ Der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis)

frischen Großen Wiesenknopf zu holen, um ihn zur Blutreinigung zu verfüttern. Gegen den Spulwurm beim Pferd verwendete man das Wurzelpulver oder starken Wurzelabsud zum Abtreiben. Auch dem Großen Wiesenknopf sagt man eine milchtreibende Wirkung nach, weshalb das Heu der Nasswiesen nach einer mehrmonatigen Lagerung den milchgebenden Kühen gegeben wurde.

Die Blätter des Großen Wiesenknopfs in der Küche Der Geruch der Blüten ist süßlich bis leicht vanilleartig. Die frischen Blätter schmecken nach Gurken und bei Ausreifung leicht bitter. In feine Streifen geschnitten, verleihen sie den Salaten ein feines, gurkenähnliches Aroma. In der leicht gesalzenen Topfencreme (Quark) die fein geschnittenen Blätter verwendet, ergeben eine frische und angenehme Würze. Die Fiederblätter sind in Mischung mit anderen Wildgemüse­arten oder allein durchaus gut verkochbar. Sie werden von den Stielen abgestreift und können grob geschnitten in Aufläufen, in der Lasagne oder fein geschnitten in Suppen oder Knödeln Einsatz finden. Bei zu langem Kochen werden die Blätter zunehmend faserig und zäh. Die Verwendung der roh pürierten Blätter eröffnet neue Einsatzmöglichkeiten. Mischungen mit anderen Kräutern sind empfehlenswert.

Aus den Blättern des Großen Wiesenknopfes lässt sich eine pikante­Topfen- bzw. Quarkcreme bereiten, welche nach ­frischen Gurken schmeckt.

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Wenn im Frühling alles aufschießt und sprosst, verlocken uns viele Pflanzen, sie für Wintervorräte einzulegen (im Bild: Sprossen von Wiesenkerbel, Alpen-Milchlattich, Wald-Geißbart).

Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse – eine kleine kulinarische Übersicht Im Frühjahr, wenn die bevorrateten Lebensmittel zur Neige gingen, verwendeten die Menschen neben den Blättern bekannter Wildpflanzen und Gehölze liebend gerne die jungen, saftigen Schösslinge ausgewählter Pflanzenarten als Gemüse. Im jungen Zustand beinhalteten sie wenig oder keine Wirk-, Gift-, Bitterstoffe oder Holzfasern und konnten kurz gekocht verzehrt werden. Das bestätigen befreundete Wildkräutler mit ihren Erfahrungen. Wenn z.B. Beinwell, Wald-Geißbart, bestimmte Farne, Wilder Hopfen, Guter Heinrich, Huflattich, Margerite, Teufelskrallen, Glockenblumen, Wiesenbocksbart, Wilde Rebe, Schwarzer Holunder, Disteln, Kletten u.v. a. zu treiben began-

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❚ Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse

nen, zog man zu den bekannten Wuchsorten und sammelte für zwei oder drei Tage Wildspargel- und verschiedene Wildgemüsearten zum Würzen, als Hauptspeise, Beilage, Salat oder zum Einlegen in Essigoder Salzwasser. Erst wenn im eigenen Garten angebautes Kulturgemüse einigermaßen aufgewachsen und zu ernten war, griff man auf dieses zurück. Im Band 22 der Grünen Reihe des Lebensministeriums (Wien) „Wieviele Arten braucht der Mensch“ findet sich eine Übersicht verschiedener Spross- und Spargelgemüsearten. Im Folgenden sei eine Auswahl angeführt:

Angetriebenes Sprossgemüse Der Gute Heinrich (Blitum bonus-henricus) war nicht nur im ausgewachsenen Zustand eine begehrte Spinatpflanze, sie wurde in Großbritannien in dunklen Kellern vorgetrieben. Die sehr zarten, weißen Triebe verwendete man als bekömmlichen „Weißen Spargel“. Teilweise handelte man dieses Bleichgemüse ebenso wie den im Keller getriebenen Mangold auf den Märkten. Auch die jungen Triebe des Geißfußes (Giersch, „Erdholler“, Aegopodium podagraria) standen als Spargel und als Wildgemüse im Gebrauch. Ausgewählte Gartenstellen wurden im Herbst abgedeckt, damit die Pflanzen beim Austreiben im Frühjahr nicht herbe Stoffe einlagerten. So wurden die Triebe unter Lichtmangel sehr zart und als Blanchiergemüse nutzbar. Obendrein entsäuerten sie den Körper, weshalb der Geißfuß als heilsames „Gichtkraut“ galt.

Die Weidenröschen In Norwegen und im Alpenraum Europas werden die weichen, frühjährigen Sprossen des Schmalblättrigen Wald-Weidenröschens (Epi­ lobium angustifolium), wenn sie gerade einen Blätterschopf und eine Wuchshöhe von zwanzig bis dreißig cm aufweisen, wie blanchiertes Gemüse zubereitet. Ähnlich können auch andere Weidenröschen-Arten verwendet werden. Ihnen allen sagt man gute Wirkung bei Blasen-, Nieren-, Eierstock- und Prostatabeschwerden nach. Man findet das

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❚ FRÜHLING

Die jungen Sprossen des Beinwells wurden vor dem Blühen geerntet und nach dem Blanchieren in Essig bevorratet oder nach einer Ziehphase von einer Stunde als Salat genossen (im linken Bild mit blauer Blüte Rauer Beinwell, Symphytum asperum und rechtes Bild Echter Beinwell, Symphytum officinale).

Wald-Weidenröschen bei alten Gemäuern, Steinhaufen und Ruinen, an nährstoffreichen Schuttplätzen, Waldlichtungen, Waldschlägen und Böschungsrändern.

Entdornte Rosentriebe und Blütenknospen blanchiert Mit den jungen Rosentrieben (Kultur- und Heckenrosen der Gattung Rosa) und deren Blütensprossen kann man, wenn sie entdornt und in Salzwasser gekocht werden, ein Spargelgericht zubereiten oder die Blütensprossen als essbare Dekoration verwenden. Solange die Blütenknospen geschlossen und zart sind, können sie blanchiert oder in Backteig frittiert werden. Sind die Stängel solcher Schosse bereits verholzt, so eignen sich die geschlossenen Blüten immer noch zum Blanchieren. Man beißt sie von den holzigen Stängeln ab, welche auf dem Teller zurückbleiben. In Zuckerwasser gekocht, ergeben die Blütensprossen eine leckere Nachspeise oder werden zum Garnieren verwendet. Eine andere Möglichkeit ist, sie nach dem Kochen zu kandieren. Die Rosenblütenknospen werden mit Eiklar zart angepinselt, mit Staubzucker mehrmals bepudert und zur Lufttrocknung gelagert. So sind sie auch längere Zeit in Gläsern haltbar.

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❚ Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse

Die Sprossen des Knollen- oder Kleinblütigen Beinwells (Symphytum bulbosum) und Hopfens (Humulus lupulus) eignen sich sehr gut für Spargel-Gerichte.

Die Wildgärten mit „Spargel der Alpen“ In Südtirol kultivierte man auf lichten Waldstellen den Wald-Geißbart (Aruncus dioicus), indem man die jungen zehn cm hohen Sprossen von April bis Mai laufend aberntete. Die Ernte war die Pflege und sicherte über die Jahre kontinuierlich die Erträge. Indem die jungen Triebe mit einem spatelförmigen Messer gestochen oder mit der Hand vorsichtig ausgedreht wurden, trieben in der Folge mehrere Knospen aus dem Wurzelstock gleichzeitig aus, sodass es zu einer Mehrung des Ertrages in den weiteren Jahren kam. Im Vergleich zur sehr aufwendigen Kultivierung des Kulturspargels (der Gattung Asparagus), wo man Erdmieten anlegen und pflegen muss, wo dem stark gedüngten und pilzanfälligen Spargel regelmäßig mit der chemischen Keule auf den Pelz gerückt wird, erspart man sich diese Arbeitsvorgänge beim wild wachsenden Wald-Geißbart. Der Geißbartspargel wurde leicht entbittert in Gläsern eingeweckt und bevorratet. Doch nichts geht über das unmittelbar verwendete, leicht herb schmeckende Spargelgemüse, wenn man es blanchiert und damit herrliche Salate anrichtet. Auch Spargelcremesuppen können mit dem „Spargel der Alpen“ zur höchsten Vollendung bereitet oder GeißbartSchösslinge in Schinken eingerollt werden. Mit verschiedenen Saucen übergossen, sind sie neben der Gaumenfreude auch eine Augenweide.

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❚ FRÜHLING

Guten Heinrich (Blitum bonus-henricus) sammelten die Leute zur Zubereitung von Spinat oder mit Spaghetti-Teigwaren.

Mit dem Austreiben und Entfalten der Blätter bei einer Höhe von über fünfzehn cm lagert der Wald-Geißbart zunehmend giftige BlausäureDerivate, Bitterstoffe und Holzfasern ein und ist dann ungenießbar. Dadurch schützt er sich vor Fraßschädlingen, damit er die Samen ausbilden kann und somit eine generative Vermehrung sichert. So ist die Natur eingerichtet (s. dazu Nahrhafte Landschaft, Bd. 1).

Einige Farne als Speisemittel Bitter- und Giftstoffe werden erst nach einigen Wochen vermehrt in die Farntriebe eingelagert. Sie dienen dem Schutz vor Schaden durch farnfressende Tiere. Allgemein gelten nur ganz junge Pflanzen als bekömmlich und gesundheitlich weniger bedenklich als schon ältere. Unsere Ziegen genossen nur die jungen oder schon einmal gemähten und wieder ausgetriebenen Farnwedel, solange diese frisch waren. Vorsicht ist allemal angesagt, denn in den Farntrieben sind z.B. Substanzen enthalten, die bei der Aufnahme in unseren Körper ein B-Vitamin umwandeln und Mangel an ihm erzeugen. Bei den Farnen ist es wichtig, das Kochwasser zu wechseln, da die Pflanzen Giftstoffe (Pteridin, Blausäureglykoside etc.) enthalten. Man soll es nicht weiter verwenden und Farnspeisen nicht allzu häufig verzehren. In Salzburg und Kärnten konnte ich im Erlenwald die etwa 10 cm hohen Trieblinge des Straußenfarns (Matteuccia struthiopteris) ernten.

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❚ Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse

Die zarten Sprossen des Stechenden Mäusedorns (Ruscus aculeatus) und die Knospen der Wild- und Kultur-Rosen (Rosa spec.) waren als Gemüse genutzt worden.

Die wie in einem Trichter abstehenden Wedel waren noch eingerollt und hatten kleine leicht abstreifbare, braune Schüppchen an ihren bischofsstabartigen Trieben. Ich wusch das Sammelgut und wischte die Schuppung weg, blanchierte es in Salzwasser und konnte es als Gemüse­ beilage verwenden. Sie schmeckten ähnlich dem Broccoli. Auch in Essigmarinade sind diese gut lagerbar. Aus den ganz kleinen, bischofsstabartigen Jungtrieben des Adlerfarns (Pteridium aquilinum) bereiteten die Menschen im Frühjahr ein Spargelgemüse zu. In Korea und Japan wird der Farn auf guten Ernteplätzen sogar gepflegt. Die jungen Spitzen mit den eingerollten Blattwedeln werden in Wasser gekocht und entweder gleich als Gemüse genossen oder an der Sonne zur Bevorratung gedarrt. Die getrockneten Sprossen sollen bis zur nächstjährigen Ernte verbraucht werden. Bevor man sie kocht, lässt man sie in kaltem Wasser über Nacht aufquellen, ehe sie angeröstet und gewürzt oder für einen Eintopf oder mit einer Soße zubereitet werden. Der Adlerfarn ist in Korea eine der meist verwendeten Wildgemüsepflanzen und wird auf den Märkten gehandelt (s. Giyeon, K. 1994).

Das „Bauchbrot“ vom Bocksbart Der Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratensis) ist heute vielerorts verschwunden, weil die Wiesen keine Wiesen mehr sind, sondern intensiv

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❚ FRÜHLING

Alle Arten der Teufelskrallen (Phyteuma spec.) nutzte man als Spargelgemüse roh wie gekocht.

gedüngte Futterbauflächen. Er verträgt mittlere Stallmistgaben – und solche nicht jedes Jahr. Kunstdünger, Gülle und Jauche sind ihm nicht zuträglich. Aus den saftigen, fleischigen Sprossen mit den endständigen Blütenknospen tritt beim Abbrechen eine weiße Milch aus, die zuerst bitter und nach dem dritten Bissen süß schmeckt. Solange die Blütenknospen ganz jung und geschlossen sind, kann man sie roh verzehren oder als Spargel verwenden. Als „Bauchbrot“ oder „Kinderbrot“ wurde der Bocksbart deshalb bezeichnet, da er den Kindern entlang der Schulwege roh als Nahrung diente. Zur Verwendung in der Küche werden sie in Salzwasser kurz gekocht und mariniert. In Bierteig oder Omelettenteig eingetaucht können die Bocksbart-, Haferwurzel- und Schwarzwurzel-Arten, aber auch die jungen, geschlossenen Blütenknospen der Margerite (Leucan­ themum vulgare), im heißen Fett herausgebacken und mit einer Kräuter-Dip verzehrt werden. Diese Arten eignen sich zur Bevorratung in Essigmarinaden.

Der Hopfenspargel Die windenden Schlingtriebe des Wilden Hopfens (Humulus lupulus) findet man in den Flussauen, in Wärmegebieten an bestimmten Hec-

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❚ Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse

Von den Korbblütlern nutzte man die geschlossenen Blütenknospen vieler Arten zum Einlegen in Marinaden oder als Salat wie z.B. den Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratensis).

ken und am besonnten Waldrand ab April vor. Die jungen Triebe oder auch später die Sprossspitzen des aufwachsenden Spreizklimmers, an denen sich noch keine oder nur kleine Blätter befinden, können wie Spargel zubereitet werden. Man bindet die zarten, zwölf bis fünfzehn cm langen Sprossen mit Zwirn in mehrere Bündel zusammen, damit sie nicht brechen, und lässt sie eine Minute in kochendem Salzwasser ziehen. Dann entfernt man die Bindefäden wieder. Als Gemüsebeilage bestreut man sie mit Semmelbröseln und übergießt sie mit heiß gemachter Butter oder einer Béchamelsoße. Leicht blanchiert und wie üblich in Essig und Öl angemacht, ergeben sie einen bekömmlichen Salat. Ganz kurz in Wasser gekochte, klein geschnittene Hopfensprossen kann man auch in Butter wunderbar weich dünsten. Leicht mit Mehl bestäubt und mit Suppenbrühe aufgegossen, ergeben sie eine gute Mahlzeit. Oder sie können mit verschiedenen Rahmsoßen zubereitet werden.

Rapunzelgemüse – Teufelskrallen und Glockenblumen als Spargelgemüse Die kraftvoll aufschießenden Pflanzenstängel der Teufelskrallen (Phy­ teuma spec.) sind für Spargelgerichte verwendbar. Beim Spazierenge-

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❚ FRÜHLING

hen sammelten wir entlang der Hecken- und Waldsäume die jungen und noch geschlossenen Blütentriebe. Sie können ohne Weiteres roh in größeren Mengen genossen werden. Die jungen Triebe bereiteten wir zu Spargel, indem wir sie kurz in leicht gesalzenem Wasser in einem abgedeckten Geschirr gar machten, sodass sie noch knackig blieben. Auch aus den blütenknospentragenden Sprossen der Glockenblumen (Campanula) und Chrysanthemen wurden blumige Spargelgerichte zubereitet. Aus den anfallenden Blättern macht man Salat, Spinat oder Suppe.

Triebe der Kreuzblütler Aus der Vielzahl der Kreuzblütler (Brassicaceen) seien einige Triebnutzungen genannt, welche sich im jungen Zustand gut nutzen lassen: Rauken (Sisymbrium spec.), Sophien- oder Besenrauke (Descurainia sophia), Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), Wild-Nachtviole (He­ speris sylvestris), Barbarakresse (Barbarea spec.), Sumpfkresse (Rorippa spec.) Mondviole oder Silberblatt (Lunaria spec.), Graukresse (Berte­ roa incana), alle Arten der Leindotter (Camelina spec.), Herz- oder Pfeilkresse (Lepidium draba), Schmalblatt- und Acker-Doppelrauke (Diplotaxis tenuifolia, D. muralis), sämtliche wilden und verwilderten Kohl- und Senfarten der Gattungen Brassica und Sinapis und Rapsdotter (Rapistrum spec.). In Polen nutzte man vom Orientalischen Zackenschötchen (Bunias orientalis) und vom Hohldotter (Myagrum per­ foliatum) junge Sprossen als Gemüsebeilage. Im Mittelmeerraum stand die Zierpflanze Levkoje (Matthiola incana) und in den Balkanländern und Ungarn das Scheibenkraut oder Lauch-Scheibenschötchen (Pelta­ ria alliacea) unter Nutzung.

Huflattich, Beinwell, Wiesen-Bärenklau und andere Arten Folgendes Wissen habe ich von einer Kräutlerin in der Schweiz vermittelt bekommen: Wenn auf den Lehmböden die geschlossenen Blütentriebe des Huflattichs (Tussilago farfara) austrieben, sammelte und kochte sie diese in Essigwasser. Das ergab eine eigentümlich schme­

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❚ Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse

ckende Beilage für allerlei Speisen. Jedes Frühjahr bereite ich aus den jungen Trieben ein Gericht, auch wenn in der Wissenschaft die Giftigkeit betont wird, bin ich nach mehreren Jahren noch immer nicht gestorben, vielleicht, weil ich nicht in Massen „wildbeute“, sondern nur kleine Mengen in größeren Zeitabständen verwende. Auch vom Beinwell (Symphytum spec.) kann man Frühjahrssprossen verwenden. Fein verhackt, eignen sie sich für Suppen oder Soßen. In Bierteig eingetaucht, kann man Sprossen und Blätter hervorragend gut herausbacken. Durch die Kochvorgänge werden bedenkliche Wirkstoffe in den ohnehin milden Sprossen offenbar unschädlich gemacht oder abgemildert. Als Gemüse sind ebenso die jungen Frühjahrstriebe der Blütenstände und Stängel des Wiesen-Bärenklaus (Heracleum sphondylium) und Wiesen-Kerbels (Anthriscus sylvestris) verwendbar. Dann haben sie noch nicht so stark ätherische und herbe Stoffe eingelagert und sind zart im Biss. Bärenklau hat einen aromatischen Geschmack und die Blätter eignen sich – fein geschnitten – gut für Suppen, Salate, Topfenaufstriche und Spinatmischgemüse. Die Frühjahrssprossen vom Großen und Kleinen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis und S. minor), vom Kriechenden Günsel (Ajuga reptans) und vom Sauer-Ampfer (Rumex acetosa) ergeben gekocht ein hervorragendes Spargel-Wildgemüse, welches nach Belieben zu würzen ist. Die noch eingerollten Blätter und ganz jungen Sprossen des AlpenAmpfers (Rumex alpinus) und des Breitblatt-Ampfers (Rumex obtusi­ folius) roh oder in Essigwasser gekocht, dienen als warme oder kalte Beilagen.

Die Triebe bedenklicher Giftarten Bei den nachfolgenden Giftarten ist deshalb höchste Vorsicht angesagt, da die Hinweise widersprüchlich sind und in der Fachliteratur (z.B. Roth, Daunderer, Kormann, 1994; Frohne, Pfänder 1987) keine dezidierten Angaben über die Verwendbarkeit der jungen (!) Pflanzenteile ausgewiesen wurde. Meine Erfahrungen sollen der Dokumenta­ tion wegen trotzdem hier aber ohne Gewähr angeführt werden. Junge Schwarz-Holundertriebe (Sambucus nigra) und jene der Wilden Rebe (Clematis vitalba) im Frühjahr gekocht, sind geschmack­

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❚ FRÜHLING

lich nicht zu verachten. In der Türkei kocht man die jungen Sprossen des bei uns als giftig geltenden Salomonsiegels (Polygonatum multiflo­ rum), welche sehr gut schmecken. Auf einigen Märkten findet man sie dort zu grünen Spitzen zusammengebunden. Die ganz jungen Sprossen der Berberitzen (Berberis vulgaris) oder des aus China eingeführten, strauchförmigen Nachtschattengewächses Bocksdorn (=„Chinesischer Spargel“, Lycium barbarum) dienen in anderen Ländern ebenfalls der Spargelverwendung, wenn sie gut durchgekocht werden. Die giftstoffhältige Arzneipflanze Stechender Mäusedorn (Ruscus acu­ leatus) zählt zu den Spargelgewächsen (Asparagaceae) und kommt im Mittelmeerraum und in Vorderasien natürlich vor. Die jungen zarten Triebe kochen Italiener und Tessiner als Spargelersatz oder werden zu vorzüglichen Suppen oder Risotti verarbeitet. Schon etwas ältere Triebe werden in Salzwasser entbittert und gar gemacht wie Spargel zubereitet.

Grundrezepte für die Zubereitung der Sprossen und des Spargelgemüses • Blanchiert mit und ohne Soße bzw. Dressing als Beilage oder Hauptgericht • Blanchiert und mit Essig und Öl zu einem Salat angemacht • Roh in Bier- oder Omelettenteig getaucht und herausgebacken • Kleingeschnitten im Risotto und für Aufläufe im Backrohr • Manche eignen sich fein geschnitten gekocht oder roh für MischSalate und für den Rohgenuss • Wald-Geißbart, Huflattich, Farne und die zuletzt genannte Pflanzengruppe gehören auf alle Fälle gekocht Eine jede dieser Pflanzen besitzt heilwirksame Inhalts- und Aromastoffe, welche in den üblichen Nahrungsmitteln nicht vorhanden und nicht durch synthetische Mittel ersetzbar sind. Solange man den mengenmäßigen Verzehr nicht übertreibt, ist der Genuss anregend und werden Verdauung, Kreislauf und Harnausscheidung gefördert. Je vielfältiger die Ernährung aus wildwachsenden Nutzpflanzen begleitet wird, desto vorteilhafter ist dies für unser Wohlbefinden und umso würdevoller ist

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❚ Von wildwachsenden Sprossen und Spargelgemüse

der Umgang mit allen Pflanzen. Mit der kulinarischen Verwendung verlieren z. B. Distel, Alpen-Ampfer, Bärenklau und Farne ihren Beigeschmack eines „Unkrautes“ und werden als liebsame Wildpflanzen geschätzt.

Guter Heinrich (Blitum bonus-henricus) mariniert und in Öl eingelegt ist eine herrliche Zuspeise zur Jause.

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Der Geißfuß oder Giersch fühlt sich auf gestörten Standorten wie z. B. Gärten, Ä ­ ckern und Obstgärten sehr wohl und zeigt uns als Kulturfolger teils Jahrhunderte lang anthropogene Einflüsse an. An diesen Plätzen erfüllt er eine reinigende Funktion. Für Speise­zwecke nutzt man vornehmlich die jungen Blätter.

Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria) ist eine der ältesten Kulturpflanzen Europas Meist begegnet man dem starkwüchsigen Geißfuß mit Argwohn, da die Pflanze in den Gartenbeeten die Kulturarten überwuchert und mit diesen um die Nährstoffe konkurriert. Selbst nach mehrmaligem Jäten kehrt die Art wieder, weshalb dieses Kraut in manchen Regionen den Namen „Wiederkehr“ bekam. Lieb und Leid liegen bekannterweise häufig nah beisammen. Den Geißfuß oder Giersch positiv betrachtet, eröffnet durch eine kulinarische Nutzung wieder eine neue Einstellung zum Gärtnern.

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

Die vielseitige Nutzung des Gierschs (Aegopodium podagraria) sollten die Gärtner kennen, denn die ausdauernde Pflanze lässt sich das ganze Jahr über mehrmals für verschiedene Zwecke ernten. Sie kann sowohl als Wildgemüse wie auch als Heilkraut verwendet werden, wobei diese zwei Nutzaspekte nicht voneinander zu trennen sind. Das Kraut erlangt in Zeiten der allgemeinen Magenübersäuerung als Antirheumatikum wieder große Bedeutung.

Eine der ältesten Kulturarten Unsere Vorfahren erkannten früh die Nützlichkeit dieser Pflanze. Der Giersch ist vermutlich eine der ältesten kultivierten Gemüsearten, seit es die ersten primitiven Gärten in den europäischen Breiten gibt. Später hatte man mit den gärtnerischen Maßnahmen die Pflanze als Gemüse praktisch mitkultiviert und genutzt. Kein Wunder, wenn sie in den Gärten heute so gut wächst, wenn sie über mehrere tausend Jahre

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Durch Gutation entstehen am Blattrand perlenartige Wasserausscheidungen, weshalb man den Giersch auch als „Baumtropfen“ bezeichnet. Diese am Morgen aufgefangen ergeben ein äußert hochwertiges Entschlackungs- und Entgiftungsmittel.

mitkultiviert und über die Bearbeitung der Garten- und Ackererde angepasst und gefördert wurde. Über Generationen schrieb sich dies in die Gene ein, wenn die Pflanze der Menschenkultur nachfolgte. Der Giersch war im Wert vom ursprünglichen Edelgemüse zur lästigen Konkurrenz der Gartenpflanzen abgestiegen und bis heute diffamiert worden. Als Wildgemüse und Volksmedizin ist das Kraut in Vergessenheit geraten. Zwei Mal am Tag sollte man von diesem Kraut bei rheu-

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

matischen Beschwerden eine Tasse Tee trinken, schwor eine Bäuerin, die das Wissen von ihren Vorfahren überliefert bekam und damit ihre Erfahrungen machte.

Verbreitung und Standort Der Stickstoff liebende Geißfuß ist bis auf die Kälte- und extremen Wärmezonen in ganz Europa verbreitet. Er hat eine weite Standorts­ amplitude und ist häufig in den Gärten auffindbar, wo er vom Zaunrand gerne in die Gemüse- und Zier-Beete hineinwächst. Er liebt mit Nährstoffe gut versorgte Böden. Ton- und Lehmböden mit gutem Feuchthaltevermögen liegen der Pflanze gut, ebenso Schuttplätze und Ruderalstandorte. Zudem findet man ihn an frischen Orten und im Halbschatten u.a. unter Bachufergehölzen, in Auwäldern, als Nährstoffzeiger in Wiesen, Äckern, im Schattenbereich von Hecken und Waldrändern. Er wächst auch unter Gartensträuchern und Obstbäumen gerne. Im Hochgebirge findet man ihn bis auf zweitausend Metern Seehöhe, wobei hier eigene Rassen zu vermuten sind. Auch hier führte ihn vermutlich der Mensch ein. Mit den Auswanderern wurde er auch in Nordamerika mitgeführt.

Beschreibung des Aussehens Der Giersch oder Geißfuß zählt zu den Doldenblütlern. Die Pflanze wird etwa dreißig cm hoch und kann eine Höhe von bis zu einem Meter im Schatten und bei einem Nährstoffüberangebot erlangen. Der aufrechte Stängel ist hohl und leicht kantig gefurcht. Im jungen Zustand führt er reichlich Mineralstoffe, Carotin und Vitamine. Die annähernd dreieckigen Blattstiele entspringen am Grunde der stängelumfassenden, hellgrünen und geaderten Scheide. Die hellgrünen, dreizähligen Blätter sind amorph-eiförmig und zwei- bis dreifach fiederschnittig. Die Ränder der lanzettlichen bis eiförmigen Einzelblätter sind ungleich gezähnt. Der Geruch junger Blätter ist angenehm würzig und erinnert etwas an Karotten. Ältere Blätter werden herb und zäh. Die Blüte erfolgt vom Mai bis in den Herbst hinein. Weißliche meist

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

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❚ FRÜHLING

Die Blütensprossen verwertet man im jungen Zustand als Gemüse. Doch mit dem Aufblühen erhöht sich der Rohfaser- und Bitterstoffgehalt und verliert sich die Bekömmlichkeit des Gierschs. Werden alle oberirdischen Teile (durch Mahd, Abrupfen, etc.) entfernt, so kommen frische Blätter wieder nach, welche neuerlich genutzt werden können.

zwittrige Einzelblüten – manchmal auch mit zart rosa Tönung – sind in Döldchen und diese in nach oben gewölbter Dolde zusammengesetzt. Die zweiteiligen Früchte haben eine länglich-eiförmige Form, die seitlich abgeflacht ist. Nach der Ausreifung werden sie braun und sind gelb gerippt. Mit der voll entfalteten Blüte lagert die Pflanze Bitterstoffe ein. Nutzt oder entfernt man die Aufwüchse, so kann das nachschiebende Kraut bis zur Blüte allemal mehrmals genutzt werden. Das kriechende Wurzelrhizom ist halmdick und mit leichten knotenartigen Verdickungen versehen. Von diesen treiben unterirdisch zarte Erdsprossen aus, die man auch essen kann, solange sie ganz jung und weiß sind. Das weitläufige, teils wuchernde Geflecht der Ausläufer kann sehr tief reichen.

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

Podagrakraut – Aegopodium podagraria Im lateinischen Begriff Aegopodium sind das griechische „aigos“ (von Ziege) und „podion“ (von kleiner Fuß) enthalten, deshalb der Name „Geißfuß“. Die Blüte besitzt kleine eingeschlagene, zungenförmige Kronblätter, die mit dem Ziegenfuß vergleichbar sind. Auch besteht die Ähnlichkeit der Blätter mit den Füßen oder Fußabtritten verschiedener Tierarten, deshalb die Bezeichnungen „Krähen- oder Ferkelfuß“, „Hirschtritt oder Hühnertotsch“ und „Bärentatze“. Wegen der Ähnlichkeit der Blüte und der Blätter wird die Art auch als „Erdholler“ bezeichnet. Im Volksmund nannte man die Pflanze ursprünglich „Podagrakraut“. „Podagraria“ bezieht sich im Besonderen auf die schmerzenden Gichtanfälle im Fuß – die Podagra – im Grundgelenk der großen Zehe („Zipperlein“) und weist auf Heilung der Fußgicht bei Mensch und Tier hin. Denn bei Heilanwendung kommt die blutentsäuernde, innere Wirkung durch Einnahme, aber auch äußere Auflage des gestampften Krautes zur Geltung. Durch den Einsatz als Futter für Gänse und Schweine bestehen im Volksmund auch Bezeichnungen wie Gänsemus, Gänskraut, Säuchrut etc. Der Begriff Gierschtling steht für hölzerne Bestandteile des sogenannten Gierschtenzauns, der den Garten umgab. Der Kulturfolger Giersch gedeiht z.B. am Rand dieses Flechtzauntyps sehr gut. Deshalb wird die Pflanze auch „Zaunfuß“ oder Zaungiersch benannt.

Das Wildgemüse frisch oder gekocht Giersch kann im jungen Zustand in größeren Mengen roh genossen werden. Frisch wird er jung und vor der Blüte als Würze und Gemüse verwendet – je jünger, umso besser! In üblichen Mischsalaten kann er in Anteilen je nach Jahresverlauf und Alter fein geschnitten beigegeben werden. Seit einigen Jahren habe ich Trocknungsversuche angestrengt. Das vor der Blüte geerntete Kraut gibt einen besseren Geschmack ab, wobei durch die Trocknung jedoch viel Aroma verloren geht. Aufläufe, Spinat und Gierschsuppe gelingen ebenfalls mit jungen Blättern am besten. Vorteilhaft beim Gebrauch herber Krautchargen ist das vorherige Andünsten etwa der Hälfte der verwendeten Menge

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❚ FRÜHLING

in Butter oder Schmalz. Vor allem gilt dies zum Würzen von Beilagen, Suppen und Aufläufen. Schon mit den Blütentrieben beginnt das Kraut zunehmend herb und sehr zäh zu werden. Ältere Blätter schmecken vor allem nach der Blüte bitter und können durch vorherige Dämpfung für Suppen nur bedingt verwendet werden. Älteres Kraut eignet sich in großen Mengen zum Auskochen in Suppen, wird aber bevor man andere Beigaben hinzufügt, wieder entfernt, da die Blätter und Stängel sehr zäh sein können.

Nahrhafte Frühjahrssuppen Man verwendet die Blätter fein geschnitten vornehmlich in Suppen. Geringe Mengen des geschnittenen Krauts gibt man ganz zuletzt zwei Minuten vor dem Servieren als Würze oder Einlage bei, ohne noch ein-

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

Zwei Minuten vor dem Servieren gibt man die unmittelbar geschnittenen Gierschblätter der fertigen Suppe bei und kann z.B. ein paar Blüten der Gänseblümchen als Auflage verwenden.

mal zu erhitzten. Wegen der heilwirksamen Bedeutung zählt man auch den Giersch zu den sogenannten „Sieben Kräutern“. Dazu zählen weiters Gundelrebe, Schafgarbe, Scharbockskraut, Vogelmiere, Beifuß und Knoblauchsrauke. In Norddeutschland erfährt der Giersch bei den Alten in den „Neunerlei-Kräutern“ eine hohe Wertschätzung. Und bevor ich mir aus den Blättern einen herben Tee zubereite, mache ich mir lieber eine Gierschsuppe, um die Wirkstoffe auf pikante Weise konsumieren zu können. Es kann davon ausgegangen werden, dass solcherlei Suppen und im Besonderen der Frühlingsgiersch sehr gut den Körper und die Organe entgiftet, das Blut reinigt und die Übersäuerung austreibt. Am Rande bemerkt: Der Giersch reinigt auch die Böden seiner Wuchsstandorte.

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

Als Basis einer Gierschsuppe dient gesalzener und in Butter angerösteter Zwiebel oder eine Einbrenn (Mehlschwitze), Ablöschen mit Weißwein und im Aufguss lässt man geschnittene Sellerie, (Wilde) Pastinake, (Wilde) Karotte und Kartoffel gar kochen.

Kartoffelsalat mit Löwenzahn und Geißfuß Gekochte und blättrig geschnittene Kartoffel werden mit viel fein gehacktem Giersch und Essig, Öl sowie Joghurt durchmischt und eine halbe Stunde ziehen gelassen. Dann gibt man in Wasser geschnitten eingeweichte Löwenzahnblätter und jene von Sauerampfer bei und hebt sie unter. Auch mit Mayonnaise-Soße schmeckt dieser Salat prima. Verwendet man mehr Giersch als Kartoffel, so sei die Würzung mit Kren empfohlen. Der Meerrettich sollte aber je nach seiner nachziehenden Schärfe vorsichtig dosiert sein, damit der Gierschgeschmack überbetont bleibt. Rheuma- und Gichtkranken kann ein altes Rezept vermittelt werden: Die über die ganze Vegetationsperiode nachwachsenden jungen Blätter schneiden und mit Essig und Öl als Salat anrichten. Etwas ziehen las-

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

sen und mit würzenden Kräutern kann verfeinert und eine den Speiseplan bereichernde Vielfalt geschaffen werden. Wem der Giersch zu intensiv ist, kann in feine Würfel geschnittene Äpfel und etwas Zwiebel untermischen.

Ein schnelles Abendessen und ein Giersch-Serviettenknödel Eine große Menge von Wildem Oregano, etwas Gundelrebe, Giersch (vor der Blüte gesammelt), Schafgarbe, Kleiner Wiesenknopf u.a. mit Zwiebel fein gehackt in Sauerrahm einrühren und etwas salzen – fertig ist eine schnelle und billige Speisenzulage. Diese vorzügliche Soße – einmal dicker, einmal flüssiger zubereitet – harmoniert gut mit Schälkartoffeln, Butter und würzigem Vorarlberger Bergkäse. Wenn man etwas Topfen beigibt, wird sie fester und dient als Brotaufstrich. Auch zum Aufwerten der Knödel dient das Kraut: Gehackte Geißfußblätter mit Buchweizen oder Naturreis, viel angeröstetem Zwiebel und Speckwürfeln mischen, mit Eiern und etwas Mehl oder Grieß zum Binden bringen und salzen, evtl. mit anderen Kräutern versetzen. Diese Mischung kann wie beim Serviettenknödel in einem Geschirrtuch eingerollt und im Salzwasser gekocht werden. Nachdem der Knödelteig fest geworden ist, öffnet man das Tuch und schneidet zwei cm dicke Scheiben herunter, zu denen man eine Gemüsesoße oder eine Fleischspeise mit Soße servieren kann.

Als würzendes Kraut für Knödel und Brot In Griesnocken und Semmelknödel durchaus in größeren Mengen eingemischt, kommt der Geißfuß äußerst bekömmlich zur Wirkung. Vielfach unbekannt ist das Marinieren der in Würfel oder Scheiben geschnittenen Semmelknödel mit einem Würzessig. Und als fein gehacktes Würzmittel in den Sauerteig regelmäßig eingeknetet, kann aromatisches „Gierschbrot“ zubereitet werden. Seit mehreren Jahren stelle ich dahingehend Brotbackversuche an. Mit Kochfleisch mitgesotten, gilt der Giersch als eine geschmackliche Bereicherung. Mit den feingeschnittenen, jungen Stängeln und Blattstielen kann ein Risotto zubereitet werden.

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❚ FRÜHLING

Formen der Winterbevorratung Das junge Kraut oder nur die Blätter dieser Wildgemüseart kann man faschieren oder pürieren und eingesalzt in Behältern bevorraten. Zudem können die ganzen Blätter auch in Holzschaffeln bzw. -fässern und Gärtöpfen gelagert werden, wobei das eingeschichtete Wildgemüse mit Salz bestreut wird. Während der Einlagerung sollen die Schichten zwischendurch mit der Hand oder einem Holzstößel fest gestampft werden. Danach wird es fest angedrückt, eingeschwert und luftdicht verschlossen. Nach 24 Stunden stampft man es noch einmal mit dem Ziel, dass Saft aus den Pflanzenteilen austritt. Hernach gut verschließen und kühl lagern. Auch in Gläsern kann derart die Bevorratung einmal ausprobiert werden. Im Winter dient der eingesalzte Giersch vor allem für Suppen, Salat, Spinat, Soßen und mit anderem Gemüse gemischt als Zuspeise (s. dazu in Machatschek M. u. Mauth­ner E. 2015). Die Stiele der Blätter wurden in der Sowjetunion wie Sauerkraut in Holzbottichen eingestampft. Das Einsäuern wie Kulturgemüse erfolgte dort auch mit den Gierschblättern. Die Trocknung des Krauts oder der Blätter und Gewinnung von gesiebtem Pulver als Suppenoder Soßenwürze und zur Streckung des Salzes ist ebenfalls eine Möglichkeit der Bevorratung. Manche Wildkräutler bereiten ein eigenes Gierschsalz zu, indem sie die getrockneten Blätter mit Salz vermahlen. Neben Bärlauch, Kümmelblättern, Melde (oder Gänsefuß) ist auch der Giersch tiefkühlbar, wenn er nicht von überdüngten Standorten stammt. Geschmacklich baut der Giersch allerdings ab.

Giersch-Pesto Ähnlich wie das Pesto aus Bärlauch-Blättern, dessen Rezept ich vor über zwanzig Jahren in Gartenzeitungen veröffentlichte, bereite ich im Frühjahr eines mit jungen Giersch-Blättern zu: Zutaten: 3 Handvoll Giersch-Blätter, ca. 150 ml Sonnenblumen- oder OlivenÖl, 1 TL Salz, 5 EL Sonnenblumen-Kerne.

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

Der Giersch wird auch als „Podagrar-Kraut“ bezeichnet, da er bei rheumatischen Beschwerden eine entsäuernde und reinigende Wirkung besitzt. Umschläge mit zerstampften Blättern und Wurzeln auf schmerzende Gichtstellen zeigen mildernde Wirkung. Im Salat mitgegessen, entgiftet und reinigt er die Gebärmutter. Werden junge Giersch-Blätter fein geschnitten, so lässt sich daraus ein Spinat oder ein Soßen-Gemüse für Spaghetti zubereiten.

Zubereitung: Vom Giersch die Blattstiele entfernen und diesen waschen. Danach gut ausschleudern! Die Blätter werden quer zu den Fasern grob zerschnitten, in einem hohen Krug mit Öl versetzt und mit dem Pürierstab zu einem Brei gemixt. Dann wird Salz untergemischt. In einem anderen Gefäß werden die Sonnenblumen-Kerne fein zerkleinert und mit dem Giersch-Öl-Brei vermengt. Zuletzt wird die Paste in Gläser eingefüllt und darauf geachtet, dass zwischen der Masse keine Luftnester verbleiben. Mit einer Ölschichte zwei mm abdecken und verschließen. Allzu viele Blattstiele und Wasser vom Waschen können zum Gären des gelagerten Pestos führen. Außerdem bleiben vielfach beim Pürieren

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❚ FRÜHLING

die Fasern der Stiele lang. Die Gläser kühl und lichtgeschützt in der Vorratskammer lagern und spätestens im kommenden Winter verbrauchen. Besonders gut eignet sich das Pesto für Schälkartoffeln und Käse, zu Reis und Getreidereis, aber auch zu Teigwaren aller Art.

Medizinale Bedeutung Die Bedeutung des Gierschs wird nur in der Volksmedizin geschätzt und gepflegt. Mittlerweile verstorbene Kräuterfrauen nannten die Vitamin-C-reiche Pflanze „Gicht- oder Podagra-Kraut“ (wegen des Einsatzes bei Gicht- und Rheuma-Beschwerden), weil sie bei Harnsäure­ stau entgegen, bzw. entgiftend wirkt. Sie ist reich an Spurenelementen wie Eisen, Bor, Mangan, Kupfer und Titan. Dabei gilt sie sowohl gegessen als auch via Umschlägen als heilwirksam. Bei Brandwunden und anderen extremen Schmerzen legten sich die Leute bei entzündeten Fuß-, Zehen-, sowie Arm-, Hand- und Fingergelenken, aber auch entlang der Wirbelsäule gequetschte Blätter zur Kühlung und Schmerzlinderung auf. Nach Frohne (2002) bewirkt der hohe Gehalt an Kaliumsalzen offenbar eine vermehrte Flüssigkeitsausscheidung. Der Wurzelabsud regelmäßig ins Bad beigegeben hilft bei Gichterkrankungen. Nach Insektenstichen legte man gekaute oder gequetschte Gierschblätter auf die anschwellende Stelle zur Kühlung, zum Abklingen der Schmerzwirkung und zur Entgiftung auf. Bei Krampfadern, Hautkrankheiten und -entzündungen gelten die Blätter als wohltuend für die strapazierte Haut und Blutgefäße. Laut Pfarrer Künzle (1913) wirken eingeatmete Geißfußdämpfe des frischen oder dürren Krauts auf eine heiße Herdplatte oder in einem Topf gelegt gegen Schnupfen. In der Phytotherapie kommt heute die Heilpflanze kaum mehr zum Einsatz.

Giersch – Früchteverwendung Die harntreibenden Früchte wurden gesammelt und getrocknet. Sie ähneln im Aussehen jenen des Kümmels, verzeichnen einen minderwürzigen Geruch und brennenden Geschmack. Sie dienten für Abkochungen, welche bei Nieren- und Blasenleiden eingesetzt wurden.

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❚ Das Gichtkraut Geißfuß (Aegopodium podagraria)

Ebenso halfen Teeaufgüsse bei Durchfall, bei Hämorrhoiden und bei Spülungen des Dickdarms. Der Tee aus den Früchten, das Kauen der Früchte selber und Suppen mit fein gehacktem Kraut dienten zur Heilung von Darmkrankheiten. Bei der Suppenverwendung sollte das Kraut erst kurz vor dem Servieren eingerührt werden.

Umgang im Garten Wenn der Giersch in die Blüte gekommen ist, so sei empfohlen, das Kraut vollständig zu mähen oder abzujäten und erst wieder die frisch aufkommenden Blätter zu nutzen. Auf diese Weise wird ein herbes Sammelgut vermieden und bis zum Herbst kann bereichsweise mehrmals der Giersch abgeerntet werden. Bei oftmaliger Nutzung können sich mit der Zeit auch die Reserven erschöpfen. In Vorarlberg lernte ich bei einem Seminar eine Frau kennen, die in ihrem Garten den Geißfuß so übernutzt hatte, dass er aus den Beeten verschwunden war. Offenbar brauchte sie so große Mengen in der Küche, um gichtartigrheumatische Beschwerden über Kräuterspeisen hintanhalten zu können. Sie besorgte sich wieder Ableger und mittlerweile gedeiht der Giersch wieder hurtig in manchen Bereichen ihres Gartens.

Spieße mit Blättern der Fetthenne, würzigem Käse und Nektarine (Bild: Matteo Etzer).

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❚ FRÜHLING

Das Blasen-Leimkraut (Silene vulgaris) – eine wunderbare Wildgemüse-Art Wohl eine der besten Wildgemüse-Pflanzen ist das Aufgeblasene Leimkraut (Silene vulgaris, früher Silene inflata). Eine frühe Nutzung ist anzuraten. Das Gewöhnliche Leimkraut dient als bekömmliches Beilagengemüse, als Spinat und für einfache Kochgerichte, welche durch dieses Kraut aufgewertet werden. In den Bergamasker Alpen erfuhr ich zu Beginn der 1980er-Jahre bei einer Alpenüberquerung Näheres über die Nutzung als Wildgemüse von Leuten, welche auf ihren Wiesen diese Pflanze sammelten und daraus herrliche Mittagsgerichte herstellten. Da ich mit den Bauern einige Tage für Kost und Logie mitarbeiten durfte, luden sie mich zum Essen ein. Allgemein ist das Leimkraut in Italien bis heute eine sehr häufig genutzte und beliebte Wildpflanze. Das „Blasen-Leimkraut“ wird auch unter den Namen „Gewöhnliches oder Taubenkropf-Leimkraut“ in den Bestimmungsbüchern geführt. Erkennbar ist das Kraut an den reifüberlaufenen länglicheirunden Blättern und an den verwachsenen Kelchblättern, die wie ­eine Blase aussehen. Wenn man die ca. ein cm lange Blüte pflückt und den aufgeblasenen, netzadrigen Kelch an der Öffnung mit den Fingern zusammenhält und damit gegen die andere Handfläche schnell stößt, so entsteht durch das Zerklatschen ein knallender Ton – deshalb der Name „Klatschnelke“. Das nennen die Leute Schnalzen und bezeichnen das Kraut deshalb als „Schnalzerl“, „Klesch’n“, „Klatsch-“ oder „Tuschblume“. Die Namen „Sandkohl“, „Knirrkohl“ und „Wiesenspinat“ deuten auf die hervorragende Wildgemüsenutzung hin. Der Name „Aufgeblasen“ wurde durch die neue Nomenklaturänderung auf „Blasen“ eingekürzt. Mit unserer Harnblase dürfte die Namensgebung nichts zu tun haben, wiewohl Hinweise über die Heilwirkung der Pflanze aus der Volksheilkunde für die erfolgreiche Anwendung gegen Blasenleiden bzw. bei chronischem Blasenkatarrh bestehen. Seite 143: An den aufgeblasenen, netzadrigen Kelchen erkennt man das Blasen-Leimkraut. Es wird auch als Klatsch-, Tuschblume oder „Schnalzerl“ bezeichnet, da man durch das Zusammenklatschen des Kelches einen knallartigen Ton herstellen kann.

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Beschreibung und Nutzungszustände Die meist kahle Pflanze ist an Stängeln und Blättern grünbläulich bereift. Wischt man die Reifschicht weg, so wird ein intensiveres Grün sichtbar. Von den jungen (!) Aufwüchsen – vor der Blütenspross-Ausbildung – sind die wechselständigen, lanzettlich-elliptischen und spitzen Blätter mitsamt den zarten Stängeln als Gemüse am besten nutzbar. Die Blüte beginnt schon ab Mai mit aufrechtem oder gabelig genicktem Blütenstand. Ein typisches Kennzeichen bilden die 1 – 2 cm langen, aufgeblasenen, zu einer netzadrigen Kelchröhre verwachsenen Kelchblätter. Die fünf eingeschnittenen Kronblätter des Nelkengewächses sind weiß oder zart rosa gefärbt. Sie ragen gemeinsam mit den Griffeln und Staubblättern aus dem Blasenkelch heraus. Nach der Befruchtung bildet sich eine eiförmige Kapsel, welche 1 mm große, graue Samen enthält, welche zumeist durch die Einwirkung des Windes ausfallen.

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Während der Blüte geerntet, diente das Leimkraut als Heilpflanze bei Hautunreinheiten, Ausschlägen oder zur Stoff­wechselanregung – und der Wurzeltee bei grippalen Erkrankungen.

Mit der Blüte zwischen Mai und September erreicht die Pflanze eine Höhe zwischen 30 und 50 cm. Dann sind die Stängel verholzt und nicht mehr in der Küche verwendbar. Die mittlerweile herb gewordenen Blätter in Mischung mit anderen Nahrungsmitteln mitgekocht enthalten kratzige und bittere Geschmackskomponenten. Neue Aufwüchse nach dem Mähen oder Ernten können weitere Male für die Küche aber genutzt werden. Roh können die Blätter nur in der jungen Wuchsphase genossen werden, da sie danach bereits einen leicht herben Geschmack besitzen und beim Schlucken die Schleimhaut reizen. Vor allem mit der Blüte lagert die Pflanze vermehrt bittere, gaumen- und rachenreizende Stoffe ein, bildet verstärkt die Faseranteile in den Stängeln aus und verholzt am Grunde, weshalb die Krautteile unbedingt vor dem Blütenschieben mit einer Aufwuchshöhe von 10 bis 15 cm geerntet werden sollen. Im Frühsommer ist das Sammeln des jungen Krauts auch ertragreicher als

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❚ Das Blasen-Leimkraut (Silene vulgaris) – eine wunderbare Wildgemüse-Art

die Ernte nach der Blüte oder in der Grummet- oder Emdphase, wo man mit mehr Aufwand die einzelnen und noch dazu schon herber gewordenen Blätter und kürzeren Sprossen zu pflücken hat.

Wo kommt das Blasen-Leimkraut vor? Schon mit den ersten Schüben der Wiesen- und Weidevegetation tritt auch das Leimkraut auf mittelmäßig bis gut gedüngten Standorten auf. Auch entlang von Wegen und an Böschungen, ab und zu in Gebüschsäumen und an Waldrändern mit mittlerer Nährstoffversorgung, in Trocken- oder Magerrasengesellschaften und auf (Kalk-)Schutt- wie Sandböden kann das Blasen-Leimkraut gefunden werden. In den Bergbauregionen ist sie häufig anzutreffen, da die Pflanze gegenüber den Schwermetallen in den Böden hoch tolerant ist. Deshalb tritt sie auf Abraumschutthalden und auf Flächen auf, welche schon vor mehreren hundert Jahren eine Düngung erfuhren, wo Bergbauabraum und -asche zum Einsatz kamen oder der auftretende Bergbaustaub abdriftete. Auch häufig ausgebrachte Holzasche oder alter Stacheldraht mit höheren Anteilen an Schwermetallen fördert das Gedeihen der Pflanze. Das Blasen-Leimkraut kommt von 400 bis 2800 m Seehöhe in verschiedenen Unterarten vor, welche jeweils Standortanpassungen zeichnen. Das Kupfer-Leimkraut (Silene vulgaris subsp. humilis) in etwa kann vergleichsweise hohe Kupferwerte im Boden anzeigen. So ist das schwermetalltolerante und -akkumulierende Leimkraut z.B. auf Serpentinböden anzutreffen. Aber das Leimkraut braucht nicht unbedingt Schwermetalle zum Gedeihen. Wir können sie auf sorgfältig bewirtschafteten, blumenbunten Wiesen, Weiden und gemähten Böschungen sammeln, wo sie im Frühjahr in großen Mengen vorkommt. Hier haben wir eine starke Konkurrenz durch die weidenden Schafe und Ziegen, die ebenfalls diese schmackhaften Pflanzen gegenüber anderen bevorzugen. Die Pflanze lässt sich gut in der Wiese und auf das Gartenbeet aussäen und kultivieren. Saatgut kann man den natürlichen Standorten im Sommer entnehmen und im Frühherbst aussäen. Die kleinen Pflänzchen überwintern und haben im Frühjahr einen Vorsprung. Von den kultivierten Pflanzen sind die jungen Wurzeln ebenso als Gemüse

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❚ FRÜHLING

nutzbar, da sie anfangs noch nicht verholzen. Mit den Jahren entsteht daraus allerdings eine tiefreichende, stark verholzte Speicherwurzel.

Erntemöglichkeiten Nach dem ersten und zweiten Mähen der Wiesen treibt die Pflanze noch einmal aus, und die kleinen, beblätterten Sprossen können in Plastiksäcklein gleich lagerfertig für die Tiefkühltruhe gesammelt werden. Die wiederkehrenden Aufwüchse haben eine geringere Höhe und streben eine frühere Blüte an. Dies ist beim Sammeln zu bedenken. Die Sammelgänge der ersten Aufwüchse sind allerdings für das Einfrieren am lohnendsten. Beim Trocknen verliert die Pflanze an Konsistenz und Geschmack. Durch das Einfrieren bleiben Aroma, Form und ­Farbe voll erhalten und diese Bevorratungsform ist sehr empfehlenswert. Im Herbst schmecken die Blätter immer noch süß mit einem leichten Anklang nach frischen Erbsen. Beim Kochen bekommt das Gemüse eine sattgrüne Farbe und einen spinatartigen Geschmack. Diese Kocherprobungen sind vor allem für die Verwendung des Leimkrautes in der Gastronomie wesentlich, wo die Gerichte für das Auge schön zuzubereiten sind.

Geschwenkt eine einfache Beilage Die im jungen Zustand geernteten Sprossen können als Gemüse einfach und schnell zubereitet werden: Gesammelt werden die austreibenden Sprossen mit den Blättern, bevor die Blütenteile ausreifen und die Stängel verholzen. Butter in einem Geschirr zergehen lassen, etwas gesalzene Zwiebel darin goldgelb anrösten lassen und bis zum Geschirrrand mit Leimkraut füllen, wenig Wasser dazugeben, sodass der Boden damit bedeckt ist, und mit einem Deckel abschließen. Die Zwiebel kann man auch weglassen. Durch das Erhitzen fallen unter dem Dampf die Blätter zusammen und färben sich intensiv grün. Die Dampfphase soll nur kurz anberaumt werden, damit der Biss und der natürliche Geschmack nicht verloren gehen. Beim Umrühren werden sie leicht gesalzen und können noch mit etwas Mehl gestaubt und mit Milch, Rahm

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❚ Das Blasen-Leimkraut (Silene vulgaris) – eine wunderbare Wildgemüse-Art

Werden junge Triebe des Leimkrauts kurz in Butter geschwenkt, intensiviert sich die grüne Farbe. Mit einer Käse-Rahmsoße angemacht, ergibt das Kraut eine schmackhafte Beilage zu Kartoffel- oder Getreidegrießnocken, Schupf- oder Kartoffelnudeln (Nocken, Gnocchi, Paunzen, Baunzen) und andere Teigwaren.

und oder etwas Weißwein übergossen und dann geschwenkt werden. Fertig ist eine köstliche Wildgemüsebeilage. Mit Olivenöl oder Sonnenblumenöl als Fettgrundlage schmecken solche Speisen ebenso gut.

Weitere Gerichte Die beschriebene Grundzubereitungsart kann in einem weiteren Rezept münden, indem man das zusammengefallene Wildgemüse mit einem Passierstab zerkleinert und dann nach Belieben mit Muskat und geriebenem Kümmel würzt. Der erhaltene Spinat eignet sich ebenfalls als Beilage oder für verschiedene Aufläufe und gemüsebetonte Backwaren mit Nudel-, Mürb- oder Blätterteig. Der Spinat oder das unzerkleinerte Wildgemüse können unter Nudelteigwaren (wie Spaghetti, Hörnchen, Band- und Penne-Nudeln etc.) gemischt und mit geriebenem Käse gewürzt werden. Das ist ein einfaches, aber herrliches Gericht. Auch in Mischungen mit anderen Wildgemüsearten kann das Leimkraut in Salaten und Suppen verwen-

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Kartoffelpaunzen mit Leimkraut

det werden. Aus dem gekochten Kraut lässt sich eine hervorragende Brühe zubereiten.

Kartoffelpaunzen mit Leimkraut Gemeinsam mit Günther Eberl vom Gasthaus Schwan im Ort Wattens bereiteten wir Tiroler Paunzen aus Kartoffel-Topfenteig zu, um sie mit gedünstetem Leimkraut zu einer kulinarischen Delikatesse aufzuwerten. Zutaten: 1 kg Kartoffeln, 350 g Mehl, 250 g Topfen (Quark), 3 Eidotter oder 2 Eier, Pfeffer, Muskat und Salz; Leimkraut, Ziegen-Weichkäse, Süßrahm oder Schlagobers.

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❚ Das Blasen-Leimkraut (Silene vulgaris) – eine wunderbare Wildgemüse-Art

Zubereitung: Der Kartoffelteig der Paunzen bzw. Baunzen wird wie folgt hergestellt: Gekochte Kartoffeln schälen, pressen oder reiben, den Topfen, das Mehl sowie die Eidotter unterrühren. Mit Pfeffer, etwas Muskatnuss und Salz würzen. Der Teig wird von Hand in fingerdicke Würste ausgerollt und mit einer Teigkarte in 1 cm dicke Stücke geteilt. Diese lässt man im heißen Salzwasser ziehen. Schwimmen sie an der Wasseroberfläche, dann werden sie kalt abgeschreckt. Sie werden vor dem Servieren in Butter abgeschmälzt. Das Leimkraut schwenkt man leicht gesalzen nur kurz in Butter, bis es eine sattgrüne Farbe bekommt. Dieses wird mit den Kartoffelpaunzen untergehoben und warm gestellt. Aus Ziegen-Weichkäse bereitet man eine Creme, indem man diesen schmelzen lässt, Süßrahm einrührt und aufschäumt. Die Paunzen mit Leimkraut vermischt gibt man auf bereitgestellte Teller und gießt vor dem Servieren die Schaumcreme darüber.

Kartoffelteig-Fingernudeln mit Leimkraut und Bergkäse Ein ähnliches Rezept stellten wir mit Erzeugnissen u. a. mit unserem Bergkäse und Rahm auf den Alpen her. Folgendermaßen wird es zubereitet: Zutaten: Mengen nach Belieben – Kartoffeln, Mehl, Grieß, Butter, 1 Ei, Muskat und Salz; Leimkraut, würzigen Bergkäse, Zwiebel, Süßrahm oder Schlagobers, Weißwein. Zubereitung: Für den Kartoffelteig der Fingernudeln werden die gekochten Kartoffeln geschält, warm gepresst und mit Salz und Muskatnuss gewürzt und Ei, etwas Butter, Grieß und Mehl eingeknetet. Aus dem Teig werden fingerdicke Würste gerollt und mit einer Teigkarte in 2 cm dicke Stücke geteilt. Diese lässt man im heißen Salzwasser ziehen, bis sie an der Wasseroberfläche schwimmen. Das Leimkraut wird kurz in Butter geschwenkt und leicht gesalzen. Die Zwiebel wird fein gehackt und gesalzen angebraten, mit et-

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❚A Das Blasen-Leimkraut (Silene vulgaris) – eine wundeerbare Wildgemüse-Art

was Mehl gestaubt und mit Weißwein gelöscht. Rahm und geriebenen Bergkäse dazugeben und nach Belieben abschmecken und würzen. Die Fingernudeln mit Leimkraut vermischen und die Bergkäse-Rahmsoße unterheben.

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Im Herbst kamen die etwas zu lange in Butter gedünsteten Leimkraut-Triebe auf die gebratenen Apfelscheiben, weshalb die intensive Grünfärbung abhanden gekommen ist. Je kürzer man das Leimkraut erwärmt, umso intensiver bleiben der Grünton und der Geschmack.

Mit einer rahmbetonten Soße oder einer Rahm-Fischsoße, in die würziger Käse eingerieben wurde, lässt sich in ähnlicher Weise eine Götterspeise mit Bandnudeln oder Gnocchi zubereiten.

Das Blasen-Leimkraut als Volksmedizin Über die Heilwirkung bestehen kaum Kenntnisse. Das Kraut besitzt einen hohen Vitamin-A- und -C-Gehalt, Kalium, Saponine und Zuckerverbindungen und erlangt somit aus Ernährungssicht eine stoffwechselanregende und gesundheitliche Bedeutung. Äußerlich kam das während der Blütezeit geerntete Kraut in Nordeuropa als Absud gegen Rotlauf und bei Hautunreinheiten zur Verwendung. Im Alpenraum wurden damit Umschläge bei Hautausschlägen und schlecht heilenden

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❚ FRÜHLING

Geschwüren angelegt. Ebenso sagt man dem Tee aus dem blühenden Kraut und der Wurzel eine wurmabtreibende und schleimlösende Wirkung nach, wenn er über mehrere Tage getrunken wird. Zudem hilft der kräftigende Wurzeltee bei Grippe, Verkühlung und Husten. Meiner Einschätzung nach dürfte das Kraut auch bei Verschleimungen der Blase, Nieren und der Lunge eine heilwirksame Bedeutung haben. Deshalb bin ich der Auffassung, wenn wir die Heilkräuter in der Küche kontinuierlich berücksichtigen, dann essen wir ständig gesundhaltende Wirkstoffe, Makro- und Mikroelemente und benötigte Vitamine und viele nicht wissenschaftlich bestimmbare ­ Nährkräfte, welche in den Pflanzen versammelt sind, mit. Durch das Auskochen der zerkleinerten oder zerdrückten Wurzeln erhält man eine seifige, fettlösende Waschlauge.

Viele Nelkengewächse wurden als Wildgemüse jung genutzt Grundsätzlich sind alle europäischen Leimkrautarten bzw. viele Nelkengewächse als Gemüse nutzbar, vor allem im jungen Zustand. Auch wenn die Kretische Flachsnelke (Kretisches Leimkraut, Silene cretica L.) im ausgewachsenen und blühenden Zustand zierlich und hartfaserig aussieht, ist sie doch in der frühen Sprossphase fülliger, großblättriger und zart und leicht als Spinat oder Gemüsebeilage geeignet. Wenn Archäobotaniker seit 150 Jahren das Verschwinden dieser Art nördlich der Alpen (s. Heer, O. 1865; Brombacher, Ch. 1993) beobachteten, so kann dies im Zusammenhang mit den flächigen Kultureinflüssen (veränderte Saatgutimporte, Anbaufragen auf den Äckern, Art der Kulturpflege etc.) stehen oder weil diese aus dem mediterranen Raum als leicht anbaubare Nutzpflanze eingeführt wurde. Durch Auflassung ihres Gebrauches konnte sie sich nicht halten und die eigentlich nicht natürlichen Vorkommen begannen zu versiegen. Ähnlich ist es auch bei anderen Arten, welche aus anderen Gebieten stammen und heute in Mitteleuropa als selten oder ausgestorben gelten (siehe dazu Machatschek, M. 2010a). Früher hatten die Menschen in den Äckern viele Beikräuter für Nahrungs- oder Heilzwecke genutzt und nicht als Unkraut oder Abfall gesehen. Beim händischen Jäten im Flachsbau wurden im Frühjahr, wie

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❚ Das Blasen-Leimkraut (Silene vulgaris) – eine wunderbare Wildgemüse-Art

u. a. aus den Berggebieten und von meinen Großeltern berichtet, bestimmte junge Sprossgemüsearten als Nahrung in Körben gesammelt und zu Hause verkocht. Die Nutzung eines abfallenden Produktes bei der täglichen Feldarbeit macht Sinn, wenn im Jäten ein beträchtlicher Arbeitseinsatz steckt und dieser aus dem „sekundären Gebrauch“ von Kräutern zu einem doppelten Nutzen führt. Erst als diese Aufmerksamkeit der Nutzung bestimmter Arten verloren ging, reduzierten sich auch ihre Vorkommen. Es haben natürlich auch andere Faktoren das Verschwinden solcher Arten begünstigt oder beschleunigt.

Die Kretische Flachsnelke (Silene cretica L.) kommt nördlich der Alpen­selten vor. Das kann als ein Zeichen für eine Einschleppung mit Getreide oder Flachs gedeutet werden, wenn Archäobotaniker und Archäologen diese Art in Kombination mit Ackernutzungen nachweisen konnten. Die Flachsnelke könnte aber auch bewusst für Nahrungszwecke eingeführt worden sein.

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Das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium) – ein ergiebiges Sprossen-, Blatt- und Spargelgemüse Mit den wunderschönen, purpurrosa Blüten ab Juni und der Wuchs­ höhe von 1 – 2,5 m ist das Schmalblättrige Weidenröschen eine ­auf­fällige Erscheinung. Früher nutzte man von dieser Staude die jungen Triebe und Blütensprossen als Spargelgemüse, die Blätter für Salate und als Kochgemüse uvm. Grundsätzlich können alle Weidenröschen-Arten als Nahrungsmittel genossen werden. Auch Faserstoffe und Schnüre wurden aus den Stängeln hergestellt.

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❚ Das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium)

Weidenröschen heißen die Arten der Gattung Epilobium, da die Blätter Ähnlichkeit mit jenen der Strauchweiden (Salix spec.) besitzen und die auffälligen Blüten entfernt mit denen der Rosen verglichen werden. Im Besonderen sind die länglichen Silber-Weidenblätter denen des Schmalblättrigen Weidenröschens (Epilobium angustifolium) sehr ähnlich. Auf diese Weise kann man sich diese Artengruppe merken, obwohl sie nicht zu den Weidengewächsen zählen. Die röschenartigen, vierteiligen Blüten weisen auf eine andere Zugehörigkeit hin, nämlich zu den Nachtkerzengewächsen (Onagraceae). In erster Linie wurden früher die großwüchsigen Arten als Nahrungsmittel genutzt, wie Zottiges, Berg-, Quirlblättriges, Sumpf-, Rosarotes, Dunkelgrünes, Vierkantiges, Rosmarinblättriges und Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium hirsutum, E. montanum, E. alpestre, E. palustre, E. roseum, E. obscurum, E. tetragonum, E. dodo­ naei und E. angustifolium). All diese Arten haben jeweils verschiedene Standortansprüche und Verbreitungsschwerpunkte. In Notzeiten griff man auch auf die kleinwüchsigen Arten zurück, welche allerdings aufwendiger zu sammeln waren, weil sie wenig Menge boten. Nachstehend sei stellvertretend die Nutzung des Schmalblättrigen Weidenröschens angeführt. Deshalb ist der Gedanke, die Pflanze weiter zu züchten und daraus eine Kulturpflanze zu machen, gar nicht so ab­ wegig.

Aussehen Die ausdauernde Staude besitzt einen Wurzelstock mit weit verteilten Kriechwurzeln und Wurzelsprossen, mit denen sie größere Flächen erschließen kann. Im Frühling treibt sie an den auffälligen rötlichen Überdauerungsknospen des Wurzelstocks aus. Die aufrechten Stängel sind rund und können leicht kantig sein. Häufig überlaufen sie auch schon im Frühjahr ins Rötliche. Selten sind sie verzweigt. Die schlaffen, lanzettlichen Blätter sind lanzettlich, 12,5 cm breit und häufig am Rand der blaugrünlichen Unterseite leicht eingerollt und wechselständig angeordnet. Der Mittelnerv der sattgrünen und leicht gezähnten und spitzen Blätter ist auffällig hellgrün oder weiß. Auf der Unterseite treten Mittelnerv und die Seitennerven deutlich hervor. Die

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Am weißen zentralen Blattnerv der dreizeilig angeordneten Blätter und dem austretenden Schleim beim Pflücken der Sprossen ist das Schmalblättrige Weidenröschen im vegetativen Zustand erkennbar. Die vier Blütenblätter und rötlich gefärbten Kelchblätter sind charakteristisch. Wegen der purpurnen, rosafärbigen Blüten wird die heimische Wildpflanze auch als „Wilder Oleander“ bezeichnet.

Aufwuchshöhe der aufrechten Staude beläuft sich auf 80 – 150 cm und kann bei optimalen Bedingungen auf Waldschlägen 200 cm erreichen.

Die purpurrosa Blüten Das Schmalblättrige Weidenröschen besitzt eine reichbestückte, endständige und purpurrosa bis leuchtend purpurrote Blütentraube, welche 20 – 50 cm lang sein kann. Die vergleichsweise großen, vierteiligen Blüten haben 2 – 3 cm Durchmesser. Manchmal können die schönen Blüten zartrosa bis weiß ausfallen und führen bei ungenauer Betrachtung zur Verwechselung mit dem Oleander, weshalb man die Stauden auch als „Wilden Oleander“ bezeichnet. Die Narbe ist vierteilig und der

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❚ Das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium)

Griffel weist am Grunde eine leichte Behaarung auf. Die 4 – 6 cm lange schmale, aufwärts gerichtete Samenkapsel ist grün bis rötlich gefärbt. Am Ende dieser Ausbildung sitzen die einzelnen Blüten. Der lateinische Gattungsname Epilobium leitet sich aus dem griech. „epi“ = darüber und aus „lobos“ = die Hülse oder Frucht ab. Dies deutet auf die Position der Einzelblüte hin, denn die Blüte steht über dem durch Befruchtung ausreifenden, überlangen Fruchtkörper, der wie eine Harnröhre aussieht. Beim Aufspringen der reifen, vierteiligen Langkapseln rollen sich die Kapselschalen zurück. Dann werden die langwolligen Haarschöpfe mit den Samen zur Windverbreitung freigegeben.

Standörtlichkeit Das Schmalblättrigen Weidenröschen findet auf Kahlschlägen, Waldverlichtungen, Brandstellen, manchmal an Bahndämmen, Flussufern, Hecken- und Wegrändern, welche teils beschattet sind, an alten Reisighaufen oder an Ruderalstandorten mit Standortstörungen Verbreitung. Sie können auf eine Seehöhe von bis zu 2.300 m vorkommen. Auf frischen, kalkarmen Brand- und Waldschlägen wirkt die Pflanze zumeist als Rohbodenpionier und durch die weitstreichenden Wurzeln als ausgezeichneter Bodenfestiger. Deshalb nennt man diese Art auch (Wald-)Schlag-Weidenröschen, Brand-, Feuer- und Unholdenkraut. In steinreichen Fluren der Grau- und Grünerlenbereiche und entlang der Gebirgsbäche gedeihen sie ebenfalls in reichlichen Beständen. Als „Blitzkraut“ sagt man der Pflanze eine schützende Bedeutung bei Unwettern nach. Die Staude findet man bei alten Häusern und Ruinen, wo Mauern zusammenbrechen und der Kalkmörtel- bzw. Sandlehm-Verputz abbröckelt, Dachbedeckungs- und Konstruktionsholz vermodert und liefert Jahrhunderte nach Verfall von Gebäuden Hinweise punktueller Existenzen oder Wüstungen. Seltener findet man das Schmalblättrige Weidenröschen in alten Bauerngärten, wo es einst einer Nutzung unterzogen wurde.

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❚ FRÜHLING

Erkennung im jungen Zustand – Sammelhinweise Gesammelt werden die Weideröschen vom Frühjahr bis zum Sommer, wenn die Triebe 15 – 20 cm aufgewachsen sind. Für die Nutzung des Sprossen- und Spargelgemüses ist die richtige Einschätzung der Art und ihres Vorkommens im jungen Zustand wesentlich, denn im Frühjahr oder Frühsommer sind für das Erkennen nur Schösslinge und keine Blüten vorhanden. Da können sie leicht mit anderen Pflanzen verwechselt werden. Ich behelfe mir durch eine Pflückprobe. Die frischen, zarten und unverzweigten Stängel schleimen leicht an der Bruchstelle und ziehen Schleimfäden. Das gilt in Kombination mit dem weißen Blattnerv als deutlicher Hinweis für das Weidenröschen. Nach der Veranlagung der Rohfasern in den Stängeln sind die Sprossen nicht mehr gut zu verwenden. Im Sommer kann man frisch geschobene Blätter, die oberen Teile oder die endständigen Blütensprossen einer Nutzung unterziehen. Blätter, welche bereits fest im Griff und ausgereift sind, sowie der obere Teil des blühenden Krauts werden getrocknet für Tee in Gläsern gelagert. Dieser wurde in Österreich und Deutschland als Ersatz für Schwarztee verwendet.

Ein Spargel- und Suppengemüse Wenn auf den Kahlschlägen oder Wegrändern die jungen Sprossen austreiben, noch zart und wässrig sind, kann man sie als Gemüse zubereiten. Einerseits können sie in geringen Mengen als leicht süßsäuerlich bis nussig schmeckende, Vitamin-C- und Spurenelemente­ reiche Rohkost verwendet werden. Andererseits sind sie im späteren Aufwuchsverlauf durchwegs als Kochgemüse verwertbar. Die Ernte ist bis zur Phase möglich, wenn sie beginnen, Fasern anzusetzen. Leicht gekocht oder sautiert, dienen sie als Beilage verschiedener Speisen oder mit leichtem Essigdressing angerichtet als Salat. Auch in Gläsern können die Weidenröschen-Sprossen als Spargel mit Essig eingelegt werden. Darüber hinaus wurden früher mit den Sprösslingen und Blättern Suppen und Gemüselaibchen hergestellt.

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Auf Waldschlägen, Reisighaufen und Brandstellen, Wüstungs- und Ruinenplätzen kommen die Weidenröschen in größeren Gruppen vor. Mit den jungen Blättern und Schösslingen kann man Gemüse­laibchen oder Bratlinge zubereiten.

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❚ FRÜHLING

Junge Triebe mit Semmelbröseln und heißer Butter Doch das beste Gericht aus dem Paznauntal (Tirol) ist doch kein Gerücht, sondern ein Gedicht: Die 20 cm langen Bodentriebe in Salzwasser kurz bissfest gekocht, abgesiebt, auf vorgewärmten Tellern aufgelegt, evtl. etwas nachgesalzen, rasch mit Semmelbröseln bestreut und heißer Butter übergossen, sind ein Gedicht. Ebenfalls können die gesalzenen Triebe in Butter gedünstet, mit etwas Weißwein beträufelt (verdünntem Essig oder Wasser) und dann mit Brösel bestreut werden.

Schösslinge in Salzwasser eingelegt Von dickeren Frühlings-Schösslingen entfernt man die reifen unteren Blätter und belässt das frisch geschobene, endständige Blattbüschel des 20 cm langen Triebes. Sie können kurz in gekalktem oder Kalkwasser blanchiert werden, um Gerbstoffe und Oxalsäure zu mindern, und in Gläsern stehend eingeschlichtet werden. Haltbar macht man die blanchierte und eingefüllte Ware, indem man die Gläser mit heißem Salzwasser auffüllt und sofort mit einem Deckel verschließt. In Essig eingelegte Sprossen nehmen die saure Flüssigkeit auf, wodurch der Eigengeschmack beeinträchtigt werden kann.

Als gegartes Gemüse Die jungen Schösslinge, sofern sie noch unverholzt sind, weisen einen hohen Eiweiß- und Mineralstoffgehalt auf. Jung können sie z.B. als Rohkost oder für Salat verzehrt werden, allerdings können sie zu einem leichten Kratzen im Hals führen. Diese Erfahrung macht man auch bei der Blatt-, Sprossen- und Wurzelnutzung der nahverwandten Nachtkerzen (Oenothera-Arten). Solange zwischen Mai und September die Stängel oder oberen Stängelteile, Knospen, Triebspitzen und jungen Samenkapseln noch weich sind, kann man diese als geschnittenes Gemüse garen. Bei der Möglichkeit, größere Mengen sammeln zu können, ist auch das in dicken Stängeln vorkommende Mark verwertbar. Die ausgereiften Blätter

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❚ Das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium)

sind säuerlich. Diese und das Kraut in der ersten Blühphase wurden nach der Trocknung zu einem Pulver vermahlen und zum Strecken von Speisen verwendet. Von großwüchsigen Weidenröschen-Arten kann man die im Herbst, manchmal in Frühjahr gegrabenen Wurzeln als süßschmeckendes Gemüse, als Rohkost, Mehlzusatz und geröstet für Kaffee nutzen. Mit dem Wurzelmehl backte man in den Sowjetstaaten Brot, Gebäck und pikante Backwaren. In den Gärten breitet sich in den Beeten, Hecken- oder Gebüschrändern oder beim Kompostplatz das zarter wüchsige, 50 – 100 cm hohe Berg-Weidenröschen (Epilobium montanum) aus. Von diesen hellrosa blühenden Pflanzen verwenden wir in gleicher Weise die jungen Triebe für Salate und die Kochspeisenutzung, wenn wir sie beim Jäten ­vorfinden.

Exkurs zur Wirkung der Oxalsäure Das leichte Brennen im Rachen und Hals nach dem Verzehr roher Stängel des Schmalblättrigen Weidenröschen ist wahrscheinlich auf die Inhaltsstoffe im Besonderen auf die Oxalsäure zurückzuführen, wenn diese in Form von Kalium-Oxalatkristallen wirksam ist. Diesbezügliche Hinweise habe ich Georg Schramayr (2012) aus Niederösterreich zu verdanken. Die langstrukturierten, nadelförmigen Raphidenkris­ tallbündel bohren sich in die Schleimhaut und führen zu Reizungen und bei größer verzehrten Mengen oder bei empfindlichen Menschen zum Anschwellen der Schleimhaut. Die Oxalat-Nadeln machen zahlreiche Mikrowunden, welche zu brennenden Symptomen führen, aber sie sind ansonsten nicht unmittelbar bedenklich oder bedrohlich. Durch alleiniges Kochen kann man das Oxalat nicht unschädlich machen. Deshalb bediente man sich des Kochens in gekalktem Wasser. Das Oxalat verbindet sich dann zum Salz Calzium-Oxalat und fällt als Bodensatz aus, weshalb man dann das Kochwasser wegleert. Beim üblichen­Kochen verschiedener (Wild-)Gemüse- und Obstarten entstehen in Kombination mit anderen Nahrungsmitteln ebenfalls Oxalate, welche in der Niere ausfallen und an der Bildung der Nierensteine beteiligt sind. Dabei wird das Calzium in erster Linie aus der aktuell aufgenommenen Nahrung und aus den Kalkdepots des Körpers geholt. Beim üblichen Kochen ist im Gericht meist zu wenig Calzium für eine

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FRÜHLING

An Bachrändern mit stehendem Wasser kommt das Kleine Weidenröschen (Epilobium praviflorum) oder „Prostatakraut“ vor. Damit wurde seit alters her Tee bereitet, welcher der Gesundhaltung von Prostata und Gebärmutter diente, obwohl bislang keine diesbezüglich effektiven Wirkstoffe von Phytopharmakognosten nachgewiesen werden konnten.

vollständige und unschädliche Entfernung des Oxalats im Kochwasser enthalten und es reicht das Minimum des vorhandenen „WasserhärteCalziums“ nicht aus. Früher kochte man auch Rhabarber oder AlpenAmpfer (Rumex alpinus) unter Beigabe von etwas Kalk kurz ab, damit die Kalkdepots des Körpers nicht beansprucht werden, und schüttete das erste Kochwasser weg, ehe man das Kompott zubereitete.

Heilanwendungen Der Verzehr des Schmalblättrigen Weidenröschens als Rohkost und als Kochgemüse sowie die Nutzung als Tee helfen laut Überlieferungen bei Arterienverkalkung, Entzündung der Mundschleimhaut und des Zahnfleischs, bei Magen- und Darmkatarrhen, Durchfall, Rheuma und inneren Blutungen. Die vergleichsweise hohen Gehalte an Polyphenolen, Eisen, Mangan und Kupfer dienen der Blut- und Abwehrstoffbildung. Roh und in Mischsalaten fand das fein geschnittene Kraut bei Leuten mit Blutproblemen Einsatz. Bei zu lang andauernder Teeverwendung können Magen- und Darmleiden durch Reizungen induziert werden. Bei Blasenleiden und Nierensteinen nutzte man die Pflanze als harn- und galletreibenden Tee. Dieser wirkt auch bei Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit.

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❚ Das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium)

Auch diese Weidenröschen-Art fand, wie das rosa-hellviolett blühende Kleinblütige Weidenröschen (Epilobium parviflorum), Einsatz als Tee zur Gesundhaltung der Prostata, Eierstöcke und Gebärmutter. Welche Wirkstoffe dafür ausschlaggebend sein sollen, dessen sind sich PhytoPharmakognosten nicht sicher. Dieses Weidenröschen und die WiesenBärenklau-Wurzel (Heracleum sphondylium) gemeinsam dienten einst als hoch wirksame Prostatakrebs-Heilmittel. Das Kraut wurde auch als Kaltbrei frisch zubereitet oder durchgekaut zur Wundabheilung aufgelegt.

Weitere Nutzungsspektren Laut Hanausek (1915) bietet die Bastfaser des Schmalblättrigen Weidenröschens einen guten Ersatz für Jutefaser und dürfte auch zum Spinnen geeignet sein. Aus der Weidenröschen-Stängelfaser wurden Schnüre, Stricke, Körbe und Fischernetze sowie Mäntel, kleine Decken und Bettzeug hergestellt, manchmal auch gemischt mit der Wolle von Tieren. Die dauerhafte Faser ist durch eine Wasserröste gewinnbar. Bislang wurden noch keine Anbauversuche zur Fasergewinnung angestellt. Die langwolligen Haarschöpfe zur Windverbreitung der Samen nutzte man früher, indem daraus Kerzendochte geflochten oder in Mischung mit anderen Faserstoffen Decken und Sitzuntersätze gefilzt bzw. geflochten wurden. Im Alpenraum sind die „Wollhaare“ der Samenstände für Polsterfüllungen, manchmal gemeinsam mit der „Samenwolle“ der Wollgräser und Rohrkolben (Eriophorum, Typha), verwendet worden. Darüber hinaus können Insektenbeobachter die immense Bedeutung der sehr nektarreichen Weideröschen für die Bienenwirtschaft beobachten. Die Waldschläge mit diesem Gewächs sind sehr ertragreich im Honig. Bei Imkern gilt der Weidenröschen-Honig als sehr aromatisch. Getrocknete Blüten des Schmalblättrigen Weidenröschens dienten als Tee bei Arterienverkalkung, Verdauungskatarrhen und Rheuma.

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Der Rindentee des Faulbaums (Frangula alnus) – ein Mittel gegen Verstopfungen und zur Entschlackung Im frischen Zustand riecht die gelöste Rinde des Faulbaums widerlich. Erst nach längerer Lagerung reift die Rinde für verschiedene Heilzwecke. Sie kann unter Sorgfalt vornehmlich als wirksames Abführmittel zur Behandlung chronischer Verstopfungen und zur Darmentleerung bei Vergiftungen und zur Entschlackung angewendet werden. Die Volksmedizin setzte Faulbaumrinde auch bei Galle- und Lebererkrankungen sowie bei Rheuma und zur Behandlung von Hämorrhoiden ein. In Vergessenheit geraten ist dieses altbewährte Hausmittel für die Anwendung gegen Arterienverkalkung und Schlagkrankheiten. Bezüglich der Wirkstoffe galt es, die gesamte Pflanze mit Vorsicht anzuwenden.

Die Namen beinhalten das Gebrauchswissen Dieser Strauch gehört zur Familie der Kreuzdorngewächse (Rhamnaceae), zu der auch der Purgier- oder Gewöhnliche Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) zählt, welcher eine Bedornung aufweist und dessen Rinde und Beeren ebenfalls eine abführende Wirkung besitzen. Der Begriff „Faulbaum“ (Frangula alnus) verdeutlicht den faulen Geruch der frischen Rinde. „Frangere“ verweist auf das leicht zerbrechliche, gelbe und kurzfaserige Holz. Die vielen Bezeichnungen unterstreichen die Bedeutung als Nutzgehölz, wie z.B. Stinkbaum, Stinkstrauch, Brechdorn, Buckstrauch, Buckbeere, Faulkersch, Hundsbeerstaude, Düwelsbeere, Scheißbeere, Teufelsbeere, Chrotte- oder Krotbeere, Drosselkirsch-, Läuse-, Mausbaum, Gichtholz, Grindholz, Chingerte, Pfifäholz, Pinnoder Schusterholz, Zwecken-, Zapfenholz oder Gelbholz. Vor allem der Name „Bauchberste“ deutet auf die vorsichtige Verwendung von Rinde und Beere hin, damit „der Bauch nicht berstet“ bzw. bei Blähungen die Verstopfungen abgehen. Aus der Behandlung der Räude und Krätze bei Hunden entstand z.B. der Name „Hundsbaum“. Der wissenschaftliche Name Frangula bezieht sich auf das

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❚ FRÜHLING

Häufig findet man beim Faulbaum bis in den Spätsommer gelblich grüne Blüten und Früchte verschiedenen Reife- und Farbgrades gemeinsam am unbedornten Gehölz.

brüchige Holz und der Artname alnus weist auf die Ähnlichkeit mit den Schwarz-Erlenblättern (Alnus glutinosa) hin. Die Bezeichnungen „Unbewehrter Kreuzdorn“ oder „Glatter Wegdorn“ verdeutlichen das Fehlen der Sprossdornen.

Standort und Verbreitung Das Gehölz bevorzugt frische, feuchte bis nasse saure, aber durchlässige Lehm- und Tonböden bis in mittlere Gebirgslagen von Europa bis Westsibirien. Den Faulbaum findet man als Unterholz in lichten, tiefgründigen Aubruch-, Laub-, Kiefern- und Eichenwäldern, in Hecken oder Niedermooren, entlang von Bächen, an Rainen und Teichrändern. Sehr häufig begleitet er Schwarz-Erlenbestände. Der frost- und rauchharte, windfeste Faulbaum kann auch mit wenig Wasser auskommen und gedeiht zudem auf ärmeren, felsigen und trockeneren Standorten.

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❚ Der Rindentee des Faulbaums (Frangula alnus)

Aussehen des Strauchs oder Kleinbaums Dieser leicht verzweigte Strauch kann 2 – 3 m oder als kleiner Baum bis zu 7 m hoch werden. Die glatte Rinde hat anfänglich eine grüne, später eine bräunlichgraue Färbung. Sie besitzt auffallend grauweiße, gestrichelte Querporen, die wie Tupfer aussehen. Sie ist durch einen unangenehmen fauligen Geruch und bitteren Geschmack charakterisiert und färbt beim Kauen den Speichel gelbbraun. Der Laubbehang ist locker. Die verkehrt-eiförmigen, ganzrandigen, vorne zugespitzten und wechselständigen Blätter können 5 – 15 mm lang gestielt sein. Ein Merkmal stellen die hervorgehobenen 7 – 9 Seitennerven der Blattunterseite dar. Die Blätter sind im jungen Zustand zunächst behaart und später verkahlend, also glatt. Die seitenständigen, grünlich-weißen doldenartigen Blütenstände erscheinen blattachsenständig von Mai bis Juli. Die in 2 – 6 Stück angeordneten, winzigen, fünfzähligen Blüten sind zwittrige Gebilde, welche von Insekten bestäubt werden. Im Sommer können sowohl die Blütenbüschel als auch die Früchte verschiedener Reifestadien an denselben Ästen gemeinsam auftreten. Ab August entwickeln sich aus der Blüte anfangs grüne, später rote, bei der Reife schwarze, erbsengroße Steinbeeren mit einem grünlichbraunen Fleisch. Sie enthalten 2 – 3 dreieckige Steinkerne, die eine schmale Furche besitzen. Beeren und Gehölzteile sind vor allem im frischen Zustand zumindest nicht tödlich giftig. Rinder, Pferde, Schafe und Ziegen, welche von den Gehölzen zu viel erwischt haben, zeigen Vergiftungserscheinungen durch Magen- und Darmbeschwerden und Durchfälle an. Auch Vögel meiden die Beeren.

Die heilkräftige Rinde ein Jahr lang lagern! Mit steigendem Saftstrom im Frühjahr (März, April) wurde vor der Blütezeit die innen rotgelblich bis bräunlich gefärbte Gehölzrinde mittelgroßer Astpartien der 2 – 4-jährigen Seitenäste abgestreift, wovon die äußeren Teile bis zur gelblich gefärbten Rinde entfernt wurden. Die abgeschabte, feine Rinde wurde anfänglich wenige Tage an der Sonne und danach in einem warmen Raum langsam getrocknet und

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FRÜHLING Die von den Faulbaum-Ästen (linkes Bild) abgeschabte Rinde wurde nach der sorgfältigen Trocknung ein Jahr lang gelagert und für einen Abführtee verwendet.

ein bis zwei Jahre lang gelagert, ehe ihre heilenden Kräfte zur Verwendung kamen. Dann hat sich durch Oxidation die Innenseite der Rinde rotbraun verfärbt. Die schonend heilenden Antrachinonbestandteile (Frangulin) der Gehölzrinde entwickeln sich während dieser Lagerzeit. Die enthaltenen Saponine, Bitter- und Gerbstoffe und die Hauptsubstanz Frangulaemodin-Rhamnoglukosid wirken dann milder im Dickdarm. Die frische Rinde hingegen regt wegen enthaltender Glykoside das Erbrechen an. Erst bei längerer Lagerung verlieren sie sich durch Fermentationsvorgänge ebenso wie die Chrysophansäure. Laut alten Anwendern gebrauchte man auch die wirkungsvollere Wurzelrinde in der Volksheilkunde.

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❚ Der Rindentee des Faulbaums (Frangula alnus)

In Slowenien und Kroatien verwenden die Leute dahingehend und bei Leber-, Galleoder Magenbeschwerden, bei Lebensmittelvergiftungen als Abortivum oder Brechmittel den Tee aus den Blättern, Beeren und der Rinde des nahverwandten Krainer- oder Alpen-Kreuzdorns (Rhamnus fallax; im Bild mit Blättern).

Anwendung als Abführmittel und zum Entschlacken Die sitzenden Tätigkeiten nehmen im heutigen Dienstleitungszeitalter stark zu, wodurch es u.a. auch bei falscher Ernährung und Völle zu Darmträgheitserscheinungen kommt. Die Faulbaumrinde verwendete man als mildwirksames Abführmittel bei akuter und chronischer Verstopfung, schmerzloser Blähung oder bei Dickdarmerschlaffung, wobei nach ca. 6 – 8 Stunden die Wirkung eintrat. Somit stellte sie eine hervorragende Alternative zu synthetisch hergestellten Abführmitteln dar. Bei Verstopfung mit Bauchschmerzen kam die Rinde des Faulbaums keinesfalls zum Einsatz. Weiters verwendete man sie bei Rheuma, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Herzbeklemmung, Schwindelgefühl, bei Schwäche, Blasenentzündungen, Steinbildung und Stau der Galle, Milz- und Leberschwellung, Gelb-, Wasser- und Bleichsucht, hämorrhoidalen Verstopfungen,

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❚ FRÜHLING

zur Bauchspeicheldrüse- und Leberstärkung und zur Wurmabtreibung. Die harntreibende Rinde war Bestandteil zumeist in Mischtees mit anderen Kräutern (wie Gänsefingerkraut, Eibisch, Fenchel, Kümmel, Anis, Kamille). Weitere Anwendungen waren: bei „dickem Blut“ zur Blutreinigung und bei Blutarmut, beim Nachlassen der Sehkraft, bei frühjährlichen Entschlackungs- oder Fastenkuren, zur Abmagerung und zum Fettabbau bei Übergewichtigen, aber auch bei gestörter Funktion von Leber und Gallenblase. Die Rinde war im Hämorrhoidaltee vertreten, um einen weichen Stuhl zu bekommen.

In Most oder Wein gekocht vorbeugend gegen Schlaganfälle Gegen Arterienverkalkung und bei Schlaganfallneigung kochten die kundigen Leute vorbeugend Rindenteile in Apfelmost, Weiß- oder Rotwein und genossen dieses bevorratete Getränk regelmäßig. Auch Abkochungen in Bier waren zu diesem Zwecke mit alter und mit grüner Rinde zur Fiebersenkung üblich. Neben Apfelbaum, Arnika, Bärlauch, Schwarzer Johannisbeere, Knoblauch, Weißkraut, Mistel, Stiefmütterchen, Weißdorn wird bei Arteriosklerose auch der Faulbaum verwendet. Bei Darmkrankheiten und zur Darmentgiftung mischten die Leute die Faulbaumrinde mit Apfel-Dörrobst, Apfelblättern, Alant, Fenchel, Eichenrinde, Knoblauch, Bitterklee, Enzian und Tausendguldenkraut in die Tees.

Zubereitungen eines Rindentees Ein Tee mit gealterter Rinde (mind. ein Jahr) kann als Kaltauszug oder Aufguss zubereitet werden: ein Teelöffel der gelagerten Rinde lässt man in der Wassermenge für zwei Tassen kalt 12 Stunden ausziehen, dann am Morgen kurz aufkochen, bis ein hellgelbes Getränk entsteht. Davon wurden 1 – 2 Tassen nüchtern morgens oder abends über eine Woche lang ungesüßt getrunken. Weitere Rezepte werden aus der Steiermark übermittelt, um einen dünneren Stuhlgang zu bewirken: Ein knapper Esslöffel voll Faulbaumrinde genügt für 3 Tassen Wasser (½ Liter), welches auf 2 Tassen eingekocht wird. Über den Tag verteilt kann man einen solchen Absud löffel-

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❚ Der Rindentee des Faulbaums (Frangula alnus)

weise einnehmen. Oder man verwendet einen halben Esslöffel der Rinde, überbrüht mit kochendem Wasser und lässt den dunkel werdenden Absud 15 Minuten lang ziehen. Dieser wirkt stark abführend. Lässt man dies eine Stunde lang kochen, dann entsteht eine dunkle Brühe, in der Farbe dem Kaffee ähnlich. Als Hausmittel kann man sie noch einen Tag lang mit der Rinde stehen lassen, bis sie sich schwarz verfärbt. Dann wird dieser Auszug abgesiebt und mit einem Sirup oder scharf schmeckenden Likör abgemacht, wodurch er länger haltbar und besser genießbar wird.

Zur Anwendungsdauer des Tees Etwa eine Woche lang wurden Faulbaum-Rindenauszüge in der Steiermark verwendet, da ansonsten Störungen am Herz, am Kreislauf, an Nieren sowie Ödeme, Darmentzündungen oder Darmverschluss und Fehlgeburt auftreten können. Ein Dauergebrauch des Tees würde aufgrund der anthrachinonhältigen Inhaltsstoffe zu hohem Flüssigkeitsverlust, zu Mineralsalzverlusten (Kalium) und Elektrolytmangelerscheinungen führen. In Berichten wird auch auf die Anwendungszeit von maximal zwei Wochen hingewiesen. Auf alle Fälle soll man diese Droge nach einer oder spätestens bis zwei Wochen absetzen und auf andere Flüssigkeiten umsteigen. Vergiftungen werden durch Verzehren der Früchte oder zu großer Mengen der frischen Rinde erwirkt. Dies weist darauf hin, dass größere, kontrolliert eingenommene Mengen davon ehemals als Abtreibungsmittel verwendet wurden. Schwangere, Stillende und Kinder bis zu 12 Jahren sollen von einem Gebrauch absehen. Wöchnerinnen verabreichte man sehr wohl etwas Rindentee zur Reinigung. Menschen, welche herzwirksame Medikamente einnehmen müssen, sollen keine Tees mit Faulbaumrinde verwenden.

Rindenpulver zur Haut- und Blutreinigung Wurde das Rindenpulver mit Wein und Essigwasser gesotten, so spülte man damit bei Zahnschmerzen und faulem Zahnfleisch täglich über mehrere Zeitabstände verteilt die Mundhöhle oder kaute etwas fri-

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❚ FRÜHLING

sche Rinde. Teeauszüge oder Essig- und Butterabkochungen der zerkleinerten Rinde waren als Wasch- und Schmiermittel gegen Krätze, Grind und unreine Haut beim Menschen und gegen die Räude bei den Tieren angewandt worden. Man verwendete sie im Badewasser oder strich damit die kranken Stellen ein. Und wenn bei Säuglingen aufgrund feuchter Windeln Entzündungen zwischen den Arschbacken und Oberschenkeln auftraten, streute man das „Hexenmehl“ – die desinfizierenden Sporen des Kolben-Bärlapps – ein und strich bei Ekzembildung eine Wundsalbe auf, welche in Butter oder Schmalz gekochte Faulbaumrinde enthielt. Einsatz fanden das Rindenpulver und die Rinde bei eitrigen Hautentzündungen.

Kann man die Beeren nutzen? Bei Aufnahme mehrerer unreifer Beeren, der Blätter oder der frischen Rinde kommt es je nach Empfindlichkeit des erwachsenen Menschen zu starkem Erbrechen und mit der Zeit zu Magenkrämpfen, Nierenreizungen und Darmbeschwerden mit z.T. blutigem Stuhl. Auch wurden früher die frischen, aber fad-süß schmeckenden ausgereiften Beeren unmittelbar als Abführmittel in geringen Mengen verwendet. Sie weisen allerdings eine geringere Wirkung auf. Anderen Hinweisen zufolge unterzog man selbst die Beeren einer soliden Trocknung und längeren Lagerung, ehe sie z.B. für Kinder (ab 7 Jahren) zur Förderung des Stuhlganges oder zur Entwurmung bei einem Befall mit Madendarmwürmern Einsatz fanden.

Herbstbeeren-Mus zur Förderung des Stuhlgangs Ein weiteres Gebrauchsbeispiel der Beeren stammt aus Bayern zur Förderung des Stuhlganges und bei Darmverstopfungen: Aus der Menge von 30 reifen Herbstbeeren bereitete man ein passiertes Mus, welches man mit Zucker kochte oder danach mit Sirup, Honig oder Marmelade mischte und davon auf nüchternen Magen morgens oder abends ein bis zwei Teelöffel einnahm. Wegen mehrerer Vergiftungsfälle nach dem Verzehr größerer Mengen von frischen Faul-

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❚ Der Rindentee des Faulbaums (Frangula alnus)

Aus den endreifen Früchten des Faulbaums wurde in der Volksmedizin eine stuhlgangfördernde schwarze Paste zubereitet.

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❚ FRÜHLING

baumfrüchten – also aufgrund vernachlässigter Verwendungskenntnisse – kam man im Laufe der Zeit von ihrem Gebrauch wieder ab.

Andere Nutzungen Das Nährgehölz von Vögeln, Insekten und Schmetterlingen (z.B. Faulbaum-Bläuling, Zitronen-, Schlehenzipfelfalter …) unterzog man auch anderen Nutzungen. Bemerkenswert erscheint die lange Haltbarkeit der aus Ästen hergestellten Besen zu sein, welche die Birkenreisigbesen an Lebensdauer übertrafen. Besonders geeignet ist das Holz für Zapfen, Fasshähne, Türen-, Fenster-, Geschirr- und Messergriffe, Schuhstifte (Name: „Schusterholz“), Vertäfelungs- und Holznägel, Bilderrahmen, Spazierstöcke und Schmuckstücke für Halsketten, Broschen, Intarsien, kleine Drechslerwaren usw. Und „Pulverholz“ sagte man dazu, da die aus dem Holz gewonnene feine, aschearme und in eigenen Pulvermühlen gemahlene Kohle bei der Herstellung von Schießpulver verwendet worden war. Deshalb wurde dieses raschwüchsige Gehölz im Mittelalter plantageartig angepflanzt. Erntete man größere Mengen der Früchte, so presste man aus den Steinkernen ein Brennöl. Mit der Rinde und den Beeren gewann man gelbe, grüne, braune und purpurrote Farbtönungen und kann damit sowohl Leinen-, Woll- als auch Seidenstoffe färben. Zum Beispiel bekommt Seide eine wunderschöne goldgelbe Farbe. Man verwendete diese Faulbaum-Teile vor der Entdeckung des Anilins als Färbemittel für Textilien, wobei die einzelnen Nuancen auf den Reifezustand und die Handhabung der Pflanzenteile zurückzuführen sind. Und das bis zu einem halben Jahr in der Tenne gelagerte Laub in geringen Gaben den Nutztieren kontinuierlich verabreicht, fördert die Milchsekretion und die Zuwächse.

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❚ Der Rindentee des Faulbaums (Frangula alnus)

Seide mit Holz- und Rindenauszug gefärbt, ergibt ein goldenes Gelb, unter Beigabe von Pottasche ein rötliches Braun und bei Zweit- und Drittauszügen unter Beigabe von Eisensulfat olivgrüne bis dunkelgraue Tönungen.

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SOMMER

Der G’schmierte Michl – Die kraftgebenden Ferkelkräuter (Gattung Hypochaeris) und ihre Bitterstoffe In den nur selten gedüngten Rasenflächen unserer Gärten und Weiden finden wir die Ferkelkräuter. Sie fallen durch ihre mit Borsten besetzen Rosettenblättern und die gelben bis schwefelgelben Blüten auf. Die

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Gartenzeit im Sommer: Die Schönheit der blühenden Nutz- und Zierpflanzen stellt zur Freude der Gärtnerinnen, Gärtner und Genießer neben der Gemüseernte auch eine Form des Ertrages dar (Sölktaler Hof; Stübing, Land Steiermark).

fleischigen Blätter dienten früher als Kochgemüse und als kraftgebende Salatpflanzen, weshalb sie auch als „Schmalz- oder Speckkraut“, „Specksalat“, „Fettkraut“ oder „G’schmierter Michl“ bezeichnet wurden. Vor zwanzig Jahren zeigten mir rumänische Bauern auf den Weiden das Ferkelkraut, aus dem sie Salat oder Kochgemüse zubereiteten, und ich erinnere mich auch an ähnliche Hinweise aus den Berggebieten Sloweniens, der Süd- und Weststeiermark. Erst als eine alte Frau in der Steiermark bei einem Seminar auf diese Nutzungsgeschichten hinwies, probierte ich das Kraut in verschiedenen Variationen aus und lernte seine geschmacklichen Vorzüge zu schätzen.

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SOMMER

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❚ Der G‘schmierte Michl – Die kraftgebenden Ferkelkräuter (Gattung Hypochaeris)

Über den Namen Die Namengebung rührt von mehreren Aspekten her: Die gelb blühenden Pflanzen heißen deshalb Ferkelkraut (Gattung Hypochaeris), da sie borstenartige Haare an der Oberseite der Rosettenblätter besitzen und daraus ein Vergleich zur beborsteten Haut der Ferkel gezogen wurde. Die freilaufenden Schweine fressen das Kraut dann gerne, wenn das ausgestochene Kraut von den Bauern abgebrüht und etwas Kleie beigegeben wurde. Innerhalb der Ferkelkräuter gibt es mehrere genutzte Arten in unseren Breiten: Auf kalkhaltigen Standorten existiert das höherwüchsige Gefleckte Ferkelkraut und auf sauren Standorten kommen das Gewöhnliche und Kahle Ferkelkraut (Hypochaeris maculata, H. radicata, H. glabra) vor. Im Vergleich zum Herbstlöwenzahn oder Leuenzahn (Leontodon) sind die saftigen Blätter stärker im Griff und manchmal auch intensiv grün gefärbt. Auf den Weiden des Hochgebirges ist das steifhaarige Einköpfige oder Einkorb-Ferkelkraut (H. uniflora) anzutreffen, wo es Stand­ortver­ sauerung durch Verbrachung infolge Unterbeweidung oder Auflassung der Bergheumahd anzeigt. Diese Art wurde im jungen Zustand wegen der starken Behaarung ausschließlich als Schweinefutter genutzt. Wegen der glänzenden Blattoberfläche nennt man das Ferkelkraut „Schmalz-“ oder „Fettkraut“. Damit steht auch die Verwendung in der Küche in Verbindung: Denn in Zeiten, in denen Öl für die Kocherei und die Salatbereitung noch nicht üblich war, richtete man Salate mit warmem Butter- oder Schweineschmalz her. Man „schmalzte die Salate ab“. Wie das gemacht wurde, ist auf den nächsten Seiten dieses Kapitels dokumentiert. Gewöhnliches und Flecken-Ferkelkraut (linkes und rechtes Bild) kommen in Trockenrasen ungedüngter bis wenig gedüngter Weiden und Scherrasen vor. Beide Arten sind durch typische Blattrosetten ge­ kennzeichnet. Wegen der glänzenden Blätter wird es „G‘schmierter Michl“ genannt.

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❚ SOMMER

Genannte Ferkelkräuter gedeihen gerne in ungedüngten Scherrasen der Gärten und Parks mit Weißklee, Spitz-, Breit- und Mittlerem Wegerich, Fadenklee und Leuenzahn. Bevor die Blütentriebe zu verholzen beginnen, das ist vor der gelblichen Blüte, lassen sich aus den gestochenen Rosettenblättern nach der Entbitterung herrliche Salate zubereiten.

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❚ Der G‘schmierte Michl – Die kraftgebenden Ferkelkräuter (Gattung Hypochaeris)

Das Aussehen des Gewöhnlichen Ferkelkrauts Sehr häufig wurde das bekömmliche Gewöhnliche Ferkelkraut (Hypochaeris radicata) in der menschlichen Ernährung verwendet, weshalb hier auf diese Art genauer eingegangen wird. Dieses gold-, hell- bis schwefelgelbblühende Ferkelkraut besitzt deutliche und an der Oberseite der länglichen bis eiförmigen Blattrosetten zerstreut verteilte Borstenhaare. Mit den Wochen bilden sich Blühsprossen in der Rosettenmitte, welche in der Regel zwischen 10 – 60 cm und bei guten Standortbedingungen manchmal auch 100 cm hoch aufwachsen können. Die milchsaftführende Pflanze weist blattlose, zumeist kahle, blaugrün-bereifte, aufrechte Stängel mit einfachen Verzweigungen auf, an deren Enden sich jeweils nachschiebende Blüten in 15 – 25 mm hohen Körbchen und zungenförmigen Kronblättern befinden. Manchmal sind die Stängel im unteren Bereich etwas behaart und tragen wenige schuppenförmige Hochblätter. Zumeist finden sich 5  – 7 und bei guten Wuchsbedingungen auch mehr endständige Blüten vor. Die ausschließlich grundständigen Blätter können tief buchtig gezähnt und fiederteilig sein. Die lang geschnäbelten Früchte werden über den Pappus durch den Wind verbreitet. Mithilfe der Pfahlwurzel überwintern die Pflanzen und gehen meist im Folgejahr ab. Erfolgt eine Mahd oder Beweidung, so treiben die Blütenstände nach.

Ein Protzertyp Dieser Korbblütler besitzt eine auf dem Boden dicht anliegende Blatt­­ rosette, welche kaum vom Motormäher, der Sense oder vom Viehmaul greifbar ist. Auf diesen Flächen kann keine andere Vegetation aufkommen. Denn jene Fläche, welche die fest an den Boden gepressten Rosettenblätter überdecken, erfährt eine so starke Abdeckung, dass auch die Nährstoffe und das Wasser nur der Wurzel des Ferkelkrauts zugute kommen. Sticht man das Gefleckte Ferkelkraut mit einem Zentimeter der Pfahlwurzel aus und lagert sie für eine kurze Zeit, so beginnen sich die Blätter U-förmig nach unten zu biegen. Das bedeutet, die Blätter werden in den Rasenflächen aktiv auf den Boden gepresst, um der

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❚ SOMMER

Konkurrenzvegetation und deren Wurzeln keinen Lebensraum zu lassen. Das nennt man „Ellbogentechnik“ oder „Protzen“. Damit die Flächen nicht mit allzu viel Ferkelkraut besetzt sind und wieder ertragreicheres Futter aufkommen konnte, wurden die Pflanzen ausgestochen und in der Küche oder in der Schweinefütterung verwendet.

Verbreitung im Zusammenhang mit der Düngung Als vor Jahrzehnten noch nicht so intensiv die Wiesen und Weiden gedüngt wurden, fand man relativ häufig diese Kräuter in Europa vom Tal bis in südorientierte Lagen von 1900 m Seehöhe vor. Grundsätzlich handelt es sich um kurzlebige Pflanzenarten der hageren Trittvegetation, Scherweiden und Scherrasen. So sind sie auch im ungedüngten Gartenrasen, in Steilweiden mit Trocken-, Halbtrockenvegetation und Magerrasen mit etwas Luftfeuchtigkeit sowie Wiesen und Böschungen vertreten oder wo auf die sandigen Lehm- und Tonböden ab und zu etwas Festmist hingelangt. Mittlere bis schwache Nährstoffversorgung entspricht der Pflanze, die Ausbringung von Gülle und Kunstdünger verdrängt die Pflanze. Mittelmäßiger oder zeitweiser Tritt ist dem Kraut förderlich und kann ihm nicht viel anhaben, intensiver Vertritt

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❚ Der G‘schmierte Michl – Die kraftgebenden Ferkelkräuter (Gattung Hypochaeris)

Das Gewöhnliche Ferkelkraut drückt die Blätter aktiv auf den Boden, um Konkurrenzpflanzen keinen Lebensraum zu lassen und um in den vollen Genuss der Nährstoffe und des Wassers zu kommen. Selbst nach dem Stechen der Rosetten krümmen sich die Blätter nach unten, wie die Bilder zeigen.

hingegen schon. Früher fand man das Ferkelkraut auch in den durch Beweidung licht gehaltenen und in den Nährstoffen ausgehagerten Fichten- und Eichenwäldern. Durch die Verbannung des Weideviehs aus dem Wald und den Waldschluss infolge rein forstwirtschaftlicher Zielsetzungen ist es kaum mehr in Wäldern anzutreffen.

Symbiose mit Regen- und Mistwürmern Gräbt man die Pflanze für den Nahrungserwerb, so finden sich unter den auf dem nackten Boden aufliegenden Blättern häufig Regen- und Mistwürmer, welche hier gut vor den Sonnenstrahlen geschützt, einen

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❚ SOMMER

optimalen Lebensraum haben. Die Würmer verwerten die abgehenden, vom vorigen Jahr stammenden und vergilbenden Altblätter und ziehen seitlich verwelkte Rasenschnittreste unter das Blatt, wo sie mit den tonigen Erdpartikeln gemeinsam verdaut werden. Lichtgeschützt finden die Würmer gut durchfeuchtetes Erdreich und somit eine Lebensstätte, wo sie ihren Tätigkeiten nachgehen können. Viele Erdhäufchen des Wurmkots unter den Rosetten zeugen von der hohen Produktivität der Tiere. Vergleicht man bei sorgfältig durchgeführten Bodenprofilen das Erdmaterial unter dem Ferkelkraut, so entdeckt man anhand der dunklen Färbung einen höheren und tiefer greifenden Humusgehalt als unter den rein grasbetonten Rasenbeständen. Man kann davon ausgehen, dass Regen- und Mistwürmer die Nährstoffversorgung der Ferkelkräuter wesentlich aufwerten. Beide ziehen daraus den Nutzen, weshalb man von einer Symbiose sprechen kann.

Ferkelkräuter heißen die Pflanzen, da sie auf glatter Blattoberfläche kleine Borstenhaare aufweisen und früher die Blätter abgebrüht als Futter für die Schweine dienten.

Palette der Verwendungsmöglichkeiten Die Pflanze war in der Ernährung früher deshalb so bedeutend, da die Blattrosette überwintert und im Frühling schon für Kochgemüse zur Verfügung steht. Alle Teile der Pflanze enthalten je nach Jahreszeit und

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❚ Der G‘schmierte Michl – Die kraftgebenden Ferkelkräuter (Gattung Hypochaeris)

Sonneneinstrahlung einen mittelmäßig bis hohen Bitterstoffgehalt, können allerdings roh verzehrt werden. Beim Kauen verflüchtigt sich das Bittere. Junge Stängelsprossen sind mild und können ebenso roh genossen werden. Die jungen Blütenknospen dienen als Rohkost und als Würzmittel für Salate. Auch in heißem Essigwasser oder einer gewürzten Marinade ziehen gelassen, können sie ähnlich wie Kapern Verwendung finden. Die geschmackvollen und milden Blütenknospen und Blüten nutzte man von Juni bis Oktober. Bevor die Blüten aufgehen, ist das Kraut am besten verwendbar. Sowohl die vorjährigen, festen als auch die frischen, dicken Blätter wurden in der Hauptsache für Salate gebraucht. Ältere Blätter ergeben meist eine würzige und bittere Speise, der man einiges abgewinnen kann. In Mischung mit anderen Wildgemüsearten genoss man Ge­ wöhnliches und Geflecktes Ferkelkraut als kurz erhitztes Koch- oder Spinatgemüse, um die Bitterstoffe zu reduzieren. Im Gegensatz zum Andünsten verliert es beim Blanchieren wertvolle Inhalts- und somit Geschmacksstoffe. Kam es in großen Mengen vor, so wurde es gestochen, damit wieder andere Pflanzen aufwachsen konnten. Die gesammelten Rosetten wurden gewaschen, abgebrüht und mit etwas Kleie versetzt den Schweinen und im Frühjahr den Ferkeln verfüttert. Um eine ertrag- und grasreiche Vegetation zu fördern, grub man im Herbst und Frühling die sehr nahrhafte Wurzel für Rohkost und Kochspeisen.

Die bitterstoffreichen Wurzeln grub man im Herbst oder Frühling, um damit Salate, Salatbeigaben, Kochgemüse oder Kaffee zu bereiten.

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❚ SOMMER

Zum Stechen des Krautes verwendet man ein Messer Ab März und April werden die neuen Rosettenblätter ausgebildet und die darunterliegenden alten beginnen zu vergilben. Sind die frischen Blätter ausgewachsen, so können sie je nach Vorkommen und Höhenlage bis nach dem Hochsommer einer Nutzung unterstellt werden. Mit einem Messer fährt man seitlich unter die angehobenen Blätter hinein und schneidet oder sticht die Wurzel in einer Tiefe von einem cm ab, damit die Rosetten nicht zerfallen. Dabei wird der nackte Boden sichtbar, welchen die Rosetten abgedeckt haben. Dann entfernt man die braunoder gelb gewordenen Altblätter und das Erdmaterial, und in der Küche legt man die ganzen Rosetten zum Waschen in Wasser ein.

Köstlicher Ferkelkraut-Kartoffel-Salat Zutaten: Ferkelkraut, Kartoffel, Lauch oder Zwiebel, etwas Wasser, Salz, Apfel-Essig, entweder Butter, Butter- oder Schweineschmalz, BioSonnenblumenöl, evtl. Speck Zubereitung: Vor dem Ferkelkrautstechen hat man schon Kartoffel am Herd auf­ gesetzt. Daraus wird ein Salat zubereitet, welcher in Scheiben geschnit­ten warm gehalten werden soll. Die Erdäpfel werden in Scheiben ge­schnitten und mit feinwürfelig geschnittener Zwiebel oder Lauchscheibchen und Apfelessig untermischt. Nach dem Reinigen des Ferkelkrauts schneidet man sie quer mehrmals grob durch. In einem Kochgeschirr oder einer Pfanne lässt man Butter, Butter- oder Schweineschmalz zergehen und dünstet das Kraut unter Beigabe von Salz und etwas Wasser kurz durch. Nur so viel Wasser soll beigegeben werden, damit der nötige Dampf zum Garen entsteht. Schon nach einer Minute fällt das Kraut zusammen und verfärbt sich dunkelgrün. Durch das Andünsten wird ein Teil der Bitterstoffe verwandelt. Auf die mit Essig und Zwiebel angesetzten Kartoffeln gibt man das in Butter etc. gedünstete Ferkelkraut und hebt es vorsichtig unter, damit

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die „Erdäpfel“ nicht zerfallen. Ein herrlicher Genuss, diese einfache und gesunde Kost. Wer noch möchte, kann würfelig oder in feine Scheiben geschnittenen und leicht angebratenen Speck dazugeben. Verwendet man wenig Butter, so empfiehlt sich unbedingt ein nicht entaromatisiertes Bio-Sonnenblumenöl beim Anmachen des Salates drüberzugeben. Einige Bio-Schienen der Supermarktketten haben das Sonnenblumenöl leider aus unerklärlichen Gründen und zum Leid­ wesen ihrer Kundschaften entaromatisiert.

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Mit Getreide, Reis und Radieschen als Salat zubereitet, sind die geschnittenen, rohen Blätter des Ferkelkrauts gut kombinierbar.

Steirischer Speck- oder Schmalzsalat Wenn die Kinder früherer Generationen von der Schule heimkamen, wurden sie von der Mutter zum „Specksalat-Graben“ ausgeschickt. Damit sie nicht ohne das Ferkelkraut nach Hause gelangten, mussten sie sich in der Vegetationsausstattung ihrer unmittelbaren Landschaft gut auskennen. Noch heute können fünfzig- bis hundertjährige Leute aus der Steiermark, dem Burgenland und aus Kärnten von diesen Sammeltätigkeiten beträchtlicher Mengen berichten. Eine andere Form der Salatnutzung verdanke ich den konkreten Hinweisen Elisabeth Mauthners, welche in der südlichen Weststeiermark aufgewachsen ist. Der köstliche „Steirische Speck- oder Schmalzsalat“ wird folgendermaßen angemacht: Große Mengen des Ferkelkrauts wurden von den Geschwistern gestochen und nach Hause gebracht. Während das Kraut gewaschen und klein geschnitten wurde, bereitete die Mutter eine heiße EssigSpeck-Marinade zu. Sie ließ in einer Pfanne einen Speck aus und goss diesen mit dem ohnehin in der Bauernwelt vorhandenen Apfel-Essig auf. Heiß gab sie die Marinade über das leicht gesalzte Ferkelkraut,

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❚ Der G‘schmierte Michl – Die kraftgebenden Ferkelkräuter (Gattung Hypochaeris)

Steirischer Speckoder Schmalzsalat: In einer Pfanne werden Speck und Zwiebel geröstet, dann wird mit Essig abgelöscht und die geschnittenen Blätter damit abgeschmälzt. Mit Kartoffeln ergibt dies eine Hauptmahlzeit, dient aber auch als Beilage zu paniertem Fleisch.

wodurch es entbittert wurde. Anstelle des ausgelassenen und glasig gewordenen Specks konnte auch Butter-, Schweine- oder zerlassenes Grammelschmalz verwendet werden. Erdäpfel dienten als Beilage.

Wichtigkeit der Bitterstoffe Neben Löwenzahn, Herbstlöwenzahn (Leuenzahn), Wegwarte, Schafgarbe, Habichtskräutern, Lattich-Arten und vielen anderen Korbblütlern führen auch die Ferkelkräuter einen bitteren Milchsaft und verdauungsfördernde Ballaststoffe. Das große Manko unserer heutigen Ernährung liegt im Fehlen ausreichender Bitterstoffmengen in den Speisen und der Kenntnisse, wie man die Bitterstoff-Pflanzen durch das Kochhandwerk bekömmlich machen und nutzen kann. Mit dem Verzehr von bitteren Stoffen steigt die Produktion des Speichels im Mund und des Saftflusses im Magen, werden Leber, Bauchspeicheldrüse und Galle funktionstüchtig und gesund gehalten. Geht es diesen gut, so ist eine bessere Verdauung gegeben, ist das Blut reiner gehalten und lagern sich weniger Schlackestoffe an den Blutgefäßen oder im Fettgewebe an. Bitterstoffe halten schlank und die Organe gesund.

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Das Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) gibt dem Heu den Duft, kündigt den Regen an und dient als Aromamittel In bemerkenswerter Weise sammelten die Leute früher in verschiedenen Regionen das Wiesen-, Gewöhnliche oder Wohlriechende Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) für verschiedene Gebräuche. Die Grasbüschel schnitt man während der Blüte auf Magerwiesen und Böschungen von April bis Juli mit Sicheln, trocknete es unter Dach und legte wohlgeordnete Lagervorräte in Stoffsäcken an. Mit dem Cumarin-Gehalt gibt das Gras dem Heu den typischen Geruch. Es dient als Ankündiger von Schlechtwetter bzw. Niederschlägen und zum Käseaffinieren, zum Einwickeln des fetten Bratens oder der Erdäpfel, und daraus lässt sich ein wunderbarer „Heududler“ herstellen. Wer für Versuche das Wiesen-Ruchgras im Tal nicht mehr findet, kann bei einer Wanderung das Gras in den höher gelegenen Bergwiesen finden oder greift im Sommer auf das Alpen-Ruchgras (A. alpinum) der Almweiden zurück. In den gut bewirtschafteten, kräuterreichen Bergund Alm-Heuwiesen und montan-alpinen Viehweiden ist das Ruchgras stets vertreten, welches ebenfalls für die im Folgenden angeführten Anwendungen nutzbar ist.

Über das Aussehen Das Süßgras – mit der hauptsächlichen Blühphase von Frühling bis Frühsommer – erlangt im Regelfall eine Aufwuchshöhe von ca. 15 – 35 cm und kann unter guten Verhältnissen und durch die Konkurrenzvegetation in höherwüchsigen Wiesenbeständen bis über 50 cm Höhe erreichen. Zumeist stehen mehrere in einem horstähnlichen oder lockeren Büschel beisammen. Vor allem die Ruchgräser (Anthoxanthum odoratum und A. alpinum) waren früher weitverbreitete Gebrauchspflanzen. Ihr Cumarin-Gehalt macht das Heu so unglaublich aromatisch und ist wegen dem Duft und die Grasbüschel der Flechttauglichkeit wegen für verschiedene Zwecke einsetzbar. Ist das Cumarin aus dem Heu „verraucht“, kann man sich unbedenklich hineinlegen.

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SOMMER

Auf den mittelmäßig zumeist mit Stallmist oder mit gut aufbereiteter Gülle gedüngten Wiesen, Weiden und Böschungen erscheint es bald im Frühling und verblüht mit seinen goldgelblich gefärbten Köpfchen in der Heuet von Juni bis Juli.

Die schmal-lanzettlichen Blattspreiten haben zumeist eine matte graugrüne Färbung und sind flach ausgebreitet. Die Blüte besteht aus einer 2 – 8 cm langen dichten, ähren- oder kopfförmigen Rispe. Die einblütigen Ährchen sind mit vier Hüllspelzen versehen, wobei die Haare und die Begrannung der beiden oberen Hüllspelzen die jeweiligen Ährchen erreichen oder geringfügig überragen können. Die Blüte verfärbt sich durch die Trocknung goldgelb bis goldgrünlich. Lässt man das bodennahe Internodium nach dem Andrücken oder Reiben anwelken, so verströmt es bald einen Heugeruch.

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❚ Das Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) gibt dem Heu den Duft ...

Werden solche Wiesen mit scharfer Gülle oder Jauche gedüngt, überdüngt und zu früh und zu häufig gemäht, so werden dieses zarte Gras und viele Kräuter verdrängt. Das Heu verliert ihre nahrhafte Kraft und die Wirkstoffe.

Standortbedingungen Das ausdauernde Ruchgras bevorzugt schwach und diskontinuierlich mit Stallmist gedüngte Wiesen und Wegränder wie auch oberbodensaure bzw. rohhumusreiche Magerweiden und Böschungen. Es nützt gut die Frühjahrsfeuchte der Böden nach der Schneeschmelze aus und kann als kalkmeidend bezeichnet werden. Trotzdem findet man es auch auf Standorten mit Kalkuntergrund, wenn der Oberboden durch die Bewirtschaftungseinflüsse versauert. Das Alpen-Ruchgras ist in den

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❚ SOMMER

alpinen Borstgrasweiden und Zwergstrauchheiden mit dem WiesenRuchgras vergesellschaftet. Erfolgt auf mittelmäßig versorgte bis nährstoffarme Böden über wenige Jahre eine Jauche- oder Gülleausbringung oder das Streuen zu frischen Mistes, so wird das Ruchgras verdrängt. Dies wird von den Landwirten beabsichtigt, denn dieses Gras bedingt keine großen Erträge und durch eine intensive Bewirtschaftung versuchen sie ertragreichere Gräser zu fördern.

„Leg dich nicht in das frische Heu“ Das Ruchgrasheu duftet in typischer Weise nach Heu, da schon während und nach der Welkphase vom Cumaringlycosid das Cumarin abgespalten wird. Früher bezeichnete man es deshalb als „Geruchgras“. Das Ruchgras gilt wegen seines Cumaringehalts als wenig giftig. Trotzdem meinen alte Bauern und Sennerinnen, „leg dich nicht ins frische Heu“, da gerade in den ersten Wochen nach der Trockenheueinlagerung in der Scheune mehr Cumarin austritt, welches in höherer Konzentration grundsätzlich Kopfschmerzen verursacht, aber auch zu Schwindel und Erbrechen führen kann. Liegt man dauerhaft im frisch bereiteten Heu, so kann durch das Cumarin eine Krebserkrankung eine Förderung erfahren. Deshalb ist den Heubäder anbietenden Wellnessbetreibern angeraten, lediglich Heu zu verwenden, welches mindestens vier Wochen lang abgelagert war.

Duftende Ruchgras-Zöpfe als Wetterankünder Vielleicht ist es einigen Lesern schon einmal aufgefallen, dass beim Wetterumschwung, also wenn eine Regenfront im Anzug ist, der Heustock stärker zu riechen beginnt. Das ausdünstende Cumarin zeigt durch den Einfluss der vorauseilenden höheren Luftfeuchtigkeit den Wetterumschwung an. Frauen flochten früher aus langhalmigen Ruchgrasbüscheln Zöpfe, welche offensichtlich zu Zierzwecken im Vorhaus aufgehängt wurden. Aber nur scheinbar, denn sie erfüllten eben diese Aufgabe, durch den entstehenden Geruch das bevorstehende Regenwetter um einen Tag früher anzukündigen. Ebenso erfüllt das in fest-

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Aus frischen Ruchgrasbüscheln werden einfache, straffe Zöpfe geflochten, welche sehr dekorativ sind. In den Hausvorräumen oder der Diele aufgehängt, kündigen sie mit dem ausströmenden Duft binnen zweier Tage den Schlechtwetterumschwung an.

gebundenen Trockenziersträußen eingearbeitete Gras die wetterankündende Funktion.

Mit Heu umwickelter Braten Während der Blüte vom Frühling bis in den Hochsommer hinein enthalten die Grasbüschel im unteren Teil vergleichsweise mehr Cumarin. Größere Mengen des Ruchgrases benötigte früher vornehmlich die bäuerliche Küche für das Kochen. Mit diesen Vorräten des getrockneten Heus wickelte man fettes Fleisch während des Bratens im Backrohr ein. Fetter Kalbs-, Schweine-, Schaf- und Gänsebraten nimmt den Heugeruch auf, wodurch das Fett geschmacklich übertüncht und besser verdaubar wird. Gourmetköche haben sich dieses alte Wissen zunutze gemacht und vermarkten mittlerweile wieder den berühmten „Braten im (Berg-)Heu“ gewinnbringend. Früher nutzte man dafür ausschließlich Ruchgras. Die Bäuerinnen verwendeten es, indem sie z.B. gut angebra-

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❚ Das Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) gibt dem Heu den Duft ...

Links S. 196: Früher sammelten die Bäuerinnen mit der Sichel das Ruchgras, trockneten es und legten für den „Braten im Heu“ einen Jahresvorrat an: Fettes Fleisch, Schaf- und Ziegenfleisch wurden nach dem Anbraten darin eingehüllt ziehen gelassen, wodurch es bekömmlicher und besser verdaubar war. Oben: Heiße Kartoffeln in einer Gebse (ein flaches, geküftes Holzgefäß) im ruchgrasreichen Heu gelagert, bleiben mit einem Tuch zugedeckt nicht nur länger warm, sondern nehmen auch den wunderbaren Geruch des Ruchgrases an. Doris und Josef Schneider servieren diese mit ihrem würzigen Bergkäse und Milchprodukten als Mahlzeit auf der Alpe Almein (Vorarlberg).

tene Schafkoteletts oder Schafbraten noch einmal mit dem befeuchteten Gras dicht bedeckt im Backofen (Backrohr) nachgaren ließen. Das Ruchgras milderte den übermäßigen schöpsernen Geruch des Fleischs.

Erdäpfel im Heu serviert Bei Wanderungen in den West- und Ostalpen kam ich auf mehrere Höfe, wo das ruchgrasreiche Heu zur Aufwertung der Kartoffel verwendet wurde. Doris und Josef Schneider aus Schwarzenberg im Bregenzerwald (Land Vorarlberg) servieren zu ihren Käse-Spezialitäten auf der Alpe Almein in Viktorsberg warme „Herdäpfel“ im Heubett. In eine mit Heu ausgelegte Holzschüssel gibt man die gekochten oder gedämpften, noch heißen Erdknollen, sie werden noch mit etwas Heu überdeckt und mit einem Tuch abgedeckt. Nach einer Minute des

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❚ SOMMER

Werden bestimmte Käsesorten in der Endreifung im Heu gelagert, so ergibt dies eine wunderbare Geschmacksaufwertung und -erweiterung und steigert den Wert der Laibe.

Ziehenlassens wurden sie für verschiedene Speisen serviert, wobei die Gäste ihre Knollen selber abschälten. Durch die Heuabdeckung und das Tuch blieben sie länger warm und nahmen leicht den Geruch des Grases an. In Vorarlberg machen dies die Älpler, wenn sie zu ihrem mittelräßen (= schärferer) Bergkäse Schälkartoffel mit Butter oder KräuterTopfen speisen.

Käse affinieren mit Heu Das Käseaffinieren ist eine hohe Kunst, guten Käse durch natürliche Lager- oder Umhüllungsmaterialien herzustellen. Der Käseveredler beeinflusst die Ausreifung und verfeinernde Pflege der Käsesorten nach Erfahrungen und unter weitsichtiger Beiziehung natürlicher Hilfsstoffe wie z.B. Walnussblätter, Birnen-Kletzenmehl, Holzarten, Asche, Kräuter, Heu, Weintraubentrester etc., in denen er den Käse zur Reifung lagert. Hans Baumgartner, der begnadete Käseaffineur und Freund aus Vahrn in Südtirol, kauft von verschiedenen Bauern eine vertraglich geregelte Menge Käserohlinge, um durch sein kunstvolles Zutun Köstlichkeiten zu bereiten. Unter anderem stellt er Käse her, welcher nach eigenen Regeln in Heu gelagert im Aroma wunderbar aufblüht. Das verwendete Heu stammt von bestimmten Bergwiesen, in denen bei der Ernte das Ruchgras nicht fehlen darf. Mittels Leinentuch („Lailach“) umhüllt er die kleinen, in Heu gegebenen Käselaibe, damit das Heu zusammenhält und nicht verstreut wird.

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Die getrockneten oder jährigen Ruchgrasbüschel werden wegen ihrem vanilleartigen Aroma zum Räuchern verwendet. Wenige Gräser auf die heiße Herdplatte oder Räucherschale gelegt, tun auch diese Dienste.

Zum Rauchen und Räuchern Auch die Wurzeln wusch man und bereitete aus der im Schatten getrockneten Ware eine Art Tabak zum Schnupfen und Rauchen zu. Oder man verwendete das Wurzel- oder Heupulver zum Aromatisieren von Speisen und Süßigkeiten. Ähnlich kam auch das in unseren Breiten selten in Niedermoorwiesen, Seeuferverlandungszonen oder Bruchwäldern vorkommende Duft-Mariengras (Hierochloë odorata) der Niedermoore, Feucht- und Riedwiesen zum Einsatz. Bereits ältere Ruchgraszöpfe als Wetterumschwunganzeiger verwendet, nutzt man ebenfalls zum Ausräuchern der Räume und ersetzt sie jedes Jahr durch neue Flechtstränge.

Der Heu-Dudler® oder die Heu-Limonade® Weiters kann man das Wiesen-Ruchgras hervorragend zum Aromatisieren der Blütensaftgetränke und Obstsäfte sowie für die Bowle nutzen. Bislang nannte ich diese Getränke Heu-Dudler®. In Anspielung an den Almdudler und unzähligen „Nahrhafte Landschaft“-Seminare nennen mittlerweile Kräuter-Fachleute in der Steiermark ein solches Getränk liebevoll „Wiesen-Dudler“. Der Cumaringehalt in solchen LimonadenGetränken ist minimal. In folgenden Schritten und in mehreren Variationen kann dabei vorgegangen werden:

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❚ SOMMER

Natürliche Färbemittel für wässrige Auszüge aus Blüten: Im Bild von oben links beginnend nach rechts unten: Klatsch-Mohn, Hufeisenklee oder Hornklee, Wiesen-Löwenzahn, Indianernessel, Glockenblume, Herbst-Leuenzahn, Kornblume, Löwenzahn in der Mörserschale

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❚ Das Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) gibt dem Heu den Duft ...

1. Ein gesammeltes Büschel Ruchgras mit einem Nudelwalker oder einer Glasflasche in der unteren Hälfte, wo mehr Cumarinstoffe enthalten sind, platt- oder anwalken. Das noch frische oder vielleicht eine halbe Stunde lang angewelkte Büschel mit dem unteren gequetschten Ende in einen Krug mit Wasser geben und ca. eine bis eineinhalb Stunden ziehen lassen. 2. Löwenzahn-Blütenblätter (ohne Kelchblätter) in einem Gefäß zermörsern und in Wasser unter Beigabe von Zitronensaft geben. Nach gut einer Viertelstunde absieben und Zucker zum Süßen unterrühren. Die ausgezupften Blütenblätter können auch in Wasser mit dem Passierstab bearbeitet werden, sodass sich die Flüssigkeit gelb verfärbt. Die Säure des Zitronensafts stabilisiert das schöne Gelb und verleiht dem Getränk eine säuerliche und fruchtige Note. Die LöwenzahnBlütenblätter kann man auch in Apfelsaft oder Süßmost eine Viertelstunde lang ziehen lassen, wodurch die Farbe allerdings ins Bräun­liche geht. Sekt oder Champagner erweist sich hervorragend dazu, um beim Einmischen das feine Bouquet des Ruchgrases zu verstärken. 3. Das Ruchgraswasser kann nach dem Ausziehen (eine bis eineinhalb Stunden) mit dem gelb gefärbten Löwenzahn-Blütenwasser gemischt und nach Belieben mit Zucker nachgesüßt werden. Diese Mischung wird in Trinkgläsern aufgeteilt, und zum Dekor werden kleine Ruchgrasbüschel in das einzelne Glas gestellt, ähnlich wie die kleinen Sonnenschirme beim servierten Fruchteisbecher.

Andere Farbvarianten der Blütensaftgetränke – Blau- und Violettfarbtöne können erzielt werden durch: Kornblume, Glockenblume, blaublütige Teufelskrallen, Kriechender Günsel, Wiesen-Salbei, Wegwarte … – Rottönungen, die zumeist heller ausfallen wie die Blütenfarbe, erzielt man durch: Indianernessel, Rosen, Mohn, Rot-Klee, auch Kornblume, Nelken, Alpenrose, Wiesen-Salbei, Malven und Stockrosen, … – Gelbe und orange Färbung wie Frucade neben dem Wiesen-Löwenzahn durch: Leuenzahn-Arten wie z.B. Rauer- oder Herbstlöwenzahn, Wiesen- und Gold-Pippau, Ringelblume, Hornklee, Sonnenröschen, gelbe Schlüsselblumen, …

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– Grüntöne durch die pürierten Blätter von: Spinat, Spitz-Wegerich, Brennnessel, Fichtennadeln, Origanum, Schafgarbe, Dille, Marienblatt, … Zusätzliche Versuche der „Kräuterlimonaden“ können jeweils mit den Kräutern wie Gundelrebe, Schafgarbe, Thymian, Giersch oder Pfefferminze und Grau- oder Ur-Melisse durchgeführt werden, deren Aromen jeweils in Apfelsaft ausgezogen werden.

Nach dem Anpressen der unteren Halmteile gibt man diese leicht gebündelt in ein Wasserglas, wo nach einer Stunde bis eineinhalb Stunden die Aromastoffe ausgezogen werden.

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❚ Das Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) gibt dem Heu den Duft ...

Die Farbpalette der „Wiesen- oder Heududler®“ mit verschiedenen Blütenfarbstoffen im Auszugversuch mit Wasser und etwas Zitronensaft, Essig oder Most: Durch das grobe Zermörsern der puren Blütenteile werden die Farbstoffe schneller verfügbar. Die jeweilige Farbe der Blüte lässt man in Wasser u. a. mit Zitronensaft eine Viertelstunde lang ausziehen, ehe man die Blütenteile absiebt, den Auszug süßt und mit dem Ruchgraswasser nach Belieben verdünnt.

Weitere Duftvariationen Bei Verwendung allzu intensiv riechender bzw. schmeckender Kräuter wie z.B. durch Schafgarbe, Origanum oder Gundelrebe … wird das Ruchgras-Aroma übertüncht. Auch Duft-Variationen mit den Blüten der Linden, Traubenkirsche und Thymian oder die Früchte der Walderdbeere, Preisel- und Himbeere, wobei wir dazu getrocknetes Ruchgras verwendeten, bereichern z.B. unsere Wildgemüse-Praxisseminare und öffnen so manchen Teilnehmern in fröhlicher Weise die Augen und das Herz, wie man spielerisch und dadurch wieder respektvoller mit der Natur umgehen kann. Kocht man Heublumen mit Honig auf, lässt darin etwas Ingwer und Zitronenschalen ziehen, erhält man nach dem Absieben einen Wie­

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❚ SOMMER

senheu-Sirup, der sich gut mit sprudelndem Mineralwasser verdünnen lässt. Das Experimentieren mit Wildpflanzen kennt keine Grenzen und öffnet die Tore zu neuen Welten.

Ein Ruchgras-Pfefferminz-Sorbet Eine süße Speise soll nicht vorenthalten werden – das Pfefferminzsorbet mit Ruchgras. Man gibt ein getrocknetes Büschel Ruchgras und 120 g Zucker in ca. 250 ml Wasser. Während der Erwärmung soll sich der Zucker durch Rühren auflösen. Nach ca. fünf Minuten Köcheln den Topf vom Herd ziehen und Pfefferminze-Blätter dazugeben. Zugedeckt am Rand des Herdes ca. zehn Minuten ziehen lassen. Die Flüssigkeit durch ein Tuch abgießen. Nach dem Abkühlen kleine Mengen von Apfelsaft, Weißwein, Sekt oder etwas Zitronensaft dazugießen, in Gefäße verteilen und zum Frieren in den Gefrierschrank geben. Wer es dafürhält, kann auch einige Löffel Rahm dazumischen, dann wird das Sorbet cremiger. Dazu können Marillenmarmelade, erwärmtes Wild­ obstfruchtmark oder z.B. Himbeeren serviert werden.

Mit den in Wasser ausgezogenen Ruchgras-Aromen kann ein „Heu-Sorbet“ hergestellt werden. Verzehrt man allgemein von cumarinhältigen Speisen nur geringe Mengen und diese nicht jeden Tag, so besteht keine gesund­ heitliche Bedenklichkeit.

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Die Akeleien zählen zu den Hahnenfußgewächsen. Ihre Wildformen wurden in den Gärten wegen ihren schönen Blüten, für Heilzwecke und zur Liebesförderung gezogen. Darin liegen noch viele interessante Heilgeschichten verborgen.

Natürliches Antibiotika „Columbine Flower“ – Über den arzneilichen Nutzen der Akeleiblätter Die Gewöhnliche oder Gemeine Akelei wurde seit alters her in Gärten als Heilkraut gezogen und gezüchtet. Bis heute sind die Kenntnisse ihrer Nutzung verloren gegangen und sie hat lediglich den Status einer Zierpflanze. Heutzutage wird sie nur mehr selten von Fachkundigen

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❚ Natürliches Antibiotikum „Columbine Flower“ – Akeleiblätter

Heute gibt es eine Fülle gezüchteter, farblich variierender Hybridformen (links im Bild), welche von den Gärtnereien für die Ziergärten vermehrt werden. Rechts im Bild die wildvorkommende Dunkle Akelei (Aquilegia atrata).

für Heilzwecke eingesetzt, um geringe Mengen ihrer Blätter frisch oder getrocknet als Pulver zu nutzen. Ihre Wirkstoffe halfen Krankheiten zu lindern, versulzte Gelenke und Haut zu reinigen und von Schmerzen zu befreien wie auch Knochenbrüche zu heilen. Im Mittelalter wurden auch Wurzeln, Blüten und Samen gegen Geschwüre, Hautausschläge, zur Galle- und Schweißtreibung, „Steinlösung“ und bei Krebs im akuten Falle und vorbeugend verwendet. Als ich vor Jahren bei Hilde und Hans Roth im Schweizer Sarganserland auf dem Bauernhof für ein halbes Jahr das Vieh versorgte, ehe ich als Hirte den Sommer auf einer Rinder-Alp verbrachte, erzählten sie über verschiedene Nutzungsmöglichkeiten der antibiotisch wirkenden Akeleiblätter. Wenn z.B. der Mann nach anstrengenden Arbeiten sehr abgespannt nach Hause kam und Schmerzen in den Gelenken hatte, so gab ihm die Frau ein bläulich-grünes Teilblatt der Gewöhnlichen Akelei (Aquilegia vulgare) aus dem Garten zum Kauen. Die Wirkstoffe führten zum raschen Abklingen der Beschwerden und halfen der Gelenksreinigung. Beim Kauen tritt eine Süße aus den Blättern, und es entsteht ein Aroma frischen Erbsen gleich. Wegen der diuretischen und diaphoretischen Wirkung wird zur Spülung der Niere viel Wasser getrunken.

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❚ SOMMER

Die „Wassersammlerin“ Neben der vorwiegend blaublühenden Gewöhnlichen Akelei gedeiht bei uns noch die Schwarzviolette Akelei (Aquilegia atrata), die Dunkle (A. nigricans) und Alpen-Akelei (A. alpina) in Landschaft und Gärten sowie in den Gärten angepflanzte Zuchtformen. Die Gemeine, Dunkle und Schwarze Akelei werden zu einer Sammelart zusammengefasst. Die Unterschiede zwischen den Arten dieser Sammelart liegen in der Staubblattlänge und Blütenfarbe. Die Arten können jedoch variieren und als natürliche Kreuzungen auftreten. Eine Aufzählung der zahlreichen Zuchtformen würde hier zu weit führen. Im Folgenden wird auf die Gemeine Akelei eingegangen, die in unseren Breiten vorkommt. Die lateinische Gattungsbezeichnung Aquilegia ist ungeklärt. Sie ging vermutlich aus dem Begriff „aquila“ für Adler stehend hervor und bezieht sich auf die Ähnlichkeit der länglichen, gekrümmten Blütensporne mit den Adlerkrallen. Da die Blütenhüllen der ausdauernden Pflanze eine füllhornartige Form wie Wasserbehälter aufweisen, steht der Name auch in Verbindung mit dem latein. Wort „aquilegium“. Wer am Morgen die leicht weiß „bereiften“ Blätter betrachtet, entdeckt das angesammelte Wasser in den Blattsenken. Mit „aquam legere“ ist das Wasseransammeln benannt.

Namen und Synonyme Die nickende Blütenform gab Anlass zu vielen Volksnamen wie Narren- oder Weiberkappe, Zigeunerglocke, Kaiser-, Teufels- oder Tintenglocke, Hummel-, Adlerblume, Harlekinsblume, Hoselätzli, Falsche Glocken-, Klockenblume, Schlotterhose, Waldakelei, Ackerlei, Ageli, Handschuh, Elfen- oder Frauenhandschuh usf. Man sagt den Pflanzen auch liebesfördernde Wirkungen nach und bezeichnet sie deshalb „Venuswagen“. In Italien nennt man die Akelei „amor nascosto“ oder „amor perfetto“. Übersetzt bedeuten diese Namen „versteckte Liebe“ oder „vollkommene Liebe“. Die Liebesförderung ist wahrscheinlich auf Auszüge aus den leicht giftigen Wurzeln und der Samen zurückzuführen. Wegen der Ähnlichkeit des Honig- oder Nektarblatts mit einer Taubenform bezeichnet man die Akelei im englischsprachigen Raum

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❚ Natürliches Antibiotikum „Columbine Flower“ – Akeleiblätter

„Columbine Flower“ und nennt die Pflanze in manchen deutschsprachigen Regionen „Taubenblume“.

Die in den Kalkgebieten und allgemein weitverbreitete Dunkle oder Schwarzviolette Akelei (Aquilegia atrata) wird auch wegen der dunkelweinroten Farbe als „Tintenblume“ bezeichnet.

Aussehen der Gemeinen Akelei Die mehrjährige Akelei gehört zu den Hahnenfußgewächsen und kann bis zu einer Höhe von 40 – 60 (80) cm aufwachsen. Die senkrecht aufstrebenden zumeist kahlen Stängel sind verzweigt und tragen dreiteilige Blätter mit dreilappigen, stumpfgekerbten Teilblättchen. Ihre Oberseite ist mattgrün, die Unterseite blaugrün und flaumig behaart. Die unte-

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Die Gewöhnliche Akelei (Aquilegia vulgaris) kann in Wiesen und lichten Wäldern verbreitet sein. Werden ihre zerstoßenen Blätter mit Wein oder diese geschnitten in Honig angesetzt, so erhält man die ausgezogenen Wirkstoffe, welche auf kulinarischem Wege eingenommen werden können.

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❚ Natürliches Antibiotikum „Columbine Flower“ – Akeleiblätter

ren Blätter sind langgestielt, die oberen sitzend. Die auf den aufrechten Stängeln endständig hängenden drei bis fünf cm großen Blüten besitzen je fünf Blütenblätter und fünf trichterförmige, gespornte Honigblätter, welche sich glockenartig neigen und am Grunde Nektardrüsen tragen. Sie erscheinen von Mai bis Juli. Die traubig angeordneten, glockenförmigen Blüten haben vorwiegend die Farben Dunkelblau und Dunkelviolett, aber auch Weiß und Rosa kommen vor. Die fünf gefärbten Kelchblätter laufen am Ende in spornartige, gebogene Fortsätze aus, wodurch die typische Blütenform entsteht. Der nach innen gekrümmte Sporn ist etwa 2 bis 3 cm lang. Viele Zuchtformen besitzen einen deutlich verlängerten Sporn. Die Staubblätter hängen geringfügig aus der Blüte heraus. Bei den großblumigen und langgespornten Züchtungsvariationen der kultivierten Sorten gibt es neben den dunkelblauen Formen welche mit weißen, rosa, roten und purpurnen Blüten. Daneben bestehen Zuchtformen der Gemeinen Akelei, die zweifarbig sind, und solche mit gefüllten Blüten. Die aus dem Himalaja stammende und im Mai blühende Duft-Akelei (Aquilegia fragrans) ist insofern erwähnenswert, denn die cremefarbenen Blüten strömen einen wohlriechenden, nelkenartigen Duft aus.

Bestäubung durch Hummeln und Bienen Die Blüte besteht aus äußeren, abstehenden Kelch- und kapuzenförmigen Kronblättern, den eigentlichen Nektarblättern, welche meist nur schwach geöffnet sind, sodass z.B. Hummel oder Tagfalter nur den Kopf hineinstecken können. Die vorstäubenden Blüten hängen nach unten, weshalb Pollen und der am Ende des Sporns abgesonderte Honig geschützt liegen. Bevorzugt wird die „Hummelblume“ von langrüsseligen Hummeln bestäubt, da sich der Nektar am Ende des Sporns ansammelt. Kräftige Bienen und Hummeln können gelegentlich den Sporn von außen am Grunde aufbeißen, um den verborgenen Nektar zu entnehmen, ohne dass die Pflanze bestäubt wird. Eine Selbstbestäubung erfolgt bei ausbleibendem Insektenbesuch selten, da sich die Staub- und Fruchtblätter zu verschiedenen Zeitphasen entwickeln und abreifen.

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❚ SOMMER

Die frischen Blätter der Akelei schmecken süß und nach rohen Erbsen. Ein oder zwei Teilblättchen der wilden Akelei roh gekaut, wirken als natürliches Antibiotika bei schmerzenden Gelenken und um die Lymphdrüsen wieder in Gang zu bringen. Ältere Blätter bevorratet man getrocknet für den Winterteegebrauch. Die Regenwasser- oder Tautropfen sammeln sich in der Senke mehrerer Blätter, deren Oberfläche reifüberzogen und wasserabweisend (hydrophob) ist, weshalb die Akelei „Wassersammlerin“ genannt wird. Auch die Blätter der Akelei-Wiesenraute (Thalictrum aquilegiifolium) nutzte man als Antibiotikum.

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❚ Natürliches Antibiotikum „Columbine Flower“ – Akeleiblätter

Die schönen Balgfrüchte können auch für Trocken­ gestecke verwendet werden. Aus den leicht ausfallenden Samen wurden aphrodisierende Tinkturen und Antiparasitika hergestellt.

Das Rascheln der Akeleisamen im Wind Nach dem Verblühen bilden sich aus den Fruchtblättern die für Hahnenfußgewächse typischen Balgfrüchte. Die aufrecht stehenden, drüsig behaarten und langgestreckten Bälge enthalten ein bis zwei Millimeter große, schwarz glänzende Samen. Nach der Ausreifung der Früchte werden die reifen, trockenen Samen durch Wind oder Berührung mit Tieren aus den Balgfrüchten passiv herausgeschleudert oder entleert.

Zur Vermehrung Allgemein besitzen die Akelei-Pflanzen im Zentrum einen relativ kompakten, kräftigen, mehrköpfigen oder rübenförmigen Wurzelstock, von dem ein feines Wurzelsystem ausstreicht. Die Vermehrung erfolgt

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❚ SOMMER

durch Aussaat und Wurzelteilung. Häufig versamt sich die Pflanze im Garten. Möchte man die Selbstaussaat verhindern, so schneide man die verblühten Teile weg, wodurch man eine zweite Blüte im Herbst ermöglicht. Sind die Standorte überdüngt, so treten Akelei-Gallmücke, Wollläuse sowie Mehltau auf. Diese Erscheinungen werden zusätzlich durch das Gießen mit dem Schlauch gefördert.

Standort und Verbreitung Heimisch ist die Gewöhnliche Akelei in den gemäßigt temperierten Zonen Europas und Asiens sowie in Nordafrika. Die Pflanze bevorzugt sonnige bis halbschattige Standorte der Eichen- und Buchenwälder, Bergund Waldwiesen, Waldlichtungen oder lichte Laubwälder. Sie kommt auch im Schatten der Wald- und entlang ungedüngter Gebüsch- wie Heckenränder vor. Die Pflanze benötigt lockeren, mull- oder humusund kalkreichen Lehmboden, der oberflächlich schwach sauer sein darf, aber mittleren Nährstoffreichtum aufweist. Der Boden soll feucht und wasserdurchlässig sein. Die Wildform der Gemeinen Akelei steht in verschiedenen Regionen unter Naturschutz. Die Zierpflanzen der Gärten verwildern auf Ruderalstellen und am Rande von Gebüschen.

Inhaltsstoffe der Akelei Die Inhaltsstoffe der Akelei sind bislang unzureichend untersucht. Grundsätzlich wird die gering-giftverdächtige Pflanze vom Weidevieh nicht gefressen, wiewohl instinktiv mehrere Blätter und halbreife Samenkapseln aus Selbstmedikationsgründen z.B. gegen Blähungen von Rindern aufgenommen werden. Bäuerinnen erzählten von guten Heilerfolgen bei grindartigen Hautproblemen, Fisteln und Ausschlägen ihrer Rinder. Ziegen meiden diese Pflanze, außer sie sind krank. Und offenbar sind die Akeleien resistent gegen Schnecken. In den Blättern kommen schwachgiftige Blausäureverbindungen (cyanogene Glykoside), das giftige Isochinolinalkaloid Magnoflorin vor, welches bei äußerlicher Anwendung zu Rötungen, Hautreizungen und Blasenbildung führen kann. Bei der Aufnahme von Samen und Wurzeln 214

❚ Natürliches Antibiotikum „Columbine Flower“ – Akeleiblätter

zeigen sich Vergiftungserscheinungen wie Benommenheit, Übelkeit, Krämpfe, Erbrechen, Durchfall sowie Atemnot und Herzrhythmusstörungen. Diese Symptome klingen bei gering eingenommenen Mengen jedoch schnell wieder ab. Die Pflanze enthält auch Berberidin, Flavonoide, Schleimstoffe und Öle, die Samen ein fettspaltendes Enzym. Die Wirkstoffe befinden sich in der Hauptsache in den Samen, weshalb durch die beschriebene Teilblattaufnahme Vergiftungen durch die Akelei selten zu erwarten sind. Wie die Fülle von inneren Anwendungsmöglichkeiten, aktuellen Gebräuche und Rezepturen zeigen, dürfte die verallgemeinerte Giftigkeit übertrieben sein, wie immer gilt: „Die Dosis macht das Gift“.

Einstige Heilanwendungen Bei Untersuchungen konnten in den letzten Jahren leberschützende antioxidative, antimikrobielle, antimutagene, fiebersenkende und schweißtreibende Wirkungen nachgewiesen werden. Ein Akelei-Teilblatt soll als Antibiotika wirksam sein und wurde früher ab und zu zur allgemeinen Krebsvorbeugung und Blutreinigung gekaut. Großteils wurden getrocknetes Akeleikraut und Wurzeln, seltener die Samen zur arzneilichen Nutzung herangezogen. Im Mittelalter empfahlen die Heilkundigen verschiedene Zubereitungen der Wurzeln, Blüten und Samen unter anderem bei Erkrankungen wie Gelbsucht (vor allem die Samen), Wassersucht, Skorbut und als Mittel zur Wundheilung. Zur Fiebersenkung wurde der beim Zerstoßen austretende Saft mit Wein gemischt und einige Tage lang verabreicht. Der Tee aus den Blättern und Wurzeln diente bei Magenverstimmung und gegen „Pestilenzien“ und der Tee aus den Samen linderte Kopfschmerzen. Anstatt der Rhabarberwurzel gebrauchte man die Akeleiwurzel als Abführmittel. Die frischen und getrockneten Blätter und die getrockneten Wurzeln der Akelei wurden in Form von Tee bei Darmverstopfungen, Magen-, Milz- (Schwellungen), Leber- und Galleleiden, Nieren- und Gallensteinen (man kaute Wurzelstücke zur Vorbeugung) sowie Menstruationsbeschwerden und Weißfluss, Herzzittern, Lungen- und Mundgeschwüren, Hals- und Rachenentzündungen, Nervosität und Schwächezuständen

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❚ SOMMER

eingesetzt. Den frischen Saft der Wurzel und Blätter nutzte man bei Augen- und Ohrenerkrankungen. Homöopathisch wird Akelei bei Fieber, Nervosität, Ohnmacht und Schwächezuständen eingesetzt. Auch bei Potenzstörungen verwendete man die Akelei in Form von Blüten- und Blätteransätzen in Wein. Bei Krebs aßen die Leute früher bestimmte Mengen Akeleiblätter in Form frühjährlicher Kuranwendungen.

Gesichtswasser zur Hautreinigung Aus den getrockneten Blüten stellte man hautreinigende Gesichtswässer in geringen Mengen für den unmittelbaren mehrtägigen Gebrauch her. Man gab sie dem aufgekochten Weißwein bei und ließ den Sud ca. 2 Stunden am Herdrand ziehen. Danach siebte man die Blüten heraus, gab nach dem Abkühlen eine Spur Essig bei und konnte sich damit das Gesicht abtupfen. Diese Zubereitung eingenommen, galt auch der Steigerung der Potenz. Zur allgemeinen Hautreinigung setze man ebenso frische Blätter im heißen Weißwein an. Für äußerliche Anwendungen nutzte man z.B. die zerstoßenen, süß-bitteren Blätter und ihren Saft bei Hautentzündungen, Hautausschlägen, Geschwüren und zur Wundwaschung und Wundheilung. Innerlich war der Saft ebenfalls bei unreiner Haut (Schuppen), bei Rotlauf, Windpocken und Masern und bei Milchschorf eingesetzt worden. Ein Auszug der giftigen Samen und Essenzen half gegen Läuse, Hautparasiten und vorbeugend gegen Blattern (Pocken; Variola).

Das Akelei-Blätterpulver Im getrockneten Zustand ist die Gift- bzw. Heilwirkung der Blätter stark reduziert. Pulverisierte Blätter fanden trotzdem in Teemischungen gegen Krebs, Kopfschmerzen und zur Regulierung des Blutflusses Verwendung. Teepulver aus Blättern werden neuerdings wieder in Apotheken angeboten. Seit geraumer Zeit trockne ich die Blätter und separat die Blüten und lagere sie in Gläsern. Bei Bedarf zerkleinere oder pulverisiere ich das Trockengut kurz vor der Anwendung. Das Pulver mische ich

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❚ Natürliches Antibiotikum „Columbine Flower“ – Akeleiblätter

zu den Speisen auf dem Teller ein. Diese beiden Pulverarten können ebenso wie die zerkleinerten frischen Blätter und Blüten in Honig eingerührt werden. Bei starkem Husten, Keuchhusten, Schleimauswurf, Grippe und Fieber wird solch ein Honig konsumiert.

Akelei-Essenz und -Tinktur Ebenfalls in der Schweiz lernte ich folgende Verwendungen: Grob zerstoßene frische Blätter und Blüten können mit einem 38 bis 42%igen Obstschnaps zu einer Essenz angesetzt werden. Sie werden mit einem Apfelobstler, Weinbrand oder Korn ca. sechs Wochen lang ausgezogen. Solche Essenzen werden vorbeugend eingesetzt.

Aus den Blättern hergestellte Essenzen tropfenweise ein­genommen gesundeten Milz, Leber und Galle.

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❚ SOMMER

Getrocknete und zerkleinerte Blätter in hochprozentigem Weingeist oder Korn (80 %) angesetzt, ergeben leichte und mit getrockneten Wurzeln starke Tinkturen. Bei dieser Herstellung empfiehlt sich das verschlossene Glas zuerst eine Woche lang in warme Räume oder zum Fenster zu stellen. Ab zwei bis vier Wochen kann abgefiltert werden. Zur Anwendung bei Milz-, Leber- und Gallebeschwerden sollen über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen fünf bis sechs Mal täglich bis zu 15 Tropfen der leichten oder drei Mal täglich 8 Tropfen der starken Tinktur in einem Glas Wasser eingerührt eingenommen werden. Krebsvorbeugende Kuren waren mit solchen Tinkturen früher durchgeführt worden. Für hartnäckige Fälle verwendete man eher Wurzeltinkturen oder -essenzen. Bei Ohrensausen reibt man mit wenigen Tropfen der Tinktur an den Schläfen. Über die Dauer solcher Kuren bestehen leider keine genauen Hinweise. Im benachbarten Vorarlberg und im Allgäu berichteten Wildkräuterkundige von den selben Anwendungsmöglichkeiten. U. a. erläuterte Peter Moosbrugger (1994 usf.) aus Hörbranz in dankenswerter Weise konkrete Fragen zu Tinkturaufbereitungen und Anwendungen.

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❚ Natürliches Antibiotikum „Columbine Flower“ – Akeleiblätter

Verwendung der Wurzel Innerhalb der Hahnenfußgewächse stellt die Akelei eine sehr edle und energetisch reife Heilpflanze auf höchster Ebene dar. Offenbar sind die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe für die Knochenbildung und Gesundheit der Gelenke schon seit jeher zumindest in der Schweiz und in Westösterreich bekannt. Denn auch die wässrigen und alkoholischen Wurzelauszüge wendete man nicht nur bei Gelenksschmerzen nach schwerer Arbeit an, sondern vielmehr zur Abheilung innerlicher Brüche z.B. des Brustkorbes, der Schulterknochen, der Wirbeln und des Steißbeines nach schweren Abstürzen und bei Knochenbrüchen der Extremitäten äußerlich und innerlich. Die Destillation des Krauts erfolgte mit der Blüte oder wenn Balgfrüchte noch grün waren oder man verwendete im Spätherbst allein die Wurzel, da zu dieser Zeit die höchste Wirksamkeit der Inhaltsstoffe garantiert war. ­

Die wässrigen und alkoholischen Wurzelauszüge wendete man zur Abheilung inner­ licher Brüche z.B. des Brustkorbes, der Schulterknochen, Wirbeln, Rippen oder des Steißbeines nach schweren Abstürzen an.

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SOMMER Alle Blätter, Sprossen, Knospen, Blüten und jungen Früchte der heimischen Malvenarten sind für den kulinarischen Genuss geeignet (im Bild: MoschusMalve – Malva moschata).

Frische Malvenblätter und -früchte sind gut bevorratbare Lebensmittel vom Sommer bis zum Herbst

Wir bewundern alle Malvengewächse wegen der Schönheit ihrer zarten, rosa, roten, gelben oder knall- oder dunkelvioletten Blütenblätter. In der Gartengestaltung sind sie als große, meist reichblütige Hintergrundpflanzen beliebt. Wer diese heilwirksamen Pflanzen auch durch den Magen gehen lassen möchte, denen sei dieser Beitrag zugetragen. Blätter und frische Triebe lassen sich sehr gut verkochen sowie einge-

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Die Wilde Malve (Malva sylvestris) wird auch „Große Käsepappel“ genannt. Sie ist durch blassrosa Blüten und ihre Großwüchsigkeit gekennzeichnet. Wegen der Bekömmlichkeit der großen, fünflappigen Blätter stellte sie in früheren Zeiten eine Hauptnutzpflanze dar. Sie kann roh oder gekocht als Nahrung verwertet werden.

froren, mariniert und getrocknet bevorraten. Junge Fruchtstände und Blätter lassen sich auch im Herbst gut roh verzehren. Und eine meiner Forschungsthesen lautet: Alles, was den Schweinen als Nahrung dienlich ist, kann auch der Mensch essen, da beide eine ähnlich funktionierende Verdauung besitzen. So nennt man in Österreich und Deutschland vereinzelt die Pflanze auch „Saupappel“. Bereits für die Jungsteinzeit (das Neolithikum begann in den Großregionen zu verschiedenen Zeiten; beginnt vor ca. 12.000 im Nahen Osten bzw. 7.500 Jahren in Mitteleuropa und dauert bis etwa 4.000 Jahre heutiger Zeitrechnung an bzw. war ca. 2.000 v. Chr. beendet) kann die euro-sibirische Art Große Malve, auch Ross- oder Käsepappel (Malva sylvestris) genannt, als Kulturpflanze nachgewiesen werden.

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❚ SOMMER

Vor allem die Funde in Tongefäßen lassen darauf schließen, dass es sich dabei um eine der ältesten Nahrungspflanzen handelte, die jedes Jahr neu ausgesät wurde und aus der man Gemüsesorten selektierte. In die Gefäße waren bei vielen Funden Wacholderbeeren als Schutz vor Vorratsschädlingen beigegeben worden (s. BrØndegaard, V. J. 1984). Von China bis in den Mittelmeerraum findet man sie in archäologischen Dokumenten und Darstellungen verzeichnet. In China galten davon Arten als wichtige Gemüsepflanzen, bevor sie durch Neuzüchtungen aus den Kohlgewächsen abgelöst wurden. Heute kommen einige alte Züchtungen aus Nordafrika (wie Marokko, Algerien, Tunesien, …) wieder in unsere Gärten. Selbst in Notzeiten griff man bei uns noch bis in die Nachkriegsjahre auf die Fruchtstände, Wurzeln und fettreiche Samen zurück, indem man sie fein mahlte und zum Brotteig dazumischte. Für Rohköstler sind Malven unabkömmliche Pflanzen.

Das „Käsebrot“ Kinder sammelten und aßen während des Schulweges die frischen Scheibchen der kreisrunden, flachen Samenansammlungen schon bald nach der Blüte ab Juni z.B. von Weg-Malve (Malva neglecta) und Großer Malve (M. sylvestris). Ihre Fruchtformen mit Spaltfrüchten sehen wie kleine Käselaiber aus, deshalb der Name „Käsepappel“, „Käsebrot“ oder „Chäslichrut“. Sie lassen sich sehr gut kauen und sind schleimend und somit verdauungsfördernd. Diese Samenscheibchen bestehen aus nierenförmigen einsamigen Teilfrüchten, welche mit der Trocknung leicht zerfallen. Die Früchte enthalten ca. 40 % Eiweiß und 15 – 20 % Fett. Die unreifen Früchte hatte man früher in Essigwasser, ähnlich wie Kapern eingelegt oder man salzte sie ein.

Begriffsherleitungen Die Käsepappel bekam den Wortstamm „-Pappel“, da die Blätter oder unreifen Fruchtstände in verschiedenen Regionen wie „Pappe“ – also als schleimiger Brei – zumeist unmittelbar oder mit Mehl zubereitet wurden. Mit dem Pappelbaum hat der Begriff nichts zu tun. Die Bezeich-

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Käsebrot: Die unreifen Fruchtstände der Malven und der Stockrosen (im Bild) sehen wie Miniaturen von Käselaiben aus. Man löste sie aus den Hüllen und genoss sie roh. Sie sind sehr gut pikant oder süß in Flüssigkeiten einleg- und bevorratbar.

nung hängt ebenso mit „aufpäppeln“ zusammen, da aus den gehackten Blättern, mit Grütze vermischt, von Mai bis Oktober eine kräftigende Breinahrung für Genesende und Kinder bereitet wurde. Die Bezeichnung „Malva“ setzt sich aus dem Lateinischen „millire“ (weich machen) und „alvus“ (der Bauch) zusammen. Der hebräische Begriff „malluah“ weist auf die Salatnutzung hin, und das griechische „malakos“ wird mit weich in Verbindung gebracht. In Großbritannien wird die Pflanze „marsh-mallow“, „rounddock“ oder „cheese-log“ genannt.

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❚ SOMMER

Vorkommen Malven kamen früher in den Dörfern entlang von Zäunen und Hausmauern, Wegrändern, Ruderal- und Schuttplätzen vor, zumeist auf offenen Böden, wo sich Nährstoffe durch die Wegbenutzung ansammeln konnten. Die verschiedenen Arten wurden wild verbreitet und auch von den Leuten als Nutz- und Sammelpflanzen gefördert. Kultivierte Pflanzen sind heute in den Bauerngärten nur noch selten vorhanden, weil sie von den üblichen Gemüse-, aber auch anderen Zierarten abgelöst wurden. Unter dem Begriff „Malve“ werden Stockmalve oder Stockrose (Althaea oder Alcea), die seltene Stundeneibisch (Hibiscus tri­ onium) und alle Käsepappelarten, aber auch der Eibisch (Althaea offici­ nalis) geführt. Die zweijährigen bis ausdauernden Stock- oder Pappelrosen und die Heilpflanze Eibisch hielten sich bei Liebhabern bis heute in den Gärten.

Typisches für die Familie Sie blühen wohl fleißig bis zum Herbst, und danach sind die oft sehr langen Sprossen reich mit den runden Käslaibchen besetzt und jedes graugewordene Scheibchen zerfällt strahlenförmig in etwa zwanzig Früchte. Typisch für alle Malvenarten ist das Anliegen der vieler Staubgefäße an den in der Blütenmitte aufragenden Griffel zu einer „Griffelsäule“. Wenn diese abgewelkt ist und die fünf freien Kronblätter abgefallen sind, dann bleiben im Kelch grüne, strahlig gerippte Scheibchen sitzen. Stockrosen besitzen zudem auch Sorten mit vielen Kronblättern gefüllte Blüten. Die Malven sind ein- bis mehrjährige Pflanzen. Einjährig – das heißt, sie bilden im ersten Lebensjahr Blüten und Früchte und sterben dann ab. Meistens sind die Malven zweijährig, das bedeutet, aus dem keimenden Samen wächst im ersten Jahr eine Pfahlwurzel und werden strahlenförmig einige zumindest dem Boden anliegende beblätterte Sprossen für das zweite Jahr vorbereitet. Die Sprossen überwintern, und an ihnen bilden sich im nächsten Jahr die Blüten. Aus ihnen reifen die Früchte, und im Spätherbst stirbt die Pflanze ab. Bei manchen Arten bleiben von der Wurzel ausgehend einige verzweigte Sprossen am Leben, die im folgenden Jahr wieder austreiben. Dann spricht man

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❚ Frische Malvenblätter und -früchte sind gut bevorratbare Lebensmittel

von mehrjährigen Pflanzen. Der Eibisch ist eine ausdauernde Pflanze, die relativ spät – August bis September – den Blühschwerpunkt hat. Im Folgenden sind jene Arten besprochen, von denen man die jungen oder nachschiebenden Blätter in der Wildgemüseküche gut nutzen kann:

Die Gemüse-Malve Die ein- bis zweijährige, robuste Gemüse-Malve (Malva verticillata ssp. crispa) kann bis zu zwei m hoch werden. Wegen den welligen bis krausen Blatträndern wird sie auch „Quirl- oder Krause Malve“ genannt. Sie besitzt kleine weiße oder blassrosa Blüten. Falls sie sich nicht von selber aussät, so kann sie ab Mai in 30 cm Abstand zueinander ausgesät werden. Sie stammt aus China und wurde über den Mittelmeerraum auch bei uns eingeführt. In China, Marokko, Ägypten und Syrien wurden von ihren zarten Blättern sehr beliebte, scharfe bis würzige Suppen gekocht, die z.T. mit anderen Gemüsearten zubereitet wurden. Als Gemüse sind die jungen Triebe und Blätter aller Malven sehr gut tiefkühlbar. Wir frieren die gekräuselten Blätter in Plastiksäckchen ein, um im Winter zu einem Spinatgenuss zu kommen. Getrocknet verliert sich der gute Geschmack, und die Blätter werden zäh, wiewohl auch gesiebtes Pulver aus den Blättern als Streckmittel genutzt werden kann. Die Pulverisierung erfolgt erst kurz vor dem Gebrauche. Früher verwendete man Unterarten dieser Pflanze zur Gewinnung von Faserstoffen, Heil- und Futtermitteln.

Große, Wilde Malve oder Rosspappel (Malva sylvestris) Die intensiv bis dunkelrosaroten Blüten der Wild-, Wald- oder Großblütigen Malve sind relativ groß. Sie können einen Radius von bis zu 10 cm einnehmen. Je nach Region wird sie auch als Poppeln, Ross­ pappel, Große Käsepappel, Babbeln, Feldmalve, Rossmalve, Hasenpappel, Johannispappel, Schwellkraut, Chaspappele, Käslaebla, Käsenkrät, Nüsserli und Zigerli bezeichnet. Aus der spindelförmigen Wurzel treiben mehrere ästige Stängel aus, die kreisrunde, langgestielte, fünf- bis siebenlappige, behaarte Blätter

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Die Varietäten der Wilden Malve aus Nordafrika (im Bild: Malva sylvestris subsp. mauri­ tiana) können sich in der Farbintensität und Blütenform stark unterscheiden. Sie sind gut kultivierbar und benötigen eher eine zusätzliche Nährstoffversorgung. Die Gemüse-Malve weist kleine, weiße Blüten auf (Malva verticillata).

tragen. Die dunkelgrünen Blätter sind bis zur Mitte eingeschnitten und ähneln den Berg-Ahornblättern. Die ein- bis mehrjährige und je nach Witterung auch überwinternde Pflanze bevorzugt eher nährstoffreichere bis mittelmäßig versorgte offene, gut besonnte Böden, welche trocken bis frisch im Wasserhaushalt sein können. Die vom Juni bis Oktober erscheinenden fünf genagelten, 1 – 2 cm breiten Kronblätter verjüngen sich bis zum Ansatz am Blütenboden. Sie sind tief ausgerandet und mit dunklen Adern versehen. Die 50 – 150 bzw. 200 cm hohen Stängel liefern auch Faserstoffe, weshalb die Käse- auch als „Hanfpappel“ bezeichnet und neuerdings für die Faserstoffherstellung wieder entdeckt wurde. Die ein- manchmal mehrjährige Blaue, Algier- oder Mauretanische Malve (M. sylvestris ssp. var. mauritiana) ist eine blühfreudige Unterart der Wilden Malve. Sie ist heilwirksam und verschönert zudem die Teemischung für das Auge.

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Die Kleine oder Weg-Malve (Malva neglecta) kommt auf nährstoffreichen Standorten rund um die Bauernhöfe und entlang der Mauern und Zäune im Siedlungsraum vor. Aus den Blättern stellte man zum Essen „Grünen Brei“ her oder verwendete sie bei Verkühlungen, starkem Husten und bei Verdauungsbeschwerden als Tee.

Kleine oder Weg-Malve (Malva neglecta) Die Weg-Malve kommt an nährstoffreichen Wegen und an deren Rändern unserer Dörfer vor. Andere Bezeichnungen wie Gänse-Malve, Käslein, Hasenpappel, Schwellkraut oder „Katzenkäse“ beziehen sich auf die Kleinheit und Wuchsform. Sie wächst gern an Mistlagerplätzen und nährstoffreichen offenen Böden rund um die Bauernhöfe. Sie besitzt rundliche, fünf- bis neunlappige Blätter, die von außen fingerförmig nur etwas eingeschnitten sind und mit 10 cm langen Stielen wechselständig an den Stängeln angeordnet sind. Die zartrosaroten Blüten befinden sich an den liegenden bis aufsteigenden Stängeln, welche zwischen 20 und 60 cm lang werden können. Typisch für diese Malve sind ebenfalls die kleinen. scheibenförmigen Fruchtstände. Mit ihren zähen, niederliegenden Ästen vertragen die Weg-Malven den Vertritt durch die Tiere und Menschen und finden sich deshalb an Wegrändern oder an den Ein- und

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Ausgängen von Weidekoppeln oder an Ruderalstellen.

Moschus-Malve (Malva moschata) Die mehrjährige als Heilpflanze ein­ geführte Moschus- oder Bisam-Malve wird 30 – 60 cm hoch, und man findet sie ab und zu in sonnigen, nähr­­­ stoffreichen, zumeist trockenen Wiesen, Säumen und Halb­­ trockenrasen. Sie hat klei­ne rosa bis seltener w ­ eiße, ca. 3 cm lange Kronblätter, tiefgelappte und bis zum Grund gespaltene oder schmalgeteilte Blätter und einen leichten Moschusduft. Die Grundblätter sind nicht so stark geteilt. Diese Malve wurde als Heilpflanze eingeführt.

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❚ Frische Malvenblätter und -früchte sind gut bevorratbare Lebensmittel

Die Stockrosen (Alcea rosea var. oder Althaea rosea) Andere Bezeichnungen für die Stockrose sind: Garten-Stockrose, Bauernrose, Stockmalve oder Garten-Pappelrose. Die Herkunft der Stockrosen ist uneindeutig, doch dürften sie aus Süditalien, Bulgarien, Griechenland oder anderen Balkanländern stammen. Es wird in Fachkreisen auch gerätselt, ob die Pflanze nicht aus China eingeführt wurde. Die prächtigen zwei- bis mehrjährige Garten-Stockrosen gelten als Heilpflanzen. Sie sind allerdings in höheren Lagen pilz- und thripsanfällig. Vor allem wenn es häufig regnet, finden sich auf den Blättern punktförmige, orange oder gelbe Rostpilzbeläge und die genannten länglichen „Fransenflügler“, welche an allen Grünteilen saugen. Bei dieser Gr uppe gibt es verschiedene Varianten, welche sich in der Blattform, Blütenform und -farbe unterscheiden. Es gibt auch Formen mit gefüllten Blüten. Die Schwarze Stockrose (Alcea rosea var. nigra) wächst z.B. 50 –150 cm auf und besitzt große trichterähnliche Blüten in dunkelbraunroten bis schwarzen Farbtönen. Alle Blüten der Stockrosenarten (alte Bauerngarten-, Gartenhybride) können für Hustentees oder zum Färben verwendet werden. Scharlach- und schwarzrot-blühende Formen enthalten einen großen Gehalt an Malvin (Anthocyane), weshalb sie sich zum violettblau Färben von Likören, Gelees, Marmeladen, Wein oder Stoffgeweben lohnen. Mit dem Rückschnitt nach der Blüte im Spätsommer des zweiten Jahres kommen sie das nächste Jahr in den meisten Fällen wieder. Die Blätter sind anfänglich weich behaart und werden nach der vollständigen Entfaltung sehr fest und faserig.

Die medizinalen Bedeutungen Blüten und Blätter der Stockrosen enthalten hohe Gehalte an Gerbund Schleimstoffen, weshalb sie in den schleimlösenden HustenteeMischungen Berücksichtigung finden. Die Blüten und Blätter der genannten Malvenarten haben diesbezüglich ähnliche Wirkungen. Auch die Eibischpflanze (Echte Eibisch, Althaea officinalis) zählt zu den Malvengewächsen. Sie hat wie die Wilde Malve eine gute Wirkung bei trockenem Husten, Reizhusten und bei Schleimhautreizungen im Mund-

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und Rachenraum. Ihre Wurzeldroge ist in vielen Fertigarzneien wie Hustensirup oder Hustensaft enthalten. Die Eibisch-Blätter werden bei Halsschmerzen, Halsgeschwülsten, Mandelentzündung, Mundund Zahngeschwüren für die Absud- oder Teebereitung genutzt. Zum Gurgeln verwendet man 1 Eßlöffel auf ¼ Liter Wasser. Eine Eibischsalbe durfte z.B. früher im Haushalt nicht fehlen: Sie wurde u.a. mit Salmiakgeist (Ammoniumchlorid) angerührt, um sie bei Lungen- und Rippenfellentzündung oder bei Verkühlung und Muskelentzündungen anzuwenden. Drei- bis viermal schmierte man die Kranken pro Stunde damit an den Beschwerdebereichen ein und deckte sie mit einem warmen Tuch zu. In ähnlichen Fällen benutzte man eine solche Salbe ebenfalls zur Genesung der Tiere.

Als Kaltansatz oder Tee verwendet Für die Teebereitung werden Blätter und Blüten verwendet. Die Malven besitzen einen hohen Gehalt an Schleim, ätherischen Ölen und Gerbstoffen, die leicht zusammenziehend wirken, und enthalten in den Blättern Flavonoidsulfate, Provitamin A (Caroten), Vitamin C und Zuckerverbindungen (wie Glucose, Galactose, Glucuronsäure, …). Die Blüten haben hohe Gehalte an chloridhältigem GlycosidMalvin, das ist ein wasserlöslicher Anthocyan-Farbstoff. Wegen der antioxidativen Eigenschaft wird das Kraut als Tee (Blätter und Blüten) bei inneren und äußeren Entzündungen, bei Heiserkeit, Husten und Lungenverschleimung ebenso gerne wie Eibisch genommen. Die Blütenblätter der Großblütigen Malve (M. sylvestris) färben im heißen Wasser zuerst den Tee blau und schlagen dann nach einigen Minuten in ein Rosa und nach längerem Ziehen in ein Hellbraun um. Wegen der schmerz-, reizlindernden und entzündungshemmenden Wirkung bei trockenem Husten, Bronchitis, Kehlkopf- und Mandelentzündung, bei Schleimhautreizungen im Nasen-, Mund-, Rachenund Halsraum wird der Tee getrunken oder zum Gurgeln genutzt. Zum Gurgeln oder Spülen für den Mund- und Rachenraum wird das Kraut mehr als fünf Stunden lang im anfänglich lauwarmen Wasser ziehen gelassen und als Kaltansatz verwendet. Als Tee lässt man die Droge im heißen Wasser gut fünf Minuten ziehen, ehe man ihn absiebt. Zur äuße-

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Malvenblüten werden für einen Hustentee und die Blätter zur Herstellung eines Pulvers für Breie getrocknet.

ren Anwendung (z.B. Hautkrankheiten, Schuppen, unreine Haut etc.) wird der heiße Aufguss gekühlt mittels Umschläge verwendet. Im auswurffördernden Hustenteegemisch mit Anis, Fenchelsamen, Bockshornkleesamen, Blüten der Großblüten-Königskerze (Verbas­ cum thapsiforme), Blätter und Blüten der Schlüsselblume, Brennnessel, Schachtelhalm, Isländisches Moos, Holunderblüten, Wacholderbeeren, Huflattichblätter, Lindenblüten, Spitzwegerich durften die Malvenblüten nicht fehlen. Auch Schwindsucht, Fieber, Augengeschwüre und Augenentzündungen wurden mit Malventee behandelt oder mit dem ausgepressten Saft der grünen Früchte. Die Wilde Malve wurde bei Gebärmutterleiden, Verhärtungen der Gebärmutter und Weißfluss oder zur Förderung der Milchsekretion der Wöchnerinnen eingesetzt. Früher wurden bei (nicht erblich bedingten) epileptischen Anfällen Malven-Erzeugnisse in der Therapie verwendet.

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Bei Rachen-, Hals-, Darm- und Magenproblemen Als Heil- und Lebensmittel können die Blätter der Großen und Kleinen Malve bis Ende Oktober gesammelt werden. Ihr Wert als erweichendes, beruhigendes, schleimlösendes und den Magen und Darmtrakt beruhigendes Hausmittel beruht auf ihrem Schleimreichtum, der das ganze Jahr hindurch ziemlich gleichbleibend ist. Die heilsame Wirkung von Umschlägen mit leicht aufgekochten Käsepappelblättern war früher z.B. bei einem Gerstenkorn am Augenlidrand, als abschwellendes Mittel bei Insektenstichen (u. a. bei Hornissen-, Wespen- und Skorpionstichen), bei verhärtet entzündeten Geschwülsten, bei Arterienentzündungen, Tumoren und bei eitrigen Wunden genutzt worden und ist auf die einhüllende Wirkung der Schleime zurückzuführen. Innerlich kann der Tee (vor allem Wegmalve, Malva neglecta) der Blätter und frischen Früchte bei Magengeschwüren, Reizmagen, bei ganz leichten Durchfällen, aber auch roh und gekocht bei Verstopfungen als Abführmittel, Magen- und Darmgrippe, Darmträgheit und Blasenleiden eingesetzt werden. Die Malven-Schleimstoffe wirken ebenso reizlindernd auf die Haut und bei Geschwüren, da sie entzündete Gewebe mit einem Schutzfilm überziehen. Malvenblätter wurden z.B. mit Weidenblättern gewalzt oder zerstampft und als Umschläge bei blutenden Wunden verwendet. Der Absud aus dem Kraut oder den Blüten der Käsepappel diente für Waschungen z.B. bei rheumatischen Entzündungsherden und für Spülungen. Bei Blasenproblemen, Harnverhalten, Nierenschmerzen oder wenn die Nieren den Harn nicht mehr ausreichend verdünnten und es zu einer erhöhten Wasserausscheidung über das Harnablassen kam, verlor der Körper zu viel Wasser, dann wurden wochenlang Blätter in den Salaten mitgegessen oder Blütentees mehrmals täglich über einige Wochen lang kurmäßig getrunken.

Setzt man in Alkohol die frischen Malven- oder Stockrosen-Blüten an, so entsteht da­ raus eine rote Essenz, welche tropfenweise eingenommen bei Nervenleiden, Reizhusten oder Grippe Einsatz finden kann.

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Zum Räuchern und in der Tierheilkunde Die Malven dienten als Räuchermittel, um Fruchtbarkeit zu fördern und gesunde Kinder zu gebären. Als Schutz vor Krankheiten wurden sie in einer Mischung mit Angelika, Eisenkraut, Rose, Johanniskraut, Kalmus, Acker-Gauchheil, Mariendistel, Linde, Sonnenhut, Wegwarte und in einer erweiterten Variante mit etwas Salbei und Thymian, Weihrauch und Zeder verräuchert. Die Stockrose (Althaea rosea) hat eine ähnliche Wirkung wie die genannten Malven. Sie ist bekannt unter Malvae arboreae flos. Wegen ihren schönen Blüten und der Schleim- und Farbstoffe werden sie in erster Linie als Schmuckdroge zur Verschönerung verschiedener (Husten-)Tees beigegeben. Kleine wie Große Käsepappel fanden früher Anwendung in der bäuerlichen Tierheilkunde. Eingesetzt wurden sie vor allem zur Heilung von Koliken und ruhrartigen Durchfällen. Mittels warmer Auflagen heilte man Geschwüre und Beulen. In der Umgebung von Toiletten förderte man das Aufkommen großblättriger Malven, denn ihre samtweichen Blätter eigneten sich sehr gut als „Toilettenpapier“.

Verwendung in der Küche Die Vitamin-C-, B-, E-, Provitamin-A- und eiweißreichen Blätter aller Malvenarten lassen sich in der Küche verwerten, sofern sie nicht allzu stark behaart oder überaltert bzw. rohfaserreich sind. Stockrosenblätter werden nur ganz jung als Rohkost verwendet. Frische Blätter nudelig geschnitten, eigenen sich für Salate oder Mischsalate. Die gekochten Blätter haben keinen intensiven Geschmack und können mit verschiedenen Gewürzen abgeschmeckt werden. Der Vorteil ihrer Verwendung ist die kurze Zubereitungszeit und ständige Verfügbarkeit als Gemüse bis in den Herbst hinein. Sie lassen sich roh sehr gut verzehren und fanden für Salate, Suppen oder Beilagen Verwendung. Der eigentliche Zweck der Pulverisierung der Malvenblätter bestand darin, ein eiweißstoffhältiges und schleimendes Verdickungsbzw. Bindemittel für Suppen zu erhalten. Auch sind sie wegen der schleimenden Stoffe für Mischgemüse, Aufläufe und Spinat bestens

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❚ Frische Malvenblätter und -früchte sind gut bevorratbare Lebensmittel

geeignet. Aufgrund des Schleimes sind die Blätter und Samenstände sehr angenehm zum Essen und fördern allgemein die gute Verdaubarkeit der gegessenen Speisen, wird der Kot stärker erweicht und eingeschleimt und der Kotabgang erleichtert. Die unreifen Samen bzw. kleinen, käselaibähnlichen Fruchtstände schmecken nussig. Im Mittelmeerraum kocht man sie heute noch in Olivenöl oder wird ab und zu in Schichten mit Reis oder Couscous zubereitet. In unseren Breiten waren die Blätter in Butter gedünstet und schicht­ weise mit gezuckerten Brotkrümeln zu einem Auflauf aufgeschichtet worden, auf den man etwas Essig aufträufelte. Wenn man die grob geschnittenen Jungblätter z.B. in Speck und Zwiebel andünstet, so erhält man ein schnelles Zugemüse. Gibt man dann noch Omelettenteig oder Rührei darüber, so erhält man eine wunderbare Hauptspeise. Beliebig kann die Speise mit Würzkräutern abgeschmeckt werden. Aus allen Malvenblättern wurden früher Speisemehle für vielerlei Kochgerichte und zum Strecken von Brei, Brot- und Kuchenmehl hergestellt.

Der Malvenkaviar Arkadij K. Koschtschejew (1986) hat für die ehemalige Sowjetunion ein vorzügliches Rezept des so genannten „Malvenkaviars“ dokumentiert, welches er aus geschmacklichen Gründen als „Kaviar“ bezeichnete: Zutaten: 100 g Malvenblätter, 40 g Brennnesseln, 10 g Sauerampfer, 10 g Zwiebeln, 10 g Tomatenmark, 5 g Knoblauch, 5 g Öl, Pfeffer, Salz. Zubereitung: Er schreibt dazu: „Das Grün (außer Zwiebeln) durch den Fleischwolf drehen, angeschwitzte Zwiebeln und Tomatenmark hinzufügen, 10 – 15 Minuten dünsten lassen, mit Pfeffer würzen und mit Knoblauch verrührtes Salz hinzufügen. Kühlen.“ Der Malvenkaviar ist als Beilage zu Reis, Nudeln etc. warm und zu Wurst- oder Käseteller mit Brot kalt zu servieren.

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Das Malvenpüree Ein geschmackvolles Püree kann ebenfalls nach diesem Autor aus getrockneten Malvenblättern zubereitet werden: Zutaten: 160 g getrocknetes Malvengrün, 40 g Weizenmehl, 40 g Zwiebeln, 20 g  Öl, Gewürze Zubereitung: Es werden ca. 150 – 200 g des Trockenguts in Wasser eine Stunde lang eingeweicht. Das Grün dreht man durch einen Fleischwolf oder passiert es. Dann wird die gehackte Zwiebel in Öl angeschwitzt und mit Mehl gestaubt und mit dem passierten Malvengrün gemischt. Zuletzt schmeckt man – je nach Geschmack – mit Gewürzen ab. Eine wunderbare Kost für den Winter. Dasselbe habe ich zufriedenstellend auch schon mit getrockneten Lindenblättern versucht. Frische Malvenblätter können ebenfalls zu diesem Püree verwendet werden.

Würzige Malvenblätter und -fruchtstände marinieren Nach dem Schieben lassen sich voll entfaltete, aber nicht alte Blätter aller Malven äußerst gut marinieren und für den Winter bevorraten. Zutaten: 1 kg Malvenblätter, Öl zum Abdecken Zutaten Marinade: 250 ml Weißwein-Essig, 150 ml Weißwein,100ml Wasser, 1 EL Zucker, 1 TL Salz, 2 TL Senfkörner, 7 Pfefferkörner Zubereitung: Die Pfefferkörner gibt man zwischen zwei Schneidbretter, und diese werden durch festes Drücken und gleichzeitiges Hin- und Her-Bewegen grob angebrochen. Alle Marinade-Zutaten werden nun eine Minute aufgekocht, und danach lässt man sie auskühlen.

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Neben den Käsepappel-Fruchtständen dienen auch die Blütenknospen aller Malven roh oder gekocht als „schleimende“ und somit verdauungsfördernde Speisebeilage (im Bild links: Marinierte Wilde Malve; oben rechtes und unteres Bild: Die auf einer Weide kultivierte Moschus-Malve).

Die Malvenblätter werden entstielt, gewaschen, und dann lässt man sie halbwegs abtrocknen oder man schleudert sie. In einer Schüssel mischt man sie nun mit der kalten Marinade. Die Blätter müssen vollständig mit der Marinade bedeckt sein, damit sich alle mit der sauren Flüssigkeit ansaugen können. Zugedeckt und kühl 24 Stunden marinieren und zwischendurch vorsichtig die Blätter durchrühren. Dann das marinierte Blattgemüse abtropfen lassen, mit einer Gabel in die Drehver-

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schlussgläser geben und dicht eindrücken, damit die Luft entweicht. Zuletzt noch einmal die restliche Flüssigkeit aus dem Glas gießen, mit Öl ca. 5 mm abdecken, die Gläser verschließen und an einem kühlen Ort finster lagern. Die verbliebene Marinade wertet man noch einmal mit Essig und Gewürzen etc. auf, erhitzt sie und verwendet sie für das Einlegen der Malven-Fruchtkäsli. Vor dem einminütigen Ziehenlassen in der aufgekochten Marinade entnimmt man die umgebende Fruchthaut. Diese frischen, grünen und eben unreifen Fruchtstände („Käsepapperl“) können nun in die heiße Marinade eingelegt werden. Gläser rasch verschließen und mit Geschirr- oder Handtüchern zudecken und warm halten, damit die Deckel gut anziehen können.

Rezept zu den Malven-Maultaschen: 1. Einen Vollkorn-Nudelteig zubereiten. 2. Geschnittene Malvenblätter mit Zwiebeln in Öl dünsten und würzen. 3. Dazu wird weichgekochter Dinkelreis oder Hirse untergemischt. 4. Schaffrischkäse würfelig schneiden und vorsichtig in die Malvenblätterfülle unterheben. 5. Nudelteig in Längsstreifen auswalken, Füllmasse verteilen und einrollen. 6. Mit einem Teller Portionsstücke abtrennen und Ränder gut mit den Fingern verschließen. 7. Sie können in Suppe gekocht und als Suppe gegessen oder mit Butter übergossen werden. 8. Werden die Maultaschen in Fett gebraten, kann ein Wildkräuterdip beigegeben werden.

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Eine rasch zubereitete Kost aus dem Garten: Spinat oder Püree aus den angedünsteten Malvenblättern kann als Beilage zu Getreide­­ reis, Kartoffeln, Hirse, Buchweizen und Teigwaren abwechslungsreich eingesetzt werden.

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❚ Frische Malvenblätter und -früchte sind gut bevorratbare Lebensmittel

Malven-Omelette: Die jungen Blätter schneiden, kurz – bis sie zusammenfallen – in Butter oder Öl dünsten, mit etwas Rahm verfeinern, würzig abschmecken, auf die Omeletten verteilen und diese einrollen. Eine Variation z.B. mit Parmesan oder würzigem Bergkäse bereichert die Verwertungsmöglichkeiten von Malvenblättern.

Topfen- bzw. Quarkaufstriche: Bild S. 240 unten: In Mischung mit Wildkräutern dienen feingeschnittene Malvenblätter zur Mehrung der Brotaufstriche.

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Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides) zur Herstellung von Flechtschuhen, Matratzen und Polsterungen In den Vorzeiten, als die Handarbeit noch von einer Wertschätzung getragen war, hatten die Leute ein umfassendes Wissen über die Verwendung von Naturmaterialien. Dazu fanden sie viele Möglichkeiten der Nutzung aus der unmittelbaren Landbewirtschaftung. Aus dem heute in Vergessenheit geratenen Waldgras – das Rasch – erzeugten sie früher Schuhwerke, Matratzen, Mäntel, Graskübel, Schnüre und Stricke oder verwendeten es als Einstreu. Es war ein sehr gängiges Füllmaterial bei Polsterungen. Die heute wieder von Hand hergestellten und sehr begehrten „Rasch-Patschen“ wärmen sehr gut, ohne dass man darin schwitzt. Wenn man in bestimmten Au- und vernässten Nadellaubmischwäldern wandert, so entdeckt man häufig großflächige, monotone Sauergrasbestände mit der hochwüchsigen Seegras-Segge. ZittergrasSegge heißt diese Pflanze auch, da der Wind in wunderschönen Wellenbewegungen über die Pflanzenteppiche hinweggleitet. Hasen, Rehe und Hirsche haben darin ihre Schlafnester angelegt, da die Grasmatten offenbar gut wärmen. Das auf feuchten Lehmbereichen dominierende Raschgras wurde wegen der Unterdrückung der Gehölzjungaufwüchse in den ersten Jahren gemäht oder ausgerissen. So kam wieder Wald auf und dafür breitete sich das Gras auf anderen Schlägen aus.

Kleidung, Schuhwerk und mantelartige Umhänge der Hirten Schon beim „Mann aus dem Eis“ der Ötztaler Alpen, im Volksmund wird diese über 5000 Jahre alte Gletschermumie der späten Jungsteinzeit als „Ötzi“ bezeichnet, fand man 1991 einfaches Lederschuhwerk mit Lederund Grasgeflechten festgebunden, welches innen wärmedämmend und stoßdämpfend mit Gras ausgestopft war. Ebenso konnte man bei den konservierten Resten seines Umhangs verflochtene Gräser nachweisen. Im Juli veranlagt die Seegras-Segge – das Rasch – vermehrt Faserstoffe in die vegetativen Teile. Dann begann die Rupf-Ernte. Aus dem Gras wurden einst viele Gegenstände hergestellt und damit standen eigene Berufe in Verbindung (im Bild: Michael Röthleitner).

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Ein Rasch-Patschen kurz vor der Fertigstellung: Auf die Schuhleiste wurde ein Kleidungsrest z.B. von einem Pullover – das spätere Innenfutter – gespannt. Darauf wird der Gras-Zopf an der Leistensohle beginnend spiralförmig mit Schustergarn zusammengenäht. Beendet wird die Spirale an der Leisten-bzw. Fußoberseite.

Für Alltagsnutzungen vor allem für Bekleidungen sind die Gräser von Hirten gut als Binde- und Flechtmaterial eingesetzt worden. Neben Tierfellen verwendeten früher die osteuropäische Hirten sogenannte „Grasumhänge“. Sorgfältig in kleinen Büscheln parallel zusammengeflochtene Umhänge wiesen das Wasser ab, welches zu den Grasspitzen hin abtropfen konnte. Sie dienten einst vornehmlich als Regenschutz und im Winter als zusätzliche Wärmeisolierung über der Pelzbekleidung. Solche Hirtenmäntel oder -umhänge fanden sich noch in den 1980er-Jahren in Ungarn, in Rumänien und von Bulgarien bis nach Weißrussland. „Ein sicherer Beleg eines Grasumhanges aus dem 15. Jh. zeigt auch eine Seckauer Handschrift. (…) Solche Umhänge sind bis zum Ende des 19. Jh.s in der Steiermark belegbar“, schreibt Brigitte Hauke (2003).

Altes Wissen wieder aufgenommen Vereinzelt verwendete man das zähfasrige Seggenmaterial für Flecht­ arbeiten, wie Tragtaschen, Obst- und Gemüse-Erntekörbe und Matten oder zur Herstellung robuster Bindgewebe wie Tragbänder, einfach ge-

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Die ab Juli sehr reißfeste Zittergras- oder Seegras-Segge (Rasch, Afritsch; Carex brizoi­ des) kann eine Länge von 30 – 70 cm erreichen und kommt in vielen Fällen in Reinbeständen vor, da sie sehr verdrängungsstark ist. Das Rasch ist für die Ernte rupfbar, wenn es beim Anreißen knapp über dem Boden abreißt.

drehte Seile und Stricke, oder für Anzündknäuel zum Ofeneinheizen, Packmaterial, als Füllung für das Kummet der Zugtiere, Polstermöbel, Fahrzeugsitze … Geflochten und vernäht diente das glatte Rasch für isolierende Wand- oder Bettmatten, als Fußabstreifer, Teppich und Bettvorleger oder Sitzunterlage auf den Holzbänken.

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Spiralförmig lassen sich mit den Strängen der Seegras-Segge auch sehr gut Körbe, Schüsseln und Topfuntersätze nähen. Auch eine Art von Regenschirm und vor Regen schützende Kopfspitzhaube stellte man aus dem „Waldgras“ her. Bis in die 1960er-Jahre waren noch regionenweise Rasch-Patschen in Handarbeit erzeugt worden. Trotz des verhältnismäßig guten Nährwertes im jungen Zustand wurde diese Segge als Futterpflanze nicht geerntet, da sie sehr viel Kieselsäure enthält und wegen der Schnittigkeit und dem Fasergehalt ungut zu fressen ist und deshalb von den Tieren verschmäht wurde. Allerdings nutzte man das Sauergras als feingeschnittene Einstreu. Heute besinnen sich manche Oberösterreicher dieses Waldlichtungsgrases, aus dem im vorigen Jahrhundert hauptsächlich Schuhwerk und Matratzen hergestellt wurden. Für nähere Erkundigungen zur Herstellung der sogenannten „Rasch-Patschen“ besuchte ich die „Raschfrauen“ in St. Georgen im Attergau rund um die engagierte Maria Enthammer, welche pro Jahr an die 100 Paar Schuhe fertigen, und den Schuster, Bauer und Briefträger Hermann Duftschmid in Ottnang im Hausruckgebiet.

Was ist Rasch? Eigentlich spricht man in der Mundart das Wort „Raasch“ mit einem ziehenden A aus. Der Begriff dürfte sich vom Rauschen des Grases beim Durchgehen im Herbst und bei der Trocknung oder von den rauschenden oder raschelnden Matratzen herleiten. Frau Hauke weist auch auf „rass = scharf“, die Scharfkantigkeit der Segge, hin, woraus der Name ebenso herrühren könnte. Es handelt sich dabei um ein Sauergras, welches in der botanischen Nomenklatur als Zittergras- oder Seegras-Segge (Carex brizoides) oder Waldhaar, Waldseegras und auch Matratzen- und Alpengras bezeichnet wird. Im unteren Inn- und im Hausruckviertel nennt man es Rasch, Resch, Reisch, im oberen Innviertel und im Mühlviertel auch Rausch. Der „Rauscharbáter“ ist jener Arbeiter, der die Seegras-Segge bei der Ernte ausreißt und der Raffung bzw. Kammriffung unterzieht. Diese Arbeit verrichten z.B. bei der St. Georgener Frauen-Gruppe auch ­einige Männer.

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❚ Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides)

Aus dem feinen, aber sehr zähen Wald- und Verlichtungsgras stellte man neben Hausund Winterschuhen, Flechtstricke, Polster- und Matratzenfüllungen her, Hirten flochten daraus kunstvolle Regenumhänge, Dach wurde damit gedeckt, ja sogar verpichte Löscheimer der Feuerwehr fertigte man daraus (im Bild: Christl Gruber aus dem Attergau, Land Oberösterreich bei der Raschernte).

In manchen Gegenden Österreichs spricht man vom „Liesch“, in der Schweiz auch von der „Lische“ und im Waldviertel vom „Afritsch“. Im Nordwesten Deutschlands und in den Niederlanden ist mit „Seegras“ eine im Habitus grasähnliche Art, Zostera marina, benannt. Diese andere nicht mit der Seegras-Segge verwandte Art kommt im Wattenmeer und an den Küsten massenhaft vor und wurde bis vor etlichen Jahrzehnten als Futtermittel und Polsterstoff verwendet.

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Blüten der Seegras-Segge (Carex brizoides). Für die Verwendung als Schuhwerk sollen nur wenige blühende Exemplare dabei sein.

Das Aussehen Die Wuchshöhe der ausdauernden Zittergras-Segge beträgt je nach Standort zwischen 30 – 70 cm. Manchmal wird sie auch 1 m hoch. Man findet sie allerdings meistens überhängend und liegend in reinen, sehr dichten Beständen, da die 2 – 3 mm schmalen, flach-rinnigen Blätter und dünnen, dreikantigen Stängel schlaff sind. Die zähen Blätter haben scharfe Ränder, an denen man sich beim Ausziehen schneiden kann. Je nach Vernässung bzw. Trockenheit der Standorte variiert die Blattfarbe von Intensivgrün bis Gelb- oder Bräunlich-grün. Der lockere Blütenstand erscheint von Mai bis Juni am Stängelende und ist aus 5 – 8 weißhäutig-grün, später gelblich gefärbten Ähren zusammengesetzt, die nach auswärts 8 – 10 mm lang gekrümmt sind. Die Ährchen tragen im unteren Teil männliche und im oberen Teil weibliche Blüten, aus der sich dreikantige Nussfrüchte bilden. Die dichte Bestandsbildung ist auf die vegetative Vermehrung durch die weitkriechenden Wurzelausläufer zurückzuführen. Solche Matten an Waldlichtungen oder Schlagflächen führen zur Verdrängung der natürlichen Waldverjüngung. Bei der Auspflanzung von Forstkulturen können in den Folgejahren junge Bäume nur durch das Ausmähen des Grases aufkommen, die bei dichter Beschattung dann später das Gras erfolgreich reduzieren.

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❚ Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides)

Über das Vorkommen Verbreitet ist diese Segge hauptsächlich vom kollinen bis in den montanen Bereich Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Dort besiedelt sie frische bis nasse, wechselfeuchte, zumeist basen- und nährstoffarme Sand- und Lehmböden der sauren Nadel- und Laubmischwälder, Traubenkirschen-Eschen-Au- und Erlen-Bruchwälder, Kahlschläge, Gebüsche, Säume, Wegränder, Verlichtungen und waldnahe Frisch-

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und Feuchtwiesen, wo sie dichte Reinbestände bilden kann. Sie zeigt Verdichtung und Vernässung sowie zeitweiligen Wasserstau auf schweren Böden (nicht nur in Mulden oder Senken) an. Doch ist die Seegras-Segge „keine ausgesprochene Flachmoorpflanze. Sie kommt in Flachmooren nur an sommertrockenen Stellen und Moorrändern vor und breitet sich nach Entwässerung rasch aus, wenn keine Düngung erfolgt“, schreibt Franz Grims (1969).

Zur Herstellung der Grasmatratzen und -polsterungen Diese Segge wurde in manchen Gegenden Europas als Matratzen- und Polsterfüllmaterial gewerblich genutzt und lieferte für Betriebe das Haupteinkommen, indem es richtig aufbereitet an Sattler und Tapezierer verkauft wurde. Für eine Füllung benötigte man ca. 10 bis 12 kg, manchmal bis zu 15 kg, aber weniger Menge wie bei der teuren Rosshaarmatratze. Da das Material nach dem Bettnässen rasch trocknete, war es nicht nur für Kindermatratzen geeignet. Zum Schlafen verwendeten die ärmeren Leute den jährlich gefüllten Strohsack, der Mittelstand hatte die Raschmatratze, und die gut situierte Bevölkerung leistete sich die Rosshaarmatratze. Nach der Trocknung an nicht voll besonnten Standorten in Hofnähe wurde die Wurzel entweder abgeschnitten oder mit einem Kamm geriffelt, in manchen Fällen über dem „Dampf gebah’(n)t“ (mit Dampf erhitzt) oder sogar abgebrüht und nach der Kräuselung noch einmal zur Trocknung gelagert. Damit es als lockeres Füllmaterial zum Polstern von Matratzen geeignet war, musste das Rasch eine zerzauste oder gekräuselte Konsistenz bekommen. Deshalb wurde die frische oder angewelkte Segge zu einem „Wulst“ oder sträng versponnen, die in den „Seegrasseggen-Spinnereien“ zur Trocknung in Bündeln auf Stangen aufgehängt wurden. In dieser aufgezogenen Form waren sie besser lager-, verarbeit- und transportierbar. Wie wurden die Stränge hergestellt? An einem großen Handrad oder maschinellen Antrieb war ein Haken befestigt, wo man ein kleines Grasbündel einhängte und weitere nachschob. So ergab sich ein langer, armdicker Wulst aus gekräuselten Grasteilen. Dieses sperrige Raschmaterial wurde in abgeteilten Fächern der Matratze eingestopft

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Die Strapazierfähigkeit der Segge nutzten die Menschen zum Füttern der Matratzen, des Reitsattels, der Möbel, zur Auspolsterung der Sitzbänke von Kutschen und Kraftwägen. Außerdem eigneten sich die sorgfältig gefloch­ tenen Zöpfe als Binde­ material im Haushalt.

oder wie ein dickes Vlies auf die Matratzenüberzüge aufgelegt und vernäht. In ähnlicher Weise wurde früher auch das Rosshaar zu einer fülligeren und sperrigeren Konsistenz versponnen. Mit dem gekräuselten Material stopfte man Liegepolster, Sitzpolster, Sitzbänke der Gasthäuser, Kanapee und die Sitze der Kutschen, Fuhrwerke und später sogar die der Automobile. Die Ernte und Verwertung dieser Segge schuf Nebeneinkommen, welche in manchen Fällen als Haupteinkommen den Ertrag anderer land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen überstieg.

In der Steiermark wurden einst Seegrasseggen-Hirtenmäntel verwendet. Solche wärmende und regenabweisende Grasumhänge der Schafhirten waren in einer Seckauer Handschrift von 1810 dokumentiert worden (Aquarell von Karl Ruß).

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Das von Hand ausgerissene Rasch wird zu einem größeren Bündel zusammengesammelt und dann in sich zu einer Schraube verdreht und zwischengelagert. Mehrere solcher Bündel bindet man zu einem großen Bund zusammen, welcher auf einer Rückentrage (Kraxn) zu den Transportmitteln oder nach Hause getragen wird (Bild s. Seite 7).

Die Ernteprobe zur Gewinnung der Segge für die Rasch-Patschen Um eine gute Qualität der Seegras-Segge zu erhalten, sind mehrmals ab Mitte Juli die Standorte ihres Vorkommens aufzusuchen. Wenn im Juli beim Anziehen die Segge ganz unten über der Wurzel ausreißt, wird für die Vormittage das Raschziehen angesagt. Dann kommen ältere Leute zusammen und holen gemeinsam den Rasch nach Hause. Bis vor wenigen Jahrzehnten erfolgte die Ernte zwischen 15. August und 15. September, heute wird in manchen Gegenden Rasch schon ab Mitte Juli geerntet, sofern das Gras reißfest ist. Früher geerntetes Rasch behält auch die grüne Farbe länger, wenn man die Patschen nur in den Innenräumen benutzt bzw. diese kein Tageslicht bekommen. Die beste Raschqualität erhält man von Standorten, die nicht voll beschattet waren.

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❚ Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides)

Eine Ernteprobe ist notwendig: Denn eine zu frühe Ernte, so sagen erfahrene Leute, führe zwar zu einem schön grünen Material, es war allerdings in der Festigkeit nicht so gut und setze die Lebensdauer des Schuhwerks herab. Reißt die Pflanze beim Ausziehen an den oberen Teilen ab, so ist die Beerntung noch zu früh. Die Gewinnung soll eher am Ende der Grünphase oder danach erfolgen, wenn das Seggenmaterial glatt und möglichst lang im Wuchs ist, ein stärkerer Rohfasergehalt besteht und das Gras mit wenig blühenden Exemplaren versehen ist. Dadurch werden die Patschenschuhe stabiler. Bei zu später Ernte sind die Spitzen verbraunt, und dies ist ein Zeichen für ein ungeeignetes Material. Seltener und je nach Standort wird das Rasch noch im Oktober oder in Frühjahr gerupft, denn da ist es meist schon brüchig oder ist schon angefault. Ideal ist die Ernte in Oberösterreich im Zeitraum zwischen Jakob oder Anna (25. oder 26. Juli.) und dem Großen Frauentag (15. August, Mariä Himmelfahrt) – also vor den „Frauendreißigern“. In anderen Gegenden kann die Ernte­zeit früher oder später anberaumt sein.

Leute bei der Rasch-Ernte: „Rupfen des Raschs“, sauber geschraubte Bündel und Bunde für den Abtransport anlegen (im Bild: Kathi Hemetsberger und Christl Gruber).

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Rasch-Rupfen oder Rasch-Reißen (im Bild: Rosi Hollerweger und Franz Enthammer).

Die Ernte – das „Rauschreißen“ Bei der Ernte im lichten Wald wird die „Rausch gerissen“, ausgezogen oder wie Leinen „gerauft“, seltener wie z.B. in Oberösterreich knapp über dem Boden mit der Sense oder der Sichel gemäht. Wegen der scharfrandigen Blätter sind Handschuhe zu tragen. Bei richtiger Ausreifung des strapazierfähigen Grases braucht man sich nur leicht zu bücken, indem man an den oberen Teilen die Segge im rechten Winkel zum Boden anzieht, wodurch sie knapp über der Wurzel abreißt. Durch das „Rupfen“ oder „Ausrupfen“ können Wurzelteile mitgehen. Verbleibende Wurzeln werden sofort im frischen Zustand durch Antreten und Ausreißen entfernt oder im grünen Zustand im Wald oder nach der Trocknung mit einem Haspelkamm (wie der Leinenkamm) abgekämmt. Man umfasst ein großes Büschel und zieht es senkrecht aus. Ist es noch zu früh zum Ernten, dann reißt das Gras weiter oben oder ganz oben ab. Das untere Ende der ausgerissenen Seegras-Segge soll beim richtigen Rausziehen weiß sein. Ein paarmal werden die gerupften Büschel mit den Fingern, welche Handschuhe tragen, grob durchkämmt und so das alte Gras und bereits verwelkte Teile ausgestreift. Mit der einen Hand hält man das ausgezogene Büschel und mit der anderen reißt man kleinweise das nächste aus. Kann man die Bündel nicht mehr halten, so legt man sie beiseite. Mehrere große

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❚ Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides)

Mit einem Raschkamm werden vorhandene Wurzeln und alte, schon braun gewordene Blattspreiten entweder im Wald oder nach der Trocknung zu Hause sauber ausgeriffelt.

Bündel windet man spiralförmig zusammen und legt sie dann auf eine querliegende Bindeschnur, mit der mehrere Bündel zu einem Gesamtbündel gebunden werden, welches man vom Umfang und Gewicht her noch gut tragen konnte. Früher band man mit einem kleinen Grasbüschel die Bündel für den Transport zusammen. Auf einer umgegurteten Rückentrage („Reff“, „Kraxe“ oder „Kraxn“) können mehrere Großbündel aufgeladen und für den Marsch aus dem Wald gut festgebunden werden. Ein schöner Anblick, wenn die Raschfrauen ihre Ernte aus dem Wald tragen.

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Zuhause wird das Rasch zum Trocknen behutsam parallel Bund für Bund auseinandergebreitet und von Zeit zu Zeit vorsichtig gewendet. Das Gras soll nicht der direkten Sonne ausgesetzt oder angeregnet werden, damit es strapazierfähig bleibt und nicht angraut. Zur Trocknung kann das Waldgras ebenso unter Schattenbedingungen aufgelegt oder aufgehängt werden.

Trocknen des Grases ohne direkte Sonneneinstrahlung Zuhause wurden die jeweils gewundenen „Raschbünkel“ auseinandergenommen und sorgfältig auf einer kurzschürigen Weide, einem Rasen oder im gemähten Obstgarten nach der morgendlichen Bodenabtrocknung parallel aufgelegt. Dabei sollen sich die Grasteile nicht miteinander verhaspeln. Auch der Wind durfte das Material nicht zerzausen. Zu lange, direkte Sonnenbestrahlung wurde wegen der „Angrauung“ (Verbleichung) und dem später leichteren Brüchigwerden vermieden. Damit Qualität und Farbe der langen Blätter und zähen Halme nicht leiden, nahm man es vom Vormittag bis Nachmittag sogar zusammen und lagerte es zwischenzeitlich unter Dach. Das Rasch wurde mehrmals gewendet und sollte binnen 1 – 2 (3) Tagen annähernd fertig getrocknet sein. Das zusammengelegte Waldgras wird noch einmal in einer Hütte oder in der Scheune ausgelegt und nachgetrocknet. Wird es angeregnet, verringert sich die Qualität

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❚ Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides)

des Grases. Deshalb breitete man es an Regentagen auf dem Heu- oder Tennboden aus oder hängte es auf Holzgestellen oder Leitern in der Tenne sorgfältig auf. Ohne Lichteinfluss, aber bei Luftzug, behält das Rasch die grüne Farbe bei. Die Trocknung konnte bis zu zwei Tage dauern, wodurch allerdings die Strapazierfähigkeit bereits litt. Die vorhandenen Wurzeln wurden vor der Lagerung des „Raschheus“ über einem mit Nägeln versehenen Brett – dem „Raschraffer“ oder „Raschkamm“ (ähnlich einem „Flachsriffel“) – abgestreift. Danach wurde das Gras von brüchigen Teilen gesäubert, an den Grundenden geradegerichtet und in größeren Büscheln zusammengebunden gelagert. Unten: In kleinen Büscherln – den Zirkal – richtet man sich die Segge her. Die straff gebundenen Rasch-Zöpfe werden mit dem trockenen Material geflochten. Dabei wird beim Anstückeln das abstehende Gras umgebogen und mit geflochten. So erhält man strafferes Schuhwerk mit längerer Haltbarkeit und Wärmekraft.

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Maria Enthammer leitet seit 1984 die Raschgruppe. Das Wissen der RaschpatschenHerstellung haben 1982 acht Frauen von der pensionierten Wirtin Theresia Pichler in St. Georgen im Attergau gelernt.

Zur Herstellung des Schuhwerks Die folgende Technologie der Schuhherstellung ist einige Jahrhunderte alt und benötigt wenig Utensilien und Werkzeug. Früher stellten sich die Leute dieses Schuhwerk im Winter selber her. Die Arbeit oblag den Frauen, die zumeist in Gruppen die Patschenanfertigung verrichteten und so in gemütlicher Weise zum Reden zusammengekommen sind. Maria Enthammer fertigt im Winter Gras- und Wollstrang-Patschen an und zeigte dies bereitwillig:

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Zuerst mussten sogenannte „Zirkal“ – kleine Büscherl – auf einem Holzstockerl in mehreren Lagen kreuzweise als Vorbereitung aufgelegt werden. Je nach Schuhgröße – z.B. 38er oder 42er – verwendete man dazu weniger oder mehr Rasch, wurde dünner oder dicker geflochten. Drei Zirkal wurden am dicken Ende (ehemaliger unterer Teil des Grases) mit einer Schnur fest zusammengebunden. Dieses Ende befestigte man an einem Wandnagel oder an der Türklinge und begann die Zirkal zu einem Zopf zu verflechten. Nach und nach flicht man immer wieder neue Büscherl dazu, bis aus vielen Zirkal ein 4,2 – 4,6 m langer „Zopf“ entsteht. Manche Schuhmacher stellen auch 10, 20 oder 30 m lange Zöpfe her. Mit ca. 45 m langen Zöpfen können fünf Patschenpaare hergestellt werden. Trocken geflochten ist der Strang stabiler, wenn nach der Trocknung das Gras z.B. am Abend vom Boden wieder leichte Feuchte angezogen hat. Trotzdem wurde in manchen Fällen das Gras früher auch

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frisch verflochten. Die Raschfrauengruppe aus St. Georgen verwendet für Hauspatschen auch dickgesponnene Wolle, deren Zöpfe ähnlich wie die Raschzöpfe zusammengenäht werden. Dann wird über eine hölzerne Schuhleiste oder Kunststoffleiste ein altes, festes Gewebe (zumeist verfilzte, aber schöne Pulloverteile, Mäntel, alter Loden etc. aus der Altkleidersammlung) gezogen, locker gespannt an der Spitze und Ferse zugenäht und oben zugeheftet. Dieses Gewebe stellt später das Innenfutter der Rasch-Patschen dar und muss am oberen Ende großzügig bemessen sein, da es nach dem Nähen der Flechtzöpfe noch den oberen Rand des Flechtwerks einfassen soll. Auf dieses Innenfutter näht oder klebt man auf die Sohle zusätzlich eine strapazierfähige Stoffauflage oder einen dickeren Wollausschnitt auf, damit man auf den „Grasschuhen“ weicher geht und nicht so schnell das Innenfutter bis zum Gras durchscheuert. Nun wird das Zopfende mit einem Garn oder einer Schnur zu einem U zusammengenäht und in der Mitte der Leistensohle mit kleinen Nägeln oder Wagnerstiften der Länge nach befestigt. Mit der gebogenen Sattlernadel näht man nun im Uhrzeigersinn anliegend den Zopf von innen nach außen so an, dass auch das über die Leiste gespannte Innenfutter mitgenäht wird. Immer auf Zug wird der Flechtstrang der Holzleistenform spiralenförmig nachgenäht, bis der seitliche Schuhrand entsteht. Zuletzt wird der Rist, wo der Vorderfuß hineinkommt, von außen nach innen spiralförmig vernäht, sodass die hohle Ristkappe entsteht. Das Ende wird in der Mitte vernäht. Der Rist wird in einigen Fällen mit dünneren Zöpfen ausgefertigt. Zuletzt wird der „Patschen“ von der Leiste befreit, indem man die Heftnaht des Futters wieder auftrennt und das Innenfutter am Schuhrand bzw. Schaft nach außen gestürzt als Einfassung fein säuberlich vernäht.

Abfälle verwertet Damit sich die Sohle nicht zu schnell abnutzt, wird auf der Patschenunterseite zwischen Raschfläche und Sohlenleder (oder -filz) eine Zwischenschicht aus polsterstoffartigen Abfällen oder aus dickeren Stoffen alter Mäntel mit eingearbeitet, damit Unebenheiten nicht so leicht durchgetreten werden. Zuletzt wird an der Sohlenseite ein Sau- oder

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❚ Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides)

Kalbsleder, manche verwenden auch eine alte, abgefahrene Rad- oder Autoreifen-Decke, angenäht oder angeklebt, damit die Schuhe nicht zu schnell abgenutzt werden. Der Schuster Hermann Duftschmid verwendet als Sohlenbelag einen unverwüstlichen Filz, welchen er als Abfallprodukt aus der Papierfabrik erhält, und näht seitlich einen Besatz an. Auf der Sohle klebt er einen griffigen Absatz auf. Eine gut eingearbeitete Näherin benötigt ungefähr zehn Stunden für die Verfertigung eines Paars Grasschuhe.

Nähgarn und „Schusterdraht“ Als Nähgarn verwenden die Raschschuhfrauen heute den geflochtenen, imprägnierten und sehr reißfesten Forellenfaden und Herr Duftschmid z.B. Kunststoffschnüre aus Verpackungen. Früher war der wenig lang haltbare Spagat als Faden oder aber der sehr reißfeste „Schusterdraht“ verwendet worden. Bei Letzterem wurden sechs Fäden des Flachs- oder Hanfgarns an einem Haken an der Wand befestigt und zu einem dickeren Faden über dem Knie mithilfe des Handballens zusammengedreht und dabei immer wieder mit der festen Knetmasse des „Schusterpechs“ (Lärchen- oder Fichtenharz, Bienenwachs und etwas Schweinefett miteinander heiß gemacht) eingerieben. Durch die drehenden Bewegungen wird das Schusterpech in die Mitte des Fadens gebracht, wodurch er noch reisfester und haltbarer gegenüber Wassereinflüssen wird. Mit einem bewachsten Lappen werden die Fäden noch einmal mit der HarzBienenwachs-Masse nachgestrichen, damit sie wasserabweisend bleiben und sich beim Nähen besser durchziehen lassen.

Ureigenes und gesundes Schuhwerk Das geflochtene Grasschuhwerk mit Ledersohle oder die sogenannten „Fetzenschuhe“ aus umwickelten Stoffresten wurden früher in Hofnähe oder für die Arbeit im Freien das ganze Jahr getragen. Nur für schwere Arbeiten und weite Märsche gab es die echten und teuren Lederschuhe. Als sich in späterer Folge die Lederschuhe in allen Haushalten durchsetzten, dienten die leichteren, flachen Rasch-Patschen als Hausschuhe.

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❚ SOMMER

Selten schwitzt man in den Patschen. Die geflochtene Segge bedingt eine rasche Aufnahme des Fußschweißes und gute Durchlüftung der Fußsohle. Die „Grasschuhe“ sondern den Schweiß auch schnell wieder ab, halten die Füße gut warm, und durch das Gehen erfolgt eine Fußmassage. Wegen der Aufnahme der Feuchtigkeit wurde auch nassgewordenes Schuhwerk mit Seegrassegge-Strängen ausgestopft. Das Gras wurde zur Trocknung aufgehängt und immer wieder verwendet. Wegen der schnellen Abnutzung der Patschen musste die hohe Nachfrage nach diesem Schuhwerk abgedeckt werden. Insofern gab es Spezialisten, welche sehr gefragt waren und in ihrem Namen das „Rasch“ trugen. Auch größere Vorkommen des Raschs in der Landschaft prägte folgende Hofnamen wie z.B. Rascher, Raschauer, Raschbacher, Raschbauer, Raschberger, Raschbichler, Raschböck, Raschdorfer, Raschhofer, Raschl, Raschmacher, Raschmeyer, Raschner, und vielleicht entstammen die Namen Raschke oder Raschko ebenso dem Zusammenhang rund um die Nutzung der Seegras-Seggen.

Geschickte Verwerter Im Inn-, Hausruck- und Traunviertel Oberösterreichs hat sich bis h ­ eute die Herstellung von Waldgras-Patschen erhalten. Die umtriebige St. Geor­ gener Frauengruppe der „Raschfrauen“, unter der Leitung von Maria Enthammer, hat in vielerlei Hinsicht die einst gelernte, primitivere Ausführung perfektioniert und merkt dazu an, dass Rasch-Patschen wegen der aufwändigen Ernte und Handarbeit in Massen nicht herstellbar sind. Auch der pensionierte über 80-jährige Briefträger, Schuster und Bauer Hermann Duftschmid aus Manning fertigt seit geraumer Zeit ebenfalls wieder „Rasch-Patschen“ und „Rasch-Schlapfen“ (bzw. Pantoffeln) für den Hausgebrauch in mühsamer Heimarbeit an. Er verschickt sie mittlerweile sogar nach Deutschland und manchmal in die USA. Die Leute waren ungemein gute Verwerter aller möglichen Materialien. Als Basis dienten Rohstoffe aus der Natur, und als Hilfsmittel nutzte man alte, verbrauchte Gewandstücke, Lederabfälle und Schnüre, ja sogar abgenützte Autoreifen oder Spannteppiche als Sohlenbeläge. Und zu guter Letzt war das Material, wenn es ausschließlich aus Naturmaterialien bestand, unbedenklich verheiz- oder verrottbar.

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❚ Das Rasch – Über die Verwendung der Seegras-Segge (Carex brizoides)

Löscheimer aus genähten Rasch-Flechtsträngen Zu guter Letzt sei noch eine hochinteressante Verwendung von Hermann Duftschmid wiedergegeben: Denn Druckwasserspritzen, Blechund Metalleimer zur Brandbekämpfung existieren noch nicht so lange wie das Weiterreichen von Wasserbehältern von Hand zu Hand. Die Leute verwendeten früher für die „Eimerkette“ Holz-, Leinen-, Lederund Falteimer oder geflochtene Eimer dafür. Als Flechtmaterial dienten u.a. Stroh, Bast, Weidegeflecht, Hanf, Maisfiedern, Rohrkolben und eben auch das Rasch. Hermann Duftschmid zeigte mir vor fünfzehn Jahren, wie sie früher aus der Seegras-Segge zum Feuerlöschen leichte Löscheimer herstellten. Spiralförmig wurden die dicht geflochtenen Raschzöpfe fest zusammengenäht. Diese Behältnisse waren leicht und gingen nicht kaputt, wenn sie auf den Boden fielen. Vom Volumen her fasste ein „Rasch-Löscheimer“ bis zu 7 Liter Wasser. Dies kommt einem Gewicht von ca. 9 kg gleich. Damit sie ein längeres Wasserhaltevermögen besaßen, wurden sie innen mit warmen Harz-Wachs-Fett-Gemischen verschmiert oder mit Teer verpicht. Am Ende dieses Kapitels soll die Verwendung der Raschzöpfe als Bindematerial erwähnt werden. Da das Sauergras sehr strapazierfest ist, flocht man damit Bindestränge, welche zum Zusammenbinden von Anzündholz (feine „Spreisseln“, gespaltenes Kleinholz …) oder ZündReisigbündel diente. Aufgerollter Leinenstoff, aber auch Getreide- oder Flachsgarben wurden auf dem Feld mit den Raschzöpfen gebunden und auch die Bohnenstangen, welche man vom Feldacker oder Garten im Herbst heimholte, um sie geordnet unter Dach zu lagern. Solche „Schnüre“ wie auch jene der Brennnessel hielten länger als z.B. Spagat. Für die große Gastfreundschaft, die spannenden Berichte, die wertvollen Informationen für die Nachwelt und die Überlassung von Foto­ material sei Maria Enthammer, Brigitte Hauke und Christl Gruber aus St. Georgen, Hermann Duftschmid und Marlene Lesiak aus Man­ning/ Ottnang sehr herzlich gedankt.

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❚ HERBST

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HERBST

Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz aus dem Haselstrauch (Corylus avellana) Die Gewöhnliche Hasel (Corylus avellana) ist ein uns vertrauter Strauch aus den Aneignungsgeschichten unserer Kindheit. Mit den biegsamen Ruten wurde gebastelt und gewerkt, Hütten gebaut, Schlag- und Wanderstöcke geschnitzt und die Ernte der Nussfrüchte füllte ganze Nachmittage aus. Mit dem Haselstrauch verbinden wir Erfahrungen und Erinnerungen. Die bewirtschaftete Haselhecke als lineares Grenzelement war als lebender Viehzaun zugleich sparsam im Platzverbrauch und als Lieferant von Naturgütern äußerst produktiv und regenerativ ertragreich, indem sie der Bauernwirtschaft und Landlosen Holz, Futter und Streu lieferte. Man hatte sich früher alles, was dieses vielstämmige Birkengewächs lieferte, zum Leben angeeignet und damit „gehaushaltet“: Zu nennen seien die Blütenkätzchen, stumpf-eiförmigen Knospen und Rinde zum Strecken des Essens, das Stangenholz zum Flechten für Körbe und Wände, das Holz für Kohle oder Wünschelholz verwendet, die Wurzel für spezielles Drechslerholz, die behaarten ovalen Blätter in der Not als Nahrungs- und Futtermittel, die Nüsse als energiereiche Rohkost und zur Herstellung von Öl u.v.m. Bis heute sind diese subsistenzkulturellen Verwendungsmöglichkeiten abhandengekommen, denn bis auf die Nussfrüchte haben die anfallenden Produkte der Hasel an Wert verloren. Der Strauch steht heute in der Landschaft den Maschinen im Weg und hat in den Gärten lediglich eine Zierfunktion zu erfüllen. Nicht einmal den Wert der Böschungsund Hangstabilisierung durch das tief- und breitstreichende Wurzelsystem und die Humusbildung durch den Laubfall in den Wäldern kann der moderne Mensch schätzen. Der Nach- oder Altweiber-Sommer wird unter anderem durch die glitzernden Tauperlen an den silbergrauen Spinnennetzen angezeigt. Das bedeutet, in frühherbstlichen Tagen beständiger Schönwetterlagen „weiben“ die Spinnen ihre Fäden, die sie aus dem Hinterleib absondern und sich so Mithilfe leichter Thermik durch die Luft treiben lassen. Tagsüber verdunsten die Wassertropfen zumeist. Dieser „Zweite Sommer auf den stets Verlass ist“ kann mehrere Wochen andauern.

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Über den Haselstrauch Das Vorkommen der Sommerwärme liebenden Hasel zeigt uns in den Berggebieten und rauen Lagen an, bis auf welche Grenz- bzw. Höhenlage Getreide-Ackerbau betrieben werden kann. Haselsträucher bilden unter guten Wuchsbedingungen bis acht Meter lange Stangen aus. Selten gelingt ein baumförmiger Wuchs. Die sichelförmig ausladenden Haselhölzer können an Bachufern einen Durchmesser von bis zu 35 cm bekommen. Die Büsche besitzen die Fähigkeit, bei einer Stocksetzung knapp über dem Boden wieder voll auszutreiben, was man sich in der „Stockausschlagwirtschaft“ zur Brennholzgewinnung früher zunutze machte. Das Alter der Haselstöcke kann bei kontinuierlichem Abtreiben der mehrjährigen Austriebe durch eine bäuerliche Nutzung bis über 300 Jahre betragen. Die neuen, jungen Zuwächse der Stockausschläge übersteigen in einem guten Jahr zwei Meter. In den Folgejahren setzt die Hasel an Dicke und in Seitenverzweigungen zu. Wenn wir Haselnusshaine beobachten, bemerkt man die weiten Abstände der Haselstöcke zueinander. Das rührt vom weit auswachsenden Wurzelsystem her und weil die Wurzeln der einzelnen Stöcke zueinander einen Abstand wahren und deshalb sich voneinander entfernen.

Blütenkätzchen – der Pollen liefert Phosphor für die Felder Die Blüten sind getrenntgeschlechtlich angeordnet. Schon im Sommer des Vorjahrs beginnen die Sträucher die männlichen Kätzchen auszubilden. Die hängenden, festen Gebilde sehen wie Würstchen aus. Nach längeren Wärmetagen im Frühjahr, bevor die Blätter schieben, strecken sie sich und werden locker, damit vom Wind der Pollen verblasen werden kann. Aus den Fruchtknospen der vorderen Feinäste treiben dann die zarten, kaum sichtbaren, roten Narbenfäden der weiblichen Blüten aus, um mit ihrer schleimigen Oberfläche den Pollen „aufzufangen“. Pollenfunde aus den Mooren bestätigen das sehr häufige Auftreten der Haselsträucher bis vor 10.000 Jahren. Zu dieser Zeit musste die Hasel wohl in unseren Breiten eines der am weitest verbreiteten Gehölze gewesen sein, von denen sich verschiedene Lebewesen ernährten.

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Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

Mit den ersten warmen Tagen im auslaufenden Winter und vor dem Laubaustrieb blüht der Haselstrauch. Im Pollen befinden sich wertvolle Spuren- und Makroelemente und die „Kätzchen“ oder „Würstel“ verwendete man zum Strecken der Nahrung.

Der Pollen der Würstchen dient neben jenen der Weiden als erstes Bienenfutter nach dem Winter. Er enthält vergleichsweise viel Phosphor, Magnesium, Schwefel, Mangan, Chlor und Kupfer. Diesen Zusammenhang kannten die Alten, und mein Firmpate, Josef Schöndorfer, Fumabauer (von Fuhrmann) vom Abersee, erzählte von diesem Aspekt, wenn wir im Frühjahr am Haselhag entlanggingen und der Wind den Pollen auf die Felder austrug. Die Kätzchen und Knospen wurden in Notzeiten zum Strecken der Nahrungsmittel verwendet. Man trocknete sie im Backofen und zermahlte sie zu einem Pulver. Für den Menschen hatte das Gehölz in der mittleren Steinzeit, „der Haselzeit“, wie diese Phase benannt wurde, sein Hauptgewicht in der Nussverwendung. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden in Gefäßen und an den Abfallorten große Mengen von Nussschalen gefunden. Daraus lässt sich auf die immense Bedeutung für die Ernährung

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schließen. Nicht aus Kultgründen, sondern vom Nahrungszusammenhang her galt die Hasel als das Symbol für die Fruchtbarkeit und Nahrungssicherheit, wohl aber mehr für das Überleben der Menschen. Schon damals wurde sie vielfach als zähes Werkholz verwendet und ist bis heute als Gefache-Flechtmaterial der Fachwerkhäuser, Körbe, der geflochtenen Fuhrwerke-Wangen und für die Dachdeckerarbeiten mit Schilf oder Stroh verewigt.

Haselnussgärten und ihre Nutzungen Die Hasel kommt als Unterholz der lichten und sonnigen Wälder oder am sonnigen Waldrand vor. Je stärker sie überschirmt wird, umso weniger Nussfrüchte trägt sie, und bei voller Beschattung wird sie verdrängt. Sie benötigt sonnige und zumindest sommerwarme Lagen, ist aber relativ frostresistent. Sie liebt teilweise sickerfrische bis trockene Gebirgsschutt- und Lehmböden. Weniger häufig findet man sie auf Nordhängen. Ohne Weiteres ist sie in sommerwarmen Nordlagen in unseren Gärten pflanzbar. In manchen Regionen des Alpenraums kann man noch eigens angelegte, hausnahe und sehr homogene „Haselgärten“ oder gleichförmige Haselhecken entdecken. Sie waren für den Erhalt von Nüssen wesentlich. Diese energiereiche Nahrung wurde für den Winter in Gefäßen, Rinden- oder Flechtbehältern oder aufgehängten Säcken gelagert. Von den Sträuchern erntete man nicht nur Früchte, sondern bereits bei der Holzernte im Winter oder erst im Frühling die männlichen Kätzchen (Würstchen), wie auch die Knospen oder Rinde von den geschlagenen Trieben. Das Sammelgut frühsommerlicher Blätter wurde rasch getrocknet und in Behältern gelagert. Daraus bereitete man Laubmehl zum Strecken des Brotmehls. Wenn man es benötigte, trocknete man es nach und zerrieb es zum Untermischen. Sobald die ersten Nüsse reif geworden sind, sieht man Hasel- und Feldmaus, Nuss- und Tannenhäher, Krähen, Elstern und Eichhörnchen, wie sie diese verzehren und emsig zu den Bevorratungsnestern eilen. Sie beginnen damit schon im August („Augstnuss“ nennen sie die Schwaben) und genießen bereits einen Großteil der Früchte im Herbst. Angelegte Haselgärten, wie sie z.B. in aufgelassenen Gebieten

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Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

Der Haselstrauch ist ein Windbestäuber, obwohl der Pollen als Nahrungsquelle von den Bienen genutzt wird. Die Hasel besitzt getrenntgeschlechtliche Blüten. Bild oben: Männliche Blüten, Kätzchen oder Wüstel, welche den Blütenstaub freigeben. Bild unten: Die roten Narben der weiblichen Blüten aus der Knospe hervorragend, in der die Anlage der Nussfrüchte enthalten ist.

im Tessin (Schweiz) noch zu finden sind, lagen in der Nähe des Gehöfts oder Hauses, damit Hunde oder Kinder Vögel und Kleinnager verjagen konnten. In den als Weiden genutzten Haselgärten finden sich nutzbare Pilze, in den wärmeren Lagen vor allem Trüffeln.

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An den frisch geschobenen Trieben und an den Blattstielen befinden sich rötliche Haare mit wohlduftenden Drüsenausscheidungen, welche vor allem bei Regen intensiv riechen. Über den Sommer vertrocknen diese Drüsenhaare.

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Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

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❚ Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

Sommer-Brennholz und Flechtrutenproduktion Jeden Winter wurde von einer Teilfläche das Holz der Sträucher vollständig abgeerntet, sodass sie aus den Wurzelstöcken neuerlich austreiben konnten. Das geschlagene Holz trocknete rasch und diente bereits einige Monate später als sogenanntes „Sommer-Brennholz“. Damit wurde die beim Kochen benötigte schnelle Hitze erzielt und doch nicht allzu sehr die Räume aufgewärmt. Im Winter heizte man mit Birkenreisig, Hasel- oder Nadelholz an und hielt danach die raumwärmende Hitze ausschließlich mit Hartholz. Nur ganz altes und verkrüppeltes Haselholz ist lediglich als Brennholz zu verwenden. Insofern stellten die Haselstrauchanlagen Stockausschlagwald- oder Niederwaldkulturen dar, welche man in ganz Europa als Relikte entdecken kann. Alle 5 bis 7 Jahre kamen für den Erhalt von Flechtmaterial die Sträucher im Winter neuerlich unter die Hacke oder Säge, wenn sie eine Stärke von 5 – 7 cm im unteren Bereich und bereits eine graue und raue Rinde aufwiesen. Je langsamer die Hasel gewachsen war, umso feinporiger und zäher gestaltete sich das Holz aus und umso feiner war es zu spalten, umso besser konnte man es biegen und es ergaben sich dauerhaftere Korbwaren. Die abgeernteten Bereiche veranlassen einen regelmäßigen, gerade gewachsenen und dichten Neuaustrieb mit parallel angeordneten Trieblingen ohne Verzweigungen. Die zarten, runden Jungtriebe besitzen ein Mark und sind behaart. Gegen die Triebspitze hin befinden sich rotbraune Drüsenhaare, welche beim Drüberstreifen einen wunderbar parfümartigen Duft verströmen. Die jährlichen Seitenverzweigungen wurden mit Messer oder Baumschere entfernt. Die geradschaftigen, um 2,5 – 3 m hohen Haselschossen dienten als Ausgangsmaterial für die gespaltenen Flechtstreifen. Über die Herstellung der Flechtspäne und die Verwendung der spaltbaren Haselstangen als Flechtmaterial wurde von uns bereits im Heckenbuch (s. Kurz, P. et al 2001: 200ff.) Näheres berichtet.

Die Haselnüsse stehen symbolisch für die Fruchtbarkeit. Sie bildeten in den Urzeiten wegen ihres hohen Energiegehalts eine überlebenswichtige Nahrung, weshalb sie durch Trocknung in großen Mengen bevorratet wurden. Bei großer Ernte presste man ein Kochöl daraus und verwertete den Presskuchen für Backwaren oder als Tierfutter.

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Die Wurzel des Haselstrauchs vermag sehr gut die Hänge zu stabilisieren, weshalb dieses Gehölz früher zur Hangsicherung im Wegebau, auf Ackerböschungen und Weiden und auf Steinlesehaufen eingesetzt

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Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

wurde. Sogar Stein-, Felsbereiche und Trockensteinmauern vermag die wärmeliebende Hasel mit dem Wurzelstock flächig zu überbrücken und einen Nutzen daraus zu ziehen.

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Die Haseln lieferten das wichtigste Flechtmaterial, da es sehr stabile und leichte Flechtwaren ermöglichte, die den Strapazen der bäuerlichen Haus- und Feldarbeit gewachsen waren. Hans Reiter aus Anras (Osttirol) beim Spalten der Schienen (Wittern) aus astfreien Haselstangen und Verflechten zwischen den Rippen.

Spezielle Holzverwendungen Das Holz der Hasel wurde für Werkzeugstiele, Hirten-, Schlag- oder Spazier­stöcke verwendet. Für strapazierfähige Nutzungen ist nur langsam gewachsenes Holz zu gebrauchen, das man aus regelmäßigem Schnitt erhält. Das zähe Holz diente der Verwendung von Fassreifen, zum Binden der Gebsen, welche zum Aufstellen der Milch- und Rahmgewinnung verwendet wurden, gebrauchte man für Bindereifen mancher Bottiche und für die Eimerbänder, bevor die Eisenringe eingeführt wurden. Die Küfner richteten größere Lager mit Haselruten ein, bearbeiteten sie fein säuberlich zurecht, indem sie diese entrindeten und auf genaue Maße zurichteten. Sie banden sie zur Lagerung in Ringe zusammen und hängten sie auf Holzstangen auf.

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Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

Das im Winter oder Frühling geschlagene Holz des Haselstrauchs ist ein vorzügliches Sommerholz zum Kochen, denn es erzeugt eine schnelle und hohe Hitze, die aber nicht allzu lange andauert.

Selbst die Wurzelstöcke wurden ausgegraben, da dieses zähe Holz für die Drechslerarbeiten wesentlich war. Aus dem Holz bereitete man Kohlepulver, welches man zum Schreiben und Zeichnen, für Farben, zur Herstellung von Schießpulver und für medizinale Zwecke, wie etwa bei Darminfektionen, verwendete.

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Die Grundstücks- oder Schlaggrenzen waren mit Haselgehölzen gesäumt. In Gegenden, wo die Leute keinen Wald besaßen, diente die Haselhecke als wertvoller Werkholz-, Korbholz- und Brennholz-, wie auch als Futterlaublieferant (Pielachtal, Land Nieder­österreich).

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❚ Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

In vielen Gegenden reiften lange Zeit noch bei den Bauern Äpfel und Birnen in den Lagerräumen auf Haselnussgestellen oder -gittern nach, da diese sehr wenig anfällig gegen Schimmel sind, oder wurden auf Hasel­laub oder Farnwedel gelagert. Zur Herstellung von bekömmlichem Essig wurde Apfelmost nicht nur in Buchenspäne, sondern auch in den Spänen der Hasel gelagert. Zur Klärung schlechten Biers oder Weins verwendete man ebenfalls die feinen Späne des Haselholzes.

Haselzauber und Symbole Der Haselstrauch und seine Früchte gelten bis heute als Glücksbringer und Symbol für die Vitalität und Langlebigkeit bei voller Gesundheit, allgemeine Fruchtbarkeit, Sexualität, Frühling und Beginn guter Geschehnisse und in Erfüllung gehende Wünsche. Kinder, welche aus einem Seitensprung herrührten, nannte man „aus einer Haselstaude entsprungen“. Haselzweige standen symbolisch für den Frieden, indem damit Grenzen abgesteckt wurden. Im österreichischen und bayrischen Alpenvorland bestehen heute noch Heckenlandschaften, bei denen im Mittelalter Haselsträucher als Ast-, Flecht-, Schnitt-, Stock- oder Kopfhecken angelegt wurden. Teils sind „Umfriedungen“ gut erhalten, und teils findet man Relikte von den Grenzmarkierungen vor (Kurz, P. et al 2002), wo mit den Gehölzen alle Wirtschaftsflächen eines Betriebes außen umheckt wurden. Daran waren auch andere Gehölze beteiligt. Die Leute sahen im Haselhag eine abwehrende Wirkung gegen Eindringlinge und Raubtiere. Die Höfe in den Ebenen wurden früher zum Schutz gegen berittene Angreifer in breitflächigen Bändern mit Haselsträuchern umpflanzt. Diese Wehrhöfe nannte man „Haslerhöfe“ und die dazugehörigen Strauchbereiche „Has(s)elwälder“.

Hecken und Grenzmarkierungen Zäune und dichte Hecken trennten die dorfnahen Gärten und Äcker von den entfernter gelegenen Weideländern, zu denen Triftgassen hinaus führten. Diese Landschaftselemente unterstützten die tägliche Hirtenarbeit und Weidewirtschaft des Dorfes und schützten vor dem Ein-

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dringen der Tiere auf die Wiesen und Äcker. Die Heckengehölze boten mit Reisig, Blättern, Früchten und Saumvegetation auf natürliche Weise das Mineralstoff- und Medizinalfutter während des Weidegangs. Die meisten Heckenanlagen Europas sind zu Beginn der Neuzeit und im Barock als Kompensationsmaßnahmen für die Verdrängung der Bauernwirtschaft aus den Wäldern und um z.B. Zaunholz zu sparen von Herrschaften installiert worden. Die Produktion von Zaunholz aus Stock- und Kopfhecken schien produktiver zu sein als aus der Waldnutzung. Doch die Grundherrschaften und Regierungen fanden schon immer obskure Gründe für unmittelbare und faktische Enteignungen.

Das Holz gegen Blitzschlag und für Wünschelruten Haseln zählte man zu den Blitzschutzgehölzen. Deshalb findet man die Palmbuschen, die aus Haselstangen bestehen und auf den Feldern als Schutz vor Naturkatastrophen eingesteckt oder in den Häusern auf dem Plafond aufgesteckt werden. Auch in die Fenster werden Haselruten oder Zweige als Schutz vor Blitzschlag und als Zeichen des Friedens gestellt. Sie sollen das Haus schützen und die Ernte der Äcker sichern. Bei einem aufziehenden Gewitter wirft man einen Zweig davon auf die Ofenglut, damit der weichende Rauch vor Blitzschlag schütze. Neben der Esche zählt der Haselzwiesel ebenfalls zu den Wünschelruten-Hölzern, da er offenbar Energie fließen lassen kann und damit Erze, Erdstrahlen und Wasseradern festgestellt werden können. Die gegabelten Zweige erntet man zu Sonnwende oder Fastnacht ohne Metallwerkzeug. Sie werden entrindet und langsam getrocknet, ehe man sie als Wünschelholz bearbeitet. Mit ihnen können Wasseradern, Quellen, Energiestrahlen und -felder eruiert werden, die mit Pfählen abgesteckt den Verlauf anzeigen, weshalb manche die Wünschelrute in der Geomantie und zum Wasserquellenfinden einsetzen. Ebenso nutzte man in Notjahren die pulveri­ sierte ein- bis zweijährige Haselrinde zum Strecken der Nahrung, damit man über den Winter kam. Sie hat heilwirksame Bedeutung.

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❚ Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

Naturbeobachtungen nutzbar gemacht: Die durch Windsturm verletzte Hasel scheidet an den Verwundungen harzartige Ausscheidungen aus und lagert solche vermehrt in die äußeren Holzschichten ein. Durch bewusste Verletzungen wie z.B. Messerschnitte kommt es ebenfalls zu Haselharzeinlagerungen und somit zu einem Wundschutz und einer Verstärkung der äußeren Holzschichten. Solcherlei entstandene „Starklsteckn“ der Wanderer, Hirten und Jäger sind „erstarkt“ und eben wesentlich stabiler, strapazierbarer und langlebiger.

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Zur Heilwirkung des Haselstrauchs Der schwefelgelbe Pollenstaub diente als Reizmittel zum Niesen. Die im Winter und Vorfrühling geernteten wurstartigen Blütenkätzchen besitzen eine schweißtreibende und fiebersenkende Wirkung und werden im „Grippetee“ eingesetzt. Für die Verdauungswege wirkt der „verdünnte“ Tee stärkend und entzündungshemmend. „Haselkätzchen wurden hustenden und lungenkranken Tieren unter das Futter gemischt. Die männlichen Blüten fanden als Heilmittel gegen ,faulige‘ Krankheiten bei Schafen Anwendung“ (s. Kurz, P. et al 2001). Unsere Ziegen nahmen die Knospen und frischen Blätter im Grunde genommen bevorzugt im Frühling auf, um das dick gewordene Winterblut zu reinigen und den Körper zu entgiften. Im Herbst ignorierten die Tiere die Haselblätter. Der Mensch nutzte die Blätter als Blutreinigungstee oder für Umschläge zur Heilung von Wunden und Geschwüren. Gabriela Nedoma hebt mehrfach die besondere Wirkung für die Wundheilung von Pulver verschiedener Haselteile im Mittelalter hervor. Die Rinde junger Haselzweige, im Herbst geerntet, fand als Tee wegen der Tannine, Harze, ätherischen Öle, Vitamine, Flavonoide, Palmitinsäure und Mineralstoffe gegen die Fettleibigkeit Einsatz und diente vornehmlich zur Herbstentschlackung. Die Lebertätigkeit wird durch Knospen und Triebspitzen angeregt, Auszüge mit den Knospen hergestellt wirken bei Lungenbeschwerden, Bronchitis und Lungenemphysemen (vgl. Nedoma, G. 2014). „In der kosmetischen Anwendung wird destilliertes Wasser der Zweige und Blätter als leicht adstringierendes Tonikum verwendet“ (Kurz, P. et al 2001), weshalb es für die Hautstraffung und -pflege und zur Blutstillung eingesetzt wurde. Wegen der blutgefäßverengenden Wirkung sollte man Teeaufbereitungen stark verdünnt und nur über einen Zeitraum von 14 Tagen verwenden. Die eiweiß- und fettreichen Haselnusskerne geben dem Körper Energie.

Das Öl aus den Nussfrüchten Die Nüsse sind eine sehr begehrte Rohkost, und man verwendete sie zur Gewinnung von Öl. Die getrocknete Nussfrucht enthält etwa 60 % 282

❚ Haselgärten, Nussöl und Wünschelrutenholz (Corylus avellana)

Öl und 8% Kohlehydrate. Im Haselnussöl finden sich etwa 85 % Ölsäure. Der Rest enthält Palmitinsäure zu Stearinsäure im Verhältnis 10:1 und Glycerin (lt. Hanus, J. 1899). Sie enthalten keine kratzenden Inhaltsstoffe, wie etwa manche Walnusssorten, und sind mild im Genuss. „Das durch Extraktion dargestellte gereinigte Oel ist hell, von goldgelber Farbe, angenehmem Geschmack und einem Geruche, welcher an frische Butter erinnert“ (Hanus, J. 1899). Das Haselnussöl wird von der kosmetischen Industrie wegen der erweichenden Eigenschaften verwendet. Es hat einen besseren Ruf als das Olivenöl, muss aber schneller verbraucht werden. Die schlechte Haltbarkeit ist wohl der Grund, weshalb es in unserer kapitalakkumulativen Gesellschaft für das Profitmachen nicht geeignet ist. Es können mit diesem gut schmeckenden Speise-, Uhren- und Musikinstrumentenöl keine Überschüsse und Gewinne gemacht werden. Gefälschte Nussöle erhielt man, indem über den ausgepressten Haselnusskuchen Mohn- oder Leinöl gegeben wurden und man es zwei bis vier Tage lang ansetzte und danach diese Mischung entweder kalt oder warm auspresste. Auch Oliven- und Mandelöl wurden zum Strecken oder Fälschen von Haselnussöl verwendet. Den Presskuchen kann man für Backwaren oder als Mastfutter verwerten.

Für die Farb- und Essigherstellung Firnis muss nicht unbedingt aus Leinöl hergestellt werden. Die Haselnüsse ergaben ebenfalls ein Firnisöl, schreibt Hermann Wagner (1905), welches für die Herstellung von Farben wichtig war. Unter Zugabe bestimmter Säuren oder Laugen erhält man verschiedene Farbtöne. Gibt man z.B. Schwefelsäure bei, so entsteht anfangs eine grüne und später eine rotbraune Farbe, bei Natronlauge erhält man eine orangegelbe Seife, Fleischfarben entstehen unter Beigabe von Salpetersäure. Mischt man diese Säuren und Laugen in das Öl nacheinander, dann ergeben sich weitere Farbnuancen (vgl. Hanus, J. 1899). Aus dem Pollenstaub erzeugten die Maler ein Schüttgelb.

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Das Birnenmehl als Süßstofflieferant und vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten In der offenen Landschaft findet man immer wieder alte, kleinfruchtige Birnensorten, welche früher als Dörr-, Haushaltsobst oder spezielles Schnapsobst hoch geschätzt wurden. Frisch geerntet haben sie kein Aroma und schmecken sauer. Werden sie teigig, so kann man ihnen guten Geschmack abgewinnen. Nach der Maische getrocknet und gemahlen, kann das fruchtige, leicht süße Birnenmehl vielseitig in kalten Speisen, als süße Würze auf Breie, gekochte Mehl- und Milchspeisen, als Nudelfülle sowie zu Käse und Desserts verwendet werden. Vor allem in den Gebirgstälern sind alte Birnensorten verbreitet, welche früher für die Herstellung von Birnenmehl als Süßungsmittel dienten, lange bevor der Zucker in unseren Breiten Einzug nahm.

Nach dem Vorbild meines Großvaters, Matthias Eisl – ehemals Leitnbauer in Strobl, setzte ich an der Ostwand des Stalles einen Birnbaum, welcher auf Spalier erzogen uns mittlerweile köstliche Speisebirnen liefert. Daraus werden Kletzen- bzw. Dörrbirnen und daraus wird wiederum Birnenmehl hergestellt.

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In der Nähe der Häuser und Höfe pflanzten die Leute verschiedene Birnensorten mit unterschiedlichen Standortsansprüchen und für zielgerichtete Gebräuche. Eine der Hauptnutzungen war die Süßstoffherstellung aus geeigneten Dörrbirn- und Mehlbirnsorten.

Vorteile der Extensivsorten Auf den extensiven Weiden findet man alte Kulturobstsorten, die häufig den Anschein verwilderter Gehölze vermitteln. Aber dahinter verbergen sich alte, sehr vielfältig nutzbare Sorten, welche aus der Selektion wilder Sorten entwickelt wurden. In den Süd-, Ost-, Nordtiroler und Kärntner Alpentälern erinnern sich heute noch die Alten an die Verwertungsmöglichkeiten. Als Wanderhändler lieferten die Leute Birnenmehl in andere Gegenden. Im Defereggental diente das „Pirmel“ als Tauschware. Jene aus der Protestantenvertreibung Bayerns in Siebenbürgen ­angesiedelten Leute brachten die Kloazn- und Birnenmehl-Kultur dorthin. Diese „Wildbirnen“ stellen u.a. die Veredelungsunterlage für andere Dörrbirnarten dar. Die „wilden“, anspruchslosen Birnbaumsorten hatten auf den rutschgefährdeten Steilweiden die Aufgabe, mit den Wurzeln das instabile Gelände und die unteren Ackerterrassenkanten zu halten. Die kleinfruchtigen Sorten können auf kargen Böden, wo selten Dünger hinkam, gut gedeihen und die trockenen, steinigen oder nährstoffar-

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men Standortsbedingungen ausnützen. Da sie auf den Lesesteinhaufen und -zeilen wild anwachsen, nennt man sie auch „Geröllbirnen“. Und genauso steinig wie die Standorte waren dann die Früchte mit Steinzellen (Sklerenchymzellen) durchsetzt. Das war auf die Karg- und Trockenheit der Standorte zurückzuführen. Extensive Birnbaumsorten mit starker Neigung zur Sprossdornenbildung wurden auf steinigen, unproduktiven Flächen und Rändern, welche für Acker- und Grünland nicht taugten, zur Gewinnung des Birnenmehls und geschmacklichen Aufwertung von Most, Essig und Schnaps angepflanzt oder gefördert. Aus den reifen Früchten der „Wildbirnen“ presste man Birnensaft und gewann den wertvollen Sirup als Süßungsmittel, welcher auch als „Durchfallmedizin“ gehandelt wurde. Früher nutzten die Bauern auch die Samen zur Gewinnung des „Birnbaumöls“. Die Früchte waren nur nutzbar, indem man sie maisch werden ließ, heiß dörrte und zu Mehl stampfte oder fein zermahlte. Im kühlen Keller lagerte man sie länger, musste sie allerdings ab und zu überklauben. Je nach Sorte war das unverletzte Pflückgut noch nach Weihnachten herrlich süß und essbar. Es wirkte anregend auf die Speichelbildung und Verdauung und somit gegen Übersäuerung.

Unsere Nutztiere sind Feinschmecker: Wenn im Herbst die Weidetiere, in Dankbarkeit schön geschmückt, von den Alpweiden heimfahren, suchen sie instinktiv das süße Obst der Apfel- und Birnbäume auf (Viktorsberg, Land Vorarlberg).

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Aussehen und Eigenschaften Die kleinen runden, glänzenden und langgestielten Blätter der mittelgroßen Bäume flattern ähnlich wie jene der Zitter-Pappel im Winde. Die Bäume wachsen sehr langsam. Die breite Krone mit überhängenden Ästen kann eine Höhe von 10 – 20 m erreichen. Die 3 cm großen Früchte der scheibelbirnenähnlichen Sorten haben eine flachkugelige, abgestumpft-elliptische Apfelform ohne Stielgrube. Hält man die Spitzen von Zeigefinger und Daumen zu einem Kreis zusammen, so ist in etwa die Größe der Frucht umschrieben. In unreifem Zustand ist das leicht grießige Obst grün beschalt, hat graue, leicht raue Flecken und schmeckt sperr. Schon bald im Sommer – auf den Trockenhängen bereits ab Ende Juli – beginnt der Baum kleinweise die leicht gelb verfärbenden Früchte abzuwerfen. Dann beginnt man unter den Bäumen den Unterwuchs freizumähen und hält den Boden sauber. Das Obst maischt am Boden gut vor und wird zur Endmaischung und für die spätere Dörrung auch in Kisten gelagert, bis Pektine, Fruchtsäuren und Gerbstoffe umgewandelt sind. Bald werden die Früchte vom Kerngehäuse aus morsch. Die Stängel lassen sich gut ausziehen. Die Abwurfzeit kann bis zu zwei Monate andauern. Zur besseren Handhabung schütteln die Bauern die Bäume, um das Obst rascher ernten zu können und damit es bei der Lagerung gleichmäßig ausmaischte. Die braun gewordenen Maischbirnen bleiben fest im Teig und eignen sich hervorragend zum Dörren. Die verletzten und verwurmten Früchte wurden separiert und kamen in das Maischefass, um daraus Schnaps zu brennen. Der Most z.B. aus den Scheibelbirnen diente einst zum Klären bzw. Schönen des herkömmlichen Birnenmosts bzw. Birnweins. Die meisten kleinfruchtigen Birnsorten sind zur Verwertung und nicht zum unmittelbaren Frischverzehr geeignet. Sie färben die Schale nach der Ernte und längerem Abliegen gelb und in der Maischephase braun. Im Fleisch werden sie saftig, weich, würzig-süß und braun. Damit sie als teigige Rohkost ausreifen, werden sie zwischen Stroh oder Heu gegeben oder in Decken warm gelagert. Das weiche Dörrobst wurde früher häufig als Proviant mitgenommen.

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❚ Das Birnenmehl als Süßstofflieferant – vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten

In Schnaps einlegen Halb ausgereifte, zumeist entstielte, in der Schale schon gelbgefärbte Früchte lassen sich gut in Apfel- oder Birnbrand einlegen, bevor sie innen braun werden. Ein sehr gutes Aroma erhält man durch Einlegen der Birnen in Hollerschnaps. Die äußerst bekömmlichen Früchte können zwischendurch degustiert werden. Die extensiven Kleinsorten gelten als besonders gutes Schnapsobst. Maischt man diese mit anderem Birnenobst gemeinsam ein, so bekommt das Schnapsaroma eine bessere Birnennote.

Einige der Scheibelbirnen-Sorten haben annähernd kreisrunde Früchte. Sie lassen sich mit wenig Aufwand mit „Putz und Stängel“ wie Kompott einmachen und legen ein karamellartiges Aroma an.

Verschiedene Kompotte Die in der Schale gelb gewordenen, entstielten Früchte können ebenso mit Zimtstange oder -pulver, Gewürznelke, Kardamom etc. leicht gesüßt zu einem herrlichen Kompott zubereitet werden. Auch zu Fleischoder Wildsoßen eignen sich geschmorte halbreife Birnen mit Rotwein abgelöscht. Macht man aus gedörrtem Obst Kompott, so benötigt man je nach Reifegrad der Früchte kaum Zucker. Das über die Nacht eingeweichte Dörrobst kann durch den „Fleischwolf“ gelassen werden. Auf diese Weise erhält man ein bekömmliches Birnenmus. Solch ein Brei wurde ins Kletzenbrot, in den Reindling bzw. Napf-Kuchen (Pogatschen, Woazan) oder in die Kletzennudeln als Füllung gegeben.

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Z.B. Apfel-Kompott ohne ein Körnchen Zucker: Die Dörr- oder Kletzenbirnen – wie auch Dörrzwetschken und -äpfel – dienten lange bevor der Kristallzucker hergestellt und eingeführt wurde, zum Süßen der Speisen. Entweder weicht man das Dörrobst über Nacht in Wasser ein und kocht es mit dem frisch geschnittenen Äpfeln mit. So wird die Süße in die Flüssigkeit ausgezogen.

Dörrhütten und Brotbacköfen Die Bauern hatten früher gemauerte oder hölzerne Dörrhütten, welche wegen möglicher Brandgefahr von den Hofgebäuden weiter entfernt stehend zumeist im Obstgarten standen. Es handelt sich dabei um Lehmöfen, über denen geflochtene Holzgitter mit dem zu dörrenden Obst zur schnellen Trocknung eingeschoben wurden. Beinahe jeder Bauernhof besaß einen eigenen oder mehrere miteinander einen Gemeinschaftsdörrofen. Schon ab Mitte Sommer wurde dieser Tag und Nacht geheizt, um darin Zwetschken, Kirschen, Apfelspalten oder Wildobst zu dörren und um aus den süßen Kletzen- und maischen Mostbirnen Kletzen zu bereiten. Doch für die Herstellung des Birnenmehls wurde das Obst in den Brotbacköfen rasch „dörr“ geröstet.

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❚ Das Birnenmehl als Süßstofflieferant – vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten

Das röstartige Dörren der Birnen im Brotbackofen Seitens der Sorten verwendeten die Bauern folgende für die Birnenmehlherstellung: Im Herbst werden die „Allerheiligenbirne“, „Honigbirne“, „Gelbbirne“ oder die kelchbauchige „Graubirne“ („Groabirne“; von der graugrünen Färbung der Fruchtschale abgeleitet) und andere Kloazenbirnsorten verwendet. Gut ausgereifte kleine Wild- und Holzbirnarten oder große Mostbirnen werden nach der Teigreife im Mölltal häufig nach dem Brotbacken zum Ausnützen der Restwärme bei ca. 70° C spröd gedörrt, damit sie „rascheltrocken“ pulverisierbar sind. Diese Kleinbirnen werden abgelagert und vorgemaischt. Dann gewinnen sie an Süße. Danach dörrt man sie im Brotbackofen resch, damit in der Mühle daraus ein Mehl erzeugt werden kann. Im Kärntner Liesertal machte dies noch bis vor wenige Jahre ein Bauer mit der „Graubirne“, die im September bis Anfang Oktober geerntet wird. Schon bald nach dem Abfallen der ersten Früchte beginnt man mit dem Dörren. Ein früher Beginn ist erforderlich, will man mit der Arbeit nachkommen, dauert doch der Dörrvorgang etwa eine Woche lang. Der Brotbackofen wird separat für das Birnendörren mit Hartholz (Esche, Erle), Fichte oder Lärche aufgeheizt. Nach der Entfernung der abklingenden Glut werden die Früchte – mit „Putz und Stängel“ – auf dem ausgekehrten Ofenboden verteilt und drei Tage der Hitze ausgesetzt. Dabei werden die Lüftungslöcher geschlossen, damit die Wärme möglichst lange anhält. Mit dem Holzschieber wendet man die Dörrware einmal. Danach werden die Früchte herausgenommen, der Ofen ein weiteres Mal aufgeheizt und die Birnen gemeinsam mit bereits vor-

Rasch und resch: Um Birnenmehl zu erhalten, werden zumeist kleinfruchtige und sehr zuckerreiche Birnensorten rasch und resch getrocknet, damit sie gut pulverisierbar sind.

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gedörrter Ware zur Enddörrung noch einmal auf dem Ofenboden eingeschüttet. Wenn sie im Griff resch und in der Färbung dunkelbraun sind, nimmt man sie nach weiteren drei Tagen heraus. Sie sind dann trocken gut lagerbar. Durch den sehr hohen Trocknungsgrad kristallisiert der enthaltene Zucker vollständig aus und werden Eiweißstoffe spröd.

Nachreifung – Maischwerdung: Verschiedene Sorten zur Herstellung von Birnenmehl müssen vor der Rösttrocknung maisch bzw. teigig werden, damit sich in den Früchten Zucker umwandelt.

Zu Pulver zerkleinert An der Mühle oder Stampfe am Bach wurde die Dörrware mitsamt den Stielen und dem Gehäuse gemahlen. Die enthaltenen Reste der Steinzellen, Kerngehäuse, Kerne, Kernschalen und Holzanteile gehen unverdaut durch Magen und Darm, reinigen die Schleimhäute und regen träges Gedärme wieder an. Das Mehl der gerösteten Birnen, so berichteten Gewährspersonen, stille argen Durchfall und heile Migräne und Pleuritis (Rippenfell- oder Brustfellentzündung).

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❚ Das Birnenmehl als Süßstofflieferant – vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten

Beim Mahlen verklebten sich häufig die Mühlsteine, welche zwischendurch mit harten Bürsten gereinigt werden mussten. Heute hat man dafür elektrische Zerkleinerungsanlagen, wobei die Dörrware zumeist durch Walzen gehen oder mit beweglichen, messerartigen Eisenteilen zerschlagen werden. Damit dies gelingt, dürfen die Birnen nicht biegsam und elastisch wie die naschhaften Kletzen sein, sondern müssen im Griff resch und zerbrechlich sein. Nur gedörrtes Obst zu zermahlen, wenn es z.B. nur in der Sonne oder über dem Ofen getrocknet wurde, funktioniert nicht.

Ein Bauer aus Kärnten zeigt den Dörr- bzw. Brotbackofen (mit dem Aschenloch zuvor), wo sie die Birnen getrocknet haben und die alte wasserbetriebene Holzmühle, mit der sie vor Zeiten das Birnmehl hergestellt hatten.

Die Verwendung als Süßungsmittel „Tålggn“ umschreibt ein gröberes Mehl. Beim „Birntålggn“, welcher aus dem reschen Dörren und anschließenden Mahlen entstand, handelt es sich aufgrund der zerriebenen Steinzellen um ein gröber gekörntes Fruchtmehl, welches vereinzelt auch gesiebt wurde, damit man eine feinere Mehlkonsistenz erhielt. Doch bezeichnete man zerstampfte oder gemahlene und eingeweichte und zermatschte Kletzn bzw. Klautzen im Mölltal ebenfalls als „Birntålggn“. Dieser wird für „Birnpfocker“, einen Birnenbrei, und ebenso als Füllung für den Reindling verwendet.

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Die alten Kenntnisse zur Speisensüßung aus dem Mölltal werden ­heute kaum mehr angewendet. Sie beweisen allerdings, dass man früher nicht nur den seltenen Honig oder zu Sirup eingedicktes Baumwasser zum Süßen verwendete, sondern relativ große Mengen an Dörrobstwaren und -mehlen aus Kletzenbirnen, die aufgrund sorgfältig gehandhabter Ausreifung größere Süßstoffmengen lieferten. Das Birnenmehl diente neben der Süßung verschiedener Speisen als Würzmittel für Mehlbreie, Milchspeisen, Marmeladen, Getränke, Tees, Obstsuppen etc. und wurde in der Hauptsache verschiedenen Backwaren, süßen Brot- und Kuchensorten beigemischt. Auf Kuchen wurde Birnenmehl wie Zimt, aber dicker, aufgestreut oder anstelle von Schokolade verwendet. „Birntålggn“ genoss man f­ rüher untertags als Zwischenspeise, wobei es sich um einen Birnmehlbrei aus Wasser handelte, in den etwas Schnaps eingerührt wurde. Das Birnenmehl mischte man mit Topfen oder einer Masse aus gedämpften Erdäpfeln, geschmacklich verfeinert mit gedörrten Wildfrüchten und Würzmitteln zu einer Fülle für Nudeln. Auch gekochte Feuerbohnen mit Birnenmehl anstelle von Zucker bestreut stellte einst eine typische regionale Speise dar.

Birntålggn-Nocken

Der Nockenteig wird aus Mehl, Eiern, Milch und einer Prise Salz hergestellt, daraus mit einem Esslöffel kleine Nocken geformt und diese in heißem Wasser gekocht. In einer Pfanne lässt man Butter oder Butterschmalz zergehen und gibt das Birnenmehl dazu. Dieses, gut angewärmt, wird über die abgesiebten Nocken gegeben und mit etwas Honig nachgesüßt. Zu dieser kräftigenden Speise wurde Milch getrunken.

Gefüllte Krapfen oder Nudeln

Aus Weizen- oder Roggenmehl wird ein Knetteig zubereitet und nach einer Ruhephase mit dem Nudelwalker zu dünnen, runden Blättern von ca. 20 cm Durchmesser ausgetrieben. Darauf kommt eine (Birn-)Fülle und das Teigblatt wird halbmondförmig zusammengeschlagen. In heißem Butterschmalz werden die Krapfen oder „Birnnudeln“ herausgebacken. Die süße Fülle kann aus verschiedenen Bestandteilen bestehen: Mohn, Birnenmehl, Kloazen/Kletzen, etwas Anis, Honig oder Zucker bzw. Marmelade, Nüsse, Wildobst und in anderen Variationen mit Kas294

❚ Das Birnenmehl als Süßstofflieferant – vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten

tanienmehl oder feingeraffelten Äpfeln. Wo das übliche Obst nicht gut ausreifte, verwendete man neben Mohn auch Hanf für die Füllung. Auch Nudeltaschen-Füllungen aus gekochten und geriebenen Rohnen, gemischt mit Topfen, Honig bzw. Zucker und Birnenmehl, waren geläufig.

Reindling mit Birnenmehl

Ein Reindling heißt so, weil diese Kuchenart in einem Reindl (Rein), einem typischen Kochtopf, gebacken wird. Diese Napf-Kuchenart wird auch als „Pogatschen“ und bei Verwendung von Weizenmehl als „Woazan“ bezeichnet. Auf einem ausgerollten Germteig wird ein Gemisch aus Birnenmehl, geriebenen Nüssen bzw. gehackten Zirbennüssen (Pinus cembra), Rosinen bzw. Schwarz- und Preiselbeeren (Vaccinium myrtillus, V. vitis-idaea), etwas Zimt und Honig aufgetragen und zusammengerollt. Diese Rolle legt man in eine mit Butter bestrichene Rein und lässt den Germteig mit einem Geschirrtuch leicht zugedeckt bis zur doppelten Höhe aufgehen. Im Backrohr aufbacken, mit abgeschmalztem Butter-Honig-Gemisch übergießen und in der Form auskühlen lassen.

Birnmehl-Schnuller

Kleinkindern bereitete man mit dem Birnenmehl zum leichteren Einschlafen einen Schnuller. Das Mehl wurde in einen kleinen Leinenfleck gebunden und dieses den Kindern zum Nuckeln gegeben. Manchmal mischte man auch das süßliche Mehl der Bockshörndl (= Karobemehl, aus den Schoten des Johannisbrot- oder Bockshörndlbaums, Cerato­ nia siliqua) bei. Dieses „Gamperle“ wurde zumal auch in Schnaps eingetaucht, damit die Kinder berauscht wurden und leichter einschlafen würden. Allerdings trugen solche Kinder schwere Gehirnschäden davon.

Birnmehl-Kaffee und Kaffeesurrogat

Reiner Kletzenkaffee war früher bekannt. Röstet man die Birnen stärker an, sodass sie dunkelbraun und spröd werden, so können sie leicht zu einem Mehl vermahlen werden. Kaffee aus dem Birnenmehl wird zubereitet, indem einige Löffel in Wasser aufgewallt und dies gut durchziehen oder wie einen Türkischen Kaffee aufkochen lässt. Das braune, süße Getränk kann mit etwas Milch versetzt werden. Noch in wenigen Fällen wird heute Birnenkletzenmehl zur Aromati­ sierung Kaffeemitteln in geringen Mengen beigemischt, wodurch man

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einen zumeist eigenwilligen Geschmack erhielt. Vor allem die Süße dieses Dörrfruchtmehls und die Dörraromen machten den herben Zichorienkaffee (geröstete Wurzeln der Wegwarte; Cichorium intybus) gehalt- und geschmackvoller. Als die Kaffeepreise anstiegen, griff man auf mehrere Zumischprodukte oder ursprüngliche Kaffeearten (wie Getreide, Eicheln, Esskastanie, Feigen, Löwenzahn, Queckenwurzeln etc.) zurück.

„Gemat“ oder „Ongsats“ – Eine typische Speise des Ötztals

Als „Gemat“, „Gemmat“, „Ongsats“ oder „Ångsats“ (von angesät oder aufgestreut) bezeichnete man eine kalt oder warm genossene, sehr sättigende Mehlspeise der Tiroler Alpen. Das Gericht besteht aus in Fett herausgebackenen Teigblättern – so genannte Teigplatt’ln –, welche in einer Schüssel eingelegt werden. Darauf kommt eine Lage mit einer gesüßten Mohn-Birnenmehlfülle. Lagenweise wird dies abwechselnd aufgebaut und dann in das Backrohr gegeben.

Zutaten des Teigs: Teigblätter: 50 dag Mehl, 5 dag Butter, 2 Eier, 1 EL Rum, Salz, Wasser. Zutaten der Fülle: Butterschmalz, 25 dag geriebener Mohn, 6 EL Birnenmehl, etwas Honig oder Zucker Zur Zubereitung der Teigblätter: Das Mehl leicht salzen und mit zerlassener Butter, Eiern, lauwarmem Wasser und einem Schuss Schnaps oder Rum zu einem Teig verrühren und durchkneten. Laut altem Rezept wird der Teig viergeteilt und jedes einzelne Stück so lange geknetet, bis die Masse seidenglatt und blasig geworden ist. Danach lässt man diese Teigstücke mit einem Tuch abgedeckt 30 Minuten rasten, ehe man sie zu dünnen Blättern auswalkt. Nun schneidet man mit dem Schneidradler quadratische Flecken aus, bäckt sie im heißen Fett heraus und lagert sie auf einem Sieb oder einer Küchenrolle, damit sich etwas Fett absetzen kann.

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❚ Das Birnenmehl als Süßstofflieferant – vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten

Zubereitung Fülle: Während der Teig rastet, wird die Fülle zubereitet. Sie besteht aus gepresstem bzw. geriebenem Mohn, Birnenmehl, Honig oder Zucker, wenigen Gewürzen und bis drei Löffel heißes Butterschmalz. Auch Zwetschken oder anderes Obst fand in Variationen Berücksichtigung. Lagenweise wird jeweils abwechselnd gebackenes Teigblatt und Fülle aufgeschichtet und vor dem Servieren die Speise mit geronnener Butter mit Honig etwas übergossen und mit Birnenmehl bestreut. Jeweils ein gebackenes Plattl mit der süßen Auflage wurde auch kalt gegessen. Heute erfährt diese regionale Rarität (s.: auch bei Meierbruck, F. 1981) wieder einen Aufschwung, da allgemein das Dörren von Obst wieder eine Renaissance erlebt. Eine ähnliche Speise ist auch mit einem Erdäpfel-Mürbteig machbar, indem man auf diesem Teigflecken einzeln die Mischung aus Mohn, Birnenmehl und Honig in einer dicken Lage aufträgt und leicht gesüßte, zersprudelte Eier drübergießt und ins Backrohr schiebt.

Verschiedene einfache Süßspeisen In etwas Milch versprudelt man 3 dag Mehl, 1 Ei und etwas Salz. Dieses Gemenge wird in einen ½ l kochende Milch eingerührt. Nach drei Minuten kräftigem Kochen und Rühren wird die Masse des „Mehlkochs“ zum Sulzigwerden in kleine Schüsseln gegeben. Nach dem Abkühlen bestreut man mit Birnenmehl und gibt Honig drauf. Fertig. Eine weitere Süßspeise ist folgende: Grießbrei oder dünne Mais­ polenta mit den süßen Birnenmehl bestreuen und dann mit heißer Butter oder Butterschmalz übergießen. Einfach ist auch folgendes Rezept: Gebrochene Trockenbrotteile oder Brotscheibchen werden mit Birnenmehl in eine Schüssel gegeben und mit heißem Schmalz abgeschmälzt. Man nennt dies in Osttirol „Ungemacht’s Broat“. Solche Speise wurde bei anstrengenden Arbeiten zusätzlich zubereitet. In der Steiermark, in Kärnten und Osttirol wurden auch Hutzeln, Hutzelbrot bzw. Birnenmehlkäse (ähnlich wie Quittenkäse) aus dem Birnenmehl erzeugt.

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Birn-Kloaznkäse – Weichkäse in Birnenmehl gelagert (Bild: Degust, Hans Baumgartner, Vahrn bei Brixen, Südtirol)

Der Birn-Kloaznkäse

Beim Kletzenkäse handelt es sich um eine Südtiroler Weichkäseart aus Kuhmilch mit Weißschimmel. Die Veredelung erfolgt mit Birnendestillat und Kloaznmehl. Vom weißteigigen Käse wird der Deckel abgeschnitten und an dieser Stelle mit Birnenschnaps getränktem Birnenmehl beschichtet. Dann erfolgt eine Reifungsphase von einem Monat bei einer konstanten Temperatur von 4°C, bei der die Frucht- und Röstaromen des Birnenmehls einziehen können. Der milde „Kloaznkäse“ oder „Kloaznkasl“ hat je nach Reifung eine feste oder feincremige Konsistenz, schmeckt leicht süßlich und wunderbar nach Dörrbirne. Dazu passt ein gutes Glas Weißwein. Der Südtiroler Affineur Hans Baumgartner (Firma Degust®) aus Vahrn bei Brixen stellt einen solchen Käse wieder her und beschreibt diesen: „Fruchtiger Birnenduft und leichte Röstaromen verbinden sich mit dem sahnigen Geschmack des Käses. Weiche Konsistenz, harmonischer Abgang“.

Der Kletzenpfeffer Gedörrte und entstielte Birnen („Kloatzen“) werden in Wasser am Vortag eingeweicht und bei Bedarf etwas nachgekocht und mithilfe des Fleischwolfs faschiert. Mehl lässt man in Butter anschwitzen und gießt mit dem Wasser, in dem die Kletzen angesetzt waren, auf, sodass ein fester Brei entsteht. Nun mischt man den Birnenbrei leicht gewürzt mit Zimt- und Nelkenpulver, Honig (bzw. Zucker) unter das Mehl und gibt einen Schuss Schnaps dazu. Diese leckere Speise wird kalt genossen oder einmal aufgekocht in der Pfanne oder auf Tellern aufgetischt. Ein ähnliches Rezept ist auch allein mit Birnenmehl oder nur mit eingeweichten Dörrzwetschken durchführbar.

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❚ Das Birnenmehl als Süßstofflieferant – vom Wert kleiner, halbwilder Kultur-Birnensorten

Kletzenbrot, „Brot“ und Schnapsbrennen

Für die Bereitung des Kletzenbrots (Zelten, Schnitzbrot, Hutzenbrot, Berewecke; heute sagt man Früchtebrot) im süddeutschen Raum bis nach Südtirol und Trentino wurden die gedörrten Birnen einige Stunden lang in Wasser eingeweicht und durch den Fleischwolf oder ein Faschiergerät gedreht. Dazu kamen Korinthen, Zibeben, Rosinen, Nelken, Feigen, Datteln, Dörrmarillen, geriebene Zitronenschale, glasierte Orangenschale und – wenn vorhanden Walnüsse, Mandel, Haselnüsse und ein Birnenmehl. Zum Strecken werden manchmal auch gedörrte Äpfel und Zwetschken eingebracht. Diese Masse stellt die Fülle des Kletzenbrotes dar, welches außen mit einem dünnen Brotteig eingehüllt wurde. Diesen „Zelten“ bereitete man in der Adventzeit zu und verspeiste ihn zu Weihnachten oder im auslaufenden Winter. Auch den Tieren im Stall verabreichte man mit der Hand eine sogenannte „Maulgabe“, damit es gesund blieb. Heute mischt man die beschriebene Fülle als Bestandteil in den Brotteig ein, knetet diesen vorsichtig unter, ehe man dies in den Brotbackofen schiebt. Das „Brot“ (auch „Stock“ genannt) ist der Pressrückstand aus der Maische beim Schnapsbrennen, welches man kleinweise an das Vieh verfütterte oder auf den Misthaufen warf. Vom wundersamen Duft wurde das Wild angelockt, um davon zu fressen. Doch wurde der „Stock“ auch als Füllung für das Kletzenbrot verwendet, indem man es mit gedörrtem Obst, Wildobst, Nussfrüchte und Gewürzen aufwertete und mehrte. Der Begriff Brot wurde erst ab einer Zeit für den Laib oder Strutzen Backbrot verwendet, als der Brei zugunsten des Brotbackens an Bedeutung verlor. Doch der Ursprung für Brot lag in der Bedeutung von etwas Essbarem und von Obst. Bei den Bauern waren eingeweichte Dörrbirnen-Schnitten jahrhundertelang Bestandteil der Ernährung. Im Mühlviertel (Oberösterreich) kennt man eine Brühe aus Dörrobst (Kerschnbrod, Birnen- oder Zwetschkenbrod) als dicke oder dünne Obstsuppe oder als Haustrunk. Vom „Brod“ leitet sich das langsame und langwierige Brodeln oder Brodelnlassen beim Kochen ab. Beim Kochen benötigte das Dörrobst Zeit, bis es weich oder eingedickt war. Jedes Jahr war dies anders, weil es von der Ausreifung der Früchte abhängte, wie eben bei jedem „Eigenbrödler“.

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Verschiedene Altersformen der beiden essbaren Kraterellen- bzw. Leistlingsarten: mit dem orangen Stiel der Goldstielige Pfifferling (Cantharellus lutescens) und mit dem gelb-bräunlichen Stiel der Trompeten-Pfifferling (C. tubaeformis)

Es war ein Kraterellen-Fest – Erfahrungen sammelt man wie Pilze Pilze sehen wir beim Durchstreifen der Landschaften viele. Nur von den wenigsten kennen wir die Verwendungsmöglichkeiten, unterstellt man den meisten von ihnen nach wie vor Giftigkeit. Im Laufe der Zeit können diese Vorbehalte ausgeräumt werden, indem man sich dafür näher interessiert und behutsam Jahr für Jahr einen Pilz nach dem anderen dazulernt. Und jedes Jahr wachsen uns andere, neue Pilzbekanntschaften in unerwarteter Menge in die Körbe, wenn man sich dafür interessiert. Vorteilhaft ist das gemeinsame Sammeln, Verarbeiten, Bevorraten und Verspeisen, wo man gegenseitig lernen kann. Vor einigen Jahren hatte ich mir vorgenommen, jedes Jahr eine Speisepilz-Art genauer zu studieren und über die Beschäftigung damit und die Nutzung verschiedene Kenntnisse an Merkmalen, Vorkommen und Bedingungen zu festigen. Manchmal erhält man anregende Hinweise oder man stößt in guten Jahren durch Massenvorkommen auf eine bestimmte Art.

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Der Goldstielige Pfifferling (Cantharellus lutescens)

Als im Herbst Gemüse und Obst im Garten abgeerntet waren und wir noch vor dem ersten Schnee einige Kräuter und Wurzeln in der Landschaft sammelten, stießen wir beim Wandern auf ergiebige Mengen an Trompeten-Pfifferlingen (Cantharellus tubaeformis) und Gelbe Kraterellen (C. lutescens, Synonym: Cantharellus aurora), welche auch von pilzkundigen Wildkräutlerinnen als Gold-Kraterellen be­ zeich­ net wurden. So war es z. B. 2010 an vergleichsweise warmen Novembertagen, bevor sich die starken Nachtfröste und der Schnee durchsetzten. Sie vertragen sehr kühle Temperaturen.

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Ein Rotbuchen-Fichten-Mischwald des Kärntner Gitschtals war mit den ockerbraunen Pilzen flächig dicht und großflächig bedeckt. Und wo eine Kraterelle steht, stehen noch Hunderte andere, sodass man diese Massenvorkommen förmlich hätte abmähen können. Dabei geht man an diesen gut an die Naturfarben des Herbstes angepassten Pilzen oft unwissend vorbei. Unter Pilzkundigen gelten diese PfifferlingVerwandten „Kraterellen“ als leckere Spätherbstpilze. Und wenn man mehrmals solche in größeren Mengen nach Hause bringt, werden diese gut ausgekocht und Leute zum „Kraterellenfest“ eingeladen.

Erfahrungen sammelt man wie Pilze Innerhalb der den Eierschwammerln – sprich Pfifferlingen – ähnlichen und unmittelbar verwandten Leistenpilzen (Cantharellaceae) existieren in Mitteleuropa verschiedene Kraterellen-Arten. Den meisten Kraterellen ist die stark wechselnde Farbe des zumeist hohlen Stiels und „trichter-, kessel- oder kraterartigen“ Hutes gemeinsam, woher auch der Name herrührt. Hut und Stiel gehen ineinander über. Die im Folgenden angeführten Arten sind kulinarisch verwertbar und besitzen unterschiedliche Geschmacksintensitäten: 1. Trompeten-Pfifferling oder Durchbohrter Leistling (Cantharellus tubaeformis; dumpfgelbe bis gelbbraune Stiele); 2. Duftender oder Starkriechender Leistling oder Gelbe Kraterelle (Cantharellus lutescens; mit stark gelborange leuchtendem Stiel); 3. die Krause Kraterelle (Cantharellus sinuosus, Pseudocraterellus sinuosus, früher P. undulatus; graubraun und mit kraus gewundenem Hutrand).

Weitere essbare Kraterellen Der Amethyst-Pfifferling (Cantharellus cibarius var. amethysteus) unter­ s­cheidet sich vom gewöhnlichen Pfifferling durch violette Schüppchen am Hut und violette Farbabstufungen am Hutrand und wächst gesellig im Laub- und Nadelwald vom Sommer bis Herbst.

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❚ Es war ein Kraterellen-Fest – Erfahrungen sammelt man wie Pilze

Typischer Verbreitungsort: Auf beweideten, locker überschirmten Waldstandorten mit ausgehagertem oder oberbodenversauertem Kalkuntergrund, welche mit Föhren, Fichten und wenigen Rot- und Hainbuchen bestockt sind und sich im bemoosten Unterwuchs Frühlings-Erika (Erica herbacea), Heidelbeere, Preiselbeere, Borst- und Blaugras, Wald-Wachtelweizen und Adlerfarn befinden, da wachsen die Kraterellen gern.

Der sattgelb-, rötlichorange-hutige Samtige oder Aprikosen-Pfifferling (Cantharellus friesii) gedeiht ebenfalls im Laub- und Nadelwald. Der Graue Leistling (Cantharellus cinereus, graubraun bis dunkel) kommt bei Eichen und Buchen im Laubwald vom Sommer bis Spätherbst in büscheliger Wuchsform vor. Zu den bekannten Leistenpilzen zählt auch die im Laubwald gedeihende Herbst- oder Totentrompete (Craterellus cornucopioides, graubraun bis schwarz), welche bis Spätherbst sammelbar ist, und natürlich das Eierschwammerl, der Pfifferling.

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Der Trompeten-Pfifferling (Cantharellus tubaeformis)

Die Gelben Kraterellen … Die Gelbe Kraterelle bezeichnet man auch Gold-Kraterelle oder Gelbe Kantherelle (Craterellus lutescens oder Cantharellus lutescens) oder Goldstieliger Leistling (Cantharellus aurora). Heute setzen sich die Bezeichnungen Starkriechender Trompeten-Pfifferling, Wohlduftender Pfifferling, Duftender Leistling oder Duftender Gabeling durch. Den Starkriechenden Leistling oder Starkriechenden Pfifferling nennt man in Südtirol als Hernagele, Herrennagele oder Chiodino. Innerhalb der Gelben Kraterelle gibt es eine Unterart oder Varietät ohne Einlagerung des gelben Pigments, weshalb dieser weißliche Stiele vorweist. Das führt zu Verwirrungen im Erkennen der Art. Der Duftende Leistling (Cantharellus lutescens) kommt an frischen Stellen im Laub- und Nadelwald mit einem büscheligen Habitus vor und ist vom Sommer bis Herbst sammelbar. Im November, wenn kaum mehr andere Schwammerl zu finden sind und schon der Winter angeklopft hat, können in guten Jahren auf nährstoff- und basenarmen Oberböden in den Rotbuchen-, auf Moosboden in Nadel- und BuchenFichten-Mischwäldern die Gelben Kraterellen in Massen vorkommen. Meiner Vermutung nach kehren sie vornehmlich auf beweideten oder ehemals beweideten, oberbodensauren, mäßig bis frischen Waldstandorten mit beginnender Vermoosung und langjähriger Grasund Zwergstrauchverbrachung (mit Draht-Schmiele, Frühlings-Erika,

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❚ Es war ein Kraterellen-Fest – Erfahrungen sammelt man wie Pilze

Wenn sich der Unterwuchs verbraunt, Streu, Farne und Baumblätter den Boden ­be­decken,, sind die häufig im Herbst auftretenden Kraterellen kaum auszunehmen.

Preiselbeere, Heidelbeere …) wieder. Man sieht diese Kraterellen kaum im Buchenlaub, da sie ihre Farbe an das Laub und die starke Bodenbeschattung gut anpassen. Sie sind Meister der Tarnung. Sie halten die Fröste gut aus, und selten ist wegen der späten Jahreszeit ein Pilz verwurmt. Faulen sie bei höherer Tageswärme vom Rand her und bleiben steilere Trompetenformen übrig, so soll man sie nicht mehr verwenden, da die Pilze bitter werden und wegen des Fasergehalts schon bedenklich.

… sind Meister der Tarnung Diese 5 – 10 cm hoch werdende Art erkennt man am leuchtend gelb­ orange, knall- bis goldgelb gefärbten Stiel, weshalb man sie auch als „Goldstieligen Pfifferling“ bezeichnet. Der anfangs genabelt trichterförmige Hut besitzt in der Mitte ein Loch in den Stiel hinein und erreicht eine Breite zwischen 2 – 5 manchmal bis 8 cm. Die dünnfleischigen, meist an der Oberseite beige-, dunkel- bis graubraun gefärbten Hüte haben einen wellig verlaufenden Rand. Sind die Pilze noch klein, so ist der Hut wie ein Regenschirm nach unten gewölbt. Wird er größer, so wölbt er sich wie ein Trichter (oder wie ein Krater, daher vielleicht der Name Craterellus) nach oben. Unter der Huthaut befindet sich die orangerosa gefärbte Fruchtschicht, welche zuerst

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annähernd glatt ist. Mit der Ausreifung bilden sich gering erhöhte, gabelig verzweigte, herablaufende Leisten entlang des hohlen, schlankhohen, breitgedrückten und rinnig werdenden, aber dünnwandigen, trichterförmigen Stiels. Das zerbrechliche Pilzfleisch ist innen weißlich und auf der Unterseite des Hutes gelblich. Es besitzt einen intensiven, fruchtartigen Geruch, welcher leicht zu Mirabelle oder auch Erdbeere tendiert, und mit der Überreife wird der Geschmack beim Verkochen leicht bitter. Verwechslungsmöglichkeiten bestehen mit dem ebenfalls essbaren Trompeten-Pfifferling (Cantharellus tubaeformis), welcher einen etwas dünkler gefärbten Hut und mattgelben Stiel vorweist und einen weniger ausgeprägten Eigengeschmack besitzt.

Der Trompeten-Pfifferling Der ebenfalls essbare Trompeten-Pfifferling (Cantharellus tubaeformis) wird auch als Herbst-Pfifferling oder Durchbohrter Leistling bezeichnet. Er kommt in Mitteleuropa häufig in Gruppen bis massenweise und in gelblichen und bräunlichen Farbformen vor. In Norwegen nennt man diese Art „Traktkantarell“ oder „Trakt-Kraterelle“ und in Schweden „Trattkantarell“, wo sie im Sommer und Herbst in großen Mengen der bodensauren, basen- und nährstoffarmen auch moorigen Nadel(Fichte, Tanne) und seltener in Laubwäldern zwischen Moos, an morschem Holz und um Baumstrünke gesammelt wird. Der trichter- oder -trompetenförmige Hut des Fruchtkörpers hat einen Durchmesser zwischen 1 – 6 cm, ist in der Mitte genabelt und dann durchbohrt. Der glatte oder schwach schuppige Hutrand ist gekerbt, nach unten gebogen und wellig gelappt bis kraus. Er variiert in der Farbe zwischen Gelbbraun bis Braun, Olivfarben, Gelblichgrau oder Graubraun bis Knariengelb. Die am Stiel herablaufenden und querverbundenen Leisten sind variabel gefärbt und können zwischen gelblich, dann graugelb bis graubraun, grau- oder gelblichweiß sein. Der 0,5 – 1 cm breite, rundliche bis breitgedrückte, glatte Stiel wird zwischen 2 – 6 cm hoch und verjüngt sich an der Basis allmählich. Er ist hohl und nach oben durch den Hut offen, schmutzig-graugelb bis olivgelb gefärbt. Das häutige und weiche Fleisch hat einen mild fruchtigen Geruch und Geschmack. Auch der gesellig auftretende Trompeten-Pfifferling

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❚ Es war ein Kraterellen-Fest – Erfahrungen sammelt man wie Pilze

Die Kraterellen bevorzugen leichte Störungen oberbodenversauernder Waldstandorte, welche durch Aushagerung und Vertritt aus dem Beweidungsimpuls gegeben sind. Mit der Auflösung der Waldweide kommt es zu einer Reduktion der Pilzflora und uns erlegen die Behörden Sammelverbote auf. Da stimmt doch etwas nicht? (Im Bild: Craterellus lutescens)

fruktifiziert zumeist ab August und ist bis November als Mischpilz gut verwertbar. Er eignet sich sehr gut zum Trocknen für Pilzpulver oder für das Tiefgefrieren.

Die Krause Kraterelle Die essbare Krause Kraterelle (Pseudocraterellus sinuosus) unterscheidet sich von der ähnlichen Gattung Craterellus durch eine andere, nur mikroskopisch erkennbare Textur und steht daher in einer anderen Gattung. Dieser kleine bis mittelgroße Pilz besitzt einen trichterförmigen, vertieften Hut mit kraus-wellig geformtem Rand. Die hellbraune Hutoberseite ist in der Mitte häufig etwas filzig. Die beige bis beigebraune Hutunterseite ist jung relativ glatt und später geadert. Der sandgelbe, braunbeige Stiel ist hohl, bis 8 cm lang, 5 mm breit und läuft nach unten spitz zu. Aus diesem Stiel und der Hutoberseite können bis zu drei weitere Hütchen ausgebildet sein. Die Krause Kraterelle symbiotisiert als Mykorrhizapilz auf mäßig feuchten, tendenziell nährstoffarmen Böden hauptsächlich mit der

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Rotbuche, der Eiche sowie anderen Laubbäumen. Aufgrund der zunehmenden Nährstoffakkumulation durch ungenützte Biomasse (Verbrachung) der Bodenvegetation und dem Nährstoffeintrag aus der Luft auf die Waldböden verschwindet die Krause Kraterelle immer mehr.

In Öl oder Butter gedünstet, leicht gewürzt und gesalzen, ergeben Cantharellus-Arten einen nadelwaldhumus-ähnlichen Geschmack.

Allgemeines zu den Pilzgerichten Haben die Kraterellen noch keinen Frost durchlaufen, so eignen sie sich hervorragend als Ganzes zum Trocknen. Dabei wird das Aroma verstärkt, und es können größere Mengen bevorratet werden. Die Gelbe Kraterelle, Trompeten-Pfifferling und Krause Kraterelle gelten als gute Speisepilze. Sie sind gut für Mischpilzgerichte und Pilzlaibchen verwertbar. Auch kann ein Pilzpulver zubereitet werden. Gelbe Kraterelle kann ganz oder der Länge nach halbiert mit Zwiebel angeröstet und gesalzen tiefgekühlt für verschiedene Speisen, z.B. für Reisgerichte mit Rindfleisch, verfügbar gehalten werden. Auch für Bratlinge und Frikadellen faschiert, sind sie ebenfalls bestens geeignet. Im Folgenden einige Pilzgerichte mit Kraterellen:

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❚ Es war ein Kraterellen-Fest – Erfahrungen sammelt man wie Pilze

Risotto mit Gelber Kraterelle

Ein geduldig gerührtes Pilzrisotto stellt eine wunderbare Hauptspeise dar. Die Kraterellen gehen darin harmonisch auf und sind dafür besonders gut geeignet. Zutaten: Ca. 500 g Pilze, 4 Tassen Risotto-Reis, 5 (9) Tassen Fleisch- oder Gemüsebrühe, 1 Zwiebel, 2 Viertel Weißwein, Olivenöl, Pfeffer, Salz, geriebener würziger Bergkäse, Butter und einige Blätter Petersilie. Zubereitung: Die fein würfelig geschnittene Zwiebel lässt man gesalzen in Öl anschwitzen, bevor man den Reis beigibt und kurz mitziehen lässt. Mit Weißwein ablöschen und einkochen, ehe man Gemüsefond oder Fleischbrühe – während des Rührens nach und nach – hinzugibt. Den Reis bei mittlerer Hitze al dente garen. Zwischendurch mit Pfeffer und etwas Salz nachwürzen. Ist der Reis gar und schön cremig geworden, so werden während des letzten Anziehvorganges auch die separat in Öl gebratenen Kraterellen hinzugefügt und untergehoben. Nachdem geriebener, würziger Bergkäse, Butter und gehackte Petersilie untergerührt wurde, servieren.

Karamellisierte Kraterellen

Eine pikant-süße Verwendung der Pfifferlinge oder Kraterellen sei im Folgenden für Gemüse- und Fleischspeisen oder für Reis- und Nudelgerichte angeführt. Zutaten: 500 – 600 g Gelbe Kraterellen, 250 g Zwiebel, 250 g Honig, Weiß­ wein und der Saft von drei Zitronen, Salz. Zubereitung: Die gehackten und nur leicht gesalzenen Zwiebel, halbierten Krate­rellen und Honig vermischen und unter ständigem Rühren karamellisieren. Immer wieder mit etwas Zitronensaft und Weißwein beträufeln und behutsam köcheln lassen, bis die Soße dieser Mischung langsam

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eindickt. So wird sie für verschiedene Speisen mit Fleisch oder Gemüse weiter gut verwendbar.

Weitere Zubereitungshinweise: Mit einer weniger stark eingedickten Pilzkaramellsoße können andere Speisen eine wunderbare Aufwertung erfahren: Bereits vorgedünstetes oder angebratenes Gemüse wird mit der Hälfte der exquisit zubreiteten Pilzsoße übergossen und im Rohr langsam nachziehen gelassen, bis die Soße gut eingezogen ist. Vor dem Servieren wird der zweite Teil der Pilzsoße mit den Pilzen heiß über Gemüse bzw. Fleisch und Beilagen gegossen. Als Beilage dienen Teigwaren, Reis oder Kartoffeln. Solch eine karamellisierte Pilzsoße ist auch eine Woche kühl lagerbar. Nach Belieben können Variationen mit Gewürzen ausprobiert werden. Verwendet man anstelle des Honigs 300 g Zucker, so sind die karamellisierten Kraterellen – heiß in Gläsern abgefüllt – bis zu einem Jahr lang haltbar.

Kraterellen in Teigtaschen gefüllt

Sehr bekömmlich sind die Kraterellen (und andere Pilze können dazugemischt werden) als Ragout zubereitet, in Teigtaschen gefüllt und im Backrohr gebacken. Zutaten: 500 g Teig für Teigtaschen (aus: Topfen, Butter und Mehl, Salz); 600 g Kraterellen oder Pfifferlinge, ein Zwiebel, einige Knoblauchzehen, Butter, etwas Suppenfond und Portwein oder Weißwein, frischer oder getrockneter Oregano, Salz und Pfeffer, etwas Süßrahm. Zubereitung der Teigtaschen: Zu drei Teilen Topfen, Butter und Mehl unter Beigabe von etwas Salz zu einem Teig kneten und ausrollen. Daraus können je nach Dafürhalten Formen von Teigtaschen zubereitet und mit der nachfolgend angegebenen Pilzfüllung im Backrohr gebacken werden. Z.B. sind kleine Quadrate mit der Pilzfülle in der Mitte über die Diagonale in Dreiecke klappbar oder werden Teigscheiben mit mittig angeordneter Pilzfülle über die

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halbe Fläche zusammengeschlagen und die Ränder festgedrückt, ehe sie im Rohr oder im heißen Fett gebacken werden. Die Teigtaschen sind mit einem Kräuterdip und Salat warm oder kalt genießbar. Zubereitung der Fülle: a) Die geschnittenen Pilze gesalzen blanchieren, absieben und durch ein Sieb abtropfen lassen. b) In einem Topf die gesammelte Brühe sehr stark einreduzieren. c) In einer Pfanne die Butter zergehen lassen und die beigegebenen Pilze erhitzen, damit die Pilze etwas anbraten und dünsten. Kleinwürfelig geschnittene Zwiebel und feingeschnittener Knoblauch zum Mit­ dünsten beigeben und salzen. d) Mit Weiß- oder Portwein, einreduzierter Pilzbrühe und Suppenfond ablöschen. Nach Belieben nachwürzen und Oregano hinzugeben und gut einkochen. Zuletzt mit etwas Süßrahm binden. e) Die vorbereiteten Teigfladen mit dem Pilzragout füllen, zu­sam­ men­klappen und im Backrohr bei 180° C knusprig backen. Wunderbar schmeckt dazu gut durchgekochtes Sauerkraut und Bratoder gedämpfte Kartoffel mit etwas heißer Butter übergossen.

In der Pfanne gegartes Kratarellen-Kürbis-Gemüse auf Spiralnudeln serviert.

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An warmen Tagen nützen die Gänseblümchen die Lücken der vereisten und aufgefirnten Schneedecke zum Gedeihen und manchmal auch zum Blühen.

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Das Jätgut verwertete Marianne im Kräutersalz Im Mölltal konnte ich eine alte, bescheidene Hebamme kennenlernen, welche bis auf wenige Ausnahmen das Jätgut des Gartens, Kräuter der Gartenwiesen und der weiteren Umgebung für das Kräutersalz verwertete. Von weit her kamen die Leute, um das wunderbar schmeckende Würzmittel zu erstehen. Zumeist tauschte sie es gegen andere Waren oder verwendete das „Heilsalz“ zum Verschenken. Der regelmäßige Bezug des Salzes hielt die Verbindung zwischen der liebenswürdigen Hebamme aus Rangersdorf und den unter ihrem Beistand Geborenen aufrecht. Da sie selber die Kräuter beruflich einsetzte, kannte sie sich bei den Pflanzen und ihren Wirkungen sehr gut aus. Und so kamen auch Kranke zu ihr, welche einen Rat benötigten.

Beinahe alles wird genützt, nichts wird verschwendet Regelmäßig ging Marianne Reiter durch den Garten und sammelte bei den Verrichtungen der Gartenarbeit die vielen konkurrierenden Beikräuter, welche im Zuge der Begärtnerung der Gemüsebeete anfielen. Ebenso nutzte sie die Kräuter der Grünflächen mit Wiesencharakter. Durch die Ernte erfolgte gleichzeitig die Pflege. Die alte Frau fand durch die Verwendung des Jätguts großen Gefallen an der Gartenarbeit, suchte dadurch diesen regelmäßig auf und hielt ihn und ihre Gesundheit in Schwung. Mit ihrer Sammeltätigkeit veränderte sie die Bedeutung der Unkräuter, indem sie ihnen den Wert von Nutzkräutern gab. Beim Sammeln entfernte sie die Wurzeln, welk gewordene Blätter und mit Erde versehene Pflanzenteile und gab das geerntete Jätgut in einen Sammelkorb. Abgewaschen wurde die Sammelware nur selten, da sie sonst das Aroma verloren und die nachfolgende Trocknung länger gedauert hätte. Waren Pflanzenteile nach einem Regen stärker verschmutzt, wurden sie kurz nach der Ernte gewaschen. Waren welche dabei, welche sie für das Salz nicht nutzen konnte oder wollte, so nahm sie diese als Futter für ihre Hühner mit. Manche Unkräuter hatten für

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Wir kommen im Garten um das Jäten nicht umhin: Die spontan aufkommende Konkurrenzvegetation des Gartens kann unmittelbar roh oder in der Kocherei benutzt werden, oder findet getrocknet für die Kräutersalzbereitung Verwendung.

sie eine hochwertige Heilkraft, weshalb sie diese lediglich mit einer alten Gartenschere abschnitt, damit sie wieder nachtreiben konnten und mehrmalige Ernten möglich waren. Zusätzlich holte sie sich wichtige wild wachsende Heilkräuter von ihren Sammelstellen im näheren Umkreis des Mölltals. Im Winter hatte sie mehr Zeit für die Verarbeitung der trockenen Kräuter und verbrachte ihre Zeit mit dem Ritual der Kräutersalzbereitung. Dabei räumte sie zusammen und arbeitete die im Sommer gesammelten und getrockneten Kräuterberge ab.

Um welche Kräuter handelte es sich aus dem Garten? Von den Wegen und Wegrändern erhielt die 80-jährige Frau Vogel-Knö­ terich, Breit-Wegerich, Gänse-Fingerkraut, Gänseblümchen, Kleine B ­ raunelle und auch Eisenkraut etc. Von den stärker mit Nährstoffen versorgten

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❚ Das Jätgut verwertete Marianne im Kräutersalz

Standorten und den Gartenbeeten nahm sie junges Kletten-Labkraut, Brennnessel-Blätter und später ihre Samen, Vogelmiere, Weiße, Purpurro­ te und Gefleckte Taubnessel, kleine Löwenzahnblätter, Rotes und Weißes Leimkraut, Echte Nelkwurz, den Wiederkehr oder Giersch, von der Echten Kamille Blüten und Blätter und andere. Direkt von den Gartenbeeten entnahm sie Acker-Stiefmütterchen, Kanadisches Berufskraut, Franzosen­ kraut, Weiß-Gänsefuß u.a. Verwandte, Hirtentäschel, Acker-Hederich, Sumpfkresse, Taubnesseln, Vogelmiere, Gundelrebe, die im Frühling stark aufgehenden Hornkräuter, Efeublättrigen Ehrenpreis, Vergissmeinnicht etc. Von den wiesigen Standorten, Böschungen bzw. rasenartigen Flächen und Gebüschrändern des Gartens mischte sie dazu: Schafgarbe, Spitz-Wegerich, Mittleren Wegerich, Rot-Klee, die Blätter der Acker-Wit­ wenblume, Wiesen-Labkraut, Wiesen-Kerbel und -Bärenklau, WiesenKümmel, Feld-Thymian, Frauenmantel, etwas Johanniskraut, die Wurzel der Wilden Karotte und junge Triebe des Blasen-Leimkrauts, der Platt­ erbse und Wicken, wilde Veilchen- und Storchschnabel-Arten.

Kultur-Würzkräuter werden beigemischt Von den kultivierten Gartenkräutern setzte sie den Mischungen in verschiedenen Mengen bei: Petersilie, Liebstöckl oder Maggikraut, Ma­ joran, Oregano, Kleiner Wiesenknopf (Sanguisorba minor) und natürlich Basilikum, Bohnenkraut, Lavendel, Rosmarin, Thymian, Estragon sowie verschiedene Melisse-Sorten, Marienblatt, Garten-Kerbel, manchmal auch etwas Pfefferminze und Hanfblätter. Entlang der Steineinfassungen und Steinmauern entfernte sie Beifuß, Salbei und geringe Mengen von Schöllkraut und von den Steinen Scharfen Mauerpfeffer und Zymbelkraut.

Jäten für das Kräutersalz Sie trocknete die Kräuter in zusammengebundenen Sträußen im luftzügigen Schatten. Einiges Sammelgut gab sie auf Siebe, ließ sie in der Sonne kurz – vielleicht eine Stunde – vortrocknen, und in der geheizten Küche trocknete sie die Kräuter fertig. Da fand man die Siebe in mehreren Etagen aufgestellt, und die Kräuterbüsche lagerte sie in einem

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anderen Raum. Auf alle Fälle führte sie die Trocknung langsam durch. Danach wurden die sich leicht lösenden Blätter und Blütenteile von Hand abgerebelt und durch Reiben und Stoßen in Steinschalen pulverisiert. Zuletzt siebte sie die Blattstiele und verbliebenen Blattadern mit Reutersieben aus, damit die Rohfaserteile entfernt waren. In das Salz mischte sie dieses Kräuterpulver unter und mörserte diese Mischung noch einmal kräftig durch, sodass ein grau-grünliches, sehr feines beinahe staubartiges Pulver entstand. Je nach Kräuterbeigaben konnte sie den Geschmack verändern und durch die Kräutermengenanteile den Salzgehalt wesentlich verringern.

Mögliche Kulturgemüse und Kräuterarten für das Salz Einige Kräutersalzhersteller mischen auch das mühsam hergestellte Pulver des Wurzelgemüses aus dem Garten bei, wie zum Beispiel von: Karotte, Sellerie, Gelbe Rübe, Petersilien-, Pastinak-Wurzel, etwas Lauch und Winter-Zwiebel (=Röhrenzwiebel, A. fistulosum) wie auch Hanf­ samen. Nach Vorlieben können ebenfalls an Kräutern verwendet werden: Ysop, Dill, Fenchel, Anis, Schabzigerklee, Samen und Blätter von Küm­ mel etc. Vorsichtig dosiert oder nur in separaten Mischungen kann auch in Pulverform Knoblauch, Schnittknoblauch oder Schnittlauch beigegeben werden. Neuerdings existieren auch Kräutersalz-Granulate mit Knoblauchgeschmack.

Ausgewogenes Aroma Marianne ging nicht nach Rezept vor, sondern verwendete die Kräutermischungen, wie sie ihr „zufielen“, und glich gegebenenfalls nach dem Abschmecken mit Gartenkräutern aus. Sie war von der Verwendung eines unbehandelten, also nicht raffinierten „Ursalzes“ überzeugt, da sich darin wichtige andere essentielle (Spuren-)Elemente, manchmal auch Tonanteile befinden.

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❚ Das Jätgut verwertete Marianne im Kräutersalz

Die verstorbene, garten- und kräuterkundige Hebamme Marianne Reiter aus Rangersdorf im Mölltal war auch weitum für ihr ausgezeichnet schmeckendes „Kräutersalz“ bekannt. Sie gebrauchte dafür Großteils die im Garten gejäteten und nutzbaren Unkräuter.

Bemerkenswert war, dass ihr Kräutersalz trotz dieser Vielzahl an vegetabilen Beigaben ein sehr rundes Aroma entwickelte. Offenbar glichen sich die Einzelaromen und die weniger intensiv schmeckenden Pflanzenarten gut aus. Weiters erwähnenswert ist, wenn man beim Würzen der Rohkostund Kochspeisen solcherlei selber hergestellte „Kräuterjätsalze“ verwendet, sich einzelne Bitterstoff- und intensivere Heilkräuter als Komponenten im Konzentrationsverhältnis ausgleichen und die Speisen besser verdaubar machen. Durch Mariannes Vorgehen der Nutzung des Jätguts aus den Gartenbeeten macht die Regulation der Beikräuter großen Spaß, ja wird sogar zur Sucht, wenn man größere Mengen für ein heilwirksames Kräutersalz benötigt. Gute Gedanken aus der Überlieferung des alten Wissens führen so zu einer produktiven Art des Gärtnerns. Und ande-

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rerseits helfen die Kräuter das pure Salz zu strecken, wodurch man weniger davon verwendet und die Arbeit der Organe, die Gelenke und vor allem Gehirn und Nerven entlastet.

Weitere Unternehmungen So geschah es, mit Marianne einige Male durch die Landschaft zu wandern, wo wir das eine oder andere Pflänzlein besprachen und die Wissenszusammenhänge erneuerten. Sie war sehr gut zu Fuß unterwegs, und wir kamen bei den Streifzügen in ihrer Gegend und auf den Almen weit umher und nahmen auch Pilze mit. Meist kehrten wir mit reich bepackten Stofftaschen und Rucksack zurück, und jeder trocknete die gesammelten Pflanzen bei sich zu Hause. Im Sommer halfen wir uns gegenseitig beim Kirschenernten und mit speziellen Kräutern aus, und sie war froh, dass jemand in die Kronen stieg und den reichen Fruchtbehang herabschnitt und somit die Kronen erneuert wurden. Die vom Boden aufgesammelten, meist nicht mehr verwertbaren Kirschen brachten wir zu einem Altbauern, der diese für das Schnapsbrennen ansetzte. Bei diesem Besuch auf unserem Hof erklärte sie weitere Heilkräuter, welche sie als Hebamme vor der Geburt und nach der Geburt einsetzte, welche sie für Tee und welche sie für Salben oder Alkoholansätze verwendete. Und im Herbst sammelten wir mit anderen Frauen bei einem gemütlichen Nachmittag eine Vielzahl von Pilzen, welche wir zu einem Mahl zubereiteten und mit einem frischen Baguette vom Bäcker verspeisten. Mariannes bescheidene Art und die Nutzung dessen, was vor der Haustüre lag und im Garten bestellt werden konnte, war geprägt von ihrer Kindheit, wo sie großteils von ihren Verwandten und der Großmutter die einfache Verwertung der Kräuter und Zubereitung von Speisen lernte. Kräuter machten sie immer schon neugierig und vor allem die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten unabhängig. Früher waren die Hebammen großteils auf das Wissen der Heilkräuter angewiesen. Für jede Geburt und Nachfrage musste ein wohlsortierter und neuer Vorrat an Heilkräutern vorhanden sein, und bei jeder Jahreszeit ging sie hinaus, um diese zu ernten und Vorräte anzulegen.

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❚ Das Jätgut verwertete Marianne im Kräutersalz

Darüber hinaus können in Mischung viele Wildkräuter oder andererseits nur spezielle Kräuter (wie z.B. Wilder Oregano, Vogelmiere, . . .) für solche Salze verwendet werden. Mit dem Salz trockene oder angetrocknete Kräuter mitgemörsert oder gerieben und durchgesiebt, entsteht ein grüngraues Pulver.

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Pilzpulver – Die wichtigsten Pilze für die Würzpulverherstellung Wegen ihres hohen Faseranteiles und der bedingten Verdaubarkeit verwendete man bestimmte Pilzarten bevorzugt zur Herstellung von Gewürzpulvern. Aus verschiedenen Regionen Mitteleuropas wurden Pilze, welche als Würzpulver im Hausgebrauch Verendung fanden, dokumentiert. Wer während der Vegetationszeit nicht der Pulverbereitung nachkommen kann, dem bleiben die ruhigeren Wintermonate. Das Trockengut des Sommers resch nachgetrocknet, wird zu einem Pulver vermahlen. Folgendes Kapitel führt die simple Handhabung und eine Übersicht der wichtigsten Arten zur Pilzpulverherstellung an.

Allgemeines zu den unterschiedlichen Pilzkonsistenzen Allgemein enthalten Pilze ca. 90 % Wasser, zwischen 3 bis über 5 % Eiweiß, bis zu 5 % Kohlehydrate, ca. 0,3 % Fett, bis zu 1 % Mineralsalze und je nach Art zwischen 1 bis 3 % Faserstoffe. Die Gehalte schwanken von Art zu Art und sind von den Standorten des Vorkommens und der Witterung abhängig. Zudem verzeichnen die einzelnen Arten eine unterschiedliche Konsistenz der Faser. Manche essbaren Pilze werden auch nach langem Garen nicht weich, ja sie werden sogar härter. Sie verlieren mit dem Kochfortgang auch an Geschmack. Bekanntlich ist die Verdaulichkeit der Pilze vom Ernte- und Frischestadium und vom Grad der Zerkleinerung der Pilzrohfasern abhängig. Hartfleischige Pilze, wie auch jene mit geringem Aroma bei frischer Zubereitung oder feste Pilzstiele eignen sich daher für eine Pilzpulververwendung vor allem in Mischung mit sehr aromatischen Pilzen besser.

Auch Pilze, welche einer zu hohen Hitze beim Trocknen ausgesetzt und somit zu resch wurden, sind im Pilzpulver und Pilzsalz noch gut verwertbar.

Mit einfachen elektrischen Kaffee-Reibemaschinen können kleine Mengen nachgetrockneter Pilze pulverisiert werden. Grobe Teile siebt man heraus und verwendet diese für Pilzsoßen oder -suppe.

Wenn wir beim Pilzesammeln die Gerüche im frischen Zustand und später bei den getrockneten Exemplaren wahrnehmen, so entdecken wir ihre verschiedenen Nuancen. Grundsätzlich ist jeder essbare Pilz zur pulverförmigen Würzmittelherstellung geeignet. Aber nach der Trocknung oder Pulverisierung haben die Pilze noch einmal einen intensiveren Geruch und Geschmack. Abgesehen von den bekannten Giftpilzen kosteten alte, erfahrene Pilzsammlerinnen z.B. aus Kärnten und Tirol die Pilze, vor allem jene aus der Gruppe der Täublinge, im rohen Zustand, um ihre Tauglichkeit zur Speiseverwertung abzuschätzen. Scharfe, herbe, pfeffrig oder nach Fisch schmeckende wurden bei den Sammelgängen nach einer Probe nicht genommen, sondern auf ihren Standorten stehen gelassen. Aber deswegen mussten sie nicht giftig gewesen sein. Diese individuelle Vorgangsweise berücksichtigte nicht die Verwendungsmöglichkeit für die würzenden Pilzpulver. Denn viele nach Pfeffer schmeckende Pilze sind z.B. vorzügliche Gewürzpilze. Auch jene, die nach Fenchel oder Anis riechen, sogar nach Zwiebel oder Mandelseife, können diesem Zwecke dienlich sein, wenn man es versteht, sie nach der Pulverisierung richtig zuzubereiten und einzusetzen. Aber auch das Mehl herkömmlicher Speisepilze setzte man zur Abschwächung schärferer Pilzwürzen hinzu.

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Gründe der Pilzpulverisierung Der Hauptgrund der Herstellung von Pilzmehlen lag in der Zerteilung zäher Pilzfasern durch den Mahlvorgang. Mit der Trocknung und Zerreibung oder Zerfaserung waren die feinen Teile leichter verdaulich geworden, und es konnte zu keiner Verstopfung kommen. Auch bei der Trocknung versehentlich zu resch gewordene Pilze wurden der Pulvernutzung unterstellt. Zudem dienten diese Mehle als „scheinbarer Salzersatz“ oder Streckmittel des Salzes. Im Pilzpulver finden sich Salzverbindungen, welche das Natriumchlorid – unser Kochsalz – nicht ersetzen können. Pulverisierte Pilze nehmen weniger Lagerraum ein und sind beim Kochen sehr praktisch, da das Pulver vielseitig verwendbar ist.

Wie wird „Pilzmehl“ hergestellt? Es versteht sich von selber, dass Pilze, welche während länger anhaltender Regenperioden gesammelt wurden, sich nicht gut zur Trocknung und somit zur Pilzpulverherstellung eignen. Frische und schön ausgereifte Pilzarten schneidet man nach der Reinigung mit einem Messer in Scheiben und trocknet sie auf schnelle Weise, wenn möglich in elektrischen Trockengeräten, unter Hitzeeinwirkung z.B. über einer heißen Ofenplatte am Herd oder im Backrohr auf Sieben oder Gittern. Wesentlich bei diesem Vorgang ist die Trocknung schnell durchzuführen. Dadurch werden die Pilze sehr spröd und beim nachfolgenden Zermahlen in einer Gewürzmühle, im Mörser oder mit einem elektrischen Zerkleinerungsgerät erst gut pulverisierbar. Als Probe gilt der trockene Bruch mit einem typischen Knackgeräusch. Nach der Pulverisierung kann das Mahlgut durchgesiebt werden. Die groben Rückstände werden abermals gemahlen oder man hebt sie für Fleischsoßen auf. Zu langsam getrocknete Pilze werden zäh und darüber hinaus manchmal leicht bitter. Dieser Nachteil hält auch bei der Verwendung als Würzmittel in den Speisen nach. Deshalb ist eine Schnelldörrung bei höheren Temperaturen unbedingt anzuraten.

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❚ Pilzpulver – die wichtigsten Pilze für die Würzpulverherstellung

Pulverherstellung auch im Winter Üblicherweise ziehen getrocknete Pilze langsam etwas Feuchtigkeit an. Will man im Winter die getrockneten Schwammerln pulverisieren, so sollen sie noch einmal stark nachgetrocknet werden, bis sie resch geworden sind. Wenn man mehrere Pilzarten miteinander gezielt mischt, erhält man einen ausgeglichenen Pilzgeschmack in den Suppen. Mischt man bestimmte Pilzarten zusammen, so kann innerhalb milder und scharfer Pilze geschickt ausgeglichen werden. Abmildern kann man z.B. mit einem höheren Anteil von Champignons, Parasolen und Stein- oder Herrenpilzen. Letztere den Speisen als Pulver zugesetzt, ergeben einen typischen Pilzgeschmack. Das „Pilzmehl“ soll in verschließbaren Gläsern oder Dosen an trockenen Orten aufbewahrt werden, damit es nicht Luftfeuchte annimmt und Schimmelprozesse in Gang kommen können. Es empfiehlt sich, die Vorräte nicht länger als zwei Jahre aufzubewahren, da ansonsten eine Wertminderung einsetzt.

Verwendung des Pilzpulvers Vor allem in Suppen, Soßen, Eintöpfen und als Speisewürze eingestreut, lassen sich die Pilzwürzpulver gut verwenden. Diese Speisen bekommen dadurch eine Aufwertung und eine abwechslungsreichere Geschmacksvielfalt. Auch die Würzung der Omeletten und Frittaten mit Gewürzpilzpulver kann eine Bereicherung erfahren. Gemüse-, Kartoffel- und Nudelsuppen, aber auch solche mit Rollgerste, Dinkel, Reis, Haferflocken, Mehlschwitze oder Gries erhalten eine gute Aufwertung. So finden Pilzpulver ebenso Einsatz im Risotto wie in Fleisch- und Gemüselaibchen oder zur Geschmacksgebung in Teigtaschen, Teigwaren und Bandnudeln, Pilznockerln bzw. -knödeln oder Kartoffeltatscherln. Nicht zu vergessen ist die Verwendung im Paniermehl und in der Bratensoße. Früher gab man Pilzpulver auch regional dem Wurstgut bei, was nach der Räucherung eine würzige „Pilzwurst“ ergab, stellte man Aufstriche her oder übertünchte bestimmte Fleischgeschmäcker bei Speisen.

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Pilze setzte man zum Färben von Lebensmitteln ein: Aus dem schwarzen Pulver der Rotkappen und Totentrompeten können graue bis schwarze Nudeln hergestellt werden, welche sich beim Kochen im Salzwasser tiefschwarz färben. Mit dem Pulver junger und frisch geschobener Reizker färbte man Teigwaren orange. Doch manche Pilze schmecken so köstlich, dass eine Mischung mit anderen Pilzen oder Kräutern ihre Entwertung dargestellt hätten. Ihre Pulver wurden deshalb allein verwendet und gelagert, wie z.B. das der Herrenpilze oder des Grünfelder-Täublings. Im Folgenden sind die bekanntesten Pilze zur Herstellung von Pilzpulver angeführt: - Den Hut des kleinen, zierlichen Knoblauch-Schwindlings oder Mousserons (Mycetinis scorodonius, Marasmius scorodonius) sowie des Nelken- und Küchen-Schwindlings (Marasmius oreades) fein geschnitten und pulverisiert, setzte man speziell für die Würzung von Speisen ein. Für Soßen zu Widder-, Lamm- und Wildfleisch, aber auch Fisch bildete diese eine hervorragende Würzgrundlage. Der meist im Gras der Waldbestände vorkommende Mousseron hat ein blasses Fleisch, welches vor allem in getrocknetem Zustand stark nach Knoblauch riecht. - Der Gemeine Erbsenstreuling oder die „Böhmische Trüffel“ (Pi­ solithus arhizus) ersetzte den Trüffelgeschmack und kam deshalb für Speisen mit Innereien oder für die Würzung geräucherter Würste und Pasteten in Betracht und zieht auch Fälschungen nach sich. - Ebenso für Innereien wie Lunge, Nieren, Leber oder Herz fand das Trüffelpulver (der Gattungen Tuber, Terfezia oder Choiromyces) im französischen und anderen Regionen seinen Einsatz. - Die Stein- bzw. Herrenpilze (Boletus spec.) sowie alle essbaren Röhrlingspilze und Champignon-Arten sind neben den üblichen Speisen besonders gut für Fleischgerichte von Ferkel, Lamm, Kalb oder Geflügel geeignet. Insgesamt schwächen diese Pilzarten, wenn sie mit Geschmacklich ergeben Stein- oder Herrenpilze (1, 2), Parasol oder Regenschirmpilz (3, 4), Rotkappe (9) die besten Pilzaromen her. Gold-Röhrlinge (7, 8) dienen zur mengenmäßigen Streckung des Pilzpulvers. Die würzigen Knoblauch-Schwindlinge (5, 6) eignen sich in kleinen Mengen zur Erzielung knoblauchähnlicher Aromen, welche allerdings nicht lange haltbar sind.

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❚ Pilzpulver – die wichtigsten Pilze für die Würzpulverherstellung

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anderen gemischt werden, den intensiven Geschmack anderer Pilze ab. Vor allem die bei Trocknung grau bis schwarz werdende EspenRotkappe (Leccinum atrostipitatum) ebenso wie die Birken-Rotkappe (L. versipelle) sind für die Pulverisierung gut geeignet und im Gulasch oder Ragout verwendbar. Grundsätzlich gelten die pulverisierten Röhren der Röhrenpilze als besonders wirksame Würzmittel. - Auch die nicht zu wasserreichen Birkenpilze (Leccinum scabrum) und Maronenröhrlinge (Boletus badius), sofern sie nicht zu alt sind, können in Mischpulvern aufgehen. - Wegen seines zähen, schleimigen Fleisches wird der Kuhpilz oder Kuhröhrling (Suillus bovinus) als Speisepilz nicht gerne angenommen. Er kann allerdings gut für Mischpulver verwertet werden. Er kommt in sandigen Nadelwäldern vor und besitzt einen Obstgeruch und säuerlichen Geschmack. - Für die Zubereitung von Taubenfleisch oder zum Würzen der Taubenfüllung und Soße gab man viele frische Pilze oder das Pulver des (Grünen) Anis-Trichterlings (Clitocybe odora) oder des Schafoder Anis-Champignons (Agaricus arvensis) dazu. Diese Pilzpulver waren zum Übertünchen des Taubengeschmacks in willkommener Weise eingesetzt worden. - Die Herbst- oder Totentrompete (Craterellus cornucopioides), gelegentlich fälschlich als giftig erachtet, galt früher als die bedeutende Würzpulver-Pilzart. Das Pulver verwendete man in Suppen, Eintöpfen oder Soßen. Wegen der langen Fasern ist das Pulverisieren sehr ratsam, damit keine Darmverschlüsse oder Verstopfungsbeschwerden auftreten können (s. Machatschek, M. 2004). - Da getrocknete Eierschwammerl (Pfifferling = Cantharellus ciba­ rius) nach dem Einweichen einen bitteren Geschmack bekommen können und ein eher zähes Fleisch besitzen, kann man sie getrocknet auch zu würzigem Pilzpulver zerreiben. Grundsätzlich soll man die Pfifferlinge im heißem Salzwasser ziehen lassen, damit die Bitterstoffe teilweise reduziert werden. So sind sie zum Tiefgefrieren oder zur Trocknung und anschließender Pulverisierung besser geeignet. Mit zunehmendem Alter legen auch Pfifferlinge vermehrt Fasern an und gestalten sich zäher. - Der im Geschmack brennend scharfe Pfeffermilchling (Lactari­ us piperatus) hat in rohem Zustand und in Öl gebraten einen sehr

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❚ Pilzpulver – die wichtigsten Pilze für die Würzpulverherstellung

würzigen Geschmack. Beim Pulverisieren verliert er an Schärfe. Er ist mit dem ungenießbaren Wolligen Milchling, der einen bitteren und brennenden Geschmack hat, verwechselbar. - Auch der dunkel zimtbraune Pefferröhrling (Chalciporus piteratus) eignet sich – in kleinsten Mengen beigegeben – als Pfefferersatz, da er einen scharfen Geschmack aufweist. - Der giftige Bruch-Reizker (Lactarius helvus) wird wegen seines starken Würzgeruchs auch als „Maggipilz“ bezeichnet. Er kommt im Moos und Torfmoos auf saurer Unterlage der Fichten- und Mischwälder vor. Bei der Trocknung erreicht er schon in geringen Mengen einen sehr intensiven Würzgeruch – ähnlich wie das Aroma des künstlichen Würzmittels „Maggi“. Bei der Verwendung zu großer Mengen sind allerdings vereinzelt Vergiftungsfälle bekannt geworden. Aus diesem Grunde streckte man ihn mit anderem Pilzmischpulver, da er einen intensiven Pilzgeschmack abgibt. Oder man verwendete ihn nur in geringen Mengen – in Messerspitzen – ­bemessen. - Der Parasol (Macrolepiota procera) sowie sein faserreicher Stiel lassen sich gut trocknen. In geeigneten Geräten pulverisiert, ergeben sie eine ausgezeichnete Würze, welche besonders gut zum Strecken intensiv riechender Würzpilzpulver geeignet ist. - Der intensiv riechende Hallimasch (Armillaria mellea, A. ostoyae) und das im Geschmack und Geruch angenehme Stockschwämmchen (Pholiota mutabilis) wie auch das Weißstielige Stockschwämmchen (Psathyrella piluliformis) eignen sich, sofern sie nicht zu überreif sind, für die Herstellung von sehr guten, geschmacksintensiven Pilzmehlen. Davon verwendet man nur die Hüte. - Der Grüne Speisetäubling (Russula heterophylla) riecht im Alter schwach nach Hering. In jungem Zustand kann er, wie viele andere mild schmeckende Täublinge auch, zur Verarbeitung im Pilzpulver verwendet werden. Die Pulver der essbaren Täublinge – insbesondere der Grünfelder-Täubling (Russula virescens) – eignen sich hervorragend für Soßen, welche mit Weißwein abgelöscht werden. Wegen des guten Geschmacks dieses Pilzes sollte das Grünfelder-Täubling-Pulver pur zum Würzen verwendet werden. - Der weiß bis beige gefärbte Mairitterling oder Mai-Schönkopf (Calocybe gambosa) gedeiht ab April an grasreichen Waldrändern

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❚ WINTER

kalkhältiger und humoser Böden. Frisch riecht er stark nach Mehl. Aufgrund des weichen Fleisches lässt er sich gut pulverisieren und eignet sich als Basis für Pilzmischpulver. - Die Gruppe der Astpilze oder Korallen, wie z.B. Ziegenbart, Krause Glucke (Sparassis crispa), Hahnenkamm, Händlinge oder Korallenpilze, beinhaltet keine schwergiftigen Arten. Allerdings kann es bei älteren Exemplaren zu Durchfall und Bauchschmerzen kommen. Junge Pilze getrocknet, eignen sich hervorragend zur Pulverherstellung. - Das Pulver diverser Morchel-Arten eignet sich für Suppen, als Gemüsewürze, für die Eierspeise und das Hühnerfrikassee. - Mit Ausnahme des Kartoffelbovists eignen sich auch junge Boviste und Stäublinge bei schneller Dörrung zu Pilzpulver. Teilweise ergeben sie einen pastetenartigen Geschmack. - Das im Herbst und Winter auftretende Judasohr (Auricularia au­ ricula-judae) aus der Gruppe der Ohrlappenpilze wurde ebenfalls wegen seiner Zähigkeit für die Herstellung von Pilzpulver vom Schwarzholunder geerntet. Er lässt sich schnell trocknen und zerkleinert als Pilzwürze in den Suppen einsetzen, welche dadurch eine leicht schleimige Konsistenz bekommen. - Das Fleisch des Schafporlings (Albatrellus ovinus) ist sehr hart und als Speisepilz zur normalen Zubereitung nicht sonderlich geschätzt. Getrocknet eignet sich der Pilz sehr wohl zur Pulverisierung und hat einen würzigen Geschmack. - Semmel- und Rotgelber Stoppelpilz (Hydnum repandum, H. rufes­ cens) haben einen angenehmen Geruch. Der Semmel-Stoppelpilz weist einen leichten Geschmack nach Pfeffer auf. Alte Pilze werden bit­ter, junge Pilze können hingegen für Pilzpulver verwendet werden. - In verschiedenen Regionen bediente man sich des Habichtspilzes (Sarcodon imbricatus), welcher zumeist in Verbindung mit Fichten oder Kiefern bestockten Weiden oder Wäldern vorkommt oder in den Heiden und Waldlichtungen in größeren Mengen gedeihen kann. Vielfach wird er stehen gelassen, da er als Speisepilz wegen des leicht bitteren Geschmacks und seiner harten Konsistenz nicht gern verwendet wird oder häufig mit dem ähnlichen Gallen-Stacheling (Sarcodon scabrosus) verwechselt wird. Dennoch kann der Habichtspilz in Pilzpulvermischungen sehr gut eingesetzt werden.

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❚ Pilzpulver – die wichtigsten Pilze für die Würzpulverherstellung

Auch aus den anfallenden Pressrückständen der Pilze aus der Extrakther­ stellung gewann man durch Trocknung auf Sieben Pilzpulver. Bei der Ex­ traktion verbleiben ungefähr zwei Drittel der Inhaltsstoffe im Pressgut. Das Pulver aus der Pilzextraktherstellung eignet sich gut zum Mischen mit dem Pilzpulver, welches von regulär getrockneten Pilzen herrührt.

Ein Pilzbrotaufstrich

Mithilfe des Pilzpulvers kann ein pastenartiger Brotaufstrich zubereitet werden. Zutaten: 5 Stück mittelgroße Kartoffeln, 4 dag Butter, 3 – 4 Teelöffel Pilzpulver, eine halbe Zwiebel oder Lauch, frische oder getrocknete Gewürze, etwas Essig und Salz und je nach Belieben etwas Olivenöl. Zubereitung: Die Kartoffeln kochen, abkühlen lassen und passieren und mit flockiger Butter und etwas Öl verrühren. Die Zwiebel oder Lauch fein verhacken, evtl. mit frischen Petersilie-, Kümmelblättern oder anderen Kräutern würzen, salzen und einen kleinen Schuss Essig sowie das Pilzpulver untermischen. Je nach Belieben kann anstelle von Butter bzw. Öl auch Süß- oder Sauerrahm untergerührt werden. Der Aufstrich ist nach Zubereitung zu verzehren.

Pilzpulver mit Kräuterrn gemischt

In einigen Fällen mischte man früher getrocknete Küchenkräuter hinzu, um den Pilzgeschmack etwas zu dämpfen. Dabei verwendete man bevorzugt Estragon, Thymian, Majoran, Oregano, Dill und Petersilie oder Kümmel. Auch macht sich eine Variation mit geringen Mengen von Mutter- oder Kreuzkümmel oder Schabzigerklee gut und erweitert das Geschmacksspektrum beträchtlich. Was die Suppen- und Soßenwürzmittel anbelangt, sind der sinnreichen Kombination und den Geschmacksvorlieben keine Grenzen gesetzt, und es könnten völlig neue Kreationen in den Küchen entstehen. Vor allem wären sie nicht gesundheitsbeeinträchtigend wie die künstlich hergestellten Würzaromate.

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Ein gut zubereiteter Kaffee, nach traditionell türkischer Art oder als Häferlkaffee, ist eine Wohltat. Unterschiedliche Würzmittel machen den Kaffee besser verdaubar und wirkungsvoller und bringen eine gute Abwechslung.

Ist das Kaffeewürzen schon verloren gegangen? – Eine Übersicht aromatischer Kaffeezubereitungen mithilfe von Würzmitteln Wie sehr lieben wir doch diesen heißen braunen Wasserauszug. Für manch Besessene ist der Kaffee eine genüssliche Droge, für andere ein „Giftgetränk“. Abhängig könnte man von diesem wunderbaren Gesöff werden, würden nicht maßlose Mengen konsumiert zur Übersäuerung und zu körperlichen Beschwerden führen. Mit einigen Gewürzen das Kaffeepulver in der Espressomaschine versehen, ergibt dies eine willkommene Abwechslung und ein besser verdaubares Getränk. Doch heute wird nicht mehr bedacht, wenn wir von der Würzung sprechen, dass der eigentliche Sinn der aromatisch schmeckenden Stoffbeigaben in der Heilbedeutung zu messen wäre. Die ursprüngliche Heimat des wilden Kaffeestrauchs oder -kleinbaums (Coffea arabica) liegt im Hochland von Abessinien in Äthiopien und im Sudan. Über den Handel gelangte dieses Genussmittel im Mit-

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telalter nach Europa. Heute werden verschiedene Kaffeestrauchsorten weltweit in den tropischen Gebieten kultiviert. Die Früchte des Rötegewächses sind im unreifen Zustand grün, werden dann rot und verfärben sich mit der Reife scharlach- bis violettrot. In den Früchten sind jeweils zweifächrige Beeren – mit zwei Samen, die Kaffeebohnen – enthalten, welche durch Röstung für die Trinknutzung aufbereitet werden. Was wir heute bei der Kaffeekultur vergessen, ist die Art der Zubereitung. Der Kaffee aus der Espressomaschine oder die türkische Bereitung scheint nicht so stark zur Übersäuerung beizutragen, wie jener aus der Filtermaschine. Ebenso scheint Milch anstelle von Rahm als Beigabe weniger Verdauungsprobleme zu schaffen. Und gab es nicht in früheren Zeiten einmal gewürzte Kaffees, welche das Getränk auch halbwegs gut verdaulich machten und die auch neue Geschmacksnuancen zuließen?

Echter Würzkaffee Auf das genussvolle Kaffeetrinken muss nicht verzichtet werden, wenn wir die Wirkung bestimmter Würzmittel berücksichtigen, so wie diese Trinkkultur vor Jahrzehnten in verschiedenen Ländern angewandt wurde. Wohl ist aber beim Kauf von aromatisierten Kaffees Vorsicht angeraten, denn hierbei handelt es sich zumeist um preiswertere Bohnensorten, welche mit Trägerölen besprüht und nach dem Röstvorgang mit künstlichen Aromastoffen versetzt werden. Gibt man aromatische Würzmittel unmittelbar bei der Kaffeebereitung zu Hause selber bei, so kann man je nach Belieben wunderbare echtaromatisierte Geschmacksrichtungen herstellen. Z.B. können mit den Kaffeebohnen Gewürze wie Zimt, Anis, Fenchel, eine kleine Gewürznelke mitgemahlen und das Pulver in der Espressomaschine zu Kaffee bereitet werden. Lässt man in ein hitzebeständiges Glas zuerst die gut auf geschäumte Milch und dann den Kaffee langsam einfließen, so entsteht eine schöne Schichtung.

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❚ Ist das Kaffeewürzen schon verloren gegangen?

Inhaltsstoffe der „Kaffeebohnen“ Grundsätzlich wirken die Inhaltsstoffe des Kaffees gleich, die Kaffeetrinker reagieren unterschiedlich, können aber über Gewöhnung damit umgehen, wenn in etwa mit dem Getränk eine Verdauungsanregung oder Verstopfung erwirkt werden soll. Ungezuckerter Kaffee gilt als appetitanregend, gezuckerter hilft das Hungergefühl zu mindern. Das Getränk ist aufmunternd und kräftigend. Die Kaffeebohnen enthalten ca. 20 % des anregenden Koffeins, Theobromin, Theophyllin, ca. 10 % Fett, Harze, Gerbstoffe und u.a. Vitamine B1 und D. Das Koffein oder „Kaffeebitter“ erweitert die Herzgefäße, regt das zentrale Nervensystem und die Herz- und Nierentätigkeit an. Es wird über die Magenschleimhäute rascher als die Wirkstoffe des Tees aufgenommen, weshalb die Muntermachung und Erhitzung schneller spürbar ist. Große Koffeinkonzentrationen können zu Schweißausbrüchen, Unruhe, Schwindel und zu erhöhtem Erbrechen führen. Kaffee kam zum Einsatz nach starken Alkoholräuschen, aber auch bei Kopf- und Nierenschmerzen, bei Krampfasthmaanfällen der Schmiede- und Stahlarbeiter sowie zur Magenstärkung. Die belebende Wirkung ist so stark, dass Kaffee auch nachts wachhalten kann. Bei kaltem Fieber vor einem Frostanfall trank man heißen Schwarz­kaffee mit Zitronensaft. Dieses Getränk wirkt auch bei einem starken Rauschkater und bei Migräne. Früher nutzte man die verkohlten Kaffeebohnen – sogenannte Kaffeekohle – in Abessinien als Medizin. Das Mittel verwendete man gegen Durchfall und bei Blähungen, bei Vergiftungen als sehr wirksames Resorptionsmittel bei Magen- und Darmkomplikationen, zum Entwurmen, bei Allergien oder zur Behandlung von Wunden. Den Kaffeesatz gab man in ein Tuch und legte die Packung bei schmerzhaft entzündeten Augen auf. Dieser Rückstand diente auch zum Binden übler Gerüche. Auch die Kaffeeblätter verwendete man als Tee gegen Durchfall. In den Niederungsgegenden Norddeutschlands schützte man sich nach Hochwässern mit Branntwein-Kaffee gegen das gefürchtete Wechselfieber. Man nannte das zumeist täglich prophylaktisch getrunkene Getränk „Kaffeeknecht“. Früher röstete man die Kaffeebohnen selber, auch um mit dem Kaffeerauch ansteckende Krankheiten zu vertreiben.

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Gute Nachrichten: Maßvoll getrunken ist Kaffee gesund Kaffee wird auch in einigen Fällen von Ärzten für den maßvollen Gebrauch empfohlen, z.B. zur regelmäßigen Anregung der Herztätigkeit mittels Koffein und da er vor bestimmten Krankheiten schützend wirkt. Wegen des relativ hohen Gehalts an Antioxidantien gilt sowohl koffeinhältiger wie entkoffeinierter Kaffee als Kompensator von freien Radikalen, welche in vielen Fällen krebserregend sein können. Kaffee hebt den Serotonin-Spiegel, verbessert dadurch die Ausschüttung dieses „Glückshormons“ und führt zur Hebung der inneren Stimmung. Das Koffein aktiviert Kalziumverbindungen in den Nervenzellen des Gehirns und trägt somit zur Vernetzung der Gehirnzellen bei. Mit dieser Stärkung des Denkvermögens wird das Gehirn leistungsfähiger. Die anregende Wirkung auf das zentrale Nervensystem und die Erweiterung der Blutgefäße können zum Verschwinden leichter Kopfschmerzen führen.

Gewürzter Kaffee ist gesünder Kaffee an und für sich ist ein sehr aromatisches Genuss- oder Suchtmittel, das bei übermäßigem Konsum Magen- und Darmschleimhäute angreift, zu Nervosität und erhöhtem Blutdruck führt. Mit der Menge und Häufigkeit des Kaffeetrinkens verstärken sich gesundheitliche Beschwerden, die sich über permanente Magenübersäuerung und via HarnsäureZyklus auch auf die Gelenke, Knochenaufbau, Kreislauf, Blutzusammensetzung, Verstopfungen, Hämorrhoiden, Unterleibsstockungen usw. auswirken. Darüber hinaus ist die Frage der Kaffeequalität (Röstung und Konservierung) wesentlich. Je nach Konstitution, Empfindlichkeit und psychischen Belastungen im Alltag ist bei Dauergebrauch ein wohlbedachter Umgang zu wählen. Meiner Ansicht nach dürften beim Filterkaffee durch das langsame Wasserdurchlassen mehr Gerbstoffe austreten, was sich bei dauerhaftem Genuss negativ auswirken kann. Die Früchte des Kletten-Labkrauts (Galium aparine) stellten in Europa eine ursprüngliche Kaffeeart dar, indem diese leicht geröstet wurden. Die Labkräuter zählen ebenfalls wie die Kaffeepflanzen (Coffea spec.) zu den Krapp- oder Rötegewächsen (Rubiaceae).

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❚ Ist das Kaffeewürzen schon verloren gegangen?

Verwendbare Gewürze Alle Zusätze bereichern die Kaffeepalette der Kaffeetrinker. Einige dieser Würz- und Heilmittel lassen sich immer gut vor, aber auch nach der Zubereitung dazumischen. Durch das frische Mahlen kommen die würzenden Inhaltsstoffe voll zur Geltung. In geringen Mengen eingesetzt, wirken die gemahlenen Samen z.B. von Fenchel, Kümmel, Anis, Kreuzkümmel, Schwarzkümmel oder Koriander jeweils vorteilhaft auf die Verdaubarkeit des Kaffees. Vom Geschmack her werden u.a. Ingwer und Kardamom bevorzugt verwendet. Gewürznelken und Zimt werden wegen ihrer keimtötenden Wirkung eingesetzt und aber zumeist als Würze interpretiert. Auch konnten ausprobiert werden: Thymian, die reifen Samen von Pastinak-, Bärenklau- und Angelika- oder Meisterwurzsamen oder kleine Mengen der Wurzel von Meisterwurz oder der Gewöhnlichen Nelkenwurz … Doch diese sind für unser heutiges Geschmacksempfinden gewöhnungsbedürftig. Gemahlene Bertramwurzel (Anthemis pyrethrum) wirkt als Tonikum auf die Verdauungsorgane. Die Sorten an Pfefferminz-Blättern ergeben eigene Geschmacksnuancen. Der Kaffee-Geschmack kann intensiviert werden, wenn in den Kaffeefilter zusätzlich ein Hauch edelsüßen Paprikapulvers hinzugefügt wird. Paprika soll aber nicht vorschmecken. Anis (Pimpinella anisum) Die Anis-Bibernelle trägt auch die Namen „Süßer Kümmel“ oder „Runder Fenchel“ und zeigt somit die Verwandtschaft mit den Doldenblütlern an. Die Pflanze ist im Nahen Osten beheimatet und wird im Mittelmeerraum kultiviert. Die ätherischen Öle der runden Früchte geben einen typischen Geschmack und sind heilwirksam. Sie wirken vor allem bei Husten, Blähungen, zur Kräftigung des Magens und zur Verdauungsförderung, bei Schlafstörungen und regen die Tätigkeit der Lunge und Leber an. Fenchel (Foeniculum vulgare) Der Fenikel, Femis oder „Langer Anis“ kommt ursprünglich in den Mittelmeerländern vor und wird heute weltweit kultiviert. Man nennt ihn auch „Brotsamen“ oder „Brotanis“, weil er als Brotwürzmittel ge-

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gen auftretende Blähungen hilft. Dieses Doldengewächs ist reich an ätherischem Öl, welches aus süßem Anethol besteht und nach Kampfer schmeckt. Die Fenchelfrüchte helfen bei Husten und Asthma, zur Beruhigung, bei Galle- und Leber-, Magen- und Darmbeschwerden, Geschwüren, bei Appetitlosigkeit und sogar bei Kopfschmerzen. Koriander (Coriandrum sativum) Der aus Vorderasien und Nordafrika stammende Doldenblütler erreicht eine Höhe von ca. 50 cm und enthält ätherische Öle und Gerbstoffe. Koriander wird weltweit in den Warmgebieten kultiviert. Als ­Heildroge werden die kugelrunden Früchte bei Magen- und Darmkrämpfen, Durchfällen, Appetitlosigkeit, Blähungen etc. verwendet. Mittels Kaffee das Würzmittel genossen, erfolgt auch ein heilwirksamer Einsatz. Kümmel (Carum carvi) Unseren heimischen Wiesen-Kümmel findet man heute in höheren Lagen in beweideten und überdüngten Wiesen kühler Berggebiete und in nährstoffreichen Weiden der Almen. Seine allumfassende Heilwirkung betrifft die Bereiche: Blähungen, Magenkrämpfe, Herzstörungen, Blutgefäßreinigung, bessere Fett- und Kohlehydratverdauung nach dem Verzehr von Käse-, Kohl- und Brotspeisen, Galleanregung, Nervosität und unruhigen Schlaf etc. Wer Kümmel aus geschmack­ lichen Gründen ablehnt, sollte ihn fein gerieben einsetzen und über gekochte Speisen einnehmen. Mutter- oder Kreuzkümmel (Cuminum cyminum) Das in den Mittelmeerländern heimische Doldengewächs bezeichnet man auch als „Kreuz-“ oder „Römischer Kümmel“. Heute wird der Mutterkümmel weltweit in warmen Lagen wegen seiner aromatisch schmeckenden Öle und Harze kultiviert. Als braunes Pulver oder die kümmelartigen Körner finden vornehmlich als eigentümliches Gewürz, aber auch als Mittel bei Blähungen und Magenverstimmungen Verwendung. Sein Duft ist in vielen Gerichten der indischen, asiatischen und arabischen Küche zu finden. Ein Geheimtipp: Nicht nur für verschiedene Speisen, sondern auch zur Würzung des Kaffees sind diese Samen gut einsetzbar.

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❚ Ist das Kaffeewürzen schon verloren gegangen?

Einige Kaffee-Würzmittel von links oben nach rechts unten dargestellt: Piment, Fenchel, Muskat (Nuss, Blüte), Koriander, Paprika, Mutter- oder Kreuzkümmel, Schwarzkümmel, Ingwer, Meisterwurz (Blätter mit Wurzel pulverisiert), Zimt, Curry, Indianernessel, Paprika (dunkle Sorte), Schwarzer Pfeffer, Kardamom, Wiesen-Kümmel.

Echter Galgant (Alpinia officinarum) Dem Ingwer ist die aus China stammende Galgantstaude sehr ähnlich. Sie kann bis 1,5 m Höhe erreichen. Geerntet wird der waagrecht kriechende Wurzelstock. Er enthält ätherische Öle und scharf- und bitterschmeckende Stoffe, wie auch Eugenol, welches den Kreislauf anregt und vor Herzversagen schützt. Bei Appetitlosigkeit und ermüdeter Galle kommt er als Pulver vor dem Mittagessen zum Einsatz. Gewürznelke (Syzygium aromaticum) Der an der südostafrikanischen Küste und in Malaysia kultivierte, immergrüne Baum kann 20 m hoch werden. Von ihm werden die ­gelben Blütenknospen geerntet, welche als Hauptwirkstoffe ätherische Öle und Gerbstoffe besitzen. Nach der Trocknung werden die Knospen dunkelbraun. Das Myrtengewächs ist vor allem durch den hohen

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Eugenolgehalt (80 %) bekannt. Die Gewürznelken verströmen einen angenehmen Duft und werden als verdauungsförderndes Mittel in Speisen wohldosiert eingesetzt. Das Gewürz findet in der pikanten Küche für Soßen, Braten, Wild- und Geflügelgerichte, aber auch als Süßspeisengewürz im Kompott, wärmenden Getränken sowie in verschiedenen Kuchen- und Gebäcksorten Verwendung. Als Pulver kann es ebenso im Espressokaffee eingemischt oder zusammen gemahlen werden. Die Inhaltsstoffe der Gewürznelke helfen Schlaganfälle zu vermeiden und wirken schmerzstillend. Zu viel davon sollte man nicht verwenden! Piment oder Neugewürz (Pimenta dioica) Dieses Gewürz aus der Familie der Myrtengewächse wird auch als Jamaika- oder Nelkenpfeffer bezeichnet, und, da es Anklänge an Nelke, Muskat, Pfeffer und Zimt besitzt, als „Viergewürz“ oder „Allgewürz“ benannt. Bei guter Qualität bekommt man im Kaffee ein Mischaroma, welches nach den genannten Gewürzen schmeckt. Im östlichen und nordafrikanischen Raum nennt man das Gewürz „bahar“. Die zweihäusigen, immergrünen Bäume werden in Jamaika und in Mittelamerika kultiviert und besitzen zweisamige, 0,5 bis 0,9 cm rundkugelige Früchte, welche wegen des höheren Ölgehalts (Eugenol, Methyleugenol, Terpene) in grünem Zustand geerntet werden. Eingesetzt wird die Trockenware in Europa zur Würzung der Würste, in sauer eingelegtem Gemüse und Obst, Lammbraten oder in Keksen, Lebkuchen und anderen Bäckereien. Im Gegensatz zum mexikanischen besitzt jamaikanisches Piment ein aromatisch brennendes und intensiveres Aroma. Wegen der kreislaufstärkenden und vor Gefäßverengungen schützenden Wirkung führte das Heilgewürz früher den Namen Pimenta officinalis. Ingwer (Zingiber officinale) Von der Ingwerpflanze wird die geschälte und von Korkteilen befreite Kriechwurzel geerntet. Sie kommt von Indien bis China und auf verschiedenen asiatischen Inseln vor, wobei für die optimale Kultivierung nährstoffreiche Böden der Tropenregionen notwendig sind. Ätherische Öle und erfrischende, stark duftende wie scharf schmeckende Inhaltsstoffe des Pulvers gelten als Appetitanreger, der auf Verdauung und Magentätigkeit förderlich und bei Blähungen mildernd wirkt.

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Guarana (Paullinia cupana) Das in Brasilien und Venezuela geführte Guarana ist heute ein bekanntes Genussmittel, welches einst auch bei Magen- und Darmbeschwerden eingesetzt wurde. Es handelt sich hierbei um eine aus den Samen hergestellte dunkelrote bis rotbraune Paste. Die Schlingpflanze des Amazonasgebietes enthält Coffein, Gerb- und Schleimstoffe, Harze und Saponine und wirkt aufmunternd und stimulierend bei Energielosigkeit infolge von Migräne. Kakao oder Schokolade Das Kakaopulver stammt vom bis zu 10 m hoch werdenden Kakaobaum (Theobroma cacao), welcher in den Tropengebieten kultiviert wird. Die mandelförmigen Samen der Früchte – die Kakaobohnen – werden wegen ihres Aromas, Fettreichtums und Farbstoffe geerntet. Zusätzlich enthalten sie Coffein und Theobromin. In der Heilkunde setzte man das fettreiche Pulver als Stopfmittel bei Durchfällen ein. „Bicerin“ wird z.B. ein Getränk genannt, wo die heiße, gezuckerte Schokolade mit einem Espresso aufgefüllt wird. Zuletzt versieht man dieses Getränk mit Rahm. Unser 85-jähriger Mitbewohner bemerkte einmal sinngemäß: Der Kaffee, welchen die Bewohner des Gitschtals kochen, schmeckt nicht gut. Er gibt einen Teelöffel Kakao zum Kaffeepulver und in das Wasser eine Prise Salz dazu, so zubereitet entsteht ein guter Kaffee. Kardamom (Elettaria cardamomum) Diese 4 m hohe, strauchförmige Staude stammt aus dem Kardamomgebirge der Südwestküste Indiens, wird heute in vielen tropischen Ländern z.B. in Sri Lanka und Java, angebaut, wo sie auf nährstoffreichen Böden unter feuchtwarmen Verhältnissen gut gedeiht. Aufgrund der langen Ausreifung der Fruchtstände kann im Herbst über eine längere Dauer abgeerntet werden, bevor die Samen ausfallen. Die pikant-feurigen Fruchtsamen werden wegen des intensiv duftenden ätherischen Ölgehalts in der Volksmedizin zur Anregung der Verdauung und des Appetits und bei Blähungen häufig in Kombination mit Kümmel und Fenchel seit der Römerzeit eingesetzt. Im Mittelalter war das Gewürz in ganz Europa verbreitet worden. Deshalb wird dieses Aromatikum auch den Kompotten und in der Bäckerei, wie in Suppen und Soßen

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oder zur Würzung von Fleisch (Geflügel, Fisch, Wurst oder Schinken, …) als Verdauungshilfe sparsam zugesetzt. Sowohl bei der Kaffeezubereitung als auch nach dem Servieren des Kaffees kann eine kleine Prise zugesetzt werden, so wie es einst die Araber schon machten. Kubeben (Piper cubeba) Die aromatisch riechenden Kubeben waren als Würzmittel unserer Vorgenerationen – als sogenannte „Schwindelkörner“ oder „Schwanzpfeffer“ – bekannt. Man verwendete von diesem kletternden, in Südasien beheimateten Pfeffergewächs die unausgereiften, pfefferkorngroßen Steinfrüchte, welche Bitterstoffe, Piperidin, Cubebin, Piperin und ätherische Öle (Sesqui- und Monoterpene) enthalten. Dieses anregende, schleimlösende und auswurffördernde Gewürz ist der Darm- und Magentätigkeit förderlich und war bei Blähungen wie auch bei chronischer Bronchitis und Atembeschwerden als „Hustenlöser“ eingesetzt worden. Wegen der antiseptischen Eigenschaften bei entzündlichen und bakteriellen Erkrankungen verwendete man es zur Gesundhaltung der Harnwege. In Tee oder Kaffee die „Schwindelkörner“ verwendet, wirken die Inhaltsstoffe heilsam bei Kopfschmerzen und Gedächtnisschwäche. Muskatnuss (Myristica fragrans) Wer es geschmacklich verträgt, kann in gering dosierten Mengen das Pulver oder mit dem Messer abgeschabte Teile der „Nuss“ zum Würzen verwenden. Der in den Tropen kultivierte immergrüne Baum kann bis über 18 m hoch werden und enthält neben ätherischen Ölen Terpene und das giftige Myristicin. Anteile an Ölen, Eiweißen und Stärke erwirken eine nur gering andauernde Haltbarkeit. Muskatnuss wird üblicherweise in geringer Dosierung zur Magenstärkung sowie zur Anregung der Leber und Galle als Heil- oder Würzmittel vor allem in Suppen eingesetzt. In geringen Mengen Muskat im Kaffee eingesetzt, dient das Heilmittel als Verdauungshilfe und bei Übelkeit. Schwarzkümmel (Nigella sativa) Der aus Südeuropa stammende „Schwarz-“ oder ebenfalls als „Römischer“ bezeichnete „Kümmel“ war früher in warmen, südorientierten Gärten kultiviert worden. Das Hahnenfußgewächs fällt durch seine weißen Blüten auf, die an den Spitzen der Kronblätter grün, rosa

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oder blau gefärbt sind. Die schwarzen Samen befinden sich in einer Balgfrucht, sind runzelig und scharf dreikantig. Die ätherischen Öle geben ihnen einen eigentümlichen Geschmack. Die auf auf dem türkischen Fladenbrot aufgestreuten Samen verleihen diesem ein typisches Aroma. Das Würzmittel enthält das Nigellon, welches bei Bronchialbeschwerden, Keuchhusten, Asthma etc. wirksam sein soll, und den galletreibenden Wirkstoff Thymochinon. Dieser ist der Magen- und Darmtätigkeit sehr förderlich. Deshalb war der desinfizierend wirkende Schwarzkümmel in vielen Speisen verwendet worden. Vanille (Vanilla planifolia) Dieses mexikanische Orchideengewächs, heute als Gewürz, früher wie die Kubeben als potenzsteigerndes Mittel bekannt, enthält das stark duftende Vanillin. Das sich mittels Haftwurzeln verankernde Schlinggewächs benutzt Gehölze, um zum Lichtgenuss zu kommen. Die Früchte werden unreif geerntet und einer Fermentation unterzogen, die erst den typischen Geschmack und Duft zulässt. Heute wird Vanille in Südamerika, Ostafrika und auf südostasiatischen Inseln kultiviert. Werden echte Vanille-Schoten nach dem üblichen Gebrauch in der Küche abermals getrocknet und pulverisiert, so sind sie als Kaffeewürze letztmalig einsetzbar.

Zimt (Cinnamomum zeylanicum) Die Schösslinge der aus Sri Lanka stammenden Baumart liefern die berühmte intensiv riechende Rinde. Das Lorbeerbaumgewächs diente einst als Magenheilmittel, heute ist die Rinde lediglich als Aromatikum bekannt. Es zeitigt ohne Weiteres bei Blähungen und Völlegefühl eine heilwirksame Wirkung. Der Zimt dient zur Aufwertung verschiedener Fleischspeisen und Soßen. Das eingesetzte Pulver oder die Rinde sollten z.B. im Kaffee nicht übermäßig verwendet werden, da es zu Herzklopfen, Reizungen der Haut, Durchfällen oder Schweißausbrüchen kommen kann.

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Verschiedene Nussaromen Werden Nussfrüchte wie z.B. der Haselnuss, Mandel, Edelkastanie stärker geröstet und gemahlen, so verleihen sie dem Kaffee ein intensiveres Aroma und je nach Zubereitung malzartigen Eigengeschmack. Geriebene Kokosnuss, aber auch die Kokosmilch fanden in einigen tropischen Ländern zur geschmacklichen Beeinflussung des Kaffees Verwendung. Sonntagsweide und Schnaps- oder Likör-Kaffee Ein Kaffee mit einem Schuss Schnaps wie z.B. von Traubenkirsche oder „Kirschwasser“, Vogelbeer, oder der Kräuterschnäpse, von Birne oder Obstler, Gin (Wacholder, Kranewitta, Machandel), Fenchel- und Anisschnaps, Amaretto (Mandellikör), Grüner Fee (Absinth), Orangenlikör, Kumquatschnaps, Himbeer- und Marillenschnaps, etc. steigerten unseren Wohlgenuss sonntäglicher Nachmittagsstunden auf den Almen in der Schweiz. Solchen Labsal, wenn uns die Bauern besuchten, konnten wir uns nur leisten, wenn die Weidetiere wohlbehütet in Hüttennähe eingezäunt waren und reichlich zu fressen hatten. Oder ein Kaffee mit Amaretto, Baileys und Schlagrahm gemischt ist einfach ein Gedicht. Solcherlei „Likör-Kaffee“ wird in verschiedenen Regionen Europas zubereitet. So verwendet man z.B. im Corretto – dem „korrigierten“ Espresso – als aromatisierenden Alkohol Grappa (Tresterbrand), Cognac oder auch Sambuca (Holunder-Likör mit Anis, Sternanis und Süßholz) und schafft damit abwechslungsreiche Geschmacksvariationen.

Ein arabischer Würzkaffee Zutaten: Schwarzer Kaffee, frische Feigen, Amaretto, Gewürznelken, Zimt­pulver, geringe Mengen Kardamom und Muskatblüte, Braun­zucker. Zubereitung: Die Feigen werden in der Mitte auseinandergeschnitten und im Amaretto ca. 20 bis 30 Minuten ziehen gelassen. Zubereiten des Kaffees und diesen je nach Belieben mit den Gewürzen und Zucker versehen und warm halten. Nun wird in die Feigen ein Spalt geschnitten und

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die Feigenhälften auf die Ränder des Trinkgeschirrs aufgesteckt. Den Kaffee in die Tassen gießen und vor dem Servieren mit einem Schuss Amaretto versehen, damit dieser noch stärker die Magensaft- und Speichelabsonderung mit den Bitterstoffen steigern kann.

Irish Coffee und Cafè Cointreau Flambè Zutaten: Schwarzer Kaffee oder Espresso, Braunzucker, Irish Whisky, Schlagrahm. Zubereitung: Zuerst wird ein Kaffee im Espressogerät aufgesetzt. Während der Kochzeit wird parallel folgenderweise vorgegangen: Zucker in erwärmte Tassen geben. In einem kleinen, hitzefesten Geschirr wird der ­Whisky erwärmt und angezündet. Schnell wird er brennend über den Zucker gegossen, ehe mit heißem Kaffee aufgefüllt wird. Mit Schlagrahm wird das Getränk serviert. Ähnlich wird Cafè Cointreau Flambè zubereitet: Über ein Stück ungespritzte Zitronenschale wird Kaffee gegossen. Der Cointreau (Likör aus den Schalen süßer und bitterer Orangen) wird mit Würfelzucker erwärmt, angezündet und brennend in den Kaffee gegeben.

Cafè Diable Zutaten: 3 – 4 Tassen Schwarzer Kaffee, etwa eine halbe Tasse Cognac, 3 – 6 Stück Zuckerwürfel, Orangen- und Zitronenschale, eine Gewürznelke, etwas Zimt. Zubereitung: In einem Stielpfännchen erhitzt man Cognac mit Orangen- und Zitronenschale, Gewürze und Zucker, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Von der Flüssigkeit wird etwas in eine Schöpfkelle gegeben, in das man ein Stück Zuckerwürfel gibt und anzündet. Damit wird die Flüssigkeit im Pfännchen flambiert. Nun gießt man etwa drei Tassen Kaffee dazu und serviert dieses Lebenselixier in Mokkatassen.

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Freundliche Referenzen an die Kaffeeabgekehrten Jedes einzelne hier angeführte Gewürz verleiht dem Kaffee einen eige­ nen Geschmack und einige Würzmittel können auch mit anderen gemischt verwendet werden. Sie sollen vor der Einmischung in die Espresso- oder Filtermaschine gemahlen oder zerstoßen werden, damit u.a. die ätherischen Ölgehalte besser geschmacklich und gesundheitlich wirksam werden können. Solche Würzkaffees schmecken uns am besten nach einem schönen Essen, dann soll ein spektakulärer Abschluss am Tisch nicht fehlen. Mit Gewürzen bereiteter Kaffee verhilft der Verdauung eingenommener Speisen am besten, wenn er schwarz und ohne Milch oder Rahm genossen wird. Es ist nur verwunderlich, warum die Kaffeeindustrie die Heilwirksamkeit verschiedener Würzbeigaben noch nicht entdeckt hat. Die Referenzen an die Kaffeeabgekehrten richten sich in erster Linie an den Einsatz des Getränks als Heilmittel, denn es regt nicht nur die Gehirntätigkeit an und steigert das Denk- und Konzentrationsvermögen, sondern ist eben gerade mit den Würzmitteln maßvoll genossen ein Elixier unabhängig der verwendeten Kaffeesortimente.

Frisch gemahlen und in der EspressoMaschine hergestellt, schmeckt der Kaffee am besten und können Würzmittel un­mittelbar mitzerkleinert werden.

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AUS DEM GELD SEIN ... Eine reale Geschichte zur Selbstversorgung Der Naturzugang und die Naturbeobachtung verändern unsere Sichtweisen. Und der Kräutergebrauch festigt dieses Wissen einer sorgsamen Landnutzung und den Respekt für die Mutter Erde.

Die Geldwertorientierung unserer Gesellschaft verdeckt, unterdrückt oder verunmöglicht, nach Gesichtspunkten der Selbstversorgung zu leben, weshalb diese sehr häufig in eine alternative Warenproduktion abdriftet. Subsistenzwirtschaft oder Subsistenzproduktion soll anhand einer Geschichte dargestellt werden. Auch wenn diese Beispiele der „eigenermächtigten Selbstversorgung“ ihre Ecken und Kanten haben, können diese vorerst einmal belassen werden. Warum sollte man sie rund machen müssen? Ich erinnere mich an mehrere Reisen nach Südtirol, wo ich in den frühen 1990er-Jahren auf einem Hof ganz oben auf 1.400 m See­höhe mitarbeitete und Hofvertretung machte. Er lag in der auslaufenden Waldzone auf einer geneigten Hangschulter und man sah ihn vom Tal aus kaum. Dieses Land wurde von Leuten bewirtschaftet, die es eines Tages satt hatten, dem Alltagstrott des „erzwungenen Geldverdienens“ und der Abhängigkeit einer vorformulierten Konsumbedürfniswelt nachkommen zu müssen. Bevor Gian und Vanella für ein paar Tage auf einen einwöchigen Besuch nach Pescara in Mittelitalien fuhren, schlachteten sie zwei Lämmer, ließen diese einige Tage abhängen, ehe sie die zerteilten Stücke in Kühlkoffer verpackten. Auch andere Lebensmittel, spezielles Gemüse aus dem Garten, selbergebackenes Brot, Eier, Marmelade, Ziegenkäse, Speck und andere veredelte Erzeugnisse ihres Bergbauernhofes verstauten sie im kleinen Automobil. Sie beabsichtigten, diese Waren gegen Oliven und Olivenöl, Tomaten, guten Wein und Weinessig, Getreide, Reis und vieles mehr von Kleinbauern einzutauschen. Sie wollten mit ihrer Naturalwirtschaft „aus dem Geld bleiben“, d. h. jedem Geldverkehr aus dem Weg gehen. Das war und ist ihr Grundmotto geworden.

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Tauschen mit Naturalien und Gegenleistungen Für diverse Rechnungen, wie für Strom, Steuerabgaben, Versicherungen und Krankenkasse, aber auch für Ersatzteile, Reparaturen und bestimmte Lebensmittel, verwendeten sie, wenn es sein musste und nicht anders möglich war, Geld. Damit „bezahlten“ sie aber nur, wenn Geschäftspartner darauf bestanden. Sie sahen im Geld aber nur ein Tauschmittel. Deshalb „bezahlten“ sie z.B. beim Zahnarzt wie beim Mechaniker mit Lammfleisch oder mit mehreren Einladungen zum Mittagessen. Der direkte Warentausch hatte für sie viele Vorteile und war ihnen viel lieber, da der Wert ihrer Erzeugnisse nicht verfiel, niemand anderer sich bereichern und somit Macht organisieren konnte. Diese Erzeugnisse wurden mehr geschätzt. Außerdem konnten sie sich mit dem „unbaren Erwerb“ noch immer etwas heraushandeln und blieben darüber hinaus in direktem Kontakt mit diesen Leuten. Gian und Vanella versorgten sich im Vintschgau fast ausschließlich von ihrem 26 Hektar großen Bergbauernhof mit Lebensmitteln. Die beiden mähten von dieser Fläche etwa sechs Hektar und ließen drei intensiver beweiden. Der große Rest war trockenes, steiniges und teilweise zu steiles Weide- und Waldgebiet, welches nur eingeschränkt im Frühjahr und Herbst genutzt werden konnte. Außerhalb ihrer Grundstücke gab es einen großen gemeinschaftlichen Weidebereich, welcher ebenfalls von ihrem Vieh genutzt wurde. Dazu bestanden noch Almweide- und Holznutzungsrechte.

Früher betrieben sie Selbstversorgung ... Vor etwa 70 Jahren wurden auf diesem Berghof durch eine geschickte Sammelnutzung in den umliegenden, mit Gehölzen bestockten Flächen insgesamt 80 Schafe, etliche Ziegen, zwei Kühe und andere Tiere gefüttert. Schafe und Ziegen waren für das steile, steinige und felsige Gelände sehr gut geeignet. Die gering geneigten Bereiche rund um das Gehöft nutzten sie arbeitsintensiv als Äcker für den Getreidebau. Auch der im Flächenausmaß größer angelegte Garten wurde einst intensiver bewirtschaftet und war um einen Feldgemüse- und Kartoffelacker erweitert gewesen. Das Heu wurde außerhalb auf den heute als

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Weiden bewirtschafteten Flächen oder von den aufgelassenen, steilen Weiden und – wo heute dichterer Wald stockt – , von Restflächen, wie Böschungen, „vom Berg“ und von den Mähdern über der Waldzone herbeigeschafft. Es wurde mit der Sense gemäht, und zum Teil wurde es mit aufgeschnallten Steigeisen mit Sicheln geschnitten oder mit der Hand gerupft und am Rücken heimgetragen. In größeren Zeitabständen bezogen sie die Lärchen- und Adlerfarnstreu aus dem Wald und von den Weiden. Die Entnahme wurde planvoll und mit großer Sorgfalt betrieben und stellte eine Aufbesserung der Weidestandorte dar. Durch die Verfütterung des Schneitellaubs von den Hecken und Bäumen sicherten sie die Mineralstoffversorgung der Nutztiere. Über das Strecken des anfallenden Kots mit verschiedensten Streumitteln besserten sie den Mist auf, was der Bodenfruchtbarkeit sehr zuträglich war. Von diesen Flächen und der investierten Arbeit konnten zwei Familien mit sage und schreibe 18 Mitgliedern das Auslangen finden.

… und heute leben sie wieder nach der Subsistenzperspektive Was die Bewirtschafter in den 1990er-Jahren erzeugten, konsumierten sie großteils selber. Überschüsse wurden darüber hinaus in den nächsten Orten und Kleinstädten vertrieben. Nach und nach hatten sie sich einen Kundenstock aufgebaut und gesichert. Sie erwirtschafteten auf ihrem Hof in der Hauptsache Milchprodukte und Vieh für den Fleischverkauf und -tausch. Die Viehzahlen variierten im Bestand. Milch, Butter, verschiedene Käsesorten und Fleisch erhielten sie von ihren 20 Berg- und 15 Burenziegen, 50 Schafen, den 25 Hühnern, den 2 bis 6 Puten und von den Kälbern der beiden Mutterkühe. Auf spezielle Anfrage verkauften sie ab und zu im Hochsommer auch ihren knackigen Salat, vollwertiges Gemüse und Obst. Die Gartenwirtschaft hatten sie mit den Jahren intensiviert und erweitert, um mit den erhaltenen Qualitätsprodukten in den Tausch gehen zu können. Vanella, die hauptsächlich die Zuständigkeit für den Haushalt, das Käsemachen und den Garten übernahm, hatte sich viel Wissen aus Büchern, von Bekannten und durch das erweiterte Ausprobieren angeeignet. Sie wollte keinesfalls auf die Vorzüge bestimmter ElektroKüchengeräte verzichten. Dazu gehörten für die Käserei ein periodisch

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eingesetzter Geschirrspüler, Gasherd, Backrohr, mehrere Gefriertruhen und Zerkleinerungsgeräte. Gian arbeitete hauptsächlich draußen, in der Werkstatt und im Stall. Aber sie verrichteten zumeist alle Arbeiten miteinander, weil das gemeinsame Arbeiten schöner war, als eine schwierige und mühselige Spezialisierungsarbeit allein zu bewältigen. Ebenso kochte der Mann und machte die Haushaltsarbeit mit, wie die Bäuerin auch voll auf den Wiesen, im Wald, im Stall und beim Melken dabei war. Nur wenn sie sich auf die Nerven gingen, suchte sich jeder eine Arbeit für sich alleine, bis sie sich wieder gefunden hatten. In solchen Situationen verzogen sie sich auf einen Einkaufsbummel, besuchten jemanden in der Nachbarschaft oder schauten zum Almvieh.

Die Winterbevorratung steht im Mittelpunkt des Wirtschaftens Einen sehr hohen Stellenwert fand die Verarbeitung und Lagerung der Lebensmittel für das ganze Jahr. Ohne eine gut organisierte Haltbarmachung und Bevorratung konnten sie ihr Lebensmotto „Aus-dem-Geldsein“ vergessen. So wurde den Sommer und Herbst über ein Teil des Gemüses und Obsts gedörrt oder in Gläsern eingemacht. Die Bauers­leute kannten sich auch bei Wildobst, Wildkräutern und Pilzen gut aus, welche sie ebenso hervorragend zu verkochen, trocknen oder einzuwintern wussten. Wenn die Zeit danach war, streiften sie gemeinsam durch die Gegend und sammelten diese ein. Das Selbergesammelte gab ihnen eine besondere Selbstsicherheit und nicht zuletzt schmeckte der „Wildwuchs“ feiner, gab Würze und bereicherte die Vielfalt ihrer Küche. Der sorgfältig zubereitete Ziegenkäse, in Öl eingelegt, hielt relativ lange. Auch beim Fleisch machten sie aus fast allen Teilen vom Kopf bis zum Schwanz etwas „Beißbares und Flüssiges“. Aus den Restteilen, wie Knochen, Innereien und allzuviel Fett wurde Suppe oder Hundefutter zubereitet und tiefgefroren. Klein geschnittenes Gemüse, teilweise eingetauschtes Obst, verarbeitetes Fleisch wie Leberknödel oder Faschiertes kamen ebenfalls in die Kühltruhen. Für eine Notschlachtung hielten sie sich ein mittelgroßes Gefrierfach in Reserve. Luftgetrocknetes Schaf­ fleisch oder Schafspeck wurde, wenn regelmäßig eingefeuchtet, eine Delikatesse, welche man in der Qualität durchaus mit Bündner oder Gom-

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ser Trockenfleisch vergleichen konnte. Viele Leute rümpften die Nase, wenn sie Ziegen- oder Schaffleisch hörten. Diese Südtiroler Subsistenzbauern zeigten, welch tolle Gerichte man damit zubereiten konnte, und sie wiesen mit ihren einfachen Speisen auf unseren armseligen Umgang mit Lebensmitteln und unsere Esskultur hin.

Einsatz technischer Hilfsmittel zur Arbeitserleichterung Ausschließlich für Transportzwecke nutzten sie kleine Autos, mit geringem Treibstoffverbrauch, welche sie über die Jahre durch gebrauchte Mobile ersetzten. An Maschinen besaßen sie einen Balkenmäher, eine Seilwinde zum Heuein- und Mistausfahren oder für den Materialtransport, eine Hobel- und Sägemaschine und eine Kettensäge. Auf ihren Steilhängen war großteils nur Handarbeit möglich. Die Wiesen lagen von der Scheune in einem Umkreis von 200 m arrondiert entfernt. Im Sommer ließen sie sich beim Heumachen Zeit. Die besorgten Nachbarn äußerten ihre Bedenken, ob die beiden das Heu während des Sommers wohl rechtzeitig einbringen würden, denn die Neubauern verbrachten die Zeit während der Mittagshitze lieber im Schatten. Dafür hatten sie Zeit für Besuche, fürs Mittagsschläfchen, für lange Kaffeepausen oder zum Bücherlesen. Am Nachmittag und abends, wenn die Sonne nicht mehr so stark einstrahlte, gingen sie wieder der Arbeit nach. Die Heuernte verlagerten sie auf die Zeit vom Morgen bis zum Vormittag, wo das mit Tau „angezogene“ Heu und Grumet nicht so hohe Bröckelverluste mit sich brachte, oder auf den späten Nachmittag bis zum Abend. Im Winter und in der Übergangszeit wurden zwischendurch Reparaturen durchgeführt, wurde erneuert, ergänzt und für den nächsten Sommer vorbereitet. Da blieben zwischen den Stallarbeiten auch Stunden fürs Lesen, Musikhören, Wandern und für Besuche. Das ist auch eine günstige Zeit für die abwechselnden Bäuerinnentreffen.

Dem Geld eine Absage erteilen … Dadurch, dass sie auf dem Hof alles selber reparierten, erneuerten und für ihre Verhältnisse adaptierten, brauchten sie nicht dem Geld nach-

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zuarbeiten. Große Investitionen, wie sie z.B. alle Nachbarbauern tätigten, indem sie ihre Häuser, Ställe und Scheunen abrissen und überdimensional wiedererrichteten, wollten diese Subsistenzbauern nicht machen. Dann wären sie Gefangene gewesen und hätten nur mehr für das Schuldengeld arbeiten müssen und könnten dabei nicht mehr leben, wie sie wollten. Sie vertraten eher jene Lebenseinstellung: „Dort, wo kleinweise gebaut wird, wird gelebt. Man sichert sich so ein Stück der Autonomie.“ Deshalb hatten sie der Geldbestimmung vor vielen Jahren abgesagt, denn sie mussten durch diese Art von Abhängigkeit nur mehr schuften und konnten nicht mehr fröhlich leben. Jetzt haben sie weniger Materielles, dafür eine viel höhere Lebensqualität. Wann zu arbeiten war und wieviel, das bestimmten sie selber und nicht Mechanismen von außen. Weder Staat noch die Geschehnisse der Politik und Gesellschaft mussten sie in ihrer Lebensgestaltung berücksichtigen. So ließen sie sich auf die Naturrhythmen ein und mussten erst vieles von der Natur wieder verstehen lernen. Aber sie waren da nicht engstirnig und dogmatisch wie viele ,Alternative‘, sondern orientierten ihren Tagesablauf nach alltäglichen Notwendigkeiten und den vorhandenen Gegebenheiten.

... zur Erhaltung und Sicherung der „Souveränität“ Pro Stück Tier erhielten diese Bergbauern eine Viehhalteprämie. Das sahen sie als eine Art „Zusatzeinkommen“ als Beitrag für die Offenhaltung dieser schönen Landschaft, mit dem sie sich ihre Unabhängigkeit sichern konnten. Dieses Geld wurde für die Beschaffung von Geräten oder Maschinenersatzteilen oder Lebenswichtigem, das sie nicht selber erzeugen konnten, verwendet. Sie verfolgten stets das Ziel, „der Abhängigkeit aus dem Weg zu gehen“ und sich nicht verkaufen zu müssen. Auch hätten sie ohne Bewässerung auf der Sonnseite des Tals keinen oder nur einen geringen Pflanzenaufwuchs. Eine Erneuerung der Bewässerungsanlage war deshalb obligatorisch. Mit neuen Rohren konnten sie ein Wasserversorgungsnetz über die Mähflächen und zugänglichen Intensivweiden legen, auch hier wurde mit gebrauchten Waren improvisiert. Ohne die staatliche Förderung der Viehhaltung

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hätten sie sich für notwendige Umbauten, bauliche Erneuerungen und Erweiterungen etwas anderes einfallen lassen. Sie sagten, das sei gerade jenes Geld, welches sie an Steuern abgeben mussten.

Eigenmächtigkeit wird angestrebt Die Leute im Ort lachten über sie und prophezeiten ihnen schon vor 45 Jahren ein klägliches Ende. Aber das trat bis heute nicht ein. Die „ins Leben wieder Eingestiegenen“ hatten den Viehbestand reduziert, damit sie in eine niedrigere Steuerklasse eingestuft wurden. Kleinbleiben, damit man eine niedrigere Einkommensgrenze erreicht, das geht nur auf einem subsistenzorientierten Bauernhof mit mehreren Standbeinen. Sie hatten erkannt, dass jene Betriebe, die die „Wirtschaft“ von der Fläche und vom Viehbestand her ausweiteten, gezwungen waren, noch intensiver zu wirtschaften. Diese Landwirte fristeten im Konkurrenzverhältnis zu den Betrieben mit günstigeren Bedingungen ihr Dasein und wurden immer hochgradiger abhängig. Solche Landwirte hatten sich langfristig ihren Absatzmarkt kaputt gemacht. Was ist das für eine Bestimmung, für immer weniger Wert immer mehr arbeiten zu müssen? Je größer der Tierbestand und der Betrieb, umso mehr zusätzliche Arbeit hätte man mit den Tieren im Stall und auf der Weide, mit der Futtererzeugung und -bevorratung und der Mistausbringung, umso höher wären etwaige Dimensionierungen und Investitionen und umso höher wäre der Aufwand für die Veredelung, für die Vermittlung und Absatz der Erzeugnisse an andere Leute. Der Absatzmarkt böte gleichzeitig nicht, was den hohen Arbeitsaufwand entschädigen würde. Gian und Vanella verstanden nicht, wie Landwirte mit 30 bis 50 ha Land von der „Bauerei“ nicht mehr leben konnten. Schon von einem kleinen Stück Land, wie z.B. einem Garten, könnte man allemal leben, wenn man wollte. Sie konnten von ihrem Land mit Viehhaltung genug Erträgnisse zu einem guten Leben schöpfen, ohne sich durch körperliche Arbeit zu verschleißen.

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Von einem Stück Land und durch eigener Hände Arbeit kann man leben und überleben.

Tauschorientierte Binnenökonomie anstatt Außenabhängigkeit Diese Südtiroler Bergbauern kamen mit den Bedingungen und Erträgnissen ihres Landes ohne hohen Fremdmitteleinsatz und mit wenig Zukauf aus. Dies bedeutete weniger Abhängigkeit von der Außenökonomie und Sicherung der Binnenökonomie. Wenn allerdings die Technik die Arbeit erleichterte und nicht in irgendeiner Weise naturzerstörend wirkte, dann nehmen Gian und Vanella solche Hilfsmittel in Anspruch. Sie hatten dahingehend auch Wünsche, zum Beispiel in der Stromversorgung unabhängig zu werden. Bei allen Entscheidungen galt die Erkenntnis, dass bei geringer Geldbelastung auch die Arbeitsbelastung gering gehalten werden konnte. Nur so kam ein Moment der Befreiung zum Tragen, konnte die Selbstversorgung mit den Mitteln zum Leben auch Selbstbestimmung bedeuten. Dieser Beitrag erschien in gekürzter Fassung 1996 in der Zeitschrift , Die Bergbauern‘, Nr. 216. Hg.: Österreichische Bergbauernvereinigung, Wien.

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Allgemeines Stichwortverzeichnis Aegopodium podagraria 115, 126 f., 133 Agaricus arvensis 326 agroindustriell 38, 42, 87 Ajuga reptans 123 Akelei, Alpen- 208 Akelei, Duft- 211 Akelei, Dunkle 208 Akelei, Gewöhnliche 207 Akelei, Schwarzviolette 208 Akelei-Essenz 217 f. Albatrellus ovinus 328 Alcea rosea 229 Alleebäume 24 Allermannsharnisch 92 Alliaria petiolata 122 Allium ursinum 92 Allium victorialis 92 Alnus glutinosa 166 Alpenrose 93, 201 Alpinia officinarum 337 Althaea officinalis 224 Althaea rosea 234 Amaretto 342 f. Amor perfetto 208 Ampfer, Alpen- 93, 123, 125, 162 Ampfer, Breitblatt- 123 Ampfer, Sauer- 123, 136, 235 Anemonastrum narcissiflora 10 Angelika 234, 335 Anis 170, 231, 294, 316, 321, 332, 335, 342 Anthemis pyrethrum 335 Anthoxanthum alpinum 191 Anthoxanthum odoratum 191 Anthriscus sylvestris 123 Aquilegia alpina 208 Aquilegia arrata 208 Aquilegia fragrans 211 Aquilegia nigricans 208 Aquilegia vulgare 207 Armillaria mellea 327 Armillaria ostoyde 327 Arnika 18, 170 Aruncus dioicus 117 Asche 53, 84, 198 Asparagus 117 Auricularia auricula­judae 328 Barbarea spec. 122 Bärenklau, Wiesen- 92, 315 Bärlapp, Kolben- 172

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Bast 163, 263 Bastfaser 163 Bauchberste 165 Bauchbrot 120 Bedürfnisse 7, 32, 47, 62, 64 Beifuß 92 f., 135, 315 Beinwell 114, 116 f., 122 f. Berberis vulgaris 124 Berberitze 124 Berteroa incana 122 Bertramwurzel 335 Besen 174 Bewässerung 22, 30, 37, 350 Bibernelle 27, 79, 99 f., 108 Bienen 41, 211, 267, 269 Bienenwachs 261 Bienenwirtschaft 163 Binnenökonomie 352 Biotika 76, 78 Birkenpilze 326 Birkenreisig 174 Birnbaumöl 287 Birne, Allerheiligen- 291 Birne, Geröll- 287 Birne, Grau- 291 Birne, Honig- 291 Birne, Most- 290 Birne, Scheibel- 288 f. Birne, Wild- 286 Birnenbrei 293 Birnenmehl 285 ff., 289, 292 ff. Birnensorten 285 ff., 288, 291 Birn-Kloaznkäse 298 Birnpfocker 293 Birntalggn 293 Bitterklee 170 Blitum bonus ­henricus 115, 125 Blitzkraut 157 Blitzschlag 280 Blutwurz 112 Bocksbart, Wiesen- 119 f. Bocksdorn 124 Bockshörndl 295 Bockshornkleesamen 231 Bodenkultur 18, 44, 50, 58, 68, 370 Bodenleben 57 Bohnen 52, 56 Boletus badius 326 Boletus spec. 324 Bovist 328 Brandbekämpfung 263

❚ Allgemeines Stichwortverzeichnis

Brassica 122 Braten, umwickelter 195 Brechdorn 165 Brennholz 266, 273 Brennöl 174 Brod 299 Brotbacköfen 290 Cafè Cointreau Flambè 343 Cafè Diable 343 Calzium, Kalzium 161 Campanula 122 Cantharellus aurora 301 Cantharellus cibarius 301 Cantharellus cinereus 303 Cantharellus cornucopioides 303 Cantharellus frisii 303 Cantharellus lutescens 301 f., 304, 307 Cantharellus sinuosus 302 Cantharellus tubaeformis 301 f. Carex brizoides 243 Carum carvi 336 Catharellus cibarius 326 Ceratonia siliqua 295 Chalciporus piteratus 327 Champignon 324 Champignon, Anis- 326 Chäslichrut 222 Chrottebeere 165 Cichorium intybus 296 Cinnamomum zeylanicum 341 Clematis vitalba 123 Clitocybe odora 326 Coffea arabica 331 Coffein, Koffein 339 f. Columbine Flower 205 Coriandrum sativum 336 Corylus avellana 265 Craterellus cornucopioides 326 Cumarin 191, 194 f., 199, 201, 204, Dachdecker 268 Descurainia sophia 122 Dinkel 58, 323 Dinkelreis 14, 238 Dörren 288, 290 f., 293, 297 Dörrhütten 290 Dörrobst 84, 170, 288 ff., 294, 299 Dörrzwetschken 290, 298 f. Drüsenhaare 273 Eibisch 170, 224 Eibisch, Stunden- 224

Eicheln 78, 296 Eierschwammerl, s. auch Pfifferling 326 Eigenmächtigkeit 6, 351 Eisenbahner-Kühe 97 Eisenkraut 112, 234 Elettaria cardamomum 339 Energiestrahlen 280 Enthornung 87 Entwässerung 20, 22, 30, 37, 250 Enzian 18, 79, 170 Epilobium angustifolium 115, 154 Epilobium montanum 161 Epilobium praviflorum 162 Erbsenstreuling, Gemeiner 324 Erdstrahlen 280 Eriophorum 163 Erle, Schwarz- 166 Ernährungsweise 52, 54, 58 Essigherstellung 283 Esskastanien 51 Fachwerkhäuser 268 Färbemittel 53, 174, 200 Farn, Adler- 119, 303 Farn, Straußen- 118 Fasergewinnung 163 Faserstoffe 154, 226, 243 Faulbaum 165 ff. Fenchel 170, 316, 321, 332, 335, 337, 339, 342 Ferkelkraut 16, 51 Ferkelkraut, Geflecktes 179 Ferkelkraut, Kahles 179 Fetthenne 141 Fettkraut 177, 179 Fetzenschuhe 261 Fieberklee 18, 79 Fingerkraut, Gänse- 170, 314 Flachsriffel 257 Flachsnelke, Kretische 152 f. Flechten 17, 79 Flechthandwerk 243, 259, 265, 276 Flechtschuhe 243, 258 f. Fleisch 29, 288, 306, 310, 324, 326, 340, 347 f. Fleischwolf 289 Foeniculum vulgare 335 Frangula alnus 165 Frauenmantel 112, 315 Frühjahrssuppen 134 Fuhrwerke 268 Fußabstreifer 245 Fütterung 57, 86, 88, 92, 94

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❚ Allgemeines Stichwortverzeichnis

Galgant, Echter 337 Galium aparine 334 Gauchheil, Acker- 234 Gebse 197 Geißbart, Wald- 117 Geißfuß 115, 126 Geißmilch 25, 81 ff. Geldwertorientierung 345 Gemat 296 Geomantie 280 Gerbstoffe 106, 111, 160, 168, 333 f., 336 Germer, Weißer 92 Gesundheitswesen 49, 59, 61 ff. Gewürznelke 289, 332, 337 f., 343 Gichtholz 165 Giersch 115, 126 f., 202, 315 Glockenblume 20, 122 Glucke, Krause 328 Glykoside 168, 214 Grasendophyten 72 Grasgeflechte 243 Grasland 91 Grasmatten 243 Grasschuhe 261 ff. Grasumhänge 243, 251 Grenzmarkierungen 279 Grindholz 165 Großmutter 28, 318 Großvater 18, 285 Grünländer 72, 91 G’schmierter Michl 176 ff. Guarana 339 Gundelrebe-Creme 51 Günsel, Kriechender 123 Habichtskräuter 189 Habichtspilz 328 Hallimasch 327 Hanf 263 Hanfgarn 261 Has(s)elwälder 279 Haselgärten 265, 268 Haselnusskuchen 283 Haselnussöl 283 Haselruten 276, 280 Haselstangen 273, 276, 280 Haselstöcke 266 Haselstrauch 265 ff. Haselzeit 267 Hebamme 28, 313, 318 Hecken 24 Heinrich, Guter 115, 125

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Heracleum sphondylium 92 Herdäpfel 197 Hernagele 304 Herrenpilze 324 Heubett 197 Heududler, Heu-Dudler 191, 199 Heumilchkäse 86 Heupulver 198 Heuqualität 91 Heu-Sorbet 204 Hexenmehl 172 Hibiscus trionium 224 Hierochloe odorata 199 Hirtentäschelkraut 112 Holler, Erd- 115 Holunder, Schwarz- 123 Honig 94, 163, 172, 203, 208, 210 f., 217, 294 ff., 309 Hopfen, Wilder 366 Huden 86 Huflattich 122, 231 Hummelblume 211 Hummeln 211 Humulus lupulus 120 Humusabbau 57 Hutzelbrot 297 Hutzeln 297 Hydrum repandum 328 Hydrum rufescens 328 Hypochaeris glabra 179 Hypochaeris maculata 179 Hypochaeris radicata 179 Hypochaeris uniflora 179 Impulse 37, 68 Indianernessel 36, 200 f., 337 Ingwer 79, 203, 335, 337 f. Irish Coffee 343 Jätgut 313 ff. Johannisbeere 78, 170 Johannesbrot 295 Johanniskraut 234, 315 Judasohr 328 Käsepappel 221 f., 225, 232, 234, 237 Käferbohne, Steirische 56 Kaffee, Likör- 342 Kaffeeknecht 333 Kaffeestrauch 331 Kaffeesurrogat 295 Kaffeewürzen 331 ff. Kakao, s. Schokolade 339

❚ Allgemeines Stichwortverzeichnis

Kamille 79, 170, 315 Kardamom 289. 335, 337, 339 f., 342 Karobemehl 295 Kartoffelpaunzen 148 Käseaffinieren 191, 198 Käsebrot 222 Katzenkäse 227 Kerbel, Wiesen- 123, 315 Kieselsäure 246 Kinderbrot 120 Klatsch-, Tuschblume 142 Klee, Horn- 200 f. Klee, Hufeisen- 201 Klee, Rot- 72, 200, 201, 315 Klee, Schabziger- 316, 329 Kletzenbirnen 290, 294 Kletzenbrot 289, 299 Kletzennudeln 289 Kletzenpfeffer 298 Kloatzen 298 Kloazn 286 Knechte 32 Knoblauchsrauke 122 Kochöl 273 Kohl, Rosen- 58 Kohl, Sprossen- 58 Kohle 174, 277, 265, 333 Kolonie 23 Königskerze 231 Konsum 46 Körbe 163, 246, 268 Koriander 336 Kornblume 200 Kraterelle, Gelbe 301 f. Kraterelle, Krause 302, 307 Kraterellen, Karamellisierte 309 Kratzdisteln 93 Kräuterkunde 8, 24, 41, 44 Kreisläufe 17 Kren 79, 136 Kresse, Barbara- 122 Kresse, Grau- 122 Kresse, Pfeil- 122 Kreuzdorn, Alpen- 169 Kreuzdorn, Gewöhnlicher 165 Kubeben 340, 341 Kuhmilch 86 ff., 96, 298 Kulturrose 116 Kümmel 79, 147, 170, 315 f., 329, 335 ff., 339 f. Kümmel, Mutter- oder Kreuz- 336 Kümmel, Römischer 336

Labkraut, Kletten- 334 Lactarius helvus 327 Lactarius piperatus 326 Landnutzung 15, 24, 26, 32, 38, 52, 57, 88, 97 Lattich 189 Lauch, Bär- 79, 92, 138, 170 Lauch-Scheibenschötchen 122 Leccinum atrostipitatum 326 Leccinum scabrum 326 Leccinum versipelle 326 Leimkraut, Blasen- 142 Leimkraut, Kretisches 152 f. Leimkraut, Kupfer- 145 Leimkraut, Taubenkopf- 142 Leistling, Duftender 304 Leistling, Grauer 303 Leontodon 179 Lepidium draba 122 Lesesteinhaufen 287 Leucanthemum vulgare 120 Leuenzahn 189 Levkoje 122 Liesch 247 Linden 203, 231, 236 Löscheimer 263 Lunaria spec. 122 Lycium barbarum 124 Macrolepiota procera 327 Mairitterling 327 Maische 285 Mai-Schönkopf 327 Maisfiedern 263 Malva moschata 228 Malva neglecta 222 Malva sylvestris 221 Malva verticillata 225 Malva sylvestris ssp. var. Mauritiana 226 Malve, Gemüse- 225 Malve, Große 221 Malve, Mauretanische 226 Malve, Moschus- 228 Malve, Stock- 229 Malve, Weg- 222 Malvenkaviar 235 Malvenpüree 236 Mann aus dem Eis, s. Ötzi 243 Marasmius oreades 324 Marasmius scorodonius 324 Margerite 20, 114, 120 Mariengras, Duft- 199 Matratzen 243, 246

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❚ Allgemeines Stichwortverzeichnis

Matteuccia struthiopteris 118 Matthiola incana 122 Maultaschen 238 Mäusedorn, Stechender 124 Medizinalfutter 280 Medizinbürokratie 62 Meerrettich 79, 136 Mehlzusatz 161 Mehrwerte 44, 47 Melioration 2, 30 Milch 20, 25, 71 f., 81 ff. Milchling, Pfeffer- 326 Milchqualität 84, 86 Mistel 78, 170 Mohn, Klatsch- 41 Morchel 16, 328 Mousseron 324 Mühle 292 Muskatnuss 340 Mykorrhiza 103, 307 Myristica fragrans 340 Nachtkerze 160 Nähgarn 261 Nahrhafte Landschaft 24, 48 Nahrung 7, 16 f., 28, 40, 43 ff., 47 ff. Naturalien 346 Naturressource 32 Naturrhythmen 350 Nebenwirkung 63 Nessel, Brenn- 66, 78, 92, 94, 202, 231, 235, 263, 314 Neugewürz, s. Piment 337, 338 Neuzüchtung 52, 222 Niederwaldkultur 273 Nigella sativa 340 Nudelfülle 285 Nussöl 265 Odermennig 112 Oenothera-Arten 160 Ökoprodukte 46 Ökosystem 17 f. Oleander, Wilder 156 Ölsäure 283 Ongsats 296 Ötzi 243 Oxalat 161 f. Oxalsäure 53, 160 f. Papaver rhoeas 41 Pappelbaum 222 Pappel, Zitter- 288

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Parasol 16, 327 Pastinake 136 Paullinia cupana 339 Peltaria alliacea 122 Pesto 138 ff. Pfefferminze 204 Pferd 113, 167 Pfifferling 326 Pfifferling, Amethyst- 302 Pfifferling, Aprikosen- 303 Pfifferling, Trompeten- 301 f. Pflanzenwissen 8, 41 Pharmazie 61, 67 Phaseolus coccineus 56 Pholiota mutabilis 327 Phosphor 89, 103, 266 f. Phyteuma spec. 121 Pilzbrotaufstrich 329 Pilzmehl 322 f., 327 Pilzpulver 307, 320 ff. Piment, s. Neugewürz 337, 338 Pimpinella anisum 335 Pimpinella major 100 Pimpinella minor 100 Pinus cembra 295 Piper cubeba 340 Pirmel 286 Pisolithusa arhizus 324 Podagrakraut 133 Pogatsche 295 Pollen 266 f., 282, 283 Polsterfüllmaterial 250 Polstermöbel 245 Polsterungen 243 ff. Polygonatum multiflorum 124 Porling, Schaf- 328 Pressrückstand 299 Produktivkräfte 32, 38, 87 Protzertyp 181 Psathyrella piluliformis 327 Pseudocantharellus sinuosus 302, 307 Pteridium aquilinum 119 Quarkcreme 113 Queckenwurzel 296 Rapistrum spec. 122 Rapsdotter 122 Rasch 243 ff. Raschkamm 255, 257 Rasch-Patschen 243 ff. Raschraffer 257 Räuchern 199, 234

❚ Allgemeines Stichwortverzeichnis

Rauke, Sophien- oder Besen- 122 Rauschreißen 254 Rebe, Wilde 123 Regen- und Mistwürmer 183 f. Reindling 295 Reitsattel 251 Reizker, Bruch- 327 Rhamnus cathartica 165 Rhamnus fallax 169 Rindenpulver 171 Rindentee 165 Risotto 124, 137, 309, 323 Rodung 30 Rohkost 99, 109, 158, 160 f., 185, 222, 234, 265, 282, 288, 317 Rohrkolben 163, 263 Röhrling, Gold- 324 Röhrling, Kuh- 326 Röhrling, Maronen- 326 Röhrling, Pfeffer- 327 Rosa 116 Rose, Bauern- 229 Rose, Hecken- 116 Rose, Stock- 224, 234 Rose, Schwarze Stock- 229 Ross- oder Käsepappel 221 Rosshaarmatratze 250 Rotkappe, Birken- 326 Rotkappe, Espen- 326 Ruchgras, Gewöhnliches 191 ff. Ruchgras, Alpen- 191 Ruchgras-Pfefferminz-Sorbet 204 Ruchgras-Zöpfe 194 Rumex acetosa 123 Rumex alpinus 123 Rumex obtusifolius 123 Ruscus aculeatus 124 Russula heterophylla 327 Russula virescens 327 Salbei, Wiesen- 201 Salix spec. 155 Salomonsiegel 124 Salzersatz 322 Sambuca 342 Sambucus nigra 123 Sammler 28 Sanguisorba minor 99 Sanguisorba officinalis 100, 107 Sarcodon imbricatus 328 Sättigungsmittel 49 Saupappel 221 Schachtelhalm 231

Schafe 17, 87 f., 97, 144, 167, 195, 197, 346 Schafgarbe 79, 135, 137, 189, 202 f., 315 Schießpulver 174, 277 Schimmel 279, 323 Schimmel, Weiß- 297 Schlechtwetterumschwung 194 f., 199 Schnalzerl 142 Schnaps 217, 285 ff., 294 ff., 318, 342 Schneeglöckchen 16 Schnuller, Birnmehl- 295 Schnüre 154, 163, 243, 261 ff. Schokolade, s. Kakao 339 Schusterdraht 261 Schusterholz 174 Schusterpech 261 Schüttgelb 283 Schwarz- und Preiselbeere 295, 303, 305 Schwarzkümmel 340 Schwarztee 158 Schwarzwurzel 14 Schwermetalle 101, 106, 145 Schwindling, Knoblauch- 324 Schwindling, Küchen- 324 Seegras 247 Segge, Seegras- 13, 243 ff. Segge, Zittergras- 243 Selbstbestimmung 352 Selbstversorgung 28, 41, 43, 345 ff. Semmelpilz 328 Serviettenknödel 137 Sexualität 279 Siebenbürgen 286 Silage 20, 72, 86, 91, 94, Silberblatt 122 Silene cretica 152 f. Silene vulgaris 142 Silene vulgaris subsp. humilis 145 Sinapis 122 Sisymbrium spec. 122 Sohlenleder 260 Sonnenhut 234 Souveränität 350 Sparassis crispa 328 Spargel der Alpen 117 Spargelgemüse 114 Speck- oder Schmalzsalat, Steirischer 188 Speckkraut 177 Specksalat 177, 188 Speise-, Uhren- und Musikinstrumentenöl 283

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❚ Allgemeines Stichwortverzeichnis

Speisetäubling, Grüner 327 Spektakel 7, 18, 40, 46, Spinat, Wilder 41, 103, 115, 118, 122 f., 133, 138 f., 142, 146 f., 152, 185, 202, 225, 234, 240 Sprossen 58, 114 ff., 132, 145 f., 154 ff., 185, 220, 224 Stampfe 292 Starklsteckn 281 Steinpilze 16, 324 Steinzellen (Skelerenchymzellen) 287 Stiefmütterchen 170 Stinkbaum 165 Stock- oder Kopfhecken 279 Stockausschlagwirtschaft 266, 273 Stockschwämmchen 327 Stockschwämmchen, Weißstieliges 327 Stoppelpilz, Rotgelber 328 Streckmittel 225, 322 Stricke 163, 243, 245, 247 Stroh 250, 263, 268, 288 Subsistenz 32, 37, 38 f., 54, 87, 265, 345 ff. Südtirol 35, 117,198, 298, 304, 345, 349, 352 Süßstofflieferant 285 ff. Symphytum 123 Syzygium aromaticum 337 Tabak 198 Talggn 293 Taubenblume 209 Täubling, Grünfelder- 327 Tauschmittel 346 Tausendguldenkraut 170 Teigtasche 310, 323 Teufelskralle 114, 121, 201 Thalictrum aquilegiifolium 212 Thymian 80, 84, 202 f., 234, 315, 329, 335 Tierheilkunde bzw. veterinär 75, 234 Tintenblume 209 Toilettenpapier 234 Topfencreme 113 Totentrompete 303, 326 Tragopogon pratensis 119, 120 Traktkantarell 306 Traubenkirsche 203 Trichterling, Anis- 326 Trichterling, Schaf- 326 Triftgasse 279 Trüffeln 269, 324 Tuber 324

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Tussilago farfara 122 Typha 163 Umhang, geflochtener 243 Unkräuter 17, 38, 72, 313 ff., Urnaturwerte 18 Vaccinium myrtillus 295, 303, 305 Vaccinium vitis-idaea 295, 303, 305 Vanilla planifolia 341 Vanille 113, 199, 341 Veratrum album 92 Verbascum thapsiforme 231 Volksmedizin 10, 128, 140, 151, 165, 339 Vollgetreide 52 Wacholder 80, 93, 222, 231, 242 Waldgras 246 Waldlichtungen 248 Walnuss 78, 104, 283, 299 Walnussblätter 84, 198 Wanderhändler 286 Waschlauge 152 Wasseradern 280 Wasserquellen 280 Wassersammlerin 208 Wegerich, Spitz- 201 Wegrandpflege 84 Wegwarte 189, 296 Wehrhöfe 279 Weiden 86, 145 Weidenröschen, Berg- 161 Weidenröschen, Kleines 162 Weidenröschen, Schmalblättriges 154 Weinbau 57, 97, 111, 147, 170 f., 210 Weintraubentrester 198 Weißdorn 93, 170 Werkholz 268 Wetterankünder 194 f. Wiesen 18, 145 Wiesen-Dudler 199 Wiesenheu-Sirup 204 Wiesenknopf, Großer 100, 107 Wiesenknopf, Kleiner 99 Wiesenraute, Akelei- 212 Wildkräutlern 26 Wildnis 18 Windröschen, Narzissen- 10 Winterbevorratung 138, 348 Wollgräser 163 Wollstrang-Patschen 258 Wünschelholz 280

❚ Krankheiten, betroffene Körperteile

Wünschelrutenholz 265 Würzkaffee 332 Zaunholz 280 Zehnte 29 Ziegen 17, 25, 81 ff., 118, 133, 145, 167, 214, 282, 346

Ziegenmilch, s. Geißmilch 81 ff. Zimt 289, 294 f., 298, 332, 335, 337 f., 341 f. Zingiber officinale 338 Zirbennüsse 295 Zostera marina 247 Zwetschkenbrod 299

Krankheiten, betroffene Körperteile abführend 165, 171 Abführmittel 165, 169 f., 172, 215, 232 Abortivum 169 Abwehrkräfte, s. Immunkräfte 76, 90, 94, 162 Ärzte 28, 52, 61 f., 64, 66 f., 87, 93, 334 Alkoholrausch 295, 333 Allergie 50, 69 ff., 71, 333 Alzheimer 71 Anthocyane 229 f. Antibiotika 50, 65, 74 ff., 79, 205, 212, 215 antimikrobakteriell 215 antimutagen 215 Antioxidantien 60 f., 334 antioxidativ 215, 230 Antiparasitikum 213 Antrachinon, Anthrachinon 168, 171 Aphrodisiakum 213 aphrodisieren 213 Appetitanreger 333, 336ff. Arterienverkalkung 162 f., 165, 170 Arteriosklerose 71, 170 Arthritis 71 Asthma 90, 333, 336, 341 Atembeschwerden 94, 340 Atemnot 215 Augenerkrankungen 216, 231 f., 333 Augengeschwüre 231 f., 333 Ausschläge 10, 90, 112, 144, 151, 207, 214, 216 Bauchschmerzen 105, 169, 328 Bauchspeicheldrüse 170, 189 Bettnässen 250 Biotika 76 f. Bitterstoffe 114, 118, 132, 176 ff., 189 f., 326, 340, 343

Blähung 105 f., 165, 169, 214, 333, 335 f., 338 ff. Blasenkatarrh 142 Blasenleiden, -beschwerden 115, 140, 142, 152, 162, 169, 232 f. Blattern, Pocken 216 Blutarmut 170 Bluthochdruck 71, 334 Blutkreislauf 54, 57, 60, 71, 79, 124, 171, 334, 337 f. Blutreinigung 111, 113, 170 f., 215, 282 Blutreinigungstee 282 Blutstillung 100 f., 108 f., 282 Blutung 106 f., 111 f., 162 Blutzusammensetzung 334 Brandwunde 105, 140 Brechmittel 169, 172 Brechreiz 106, 168, 214 Bronchitis 230, 282, 340 f. Brüche 207, 219 f. Calzium, Kalzium 89, 161 f., 334 Chemotherapie 76 Colitis ulcerosa 71 Darmentzündung 71, 112, 171 Darmkatarrh 112, 162 Darmkrankheiten 141, 170, 277 Darmverschluss 171, 326 Darmverstopfungen 165 f., 169, 172, 215, 232, 322, 326, 333 f. Demenz 71 Denkvermögen 334 Depression 70 f. Dermatitis 90 Diabetes Mellitus 71 Dickdarmentzündung 71, 112, 141, 168

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❚ Krankheiten, betroffene Körperteile

Wünschelrutenholz 265 Würzkaffee 332 Zaunholz 280 Zehnte 29 Ziegen 17, 25, 81 ff., 118, 133, 145, 167, 214, 282, 346

Ziegenmilch, s. Geißmilch 81 ff. Zimt 289, 294 f., 298, 332, 335, 337 f., 341 f. Zingiber officinale 338 Zirbennüsse 295 Zostera marina 247 Zwetschkenbrod 299

Krankheiten, betroffene Körperteile abführend 165, 171 Abführmittel 165, 169 f., 172, 215, 232 Abortivum 169 Abwehrkräfte, s. Immunkräfte 76, 90, 94, 162 Ärzte 28, 52, 61 f., 64, 66 f., 87, 93, 334 Alkoholrausch 295, 333 Allergie 50, 69 ff., 71, 333 Alzheimer 71 Anthocyane 229 f. Antibiotika 50, 65, 74 ff., 79, 205, 212, 215 antimikrobakteriell 215 antimutagen 215 Antioxidantien 60 f., 334 antioxidativ 215, 230 Antiparasitikum 213 Antrachinon, Anthrachinon 168, 171 Aphrodisiakum 213 aphrodisieren 213 Appetitanreger 333, 336ff. Arterienverkalkung 162 f., 165, 170 Arteriosklerose 71, 170 Arthritis 71 Asthma 90, 333, 336, 341 Atembeschwerden 94, 340 Atemnot 215 Augenerkrankungen 216, 231 f., 333 Augengeschwüre 231 f., 333 Ausschläge 10, 90, 112, 144, 151, 207, 214, 216 Bauchschmerzen 105, 169, 328 Bauchspeicheldrüse 170, 189 Bettnässen 250 Biotika 76 f. Bitterstoffe 114, 118, 132, 176 ff., 189 f., 326, 340, 343

Blähung 105 f., 165, 169, 214, 333, 335 f., 338 ff. Blasenkatarrh 142 Blasenleiden, -beschwerden 115, 140, 142, 152, 162, 169, 232 f. Blattern, Pocken 216 Blutarmut 170 Bluthochdruck 71, 334 Blutkreislauf 54, 57, 60, 71, 79, 124, 171, 334, 337 f. Blutreinigung 111, 113, 170 f., 215, 282 Blutreinigungstee 282 Blutstillung 100 f., 108 f., 282 Blutung 106 f., 111 f., 162 Blutzusammensetzung 334 Brandwunde 105, 140 Brechmittel 169, 172 Brechreiz 106, 168, 214 Bronchitis 230, 282, 340 f. Brüche 207, 219 f. Calzium, Kalzium 89, 161 f., 334 Chemotherapie 76 Colitis ulcerosa 71 Darmentzündung 71, 112, 171 Darmkatarrh 112, 162 Darmkrankheiten 141, 170, 277 Darmverschluss 171, 326 Darmverstopfungen 165 f., 169, 172, 215, 232, 322, 326, 333 f. Demenz 71 Denkvermögen 334 Depression 70 f. Dermatitis 90 Diabetes Mellitus 71 Dickdarmentzündung 71, 112, 141, 168

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❚ Krankheiten, betroffene Körperteile

Durchfall 105, 111 f., 141, 162, 167, 215, 232, 234, 287, 292, 328, 333, 336, 339, 341 Durchfallmedizin 287 Eierstockbeschwerden 115, 163 Ekzem 90, 172 Entschlackung 128, 165 f., 169 f., 282 Entwurmen 93, 172, 333 Epidemie 58, 74 f. Erbrechen 88, 168, 172, 194, 215, 333 Erkältung 74, 99 Extraktion 78 f., 283, 329 Fehlgeburt 171 Fettabbau 170 Fettleibigkeit 282 Fettstoffwechsel 71 Fieber 10, 216 f., 231, 333 f. fiebersenkend 170, 215 f., 282 Fisteln 112, 214 Flavonoide 105, 111 Flechten 10 Fruchtzucker 69 f. Fructose 58, 69 f. Frühjahrsmüdigkeit 105 Galactose 230 Galle, Gallenblase 169 f., 189, 217 Galle- und Lebererkrankungen 165, 169, 215, 218, 336 f., 340 Galle- und Schweißtreibung 162, 207, 341 Gallenblasenstörung 71, 170 Gallensteine 215 Gebärmutter 107, 139, 162 f., 231 Gebiss 53 ff. Geburt 92, 171, 318 f. Gefäßverengungen, Blutgefäße 107, 140, 189, 282, 332, 334, 336, 338 Gehirn 57, 317, 334 f., 344 Gehirnschäden 295 Geißmilch 81 ff. Gelbsucht 215 Gelenksschmerzen 207, 219 Gerbsäure 105 Gerbstoffe 106, 111 f., 160, 168, 230, 288, 333 f., 336 f. Gerbstoffdroge 108 Gerstenkorn 231 Geschwulst 230, 232 Geschwür 10, 71, 112, 152, 207, 215 f., 230 f., 282, 336

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Gesichtswasser 216 Gesundheitsvorsorge 50 Gicht 126 ff., 133, 136, 139, 140 f. Gichtholz 165 Gichtkraut 115, 126 ff. Glucose 230 Gluten 57 f., 69 Grind 172, 214, 165 Grippe, grippal 74, 144, 152, 217, 232, 282 Grippetee 282 Gurgeln 230 f. Halsentzündung 215, 230, 232 Halsschmerz 161, 230, 232 Hämorrhoiden 106, 112, 141, 165, 169 f., 334 Harntreibung 105, 112, 140, 170 Harnverhalten 112, 232 Haushaltskeime 74 Haut- und Blutreinigung 171 f. Hautausschläge 90, 112, 151, 207, 216 Hautentzündung 172, 216 Hautkrankheit 140, 231 Hautparasiten 216 Hautreinigung 216 Hautreizung 214 Hautstraffung 282 Hautunreinheiten 10, 144, 151 Heilpraktiken 65, 67, 94 Herzklopfen 169, 341 Herz-Kreislauf-Erkrankungen 71, 171, 333, 337, 341 Herzrhythmusstörungen 215, 336 Herzzittern 215 Histamin 69 Hormonstörungen 55, 71 Husten 90, 152, 227, 230 f., 232, 335 f. Hustenmittel 101, 106, 340 Hustensirup 106, 230 Hustentee 229 f., 231, 234, 282 IgA-Nephropathie 71 Illich, Ivan 61 ff. Immunkraft, immunstärkend 50, 71, 76 f., 90 f., 99 Insektenstich 140, 232 Kaffeekohle 333 Kampferol 105 Kardiologe 57 Katarrh 105, 163

❚ Krankheiten, betroffene Körperteile

Kehlkopf- und Mandelentzündung 230 f. Keuchhusten 217, 341 Knochenaufbau 60, 207, 219, 334 Knochenbrüche 207, 219 Koffein, Coffein 333 f., 339 f. Komplementärmedizin 65 f., 76. Kopfschmerzen 90, 162, 169, 194, 215 f., 333 f., 336, 340 Krampfadern 71, 107, 112, 140 Krampfasthmaanfälle 333 Krämpfe 172, 215, 336 f. Krankenhauskeime 74 Krätze 165, 172 Krebs 43, 73, 87, 90, 112, 163, 194, 207, 334 krebsvorbeugend 90, 207, 215 f., 218 Kreislauf 54, 60, 79, 124, 171, 334, 337 f. Kuhmilch 86 ff., 96, 298 Leberbeschwerden 106, 165, 169 f., 189, 218 Leberstärkung 106, 170, 189, 215, 217, 282, 335, 340 Liebesförderung 205, 208 f. Lungenbeschwerden 94, 96, 152, 215, 230 f., 282 f. Lungenblutung 106, 111 f. Lungenstärkung 94, 112, 335, Lungentuberkulose 112 Lupus 71 Lymphdrüse 212 Magen- und Darmbeschwerden 71, 167, 169, 336, 339 Magen- und Darmkatarrhe 162 f. Magengeschwüre 71, 232 Magenkrämpfe 172, 336 Magenprobleme 232 Magenschleimhautentzündung 106, 333 Magenstärkung 333, 340 Mandelentzündung 230 f. Masern 216 Melatonin 70 Menstruation 112, 215 Migräne 90, 292, 333, 339 Mikroben 75 f. Milchschorf 216 Milchsekretion 174, 231 Milchzucker 69 Milz 169, 215, 217 f. Monatsblutung 107, 111 Morbus Crohn 71

Multiple Sklerose 71 Mundhöhle und -schleimhaut 105, 162, 171, 189, 230 f. Mundgeschwüre 105, 162, 215 Muntermachung 333, 339 Muskelentzündung 230 Myristicin 340 Nahrungsergänzungsmittel 65 Nerven 57, 60, 90, 317, 333 f., 348 Nervenerkrankungen 71, 232 Nervosität 215, 334, 336 Nierenbeschwerden 71, 115, 140, 152, 171 f., 232, 333 Nierenleiden 140 Nierenreizungen 172 Nierenschmerzen 232, 333 Nierensteine 161 f., 207, 215 Ödeme 171 Ohnmacht 46, 216 Ohrenerkrankungen 216 Ohrensausen 218 Omega-3-Fettsäuren 93 Osteoporose 71 Oxalat 161 f. Oxalsäure 53, 160 f. Parkinson 71 Patient 61 f., 70 Penicillin 74 Pepsin 70 f. Pestilenzien 215 Phytomedizin 66 ff. Pleuritis (Rippenfell- oder Brustfellentzündung) 292 Pocken 216 Podagra 133 Prostatabeschwerden 115, 162 f. Prostatakraut 162 Rachen 144, 161, 232 Rachenentzündung 105, 215, 232 Räude 165, 172 Rauschkater 333 Reizhusten 230, 232 reizlindernd 230, 232 Rheuma 71, 127, 136, 139 f., 162 f., 165, 169 rheumatische Beschwerden 10, 139, 140 f., 232 Rippenfellentzündung 230, 292 Rotlauf 151, 216

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❚ Krankheiten, betroffene Körperteile

Rötung 214 Ruhr 108, 111, 234 Saponine 111, 151, 168, 339 Schizophrenie 71 Schlaflosigkeit 162 Schlafstörungen 71, 335 f. Schlaganfälle 170, 338 Schlagkrankheiten 165 Schleimhautreizung 230 Schmerzlinderung 105, 140 Schnupfen 90, 140 Schulmedizin 65 ff., 80 Schwangere 171 Schwangerschaft 54 Schweiß 262 Schweißausbrüche 333, 341 Schweißtreibung 79, 106, 111, 207, 215, 282 Schwermetalle 101, 106, 145 Schwindel 169, 194, 333 Schwindsucht 106, 231 Schwitzen 111 Sehkraft 170 Selbstheilung 62, 64 Serotonin 70, 334 Skorbut 215 Steinlösung 207 Steißbein 219 Sterole 111 Stillende 171 Stoffwechsel 71, 94, 105, 151 Strahlenverseuchung 90 Stuhl, Stuhlgang 112, 170, 172 f. Theobromin 333, 338 Theophyllin 333 Tonikum 282, 335 Tormentinsäure 105 Triterpene 105, 111 Tumor 112, 232 Übelkeit 215, 340

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Übergewicht 71, 170 Unterleib 112 Unterleibsstockungen 334 Variola 216 Venen, Venenentzündung 107, 112 Verbrennung 105 f., 112 Verdauungshilfe 340 Vergiftungen 106, 165, 167, 169, 171 f., 215, 327, 333 Verhärtung 10, 231 Verkühlung 152, 227, 230 Verträglichkeit, Lebensmittel- 69 f. Verträglichkeit, Milch- 69, 88 Verträglichkeit, Pilz- 58 Vitamin-B 89, 333 Vitamin-C 89, 111, 105, 140, 158, 230, 234 Vitamin-A 89, 151, 230, 234 Vitamine 60, 89, 91, 129, 152, 282, 333 Völlegefühl 341 Waschlauge 152 Wassersucht 215 Wechselfieber 10, 333 Wechseljahre 106, 112 Weißfluss 112, 215, 231 Windpocken 216 Wöchnerinnen 171, 231 Wundheilmittel 101, 106 f., 109, 111, 215 Wundheilung 105 ff., 215 f., 282 Wurmabtreibung 93, 112, 152, 170 Zähne 52 ff., 66, 346 Zahnfleisch 162, 171 Zahngeschwür 230 Zahnkaries 52 f. Zahnschmerzen 171 Zahnverderbnis 54 f. Zipperlein 133 Zöliakie 71

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MICHAEL MACHATSCHEK

hat sich immer schon für das Gebrauchswissen über Kräuter und Landbewirtschaftungsformen in Europa interessiert, weshalb er eine Salzburger Landwirtschaftsschule und die Universität für Bodenkultur in Wien absolvierte. Seit über 35 Jahren betreibt er diesbezüglich Wissensarbeit bei den Leuten und dokumentiert seine Experimente über die Nutzbarkeiten wildwachsender Pflanzen. Früher durchwanderte er mit Rucksack die Alpenländer und arbeitete bei den Bauern mit. Dabei konnten wertvolle Kenntnisse miteinander verglichen werden. Später bewirtschaftete er selber Betriebe und sammelte wichtige Lebens- und Praxiserfahrungen zur Landnutzung. Heute ist er als freiberuflicher Wanderforscher, Ökologe, Gutachter, Vegetationskundler, Landschafts- und Freiraumplaner tätig und führt zudem Lehrtätigkeiten in verschiedenen Regionen durch. Der Wildkräutler und ehemalige Hirte ist Autor zahlreicher Beiträge und Bücher zu Fragen der Landnutzungsformen, Tierhaltung, Subsistenz, Ernährung, Kräuterund erweiterte Nutzpflanzenkunde. Michael Machatschek leitet die Forschungsstelle für Landschafts- und Vegetationskunde im Gitschtal, Hermagor, Land Kärnten.

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MICHAEL MACHATSCHEK

NAHRHAFTE LANDSCHAFT 3 VON BAUMWÄSSERN, FETTHENNEN, SCHAUM- UND SPRINGKRÄUTERN, OHRENPILZEN, KRANAWITT, SÜSSEN EICHELN UND ANDEREN WIEDERENTDECKTEN NUTZ- UND HEILPFLANZEN

Wildgemüse, Wildobst, Nutz- und Heilkräuter, nährende Bäume oder Pilze wachsen vor der Haustüre. Über Wert, Verarbeitung und Verwendung dieser Pflanzen wissen heute nur wenige Menschen Bescheid, wiewohl früher weit verbreitete Nutzungsweisen in den letzten Jahren wieder mehr Zuspruch erfahren. Der promovierte Vegetationskundler Michael Machatschek dokumentiert in seinen Büchern Fundorte, Zubereitungsmöglichkeiten und Ernährungs- und Heilungsfunktionen von Pflanzen und allgemeine Regeln einer nachhaltigen Landnutzung. Im Mittelpunkt des dritten Bandes der Reihe „Nahrhafte Landschaft“ stehen mitteleuropäische Kräuterarten wie Schaum- und Springkräuter, süße Eicheln oder Ohrenpilze und die Möglichkeiten der Baumwasser-Verarbeitung. Der Autor erklärt, wie und wann man Wasser aus Bäumen abzapft, dass sich der Saft der Birke sofort oder vergoren trinken lässt, richtig angewendet entschlackend, entgiftend oder entwurmend wirkt und bei Nierenleiden, Haut- und Haarproblemen hilft. Mit seinen zahlreichen Praxisbeispielen bietet das Buch einen wertvollen Dokumentationsbeitrag zur Traditionellen Europäischen Medizin. 2015. 352 S. ZAHLR. FARB. ABB. GB. 210 X 135 MM | ISBN 978-3-205-79626-8

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

MICHAEL MACHATSCHEK, ELISABETH MAUTHNER

SPEISEKAMMER AUS DER NATUR BEVORRATUNG UND HALTBARMACHUNG VON WILDPFLANZEN

Wer mit Wildpflanzen in der Küche arbeitet, muss sich nicht auf deren saisonale Verfügbarkeit beschränken. Das Autoren-Duo präsentiert altbewährtes Wissen und selbst erprobte Möglichkeiten, wie man auf Wiesen oder Weiden sammelbare Kräuter, Wildgemüse und Wildobst mit einfachen Mitteln wie Essig, Salz, Süßstoffen oder Alkohol verarbeitet und haltbar macht. Die einzigartigen Beispiele eingelegter Blätter, Blüten oder Wurzeln und die Anleitungen zur Zubereitung von Sirup, Säften oder Soßen und verschiedener Hauptgerichte und Beilagen stellen ein Novum für Kräuter- und Kochkundige dar. So wertet eingelegtes Wildgemüse Reis, Teigwaren oder Salate auf, harmonieren Heublumen mit Lamm oder Schaf und eignet sich Tannenmehl zum Backen von Winterbrot. Das Wissen um die Nutzung sammelbarer Pflanzen ist so alt wie die Menschheit selbst. Dieses Buch ist ein wichtiger Schritt, bedrohtes kulinarisches Erbe vor dem Verschwinden zu bewahren. 2015. 327 S. 500 FARB. ABB. GB. 155 X 235 MM. | ISBN 978-3-205-79656-5

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