Nahrhafte Landschaft 2: Mädesüß, Austernpilz, Bärlauch, Gundelrebe, Meisterwurz, Schneerose, Walnuß, Zirbe und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen 9783205114451, 3205771982, 9783205771982

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Nahrhafte Landschaft 2: Mädesüß, Austernpilz, Bärlauch, Gundelrebe, Meisterwurz, Schneerose, Walnuß, Zirbe und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen
 9783205114451, 3205771982, 9783205771982

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bohlau

Michael Machatschek

Nahrhafte Landschaft 2

Mädesüß, Austernpilz, Bärlauch, Gundelrebe, Meisterwurz, Schneerose, Walnuß, Zirbe und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen

Böhlau Verlag Wien · Köln • Weimar

Gedruckt mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr, das Bundesministerium für Land- u n d Forstwirtschaft u n d die Niederösterreichische Landesregierung.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-205-77198-2 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdruckes, der E n t n a h m e von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege u n d der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

©

2004 by Böhlau Verlag Ges.m. b. H . und Co. KG, Wien • Köln • Weimar http://www.boehlau.at http://www.boehlau.de

©

Fotos: Michael Machatschek, Wien.

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefreiem Papier. Druck: Imprint, Ljubljana

Dies ist der zweite Band der Reihe „Nahrhafte Landschaft". Er ist meiner Mutter Franziska und ihren Geschwistern, meinen Tanten und Onkeln, vom Wolfgangsee stammend, gewidmet Ohne ihrer Vorarbeit undjener ihrer Vorfahren, ohne ihr Anlernen wäre das Buch nicht zustande gekommen. Weiters sei das Buch dem dänischen Ethnobotaniker Vagn J0rgensen Br0ndegaard gewidmet, dessen Arbeiten die kulturelle Gesamtsicht der Pflanzen umfassend erweiterten.

Nahrhafte Landschaft Die Landschaftfür sich kann uns sättigen oder ernähren und bietet uns auch geistige und seelische Nahrung. Es ist immer wieder die Frage zu stellen, welche Landschaft uns ernährt. Das Land mit erntbarem Wildgemüse und Wildobst bietet alle Notwendigkeiten des alltäglichen Unterhalts. Jede Gebrauchsgeschichte einer Pflanze unterweist uns darin und, daß wir keine Angst des Hungers und der Krankheit zu erwarten brauchen, sondern eine gutes Leben leben können, wenn dieses Pflanzenwissen gebrauchsorientiert bleibt.

Inhalt

9

Vorbemerkungen zu meiner „Weltreise" in die Alpen

Η

Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

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Naschobst und Kinderbrote

1. Im Frühling 51

Warum Schneerosen (Helleborus spec.) in die Gärten getragen wurden

63

Süße Gerichte aus Schlüsselblumen (Primula veris und Ρ elatior)

74

Die „Sanigel" - Über die Neunblatt-Zahnwurz (Dentaria enneaphyllos)

81

Wem es w u r m t . . . - Eine Übersicht der Verwendbarkeit des Bärlauchs

92

Erfahrungen der Inkulturation von Bärlauch (Allium ursinum) der Natur

98

Der „Meister aus dem Walde" (Galium odoratum) zum Aromatisieren von

(Allium

ursinum)

abgeschaut Speisen 10

4

Blütenessigansätze und Kapernersatz

2. Im Sommer 11

3

Die Wildgemüse- oder Brennesselomelettentorte für Eingeweihte

11

9

Der Wiesen-Knöterich (Polygonum bistorta) - vielleicht eine Kulturpflanze

12

8

Der „Guck durch den Zaun" - Die Gundelrebe (Glechoma bederacea) ein

der Zukunft? allseits angewandtes Heilkraut 136

Das schmucke und in seinem Duft betörende Mädesüß (Filipendula

145

Über die pläsierliche Kleine Wasserlinse (Lemna minor)

Ί54

Der Schabziger- oder Brotklee (Trigonella caemlea) - eine alte Volks-

161

Die Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) - Meisterin unter allen

ulmaria) - ein probates Kopfweh- und Aromamittel

medizin als Würze eingesetzt Heilwurzeln

3. Im Herbst 171 180

Das Heidekraut (Calluna vulgaris) - Wundermittel gegen Rheuma Unsere heimische Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) — köstliches Lebensund kostbares Heilmittel zugleich

6

194

Die Gewöhnliche Mahonie (Mahonia aqttifolium) - eine unbekannte

200

Die süßherbe Mispel (Mespilus germanica) wieder ins Licht gerückt

Wildobstart 209

Der Schopftintling (Coprinus comatus) — ein Herbstpilz fur Feinschmecker

215

Die Totentrompete (Craterellus cornucopioides) - ein köstlicher Würzpilz

221

„Austern des Waldes" - über den Austernseitling (Pleurotus ostreatus•),

228

Das Naturheilmittel Keulenbärlapp (Lycopodium clavatum)

235

Kulinarisches aus der Vogelbeere oder Eberesche (Sorbits aucuparia)

245

Die Walnuß (Juglans regia) - für die Herstellung von Ol, Farben, Liköre

252

Die Zirbe (Pinus cembra) — Obstbaum unter den Nadelbäumen

259

6. Einige Crundüberlegungen zur Sammelnutzung

267

7. Nahrung aus den Pflanzen verfügbar machen

279

8. Meine Suppe lügt nicht . . . - Ü b e r Aromaproduzenten und die

4. Im Winter ein Speisepilz der kalten Jahreszeit

5. Einige Baumnutzungen

und kandierte Speisen

unheilvollen Geschmäcker 285

9. Der Brief an Joseph

297

Literatur- und Quellenverzeichnis

302

Stichwortverzeichnis (Allgemeine Stichwörter, Krankheiten/Körperteile)

Die Subsistenz der Alten Laßt uns sammeln gehen ins Land und die Cläser und Leinensäckefüllen. Die Köstlichkeiten wären so nah zur Hand, so leicht zu verarbeiten und zu bevorraten. Laßt uns gemeinsam das Wissen darum erhalten, über den vorgelebten Gebrauch weitergeben undfür das wahrlich Nahrhafte kämpfen. Laßt uns gemeinsam das Land nutzen, denn jene Leute, welche die Landschaft als Garten bewirtschaften, sind reicher als jene mit viel Geld und sie sind friedsamer mit allem, was die Natur bereitstellt. Die Alten haben es uns vorgelebt.

Vorbemerkungen zu meiner „Weltreise" in die Alpen

Und nicht bloß mit den Menschen, auch mit den Pflanzen fühle ich, ihre tausend grünen Zungen erzählen mir allerliebste Geschichten. H e i n r i c h HEINE

Vor über 30 Jahren begann fur mich überraschend eine kleine „Weltreise", die mich schon von klein auf prägte. Damals bestimmte der Bauer, unser Nachbar, der nie zuvor den Weg in unser Haus fand, was jenen Sommer mit mir geschehen solle. Er veranlaßte meine Mutter meinen Rucksack zu packen, er brauche mich auf der Alm fiir das Vieh und andere Arbeiten. Damals tat sich ein großes Tor auf, denn plötzlich war ich wer, mein Können war benötigt worden. Das war fiir mich ein großer Schritt und eine große Überraschung, mußte ich doch zuvor unter Tränen von der Alm meiner vertrauten Tante frühzeitig abgehen. Meine Mutter meinte, drei Wochen Almsommer seien genug, ansonsten würde ich verwildern. Aber sie war schnell umstimmbar, da sie das Anliegen unseres Bauern einsah. Aber vielleicht stand auch die damalige Magd Walburga dahinter, die meine Sehnsucht nach dem Almleben verstand. Sie war froh, als ich ihr bei der Hüttenarbeit und bei der Viehhaltung mit Handreichungen zu Hilfe stand, mit der Herde umgehen und selbständig die Kälber und Kühe bringen konnte. Und über die Wochen war ich zum Sammeln von Beeren und Kräutern und zum Anfeuerholzhacken angehalten worden, und überhaupt waren wir frei, auch wenn wir lernten, in der Gastwirtschaft mitzuhelfen. Damals konnte ich all die Erfahrungen, welche ich zuvor bei Tante Resi lernte, anwenden. Sie unterrichtete mich über die wichtigsten Kräuter, Beeren und Pilze, zeigte uns den Umgang mit den Tieren und brachte uns die Wärme der Landnutzung und vieles mehr bei. Und andere Kinder, welche lediglich zum Besuch auf die Alm kamen, hätten sofort mit meiner Position getauscht, denn das Almleben hatte fiir sie den Charakter von Eigenmacht und Abenteuer - was ja stimmte.

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I Vorbemerkungen

Das Leben ist wild und gefährlich, aber schön Zu dieser Zeit begann für mich ein Bewußtsein einer Welt abseits des Stresses im Tal. Damit eröffnete sich eine unklare Weltreise des Aufsuchens und Sammeins, die bis heute nicht abgeschlossen ist und auf der ich mich noch immer weiter auf neue Abenteuer einlasse. Das Leben ist wild, gefährlich und schön. Man hat nichts zu verlieren, wenn es bewußt gelebt wird, sondern nur zu gewinnen. Dazu gehört auch eine Portion an Frechheit und Mut zum Neinsagen und Ausprobieren empfundener Einschätzungen. Mein leidenschaftliches Interesse am bäuerlichen und gärtnerischen Schaffen war damals entstanden, und meine Inspirationen, den Dingen forschend nachzugehen, blieben bis heute erhalten. So fand ich über die Jahre interessante Erweiterungen, wenn ich beim Nachbarn und anderswo mitarbeiten konnte. All dieses Wissen und erlernte Gespür fand Anwendung bei anderen Leuten, auf Höfen und in anderen Berufen. Eigendich waren die Reisen weite Fußmärsche, die in mehrere Alpenüberquerungen ausarteten und durch die Stationen des zeitweisen Arbeitens Abwechslung fanden. Mit der Neugier des Sehens kam ich mit den Leuten und Landschaften in Berührung, wodurch ich über das Arbeiten und Aufgenommensein die Arbeitserfahrungen erweitem konnte. Von Ort zu Ort war ich über viele Jahre weitergereicht worden, von Salzburg bis Kärnten, Nord- und Südtirol, Vorarlberg bis in die Schweiz und ins Piemont. Verschiedene Abstecher nach Bayern und Norddeutschland, Frankreich, Slowenien, Ungarn und Rumänien konnten das Wissen bereichern. Die Unterrichtungen in den Tätigkeiten verliefen mit viel Geduld und Fröhlichkeit. Vor allem die Alten förderten weiterhin mein Interesse. Mit den Arbeitsergebnissen und Ernten baute sich in mir Selbstbewußtsein auf. Und irgendwann begann ich, meine vorerst distanzierten Beobachtungen als fachliche Notizen aufzuschreiben, vermerkte Orte, Gedanken und Skizzen in den Tagebüchern. Die ersten veröffentlichten Geschichten, die unkonventionell waren und Aspekte der in Vergessenheit geratenen Landnutzungen aufgriffen, fanden bei der Leserschaft auch für die praktische Umsetzung Interesse. Es war nicht unbedingt die Umsetzung der Ideen das Ziel, sondern vielmehr den Bauern, Gärtnern und Naturinteressierten Bestätigungen ihrer Sicht der Dinge von Arbeit zu geben und daß dieses Wissen einen Wert hat. Mit dem gemeinsamen Arbeiten und vielleicht auch nur dem Austausch von Wissen freundete ich mich mit verschiedenen Leu-

10



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Die Arten der Bewirtschaftungsweise bestimmen über die Nahrhaftigkeit der Landschaft und lassen Platz für Tiere und Pflanzen. Je vielfältiger das Land bewirtschaftet wird, um so reichhaltiger sind die Ränder und Übergänge mit sammelbaren Nutzpflanzen (Valle Maira, Piemont).

ten an. Mittlerweile füllen sich meine Ordner mit Unterlagen, Photos, Notizen und fachlichen Nachlässen, welche wertvolle Zeitdokumente beinhalten, die fernab „schöner Landschaften" zu verstehen sind. Sie stellen die in der Landschaft verschwundene, teilweise noch enthaltene, aber nur unleicht sichtbare Arbeit dar.

Unsere Kräuter der „Nahrhaften Landschaften" Wenn auf das Kräuterwissen ein Hauptaugenmerk gerichtet ist, so kann es nicht von der Landschaft losgelöst betrachtet werden. Mit der flächigen agroindustriellen Uberformung entschwinden die sammelbaren Kräuter.

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Wir erfreuen uns der Schönheit vieler Blumen, haben aber das Wissen, mit den Pflanzen das Leben zu bewältigen, verloren. Heute können wir auf den Mond fliegen, aber von der wildwachsenden Natur können wir uns kaum ernähren. Das ist die Armut unserer Zeit (Arnika und Pracht-Nelke).

Die Phänomene der Landschaftsverbrachungen und Verwaldungen tragen ebenso zur Verdrängung der Artenvielfalt bei. Das Sammeln der Pflanzen kann nicht als Ursache für ihr Seltenwerden argumentiert werden. Der Buchtitel „Nahrhafte Landschaft" beinhaltet die Zusammenhänge des Umgangs mit unseren Naturressourcen und will nicht eine Harmonisierung betreiben, sondern zur Kritik anregen. Weite Gebiete zu erwandern eröffnet aus dem Vergleich der Landschaften wertvolle Hinweise und Erfahrungen der Einschätzung, aber auch den Antrieb, den Ursachen dieser Veränderungen nachzugehen. Das Wis-

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Vorbemerkungen I

sen client heute als Basis fur Forschung, Lehre und Beratungen, die von mir durchgeführt werden. Ich kann auf die praktischen Kenntnisse aus anderen Regionen zurückgreifen. Ohne dieses allmende Wissen sind die Leute nichts, und auch ich bin nichts. Und all das Erfahrungswissen, welches von unseren Vorfahren über viele Generationen aufgebaut und in der Not erarbeitet wurde, der verheißungsvollen Moderne und wirtschaftlichen Spekulation preiszugeben, gilt es zu behüten. Und behüten entstammt dem Pflegen und Bewahren. Darin steckt der Gebrauch, welcher nur personal vermittelt werden kann. Das Buch dient der Erinnerung und dem Anreiz, bestimmten Hinweisen nachzugehen. Wer geht, bekommt etwas vom Leben in dieser Gegend und anderen Gegenden mit, wer fährt, der tourt und durchquert die Landschaft als Tourist. „Die Tour ist das Modell der Enteignung im Gegensatz zur Fähigkeit des Reisens. Die Tour verschluckt, vereinnahmt unser Reisen natürlich auch schon zu Hause, indem wir konditioniert werden, die Routine als ,Langeweile' zu verstehen, den Ort des Alltags als ,Enge', die Arbeit als .Plackerei'", schrieb Andrea APPEL (1992). Das Wissen bleibt dabei links und rechts liegen. Reisen bedeutet, die Welt in Form von Erfahrungen verstehen zu lernen. Johann Gottfried SEUME formulierte schon: „Wer geht, sieht mehr als wer fährt. Feine Leute mögen darüber ihre Glossen machen, das ist mir gleichgültig. Ich bin der Meinung, daß alles besser gehen würde, wenn man mehr ginge." In diesem Sinne bedanke ich mich für das Geschenkte bei allen Gewährsleuten, auch wenn einige davon bereits verstorben sind und den Großteil des Wissens mitgenommen haben. Das Annehmen dieser Wissensgeschenke schafft Glück und eine Sphäre der Fröhlichkeit. Ihre Mitteilungen und Leistungen bestimmen die Zukunft und erweisen den Gemeinschaften ihre Dienste. In den skizzierten Notizen und Eintragungen ist vieles der aufgesuchten Leute hineingelegt. Auch wenn heute unser Handeln immer mehr von unannehmbaren und ärgerlichen Beeinträchtigungen und das alte Gebrauchswissen von Ignoranz geprägt wird, so soll unsere Lebenseinstellung nicht zu Fatalismus verleiten. Sich den Begebenheiten hinzugeben und die Situationen unwidersprochen zu lassen, würde auch die Tradition des Aufbegehrens der Altvorderen entwerten. Die angesprochenen Widersprüche in diesem Band dienen dem Verständnis und dem Mut zur Anregung.

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Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

„ Was die Alten nicht anders als nur in Worten weitergeben konnten, ist wirklieb tote Weisheit. Und nichts als einen mageren Rest wirst Du in Büchern finden. " Chunang tse

Diese Parabel von CHUNANG TSE verdeutlicht den Sinn des Gebrauchs, der über dem Geschriebenen steht. Vor allem das praktische Wissen ist grundsätzlich nur personal und anschaulich durch die praktische Anwendung erlernbar, nicht aus Büchern. Das Aufgeschriebene dient einem Anhaltspunkt und der Grundüberlegung, welche eine Basis fur das konkrete Tun bilden kann. Um präziser mit John BERGER (1982) zu sprechen: „Mein Schreiben ist zugleich Bindeglied und Barriere. (...) Das Schreiben wird, sobald ich anfange, zu einem Kampf darum, der Erfahrung einen Sinn zu geben. (...) Der Akt des Schreibens ist nichts als der Akt der Annäherung an die Erfahrung, über die man schreibt (...). Und auf diese Weise umfaßt der Akt der Annäherung an einen gegebenen Moment von Erfahrung sowohl die genaue Untersuchung (Nähe) als auch das Vermögen, Zusammenhänge herzustellen (Distanz)." Zum Beispiel verdeutlicht das Käsemachen gerade, daß Arbeiten eine Art ist, das Wissen zu bewahren. In der Schweiz meinte ein alter Senner: ,Aus Büchern lernst du das Käsen nie." Wie recht er hatte. Auch mit noch so viel Wärmecharakter können wesentliche Aspekte für das Gelingen eines guten Käses nicht in Worten formuliert werden. Ebenso ist das Wissen um die Handhabung der Kräuter zu verstehen.

1. Ohne Kräuterwissen sind wir nichts Das Grundrecht des Sammeins ist heute existentiell bedroht. Neben dem mangelnden Interesse stecken auch Wirtschaftsinteressen dahinter, die direkte und indirekte Verbote, Heilmittel selber herzustellen, verfolgen. Das über viele Generationen durch den Gebrauch erhalten gebliebene Wissen

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• Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

ist heute sehr spärlich vertreten. Großteils kennt unsere Elterngeneration noch die eine oder andere Nutzungsgeschichte. Aber selbst dabei sind sie sich im unklaren, da sie die Gebräuche nur mehr von ihren Eltern und Großeltern in Erinnerung haben. Viele fur bestimmte Zeiten wesentliche Gebräuche finden heute keine Anwendung mehr, da sie durch andere Verwendungen ersetzt wurden. Das ganze Wissen ζ. B. um die Kräuter- oder Holzverwendung war so diffizil, so daß man anderes nicht brauchte. Der Umgang mit der Natur stand in einem würdevollen Verhältnis. Dieses hatte sich bis heute verändert, weil man an die machbare Abspaltung von der Natur glaubt und so der Belieferung durch chemische Ersatzmittel und gentechnische Beeinflussung Tür und Tor öffnet.

Das Wissen um Kräuter wieder aktualisieren Wesentlich war früher das Vermögen der Leute, die mit diesem über viele Generationen vermittelten Gebrauchswissen improvisieren konnten. Und um gewisse Grundkenntnisse des Gärtnerns, des Handwerks in der Landbewirtschaftung, der Heilwirkungen der Kräuter, des Umgangs mit dem Vieh usw. kommen wir nicht umhin. Solange sie eine ökonomisch solide Effizienz beinhalten, stehen sie auch aus einer anderen Sicht von Wertschätzung morgen noch in Verwendung. Vor allem langfristig beinhalten viele Gebräuche eine umweltschonende und soziale Nachhaltigkeit in der Ressourcenverwendung. Jenes Wissen, welches bis heute im Gebrauch steht und durch Abwandlungen auch Bewährungen in der Moderne durchgemacht hat, das kann auch fur die Zukunft keiner Zerstörung oder Wertverminderung unterliegen. Diese Sicht mag angesichts der um sich greifenden Entwicklungen der materiellen und geistigen Enteignung und des „Fortschritts" als sehr zuversichtlich anmuten, wenn der neueste technische Stand der Modernisierung von Tag zu Tag mehr Altbewährtes abschafft und uns um Selbstbestimmung und Kompetenzen beraubt.

Das „Kostbare" und „Köstliche" in der „nahrhafien Landschaft" Das bäuerliche und gärtnerische Grundwissen in Büchern konzentriert, wird trotzdem eine Basis hinkünftigen Überlebenswissens darstellen, wel-

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Das Wissen und der Naturbezug bleibt durch den Gebrauch erhalten. Die getrockneten Pflanzen dienen als würzende Heilkräuter oder heilende Würzkräuter.

ches wieder praktisch zu präzisieren sein wird. Heute nützt das beste Wissen um den Nutzen der Pflanzen wenig, wenn die Landschaften aus agroindustrieller Ertragsabsicht ausgeräumt und die Arten auf wenigen Standorten vorfindbar und überformt sind. Darum drückt der von Inge Meta HÜLBUSCH entlehnte Begriff „Nahrhafte Landschaft" eine Kritik unseres Umgangs mit der Kulturlandschaft aus. Darin verbirgt sich gerade die Auseinandersetzung, Landschaft so zu nutzen, daß sie nicht monopolistischen Strukturen, sondern als,Allmende" der Gemeinschaft zur Verfügung zu stehen hat. Deshalb verstehe ich unter Naturschutz eine Art Gesamtkultur, die von einer Vielfalt getragen sein soll, deren Basis die Kultur des Gebrauchs ist. Oder umgekehrt ausgedrückt, stellt die Vielfalt der Kulturen einen hohen Diversitätsgrad der Arten und Pflanzengesellschaften in Aussicht. Insofern ist für das Ermöglichen eines im Alltag lebbaren Naturschutzes vom vermittelten Wert des Kostbaren und Köstlichen auszugehen.

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

„Wo es keine Vielfalt gebe, könne es keine Harmonien geben", meinte Al I M F E L D ( 1 9 8 5 ) . Es gilt den Wert der Kräuter durch die Aktualisierung der Themen wieder zu steigern, da ohne das Ausprobieren und den Hausgebrauch ansonsten das praktische Wissen als Allgemeingut verlorengeht.

Zu den Laubnutzungsgeschichten Aufgrund anregender Briefe zu meinem „Laubgeschichten"-Buch (2002) sei hier ergänzt, daß die heute in wenigen Resten ausgeübte Futterlaubnutzung als eine nachfolgende Wirtschaftsweise der Speiselaubnutzung zu verstehen ist. Mit der periodischen Ernte des Laubreisigs entstand im Vergleich zu ungeschnittenen Bäumen milderes Laub. Unabhängig von den Gehölzarten gilt insofern die Speiselaubwirtschaft als eine Vorstufe der Futterlaubund späteren schematisierten Alleebaumbewirtschaftung. Und von der heute ausgeübten Form der dargestellten „Schneidelwirtschaft" können die handwerklichen Überlegungen zur einstigen Nutzung der Bäume zum Erhalt von Speiselaub, Knospen und Feinreisig gefolgert werden. Die in den Bäumen noch nachwirkenden Geschichten lassen sich schwer nachvollziehen, da es fur uns heute unvorstellbar ist, daß ihre Baumgerüste einst der Produktion von Nahrung, Futtermittel oder Werkholz dienten.

Die heutige Notnahrung war einst Hauptnahrung Reliktär vorhandene Wirtschaftsweisen und scheinbar,unverstandene Arbeiten' heute dokumentiert, hatten in einer Vorzeit eine wesentlich gravierendere Bedeutung. Heute wird ihnen in vielen Fällen die Bedeutung des Notfutters oder der Notnahrung beigemessen (vgl. dazu BROCKMANNJEROSCH, H., 1920; 1925). Wir behaupten dies ζ. B. für die Futterlaubgewinnung aus einem Unverständnis heraus. Dahinter stecken allerdings kluge Prinzipien der Laubwirtschaft, die neben dem Mengenertrag, der Appetitanregung und dem Erhalt mineralstoffreichen Futters für die Tiere die ständig gefressene Medizin beinhalten. Dahinter liegt wohl auch die Grundüberlegung, mittels mehr bevorratbaren Futters die Nutztiere durchwintern zu können. Es handelt sich um ein völlig anderes und artgerechteres Futter, als heute den Tieren verabreicht wird.

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Der Hirte Guido Riva hält in einigen kleinen weilerartigen Bergdörfern im Piemont Wiesen, Weiden und die Wege mit dem Weidegang der Schafherde offen. Die sorgsame Nutzung durch den Menschen schafft gepflegte Landschaften, die wir als Reisende bewundern.

Die Futtermittel- steht im Zusammenhang mit der

Lebensmittelaußereitung

Die meisten handwerklich-reliktär erhaltenen Tätigkeiten sind tradierte, von der Effizienz her gesehen bereits nachgeahmte und für heutige Lebenszusammenhänge uminterpretierte „Verlegenheitslösungen", die ursprünglich einen anderen produktiven Hintergrund hatten. Zum Beispiel kann behauptet werden, daß sog. ,altertümliche' Futtermittel, die dem Schwein verabreicht wurden (ζ. B. Eicheln, Kastanien, Isländische Moosflechte, Grünmehl aus zerriebenen Nadelblättern, Futterlaub u. a.), einst der Mensch selber „gefuttert" hatte. In Vorkulturen stöberten die Menschen die Vorratsnester der Tiere auf, um an ihre Nahrungsmittel heranzukommen. Und die Menschen verwendeten dieselben Prinzipen der Futteraufbereitung auch für die Nahrungsmittelveredelung, z. B. fur die Verpilzung von grobgeschroteten Getreide zu einem Müsli, die Fermentation von Kräutern, die

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

Die Fröhlichkeit des Sommers als Reichtum in den Winter hineingetragen: Energie- und vitaminspendender Wildobstvorrat, Kompotte, Marmeladen, Spargelgemüse, Sämereien, Liköre, Blüten- und Kräuteransätze, Dörrobst und Dörrgemüse, Nüsse, Bitterstoffe und Gewürze.

Gärung und das Kochen von Gemüse, Sauerteigbereitung und Einsäuern, Abbrühen, Versauerung oder Silierung usw. Der heutige Umgang mit den Nahrungsmittel - ausgehend von der Herstellung in der Landwirtschaft bis hin zur Verarbeitung - ist hingegen von Unvermögen charakterisiert: 1. Die Kultur- und Futterpflanzen unterliegen einer zu hohen Düngung, 2. werden auf den Feldern und Wiesen falschen Kulturmaßnahmen unterzogen, 3. werden mit chemischen Mitteln am Feld bearbeitet. 4. Durch die starke D ü n g u n g blasen sich Gemüse und Obst stark mit Wasser auf, wodurch der Mengenertrag steigt, 5. weshalb sie wiederum zur Lagerung chemischer Behandlung unterzogen werden. 6. Wo große Mengen produziert werden, treten stets Organismen des Abbaus und Verzehrs und Krankheiten in Massen auf. 7. Wenn sie noch vorhanden sind, werden durch die intensive Verarbeitung wichtige Bestandteile verändert oder Wirkstoffe abgebaut,

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Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

I

8. künstliche Aroma- und Konservierungsstoffe beigesetzt und 9. die Massenwaren falscher Lagerung unterzogen. 10. Bei Milch, Eiern und Fleisch wird auf die artgerechte Fütterung und auf eine sorgsame Herstellung der Futtermittel nicht Rücksicht genommen. Alle diese Indizien sprechen daftir, daß wir es verlernt haben, mit der Natur zu haushalten, indem wir handwerklich profunde Kulturmaßnahmen durchführen, um gesunde Nahrung zu gewinnen und somit unsere eigene Natur als Mensch ernst zu nehmen. Ein weiteres Indiz unserer maroden Zeit stellt der Schutzgedanke dar. Behörden versuchen gerade jene kulturellen Errungenschaften, Pflanzen- und Tierarten, Lebensräume als Biotope, ja immer größer werdende Landschaftsteile,... unter Schutz zu stellen, wodurch in den Produktionsgebieten noch intensiver gewirtschaftet wird. Weiters wird nicht mehr bemerkt, daß gerade durch die Ausweisung der Schutzgebiete das Wissen um nachhaltige Landnutzungsformen der Zerstörung ausgesetzt ist. Echter Naturschutz würde bedeuten, sich in die Produktion einzumischen, damit ein nachhaltig sorgsamer Naturumgang möglich ist und sich der institutionalisierte Naturschutz von selber auflöst. Der derzeitige Trend der Naturschutzpolitik strebt nach agrarpolitisch administrativen Zielen, wo Naturschutz im Sinne einer Aachenstillegenden Landschaftspflege hofiert wird, um die Bauernwirtschaft zu musealisieren oder zur Aufgabe zu bringen (MACHATSCHEK, M., 1993; 1994) und um jüngst unter dem Vorwand des Allgemeinwohls an die Wasserreserven und Wasserrechte heranzukommen (ebender, 1995a).

2. Kräuterwissen ist Allmende Pflanzen werden vom Boden getragen und beinhalten als materielle Ausstattung der Landschaft tragfähige Geschichten. Wildpflanzen tragen sich an ihren Wuchsorten selber. In ihnen sind die „Gratisnaturproduktivkräfte" enthalten, die den Menschen nutzbringend sind. Sie gehören entgegen den neoliberalen Wirtschaftsinteressen und den berufspolitischen Verlautbarungen uns allen. Der Begriff „Kräuter" verdeutlicht die über viele Jahrhunderte intendierten Nutzungsgeschichten und somit auch den kommunalen Besitz, der durch nichts aufzuheben ist. „Kräuter" standen im menschlichen Nutzen, und „Unkräuter" waren anderweitig in Wert gesetzt

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

worden. Viele Pflanzen, bei denen nachweislich Verwendungen bestehen, fanden Einsatz in der Fütterung. Erst später kehrte sich der Inhalt des Begriffes „Unkraut" in das Unbrauchbare und Nutzlose - dem können viele Nachweise der Nutzungsaspekte entgegengestellt werden.

Die Geschichten vieler Leute machen Geschichte Kräutergeschichten sind nicht abstrakt zu verhandeln. Sie stehen im Zusammenhang mit den Leuten, welche die Kräuter anwenden. Anhand der dargelegten Kräuter werden die individuellen Geschichten in bezug zu den nahrhaften Landschaften offeriert, wobei die Auswahl der Pflanzen so bemessen ist, daß sie die wesentlichen Grundüberlegungen der Gebräuche wiedergeben und Arten widerspiegeln, welche in den üblichen Kräuterbüchern selten oder keine Berücksichtigung finden. Vielfach basieren die Verwendungsmöglichkeiten auf eigene oder erzählte Anwendungen in verschiedenen Regionen. Viele Menschen, welche ihre Pflanzenbräuche nicht aufgeschrieben haben, stellten in Gesprächen ihre Erfahrungen zur Verfugung, auch wenn sie die Kenntnisse nicht selber erfunden haben. In vielen Fragen können sie den Gebrauch bestätigen, den sie von ihren Vorfahren als Volkswissen übernommen haben. In diesem Sinne wirkt ihr erzählter Beitrag den monopolistischen Marktmechanismen der Pharmaindustrie entgegen, welche uns von den Anwendungen der wildwachsenden Pflanzen abbringen und das Urheberrecht verfugen möchten. Hinter der Nutzung der Kräuter steckt die „Groscherl-" oder „Pfennigarbeit" des kleinweisen und sparsamen Sammeins fur das „Zubrot", „Wintergeld" oder das eintauschbare „Winter-" oder „Zuholz". Die profunde und hilfreiche Kräuterware, welche mit hoher Sicherheit eine Heilwirksamkeit in sich trägt, ergibt gegenüber synthetisch hergestellter Produkte eine unverfängliche Garantie und vor allem die Perspektive, man kann sie auch selber sammeln. Und der Tausch erzeugt den sozialen Umschwung innerhalb einer Gemeinschaft. Bis heute ist von wenigen Leuten der älteren Generation undokumentiertes Wissen erhalten geblieben. Wenn es nicht nachgefragt wird, dann wird es ins Grab mitgenommen und ist unserem Gebrauch entschwunden. Köstlichkeiten und Kostbares wurde im Laufe der Zeit aufgrund Eingang nehmender Modernismen und einer anderen Sicht von Rationalität verschüttet. Das Volkswissen, lange Zeit als altertümlich und hinterwäldlerisch

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Produktiv sein kann auch schön und in der Landschaft eingeschrieben sein: Die im märchenhaften Tessiner Edelkastanienhain entschwundene Arbeit beinhaltet die gärtnerischen Überlegungen, das Land in mehreren Etagen zu bewirtschaften.

angesehen oder der „Blut- und Bodenideologie" zugeordnet, erfährt heute eine Wiedergeburt, da die Möglichkeiten der Umsetzungen auf fruchtbaren Boden fallen. Der Mißbrauch des Kräuterwissens wird durch Politik und Wirtschaft stigmatisiert. Aber das Wissen kann fur die Vereinnahmung nichts. Gerade das Aufzeigen der angewendeten Kräuterkunde stellt den Beweis dar, daß es nie ein Monopolwissen, sondern vielmehr ein Allmendwissen war und ist.

Vereinnahmtes Kräuterwissen durch Wirtschaftsinteressen Das Wissen um Kräuter, wie es in den neuzeitlichen Büchern dargestellt und vermythologisiert wird, entstammt nicht den Hexen, die in Wäldern und Fluren umhergeschlichen sind und auf scheinbar obstruse Weise damit hantierten. Das sind unfundierte Märchen und Spekulationen, um

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

Wissen bewußt oder unbewußt der Zerstörung preiszugeben oder auf extravagante Alternativebenen zu heben, um Geld damit zu machen. Die Gebrauchsgeschichten um Pflanzen waren in der gesamten Bevölkerung rund um die Erde in vielfältigster Art sozial verteilt. Das Wissen den Kräuterweibern oder Zauberern anzulasten, enthebt es dem allmenden Gebrauch und eröffnet den Monopolisten und dem Copyright der Pharmaindustrie die Ebene der Bereicherung. Man kann bei diesem Umgang auch von Geschichtsfälschung bzw. -Verdrehung und Wissensvereinnahmung für Profitinteressen sprechen. Die soziale Kompetenz vieler Leute war gerade wesentlich, damit das Volkswissen über den Gebrauch erhalten und weiterhin erprobt werden konnte. Die Kräuterkenntnisse waren innerhalb der Kommunen organisiert, und manche Menschen konnten damit besser umgehen als andere. Das Wissen war auf eine Vielfalt an Nutzern verteilt. Verschiedene Leute erforschen und erhalten das alte Gebrauchswissen um die Nutzpflanzen, und die Landesverwaltungen und Regierungen verbieten die Anwendung aus macht- und wirtschaftspolitischen Gründen. Das ist ein Humbug, der wie ein Bumerang zurückkommen wird. Huflattich ζ. B. wurde über viele Generationen fur Tee bei Verkühlungen und anderen Beschwerden verwendet. Nun über Rattenversuche, bei denen die Tiere unter extremen Bedingungen damit auf unnatürliche Weise gefuttert wurden, den Beweis fur die krebserregende Wirkung anzutreten, mutet einem gesteuerten und unseriösen Vorgehen der Monopolbetreiber an.

Überliefertes Wissen im kommunalen Netzwerk Mein ganzer Respekt gilt den älteren Leuten, da sie aus der langjährigen Erfahrung im Umgang mit der Natur in der Bauern- und Gartenwirtschaft über Wissen verfugen, welches fur die Selbstversorgung von morgen wichtig sein wird. Daraus erwächst kein Monopolrecht. Meine Aufgabe liegt darin, dieses Wissen zu dokumentieren, bevor es die Alten ins Grab mitnehmen. Jedem Hinweis ging ich nach und pflegte über Jahre Fragestellungen, Geschichten und Hinweise mit der Absicht, sie aus den verschiedenen Regionen zu vervollständigen, auch wenn einige Teilfragen offenblieben. Ich habe versucht, verschiedene Pflanzen zurechtzurücken und ihnen die auferlegte Widerspenstigkeit, Giftigkeit und Unkrautstigmen zu nehmen. Darüber hinaus soll aus den Gebrauchsgeschichten über die Nahrhaftigkeit un-

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Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten •

serer Landschaft nachgedacht werden, wie wir sie uns verfügbar machen können, ohne die Naturressourcen zu plündern. In einer Wechselwirkung zwischen Landschaft und Garten kann der Gebrauch des Wissens verfolgt werden, einerseits wurden Kräuter in den Garten geholt, oder sie blieben in der freien Landschaft (vgl. POHANKA, Α., 1987) in Nutzung, andererseits waren Erfahrungen aus der Gartenwirtschaft auch in die Landschaft getragen worden, wenn Wiesen, Acker und Wälder nebenbei Sammelerträge zu liefern hatten. Das überlieferte Wissen des Volkes wurde fur unsere Breiten von Römern aufgeschrieben und bis in das Mittelalter im Gros von eingesetzten Männern dokumentiert. Fand es sich bei Frauen, so war es schon fragwürdig, weil man ihnen anlastete, sie würden damit Hexenzauber betreiben. Wenn wir die Geschichte bis heute weiterverfolgen, kann genau der umgekehrte Effekt beobachtet werden, denn in den meisten Fällen, wo Männer über das Kräuterwissen bestimmen, wird das Heilkräuterwissen mißbraucht. Die Monopolisierungstendenzen und die Festlegung verwendbarer Pflanzen im Arzneimittelkodex verdeutlichen dies.

Weitere

Grundüberlegungen

Der zweite Band im Gefolge des Buches „Nahrhafte Landschaft" befaßt sich mit der weiteren Erforschung alter Heil- und Nahrungskräuter, welche altbewährte Verwendungen offerieren, die in den herkömmlichen Büchern nicht enthalten sind. Die nährenden und heilenden Wirkungen einiger Arten sind weniger bekannt, da sie bislang unzureichend in der Fachwelt dokumentiert waren und somit die Epigonen nicht davon abschreiben konnten. Vor allem wird auf die notwendige Versorgung mit Bitterstoffen hingewiesen, um das „Bittere" und „Deftige" im Leben erträglicher zu machen. Das versammelte Indizienwissen verhandelt auch Fragen zu Bevorratung, Garmachung, Aufbereitung und Haltbarmachung von Lebensmitteln, Aromastoffe, Gesundheit und Heilwirksamkeit der Lebensmittel. Die Art der Landnutzung beeinflußt die Standörtlichkeit der Pflanzen. Damit die Vielfalt der Nutzkräuter auch weiterhin im Sinne eines im Alltag praktizierbaren Naturschutzes erhalten bleibt, ist die Frage der Bewirtschaftungsweise wesentlich.

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

Das Wisse?i der Kinder — „Kinderbrote" und „Naschobst" Astrid LlNDGREN meinte einmal sinngemäß: Ihre Aufgabe sei es, den Kindern die Angst vor der Zukunft zu nehmen oder ihnen den Mut zu geben, damit sie sich ihre Kritikfähigkeit bewahren können. Schon im Kleinkindesalter haben die Kinder eine Unbesorgtheit, die es zu wahren gilt. Ihr Interesse dient der Aneignung der Umwelt. Mit der Möglichkeit der Fortbewegung erweitert sich auch ihr Horizont. Sie erarbeiten sich ihre eigene Sinnesbezüge und Erfahrungswelt. Die Kinder ernteten früher entlang der Schulwege sogenannte „Kinderbrote" und „Naschobst" und gaben untereinander vor allem eßbare Anwendungen weiter. Dieses Wissen diente den Erwachsengewordenen später in ungereimten Situationen des Alltags, damit sie im Frühjahr viele Vitamin-C-spendende Kräuter, Spargelgemüse, Teekräuter oder Bärlauch, Zahnwurz und Schneerosen als nahrhafte bzw. heilende Nahrung sammeln konnten. Waldmeister diente für die Maibowle und bestimmte Pflanzenteile zur Bereitung der Blütenessige und fur Kapernersatz. Im Sommer nutzten sie Wiesen-Bärenklau, Gundelrebe oder Mädesüß, das berüchtigte Gartenkraut Giersch oder seltener die Wasserlinsen der Teiche. Auf den Weiden und entlang der Waldränder und Sträucher ernteten die Landnutzer verschiedene Beeren, und im Herbst stöberten die Kinder den Haselnüssen, Schlehen, Vogelbeeren und Pilzen nach. Dabei können heute aus dem alten Wissen wiederum völlig neue Ideen fur weitere Anwendungen und Veredelungen entwickelt werden. Ahnlich wie im ersten Band konnte ein reichhaltiger Fundus vieler praktischer und außergewöhnlicher Geschichten mit Rezepten für die Nachwelt dokumentiert werden.

Die Dokumentation entgegen der Vereinnahmungstendenzen Die einzelnen Pflanzenkapitel stellen Verdichtungen von gesammeltem Wissen, Erfahrungen, Situationsbeschreibungen und scheinbar nebensächlicher Zusammenhänge verschiedener Regionen dar, welche bei genauer Hinterfragung die Wertigkeit sichtbar werden lassen. Anhand verschiedener Nutzpflanzen seien dabei Grundüberlegungen der Nutzbarkeiten und der Förderung ihrer Vermehrung in Form von Anbau und Inkulturation angeführt. Die notierten Selbstverständlichkeiten der Arbeiten zur Land-

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In der Landschaft kann das enthaltene Wissen der sorgsamen Bewirtschaftung oder die Extensivierung gelesen werden. Wiesen und Weiden, bereits reduzierte Feldäcker am Rande einer piemontesischen Talsiedlung. Die aufkommenden Cebüsche an den Böschungen und die Ausbreitung der Waldränder sind ein Zeichen baldiger Auflassung der Landnutzung.

bewirtschaftung bedürfen insofern Erklärungen, da sie in einigen Jahren den gegenteiligen Behauptungen modernistischer Wissenschaftler unterliegen. Können verschiedene Sachverhalte, in Einzelfällen erprobt und seit mehreren Generationen angewendet, erst einmal völlig verdreht und im Zusammenhang entwertet werden, so dient die neu eingeredete erfundene Darstellung von Zusammenhängen der Abhängigmachung auferzwungener Konsumation erzeugter Produkte. Unter der Angstmacherei, wir könnten von der Natur abhängig sein, erfolgt die Entkoppelung vom Naturwissen und vom Miteinander mit der Natur. Im Prinzip ist dies eine Enteignung unserer eigenen Natur, die wir als Menschen stets bleiben werden. Dem Pathos der reinen Natur aus dem Labor, die vollends in den Griff zu bekommen sei und hygienisch steril erzeugt zur Anwendung kommt, ist zu mißtrauen. Dieser Schere im Kopf sollen wir unterliegen und uns nicht mit heiklen Themen offensiv auseinandersetzen. Eine andere Form der Naturidylle, den Labors entwachsen, soll uns in Hinkunft leiten.

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Der praktische Natur- oder Nutzgarten beinhaltet alle möglichen Pflanzen des spontanen und langfristigen Gebrauchs: zum Essen, Strecken der Nahrung, Würzen, Heilen, Aromatisieren, Garnieren, Färben... oder für den Blumenstrauß.

Die Tatsachen werden uns einholen Ich würde mich schon als Pragmatiker im eigentlichen Sinn sehen. Denn Pragmatiker sind Leute, die ihre Orientierung auf das Nützliche und den Sinn für die Tatsachen sehen und verstehen wollen. Wenn wir nicht die wahren Tatsachen sehen oder verstehen lernen, dann werden sie uns einholen. Deshalb setze ich mich hin und vergleiche, systematisiere, schreibe und gebe auf diese Weise vielen Interessierten das zustehende Wissen zurück. Wenn der Gebrauch des Wissens der Verbrachung ausgesetzt wird, dann handelt es sich um einen Schritt der Wissensverschüttung. Die Pflege und Befragung des Wissensvorrates will klug und entgegen allen Entaktualisierungsversuchen und -absichten angegangen werden. Einfach nur die Zutaten eines Rezeptes in der Hoffnung zu mischen, daß dabei etwas herauskäme, bleibt in vielen Fällen ertraglos. Es gehört ein Feingespür und die

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Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

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reflektierte Erfahrung beim Anwenden von Wissen dazu und das Wichtigste, ein Einschätzungsvermögen. Das vielfach geforderte Macher- und Knopfdruckwissen und eine Rezeptpädagogik ist abzulehnen, da sie kein Ziel und keinen Ertrag ermöglichen.

3. Vorgangsweisen Um das Gestern zu entstauben, bediene ich mich einem Arbeitsverfahren, das wir landläufig als Archäologie ansehen. Das schichtenweise Abtragen von Bedeckungen und Hüllen dient dem Zwecke, um an den Kerngehalt zu gelangen und um die vergangene Nutzung sichtbar und begreifbar zu machen. Die wesentliche Basis dazu bilden die Gespräche aufgrund von Anlässen oder verschiedenen Tätigkeiten in der Landschaft, welche von den Interviews zu unterscheiden sind. „Durch das Reden kommen die Leute zusammen" ist immer noch eine bewährte Form, um sich gegenseitig und miteinander Themen und Gedankenketten zu erzählen und vergleichend fruchtbar zu machen.

Archäologie als Arbeitsweise der Erforschung und Dokumentation Forschen und Neugier hat stets etwas mit Archäologie zu tun. Man gräbt sich aufgrund eines Anlasses in die Wissensmaterie schichtenweise vor und hebt neben den herkömmlichen, im Volksgebrauch stehenden Kenntnissen den einen oder anderen Schatz. Die anwendbaren Wissenszusammenhänge dieses Buches konnten dem Volksmund entnommen und ausgegraben werden. Sie sollen der allgemeinen Verwendung dienen, damit über den Gebrauch das Wissen nicht verlorengeht. Eine Dokumentation der Freude, des Schönen und des Interesses halber kann wichtig sein. Ein solcher Umgang mit Forschung erscheint aber praktische Überlegungen der Verwendbarkeit des Wissens außer acht zu lassen. Die wesentliche Bedeutung der Erforschung der Geschichten liegt darin, die Kenntnisse in die heutige Gegenwart hineinzutragen und fur den Gebrauch nutzbar zu machen. Historische Geschichtsbetrachtung bleibt musealisierend, solange sie das Wissen nicht der Verwendung zufuhrt. Der do-

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

kumentarische Wert der Geschichtsforschung liegt in der Anwendbarkeit seiner Geschichten. Wenn ζ. B. der gefundene „Mann im Eis" der Otztaler Alpen auf die kluge Verwendung der Materialien in der Kleidung, Nahrung oder in der Gerätschaft beforscht und dies sichtbar gemacht wird, dann kann diese Forschung fur die Bewältigung der Zukunft wesentlich sein.

Ethnobotanik im Sinne der archäologischen Vorgangsweise Archäologie beschäftigt sich mit der Ausgrabung verschütteter Indizien der Kulturrelikte zur Feststellung einstiger Lebensweisen, Gebräuche usf. Man kann aus dem Wissen um heutige Nutzungen auch schichtenweise in die Vergangenheit zurückforschen. Sie muß aber nicht altertümliche Funde zum Gegenstand haben. Herkömmliche Archeobotanik konzentriert sich großteils auf Fragestellungen zu Kulturpflanzen und vergißt dabei, daß sich unsere Vorfahren vor der Inkulturation von Pflanzen vornehmlich von dem ernähren mußten, was vor Ort zu finden war (vgl. B R Ü N D E G A A R D , V. J., 1985; MAURIZIO, Α., 1927). Das meiste ethnobotanische Wissen um die Verwendung vieler wildwachsender Nutzpflanzen konnte bis heute über den Gebrauch erhalten bleiben. Viele Kenntnisse sind regional noch nicht beforscht worden und verbergen nach wie vor wertvolle Hinweise einstiger kluger Uberlebenszusammenhänge. Die „Volksbotanik" wurde von Generation zu Generation annähernd bis 1950 weitertradiert. Nur mehr ganz selten hielten alte Leute diese Gebräuche bis heute aufrecht. Ich finde es deshalb frappierend, daß wir heute, ohne mit der Wimper zu zucken, dieses Gebrauchswissen unserer Großeltern der Moderne preisgeben und vielleicht in schon 50 Jahren wieder mit hohem Aufwand archäologisch ausgraben oder entstauben müssen, da wir es zum Leben benötigen. Zudem erscheint es achtlos der alten Generation gegenüber, sich damit nicht zu beschäftigen und somit die Weitergabe des Wissens als belebendes Bindeglied zwischen den Alten und Jungen zu ignorieren. Insofern bezieht sich archäologisches Arbeiten nicht unbedingt auf das materielle Ausgraben, sondern auf das Freilegen von Gedachtem oder angewandtem Wissen. Dies erfordert im Gegensatz zur materiell gesehenen Archäologie die Vorgehensweise der Indizienwissenschaft. Schichtweises Abtragen von historischen Umhüllungen und Verhüllungen, welche teils bewußt angelegt wurden, um selbstbestimmtes Handeln, aber auch den

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Wiesen, Böschungen, Ränder, ganz, halb- und vollbeschattet oder besonnte Bereiche und ihre feinen Abstufungen unter verschiedenen Einflüssen stehend, liefern eine Vielfalt eßbarer und heilwirksamer Pflanzen das ganze Jahr über.

alltäglich wirksamen Naturschutz durch sorgsamen Gebrauch zu verunmöglichen. Der Zugang bei den Leuten, das Wissen vor Ort zu dokumentieren, steht dem Wälzen bereits niedergeschriebener Erfahrungen entgegen. Bestehende Fachliteratur kann das gegenständliche Wissen aus den Fundstücken präziser Wahrnehmungen in der Landschaft vertiefen oder erweitern. Begleitende Gespräche fuhren auf die Spur und helfen aus der Vergangenheit Erinnerungen sichtbar zu machen. Erfahrungen können nicht aus der Zukunft kommen, wie uns ζ. B. die biotechnologische Forschung und Gentechnikdebatte laufend glauben macht. Erfahrungswissen konnte über zig Generationen teils aus zufälligen Beobachtungen und teils aus Notsituationen erprobt werden. Dahinter steckt Verantwortung im Umgang mit Wissen. Gentechnik und Biotechnologie gründen sich auf Spekulation, da

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

ihre Aussagen und erwartbaren Ergebnisse aus wenigen Jahren Wissenschaft ohne Bewährung in der Praxis herrühren und auf der Basis einer dubiosen Risikoabschätzung begründet werden.

Dem Vergessen zufließenden Strome herausreißen ... Die in Gesprächen geäußerten Erinnerungen sind immer von individueller Färbung geprägt. Der Blick zurück ist durch das Subjekt gefärbt, nicht durch das, was real war und was es gewesen war. Wer zurückdenkt, verklärt und verfälscht das Vergangene auf eine Weise, so daß das Positive an Erfahrungen mehr oder weniger übrigbleibt, bis auf Ausnahmen des Unverarbeiteten. Wer das Gesehene und Erlebte vom Prinzip her verstanden hat, redet sich daran fest und hebt es als Beispiel hervor. Auch wenn es die Erzählenden ungewollt tun, es bleibt dieses Vorgehen unvermeidbar. Allerdings kann aus dem Vergleich ähnlicher Verwendungsbeispiele aus anderen Regionen ein grundlegender Gehalt an Gebrauchswissen gesichert gefolgert werden.

Die Verarmung an praktischem Wissen Das Ausprobieren und nachvollziehen, inwiefern frühere Gebrauchsmittel fur heutige Verhältnisse anwendbar sind, hatte sich bewährt. Probehandeln und vergleichendes Probedenken für den Nachvollzug von Hinweisen ist heute abhanden gekommen und wird vor allem den sog. Laborexperten und Bürokraten vorbehalten. Die meisten Experimente und Ergebnisse gehen an der Praxis vorbei, und sie besetzen Potentiale des Denkens, Fühlens und Handelns in Zeit und Raum. Somit wird den einzelnen Menschen das Wissen genommen, welches aus den Errungenschaften der Erfahrungen neue Entwicklungsmöglichkeiten entstehen lassen kann. Heutige Praktikabilität orientiert sich im Zuge des Perspektivenwechsels und der Umdeutungsversuche an anderen Werten. Mit jedem neuen Angebot neuer Techniken, Materialien und Umgangsweisen erfolgt ein Verlernen des Gewohnten und des bestehenden Wissensvermögens. Die Folgen heutiger Wissenschaft, wo durchwegs andere Produkte und Methoden den Durchbruch schaffen, spiegeln sich in der Verarmung praktischen Wissens wider. Wer stellt heute schon Eichelkuchen, Mädesüß-Fischsalat, Brennesseltorten

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Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten •

oder Traubenkirschenmarmelade und Waldmeister-Kalbsbraten her? Wer läßt sich noch zu solchen Versuchen herab, wenn der Mut zum Probehandeln verlorengegangen ist? Das hat nichts mit Wissenschaft, sehr wohl aber etwas mit Forschung zu tun.

Die Experten messen Der westliche Mensch will als „Herr" darüberstehen und nicht ein Miteinander und Nebeneinander mit der Natur akzeptieren. Daraus resultiert auf extremer Ebene die maßlose Nutzung durch Ausbeutung, die sich von der sogenannten Wildbeuterei des Sammeins unterscheidet. „Und was messen die Experten? Daß die Bäume, das Gras, der Boden, der Regen tatsächlich unsere Feinde geworden sind, die lebendige Natur. Die Feinderklärung an die Natur, die Sir Francis Bacon mit solcher Heftigkeit vortrug, sie ist in Wirklichkeit umgesetzt. Die Experten messen ihre eigene und unsere Ohnmacht. Und wenn die Regierung die Experten unter Kuratell nimmt, dann wissen wir gar nichts mehr. Und das wird sie auch zu tun versuchen" (NEUSÜSS, C h „ 1 9 8 6 ) .

„Wer bietet seine Dienste zur Bearbeitung von Aspekten des Ökologiebereichs an? Es sind ,Experten', die im Regelfall ihre Expertenwelt nicht in Frage stellen, sondern sowohl nach neuer Nahrung fur ihre schwindenden Ideen als auch nach einer Rechtfertigung für ihre akademischen Forschungsaktivitäten und Projekte suchen. ( . . . ) Welche Methoden und Prämissen wissenschaftlicher Arbeit werden von Experten stillschweigend angenommen? In aller Regel solche, die die vorantreibenden Kräfte des sogenannten heutigen Fortschritts sind; also solche, in denen der Ursprung der ökologischen Probleme liegt, denen wir heute gegenüberstehen" (GROENEVELD, S . , 1 9 9 6 ) .

Über die Unterrichtung in Zoologie und Botanik Der auf Aktionismus ausgerichtete Zoologieunterricht bestimmt seit zwei Jahrzehnten das Naturverständnis erwachsenwerdender Jugend. Uber kybernetisches Verständnis, welches aus den zoologischen Beispielen dargestellt wird, ergibt sich eine Vorgabe ftir die Technik und Computergläubig-

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I Die nahrhafte Landschaft lebt von ihren Geschichten

keit. Der Videounterricht vermittelt eine Scheinwelt, die es so in der Realität und vor allem in dieser Harmonie nicht gibt. Diese überspielte und einseitige Art der Lehre hat zur Folge, daß heute breite Kreise der Bevölkerung schlicht keine Ahnung von den Pflanzen oder ihrer Nutzbarkeit haben. Eine amerikanische Untersuchung bestätigt dies, meine Befragungen bei Schulklassen lassen arge Befürchtungen auch an europäischen Schulen vermuten. Der Mangel an Natur- und Nahrungsbezügen in der freien Landschaft liegt in der falschen Biologie- und Umweltunterrichtung. Der rote Faden strickt sich auch in der falschen Ernährung fort, und der Trend zum „Fast food" wirkt sich rückwirkend wiederum auf die Form der Landbewirtschaftung aus. Guter Biologieunterricht schließt Gesundheitsbewußtsein ein, und dazu gehört in erster Linie die Botanik und Vegetationskunde.

Die Pflanzen, die wir brauchen, sind um uns, aber wer bringt sie uns näher? Alles, was wir zum Leben benötigen, können Pflanzen uns liefern. Jeder müßte von klein auf „vegetationskundiges Botanisieren" (vgl. HÜLBUSCH, Κ. H., 1986; MACHATSCHEK, M., 2000) und richtiges Kochen lernen. Nicht abstrakt über das Schulbankdrücken, sondern praktisch, fröhlich und nur angewandt. Im Laufe der Zeit entwickelt man Sympathie für bestimmte Pflanzen und Artengruppen je nach Lebensphase mit anderen Schwerpunkten. Die Neugier für Pflanzen und Landschaftskunde wird wachgehalten, wenn man zu Entdeckungen angeregt wird. Und warum die Pflanzen so wichtig sind? Es genügte häufig bei kranken Menschen, wenn sie eine Sympathiepflanze oder das symbolische Abbild davon vor sich hatten. Man verwendet immer die heilenden Pflanzen, die man in bestimmten Momenten benötigt. Bei Liebeskummer die Edelkastanie, bei Liebesbezauberung Spitzwegerich, bei Gicht Gundelrebe, Giersch oder Bitterkräuter usf. Mit den botanischen Bezügen kann man sich selber heilen.

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Naschobst und Kinderbrote

Über die Rohkost am Schulweg Beim sogenannten Schulgehen werden mit den beobachteten Bildern, Gebräuchen und Geschehnissen Wissensgehalte eingeprägt, welche durch das wiederkehrende Auftreten lehrreich in die Erinnerung aufgenommen werden. Besonders das Wissen um eßbare Pflanzen, das von den Eltern oder älteren Geschwistern auf den Weg mitgenommen wurde, kann durch Selbstbestimmung erprobt werden. Das Wissen um „Kinderbrote" und „Naschobst" war vielfach ein unter den Kindern weitergereichtes Wissen, das durch den Gebrauch lange Zeit erhalten blieb. Das Schulgehen brachte uns die notwendige Verlangsamung der Landschaft ein, so daß das menschliche Maß der Füße uns unwillkürlich zur Anreicherung von Wissen und Eindrücken aus der Flur zwang. Nicht nur die Maikäfer verwendeten wir zum Spielen, auch die Grillen hörten wir zirpen und kitzelten sie mit Grashalmen aus den Löchern hervor. Wir kamen auch der Büschel-Glockenblume, Schwertlilie, Echtem Labkraut, „Kuckucksklee", Zittergras, Glatthafer und vielen uns unbekannten Pflanzen näher. Die verschiedenen Arten der dem Alter entsprechenden schrittweisen Natur- und Freiraumaneignung (s. bei BÖSE, H., 1981), auch wenn sie nur spielerisch oder nur arbeitend waren, schufen die Basis fur Einschätzungsvermögen und fiir leichteres Lernen auf verschiedenen Ebenen.

Die Kinder haben keinen Schulweg mehr Heute existiert für einen Großteil der Kinder kein Schulweg mehr. Sie verlieren dadurch einen grundlegenden Naturbezug. Die efFektheischende Betonung der Zoologie im Unterricht und die Bequemlichkeit der Lehrer, auf Videoübertragungen zurückzugreifen, zeitigen binnen weniger Schuljahrgänge das Manko, daß die Jugend keine Pflanzen mehr kennt. Das Defizit an pädagogischen Kenntnissen, der falsche Lehrinhalt in Koppelung mit kypernetischen Anschauungen und abgekürzten Erklärungen macht es den Kindern leicht, auf die Computerwelt und auf ein fragwürdiges Gentechnikverständnis getrimmt zu werden.

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Ein frühjährlicher Sammelgang in der Weststeiermark lieferte für mehrere Tage Hauptnahrungsmittel mit Spargelgemüse vom Wald-Geißbart bis Adlerfarn, Zuspeise mit Vogelmierespinat und Taubnessel für die Suppe, Würzpflanzen ζ. B. mit Kleinem Wiesenknopf oder Wiesenkerbel und mit Lindenknopsen ein Knabbergemüse.

Die Schaffung der „Mechanisten " Auf diese Weise werden lakaienartige Konsummenschen herangezogen, die zwar für den Tierartenschutz ein Herz haben, das Schutzempfinden allerdings auf anonymer Ebene halten und sich später mit Geldleistungen in Form von Spenden das schlechte Gewissen abgelten. Der Raubbau der Natur und menschlichen Arbeitskraft geht einher mit der Forcierung einer bodenlosen Versorgung, die von künstlicher Chemie abhängig ist. Dies ist ein verantwortungsloser Umgang mit der Nährbasis, die vom Boden ausgeht. In der Folge braucht die zukünftige Menschheit kein Land mehr, weil alles in der Retorte, im Labor herstellbar sein wird. Deshalb versucht man die produktiven Momente den Landschaften zu nehmen. Die Möglichkeit, daß die Schule den Kindern hilft, ihr Leben konstruktiv zu bewältigen, gleiten un-

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Naschobst und Kinderbrote I

ter den derzeitigen schulpolitischen Bedingungen ins Dekonstruktive ab, und das Leben — auf Verwertungsinteressen gedrillt — wird selber zum Fressen und Gefressenwerden. Und Nahrungsmittelherstellung verkommt zur Industrie, die Kultur des Kochens und Essens war einmal.

Lebensbewältigung in der Kindheit lernen Der Verlust des Schulweges hat negative Auswirkungen auf den Erfahrungsgehalt unserer Kinder zur Folge, was sich darin äußert, wenn sie weniger und falsche Bezüge zur natürlichen Umwelt herzustellen vermögen. Es klingt bei dieser kleinen Replik vielleicht ein bißchen Wehmut durch, doch hat das Wehmütigsein etwas mit dem Verlust von Vergangenem und scheinbar Unwiederbringlichem zu tun. Die Darstellung der vielfältigen Rohkost soll daran erinnern, was es bedeutete, einen Schulweg zu haben, der mit verschiedenen Geschichten gesäumt war. Als Lehrende können wir darauf im Unterricht reagieren und das Köstliche als kostbares Essen in manchen Schulstunden eingebaut vermitteln. Die Kost gilt landläufig als eine regional-spezifisch wertgeschätzte Nahrung. Unsere Kinder sind ebenfalls Kostbarkeiten, weshalb dieses Kapitel den Erwachsenen gewidmet ist, um Hausverstand, Gefühl und Fröhlichkeit für einen anderen Umgang zu eröffnen.

Wirfanden Köstliches und Kostbares fürs Leben Unsere Schulwege waren märchenhaft, sind aber keine Märchen, sondern vergangene Fakten. Am Weg erfuhren wir, oder besser „ergingen" wir, wesentliche Kenntnisse im Umgang mit der Natur. Das Umherstreifen kräftigte die Ich-Stärke (vgl. MUCHOW/MUCHOW, 1980). Wir machten aus unseren Schulwegen „Um- und Abwege", wie dies Sepp HERINGER benennt. Diese Abwegigkeiten und „Frechheiten der kleinen Götter", die wir glaubten zu sein, stellten den Beziehungsreichtum mit der Natur und anderen Menschen her, aus dem die gemeinsame Lebensbewältigung erlernt wurde. Dieses Erfahrungsvermögen des Spielens und Mitarbeitens und ζ. B. des „Rohköstelns" am Schulweg und nachmittägigen Streunens dient uns heute noch als Wissensgrundlage, wenn wir als Forscher, Bauern, Lehrende oder in anderen Berufen tätig sind.

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I Naschobst und Kinderbrote

Verschiedene

Kinderbrote

„Kinderbrot" ist eine Sammelbezeichnung für erntbare, freiwachsende Pflanzen entlang des Schulweges oder während des Streifens der Kinder durch ihre Wohngegend. Im Umgang mit ihnen wurde nicht nur Zeitvertreib, sondern die notwendige Naturaneignung zum Uberleben mit der Natur und dem sozialen Wissensgebrauch gelernt (s. BÖSE, H . , 1 9 8 1 ; H Ü L BUSCH/HÜLBUSCH, 1 9 7 2 ) . Die hier zusammengefaßten Kenntnisse stammen aus den Vorzeiten, wo mit vielen Nutzpflanzen die Ernährung bewältigt werden mußte. Einige besondere Beispiele hierfür sind Sauerampfer, Gänseblümchen, Wiesen-Bocksbart, Kümmelblätter, die bitteren Röhren des Löwenzahns oder Distelstengel sowie Lindenblätter und -knospen. Natürlich genossen die Kinder auch von den angebauten Kulturpflanzen der Landschaft, die aufgrund der gemisteten Acker und Ränder zart an Stengel und Blatt waren, alle möglichen Übergangsstadien. So klauten wir Kinder zum Beispiel im Sommer die jungen Kukuruzkolben (Mais) oder milch- oder teigreife Körner der Getreideähren. Nach der Kornernte, die noch im Sommer stattfand, bauten die Bauern früher die rot bis violett überlaufenen Speise- oder Mairüben für die Sauerkrautherstellung an. Sie wurden bis zum Spätherbst reif und ζ. B. von meiner Elterngeneration in ihrer Kindheit zum Mißfallen der Bauern von den Feldern „entwendet". Auf den Stoppelfeldern gedeihte nach der Ernte besonders stark der Feldsalat (Valerianella agg.), der sich bei der erhöhten Lichtzufuhr erst stärker entwickeln konnte. Er ist vielen älteren Leuten noch als Rapunzel- oder Wilder Vogerlsalat geläufig. Auch Portulak (Portulaca oleracea) mit seinen dickfleischigen, saftigen Blättern wurde in den letzten Jahrzehnten in größeren Mengen von gehackten Standorten geerntet; die Blätter zeichneten sich durch den hohen Schleimgehalt aus.

Der herbschmeckende Wiesen-Pippau (Crepis biennis) kann feingeschnitten, zur Entbitterung kurz gewässert und auf diese Weise als Salat zubereitet werden, wenn ansonsten keine Salatpflanzen zu finden sind. Wesentlich ist aber seine Aussagekraft über den Standort: Wenn der Wiesen-Pippau in den gemisteten Wiesen verkommt, so kann dort unbedenklich Wildgemüse gesammelt werden, vorausgesetzt, man zertrampelt den Bauern nicht den Wiesen- oder Weideaufwuchs. Diese Pflanze gilt als Indiz gut bewirtschafteter und blumenbunter Wiesen, die mittlerweile sehr selten geworden sind.

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I Naschobst und Kinderbrote

„Brot" und,,Obst"des

Kinderhimmels

Die Begriffe „Brot" und „Obst" galten bis noch vor 150 Jahren im weitesten Sinne für Eßbares, Speise, Zukost oder allgemein für Nahrung und Lebensunterhalt. Laut Herkunftswörterbuch bezeichnete man „in alter Zeit alles das, was außer den Hauptnahrungsmittel Brot und Fleisch während der Mahlzeit gegessen wurde, also auch Hülsenfrüchte, Gemüse und dgl.", als Obst (s. Duden, 1963). Meine Mutter erzählte vom sogenannten „Himmelbrot" und meinte damit den gesammelten Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa) entlang ihres Schulweges am Wolfgangsee. Wenn sie sich der Wiesen ihrer Kindheit heute erinnert, sieht sie eine Art himmlischen Garten vor sich, einen paradiesischen Zustand mit vielen Geschwistern und Nachbarskindern als Spielgefährten in einer buntblumigen Erfahrungswelt. Und aus dem Vergleich vergegenwärtigt sie uns die massiven Veränderungen heutigen Grünlands. Zum Wiesenbocksbart (Tragopogonpratense) sagt man auch „Hasenbrot" oder „Zuckerbrot", da die gekauten Stengel der nicht blühenden Blütenknospen eine süßliche Milch enthalten. Unzählige Gänseblümchen (Bellis perennis) gegessen, machten unsere Rachen rauh. Die jungen Blütenknospen und Blätter dieses „Maßliebchen" hingegen vertrugen wir besser, da sie noch frischer im Gehalt waren. Später erfuhren wir, daß man die Knospen auch zu „Kapern" verarbeiten kann und die blanchierte oder gekochte Pflanze den Rachen nicht mehr reizte. Dem Kriechenden Günsel (Ajuga reptans) bissen wir den Kopf ab; die säulenförmig aufwachsende Kerze mit dem kompakten Blütentrieb konnten wir leichter verzehren als die verholzte und haarig gewordene, mit Blüten besetzte Pflanze.

Die Käsepappel nannte man „Käs'brot" Gerne aßen wir auch von der Käsepappel (Malva sylvestris, M. neglecta), deren Blätter und relativ großen, scheibchenförmigen Früchte wir bald nach der Blüte verzehrten. Sie lassen sich angenehm kauen, wobei relativ viel Schleim entsteht. Die noch grünen Scheiben nannten wir ihrer Form wegen „Käs'brot". Entlang der Gärtchen am Schulweg stibitzten wir sie oder pflückten sie auf den Ruderalflächen in den Hosensack auf Vorrat. Der Begriff „Käs'" kommt mehrmals in Verbindung mit den Kinderbro-

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Naschobst und Kinderbrote I

ten vor bei der Käsepappel und beim Frühlingskrokus (Crocus albiflorus)·. In der Schweiz sagt man im Volksmund zum „Frühlingssafran" auch „Kasbleaml" oder „Bauernsafran". Laut den Beobachtungen von Paula HAUPT

KOHL-

(1967) aßen die Schweizer Kinder die kugeligen Knollen des Früh-

lingskrokus, weshalb er u. a. als „Kas" und „Chäsli" bezeichnet wurde. Das gelbe Narbenpulver des „Herbstsafrans" (Crocus sativus) verwendete man zum Färben von Lebensmitteln und Käse, oder es wurde beispielsweise auch als desinfizierendes Mittel in die Käserinde eingerieben.

Wegeriche"—Pflanzen entlang der Wege Die Köpfe des

Spitz-Wegerichs

(Plantago lanceolata) und des Mittel-Wegerichs (P. media) zerkaute man als Ganzes, denn beim geduldigen Kauen trat der nußartige Geschmack hervor. Die grünen u n d kurz

vor

der

Reife

stehenden

Fruchtstände des Breit-Wegerichs (P. major) zogen sich die Schüler durch den M u n d und streiften mit den zusammengedrückten Zähnen die feinen „Nüßchen" von der zentralen Spindel ab - sie haben nämlich einen hohen Nährgehalt. Die Wegeriche heißen so, weil sie am Weg oder Wegrand liegen und vielfach den Vertritt gut aushalten können. In den Trittgesellschaften findet man auch Vogelknöterich (Polygonum aviculare) und Strahlenlose Kamille (Matricaria discoidea), die man ebenfalls verzehren kann. Wir fanden diese Kamille am bewachsenen Mittelstreifen der Feldwege und ernteten sie, wenn wir den Auftrag

Von den Wegericharten können die stärkereichen Köpfe als Rohkost oder als Würzmittel genossen werden. Auszüge, Ansätze oder Sirupe aus den Köpfchen des SpitzWegerichs (Plantago lanceolata) sind stärkende Lungen- und Hustenmittel.

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I Naschobst und Kinderbrote

hatten, vom Bauern die Milch zu holen. Die Tätigkeiten der Mutter nachahmend, versuchten wir vergeblich aus den gelbgrünlichen Köpfchen einen geeigneten Kamillentee zu kochen. Seine Güte bildeten wir uns zumindest so lange ein, bis wir eines Tages in einer anderen Gegend die arzneiliche Echte Kamille (Matricaria chamomilla) kennenlernten. Der Vergleich war lehrreich.

Ampferstiele

und -blätter — Sauer macht

lustig

Der Sauer-Ampfer (Rumex acetosa) ist glücklicherweise heute noch beinahe jedem Kind geläufig. Wir Kinder verzehrten sowohl die Blütenknospen als auch die zarten Stengel und Blätter in größeren Mengen bis wir Bauchweh bekamen. Manchmal erwischten die Kinder zuviel, wodurch sie Durchfall bekamen, obwohl sie von den Eltern vor übergebührlichem Verzehr gewarnt wurden.

Die Erotik der Alpen-Ampferblattstiele (Rumex alpin us)- die leicht säuerlich schmeckenden Stiele dienten roh genossen als Obstersatz, und mit ihnen kann man alle Speisen wie jene mit Rhabarber zubereiten.

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Die Reste der Blattstiele des AlpenAmpfers (Rumex alpinus) fand man links und rechts der Wege bei Schulwandertagen im Berggebiet. Man zog die Blattstiele aus dem Boden heraus. Am unteren Ende knickte man gekonnt die Stielbasis im spitzen Winkel um und zog daran gegen das Blatt. So bekam man die meisten Stielfasern heraus, die sich sonst zwischen den Zähnen beim Kauen einklemmten. Den derart entfaserten Stiel kaute man als Obstersatz in den Schweizer Berggebieten. Die ganz jungen Blätter nach dem geschmolzenen Schnee waren rot überlaufen. Wir genossen sie im rohen Zu-

Naschobst und Kinderbrote

I

stand. Die ausgeschobenen Blätter sind bitter. Sie dienten als Klopapier, weshalb sie im Volksmund „Scheißblotschen" genannt werden.

„Hasenbrote " und „ Grasen " In Wuppertal benannten die Leute die Feld-Hainsimse (Luzula campestris) und die Vielblütige Hainsimse (Luzula multiflora) als „Hasenbrot", erzählte Elke Schmutzer, die nach Heiligenblut geheiratet hatte. Sie sammelten diese Gräser entlang der Böschungen im Frühjahr. Am Schulweg wurde viel „gegrast", was als ein Ausdruck für das Essen verschiedener Pflanzen galt. Vielen Gräsern zog man den Halm aus den umgebenden Blattscheiden und saugte an den süßschmeckenden Enden oder zerkaute diese weichen Teile — sie rochen etwas nach Heu. Von den dreikantigen Sauergräsern, den Seggen, war vor allem aus den nassen Riedwiesen die „Brotsegge" bekannt, die in der Schriftsprache als Hirsensegge (Carexpanicea) bezeichnet wird. Im Sommer die mehligen Körnchen gut gekaut, galten als unser „Wildgetreide" und Indianervorrat.

Hirtentäschel

und

Die Feld-Hainsimse (Luzula campestris) und andere Gräser wurden auf den Schulwegen als Nahrung und zum „Zeitvertreib" konsumiert. Die Blüten enthalten etwas Phosphor, und die kleinen Nüßchen sind energiereich.

Schaumkraut

Ebenso wurden die frischgrünen, scharfen Fruchtstände des Gewöhnlichen Hirtentäschelkrauts (Capsella blirsa-pastoris) der Äcker und offenen Wiesenstellen oder die Blätter der Brunnenkresse (Nasturtium officinale) gekaut, wenn sie aus reinem Gewässer stammte. Brunnenkresse brachten die

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• Naschobst und Kinderbrote

Kinder am Gründonnerstag für die Küchenverarbeitung nach Hause. Auch die Blätter des Bitter- und Gewöhnlichen Wiesen-Schaumkrauts (Cardamine amara und C. pratensis) wurden dafür verwendet. Sie fanden Einsatz in der Topfencreme (Quarkcreme).

Den Nektar herausgesaugt,

ergab die süße Nachspeise

...

Vom Beinwell ( S y m p h y t u m agg.), weiß- und rotblühenden Taubnesselarten (Lamium agg.), von feinblütigen Kleearten ( T r i f o l i u m agg.), vom Krokus und den Schlüsselblumen (Primula elatior, P. veris oder P. acaulis) zupfte man die einzelnen Blütenblätter aus und saugte am hinteren Ende daran, um an den wertvollen, aber spärlichen und süß schmeckenden Nektar heranzukommen. Krokus (Crocus albiflorus) und Primeln wurden auch als ganze Pflanze gegessen, so auch wildwachsende, kleine Veilchen (Viola). Außerdem hilft eine Veilchenwurzel zum leichteren Zahnen der Kinder; sie schmeckt süßlich, wenn darauf herumgebissen wird.

Dickfleischige

Von den ausgezupften länglichen Einzelblüten des Rotund Weiß-Klees (Trifolium pratense u. T. repens) wurde der Nektar gesaugt, und die Duft-Veilchen (Viola odorata) dienten zum Aromatisieren des Essigs und Salats.

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und zarte

Mauergewächse

Fetthenne- (der Gattung Sempervivum) und Mauerpfefferarten (Sedum) enthielten Säuren, die sich auf der Zunge und im Rachen festlegten. Wenn wir jedes Jahr davon kosteten, kamen wir aufs neue zur Uberzeugung, daß diese Arten in größeren Mengen als Uberlebensproviant nur in Mischung mit anderen geeignet waren. Die dicken, rundlichen Blätter der Fetthennen wurden als „Mauerbohnen" bezeichnet. Wenn man die Haut den Blättern abzieht, kön-

Naschobst und Kinderbrote I

nen sie zur Verarztung von Brandwunden herangezogen werden, wenn man sich mit der Glut verbrannte. Ab und zu kosteten wir entlang der Seemauer auch die zarten Blätter des violettblühenden Zimbelkrauts (Cymbalaria muralis).

Aromatisch riechende

Doldenblütler

und nussige

Vom Bärenklau (Heracleum sphondylium) und Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) konnten die jungen Stengel der Blüten und Blattstiele gegessen werden. Und von den ausgereiften Blütendolden des Bärenklaus arbeitete man die ölhaltigen Samen zum Kauen heraus. Sie waren im Vergleich dem Kümmel sehr ähnlich, aber reicher an Stärke. Die grünen Kümmelsamen (Carum carvi) kauten wir deshalb, weil es uns die Tante so vorgemacht hatte und uns weismachte, daß sie als das gesündeste Gewürz gelten, welches es so gäbe. Das glauben wir ihr heute noch und zeigen dies unseren Kindern ebenso. Diese Doldenblütler kannten wir wie unsere Westentasche, wodurch wir nicht mit giftigen, ähnlichen Arten dieser Gewächse (wie Schierling, Kälberkropf usf.) in Berührung kamen. Verschiedene Distelarten bearbeiteten wir mit unseren Taschenmessern, um an die zarten Stengel und das nach Nuß schmeckende „Fleisch" der Blütenböden (bei der Silberdistel nennt man es „Jägerbrot") heranzukommen. Die Stengel der Kohldistel (Cirsium oleraceum) und die Blätter schmecken etwas nach Kohl. Zur Ent-

Distelstengel

Wenn die jungen Blütensprosse der Kohldistel (Cirsium oleraceum) zu schieben beginnen, nützen wir sie als Rohkost, Spargelgemüse oder diejungen Stengel für das „Distelrisotto". Die Blätter dienen zum Einwickeln von Bratlingen und Räucherkäse oder als Gemüsebeilage. Sie schmecken ähnlich wie gekochter Kohl.

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I Naschobst und Kinderbrote

fernung der stacheligen Teile mußten wir uns die Berechtigung, ein Taschenmesser zu besitzen, aushandeln, welches uns der gutmütige Vater dann nach längerem Bitten gewährte. Das durfte die Mutter aber natürlich nicht wissen.

„Der Krieg der Nüsse" — denn Haselnüsse bedeuteten

Freiheit

Haselnüsse galten als etwas Besonderes. Die Nüsse begannen wir schon im Sommer während der Heuernte Woche für Woche zu überprüfen, ob sie schon reif würden. Die Gegenden der Ernte teilten wir unter uns auf, wie dies ζ. B. beim Film „Der Krieg der Knöpfe" ähnlich verlief. Was haben wir den Haselsträuchern nachgestellt, erinnere ich mich. Regelrechte Revierkämpfe gab es - sehr zum Nachteil der Bauernwirtschaft. Denn es entstanden „Flurschäden" entlang der Hecken. Wer den größeren Sack mit Nüssen vorzuweisen hatte, galt als etwas unter den Kindern. Er war Ausdruck eines umtriebigen Herumstreunens am Vortag und natürlich einem Nachmittag gefüllt mit vielen Abenteuern. Haselnüsse bedeuteten Freiheit, und wir wähnten uns in einer Sicherheit, uns schon wie unsere Eltern selber ernähren zu können. Die Nußfrüchte der Strauchhasel, Walnuß, roh wie gebraten, die Zirbelnüsse (Pinus cembra), Buchecker (Fagus sylvatica), ja sogar junge Eicheln (Quercus spec.) verzehrten wir, als sie noch keine Bitterstoffe eingelagert hatten. Auch Eßkastanien können ohne weiteres als Rohkost genossen werden.

Naschobst vom Sommer bis in den Winter Von den Hagebutten (Rosa canina und andere Arten) wurde das rote „Fleisch" abgekiefelt, und aus den widerspenstig behaarten Kernen machten wir Juckpulver oder gaben sie anderen, ärgerlichen Kindern direkt

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Naschobst und Kinderbrote I

beim Halskragen unter die Kleidung hinein. Auch ganz junge Sprosse der ,Rosen' sind roh genießbar. Sepp

HERINGER

erzählte vom Wolligen

Schneeball (Viburnum lantana), der in den Büchern als giftig angeführt wird. Als Kinder ernteten wir die roten Beeren, steckten sie an markierten Stellen in den Heustock hinein, bis sie durch die Reifung schwarz geworden waren. Dann konnte man sie essen. Sie blieben an den Zähnen kleben und waren in der Konsistenz und Geschmack der Lakritze sehr ähnlich. Deshalb bekam sie im bayerischen Raum den Namen „Dreckbeere". Berberitzen (Berberis vulgaris) lutschten und kauten wir so lange, bis sie nicht mehr so sauer waren. Damit vertrieben wir uns oftmals vom Herbst bis ins Frühjahr die Zeit beim Heimweg, da wir eine Stelle kannten, wo der Strauch vorkam und lange Zeit die länglichen Beeren trug. Größere Mengen sammelten wir auf einer Weide zum Trocknen für den Wintertee. Das herzeigbare Sammelgut war dann die Ausrede unserer verspäteten Heimkunft. Die Mütter waren dann doch froh, ein Mittel gegen Verkühlungen und Halsschmerzen in der Hausapotheke zu wissen.

Keine Geduld, die Reife abzuwarten Entlang der Schulwege und vor allem in den benachbarten Gärten fanden wir verschiedene Kirscharten. Da aßen wir so lange, bis uns der Bauch weh tat. Auch die gut ausgereiften, aber kleineren Vogelkirschen (Prunus avium) dienten der Sättigung. Bei einer Landwirtschaftsschule in Salzburg kletterten wir des Nachts auf die schwer tragenden Kirschbäume. Die Verluste waren den Fachlehrern doch zu hoch, weshalb sie die unteren Äste mit Kuhdung einstrichen, um uns vom Obst fernzuhalten, was ihnen auch gelang. Im Berggebiet wurden in geringen Mengen milde Sorten der Vogelbeeren (Sorbus aucuparia) und ihrer verwandten Mehlbeeren gekaut. Auch Weißdornfrüchte (Crataegus agg.), die weniger geschmackvoll sind, kamen bei den Schulwegen zum Verzehr. Kriecherin (Prunus domestica subsp. insititia) und verwilderte Ringlotten (Reineclaude = Prunus domestica subsp. italica) oder Haferschlehen (Prunus spinosa var. macrocarpa), manchmal auch die aufkommenden Wildäpfel aßen wir entlang unserer Wege begierig. Und bevor die ersten Fröste die unreifen Steinfrüchte des Schlehdoms (Prunus spinosa) süß machten, galt das Kauen der herben Früchte als Mutprobe. Erdbeeren (Fragaria vesca) fanden wir dort, wo die Hecken zurück-

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I Naschobst und Kinderbrote

geschnitten oder Bäume gefällt und die Standorte freigesetzt wurden. Tagelang vertrieben wir uns mit ihrer Suche. Wenn wo ein Wald kahlgeschlagen wurde, wußten wir, dort wird es noch in diesem Jahr vermehrt Beeren geben. Ja und selbst die Zwetschkenkerne wurden im Hosensack gesammelt und dann aufgeschlagen und die „Mandel" gegessen. Sie war leicht bitter. Von der Blausäure sind wir aber nicht gestorben. Auch Apfel- und Birnkerne wurden befreit und gegessen.

Was am Waldweg liegt Der Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella) entstammt einer anderen Familie als die Wiesenkleearten und wächst im bodensauren Fichten- und Buchenmischwald. Davon konnten die Blüten und Blätter gegessen werden. Sie schmeckten ähnlich säuerlich wie der Sauerampfer. Vom Tüpfel- oder Baumfarn (Polypodium vulgare) kauten die Kinder die süße Wurzel („Süßwurzel", „Engelsüß"), welche auch gesammelt und getrocknet wurde. Bei einer größer erhaltenen Menge kochten unsere Mütter „Lakritze" daraus. Ganz kleine Schopftintlinge auf Lehmböden, die frischen Pilze von Pfifferling, Maroniröhrling oder Herrenpilzen u. a. wurden auch roh genossen.

Über Baumfrüchte

und Speiselaub

Im Frühjahr galten die Lindenknospen und die frisch ausgetriebenen Blätter als ausgezeichneter Wegproviant. Selbst die sehr aromatisch schmeckenden Eichenknospen mischten wir in geringen Mengen den Lindenknospen bei, um eine neue Geschmackskomponente zu bekommen. Wir waren schließlich Gourmets. Die Ranken der Rebe als Kinderbrote sind vor allem für die Blutreinigung hervorragend geeignet. Auch die ganz zarte Hopfensprosse, welche auf den Sonnenseiten der Hecken und Waldränder emporklomm, war als Rohkost sehr begehrt. Die süßen Ulmenblüten und die zartgrün und blättrig werdenden Flugeinrichtungen konnten wir jährlich in größeren Mengen sammeln. Dabei lernten wir das Baumklettern und einige Mutproben bestehen. Wir gaben sie gemeinsam mit den Blättern von Linde und Feldahorn zwischen die mit Butter bestrichenen Pausenbrote als Belag und zum Strecken der Zwischenmahlzeit hinein. Die ganz jungen, noch runden Fichten-, Wa-

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Naschobst und Kinderbrote I

cholder- und Tannenwipfel enthielten noch keine Harzstoffe und waren für uns die „Grünen Bohnen". Mit dem Strecken der Neutriebe verlor sich dann unser Interesse, sie zu essen.

„ Wintergeld" und „ Winterbrote" Die Kindheitserfahrungen dienten dem Überleben im Alter. Die Erfahrungen rund um die Kinderbrote wurden die Basis des späteren Lebensunterhaltes. John BERGER (1982) zeichnete eine solche sehr lehrreiche Geschichte in der Figur der Sammlerin und Händlerin Lucie Cabrol nach. „Winterbrote" waren Sammelwaren der alten Leute, mit deren Verkauf sie Geld erwirtschafteten - damit sie über den Winter kamen. Im Handel umgesetzt, lieferten sie das Wintergeld. Beispiele dafür sind vor allem Beeren, Eßkastanien, Walnüsse, Heilkräuter, allerlei nachgefragte Spezialdrogen und verschiedenste Blumensträuße (ζ. B. mit Schneeglöcklein, Schneerose ...). Die Prinzipien des Sammeins und des Ausdauerhaltens dabei, des weiteren Verarbeitens und Nutzens lernten die Kinder einst von klein auf. Im Alter konnten sie die Erfahrungen nochmals verwerten, um mit der Tauschware die Altersvorsorge zumindest über den Winter bestreiten zu können.

Der Schulweg macht Schule fürs Leben Irgendwann benutzten wir nicht einen, sondern mehrere Schulwege. So erschlossen wir uns die Welt, indem wir Andersartiges entdeckten und vergleichen konnten und somit auch in fremden Gegenden einen Umgang mit neuen Situationen gelernt hatten. Wer zu Hause Erfahrungen macht, kann auch als Reisender in anderen Gegenden zu Hause sein, schrieb Κ. H. H Ü L B U S C H (1992). Alles, was als Kinderbrote von uns selber benutzt und uns von den (Groß-)Eltern gelernt wurde, gilt als eine überlieferte Nahrung aus der Natur. Ihre lange Tradition des Essens und das Anvertrauen an die Kinder spricht für die Unbedenklichkeit dieser uralten Nahrungsmittel. Mit den Ernten prägten wir uns die Veränderungen an den Standorten und die Jahreszeiten ein. Wir bekamen so, über mehrere Jahre vergleichend, das botanische Gebrauchswissen und die Vegetationskunde mit. Und so profitieren wir heute noch von dem Lernertrag.

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i.lm Frühling

Warum Schneerosen (Helleborus spec.) in die Gärten getragen wurden Alle Schneewurzarten (Gattung Helleborus) waren einst sehr wertgeschätzte Pflanzen. Aus Gründen des Gebrauchs setzte man sie in die Gärten, wo sie als Relikte vereinzelt noch zu finden sind. Sehr viele Krankheiten bei Mensch und Tier konnten damit geheilt werden. Die Nieswurzarten Mitteleuropas haben vielfach die gleichen volkstümlichen Namen, da sie mehr oder weniger alle bei denselben Krankheiten verwendbar sind. Trotz der erwiesenen Giftigkeit verwendeten die Leute früher die Nieswurzarten in der Heilkunde. Getrocknete Wurzeln waren in Leinensäckchen ständig vorrätig. Wegen dem risikobehafteten Dosierungsproblem und der Unkenntnis des Gebrauchs dürfte die Verwendung aufgegeben worden sein.

1. Die Schwarze Nieswurz kann schon im Advent blühen Die sogenannte Schwarze Nieswurz (Helleborus niger) wird im Volksmund nach seinem blühenden Auftreten verschiedentlich bezeichnet. Als „Schneerose" ist sie uns geläufig. Sie kommt wild ausschließlich in Kalkgebieten an schattigen Felsbereichen, im Halbschatten der unteren Buchen (misch) wälder ausdauernd vor. Im Berchtesgadener und Tiroler Raum besiedelt sie auch ausgehagerte Standorte, Fichten- und Kiefernwälder. Vor Weihnachten setzt sie im Boden oder unter der Streuauflage eine dicke Blühknospe an. Wartet der Winter auf sich und wird der Boden von den Sonnenstrahlen längere Zeit hindurch aufgewärmt, so kann es vorkommen, daß sie diese fette Knospe austreibt, die noch vor den Feiertagen zum Blühen kommt. Deshalb existiert auch der Name „Christwurz", „Christblume" oder „Weihnachtsrose". Als Kinder wußten wir um die Standorte auf den Kalkhängen. Wir brachten die fünf Zentimeter großen Schößlinge der Mutter nach Hause

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I Im Frühling

und wässerten einige Exemplare in einem Gläschen ein. Was wir besonders bewunderten, war die Ernährung der Mitbringsel. Sie brauchten nur Wasser, um eine mehrfach größere Blüte auszubilden. Manchmal gaben wir einige Zuckerkörner dazu und bestaunten auf der Stubenbank die wunderbar zur Geltung kommende Blüte. Die fünf milch- oder porzellanweißen „Blütenblätter" verblühen allerdings nicht, wie dies bei vielen anderen Pflanzen der Fall ist, sondern sie färben sich zur Fruchtzeit grün, um mit ihnen die Assimilation betreiben zu können. Diese Ereignisse regten schon damals die kindliche Neugier und den Forschergeist an.

Das Vergrünen der Blüte Im Freien zieht die endständige Blüte nach dem Abblühen der 15 bis 25 cm hohen Pflanze im Februar bis März eine chlorophyllgrüne Patina auf. Vielfach sind einige Exemplare mit leicht purpurner Farbe schattiert. Warum sich diese Hahnenfußgewächse umfärben, erfuhr ich erst von meinem Botanikprofessor. Bei den Blütenblättern handelt es sich real um umgebildete, hochgeschobene Kelchblätter. Obwohl die Pflanzen selbstbestäubend sind, entwickelte sie die Natur deshalb so auffällig schön aus, damit sie Bienen und Insekten zur Bestäubung anlocken können. Die eigentlichen kleinen, tütenförmigen Blütenblätter werden als Honigblätter oder in der Fachsprache als Nektarien bezeichnet.

Bräuche der Fröhlichkeit Und wenn wir in der Schweiz an den schneefreien Wintertagen bis in die Abenddämmerung das Buchenlaub im Wald kehrten, um den Stalltieren ein weiches Liegebett zu gönnen, nahmen wir mit dem letzten Laubbündel ebenfalls einige Exemplare der Schneerose mit nach Hause. Sie wurden an die Bäuerinnen oder die Töchter verschenkt. War's vor den Feiertagen, so konnte man die guten Glückwünsche damit überbringen. In Wien ist es bei den Heurigen und Weinschenken noch der Brauch, daß meist ältere Leute oder die „Lavendelfrauen" den Gästen kleine Schneerosen-, Schneeglöckchen- oder Frühlingsknoten-, aber auch Leberblümchensträuße zum Verkauf anbieten, um sich mit dem Erlös durchzubrin-

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Schneerose - Nieswurz I

Bevor der Frühling einkehrt, treiben die Blüten der Schneerosen (Helleborus nigra) aus. Sie bieten den ersten Insekten Nahrung und erfreuen unser Gemüt. Früher verwendeten die Hirten und Bauern die Schneerosenwurzeln für Heilzwecke und als Schnupfpulver.

gen. Sie wässern die jungen Blühsprosse frühzeitig in Gefäße ein und lassen sie etwas antreiben, damit die Pflanze bald aufblühen kann und beim Verkauf an die weinseligen Gesellschaften schön aussieht.

Oder die Blüte taucht zum Winterausklang

auf

Ist der Winter schon ab Oktober oder November eingekehrt, so vermag die Schwarze Nieswurz unter der Schneedecke den Blütentrieb zu vergrößern. Im Frühjahr reagieren die Schneerosen auf das durch die Schneedecke eindringende Licht. Ab einer bestimmten Schichtdicke und Schneekörnung (meist Firn) treiben sie unter der Decke an und können sogar die Schneedecke durchdringen, um möglichst bald zu blühen. Deshalb nennt man sie auch „Schneewurz", „Winterrose", „Märzenkaibln", „Schneekatherl" und „Lenzrose" oder „Loantscha". Mitunter kann man im Juni noch einmal blühende Exemplare entdecken. Wie Albertus MADAUS (1938) richtig schreibt, bleiben alle Nieswurzarten von den Weidetieren unberührt, da sie den widerlich-betäubenden Geruch nicht mögen und aus dem Instinkt heraus die Giftpflanze meiden.

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I Im Frühling

Über die Wurzel Bei vielen Namen dieses giftigen Hahnenfußgewächses findet sich die Endbezeichnung ,,-wurz": „Nieswurz", „Hainwurz", „Starkwurz", „Güllwurz" oder wie erwähnt „Christwurz". Dies deutet auf die heilwirksame Anwendung der Wurzel hin. Jene der Schwarzen Nieswurz galt vor allem als Abfuhrmittel, und ihre pulverisierten, ledrigen, sieben- bis neunteiligen Blätter (mit anderen Substanzen wie ζ. B. Zucker) verwendete man zum Verlängern des Lebens. Die stark verästelte Wurzel ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt und kann etwa Federspul- bis Bleistift- oder Kleinfingerstärke und 5 - 1 2 cm Länge erlangen. Ihr eigenartiger Duft erinnert an ranziges Ol, der Geschmack ist anfangs süßlich, dann scharf reizend, beißend und wenig bitterlich. Sie enthält ein Weichharz-Helleborin sowie Helleborein, zwei glykoside Saponine, die zuerst als reizende und dann lähmende Herz- und Nervengifte wirken, die bei einer Uberdosis den Tod durch Herzlähmung herbeifuhren, ähnlich wie das Digitalisglykosid. Auch Aconitsäure ist enthalten. Insofern darf man den historischen Uberlieferungen Glauben schenken, daß die Pflanze auch bei „Schlag" wirksam war. Die Heilwirkung ist nach der Blüte im März am stärksten - dann werden laut PARACELSUS die Wurzeln bei abnehmendem Mond gegraben.

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Schneerose-Nieswurz

Mit der neuen schieben Blätter

Vegetationsperiode

die Schneerosen nach

I

und verfärben

junge die

blütenblattähnlichen

Kelchblätter

violett und grün, um

assimilieren

zu können.

Vergifiungserscheinungen Wegen der starken Giftigkeit ist die Verwendung aller Pflanzenteile nur unter ärztlicher oder heilkundiger Aufsicht anzuraten. Meistens treten Vergiftungssymptome relativ schnell auf und machen sich durch Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Pulsverlangsamung, erhöhten Blutdruck und Körperschwäche u. v. a. Indikationen bemerkbar. Im M u n d und Rachen verspürt man ein Brennen und Jucken, und es kann zu erhöhter Speichelabsonderung kommen. Nach der Einnahme von Brech- oder Abfuhrmitteln sollte noch Kohle zur Entgiftung nachgesetzt werden.

Verwendung bei Mensch und Tier Darüber hinaus wirkt das Wurzelpulver narkotisch und stark ätzend. Wegen dieser Hervorrufung brennender Entzündungen bekam die Schwarze Schneerose auch den Namen „Feuerkraut". Die enthaltenen giftigen Alkaloide können Schwindelgefiihl, Durchfall, Schweißausbrüche und Erbrechen bewirken. Die Wurzel fand bei Depression, epileptischen Anfällen, Wahnsinn, Gehirn- und Geisteskrankheiten Anwendung. Bei Kopfläusen wurde ein leichter Absud aus den Wurzeln der Schwarzen Nieswurz verwendet.

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I Im Frühling

Albertus MAGNUS verweist auf die Anwendung der Wurzel „bei Stokkungen im Pfortadersystem und allen davon abhängigen, vorzüglich veralteten Krankheiten, sowie gegen Würmer, ebenso bei Geistesstörungen". Eine Tinktur aus dem Saft der im Dezember gegrabenen Wurzel empfiehlt er bei Podagra, Gicht und Rheumatismus. Der Preßsaft wird zu gleichen Teilen mit Weingeist vermischt und davon 3 - 4 Tropfen pro Tag in ein Glas Wasser zum Einnehmen gegeben. Mit dem Gift werden heftige Reize auf Blutgefäße und Nerven des Unterleibs erzeugt und eine erhöhte Ab- und Aussonderung ihrer Organe bewirkt. Als Mundwasser, welches bei Zahnschmerzen gespült wird, stärkt es gleichzeitig das Zahnfleisch. Einsatz fand die Wurzel bei Ohrenschmerzen, und auch Taubheit wurde durch das Einstreuen des Pulvers in das Ohr geheilt. Sie reinigt allgemein den Körper und im besonderen Krebsgeschwüre und wirkt heilend bei Meningitis. Galletreibend wirkt sie als ein gutes Nierenfunktionsmittel. Ausbleibende Menstruation kann u. a. mit der Einnahme von Helleborus behandelt werden. Sie gilt allerdings als ein Kraut der „Engelmacherinnen". A u f Hinweis von GALL hat vor 2 . 0 0 0 Jahren der R ö m e r PLINIUS in sei-

ner „Naturgeschichte" die,Anwendung der Schwarzen Nieswurz gegen eitrigen Nasenfluß bei Schafen und Zugtieren erwähnt".

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Schneerose -Nieswurz I Gesichert dienten die „Güllkräuter" Grüne Nieswurz (Helleborus viridis) und HeckenNieswurz (H. dumetorum) als Ableitungsmittel bei Schweine-Rotlauf und zur Vitalisierung geschwächter Menschen. Die Wurzeln wurden in gestochene Ohrlöcher oder in das Unterhautgewebe gesteckt.

Zum Begriff „Nieswurz" Als Nieswurz werden mehrere Pflanzen bezeichnet. Neben den Schneerosenarten deutet auch beim Weißen und Schwarzen Germer (Veratrum album und V. nigrum) aber auch beim Haselwurz (Asarum europaeum) der Begriff „Nieswurz" auf die Verwendung des Wurzelpulvers zum Auslösen des Niesens hin. Bei schweren Geburten erregte man mit kleinster Prise Nieswurz den Niesvorgang und somit die Geburt. Wurzelpulver wurde ebenso bei starken Kopfschmerzen und Magenkrankheiten geschnupft. Das genannte Helleborin aus den Schneerosenwurzeln wirkt auf die Schleimhäute reizend und regt zum Niesen an.

2. Die Grüne Nieswurz Im Gegensatz zum einblütigen Schwarzen Nieswurz zieht die Grüne Nieswurz (Helleborus viridis) zwei bis sechs Einzelblüten pro Pflanze aus einem Sproß. Die Blüte steht über den Blättern hervor. Im Vergleich zur Schwarzen ist das mehrteilige Blatt der Grünen Nieswurz weich, schmäler, blasser und matt. Die Wurzeln der Pflanze gelten als sehr giftig und gleichen in den Heilkräften der „Schneerose". Damit könne man Bäume zum Absterben

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I Im Frühling

bringen, hieß es in der Steiermark im Volksmund. Daran wird ein wahrer Kern enthalten sein, zumal darüber unter der Hand vertrauliche Geschichten vermittelt wurden. Im Kaukasus bereitete man masernkranken Kindern Bäder zu und verwendete die Pflanze gegen Wasser- und Gelbsucht. Komischerweise steht die Grüne Nieswurz unter Naturschutz, obwohl sie bei uns als Kulturpflanze eingeführt wurde. Solange auch diese Art im Gebrauch stand, war sie häufiger verbreitet. In der Steiermark verwendete man zur Erzielung derselben oder ähnlichen Wirkungen auch häufig die Hecken-Nieswurz (Helleborus dumetorum).

Als Ableitungsmittel gegen die „ Güllkrankheit" Die bis zu 30 cm groß werdende Grüne Nieswurz gilt als die eigentliche „Schelmrose", „Schelm-", „Schölmkraut" oder „Schölmwurz", „Schölnwurz", „Schern-", „Güllkraut", „Güllrose", „Güllwurzen", „Wolfszahn", „Wrangblume", „Bärenfuß", auch „Hecken-Nieswurz" oder „Falsche Nieswurz". Trat am Rücken der Ferkel eine rot- bis braunfleckige Krankheit, die „Schölm", „Gliedergüll", „Güll" oder „Güllsucht" (= Schweinerotlauf, Erysipelas suum), auf, welche das Gelenkswasser entzündlich vermehrt, so schnitt oder stach man mit dem Messer oder einer Ahle in die Ohren kleine Löcher, in die man die gereinigte und leicht geschälte Wurzel der „Saubleaml" einzog. Bei einem kleinen Loch hielten die Wurzelstücke besser. Dabei kann es sich um getrocknete, ein bis drei Zentimeter lange Wurzelstücke (etwa 2 - 3 g) oder um frische handeln. Letztere sollen eine bessere Wirkkraft zeigen. Getrocknete wurden zuvor in kaltem Wasser eingeweicht.

Das „ Güllen " von Schweinen Dieser tierheilkundige Vorgang im Frühjahr und Sommer wird als „Güllen" oder „Güllwurzenziehen" bezeichnet. Die starke Wirkung der Inhaltsstoffe äußert sich, indem sich diese Löcher entzünden, dunkel verfärben und weiterfressen. Nach einigen Tagen werden die Stellen trocken, die Wurzelstücke fallen heraus, die Wundstellen werden brüchig und sterben schließlich ab. In solchen Ställen können dann Schweine mit ausgefransten

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Schneerose-Nieswurz

I

Ohrmuscheln gesichtet werden. Oder es kam zu länger währenden Eiterungen oder Geschwülsten, was ebenfalls als Zeichen dafür galt, daß Krankheiten wie Rotlauf, Erkältungen, Herz-Kreislauf-Probleme, Gelbsucht oder Gelenksentzündungen über diese Heilwurzel ausgezogen wurden, denn die durch das Wurzelziehen bewirkte Entzündung mobilisiert die Abwehrkräfte. Man nennt dies „Heilentzündung" und war von der Mobiliserung der körpereigenen Abwehrkräfte der Tiere überzeugt. Wenn die Wurzelteile nicht hielten, so wurden sie mit einem in Schnaps getränkten Zwirn festgenäht. Auch der im Herbst blühende Schwalbenwurz-Enzian (Gentiana asclepiadea) fand dafür in der Steiermark Verwendung.

Bei Klein tieren

angewandt

Wenn nach der Geburt Kälber mit einer gelben Verschleimung versehen waren, kam in der Steiermark die Schömwurz ebenfalls zur Anwendung. In ein rohes Ei machte man ein kleines Loch oder mehrere Löcher, schob mehrere kleine Wurzelstückchen ein. Nach etwa 24 Stunden nahm man die Wurzeln wieder heraus und gab dem Neugeborenen das Ei mit der Schale ein. Den Kälbern verabreichte man neben Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) ebenso ein in der Mitte einer zusammengeklappten Brotscheibe gelegtes winziges Stück Güllwurzel, damit sie gesund blieben. „Man hätte dadurch alle Krankheiten aus dem Stall verbannt", hieß es und „mache die Tiere sehr widerstandsfähig" gegen alle möglichen Unbilden und Seuchen. Kranken, jungen Rindern zog man die Nieswurz an der Bruststelle in die Haut ein. Nach der Geschwulstbildung zog man sie wieder heraus. Tierärzte, welche der Homöopathie zugewandt sind, verwendeten sie bei Rinderpest, Rinderruhr, bei Darmseuchen und Schwindel der Lämmer und Pferdejährlingen. Bei Milz- und Rauschbrand war ebenfalls Erfolg verzeichnet worden.

Grüne Nieswurz in der

Menschenheilkunde

Weiters kann die Beweisführung der Nieswurzarten für Heileffekte von zwei Seiten beleuchtet werden: Erstens erzählten Leute davon, daß sich bis vor 40 Jahren Menschen die Güllwurzeln von Heilkundigen einziehen ließen,

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I Im Frühling

um die Abwehrkräfte zu steigern oder verschiedene Krankheiten zu kurieren. Zweitens, die heilwirksamen Zusammenhänge begründen das Vorkommen der Kräuter in den Gärten und früher im Handel. Solange sie im Hausgebrauch standen, waren sie dort erhalten geblieben. Hatten sie keine Sinngebung für die Menschen, so verschwanden sie aus den Gärten.

3. Die Stinkende Nieswurz Die aus dem mediterranen Raum stammende Stinkende Nieswurz (Stinkkraut, Helleborus foetidus) erscheint als 30 bis 100 cm große verästelte Staude. Der Stengel ist von unten an beblättert und mit mehr als 10 grünlichen Blüten versehen. Ihr Vorkommen erstreckt sich auf Süd- und Westeuropa. Beim Zerreiben der Blätter sondern sie einen unangenehmen, scharfen Geruch ab. Auch die glockenähnlichen Blüten können übel riechen. Aufgrund dieser Eigenheit dürfte dieser sogenannten „Jauchenblume" die wichtigere Bedeutung für die Läuse abwehrende und abtötende Wirkung beigemessen worden sein. Sowohl die Wurzeln als auch die krautigen Teile gelten als scharfes wurmwidriges Heilmittel. Früher wurde eine Tinktur gegen Nierenerkrankungen, Ischias und Mastdarmaffektionen bereitet. Unerforscht blieb bislang auch die Wirkung gegen Grippe, dauerhafte und stärkere Erkältungssymptome. Die Art wurde bei uns eingeführt und findet sich in Gärten oder verwildet fast nur auf Kalk.

Einst kultiviert Die Wirkung der Grünen Nieswurz soll im Vergleich zur Schwarzen stärker sein, weshalb man sie in den Bauerngärten im oberösterreichischen Alpenvorland, Flachgau und Bayern aber auch in der Ost- und Weststeiermark, seltener in Kärnten vorfindet. Vereinzelt ist sie durch Einbürgerung auch als Relikt in Kräuter- oder Obstgärten anzutreffen. Sie dürfte allerdings aus dem süddeutschen Raum über die Landbesiedlung herstammen. Helmuth G A L L (1980) weist auf die natürliche Verbreitung der „Schweinsschwarzwurzel" (H. viridis) im Unterinntal in den unteren lichten Buchenwäldern und ihren Rändern hin und unterscheidet sie von den verwildernden Vorkommen.

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Schneerose - Nieswurz I

Helleborus im Garten angepflanzt In der Natur erfolgt die Verbreitung der Samen durch die Ameisen, weil sie die ölhaltigen Nabelschwielen genießen wollen. Liebhaber der Blume siedeln die Pflänzlein im Kalksteingarten an. Die Staudengärtnereien bieten verschiedenfarbige Helleborus-Hybride meist aus anderen Ländern an. Nach dem Einsetzen der kleinen Wurzelstöcke auf halbbeschatteten Kalkböden empfiehlt sich, die Standorte ungestört zu lassen. Nasse Stellen, mehrmaliges Umsetzen und die üblichen gartenpflegerischen Maßnahmen ertragen sie nicht. Zur Gewinnung von Treibmitteln für die Schnittblumenzucht baut man sie heute noch an. Durch Stockteilung sind sie gut vermehrbar. Samen sind sogleich nach der Reifung oder bis spätestens im August auszusäen. Dies der Natur abgeschaut, eröffnet Möglichkeiten des gewerbsmäßigen Anbaus. In 30 bis 40 cm Reihenabstand angepflanzt, sind sie im dritten oder vierten Jahr, bei geeigneter Wurzelgröße, emtbar. Die Grüne Nieswurz vermehrt man leicht.

Jägerei und

Hirtenwirtschafi

Den konzentrierten Saft der Schwarzen Nieswurz verwendete man im Altertum als Pfeil- oder Geschoßgift zur Kampfunfähigmachung von Gegnern. Damit wurde auch das Wild betäubt bzw. kleinere Tiere erlegt. Hirten nutzten kleine Dosierungen der Wurzeln bei Viehkrankheiten und Darmträgheit der Schafe und Rinder, aber auch bei Verstopfungen, Ödemen und Wassersucht der Pferde und Hunde. Bei innerlicher Einnahme wurden zum Beispiel bei Schweinen Würmer abgetrieben. Bei zu häufiger Einnahme konnte es zu Entzündungen der Magen- und Darmschleimhaut kommen. Die Einnahme war als Beimischung zu gebrochenem Getreide, Trank oder Milch, bei Hunden über Würste, erfolgreich. Geschnittene Kalmuswurzeln, Zwiebeln und Wurzeln der Grünen Nieswurz werden im Hundefett geröstet, bis sie braun werden und nach dem Absieben daraus eine Salbe hergestellt, welche in Kärnten und in der Ostund Weststeiermark für eitrige Wunden bei Tier und Mensch hergenommen wurde. „Krätz'nbleamal" nennt man sie, da sie gegen die Krätze als Absud Verwendung fand. Zum Abtöten von Ungeziefer wie Läuse oder Räudemil-

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I Im Frühling

ben diente eine Abkochung der Wurzel (30g/Liter Wasser). Allerdings kommt es bei zu hoher Konzentration durch Hautresorption zu schweren Vergiftungserscheinungen. Die Anwendung ist eine Frage der Dosierung, die niemand mehr kennt und die über vergleichende Forschung eruiert werden müßte. Gegen Räude kann auch das Wurzelpulver mit Fett oder Seife vermischt eingerieben werden.

In der Tierheilkunde Tierheiler wenden die Wurzel der Schwarzen Nießwurz innerlich bei Pferden und Rindern in der Gabe von 1,8-3,5 g, bei Schafen in der Gabe von 1—1,5 g bei hartnäckigen Verstopfungen, bei Wassersucht und Epilepsie an. Hunden gibt man 0,05-0,5 g, Schweinen 1-1,5 g bei andauernden Verstopfungen, Darmwürmern und bei Rotlauf. Hierbei muß man jedoch darauf achten, daß keine Spur von Reizung oder Entzündung der Magenoder Darmschleimhaut vorhanden ist. In einer um das Vierfache kleineren Gabe wird sie all diesen Haustieren bei Trägheit des Darmkanals verabreicht. Wenn bei den Rindern Verstopfungen auftreten, bereitet man aus den zerkleinerten und geringen Mengen pulverisierter Güllwurzeln (2 g) gemeinsam mit festem Fett vermischt fünf Kugeln vor. Dann packt man die Zunge fest mit der Hand und zieht sie seitlich über die Zähne heraus, damit sich die Tiere nicht in die Zunge beißen, halten sie den Mund offen. Mit der Hand schiebt man die Kugeln nacheinander in den Schlund hinab, damit sie nicht ausgespuckt werden können, und schüttet mit einer langhalsigen Flasche Tee oder Wasser nach. Innerhalb eines halben Tages wird dieser Vorgang wiederholt. Auf diese Weise können auch andere Heilpräparate eingegeben werden. Oder sogenannte Schiundverstopfungen, wie zum Beispiel durch steckengebliebenen Draht, aber auch Schiundverletzungen, beispielweise durch Metallgegenstände oder Glasscherben, können mit eingesalbter Hand behandelt werden.

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Auf Wiesen und Weiden, wo wenig Dünger hinkommen, kommen Schlüsselblumen (Primula spec.) auf. Auch nützen sie die laublose Zeit des Frühjahrs am Wald- oder Heckenrand zu ihrem Vorteil aus, um in der kurzen konkurrenzlosen Zeit zu blühen, Vorräte zu speichern und zu fruchten.

Süße Gerichte aus Schlüsselblumen (Primula veris und P. elatior) Die Schlüsselblume „treibt den Winter aus" und mit ihm auch seine Krankheiten. Gemeinsam mit Busch-Windröschen, Schneeglöcklein und Leberblümchen teilt sie sich als einer der ersten Blüher immer die nachhaltig bewirtschafteten Wiesenstandorte. Ihre gelben Blumenteppiche verkörpern die Heiterkeit der warmen Frühlingstage und gelten deswegen der Melancholie entgegenwirkend. Wurzelstock, Blätter u n d Blüten sind bekannte Heilmittel gegen Husten, Bronchitis, Depressionen, Gicht, Kopfschmerzen oder Magenkrämpfe. D a einige Schlüsselblumen-Arten verschiedene

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Mehrere Wochen in Alkohol angesetzte Blüten dienen zur Herstellung von Schlüsselblumenlikör, der als wohlschmeckende Medizin gegen Schlaganfall, Gicht und Zahnfäule Verwendungfindet.

Giftstoffe enthalten, empfiehlt sich nicht zu viele rohe Blätter oder Blüten zu verzehren. FROHNE (2002) schreibt, es können in seltenen Fällen Magenbeschwerden und Übelkeit auftreten.

Über den Verlust unserer „Himmelschlüsselwiesen " Früher fand man bis Ende der 1960er Jahre im Frühjahr viele Tal- und Bergwiesen schleierartig mit den zarten Blüten der schwefelgelb blühenden Hohen Schlüsselblume getönt. Und auf den eher hageren Weidematten leuchteten die goldenen Sterne der Echten oder Arznei-Schlüsselblume, wo auch die Enziane ihre blauen Augen öffneten. Wegen der intensiven D ü n gung konnten die Schlüsselblumen nur mehr an den Wiesen- und Feldrändern oder entlang der Hecken gedeihen. Bis heute ist sie auch an diesen Randstandorten infolge zu intensiver Bewirtschaftung vergangen. Davon wurden u. a. große Mengen für die Herstellung von Primellikör als Hustenmittel gesammelt. Die Art konnte durch das Sammeln für

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Die angenehm duftenden Blüten der Hohen Schlüsselblume (Primula elatior) können getrocknet und für Tee bei Lungenbeschwerden und Verkühlungen verwendet werden oder der Zubereitung einer himmlichen Mousse dienen.

Heilzwecke nicht ausgerottet werden, wie dies ungeprüft behauptet wird, sondern vielmehr durch die agroindustrielle Bewirtschaftung, die über Landwirtschaftskammern und Landwirtschaftsschulen propagiert wurde. Unter dem Einfluß moderner Wirtschaftsweisen wandelte sich die Bewirtschaftung der Wiesen, wodurch flächendeckend fur beinahe alle Landstriche die gelben Phänomene mit Schlüsselblumen verlorengingen. Mit dem flächigen Eingreifen von Agrartechnik sowie künstlicher und organischer Düngung veränderten sich die Wuchsbedingungen und die Artenzusammensetzung der Wiesen gravierend.

Primeln im Volksmund Der latein. Name Primula enthält die verkleinerte Form von „primus", der erste oder „kleiner Erstling" (s. M A D A U S , 1 9 3 8 ) . Die volkskundlichen Namen beziehen sich auf mehrere Arten. „Himmelschlüssel" ist wohl der bekannteste. Daneben finden sich die Bezeichnungen wie „Eierkuchen",

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Die zarten Blätter der angegebenen heimischen Schlüsselblumen standen seit eh und je als erstes vitaminreiches Frühlingsgemüse für Salat, Suppe und Spinat im Gebrauch.

„Eieräuglein", „Fastenblume" (Stmk.), „Kraftblume" oder" Schmalzschlüssli" (St. Gallen), „Schlagkraut", „Gichtblume", „Mundfäulkraut", „Auswärts-" oder „Radlbleaml", „Frauenschlüssel", „Osterblume", ... In Tirol nennt man die geschützte Aurikel (Primula auricula) „Platenigen", „Gans" oder „Gamsbleame". Auch „Peterg'stamm", „Gelber Sanikel", „Gelber Speik" oder „Gamsveigerl" sind im Volksmund gebräuchlich.

Die Echte Schlüsselblume Die Echte, Arznei- oder Apothekerprimel (Primula veris; früher P. officinalis) hat im Vergleich kleinblütigere, bauchig zu Glöckchen erweiterte Röhren und duftet sehr angenehm. Die intensiv gold- oder dottergelb gefärbte Blumenkrone ist verwachsenblättrig und hat im Schlund fünf

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Schlüsselblume

I

orangegelbe Flecken. Die Blüten sitzen auf einem 10 bis 20 cm hohen Stengel. Wegen der intensiven Gelbfärbung spricht man im Volksmund auch von der „Goldschlüsselblume". Die kurzgestielten Blätter sind an der Unterseite samtartig und an der Oberfläche runzelig. Die Pflanze bevorzugt trockene Wiesen und Waldränder hügeliger Gegenden und kann auf eine Seehöhe von über 2.000 m hinauf verbreitet sein.

Die Hohe

Schlüsselblume

Die Hohe Schlüsselblume (P elatior) unterscheidet sich von der Echten Schlüsselblume durch einen kräftigeren und höheren Wuchs. Die schwachriechenden bis geruchlosen Blüten sind langgestielt und schwefelgelb gefärbt und in der Form größer. Sie bevorzugt frische Wiesen, feuchte, lichte Waldränder und kommt entlang von Gräben oder beschatteten Flächen der Hecken und Waldränder auf Wiesen vor.

Die Kompensation des Verlustes Die Verdrängung und Ausrottung vieler Nutzpflanzen in der Landschaft bedingte die Einfuhrung vieler verwandter Kleinformen und Zierformen. Solange nicht dezidiert eine Verwendung bekannt ist, sollte man auch auf eigene Faust keine ausprobieren. Die Stengellose Primel (P acaulis) dürfte meiner Einschätzung nach eine geringe Heilwirkung haben. Sie wurde meines Wissens bislang noch nicht diesbezüglich erforscht. Die bei uns aus China eingeführte Zierpflanze Becher- oder Giftprimel (P obconica) ist der einheimischen Schlüsselblume sehr ähnlich. Sie hat rote, rosa- und blaßlilafarbene Blühschattierungen und gilt als giftig, da sie viel Primin enthält. Allein beim Berühren der Blätter und Blüten können heftige Hautentzündungen hervorrufen werden. Die gezüchteten Duftprimeln bevorzugen eher gut durchfeuchteten Boden und blühen auch bis in den Sommer hinein. Es gibt sehr viele rosa-, violett- und weißblühende Primeln. Sehr bekannt sind die lilaviolette Primula beesiana und die lavendelfärbige, dicht blühende Kugelprimel. Die blaßgelbe Glockenprimel (P. florindae) und die goldgelbe Primulaprolifera ergeben gelbe Blühaspekte.

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I Im Frühling

Wertvoller

Vitamin-C-Spender

Die Blätter unserer heimischen Schlüsselblumen sind sehr reich an Magnesium, Kalium und Vitamin C. Als eine der ersten Frühjahrsblumen wurde sie vor allem zur Deckung des Vitamin-C-Haushaltes gesammelt, um sie dann gegen grippale Erkrankungen, aber auch gegen die Gicht als ein wirksames und frisches Mittel einzusetzen. Die medizinische Verwendung ist bei den heimischen Arten Echte und Hohe Schlüsselblume dieselbe. Selten fand auch die „Stengel-" oder „Erd-Primel" Anwendung. Im Folgenden beziehen sich die Verwendungsbeispiele im Beitrag auf diese ausdauernden Arten:

Unsere heimischen

Schlüsselblumen

Die heimischen, frühblühenden Wildarten holte man sich zwischen März bis Mai aus lichten Mischwäldern und der Wiesenflur und setzte sie in den Garten an. Sie kommen im Wald und hauptsächlich auf Wiesen und Weiden vor, die entweder gar nicht oder mittelmäßig mit Stallmist gedüngt worden sind. In Gärten, wo zuviel Mineraldünger für schöne, pflegeintensive Rasen gestreut wurde, finden diese Frühlingsblüher keine Möglichkeiten zum Gedeihen. Einige Blätter aus der Mitte der grundständigen Rosette herausgebrochen, können zum Salat beigemischt werden. Die Blüten gebraucht man für Liköre und Teemischungen. Aus ihnen kann man kandierte „Himmelschlüssel" machen, wobei der aromatische Geruch erhalten bleibt. Man kann aber auch Gelees herstellen. Vor allem mit den geradröhrigen, trichterförmigen Blüten können süße Gerichte zubereitet werden. Beim Pflücken der Schlüsselblumen kann es bei empfindlichen Leuten zu Hautreaktionen kommen, die leichte Ausschläge und Jucken verursachen. Sie rühren von den ölhaltigen Drüsenhaaren der Blätter her. Laut WlLLFORT (1959) soll man vor allem von den giftverdächtigen Mehlprimeln (ζ. B. Primula farinosa) im wortwörtlichen Sinn die Finger lassen. Leckere Bonbons Aus den Schlüsselblumenblüten lassen sich herrliche Bonbons herstellen. Zutaten: 1 Liter Wasser, 0,5 kg Blüten, 150 g Zucker und 150 g Honig.

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Schlüsselblume I

Aus den Blüten läßt sich ein Sirup herstellen, welcher für verschiedene Desserts verwendbar ist. Kandierte Vogelbeeren oder andere Wildobstarten eignen sich als Obstgrund oder -beilage.

Zubereitung: Mit kochendem Wasser werden die Blüten übergössen und zugedeckt etwa 15 Minuten ziehen gelassen. Nach der Filterung süßt man die Flüssigkeit und kocht sie zu einem dicken Sirup ein. Diese zähe Flüssigkeit wird auf eine Glasplatte aufgestrichen und zur Erstarrung dort belassen. Dann wird die Masse in kleine längliche Stücke geschnitten oder kleine Würfelchen entnommen und zu Kügelchen geformt und in Staubzucker geschwenkt. Fertig sind die leckeren Bonbons. Hat man vor, die Würfel zu belassen, so können auch Blüten in der aufgestrichenen Flüssigkeit verbleiben. Ein

Schlüsselblumensirup

Ein Primelsirup kann als Verdünnungssaft wie Hollerblütensirup hergestellt werden u n d findet bei Bronchitis, als Teezugabe oder als Salatdressing und in der „Himmelschlüsselcreme" Verwendung. Die Blüten werden in kaltem Wasser mit Zitronenscheiben angesetzt und zwei Tage lang zugedeckt stehengelassen. D a n n löst man darin den Zucker auf und siebt nach mehrmaligem Rühren nach einem weiteren Tag in die Flaschen ab. Der Sirup war früher ein Heilmittel gegen Lähmungen. Zutaten: Zitronen, Orangen, Wasser, Zucker oder Süßstoff, Schlüsselblumenblüten.

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I Im Frühling

Eine warme Zubereitung ist folgende: Die 30—50 dag Einzelblüten ohne Kelche oder Blütenbüschel werden grob geschnitten und mit 4 - 6 Zitronen- und/ oder Orangenschalen in das siedende Wasser (etwa 1 Liter) gegeben. Der Topf wird dann vom Herd genommen und zum Ziehenlassen abgedeckt. Nachdem sie eine Vi Stunde gezogen haben, siebt man sie ab, gibt weniger als 1 kg Zucker dazu und löst ihn durch Rühren während dem leichten Aufkochen in gut einer Stunde auf. Dann kann in Gläser oder Flaschen abgefüllt werden. Eine Creme aus Schlüsselblumenblüten Zutaten: 15 dag Primelsirup, 2 Apfel, 1 Zitrone, 10 dag Magertopfen (Quark), 5 dl Schlagobers (Sahne), das Eiklar von 3 Eiern, 3 Blatt Gelatine und etwas Wasser und Zucker. Zubereitung: Wenn der Sirup zuwenig gesüßt ist, dann kocht man ihn auf und gibt etwas Zucker dazu. Das Eiklar wird mit dem Mixer steif geschlagen und der warme Sirup kleinweise, langsam während dem Mixvorgang beigegeben. Die geschälten und entkernten Äpfel mischt man mit Zitronensaft und reibt etwas von der Schale die Zitrusfrucht dazu. Die GelatineBlätter löst man in kaltem Wasser auf, preßt sie zuerst aus und verflüssigt sie später mit etwas Wasser. Diese werden mit dem geriebenen Apfel und Topfen (Quark) gemischt. Den Eiklar-Sirup-Schlag zieht man mit dem Schlagobers (Sahne) in diese Masse unter. Daraus kann man mit Löffeln kleine Kugel formen, die kurz gekühlt und mit Johannis- oder Himbeersauce serviert werden. Uber die Cremekugeln träufelt man etwas Schlüsselblumensirup, und daneben kann man mit einigen Taubnessel-, Primel- oder Vergißmeinnichtblüten garnieren. Oder man kann kandierte oder in Likör angesetzte Vogelbeeren beilegen und die gefrorene Creme als Eis verwenden. Ein Schlüsselblumenlikör und Met Brigitte Baier aus St. Wolfgang bereitete mit einer Schulklasse einen Likör zu. Ein großes Glas wurde bis zu einem Achtel mit entkelchten Blüten gefüllt und mit einem Obstler angesetzt. Der Behälter wurde etwa vier Wochen an einem sonnigen Platz ziehen gelassen, danach abgesiebt und Zucker aufgelöst und noch eine Woche stehengelassen, ehe er in Flaschen abgefüllt werden konnte. Ähnlich wird der Likör auch im Pinzgau hergestellt, wo man das Glas bis über die Hälfte mit Blüten füllte, ehe man Alkohol einfüllte. Früher wurden in England die Blüten mehrere Tage in Wasser angesetzt und nach der Absiebung der Ansatz mit Honig zu einem Met vergoren.

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Schlüsselblume

I

Eine himmlische Mousse Zutaten: 6 Eier, 150 g Zucker, 150 g Blüten der Schlüsselblume ohne Kelche und Zitronensaft. Zubereitung: Die Eidotter mit dem Zucker schaumig rühren. Feingehackte Blüten und Zitronensaft werden in den Eischaum eingerührt. Das Eiklar zu Schaum schlagen und unterheben. Die Masse wird in Schüsseln gefüllt, mit verschiedenen Blüten verziert und für den sofortigen Verzehr serviert. Dazu eignen sich auch Blüten der Stengellosen Schlüsselblume. Eine typische Frühjahrssuppe Die Blätter finden für Mischsalate, Spinat, Aufläufe oder Saucen in der Küche Anwendung. Vielfach ergeben sie als junges Gemüse zubereitet einen kohlähnlichen Geschmack. Mit den jungen Blättern aus Sauerampfer, Schafgarbe, Kleiner Bibernelle (Sanguisorba minor), wenig Gundelrebe und Thymian, Frauenmantel und Wiesenkerbel können sie herrliche Frühjahrssuppen liefern. Geschnitten und mit gehackter Zwiebel kurz in Fett gedünstet, mit Mehl gestaubt und anlaufen gelassen, wird mit Wasser oder Fleischbrühe aufgegossen. Nach dem kurzen Aufwallen ist sie beinahe fertig und der Topf vom Herd zu ziehen. Dann können ein bis zwei Eier oder die Dotter davon eingesprudelt werden. Auf goldbraun geröstete Semmelbrotwürfel kann man die abgeseihte Suppe in die Teller gießen. Aber die in der Suppe enthaltenen Kräuter abzusieben, halte ich nicht für notwendig. Blüten und Blätter sind fur Fisch als Auflage oder als Beigabe in einer Weinsauce geeignet. Die Blätter sind roh oder in Backteig fritierbar. Sie schmecken gut, wenn sie leicht gesalzen werden, als Knabbergebäck. Blüten und Blätter in der Heilkunde Die Blüten werden mitsamt dem grünen Kelch abgezupft und ergeben einen wirksamen Tee gegen Migräne und Schwindelanfälle. Beim Trocknen verliert sich etwas der honigsüße Geruch. Ein bis zwei Teelöffel genügen fur ein großes Häferl voll Aufguß. Blätter- und Blütentee haben eine hustenmindernde und schweißtreibende Wirkung und werden deshalb bei Brustkatarrh und Erkältungen eingesetzt. Drei Tassen sollte man davon täglich trinken. Der Tee wirkt auch bei Neuralgien, Schlaflosigkeit, Beschwerden im Unterleib und während der Wechseljahre, Rheuma und Gicht. Blätter ohne Pilzrasen auf deren Unterseite auf Geschwüre aufgelegt, lindern die Beschwerden und steigern die Heilung. Für die Kleinviehhal-

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• Im Frühling

tung sammelten die Leute im Frühjahr Blätter und Blüten von den Feldern und hackten sie zum Untermischen in das Hühnerfutter. Ein kalt angesetzter Tee aufgewärmt in den letzten Wochen vor der Geburt einmal täglich getrunken, erleichtert den Geburtsvorgang.

Beim Kauen sondern die rohen Blüten Schleim ab Wurzeln und die länglichen Blätter wirken auch blutreinigend, entgiftend und entschlackend, nervenanregend und herzstärkend. Im Frühling verwendete man sie deswegen mit jungen Brennesseln und Birkenblättern fiir Teekuren zum Entwässern. Nicht nur die Schönheit dieser Blume erwärmt das Herz, sondern sie wirkt auch bei Wassersucht, Muskelentzündungen oder bei Flimmern, Schwäche und bei Neigung zu Schlaganfall des Herzen. Primelerzeugnisse aus Blättern, Blüten und Wurzeln gelten allgemein als schmerzlindernd. Aus den Blüten stellte man Salben her, die bei Sonnenbrand halfen. Den warmen Saft der Blätter gebrauchte man bei Verrenkungen des Leibes und der Glieder.

Die Konservierung der Blüten In Staubzucker, schreibt Richard WlLLFORT (1959), können die Blüten gut konserviert werden. Ahnlich wie beim Spitzwegerichsirup gibt man abwechselnd je eine Lage mit einem Zentimeter Blüten mit Kelchen und eine mit Staubzucker in das Glas ein, bis es voll ist. Uber den Winter oder nach Weihnachten soll jeden Tag vom Sirup, der dabei entsteht, ein Teelöffel genossen werden. Auch in Weißwein setzte man früher die Blüten zwei bis vier Wochen an. Er wurde bei Nieren- und Gichtproblemen eingesetzt. Solcher Wein galt auch als „Schönheitswasser" zum Entfernen von Hautflecken (ζ. B. Sommersprossen), Mitessern und Runzeln und wurde zudem bei Masern aufgetragen, damit keine Narben sichtbar blieben. Damit sich bei der Trocknung auf Papier oder einer Leinenunterlage die gelben Blüten nicht verfärben, soll sie schnell vor sich gehen. Getrocknete Blüten mit heißem Wasser überbrüht, 3 - 5 Minuten lang abgekocht und nach der Absiebung mit einer Honigzugabe bis zur Sirupkonsistenz verrührt, ergeben ein mehrwöchiges Hustenmittel.

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Schlüsselblume I

Der Wurzelstock Vor allem bereitete man Tees aus dem ausdauernden, braunen Wurzelstock von Primula veris und P. elatior, der von September bis Oktober gesammelt wird, zu. Der Saponingehalt beträgt zwischen 5 und 10 %. Weiters sind Glykoside, Flavone und Gerb- wie Bitterstoffe enthalten. Der zentrale Wurzelstock liegt senkrecht oder schief, hat eine kurze und dicke, mit Knoten und Zapfen versehene Form und ist stark gefasert. Davon breiten sich helle, fleischige feinere Wurzeln aus. Beim Ausgraben tritt ein anisähnlicher Geruch entgegen. Nach dem Waschen werden sie an einem festen Zwirn aufgefädelt und im Schatten getrocknet. Der Wurzelstock enthält ätherische Öle, welche schleimlösend und auswurffördernd bei akuten Erkältungserscheinungen, vor allem bei (chronischer) Bronchitis, Katarrh oder Lungenentzündung wirkt. Gemeinsam mit Eibisch, Kamille, Huflattich, Anis und Fenchel gibt die Primelwurzel einen ausgezeichneten Hustentee ab. - Darüber hinaus treiben sie Harn und Schweiß. Ebenso wird ein solcher Tee bei Stirnhöhlenentzündung, Lähmungserscheinungen bei Rheuma, Gelenksrheumatismus, Arthritis und Gicht getrunken. Ein halber bis knapper Teelöffel voll Wurzelpulver reicht für eine große Teetasse aus. Der Tee wird kalt angesetzt, gekocht und heiß abgeseiht und im Verlauf von ein bis zwei Tagen aufgewärmt eßlöffelweise geschlürft. In Essig können die Wurzeln angesetzt werden. Bei Zahnschmerzen wurde die verdünnte Flüssigkeit in die Nase aufgezogen. Die gedörrte und pulverisierte Wurzel fand als Niespulver Verwendung, schrieb Gerhard MADAUS (1938).

Die Kultivierung Die Primeln bevorzugen tonigen und basischen, frischen Boden. Die Samen können schon nach dem Braunwerden geerntet und auf Papier zur Trocknung bzw. Nachreifung aufgelegt und im Herbst ausgesät werden. Die Ernte darf man nicht verschlafen, da die Ameisen die süßen Samen gerne sammeln und in ihren Bau tragen. Die Samenkörner sind von einem Zuckermantel umhüllt, den sie als Nahrung verwenden. Die geernteten Samen sollen einmal einen Frost erfahren können. Wenn viele Pflänzlein aufgehen, kann man sie in kleine Töpfe pikieren und an Bekannte verschenken. Wurzelteilung ist ebenso möglich. Dann können sie im Abstand 15x15 cm versetzt werden.

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I Im Frühling

Die„Sanigl"Über die Neunblatt-Zahnwurz (Dentaria enneaphyllos) In kaum einem der Heilkräuter-Bücher findet man Hinweise über die Verwendung des Zahnwurzes in Ubersicht. Das Wissen um die Heilwirkung ist bei den Landleuten nach wie vor mündlich erhalten geblieben. Eine aus den Wurzelstöcken hergestellte Salbe fand vor allem bei Knochenbrüchen, rheumatischen Beschwerden, Zerrungen, Verrenkungen, Verstauchungen, Blutergüssen und vieles mehr Einsatz. Auf Anregung meiner Tante Resi EISL, Sennerin im Wolfgangseegebiet, bin ich der Zahnwurz nachgegangen. Ihr sei das folgende Kapitel gewidmet, ebenso einigen Bauern und Kräuterern im Salzburger Rauristal, Schweizer Sarganserland und Alpenvorland in Bayern, Salzburg und Oberösterreich. Der Zahnwurz oder „Sanigl" dürfte bei den seinerzeitigen Überarbeitungen der ersten systematischen Aufzeichnungen von den Heilkundigen übersehen worden sein. Weil dadurch in weiterer Folge nicht einer von dem anderen abschreiben konnte, erklärt sich die geringe Bekanntheit dieser Art in der Medizin bis heute. Erst an dieser Pflanze scheiden sich die Lager jener, die das Gebrauchswissen bei den Leuten vor Ort zusammentragen und jener, die das Wissen aus den verschiedenen Kräuterbüchern immer wieder abschreiben, sich selber aber nicht die Mühe machen, die nutzvollen Kenntnisse zu recherchieren. Mit derartiger Vorgangsweise geht mit jeder Generation wertvolles Uberlebenswissen verloren, welches die Leute in der Not mühselig über Erfahrungen erworben haben.

Die Geschichte der Heilpflanze ist über den Gebrauch erhalten geblieben Sie dürfte eine Heilpflanze der Vorzeit sein, welche vor der römischen Besatzung im Gebrauch stand und welcher von den damaligen Schreibern — mit Ausnahme von MATTHIOLUS, New-Kreuterbuch, Prag 1563 - keine Würdigung zukam. Als beliebtes Hausmittel steht sie heute noch zum Beispiel in Salzburg, Niederösterreich, in den Kantonen St. Gallen und Appenzell und in Bayern im Gebrauch. Die Zahnwurz steht bei den alten Leuten hoch im Ansehen. Sie wird von ihnen so lange gesammelt, solange sie ihre

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Die Neunblatt-Zahnwurz (Dentaria enneaphyllos) oder„Sanigl" kommt zeitig im Frühjahr zum Vorschein. Man erkennt sie an den biaßgelben, glockenähnlichen Blüten. Die zerriebenen Blätter riechen wegen dem Senfölglykosid typisch nach Kreuzblütler.

Füße in die Wälder tragen können. Jene Leute befragt, welche die Zahnwurz weiterhin nützen, scheint sich diese Heilpflanze über viele Generationen sehr bewährt zu haben.

„Sanigl" und „Sanikel" Die Weiße oder Neunblatt-Zahnwurz (Dentaria enneapbylbs) nennt man im Volksmund auch „Sanigl". Fälschlicherweise wird sie wie eine andere Art — die „Sanikel" („Heildolde", Sanicula europaed) - gleich bezeichnet, die andere Wirkungen nach sich zieht und als Kräftigungs- und Wundheilmittel Einsatz fand. Letztere zählt aber zu den Doldenblütler und die an den Strümpfen anhaftenden klettenartigen Früchte werden auch als „Jägerläuse" benannt. Der Zahnwurz ist im Aussehen mit der Sanikel nicht verwechselbar.

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I Im F r ü h l i n g

Von der weißglänzenden Wurzel derSanigl stellt man Husten- und Lungenmittel, aber auch hochwirksame Salben her, welche bei Knochenbrüchen, Blutergüssen, Zerrungen, Verrenkungen, Verstauchungen und Rheuma zum Einmassieren gebraucht werden.

Der Zahnwurz gehört zu den Kreuzblütlern (wie Schaumkraut, Brunnenkresse, Senf, Radieschen, Raps ...), und der Begriff „Sanigl" rührt vom im oberösterreichisch-bayrischen Sprachgebrauch verwendeten Begriff für die Beschreibung der Wurzelstöcke, von „Saunigl", her, welche abschnittsweise stachelartige Zähne haben. Deshalb können sich die Begriffe „Saunigl" oder „Sauniglwurzen" weit hergeholt auf die Ähnlichkeit mit dem Igel beziehen. Aber auch der Vergleich mit den abgenutzten Sauzähnen ist zulässig. Die Rhizome (Wurzelstöcke) sehen wie viele zusammengewachsene Zähne aus, weißlich mit einem gelblichen Teint und glasig wie beim Zahnschmelz. Kleine Fortsätze erinnern an abgenutzte Zähne.

Der Weiße oder

Neunblatt-Zahnwurz

Der Weiße Zahnwurz, neuerdings Neunblatt-Zahnwurz (Dentaria enneaphyllos), in den Alpen „Sanigl" und in Bayern „Schanikel" genannt, blüht

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„Sanigl" I

mit weißlichgelber, blaß- bis schwefelgelber Färbung und wird meist 2 0 bis 3 0 cm hoch. Erkennungsmerkmal sind die vierteiligen Blüten, deren Kronblätter im Vergleich zu anderen Kreuzblütlern länglich ausgebildet sind. So vermeint man in der Blüte, die scheinbar wie eine längliche Glocke nach unten hängt, eine Glockenblume vor sich zu haben. Nach der Blüte bilden sich 3 - 6 cm lange Schoten, in denen sich die scharf-würzigen Samen befinden. Diese dienten früher auch als Pfefferersatz. Die drei Laubblätter sind jeweils dreigeteilt, weshalb man auch im Volksmund vom „Neunblättrigen Sanigl" spricht. Im Griechischen bedeutet „enneaphyllos" neunblättrig. Nach dem Fruchten beginnen die Pflanzen die Säfte wieder in den Wurzelstock einzuziehen, um die oberirdischen Nährstoffe für das nächste Jahr nicht zu verlieren und sie auf Vorrat zu halten. Die Pflanze verwelkt danach.

Wo kommt sie vor? Im Frühjahr, wenn die ersten Blumen blühen, schieben die Zahnwurzarten ihre Sprosse aus den dicken Laub- und Mullhumusschichten der frischen Edelwälder meist kalkhaltiger Berggebiete. In den Braunerde-Buchenwäldern und nährstoffreichen, humosen Buchen-Tannen-Fichtenwäldern ist der Neunblatt-Zahnwurz häufig mit dem Waldmeister, Zwiebel-Zahnwurz, Waldbingelkraut, Lungenkraut und Leberblümchen in Gesellschaft. Die Verbreitung bezieht sich auf das voralpine Hügelland und in den Alpen auf über 1.700 m Seehöhe. Sie nützen die Sonne der laublosen und schwachbelaubten Waldphase als Nische, um früh zu gedeihen. Deshalb bekam sie wahrscheinlich auch den Namen „Sonnigel" zugedacht. Wer ab April im Tal die Blüte versäumt hat, der kann sie in höheren Lagen auffinden, wo der Zahnwurz auch in den inneralpinen Grau-Erlenwäldern wächst, welche auf tiefgründigen Böden der Gebirgsauen stocken. Dort begegnet man noch im Juni und Juli alten Kräuterern, welche nach den Wurzeln graben. Wenn die Pflanzen blühen oder fruchten, werden sie geerntet. M a n findet ihre Wurzeln über die verwelkenden oberirdischen Teile. Im S o m m e r zieht sich die Pflanze zurück und ist bis zum Herbst nicht mehr auffindbar.

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I Im Frühling

Anwendungen Die zahnartig beschuppte Wurzel enthält wie viele Kreuzblütler scharf riechende Senföl-Glykoside, welche eine äußerliche, aber auch innerliche Wundheilung fördern. Sie haben hautreizende Wirkung, die allerdings nicht jeder verträgt. Die Wurzel wird pulverisiert und mit Beinwellkraut gekocht als Medizin bei Knochenbrüchen eingenommen oder äußerlich auf die Bruchstelle aufgetragen, welche mit Tüchern eingebunden wird. Bei Husten wurde das Wurzelpulver mit Honig gemischt eingenommen oder ein Absud von Spitzwegerichblüten, Isländischem Moos, Wacholderbeeren und Fichtenwipfel getrunken. In Honig angesetzte Wurzelstücke werden heute noch bei starkem Husten, Halsschmerzen und Verkühlung als Heilmittel eingesetzt. Bei grippalen Erkrankungen, Keuchhusten, Asthma, Lungen- und Magenleiden wurden gereinigte, frische oder getrocknete Wurzeln auch langsam gekaut und gelutscht. Zur Einnahme bei Magenproblemen mischte man das Wurzelpulver mit anderen Lebensmitteln, damit der bittersüße Geschmack nicht so hervortrat. Die Saniglsalbe Die Salbe fand in der Mensch- und Tierheilkunde für Einreibungen Verwendung. Die Saniglwurzeln haben ein weißes, teils gläsernes Aussehen. Sie wurden nach dem Sammeln gewaschen und geschnitten und in Schweineschmalz ausgesotten. Die Saniglwurzel soll man so lange in Fett herausbacken, bis sie an der Oberfläche schwimmen. Wurden sie resch und goldbraun, dann fischte oder siebte man sie ab. Das Fett füllte man in kleinen Gläsern oder Dosen ab. Die Lagerung im Kühlschrank oder kühlen Kellern hat sich bewährt. Manche verwenden Melkfett, das allerdings bedenkliche Zusätze enthält, zur Salbenherstellung, weil eine solche Salbe nicht ranzig wird. Zu diesem bereits anwendbaren Grundrezept geben manche Frauen je in drei Teilen zusätzlich Wachs und Lärchen- oder Fichtenharz zur Herstellung verschiedener Salben bei. Eine Bäuerin aus dem Sarganserland (Schweiz) verwendet auch die violettblühende Zahnwurzart (Dentaria bulbifera) und gibt zu den Salben auch Kampfer dazu, in der Weststeiermark wird auch Terpentinöl beigemengt. In einigen Fällen verwendete man dazu auch die Butter aus der „Biestmilch", jener Milch, die in den ersten Tagen nach dem Abkalben anfällt.

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.Sanigl" I „Schmieren

ist gscheiter als

operieren"

So lautet ein weststeirischer Spruch und meint nicht die einmalige Verwendung, sondern die mehrmalige, denn von heute auf morgen ist ein Leiden nicht zu kurieren. Die Salbe diente bei Fuß- und Armbrüchen, Glieder- oder rheumatischen Beschwerden, Zerrungen, Verrenkungen, Verstauchungen und Blutergüssen. Für Einreibungen haben sich auch Olauszüge der Wurzel mit Oliven-, Lein- und Hanföl bewährt. Man bezeichnete die mit Kräuter versetzten Öle als sogenannte „Bruchöle". Bei offenen oder bereits sich in Abheilung befindlichen Wunden gab man zum Desinfizieren und Offnen der Poren Arnika drauf und dann die Saniglsalbe. Nach dem Einreihen wurde die Wirkung durch heiße, feuchte Wickel verstärkt. Auch ein heißfeuchter Waschlappen kann dazu verwendet werden. Eine dazu verordnete Bettruhe, gut in dieTuchent eingewickelt, half die Stelle warm zu halten. Mit dieser Salbe rieben sich die Leute bei Leistenproblemen, Leisten- und Nabelbruch ein. Auch nach anstrengender Arbeit, nach Erfrierungen und bei schlechter Durchblutung wurden die Zehen vorsichtig damit einmassiert. Bei eitrigen Geschwüren und Wunden gebrauchte man alkoholische Auszüge ähnlich wie Arnikaschnaps. Handelte es sich um offene Wunden, so machte man ein Pflaster, wobei Mehl entweder mit der Saniglsalbe oder ein Mehlteig mit dem Wurzelpulver vermischt aufgelegt und mit einer luftdurchlässigen Binde fixiert wurde. Tauchen nach der Geburt bei den Kälbern Nabelentzündungen auf, so wird der Nabel mit der erwärmten Salbe vorsichtig eingerieben. Damit sie die leicht brennend wirkende Salbe nicht abschlecken, mischen sie die Bauern in einigen Fällen mit starkriechendem Steinpech oder Terpentinöl oder dem klebrigen Baumharz.

Andere

Zahnwurzarten

In verschiedenen Buchenwald-Gesellschaften findet sich eine weitere Art — die Dreiblatt-Zahnwurz (Dentaria trifolia). Sie blüht weiß mit aufrechten Blütenständen und hat violette Staubbeutel. Sie hat dreizählige Blätter. Und die Zwiebel- oder Zwiebeltragende Zahnwurz (Dentaria bulbifera) kommt in humusreichen Buchen-, Edellaub- und Mischwäldern vor

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I Im Frühling

Die Zwiebeltragende Zahnwurz (Dentaria bulbifera) trägt Zwiebeln in den Blattstielachsen und bevorzugt Edellaubwäider. Sie hat eine geringere Wirkung, kann allerdings auch für Heilzwecke gegraben werden. Die Blätter verwendete man zum Würzen.

und ist im Aussehen den Schaumkräutern (Gatt. Cardamine) sehr ähnlich. Sie hat an den Blattstielachsen kleine, braunviolette Brutzwiebelchen und weiß, rosa oder hellviolette Blüten am Ende des 4 0 - 6 0 cm hohen Sprosses. Die knospenartigen Brutzwiebeln dienen, ähnlich wie beim Scharbockskraut (Ranunculus ficaria oder Ficaria vernd), der Vermehrung. Abgefallen überwintern sie im Laub und treiben im nächsten Frühjahr aus. Gegen Koliken und Ruhr verwendete man die scharf und unangenehm schmeckende Wurzel. Auch diese beiden Arten fanden bei uns Verwendung, wie wohl die Leute um die viel bessere Wirkung der NeunblattZahnwurz Bescheid wußten. Karl Heinrich HÜLBUSCH meinte bei einem Seminar: „Weil wir sowenig Ahnung vom praktischen Gebrauch haben, fällt uns das Lernen so schwer." Und wenn wir den Hausgebrauch nicht weiter pflegen, was bleibt uns dann an heilkundigem Wissen übrig, und in welche Fahrwässer werden wir getrieben, wenn wir nicht mehr autonom über das Gebrauchswissen verfügen können?

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Der Bärlauch kann bei optimalen Bedingungen große Flächen der Laubwälder dominant bedecken. Bis zum Sommer hat die Pflanze ausreichend Reservestoffe in die unterirdische Zwiebel und die Früchte eingelagert, und die Blätter vergilben in der Folge.

Wem es wurmt ... Eine Übersicht der Verwendbarkeit des Bärlauchs (Allium ursinum) Der frische Bärlauch (Allium ursinum) nach dem Winter verzehrt, macht die Menschen wach und gilt als Mittel gegen Melancholie. Die Bären bauen nach dem langen Winterschlaf mit dem gefressenen Waldlauch wieder Kräfte auf. Die enthaltenen Mineralstoffe und Vitamine bedingen dies. Deshalb nennt man diese Pflanze „Bärenlauch". 1998 gab es in Vorarlberg einen Todesfall, da aufgrund der ähnlichen Blätter eine Verwechslungsgefahr mit den giftigen Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) und Maiglöckchen (Convallaria majalis) besteht. Bärlauchblätter verströmen allerdings beim Zerreiben den typischen knoblauchartigen Geruch. Wenn man nicht sorgfältig sammelt, übersieht man mitgepflückte Blätter der genannten Giftpflanzen.

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• Im Frühling

Zum Vorkommen Dieses ausdauernde Liliengewächs kommt bald im Frühjahr mittels elliptisch-lanzettlicher Blätter zum Vorschein, bevor die Buchen ihre Blätter geschoben haben. Sie besiedeln schattige, humus- und nährstoffreiche, frischfeuchte Laubwaldstellen (Mullböden), Standorte entlang der Bachläufe und Auen meist in großen Flecken bedeckend. Der „Wilde Knoblauch" kommt auch vereinzelt in den niederen Teilen des Gebirges vor. Der Vegetation Kundige greifen im Hochgebirge auf den Allermannsharnisch (Allium victiorialis) als Heil- und Würzmittel zurück. Der Bärlauch blüht in der Regel im Mai bis Juni und zieht danach die oberirdischen Teile ein. Die Blätter werden dann ab Juni gelb und fangen wegen des hohen Schwefelgehalts an, penetrant zu stinken. Die Pflanze zieht ihre oberirdischen Stoffe in den Boden ein. Sie speichert die Säfte in den weißen oder gelben Längszwiebeln fiir den nächstjährigen Austrieb. Selten findet man sie als Gartenpflanze, weil sie u. a. wegen dem starken Geruch beim Einziehen der Blätter aus den Gärten verbannt wurde. Im Frühjahr hielt man die Milchviehherde von den Lauchstandorten der Buchenwälder fern, da bei Futteraufnahme die Milch, Butter und Käse schier ungenießbar und schlechter haltbar wurden.

In der Küche Früher galt der Bärlauch als Mittel gegen Melancholie. Vermutlich war die Winterdepression damit gemeint. Das kann man heute aus der Wirkung der hohen Gehalte an Vitamin-Cund Mineralstoffen rückschließen, die im April und Mai über die Nahrung den Menschen wieder Kräfte geben. Deshalb wurde er hauptsächlich im frischen Zustand (vor der Blüte) geschnitten und zum Würzen auf die Frühjahrsgerichte gestreut. Wenn man bedenkt, daß gerade im Frühjahr ein Mineralstoff- und Vitaminmangel zu verzeichnen ist, so ist es verständlich, wenn sich die Menschen auf die ersten eßbaren Ge-

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Die scheindoldigen weißen Blüten und Blätter des,, Waldknoblauchs" können zum Aromatisieren des Essigs oder Salatöls und als Verzierung eingesetzt werden. Auch die jungen Samen dienen der unmittelbaren Salatwürzung.

wächse förmlich stürzen. Der knoblauchähnliche, scharfe und würzige Geschmack rührt von den schwefelhaltigen, ätherischen Verbindungen her. Diese fördern gemeinsam mit Wermutwürze die Verdauung fettreicher Fleischnahrung und regen die Bildung der Verdauungssäfte an. Wermut mindert auch den knoblauchartigen Geruch etwas. Die Wirkung ist milder als jene des Knoblauchs. Magenempfindliche Menschen oder schwere Alkoholiker gehen aber auch mit Bärlauch sparsam um. Für Heilzwecke lassen sie zerschnittene Zwiebeln in warmer Milch zwei Stunden ziehen, dann sind die Stoffe in die Milch ausgezogen. Das schmeckt zwar eigenartig, ist aber eine mildere Form der Lauchnutzung.

Bei der Trocknung verlieren sich die Wirkstoffe Für die Teezubereitung wurden in Ostdeutschland die Blätter getrocknet. In den Sowjetstaaten trocknet man Blätter bei 40° C relativ schnell im Rohr oder Backofen, pulverisiert sie und lagert sie als Würz-, aber nicht als Heilmittel in verschlossenen Gläsern. Die Blätter und Zwiebeln des Bär-

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I Im Frühling

lauchs verlieren bei der Trocknung sehr viel Wirkkräfte und vor allem die schwefelhaltigen Verbindungen. Deshalb seien hier einige andere Konservierungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Der Bärlauchpesto zum Bevorraten der

Lauchmedizin

Mitte der 80er Jahre probierte ich nach italienischen Rezepten der Basilikumpestos jene mit Bärlauch aus, um über das Jahr mit Bärlaucherzeugnissen ausgestattet zu sein. Den üblichen südländischen Gebrauchsanweisungen nach verwarf ich die Verwendung von Basilikum, hartem Schafkäse oder Parmesan und der Pinienkerne, denn sie verleihen dem Pesto nach längerer Lagerung einen bitteren Geschmack. Unser Pesto wurde aus folgenden Kredenzien erzeugt: frische Bärlauchblätter vor der Blüte geerntet, „ungepantschtes" Olivenöl, Salz und Sonnenblumenkerne. Die Blätter wurden mit einem elektrischen Passiergerät zerkleinert. Danach verrührte ich die Masse in einer Schüssel mit relativ viel Salz und gutem Olivenöl. Die Sonnenblumenkerne wurden ebenso fein vermählen und dann dazugemischt. Die dicke Masse wurde in Gläser eingefüllt, mit etwas Ol abgedeckt, die Behälter verschlossen und an kalten Orten gelagert. Das Ol diente dem Schutz, daß keine Luftzufuhr erfolgen konnte. Die schöne Grünfärbung blieb eine Augenweide. Ein Glas beließen wir in der Küche dem üblichen Jahrestemperaturenwechsel ausgesetzt, aber selbst dieses war im Dezember lediglich am Rand fahlgrün verfärbt. Dies führten wir auf die Lichtbeeinträchtigung zurück. Der Geschmack veränderte sich nur geringfügig. Langfristig muß man aber auf das Ranzigwerden des Öles achtgeben, und binnen eines Winters sollte das Pesto verbraucht werden. Eine Lagerung im Kühlschrank oder kühlen Keller ist ratsam. Verwendet wird das Pesto für allerlei schnelle Teigwarengerichte und Spaghetti, ist aber auch als Würzbeilage von Polenta und Erdäpfeln (Kartoffeln) gut geeignet, wozu man Hartkäse gut essen kann.

Gesalzener

Bärlauch

Einfacher ist folgende Konservierung zu bewerkstelligen: M a n reinigt die Blätter und Zwiebeln fein säuberlich und passiert sie zu einem Brei, mischt sie dann im Verhältnis mit einem Drittel Salz und gibt die Masse in gut verschließbare Gefäße. Darauf wird eine Ölschicht gegeben, damit keine Luft

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Die Blätter des Bärlauchs, in verschiedenen Speisen bis zu zwei Wochen lang als Geschmacksbereicherung berücksichtigt, haben die Aufgabe, den Körper zu Entschlacken und von Parasiten zu befreien. Deshalb bezeichnet man die Pflanze auch als,, Wurmlauch".

zukommt. Sie können laufend - meist aber erst nach einem halben Jahr geöffnet werden und sind bei guter, kühler und lichtgeschützter Lagerung ein Jahr lang konservierbar.

Der

Bärlauchspinat

Der „Waldknoblauch" kann auch wie Spinat zubereitet werden und ergibt so ein gesundes und nahrhaftes Gemüse. Die jungen Blätter kocht man — wenn überhaupt — nur kurz in Wasser, bis sie weich geworden sind. Dann werden die gesiebten Blätter faschiert oder gehackt und in einer Fleisch-

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• Im Frühling

Die Blätter leicht in Butter erwärmt, ergeben zu verschiedenen Speisen würzige Beilagen. Vor allem der Braten damit eingewickelt, übertüncht den Fettgeschmack und macht das Fett besser verdaubar.

brühe oder in einer Zwiebeleinmache oder mit einer zubereiteten M e h l Einbrenn gebrüht. Leicht gepfeffert und gesalzen läßt m a n dies kurz garen und gibt dann Sauerrahm dazu. In vielen Fällen, sei es für Gemüse, für das Risotto oder fur das Fleisch, eignet sich der Bärlauch als Knoblauchersatz. Ohne langes Kochen wird er meist kurz vor dem Servieren beigegeben oder aufgestreut.

Schweizer „Herdäpfel-Nocken " und „Kartoffelweihen " In der Schweiz machen die Frauen, dort, w o Bärlauch vorkommt, ähnlich den faschierten Rundbratlingen, solche aus: Erdäpfeln (Kartoffeln), Bärlauchblättern und älterem, würzigem Kochkäse. Die Erdäpfel werden gedämpft, geschält und geraspelt mit feingeschnittenem Bärlauch und geraspeltem Käse und einem Ei vermischt, gesalzen und etwas mit Kräutern gewürzt. Zur Bindung wird Mehl oder Grieß verwendet. Kleine Plätzchen werden davon geknetet und in der Pfanne herausgebacken. Bei einer Weihe hingegen wird mit der ganzen gemischten Masse ein flaches Rund- oder Tortengeschirr gefüllt und im Backrohr goldbraun gebacken. Auf die Masse gibt man ein Gemisch aus Joghurt mit einem einge-

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Bärlauch

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Aufgeschlossene bäuerliche Direktvermarkter nützen das natürliche Vorkommen des Bärlauchs, um die Teigwaren damit zu aromatisieren und die heilwirksame Produktpalette zu erweitern.

sprudeltem Ei und Milch und etwas frischgehacktem Schnittlauch vermischt. Im Backrohr wird diese starr und leicht braun - dann nimmt man den Leckerbissen heraus. Man kann von einem Festmahl sprechen, welches schnell zubereitet und selber ersammelt wurde. An Variationsmöglichkeiten fur Kräutersaucen bleiben den Köchinnen und Köchen viele Wege offen.

Der Bärlauch wickelt jeden Braten ein ... Vor allem wurden von Hirten (bei Notschlachtungen) Schaf-, Ziegen- und Hasenbraten aller Art in dicken Blätterlagen eingewickelt. Der schöpserne oder ziegerne Geschmack verging auf diese Weise etwas, und das Fett war besser verdaubar geworden. Der Bärlauch hat eine cholesterinspiegelsenkende Wirkung. Auch feingeschnittene Blätter mit Semmelbröseln gemischt darüber gestreut, geben dem Fleisch ein gutes Aroma, wenn noch Butter übergegossen wird. Optimal kann man nach dieser Art Fisch, vor allem fettreiche Karpfen, damit zubereiten. Dick mit Bärlauch eingewickelt, wird der fettige Fischgeschmack verwandelt und der Lauchgeruch

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I Im Frühling

zieht sich in das Fleisch ein. Auch für Joghurtsaucen vor allem bei Karpfen sind die Blätter gut geeignet. Auch Fleischlaibchen oder faschierte Rouladen in Blättern eingerollt, sind ein Hochgenuß. In neueren Kochbüchern steht geschrieben, Suppen mit Bärlauch eine halbe Stunde lang zu kochen. Das ist unsachgemäß, wenn man auch etwas von seiner heilwirksamen und vitaminreichen Wirkung haben will. Nur kurz aufwallen oder nur in die warme Suppe einrühren genügt.

Bärlauchprodukteflir den Winter bevorraten Biobauern, welche ihre Veredelungsprodukte direkt vermarkten, greifen auf den Bärlauch vermehrt zurück. Sie verwenden diesen fur ihre Teigwaren wie Bandnudeln, Spiralen, Hörnchen usw. Entweder geben sie direkt den fein zerkleinerten Brei aus den Blättern in den Nudelteig bei oder den Saft, der bei der Entsaftung entsteht. Diese Nudeln schmecken in Butter geschwenkt vorzüglich. Ein einfacher Salat dazu genügt. Beim Entsaften heben diese Bauern die Festteile auf, die sie fur Pestos verwenden. In besonderer Weise verwertet die Familie Haider in Unken (Salzburg) Bärlauch zur Aufwertung ihrer exquisiten Nudelprodukte. Zwiebel- und Blattansätze in Schnäpsen, Essig und Ol verwenden viele Leute als Entschlackungsmittel im Winter. Die Bereitung von Bärlauchkapern Eine weitere kulinarische Bevorratung der Bärlauchmedizin erfolgt folgendermaßen: Weißwein halb mit Kräuteressig in einem Geschirr kurz aufkochen und die noch gut verschlossenen Blütenknospen dazugeben und ziehen lassen. Eventuell kann mit geringen Gewürzmengen kleiner Lorbeerblätter, Schwarzpfeffer oder Paprika abgeschmeckt werden. Heiß in Gläser einfüllen, mit einer Olschicht versehen und mit Drehverschluß zumachen. Diese Kapern verwendet man für Salate oder als zierende Beilage zu verschiedenen Gerichten. Einige Arten der Essig-, Schnaps- und Olansätze Bärlauchblätter feingeschnitten etwa zur Hälfte dem Essig beigegeben, ergeben einen würzigen Geschmack und kann so als ein besonderer Würzessig verwendet werden. Auch mit den noch geschlossenen Blütenknospen kann man dies machen. Bei den Ansätzen kommt der schwefelhaltige Ge-

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Bärlauch

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schmack besonders stark zur Wirkung. Die ausgezogenen Inhalte sind zur Förderung der Verdauung von Bedeutung. Die Heilwirksamkeit von Essenzen bringt aber nur durch längere Zeit ihrer Anwendung eine Heilwirkung. Blätter grobgeschnitten in Korn oder Obstler angesetzt, ergeben einen leicht nach Lauch schmeckenden, erfrischenden Schnaps, der den Darmwürmern entgegenwirken soll und wunderbar für die Reinigung der Blutgefäße ist. Die frischen, weißen Scheindolden-Blüten in einer Menge von etwa 50 bis 70 g in einem Liter Ol angesetzt, ergeben bereits nach zwei Wochen ein feinaromatisches Kräuteröl fur den Salat. Bärlauchzwiebeln Man kann die länglichen Zwiebeln des „Waldlauchs" ohne weiteres roh essen. Sie werden zu Beginn des Sommers und im Herbst, wenn sie am meisten Inhaltsstoffe haben, gegraben. Die äußere, durchsichtige Nährschuppe entfernt man. Kleingehackte Zwiebeln etwas gesalzen, mildern den scharfen Geschmack. Die Zwiebeln regen besonders stark die Durchblutung des Verdauungssystems an. Bei Geschwüren und Entzündungen sind sie deshalb vorsichtig in der Ernährung einzusetzen.

Wenige Zwiebeln können im Winter gegraben werden, um geeignete Mittel zum Abtreiben der Darm würmer zu gewinnen. Feingeschnitten aufs Butterbrot gelegt, helfen die Zwiebel der Reinigung unserer Blutgefäße.

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I Im Frühling

Man kann sie auch zerkleinert in 70%igen Alkohol ansetzen. Nach einigen Wochen riecht der Ansatz wie nach eingelegtem Knoblauch, und es bildet sich eine schleimige Konsistenz. Etwa zwei- bis dreimal je 15 Tropfen am Tag wurden davon vor den Mahlzeiten zwei Wochen lang eingenommen. Bei Verdünnung ist die Wirkung der Blut- und Blutgefäßreinigung abgeschwächt. Die Zwiebeln können auch gewaschen und evtl. längs in der Hälfte auseinandergeschnitten und in Cognac eingelegt werden. Dieser getrunken, ist fur den Magen gut, und äußerlich damit die Gelenke eingerieben, sollen die Verspannungen und Krämpfe in diesen aufheben helfen. Mehrere Zwiebeln zerstampft und drei Tage lang in einem Viertel Weißwein angesetzt, soll dreimal täglich in etwa mit 20 Tropfen eingenommen ähnlich gut wirksam sein. Für entschlackende Kuren In Kärnten nannte eine Kräutlerin den Lauch als „ein kleines Feuer", das gegen die Verkalkung der kleinsten Blutgefäße und in den Extremitäten einheizt. Wegen Arterienverkalkung sind Bärlauch wie auch andere Lauchrezepte von klein auf zu sich genommen worden und vorbeugend empfohlen. Die Gefäße werden dadurch erweitert. Dies steht aber mit der üblichen Ernährung im Zusammenhang. Der Bärlauch wirkt besonders gut gegen Kalkeinlagerungen in die Netzhaut des Auges oder in das Gehirn. Ebenso sei die blutreinigende Wirkung bedacht. Bärlauch reinigt den ganzen Körper, löst Giftstoffe und hilft diese auszuscheiden. Die Natur bietet eine bestimmte Zeit lang nahrhafte Nahrung an, welche dann im Wechsel zu anderen gesunden im Jahreslauf abgelöst werden. Im Frühjahr werden mit Bärlauch Frischsaftkuren durchgeführt, die drei Wochen lang dauern und eine Woche Pause beinhalten, ehe noch einmal zwei Wochen lang die Kur fortgesetzt wird. Zur Verdünnung nimmt man Wasser, Milch oder Joghurt und Wasser. Auch als Salat wird Bärlauch in größeren Mengen zubereitet und entspricht, mehrmals hintereinander ζ. B. abendlich eingenommen, einer Lauchkur.

Weitere heilkundliche Bedeutungen Diese Lauchart hat eine sehr große Wirksamkeit bei Magen- und Darmkatarrhen und fördert die Gallensekretion. Menschen, die häufig an Verstop-

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Bärlauch

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fungen, knollenhartem Stuhl, Blähungen oder an Appetitlosigkeit leiden, sei die Verwendung von Bärlauchgerichten — roh wie verarbeitet — geraten. Bei stärkeren Unterleibskrämpfen wurden Bärlauchfrischgerichte gegessen. Laut B Ö R N G E N ( 1 9 6 9 ) enthält der Wilde Lauch einen Uteruswirkstoff, der lang dauernde Kontraktionen hervorruft. Bei Hautkrankheiten und Schuppenflechten macht man Umschläge aus zerriebenen Blättern oder Zwiebeln. Ebenso werden gequetschte Blätter zur Wundreinigung und bei schlecht heilenden Wunden äußerlich aufgelegt oder der Saft aufgetragen. Bei erhöhtem Blutdruck wirkt er schwach senkend. Weiters sagt man dem Lauch bei Rheuma, bei Leberleiden, zur Spülung bei Weißfluß und als Lungenmittel eine gute Wirkung nach. Da bei Einnahme ätherische Stoffe auch über die Lunge wieder ausgeschieden werden (es entsteht Mundgeruch), wird er auch bei Atemwegserkrankungen angewandt. Er wirkt auswurffördernd bei Lungenverschleimung.

Der „ Wurmlauch " Aber auch in Gängen der Verdauung sollen die frischen Blätter keim- und wurmtötende Wirkung haben. Wegen der leicht antibiotischen Wirkung eignet sich der frische Bärlauch hervorragend fur Wurmkuren. Spul-, Faden- und Madenwürmer werden mit rohem Bärlauch und vor allem durch den Genuß von Zwiebeln abgetrieben. Auch krankmachende Darmflora wird damit reguliert, und es kommt der Darm zur Reinigung. Weil er Krankheitserreger desinfiziert und als Vorbeugungsmittel gegen Infektionskrankheiten wirksam ist, bezeichnet man in Kärnten den Waldlauch als „Russisches Penicillin". Mit Zwiebeln in Milch gekocht macht man 10 Tage dauernde Spülungen und ißt gleichzeitig rohe Lauchzehen, Gurken oder Karotten. Und am Morgen wird nur schwarzer Kaffee getrunken. „Wem es wurmt", wer also unter Darmparasiten leidet, für den gibt es derlei viele Mittel als „Darmreiniger", und W L L L F O R T schlägt dahin gehend weitere altbewährte Anwendungen vor.

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I Im Frühling

Erfahrungen mit der Inkulturation von Bärlauch (Allium ursinum) der Natur abgeschaut In den letzten Jahren horteten Leute in verschiedenen Regionen große Bärlauch-Mengen für gewerbliche Zwecke. Auf verschiedenen Märkten verlangte man beim Verkauf horrende Preise. In mancher Region erwog man deshalb eine Unterschutzstellung oder rationiert zugelassene Sammelmengen. Aber mit solchen restriktiven Maßnahmen kann man das Sammeln in der Natur nicht regulieren. Deswegen sei vielmehr auf die Möglichkeit des Anbaus hingewiesen, der seit vielen Jahren von einigen Gärtnern mit Erfolg praktiziert wird. Herrn Rupert ZOLLWEG aus Schwarzach im Pongau (Salzburg) sei auf diesem Weg fur viele Hinweise herzlich gedankt.

Das Vorkommen Von Natur aus besiedelt der Bärlauch schattige, humus- und nährstoffreiche, frisch-feuchte Laubwaldstellen auf sogenannten Mullböden. Er bedeckt meist auch Standorte entlang der Bachläufe und Auen in großen Flecken. Aus den Beobachtungen des Vorkommens dieser Pflanze im Wald und am Waldrand können Schlüsse fur eine gärtnerische Inkulturnahme gefolgert werden. Der Bärlauch kann auch mit humosen, sandigen, tonigen bis lehmigen Böden, ähnlich wie sie in den Flußauen durch die Schwemmsande bedingt sein können, auskommen. Der Lehm- und Humusanteil hält in den Poren das Wasser und sichert frische Standortverhältnisse zumindest bis in den Sommer hinein und ist dem Gedeihen des Bärlauchs förderlich. Zu feucht oder zu trocken sollen die Standorte nicht sein. Das Vorkommen erstreckt sich häufig auf Urgestein, Mergel und auf Flysch. Die Pflanze meidet grundsätzlich Kalk und kann doch unter dem Einfluß geringen Kalkgehalts existieren. Der „Wilde Knoblauch" kommt auch vereinzelt in den niederen Teilen des Gebirges vor, wo er vermutlich über Generationen in Kultur gehalten wurde. Äußerst selten findet man Bärlauch als Gartenpflanze, weil sie wegen des starken Geruchs beim Einziehen der Blätter verabscheut wurde.

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Im Frühling möchte man am liebsten den Bärlauch in den Garten hereinholen. Er läßt sich im Garten ohne viel Aufwand in Kultur nehmen. Nach drei Jahren kann bereits geerntet werden.

Der Bärlauch in Kultur

genommen

Von Natur aus vermehrt sich der Bärlauch generativ über Samen oder Blütenzwiebelchen oder vegetativ über die Teilung der länglichen Zwiebeln im Boden. Für den gärtnerischen Anbau ist Augenmerk auf die Vorbereitung des Beetes, auf Nährstoff- und Wassergehalt, auf die Förderung der Mist- und Regenwürmer durch geeignetes Futtermaterial und die Abdeckung der Flächen im Sommer und Herbst zu schenken.

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I Im Frühling

Zur Beetvorbereitung Bevor Bärlauch angebaut werden kann, haben sich zwei Vorgangsweisen der Beetvorbereitung bewährt: Etwa ein halbes bis ein ganzes Jahr lang erfolgt das Abdecken mit mehreren eingeschwerten Kartonschichten, die später entfernt werden. Damit erstickt man den vorherigen Aufwuchs und bekommt nach der Abdeckung einen offenen und durch die Bodenlebewesen gar gemachten Boden. Oder man gräbt ein Beet um und lagert nach der jeweiligen Laubverrottung mehrmals im Jahr je eine Packung von etwa 20 cm Laub darauf, damit kein Unkraut aufgehen kann. Bevor man die Zwiebeln einsteckt, entfernt man das bestehende Laub und deckt dann flächig wieder ab. Mit der guten Bodendurchfeuchtung erfahren die eingesäten, harten Samen eine Feuchtwerdung und später eine Frosteinwirkung. Diese benötigen sie als Einstimmung zur Keimung. Hingegen deckt man bei Pflanzungen zwischen den Setzlingen ab bzw. ist bemüht, aufkommendes Unkraut zu entfernen.

Zwiebeln und Setzlinge Eine Vermehrung funktioniert am besten über Zwiebeln und kleine Pflänzchen. Mittels Samen erfolgt ein langsameres Zuwachsen und anfänglich eine verzögerte Vermehrung. Werden getrocknete Samen geerntet, so sollen sie sofort angesät, wenn möglich leicht eingebaut und mit Laub abgedeckt werden. Allerdings zeitigen gekaufte Samen keinen gesicherten Erfolg, wie Keimfähigkeitsprüfungen gezeigt haben. Zwiebeln, Pflänzlein oder Samen kann man sich von den natürlichen Wuchsorten holen oder aus Gärtnereien beziehen. Das Aussetzen gezogener Pflanzen soll im Frühjahr erfolgen. Beim Zeitpunkt kopiert man die Rhythmen der Natur. Im Herbst kann man Zwiebeln etwa 10 cm tief in die Beetflächen stecken oder die geernteten Samen 1—2 cm tief einarbeiten und mit Laub abdecken. Nach einer langsamen Anwuchszeit vermehrt sich der Bärlauch ständig ausbreitend, weshalb nach einigen Jahren frühzeitig die Samen entfernt werden sollten, damit er sich nicht im ganzen Garten ausbreitet. In Schwarzach hatte sich eine Beeteinfassung bewährt, aber selbst diese wird von den generativen Teilen überwunden. Meist verbreiten Ameisen die äußerlich süßen Samen und tragen so zu einer Vermehrung des Bärlauchs an geeigneten Gartenstellen bei.

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Bärlauch

I

In den ersten beiden Jahren treiben die Pflanzen mit kleinen, meist schmalen Blättern aus. Erst danach sollte geerntet werden, da der Bärlauch die Speicherstoffe zur Vergrößerung der Zwiebel benötigt. Erst mit der Ausbildung von Blüten ist eine halbwegs ausgewachsene Pflanze gegeben. Je nach Zuwachs und Standortvoraussetzungen können nach 5 Jahren auch Zwiebeln fur den Nahrungs- und Vermehrungsgebrauch entnommen werden.

Uber die natürliche Düngung Als Vorbild zur Kultivierung dienen die Waldstandorte. Eine ausreichende Düngung ist über die dicken Laubauflagen nach dem Blatteinziehen im Sommer gegeben. Die untersten Laubschichten verrotten langsam, wodurch Nährstoffe freigesetzt werden und zur Verfugung stehen. Je nach Abbau soll das Laub nach und nach ergänzt werden, damit eine ständige Abdeckung und somit ein Verdunstungsschutz besteht. Wer nicht lange warten möchte, kann mit dem Einbringen von Regen- und Mistwürmern den Laubabbau und Humusaufbau zusätzlich fördern. Die Würmer erzeugen den notwendigen Humus für einen gedeihlichen Ertrag an Bärlauchblättern. Die Mist- oder Kompostwürmer ernähren sich stärker von den organischen Teilen - vermoderndes Laub - , und die Regenwürmer benötigen eher eine Mischung aus Tonmineralien mit Humusstoffen.

Laubabdeckung und

Mistwurmforderung

Es kann vermutet werden, daß der Regenwurm von der vorherigen Durcharbeitung des Laubmoders der Kompostwürmer profitiert. Der Regenwurm durchmischt und schichtet die oberste Bodenzonen um. Er frißt sich förmlich durch den Boden durch und fördert somit die Bildung von Tonhumuskomplexen, welche für die andauernde Feuchthaltung des zukünftigen Bodens wesentlich sind. Auch für die schwefelliebenden Mistwürmer ist ein hoher Grad an relativer Feuchtigkeit notwendig. Deshalb können die über das Jahr angesammelten und separat gelagerten Zwiebelschalen in diese Laubpackungen als Mistwurmnahrung eingeschichtet werden. Auch die Einbringung echter Fichtennadeln (Picea abies) kann die Mistwürmer fördern.

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I Im Frühling

Sommerliche Beschattung ist notwendig Die Beschattung oder Halbschatten während des Sommers sind dem Bärlauch zuträglich. Bei voller Besonnung ist das Gedeihen erschwert. Deshalb hat sich eine Pflanzung unter Bäumen oder an den Schattenseiten entlang der Sträucher oder Laubhecken bewährt. Vom Herbst bis ins Frühjahr können diese Gehölze laubfrei sein, damit die Sonnenstrahlen den Boden erwärmen und das Antreiben der Zwiebeln bewirken können. Eine sommerliche Beschattung ζ. B. durch benachbartes Obstgehölz hat den Vorteil, daß der Boden nicht so leicht austrocknen kann. Bei den Beispielen des Bärlauchanbaus befindet sich stets im Süden ein Baum oder nahe liegender Strauch, welcher im Hochsommer die Anbaufläche beschattet. Direkte Mittags- und Nachmittagsbesonnung soll vermieden werden. Kommt es zu einem Fruchtfolge bedingten Beetwechsel, so kann durch den Gehölzschnitt das Sonnenquantum auf den Beetflächen beliebig reguliert werden.

Abdecken mittels Kulturpflanzen Ab Juni erfolgt je nach regionalem Klima bereits der Abbau der oberirdischen Teile und der Rückzug der Inhaltsstoffe in die Bodenzwiebel. Die Blätter beginnen zu vergilben, und die Blütenstengel bleiben übrig. Damit auf den offen werdenden Stellen kein Unkraut aufkommt, fördert man die Ausbreitung der im Nachbarbeet gepflanzten Kürbisse, die mit den ausladenden, am Boden „dahinkriechenden" Verzweigungen im August die Flächen des Bärlauchbeetes vollständig abdecken können. Der Kürbis und vereinzelt ausgesäte und bald geerntete Ringelblumen nehmen das Beet voll in Beschlag. Dieses Zulassen und Lenken der Kürbiswanderung kann frühzeitig mit dem Ausbringen von Komposterde in der Benachbarung des Bärlauchbeetes gefördert werden. Auf diese Weise erzielt man einen sommerlichen Verdunstungsschutz des dauerhaften Bärlauchbeetes.

Konkurrierende Kräuter mit einer Laubabdeckung

eindämmen

Und im Herbst wird zur Einwinterung und als Feuchtigkeitsschutz mit Laub, ζ. B. von den Obstgehölzen, abgedeckt. Eine erste Zwiebelschalen-

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Die Bedingungen der freien Natur dienen als Vorbild für die Inkulturation: Nach der Blattvergilbung und dem Einziehen des Bärlauchs ist eine dicke Laubabdeckung wesentlich. Zur Fütterung der Regen- und Kompost· oder Mistwürmer ist vor allem in den ersten Jahren die Beigabe von Zwiebelschalen empfehlenswert.

Die Bedeckung mit Laub ist als Verdunstungsschutz und zur Hintanhaltung konkurrierender Kräuter bis zum Winter mehrmals zu ergänzen oder mit Ceäst einzuschweren. Im Frühjahr durchdringen bald die zarten Blätter die Laubschicht.

I Im Frühling

packung wird mit darüber gelagertem Laub abgedeckt. Die schwefelliebenden Mistwürmer, welche die Blätter und das Laub konsumieren, haben sich auch in den Kompost- und Wurmkisten, wo wir sie mit Zwiebelschalen und organischen Haushaltsabfällen fütterten, hervorragend bewährt. Anhand des Regenwurm- und Mistwurmkotes kann die Vermehrung der Würmer abgelesen werden. Zudem ist häufig das Beet zu gießen, damit das abdeckende Laub zuunterst feucht bleibt. Im Herbst kann nochmals eine Laubpackung fur die Überwinterung aufgelegt werden. Soweit es notwendig erscheint, wird das Beet gejätet, aber selten kommen andere Krautige oder Gräser auf. Lediglich Brennessel und Löwenzahn können sich ab dem Einziehen des Bärlauchs ansiedeln, sodann den Raum gut ausnützen und bis zum nächsten Jahr so viel Kraft speichern, daß sie den Bärlauch verdrängen. Auf ihre Entfernung wird stets geachtet, indem sie für Speisen gewonnen werden.

Der „Meister aus dem Walde" (Galium odoratum) zum Aromatisieren von Speisen - für Bowle,Tabak, als Mottenmittel und zum Brateneinwickeln Wegen seines Cumarin-Gehalts warnen heute verschiedene Wissenschafter vor der Verwendung des Waldmeisters. Es dürfte sich dabei aber um die Frage der verwendeten Dosierung drehen. Denn aus mündlichen Uberlieferungen existieren äußerst interessante Gebrauchsgeschichten, welche auf Erprobungen und das Wissen der Vorgenerationen beruhen. Kräuterkundige empfehlen das blühende Kraut, andere das Sammelgut vor der Blüte zu ernten. Mit diesem unterschiedlichem Erntegut konnte man jeweils verschiedene Wirkungen erzielen.

Zum Vorkommen Der Waldmeister (Galium odoratum) kommt vorwiegend im nährstoffreichen und schattigen Wald unter Buchen, Eichen und Hainbuchen hügeliger und gebirgiger Gegenden vor. In Buchen-, Tannen- oder Eschenwald zeigt er

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Der Waldmeister kommt in den Edellaubwäldern vor und kann ohneweiters im Garten angebaut werden und als nutzbarer „Bodendecker" unter oder am Rand von Gehölzen dienen, da er sich gut ausbreiten kann.

Standorte mit ausgewogenem Luft- und Wasserhaushalt an. In Fichtenwäldern deutet er auf ehemalige Buchenbewaldung hin. Er benötigt schattige, sommerwarme Laubwälder mit Mullhumus oder mullartigem Moder. Der „Meister aus dem Walde" hat unterirdisch kriechende Sproß- oder Wurzelachsen und treibt daraus zahlreiche vierkantige Stengel mit einer Höhe von ca. 2 0 - 2 5 cm aus. Im Mai und Juni kommt er zum Blühen. Die weiße Blüte ist endständig über den Quirlen. „Waldmännlein" nennt man die Pflanze, weil seine lanzettlichen, flachen Blätter in Quirlform übereinander auf einer zarten, vierkantigen Stengelachse sitzen. Die grasgrüne Pflanze riecht beim Reiben aromatisch nach Heu, vor allem wenn man sie nach der Blüte ab Mai trocknet („Maikraut"). Durch den Welkungsvorgang hervorgerufen, strömt der Cumarin-Geruch entgegen.

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I Im Frühling

Einst eine Kulturpflanze Geschickte Bäuerinnen kultivierten den Waldmeister als Nutzpflanze. Sie siedelten ihn mittels Stecklingen im Schatten eines Strauches im Bauerngarten an. Er benötigt zum Gedeihen halbschattige Bereiche ohne direkte Sonneneinstrahlung. Die Blätter, ganze Pflanze bzw. Blüten werden vor bzw. während der Blüte ab den Monaten Mai und Juni geerntet. Wird vor dem Aufgehen der Blüte gesammelt, so dürfte der bedenkliche Cumaringehalt niedriger liegen. Allgemein sollte man damit nicht allzu viele Gerichte hintereinander zu sich nehmen, da er die Blutgerinnung hemmt und bei Frauen die Regelblutung auslösen kann. Bei Uberdosierung, ζ. B. bei der Zubereitung eines Waldmeistertees oder einer Bowle, können Kopfschmerzen und langfristig Krebserkrankungen auftreten. Vor unsachgemäßem Gebrauch muß gewarnt werden. FROHNE (2002) vermutet: „Unerwünschte Wirkungen dürften bei Verwendung der Droge nicht zu erwarten sein."

Der Waldmeistertee als Arznei verwendet Gegen Hautausschläge und bei Wassersucht wurde früher ein Aufguß empfohlen. Zur Erholung nach schwerer Krankheit wurde wenig Trockengut davon zu doppelten Teilen mit Erdbeerblättern vermischt zu einem Tee bereitet. M i t Milch versetzt und gesüßt, diente er als stärkendes Mittel nach längerer, kraftraubender Krankheit. Eine Mischung aus Himbeer-, Brombeer- und Erdbeerblättern mit dem Waldmeisterkraut ergab einen gesunden Haustee. Etwa 5—10 Gramm des getrockneten „Teekrauts" wurden auf einen Liter Wasser verwendet und etwa fünf Minuten ziehen gelassen. Dieser Tee war gegen Wassersucht, Gelbsucht, Griesleiden, Milzund Leberkrankheiten im Volksmund empfohlen worden.Vor der Blüte gesammelt, wirkt er mild beruhigend und krampflösend. Er gilt als blutreinigend, und bei der Verwendung als Tee soll er im Frühjahr auf das „ermüdete" und unrhythmische Herz und die Leber eine wohltuende Wirkung haben. Deshalb nennt man ihn im Volksmund auch „Herzfreund" und „Leberkraut". Alte Leute verwendeten ihn als Schlafmittel sowie bei Darmstörungen, Migräne, Schwermut und Wassersucht oder bei trübem Harn. Der Tee ist antiseptisch, antiödematös, verdauungsfördernd und schweißtreibend. Dietrich FROHNE (2002) schreibt: „Es muss allerdings

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Der „Meister des Waldes" duftet im blühenden, welken und trockenen Zustand nach Heu, da Cumarin freigesetzt wird. Erfand als Mottenanlock-, Aroma- und Heil- oder Tabak- und Räucherpflanze Verwendung.

bezweifelt werden, ob die Droge mit ihrem relative geringem Gehalt an Cumarin einen therapeutischen Effekt hat."

Als Mottenmittel

und Tabak

Das getrocknete Kraut in einem Leinensack unter die Wäsche des Kleiderschranks geschoben, diente als Mottenmittel. So wird es zumindest erzählt, aber Vorsicht: Waldmeister kann natürlich aufgrund des Cumaringeruchs Motten anlocken, welche dann die wertvolle Wolle bearbeiten. Deshalb müssen vermutlich Mottenfallen gebastelt werden, wo die Pflanze als Lockmittel verwendet wird und die Motten gefangen werden. Dazu habe ich aber noch keine unmittelbaren Erfahrungen gemacht, es will aber vor oberflächlicher Verwendung gewarnt sein.

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Waldmeisterblätter während der Blüte gesammelt, wurden auch als Tabak verwendet. Dazu mischte man Blätter des Huflattichs oder der Pfefferminze, oder fermentierte Himbeer- oder Hanfblätter. Wegen seines süßlich-aromatischen Geschmacks wurde er in kleinen Mengen für Pudding und Liköre wie Bowlen, Gelees, Mischsirupe und Obstsuppen verwendet. In kleineren Gaben diente er in Obstsalaten als Würze.

Als Aromastoff verwendet Das noch nicht blühende Kraut aber auch einzelne Blüten werden frisch für Limonaden und Sirupe eingesetzt. Diese stellt man ähnlich wie Hollersirup her. Aber auch als Genußmittel stand er im Gebrauch. Im Schatten rasch getrocknet, eignet er sich in geringen Mengen für Salate, zur Beimischung in die Diät- und Rohkost, Kompotte, Süßspeisen ... Auch in das Wind- und verschiedenem Weihnachtsgebäck beigegeben, diente der Waldmeister einer geschmacklichen Aufwertung. Er wurde allerdings auch zum Würzen verschiedener Saucen gebraucht und zur besseren Verdauung von fettem Fleisch. Schweine- und fetter Kalbsbraten wurde im Waldmeister eingewickelt und in das Ofenrohr zum Dünsten geschoben. Das Fleisch nahm die Inhalts- und Geruchsstoffe in den Braten auf und gleichzeitig wurde der Fleischgeschmack übertüncht. Das Fett dürfte dadurch offenbar einer besseren Verdauung dienen und das Gericht roch nach Heu.

Die Maibowle Aus frischen Waldmeisterblättern wurden Bowlen gemacht. Man sammelte das Kraut um die Blüte im Mai, deshalb sprach man von der „Maibowle". Zwei oder drei kleine mit Zwirn gebundene Sträußchen wurden über die Nacht in vier Liter Wein eingelegt, am Morgen oder Vormittag entfernt und die Bowle mit gesüßtem Wasser oder Sekt verlängert und nach der Mittags- oder Abend-Mahlzeit getrunken. Oder man nimmt eine gute Handvoll ein bis zwei Tage angewelktes Kraut und setzt es eine bis zwei Stunden lang in einem Glas- oder Steingutgefäß mit etwa zwei Liter Weißwein an. Die Anwelkung läßt einen Teil des Cumarins entweichen. Zum Ansatz gibt man ein Viertel Kilo Zucker und rührt diesen auf. Das Gefäß wird zugedeckt und eine halbe Stunde

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Die kräuterkundige Adelheid PfandI aus St. Oswald-Möderbrugg (Obersteiermark) verwendet den Waldmeisterfür die Maibowle und als Schutz vor unliebsamen Fotografen.

lang stehengelassen. Danach rührt man einmal den Ansatz durch und siebt ab. Der aromatische Geruch ist nun im Wein, und dieser kann bald getrunken werden, da er den „Heugeruch" langsam verliert. Will man einen intensiveren Waldmeistergeschmack, so nimmt man mehr Kraut. Fälschlicherweise glauben Könner, die Intensität nehme mit der Länge des Ansetzens zu. Das ist ein Irrtum, denn dadurch entsteht eher ein unangenehmer bis bitterer Geschmack mit möglichen gesundheitsschädlichen Folgen. Zwischendurch kostet man deshalb den Ansatz für die Entscheidung der Entfernung des Krauts. In Spiritus eingelegt In einem Wiener Hinterhof eines ehemals ebenerdigen Hauses fanden wir bei Brunnenarbeiten in einer Tiefe von etwa 7,5 m eine mit Kräutern gefüllte, aber aufgebrauchte alte Spiritusflasche. Darin waren folgende Kräuter gut erhalten, obwohl der Spiritus oder Schnaps schon verbraucht war: jährige und zweijährige Fichtentriebe, Waldmeisterblätter, grüne Wal-

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I Im Frühling

nußschalen und unreife grüne Nüsse geschnitten, Wacholderbeeren und junge Zweige davon, Früchte von Dirndl und Weißdorn sowie Heidelbeerblätter. Die Ingredienzen dürften je nach Sammelzeit laufend dazugemischt oder als Trockengut bevorratet und dann als gesamte Mischung angesetzt worden sein. Er diente als Verdauungsschnaps. In Oberösterreich verwendete ein Bauer den Waldmeister zum Aromatisieren des Obstlers. Dadurch kann ein weiteres Schnapsprodukt feilgeboten werden. Im Gebirge greift man auf das dort vermehrt vorkommende Gewöhnliche Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) zurück, welches ebenfalls Cumarin enthält. Dort dient es ebenfalls zum Aromatisieren von fettem Braten und Schnäpsen.

Blütenessigansätze und Kapernersatz Die Blüten und das junge Kraut der wildwachsenden Pflanzen verlocken zum Genuß. Besonders im Frühling, wenn alles zu sprießen beginnt, können die zarten Pflänzlein als Spargelgemüse zubereitet und verschiedene Knospen als Kapern angesetzt werden. Den Sommer über kann die Pracht der Blüten für Essigarten zum Aromatisieren Verwendung finden. Dabei werden Inhaltsstoffe ausgezogen und über die Trägersubstanz als Heilmittel verfügbar gemacht. Das wildwachsende Spargelgemüse ist nicht nur sehr dekorativ, sondern sehr heilwirksam und geschmacklich eine Bereicherung unserer so zahm und ungesund gewordenen Nahrungsmittel. Weitere Erfahrungen über Kräuter-, Blütenessigansätze und Kapernersatz sollen näher ausgeführt werden. Sowohl für die Verwendung der Blüten für Blütenessige als auch für das Einlegen von Sproß- und Blütenknospen sind verschiedene Essigarten möglich. Für das Auge von Vorteil sind geklärte Essigarten. Weißweinessig, geklärter Mostessig oder vorher mit Kulturkräutern verfeinerte Essigarten bieten geeignete Grundlagen für Ansätze.

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Die Malven nennt man wegen der käselaibähnlichen Fruchtstände auch „Käsepappeln". Wenn man sie im grünen Zustand kaut, bildet sich eine schleimige Kaumasse und entfaltet sich ein teils nußähnlicher Geschmack.

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I Im Frühling

Im Frühjahr eignen sich die frischen, intensiv blau bis violett gefärbten Blüten des Duftveilchens (Viola odorata) zum Aromatisieren von Speisen und unmittelbar in der Tischessigflasche eingefüllt der Verfeinerung unserer Salate. Lagern die Blüten länger in Essig, so verlieren sie die Farbe.

Uber Kräuteressige Prinzipiell kann folgendermaßen bei der Kräuteressigzubereitung vorgegangen werden: In Gläser werden die frischen Blüten oder geschnittenen Kräuter locker eingefüllt. Bei den sonneliebenden, stark ätherisch riechenden Kräutern und ihren Samen empfiehlt sich das Zermörsern oder Quetschen des einzulegenden Pflanzgutes, damit die Wirk- und Aromastoffe leichter austreten können. Darüber gießt man den erwärmten Essig und verschließt mit dem Deckel. Bei den Verschlüssen haben sich essigsäurefeste Materialien bewährt. Während der zwei- bis vierwöchigen Stehzeit am Fensterbrett soll das Glas täglich einmal geschüttelt werden. Ist der Geschmack nicht zur vollen Befriedigung ausgefallen, so kann neuerlich das Glas mit denselben Kräutern gefüllt und mit Kräuteressig übergössen werden. Mit verschiedenen Hilfsmitteln, wie ζ. B. Honig, Salz oder Beerenextrakten, kann zusätzlich eine Abschmeckung erfolgen. Nach oder vor der Zugabe dieser zusätzlichen Geschmacksmittel kann, muß aber nicht abgefiltert und mit einem Papier- oder Stoffilter geklärt werden. Danach kann in Flaschen abgefüllt werden. Diese können verschlossen im Keller gelagert werden. Im Gegensatz zur Konservierung in Alkohol sollten Essigbevorratungen binnen zweier Jahre verbraucht werden.

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Blütenessigansätze und Kapernersatz I

Die milden Blüten und scharf-würzigen Blätter der Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) dienen dem Abschmecken der Salate und Gemüsegerichte. Mit den zubereiteten Kapern aus den Fruchtständen lassen sich weitere Bereicherungen in Geschmack und den Kreislauf gesund erhaltende Lebensmittel zubereiten.

Blütenessigflir

den Geschmack und für das Auge

Die Verwendung der Blüten für wunderschöne und geschmacklich gute Essigarten wird heute selten wahrgenommen. Dabei ginge die Zubereitung ganz einfach. Man füllt den Weißweinessig in eine schöne Flasche ein und gibt jeweils die Blüten bei. Damit die Farbe der Blüten entsprechend zur Geltung kommen kann, empfiehlt sich, die einzelnen Flaschen mit jeweils nur einer Blütenart zu versehen. Nachteil gegenüber den Olauszügen ist bei der Verwendung von Essig, daß auch die Blütenfarben ausgezogen oder verwandelt werden und sie ihre schöne Farbe verlieren können. Nicht vergessen werden soll, daß diese Art der Ansätze heilsame Auszüge darstellen. Essig dient der Bevorratung der Wirk- und AromastofFe. Aber wohldosiert sollen sie eingesetzt sein und bei Unsicherheit einiger Arten stets wenig Menge verwendet werden.

Verwendbare

Pflanzenarten

Im Frühjahr können die Blüten von Duftveilchen (Viola odorata), Gänseblümchen, Löwenzahn oder Schlüsselblumen, Vergißmeinnicht, Fichte, Lärche oder Ahorne gesammelt werden. Die Kombination ζ. B. der beiden separaten Ansätze von Duftveilchen und Gänseblümchen kommt laut Peter

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Rosenblütenblätter in Essig wasser angesetzt, ergeben einen Heiltrank bei Lungentuberkulose, Husten und Darmstörungen und eine neue Geschmacksnuance.

Blühende

und fruchtende

Köpfchen

des

Spitzwegerichs (Plantago lanceolataj mit erwärmten Essigwasser angesetzt und in Gläsern bevorratet, liefern ein Knabbergemüse, Würz- und Heilmittel für den Winter.

Wenn der Huflattich (Tussilago farara) die blütentragenden Sprosse austreibt, können sie vor dem Aufblühen für Spargelgerichte genützt werden.

KRULETZ bei Beschwerden der Lunge besonders gut zur Wirkung. Für größere Blüten sind Gläser und Glasflaschen mit einer weiten Öffnung von Vorteil, damit ζ. B. die ausladenden Blüten von Bärlauch oder Schnittlauch, Kapuzinerkresse usw. nicht hineingestopft werden müssen und ihr Aussehen darunter leidet. Im Sommer können jene von den Doldenblütlern, Wiesenkerbel, Giersch, Kümmel, Angelika, Mutterwurz, Pastinak, Fenchel, Anis oder Bärenklau verwendet werden. Nicht zu vergessen sind die Blüten der Wermutarten, Nachtkerze, Königskerze, Rotklee, Duftjasmin und Linden.

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Die nasse Wiese Adrians mit Sumpfdotierblumen diente als Kapernlieferant.

Von den Naßwiesen sammelten die Bauern und Landlosen die fest verschlossenen Blütenknospen der Sumpfdotterblumen als Kapernersatz, um sie für den Winter zu bevorraten. Die Wirkstoffe im Essigwasser ausgezogen und über Salatbereitungen aufgenommen, halfen ζ. B. bei Celenks-, Rückenbeschwerden und Gicht.

Den Duft

aufl?ewahren

Bis zum Herbst eignen sich die Blüten des Lavendels, Oregano/Dost, Thymians und Salbeis oder der Pfefferminze, wobei hier selbst die verschiedenen Arten und Sorten gravierend unterschiedliche Geschmäcker hervorbringen. Mit Malvenblüten kann gefärbt und Saponine ausgezogen werden. Die Blüten von Mädesüß, Waldmeister und Ruchgras oder Schwarzem Holunder in Essig eingesetzt, waren zur Gewinnung von Aromen verwendet worden.

Würzender Essig Mit den Blüten von Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) bekommt man einen würzigen und mit einer Mischung von roten Rosenblütenblättern mit einer Handvoll Himbeeren erhält man eine süße Essenz zum Würzen der Salate. Die Blätter der Rosenblüten in Essigwasser angesetzt, verwendete man für einen Heiltrank bei Lungentuberkulose, zur Schleimlösung bei Husten, bei Darmstörungen, Weißfluß usf. Bekannt ist die stimmungsaufhellende, nervenstärkende Heilwirkung dieser Blüten.

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I Im Frühling

Auch mit einigen zerdrückten Beeren der Judenkirsche (Physalis) läßt sich ein schön gefärbter Essig zubereiten. Kombinationsmöglichkeiten mit kultivierten Würzkräutern wie ζ. B. mit etwas Estragon schmecken ebenfalls gut. Die Flaschen stellt man zum Fenster und läßt sie mehr als zwei Wochen lang ziehen. Man muß danach nicht unbedingt die Blüten abfiltern, kann dies aber verfolgen, wenn die Blüten verblaßt sind und an Steifheit verloren haben. Bei der Salatzubereitung gibt man dann ein Ol dazu, welches den Blütenessig nicht geschmacklich übertüncht. Empfohlen sei echtes Distel- oder Sonnenblumenöl aus biologischen Anbau. „Gepanschte" Öle haben keinen typischen Geschmack mehr. Wie stellt man Kapern oder Kapernersatz her? Kapern macht man, damit man den Salaten oder verschiedenen Speisen eine Geschmacksaufbesserung mitservieren kann. Gleichzeitig sind sie Mineralstoff- und Wirkstofflieferanten. Sie regen Verdauung und Kreislauf an und dienen der körperlichen Erneuerung. Die geschlossenen Knospen können bevor sie eingelegt werden, ganz kurz in gesalzenem oder Essigwasser aufgewallt werden. Dann werden sie abgesiebt und die Flüssigkeit wird einmal aufgekocht. Diese wird dann in die mit den Knospen gefüllten Gläser gefüllt, welche verschlossen werden. Oder sie werden gewaschen roh in Kräuteressig oder etwas stärker konzentriertes Essigwasser eingelegt. Sie können auch mit Salz bestreut und einige Stunden stehen gelassen werden. Estragonessig ζ. B. steigert noch die geschmackliche Wirkung. Sie können in Salz- oder Essigwasser gelegen nach 4 Tagen schon verwendet oder insgesamt etwa ein Jahr lang gelagert werden. Lindenblüten aromatisieren hervorragend Essig und seine Kapern. Im Winter die Kapern knabbern Verwendet werden die geschlossenen Blütenknospen des Löwenzahns und des Gänseblümchens, wenn sie noch in den Blattrosetten stecken. Weiters dienen dazu die frischen grünen Samen der für Zierzwecke häufig eingesetzten Kapuzinerkresse. Auch die Köpfe des Spitz- und Mittlerenwegerichs probierte ich in Essige einzulegen. Sie waren leicht herb geworden, sind aber in geringer Menge fein zerhackt als Salatwürze hervorragend verwendbar. Obendrein stellen sie eine sehr delikate Medizin dar. Lindenknospen, wenn sie sich schon durch das Schieben in der Größe verdoppelt haben, aber noch fest verschlossen sind, eignen sich ebenso. Ein

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Blütenessigansätze und Kapernersatz I

eigenes Aroma entwickeln geringe Mengen geschlossener Lindenblütenknospen. Hier empfiehlt sich die Beigabe von Wacholderbeeren, Senf- und Pfefferkörner sowie Lorbeerblätter, aber auch Gartengewürze zur geschmacklichen Aufwertung der milden Baumknospen und vielfältigen Nuancierung sind geeignet. Auch das Einlegen der geschlossenen Blütenknospen in einem würzigen Essig-Wein-Gemisch wurde praktiziert: Verwendbare Arten sind Sumpfdotterblume, Kapuzinerkresse, Brunnenkresse, Barbarakraut, Spitzwegerich, Bärlauch, Margeriten ...

Eine kleine Anekdote—Adrian

verteidigte seine

Kapernwiese

Der sehr alt gewordene Adrian weigerte sich seine feuchten Wiesen trockenzulegen, wie es seinerzeit die Agrarpropaganda ihm einzureden versuchte. Für ihn war sie mehr als ein gering produktives Land. Ihm diente sie über viele Jahre als „Kapernwiese". Im Frühjahr, wenn die Blütenknospen der Sumpfdotterblume (Calthapalustris) noch fest verschlossen waren, verbrachte er Tage mit dem Sammeln der Knospen. Er legte sie in Gläser ein, und Florentine, seine Frau, füllte sie mit warmem Essig. Im Keller hatte er einen Vorrat angelegt, damit sie die Salate damit würzen konnte. Einige Gläser dienten als Geschenke, wenn sie bei Besuchen etwas mitbrachten oder tauschten. Als sie eines Tages von den Naturschützern entdeckt wurden, verteidigte Adrian seine Wiese. Hatte er sie seinerzeit vor der industriellen Vereinnahmung bewahrt und mit mühsamer Arbeit der jährlichen Heuernte von der Verwaldung freigehalten, so sollte er sie nun im hohen Alter einer Behörde überschreiben? Einfach am Papier unterschreiben und keine Mahd mehr durchführen? Ihm stieg die Galle hoch, als er merkte, mit wieviel Unverstand sein Gegenüber auf den Schutz der ökologisch wertvollen Wiese bestand. Adrian hatte völliges Verständnis fur den Wert seiner Wiese. Aber er verstand nicht die Argumente, warum er nun diese Wiese nicht mähen und im Frühjahr keinen Kapernersatz mehr ernten sollte. Sie würde zuwachsen. Wie recht er damals hatte. Nach seinem Tod hatte der Naturschutz das, was er wollte, eine ungenützte Fläche, die sich heute schön langsam der Wald zurückholt. Niemand mäht sie mehr, und die vielen buntblühenden Kräuter vergehen unter dem Druck der aufwachsenden Gehölze.

III

2. Im Sommer

Die Wildgemüse- oder Brennessel-Omelettentorte für Eingeweihte

Bei unseren fröhlichen Wildgemüse-Praxisseminaren in den verschiedenen Bundesländern fragen die Teilnehmer immer wieder die Rezepte nach. Im Folgenden möchte ich die Grundüberlegungen und die Verwendung der Omeletten in einer aufgeschichteten Torte anhand des Beispiels mit Brennnesseln wiedergeben. Für die bequemen und die schnellen Köchinnen und Köche sei ein weiteres mit „Un-Kräutern" bereitetes Gericht im zweiten Teil dieses Beitrages kein Gerücht. Woher die Pflanzen stammen? Aus dem eigenen Garten natürlich oder aus der Wildsammlung der freien Landschaft.

Die Spitzen der Brennesseltriebe oder die Blätter können sehr vielfältig als Wildgemüse verwendet werden. Sie enthalten wertvolle Mineralstoffe, Carotinoide, Flavonoide und Vitamine. Getrocknet dienen die Pflanzenteile als Würz- oder Salzstreckmittel.

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I Im Sommer Kochen nach Rezept? Freilich können anstelle der angegebenen Brennesseln auch andere Pflanzen Verwendung finden. Ich denke ζ. B. an alle wilden Spinatpflanzen wie Melde, Gänsefuß, Vogel-Sternmiere, ungiftigen Doldenblütlern oder Bärlauch. Auch mit Lindenblättern läßt sich eine gedichtvolle Variation kredenzen. Die Möglichkeiten der Verwendung von Wildpflanzen kennen dabei keine Grenzen. Die wildwachsenden Gemüsearten bringen Vielfalt aufs Teller und stellen eine kulinarische und schutzvolle Beziehung zur Landschaft her, wo die Pflanzen gesammelt wurden. Wie bei allen Dingen des Lebens soll jeder seinen Vorlieben nachgehen. Deshalb will zu den Rezeptsammlern angemerkt sein: Was nützen schon die besten Rezepte von Henriette DAVIDIS aus dem 18. Jahrhundert, wenn man kein Gespür fur das Kochhandwerk mitbringt — eben gar nichts, weil nichts Gutes dabei unbedingt herauskommen muß. Das Kochen mit den Pflanzen der freien Natur erfordert ein Gespür für das Können — eben die Kunsthandfertigkeit.

Uber die Omelettentorte Und die Leser verzeihen den französischen BegrifF„Omelette", ftir jene aus dem Einzugsgebiet rund um Wien nennt man sie liebevoll „Palatschinke" und für die deutschen Nachbarn vergessen wir nicht auf den „Pfannkuchen" hinzuweisen. Die Brennessel-Omelettentorte besteht aus vier Teilen: • den Omeletten, • dem Faschierten (Gemischtes vom Schwein und Rind, auch Schaf) oder Käse, • aus den Brennesseln oder anderen Pflanzenarten • und aus einer besonderen Abdeckschichte. Zutaten: Eier, Mehl, Milch, Salz, etwas Pfeffer, evtl. Joghurt, Zwiebel, Faschiertes/ Verhacktes, würziger Käse, besagte gesammelte Wildgemüsearten. Zur Zubereitung: a) Der Omelettenteig wird normal mit Milch, Mehl und Eiern und etwas Salz zu einem flüssigen Teig zubereitet. Die in Butter oder Öl gebackenen Omeletten werden im Rohr warm gehalten. Manche geben zumeist

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Die Wildgemüse- oder Brennessel-Omelettentorte für Eingeweihte I Die personale Vermittlung des Kräuterwissens bei den Wildgemüse-Praxisseminaren erfolgt in der Flur und in der Küche über Geist und Sinne. In einerjeden Cegend entstehen je nach Angebot verschiedenste Kochanwendungen auch gegen alle Gesetze von Rezepturen.

Die Brennesselspitzen grob geschnitten und gehackter Zwiebel in den Omelettenteig eingerührt, ergeben eine köstliche Schnellspeise.

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I Im Sommer

Ist die Wildgemüse-Omelette oder schnelle Kräuter-Palatschinke mit Brennesselspitzen in der Pfanne mit Butter goldbraun gebraten worden, dann kann sie mit einer KräuterJoghurtSoße als Beilage serviert werden.

Dotter dazu und rühren den Schnee aus dem Eiklar zuletzt unter. Andere verwenden kein Mehl und anstelle von Milch Rahm. b) In einer großen Pfanne wird eine oder werden zwei feingeschnittene Zwiebeln angeröstet, gesalzen und gepfeffert, wenn sie braun werden, gibt man das faschierte Fleisch dazu und zerkleinert und brät es, bis es gar ist. Mit Küchengewürzen oder Wildkräutern kann abgeschmeckt werden. c) Nebenbei gibt man in ein Kochgeschirr etwa einen Zentimeter Wasser, salzt dies und füllt den Topf mit Brennesseltrieben oder -blättern. Diese erhitzt man leicht, bis sie zusammenfallen und sich dunkel verfärben. Sie sollen aber nicht gargekocht bzw. wie Spinat gekocht werden, sondern etwas fest bleiben. d) Dann schichtet man in einem Geschirr oder einer Tortenform - mit dem Grundriß der Omeletten - , beginnend mit den Omeletten, Faschiertes und Brennesseln abwechselnd übereinander, und zu guter

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Die Schichtungen mit normalen Omeletten, gebratenem Faschiertem oder Verhacktem oder Käselagen und jeweils einer Kräuter- oder ζ. B. Brennesselkrautlage in einer Tortenform gegeben und im Rohr überbacken, ermöglichen eine herrliche Kost.

Letzt kommt noch auf eine größere Lage von angebratenem Faschierten Käse oder reichlich Parmesan darauf. Soweit sei das Grundrezept der Möglichkeit mit Käse abzudecken beschrieben. Eine andere Möglichkeit einer sehr bekömmlichen Abdeckschicht ist folgende: e) Man rührt in Joghurt je nachdem zwei bis drei Eier ein, gibt etwas Salz und feingehackte Wildkräuter (Bibernelle, Kümmelblätter, Giersch oder aus dem Garten Petersilie) und geriebenen Hartkäse bei und gießt diese zähe Flüssigkeit in einer Dicke von einem Zentimeter über die Omelettenkuchen, damit sie gut abdeckt. 0

Dann schiebt man das Geschirr in das vorgewärmte Rohr und positioniert die Hitze auf etwa 120° C. Wenn die Joghurtsauce geronnen, d. h. fest ist bzw. der Käse zerronnen und schön braun gefärbt ist, kann das Gericht serviert werden.

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I Im Sommer Es empfiehlt sich zusätzlich dazu eine Sauce anzumachen, mit Joghurt und aromatischen Kräutern, die man mit dem Tortenstück serviert. Und Vegetarier verwenden anstelle des Faschierten eben nur die Wildkräuter als dicke Schichten zwischen den Omeletten. Die schnelle Kräuteromelette für die bequemen Köchinnen und Köche Die einfachsten Gerichte aus Wildgemüse finden in der Gastronomie sehr wenig Zuspruch. Wer mit ähnlichen Zutaten schnell und sehr einfach Wildkräuteromeletten zubereiten möchte, dem sei dieses sehr delikate Rezept mit Frühlingskräutern empfohlen. Wegen dem einfachen Rezept brauchen keine Mengen angegeben werden. Das versteht sich von selber. Die Zutaten: Eier, etwas Mehl, Milch, Salz, Pfeffer, Lauch, evtl. grobgeriebene Walnüsse und Butter oder Öl zum Herausbacken. Viele Wildgemüsearten erhöhen die Vielfalt am Speiseplan Blätter von Giersch, Gänsefuß oder etwa Gutem Heinrich, Weiße, Rote oder Gefleckte Taubnessel, Vogel-Sternmiere ... oder manchen behagen frische Brennesselblätter und ein würziges Gemisch aus Gundelrebe, Oregano, Schafgarbe und andere Kombinationen sind verwendbar. Oder nur mit Brunnenkresse-, Hirtentäschel-, Wiesen-Schaumkraut- oder Barbarakrautblättern in den Palatschinkenteig eingerührt, ergeben leckere Bereicherungen im Speiseplan. Bei diesen Kresseartigen oder Kreuzblütlern braucht man wegen des scharf-würzigen, brennenden Geschmacks nicht so hohe Krautmengen verwenden. Die Zubereitung: Eier, mit Milch und etwas Mehl verrühren, salzen und pfeffern. Je nach eigenem Geschmacksdafürhalten können obige Wildgemüsearten geschnitten und die würzenden Kräuter und Nüsse gehackt eingemischt werden. Dabei kennt die Phantasie keine Grenzen. Wenn das Bratmedium Öl oder Butter in der Pfanne heiß ist, kann die Masse eingefüllt werden, so daß der Boden gut einen halben Zentimeter bedeckt ist. Dabei muß man auf die schöne Verteilung des Wildgemüses achten, solange die Omelette noch teigig ist. Dann können sie goldbraun beidseitig herausgebacken werden. Die Omeletten in einem Geschirr in das vorgeheizte Rohr zum Warmhalten aufbewahren. Dazu eignet sich eine große Menge einer Joghurtsauce, in der frische, feingeschnittene Wildkräuter als Würzmittel eingerührt sind. Dazu kann man auch eine Knoblauchzehe einpressen.

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Der Wiesen-Knöterich

I

Der Wiesen-Knöterich (Polygonum bistorta) -vielleicht eine Kulturpflanze der Zukunft? Alle Teile des Wiesen- oder Schlangen-Knöterichs sind nutzbar. Die Blätter sowie Sprosse und Blattstiele können als Gemüse und die Samen ähnlich wie Getreide verwendet werden. Aus dem schlangenförmigen Wurzelstock können Nahrungs- und Heilmittel gewonnen werden. Die Nutzungsmöglichkeiten dieser Pflanze sind in Vergessenheit geraten, eröffnen aber aus verschiedenen Überlegungen heraus die Option, daraus eine Kulturpflanze zu züchten.

Das natürliche Vorkommen Die Bestände mit Wiesen-Knöterich (Polygonum bistorta) benötigen feuchte bis nasse Standorte, die einer stabilisierenden Schnittnutzung unterliegen. Die längerfristige Beständigkeit hohen Wasserspiegels auf konsolidierten Humusböden mit mineralischem Untergrund scheint der Pflanze entgegenzukommen. Die Bestandsstabilisierung der Vegetation durch bäuerliche Heuund Riedstreuwirtschaft und Mistung dient hierbei als Vorbild. Auf nährstoffreichen, feuchten Wiesen breitet sich diese feuchteertragende Pflanze

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I Im Sommer auch unter verbrachenden Verhältnissen aus, kann allerdings von dominierenden Arten wie Mädesüß, Weiden oder Grün-Erlen in den Beständen abgelöst werden. Sie gedeiht im geringen Ausmaß an Bachrändern. Dort, wo auf den Wiesen Drainagen ausfallen, siedelt sie sich wieder an. Wenn man diese Voraussetzungen des Gedeihens versteht, können sie fur die Kultivierung übersetzt werden. Versuche haben ergeben, daß in nährstoffreichen Beeten der Knöterich ohne viel Wasserzufuhr, aber unter frischen Bodenverhältnissen gut anwächst. Trockenheit ist ihm allerdings nicht zuträglich.

Das Aussehen der Blüten Die Aufwuchshöhe des Wiesen-Knöterichs beträgt etwa 20 bis 40 cm und kann bis 100 cm betragen. Als Kinder nannten wir die Pflanze wegen der rosa bis weißen, walzenförmigen Blüten im Mai bis Juni schlicht „Zahnbürstel". Die einzelnen, winzigen Blüten sitzen eng in einer ährenartigen Walze auf einem aufsteigenden, unverzweigten Stengel endständig beisammen. Die Blütenkolben haben eine Länge von 3 bis 5 cm, können aber auch 8 cm lang werden. Die dreikantigen und dunkelbraun glänzenden Früchte sind denen des nah verwandten Buchweizens sehr ähnlich. Verwunderlich erscheint es, daß bislang aus diesen allseits verwendbaren Pflanzenteilen keine Nutzpflanze gezüchtet wurde.

Das Rhizom und die Blätter Der schlangenartig gebogene Wurzelstock mit unterirdischem Sproßteil birgt den Namen für „Schlangen-Knöterich", „Schlangen-" oder „Otterwurz". Der Wurzelstock hat Daumendicke und ist häufig zweimal geknickt, was im latein. Namen „bistorta" zum Ausdruck kommt. Im „polygonum" ist auch das Vorhandensein mehrerer verdickter Knicke (deshalb „poly-") verzeichnet. An den gebogenen Stellen finden sich Knoten (deshalb ,,-gonum"). Das schlangenförmige Rhizom ist ausläufertreibend. Vom dicken Hauptstrang gehen feine Seitenwurzeln aus. Aufgeschnitten ist ein festes, rötliches bis weißes Fleisch sichtbar, welches von schwarzen Gefäßbündeln durchzogen ist.

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An wasserbeeinflußten Stellen nährstoffreicher Wiesen, sickerfrischen oder Toifstandorten mit mineralischem Bodenanschluß können sich Pflanzengesellschaften mit Wiesen-Knöterich (Polygonum bistorta) einstellen.

Die lanzettlich-länglichen, aber zugespitzten Grundblätter sind an der Oberseite dunkelgrün mattglänzend. Die grüngrau gefärbte oder reifartige Unterseite geht bis ins leicht Bläuliche. Der lange Blattstiel ist zart mit schmalen Blattausbildungen geflügelt. Das Blatt verläuft zu einer Spitze, und der Blattgrund ist gestutzt. Der Rand der etwa 15 bis 25 cm langen Blätter ist gewellt. Charakteristisch sind stielumfaßende häutige Blattscheiden, die spitz auslaufen.

Alles an der Pflanze ist nutzbar

Vielfältigst sind die Nutzungsmöglichkeiten des Wiesen-Knöterichs: Vor dem Blütenschieben können die jungen Blätter ζ. B. als Spinat genutzt werden. Auch den Mischsalaten gibt man sie bei, und eine Art Pudding kann damit hergestellt werden. Der ausdauernde Wurzelstock, der sehr viel adstringierendes Tannin enthält, kann durch länger währendes Einlegen oder Kochen in Wasser entbittert und genossen werden. Die gewaschenen

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Der rosarote, walzenförmige Blütenstand des Wiesen- oder Schlangen-Knöterichs. Die dreikantigen Nüsschen mit den braunen Schalen können wie Buchweizen verkocht werden.

Seite 123 unten: Die mattglänzenden Blätter sind an den Blattstielen schmal geflügelt. Frisch oder getrocknet können sie als vielseitiges Gemüse verwendet werden.

Wurzeln beim Grillen wie Folienkartoffeln auf den heißen Rost nahe der Glut gelegt, sollten einmal ausprobiert werden.

Die

Blattverwendungen

Verwendet werden die jungen Triebspitzen und die Blätter als Nahrung. Die rohen Blätter gekaut, weisen auf einen säuerlichen Geschmack hin. In Butter geschwenkte Blätter sind eine einfache Beilage, oder die Blätter können als Spinat zubereitet werden. Altere Blätter nach der Blüte oder des zweiten Aufwuchses können feingeschnitten fur Pürees, Suppen, Gemüse-

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Der Wiesen-Knöterich

I

frikadellen und Aufläufe mit anderen Wildkräutern vorgesehen werden. Als Gemüse zubereitet, sind die Blätter in der Regel vor der Blüte oder nach dem Sommerschnitt im Herbst zu verwenden.

Als Heilpflanze genutzt Wegen des Gerbstoffgehaltes wurden bei frischen oder längere Zeit offenbleibenden Wunden die gewalkten oder zerstampften Blätter als Wundheilmittel aufgelegt. Bei schwachem und blutendem Zahnfleisch, lockeren Zähnen, Rachen-, Mundhöhlen- und Zahnfleischentzündungen gurgelte man den aus dem Wurzelstock hergestellten Tee. Häufiger wurde Tee vom Kraut getrunken. Das Kraut ausgiebig gekaut, diente der Massage und festigte somit das Zahnfleisch. Auch der austretende Saft fördert im weiteren Verlauf der Verdauung die Gesundheit. Bei blutenden Durchfällen und bei Magen-Darm-Entzündungen nach Infektionen waren die rohen und leicht gekochten bis erwärmten Wiesen-Knöterich-Zubereitungen verwendet worden. Bei Scheidenentzündungen mit Weißfluß waren eingenommene und spülende Abkochungen der Wurzel wichtig.

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I Im Sommer

Die reifen Samen Die rosa Blütenstände mit den kleinen Perigonblüten eignen sich zum Garnieren verschiedenster Speisen. Die glänzendbraunen, dreikantigen nußartigen Schließfrüchte werden größer als die verbleibenden, getrockneten Blütenbecher. Oben sind die Nüßchen zugespitzt und haben eine ähnliche Form wie Buchweizenkörner, sind allerdings kleiner und die Schale nicht so hart. Man kann sie ohne weiteres essen und ζ. B. als Laibchen zubereiten. Zur selben Verwandtschaft ist auch der Buchweizen zugehörig.

Vorbilder aus der Heuwerbung auf die Bevorratung

übertragen

Die schmackhaften Wiesen-Knöterichblätter gefressen, fördern die Milchleistung der Tiere. In den 1970er Jahren konnten wir bei der Heubereitung durch den maschinellen Werbevorgang die hohen Bröckelverluste beobachten. Um das zu vermeiden und die Samen- und Blattverluste zu minimieren, wurde früher das Heu auf Holzgestellen aufgehängt. Der Anteil an Wiesen-Knöterich steigerte den Futterwert des Heus und der Heublumen in der Scheune, wie die Altbauern berichteten. Wenn man diese Hinweise auf die Ernährung des Menschen überträgt, so läßt sich folgern: Getrocknete Blätter können mit der Hand zerbröselt und für den Winter gut bevorratet werden. Sie dienen eingeweicht oder leicht gekocht der Bereitung von grünen Saucen, Suppen oder Spinat. Der Hinweis der Milchmengensteigerung verdeutlicht die nahrhafte, energiespendende Wirkung der Pflanze. Bei Tiefkühlung werden die aufgetauten Blätter lätschert, eignen sich aber für Spinat und Suppen. Sie verlieren aber energetisch an Substanz. Für Heileffekte wird das Kraut zwischen Mai und August geerntet und im Schatten getrocknet.

Ein einfaches Rohkostgericht Als Beilage zu Fleischgerichten mit Kartoffeln oder Nudeln gemischt, dient folgende Rohkostzubereitung: Die jungen Blätter und unverholzten Sproßteile des Wiesenknöterichs werden quer zum Blatt in feine Streifen geschnitten. Zur Würzung können frische Kräuter, wie Estragon, Thymian oder Oregano, Salbei, Boretsch, Dille oder Koriander, in geringen Mengen verwendet werden. Zwiebel oder Stangenlauch wird fein gehackt,

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Der Wiesen-Knöterich I

ebenso etwas Knoblauch. Mit Essig, Öl und Salz zubereiten und mit Kartoffel oder Teigwaren mischen und etwas ziehen lassen. So erhält man eine geschmackige Beilage oder Hauptspeise. Die feuchte Viehweide diente als Garten für wilde Salate Feingehackte, frische Blätter dieser Knöterichart mit feinwürfelig geschnittenen Apfel vermischen. Entweder mit leichtem Mostessig oder dem Saft einer Zitrone beträufeln, untermischen und ziehen lassen. Mit dieser Mischung und Sauerrahm einen Salat anrichten, der mit Salz, Pfeffer und einigen Kräutern abgeschmeckt wird. Vor Jahren verwendeten Annette und ich auf der Alm die jungen Blätter des Gewöhnlichen Leimkrauts (Silene vulgaris), des Schlangen-Knöterichs (Polygonum bistorta) und des Sauerampfers für Salate und machten ihn mit den leicht gedünsteten Blütenknospen der Sumpfdotterblume (Calthapalustris) mit Essig und Ol an. Nach dem Mähen konnten die neu austreibenden Blätter auch im Hochsommer genützt werden. Schön war damals die Zeit. Heute ist sie immer noch schön, wenn die wilden Früchte der Natur durch den Magen gehen und die Herzen fröhlich stimmen. Der Wiesen-Knöterich gedünstet Persönlich finde ich viele Wildgemüsearten in Butter oder würfelig geschnittenen Speck gedünstet am herrlichsten. Dabei treten völlig andere Geschmäcker zutage als beim Kochen in Flüssigkeiten oder beim Blanchieren. Schon ältere und stärker fasrige Blätter des Wiesen-Knöterichs sollten gekocht oder überbrüht werden. Dann püriert man sie, schmeckt mit Garten- oder in der freien Landschaft gesammelten Kräuter ab, die ungekocht bleiben. Dazu zählt folgende Auswahl, von denen lediglich einige gemeinsam verwendet werden sollen: Liebstöckl, Estragon, Boretsch, Petersilie, Früchte und Blätter von Kümmel oder Dill, Bohnenkraut, aber auch Majoran, Thymian, Salbei, Bibernelle, etwas Zitronenmelisse, Pastinak, Bärenklau oder Koriander, Fenchel, natürlich der Schabzigerklee, etwas Muskat, Bertram und schwarzer Pfeffer oder je nach Dafürhalten auch Kren. Mit etwas Mehl, einer Mehlschwitze, oder pürierten Erdäpfeln (Kartoffeln) macht man den gedünsteten Knöterich sämig. Zur Streckung des Wiesen-Knöterichs dienen auch die Blätter des Sauerampfers, Rotklees, Gänse- und Kohl-Distel, ganz junge Baumblätter, etwas Brennessel, Taubnessel, Wilder Portulak, Gänsefuß, Franzosenkraut,

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I Im Sommer Wegericharten, Malven, Nelkwurz oder verschiedene Kreuzblüder, wie Kresse- und Senfartige, u. v. m., je nachdem, wie sie beim Sammeln zur Verfügung stehen. Aber auch mit einigen feingeraspelten Kulturgemüsearten kann wildgesammelte Kost gemischt werden. Solcherlei dient das mit bestimmten Kräutern abgeschmeckte oder gestreckte Dünstgemüse als Beilage in der veganen oder fleischorientierten Küche.

Wiesen-Knöterichpudding

aus England

In Nordamerika und Großbritannien kursieren Rezepte eines „Puddings", der im eigentlichen Sinn keine Süßspeise darstellt, aber in der Konsistenz sehr ähnlich ist. Als Beilage zu Kalbfleisch, gekochten Schaf- und Rindfleisch kann folgendes Rezept beschrieben werden: „Man nimmt eine gute Portion junger Knöterichblätter, aber ebenso auch Brennesselspitzen, Löwenzahn- und Fraumantelblätter. Sie werden alle gut gewaschen und zehn Minuten lang in kochendes Wasser gelegt. Anschließend werden die Blätter zerkleinert. Ein geschlagenes Ei, ein zerhacktes, hartgekochtes Ei, Butter, Salz und Pfeffer werden mit den Blättern vermischt und auf kleine Gefäße verteilt" (MABEY, R. 1978). Die erstarrte Masse kann als zusätzliche Beilage zu Hauptspeisen oder auf einem Teller gestürzt serviert werden.

Der heilkräfiige Wurzelstock Die alten Benennungen „Nattern-, Otter- oder Schlangenwurz" mit der Endung ,,-wurz" deuten auf die besondere Heilwirkung der Wurzel hin. Der heftig bittere Wurzelstock diente früher als zusammenziehendes Heilmittel und entbittert als Nahrungsmittel. In Island ζ. B. verwendete man das entbitterte Mehl aus den luftgetrockneten Wurzeln fur allerlei freilich herbe Speisen und zum Brotbacken, was dunkles, aber gut haltbares und gesundes Brot ergab. Die gallensauren Tannine und Catechine wurden durch Einlegen in Wasser und nachfolgend durch Grillen in der Glut oder auf einem Rost oder durch Kochvorgänge entfernt. Wesentlich war der Stärkereichtum (ca. 30 %), der in Notzeiten benötigt wurde. Allerdings gestaltet sich die Ernte der Wurzelstöcke und die Entbitterung aufwendig. Laut Hinweisen verwendete man sie wegen der Gerbstoffe auch früher zum Gerben.

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Neben vielen anderen Blüten eigenen sich jene des Wiesen-Knöterichs auch zum Schmücken von Topfen- oder Quarkbroten und stimmen die Essenden fröhlich.

Am heilkräftigsten ist die Wurzeldroge im Frühjahr und Herbst gesammelt. Nach der Reinigung und Entfernung der Feinwurzeln wird die Grundwurzel in kleine Stücke geschnitten und bei gut 35° C im Schatten relativ schnell getrocknet. So kann man die Wurzelteile in Gläsern gut verschlossen aufbewahren. Nimmt man die Heilkraft in Gebrauch, so wird die benötigte Wurzelware pulverisiert und ohne Kochen in einer Flüssigkeit aufgerührt eingenommen. Wirkstoffe vor allem in der Wurzel sind: Tannine, Stärke, Vitamin C, Oxalsäure, die aber zu Reizreaktionen führen kann. Kalziumoxalate entstehen beim Abkochen; dieser Sud vermag Nierensteine aufzulösen. Gegen Durchfall, Hämorrhoiden, Brand- und Schnittwunden, Geschwüre wurden die Wurzeln pulverisiert und abgekocht oder aufgegossen. Sie wirken adstringierend und körperstärkend. Bei einem Tee gegen Durchfall kocht man 25 g getrocknete Wurzelteile etwa 10 Minuten in einem halben Liter Wasser. Er soll am Tag mehrere Male eingenommen werden.

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I Im Sommer

Neue Kulturarten züchten Wenn man all diese Verwendungsmöglichkeiten betrachtet, so verwundert es, daß der Wiesen-Knöterich nicht häufiger im Garten angepflanzt wird. Freilich müßte die Zubereitung weiterentwickelt werden. Bedenkt man die Nutzbarkeit der Samen und würde man über Selektionszüchtung behutsam vorgehen, so könnte in Zukunft in dieser Pflanze eine neue heilwirksame Kulturart liegen. Und die natürlichen Feuchtwiesenstandorte als „Garten" genützt, würden diese Möglichkeiten bieten. Soweit diese Einschätzung.

Der „Guck durch den Zaun" - Die Gundelrebe (Glechoma hederacea) - ein allseits angewandtes Heilkraut Unvorstellbar sind die Anwendungsmöglichkeiten dieser einst als Heil- und Würzkraut genutzten Pflanze. Triebe wie Blätter können zur Verfeinerung der Speisen und somit zur Appetitanregung und Verdauungsförderung das ganze Jahr über verwendet werden. Mit dem Saft waren Frühlings- oder Entschlackungskuren — sogenannte „Maikuren" - durchgeführt worden, die dem gesamten Stoffwechsel förderlich waren. Um der Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten vorzugreifen, kann aus dem Volkswissen überliefert werden: Im Frühjahr eine Suppe mit Gundelrebe oder das Kraut in der Omelette mitgebacken hält das ganze Jahr über Krankheit fern. Bei Müdigkeit, zur Förderung der Blutbildung und Blutreinigung wie Blutentsäuerung war das Kraut gemeinsam mit Schafgarbe bei Frühjahrskuren gezielt als Stärkungsmittel und gegen rheumatische und Gichtbeschwerden angewandt worden.

Über die Namensgebung Im Volksmund bezeichnet man diesen niederliegenden Lippenblütler Gundelrebe (Glechoma hederacea) auch „Erdefeu", weil er sich am Boden dahinkriechend ausbreiten kann und eine vage Ähnlichkeit in den kleinen Blättern hat. Die Ausläufer können über einen Meter betragen. „Gundram" und „Gundermann" bezieht sich womöglich auf althochdeutsche bzw. altnordische Sagengeschichten der Walküre „Gunda".

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Vom Frühjahr bis zum Herbst kann die Gundelrebe als appetitanregendes Würzkrautfür Suppen, Salate und gebratenes Fleisch und Gemüse gesammelt werden. Der Heilwert dieser Pflanze ist umfassend, weshalb die Pflanze bei alten Leuten sehr geschätzt wird.

Aber allein die Betrachtung der Pflanzen vom Gebrauch her erklärt womöglich einen anderen Bedeutungszusammenhang. Denn im Althochdeutschen bezieht sind der Wortstamm „Gund" auf Eiter, faulriechenden Ausfluß und Geschwür, wogegen es als Heilmittel Einsatz fand (s. MARZELL, HL, 1938). Bei den Germanen galt sie als uralte Heilpflanze, und ihr Auftreten an alten Gebäuden verband man mit dem Sitz von guten Hausgeistern und Ausstrahlungen.

Das Aussehen Kennzeichnend sind die vierkantigen, behaarten Stengel, die mehrfach an den Knoten wieder anwurzeln, wenn sie dahinkriechen. Die Blätter haben ein schild-, nieren- bis herzförmiges Aussehen, sind oberseits dunkelgrün bis rotbraun überlaufen, netzartig geädert und am Rand stumpf gekerbt. An den 10 bis 20 cm aufsteigenden Teilen entstehen in den Blattachseln,

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I Im Sommer wo sich borstige Tragblätter befinden, wenige rosarötliche bis hellviolette Blüten, die schon ab März blühen können. Die größere, typisch dreilappige Unterlippe weist dunkle Flecken auf.

Das Vorkommen des „Guck durch den Zaun " Die Art ist in gut gedüngten Wiesen, verbracht liegenden Weiden und Ackern, in Obstgärten, entlang von Gebüschsäumen und an schattigen und feuchten Plätzen vorkommend. Häufig findet man sie auch am Fuße entlang von Steinmauern, Hecken oder/und Zäunen vor, deshalb der Name „Guck durch den Zaun". Die ausdauernde, häufig wintergrüne/immergrüne Pflanze bevorzugt nährstoffreiche Standorte, die ζ. B. im Grünland im Sinne einer Nachhaltigkeit das verträgliche obere Düngeniveau anzeigen. Sie wurde auch in Nordamerika eingeführt oder eingeschleppt.

In der Küche zur Appetitanregung Der aromatisch-würzige Geruch, der beim Zerreiben entsteht, ist für wenige Leute unangenehm. Als Gewürz in großen Mengen zu Suppen mit Schaffleisch von älteren Tieren beigegeben, mildert es den schöpsernen Geschmack. Schmeckt selber vor allem im jungen Zustand intensiv würzig nach Schaf oder Ziege anklingend. In bestimmten Gegenden war es das Rindsuppengewürz. Die jungen Blätter und Triebe mitsamt Blüten wurden im Frühjahr frisch als Würzmittel für appetitanregende Rohkostsalate, Kräutersaucen, Kräuterbutter, Topfen- (Quark-) und Frischkäseaufstriche verwendet. Ist der Geruch immer noch zu stark und der Geschmack zu herb, so können die Krautteile leicht abgebrüht oder in Butter geschmort werden. Das Kraut läßt sich auch als Trockengut verwenden, da es die Wirkstoffe nach dem Darren behält. Getrocknet wird es am besten während der Blühphase. Für Spinat, besonders zur Verbesserung des Brennesselspinats, zur Aufwertung der Salate und Suppen und zum Würzen von Käse- und Fleischspeisen ist es sehr gut geeignet. Das Kraut kann zur „Maibowle" (mit Waldmeister) beigemischt werden. Der Saft des jungen Krauts wurde in Milch oder Molke gemischt und eingenommen. Die Pflanze enthält Harz-, Wachs-, Bitter- und Gerbstoffe

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Die Gundelrebe I

(Glechomin), Saponine, Vitamin C, wichtige Mineralstoffe (Eisen, Kalium, Jod, Phosphor, Kupfer) und ätherische Verbindungen. Wegen der leichten Bitterstoffe verwendete man es auch als Klärmittel, zur Haltbarmachung und zum Würzen des Bieres, lange bevor in der Braugeschichte der Hopfen verwendet wurde. Bereits zur heißen Maische setze man das Kraut zu.

Auftauende Suppen übers ganze Jahr Der Gundermann gilt als ein hervorragendes Gewürz für Schaf- und Ziegenkäse, großgewachsene Teichfische und Hering, wenn man mit wenig Knoblauch oder Bärlauch würzt. Zur Entschlackung und reinigendem Kraftaufbau existieren verschiedenste Rezepturen von Suppenkuren oder Frühlingssuppen, wo auch Gundelrebe vorkommt, ζ. B. die „Sieben Kräuter" (Tirol): mit Schafgarbe, Scharbockskraut, Vogel-Sternmiere, Beifuß, Knoblauchsrauke und Giersch; oder die „Gründonnerstagsuppen": mit Gutem Heinrich, Sauerampfer, Gänseblümchen, Brennessel, Spitzwegerich und Vogel-Sternmiere. Bei einigen Kuranweisungen findet man zusätzlich auch Kerbel, Löwenzahn, Bärlauch, Brunnenkresse oder BachEhrenpreis in den wohldurchdachten Mischungen.

Unschätzbarer Heilwert Von der umfassenden Bedeutung der Pflanze als Heilkraut können wir uns heute kein Bild mehr machen. Sein Einsatz war laut Erzählungen sehr vielfältig. Vor allem Leuten, die aus Arbeitsüberlastung ausgebrannt sind, sei dieses Kraut, regelmäßig in verschiedenen Formen eingenommen, ein wahrlich gutes Tonikum. Gundelrebe ist deshalb im sogenannten „Schweizertee" enthalten. Auch bei „Ohrensausen" oder „Ohrenklingen" empfiehlt Hildegard von Bingen einen Kopfumschlag mit dem Absud. Wirksamer sollen die in Essig gestoßenen Blätter gewesen sein. Bei verschleimten Gehörgängen bringt eine Spülung mit einem Gundelrebetee Linderung. So konnte verlorengegangenes Gehör wiedergewonnen werden. Auflagen helfen bei „fließenden Augen".

Bei Erkrankungen der Atemwege Gemeinsam mit Salbei oder Königskerze, Zwiebel, Lungenkraut und Zungenfarn verwendet, verzeichnet Gundelrebe eine schleimlösende und entkrampfende Wirkung. Ein Gurgelwasser half bei Halsbeschwerden, Hei-

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I im S o m m e r

serkeit und Husten. Bei Keuchhusten zur Erleichterung des Abhustens war Gundermann in Milch gekocht worden. Das feine Pulver, geschnupft oder der Saft in die Nase aufgesogen, war früher gegen Stirnhöhlen- und Kopfschmerzen verschrieben und ist auch als Spülmittel bei Nasenkatarrh verwendet worden. Gundelrebe soll bei Verschleimung der Lunge und bei chronischem Lungenkatarrh als auch für Asthma und bei Kopfschmerzen als Tee sehr gut geeignet sein. Bei Leuten, deren innere Mitte unausgeglichen ist und bei denen verschiedene Streßsituationen bis hin zur Hysterie zusammenkommen, galt die Pflanze als ein probates Mittel, um sich innerlich wiederzufinden. Bei Lungenblähung war eine „Brustteemischung" mit den Blüten oder dem Kraut von Gundelrebe, Ehrenpreis, Schafgarbe und etwas Huflattich gebräuchlich. In China verschreiben die Ärzte Gundelrebe wegen der fiebersenkenden Wirkung bei grippalen Infektionen. Der Frischsaft aus der Pressung mit 30- bis 50%igem Alkohol angesetzt, zwei bis drei Wochen unter zeitweiligem Rühren stehengelassen, wirkte zur inneren Medikation. Ζ. B. wird von dieser Tinktur bei Atemwegserkrankungen 3mal täglich ein Teelöffel voll eingenommen. Dabei kann der klare und der trübe Teil verwendet werden, oder man verwendet die filtrierte Tinktur. Bei Kindern wurde sie leicht gesüßt verabreicht. Das Kraut in Wein oder Essig angesetzt In aufgekochtem Wein können Gundelrebe, Waldmeister, Lungenkraut, Blätter der Schwarzen Johannisbeere und Zitronenmelisse angesetzt werden. Nach der Abkühlung dieses lungenstärkenden Maitrunks in Flaschen füllen. Bei der regelmäßigen Einnahme von einem Achterl pro Morgen kann auch mit Honig gesüßt werden. In Wein gesotten, kam das Kraut gegen Gelbsucht zur Anwendung. Und zerstoßenes Kraut mit Essigwasser angesetzt, soll bei Zahnschmerzen, Mundfäule und Erkrankungen des Rachens und der Mundhöhle, bei Fisteln und Geschwüren, Ausschlägen, eitrigen Abszessen und grindiger Haut als lindernde Wundumschläge gut helfen. Verdauungs- und innere Organe Der Stuhlgang wird bei mehrmaliger Krauteinnahme gefördert. Bei Magenstörungen, Magenverschleimungen und Durchfall hilft das Kraut. Bei Magenschwäche kam Gundelrebe mit Kalmuswurzel zur Anwendung. Seit

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Die Gundelrebe

I

Die schild-, nieren- bis herzförmigen Blätter sind an der netzartigen Äderung und der stumpfen Randkerbung erkennbar. Das Kraut hat einen eigentümlichen Geruch.

dem frühen Mittelalter war Gundermann in den Bergbaugebieten wohlbekannt. Gesammelt wurde das Kraut an unbelasteten Standorten. Erwiesen ist die positive Wirkung bei verschiedenen Vergiftungen durch Schwermetalle, vor allem mit Blei. Erfahrungen machten auch Maler, welche lange Zeit mit Bleifarben hantieren mußten. Der häufig getrunkene Tee schwemmte einen Großteil der Giftstoffe aus. Anwendung fand Gundelrebe gegen die Milz- und Leberanschwellungen und bei Roter Ruhr. Manch alte Leute schwören auf die wurmabtreibende Wirkung und den äußerlichen und innerlichen Einsatz bei Hämorrhoiden. Das ganze Jahr über als Suppenkraut geerntet Warum wurde früher regelmäßig die Gundelrebe den Suppen zugesetzt? Sie half vorbeugend gegen Nieren- und Blasenentzündungen und vermag Nieren- und Gallensteine zu brechen. Laut KRULETZ/RAUCH ( 2 0 0 2 ) kann die kalziumreiche Pflanze als stoffwechselaktivierendes Nierenmittel bezeichnet werden. Bei Leber-, Nieren- und Milzstörungen erfolgt eine ausgleichende und auf die Gallentätigkeit eine günstige Wirkung. So wurden

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I Im Sommer Verstopfungen der Leber und Milz geöffnet und diese Organe wieder gesund gemacht. Ein bis zwei Tassen mit Honig gesüßt, täglich eine Woche lang zu sich genommen, sind hilfreich. Bei Harnverhalten tritt ein leicht harntreibender und bei Blasenkatarrh ein reizmildernder Effekt ein. Blasenschleim konnte aufgelöst werden. Bei schwierigen Menstruationsphasen kam das Kraut als Tee zum Einsatz. Altbewährtes Wundheilmittel und schmerzlindernde Auflagen Als Wundheilmittel stand das Kraut folgendermaßen im Gebrauch: Frische, gequetschte Blätter können direkt auf Wunden aufgelegt werden. Sie fördern die Blutstillung und den Heilungsfortschritt. Oder man verwendet das Kraut als Zusatz bei Wundheilsalben für eitrige und schwer verheilende Wunden. Zum Waschen der Wunden setzte man zwei Teelöffel (getrocknete oder frische Ware) in einer großen Tasse kalt an, dann kochte man den Ansatz auf und ließ noch einmal kurz ziehen, bis er eine erträgliche Temperatur hatte. Bei Schnitt- und Bißwunden, Bluterguß und Muskelquetschungen das Kraut kalt ansetzen, aufkochen und 10 Minuten ziehen lassen und die verletzten Stellen damit einreihen. Auch Umschläge mit dem Absud können angelegt und Badezusätze hergestellt werden. Gegen Melancholie, Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen und Herzzittern wird ein tonisierender Tee als Auflage verwendet oder der Absud inhaliert. Gundelrebeumschläge dienen allgemein der Schmerzstillung und Kühlung bei Ischias, neuralgischen Beschwerden, Lenden- und Gichtschmerzen. Olauszüge, Salben und Pflaster Völlig in Vergessenheit geraten sind die Olauszüge aus dem Gundermann, welche sehr teuer, aber bei komplizierten Wundeiterungen am wirksamsten waren. Eine Zubereitung nach einer Südtiroler Bergbäuerin: In ein Glas füllt man das Kraut locker ein, gießt mit Öl auf und setzt es zum Ausziehen der Wirkstoffe der direkten Sonne aus. Nach etwa gut 10 Tagen seiht man ab und läßt die Flüssigkeit noch einmal in einem Sonderglas (Abscheider mit Hahn) abstehen, wo sich im Verhältnis die untere Auszugschicht abscheidet. Durch das Ablassen kann man sie trennen und in Flaschen füllen und lichtgeschützt fur Notfälle kühl lagern. Die ätherischen Wirköle können auch in guter Milch zum schnellen Verzehr und innerlichen Heilwirkung ausgekocht oder ziehen gelassen werden, da sie fettlöslich sind.

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Die Gundelrebe I Der „Gundermann" schiebt schon bald im Frühjahr die violetten Lippenblüten, wenn er ausreichend Besonnung erfährt. Dann ist er für Maikuren besonders gut wirksam. Über das ganze Jahr gesammelt, dient er als Würze und zur Bevorratung für Gichttee.

Zur Salbenherstellung überdeckt man am Vorabend mit Öl oder Schweineschmalz die zerstoßenen Blätter, ehe man zwei Stunden lang vorsichtig kocht. Dann wird durch ein feines Sieb gefiltert und danach abgefüllt. Erhitzt man die Salbe wieder und gibt man vor Gebrauch Bienenwachs und Baumpech dazu, so kann man die warme Masse für ausziehend wirkende Naturpflaster verwenden.

Anwendung in der Tierheilkunde Mit Gundelrebe gefütterte Tiere verzeichneten stets eine gute Fruchtbarkeit und gesunde Milch. Vor allem bei Euterkrankheiten wie Mastitis, blutiger oder wäßrig-bläulicher Milchfarbe führte man bei Kühen eine Gundelrebekur durch. Deshalb schwören noch heute alte Bauern auf den Viehauslaß in den ersten warmen Nachwintertagen, damit die Tiere das „Gundkraut" und andere Kräuter aufnehmen können. In der Mythenge-

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• Im Sommer

schichte wurde aus diesem Beobachtungswissen der Anwendung von Heilpflanzen ein Hexenzauber interpretiert. Wenn man bedenkt, daß früher im Haushalt einerseits wenig gezogene und andererseits größtenteils wild gesammelte Würzkräuter vorhanden waren, und vergleicht, welche heute verwendet werden, dann ist dies im höchsten Maß erschreckend. Heute kennen wir nur mehr wenige kultivierte Arten und beinahe keine Wildkräuter mehr.

Das schmucke und in seinem Duft betörende Mädesüß (Filipendula ulmaria) - ein probates Kopfwehund Aromamittel Das Mädesüß (Filipendula ulmaria) war eine begehrte Heilpflanze, und die Vielfalt an Verwendungsmöglichkeiten kennt keine Grenzen. Man nennt es auch „Vierzigerleikraut", weil es gegen mindestens 40 Krankheiten Wirksamkeit zeigt. Es stand seit der Antike vor allem gegen übersäuerten Magen, bei Fieber und Kopfweh, Harnwegproblemen und rheumatische Beschwerden im Einsatz. Die Blüten sammelten wir für die winterliche Verwendung zum Senken von Fieber und Minderung der Kopfschmerzen. Mit Blüten und Blättern stellen wir im Sommer einen Sirup her, der in den Wintermonaten bei Verkühlungen eingenommen wird. Als Heilpflanze ist diese Pflanze mittlerweile völlig in Vergessenheit geraten, obwohl ihr meiner Einschätzung nach eine Zukunft als „heilsame Aromapflanze" zukommen wird. Folgendes Kapitel ist einigen Bauern, die „Salicylschnaps" in den oberösterreichischen Alpentälern hergestellt haben, gewidmet.

Auch „

Wiesengeißbart"genannt

Der Name rührt vom honigsüßen Duft der Blüte her, der während des Mähens und des Heutrocknens zwischen Juni und Ende August freigesetzt wird. Sicher hat Mädesüß etwas mit Met, Bier und weinartigen Getränken der Vorgeschichte zu tun, denen man die Blüten, Blätter oder zerstoßenen

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Entlang von Bächen, in Sümpfen undfeuchten Fettwiesen kommt das Mädesüß - die „Königin der Wiesen " - vor. Die Blätter können vom Frühjahr bis zum Herbstfür Speisezwecke -für den Rohgenuß und zur Trocknung - gesammelt werden.

Wurzeln zur Aromatisierung beigab. Der klassische Porrweingeschmack kann mit Mädesüß annähernd herbeigeführt werden. Ursprünglich kochte man Kraut und Wurzel im Wein zur Verwendung des Getränkes als Heilmittel. Die ausdauernde Pflanze benötigt nährstoffreiche Böden mit ständiger Feuchte oder Frische und kommt im halbbeschatteten Saum der Gebüsche oder entlang der Gräben vor. Großflächig dominant auftretendes Mädesüß zeigt die Auflassung bzw. Rückbildung der Bewirtschaftungsintensität der nährstoffreichen Riedwiesen- oder KohlDistelwiesen an.

Die „ Wiesenkönigin "zählt zu den Rosengewächsen Mädesüß oder „Spierstaude" wächst bis zu einer Höhe von ca. 1 m bis manchmal über 1,5 m auf und überragt zumeist die Feuchtwiesenvegeta-

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I Im Sommer tion. Die Pflanze kann verzweigt oder verästelt sein. Die gesägten Blätter haben eine unterbrochene Fiederung, wobei sich große und kleine Teilblättchen abwechseln. Die Fiederblätter sind an der Unterseite weißfilzig und wechselständig angeordnet. Unterarten können auch Blätter mit grüner Unterseite und keine Filzigkeit aufweisen. Kleine gelblich- bis cremigweiße Blüten bilden rispenförmige Trugdolden. Sie stehen in endständigen Schirmrispen. Durch die zarten, bis zu 20 Staubblätter pro Einzelblüte, die über die Kronblättchen hinausragen, entsteht ein zuckerwatteartiger Eindruck. Die zähen, verholzten Stengel haben rundlich-kantigen Querschnitt und sind rot überlaufen. Der knotige, braunschuppige Wurzelstock kann kriechend oder pfahlförmig ausgebildet sein. Mädesüßgilt als „ natürliches Aspirin " und „ macht das Herz froh " Die ganze Pflanze enthält Salze der Salicylsäureverbindungen (Salicylate), Vanillin (teils im Duft der Blüten und stärker in der Wurzel), Kiesel- und Gerbsäuren (besonders im Wurzelstock), ätherische Öle, Schleim-, Duftstoffe, Phenolglykoside (vornehmlich in den Blüten) und Flavonoide. Bei voller Blüte sind die oberirdischen Teile am heilkräftigsten und können in dieser Phase gesammelt werden. Einige Stoffe sind auch in der herben Weiderinde (,Salixj enthalten, die in ähnlicher Weise wie Mädesüß eingesetzt werden kann. Diese Bestandteile in ihrer Summe und Kombination betrachtet, unterstützen auf vielfältige Weise Heilungsprozesse folgender Art: Die Inhaltsstoffe sind entzündungshemmend (ζ. B. bei Niere) und schmerzlindernd bei rheumatischen Beschwerden mit Herzleiden (eine FrischwurzelEssenz) und bei unregelmäßigem Puls. Sie stärken den Stoffwechsel und helfen bei Magenverstimmungen. Ebenso zeitigt die Pflanze eine harntreibende Wirkung und wird für Entgiftungs- und Blutreinigungskuren, bei Harnblasenentzündung, Harnzwang und zum „Brechen" der Blasensteine eingesetzt. Im Mittelalter hatte das Kraut wegen der herzstärkenden Wirkung den Ruf zum „Frohmachen des Herzens". Bei Magenübersäuerung und Gastritis verwendete man Teeauszüge. Bei Zahnschmerzen werden die zerkleinerten Teile der blühenden Pflanzen auf die Glut gelegt und die Dämpfe eingeatmet. Selbst dann wirken noch die Inhaltsstoffe. Uber den „Salicylschnaps" Die Salicylsäureverbindungen wirken bei Fieber, Grippe und Erkältungen schweißtreibend und somit fiebersenkend. Aus der Pflanze kann man

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Wie bei der Hollersirupherstellung können aus den Mädesüßblüten Heilmittel gegen Fieber, Grippe, Erkältung und zur Schmerzlinderung für die Winterzeit bevorratet werden. Im Sommer greift man auch auffrische, im Winter aufgetrocknete Blätter zurück.

durch Auszüge „Aspirin" zur Schmerzlinderung gewinnen. Die Anwend u n g des Heilkrauts ist ungefährlicher als ihre in den Labors künstlich extrahierten u n d konzentrierten Stoffe. D e n n die Tablette .Aspirin" kann häufig e i n g e n o m m e n eher Magenblutungen hervorrufen im Gegensatz zum Mädesüßtee, denn Tannin- und Schleimstofife des natürlichen Krauts binden ζ. B. die Salze der Salicylsäure. Wegen des bis zu 10%igen Kieselgehalts verwendet man Mädesüß ähnlich wie den Ackerschachtelhalm für Bäder, welche die Widerstandskraft erhöhen u n d dem Stoffwechsel sehr förderlich sind. In den Voralpentälern Oberösterreichs (Stoder- u n d Almtal) spricht m a n von der Herstellung eines sogenannten „Salicylschnapses". Mädesüßblüten, aber auch -wurzeln werden dabei in einem milden Obstler angesetzt, in einigen Fällen leicht gezuckert und bis zu vier Wochen zum Ausziehen stehengelassen. Der Alkoholauszug diente einerseits zum Einreihen

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I Im Sommer

Das Mädesüß - natürliches „Aspirin" und angesetzt im„Salicylschnaps": Aus den wattebauschartigen, süß riechenden Blütenständen (Filipendula ulmaria) lassen sich sehr aromatische Ansätze in Alkohol oder Essig herstellen.

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I Im Sommer bei verschiedenen Wehwehchen. Andererseits trank man den „Salicylschnaps" zum Abtreiben von Würmern und Parasiten, bei schlechtem Magen und zur Verdauungsregulierung. Leicht verdünnt oder im Tee eingerührt, geht er nicht so leicht auf den Magen wie ζ. B. Medikamente. Heilsamer Aromastoff der Zukunft Blüten und Blätter kommen im Geschmack der Kleinen Bibernelle (Sanguisorba minor) sehr nahe. Blätter, Stengel und Wurzel riechen manchmal annähernd bittermandelartig oder nach Ychtolan. Wurzeln, Blüten, junge Blätter und Mädesüßsprosse werden zum Aromatisieren von Speisen verwendet. Alle Teile mit Rosenblütenblättern gemischt, sind fiirTees geeignet. Zerkleinerte junge Triebe und Blätter können in geringen Mengen in Salaten und die Wurzel in Suppen Verwendung finden. Feingehackte Blätter ergeben einen natürlichen Aromastoff, der dem aufgeschnittenen Schinken oder Speck, dem Gemüse und Spinat andere Nuancen verleiht. Die Beigabe wildwachsender Heilkräuter hilft der besseren Verdauung. Langsam im Schatten getrocknet, sind die Pflanzenteile fur den Winter bevorratbar. Wegen des süßlich-aromatischen Dufts stellten die Großmütter mit getrockneten Blüten Säfte, Bowlen, Gelees und allerhand Süßigkeiten her. Sirupartige Getränke Zur Herstellung von Getränke verwendet man Blütenknospen oder aufgegangenen Blüten. Sie werden 5-10 Minuten im heißen Wasser ausgezogen. Nach dem Absieben süßt man mit Honig, kocht noch einmal kurz auf und läßt das aromatische Getränk sodann abkühlen. Es soll in den nächsten Tagen verbraucht werden. Wer bevorraten will, kann Zucker verwenden und Zitronensaft dazugeben wie beim Holunderblütensirup. Solche Getränke des alltäglichen Bedarfs werden in Italien, den Beneluxstaaten, in Sibirien und anderen Sowjetstaaten hergestellt. Von den Kirgisen ist bekannt, daß sie aus dem gestampften Wurzelstock gemeinsam mit den Wurzeln aus Süßholz einen täglichen Umtrunk herstellen. In unseren Breiten kennen manche die Bowle aus Mädesüß. Ein „gesundes"Kompott Kompotte, mit getrockneten Birnen oder Äpfeln und mit Mädesüß gewürzt, stellt man ähnlich her. Nach dem Aufkochen des Dörr- oder Frischobstes gibt man den abgesiebten, oben beschriebenen (ungesüßten) Ge-

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Mädesüß I

tränkesaft aus den Blüten dazu und stellt die Mischung zum Abkühlen abgedeckt über die Nacht auf. A m nächsten Tag hat sich das Aroma in die Früchte eingesogen, der Fruchtzucker ist ausgetreten, u n d das Kompott kann zu Mittag genossen werden. Wer im Sommer die Blütenernte versäumt u n d kein Trockengut bevorratet hat, kann das Kompott mit den Wurzeln oder Kraut auch während des Winters zubereiten. M a n entwickelt zur richtigen Geschmacksabstimmung ein Gespür für die dosierte Menge. Nach dem Mitkochen entfernt man die Wurzeln oder das Kraut. Auf andere Würzmittel kann verzichtet werden. Die Blätter-, Blüten- und Wurzeltees Menschen mit Salicylat-Uberempfindlichkeit sollten keine Mädesüßtees verwenden. Bei übermäßiger Einnahme können Übelkeit und Erbrechen auftreten. Der Mädesüßblättertee ist besonders bei Arthritis und Rheuma, bei Streß, Nervosität und Verdauungsstörungen geeignet. Die mit heißem Wasser überbrühten Sprosse und Blüten bei Haltung der Temperatur (etwa eine bis vier Minuten ziehen lassen) werden abgesiebt, ehe der Tee schluckweise einzunehmen ist. Wegen des zunehmenden Austritts an Bitterstoffen sollte eher früher als zu spät abgesiebt werden. Der Tee hat eine gute Wirkung gegen Rote Ruhr und zur Reinigung der Galle. Ein Wurzeltee wird über die Nacht kalt angesetzt. Allzu häufig sollen Blütentees fur die Harntreibung nicht getrunken werden, denn es kann zur Reizung der Magenschleimhaut kommen. Deshalb sei nur dreimal täglich eine Tasse voll Tee, aber möglichst warm getrunken, empfohlen. Die älteren Blätter und Wurzeln sind besonders gerbstoffreich. Sie können bis zu 10 % Tannin enthalten. Deshalb wurden sie einst für die Haltbarmachung von Leder und Fellen verwendet. Außere

Anwendungen

Äußerlich verwendet hat die Salicylsäure desinfizierende Wirkung. Für Kompressen sind ein Aufguß oder mit Nudelwalker gewalzte Blätter bei Rheuma und Gicht geeignet. Der Absud oder Salicylschnaps über U m schläge eingezogen, zerteilt Knollen und Geschwüre, zieht Spieße und Stacheln aus, ist blasenziehend und erweicht verhärtete Hautstellen an den Beinen. Gegen Rheuma u n d Ischias wird das Kraut und die im baldigen Frühjahr oder Herbst gegrabene Wurzel in Salben verarbeitet. Bei Husten und asthmatischen Beschwerden werden zerstoßene Blätter mit Honig ver-

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I Im Sommer mischt auf die Brust aufgelegt. Bei Muskel- und Gelenkrheumatismus wurde mit alkoholischen Auszügen eingerieben. Die Wurzelstöcke Der zerkleinerte, knotig verdickte Wurzelstock direkt oder der Auszug davon wird zum Abgang von Spulwürmern verwendet. In Sibirien stellten die Leute daraus eine breiartige Mahlzeit her, wenn vom Wurmbefall oder vom Durchfall mehrere Leute und Kinder betroffen waren. Oder man gliederte die Wurzel, wie viele Heilkräuter, in den Speiseplan geschickt ein: denn „Köche und Köchinnen waren auch immer gute Mediziner oder Heilkundler". Die Heilwirksamkeit des Menüs ist heute völlig in Vergessenheit geraten. Sie müßte in groben Zügen eingehalten werden.

Der süße Duft und die

Bienenwirtschaft

Die Pflanze trägt auch in mancher Gegend den Namen „Bein-" oder „Bienenkraut". Sie gilt als eine äußerst gute Trachtpflanze. Imker reiben mit den Blüten die Bienenstöcke ein, wodurch die Arbeiterinnen angeregt werden, mehr Tracht einzutragen. Die Bienenvölker bleiben nachweislich gesünder. Je vielfältiger das Blütenangebot für die Bienen ist, um so geringer ist die Krankheitsanfälligkeit. Das Absterben unserer viertwichtigsten „Nutztierart" kommt nicht aus heiterem Himmel, sondern ist ein Ausweis für den Mangel am geeigneten und vielfältigen Angebot an Trachtpflanzen, oder umgekehrt gesagt: Die Probleme der Bienenwirtschaft haben ihre Ursache in der agroindustriellen Landwirtschaft, die keinen Platz für bunte, artenreiche und halbwegs natürliche Fluren läßt. Die Kultur der Bienenbewirtschaftung wird aus Mangel „nahrhafter Landschaften" verlorengehen.

Traditionelle Bewirtschaftung

der

Naßwiesen

Für eine Inkulturation können sonnige Standorte oder Halbschatten mit frischen Böden genützt werden, die nicht trockenfallen dürfen. Die ausdauernde Pflanze kann über Samen oder durch Teilung des Wurzelstocks leicht vermehrt werden. Vergessen soll nicht werden, daß wir in Osterreich sehr viele nasse bis feuchte Standorte hatten, die für die bessere Heu- und Streu-

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Kleine Wasserlinse I nutzung entwässert und aufgedüngt wurden. U n d andererseits fallen heute typische Standorte der „Wiesenkönigin" durch den Mangel an N u t z u n g brach, aber auch durch die Unterschutzstellung durch den Naturschutz. In der Folge verbuschen und verwalden sie. Von da her ist zu folgern, daß die regionalcharakteristischen Landbewirtschaftungsformen bestimmten, ζ. B. geschützten Pflanzenarten oder -gruppen förderlich sind. U n d dieser Satz hat gutachterlichen Status und kann von den Bauern ohne weiteres in der Argumentation bei heiklen Verfahren berücksichtigt werden.

Über die pläsierliche Kleine Wasserlinse (Lemna minor)

Im späten Frühjahr steigen die Wasserlinsen an die Wasseroberfläche auf, um durch Assimilation vermehrt Stärke und Nährstoffe aufzubauen. Im Herbst läßt dieser Wasserschweber förmlich die Luft aus und verbringt den Winter am Boden der Gewässer.

Die Kleine Wasserlinse hat die Form einer länglichen Linse. Sie ist eine wenige Millimeter kleine Pflanze, die in den oval-blattartigen Gebilden Gasoder „ L u f t p o r e n " eingelagert hat, damit sie an der Wasseroberfläche schwimmen kann. Durch Regulation des Gashaushaltes kann sie sich im Wasser absenken und schweben. Von der Unterseite reicht ein kleines Würzelchen in das Wasser. Sie ist ein D o r n im Auge der Teichbesitzer, die eine klare Wasseroberfläche haben wollen und mit großem Aufwand einem

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I Im Sommer ästhetischen Gartenleitbild nachlaufen. Dabei sind die Vorkommen der „Entengrütze" Ausdruck des Nährstoffuberschusses in stehenden, warmen Gewässern. Die Wasserlinsen versuchen sich diese anzueignen und vermehren sich dabei in fröhlicher Weise. Dieses Kapitel ist als Handreichung all jenen gewidmet, die in ihren Feuchtbiotopen mit den pläsierlichen Wasserlinsen zu kämpfen haben, um mit neuer Aufmerksamkeit ihnen begegnen zu können. Prof. Elias LANDOLT

(Zürich) veröffentlichte

DELER

1987

u. a. gemeinsam mit Prof. Riklef

KAN-

(Wien) mehrere Bände über die Wasserlinsengewächse (Lemnaceae),

die sie in freundlicher Weise zur Verfügung gestellt haben. Viele Hinweise wurden daraus übernommen und teilweise übersetzt.

Der Lebenszyklus der Wasserlinsen Es gibt verschiedene Arten von Wasserlinsen - die häufigsten bei uns vorkommenden sind: Die Untergetauchte oder Dreifurchige Wasserlinse (Lemna trisulca), die Buckelige (Lemna gibba), die Vielwurzelige (Spirodela polyrrhisM.) und die wurzellose Zwergwasserlinse (Wolffia arrhiza). Im Folgenden werde ich hauptsächlich auf die Kleine Wasserlinse (Lemna minor) Bezug nehmen. Die Wasserschweber bekommen die Nährstoffe aus dem Wasser. Wasserlinsen leben in Tümpeln und Gräben von feinsten Aufschwemmungen aus faulenden Pflanzenteilen, sich freisetzenden Bodenelementen, Staubeinträgen ins Wasser und von den Stoffwechselprodukten, welche Kleinlebewesen ausscheiden. Bei Nährstoffüberangebot und warmen Gewässern kommt es im Sommer zur Vermehrung der Mutterpflanze durch Sprossung. Zur Entstehung einer Tochterpflanze genügen bei guten Bedingungen 36 Stunden. Es kann dabei binnen weniger Wochen zu einer flächigen Abdeckung der Wasseroberfläche und zu einem Sauerstoffmangel im Wasser kommen. Die Wasserlinsen leben hauptsächlich untergetaucht und kommen zur Vermehrung an die Oberfläche. Hier vermehren sie sich meist nur vegetativ und blühen relativ selten. Im späten Frühjahr füllen sie Gewebe mit einem „Gasgemisch", um vom Untergrund aufzusteigen. Im Herbst verlagern sie ihre Lebenstätigkeiten auf die bodenoberflächennahen Schichten der Gewässer. Sie verkleinern die „Luftzellen", indem vermehrt Reservestärke und Nährstoffe eingelagert werden. Sie machen sich schwer und lassen aus dem Durchlüftungsgewebe (Ae-

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Kleine Wasserlinse I

renchym) förmlich die Luft ab. Sie sinken ab und verbringen am Teichboden den Winter. Dieses Verhalten ist als natürlicher Frostschutz zu verstehen. Die Verschleppung der Pflanzen in andere Gewässer erfolgt via Haftung durch wasseraufsuchende Tiere.

Wasserlinsen charakterisieren nährstoffreiche Gewässer Je nährstoffreicher der Teich ist und wenn er durch die Sonne ausreichend erwärmt wird, dann sind solche Teiche hochgradig produktiv. Das können die Gärtner mit ihren kleinen Feuchtbiotopen der Gartenmoden der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bestätigen. Laut Berechnungen erlangte man in der Sowjetunion im Mittelmaß von einem Hektar etwa 80 Tonnen frisches Erntegut pro Jahr. Diese gewaltige Menge ist von der Länge der Saison abhängig. Und in Usbekistan, in den Flachteichen entlang der Zubringer zum Aralsee, erntete man mit kleinmaschigen Netzen auf maschinellem Wege binnen 8 Monaten sogar sage und schreibe eine Wasserlinsendecke von 270 Tonnen! Durch die rasche Teilung der Linsen war hier eine äußerst hohe Produktivität bei optimalen Wuchsbedingungen gegeben.

Aus der Bauern wirtschaft lernen Die Bauern nutzten alles, was nutzbar war. Solange die Bauern keine Landwirte geworden waren, konnte man mehr von ihnen lernen als auf den Universitäten. Von den Dorf- oder den Feuerlöschteichen der Bauernhöfe wurde in verschiedenen Gegenden der „Wasserlinsenrasen" regelmäßig abgefischt. Die Linsen dienten dem Geflügel als Mischfutter im Getreideschrot. Damit die Hühner beim Wasserlinsenfischen nicht am Rand des Teiches hineinfielen und ertranken, machte man einen Zaun herum. Auch an andere Nutztiere und in der Wasservogelzucht wurden sie vor allem an Gänse und Enten und deren Aufzucht verfuttert, da das Wachstum damit gesteigert wurde. Wasserlinsen lagern Oxalate ein. Das sind Raphiden-Nadelbündel, die vom Vogelmagen leicht verarbeitet werden können. Vermutlich aus Schutz vor Schneckenfraß entwickelt die Wasserlinse Oxalsäure und lagert nadelartige Oxalsalzkristalle ein, die einen unangenehmen rauhen und herben Geschmack abgeben. Wenn man die Pflanzen kocht,

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I Im Sommer vermindert sich der kratzige Charakter, da diese Raphiden durch den Kochprozeß zerkleinert werden. Dies ist für unsere Ernährung wesentlich. Der Geschmack der Zwergwasserlinse ist süßlich und dem Kohl ähnlich. Ein eiweißreiches Futtermittel Die sogenannte „Entengrütze" enthält Fette (5 %), Carotinoide, Carotine, Xanthophyll und viel Phosphor, Magnesium, Kalzium und Spurenelemente. Sie besitzt wenig Fasern und Lignin und ist äußerst reich an Eiweißstoffen (38 %) und deshalb in vielen Ländern eine gefragte Mischfutterpflanze für Fische (Karpfen, Graskarpfen, Weißer Amur ...) und Shrimps, fur Geflügel (Enten, Gänse, Hühner ...) und Vogelfutter, für die Schweineaufzucht, Schafe, Pferde und Hasen. In subtropischen Teichen werden spezielle Fische eingesetzt, die die Gewässer mit ihrem Kot düngen und damit gleichzeitig das Wasserlinsenwachstum fördern. Diese dienen wiederum als Nahrung. In den USA gibt es Wasserlinsenfarmen, in welchen an die Rinder bei ausgezeichneten Zuwachsleistungen bis zu 70 % Wasserlinsen verfüttert werden. Wasserlinsen sind eßbar In Mexiko und Guatemala dienen sie der menschlichen Ernährung. Man nennt die Wasserlinsen dort übersetzt „Wassergetreide" oder „Wassermais". In Nordthailand werden die oxalatarmen Zwergwasserlinsen (Wolffia) „Wassereier " genannt und auf dem Markt in großen Säcken gehandelt und verkauft. So auch beispielweise in Birma und Laos. Interessiert habe ich mich das erste Mal für die Wasserlinsen in Ostholstein, wo ich 1984 auf einem großen Gutsbetrieb arbeitete. In der sogenannten Holsteinischen Schweiz waren auf den schweren Gley- und Pseudogleyböden viele Teiche von Natur aus entstanden oder künstlich wegen des anfallenden Wassers der entwässerten Äcker und Grünländer angelegt worden. Durch intensive Landbewirtschaftung mit hochgradiger Uberdüngung fanden sich in diesen Teichen, wo sich die nährstoffreichen Wässer ansammelten, enorm viele Wasserlinsen.

Nach neuem Wissen gierig sein Meine Neugier kannte keine Grenzen. Uberall steckte ich meine Nase hinein und kostete die Pflanzen. Und die Linsen schmeckten im rohen Zu-

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stand ungewöhnlich und nicht einmal so schlecht. Und der ehemalige Knecht Sigi, mit dem ich Entwässerungsgräben aushob, lachte mich nicht aus. Das hatte mich mehr verwundert als die Eßbarkeit der Wasserlinsen. Es war mir klar, daß man auf die Qualität des Wassers achten mußte. Uberall kann man in der Landschaft heute nicht mehr so ohne weiteres Pflanzen ernten und essen, vor allem nicht aus der industriellorientierten Landwirtschaft Norddeutschlands. Hingegen erzählte Sigi auf seine gemütlich plattdeutsche Art von der Gefangenschaft in der Sowjetunion, wo sie u. a. die Entengrütze auch roh verzehrten, weil sie sonst verhungert wären. Sie erfuhren dort viele interessante Nutzbarkeiten über Wildgemüse. Unter anderem war dort die Zubereitung der Wasserlinsen zu schmackhaften Salaten, Saucen, Spinat, Eintöpfen und Suppen üblich, oder es wurden damit grüne Beilagen zu Fleischgerichten oder Backwaren hergestellt. Damals machte ich mir einige Notizen aus Sigis Erzählungen, die ich hier näher ausführe:

a) Brot mit Entengrütze belegt Interessant fand ich einen Brotaufstrich mit Entengrütze. Zu den roh zerkleinerten Wasserlinsen gab man etwas geriebenen Kren und Salz bei, mischte dies mit Butter oder etwas Ol. Das wurde auf das Brot gestrichen. Wenn Topfen (Quark) oder Käse da war, mischte man diesen auch dazu. Ebenso gab man je nach geschmacklichem Dafürhalten verschiedene Kräuter dazu. Während des Studiums in Wien bereitete ich dieses Rezept mit Sauerrahm als Beilage zu den Schälkartoffeln zu.

b) Grüne Sauce mit Wasserlinsen Zu Kartoffeln oder zu den seltenen Fleischgerichten gab es häufig eine passierte Sauce als eingedickte Hauptzutat oder als leichte Tunke. Die Mehlschwitze wurde mit viel Zwiebeln angemacht. Manchmal war in der Wasserlinsenbeilage auch Kohl mitfaschiert worden. Um der geschmacklichen Eintönigkeit mehr Leben angedeihen zu lassen, setzte man solchen Saucen Würzkräuter zu.

c) Ein Salat aus Wasserlinsen Die gereinigten Wasserlinsen wurden in Sauerkraut eingerührt und mit anderen feingehackten Kräutern und vor allem mit gehacktem Zwiebel vermischt. Manchmal gab es kleine angeröstete Speckwürfelchen drauf. Dazu aß man Schälkartoffeln oder Brot.

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I Im Sommer Die „Entengrütze" (Lemna minor) kommt in nährstoffreichen Gewässern vor, die sich im Sommer erwärmen können. Die Vermehrung erfolgt in der Hauptsache durch Teilung der Blätter.

Als mir Sigi das damals erzählte, waren mir folgende Zusammenhänge noch nicht bekannt: „Die hohe Speicherfähigkeit für Radium: Die Konzentration ist 1 0 0 - 6 0 0 m a l so hoch wie im umgebenden Wasser. Wenn ζ. B. Enten überwiegend solche Wasserlinsen fressen, wird ihr — eventuell später vom Menschen verzehrtes — Fleisch nach den Regeln der Nahrungskette eine noch weiter erhöhte Radiumkonzentration aufweisen", warnen KUTZELNIGG ( 1 9 8 8 ) .

DÜLL/

Diese Feststellung muß allerdings relativiert werden.

Wasserlinsen sind wasserreiche Pflanzen, die ihre Nährstoffe aus dem Wasser beziehen. Uber die Kationenaufnahme reichert sich vergleichsweise ein Mehrfaches an Radium an. Diese Autoren legen aber ihre Meßergebnisse falsch aus, denn diese mathematischen Angaben sind auf das Trockengewicht bezogen. Die hohen Konzentrationswerte des Radiumgehalts werden fehlinterpretiert, da sie sich nicht auf das Frischgewicht beziehen.

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Kleine Wasserlinse

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Im Sommer nutzen die Bauern die linsenartigen Blätter als Futter- und in verschiedenen Kontinenten als Nahrungsmittel u. v. m.

Aus einem Brief von Elias Der Schweizer Professor Elias LANDOLT schrieb 1999 aus seinen Erfahrungen: „PORATH, D. hat in Israel Lemna gibba soweit gezüchtet, daß sie in den Supermärkten als abgepackte Gemüse- und Salatpflanze gekauft werden kann. Ich habe selbst solche Packungen erhalten und nach entsprechenden Rezepten gegessen und finde sowohl Salat wie Gemüse ausgezeichnet. Auch hier in Zürich habe ich schon L. minor gegessen. Man kann das Gemüse sehr vielseitig wie Spinat verwenden. Das erste Kochwasser leert man ähnlich wie beim Spinat weg, damit die Oxalsäure verschwindet." Und LANDOLT weißt auch auf das Problem der Verwendbar-

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I Im Sommer keit von Lemnaceen für den erwerbsmäßigen „Gemüseanbau" hin, „daß in natürlichen Gewässern die Wasserlinsen mit allen möglichen anderen Organismen vergesellschaftet und deshalb schwierig zu reinigen sind". Im Folgenden soll die vielseitige Bedeutung der Wasserlinsen in groben Zügen beleuchtet werden. Die wichtigsten Verwendungsmöglichkeiten erstrecken sich über die Anwendung in der Wasserreinigung bis hin zur Gewinnung von Dünger und Eiweiß sowie im Einsatz als Verdunstungsschutz und in der Medizin.

Zur Wasserreinigung und Erhalt von Dünger Wo Wasserlinsen sehr häufig vorkommen, dienen sie als Dünger in der Garten- und Bauernwirtschaft (ζ. B. China, Angola, Mexiko, Ägypten ...). Sie wurden zu diesem Zwecke alle 4—5 Tage geerntet. Sie eignen sich deshalb gut dafür, weil sie Stickstoff aus dem Wasser entziehen und binden können. Mit Hilfe der Aberntung der Wasserlinsen wurden größere Seichtseen, Seebuchten, Gräben, Teiche oder Stauseen von Eutrophierung gereinigt. Im Laufe der Zeit lagern sich in den Teichen über die Zufuhr von Wasser oder Luft beständig Nährstoffe an. Die Wasserlinsen profitieren davon, vermehren sich gut und sammeln diese Stoffe in Form ihrer „Biomasse" an. Durch das Abfischen der Wasserschweber entzieht man den Wässern die darin akkumulierten Nährstoffe und reinigt sie auf diese Weise. Dies ist ein kluger Umgang mit der natürlichen Produktivität und örtlich-regionalen Verhältnissen. Die Leute machten also nichts umsonst, ohne dabei nicht auch einen Nebennutzen zu haben. So war die eingesetzte Arbeit zur Gewinnung von Futter- oder Düngemittel doppelt produktiv geworden, indem man auch die Verschmutzung und das völlige Zuwachsen der Teiche hintanhielt. Darüber hinaus bediente man sich mit den Wasserlinsen der spezifischen Reinigung von Abwässer ζ. B. von Schwermetallen, Herbiziden oder toxischen Stoffen, wobei diese Waren nicht in der Fütterung zu verwenden sind. Diese Wasserpflanzen dienen auch als Indikator- und Versuchspflanzen fxir Aussagen über allelopathische Wirkungen, Drogen, Nitratgehalte und Phosphate. Man kann aus dem Wachstumsfaktor oder den verwandelten Gehaltsstoffen der Wasserlinsen Rückrechnungen auf bestimmte Inhaltsstoffe im Wasser durchführen.

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Kleine Wasserlinse I

Eiweißlieferant und Verdunstungsschutz Es gibt weltweite Erfahrungen der Verwendungen, die differenziert betrachtet sein sollen. Aus L A N D O L T / K A N D E L E R ( 1 9 8 7 ) habe ich einige wesentliche Nutzungen hier zusammengefaßt. Die Eiweißgewinnung kann heute durch Extraktion erfolgen, die Verwertung über die Tierfütterung zum Erhalt tierischen Eiweißes scheint aber die effektivere zu sein. Eine Teichfläche von etwa 50 m 2 kann eine 5köpfige Familie mit Eiweiß (auch über die tierische Veredelung) versorgen. Auch Versuche zum Erhalt von Enzymen wurden angestrengt. Die Raumfahrt machte Experimente, Wasserlinsen als Sauerstoffproduzenten nutzbar zu machen. Fermentationsversuche wurden getätigt, um aus den Wasserlinsen Energie (Methan und Äthanol) zu gewinnen. Indem man die Wasseroberfläche mit einer LemnaDecke zuwachsen ließ, diente diese in trockenen Gebieten als Verdunstungsschutz. Ein weiterer positiver Effekt ist die Hemmung der Mücken- und deren Larvenentwicklung. Und da weniger Licht einfallen kann, entwickelt sich weniger Phytoplankton im Wasser. Der Einsatz in der Medizin ist sehr vielversprechend Früher hatte die Entengrütze den Ruf einer krebshemmenden Wirkung und wurde deswegen bei Anzeichen einer Krebserkrankung, vorausgesetzt, daß noch keine Metastasen vorhanden waren, verschiedentlich angewandt. Die Wasserlinsen genossen oder den Presssaft getrunken, soll den Kreislauf gesund halten und bei Herzbeschwerden eingesetzt worden sein. Wasserlinsen roh verzehrt beruhigen Erkältungskrankheiten, mindern die Schmerzen bei Gicht im Großzehengrundgelenk (Podagra) und bei Brandwunden und fördern die Heilung nach Brüchen. In Kanada verwendeten Irokesen die Dreifurchige Wasserlinse gemischt mit Vogel-Sternmiere (Stellaria media) gegen Schwellungen. Sie wurden zur Heilung von Hepatitis und zur Auflösung bzw. Zerstreuung von Blutklümpchen und dickem Blut angewendet, indem sie in Weißwein aufgerührt oder gequetscht werden. Sie verhindern größere Blutverluste während der Menstruation (Indien). Eine Mischung mit Pfeffer wurde bewußtlosen Thyphus-Patienten auf die Augenlider gelegt. In Afrika wurde sie zur Heilung der Wassersucht und Rheumatismus angewandt. Und in China diente sie innerlich als Diureticum, Anti-Skorbut-Mittel und Anti-Syphilis-Mittel und äußerlich bei Augenkrankheiten und Karbunkel.

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I Im Sommer

Der Schabziger- oder Brotklee (Trigonella caerulea) eine alte Volksmedizin als Würze eingesetzt Dieser in unseren Breiten nicht heimische Schmetterlingsblütler gilt heute als ein völlig unbekanntes Gewürz. Derweilen beherbergt diese Axt neben den löblichen Heilwirkungen eine sehr interessante Kulturgeschichte. Vereinzelt wird heute der Schabziger- oder Brotklee noch bei Südtiroler oder Schweizer Bergbauern, aber selten in Osterreich angebaut. Er diente als volksmedizinales Würzmittel, als Duftkraut nebenher zur Insektenvertreibung, zur Konservierung von Lebensmitteln und ist im Vintschgau in einigen Brotsorten enthalten. Uber die Heilkraft liegen kaum Dokumentationen vor, und häufig wird dieser „Wetterumschwunganzeiger" mit dem nah verwandten Bockshornklee verwechselt. Auf Anregung von Karl Heinrich H Ü L B U S C H - emeritierter Professor an der Gesamthochschule Kassel — begann ich mich seit längerem mit dieser Pflanze umfassender zu beschäftigen. Ihm sei folgendes Kapitel gewidmet. Die sehr seltenen Hinweise, die bei meinen Wanderforschungen aufgezeichnet wurden, verdanke ich Bauern und Gärtnern, die bei Hausverstand und der Arbeit blieben. Seit den Käsereierfahrungen in der Schweiz ist mir mit Sicherheit zuviel des eigentümlichen Duftes in den Kopf gestiegen.

Kräuter sind essentielle Hilfimittel Zu Zeiten, wo die Landschaft und der Garten die Medizin bereitstellten, galt der aus Kleinasien eingeführte „Blaue Steinklee", heute Schabzigerklee (Trigonella caerulea) genannt, als offizinell, d. h. heilsam. In unseren Breiten wurden ab dem 10. Jahrhundert von Kreuzrittern und Händlern aus dem ösdichen Mittelmeer- und dem transkaukasischen bis nordafrikanischen Raum verschiedene aufsteigende oder niederliegende Kulturunterarten eingeführt. In der älteren Fachliteratur werden diese als an Trockenstandorten Böhmens, Niederösterreichs, Burgenlands und Ungarns offenbar heimisch angegeben. Sie gelten mittlerweile (lt. Exkursionsflora Österreichs) als ausgestorben. Wenn dieser Schmetterlingsblütler aber eine Verbreitung in Nordostafrika und östlichen Mittelmeerraum hat, müßte in Mitteleuropa besser von verwildertem Auftreten gesprochen werden.

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Das blühende Kraut des Schabziger- oder Brotklees (Trigonella caerulea) reguliert im Körper die Bakterienflora und hat deshalb als Mittel bei gicht- und rheumatischen Beschwerden eine gute Wirkung.

Er ist durch Bockshornklee und Currypulver ersetzt

worden

Heute ist der seinerzeit angebaute und eingeführte Schabzigerklee als würzende Heilpflanze (Krautpulver) vielfach in Vergessenheit geraten. Er wurde durch das geschmackswirksamere Heil- und Würzmittel, den importierten Bockshornklee (dem Samenpulver von „Griechisch-Heu", Trigonella foenum-graecum) — ein wichtiger Bestandteil im „Curry" —, ersetzt. Als Gewürz häufig in der streßgeplagten Ernährung eingesetzt, wirkt Curry langfristig zu scharf auf unsere Verdauungsorgane, hingegen der Schabzigerklee mild. Beide bedingen charakteristische Ausscheidungsgerüche über unsere Haut. Wegen der Ähnlichkeit zum Steinklee (Gatt. Melilotus) wurde der Schabzigerklee als „Blauer Honig- oder Steinklee" oder „Mottenkraut" benannt. Man lagerte die aromatische Pflanze zum Schutz gegen Motten dort, wo man die Speisen und Wäsche verwahrte. Die getrockneten Kräuterbündel kündigen mit der Mehrung des typischen Geruchs bevorstehendes Regenwetter, also den Wetterumschwung an.

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I Im Sommer Ein

Schmetterlingsblütler

Die bleich- bis gelbgrüne Pflanze ist einjährig und kann eine Höhe von etwa 50 cm bis 80 bis 100 cm erreichen. Typisch ist das dreigeteilte Blatt, welches dem Steinklee (Melilotus spec.) sehr ähnlich im Aussehen ist. Das mittlere Teilblatt ist länger gestielt. Die weißlichen bis hellblauen oder blauen Einzelblüten versammeln sich zu kleinen, dichten Köpfchen. In den stielrunden, bis 7 mm langen, geschnäbelten Hülsen finden sich runde bis nierenförmige, gelb- bis dunkelbraun gefärbte Samen. Der würzige Geruch der krautigen Teile erinnert an den Liebstöcld (Levisticum officinale) mit Anklängen zum Cumarin.

Uber Standorte und seinen Anbau Der Schabzigerklee ist wie seine verwandte Art, der Bockshornklee, von dem man die Samen verwendet, sehr wärmeliebend. Deshalb sind sonnenorientierte Terrassen in unseren Breiten von Vorteil. Bergbauern bauten den Schabzigerklee bis auf 1.500 m Seehöhe an. Mittels windgeschützte Umfänge, durch Zäune oder Hecken, schufen sie einen Wärmestau. Der Boden soll wie bei allen angebauten Kleearten nicht nährstoffreich sein und eher eine leichte Bodenstruktur mit hohem Sandanteil haben. Die vormalige Kompost- oder Stallmistdüngung sollte zwei bis drei Jahre her sein. Kalium-, Phosphor- und Kalkdüngung ist dieser Art wie sommerliche Trockenheit zuträglich. Er gilt als ausgezeichneter Stickstoffsammler, weshalb er einst als Vorfrucht für Gemüse und andere Heil- und Gewürzkräuter sehr geschätzt war. Meiner Vermutung nach dürfte sein Vorhandensein bzw. die Trocknung abfallender Teile in den Gärten auch Ungeziefer und Mäuse abhalten.

Zur Aussaat, Pflege und Ernte Die Aussaat Mitte bis Ende April erscheint günstig. Voraussetzung ist in den ersten 10 Tagen eine regelmäßige Bewässerung. Die Ansaat in 20 cm Reihenabstand hat sich für die Hackung gut bewährt. In den ersten drei Wochen und später noch einmal soll zwischen den Reihen das Auflaufun-

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Das milde Würzmittelfand zur Haltbarmachung von Brot und Käse und als Verdauungshilfe bei allerlei Speisen Einzug in unsere Küche. Es wurde durch das schärfere Gewürz,, Curry", in dem die pulverisierten Samen des Bockshornklees enthalten sind, ersetzt.

kraut (für Speisezwecke geerntet oder) gehackt werden. Die Ernte der krautigen Teile kann unter optimalen Bedingungen im Zeitraum von Juni bis Ende Juli, zwischen Beginn der Blüte und der ersten Samenbildung, erfolgen. Die Samenernte für das nächste Jahr erstreckt sich je nach Witterungsverlauf zwischen Anfang bis Ende August. In einigen Fällen wird er Anfang Juli noch als Nachfrucht angebaut, wo sich die Ernte bis Ende September hinausstreckt. In Jahren mit stärkeren Niederschlägen ist der Gehalt an Inhaltsstoffen geringer. Zur Bienenwirtschaft sei angemerkt: Schon zu Beginn der Blüte werden die Kulturen von den Honigbienen stark umworben, die ebenso den ätherisch riechenden Pollen als natürliche Abwehrstoffe gegen Parasiten für ihre Stöcke erkannt haben.

Ein ausgezeichnetes

Würzmittel zur Verdauungshilfe

Erst nach der Krauttrocknung entwickelt sich das typische Gewürzaroma. Sowohl bei Brot - in Südtirol den fladenartigen „Vintschgerln" oder „Paarin" —

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I Im Sommer als auch beim Käse hilft das Pulver oder die in die Produkte eingearbeitete Würze der besseren Verdauung. Bei deftigen Speisen mit viel Kohlehydraten, fettreicher und saurer Nahrung gilt der mild wirkende Schabzigerklee als ein höchstförderliches Würzmittel, welches ganz neue Geschmacksrichtungen hervorbringt. Zudem halten die geringen Mengen der Ausdünstungen des alkaloiden Wirkstoffs Trigonellin Vorratsschädlinge und Bakterien von diesen Lebensmitteln fern. So ist auch im weiteren Sinn der Name „Brotklee" verstehbar.

Eine spezielle Käsewürze In der Schweiz nennt man die Pflanze auch „Käseklee", da sie zur Würzung des sogenannten Schabzigerkäses dient. Der würzige Käse entstand ursprünglich aus Magermilchresten und buttervergorenen Milchprodukten, die penetrant riechen würden, gäbe man nicht dieses göttliche Kraut dazu. Beim eigentlichen Zigerkäse können sich dichte Schimmelrasen bilden oder die Fliegenmaden verringern die Käsli gravierend im Gewicht. Damit diese Verluste nicht eintreten, behilft man sich durch Ubergießen mit heißer Molke oder Schotte oder durch Räucherungen.

Die groben Züge der

Schabzigerkäsezubereitung

Im Schweizer Kanton Glarus wird der blaßgelb- bis graugrünliche und sehr harte „Glarner Schabziger" oder „Glarner Kräuterkäse" hergestellt. Er schmeckt sehr pikant und enthält praktisch kein Fett. Dabei gibt es zwei verschiedene Zubereitungsweisen: a) Vor mehreren hundert Jahren hatten die Bauern an die kirchliche Herrschaft den Zehent u. a. in Form von Zigerkäse abzuliefern. Es handelte sich um einen durch lange Lagerung und haltbar machende Pflege hart und dürr gewordenen Magerkäse, der hauptsächlich aus Rückständen der Rindermilch, aus der Buttermilch und Molke, manchmal auch nur aus Magermilch gemacht wurde. Ursprünglich verwendete man dazu auch die Milch anderer Tierarten. Die leicht säuerliche oder mit etwas Molke angesäuerte Magermilch wird bis zum Kochen (90-100° C) gerührt. Dann gibt man kalte Buttermilch dazu und erhitzt langsam wieder auf 90°. Dabei darf das Eiweiß noch nicht ausfällen. Erst mit der Sauermolkebeigabe beginnt sich bei Entfernung des Kessels von der Feuerstelle das Zigereiweiß bei sorgsamer Säuerung abzuscheiden. Zur entmolkten und abgekühlten Dickmilch setzt man das feine Pulver des Zi-

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Der Schabziger- oder Brotklee

I

gerklees und Salz dazu. Nun formt man die Käsemasse in 10 cm große, stumpfe Kegelchen mit einem Gewicht zwischen 100 und 250, früher bis 500 g. Er wird auch in konische Formen gepreßt. Wenn er in einem warmen Raum bei etwa 20° C ausgereift und trocken ist, gehen die in „Staniolpapier" verpackten Käsekegel oder das geriebene Pulver des Käses in den Handel. Das Kraut verleiht dem Käse eine hellgrüne Farbe und den unverwechselbaren Geschmack, b) Nach der Fällung mit saurer Molke preßte man das abgekühlte Eiweiß in gelöcherte Holzgefäße, um die verbliebene Molke abzuführen. Die entstandenen Eiweißbrocken nahm man aus den Behältern und stellte sie bei Raumtemperaturen zwischen 15 und 18° C auf, wo sie in 3 bis 6 Wochen eine Gärung durchmachten. Die hart gewordene, säuerliche Käsemasse mußte für die Glarner Zigerkäseerzeugnisse in den sogenannten Zigermühlen oder -pressen gemahlen werden. Damit der in den Klöstern in großen Mengen antransportierte Käse aufgewertet und längerfristig haltbar wurde, gab man in die zerkleinerte Käsemasse Schabzigerkräutermehl und Salz bei und mischte es durch Rühren und Kneten regelmäßig ein. Mit der Zerkleinerung entstand eine gute Durchmischung der verschiedenen Anlieferungen und ein homogenes Produkt. Die getrockneten, handlichen Käseformen wurden gehandelt. Vor allem die Buttersäuregärung länger aufbewahrter Buttermilch verursachte einen unangenehmen und teilweise sehr scharfen Geruch, der mit dem Kraut zu übertünchen versucht wurde. Am besten hatte sich dazu der aus dem Südostraum des Mittelmeers und Vorderasien eingeführte Schabzigerklee bewährt. Zu diesem Zwecke wurde er im Alpenraum in verschiedenen Gegenden angebaut. Zur Wertsteigerung des Käses Teils stellte man den Glarner Schabziger unter Monopolschutz und behütete die Rezepturen als Berufsgeheimnis, um höchste Gewinne aus dem Handel zu erzielen. Bis Holland, Spanien, England und Rußland wurde dieser „Grüne Reibkäse" transportiert. Später stellte man ähnliche Käsesorten ζ. B. auch in den Kantonen Graubünden und St. Gallen, seltener in Südtirol her. Ähnliche Kräuterkäserezepte finden sich auch in Südbayern, Franken bis Südthüringen und Niederlausitz. Zum Hausgebrauch rieb man die Käsekegel, mischte reichlich Butter oder Topfen unter und schmierte sich den abgemilderten Käse auf das Brot. Der scharfwürzig ge-

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I Im Sommer wordene Glarner-Käse wird, gemahlen und mit Rahm oder Milch gemischt, auch fiir verschiedene Saucen verwendet. Dieser mit Kräutern würzig gemachte Käse war von Ärzten verschrieben worden, wenn verschiedene Beschwerden auftraten, wie ζ. B. Gicht-, Steinleiden, Magen- und Kreislaufschwäche oder Blutarmut. Er stand auch gezielt als schweiß- und harntreibendes Nahrungsmittel im Gebrauch. Wesentliche andere Kräuter waren Schafgarbe und natürlich Kümmel, die auch im Steirer- und anderen Graukäsesorten heute Verwendung finden. Mancherorts finden sich Rezepte mit Pfefferzugaben und neuerdings auch mit Curry. Das Kraut als würzendes Heilmittel

eingesetzt

Auch in der Medizin fand das herb balsamisch riechende, teils bittere Würzmittel unmittelbar Verwendung. Vor allem gegen Gicht und Rheuma zeigt das Kraut hervorragende Wirkung. Weiters wurde die Pflanze, aber auch Schabzigerkäse vorbeugend gegen Schlaganfälle und Wassersucht, zur Stärkung der Kreislaufaktivitäten, bei Magenschwäche, zur Verdauungsförderung und bei Fieberanfällen verschrieben. Heute kann in vielen Heilkräutern die krebsvorbeugende Wirksamkeit vermutet werden. So auch durch die Trigonella-hiieri. Neben der schweiß- und harntreibenden sind auch schmerzstillende, zerteilende, Auswurf befördernde und wundheilende Wirkung nachgewiesen. So kam der Schabzigerklee auch bei Blutarmut und Nasenbluten zur Anwendung. Wird der herbe Preßsaft mit Honig gesüßt, so kann damit das Gesicht und die Augenhöhlen eingerieben oder gewaschen werden. Dies führt zur Haut- und Gesichtsmuskelreinigung. Im Mittelalter dienten Kraut und Samen zerstampft oder gemahlen als Auflage zur Geschwulstentfernung. Heute wird diese Anwendung auch mit den Bockshornklee-Samen angegeben. Zur Auswurfförderung von Lungen- und Brustschleim und bei chronischem Husten diente der getrunkene Absud aus gekochten Samen. Seine Wirkung ist allerdings geringer dafür aber milder als jene vom Bockshornklee. Schabzigerklee ist magenkräftigend und die Darmtätigkeit anregend, wenn er regelmäßig über Speisen eingebracht wird. Natürlich ein angenehmer Effekt nebenher, wenn man diesen über die Ernährung erreichen kann. In der guten Küche darf der Schabzigerklee nicht fehlen Ohne weiteres kann das Gewürz direkt auf die Speisen gestreut werden. Zum Gebrauch als Würzmittel für Erdäpfelgerichte (Kartoffelgerichte) ist

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Die Meisterwurz I

empfohlen, das pulverisierte Kraut zuvor gut eine Stunde mit etwas Salz gemischt u n d mit etwas Wasser beträufelt anzusetzen. Auch die Verwend u n g eines Schabzigerklee-Kräutersalzes mit 70 % Kräuteranteil ist eine Möglichkeit. Sehr empfehlenswert ist er als Würze zu Salaten, im speziellen zu jenem mit roher oder gekochter Rote Beete oder mit Bohnen, wenn man das Würzmittel gut eine Stunde ziehen läßt. Dieses heilwirksame Gewürz ist unbedingt auszuprobieren. In aufgeschlossenen Bioläden und Reformhäusern kann das Kräuterpulver bezogen werden.

Die Meisterwurz (Peucedanum ostruthium)Meisterin unter allen Heilwurzeln

Die geernteten Wurzel der Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) kann bei Mensch und Tier als vielseitiges Heilmittel verwendet werden. Frisch und zerkleinert dient sie zur Herstellung von Salben, als Würzmittel und zur Stärkung. Getrocknet oder zum Einlegen in Schnaps gebrauchte man sie bei Hals- u n d Leibschmerzen. Als Aphrodisiakum, vorbeugend gegen Schlaganfall und bei zu hohem Blutdruck wurde sie gekaut. Das Wissen über die „ Wurz aller Wurzeln " wurde hauptsächlich im Verbreitungsgebiet Alpenraum über den Gebrauch unter den Leuten weitergegeben. Es fand nur geringfügig Eingang in die Arzneikunde griechischer und römischer Gelehrter. Die Alpenvolksheilkunde galt lange Zeit als „barbarisch". Bei den Einheimischen galt die Meisterwurz aber als „Ginseng des Westens". Einst wurde sie in den Bauerngärten an halbschattigen Stellen kultiviert.

Das Aussehen Ihr Aussehen ist dem Bärenklau (Heracleum sphondylium) sehr ähnlich und kann an Bächen und nährstoffreichen Böden ähnliche Größen erreichen. Die Blüten sind weiß, selten mit einer leicht rosa T ö n u n g charaktierisiert. Der braune Wurzelstock enthält eine weiße Milch. Darin befinden sich Bit-

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I Im Sommer ter- und Gerbstoffe, ätherische Öle, Ostin und Ostruthin sowie Harze. Die aromatisch duftenden Früchte der Doldenblüten verwendete man ζ. B. in Osttirol und der Schweiz in geringen Gaben wie Kümmel und die Blätter als Würzmittel. Sie gelten ebenso als appetitanregend wie die Wurzel. Die gierschähnlichen Blätter geben beim Zerreiben einen aromatischen Geruch ab, der in der Nase beißend wirken kann. Fein gehackt, streute man davon etwas in die Pfanne auf das „Muas" oder den Kaiserschmarren. Frische oder zerstoßene Blätter legte man wegen des Heilgehalts auf Wunden oder machte damit Heilpflaster. Die fingerdicke Wurzel aber ist heilsamer.

Die Kolonisation mit Alpenholzhauern Die Meisterwurz hat ihre Hauptverbreitung im Alpenraum in den Hochstaudenfluren. Zwischen den Pyrenäen und Niederösterreich aber kommt sie, wenn mitderweile nur mehr äußerst selten, auch als Nutzpflanze in Gärten angepflanzt oder verwildert im Mittelgebirge oder Tiefland vor. Uber Siedler, welche als Arbeiter zur Kolonisation neuer Gebiete eingesetzt waren, wurde sie nach Thüringen, Frankenjura, Harz, Eifel, Schwarzwald, Sachsen und Westfalen eingeführt. Karel KOPECKY verfaßte 1973 über die Beziehungen der Siedlungsgeschichte und Verbreitung der Meisterwurz im Adlergebirge Nordostböhmens einen Beitrag. Ab dem 16. u. 17. Jahrhundert nahmen sie die Holzhauer und Holztrifter aus Tirol, Salzburg, dem Salzkammergut und Bayern in die Siedlungen der weiteren Umgebung von Glas- und Eisenhütten mit. Sie war dort als Heilpflanze unabkömmlich.

Die gekaute Wurzel stärkt die Kräfte Aphrodite, die griechische Göttin der Liebe und Schönheit, soll bestimmte Pflanzen mit beflügelnden Stoffen versehen haben, die nicht nur kraftund ausdauergebend sind, sondern auch in der Liebe als „anregende" Mittel eingesetzt wurden. Aber wen interessierten die Götter und Göttinnen, die Leute erfuhren das Wissen über den tradierten Gebrauch. Dahin gehend sagen Kräutlerinnen der Meisterwurz geheime und stärkende Kräfte nach. Ein alter Schweizer Hirte berichtete, daß sie jeden Tag zwischen den Mahlzeiten lange an einem kleinen Würfel dieses Aphrodisiakums kauten, sich so den ganzen Tag wohl fühlten und bei Kräften blieben. Ahnliches

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Alle Teile vor allem aber die Wurzel des Meisterwurzes (Peucedanum ostruthium) sind hochgradig heilwirksam. Man müßte diesen Doldenblütler deshalb als „Ginseng der Alpen" bezeichnen.

erzählte auch eine Kärntner Sennerin. Damit konnten auch Durststadien kurzfristig überbrückt und Krankheiten (Seuchen wie der Pest) vorgebeugt werden. Größere Mengen auf einmal sollte man nicht davon zu sich nehmen und ab und zu damit aussetzen, denn sonst können auch gesundheitliche Schäden auftreten. Gekaute Wurzeln schmecken ziemlich scharf und brennen auf der Zunge. Vorsicht ist bei Schleimhäuten der Nase und Augen geboten.

Zur Trocknung auf der Alm Die im Frühjahr oder Herbst gesammelten Wurzeln säuberten wir mit der Reibbürste unter dem Wasserstrahl des Brunnens, zerschnitten sie in kleine Würfel oder Scheibchen und fädelten sie auf einen starken Zwirn auf.

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I Im Sommer Die Ketten hängten wir an den Hüttenplafond, wo der Luftzug ihnen langsam die Feuchtigkeit entzog. Nach einigen Wochen füllten wir sie in verschließbare Gläser. Wurzelteile finden sich seither in den Kleidungsstücken des Alltags, damit bei Notwendigkeit daran gekaut werden kann. Mit etwas Pulver aus Wurzel oder Samen würzte man früher den Käse zur besseren Haltbarkeit, aber auch verschiedene Getränke, damit sie aromatisiert und nicht von Schimmel befallen wurden. Getrocknete Blätter und dünnere Stengel werden seit den Almerfahrungen für Teemischungen und Räucherungen verwendet. Verschiedene Kräuterrezepturen Bei vielen Krankheiten, für die man in ähnlicher Weise auch die Echte Engelwurz (Angelica archangelica) verwenden kann, gebrauchte man die Meisterwurz. Folgende drei Rezepte vermittelte Hilde ROTH-EGGER aus Vilters bei Sargans im Kanton St. Gallen in den 1990er Jahren, als wir uns auf den Alpen gegenseitig besuchten. Das Pflaster aus Meisterwurz Die frischen und gewaschenen Wurzeln von Meisterwurz werden fein zerrieben. Mit Mehl und etwas Wasser rührt man einen Teig damit an und legt diesen auf die Wunde auf. Dann wird ein Verband aus sauberen Tüchern umwickelt. Der Meisterwurzteig entzieht das Eiter und hilft der schnelleren Wundheilung und beugt vor Sekundärinfektionen vor. Deshalb nennt man sie auch „Haischwurz", weil sie die sog. „Haisch", die Geschwulst, heilt. Dieses früher gehandhabte „Pflaster" findet Anwendung bei eitrigen, langsam heilenden Wunden und bei Blutvergiftung nach einem Tierbiß. Die Meisterwurzzugsalbe Eine Zugsalbe ist bei eitrigen Wunden und nach dem Entfernen von Spießen (Holzschiefern) zu verwenden. Demnach werden 100 g Lanolin auf 60° C erwärmt und ein paar feingeschnittene Meisterwurzwurzeln beigegeben. Nach dem 24stündigen Stehenlassen wird abgesiebt. Es kann noch ein bißchen Johanniskraut- oder Arnikaöl beigegeben werden. Etwas davon auf die Wunde geben und mit einem Pflaster oder Verband „feststellen" und 12 Stunden ziehen lassen. Auf diese Art kommt der Holzspieß von allein heraus.

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Die aromatisch riechende und teils auf den Schleimhäuten brennende Wurzel wurde nach der Reinigung in kleine Stückchen geschnitten, welche bei energetischer Auszehrung längere Zeit gekaut wurden. Sie diente auch zur Herstellung von Salben und Schnäpsen.

Wegen ihrer großen Heilwirkung war die Pflanze zur Gewinnung von Blättern und Wurzeln in ganz Europa in den Gärten und in der freien Landschaft kultiviert worden, wie hier ζ. B. in den Cottischen Alpen (Frankreich).

Eine andere Zugsalbe Sie wird bei eitrigen Wunden, langwierigen Anschwellungen besonders an Gelenken verwendet. Rinderfett, Fichten- oder Lärchenharz, MeisterWur/.wurzeln, Johanniskrautöl, Arnikablüten werden gemeinsam langsam erwärmt, bis sie heiß sind. Dann wird der Topf vom Herd gezogen und eine mehrstündige Pause gemacht, ehe die Mischung noch einmal bis knapp vorm Aufkochen erhitzt wird. Die Salbe ist fertig, wenn sie braun wurde. Dann siebt man sie ab und lagert sie lichtgeschiizt in einem kühlen, konstant temperierten Raum.

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Die Meisterwurz •

In Schnaps und Wein angesetzt Ein Ansatz gemeinsam mit Bibernellwurz ( P i m p i n e l l a spec.) half bei Halskrankheiten und Asthma. Zerkleinerte Wurzelstücke wurden ζ. B. in Kais (Osttirol) in Mischung mit der Maische angesetzt und mitgebrannt. Dieser Schnaps dient zum Einreihen oder wurde löffelweise bei Vergiftungen durch Pilze oder Alkohol oder bei einem gewaltigen „Rausch" (eine Alkoholvergiftung) alle halbe Stunde eingenommen. In Wein eingelegt oder gesotten wirkte die Wurz gegen Gelbsucht, Fieber, Husten, Wassersucht und sei Nierenbeckenentzündung und Schlagflüssen. Im Lungau hat der Meisterwurz den Ruf, gegen Salmonellen und Viren wirksam zu sein. In Schnaps werden hier nur die dicken und alten Wurzeln angesetzt. Das Volksheilmittelguthin Faulig gewordenes Fleisch bei Erfrierungen oder stark eiternden Wunden wurden mit Absud-Umschlägen behandelt oder mit Wurzelsalben. Die Wurzel gesotten war gut gegen Bauchschmerzen, Nierensteine, Tumore in der Gebärmutter, Leber und Milz. Tee bewährte sich gegen Rheuma und Gicht, Magen- und Frauenleiden und Harnverhalten. Zerstoßene Wurzeln wurde bei rheumatischen Geschwülsten auch aufgelegt. Vorbeugend wurde gegen Schlaganfälle ein kleines Stück jeden Tag gekaut. Aber auch zur Beseitigung von Lähmungen nach einem Schlaganfall ist die Wurz, kleinweise eingenommen, eine sehr wirksame Behandlung gewesen. Sie stellt in Teeform aufbereitet ein hervorragendes Fieber- und Beruhigungsmittel dar. Sie reinigt das Blut und somit Hautausschläge. Auch bei Blutvergiftungen war Meisterwurz angewandt worden. Alkoholiker konnte man mit Wurzelteekuren von ihrer Abhängigkeit befreien. Die Anwendung erstreckte sich auf eine weite Palette: Die Meisterwurztinktur in Wasser getropft verwendeten die Frauen bei Menstruationsbeschwerden, um die krampfartigen Schmerzen zu mindern oder zu verhindern. Die Wurzel gekaut oder mitgekocht ist appetitanregend und verdauungsfördernd. Das altbewährte Grippemittel Meisterwurz gehört zu den ziehenden Kräutern: Die geschnittenen, marktiohlen Stengeistücke des Krauts fädelte man auf einer Schnur auf. Diese Kette hängte man sich bei Kopf-, Augen- und Zahnweh oder auch zum Zahnen um den Hals. Auch ein mit Wurzeln gefülltes Stoffsäckchen wurde gegen Erkältungskrankheiten um den Hals gebunden. Bei Grippe diente

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I Im Sommer die Wurzel als schweißtreibendes und schleimlösendes Teemittel und gegen ansteckende Krankheiten. Auch Dampfbäder bei Bronchitis und schwerem Asthma waren damit gemacht worden. Bei schlechter Luft dienten die getrockneten Wurzeln, aber auch das Kraut zum Räuchern.

Das Kompott mit Beats Pflaumen würzten wir mit den Wurzeln Als uns Beat vor Jahren mit Stolz seine „Pflümli" aus dem eigenen Obstgarten auf die Schweizer Alp mitbrachte, fand ich aufgrund der großen Menge die Möglichkeit, verschiedene Zubereitungen auszuprobieren. Die Zwetschken wurden für ein Kompottgericht vorbereitet. Zum Aromatisieren habe ich ein Stück frische Wurzel des Meisterwurzes gerieben und zum Kochen dazugegeben. Das ergab als Würze einen völlig neuen Geschmack. Zuviel verwendet, kann zu einem herben Geschmack führen. Das verfolgte Ziel war es, nicht immer Zimtrinde und Gewürznelken zu verwenden, sondern auch andere heimische Pflanzen für diesen Zweck zu gebrauchen. In diesem Sinn verwendeten wir die Wurzel auch in der Zwetschken-, Apfel- und Alpenampfermarmelade als Würze und bevorrateten es auf diese Weise als aromatisches, heilsames Nahrungsmittel. Auch wenige junge Blätter der Alpenrose scheinen als Würzmittel verwendbar zu sein.

Meisterwurzschnäpse Bei der Schnapsherstellung mit Meisterwurz sind grundsätzlich drei Arten zu unterscheiden: Die Wurzel wird mit der Obstmaische mitgebrannt oder die Wurzeln allein destilliert oder in Alkohol angesetzt. Andrea BINDER aus Fügen berichtete über bekannte Verwendungen aus dem Zillertal: Die Wurzel der Meisterwurz wird beim Destillieren mit dem Obst gebrannt. Eine Handvoll Wurzeln wird auf etwa 200 Liter Obstmaische zum Brennen verwendet. Man erhält klaren Schnaps. Hingegen die Wurzel in Alkohol angesetzt, kann die Flüssigkeit braun verfärben. Anderen Berichten zufolge brannten Bauern bis vor wenigen Jahren Schnaps, welcher zu 100 Prozent nur aus der Wurzel hergestellt wurde. Etwa 20 bis 30 Kilogramm Wurzelware benötigt man für gut einen Liter Schnaps. So entstand ein hochkonzentriertes und teures Heilmittel. Bauern kultivierten zu diesem Zweck Meisterwurzstandorte, indem sie dort die Wasserversorgung garantierten und teilweise das Weidevieh in diesen Bereichen aussperrten.

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Die Butter wurde gelb ... Auch fiir dieTierfutterung wurde Meisterwurz gezielt gesammelt, weil damit die Butter besonders gelb wurde, was ein gutes Zeichen fiir das Vermögen des bäuerlichen Wirtschaftens darstellte. Blätter dieser Pflanze schnitt man in das sog. „Gleckacht" fein dazu und mischte sie gut unter. Den Rindern streute man pulverisierte Meisterwurzel mit Salz zum Gelecke, damit sich die Tiere nicht gegenseitig mit Krankheiten ansteckten. Von sich aus fressen die Tiere auf der Alm in den seltensten Fällen davon, außer sie sind krank.

In der Tierheilkunde Bei Vergiftungen, zur Kräftesteigerung nach auszehrenden Krankheiten und gegen Maul- und Klauenseuche ist die Wurzel wirksam eingesetzt worden. Bei Rindern, Pferden, Schafen und Ziegen wirkte sie der Bildung von Magensaft förderlich, harntreibend und blähungswidrig. Gegen Würmer und Verdauungsparasiten mischte man sie in das G'leck bei. Die bevorratete Meisterwurz setzte man gezielt zur Appetitanregung und Erhöhung der Milchmenge ein. Nach dem Kalben gab man der Kuh als Stärkungsmittel eine gesalzene Brotschnitte mit zwei oder drei ,Astrenzen"-Blätter drauf ins Maul ein. Schweizer haben mit Wurzeltee das Keuchen des Viehs geheilt. Unruhige Pferde rieb man mit Wurzeln oder Blättern hinter den Ohren ein, damit sie sich beruhigten.

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Im Herbst

Das Heidekraut (Calluna vulgaris) Wundermittel gegen Rheuma Das rosarote „Blütenmeer" des Heidekrauts (Calluna vulgaris) verbinden wir mit dem Herbst. Aus den Blütenähren und den Zweigen lassen sich von August bis November verschiedene Rezepte für Bäder und Tees rheumatisch geplagter Menschen herstellen. Bemerkenswert sind die Wirkungen dieses Zwergstrauches auf verschiedenen Ebenen gegen Gicht und Rheuma. Früher zählte der Zwergstrauch zu den Nierenheilkräutern, und seine Blüten boten für die Bienen eine wichtige Herbsttracht.

Wir beschäftigen

uns mit den Kräutern, die wir

brauchen

Vor einigen Jahren holte ich mir von einem Zeckenbiß oder Mückenstich die Bakterienkrankheit Borreliose. Da viele Arzte die ausgebrochene Krankheit nicht oder nur falsch diagnostizierten, bekam ich durch das lange Warten Lähmungserscheinungen, entzündete Fußgelenke und Wasser in den Sprunggelenken und Knien. Mehrere Monate war ich an das Bett gebunden. Das Warten auf eine zielorientierte Behandlung zog die schmerzhafte Arthritis nach sich, die in einem Jahr noch immer nicht vollständig abgeheilt war. Was habe ich alles an Kräutern ausprobiert. Ich war schon im Glauben, nicht gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen. Von Pontius bis Pilatus gelaufen, fand ich in meiner kleinen Bibliothek einen Hinweis bei Maurice MESSEGUE ( 1 9 7 6 ) , dem französischen Heilpraktiker, daß das Heidekraut sowohl bei Wasserstau und Entzündungen an den Fußgelenken als auch bei Rheuma, Gicht, Nierenproblemen und Gelenken gut wirksam sei. Im Endeffekt helfen viele Heilkräuter, vor allem verschiedene Tees und Einreibungen mit Schwedenbitter, in meinem Fall war eine BlutegelTherapie (s. MACHATSCHEK 2000) am schnellsten wirksam. Doch begleiteten mich etliche Gichtpflanzen des genesenden Weges. Meine Krankheit nahm ich zum Anlaß, dem Heidekraut genauer nachzuspüren.

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I Im Herbst Uber das Vorkommen des Heidekrauts Mit dem Beginn der Heidekrautblüte stellt sich der Herbst ein. Vor allem auf den Almweiden, wo die Vegetationszeit viel kürzer ist wie im Tal, läutet das schöne Violett und Fliederrosa schon ab August den Beginn des Winters ein, der sich freilich zeitverzögert und je nach Witterungsverlauf erst in Etappen einstellen wird. Dann ist es Zeit, die Blütenäste für verschiedene Teemischungen zu sammeln. Wenn die Besenheide auf den Almen verblüht ist, findet man sie zum Sammeln mancherorts auf den sandigen Magerweiden der Niederungen, in Kiefern- und Eichenwäldern oder auf Moorstandorten. Dieser Zwergstrauch bevorzugt kalkarme bzw. kalklose Böden oder solche mit saurem Ausgangsgestein. Er gilt als Pionierpflanze und als Rohhumusbildner auf sauren Rohböden. Die Pflanze verträgt sowohl kurzfristige Trockenphasen wie hohe Feuchtigkeit, Wärme und Kälte. Sie benötigt aber ausreichend Sonne. Die verzweigten, niederliegenden Äste können bis zu einen Meter lang werden und große Flächen bedecken. Der Aufwuchs überschreitet allerdings in unseren Breiten selten 40 cm in der Höhe. Vielfach finden wir heute Heidekrautzuchtsorten (auch von Ericaarten) mit gefüllten Blüten, zahlreichen Blüten- und Blattfarben, vor allem als Herbstgräberschmuck und zur Erlangung von violetten Blühaspekten in unseren Gärten.

Der

Heidekrauttee

Die abgestreiften, glockenförmigen Blüten des Heidekrauts und die feinen Triebspitzen mit den immergrünen, dachziegelartig überdeckenden Blättern können gemeinsam mit Erdbeer-, Brombeer- und Heckenrosenblätter getrocknet werden. Die Aufbewahrung des Sammelgutes in gut verschließbaren Behältern ist wichtig, damit es nicht sein Aroma verliert und Inhaltsstoffe ausdünsten können. Die Lagerung soll nicht länger als ein Jahr anhalten. Eine kleine Handvoll Blüten (= 4 Teelöffel) auf einen Liter Wasser können drei Minuten gekocht und mit Honig gesüßt werden. Dieses dem Honig ähnlich schmeckende Getränk wird kalt dargereicht und bekommt eine leicht rötliche Farbe. Läßt man den Tee länger ziehen, dann entsteht ein bitterer Geschmack. Verschiedentlich wird er mit Salbei, Birkenblätter, Oder-

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Das Heidekraut (Calluna vulgaris) kommt aufausgehagerten Trockenweiden und im Moor vor. Wenn diese Zwergsträucher in ein rosarotes bis violettes Blütenmeer übergehen, dann hat sich der Herbst in vollen Zügen entfaltet.

mennig und Zinnkraut gemischt getrunken, um den herben Geschmack zu mildern. Oder man übergießt zwei gehäufte Eßlöffel Heidekraut mit zwei Liter kochendem Wasser und läßt es etwa acht Minuten ziehen.

Uber die Wirkungen Die Wirkung des saponin- und stärkehaltigen Heidekrauttees ist schweißtreibend, fiebersenkend und entzündungshemmend. Der Tee gilt beruhigend und soll das Einschlafen fördern. Bei Leibschmerzen und zur Blutreinigung fand der Zwergstrauch Anwendung. Heidekrauttee gilt landläufig als vorzügliches Mittel gegen rheumatische Beschwerden. Drei Tassen sollen pro Tag davon getrunken werden. Auch bei Blasenkatarrhen, Infektionen der Harnwege und bei Prostatavergrößerung der sogenannten „Altherrenkrankheit" fand der aromatische Tee Verwendung.

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I Im Herbst

Getrocknet und als Tee zubereitet, dient die „Herbstheide" als Gicht-, Rheuma- und Nierenheilpflanze, aber auch zur Blutreinigung,Fiebersenkung und für Sitzbäder. Der Zwergstrauch war auch für die Herstellung von Besen verwendet worden.

Regelmäßige, zweimalige Sitz- oder Vollbäder pro Tag mit eingemischtem Heidekrautabsud helfen den Harn, Harnsäure und Giftstoffe gemeinsam mit Teegaben aus dem Körper zu treiben. Bäder kamen bei Ekzemen, Flechten und Hautkrankheiten, wie ζ. B. bei Zellulitis, zum Einsatz. Auch Sommersprossen können mit einem mehrmals aufgetragenen Absud gebleicht werden. Mit dem Saft zerstoßener Blätter tränkte man kleine Leinentücher und legte sie bei entzündlichen Augenleiden und bei Sehschwäche auf.

Wolfgang HOLZNER und Koautoren empfehlen im „Kritischen Heilpflanzenbuch" (1985) auch Kaltansätze und nach dem kurzen Kochen den Genuß als Morgentee. Auf diese Art zubereitet, wird er fur die Durchführung von Frühjahrs- und Blutreinigungskuren angewendet.

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Das Heidekraut I

Zum Durchspülen der Nieren und Harnwege eignet sich dieser Tee hervorragend. Früher galt die Besenheide als nierenstein- und nierengrießauflösend und -abführend. Der Tee soll ζ. B. bei Auftreten von Nierensteinen mehrere Wochen lang ungesüßt genossen werden, denn er erweitert die Nierengefäße und übt eine harntreibende Wirkung aus (vgl. BÖRNGEN 1969). Bei Nierenproblemen besteht die Wirksamkeit darin, daß das Ubermaß an entstehender Harnsäure gemindert wird und Entzündungen an den Gelenken eine Abschwächung erfahren. Heilpflanzenkundige Ärzte empfehlen den Heidekrauttee, der auch für andere Heilzwecke einsetzbar ist. Aber alles mit Maß und Ziel: Ist die Konzentration gering, so kommt es zu keinen Magenbeschwerden. Obwohl der Zwergstrauch im Grunde genommen kalklose Standorte bevorzugt, enthält er relativ viel Kalk und wird deshalb bei Rachitis angewendet. Wenige wissen um die fördernde Wirkung auf die Herzmuskelleistung. Bei nervösem Durchfall, Ausfluß und Verstopfungen, Fieber, Milzleiden, Wasserstau in den Gelenken und gegen Harnweginfektionen wurde Heidekraut einst angewendet. „ Wundermittel gegen Rheuma " Maurice M E S S E G U E (1976) erkannte über viele Behandlungsfälle die Bedeutung der Herbst-Erika als das Rheumakraut. Sie hilft zur ausreichenden Ausscheidung der Magensäfte, was bei Rheuma und Gicht wesentlich ist. Eine Magenübersäuerung durch unausgewogene Ernährung fuhrt zu einer Störung des Harnsäuregehaltes, welche Gicht nach sich ziehen kann. Zudem wirkt der Tee bei größeren Gaben narkotisch, d. h., er ist ζ. B. bei Gelenksschmerzen gut anwendbar, da er die Entzündungen mindert und die Schmerzen lindern hilft. Gekochtes Gezweig auf Rheumastellen auflegen, hilft ebenso. Sirup aus Heidekraut Ahnlich wie mit den Alpenrosenblüten (der Rhododendro«arten) kann man mit denjenigen des Heidekrauts einen Sirup zubereiten. Frische Blüten werden mit heißem Wasser übergössen und bis zu eineinhalb Tage aufgestellt. Danach wird abgesiebt, Zucker dazugegeben und die Flüssigkeit aufgekocht. Eine anderes Getränkeherstellungsverfahren ist folgendes: Blüten drei Minuten in Wasser kochen, absieben und Honig dazugeben. Das Ge-

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I Im Herbst tränk wird abgekühlt getrunken. Sowohl der Sirup als auch der Tee finden Anwendung bei Husten und Verschleimung. Aus den Heidekrautblüten und -zweigen wurden auch Liköre, Branntweine und aromatische Weine hergestellt. Zeitweise kam die Besenheide zum Bierwürzen zum Einsatz. Auch Rotweinauszüge davon dienten der Heilanwendung: Getrocknetes Heidekraut, Wacholderbeeren oder -blattspitzen und Waldmeister zu gleichen Teilen gemischt und zerstoßen, werden in Rotwein angesetzt und nach zwei Wochen abgefiltert. Wertvolle Honigpflanze Imker sind im Herbst sehr froh, wenn in ihrer Gegend die Bienen eine Herbsttracht vom Heidekraut nach Hause bringen können. Die Blüten werden von den Bienen eifrig aufgesucht, weshalb die Pflanze auch „Bienenheide" genannt wird. Sie liefert einen ausgezeichneten Honig und im Vergleich zu anderen Trachtpflanzen viel Wachs. In der Lüneburger Heide werden zum Vorteil der Bienenwirtschaft die Schafe am Morgen zur Zerstörung der Spinnennetze eingetrieben, damit sich die Bienen bei ihren Anflügen nicht darin verfangen. Die Bienen schleppen von einem Hektar Heidevegetation etwa 200 kg „Heidehonig" nach Hause. Der Honig ist wegen des Harzgehalts zäh, etwas herb und läßt sich aus den Waben schlecht schleudern. Auch die Hummeln profitieren von der Herbstblüte, da sie den Nektar vor der Winterruhe als Nahrung nützen.

Wissen aus der Hirten- und Bauernwirtschafi Der Zwergstrauch eignet sich gut als Brennmaterial oder Stallstreu bei Tretmisthaltung. Deshalb wurde das Heidekraut früher auf den Moorstandorten und in den Wäldern mit der obersten Humusschichte abgezogen und zum Aufsaugen des Harns und zum Strecken des Mistes in die Liegestatt eingestreut, wenn sonst wenig andere Lagerpflanzen zur Verfügung standen. Der „vermehrte Mist" kam auf den Acker. Die Heide ist eine von Menschen geschaffene Landschaft, die über die Nutzung des NährstofFsammelns (durch Plaggenwirtschaft) und der Weidewirtschaft stabilisiert blieb. Mit dem Aussetzen der Nutzung vergeht die Heide wieder (nach TÜXEN, R., 1966), auch wenn dies Naturschützer nicht glauben wollen.

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I Im Herbst

Heide, Pferchen und Heidschnucken In der Schweiz sperrten wir über Nach: die Rinderherde auf verarmte Standorte in eingezäunte Pferche. Sie stampften mit den Hufen die Zwergsträucher ein und düngten mit dem am Morgen anfallenden Kot und Harn die Wuchsorte. Nach 8 - 1 0 Tagen wechselten wir den Pferchstandort. Die Fläche sah wie gemistet aus, und im nächsten Jahr hatte sich eine schöne Vegetationsdecke gebildet. Auf diese Weise kultivierten Hirten im jährlichen Kanon Stück für Stück Weide und verbesserten die Futterbedingungen mit den umherziehenden Herden. Heute wird dies noch im osteuropäischen Raum (ζ. B. Rumänien, Bulgarien, Slowakei) oder in der Ukraine so gemacht, da es immer heißt, das Kraut sei so zäh. Die Heidschnucken, eine genügsame Schafrasse in Deutschland, fressen große Mengen des herben Heidekrauts, welches ζ. B. arme Sandböden bedeckt. Mit der Beweidung setzten die Zwergsträucher mit einem dichteren Austrieb an. Das Schneiden zur Kräuterernte bewirkt ähnliches. Das Heidekraut, einmal gut angewachsen, kann durch Mahd nicht aus der Reserve gelockt werden, damit wird die Alterungsfähigkeit der Bestände allerdings gefördert.

Ein Prophetfiir den kommenden Winter Für die Wintersaat des Roggens bieten die phänologischen Indizien der Heidekrautblüte eine Orientierungshilfe: „Die mittelfränkischen Bauern beobachten, in welcher Reihenfolge die Blütenähre des Heidekrauts aufblüht. Fängt es von unten an zu blühen, soll noch vor Micheli (29. September) gesät werden, blüht es in der Mitte, sät man um Micheli, öffnen sich aber zuerst die Blüten an der Spitze der Ähren, tut man gut nach Micheli zu säen" (MARZELL, H. 1935). Insofern gilt das Heidekraut als ein Prophet fiir den Witterungsverlauf im Winter. Blüht es voll und bis in die obersten Teile hinauf üppig, dann soll ein strenger Winter bevorstehen.

Besen-, Gerb- und Färbepflanze Aus dem Waldviertel ist noch die Herstellung von Besen und kleinen Geschirrputzschrubbern bekannt. Aus den stark verästeten und zähen Verzweigungen, aber auch Wurzeln fertigte man kleine, feste Besen an. Mit

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Das Heidekraut I

weit langen, älteren Ästen schuf man Kehrrichtbesen zum Fußabstreifen im Kamin. Oder sie wurden schön geschichtet und eingeschwert zum Dachdecken oder fiir Flechtwerk verwendet. Wegen des Quercetingehalts ist der Zwergstrauch auch zum Gerben geeignet und stand zum Gelb- oder Orangefärben mit Alaunpulver als Beizmittel im Gebrauch. Das ganze Jahr über kann damit gefärbt werden. Gemeinsam aber getrennt wird im Verhältnis 1:6 Wolle mit Heidekraut bis zu zwei Stunden gekocht. Damit sich beide Teile nicht verheddern, bindet man das Heidekraut oder die Wolle in mehreren Leinentuchbündeln ein. Es muß oftmals umgerührt werden, damit eine regelmäßige Färbung ohne Flecken erfolgt. Mit Indigo überfärbt, ergaben sich blaue, grüne bis braune Farbtönungen.

Vom Garten der Natur abgeschaut Der Anbau gelingt in den länger währenden Sommertrockengebieten (Ostösterreich, inneralpine Trockentäler) nicht gut. Hier findet man selten die Besenheide in der Natur vor. Im Torfbeet oder auf saurem Rohboden kann Heidekraut gepflanzt oder angesät werden. Auch Stecklinge eignen sich zum Anbau. Die abgestreiften Nadeln ζ. B. von Fichten- und Lärchenästen verkompostiert oder die Nadelstreu unter den Bäumen abgezogen, kann für die Anlage eines Heidekrautbeetes dienlich sein. Oder in einem Beet mit saurem Sand, wo etwas gut verrotteter Kompost untergemischt wird, kann man die Samen aussäen. Das Heidekraut breitet sich unter optimalen Bedingungen ringförmig aus und kann etwa 40 Jahre alt werden. Danach beginnt es auszukahlen und braun zu werden, bis es abstirbt. Mittlerweile wachsen aber neue Pflänzlein dazwischen auf, wenn man den Boden mit einem Eisenrechen offenhält. Die Pflege gut angewachsener Bestände wird durch die Ernte alle zwei Jahre bewerkstelligt. Gärtner erhöhen mittels regelmäßigem Rückschnitt während der Blüte die Lebensdauer und Dichtheit der Pflanzen zum regelmäßigen Erhalt einer Tee-Ernte. ImTessin, wo ich bei einem Bauern mitarbeitete, verkauften wir das Sammelgut an eine Kräutergenossenschaft.

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I Im Herbst

Unsere heimische Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) - köstliches Lebens- und kostbares Heilmittel zugleich

Für die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) gelten regionale Namen wie „Schwarz-", „Tau-", „Bick-", „Zeck-", „Staudelbeere", „Eiglbir", „Mostbir", „Zebbir", „Sibber" usw. Das sind alte Begriffe, die das Aussehen charakterisieren und in denen Gebräuche eingeschrieben sind. Die Früchte haben einen dunkelroten Saft, der im alkalischen Milieu (ζ. B. im Mund oder in Milch) blau wird. Deshalb bezeichnet man die Pflanze auch als „Blaubeere". Die erbsengroßen Früchte getrocknet, gemust oder in Schnaps angesetzt, liefern das ganze Jahr über eine schätzenswerte und leckere Medizin.

Zur

Standortökologie

Unsere heimische Heidelbeere ist ein herdenweise sich ausbreitender Zwergstrauch, welcher in Mooren, auf eher kargem, saurem Boden (pH 3,5-4,4) der Wälder und verheideten Hochalmweiden gedeiht und weniger Licht als die Preiselbeere beansprucht. Jedoch braucht die Heidelbeere mehr Feuchtigkeit. In vielen Wäldern deutet sie ehemalige Beweidung an. Je lichter die Nadel (misch) wälder sind, um so besser trägt sie in Menge und Beerengröße. Die Waldbeeren sind bei geringerem Lichteinfluß und auf stark versauerten Böden weniger geschmackvoll als jene der offenen Weiden. Den besten Geschmack haben sie in höher gelegenen, gut besonnten Lagen. „Die Heidelbeeren wachsen über der Baumlinie, gewöhnlich an Hängen, die nach Osten oder Westen liegen. Die Südhänge haben zu viel Sonne" (BERGER, J. 1982). Auf leicht kalkhaltigen Böden wachsen sie auch, fruchten allerdings nur sehr spärlich.

Ähnliche

Arten

In Nordamerika, Australien und Neuseeland werden verschiedene Arten klein- und großbuschiger Sorten, die zwei bis drei Meter hohe Sträucher werden können, für kommerzielle Zwecke angebaut. In unseren Breiten

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Der Zwergstrauch Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) zeigt uns in den Wäldern saure und ehemals beweidete Standorte an.

sind diese Arten auf Fröste empfindlich. Viele davon, wie ζ. B. die GartenHeidelbeere (Vaccinium corymbosum), werden in Plantagen kultiviert. Ihre in Trauben zusammenstehenden Beeren unterscheiden sich in der Größe von den europäischen und sind nicht rotfärbend im Saft. Die Baumschulen bieten Heidelbeersträucher an, welche aus Nordamerika stammen und im Schnitt einen Meter groß werden. Dabei ist nicht nachvollziehbar, inwieweit das Pflanzengut aus der gentechnischen oder Hybridzüchtung stammt. Vom Aussehen der Früchte her wird die Heidelbeere häufig mit der Rauschbeere (Vaccinium uliginosum) verwechselt, deren Fleisch allerdings weiß ist.

Der „Riffel", Kamm oder

Beerenkorb

Die Beeren werden je nach Lage Anfang Juli bis Ende August reif. Ihre Haut färbt sich zu diesem Zeitpunkt schwarz und weist eine leichte Wachs-

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In manchen Jahren lassen sich große Ernten an Heidelbeeren einfahren und für verschiedene Speisen eingefroren, getrocknet oder in Alkohol angesetzt bevorraten.

Schicht auf. Je nach Standortlage sind sie bis in den September hinein zu finden. Wo reichtragende Zwergstäucher vorkommen, verwendet man zum Heidelbeersammeln einen Riffel. „Es gibt sechzehn- und achtzehnzahnige Riffel: Die mit sechzehn Zähnen sind zum Kamillenriffeln, die mit achtzehn zum Heidelbeersammeln. Ich kampel die Heidelbeeren ohne Griff. Wenn ich den K a m m an einer Ecke nehm', komm' ich überall hin - mit Griff ist das unmöglich. Seitlich am Bauch hab' ich einen Ein-LiterKübel hängen, aber nicht straff. (...) In einer guten halben Stunde (...) kann man einen Liter sammeln. Dazu muß man als Sammler aber geübt sein. (...) Wenn die Heidelbeersträucher älter werden, sind sie holzig und schwer zu Kampeln", berichtet Agnes POHANKA (1987). Und John BERGER (1982) schreibt: „Ich kämmte mit der Bärenklaue, der Bahn der Beeren folgend, und weidete dabei höher und höher." Der Beerenkamm „sammelt unterschiedslos: was immer zwischen seinen Nägeln hindurchgeht, das behält er in seiner hölzernen Klaue. Neben reifen

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Die Heidelbeere I

Beeren findest du ebenso grüne Blätter, Reisigenden, winzige weiße Schnecken, Knospenkapseln von Blumen." Diese werden mit der Hand ausgeklaubt oder mit einem befeuchteten Holzbrett getrennt, wo von der abrollenden Sammelware die kleinen Futzel- und Blattteile kleben

bleiben.

Die

grünen,

weißen oder braunen Beeren werden von Hand herausgenommen.

Die wunderbaren frischen Beeren Sehr gut mundet die Heidelbeere im gesüßten Schlagrahm oder eingerührt in gesüßter Milch. Als Kinder bekamen wir öfters solch ein erfrischendes Getränk als naschhaftes Dessert. Auch als Kuchenbelag eignet sich die Beere sehr gut. M i t Zucker kalt gerührt, kann sie für Küchenbeläge tiefgekühlt werden. Als appetitanregende Marmelade gebraucht, ist sie allerdings nach dem Auftauen im Kühlschrank zu lagern und binnen 10 Tage zu verwerten oder zu einem Mus zu verkochen, da sich sonst Schimmel ansetzt. Sie enthält sehr viele Mineralstoffe, Vitamin C, Α und B, Frucht- und Gerbsäuren. Bei längerer Lagerung, vor allem beim Einfrieren, baut sich nach einem Jahr das Vitamin C ab. Auch Mangan- und Chromgehalt liegen relativ hoch. Bei den verschiedenen Gerichten sind Zimt und Gewürznelken nicht zu verwenden, da sie den Ge-

Mit verschiedenen Beerenkämmen oder,, Riffeln " können die Zwergsträucher geschickt durchkämmt werden. Mit einer Hand hilft man etwas nach, indem die Sträucher zum Kamm hingehalten werden.

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I Im Herbst

Die Garten-Heidelbeere (Vaccinium corymbosumj wird mittlerweile auch in unseren Gärten kultiviert. Sie hat ein weißes Fleisch und ist weniger heilwirksam und geschmackvoll als jene der Alm weiden.

schmack der Früchte überformen. Laut jüngsten Forschungen dürfte der blaurote Farbstoff der Beerenschale eine bakterienhemmende Wirkung aufweisen.

Frisch verzehrt kann durch große Beerenmengen Durchfall gefördert werden. Dies ist auf die Reizwirkung der Kerne auf die Magenschleimhäute zurückzuführen. Durch Trocknen oder Abkochen erzielt man eine gegenteilige Wirkung. Als Trockengut wurden die Beeren in der Volksheilkunde in weiser Voraussicht gegen Darmkatarrh und Durchfall als Hausmittel in verschließbaren Gefäßen bevorratet. Sie wurden in Backöfen auf Blechen oder in Dörrhütten auf Gittern getrocknet. Das Obst sollte im Griff zäh bleiben. Gedörrte Heidelbeeren wurden zum Aufquellen in kaltem Wasser etwa 24 Stunden lang eingeweicht, um sie zu einem Brei verkochen zu können. Den Kaltauszug verwendete man als leicht verdauliches Mittel gegen Durchfall, Ruhr und Blutruhr sowie bei Leber-, Gallenblasen- und Darmentzündungen. Wirksam werden dabei die im Darm freiwerdenden Gerbstoffe. Auch Konservierungsformen in Honig haben sich bei den Indianern bewährt.

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Beim Beerenreinigen gibt es mehrere Möglichkeiten: Mit einem Kartondeckel, der schief aufgestellt ist, können die Beeren in ein Gefäß abgerollt werden, Blätter und Crasreste bleiben auf dem Karton liegen. Oder eine kleine Menge wird in einem io-Liter-Eimer mit der Druckluftpistole durch wirbelt, wobei die Blätter und Crashalme herausgeblasen werden. Bei guten Ernten wird ein Teil auf Gittern unter Wärmezufuhr getrocknet und als Kauoder Kompottobst verwendet.

In regelmäßigen Abständen bereiteten früher die Frauen aus den getrockneten Heidelbeeren auch Pulver und gewannen daraus natürliche Aromastoffe, Färbemittel für Schlagrahm, kochten süße Suppen oder Kompotte. Damit die „Obstsuppe" mit getrockneten Heidelbeeren und gedörrten Apfelspalten gut sättigt, empfiehlt sich je nach Menge zwei Löffel Kartof-

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I Im Herbst

Wie Matteo mit allen Sinnen das Pflanzenbestimmen lernt:„Na, was wird das wohl für eine Beerenart sein? Sehr schwierig, sie nach den Zeichnungen im Rothmaler-Band zu bestimmen. Es ist am besten, wenn ich sie einfach einmal koste."

fei- oder Maisstärkepulver mit kaltem Wasser anzurühren und der Obstaufkochung beizumischen. Auch Dörrbirnen und -zwetschken können geringfügig beigemengt werden. So war die medizinische Wirkung der „Stopfung" im Speiseplan integriert worden. Ein

Magen-Darm-Reinigungsmittel

Heidelbeerwein oder -glühwein, mit Apfel- und etwas Orangenschalen gemeinsam erhitzt, ist getrunken ebenfalls ein gutes Mittel gegen Durchfall. So auch der Saft dieser Beeren. Aber auch I4tägige Weinansätze helfen der Verdauungsregulation, Darm- und Blutreinigung wie dem Blasensteinabgang. Nicht zu vergessen ist das Kauen getrockneter Beeren zum Abgewöhnen des Rauchens und für eine mehrtägige Entwurmungs- (Maden- und Spulwürmer) und Entgiftungskur pathogener Keime und toxischer Stoffe vor allem im Darm, ohne die natürliche Darmflora zu zerstören. Auch nervösen Leuten empfahl man die Dörrbeeren, die auch in Apotheken erhältlich sind, zu kauen. Getrocknete Früchte vier Wochen lang als Tee bereitet, zweimal täglich getrunken, helfen Hämorrhoiden zu behandeln.

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Die Heidelbeere •

Die Ansätze in Alkohol werden von Jahr zu Jahr reifer und aromatischer. Der gute Heidelbeerlikör hat magenstärkende Wirkung und hilft bei Durchfall und Magenstörungen.

Weitere medizinale Verwendungen der Beeren Die Beeren wirken sich günstig auf den Cholesterinspiegel und den Blutdruck aus. Für strapazierte Nerven und Herz ist der hohe Kaliumgehalt wirksam. Das Wildobst stärkt die Herzmuskeln, hilft die Wände der Venen und kleinsten Gefäße abzudichten und so der Odembildung vorzubeugen. Deshalb gilt es eingenommen als Durchblutungsförderer der Gefäße. Gegen Krampfadern und deren Geschwüre, bei Venenentzündungen und Ekzemen kann der Beerensaft auch für Waschungen dienen. Zuckerkranke schätzen den hohen Insulingehalt der Beeren und Blätter. Durch Gärung und Infektion schlecht heilende Mundverletzungen, bei entzündeter Rachenschleimhaut, bei Hals- und Kehlkopfkatarrhen oder Zahnfleischentzündungen empfiehlt es sich, die Heidelbeeren lange zu kauen oder einen Absud davon zu gurgeln. Dazu werden etwa 2 EL Beeren auf 1 Liter Wasser 30 Minuten gekocht und 5 Minuten ziehen gelassen. Bei Mundgeschwüren und zur Stärkung der Mundschleimhaut werden die skorbutwidrigen Beeren gerne verwendet.

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I Im Herbst

Die leckeren Schwarzbeer-, Blaubeer- oder Heidelbeernocken versetzen die Menschen beim Verzehrin einen Zustand von Ekstase. Entweder bereitet man sie nur mit Mehl und Milch zu oder mit einer Einbrenn oder- wie heute üblich - in einem Omeletten- oder Pfannkuchenteig in Butter herausgebacken (Rezepts, igi).

Sie stärken das Sehvermögen Forschungen haben ergeben, daß das Nachtsehvermögen durch regelmäßigen Heidelbeergenuß erhöht ist. Bei Nachtblindheit oder Schädigung der Augen durch das Fernsehen und Arbeiten am Computer stärken die enthaltenen Anthozyanverbindungen (Farbstoffe) die Sehkraft. Die lichtempfindlichen Netzhautzellen erfahren durch die echten (!) Heidelbeeren eine bessere Blutversorgung. Leuten ist bei nächtlichen Tätigkeiten im Freien der regelmäßige Verzehr dieses Obstes empfohlen, da die Anpassung an schlechte Sehverhältnisse (Dämmerung, künstliches Licht) erhöht ist. Bei Kurzsichtigkeit und Netzhautschädigung im Zuge hohen Blutdruckes, Arteriosklerose oder Diabetes wirken die Wildbeeren regenerierend.

Wohlschmeckende Heidelbeersäfte Der Saft der Beeren findet in der Nahrungsmittel-, Süßwaren-, Wein- und Fruchtsaftfärbung Verwendung. Mit Hilfe der Färbewirkung der Heidelbeeren fälschte man schlechte Weinernten oder Weißweine in Bordeauxund Burgunderweine, wobei der Beerengeschmack das Axoma wesentlich

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In der bereiften Schale der „Blaubeere" befinden sich Anthozyanverbindungen, welche das Sehvermögen stärken und u. a. helfen, einen schärferen Blickfür die Gaben der „nahrhaften Landschaft"zu bekommen.

erhöhte. Für gesüßten Heidelbeersaft benötigt man pro kg Beeren etwa 2 dl Wasser. Z u m fertigen Saft fügt man 250 bis 300 g Zucker pro kg Früchte hinzu. Der Saft wirkt wassertreibend, fiebersenkend, kühlend, diätetisch und desinfizierend. Die Früchte werden mit dem Wasser kurz gekocht und nach der Abkühlung durch ein Leintuch gepreßt. Sodann werden sie in gereinigte Flaschen abgefüllt und in einem Wasserbad 15 Minuten kochen gelassen und dann erst gut verschlossen. Die anfallenden Fruchtrückstände können für Mischkompott oder -marmelade Verwendung finden. Bei Halsentzündungen und Reizungen der Mundschleimhaut verwendeten die Leute frischen Saft. Bei Katarrhen wird mit verdünntem Saft gegurgelt. Wie schon oben erfahren, kann man auch als Vorbeugungsmittel gegen Durchfall ungesüßten, aber gekochten Heidelbeersaft bevorraten.

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Die Heidelbeere

I

Heidelbeeransätze SCHEIBENPFLUG

gibt dazu folgendes Rezept an: „6 Liter Beeren werden

5 Tage lang an einen kühlen Ort gestellt, täglich umgerührt und dann durch ein Seihtuch gepreßt. Nun gibt man dazu: 1 kg Zucker, 1 Liter Wasser. Unter beständigem Abschäumen wird nun eine halbe Stunde lang gekocht. Nach dem Auskühlen gibt man 1 Liter Weingeist hinzu, vermengt gut und filtriert nochmals durch ein Seihtuch." Dieser köstliche Heidelbeerlikör wirkt magenstärkend und bei andauerndem Durchfall heilend. Bei anderen Rezepten setzt man etwa 100 g Beeren in 0,5-Liter-Flaschen mit 70%igem Weingeist an. Der Ansatz soll lange stehen bleiben. Die Beeren können mitgegessen werden. Bei Magenstörungen hilft der Ansatz in einem Weinglas verdünnt, dreimal täglich genossen.

In Ekstase mit einem

Schwarzbeermandl

Verschiedene Rezepte der Verwertung von Heidelbeeren werden häufig traditionell, aber doch regional verschieden gehandhabt. Mit falschen Zubereitungen kann man Leute auf das ärgste beleidigen, weil sie in der Vorfreude stehen, daß dann genau ihrer Erwartung nach ein Gericht auf den Tisch kommt, wobei sehr stark Erinnerungen aus der Kindheit mitspielen. Das Grundprinzip ist folgendes: Die gezuckerten Beeren werden mit etwas Wasser, damit sie nicht anbrennen, aufgekocht. Dann bereitet man aus Milch, Butter und Mehl eine Einmache zu. Sie wird unter die Beeren gerührt. Hat es sich gebunden, ist die Speise fertig und kann warm serviert werden. Mit Staubzucker etwas nachsüßen, erhöht den ekstatischen Genuß.

Heißgebrannte Nocken Die Blaubeernocken sind ebenfalls eine delikate Hauptspeise, die wir als Kinder aßen, bis wir uns mit unseren vollen Bäuchen kaum mehr bewegen konnten. Die frischen Beeren werden mit Mehl bestaubt, so daß sie intensiv weiß sind, und mit heißer Milch übergössen, so daß ein dicker Teig entsteht. Dieser wird in der Pfanne in Laibchenform mit heißer Butter herausgebacken. Mit Staubzucker bestreut, werden sie warm serviert. Gern wird dazu ein Glas Milch getrunken. Vielfach bereiten die Köchinnen heute die „Zeckbeer"-Nocken mit Omelettenteig zu.

Einen aromatischen Essig mit zerquetschten Früchten erhält man folgen-

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I Im Herbst

dermaßen: 1 kg Beeren übergießt man mit 2,5 Liter intensivem Apfeloder Weinessig. Zwei volle Tage beläßt man den Ansatz bei Zimmertemperatur stehen und rührt ab und zu um. Danach wird er durch ein Tuch oder einen Strumpf gepreßt. Zum Saft gibt man weniger als einen Liter Wasser und nach Belieben Rohrzucker dazu. Nach dem Aufkochen entfernt man den Schaum, füllt heiß in Flaschen ein und verschließt sie. Auch Essigansatzarten, bei denen ein Teil der Beeren bis zum Verbrauch belassen wurden, fanden in der Küche Verwendung. Wurzelnutzungen Nicht zu vergessen sind die indianischen Erfahrungen mit den Warmauszügen aus pulverisierten Wurzeln. Sie fanden Einsatz bei bakteriellen Infektionen des Darms und Magens, der Nieren, Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse, Harnleiter, Blase, Gebärmutter, aber auch bei starker Angina und Bronchitis. Man kann auch davon ausgehen, daß alle Heidelbeerteile verwendet wurden, wenn Krankheiten weit fortgeschritten waren und das Immunsystem stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, vor allem bei Krebs. Die pulverisierte Wurzel diente auch als desinfizierendes Streupulver bei faulenden Wunden. Vergessene Blattnutzungen Die jungen, zarten und feingesägten Blätter verwendeten wir im Juni und Juli auf der Alm in geringen Mengen für Salate und Spinat. Sie schmeckten am Anfang frisch und neutral und wurden mit den fortschreitenden Sommerwochen dann zusehends derber und säuerlicher. Mit anderen würzigen Wildgemüsearten etwas blanchiert, wurden die Blätter in den Kräutertopfen (Kräuterquark) oder Spinat beigemischt. Dies war eine gute Beilage zu geschälten Kartoffeln. Und wenn die Bauern früher aus der Molke Essig zubereiteten, gaben sie Krenwurzelscheiben und Heidelbeerzweige hinzu, erzählte Gertrud M E S S N E R aus Brandenberg/Tirol. Somit wurden einerseits die Essigbakterien gelenkt, andererseits der Geschmack verbessert und der entstehende Essig mit Heilkräften angereichert. Die getrockneten Blätter dienten zu Ostern beim Eierfärben als Abdeckflächen. Alle Pflanzenteile können auch zum Gerben gebraucht werden. Die Heidelbeerblätter als Medizin Die Blätter der Heidelbeere vor der Beerenreife gesammelt, dienen für harn-

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Die Heidelbeere I

Für Mischtees können die Blätter der Heidelbeere gesammelt werden. Sie dienen der Blutzuckersenkung und Stärkung der Bauchspeicheldrüse, bei Harnblasen-, Gicht-, Rheuma- und Nierenbeschwerden und bei Hautausschlägen.

treibende und blutreinigende Teemischungen. Bei richtiger Trocknung bis zu 4 0 ° C sollen sie die frischgrüne Farbe behalten, dann haben sie einen höheren Insulingehalt und werden wegen der angeblich blutzuckersenkenden Wirkung den Zuckerkranken fur Mischteeaufgüsse empfohlen. Kathl RANACHER empfahl zur Senkung des Blutzuckers und Stärkung der Bauchspeicheldrüse die Blätterernte während der Blüte zu verrichten. Ein Tee mit getrockneten Bohnenschalen gemischt, steht bei Diabetikern im Gebrauch. Z u d e m gelten sie bei Husten, Müdigkeit, Impotenz, Blasenschwäche und -entzündung im Alter sowie Hämorrhoiden als Tee und äußerlich angewendet mittels Waschungen bei Ausschlägen, Brandwunden, entzündeten Augen und Mundspülungen als heilsam. Heidelbeerblättertee (1 E L pro Tasse) zeitigte bislang auch Erfolge bei Psoriasis, der Schuppenflechte, und bei Gicht, Rheuma und Nierenleiden. DerTeegenuß mit den Blättern allein sollte nicht länger als vier Wochen erfolgen, da bei Dauergebrauch wegen den Hydrochinonverbindungen Vergiftungserscheinungen auftreten können.

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I Im Herbst Weide im Winter Dieser Zwergstrauch vermehrt sich gewöhnlich durch unterirdische Ausläufer, von denen wieder junge Aufwüchse austreiben. In Norwegen hat man ζ. B. Stengel mit bis zu 30 Jahresringen gefunden. Die Vermehrung durch Samen geschieht nur selten. Da die entblätterten kantigen und reichverzweigten Äste den Winter hindurch grün bleiben, waren sie für die Winterweide im Berggebiet und Skandinavien oder als Schneefluchtfutter auf Almen von großer Bedeutung. Durch die Beweidung bleiben solche Standorte für den Bezug von Beeren erhalten. Außerdem dienen sie als Winterfutter für Rehe, Hirsche, Gemsen und Hasen. Wesentlich ist die Stabilisierung dieser Pflanzengesellschaften durch den Weidegang. Die zunehmende Verbrachung unserer Almen, durch dominant zur Entwicklung kommende andere Pflanzenarten, fuhrt langfristig zur Verdrängung vieler Nutzpflanzen. Die Bauern helfen mit ihrer Landnutzung, die „nahrhafte Landschaft" offen und die heilwirksamen Pflanzen als Medizin zu erhalten.

Die Gewöhnliche Mahonie (Mahonia aquifolium) - eine unbekannte Wildobstart Wenigen Gartenfreunden dürfte die kulinarische und heilsame Bedeutung der Gewöhnlichen Mahonie (Mahonia aquifolium) bekannt sein. Aus den Früchten kann Marmelade, Gelee, Kompott, Süßmost oder Saft usw. zubereitet werden. Wegen des säuerlichen Geschmacks wird sie häufig mit anderen Früchten gemischt. Aus der Rinde der Zweige und Wurzeln werden Arzneien hergestellt. Die Mahonie wurde zwischen der ersten Hälfte des 17. und Mitte des 19. Jahrhunderts als Zier- und Nutzstrauch aus Nordamerika eingeführt und verwildert mittlerweile mit Hilfe der Vogelverbreitung und anwurzelnden Schnitt- und Wurzelgutes in den Siedlungsrandbereichen. Andere Mahonienarten stammen aus Südmexiko und Ostasien. Einige Arten haben hübsches, „immergrünes" Laubwerk mit roter Winterfärbung und süßlich duftende Blüten. Unterirdisch ausläufertreibend, ist die Kriechende Mahonie (Mahonia repens). Bislang fehlen über diese Kleinstraucharten Darstellungen zu möglichen Nutzungen für den Hausgebrauch.

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Aus Nordamerika wurde das Berberitzengewächs Gewöhnliche Mahonie als Nutz- und Zierpflanze in Europa eingeführt.

Eine Cousine der Berberitze Die Mahonie zählt zu den Sauerdorngewächsen, von denen die Berberitze (Berberis vulgaris) am bekanntesten ist. Die 5 bis 9 unpaarig gefiederten Blättchen haben elliptische Form. Der buchtig-gezähnte Rand ist mit kleinen Dornen versehen, die Zweige sind dornenlos. Deswegen auch der Name „Stechdornblättrige Mahonie". Wegen des ähnlichen Blattes verwechseln sie ungeübte Beobachter gerne mit der Stechpalme (Hex aquifolium). Die oberseits glänzenddunkelgrünen, am Rand gewellten Blätter gehen grün oder purpurrot über den Winter. Mit dem Frühjahr schieben die Triebe junge Blätter nach, und die alten, brauniedrigen, rötlichgrau oder blutrot (Sorte „Jupiter") bis ziegelrot gefärbten Blätter werden abgeworfen. Die Blüten erscheinen von April bis Mai an den Triebspitzen schwefelbis leuchtend gelb als aufrechte büschelige, rispig gehäufte Trauben. Sie

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Anhand der leuchtendgelben Blüten erkennt man die Mahonie. Sie spenden den Insekten und Bienen Nektar und Pollen.

gelten als wichtige Nektar- und Pollenspender. Ein Rückschnitt der vorjährigen Blütenzweige um 15 cm fördert den neuerlichen Fruchtansatz. Die dunkelblauen bis schwarzen Beeren sind bereift. Fruchtfleisch und Saft sind purpurrot gefärbt. Das zähe Holz und die Innenseite der Rinde weisen safrangelbe Färbung auf. Das gelb färbende Holz eignet sich auch zur Wolle- und Lederfärbung. Die Sträucher umfassen in der Regel eine Höhe von 0,75 m, können aber bis 2 m hoch und breit werden. Frei stehend laden sie sparrig aus.

Uber die Heilwirkungen Alle Teile der Mahonie können ansatzweise wie die der Berberitze verwendet werden. Die Mahonie enthält allerdings weniger Berberin bzw.

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Die Gewöhnliche Mahonie I

Proberberin, ein antibakterielles, entzündungshemmendes Alkaloid. Weitere AJkaloide, vor allem in der Rinde enthalten, sind Oxycanthin, Berbamin, Berberrubin, Magnoflorin und Jatrorrhizin. Das schwach giftige Berberin nimmt durch Trocknung und Kochen ab. Die Zweigrinde- und Wurzelernte erfolgt im späten Sommer oder Herbst. Bei Trocknung ist ein gravierender Wirkstoffverlust zu erwarten. Phytotherapeuten verschreiben bei rheumatischen und arthrotischen Gelenksentzündungen, Hautproblemen (Ekzeme, Psoriasis, Akne, Schuppenflechte), Gesichts- und Lippenherpes und Entzündungen des MagenDarm-Traktes Auszüge aus dem Wurzelwerk. In Japan und Südostasien wird aus den Wurzeln und Rhizomen ein Medikament gegen Augenleiden und tropische Durchfallarten erzeugt. Absude und Extrakte aus Wurzeln, Wurzelrinde und Beeren (Ernte im Spätherbst oder zeitigen Frühjahr) des „Blutkrautes" dient zur Gewebs-, Blut- und Hautreinigung und als Tonikum bei Lebererkrankungen, bei Gallenblasenbeschwerden, Gastritis, chronischer Hepatitis Β und ist zur Steigerung des Gallenflusses (durch die Bitterstoffe) und der Nierentätigkeit in Verwendung. Diese Aufbereitungen beleben die Verdauung und wirken leicht abführend (durch das Jatrorrhizin). Unter Anleitung wird kurz aufgekochter Rindentee als Entwöhnungskur bei Rauschgift- und Alkoholsucht eingesetzt. Vor Uberdosis mit Wurzelrinde und bei Schwangerschaft muß ausdrücklich gewarnt werden. Bei fieberhaften Nierenentzündungen ist Vorsicht angeraten.

Die Früchte verwendete man für Liköre und zur Weinßirbung Die Vitamin-C-reichen, erbsengroßen Mahonienbeeren sind erst nach Ausreifung roh genießbar. Sie haben einen säuerlichen, aromatischen Geschmack, welcher zusammenziehend wirkt und gut konserviert. Man kann sie ab August bzw. September ernten, in den warmen Lagen bis Weihnachten. Sie sind auch im Winter zu ernten, insofern Amseln, Drosseln, Rotkehlchen, Spatzen und Meisen etwas davon übriggelassen haben. Früher stand die Beere in der amerikanischen Zuckerbäckerei und zur Herstellung von Likören, Fruchtlikören und Rumtopf in Gebrauch. Unter Eingeweihten ist das Wissen bekannt, Marmelade bei Herzerkrankungen als Stärkungsmittel einzusetzen. Neben der gesundheitlichen Bedeutung wird sicherlich in Zukunft die Verwendung des Beerenfleisches und der Schale als Färbemittel von Nah-

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I Im Herbst rungsmittel interessant werden. Preßrückstände aus der Saftherstellung oder der abgekochten Mahonienfrüchte dienen der Färbung von Mischmarmeladen (ζ. B. Apfel, Birne) und Gelees. Sie wurden zur Fälschung von Weinen verwendet, etwa wenn der Rotwein zu blaß ausfiel oder Weiß- zu Rotwein verfälscht werden sollte. Zur Verwendung des Saftes und die Essigbereitung Die Saftbereitung aus den gekochten Beeren ist manchen Leuten geläufig. Der Saft diente als Zitronenersatz, ebenso wie jener der Lungauer Berberitzen. Die Pressung wird wegen des Bitterstoffgehalts der drei bis fünf Samen behutsam vorgenommen. Der säuerliche Saft oder die eingefrorenen Früchte sind für die Saucen von Fleischgerichten verwendbar. In Kanada wird Beerensirup, Wein und Schnaps gewonnen. Die Früchte eignen sich zur Süßmostund ebenso zur Essigherstellung, indem der Saft eine Woche an das Fenster gestellt wird. Nach dem Verschließen der Gläser erfolgt eine kühle Lagerung. Mit frischem Beerensaft pinselt man das Zahnfleisch bei wackeligen Zähnen und Blutungen ein; er wirkt ebenfalls bei Lungen- und Leberbeschwerden und bei Skorbut. Einsatz der Mahonienbeeren in der Mostwirtschaft Die Beeren wurden geringfügig in der Mosterei zum Gelingen säurearmer Maischen und zur geschmacklichen Aufwertung eingesetzt. Durch diese Anwendung können schlecht- oder schwachmosttaugliche Ernten ähnlich wie durch Beigabe von Speierling (Sorbus domestica) gesteuert werden. In Niederösterreich entdeckte ich um den Baumstamm alter Birnen gesetzte Mahoniensträucher, die mit Ruten zusammengebunden waren. Sie verhinderten mit ihren bewehrten Blättern das Scheuern der Weide- und Wildtiere an den Stämmen und daß die Rinde von ihnen nicht abgezogen werden konnte. Zudem verwendete man die Beeren in der Mosterei. Süße Mahoniensaucen Zerstampfte Beeren werden ausgepreßt, Wasser (und/oder Weißwein), Rosinen und Zucker dazugegeben. An Gewürzen können wahlweise Zweige der Pfefferminze, des Thymians oder der Melisse, des Salbeis, des Waldmeisters oder das Kraut und Blüten von Mädesüß, Gewürznelken, etwas geriebene Orangen- oder Zitronenschale oder einige Rosenblätter etwa fünf Minuten mitgekocht werden. Mit Maizena oder Kartoffelstärke wird

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Aus den Beeren können Frischsäfle in Mischung mit anderen Obstarten hergestellt werden. Sie eignen sich auch für die Bereitung von Most, Essig, Marmelade, Sirup, Likören und Fruchtsaucenfür Fleischgerichte.

die abgesiebte Flüssigkeit gebunden und kurz aufgekocht. Die Sauce eignet sich für gebratene Apfel und Birnen, für flambierte Speisen oder Eisdesserts. Ist das Gericht stärker verflüssigt, so kann man es unter Einlage anderer Früchte als süße Suppe anbieten.

Sirupherstellung aus den Beeren Entstielte und gepreßte Beeren werden auf etwa 20° C unter zeitweiligem Umrühren erhitzt. Nach drei bis sechs Tagen werden die Festteile abgesiebt, aufgelöster Zucker im Verhältnis 4:2 und Zitronensaft oder -säure dazugerührt. Der Sirup ist in Flaschen oder Gläsern gut verschlossen zu lagern. Gibt man zum Saft das Mus unreifer Apfel dazu und kocht es 10 Minuten gut auf, so entsteht unter Beigabe von Zucker und Zitronensaft ein Gelee. Dieses kann beliebig mit den genannten Gewürzen abgeschmeckt werden. Auch mit einer Mischungen aus Mispel, Quitte oder Vogelbeere kann man geleeartige Marmeladen schaffen. Holler, Weißdorn oder Him-

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I Im Herbst beeren verleihen der Grundbasis aus Mahoniensaft eigene Geschmackskomponenten.

Zur gärtnerischen Kultivierung Die frostbeständige Mahonie ist als Bodendeckerpflanze beliebt. Sie übersteht kältere Winterphasen, auch wenn manchmal die Zweige abfrieren können. Deshalb ist ihr eine windgeschützte Lage besser zuträglich. Auf sonnigen Orten leidet sie unter Frösten im Frühjahr. Die Kenntnisse des natürlichen Vorkommens sind für den erwerbsmäßigen Anbau von Bedeutung. In Amerika wächst der Strauch als Untergehölz in den frischen, lichten Wäldern zwischen Kalifornien und Kanada, aber auch in Felsformationen ohne Waldbeschattung. Die Mahonie bevorzugt humusreiche, eher kalkarme Böden im Halbschatten und hält kurzfristig in Sonnenlage auch Trockenphasen aus. Sandige, durchfeuchtete Humuserde ist ihr lieber als allzu trockene Standortverhältnisse. Gegen leichte organische Düngung und Bewässerung hat die Mahonie nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil begünstigen einige sommerliche Wassergaben die Fruchtausbeute. Die Vermehrung kann nach der Reife mittels Samen oder durch Ableger und Wurzelschnittlinge erfolgen. Der Abstand in und zwischen den Reihen kann sich bei der Beerenproduktion auf etwa einen Meter, bei Gewinnung von Arzneien auf 40 cm belaufen. Alte wuchernde Pflanzen innerhalb von Gartenflächen oder Kulturen sollen zur Verjüngung nach der Blüte stark zurückgeschnitten oder halbe Stöcke entfernt werden. Sie regenerieren sich wieder gut.

Die süßherbe Mispel (Mespilus germanica) wieder ins Licht gerückt Bei verschiedenen Wildobst-Seminaren fragen die Leute, was man mit den Früchten der Mispel eigentlich machen kann. Dieses seltene Gehölz erfreut sich in unseren Breiten wieder zunehmender Beliebtheit vor allem als Zier-

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Zum Zwecke des Baumstammschutzes können alle bewehrten Sträucher unterpflanzt werden, auch die Mahonie, da die Blattränder mit Dornen versehen sind.

gehölz. Die wenigsten Gärtner kennen die medizinische Bedeutung der Blätter und Früchte und die N u t z u n g der mehligen Früchte für Nahrungszwecke.

Zur Herkunft und Verbreitung D e r M i s p e l b a u m (Mespilusgermanica)

gehört zu den bewehrten Rosenge-

wächsen, die Kultursorten sind dornenlos. Er s t a m m t aus d e m westasiatischen G r o ß r a u m Kleinasiens, Schwarzem Meer und Nordiran u n d reicht bis Griechenland u n d wird vermutlich seit der Römerzeit in S ü d - u n d Westeuropa kultiviert. Teilweise findet m a n in Mitteleuropa verwilderte Exemplare in warmen Klimaten, a u f Sonnenhängen aber unter halbschattigen Verhältnissen u n d in Weinbaugebieten. D e r „medlar tree" oder „ c o m m o n medlar" wird auch in England kultiviert.

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• Im Herbst

In den warmen Alpenvorländern kann er gedeihen, wenn in diesen Gegenden keine Fröste auftreten. Nur in geschützten Gärten findet man ihn auch in kälteren Lagen. Die Mispelfrüchte waren „in der Wachau sogar Handelsware, wobei der Wasserweg nach Wien für die wenig transportfähigen Früchte eine erschütterungsarme Anlieferung erlaubte" (SCHRAMAYR/NOWAK, 2000). Bis vor 50 Jahren fand man die Früchte auch in mehreren Geschäften zu kaufen. Je nach Region können verschiedene Namen verzeichnet werden: „Mespel", „Mespele", „Misple", „Wispel", „Wispelte", „Neschpelen", manchmal auch „Hesperl", „Espel" oder „Eschperl" und „Asperl" (so nennt man auch den Speierling, Sorbus domesticd) und in Ungarn „naspolya".

Zur

Standortökologie

Wegen ihrer bedingten Winterverträglichkeit benötigt sie geschützte Lagen, ähnlich wie die Quitte. Die Baumschulen bieten frostharte und krankheitsresistente Sorten an. Wintertemperaturen unter—10° C können von manchen Sorten im Siedlungsraum ertragen werden, allerdings haben sie eine kürzere Lebensdauer. Nebellagen und hohe Luftfeuchtigkeit sind der Mispel nicht förderlich. Leicht kalkhaltige warme, steinige und gut mit Wasser versorgte Böden werden bevorzugt. Tonreiche, nährstoff- und wasserreiche Böden wirken sich schlecht auf die Fruchtqualität und auf die Frostbeständigkeit aus. Längere Trockenheit erträgt das Gehölz nicht.

Als kleiner Obstbaum

ziehbar

Der breit ausladende, mehrstämmige Strauch kann drei bis sieben Meter Höhe erreichen. Er kann auch als einstämmiger, aufgeasteter Baum oder als Niederstamm gezogen werden, wodurch der Bodenbereich des Gartens besser nutzbar ist. Es ist darauf zu achten, daß die Zuchtsorte auf einer starkwüchsigen Unterlage gezogen ist. Die Wuchsform ist ausladend und kronensparrig. Erziehungsmaßnahmen sind von klein auf notwendig, wenn man eine bodensparrig verzweigte Form vermeiden will. An den Zweigspitzen entstehen die weißen Blüten und die Früchte. Die zottig-filzig behaarten Jahrestriebe sollen deshalb nicht gekürzt werden. Im Spätwinter werden die Bäume von abgefrorenem und altem Holz leicht aus-

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Die Mispel

I

geputzt und ausgedünnt. Die sehr ausladenden Aste müssen bei schwerem Fruchtbehang gestützt werden. Nach einem intensiveren Schnitt ergibt sich erst im übernächsten Jahr wieder eine reichhaltige Ernte. Es bestehen Kreuzungen mit Weißdorn (Crataegus) und Eberesche (Sorbus aucuparia), die teilweise schon im September auszureifen vermögen. Wegen der Verwandtschaft zu diesen Gehölzarten dienen diese als Unterlage. Auch Apfel, Birne und Quitte dienen als Unterlage fur höherstämmige Erziehungsformen. Die Vermehrung erfolgt über veredelte Sorten und wird häufig mit Absenker, Steckhölzem oder dickeren Wurzelabschnitten durchgeführt.

Zum Aussehen der Blätter und Früchte Die kurzgestielten, wechselständigen Blätter sind etwa 10 cm lang, haben eine längliche, schmalelliptische Form und sind am vorderen Ende zugespitzt. Sie werden ledrig, haben eine matte, dunkle Oberseite und eine leichte, filzige Behaarung an der hellgrünen Unterseite oder an den unterseitigen Blattnerven. Die einzelnstehenden, endständigen weißen Blüten mit großen Kelchblättern erscheinen im Mai oder Juni, aus denen sich über den Sommer grüne und im Herbst braune, annähernd ei- bis kugelrunde, seltener bim- bis kreiseiförmige Scheinfrüchte mit zipfelartigen Kelchkrönchen und einer rauhen Schale entwickeln.

Die Früchte Die Fruchternte soll aus praktischen Gründen im Spätherbst nach dem ersten Frost im hartreifen, ungenießbaren Zustand beginnen und bis Ende November/Anfang Dezember abgeschlossen sein. Der Frost macht sie am Baum mürbe und teigig. Die walnußgroßen, steinkernhaltigen Früchte können 4 bis maximal 6 cm im Durchmesser haben. Ihre braune Schale ist rauh. Nach der Lagerung auf Laub oder Stroh verlieren sie den herbsäuerlichen Geschmack und die Festigkeit und reifen aus. Ihr weichgewordenes, süßliches Fleisch kann dann roh verzehrt werden. Bei längerer Lagerung in Zimmertemperatur beginnen sie schneller, und bei Belassung am Baum langsamer zu fermentieren und später zu vergären. Je wärmer das Klima ist, um so höher ist der Fruchtzuckergehalt.

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I Im Herbst In warmen, frost- und windgeschützten Lagen können die Mispeln (Mespilus germanica) hohe Erträge erbringen. Das Gehölz kann als Baum gezogen werden, damit der Raum darunter als Freiraum genutzt werden kann (Wachau, Niederösterreich).

Eine einfache Handhabung für den Rohgenuß der weichgewordenen Früchte kann folgendermaßen durchgeführt werden: Man zieht die Fruchtstiele ab und saugt mit dem Mund an den Offnungen das breiig gewordene Fleisch heraus. Mit den Fingern drückt man dabei nach, bis man nur mehr die Schale mit dem Kelch in der Hand hält.

Zum Schönen des Mostes undflir

Miscbmarmeladen

Sie wurden, wie zum Beispiel die Speierlingfrüchte auch, während der Mostbereitung wegen ihres hohen Gerbstoffgehaltes unreif wie ausgereift beigegeben. Sie banden feine Schwebstoffe auf natürlichem Wege und ließen auf diese Weise den abgezogenen Most klarer werden. Hinweisen nach wurde er dadurch länger haltbar. Aus den teigigen Früchten erzeugte

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Die Mispel

I

Mit den ersten Kälteeinbrüchen wird das Fruchtfleisch weich und genießbar. Den Fruchtstiel entfernt man und drückt den süßlichen Fruchtteig in den Mund, bis die braune Schale übrigbleibt.

man Süßigkeiten, Gelees, Kompotte und Marmeladen in Mischungen mit den bevorrateten Früchten von Heidelbeere, Apfel, Birne, Eberesche, Heckenrose, Berberitze oder Mahonie. Andere Variationen: Mispelmarmelade in Mischungen zuzubereiten, sind folgende: Etwas Weichselmarmelade vom Sommer mit aufgekochtem Mispelpüree oder mit Quitte und Banane zu mischen. Verschiedene Ansätze in Kornschnaps oder Essigmischungen Reife, teigige Früchte können in Alkohol eingelegt werden. Daraus ergibt sich ein schmackhafter Likör, wenn man diesen süßt. In Osteuropa und in ihrer Heimat war es früher gebräuchlich, sie in Most, Wein, Essig, gezuckerten Essig oder Honig einzulegen. Eine weitere Möglichkeit ist folgende: Ein Glas wird mit den ganzen, in Viertel oder noch kleiner geschnittenen Früchten gefüllt, welche zuvor in Zuckerwasser etwa 15 bis 30 Minuten leicht gekocht wurden. Sie gibt man mitsamt dem süßen Wasser in die Gläser und gießt das restliche Viertel oder Drittel mit einem Obstler auf. Sie sollen immer mit Flüssigkeit bedeckt sein.

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I Im Herbst Der Mispellikör aus dem Preßsafi Nach dem halbstündigen Kochen ganzer oder in Hälften geschnittener, entkernter Früchte läßt man sie abkühlen. Danach windet man sie durch ein Tuch oder drückt sie durch ein Sieb fest aus. Der Rest kann für die Kompottbereitung mit Äpfeln, fur die Musverwertung oder die Most- und Essigherstellung verwendet werden. Die trübbraune Flüssigkeit gibt man in verschließbare Gläser, mischt ausreichend Schnaps dazu und läßt sie 4 - 6 Monate lang stehen. Ab und zu schüttelt man das Gefäß. Wer den trüben Ansatz klären möchte, kann ihn durch ein Papierfilter gießen. Es ist aber nicht notwendig, da sich darin wertvolle Nähr- und Heilgehalte befinden. Um ihn milder zu machen, kann eine aufgekochte Zuckerlösung beigemischt werden. Dann füllt man den Ansatz in gut verschließbare Flaschen ab. Zur Musbereitung Die Früchte werden von den abstehenden, gekrönten Kelchzipfeln und Fruchtstielen befreit. Unter Beigabe von Wasser oder Obstsäften kocht man sie auf und passiert die weichen Früchte mit der Flotten Lotte. Dann erst kann man Zucker beigeben und in Gläser abfüllen. Wegen dem hohen Pektingehalt geliert das Mus gut aus und kann zur Festigung flüssiger Marmeladen eingesetzt werden. Weiters enthalten sie Apfel-, Wein- und Zitronensäure und Gerbstoffe, weshalb man zum Mischen höchstens ein Drittel davon zu verwenden braucht. Die Schalenteile können für Früchteteemischungen im Backrohr getrocknet werden. Zuckerreiche Früchte gedörrt, sind gut lagerbar. Schnell getrocknetes Dörrobst pulverisiert, verwendete man zum Strecken des Brotmehls, für Früchtebrote und in der bäuerlichen Bäckerei. Likör aus Mispelmus Zu solch einem gesüßten Mus wird pasteurisierter Apfelsaft und Apfeloder Kornschnaps beigegeben und 14 Tage lang ab und zu umgerührt, ehe die Flüssigkeit in Flaschen abgefüllt wird. Wer es dafürhält, kann auch den Likör schönen und durch ein Tuch sieben. Dies ist aber nicht nötig. Vor dem Servieren sollte die Flasche kräftig geschüttelt werden. In Alkohol eingelegte Früchte können aufgespießt in die kleinen Gläser gegeben werden. Der Mispelmuslikör hat eine verdauungsanregende Wirkung.

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Die Mispel I

Der Blättertee hat adstringierende, harntreibende, blut- und verdauungsreinigende Wirkung und hilft bei Mund-, Zahnfleisch- und Halsentzündungen.

Alle Erzeugnisse aus den Früchten sind der Verdauung förderlich und verzeichnen auch andere Wirkungen: das frische Obstmus und der Preßsaft, Marmeladen, Ansätze in Weingeist, Likör, Kompott, gebrannter Schnaps und die mit etwas Zucker zubereiteten Süßigkeiten.

Mehrerlei Süßigkeiten Das schokoladebraune Fruchtfleisch wird nach längerer Lagerung und Weichwerdung im Zimmer oder nach dem Frost säuberlich passiert. Zum Mus versetzt man Kristallzucker und rührt diesen gut ein. Die entstehende Paste wird auf Glasplatten zur Trocknung aufgestrichen oder nach einer Vortrocknungsphase in Stücke geschnitten und zu Kugeln geformt. Leicht in Staubzucker gerollt, können Süßigkeiten hergestellt werden, ähnlich wie mit Quitten. Das gesüßte Mus ist auch für den Tortenboden und ftir Brot- oder Backteigfullungen ähnlich wie beim Birnenbrot geeignet.

Verwendung für Kompott und als zuckerlieferndes Obst Für die Kompottbereitung verwendet man die festen Mispeln ab Ende Oktober. Man schält, halbiert und kocht sie in Wasser. Unter Zugabe von Apfelsaft, wahlweise Zucker, Sirup oder Zuckerersatz und Kompottge-

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I Im Herbst würzen schmeckt man ab. Und die ganz naschhaften Liebhaber durchstechen mehrmals das Obst mit einer Nadel und kochen es behutsam in Zuckerwasser. Uber drei Tage gießen sie den Zuckersaft über die Früchte, ehe sie noch einmal verdünnen, aufkochen und die Früchte mit dem Saft in sterile Gläser abfüllen. Mit den weichen Früchten kann auch ein Kompott bereitet werden, nachdem man die Haut abgezogen und das Kelchkrönchen entfernt hat. Mispeln eignen sich gut für Mischkompotte, für die Brennerei (,Asperlschnaps") und zur Weinherstellung. Vergessen scheint die Verwendungsmöglichkeit als zuckerlieferndes Obst zu sein, denn beim behutsamen Dörrvorgang im Backofen erhält man Früchte, welche gut pulverisierbar sind. Das Pulver oder die Dörrware dient als süßende Beigabe zu Obstsuppen, Kompotten und Marmeladen.

Abgründe vergnüglicher Obstkultur Eine abgrundtiefe und süffige Nachspeise aus reifen Früchten läßt sich schnell zubereiten, um der (oder dem) Geliebten den Nachmittag zu versüßen. Gewaschene, reife Mispeln läßt man in heiß gemachter Butter drei Minuten schmoren. Wer den Eifer hat, kann die Kerne vorher entfernen. Dann gießt man mit Rot- oder Weißwein auf und rührt in die Flüssigkeit echten Honig ein und versieht das Gericht mit Orangenscheiben und etwas Preiselbeermarmelade. Abgedeckt läßt man dies noch kurz weiterköcheln. Etwas Amaretto oder Kirschschnaps kann man zum Abschmecken darüber träufeln. Die Nachspeise wird heiß oder warm serviert und bringt uns in die herrlichsten Abgründe vergnüglicher Obstkultur bis hin zum betörenden Mittagsschläfchen.

Die offizinale Bedeutung des Obstes, der Blätter und der Wurzel Als Rohkost genossen, stellt die Mispel eine äußerst schmackhafte, bereichernde und verdauungsfördernde Obstart dar. Sie wirkt als Obst oder auch als Früchtetee regulierend und stopfend bei Durchfällen. Die Früchte wurden in der Volksmedizin bei Darmkatarrhen und zur Harntreibung eingesetzt, denn die Gerbstoffe wirken sich kräftigend auf die Darmschleimhäute aus. Ebenso der hohe Gerbstoffgehalt der Rinde, Blätter und grünen Früchte läßt die Verwendung in der Hausgerberei und -färberei zu. Der Früchtebrei (auch von unreifen Früchten) dient für Kompressen und Waschungen bei entzündeter Haut und hilft bei Hämorrhoiden. Bei Hals-

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Der Schopf-Tintling

I

schmerzen und Nierensteinen nehmen die Leute das gesüßte Mus ein. Die Blätter, im Mai bis Juni geerntet, enthalten Tannine, Harze und organische Säuren. Sie und die unreifen Früchte wirken adstringierend, harntreibend und reinigend. Aus Früchten, Blättern, aber vornehmlich aus der Rinde Tee bereitet, hilft bei Mund- und Halsentzündungen oder Zahnfleischbeschwerden.

Der Schopf-Tintling (Coprinus comatus) ein Herbstpilz für Feinschmecker Solange die Lamellen weiß sind, gilt der Schopf-Tintling (Coprinus comatus) als ein sehr delikater Speisepilz. Wegen des vorzüglichen Geschmacks wird er auch als „Spargelpilz" bezeichnet. Dazu oder danach darf allerdings kein Alkohol getrunken werden, da giftige Zwischenprodukte entstehen, welche die Organe angreifen und bis zu tödlichen Reaktionen fuhren können. Man findet ihn vornehmlich auf Schütt- oder frischen Lehmböden bis in den November hinein.

Mit Mauritio den Kleinsäugern

und Pilzen

nachgestellt

Es war vor etlichen Jahren, irgendwo weit abgelegen zwischen kleinen Dörfern der Cottischen Alpen, wo wir uns ermüdet vom langen Tag bei einem verfallenen Gehöft niederließen. Ich war mit Mauritio unterwegs, dem Hirten, dem ich vieles in meinem Leben zu verdanken hatte, weil er mir eine andere Art des überlebenswichtigen Sehens und Erfahrens beibrachte. An diesen Abend erinnere ich mich, denn ich hab' noch immer den Duft des Feuers und der Speisen in meiner Nase; wir mußten wieder einmal das Nachtlager bereiten und etwas zum Essen besorgen, denn wir waren nach mehreren Wochen des Unterwegsseins ausgebrannt. Das gestellte Karnickel war mit gewilderten Vögeln bereichert worden. Dazu gab es mitgebrachte Edelkastanien, die mit milden Eicheln vermischt die kräftigende Zuspeise liefern sollten. Bei der Holzsuche lachten uns diese „wilden Freundinnen" mit ihren knallweißen, schuppigen Hüten an. Sie tummelten sich auf einer

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I Im Herbst jungen Erdaufschüttung in Kreisen. Das reiche Auftreten ließ uns den Hunger für kurze Zeit vergessen und dem Sammeln nachgehen. Zu unseren Rucksäcken zurückgekehrt, machten wir ein Feuer und ließen von den feingeschnittenen Fettschwarten des Kaninchens das Fett zum Braten aus. So bereiteten wir uns mit den Schopf-Tintlingen in Weise der Antipasti ein brodelndes Pilzgericht zu. Mit den jungen Blättern des Wiesenkümmels und Oreganos sowie jener des Wacholders und der Alpenrose (Rhododendron) würzten wir das Gericht leicht. Den Duft bewahre ich heute noch in meiner Erinnerung. Die gesottenen Kastanien und unser pilzgefullter Kupferkessel garantierten unsere Sättigung. Auf das Karnickel und Federvieh verzichteten wir, rösteten sie über der Glut zur Haltbarmachung für die nächsten strapaziösen Bergtage als Vorrat, den wir in der vegetationslosen abgeschiedenen Höhenzone nötig hatten. Von den restlichen Pilzen ließen wir das Wasser aus. Wir hatten die Schopf-Tintlinge gemächlich angebraten, bis sie fest und goldbraun geworden waren - dies war eine Form der Bevorratung. Sie dienten uns als mineralsalzreicher Knapperproviant fur den abgelegenen Paß, der noch vor uns lag. Und zwischendurch tauchte in den Gedanken wieder der Spruch aus Bruce Chatwins Buch „Traumpfade" auf: „... selbst sucht, was ihn ernährt, was er kriegt und verzehrt, ... der hält sich den Ehrgeiz fern, lebt in der Sonne gern ..." und „komm geschwinde, geschwinde, geschwinde, hier nagt und sticht kein Feind ihn nicht, als Wetter, Regen und Winde." Der Knabberpilz ist nicht nur kulinarisch eine Besonderheit, auch der weißseidige Hut während der kurzen Jugend macht ihn zu einer Schönheit. Mit der Wandlung des Hutes in eine schmierige tintenfarbene Substanz vergeht er wieder so schnell, wie er gekommen ist.

Vorkommen und Beschreibung des

Schopf-Tintlings

Ein massenhaftes Auftreten ist auf gedüngten Lehmböden zwischen Juni und November typisch für diesen Pilz. Er schmarotzt nicht an Gehölzen, sondern wächst auf gut gedüngten Wiesen, in Parks und Gärten, in der Nähe von Kompostplätzen oder dort, wo Lehmböden entlang von Straßen oder Bauplätzen aufgeschüttet wurden. Auf erdigen, nährstoffreichen Standorten können sie vereinzelt oder in Großgruppen auftreten. Mit kleinen weißen Hütlein, die manchmal mit etwas Erde ver-

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An den schwarzen Lamellen erkennt man die Pilzgruppe der Tintlinge: Solange die Lamellen und Fruchtkörper weiß sind, ist der Schopf-Tintling (Coprinus comatus) verzehrbar. Beginnt er sich schwarz zu verfärben, kann daraus Tinte hergestellt werden.

schmiert sind, schieben sie sich aus dem Boden hervor und entwickeln binnen weniger Tage walzenförmige Fruchtkörper, die aus dem Gras 6 bis 15 cm hoch herausragen. Die Oberhaut des Hutes zerreißt in dachziegelartige Schuppen, die weichfaserig und breit sind und sparrig abstehen können. Die Hüte erinnern an Haarschöpfe mit graubraunen Häubchen. Der Hut liegt eng am Stiel, der mit einem Ring abgeschlossen ist. Dieser bewegliche, zarte Ring löst sich nach vollendetem Wuchs bald auf.

Nach dem „ Tinten " stirbt der Pilz ab Beginnen sich die Sporenblätter der unteren Hutinnenseite rosa und dann braun zu verfärben, so spannt sich der walzen- bis glockenförmige Hut zunehmend auf. Mit zunehmender Sporenausreifung und Schwarzverfärbung des Hutes reißt der Schirm am Rand ein und rollt sich nach oben. Ab dem Aufschirmen des Hutes geht er vom unteren Rand aus in völlige Schwarzverfärbung über und kann nur mehr den oberen Teil kegelförmig ausein-

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I Im Herbst anderheben. Dann verklebt und zerfließt der Fruchtstand förmlich zu einer tintenartigen Substanz, die abtropft. Das Hutgewebe wird von einem pilzverdauenden Enzym abgebaut und abertausende Sporen werden abgegeben. Zuletzt bleibt ein weißer, hohler, am Grunde knollig verdickter Stiel und der schmutzige Hutscheitel übrig. Die schwarze Flüssigkeit wird von Insekten aufgenommen. Derart finden die unverdaulichen Sporen über die Darmpassage dieser Tiere eine Verbreitung. Die Natur ist so eingerichtet, daß sich die an den Pilzen labenden Insekten auch an nährstoffreichen Stellen, wo sich Mist oder Kot ansammelt, einfinden. Demzufolge können über diesen Kreislauf die Sporen dort wiederum zielgerichtet keimen.

Zur Herstellung einer

Schreibtinte

Allgemein schreiben SCHMID/HELFER ( 1 9 9 5 ) über die Tintlinge: „Und was lag näher, als aus dieser schwarzen Flüssigkeit Schreibtinte zu bereiten. Man legte also die Pilze, speziell den Falten-Tintling (Coprinus atramentariaus), in ein Gefäß und hatte nun lediglich zu warten, bis sie sich verflüssigt hatten. Die von festen Rückständen befreite Soße wurde mit etwas Gummi arabikum eingedickt und mit Phenol konserviert, und schon war sie bereit für den zugespitzten Gänsefederkiel." Zu beachten sei allerdings, daß der hier erwähnte sehr ähnliche Falten-Tintling nicht für Nahrungszwecke verwendet werden kann, da erst Tage oder Wochen nach dem Verzehr gravierende Beschwerden bei Organen und Vergiftungen auftreten.

Nur weiße Schopf-Tintlinge

verwenden

Der Schopf-Tintling ist in der Küche jung verwendbar, bevor er beginnt rosafarbene Sporenträger auszubilden. Der Hut soll geschlossen und das Fleisch und Stiel weiß sein. Dann riecht der Pilz angenehm. Sammelt man zu knapp vor der Sporenreifung, so können die Lamellen schon bei wenig-

Der reinweiße Pilz eignet sich hervorragend zum Speisezweck. Es darf aber vor, während und nach dem Verzehr kein Alkohol getrunken werden, da es aufgrund entstehender Spaltprodukte zu starken Schädigungen verschiedener Organe kommt.

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I Im Herbst stündiger Lagerung eine Nachreifung erfahren und somit der Beginn der Selbstauflösung oder Verderbung erfolgen. Aufgrund dieser Begebenheit wissen die kundigen Leute um die schnelle Zubereitung dieser Pilzart sofort nach der Sammlung. Markthändler drehen den gesammelten Pilzen den Stiel heraus, damit sie nicht so schnell nachreifen und mehrere Tage am Markt haltbar sind. Auch diese Stiele allein können gebraten werden.

Ein Wohlgenußersten Ranges durch Dünsten und Braten Sind sie sauber geerntet worden, so genügt die Zerkleinerung mit der Hand. Die Hüte und Stiele lassen sich gut mit den Fingern zerteilen. In Butter goldbraun gebraten und gesalzen, stellt der Schopf-Tintling einen Wohlgenuß ersten Ranges dar. Bei reichlicher Ernte kann er zum Strecken des Gulaschs verwendet werden oder für die Herstellung von Pilzextrakten. Zum Trocknen ist er wegen des Wasserreichtums schlecht geeignet. Besser ist er einzufrieren, wenn man ihn vorher kurz mit heißem Wasser übergießt und abtropfen läßt. Frisch in Suppen und im Mischgemüse verwendet, bewährte sich die vorherige Dünstung oder Anröstung. Ein Salat der blanchierten Pilze mit mildem Essig angerichtet und Gartenkräutern leicht abgestimmt, ergibt eine hervorragende Zukost. Die einwandfreien, zartfaserigen Stengel unter Warmluftzufuhr schnell getrocknet, dienen der Herstellung für ein helles und sehr aromatisches Pilzpulver.

Zur Unverträglichkeit mit Alkohol In vielen Pilzbüchern ist die Unverträglichkeit des Schopf-Tintlings, und anderer Pilze, mit Alkohol angegeben. Schon ein Glas Weißwein zuvor, dazu oder nachher getrunken, gilt vielfach als unvertragbar. Höchstwahrscheinlich dürfte sich diese Pilz-Alkohol-Unverträglichkeit auf Gebietsvarietäten des Schopf-Tintlings beziehen und ist nicht überall eindeutig. Aber höchste Vorsicht ist angebracht, denn es ist zumindest beim nahverwandten, giftverdächtigen, Falten-Tintling wissenschaftlich erwiesen, daß ein Spaltprodukt des Inhaltsstoffs „Coprin" diese gefährliche Wechselwirkung hervorruft. Mit ihm wird die „enzymatische Oxidation von Acetaldehyd zu aktiver Essigsäure (Acetyl-Coenzym A) im menschlichen Körper blockiert" (SCHMID/HELFER, 1 9 9 5 ) oder gehemmt. Und Acetaldehyd entsteht bei der Umwandlung aus Alkohol als Zwischenprodukt, bevor es weiterverarbeitet wird. Bei einem Überhang dieses Zwischenstoffes kommt es zu

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Die Totentrompete I

heftigem Herzklopfen, rasendem Puls, Rot- und Violettverfärbung im Gesicht, Hals und anderen Körperstellen. Im Mund ist ein metallischer Geschmack auffällig. Hinzu kommen Durst- und Hitzegefühl, Seh- und Sprachstörungen.

Über den bedenklichen

Falten-Tinding

(Coprinus atramentariaus)

Wegen der Verwechslungsgefahr soll eine kleine Geschichte aus der Schweiz angeführt werden: Ein Bauer verfütterte unabsichtlich Grünfutter von seiner Wiese, in dem Falten-Tintlinge enthalten waren. Mehrere Tiere zeigten gesundheitliche Folgen. Einer Kuh, die an starken Blähungen litt, flößte er einen halben Liter Kirschschnaps ein, weil er glaubte, ihr mit diesem Hausmittel helfen zu können. Die Körpertemperatur und der Puls erhöhten sich, und die Atmung wurde heftiger. Auch der Tierarzt konnte nichts anderes mehr tun, als die Notschlachtung vorschlagen. Hätte der Bauer nur einen alkoholfreien Einlauf, ζ. B. aus verschiedenen Teekräutern eingegeben, wäre dieser Verlust nicht entstanden.

Die Totentrompete (Craterellus cornucopioides) ein prädestinierter Würzpilz Die Herbstzeit ist die Sammelzeit für Pilze und Beeren, um fur die Zeiten des Mangels Vorräte anzulegen. Im November ist unter anderem noch die Totentrompete sammelbar. Als Trockenpilz ist er zum Würzen prädestiniert und übertrifft dann im Geschmack selbst die Morcheln. Bei einem Besuch im Tessin (Schweiz) lernte ich über den Hausgebrauch einen neuen Speisepilz kennen. Die starken Niederschläge machten im Jahre 2002 Massenvorkommen möglich. Markus, ein junge Hoftibernehmer im Centovalli, sammelte Unmengen dieses Pilzes zur Trocknung. Die Bevorratung in Pulverform zielt auf mehrere Jahre hinaus, wenn bei Trockenheit diese Pilzart nur spärlich auftritt. Die Herbst- oder Totentrompete (Craterellus cornucopioides) heißt wahrscheinlich wegen ihrer dunkelbraunen bis schwarzen Farbe und derTrichter-

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I im Herbst

form so. Man nennt den Pilz auch „Füllhorn". Bei Regen oder hoher Luftfeuchtigkeit verfärbt sich der Pilz schwarz und bekommt das Aussehen wie etwa fette Kohle. Wird er fälschlicherweise als „Todestrompete" bezeichnet, so impliziert man damit das Sterben durch diesen Pilz, was nicht stimmt. Hinweise deuten auf das Vorkommen des Pilzes während der „Totengedenktage", zum Beispiel rund um Allerheiligen und Allerseelen, hin. Ab und zu wird er auch in den Städten, wie ζ. B. am Wiener Naschmarkt, gehandelt.

Das Aussehen Dieser Pilz hat keinen eindeutigen Hut und Stiel, da diese ineinander übergehen. Vom länglichen, trompetenförmigen Trichter rührt der Name her. Die Innenseite ist feinschuppig, braun bis schwarz. Die schwachadrige Außen- oder Unterseite und der leicht gekrümmte, runzelige Stiel sind leicht olivgrünlich und später aschgrau (weißliche Sporen) überlaufen. Der Trichterrand ist vielfach eingerollt oder wellig verbogen. Nach unten verjüngt sich der trichterförmige Stiel stark und ist röhrig-hohl. Das milde, dünne, aber feste Fleisch trägt kaum Maden. Der Fruchtkörper kann 5 bis 15 cm hoch und 3 bis 10 cm breit werden. Im Gegensatz zu den Pfifferlingen und Eierschwammerln hat der Trompetenpilz keine Unterseitenleisten. Es ist kein giftiger Doppelgänger vorhanden.

Hauptvorkommen in Buchenwäldern Die Herbsttrompete taucht büschel- oder gruppenweise in Laubwäldern des Flach- und Hügellandes, vornehmlich in Buchen- und Buchenmischwäldern (mit Hainbuchen, Eichen, Linden, Edelkastanien) auf. Auch in Haselhainen entwickelt sich der Pilz gut, oder in Gesellschaft mit Heidelbeeren in ehemaligen Waldweiden. Seltener findet man ihn in reinen Nadelholzbeständen. Er benötigt frische Sand- und Lehmböden, die kalkhaltig oder ein neutrales Basen-Säure-Verhältnis aufweisen. In dichten Wäldern wird er im Fallaub häufig übersehen. Je nach Gebiet taucht er Ende August auf und ist bis Ende November zu finden. In regenreichen Jahren erscheinen sie bereits im Juni. Dann kann es zu einem Massenauftreten kommen und sich das Sammeln lohnen. Hingegen findet man sie in Trockenjahren selten.

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In den Buchenwäldern kommt in manchen Jahren der trichterförmige Speisepilz Herbstoder Totentrompete (Craterellus cornucopioides) in Massen vor. Dann empfiehlt sich seine Bevorratung.

Zur

Verwertung

und

Haltbarmachung

Der Pilz kann in üblicher Weise in Butter oder Fett gebraten werden. Bald aber verliert man nach mehreren Mahlzeiten einmal die Lust daran. Was macht man aber mit den großen Mengen, die man findet? Man konserviert junge Exemplare für den verteilten Gebrauch über die nächsten Jahre. Die Trocknung hat verschiedene kluge Begründungen: a)

Mit der Trocknung verliert die Totentrompete den manchmal unangenehmen modrigen Geruch und den erdigen Geschmack.

b) Mit der Trocknung kommt das würzige Pilzaroma viel besser zur Geltung. c)

Die Haltbarmachung in Jahren des Massenauftretens dient dem mehrjährigen Ausgleich, wenn Jahre des Mangels auftreten.

d) Die Herstellung von Würzpulver zerkleinert die Pilzfasern und verhindert Verdauungsprobleme.

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I Im Herbst Zur Trocknung Zur Bevorratung hat sich bei den wasserarmen und im Griff festen Pilzen die Trocknung am besten bewährt. Sie müssen nach kleinen Gehäuseschnecken, Insekten abgesucht und von Erd- und Sandresten befreit werden. Der Länge nach oder in mehrere Scheiben geschnitten, werden sie auf den Gitterrosten aus Blech, Draht- oder Holzgeflecht aufgelegt. Entweder findet ein normaltemperierter Luftzug statt, oder Warmluft wird künstlich zugeführt. Auch im Backofen kann getrocknet werden. Bei geringen Mengen erfolgt die Lagerung auf Packpapier. Die Ware soll man ab und zu wenden. Zeitungspapier ist wegen der bedenklichen Druckerschwärze und der Geschmacksbeeinträchtigung nicht zu verwenden. Da manche Nachttiere vom ausströmenden Duft der Pilze angelockt werden und sich der Ware bemächtigen können, soll die Trocknung und Lagerung im Haus unter Dach und nicht draußen erfolgen. Das Regenerieren getrockneter Pilze Die getrockneten Pilze schrumpeln zusammen und bekommen bei richtiger Behandlung einen Wassergehalt zwischen 12 und 14%. Bei Dörrung liegt der Feuchtegehalt unter 8%. Damit der Pilz vielfältig in der Küche verwendet werden kann, läßt man ihn in Wasser oder lauwarmer Milch aufgehen. Diese Handhabung empfiehlt sich bei warmluftgetrockneten ganzen Pilzen. Zerkleinertes Trockengut kann man in die langsam köchelnde Sauce oder Suppe ohne Regenerationszeit dazugeben. Die Bereitung von „ Trompetenpulver" dient dem Zermalmen der Pilzfasern Der Trompetenpilz in Stücke geschnitten, bleibt gut im Biß. Frisch gebraten bleiben sie häufig von elastischer Konsistenz. Die reschen Trockenpilze können auch pulverisiert und als mineralstoffreiche Pilzwürze gebraucht werden. So finden sie Gebrauch für Suppen oder dunkelfärbige Tunken. Grundsätzlich stellt man Pilzpulver aus älteren Pilzen her. Das Trockengut gemahlen, verleiht den Saucen einen herrlichen Schwammerlgeschmack. Das Pulver ist lange Zeit in verschlossenen Gläsern haltbar, ohne daß sich die Würzkraft vermindert. Gewöhnliche Mischpilzgerichte sind mit solch einem Pilzpulver sehr gut aufwertbar. Fein zerkleinert kann die Totentrompete mit anderen Pilzen nach Art eines Gulaschs zubereitet werden. Und selbst die starke Zerkleinerung des Pilzes in Stücke hat die Bewandt-

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Die Totentrompete

I

Die getrocknete Totentrompete stellt einen ausgezeichneten Würzpilz dar. Er soll nach der Trocknung pulverisiert werden, da die Pilzfasern dadurch zerkleinert werden und es zu keiner Verstopfungsgefahr kommen kann.

nis, die zähen Pilzfasern für die Verdauung klein zu halten. Denn werden große Mengen des unzerkleinerten Pilzes verzehrt, so kann es zu Darmverschlüssen kommen, da die Fasern den Verdauungssäften nicht widerstehen und sich im Dünndarm Pfropfen bilden können.

Verwendungsmöglichkeiten der Totentrompete Die Totentrompete ist mit Teigwaren, wie Hörnchen und Spiralen, etwas feingeschnittenem und angeröstetem Gemüse und Zwiebel in einer Rahmsauce verwendbar. Vor allem eignet sich der Pilz gut zu Fleischspeisen wie W i l d - und Rinderbraten und Ragout oder im Risotto mit Safran. Zum Frikassee mit Geflügel-, Kalb-, Lamm- oder Kaninchenfleisch gilt er als Morchel- und Lorchelersatz. Zudem ist der Pilz als Würzmittel für Gemüse, Knödel, Aufläufe, verschiedenste Saucen und Suppen im Gebrauch. Junge Exemplare finden in Essig eingelegt fur Salate Verwendung.

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Im Winter

„Austern des Waldes" - über den Austernseitling (Pleurotus ostreatus) - ein Speisepilz der kalten Jahreszeit Auch im Winter sind im Wald interessante Speisepilze zu finden. Einer davon, der die Kälte gut ertragen kann, ist der trichter- oder fächerförmige (Winter-)Austernseitling oder kurz Austernpilz (Pleurotus ostreatusj genannt. Diese Pilzart läßt sich ausgezeichnet verkochen und ist durch Trocknung auch gut bevorratbar. Mit der Zunahme der Forstbrachen ist die Gruppe der Seitlinge wieder häufiger zu finden. Beim Biobauern Walter HAIDER in Unken (Land Salzburg) eingekehrt, nehme ich einen Pilzfund zum Anlaß, der Frage seiner Züchtbarkeit und Verwendung nachzugehen. Diese Seitlingsart unserer Laubwälder bevorzugt im Absterben begriffenes, krankes Holz oder Totholz. Der anspruchslose Austernpilz ist auch züchtbar. Wegen seiner Wertschätzung wurde er früher als „Kalbfleischpilz" bezeichnet. Dies deutet auch auf die Verwendung als annähernden Ersatz für Kalbfleisch hin. Die Namen „Silberauster", „Oyster", „Drehling", „Musvielpilz", „Muschelpilz", „Buchenschwamm" usf. umschreiben die Form und Aussehen und geben Hinweise bevorzugter Standort wieder.

Das Aussehen des heimischen Austernpilzes Leicht kann man sich das Aussehen des Pilzes in Erinnerung rufen, wenn wir ihn mit der ähnlichen in Geschäften und Märkten feilgebotenen, nahverwandten Blätterpilzart vergleichen. Der zungen- oder spatelartige Wuchs im jungen Zustand oder der kehlenartig gewölbte Fruchtkörper des älteren Pilzes hat Ähnlichkeit mit einer blassen Austernmuschel oder einem Ohr. Der Geruch ist sehr angenehm. Beim Probekauen frischer Pilze ergibt sich ein gut würziger, süßlicher Geschmack. Die wasserreichen Pilze enthalten rela-

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I Im Winter tiv viel Vitamin Β. Aus der Lage seines kurzstieligen Anwachsens ergibt sich ein seitlicher Wuchs, weshalb die Pilzart der Gruppe der „Seitlinge" zugehörig und leicht bestimmbar ist. Der Pilz hat eine feste Konsistenz.

Verschieden gefärbte Hüte Von den Austernseitlingen existieren verschiedene Farbvarietäten des annähernd halbierten Hutes: schmutzigweiß oder bleigrau bis hellbraun, braun, dunkelbraun oder oliv-, blau- bis violettschwarz. Diese wechselnden Farbschattierungen verunsichern die Pilzsammler. Allerdings gilt bei den jungen Exemplaren der eingedrehte Hutrand, der seitliche Stiel und die später auftretenden weißen Sporen als sicheres Merkmal des waagrecht abstehenden Fruchtkörpers. Mit zunehmender Größe glättet sich der eingerollte Rand. Die weißen Blätter verlaufen entlang des kurzen Stieles. Nur die Stielbasis ist lamellenfrei. Die Huthaut des robusten Pilzes greift sich im frischen Zustand wegen des fettglänzenden Gallertüberzugs schmierig und im getrockneten samtartig oder seidenmatt an. Mit zunehmendem Alter wird das weiche Fleisch zäher und riecht muffig oder aus der Art des Pilzeiweißes leicht nach Fisch. Der Hut kann in der Regel eine Breite von 4 bis 20 cm erreichen. Altere Pilze können bis 30 cm breit werden und eignen sich zur Weiterzucht. Der 1 bis 4 cm kurze, grau getönte Stiel ist zäh.

Das Vorkommen des Austernseitlings Grundsätzlich kann der Austernseitling das ganze Jahr über gedeihen. Schwerpunktmäßig erscheint er ab September und läßt sich bis in den Frühsommer hinein finden. Im Gegensatz zu den meisten Pilzen ist er nicht an warmes Klima gebunden. Er bevorzugt mehr die luftfeuchten Standorte, welche leicht beschattet sind oder in der Nähe von Bächen oder Flüssen liegen. Er wächst muschelförmig an toten Starkästen, an Wurzel-

Aη den lebenden, absterbenden und abgestorbenen Baumteilen können sich Baumschwämme entwickeln. Eine Art davon ist der Austernseitling (Pleurotus ostreatus), welcher einen zungen- oder spatelartige Wuchs oder ohrenartig gewölbten Fruchtkörper aufweist. (Foto: H. Schmid/W. Helfer, Pilze. Wissenswertes aus Ökologie, Geschichte und Mythos 1995).

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Unter optimalen Voraussetzungen, bei hoher Luftfeuchtigkeit, können große Mengen des Austernpilzes geerntet werden. Sind sie schnell gewachsen und wasserreich, so sollen sie schnell der Verkochung unterzogen werden.

Stöcken oder morsch werdenden Stämmen der Bruch-, Buchen- und Auwälder, der gealterten Hecken, wie in feuchtfrischen, kühlen Gartenbereichen. Häufiger ist dieser Pilz auf altersschwachem und verletztem Holz oder auf alten, zu lang gelagerten Holzstößen anzutreffen. Es finden sich in den meisten Fällen mehrere Fruchtkörper als Kolonien an den Gehölzen beisammen, deren Hüte wie kleine Vordächer dachziegelartig dichtgedrängt übereinanderstehen. Neben den ausgewachsenen Hüten siedeln sich am Holz junge Seitlinge an.

Andere Seitlingsarten Zu dieser Gruppe gehören mehrere sehr ähnliche Arten wie der gezüchtete und in den Geschäften angebotene Löffeiförmige Seitling (Pleurotuspulmonarius), der Rillstielige Seitling (P. comucopiae), Floridaseitling (P. florida), Taubenblauer Seitling (P. columbinus) und der auf den Wurzeln bestimmter

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Der Austernpilz I

Gedeihen die Austernpilze langsam z.B. bei tiefen Temperaturen oder geringer Luftfeuchtigkeit, so haben sie einen festen Griff. Dann eignen sie sich zur Trocknung. Bei schneller Trocknung sind sie auch pulverisierbar und als Würzmittel einsetzbar.

Doldenblütler schmarotzende Kräuter- oder Sommerseitling (P. eryngii). Alle sind genießbar, benötigen aber für ihr Gedeihen jeweils verschiedene Temperaturverhältnisse. Der auf Olbaum und Eiche vorkommende Olbaumseitling (P. olearius) in Süd- und Westeuropa gilt aber als giftig.

Verwechslungsmöglichkeiten Eine ähnliche Gestalt, aber völlig andere Farbe besitzt der sehr kurzstielige, gelb- bis dunkelgelbfarbene Muschelkrempling (Paxilluspanuoides). Auch er kann an alten Baumstöcken und Laubtodholz vorkommen, bevorzugt aber Nadelbäume. Er ist ungiftig und ebenso eßbar, hat aber ein zähes, geschmackloses Fleisch. Auch mit dem ungenießbaren Gelbstieligen ZwergMuschelseitling (Sarcomyxa serotina) besteht Verwechslungsmöglichkeit. Auch er gedeiht im Spätherbst und Winter und kommt in manchen Fällen gemeinsam mit dem Austernpilz vor. Er hat allerdings einen gelben Stiel.

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I Im Winter

Zur Züchtung des Austernseitlings Die Sporen des Austernseitlings lassen sich gut auf andere Gehölze übertragen oder impfen, indem man ζ. B. die Hüte mit der Unterseite auf Holzschnittstellen oder auf mit Sägespäne gefüllte Holzlöcher aufbindet. Voraussetzung ist, daß die Stelle mehr oder weniger frisch geschnitten und feucht sein soll, damit sich das Myzel entwickeln kann. Auch zwei Holzrundlinge mit je 20 cm Höhe quer auseinandergeschnitten, mit Pilzbrut versehen und wieder aufeinandergestellt, eignen sich für die Schwammerlzucht. Weiters sollte berücksichtigt werden: An lichten oder halbbeschatteten Plätzen des Gartens oder Waldes lassen sich mit etwas Geduld auf Holzstamm- oder dicken Aststücken Austernpilze ohne besondere Pflege züchten. Volle Besonnung ist dem Pilz nicht zuträglich. Als Holzarten eignen sich Eiche, Erle, Birke, Ulme, Roßkastanie, Ahorn oder Rotbuche. Die Stämme sollen im Frühjahrssaft geschnitten worden sein und im optimalen Fall der Anlage ζ. B. bis im Herbst im Wasser oder frischer bis feuchter Erde lagern. M a n stellt 30 bis 50 cm große, schwere und frische Holzstücke auf. Ist das Holzstück trocken, so empfiehlt sich ein mehrtägiges bis mehrwöchiges Einwässern. M i t einer Handsäge oder einer ungeschmierten Kettensäge werden schräge Schnitte durchgeführt, in welche die Sägespäne mit der Pilzbrut vermischt hineingestopft werden. Zum Abdecken eignen sich auch Grasziegel (Grasnarbe), Stroh, Erde oder leicht eingesteckte Holzpfropfen zum Zustopfen. Dazu verwendet man aufgeschnittene alte Pilze oder Sporen, um die Stämme zu impfen. Das Myzel lebt von der Aufzehrung des Holzes, wobei harte Holzarten etwas länger existieren als Weichholzarten.

Erträgt tiefe

Temperaturen

Bevor es durch den Witterungsverlauf zu einer Austrocknung kommen kann, befeuchtet man die Stellen mit abgekochtem, reinem Wasser und bindet sie Stoffreste ein, damit sich die Stelle feucht hält. (Das im Regelfall chlorierte Wasser der zentralen Versorgungsanlage ist dafür nicht geeignet.) Die Holzstücke werden bis zu 20 cm in die Erde eingegraben, damit sie frisch bleiben und modern können. Bei im Herbst geimpftem Holz treiben die Sporen 4 bis 6 Monate später im Frühjahr aus. Spätsommer

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Die angeschnittenen Stämme oder Dickäste von Ahorn, Erle, Eiche, Birke, Rotbuche oder Ulme, halb eingegraben oder im Waldschatten bei hoher Luftfeuchtigkeit ζ. B. in der Umgebung eines Baches aufgestellt, können zur Züchtung des Austernseitlings verwendet werden.

oder Herbstanlagen haben sich besser bewährt als jene im Frühjahr. Ausnahmen bestätigen die Regel. Sie vertragen stärkere Fröste und wachsen nach dem Auftauen wieder mitten im Schnee büschelgrasig weiter. Helmuth SCHMID und Wolfgang HELFER ( 1 9 9 5 ) verweisen auf die „Minustemperaturen, die die Fruchtkörperbildung des Austernseitlings induzieren. Klettert dann das Thermometer am Vormittag wieder über die Null-Grad-Marke, so beginnt der Pilz zu sprießen." Im übrigen wachsen sie auch in myzeldurchwucherten Strohbeeten der Gefrierhäuser gut auf.

Verwendung in der Küche Nur selten ist „Pilz" mit „Gift" in Verbindung zu bringen. Uber 7 0 % der Pilze unserer Breiten sind eßbar und viele ungenießbare durch geschickte

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I Im Winter Würzungen aufbereitbar. Mit wenigen Ausnahmen gelten für den Austernseitling alle vergleichbaren Zubereitungsweisen. Das saftige Fleisch ist für feingehackte, geschmorte oder lediglich in Butter gebratene Einzelgerichte oder für Pilzknödel gut verwendbar. Sie sind für Salate, zum Einlegen in Kräuteressig, Einwecken oder Silieren (milchsäurevergoren) uneingeschränkt geeignet. Sie lassen sich gut trocknen. Seltener verwendet man größere Pilze zur Gewinnung von Pilzextrakten oder Pilzbrühen für Suppen und Saucen, indem man die zerkleinerten Hüte auskocht und die Flüssigkeit stark eindämpft. Wegen der Verträglichkeit tiefer Wintertemperaturen eignet sich dieser Pilz auch hervorragend zum Einfrieren, ohne daß die Qualität darunter leidet. Frische Pilze mit Olivenöl bestrichen und etwas gesalzen, werden gegrillt und dienen als Beilage zu anderen Speisen. Oder mit Semmelbröseln paniert oder fritiert, ergeben sie eine leckere Hauptmahlzeit. Sie lassen sich äußerst gut gratinieren. Sie bleiben durch die Kochvorgänge in ihrer Konsistenz fest. Mit Reis, Grünkern oder gerolltem Dinkel und natürlich mit feingehacktem, frischem Gemüse mitgekocht, kann ein vorzügliches Risotto hergestellt werden. Also sehr erfreulich, daß man während der düsteren Wintertage in den Wäldern den ,Austern des Waldes" nachspüren kann.

Das Naturheilmittel Keulen-Bärlapp (Lycopodium clavatum) Allein die thematische Beschäftigung mit dem Keulen-Bärlapp (Lycopodium clavatum) hätte mich im Mittelalter nach Folterung und langwierigem Prozeß Kopf und Kragen gekostet. Oder wäre ein einziges Sporenkörnchen bei mir gefunden worden, so wäre ich der Inquisition und staatlichen Verfolgung ausgesetzt worden. Andererseits schob man den Leuten die Handhabung verbotener Heilkräuter unter und auf diesem Wege ein Schuldverhalten zu, um unliebsame Menschen auf ewig loswerden zu können. Bärlapp und Farne galten nämlich als die „Elixiere des Teufels", verwendet von Hexen und Hexern.

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Der Keulen-Bärlapp (Lycopodium davatumjfand Einsatz bei Muskelkrämpfen, zur Desinfektion von Wunden, bei Entzündungen, bei Beschwerden des Harnens, bei Gicht oderfür Kaminbesen u. v. m.

Im Namen steckt der Gebrauch Vor über 600 Mio. Jahren waren die Urwälder von den riesigen Gewächsen der Farne, Bärlappe und Schachtelhalme geprägt. Baumförmiger Bärlapp konnte Wuchshöhen von 40 Meter und mehr erreichen. Unter verschiedenen Einflüssen hatten sie sich im Laufe der Zeit im Habitus verkleinert. Über die Herkunft des Wortes Bärlapp gibt es lediglich Vermutungen. Es kann auf die Hand, Pfote, Tatze des Bären- oder Wolfsfußes zurückgeführt werden, da das Aussehen der weichhaarigen Zweigspitzen eine Ähnlichkeit vermuten läßt. Allgemein gilt der Bärlapp als gefährdet und ist in mehreren Bundesländern geschützt. Der Echte oder Keulen-Bärlapp ist das häufigste bei uns vorkommende Bärlappgewächs. M i t der näheren Bezeichnung eines „Echten" Krauts wird auf die Heilwirkung hingedeutet. Er wird im Volksmund wegen seiner gabelig verästelten Wuchsgestalt als „Drudenfuß", „Schlangenmoos",

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I Im Winter „Wolfs-" oder „Teufelsklaue", „Wolfsranke", „Kranhax'n" und „Löwenfuß", wegen des Sporenmehls als „Hexen-" oder „Waldstaub", „Erd-" oder „Felsschwefel", oder als „Gürtelkraut", „Seuenkraut", „Saukraut", „Schoßwurz", „Darmfraß", „St. Johannisgürtel", „Neunheil", „Kirchenmoos", „Trömer" wegen der Keulen „Jagerkraut", „demToifi sei Hosenbandl" (dem Teufel sein Hosenband) oder „Hexenranken" genannt. „Weingrün" und „Weinkraut" dürfte es heißen, da es bei der Weinherstellung vielleicht als Färbe- oder Desinfektionsmittel der Fässer zum Einsatz kam. Dieses ausdauernde, moosartige Gewächs wächst als Bodenkriecher bevorzugt in bodensauren Fichten- und lichten Mischwäldern, auf Magerrasen und Zwergstrauchheiden. Das Kraut bei Krampfund

anderen

Leiden

Sehr vielseitig wurde der schlangenartig bis zu 12 Meter weit kriechende Keulen-Bärlapp eingesetzt. Mehrere Anwendungsmöglichkeiten in der Heilkunde wurden aus WlLLFORT (1959) entnommen. Einige Beispiele konnten bei erfahrenen Leuten aufgezeichnet und aus der bestehenden Literatur ergänzt werden. Die Anwendung von Lycopodium als Absud oder die Sporenverwendung kann tiefgreifende, negative wie positive Veränderungen im Körper- und Organgewebe hervorrufen. Das Bärlappkraut wird zwischen Mai und September zur Trocknung gesammelt. Die verästelten Stengel des moosähnlichen Keulen-Bärlapps lösen Krämpfe in den Beinen und Gelenken und lindern die Schmerzen im Knie. Deshalb nennt man Bärlapp auch „Krampfkraut", da man es über das Knie oder Waden gestreift hat. In die Fußgegend im Bett unter der Decke gelagert, lösen sich Krämpfe, und Krampfadern hören zu schmerzen auf. Diese Wirkung spricht man wahrscheinlich dem Radiumgehalt zu. Wird das Bärlappkraut gesotten, so kann darin ein Fußbad gegen Krämpfe gehalten werden. Ein Absud wirkt auch gegen Läuse und Ungeziefer. Das Kraut fand Verwendung fur Tee (ein Teelöffel pro Tasse) bei Problemen der Nieren-, Blasen-, Harn- und Geschlechtsorgane. Solch einen Absud brauchte man auch zur Behandlung chronischer Hautausschläge. Die Sporen gegen

Entzündungen

Die geruch- und geschmacklosen Sporen sind in den ährenartigen Kolben enthalten. Das feine, gelbliche Mehl wurde einst in der Heilkunde eingesetzt, da es ein hochwirksames ätherisches Ol enthielt. Der Griff ist fein

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Der Keulen-Bärlapp I

und fettig, da die Sporen aus einem rizinusähnlichen Öl bestehen, was sie an den Fingern haftend macht. Der giftige Sporenstaub von den ausgereiften Kolben wurde bei trockener Witterung ab Juli bis September durch Ausklopfen auf eine Unterlage geemtet. Die Gewächse brauchen nicht abgerupft zu werden. Man ließ das Pulver im Schatten fertig trocknen, da es im frischen Zustand Vergiftungserscheinungen hervorrief. Es ist bei uns heute noch als sog. „Kinderstrupp" bekannt. Das „Pflanzen-Schwefel" wurde als Desinfektionspuder auf offene Körperstellen der Kinder oder als Babypuder aufgestreut, wenn ζ. B. der Po, entzündet war. Verwendet wurde es auch zur Schmerzlinderung bei Ekzemen, wunden Popos der Erwachsenen vom Reiten und bei offenen Wunden an Füßen. Als desinfizierendes Puder und Blitzpulver Das Pulver wird auch heute noch bei eiternden und nässenden Flechten und Hautausschlägen angewandt. Man tat es bei langen Wanderungen in die Schuhe zur Wunddesinfektion. Dicke Leute verwendeten es zum Desinfizieren, Trockenhalten und zur Geruchsbindung von Schweiß, welcher zwischen den reibenden Hautfalten der Schenkel und Achseln austrat. Der aus der verbleibenden Zweitmolke gewonnene Milchzucker diente als Basis für eine Mischung der Bärlappsporen zur innerlichen Anwendung - das Verhältnis liegt bei 1:10 Sporen zu Milch- oder Molkezucker. Das Gemisch verwendete man gegen Blasenkatarrh und Steinleiden, wenn die Harnröhre brannte oder sich in den Harnleitern Krämpfe äußerten. Die Sporen wurden auch in den Sowjetstaaten zu verschiedenen Pillen als Puder ins Glas beigemischt, damit diese nicht untereinander und während des Schluckens kleben blieben. Das Pulver ist wasserabweisend. Bärlapp allgemein soll die Erd- und Wasserstrahlen abhalten. Die Sporen galten auch als Blitzpulver und wurden in der Feuerwerkskunst vielfach benutzt. Wenn man das Mehl gegen ein Feuer bläst, dann versprüht es kleine leuchtende Funken. Es wurde deswegen in der Zauberei eingesetzt und unter dem Namen „Zigeunerkraut" geführt. Eine Bärlapptinktur mit den Sporen oder Sporenkolben Die Herstellung von Tinkturen waren empfohlen worden, da in den Sporen weniger Alkaloide enthalten sind. Ein blaßgelber Auszug diente bei Bläschenausschlag, Borkenflechte, Fußgeschwüren und bei eitrigen Flech-

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I Im Winter ten und Wunden. Die sporenenthaltenden Kölbchen wurden zu diesem Zweck getrocknet, gestampft und dann in Alkohol angesetzt. Die Tinktur kam auch bei Kopfschmerzen und bei Haarausfall nach schwerer Krankheit zum Einsatz. In der Homöopathie wurde sie bei Nasenbluten, Ohrensausen, Karies, Zahnfleischschwund, Schwerhörigkeit, Halsentzündung, Blutspeien, Stuhlverstopfungen und bei Gelenksproblemen, Leberund Gallenleiden, Nekrosen und Geschwüren aller Art verabreicht.

„Harnkraut" und „ Gichtmoos " Die Abkochung des Bärlappkrauts dient als Abführmittel und zur Harntreibung. Bei beinahe allen Harnwegerkrankungen wurde es eingesetzt. Bei Blutharnen ebenso wie bei Blasenkrämpfen und Nierensteinen. „Seichlkraut" nennt man es in Kärnten heute noch, da es bei Blasenkrankheiten verwendet wurde. „Gichtmoos" nannte man den Bärlapp, weil nach Einnahme des Pulvers die Harnausscheidung gefördert wurde und durch die erhöhte Ausscheidung der Harnsäure Knochengicht-, Gicht-, Rheumabeschwerden, Gelenksentzündungen, Leberleiden und Arthritis zurückgingen. Bei Hodenschmerzen und Verhärtungen, bei Weißfluß der Frauen, bei Hämorrhoiden und bei sexueller Schwäche der Männer wurden Bärlapp-Präparate gezielt eingesetzt.

Einsatz in der Tiermedizin Um die Unfruchtbarkeit der Haustiere zu beheben, gab man 1 5 - 2 0 Tropfen der Bärlapptinktur auf ein Stück Brot und längere Zeit den betreffenden Tieren ein. Bei Krämpfen und Schwindel, Abmagerung durch Krankheit, Leberegelbefall, Harnruhr, Knochenfraß, Wassergeschwülsten, Ruhr und Husten wurden Bärlapp-Präparate ebenfalls eingesetzt. Damit die Kälber während der Säugezeit gesund blieben und kräftig wurden, gab man den Muttertieren täglich oder jeden zweiten Tag Bärlapp ein.

Andere Verwendungen des Keulen-Bärlapps Im Kanton St. Gallen bezeichnet man den Keulen-Bärlapp als „Milchmies" (Milchmoos). Es wurde einst zum Abseihen der frisch gemolkenen Milch als Filter verwendet. Inwiefern die kuhwarme Milch von Bärlapp beeinflußt wurde, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, wäre aber untersuchenswert. „Wischgraud" nennt man ihn in der Oststeiermark, da die relativ steifen Schlangenäste zusammengebunden zum Auskehren der

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Der Keulenbärlapp

I

In relativ stark beschatteten Fichten- und Mischwäldern breitet sich der bodenkriechende Keulen-Bärlapp aus. Die angeführten regionalen Bezeichnungen spiegeln die vielfältigen Gebrauchszusammenhänge dieses Gewächses wider.

Öfen und Kamine verwendet worden sind. In Kärnten heißt der Bärlapp „Bäckengras", und in Bayern nennt man ihn „Bäckerwisch", da er zum Auskehren der Backöfen verwendet wurde. Einem heidnischen Brauch des Schutzes vor Unbilden entsprechend wurde Bärlapp in Kärnten als Schmuck im Herrgottswinkel verwendet. Der im Wuchs kleinere Alpen-Bärlapp (Lycopodium alpinum) wurde in den Berggebieten wie der Keulen-Bärlapp verwendet. Der als giftig geltende Tannenbärlapp (Lycopodium selago oder Huperzia selago) diente zur Abreibung des Viehs gegen Läuse. In der Schweiz bezeichnet man deshalb diesen Bärlapp als „Luuschrut".

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5· Einige Baumnutzungen

Kulinarisches aus der Vogelbeere oder Eberesche (Sorbus aucuparia)

Die Eberesche (Sorbus aucupariaj wird auch im Volksmund u. a. „Vogelbeere", „Quitsche" oder „Quitschbeerbaum" genannt. Das kleinwüchsige Gehölz wurde in Zuchtformen auch als Baum gezogen und dient bis heute im Alpenraum oder rauhen Lagen als Obst- oder Alleebaum. Wunderschöne Beispiele dafür finden sich ζ. B. in den Obstgärten von Goldegg und in den Salzburger Gebirgstälern. Aus den überlieferten Geschichten der Bauern ist die Verwendung getrockneter Früchte als Tierfutter und als Nahrungsmittel des Menschen bekannt. 1997 und 1998 waren besonders gute Vogelbeerjahre. Bevor die Starund Drosselschwärme in die Gebiete mit den orange bis rötlich leuchtenden Fruchtbehängen einfielen, versuchte man die Beeren abzuernten. Schon Anfang September bis in den Herbst hinein werden die Beeren gesammelt und getrocknet. Wer die Reife wegen der Vögel nicht abwarten kann, hat die Möglichkeit, zum Nachreifen die Beeren etwa ein Monat lang aufzulegen. Dazu können luftige Schüttböden oder gepflasterte Innenhöfe mit direkter Sonneneinstrahlung verwendet werden. In Jahren, in denen zum Beispiel anderes Schnapsobst schlecht kam, griff man auf die „Vogelbeeren" zurück. Zur Schnapsbereitung wird ein Faß nach dem anderen gefüllt und zur Gärung aufgestellt. Die eingeweichten und nicht zerstampften Beeren ließ man über den Winter bei ca. 15-18° C konstanter Raumtemperatur stehen. Die Maische beginnt dabei zu riechen. Sie wurde dann gegen Ende des Winters gebrannt. Der Vogelbeerschnaps bekommt mit zunehmenden Jahren der Lagerung ein immer besseres Aroma und steigt im Wert.

Die Beeren für Mus und zum Strecken des

Brotmehls

Erst nach der mehrmaligen Frosteinwirkung werden die Früchte mürbe und schmecken mehr oder weniger süßlich, können aber je nach Wildsorte nach

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Will man das naschhafle Obst verwerten, so muß man bei den schmackhaften Sorten der Vogelbeere (Sorbus aucuparia) die Ernte vor den Vögeln schützen. Aus den Vitamin-C-reichen Beeren können gute Mischmarmeladen zubereitet werden.

wie vor herb sein. Die Beobachtung milder werdender Beeren durch Frost war für die schmackhafte Brei- und Brotherstellung wesentlich. Je reifer die Vogelbeeren werden, um so süßer schmecken sie und um so eher verringert sich der Vitamin-C-Gehalt. Deshalb wurden Früchte mittlerer Ausreifung getrocknet, damit man ein Anti-Skorbut-Mittel vorrätig hatte. Die getrockneten Beeren wurden während des Winters zerkleinert oder zermahlen und als süßlich schmeckender Brei zubereitet. Diesen kann man auch ausgelieren lassen und als Brotaufstrich verwenden. Für bestimmte Brotsorten mischte man das Beerenpulver zur Streckung dem Brotmehl bei. Man kann auch versuchen, zerkleinerte Fruchtstücke zu rösten und anschließend Kaffee davon mahlen. Getrocknete Vogelbeeren und Preßrückstände verwendete man als Futtermittel für Hühner, Rinder, Pferde, Esel, Ziegen und Schafe. Sie haben große Bedeutung für die Blut- und Darmreinigung und die Wurmabtreibung.

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Der weiße, aufrechte Blutenstand mit vielen Einzelblüten kann kugelig gewölbt bis flachwinkelig abstehend oderje nach Sorte mit ausgebreiteten Schirmrispenästen versehen sein. Sie werden von den Insekten häußg besucht

In der Bezeichnung steckt die Geschichte des Gebrauchs Der Wortstamm „sor" im Gattungsbegriff Sorbus weißt einerseits auf die Bedeutung als „Mehl" hin, welches auf die mehlige Konsistenz und auf die Verwendung schließen läßt. Meiner Vermutung nach dürften die aufbereiteten Beeren auch fur „Kletzen-" oder Fruchtbrote verwendet worden sein. Andererseits deutet „sorbere" auf „trinken" hin und erinnert an die Möglichkeit der Zubereitung von Säften. Die Artbezeichnung aucuparia leitet sich von lat. „avis", dem Vogel, und lat. „capere", dem Fangen, aus dem Handwerk des Vogelstellens ab. Die grellen Beeren dienten zum Anlocken. Sie wurden gerne von durchziehenden Zugvögeln gefressen. Im speziellen ernährten sich die Menschen von den gefangenen Drosseln. Die „Gimpelbeer", wie man sie im Salzkammergut und Kärnten nennt, ist ein Hinweis zum Fangen dieser Vogelart. Der

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Die kugeligen Früchte gezüchteter Edel-Ebereschen schmecken süß-säuerlich und haben keinen bitteren Ceschmack. Sie können roh genossen werden. Die glänzende Fruchtschale ist meist scharlachrot und mit kleinen gelben Punkten versehen. Mittlerweile existieren auch trüborange bis -rote Sorten, welche aromatische, unpunktierte Früchte liefern und bezüglich Standorte keine besonderen Ansprüche stellen.

Begriff Eberesche dürfte sich von böhm.-sächs. „Absehe", „Ebsche" oder „Aberesche" der unechten Esche herleiten.

Die Entbitterung der Vogelbeeren Wenn man aus der Eberesche Marmelade machen will, kann man die herbsauer schmeckenden und noch nicht ausgereiften Früchte verwenden. Wenn sie zuwenig Süße beinhalten, sollten sie zuvor einer Entbitterung unterzogen werden. Man legt sie über einen halben bis ganzen Tag lang in Salz- oder Essigwasser ein oder gibt sie für kurze Zeit in kochendes Wasser, welches mit etwas Essig versetzt sein kann. Erfolgt die Entbitterung unzureichend, so kann auch ein mehrmaliges Einfrieren mit kurzzeitigen

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Vogelbeere / Eberesche I

Auftauphasen erfolgreich sein. Sind dann die Beeren immer noch sehr herb, so empfiehlt sich einen geringen Anteil davon in Mischmarmeladen zu verwenden. Vor allem wilde Vogelbeeren aus dem Hochgebirge sind schwer zu entbittern. Ihr Blausäuregehalt in den Samen liegt wesentlich höher als jener der Zuchtsorten, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Denn es kann vermutet werden, daß ein geringer Gehalt an Blausäure, regelmäßig aufgenommen, gegen Krebsbildung wirksam sein kann. Das wird aus soliden Berichten heilkundiger alter Menschen, die seit Jahrzehnten vorsorglich Blausäureprodukte zu sich nahmen, gefolgert.

Grundzügefiir ein Vogelbeergelee Nach dem Entbittern und Absieben kocht man die Beeren im Topf unter ständigem Rühren. Sodann gibt man den Brei in ein Tuch mit einer bestimmten Durchlässigkeit und drückt sie unter regelmäßigem Hin- und Herrücken aus. Der feine Brei wird mit Zucker eingekocht. Oder man süßt das Gelee in der Abkühlungsphase mit Honig. Diese Marmelade schmeckt sehr kräftig und kann zum Beimischen für andere Konfitüren verwendet werden. Besonders empfehlenswert für Mischmarmeladen sind: Melone, Himbeere, Birne und Apfel. In manchen Gegenden mischte man sie sogar

Von den gezüchteten Zierformen der Eberesche existieren mittlerweile verschiedenefärbige und geschmackliche Spielarten. Ihre meist bitteren Beeren undjene der Wildformen können in Mischmarmeladen verwendet werden. Es empfehlt sich dabei die Früchte zu entbittern, wie im Text die Verfahren aufgezeigt werden.

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Aus den Vogelbeeren stellen die Bäuerinnen mit Apfel, Birne und Roter Johannisbeere gemischt köstliches Kompott und Marmelade her. Fällt es dickflüssig aus, so dient es als Fleischbeilage wie Preiselbeermarmelade. Süß-saure Beerensorten können auch kandiert werden.

mit Rübe. Die Beeren sind gut gelierfähig und eignen sich besonders für Sirup, Torten, Kompotte und Suppen, vor allem mit Apfel gemeinsam zubereitet. Und die Rückstände aus der Geleebereitung wurden in Wasser zum Erhalt von Essig und zur Herstellung von Schnaps angesetzt.

Die

Vogelbeermarmelade

Die Marmelade aus Vogelbeeren dient in den Berggebieten als Ersatz für die Preiselbeermarmelade, Ζ. B. bei Fleischgerichten. Sie ist sehr gut geeignet als Beilage zu Wildbret und Schnitzel, aber auch für Wildbratensaucen. In einigen Fällen geben die Bäuerinnen zur Geschmacksmilderung und Mengenmehrung auch Apfel dazu, manchmal auch Rote Johannisbeeren. Man nimmt ein Kilo gewaschener Beeren und wässert sie in leicht konzentriertem Essigwasser über Nacht. Darin werden sie kurz aufgekocht.

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I Einige Baumnutzungen In Schnaps angesetzte Beeren liefern eine Medizin zum Entwurmen oder gesüßt einen delikaten Likör. Wildbeeren getrocknet und nicht entbittert, dienen in Kuren ebenfalls zum Abtreiben von Darmparasiten.

Die Flüssigkeit wird dann abgefiltert und die Beeren zerstampft und als Mus weitergekocht. In etwa einem halben Liter Apfelsaft, auch Most ist dafür geeignet, wird ein Kilo Zucker aufgelöst und dann längere Zeit aufgekocht, bis die Flüssigkeit etwas zäh wird. Man verwendet hierfür einen größeren Topf. Sodann gibt man das Mus der Vogelbeeren bei. Das kocht man so lange, bis die Marmelade eindickt. Herkünfie und Verwendungen Die Entbitterung und die teilweise Entfernung der leicht giftig wirkenden Parasorbinsäure ist von den jeweils vorkommenden Selektionen abhängig. Die Mährische oder Edel-Eberesche (ζ. B. Varietät Sorbus aucuparia. var. moravica = S. a. var. edulis) enthält zum Beispiel wenig Bitterstoffe und schmeckt von Natur aus süß. Ihre großfruchtigeren Selektionen finden wir heute in Gärten und der freien Landschaft als Kulturbäume. Für geeignete Pflanzungen ist in den diversen Baumschulen nachzufragen und auf die lokale Herkunft zu achten. Im Berggebiet sind auch ertragreiche Kultursorten oder Selektionszüchtungen verwendbar. Kleine und wilde Sorten weisen häufig einen höheren Gehalt an Bitterstoffen auf. Man hatte früher die konservierende Bedeutung der Beeren für andere Lebensmittel erkannt. Wegen des hohen Säuregehalts mischte man sie zum Haltbarmachen anderer Marmeladen in geringen Mengen bei. Die Vogelbeeren wurde zu diesem Zweck neben der Berberitze (Ber-

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Vogelbeere / Eberesche I

beris vulgaris) und Preiselbeere (Vaccinium vitis-idea) als Zitronenersatz verwendet. Die Eberesche bezeichnete man deshalb als die „Zitrone der Berge" oder in Deutschland als die „Zitrone des Nordens". „Rosinen "aus den Beeren Folgendes Rezept der Herstellung rosinenartiger Früchte wurde aus FRIEDR I C H / S C H U R I C H T (1985) entnommen und abgewandelt. Das Einlegen in Zuckerlösung handhabte man in den ehemaligen Sowjetstaaten folgendermaßen: Die entbitterten Früchte wurden mit einer heißen 1:10 mit Zucker und 1:100 mit Salz versetzten Wasserlösung mehrmals übergössen. Die Aufbewahrung erfolgte in Tongefäßen oder Holzbottichen. Mit Gewürzen wie Nelken und Süßholz wurde geschmacklich verfeinert. Nach 6 - 8 Wochen waren die Früchte genießbar. Bei guter Lagerung bei 3 bis 5° C lassen sie sich bis Mai aufbewahren. Mus oder Brei Ein breiartiges Püree wurde folgendermaßen hergestellt: In 5 Liter Wasser, mit 100 g Salz versehen, werden 2 kg Früchte gekocht. Dann siebt man die Beeren ab und spült sie mit kaltem Wasser. Sie werden passiert und in Gläsern zum Einwecken eingefüllt. Hier genügt eine Dauer von 15 Minuten, bis sich die Deckel angelegt haben. Auch „Chutney" — wie man heute modisch eine Paste aus zerkleinerten Früchten mit Gewürzzusätzen bezeichnet - wird daraus in anderen Ländern hergestellt. Diese Zubereitung gab es aber auch seinerzeit in mitteleuropäischen Regionen verbreitet. Man machte aus den Beeren ein Mus und gab verschiedene heimische oder fremdländische Würzmittel bei. Die Rezepte sind über die Generationen leider verlorengegangen. Die Beeren als Mus eingekocht, hatten sowohl einen Wert als Brotaufstrich oder als besondere „süße Würze" zu verschiedenen Fleischspeisen oder hauptsächlich als Medizin. Der Brei wurde ζ. B. bei Magenverstimmung oder bei Appetitlosigkeit angewandt. Aus der Volks- und

Tierheilkunde

Das Mus bekam man als Mittel gegen Bronchitis, Lungenentzündung, Husten und Heiserkeit verabreicht, da der Vitamin-C-Gehalt der Vogelbeeren weit über dem von Orangen und Zitronen liegt. Die Beeren haben blutreinigende und magenstärkende Wirkung. Das Mus wurde gegen

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Gicht, Rheuma, Durchfall und im Alpenraum bei Tuberkulose und Knochenbrüchen verwendet. Hingegen wirken schon wenige frische oder leicht vergorene Früchte als Abführmittel. Dies ist abhängig von den Sorten und ihrer Zubereitungsart. Getrocknet kommen die Beeren in Abführ- und Blasentees vor. Wegen der enthaltenen Wein-, Bernstein-, Apfel- und Zitronensäure verwendete man die Beeren in der Volksmedizin bei Wassersucht, Nierensteinen, Harnverhaltung und Harnbeschwerden. Abkochungen von getrockneten Früchten verwendete man bei Lungenkrankheiten und -parasiten (Leberegel, Fadenwürmer ...) der Rinder, wenn ζ. B. beim Weidegang in Riedwiesen oder Naßweiden ein Befall erfolgte. Kluge Bäuerinnen geben vorausschauend und regelmäßig den Tieren etwas davon ein. Deshalb begründet sich die Bedeutung dieser Baumart nicht nur auf die kulinarische Fruchtverwertung, sondern es ist auch die Wertschätzung als Medizinbaum hervorzuheben.

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Die Walnuß (Juglans regia) für die Herstellung von Öl, Farben, Likören und kandierten Speisen

Eichen, Buchen, Haselsträucher, Walnuß, Eßkastanien, Lindennüßchen und Hanf dienten vor allem der Versorgung mit energiereicher Nahrung im Winter. Sie waren gut bevorratbar, und aus ihnen war Ol gewinnbar. Die Edelsorten der „Welschen Nuß" (Juglans regia) wurden von den Römern gemeinsam mit der Weinkultur eingeführt. Dabei kamen die verschiedenen Sorten jeweiligen Nutzungsansprüchen entgegen. Wildformen waren aber auch schon vorher in Mitteleuropa vorhanden. Neben der Verwendung der Nußfrüchte zur Olgewinnung und der Holzverwendung wurden auch die grünen Nußaußenschalen und Blätter für verschiedene Zwecke verwendet. Die Schwarznuß (Juglans nigra) ist eine ebenfalls eingeführte Baumart. Sie stand vermutlich im Gebrauch für die hauswirtschaftliche Seifenproduktion und dürfte auch wegen der langen Frischheit des Kerns bis Ostern als Speisenuß verwendet worden sein. Die Nußfrüchte in der Most- und Weinkultur Die Einführung und Anpflanzung der Walnußbäume stehen u. a. im Zusammenhang mit der Most- und Weinkultur. Meiner Vermutung nach dürften die gekauten Walnüsse und andere ölhaltige Früchte in Kombination mit dem Most- und Weintrunk der besseren Verdauung der Weinsäure und der Blutreinigung gedient und vor den Folgen bei allzu schwerwiegendem Besäufnis und den nachfolgenden Kopfschmerzen geschützt haben. Die getrockneten Früchte der Haselnuß (Corylus avellana) enthalten keine kratzenden Inhaltstoffe, wie etwa manche Walnußsorten, und sind mild im Genuß. Deshalb sind sie als Rohkost begehrter. Die reizende Wirkung des Öls aus Walnüssen und hängt vom Bitterstoffgehalt in den Nußhäuten ab, die den weißen Kern einhüllen. Der Einfluß des Standortes und des Witterungsverlaufs dürften sich ebenfalls auf den bitteren Geschmack auswirken. Getrocknete Früchte werden im Geschmack angenehmer, wenn man die Kerne einige Tage in frisches Wasser legt. Sie quellen dann auf, die Haut ist entbittert und leichter abziehbar. Jene Früchte mit der Kernhaut stärken den Magen.

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Der hofnah gepflanzte Walnußbaum gilt deshalb als „Mistbaum", da er einerseits mit den Ausdünstungen Insekten vertreibt und andererseits die beim Misthaufen absickernden, nährstoffreichen Wässer verwerten kann (Foto: Centovalli Tessin/Schweizj.

Die entschalten Nüsse dienten früher der Ölgewinnung. Von ihnen wurden auch die verholzten Zwischenwände - der Sattel - abgesondert. Die Nußkerne quetschte man in Mühlen, der entstehende Brei wurde in Leintüchern oder Leinsäcken gefaßt und das Ol daraus kaltgepreßt. Dieses Ol mischte man in den Nußgunstlagen anstatt Butter oder anderen Ölarten bei der Herstellung von Backwaren bei, um ζ. B. Butter zu sparen. Im September aus frischen Nüssen gepreßtes Ol verwendete man als Salatöl. Das Preßöl ließ man in Flaschen ausreifen, wodurch es im Geschmack und Geruch besser wurde. Man verwendete es zur Herstellung von Salben. Mit Mandelöl gemischt diente es ζ. B. zum Abfuhren und zur Schmerzstillung bei Nierenund Blasensteinen. Zu lange Lagerung ließ das Öl ranzig werden. Der Preßrückstand mit Wasser versetzt wird in großen Kesseln leicht erwärmt, ermöglichte eine weitere Ausbeute, die zwar geringer in der Qualität, aber fur Mischöle diente. Wird der gewässerte Preßteig behutsam gesotten und ein weiteres Mal ausgerungen, so erhält man das „Nachöl". Dieses diente zur

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Die unreifen grünen Früchte der Walnuß dienen der Herstellung von Likör und/oder mit Zuckerwasser aufbereitet als heilwirksame, würzende Beilage. Getrocknet und pulverisiert oder frisch verwendete man sie zur Blutreinigung und -erneuerung, bei Mandelentzündung, bei Magen- und Darmkatarrh, Diabetes und Gicht.

Herstellung von Seifen, welche einen starken Eigengeruch hatten. Stellte man Malfarben aus dem Nachöl her, so erfolgte mittels Beigabe von Silberblatt oder bei einer anderen Zubereitungsweise mittels Blei und durch Kochen eine Reinigung. In Frankreich goß man das Nachöl auch in flache Bleischüsseln und stellte es in der Sonne auf. Es bekam eine dickflüssige Konsistenz, welche mit Terpentinbeigabe verändert und zu einem dünnen Firnisöl aufbereitet wurde. Dazu gab man Farbstoffe oder -abriebe bei. Diese Ölfarben trockneten schnell und ergaben glänzende Farben. Aus dem teigigen ersten oder zweiten Preßkuchen stellte man Backwaren her, wobei er zu anderen Waren dazugemischt wurde. Der Preßrückstand nach dem Sieden mit Wasser roch unangenehm, weshalb man ihn an die Masttiere in Mischrationen verfutterte.

Die Bevorratung der Nüsse war früher überlebenswichtig, lieferten sie

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I Einige Baumnutzungen

In Vergessenheit geraten ist die umfassende Heilanwendung der Walnußblätter und Blutenkätzchen: vor allem für den Darm und Magen, Mandeln und Rachen, die Haut, die Knochen, die Muskeln, das Blut und ihre Krankheiten. In der Tiermedizin fanden Blätter und grüne Nüsse Einsatz bei Problemen der Haut, Klauen, Beine und in der Verdauung.

doch sehr energiespendende Kraft und hatten sie magenstärkende W i r kung. Es existierten Einmachverfahren, welche die reifwerdenden ohne Schale und die reifen Früchte berücksichtigten. Unreife Früchte ζ. B. Mitte Juni zerstoßen, in Alkohol eingelegt und nach mehreren Wochen gefiltert, ergeben einen magenheilenden Likör. M a n kann ihn nach Belieben leicht süßen. Mit dem Alter verfärbt er sich rot und wird im Aroma reifer. Die jungen, grünen Schalen der frischen Gesamtfrucht, aber auch die Schalen der verholzenden Nuß sind zur Färbung von Wolle und anderen Naturstoffen geeignet. Von August bis Oktober kann man die Schalen verwenden. Man benötigt für gut 1 kg Wolle etwa 0,7 kg Nußschalen (Farbtönung: beige bis braun). Für die Färbung mit frischen Blättern braucht man auf 1 kg Wolle etwa 4 kg (Farbtönung: gelb, grün bis grünbraun und braun). Ein zweiter Nachfärbungsgang für einen intensiveren oder anderen Farbton kann durchgeführt werden. Auch die im Mai abgefallenen männlichen Blüten (Kätzchen) wurden gesammelt und zur Färbung verwendet. M a n braucht im Gewicht doppelt soviel Ware wie für die zu färbende Wolle. Heute werden die grünen Nüsse und Wurzeln für Haarfärbemittel verwendet. Die Tischler setzten die grünen oder bereits reifen Nußschalen zur Verfaulung in Wasser an, damit sie für dauerhaftes Braun eine Farbe für helle Holzarten hatten.

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DieWalnuß •

Walnußgarten und gehackte Nüsse: Die ausgereiften Nüsse enthalten wertvolle Proteine, essentielle Fettsäuren, Phytoöstrogene, Folsäure, Magnesium, Eisen, Zink, Selen und etwas Ellagsäure. Durch den regelmäßigen Verzehr wird die Konzentration gesteigert und die „Kommunikation" zwischen Nerven und Muskeln erhöht.

Eingelegte grüne Nüsse in Zuckersirup Die grünen Walnüsse werden ab Mai bis Juni geerntet, wenn sie im jungen Zustand noch weich sind. Sie werden zur Entbitterung mit einer mittelstarken Nadel mehrmals an- und durchstochen und über mehrere Tage wechselnd in Abständen in heißem, leicht gesalzenem Wasser zum Ziehenlassen angesetzt. Nach drei bis vier Tage probiert man die Nußsorte auf den Bitterstoffgehalt und entscheidet, ob sie noch weitere Tage zu entbittern sind. Danach stellt man einen Zuckersirup her: Man rührt in halb gewässertem Weinessig Zucker im Verhältnis 1:1 an. Zur Würzung verwendet man Zimtstangen und Nelken, die während des Kochens beigegeben werden. Diesen Sirup gießt man heiß über die Nüsse und läßt sie ziehen. Einige Tage lang ergänzt man den Sirup, da der Zucker den Nüssen Wasser entzieht, welches verdunstet. Die jeweils erneuerte Flüssigkeit kocht man auf und übergießt damit neuerlich die Nüsse. Die süßen Früchte sind eine gute Beilage zu Fleischgerichten, wo sie die Verdauung regulieren helfen. Uber die Herstellung eines Nußlikörs Sind die Nußfrüchte schon härter und reifer ausgewachsen, dann können sie für die Herstellung von Nußlikör eingelegt werden. Die grünen Walnüsse

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I Einige Baumnutzungen

sollte man zu Peter und Paul (Ende Juni) abnehmen und angestochen oder zerkleinert 2 - 3 Tage in Essigwasser zur Entbitterung lagern. Man füllt die Behälter halb voll mit den zerkleinerten grünen Nüssen und übergießt mit Kornschnaps oder Obstler, bis das Gefäß voll ist. Wegen der Erwärmung wird der geschlossene Behälter fur etwa zwei Monate an das Fenster gestellt. Unzureichend verschließbare Gefäße sollen ständig mit Flüssigkeit nachgefüllt werden. Man kann die Füllung bis zu den ersten Frösten stehenlassen. Dann filtert man die Nußteile mit einem Sieb und die Schwebstoffe durch ein feines Leinen ab. Der Ansatz ist aber sehr bitter. Deshalb kommt eine Zuckerlösung dazu, in der Zimt und Gewürznelken mitgekocht wurden. Gut aufgerührt füllt man in Flaschen ab. Je länger ein solcher Nußschnaps lagert, um so runder wird er im Geschmack. Bei der Herstellung können auch andere Kräuter und Wurzeln (wie Wacholderbeeren, Meisterwurz, Enzian, Waldmeister ...) in geringeren Variationen beigegeben werden. So wird der nussige Schnaps zur noch besseren Medizin veredelt und als Verdauungsschnaps nach einem deftigem Essen zur Notwendigkeit.

Blätter flir Tee und zum Einreihen der Resser Zur Blutreinigung und bei Katarrhen im Magen und Darm bereitete man aus getrockneten Nußblättern gemeinsam mit Erdbeerblättern einen Tee zu. Die austretenden Gerbstoffe der Blätter sind fur die Heilung entzündeter Schleimhäute des Darms, bei Durchfällen, des dauerhaft überreizten Magens, aber auch als Gurgeltee bei Mund-, Rachen- und Zahnfleischentzündungen genutzt worden. Aus den Blättern stellte man Absude her, welche in Bäder gegeben oder für Umschläge verwendet wurden. Sie sind wirksam bei leichten Hautentzündungen, eitrigen Geschwüren, Ekzemen, Akne oder bei übermäßigen Schweißabsonderungen, Hämorrhoiden und Hautbeschwerden durch Frost. Frische, weichgekochte Blätter legte man sich bei Lidrandentzündungen der Augen, bei Akne und bei Hämorrhoiden auf. Das enthaltene Juglon ist gegen Pilzerkrankungen wirksam. Zerriebene Blätter mit Marmelade oder Honig vermischt eingenommen, diente jungen Frauen bei Problemen der Regel. Mit den Nußblättern und ihren Absiedungen wurden einst die Rösser eingerieben, damit sie nicht von den Roßbremsen und Stechmücken aufgesucht wurden. Hier nutzte man wieder das stark riechende und giftige Alkaloid Juglon als Hilfsmittel, um das Durchbrennen der nervösen Zugpferde bei der Feld- und Waldarbeit zu verhindern. Zudem galt das austretende äthe-

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Mit den Wurzeln, Blättern, Kätzchen und grünen oder braunen Walnußschalen im Herbst können Naturfasern (Holz; Wolle, Leinen), Haare und Papier gefärbt werden.

rische Ol auch für die ansonsten tagsüber im Schatten stehenden Pferde als geringfügiger Sonnenschutz. Das Haar damit gewaschen, diente der Färbung und Wuchskraftanregung und Abhaltung der Räude beim Menschen.

Der Mist- und Hausbaum Die Ausdünstungen der Blätter haben eine fliegenabwehrende Wirkung. Deshalb wurde der Walnußbaum als Mistbaum und Hausbaum verwendet. Er findet sich bei alten Gehöften, wo der Misthaufen steht bzw. dort, wo der Mist einst gelagert wurde. Früher zeigte man den Mist der Öffentlichkeit her, um das Vermögen des Wirtschaftenkönnens zu präsentieren und über die Größe des Misthaufens den (Nährstoff-)Reichtum zu zeigen. Deshalb fand sich einst der Misthaufen zwischen Straße und Bauernhof. Dies auch, da der Straßenraum der Arbeitsplatz war. Dann wurde der Miststock in den inneren oder hinteren Hofplatz verlagert. Deshalb leitet sich in Siedlungen häufig der sogenannte Mistweg ab. Auch in Selbstversorger-Reihenhaussiedlungen findet sich an der hintersten Grenze der Gärten der Mistweg als Hintausweg. Dort liegt heute der Kompostplatz. Heute wird in der Landwirtschaft der Mist hinter dem Hof versteckt oder als Flüssigdünger (Gülle) in Gruben gelagert. Mist ist zu einem Schimpfwort verkommen und steht für den ideologischen Wandel des Haushaltens mit den Nährstoffen und der Natur, aus dem das profitorientierte Wirtschaften mit Kunstdünger wurde.

Uber die Nußdörfer In Nußdorf in Wien dürften in den Straßen Walnußbäume gepflanzt worden sein, um die Gelseninvasionen von der Donauauen zu verringern und weil in dem Weindorf einst die Miststöcke an der Straße lagerten. Oben-

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I Einige Baumnutzungen

drein machte der Weinbegleiter auf den Straßenplätzen einen herrlichen Schatten, der aber im Vergleich zu Roßkastanie oder Ahorn doch ausreichend Licht durchließ. Auch die Pflanzung zum Fenster der „Speis", dort, wo die Nahrungsmittel gelagert waren, dürfte den Zweck gehabt haben, die Fliegen und Vorratsschädlinge hintanzuhalten.

Zur Kompostierung von Nußlaub Wegen der toxischen Ausscheidungen empfiehlt es sich, Walnußlaub nicht zu kompostieren. Es wurde früher mit anderem Laub gemischt und als Streumittel zur Miststreckung verwendet, welcher der Wiesen-, Weiden- und Obstgartendüngung diente. Oder es wurde verbrannt oder in den Wald gestreut. Gemüse, welches mit Kompost aus Walnußblättern gedüngt wurde, bleibt im Wuchs gekrümmt oder verkümmert, oder die Erträge bleiben stark zurück.

Die Zirbe (Pinus cembra) Obstbaum unter den Nadelbäumen

Die Zirbelnußkiefer oder Zirbe (Pinus cembra) könnte man als den „Obstbaum" unter den Nadelgehölzen bezeichnen, denn in den Zapfen befinden sich kirschstein- bis haselnußgroße Nüßchen, dessen wohlschmeckende Samen sehr begehrt sind. Diesen stellen in den Vorkommensgebieten nicht nur die Zirbelhäher nach, sondern sie dienen auch als beliebte, würzige Nascherei der Menschen. Darüber hinaus lassen sich aus den saftfrischen Zäpfen verschiedene Heilschnäpse zubereiten. Auch die vergleichsweise zarten Nadeln sind für Speisen nutzbar.

Von den Zapfen und Nüßchen An den Spitzen der jungen Triebe befinden sich die violettfarbenen Ausbildungen der weiblichen Blüten. Aus ihnen bilden sich kleine Zäpfchen,

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Die langsamwüchsige Zirbe, Arve oder Zirbelkiefer (Pinus cembra) besiedelt saure, humose Verwitterungsböden, wobei ihr tiefgründige Lehm- und Tonböden besser entsprechen als Kalkböden. Sie geht bis über die Baumgrenze der Zentralalpen hinauf.

die erst nach der Befruchtung zu verholzen beginnen. Die Entwicklung der Zirbenzapfen dauert zwei Sommer, wobei erst im zweiten Jahr die Ausgestaltung zur vollen Größe von bis zu 7 cm Länge und 5 cm Breite erfolgt. Dann bleiben die rotbraunen, blauviolett überlaufenen, eirunden Zapfen den Winter noch am Baum und schlagen praktisch erst im zweiten Jahr nach der Befruchtung auf. Deswegen findet man schon Mitte Sommer die „Zirmen" am Boden liegen und nicht im Herbst. In den Zapfen befinden sich ungeflügelte, schwere Zirbelsamen, welche vornehmlich durch den Tannen- oder Zirbenhäher, Eichhörnchen und Mäuse verbreitet werden, wenn sie in vielen Depots etwa 4 - 5 Nüsse für den Wintervorrat anlegen. Etwa ein Sechstel wird von ihnen nicht mehr aufgesucht und kann aus den vergessenen Vorratsdepots zum Keimen kommen.

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In den tonnenförmigen Zapfen befinden sich die beschälten Nüßchen, welche von Zirbenhäher, Mäusen u. a. Tieren aufgehackt und genossen werden. In einigen Alpentälern verwendet man die Nüßchen für Backwaren und Nußschnäpse.

Die unreifen Zirbenzapfen werden in Scheiben geschnitten und in Schnaps für den Zirben- oder Arvenlikör angesetzt. Mittlerweile wurde die Heilwirksamkeit der Zirbenprodukte wissenschaftlich wiederentdeckt.

Über die Bereitung von Zirbenlikör Man verwendet im Frühsommer die frischen, roten Zirbenzapfen, die voll im Saft sind, also kurz vor der beginnenden Verholzung stehen. Die gesammelten Zapfen werden in drei bis fünf Millimeter breite Scheiben geschnitten und in einem verschließbaren Glas zu Vs bis Vi in Obstlerschnaps eingelegt. Dort bleiben sie fünf bis sechs Wochen oder mehr angesetzt. Stellt man das Glas an das Fenster in die Sonne, dann geht die Herstellung schneller. Ab und zu soll man das Glas schütteln. Es gehen Harze, Bitter-, Gerbund andere heilwirksame Stoffe in den Alkohol über. Wenn die Flüssigkeit schön braun bis rotbraun geworden ist, wird das Ganze durch einen Kaffeefilter oder ein Leinentuch gefiltert, um Trübstoffe zu entfernen. Zuletzt gibt man Zucker, Kandiszucker oder Honig bei, um dem Likör den herben Geschmack etwas zu nehmen. Damit sich der ungelöste Zucker nicht absetzt, soll der Inhalt umgerührt oder eventuell öfters umgegossen werden.

Verschiedene Schnapsansätze atis Zirbenzapfen

undZirbennüssen

Auch machte ich einen anderen Versuch: Dabei schnitt ich die ganz frischen, vom Baum direkt geernteten, harztreibenden Zirbenzapfen in Scheiben und trocknete sie relativ flott in der Nähe des Hüttenherds. Da ich keinen Schnaps zur Verfügung hatte, wäre es unsinnig gewesen, auf der

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I Einige Baumnutzungen

fußläufig erreichbaren Alm größere Mengen Schnaps anzusetzen, wenn ich dann die flüssige Ware hinauf und im Herbst zu Fuß wieder hinuntertragen müßte. Mit getrockneten Scheiben dauerte im Herbst die Zirbenlikörherstellung etwa sechs Wochen länger, gelang aber ebenso. Als der Schnaps sich nach etwa vier bis sechs Wochen schön rotbraun gefärbt hatte, filterte ich den Schnaps ab und verwendete die in Alkohol getränkten Zirbenscheiben ein weiteres Mal. Dabei ließ ich das neugefüllte Glas noch einmal etwa drei Monate stehen. Dieses Mal färbte sich der Schnaps gelbgrün, ähnlich wie dunkler Kamillentee. Bei einem dritten Ansetzversuch verfärbte sich der Schnaps in ein wunderschönes Moosgrün. Dieser Likör war im Vergleich zum Erstangesetzten im Geschmack viel milder und runder, ihm fehlte allerdings der Gehalt. 1996 verwendete ich einen Schweizer Schnaps, der mit Kräutern angesetzt und dann gebrannt wurde. Diesen hatten Appenzeller Bauern auf unsere Jungviehalp mitgebracht. Im steirischen Gullingtal empfahl ein alter Hirte die Verwendung von einem Liter Kornschnaps bei IV2 Zapfen. Dieser geschmacksneutrale Schnaps entzieht den reinen Harzgeschmack den Zirben. Das heißt, der Geschmack der „Zeischken" kann sich besser entfalten. Im Mölltal werden heute noch sogenannte „Zirben,nuß'schnäpse" hergestellt. Alte Frauen gewinnen aus den Zapfen die beschälten Nüsse und legen sie lagenweise in ein Glas abwechselnd mit Zucker ein. Darauf gießen sie einen Obstler und stellen das Glas zum wirksameren Ausziehen der Inhaltsstoffe an das Fenster. Der Schnaps wird in einigen Wochen fertig und schmeckt nußartig und nach Zirbenharz. Zirbelnüsse zum Braten und für das Gebäck Im Kärnten, Nordtirol und Vintschgau legten wir die Zirbenzapfen auf die warme Herdplatte. Oder wir gaben die reifen Zapfen in eine heiße Pfanne, bis sie sich aufmachten. Dann konnten die Nüßchen leicht herausgearbeitet und von der dünnen Schale befreit werden. In der Hütte lag dann der aromatische Duft des Zirbenharzes. Auch im Geschmack haben die ölreichen „Zirmnüßl" etwas vom typischen Zirbenholz. Und sie ist der südländischen Schwester, der Pinie, sehr ähnlich, welche manchmal im sogenannten „Stufet die Zirbe gut angewachsen, so zeichnet sie sich durch Frost- und Kälteresistenz aus. Selbst das Möbelholz hat günstige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit Die zarten Nadelbüschel sindfünfteilig und können zu Speisen verarbeitet werden.

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I Einige Baumnutzungen

dentenfutter" enthalten ist. Im Pinzgau wurden die am Herd aus den Zapfen erhaltenen Nüsse getrocknet und zu einem Mehl zermahlen. In Mischungen mit anderen Mehlen backte man Kuchen oder Brot, oder man verwendete sie als ganze Stücke für den Kuchenteig und zum Dekorieren für Kekse. Auch Gebäck mit Zirbelnußfullung war früher in der Steiermark geläufig. Die „Nißln" wurden bei geselligen Zusammenkünften miteinander aufgeknackt, in der Pfanne geröstet und zum Wein gegessen. In der Schweiz wurde noch vor 60 Jahren in den Fruchtjahren vorerst die notwendige Menge fur die Samenvermehrung gesammelt und in den dafür vorgesehenen Forstgärten angebaut, ehe man das Sammeln für die Einwohner zu Speisezwecken freigab.

Der gesunde Umtrunk Die beim Zapfenbraten mit Zirbenduft geschwängerte Luft eingeatmet, soll vorbeugend gegen Lungenkatarrhe sein. Dem Zirbenschnaps sagt man im Lungau besonders gute Heilwirkung bei Asthmaleiden nach. Zirbenprodukte — und auch der Zirbenschnaps — gelten als vorbeugend bei Erkältungskrankheiten, wie dies auch den Pinienkernen zugeschrieben wird. Die ätherischen Öle helfen die Atemwege frei zu machen, verbessern vor allem die Nasenatmung und wirken schleimlösend bei Husten. Zirbenerzeugnisse gelten (neben dem Alkohol als Medium) antibakteriell, harnabsondernd und blutreinigend. Zirbenschnaps wird zum Kurieren der Grippe in den Tee gegeben. Kindern kann man einige Tropfen auf einem Stück Zucker verabreichen. Und die Einreibung mit ungezuckertem Zirbenschnaps fördert die Durchblutung der Haut und ist gegen Rheumatismus und Gelenksbeschwerden hilfreich. Kurzfristiges Schnapsschnüffeln oder das Einreihen unter der verstopften Nase öffnet diese.

Die Verwendung der Zirbennadeln Völlig unbeachtet dürfte bei Nachforschungen bislang die Verwendung der Zirbennadeln geblieben sein. Wenn man sie kaut, entdeckt man die zarte Konsistenz und den milden Geschmack. Von daher kann man sie für spinatähnliche Nutzungen in den Gebrauch nehmen. Zudem sind sie getrocknet für Teemischungen zu verwenden, wo die Inhaltsstoffe in geringer Konzentration gegen Erkältungen zur Wirksamkeit kommen. Die harzreichen Nadeln üblicher Kiefern und der Latsche (Legföhre) besitzen hingegen einen herben Geschmack.

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6. Einige Grundüberlegungen zur Sammelnutzung Warum bis in die heutige Zeit herauf gesammelt wurde, hat verschiedene Bedeutungszusammenhänge. Der wichtigste Grund liegt in der Selbstversorgung mit Heilkräutern, gesunden Nußfrüchten, Beeren und Pilzen. Darin liegt aber auch das Sparsamkeitsprinzip, da für die Sammelware kein Geld aufgewendet werden muß. Wegen der Teuerungen in Vorzeiten hielt sich dieses Prinzip, und da vor allem in Bevölkerungskreisen, welche kein hohes Einkommen oder eine niedrige Pension hatten. Hinzu kommt der Sammeltrieb als Uberrest einer Sammelkultur, der aus den Ursorgen des Uberlebens der Vorgenerationen auf jüngere übertragen wurde. In Zeiten der Not ging man bei der Auswahl der Pflanzen an die Grenze, um „Ersatznahrung" oder zumindest „Sättigungsmittel" zu bekommen. Heute hat sich das völlig gewandelt, wenn wir großteils nur mehr sättigende Nahrungsmittel in den Geschäften dargeboten bekommen, die zwar nährwertig, aber ohne Heilkraft sind. In diesem Band werden exemplarisch Pflanzenarten dargelegt, deren Nutzungen heute noch betrieben werden und die aus verschiedener Hinsicht dokumentiert wurden. Verschiedene Prinzipien der Sammelnutzungen sind in den einzelnen Teilkapiteln ausgeführt. Sie sollen auf allgemeiner Ebene zusammengefaßt werden:

1. Sammeln war eine Agrikultur der Zusammenhänge und der Umwegigkeit Sammeln bedeutete, die investierte Arbeit des Sammelguterntens und des Nachhausetragens bestmöglich über mehrere Umwege auszunützen. Die gesammelte Ernte war der Eintrag in den agrikulturellen Kreislauf aus nahrungsorientierter, nährstoffökonomischer und heilwirksamer Begründung. Diese Form der Landnutzung vereinte die gebrauchsfähigen Prinzipien im Umgang mit der Natur, daß die Standorte gepflegt und stabilisiert und daß kein Müll entstand. Die „Substanzen" flössen wieder in den Nährstoffhaushalt der Wirtschaftseinheiten ein und stützten somit das „offene Kreislaufsystem". Diese Zusammenhänge zur Bewältigung des Überlebens stellen eine Wert- und somit eine Lebenshaltung als subsistenzorientierte Agrarkultur (s. GROENEVELD, S., 1 9 9 6 ) dar. Großteils dienten die Sammelpflanzen unmittelbar der nahrhaften Sättigung (als Gemüse, Obst) oder unmittelbar der Streckung von Nahrung (Breie, Brotmehle ...) oder „abfallende" Teile als Futtermittel. Gleichzeitig boten die vielen Pflanzen

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I Einige Crundüberlegungen zur Sammelnutzung

Inhaltsstoffe, die vielfältig einsetzbar waren: ζ. B. als Medizin; zur Abwehr von Insekten, Pilzen, Bakterien ...; als Färbemittel, als Tiermedizin, als Faserpflanze, für Besen, für Laugen, als Papierersatz (zum Einwickeln, Toilettenpapier), Dämmittel, Fasermittel im Lehm-, Wand- und Deckenbau, als ,duftender Schmuck' u. v. m. 2. Subsistenz und wirtschaftliche Autonomie Selbstversorgung als Selbstbestimmung heißt, daß die Aneignung und Zuständigkeit in der Entscheidung der einzelnen liegt. Pflanzenverwendungen stellen eine wesentliche Grundlage in der Subsistenzwirtschaft dar. Mit dem Gebrauch der Pflanzen schuf man eine Unabhängigkeit auch vom Landbesitz, denn man konnte beinahe überall in der freien Landschaft sammeln gehen. Und Subsistenz bedeutet einen anderen Umgang mit der Natur, sie als Garten (wieder) zu erkennen, zu nützen und nicht als mechanistisches Werk oder als Maschine. Die Natur wieder anzuerkennen, meint das Elementare zuzulassen, die Natur zu „ersinnen", indem sie gehört, gesehen, gerochen, gespürt und geschmeckt wird (im Sinne Luisa FRANCIAS). Mit allen Sinnen der Natur zu begegnen steht der reinen Kopflastigkeit entgegen. Die Vielfalt an Wissen schafft verschiedene Standbeine und eine daraus erwachsende gesellschaftliche und wirtschaftliche Autonomie, die im Wechselspiel der Entwicklungen Sicherheiten ermöglicht. 3. Die Sparsamkeit, alles an Angebot aus der Natur zu nutzen Um weniger anbauen zu müssen, war die Ausnützung der Naturangebote und -momente eine wesentliche Intention des Sammeins. Ernten, als Tätigkeit, war eine sparsame Arbeitsweise im Vergleich zum Ernten aufwendig bestellter Acker und einer sehr hilfsmittelintensiven Kulturpflege. Mit der Ernte dessen, was die Natur nachlieferte, erhält sich ein bestimmtes Ertragsniveau, je nachdem, welche Pflanzenarten be- und gesammelt wurden. Ernten ist eine pflegende Tätigkeit. Die Sparsamkeit als Reaktion gegenüber der sich in allen Lebensbereichen aufzwingenden Geld- und Konsumwelt war ein weiterer Gesichtspunkt für Sammelgänge. Alles, was sammelbar ist, braucht nicht über Handelsbezüge besorgt oder gekauft zu werden. Mit der Sammelnutzung ist man „aus dem Geld" (s. M A C H A T SCHEK, M., 1996). Man bleibt bei der Arbeit, indem die Standorte immer wieder per Sammeln aufgesucht werden. Das „Klauben" oder Pflücken ist eine Tätigkeit der Annäherung (Hingehen aus der Distanz) und Entfernung

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Einige Grundüberlegungen zur Sammelnutzung I

(die Orte verlassen und sich entfernen), um eine Ubersicht weiterer Möglichkeiten des Sammeins zu bekommen. Dies erfordert Kundigkeit im „Spazierengehen" (s. HÜLBUSCH, Κ. H., 1988) und Lesen verschiedener Indizien in der Landschaft. Richtig Spazierengehen heißt, sich die Standorte in der Landschaft fur das Uberleben kundig erschließen. 4. Spielraum in der Ernährungssicherheit Mit dem Sammeln eröffnete sich Spielraum in der Ernährung. D. h., mit zunehmendem Wissen der Nutzungsmöglichkeit verschiedener Pflanzen war auch die Möglichkeit der Nutzungen vergrößert. Das hängt von der Vermittlung durch ältere Menschen, sozialer Netzwerke und von der eigenen Reflexion der Erfahrungen ab. In den Wochen und Monaten der Reife oder Sammelwürdigkeit mehrte man die Vorratspalette, zusätzlich die Menge und indirekt die gesundheitliche Wirkstoffpalette, um besser und gesünder über den Winter kommen zu können. Im tradierten Wissen ist eine Garantie enthalten, nach Sicherheiten zu leben. Heute scheint nur mehr Geld Sicherheit zu vermitteln und zu ermöglichen. „Wenn die Erfahrungsfähigkeit zum Erliegen kommt, kommt unser Selbstvertrauen, unsere Sicherheit zum Erliegen. An die Stelle der (Selbst-)Sicherheit tritt die kaufbare Absicherung der fertigen Erlebniswelt. Das vorgefertigte Erlebnisparadies sperrt Unsicherheiten und Konflikte im höchstmöglichen Maß aus" (APPEL, Α., 1992: 34). 5. Tradition ist Vermittlung von erprobtem Gebrauchswissen Die Begriffe Tradition oder Brauchtum kommen vom Gebrauchen, dem produktiven, nutzvollen Umgang mit bestimmten Gegenständen, Gedanken, Gefühlen und mit deren erprobten Erfahrungen. Man kann dies auch als Überlieferung von Gebrauchswissen, als Tun innerhalb eines sozialen Zusammenhangs bezeichnen. Die Anwendung von Wissen war vom Kanon, der regelmäßigen Abfolge von tages- und jahreszeitlichen Arbeiten geprägt. Dieser Kanon als Wiederkehr annähernd gleicher Tätigkeiten bedingte die regelmäßige Weitergabe von Wissen. Die Tradition war nicht ein krampfhaftes Festhalten an alten Gepflogenheiten und Werten oder der „alten Küche". Das ist eine falsche Auslegung der Modernisten, die das alte Wissen bewußt oder unbewußt entaktualisieren. Tradition leitet sich von Brauchen, von Gebrauch ab. Sie baut auf die vorgeleistete Arbeit der Vorfahren auf, die sich aus bestimmten Lebenswelten heraus als erprobt stabilisiert hatte. War etwas erprobt, dann behielt man es bei. Es wurden

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I Einige Grundüberlegungen zur Sammelnutzung

so lange bestimmte Umgangsweisen betrieben, wie sich solche Tätigkeiten bewährten. Damit wurde gegenüber der Natur und der Vorfahren (s. BERGER, J., 1982) auch die Wertschätzung betrieben und erhalten. Die externen Zugriffe und Einflußnahmen in diese Lebensweisen des Sammeins, sowie die Fortschrittsgläubigkeit und Machbarkeit Ä la BACON (S. BÖHME, H., 1998) brachten einen Bruch mit diesem traditionellen Wissen mit sich. Bei der Wildgemüsenahrung handelt es sich allgemein um eine erworbene historisch-kulturelle Prädisposition, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde, bis der dünnste Faden des Gebrauchszusammenhanges endgültig abgerissen war. Heute wird Tradition im Sinne von Denkmalschutz gehandhabt und verliert zunehmend seine Lebendigkeit. 6. Angewandtes Gebrauchswissen kontra Informationsvermittlung Das Wissen um den Gebrauch der Pflanzen zu vermitteln und dieses durch die Tätigkeit des Sammeins und Verarbeitens zu erhalten und der nächsten Generation weiterzugeben, stand in einer direkt zusammenhängenden Abfolge. Das Gebrauchswissen ist auf verschiedenen Ebenen zu sinnieren: • Das Wissen um die Handhabung bei der Ernte. • Das Sammeln zum richtigen Zeitpunkt, Veredeln und Lagern zum Erhalt größtmöglicher Wirksamkeit. • Das Wissen um die Anwendung bei verschiedenen Fällen zur Ernährung oder Heilwirkung. Heute ζ. B. wissen wir im geringfügigen Ausmaß etwas über die Anwendung, seltener etwas aus der Fülle der Handhabungen, wie man mit den Pflanzen umgehen kann, ohne Schaden zu erleiden. Selbst dieses Wissen hat ζ. B. fur eine einzige Pflanze keine allgemeine und auch nicht eine einzige Gültigkeit. Jede Pflanzenart ist dementsprechend unterschiedlich zu handhaben. Solches Gebrauchswissen ist von der Kleinregion abhängig, da ζ. B. bestimmte Pflanzen bereits nach 30 km oder bei unterschiedlicher Seehöhe, also an anderen Standorten andere Konzentrationen an Wirkstoffen beinhalten können. Fliegenpilze können richtig aufbereitet in bestimmten Gegenden Nordeuropas bis herab in das Waldviertel laut Aussagen von Gewährspersonen gegessen werden. Aber dies kann ζ. B. fur das Alpenvorland südlich der Donau nicht mehr gelten, denn dort kommt es zu Vergiftungserscheinungen. 7. Lernen durch Arbeit und von den Vorfahren Andererseits konnten durch das Sammeln und die Erarbeitung der ver-

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Einige CrundUberlegungen zur Sammelnutzung I

wertbaren Erträge auch ständig Bezüge zu diesen Pflanzen hergestellt werden. Die jüngeren Menschen lernten von den alten oder älteren schon von Kind auf. Diese personale Wissensvermittlung und Arbeiten mit konkreten Gegenständen war für die Erhaltung des Wissens und Gebrauchsmodifikationen für neue Lebensverhältnisse die Basis. Das „Naturwissen " (Wissen im Umgang mit der Natur) wird vielfach von der „Naturwissenschaft"abgelöst E.,

1998).

( M E R C H A N T , C . , 1 9 8 7 ; FOX-KELLER,

Das Wissen wird von den betroffenen Menschen und ihren Ar-

beitsgegenständen und -Situationen entfernt. Anwendung und Forschung sollen über den Gebrauch und durch die Leute bestimmt sein, sie sollen beisammen gelassen werden. Entscheidend ist die Handhabung und Unternehmung, individuelle Zuständigkeit und Selbstversorgung durch Selbstbestimmung und nicht die Steigerung der Betriebsgröße, Viehzahl, Erträge und Deckungsbeiträge usf. Das Mithaltenmüssen mit anderen Gunstlagen des Weltmarkts kann nie eingeholt werden, das redet man uns ein. 8. Gesundheitsvorbeugung erfolgte aus der Vielfalt des Naturangebotes Die Vielfalt an Pflanzen, die verzehrt werden konnten, ermöglichte den Menschen, daß sie alle essentiellen Stoffe aufnahmen. Damit war eine gute Voraussetzung gewährleistet, gesund zu bleiben. Damit will nicht behauptet sein, daß die Menschen immer gesund und friedlich gelebt hatten. Hier geht es lediglich um die vorbildlichen Überlegungen im Zusammenhang der Nutzung von Pflanzen und was wir davon zulernen können. Je größer die gegessene Vielfalt war und je mehrfach sie in verschiedenen Mahlzeiten von roh bis gekocht zubereitet sowie verschiedentlich bevorratet war, um so größer war die Zufuhr essentieller Vitamine, Minerale und aromatischer Wirkstoffe. Auch heute zu Giftpflanzen „deklassierte" Arten fänden gezielt Einsatz. 9. Lebensunterstützende Hilfsmittel mit allseitiger Verwertung der Zwischenprodukte Beinahe alles, was die Fülle der Natur gebar, fand eine Verwendung in Abstufungen. Die Berücksichtigung der Beobachtung, daß alles, allgemein betrachtet, „zu Staub" wird, ließ viele Mittel in den Nährstoff- und Energiehaushalt eingliedern. So steckte ζ. B. hinter der einstigen Käsekultur - mit Lab aus Labpflanzen oder von Kälberlabmägen - die Überlegung der Sparsamkeit und der Erlangung von Unabhängigkeit von äußeren, künstlichen Hilfsmitteln (s. MACHATSCHEK, M., 2000 a+b). Man setzte Labkräuter

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I Einige Grundüberlegungen zur Sammelnutzung

('Galium spec.) zur Gerinnung des Milcheiweißes ein, um damit den Käse herzustellen. Aus den verschiedenen Zwischenprodukten und entstehenden Abfallprodukten holte man den größtmöglichen Nutzen heraus, ehe der letzte Rest der Klarmolke getrunken oder mit Getreidemahlresten und anderen Futtermitteln vermischt und den Säuen zum Futter gegeben wurde. Alles, was anfiel, verarbeitete man wiederum, und es wurde gekonnt in den Kreislauf der Weiterverarbeitung eingegliedert, so daß wieder ein neues Produkt entstand. Das Prinzip der allseitigen Verwertung von allerlei Zwischen- und Endprodukten geht soweit, bis sie verbraucht werden. Schlußendlich entsteht kein Müll (vgl. H Ü L B U S C H , Κ. H . , 1991), sondern Mist oder ein Abfallprodukt, welches wiederum auf die Wiesen, Felder und Weiden ausgebracht wurde und so seinen Nutzen fand. 10. Sättigungs- und Nährwert waren wesentlich Vielerorts war neben dem Gesundheitswert der Nähr- und Sättigungswert verschiedener Sammelwaren von größerer Bedeutung, um schwierige Lebensphasen zu überwinden. Mit dem vor Ort gesammelten Pflanzengut wurden vom Frühjahr bis in den Herbst und in manchen Regionen sogar im Winter Speisen gestreckt. Dies geschah ζ. B. mittels getrockneter Laubmehle, Knospenmehle, Beimischungen von angerösteten Rinden (s. T U R I , J . , 1912), Blätter als Salatstreckungen, Brot- und Breistreckmittel... Teilweise halfen die puren oder veränderten Streckmittel auch der Aromatisierung von Speisen. 11. Wird das .abfallende Produkt' verwendet, so teilt sich der Arbeitseinsatz auf Zur Marmeladebereitung erntet man die Rohware und trennt dann zum Beispiel die anfallenden Kerne oder Schalenteile vor oder nach dem Kochen vom Fruchtfleisch. Diese kann man für einen weiteren Zweck verwerten, ζ. B. für Früchtetees, feine Pulver als Breizusätze oder als Streckmittel für Krapfenfüllungen, Brot oder Kekse. Dann sind sie auch gut lagerbar. Kirschkerne dienen der Füllung von Wärmekissen. Diese Umgangsweise wurde von zwei Seiten betrachtet. Man steckt nämlich für den Erhalt von Fruchtfleisch dieselbe Arbeit hinein wie für den Erhalt oder die Entfernung von Schalen oder Kernen. Macht man aus den Kernen oder Schalenresten ein weiteres Produkt, so halbiert sich der Arbeitseinsatz. Und was wesentlich erscheint, es entsteht kein Abfall. Zum Beispiel rentiert sich bei der Traubenkirsche (Prunus padus) der Arbeits-

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Einige Grundüberlegungen zur Sammelnutzung I

aufwand der Trennung von Kern und Fruchtfleisch nicht, und man verwendete die ganze Frucht gestampft als Füllung fur Germteigkrapfen und für Marmeladen. Somit war auch der Effekt der Sättigung gewährleistet. 12. Passive Haupt- und Nebennutzungen stützen sich gegenseitig Eine Arbeit, die man fur den Erhalt eines Ertrages investierte, gestaltete sich erst dann ertragreich, wenn einer vielfältigen oder weiteren Verwendung und nicht wie heute meist nur einer einzigen einfältigen Verwendung nachgegangen wurde/wird. Dann werden etwa faulige oder angefressene Hagebutten an Schweine verfüttert. Neben der Hauptnutzung des Erhalts von Holz verwendete man Kleinastanteile als Zunder zum Anheizen. Die Rindenabfälle von Fichten, Eichen, Erlen, Tannen oder das Geäst der Alpenrosen (Rhododendron ferrugineum und R. hirsutum) wurden fiir die Gerberei weiterverwendet usf. Gleichzeitig rekultivierte/meliorierte man durch diese Ernten u. a. die Zwergstrauchweiden. Auf Standorten des Farnvorkommens konnte er durch das Sammeln in seinen Dominanzverhältnissen zurückgedrängt und die Weide für einige Jahre verbessert werden. Das Abholzen der Legföhrenbestände (Pinus mugo) diente in etwa der Weidefreimachung und dem Erhalt von Grundware fiir die Herstellung von „Latschenkiefemöl". 13. Aktive Standortpflege und Weiterverwertung von Pflanzen Die Weidepflege durch Sammelnutzung war deshalb fiir die Bewirtschaftung interessant, da das entfernte Produkt in anderen Lebens- und Wirtschaftsbereichen zum Einsatz kam. So waren ζ. B. diese Pflanzen wesentlicher Teil der betrieblichen Ökonomie, aber niemals Unkräuter. Man hegte und pflegte sie, indem man ihnen eine Wertschätzung durch die Nutzung entgegenbrachte. Auf die offenen Stellen wurden ζ. B. gestreckte' Samen verschiedener Enzianarten (ζ. B. Gentiana lutea, G. punctata, G. pannonica, G. purpurea) der dort geeigneten, vorher gesammelten Pflanze ausgesät, so daß im folgenden Jahr wieder eine Ernte möglich wurde. Das Graben und Sammeln von Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) auf den gering gedüngten Wiesen diente dem Erhalt von Drogen fiir die Apotheke, war aber gleichzeitig der Weidepflege dienlich, damit Nutztiere die giftigen Pflanzen nicht zu fressen bekamen. Ebenso betrieb man aus demselben Grund die Minderung des Weißen Germers (Veratrum album) in den montanen und alpinen Weidebeständen. Auf die Nutzungsmöglichkeiten verschiedener Farne ζ. B. in der Obst- und Gartenwirtschaft ge-

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I Einige Crundüberlegungen zur Sammelnutzung

gen Schnecken, Wurm- und Läusemittel oder als Struktur- und Ungeziefermittel im Wandbau kann verwiesen werden. Der Alpen-Ampfer (Rumex alpinus) und andere Großblättrige Ampferarten der Wiesen und Weiden wurden während der Heuernte ausgemäht und danach als Nahrungsoder Futtermittel geerntet. Heute werden sie ausgestochen und als Müll betrachtet bzw. tot gespritzt. 14. Nährstoffokonomische Zielsetzungen Waren Pflanzen als Hilfsmittel abgenützt oder verbraucht, dann konnten sie einer anderweitigen Nutzung zugeführt werden: Sie werden dann als Futtermittel oder Einstreu verwendet, verbrannt oder verrottet, schlußendlich zu Mist gemacht und als Dünger wieder ausgebracht. Alles wurde verwendet, es blieb nichts übrig, außer der Arbeitsertrag aus der Umtriebigkeit und Nährstoffe für eine neue, wiederkehrende Arbeitsphase im nächsten Jahr. Das System dieser Binnenökonomie war nicht geschlossen, wie fälschlicherweise behauptet wird, sondern offen. Nährstoffe mußten außerhalb der Wirtschaftseinheiten gesammelt und in die Haushalts- und Hofwirtschaft zugeführt werden. Die Basis dafür war das gemeinsam genutzte Land, wie Allmenden und privat geregelte Verftigungsrechte, die auf Wald, Auen, Wegränder, Almen, Bergmähder usw. bezogen waren. In bestimmten Rhythmen erfolgten die Ernten, wo Trophieüberschüsse genutzt und Trophieabsenkungen bestrebt wurden. Das Uberhandnehmen der Brennessel (Urtica dioica) in der Gemeinschaft mit anderen Pflanzen in den Auenbereichen ist heute ein Indiz dafür, daß diese Bereiche bis vor den letzten drei Jahrzehnten für Nähr- und Futtermittelzwecke genutzt wurden. Denn mit dem ständigen Aufwachsen dieser Pflanzen und Nährstoffeinträgen aus den Überschwemmungen düngt sich der Standort von Natur aus auf Dominanzen von Brennesseln und Mitgesellschaftern sind die Folge. Vornehmlich für Hühner und Schweine bereitete man früher daraus Brühfutter oder zartes Heu, ebenso für Rinder, Pferde und Kleintier Heu daraus zu. Andererseits verwendete man sie als Einstreu, da sie einen sehr guten Mist machte. Die Menschen nutzten sie als Faserpflanze, Nahrung und Heilmittel (bei Rheuma nackt in die Stauden gegangen) oder getrocknet ζ. B. fiirTee und Haarwaschmittel. Eine bäuerlich nachhaltige Nutzung der Auen würde dort wieder die durch Menschenhand entstandene Artenvielfalt entstehen lassen. Heute findet sich im Unterwuchs der Bäume eine Monotonie der vorherrschenden staudigen Pflanzen.

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7. Nahrung aus den Pflanzen verfügbar machen „Der Nahrungserwerb beginnt mit der Ernte von wildwachsenden Gewächsen. Auf dem bloßen Ausgraben und Sammeln nahrhafter Pflanzenteile baut alle spätere Entwicklung auf." Adam

MAURIZIO

1927

Bestimmte Pflanzenteile, wie Sprosse, Blätter und Blüten früh genutzt, sind als Rohkost besser verdaubar. Durch die richtige Sammlung im Jahresverlauf und durch geeignete Kulturmaßnahmen können auf den Standorten besser bekömmliche Wildpflanzen erzeugt werden. Auch im Herbst sind nachgewachsene oder auf Schattenstandorte aufgekommene Kräuter als Wildgemüse erntbar. Ausgereifte Pflanzenteile und Samen oder Früchte können durch verschiedene Verarbeitungsweisen kulinarisch genützt werden.

Sich nach dem Angebot der Jahreszeiten ernähren Das Sammeln von Kräutern ist zeitlich nicht gebunden, sondern hängt von den Standorten und der Witterung ab. Durch Kulturmaßnahmen wie Mahd, Beackerung und Düngung wird der emtbare Ertrag zeitlich hinausgezögert und vermehrt. Bei Wildpflanzen können im Frühjahr vor allem Knospen, Blätter und Sprosse gesammelt werden und gegen den Sommer hinein Blätter, Blüten und Sämereien, im Herbst Blätter, Früchte, Samen und Pilze und vor dem Winter Nußfrüchte, Wurzeln und Knollen. Auch im Winter besteht die Nutzung einiger Pflanzenarten, und in extremen Notfällen kann auch auf Rinden und Knospen oder immergrüne Pflanzenteile zurückgegriffen werden. Vor allem die angekeimten Eicheln und Buchecker findet man dann in einem knackigen Zustand vor. Von Natur aus ist die Ernährung mit dem Angebot an Köstlichkeiten gut geregelt. In der Geschichte der Ernährung ist ein Weg von der unbeeinflußten, rohen zur künstlichen und aufbereiteten Nahrung verfolgbar. Mit der Seßhaftwerdung sind wir von der üblichen Wildpflanzenernährung immer mehr abgekommen und auf die Bevorratung und Aufbereitung von Kulturpflanzen angewiesen. War bis vor wenigen Jahrhunderten Suppe, Brei und Fladen die Basis der Ernährung, so wandelte sich diese Kultur in eine brot- und fleischbetonte Kultur, die bis heute in weiten Bereichen Mitteleuropas von der Fertigküche aus dem Supermarkt abgelöst wurde. Doch blieben ver-

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schiedene Traditionen des Gebrauchs von Heilpflanzen, Wildgemüse und Wildobst bis vor wenigen Jahrzehnten aufrecht. Auch die Wildpflanzen sind in gleicher Weise wie unser Kulturpflanzen konservierbar.

Die Ernährung wieder ins Zentrum der Kultur stellen Im Winter existieren frische Nahrungsmittel selten, und man lebt von den Vorräten des Sommers und Herbstes. Zur Ernährungsfrage des Menschen ist auch die Produktion der Futtermittel wesentlich. Sie bestimmen die Art der Milch, des Fleisches, der Eier und ihrer Verarbeitungsprodukte, welche lagerbar sein sollen. Unsachgemäße Kulturmaßnahmen bis zur Ernte und Verarbeitungsarten der Produkte bestimmen die Qualität der Nahrung. Je industrieller der Grad der Inkulturation, um so höher liegt der Aufwand an der Haltbarmachung oder der Lagerung bzw. um so chemieintensiver fallen diese aus. Hinzu kommen die Oberflächlichkeit der Ernährung und die Verwendung der Nahrungsmittel zur falschen Jahreszeit. Süßes Obst, Getreideprodukte, Süßigkeiten ζ. B. verbrauchen Energie und erzeugen in unserem Körper Kaliumüberschuß (K) und Natriummangel (Na). Dies bedingt, daß unser Körper zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur mehr Energie benötigt und daß wir frieren müssen. Hingegen bewirken trockene Früchte in Salzwasser eingelegt eine energieaufbauende Wirkung. Die täglichen Obstsuppen oder Kompotte aus Dörrwaren (!) waren früher weit verbreitet. Gekautes, ungeschwefeltes Dörrobst war nur eine aushelfende Verlegenheitslösung, wenn man tagsüber sonst nichts zum Essen hatte. Die Küche vor 1960 ist im Hinblick auf kluge Gesamtüberlegungen im Jahreslauf und der Nahrungskombinationen zu befragen. Wenn wir von der jahreszeitenbezogenen Verköstigung ausgehen und auf unsere Ernährungsbedürfnisse eingehen, so ist im Fall der Milchwirtschaft die Bevorratung von Milch in Käseform fur den Winter weitaus zielführender als der Milchrohkonsum. Zudem wäre mit dem winterlichen Käseverzehr der Vitamin-A-Bedarf besser abgedeckt. Topfen (Quark) ist auch im Winter ein wertvolles Nahrungsmittel. In diesem Sinne müßte ein Großteil der im Sommer anfallenden Milch verkäst werden. Saure Milchprodukte, wie ζ. B. Sauermilch oder Joghurt biologisch hergestellt und ohne Rindertalgbeigabe zur Steifmachung, sind im Sommer besser verträglich. Seitens der Milchverwertung sind Topfengerichte am besten im Sommer zu berücksichtigen. Milch in abgeschwächten Mengen sollte eher im Frühjahr getrunken werden.

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Salz in Form von Speck, Wurst und Käse Die Haltbarmachung von Käse, Speck und Wurst mit Salz und durch Räucherung war nichts anderes als auch eine Form, das seltene und teure Salz zu strecken. Zudem dienten diese Lebensmittel als Würze und nicht als Hauptnahrungsmittel, wie heute üblich. Wenn zum Beispiel das Fleisch fur Wurst faschiert wurde und mit Salz und Kräuter, vermischt in die Därme gefüllt war, so blieb die Masse längere Zeit nach der Räucherung weich. Sie konnte in dieser Form fur Fleischlaibchen verwendet werden, indem die Masse mit zerkleinerten Brotresten - heute als gewürfelt geschnittenes Semmeloder Weißbrot im Handel erhältlich - und Gemüse gestreckt wurde. War die Wurst durch Lufttrocknung härter geworden, so war sie in kleine Würfel geschnitten in Knödelteig gemischt worden, wodurch sowohl das Salz, enthaltene Gewürze als auch das Fleisch eine würzende Wirkung nach sich zogen. Gleiches gilt fiir den Speck, der auch als Siedfleisch und fur die Knödelherstellung als Würze diente. Der Einsatz von Dextrose, Pökelsalz, Geschmacksverstärker, Antioxidations- und Konservierungsmittel u. v. m. ist ein Zeichen unzulänglicher Handhabung und verlorengegangenen Wissens. Wirkliche Kenner genießen den Unterschied und steigen wieder auf die selten gewordenen echten Würste und Speckarten um. Auch die Mäuse beeindruckt nur der gute Speck Ein Südtiroler Bauer räucherte in seiner Selche mehrere Schweinehälften. Zwei Hälften kaufte er von einem Händler zu, damit sich der Arbeitsaufwand des Räucherns besser rechnete. Im Winter fanden die Mäuse zum hängenden Räucherfleisch Zugang. Die beiden zugekauften Schweinehälften aus Nordeuropa wurden von den Mäusen in Ruhe gelassen. Das Fleisch der sorgsam gemästeten eigenen Schweine hingegen fand bei derselben Behandlung bei den Mäusen großen Zuspruch. Sie wurden von allen Seiten angenagt. Die Mäuse spüren genau, welches Räucherfleisch ihnen bekömmlich erscheint und welches nicht. Seither kauft dieser Bauer fur die Direktvermarktung nur mehr das Fleisch von bekannten Bauern zu, welche ihre Schweine richtig füttern. Das Mäuseproblem versuchte er anders zu lösen. Als der Bauer mir die Schweinehälften zeigte, verwies er darauf, daß nicht nur in Tirol, sondern überall industriell gemästete Schweine fur den Speck verwendet werden. Der in den Supermärkten abgesetzte Speck würde nur mehr chemisch behandelt werden.

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Guter Käse hängt von der Art der Milch und diese vom Grünlandab Die Milch, die wir heute zu kaufen bekommen, hat nur mehr wenig mit nachhaltig bewirtschaftetem Grünland zu tun. Das Grünland besteht wohl nur mehr aus „Grasland" (s. LÜHRS, H., 1993; 1994) und nicht mehr aus Wiesen, und es wird nur mehr selten Heu geerntet. Die Kühe werden in der Hauptsache mit Silage und Getreidemehl gefuttert. Die Orientierung auf Menge hat den Blick auf die Qualität verstellt. Das ist der Grund fiir die übermäßige Bearbeitung zur Haltbarmachung. Der abnormal weite Transport großer Milchmengen in die zentrierten Großmolkereien und die lokale Verteilung absetzbarer Milch verlangen eine Sterilisation. Die Qualität geht aber gegen null, auch wenn von „Vollmilch" oder „Frischmilch" gesprochen wird. Abgesehen von den mangelnden Inhaltsstoffen industriell erzeugter Milch muß auch die Frage gestellt werden, welche Qualität an Käsearten aus solcher Ware herstellbar ist und wie er zu konservieren ist. Auch die Käseproduktion hat sich wesentlich geändert. Der wenig gesalzene Käse diente einst dem baldigen Verzehr. Auch hier bestanden zur besseren Konservierung (gesalzene) Kräuter-, Wein- oder Mostessenzen, mit denen der Käse eingerieben wurde, oder Käse wurde in harz- und gerbstoffreicher Baumrinde eingebunden. Stärker gesalzener Käse hingegen diente als Würzkäse, der gerieben über die Speisen gestreut wurde. Unter der heute üblichen, agroindustriellen Produktion der Grundfuttermittel ist keine Güte an Milch, Käse oder Fleisch erwartbar. Milch aus der Landwirtschaft mit hohem und falschem Düngereinsatz muß hochgradig bearbeitet, ihre wertvollen Gehalte dabei zerstört werden, damit eine feste Substanz entsteht, die mißbräuchlich die Bezeichnung „Käse" tragen darf. Ja natürlich wird auch die sogenannte „Vollmilch" aus biologischer Landwirtschaft pasteurisiert.

Den Wildpflanzen eine höhere Priorität Uber das ganze Jahr bieten sich aufgrund der hohen Vielfalt an Wildgemüse- und Wildobstarten ausreichend Möglichkeiten, auf dieses Angebot zurückzugreifen. Wenn man berücksichtigt, daß die Ernährung von Wildpflanzen viel älter ist und viel länger unsere Verdauungsentwicklung beeinflußte, so muß ihnen eine höhere Priorität beigemessen werden. In kleinen Gaben sind die würzenden und meist gleichzeitig aromaspendenden Wildkräuter gerade wegen der Inhaltsstoffe regelmäßig im Speiseplan berücksichtigt worden. Ihnen können krebsverhindernde oder -abwehrende, kreislauffördernde, entschlackende bzw. reinigende Wirkungen nachgesagt

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werden. Auch heute als Giftpflanzen geltende Arten und Giftstoffwirkgruppen, wie ζ. B. die Blausäure, sind nicht unbedingt alle als schädigend einzustufen. Von vielen Arten existieren sorgsame Anwendungserfahrungen, die unter Eingeweihten bekannt sind. Nur wenn sie in größeren Mengen und in zu kurzen Zeitabständen verwendet werden, können sie Schädigungen in den Entgiftungsorganen oder im Kreislauf bewirken, die bis zum Tod fuhren können. Und bei ausgesprochenen Giftpflanzen, wie ζ. B. Eisenhut, Eibe, Schierling u. v. a. ist man ohnehin im höchsten Maß vorsichtig. Estragon, Basilikum, Oregano oder Petersilie müßten bei derselben Handhabung, wie seitens der Behörden mit vielen Arzneipflanzen umgegangen wird, schon längstens aus dem Ernährungsbereich entfernt werden und wären dann nur in den Apotheken erhältlich. Das hätten sie sich so gewünscht. Nur war es nicht möglich, den Leuten weiszumachen, daß man ζ. B. vom Estragon innerhalb weniger Tage eine Menge von ca. 80 kg verzehren müßte, so daß tödliche Schädigungen nach sich gezogen werden.

Das Wissen wird mit Füßen getreten Die Produkte des Essens sind schön fürs Auge, scheingut für den Geschmack und sättigen das Hungergefühl. Solange wir nicht fragen, wie sie hergestellt werden, woher sie kommen, diese nicht überprüfen können, hilft uns als Konsument die Ernährung nicht, auf gesundheitsorientierte Wege zu kommen. Eine undifferenzierte Sichtweise eröffnet keine Antworten zu Fragen der Herstellung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und das Gekochte. Die Spitäler müßten schon längst auf gesundmachende oder genesungsfördernde Ernährung umgestellt sein. Bislang gibt es in Europa nur wenige Krankenanstalten, in denen tatsächlich die Speisen auf die Krankheitsfälle ausgerichtet sind und wo alle Patienten nachweislich gesunde Nahrung offeriert bekommen. Heutige Lebensmittel wirken nicht heilend, sie machen krank. Herkömmliche Gemüsearten erfahren sehr hohe Düngergaben, wodurch NährstofKonen in die Pflanze aufgenommen werden und aufgrund der hohen Konzentration eine große Hydrathülle und somit einen hohen Wasserbedarfbenötigen. Solches Kulturgemüse, auch wenn es unter dem Stigma von „biologisch" produziert wurde, besteht großteils aus Wasser mit wenigen nahrhaften Mineralstoffen und Heilwirkstoffen. Ausnahmen sorgsamer Produktion sind äußerst selten geworden. Die meisten Wildpflanzen, die an geeigneten Standorten gesammelt werden, haben wert-

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volle Mineral- und Inhaltsstoffe zu verzeichnen. Sie sind als Rohkost und verarbeitbares Gemüse gesund, sollen aber aufgrund der hohen Wirkstoffgehalte in Vielfalt und nicht eintönig im Speiseplan berücksichtigt werden. In kleinen Gaben und in regelmäßigen Abständen Heilmittel in der Küche kulinarisch eingesetzt, haben aromatisierende Bedeutung.

Künstlicher Geschmack fürs gute Mundgefuhl Die heute angebotenen Nahrungsmittel gefährden insofern unsere Gesundheit, da sie in vieler Hinsicht degeneriert und mit Aromastoffen und künstlicher Chemie versehen sind (GRIMM, H. U., 1999; 2002). Wenn ζ. B. Sauerkraut, Käse oder Brot mit Konservierungsmittel versetzt werden müssen, so ist dies ein Zeichen verlorengegangener Handwerks- und hausverständiger Grundkenntnisse. Früher war im Brot das kundige Wissen so eingearbeitet worden, daß Brot ohne weiteres mehrere Monate ohne Schimmelbildung haltbar war. Die Auswirkungen der Degeneration von Lebensmitteln wahrzunehmen, dagegen sind wir ohnmächtig geworden, weil wir die feinen Sensoren nicht pflegen. Die Geschmackseigenschaften werden für ein gutes „Mundgefuhl" vorgetäuscht. Vielfach ist das Geschmacksempfinden deshalb gestört, da bereits im Kleinkindesalter die Erfahrungen mit den natürlichen Aromen verhindert werden. Zuviel Salz und Zucker in durchgängig künstlich aromatisierter und meist fertiger Nahrung wird den Kindern vorgesetzt. Dafür sind wir Erwachsene verantwortlich.

Warum müssen Gewürze und Nahrungsmittel sterilisiert werden? Seit über 50 Jahre müssen unsere Trockengewürze zusätzlich steril gehalten werden. Der natürliche ätherische Gehalt würde aber allein den Schutz für sie bieten. Mit der Orientierung auf Großgrundbewirtschafter und Großverarbeiter, wo viel zu große Mengen und Lagerbestände umgesetzt werden, muß aufgrund der großen Strukturen mit Chemie und Bestrahlung gearbeitet werden. Die Akkumulation weniger Betriebe zu Großbetrieben erfordert dies, da sich in den großen Lagern viele Organismen breitmachen und vermehren können. Das Auftreten von Lebensmittelmotten in unbehandelten Waren kann in den meisten Fällen als ein Zeichen für unbehandelte Nahrung und Würzmittel angesehen werden. Und viele Nahrungsmittel werden im chemisch behandelten Verpackungsmaterial verkauft, die in einigen Fällen sogar parfümiert werden.

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Uber das Sammelwissen Der Gehalt einer Droge an Wirkstoffen ist stark von der Ortlichkeit abhängig, an der die Pflanze gewachsen ist, und vom Sammelmonat. Uber den Boden werden die Einflüsse der Atmosphäre in das Pflanzenwachstum umgeformt. Weiters liegt die Bedeutung im Jahrgang, in dem die Witterungseinflüssen enthalten sind, oder in der Unterscheidung zwischen Tag- und Nachternten. Die Uberlieferung gab vor, zu welchen Jahreszeiten Heilkräfte garantiert waren und von welchen Standorten die Pflanzen geerntet und gehaltreicher waren. Das konnte mittlerweile durch moderne medizinische Forschungen bestätigt werden. Beispielsweise verwies der Grazer Hygieniker Josef Richard M Ö S E auf die beste antibakterielle Wirksamkeit des Spitzwegerichs (Plantago lanceolata) nach dem Sammeln der Pflanze im Juni. Im Mai, Juli und August erhält man niedrigere Werte, und im September und Oktober ergaben sich fur die antibakterielle Wirkung ungünstige Werte. Die beste Jahreszeit zum Sammeln von Pflanzenteilen fur Wildsalate ist das Frühjahr, wenn die Pflanzen am zartesten sind. Am späten Nachmittag oder gegen Abend hin sind die Kräuter der mageren Standorte ζ. B. stärkereicher (vgl. MÖSE, J. R., 1958). Die von der Anthroposophie geleiteten Sammler holen bestimmte Heilkräuter bei Sonnenaufgang, also bei Morgentau ein, richten sich aber nach Mondphasen und Mondstellung zur Erde. Die Verdaubarkeit junger Pflanzen ist besser Wenn man die Kenntnisse um die Aufbereitung von Lebensmitteln hat, kann man sich verschiedene Pflanzen nutzbar machen. Sind die zu sammelnden Kräuter mit den Fingernägeln leicht abzuzwicken, dann können sie in diesem Erntezustand ohne weiteres verarbeitet werden. Sind sie dies nicht mehr, dann wurden Holzfasern eingelagert und die Pflanzen können bereits bitterstoffhältig sein. Heinrich B R O C K M A N N - J E R O S C H schreibt 1925 über die allgemeinen Prinzipien der Ernährung: „Die Verdaulichkeit ist vorhanden, wenn die Reservenahrung in Eiweiss, Stärke und Zucker besteht, sie ist nicht vorhanden, wenn statt der Stärke Zellulose oder Hemizellulose gebildet wird, was ja bei der Mehrzahl der Gräser so zu sein scheint. Die Trennung in verdauliche und unverdauliche Bestandteile geht verschieden gut vor sich." Allgemein gilt: solange noch keine Verholzung der Fasern erfolgte, sind Pflanzenteile in der Regel im Rohzustand gut verdaubar. Mit der Ausbildung der generativen Teile (ζ. B. Blüten, Sporenträger) und Endreifung

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solcher Pflanzen und ihrer Vermehrungsorgane erfolgt die Bildung von Zellulosefasern sowie aus Schutzgründen vor Fraß die Einlagerung von Bitter- und Giftstoffen. Mittels Blanchieren können bei jungen Trieben, wie ζ. B. von Fichte (Picea abies) und Wacholder (Juniperus communis und J. nana), die Bitterstoffe entfernt werden und die Triebe als Gemüse verfügbar gemacht werden. Darüber hinaus verstehen es kundige Leute auch über das Jahr schon gealterte Stengel und Blätter in ihrer Verdaulichkeit zu erhöhen, indem diese wie ζ. B. beim Löwenzahn, quer geschnitten und in Wasser eingelagert werden. Sind in den Pflanzen mehr Fasern enthalten, so können sie ganz fein geschnitten verwendet werden. Ebenso erfolgt dies in einzelnen Regionen, wo bestimmte Sorten der Vogelbeere (Sorbus aucuparia) im rohen Zustand leicht bitter wirken. Diese werden getränkt, damit die gerbstofifreichen Säuren den Beeren entzogen werden. Gleichzeitig bringt man auf diese Weise die enthaltenen Maden zum ,Auskriechen'. Man nennt dies „ Wässern " oder „ Tränken ". Selbst die schwimmenden Maden oder/und die noch in den schwimmenden Beeren enthaltenen waren ein gewonnener Ertrag, den man von der Oberfläche entnahm und den Hühnern oder Schweinen zum Fressen verabreichte. Wie wurde die Verdaulichkeit erhöht? Der Rohverzehr und die Verarbeitung von Kulturpflanzen ist eine Frage der Verdaulichkeit. Die Verfugbarmachung von Pflanzen als Nahrung erfolgte durch Abschälen, Wässern, Kochen, Dämpfen, Blanchieren, Fritieren, Garen, Gären, Rösten, Braten, Trocknen, Filtern usf. BROCKMANN-JEROSCH (1925) nennt u. a. noch Reiben, Quetschen, Mahlen und Auspressen. Aber auch die verschiedensten Handhabungen dieser Verarbeitung in Kombinationen sind möglich: „Von der Nährpflanze verlangt der Mensch nicht nur, dass sie sich zur Nahrung schlechthin eigne, sondern auch, dass sie ihm eine einigermaßen gehaltvolle Nahrung biete. Blätter und Blattstiele sind natürlich sehr wasserreich und bedürfen einer Bearbeitung, die sie gehaltvoller macht. Dies geschieht durch Trocknen, späteres Zerreiben und Anbrüllen oder durch Abkochen und nachfolgendes Gären und Pressen oder auch durch Gären - Sauerkrautvergäung - und Pressen allein, alles Verfahren, die wir noch heute bei Rumex alpinus (Alpen-Ampfer) angewandt sehen" (BROCKMANN-JEROSCH, H„ 1925). Mittels Kochen und Rösten werden Bitter- und Giftstoffe und vor allem der Blausäuregehalt ζ. B. bei wilden

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Schmetterlingsblütlern, wie Platterbsen, Wicken, Luzernen, Hornklee, oder beim Waldgeißbart (Aruncus dioicus) als Wildspargel, bei der Traubenkirsche (Prunus padus) zum Erhalt von Krapfenfüllungen oder beim Gewöhnlichem Schneeball (Viburnum opulus) zum Erhalt von Marmelade entfernt, großteils umgewandelt oder über Siedwasser entfernbar gemacht. Von grünen Bohnen, Erbsen, Linsen, Platterbsen, Wicken u. a. können mittels Sieden und anschließender Schnellröstung oder -dörrung der Blausäuregehalt und die Bitterstoffe verwandelt und oder abgeführt werden. Das Schnellrösten ermöglicht zudem eine Konsistenz, welches ein leichteres Zermahlen zuläßt und einen aromatischen Geschmack offeriert. Und das Rösten steigerte die Möglichkeiten der Lagerung, da Vorratsschädlinge davon leichter Abstand hielten. Die im Folgenden beschriebene und heute im Kärntner Berggebiet noch übliche Bereitung einer Mischung aus Getreidemahlprodukten mit ζ. B. Feldbohnen ist ein Beispiel, wo die Bedeutung des Siedens und Röstens zur Aufwertung eines Grundnahrungsmittels auf verschiedenen Ebenen ersichtlich wird: Sieden und Schnellrösten anhand des Beispiels „Mölltaler Munggn" Munggen entsteht, wenn man Roggen, Gerste, Hafer und Bohnen kocht und dann im Backrohr trocknet, dann vermahlt und zuletzt fein siebt. Verwendet wurden auch Feld-, Sau- und/oder Roßbohnen. Uber das Kochen gehen die Bitterstoffe und der Blausäuregehalt unreifer Getreidekörner und Bohnen ab. Meistens wurde die Nachwärme nach dem Brotbacken zur Herstellung des Mungg'ns verwendet. Katharina RANACHER aus Döllach beschrieb dies in den 1990er Jahren folgendermaßen: „Verwendet werden dazu Roggen, Gerste und etwas Hafer. Bohnen werden am Abend eingeweicht. In einem Kessel Wasser erwärmen, dann die Bohnen hinein und das Getreide nachschütten, bei langsamer Feuerung kochen lassen, bis das Wasser aufgebraucht ist und der Kessel gehäuft voll ist. Man horcht hinein und hört: das Wasser ist aufgebraucht. Wenn nun das Brot aus dem Backofen herauskommt, wird das warme (heiße) Munggengetreide hineingeworfen und schön mit der Krükel angeteilt. Den Ofen zumachen, täglich 2x durchmischen, bis der Ofen kalt ist. Dann wird wieder mit der Krükel herausgeräumt. Wir mußten als Kinder mit einer Laterne und einem kleinen Birkenbesen in den Ofen kriechen und fein sauber das restliche Getreide herauskehren. Es wird nun zur Mühle getragen und im ganzen zermahlen. Die Mungg'n ist ein hoch-

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wertiges Nahrungsmittel und ist unbegrenzt haltbar. Sie kann mit kochendem Wasser angerührt (ja nicht kochen!) und etwas Salz in heißer Butter gegessen werden, auch sehr gut in Buttermilch oder heißer Milch ein Löffel hinein. Für eine Mahlzeit zwei Eßlöffel Mehl reicht." (Die Krükel ist ein schmales Holzbrett auf einer 2 Meter langen Stange, die zum Verteilen von Brot und Wenden anderer Lebensmittel wie Backwaren, Dörrobst, Kräuter ... im Backofen dient.) Im Malta- und Liesertal wurde für ein solches „Vollkornmehr hauptsächlich Weizen verwendet und ab und zu etwas Hafer, aber keine Bohne, berichtete Hans GRITZNER. Dort spricht man anstelle von Munggen vom „Tälggen" oder „Talken". „Mungg'n" als Beispiel der früheren Nahrungsaufl>ereitung „Mungg'n" erscheint als das urtümlichste Vollkornmehl des Alpenraums, welches in kleinen Resten auch heute noch hergestellt wird. Gerade im Gebirge war dies eine äußerst kluge Bereitung, wo häufig im Herbst das Getreide noch milchreif oder bereits gelagert war und keine Aussicht auf die Ausreifung vor dem ersten Schnee-Einbruch garantiert war. Ohne Munggen konnte im Hochgebirge, wo früher bis auf 2.000 m Ackerbau betrieben wurde, nur durch Zukaufgetreide überlebt werden. Gabanol und all seine Zubereitungsformen waren noch vor 100 Jahren Hauptnahrungsmittel der Bauern ζ. B. im Möll-, Malta-, Lieser- und Salzburger Rauristal. Wolfgang BECHTLE (1979) verweist auf eine andere Bereitungsweise: „Man nimmt Saubohnen, Roggenmehl und Hafer, daraus kocht man einen dicken Brei, der kaltgestellt wird. Später kommt der in Schnitten portionierte kalte Brei zum Rösten in eine Pfanne und wird nach dem zweiten Erkalten zu einem dunklen, braunen Mehl zermahlen. Dieses Munggenmehl stellt man am besten gleich en gros her, damit es fur Wochen reicht und man täglich daraus mit Wasser und Salz einen Brei kochen kann, der je nach Vorrat noch mit Milch, Rahm oder zerlassenem Schmalz ,aufgemotzt' wird. Dieses morgendliche Munggenmus stellte die Bergknappen auf die Füße ..." GRITZNER Hans bereitete auf der Äußeren Ebenalm einen mehligen Brei zu, den sie im Mölltal „Gabanol" nennen. Er wird mit „Munggen-" oder „Munkn"-Pulver in Milch, Milchwasser oder Wasser warm angerührt, zubereitet und mit etwas Zucker oder Honig gesüßt. Zum Wild- oder Bergheumähen nahmen sich die Mähder dieses energiereiche Lebensmittel Munggen zu den Lagern mit. Mit der Milch einer mitgenommenen Geiß

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konnte der feine Brei angerührt werden, welchen sie für die Kraftanstrengung brauchten. Der Brei kann flüssiger bereitet werden oder fester wie ein Sterz oder Schmarren. An lokalen Rezepten werden noch folgende Zubereitungen vor allem bei den alten Leuten durchgeführt: Munggn mit einem Schmalztumpf, Groipnmunggn, Hungertöter, Heidelbeermunggn, Munggnlaibchen, Forfelemunggn (wieTolggn), Staubige Munggn ...

„Mästen " der Pflanzen durch sorgsame Düngung „Eine andere Forderung an eine wichtige Nährpflanze ist ihre Verdaulichkeit. Sie wird durch gut gemästete, rasch wachsende, gut gedüngte Pflanzen erreicht und durch Gärung oder Anbrühung erhöht" (BROCKMANNJEROSCH, H., 1925). Mit der züchterischen Uberformung geeigneter Wildarten schuf man höhere Erträge. Mit der Orientierung auf die Quantität verlor man verschiedene Qualitätsmerkmale wie Geschmack und Wirkstoffe. Die Düngung mit Mist aus nachhaltender Behandlung ist dem Humusaufbau und seiner Mehrung im Boden förderlich bzw. stellt den Pflanzen die Nährstoffe langsam zur Verfügung. Die Kulturmaßnahme Düngen ist eine Form der Garmachung, ansonsten würden die Gemüsearten verholzen bzw. schwerer verdaubar sein. Durch die Düngung sind die Pflanzen in der Menge größer und rascher aufgewachsen und im Zellaufbau lockerer, großblumiger, zarter gewachsen und dadurch leichter verdaubar. Es stellt sich die Frage, mit welcher Intensität und Wirksamkeit der Dünger solchen Pflanzen verabreicht wird. Gut verkompostierter und aufbereiteter Mist, der je nach Ausgangsmaterial, Behandlung und Lagerungsart längere Zeit abgelegen war und in seiner Struktur und im Gefiige der Erde/„Humus" angepaßt war, wirkt anders als frischer Mist. Bei einem hohen Grad an Mineralisation und mullähnlichem Zustand oder in einer Phase der Überleitung zum Mull (s. SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL, 1994) ist er langsam wirkend. Dies steht in Abhängigkeit von der Beschaffung der Streuart (Lignin- und Zellulosegehalt, Bitter- und Giftstoffe ...) und von der Gunst der Bedingungen für die Umsetzung durch Kleintiere und Mikroorganismen während der Lagerung. Von konsolidiertem Festmist kann gesprochen werden, wenn er ein bis zwei Jahre abgesessen ist und dem Geruch des frischen Tiermistes verlorengegangen ist. Auch Kompost eignet sich für eine nachhaltige Düngung. Mist und Kompost sollen mehrere Male umgesetzt werden, damit sich bodennahe Bakterien, Bodenhumusstrukturen und Nährstoffe aufbauen können.

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Der Mißbrauch der Düngung, damit sich Gemüse ansaugt Die organischen und künstlichen Flüssigdünger, frischer, unverrotteter Mist und die synthetisch hergestellten Kunstdünger beinhalten schnell verfügbare Nährstoffverbindungen mit schneller Wirkung bei hohem Einlagerungsgrad in die Zellen. Man kann hierbei von einer „Pflanzenmästung" sprechen, die aber auch auf Kosten des Abbaues von Humus im Boden stattfindet. Die Lagerfähigkeit derart kultivierter Nahrungsmittel sinkt. Selbst die Tiefkühlung solch wasserreicher Gemüsenahrung bewirkt einen verändernden Einfluß auf die Quantität. Die hohen Stickstoffgaben werden in der Pflanze eingebaut und wirken via Umwandlung (Nitrat, Nitrit und Nitrosamine u. v. a.) wie Giftstoffe im menschlichen Körper. Mit der Aufnahme von Nährstoffen saugen die Pflanzen auch vermehrt Wasser an. Das wird vielfach mißbraucht, da zu vermuten ist, daß viele Gemüsebewirtschafter diese Überlegung ausnützen, um uns größtenteils mit Wasser vollgepumptes Gemüse verkaufen zu können. Wenn man agroindustriell hergestelltes Gemüse zwei Wochen im Kühlschrank aufbewahrt, so entdeckt man schon nach einer Woche, daß sie stark zu schrumpfen beginnen. Sie werden nicht faul, verlieren aber durch die Atmungsvorgänge an Wasser. Zudem werden ζ. B. Karotten, die mit Wasser gemästet sind, braunfleckig. Lagert man agroindustriell erzeugte Gemüsearten im Kühlschrank, so schrumpeln sie zusammen, bekommen innen dunkle Flecken. Oder schneidet man Kartoffeln auseinander, so werden die durch Kaliumund Stickstoffüberdüngung entstehenden braunen, graubläulichen bis schwarzen Flecken sichtbar. Die heutigen Nahrungsmittel sind derart degradiert, daß sie nur mehr der Aufgabe der Sättigung nachkommen. Und überdüngtes oder extrem getriebenes Gemüse verstärkt auch die Ubersäuerung unseres Körpers. Die Werbung offeriert uns das Bild, Gemüse sei gesund. Die Frage ist nur, fur welches Gemüse der Gesundheitsaspekt gilt.

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8. Meine Suppe lügt nicht... - Über Aromaproduzenten und die unheilvollen Geschmäcker „Mir bitte ein Jodsalz-Aroma-Geschmacksverstärkerbouillon", könnte man bei der Bestellung im Wirtshaus vermelden. Das wäre ehrlich, aber eine Beleidigung der Wirtsleute. Es ist erstaunlich, wie selbstverständlich sich in unseren Küchen die Suppenwürfel und Aromapulverchen eingefunden haben. Wieviel Prozent der Wirtshäuser und Haushalte kochen heute noch ohne chemische Hilfsmittel, ohne Fertig- und Halbfertigwaren aus der Industrie, also mit unverfälschten Nahrungsmitteln? Wer kann heute noch selber Rohprodukte ohne künstliche Chemie in schmackhafte Gerichte veredeln? M i t allen Mitteln wird heute die Natur leblos gemacht. Kühlungs- und Kochvorgänge sollen unter Beimischung verschiedener Hilfsmittel die leblosen Waren wieder aufpäppeln. Damit sie .gschmackig' werden, mischt man Aromastoffe und haltbar machende Chemie bei. Abfall- und Ballaststoffe helfen die degenerierte Nahrung zu strecken. Mit Färbemittel wird sie ansehnlich und peppig aufbereitet. Die Wechselwirkungen der Nahrungszusatzchemie, ihrer eingesetzten Mengen und in Kombination mit verabreichten Medikamenten, war meiner Meinung nach noch nie Gegenstand fundierter Forschung. Warum? Weil dann so einiges ,Unkoscheres' zutage treten würde.

Der leblosen Natur wieder Außchwung

verleihen

Längst ist heute ein Schnitzel aus Holzfasern, Klärschlamm oder Altpapier kreiert worden, Aromen machen dies möglich. Keiner würde es bemerken. Ja Versuche, Kühe mit behandelten Orangenschalen und Altpapier zu futtern, wurden aus Israel gemeldet. Und in den Niederlanden existieren bereits Stallgebäude, in denen die Tiere in mehreren Etagen in Hochhäusern oder in Meeresschiffen gehalten werden. Die Tiermast mit aufbereiteten landwirtschaftlichen Abfällen auf Schiffen ist ebenfalls bekannt. Die Kühe werden heute wie Schweine gefüttert, dies selbst in vielen sich biologisch deklarierten Biobetrieben. Silage ζ. B. ist eher fur den Schweine- als fur den Pansenmagen der Kuh geeignet. Alles sehr paradox und merkwürdig. Die heutige Herstellung vieler Lebensmittel erfolgt im „Chemolabor" der Lebensmittelindustrie. Die Zubereitung in der Küche sogenannter Wirtshäuser m u ß als Betrug an die Kunden gelten, denn richtig gekocht wird

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I Meine Suppe lügt nicht

nicht mehr. Man müßte von „Aufwärmen" sprechen. Der folgende Beitrag ist keine Gehässigkeit, sondern wirft mittlerweile belegte Tatsachen auf, weil einige Betrügereien bereits an das Tageslicht gelangt sind.

Natürliche Aromen Lassen Sie sich diese Wörter auf der Zunge zergehen — „natürliches Aroma". Verschlucken sie sich nicht dabei, wenn sie beim Hinterfragen auf realistische Gedanken kommen. Natürliches Aroma auf der Liste der Zutaten bedeutet gerade, daß ein der Natur nachempfundener Geschmack oder Geruch beigegeben wurde. Den Begriff stellte man auf den Kopf. Er ist im Grunde genommen vergewaltigt worden. In Wirklichkeit müßte man von „künstlichen Aromen" oder von „aromatisierten" Waren sprechen. Echte Speisen sind ganz etwas anderes - sie haben mit einem Cocktail aus künstlicher Chemie nichts zu tun. Die Aromatisierung ist die Industrialisierung und Vereinheidichung des Geschmackes. Das Verzehrwesen beruht auf der mittlerweile auf fruchtbaren Boden gefallenen „Chemophobie" und die „Künstliche Natürlichkeit". Die sind nicht aus Zufall entstanden, sondern sind von Menschenhand gemacht worden.

Künstliche Krücken fiir die verfälschte Nahrung Einst war die Brühe aus Gemüse oder Fleisch üblich. Fleisch wurde fiir die Suppe ausgekocht und damit man es für die Hauptspeise verfügbar hatte. Eine kluge Umgangsweise. Um 1900 schleusten sich in die Suppen vermehrt künstliche Hilfsmittel wie Aromastoffe, Kunstsalze, Nitrite, Glutamate, Farbstoffe, Säuerungsmittel u. v. m. ein. Mit ein Grund für diese Entwicklung ist auch die Tatsache, daß heutiges Fleisch von seiner Qualität her nicht mehr als Fleisch betrachtet werden kann. Die Hilfsmittel sind die Krücken für eine falsche Nahrungsmittelerzeugung in der Landwirtschaft, der Verdrängung der kleinen Strukturen, wie ζ. B. der Gärten oder bäuerlicher Wirtschaftsweisen, der Abkehr vom Handwerk, dem Sachzwang steigender Dienstleistungskosten, der Rationalisierung zur Schaffung von Profiten, dem moralischen Verfall unserer Köchinnen, der Kochpropagandazentren und dem Hunger, der bekanntlich immer der beste Koch ist, wie man eingestehen muß.

Regionale Hauskost? Ich rufe mir bei den Wildgemüse-Praxisseminaren stets das Zitat vom

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Meine Suppe lügt nicht I

Lehrmeister Karl Heinrich Hülbusch in Erinnerung: „Gute Köche müßten immer auch gute Mediziner sein." Und die regionale Küche oder das Gasthaus mit der Hauskost, seien wir ehrlich, wieviel Haltung haben die schon bezüglich dieses Gedankens. Wo kommen die Produkte her? Sie sind doch vielfach fertig in Plastik verschweißt geliefert worden und dem Gefrierschrank enthoben. Regionale Kochkunst wiederum kann es, von dieser Ausstattung der Speisen her gesehen, gar nicht geben. Uber den Wahnsinn der Lebensmittelchemie verfasste Hans-Ulrich GRIMM 1 9 9 7 ein bemerkenswertes Buch. Es handelt sich um kein Märchen. Bezüglich der Kocherei liest sich das sehr informative Buch wie ein Krimi und verdirbt Seite fiir Seite den Appetit, jemals wieder in ein Gasthaus oder Restaurant essen oder in ein Geschäft einkaufen zu gehen. Ja es entwickelt sich ein Grollen in der Magengegend, die jede Lust auf die Scheinheiligkeit des guten Geschmackes vergehen läßt. Er schreibt darin: West 57 T H Street, New York, NY 1 0 0 1 9 . In Sachen Geschmack ist das die allererste Adresse. Hier wird der Duft der großen weiten Welt komponiert, hier werden die Gaumenfreuden für den ganzen Globus geplant, hier werden die Sinnesillusionen von Morgen festgelegt. IFF, das steht fiir Internattonal Flavors & Fragrances, der Welt größter Hersteller von Duft- und Geschmacksstoffen", so GRIMM. Dort werden offenbar etwa 4 . 0 0 0 Leute beschäftigt, deren Aufgabe es ist, lukrative Geschmäcker zu entwerfen, die uns in Abhängigkeitsverhältnisse stürzen können, damit wir nicht mehr wissen, wie eine unverfälschte Suppe schmecken könnte. Der Konzern bestimmt „über Geschmack von Fertigsuppen und Dosenfleisch, Mikrowellensnacks und Tiefkühlpizza". Unter anderem sollen in deren Geruchsabteilungen Düfte entwickelt werden, die in Lokalitäten als Lockstoffe für einen einträglicheren Umsatz dienen. Hier werden ζ. B. Bräunungsmittel von Fleisch oder Aromapuder hergestellt, damit die verkaufte Ware auch wie echtes Fleisch riecht und ein angeröstetes Aussehen bekommt. Nach diesem Vorbild existieren weltweit ähnliche Labors. Warum sie sich verstecken, kann man sich denken. Es könnte der wahre Hintergrund des Betruges ans Tageslicht gelangen. „521

Embleme einer schönen, heilen Welt: Von der Milch zum weißen Pulver Und die Werbung macht den Betrug zur bildlichen Freude unseres Geistes, wenn die Milch aus der Nationalparkregion kommt, in der ein vollbärtiger Senn in wunderschöner Idylle den Melkeimer in die Milchkanne einschüt-

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tet. Diese Milch bekommt doch wirklich niemand zu Gesicht, geschweige denn in den Magen. Sie ist in keiner Schokolade zu finden und bis auf Ausnahmen in keinem Käselaib. Für das Emblem auf der Milchflasche oder Käselaib braucht es halt die Lüge, wenn die Lebenswirklichkeit und Landnutzung nicht mehr so ist, wie sie in unserer Vorstellung sein könnte. Ein bärtiger Senner in einer schönen Landschaft macht sich halt besser als ein Arbeiter, der mit den Trockenmilchpulversäcken in einer Fabrik hantiert. Und man stelle sich nur vor, daß die sich Bauern nennenden Landwirte bereits zwei Tage lang die Kuhmilch Zwischenlagern, ehe sie vom Tankwagen abgeholt wird. Diese Milch ist alt und m u ß in der Großmilchindustrie weiterhin bearbeitet werden, damit sie weitere Tage lang in den Supermärkten haltbar ist. Wir bekommen da eine weiße Flüssigkeit bereitgestellt, was mit Milch nur im weitesten Sinn etwas zu tun hat. Irgendwann wird sich das dahin gehend verändern, daß wir nur mehr ein weißes, chemisch manipuliertes Trocken(milch)pulver beziehen können, weil es die Scheinrationalität der Wirtschaft so vorgibt. Versuche dazu werden seit Jahrzehnten in den sogenannten Entwicklungshilfeländern durchgeführt. Echtes Reinheitsgebot? Das weitreichend am Fließband erzeugte Fertigessen schmeckt uns heute besser als das mit den Grundnahrungsmittel selber zubereitete Essen. Anstatt sich selber an den Herd zu stellen, lassen wir das Essen von Chemikern, Technikern, ja Ingenieuren herstellen. Freilich sind sie u m Authentizität bemüht. D e n n mit allen Mittelchen soll uns der M u n d wäßrig gemacht werden. Jede Anregung ist recht, mittels Scheingeschmack u n d Scheinoptik auch die Geldbörse lockerzumachen. Die Suppe lügt, aber es lügt auch der Braten, es lügt auch die Beilage, es lügt, wie wir spätestens seit dem Glykolskandal wissen, auch der Wein, wahrscheinlich auch das Bier, von wegen „echtes Reinheitsgebot", und es lügt das Brot und der Kuchen. Wenn wir bei der Bäckerei vorbeikommen, steigt uns schon von weitem das 2-Acetyl-l-Pyrrolin in die Nase, mit welchem man mit kleinsten Spuren den D u f t von Brotkruste erzeugen kann. Wir merken kaum diese Betrügereien und Geschmacksmanipulationen, weil wir jeden Tag von klein auf dazu erzogen wurden. Uber die vielen anderen Chemikalien und Teigtreibmitteln könnte man Ähnliches ausführen.

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Funktional, einfach und gesund? Leichter greift man auf Fertigprodukte aus dem Supermarktregal zurück, als man aus Rohprodukten selber kocht. Mit heißem Wasser „Trockenfutter" - wie dies eine alte Frau benannte - aufgießen oder nur Erhitzen ist ja wohl deppensicher. Und um im Trend nach gesunden Lebensmitteln doch im Wettbewerb mithalten zu können, bedeckmantelt man neuerdings diese sündteuren Sättigungsmittel mit den Hinweisen, sie seien gesund. Was wir merken ist die tägliche Abgespanntheit, das Jucken auf bestimmten Hautstellen und Schmerzen in den Extremitäten, die schweren Gelenke und das schmerzende Kreuz. Die Anfälligkeit für Krankheiten nimmt vermehrt zu, und die krebsartigen Erkrankungen stammen von der unvollständigen und der unzulänglichen Küche. Die Biotechnologie ein sanftes Wörtchen - ein ScheinbegrifF- mit einem Betrieb dahinter, der nicht im geringsten etwas mit „Bio", als vielmehr mit Technologie zu tun hat - der in unverschämter Weise eine Ausschlachtung vollzieht, indem alles Natürliche durch das Künstliche und Geschmacksmanipulierte zu ersetzen sei.

Ziel ist die Emanzipation von der Natur durch Manipulation Viele Heilpflanzen fehlen heute in der Küche, und die Kräuter werden industriell hergestellt. Ziel ist die Unabhängigkeit von der Natur, damit wir von der Industrie wertschöpfend beliefert werden können. Durch die Abnabelung von der Natur sind wir dann vollends manipulierbar. Die Schaffung einer vollständigen Ersatzmilch aus Sojaprodukten und alle anderen wertvollen Stoffen durch Kunstmittel ersetzt, klappt nicht immer, wie wir im November 2003 bei den toten Säuglingen in Israel gesehen haben. Offenbar hatte man ein Vitamin beizusetzen vergessen. Real steckt dahinter viel mehr Mangel - es fehlt die Lebendigkeit des Nahrungsmittels. Die Manipulation der Natur fällt uns mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Kopf.

Einfaches Handwerk für eine unverfälschte Suppe Die Basis für Suppen und Saucen kann man selber sehr einfach herstellen. Eine unverfälschte und geschmackvolle Suppe oder Saucengrundlage kann folgendermaßen zubereitet werden.

Die Zutaten: Zwiebel, Mehl und unraffiniertes Salz (evtl. etwas echten Speck, Suppenfleisch und Knochen) und zwei (Wild-) Gemüsevariationen:

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a) ζ. B. mit Kohlrabi, Spitz-Wegerichblätter und -köpfchen und Wiesenkümmelblätter als Würzung b) ζ. B. mit Zucchini, Karotte, Wiesenkerbel- oder Bärenklaublätter und Gundelrebe als Würzung Dazu die Suppenbasis: Gehackte Zwiebel und Gemüse (mit Speck oder Rindfleisch und -knochen) gesalzen in Butter braun anrösten, mit Mehl stauben und mitbrennen, mit Wasser, Milchwasser oder Weißwein aufgießen, Süßrahm und Gemüse beigeben und auf- bzw. garkochen, 1 bis 2 Minuten vor dem Servieren die geschnittenen Wildkräuter und Wildgemüse hinzufügen. Nachträglich kann noch mit Mehl in Süßrahm aufgerührt die Suppe etwas eingedickt werden. Das Nachsalzen und -würzen kann auf dem Teller immer noch erfolgen. Dekoriert wird ζ. B. mit den Blüten von Vergißmeinnicht, Ehrenpreis, Rote und Weiße Taubnessel oder Löwenzahnkronblättern. Die Schaffung echter Aromen Durch die Anröstung des Zwiebeis, des Gemüses und evtl. Suppenfleisches entstehen aus Eiweißstoffen und Kohlehydraten neue Verbindungen, die ein typisches Aroma ergeben. Mit dem Salzen ziehen diese Aromastoffe während des Röstens in die gehackte Zwiebel ein und treten mit dem Aufgießen von Wasser in die Suppenflüssigkeit wieder aus. Auf diese Weise aromatisiert man die echte Suppe auf natürliche Art. Mit dem kurzen Ziehenlassen der Wildkräuter zerkocht man nicht ihre wertvollen Inhaltsstoffe. Alldem zufolge müßte die fertige und gekaufte „Rindsbouillon" laut ihren Zutaten richtigerweise „Jodsalz-Aroma-Geschmacksverstärkerbouillon" heißen, oder? Die Frage ist nur, ob man dafür noch die Begriffe Bouillon oder Suppe verwenden sollte.

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Der Brief an Joseph

Wien, am 23. 1 . 2 0 0 0 „Man knüppelt den Mensch unter höhnischen Bemerkungen nieder mit der totalen Waffe, der unparierbaren, der der beschränkte Mensch keinen Widerstand leistet: der Notwendigkeit, mit der Zeit zu gehen und, wenn er insistiert, mit dem Wort .Fortschritt', das die Atombombe der schwachsinnigen Argumentation ist". Jean GIONO 1989

Lieber Joseph! D u bist ein abgehobenes Mistvieh. Nein, einen anderen Begriff müßte ich fur Dein Verhalten und Deine Äußerungen wählen, denn das Mistvieh ist fiir einen richtigen Bauern etwas Uberlebenswichtiges. Es holt mit dem Weidegang die Nährstoffe in den Stall, den die Bauern mit Einstreu strecken und Mist produzieren, den sie nach dem Winter wieder auf ihre Felder hinaustragen, damit dort ertragreiche Ernten einholbar sind. Deine Einwendungen sind dekonstruktiv und den Leuten gegenüber ignorant, die mit Sorgfalt das Land bewirtschaften. D u sprichst „Müll", der keine Verwendung finden oder zu einem Problemfall werden kann. Der briefeinleitende Spruch von Jean GlONO verweist auf die geistige Atombombe. Merktest D u nicht, wie Dich die Bauern lange angeblickt hatten und sich dann von Dir abgewendet hatten, als D u die gedankenlosen Sprüche heruntergeklopft hattest? D u könntest Politiker werden, denn Deine törichten und beschämenden Aussagen beinhalten koloniale Züge. D u warst doch nicht besoffen von Matteos Genepy? Ach das bißchen Wermutstropfen wirst D u wohl vertragen. Oder wolltest D u mit Deinen Provokationen die Beteiligten aus der Reserve locken? Dein Verhalten war fehl am Platz. Noch einmal möchte ich auf Deine Auslegungen vom letzten August Bezug nehmen und einige Ungereimtheiten zur Sprache bringen, wo auch mein schlechtes Gewissen aus dem Streitgespräch zum Vorschein kommt. Aber ich möchte versuchen, einiges aufzuräumen und auf den Punkt zu bringen. Ich habe mich besonders darüber geärgert, wie ignorant D u mit dem Wissen der tätigen Leute umgehst. Woher nimmst D u diese Berechtigung und Herabgelassenheit den Menschen gegenüber heraus, ihnen Vorschreibungen zu machen, was für sie richtig sei? Gerade das Gegenteil

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möchte ich behaupten, daß die meisten Leute mehr Verstand haben als die meisten Wissenschaftler oder Akademiker. Sie können zwar nicht so hochgeistig palavern und Bücherberge durchackern, sie verstehen aber etwas von der Herstellung des Hochgeistigen, bester Qualität an Brot, Speck und Käse und vorzüglicher Hauskost. Und was verstehst Du mit Deinen 20 Jahren Schulbildung vom Hochgeistigen? Dazu ein Spruch aus der Zeit meines Studiums: „Die Wissenschaft ist eine Schaft, die Wissen abschafft." Wie sieht den wirklich die Freiheit der Wissenschaft aus, wer bestimmt darüber, was mit den Ergebnissen gemacht wird? Und warum glaubt man, den Bauern die Entscheidung für ihr Wirtschaften abnehmen zu müssen? Ivan I L L I C H meinte in der Streitschrift „Entschulung der Gesellschaft": „Hat eine Gesellschaft erst einmal Grundbedürfnisse in Nachfrage nach wissenschaftlich produzierten Waren verwandelt, so wird Armut durch Maßstäbe bestimmt, welche die Technokraten beliebig verändern können."

Wem bringen die gestapelten „Papiertrophäen" der Wissenschaftler etwas? Wenn auf dem Land die Bedingungen verunmöglicht werden, vom Land das Auslangen zu finden, dann ist verständlich, daß wir künstlich produzierte Lebensmittel und Gentechnik brauchen. Wobei dieser Verstand, der vorgibt klug zu sein, nur mehr im geringsten über den Uberblick und Kenntnisse verfügt, welche im gesamtkulturellen und lokalen Kontext hilfreich ist. Ja ganz im Gegenteil wird binnen zweier Generationen das Wissensvermögen abgewirtschaftet und durch fragwürdige Konzepte und Verordnungen beeinflußt und durch neumodische Allüren ersetzt. Eine Kuh kann man eben nicht mit Fleisch oder Eiweiß füttern. Eine Kuh braucht Rohfaser, Heu und Laub zum Leben und einen Auslauf. Aber was ist heute schon das kurze Leben einer Kuh. Das Dasein einer Industriekuh ist eine Armseligkeit und unser Umgang mit den Nutztieren eine große Schande. Für die wissenschaftliche Anerkennung ist die Vielzahl und Masse der Verschriftungen heute wesentlich, ohne daß diese Papierstapel von jemandem Befähigten einer Überprüfung unterzogen würden. Das geschriebene Wort ist als Quelle anerkannt, der Inhalt aber nicht ausdiskutiert oder der Streitkultur ausgesetzt, meist aber der Zensur oder Ignoranz unterstellt, wenn die Inhalte kritisch sind. Die eigenartige Schriftengläubigkeit ist der Anfang des Niedergangs der Indizienwissenschaft und für den Hausverstand, der für die Praktikabilität und Aufrechterhaltung des Lebens vom Land grundlegend ist.

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Der Brief an Joseph I

Vom Gemeinwissen zur verschrifteten Instruktion der Gedanken Der Gemeingebrauch von Wissen stellt nach wie vor die Basis des Zusammenlebens dar. Gemeinde war und ist Allmende, auch wenn diese Kommunalität durch Individualisierung des Menschen aufzulösen versucht wird. Kenntnisse gingen stets in der Allgemeinheit auf und kamen der Allmende in geistiger und materieller Ebene entgegen. „Die Zerstörung der Gemeinheit macht die Produktion von Lebens-" bzw. Nahrungsmittel notwendig, und „setzt die industrie-zeitliche ökonomische Arbeitsteilung voraus" (IILICH, I., 1982). Und die „Experten" kommen mit dem Wissenschaftszinnober großspurig und mit vielseitigen bis stapelweisen, häufig nicht leserlichen Unterlagen daher, mit denen man vom Gewicht her die Leute erschlagen könnte. Davon unabhängig, werden sie mit dem Inhalt erschlagen. Große Datenmengen werden ausgewertet und einfachste Aussagen erstellt, die man ohnehin vorher wußte. Die Aussagequalität ist in den meisten Fällen nicht nur dünn, sondern auch miserabel und steht in keinem Verhältnis zum Aufwand, der da betrieben wird. Die praktische Anknüpfung ist gleich null. Die Wissenschaft, die da betrieben wird, ist eine reine Beschäftigungstherapie und dient der ,Behübschung' der Arbeitslosenstatistik. „Entwicklung" bedeutet, die Leute um den Finger wickeln Deinen Überlegungen einer gesteuerten Landwirtschaft kann ich im geringsten nichts abgewinnen, da man auf weiter Flur verschiedener Landschaften ablesen kann, wo dies hinfuhrt, wo das Land „hinentwickelt" wird. Der politischen und administrativen Aufgeblasenheit wird irgendwann die Luft ausgehen, weil sich die Umsetzungen aufgrund der Widersprüche spießen werden. Es handelt sich zwar um Entwicklungspläne mit beabsichtigten Zielen, sie haben nichts mit einer Entwicklung im eigentlichen Sinn des „Wandeins" zu tun. In der Entwicklung steckt die Reform, die stets mit einem kräftigen Aderlaß verbunden ist (den Beitrag hatte ich Dir 1995 kopiert). Scheibchenweise werden dem Menschen unter Begründung von Reform und Fortschritt alle Entscheidungen abgenommen, scheibchenweise wird er hirnleer gemacht und der Kompetenzen seiner Landbewirtschaftung enteignet. Jean GLONO (1989) hat das trefflich formuliert: „Der Begriff des Fortschritts ist eine Vorstellung des Geistes, in der Natur existiert er nicht." Das Fortschreiten und die Entwicklung entspringen der Eitelkeit der Wissenschaft und des Dünkels. Und GIONO führte weiter fort, „in der Natur gibt es keinen Fortschritt; das Glück hingegen gibt es. Wir haben jenen er-

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funden, der uns in neun von zehn Malen zwingt, aus Gründen des Hochmuts dieses zu verlieren." Die Entwicklung wird mit Geld vorangetrieben, es wird mit der Begründung der Wirtschaftsankurbelung, Modernisierung, Hygiene und Ökologisierung ausgeschüttet. In großen Happen schiebt man den Bauern die Förderungen zu, damit sie die Zeit des Ablebens überstehen und nicht aufbegehren. Verführerisch ist es, Geld in den Taschen zu haben. Aber man hat es nicht selber verdient und wird davon hochgradig abhängig und wird es später in einem anderen Beruf verdienen müssen. Mit Fördergeldern ist man der völligen Kontrolle ausgesetzt. Die Förderpolitik setzt auf Zeit, bis die Landbewirtschafter klanglos verschwunden sind und keine neuen mehr nachkommen werden. Denn sie belasten den europäischen Agrarmarkt, wie jüngst ein hohes Mitglied einer Landesverwaltung von sich gab. Und die Förderungen fuhren zum Fortschritt, der so von den Leuten mitnichten gewollt ist. So werden aus Bauern Landwirte zurechtgestutzt, die in Zukunft unsere Ernährung nicht mehr sichern werden können. Den Dingen auf den Grund geben Warum ich diese Nachforschungen betreibe, wolltest Du unbedingt wissen? Irgendwie steckt in uns immer der detektivische Drang des Forschens, um näher zu uns selber zu kommen, aber auch zur eigenen Betrachtung ausreichend Distanz zu haben. Den Dingen auf den Grund gehen bedeutet für mich, Gesehenes zu strukturieren und sich daraus einen Reim zu machen. Dadurch räume ich Gedachtes auf, damit wieder neue Gedanken Platz finden. Ganz gelingt mir dies auch nicht immer. Viele Menschen können diesem Anliegen sich aufzuräumen, aus dem Getriebensein der heutigen Zeit nicht nachkommen. Schreiben ist eine Art, Gedanken zu formulieren und auch fur andere wider das Vergessen sichtbar zu machen. Die Reflexion schafft neben der Dokumentation zusätzliche Erträge an Kenntnissen. Mein Anliegen ist es, das Forschen im Zusammenhang mit dem Alltag zu sehen. Die Wissenschaft hingegen geht völlig nebensächlichen Fragestellungen nach, die u. a. machtpolitischen Bereichen etwas, vielleicht auch nur das Geldeinkommen fiir beschriebenes Papier etwas bringen, aber an den wesentlichen Fragen des Lebens vorbeigehen. Kinder eignen sich über die Sinneswahrnehmung die Umwelt an Zunächst lernen wir von unseren Eltern, Geschwistern, Tanten und Onkeln, Großeltern und den kleinen und großen Leuten der Nachbarschaft. Wir 1er-

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nen von klein auf zu schauen, zu hören, zu riechen und zu schmecken. U n d mit dieser sinnlichen Annäherung an die materielle Welt versuchen wir die Zusammenhänge im örtlich sozialen und gesellschaftlichen Treiben der Wirklichkeit zu verstehen und heben die sinnlichen Erfahrungen mit zunehmendem Alter auf die gedankliche Ebene. Über die Fragen versuchen wir Erklärungen für die Beobachtungen zu bekommen. Was wir aus der abhängigen Wirklichkeit der Kindheit und aus dem Zuhause gelernt haben, tragen wir in gewisser Form, immer wieder neuerlich abgewandelt, in uns und versuchen es in die Alltagswelt einzubringen, zu leben. Die alltagspraktischen Ergebnisse der Forschungen und Z u s a m m e n fassungen des Wissens sollen den Leuten für die Bewältigung ihres Lebens wieder zurückgegeben werden. D i e Schnellebigkeit und Oberflächlichkeit der Zeit drängt heute danach, uns von den Grundelementen unseres Lebens zu entkoppeln, damit uns Konzerne in profitorientierter Absicht über den Markt beliefern können. Wahrlich wird dies zur Spitze getrieben, irgendwann fällt uns diese Sicht auf den Kopf, dann ist aber der Schnitt zum Wissen unserer Vorgenerationen dermaßen verlorengegangen, daß es entweder unwiederbringlich oder nur mit h o h e m A u f w a n d erforschbar ist. Wird es dann von den Wissenschaftsburgen neuerlich unter der Prämisse beforscht, damit Geld zu machen, so bringt m a n die Leute in die Abhängigkeit dieses Wissens oder neugeschaffener Produkte. Das neu aufbereitete Wissen wird gegen die Leute benützt werden. GIONO „denke genau so wie Mark Twain: ,Die Zivilisation ist die unendliche Zunahme von Bedürfnissen, deren man nicht bedarf.' Die einzige Sache, derer man bedarf, ist Nahrung, und das Geld ist ein Mittel, sich welche zu beschaffen, wenn man kein anderes hat; aber das wahre Mittel besteht ganz offensichtlich darin, ein Korn zu säen, auf daß es hundertfachen Gewinn bringen möge. M a n hat Hunderte und Aberhunderte von Jahren ohne Automobil, ohne Fernseher, ohne Schwerindustrie, ohne Raketen und ohne Atombombe gelebt, aber man hat nie mehr als einige Tage - furchtbare Tage übrigens - ohne Nahrung gelebt." Freilich kann heute vergleichsweise auch andere Tätigkeit - auch theoretische — im Sinne von Subsistenzwirtschaft fur Nahrung eingetauscht werden. Der G r u n d g e d a n k e v o n GLONO u n d TWAIN ist verständlich.

Was der Flug auf den Mond mit dem Butterbrot zu tun hat Solange wir aber die Basis zu den natürlichen und sinnlichen Z u s a m m e n hängen des Lebens besitzen, solange können wir auch eigenmächtig blei-

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ben. Es handelt sich um ein Vermögen, welches wir uns selber entgegen den gesellschaftlichen und gesetzlichen Gepflogenheiten sichern müssen. Das verordnete Recht arbeitet gegen das uns zustehende, natürliche Recht. Heute können wir in das Weltall oder auf den Mond fliegen, soweit ist der technische Fortschritt, aber von Wiese und Wald können wir uns nicht mehr ernähren. Da stimmt doch etwas nicht mehr. Und ich behaupte, daß dieser sogenannte Fortschritt kein echter ist, da uns der Flug auf den Mond nichts bringen wird. Er ist viel zu kostenaufwendig, und was machen wir dann dort, wenn man da oben nicht leben kann? Der Flug auf den Mond impliziert im Gedanken ja gerade die Zerstörung des Garten Edens, des verlorenen Paradieses. Es ist ein Hohn, daß die private und öffentliche Wissenschaft in Bereichen forscht, die nicht einmal den elitären Kreisen, die den Boden unter der Füßen einer realen Welt verloren haben, nützen wird, irgendwann wird uns dann vergleichsweise eingeredet werden, damit die Wirtschaft floriert, wir müßten die Butter mit einer kleinen Kettensäge schneiden, damit wir sie auf das Brot streichen könnten, auch wenn es mit einem einfachen Messer besser gehen würde. Vielleicht wird darüber ein Gesetz befinden.

Und wo bleibt die Verhältnismäßigkeit? Die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Energie versteht sich heute als reinster Wahnsinn, wodurch jede Hausverständigkeit und jeder praktische Lebensbezug aufhört. Dahin sind wir am schlechtesten Weg. Warum ist die Forschung nicht von der Verbesserung unserer Lebensverhältnisse, gesunder Ernährung, gesunden Wohnens und zu unserem Wohlbefinden getragen? Und wenn diese Bereiche vermehrt einen Stellenwert bekämen, warum wird dann die gute Ernährung und das gute Wohnen im Sinne des „Vollständigen Wohnens" und von „Hausen" (s. HÜLBUSCH, I. M., 1978) wiederum nur den elitären Kreisen zugänglich, wenn es teurer wird? Muß die Erlangung vollständigen Wohlbefindens immer teuer sein? Kann gesunde Lebensweise nicht auch günstig sein? Das ist deshalb ein Ding der Unmöglichkeit, da der sogenannte Neoliberalismus weltumspannend regiert und die Industriellen und Versicherungen auch das Sagen in den Regierungen haben. Geld regiert, besser gesagt: die Maximierung des Profits, regiert die Welt. Die Sehnsucht nach einem besseren Leben bewirkt gerade, daß wir wegen der schlechten Bedingungen des Arbeits- und Freizeitlebens im Urlaub in Regionen flüchten, wo scheinbar die Welt in Ordnung

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sei. G I O N O meinte einmal sinngemäß: „Nach Italien zu fahren, um glücklich zu sein." Warum nicht das Glück zu Hause schaffen, lieber Freund?

Die hausverständige Lebenswelt von gestern Wenn ich mit meiner ökologischen Ausbildung den Leuten hilfreich sein darf, so mit der Absicht der Verbesserung und Erweiterung ihres Horizontes von Alltagsleben und Autonomie. Das zieht die Beschäftigung mit den ruralen Tätigkeiten nach sich, welche die Basis zum Leben bedeuten. Da meine ich das Gärtnern, den Anbau von Gemüse, Getreide und Kräutern, das Melken und Viehhalten, das Käsen und Brotbacken, das Bierbrauen und die Weinherstellung, das Bauen und Bauern, das Erforschen anderweitiger Hilfsmittel ... Und um das Lebensnotwendige herum erfährt man etwas über Lebenszusammenhänge, fröhliche und mutmachende Geschichten der Bewältigungen, Einfälle und Uberwindungen, schlichtweg reale Verhältnisse, auch wenn sie zwischendurch prekäre und idealtypische An- und Zumutungen enthalten. Freilich haben darüber hinaus auch andere Betätigungen und Nachforschungen ihre Berechtigung. In erster Linie leben wir von der Natur und den natürlichen Zusammenhängen. Maschine und Technik sind nicht abzulehnen, wenn sie verhältnismäßig sparsam hergestellt und eingesetzt werden können. Ihre kurze Lebensdauer steht in den meisten Fällen nicht zu den Gestehungskosten und muß als Raubbau an Ressourcen und Arbeitskraft gesehen werden. Die ,Altlasten" mehren sich unter heutigen Vorgangsweisen zuhauf. So lange die „Kurzlebigkeit" und nicht die Gesamtsicht der Rentabilität einbezogen werden, ist Technik fragwürdig. Wir müssen doch irgendwann einmal runde Produkte erzeugen können, die ausgereift sind und nicht schon auf der Versuchsebene von einer neuen Mode abgelöst werden. Vom Computer allein können wir nicht leben, er kann die Lebensbasis unterstützen und erweitern, aber nicht die Grundlage sein. Was nützt uns diese überbordende Computerwelt, wenn wir uns von der ruralen Basis abheben und wahrlich „kein Bein mehr auf die Erde bringen"?

Deine Machbarkeit ist wie Entwicklungshilfe Nein, lieber Joseph, Deine Sicht der ökonomischen Theorie liegt im argen. Sie kann keine praktische Basis haben, weil sie abgesehen von einem falschen Verständnis der Übersichtlichkeit immer von oben auf die Leute herabsieht. Vergiß diese Machbarkeitsallüre eines Planers. Deine Sicht

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ignoriert eine andere Wertigkeit, die Werte, welche von den einzelnen Menschen für ihre Lebensverhältnisse selber bestimmt werden. Deine Theorie übersieht die Zerstörung nachhaltiger Landnutzungsformen und Existenzen in bestimmten Regionen, die durch den Raubbau der Intensivierung in den sogenannten Gunstlagen forciert wird. Wie kommst Du darauf, daß diese Gegenden in Hinkunft von Tourismus und der Wasservermarktung leben werden. Wenn der Bauer geht, dann wird auch der Gast in Zukunft ausbleiben. Ohne die produktorientierte Aufrechterhaltung der Landnutzung fehlen die Momente des Anlasses, dort etwas zu suchen. Wenn Du an einem Tourismusort verweilst, kann ich garantieren, daß Du dort kein einziges regionales und bäuerliches Produkt auf den Frühstückstisch bekommst. Das ist ja die Augenauswischerei an die Urlaubenden. In keiner Gemeinde findet man den dort hergestellten Käse, auch wenn das behauptet wird. Und die Milch zu Deinem Kaffee, die kommt nicht von der Alm oder der schönen, nachhaltig bewirtschafteten Landschaft. Mit dieser Vorstellung beruhigst Du lediglich ein Gewissen, das Du aus der Sicht der Marktmechanismen eigentlich gar nicht mehr haben solltest. Die Produkte sind reine Täuschungen, und ihre Embleme auf den Verpackungen lenken von der realen Produktion ab. Die schöne Landschaft ist doch schon längstens demontiert worden. Dort ist weit und breit ganz etwas anderes, als uns als Kulturlandschaft präsentiert wird.

Ernährung als chemische Ware und Wohlbefinden als Wellnessbranche So ist in etwa die Physik und Chemie eine Erweiterung des Handwerks, so lange, als sie den Aufwand der eingesetzten Energie und in der Einfachheit der erfundenen Grunderweiterung zur Erleichterung unseres Uberlebens nicht übertrifft. Die Kenntnisse der Chemie wären ζ. B. eine sinnvolle Erweiterung des Kochens, wenn sie nicht das Kochen und die Gesundheit der Nahrungsmittel zu ersetzten und ergänzen versuchte. Sie wird gefährlich, wenn sie das natürlich Gewachsene ablöst und nur mehr im Labor hergestellte Sättigungswaren zuläßt, dann dient die Chemie der Ablösung von den natürlichen Lebenszusammenhängen und wir verlieren die Erdung. In diesem Sinn müßte vielmehr das Kochen für sich selber vom Gedanken der Medizin getragen sein. Was heute „zum guten Geschmack" zählt, ist auf weiten Strecken unbotmäßig und vielfach „Geschmacklosigkeit". Die Sehnsucht nach Wellness und Wohlbefinden entsteht aus einem Mangel und ist natürlich ernst zu nehmen, aber differenziert zu betrach-

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ten. Denn einerseits basiert das Kranksein auf dem Verlust unseres praktischen Wissens, was wir an Materiellem benötigen und was zwischenmenschlich für uns notwendig ist, damit es uns gutgeht. Andererseits leben heute ganze Wirtschaftsbereiche davon, die mißliche krankmachende Situation und Dinge nicht zu beseitigen, sondern aufrechtzuhalten. Und sie leben nicht schlecht davon. Ein einzelner Zahnarzt ist angesichts der hereinbrechenden Nahrungsgepflogenheiten und Konsumangebote in einer aussichtslosen Situation, wie dies Adolf Roos (1962) aufzeigte. Und die Arzteverbände sind nicht dazu zu bringen, gemeinsam die Mißstände anzugehen, da sie Angst um ihre Pfründe haben. Eine gottverdammte Frechheit, wenn der Mensch und alles Lebendige zu einem Bedienungsladen der Wirtschaftsinteressen geworden ist Tourismus gründet sich auf der Ausflucht vor guter Ernährung, gutem Wohnen, gutem und erfüllendem Arbeiten und vor den Liebeszusammenhängen. Er eröffnet einen Markt, der uns Glauben schenken soll, wenn wir uns zwei oder vier Wochen massieren oder mit Wasser besprudeln lassen, oder Bio-Vollwertkost zu uns nehmen, die restlichen 48 Wochen des unfröhlichen und streßgeplagten Arbeitens im Jahr kompensieren zu lassen. Das ist doch eine unglaubliche Schizophrenie. In der Gegenwart sollen wir das Wilde und Schöne leben und nicht während des Urlaubs oder in der Pension. Siehst Du das nicht auch ähnlich? Und den Rindern die Hörner abzuschneiden, sie mit tierischem und über Gebühr auch zu viel pflanzlichem Eiweiß zu futtern und sie auf über 10.000 Liter Jahresleistung zu züchten, zeugt von Größenwahn, der uns allem auf den Kopf fallen wird. Wer übernimmt wirklich die Verantwortung dafür, wenn wieder epidemieartige Katastrophen Tausende Menschenopfer fordern? Das ist doch vorhersehbar. Die Medizin geht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von der Ware Mensch als Selbstbedienungsladen aus. Eine ganzheitliche Medizin hingegen berücksichtigt die Lebensverhältnisse. Vielmehr stellt sich die Frage, was wir von den Hühnern und Kohlsprossen lernen können, von Rosenkäfern, Stechmücken oder Waldgeißbart, Meisterwurz und Arnika. Warum kann Minulda, die Kuh von Theres und Plinio, über 25 Jahre alt werden und so viele Kälber zur Welt bringen und in unseren Agrointensivzonen in Europa die meisten Hochleistungskühe nur im Schnitt ein bis 1,5 Kälber? Warum dürfen in Nordamerika und Australien die Kühe gar nicht mehr gebären und werden ihnen über Kaiserschnitt die Kälber entnommen und diese erschlagen in einer Grube

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verscharrt? Damit die Milchleistung angekurbelt wird, die „Maschine" Kuh wieder zur Höchstleistung getrimmt werden kann. Ist das der Respekt, den die Wissenschaft dem Leben entgegenbringt? Mitnichten. Es ist eine gottverdammte Lebensverachtung, und die Basis fur solches Vorgehen der Landwirte schafft die Wissenschaft und Agrarpropaganda, die dieses Wissen aufbereitet und legitimiert. Die Politik läuft parallel dazu. Ihre Proponenten verdienen an den Gesetzen und an der Ausbeutung mit, indem sie die Vernunft ausklammern und im Sinne einer prosperierenden Wirtschaft das alles zulassen. Politik, seit es sie gibt, war nie von Hausverstand, sondern von der Machterhaltung getragen. ARISTOTELES Ζ. B. hat das alles vorformuliert, was heute zu perfektionieren versucht wird. Und alles Treiben orientiert sich auf diese Sicht von Politik. Deshalb kann Dein wirtschaftlicher Vergleich, den Du wie ein EU-Politiker anfuhrst und der Dir in der Schule eingeredet worden ist, hochkantig verwerfen, da er jeglicher Vergleichsbasis entbehrt. Derweilen existiert auch ein Leben außerhalb der politischen Intentionen. Das Glück künftiger Generationen, das sie versprechen, ist der Politik völlig egal und außerdem von keiner Generation einholbar. Niemand darf „Kaninchenstallstädte" bauen und im radioaktiven und Genmaterial herumstochern „Man kann richtig zählen oder sogar richtig rechnen und dennoch ein Schwachsinniger sein, wenn man andererseits nicht richtig sehen und hören kann (...); die Seele ist soviel wert wie die Sinne, die sie organisieren" (GioNO, ]., 1989). Wenn Physiker und Chemiker zur Verbesserung unseres schönen Lebens etwas beitragen können, dann müßte ihr Denken aus dem Gebrauch des Alltags heraus getragen sein. Chemiker und Laboranten, die nicht gesund kochen können, sollten nicht in der Lebensmittelindustrie tätig sein dürfen. Physiker und Techniker, die nicht mit den Grundmaterialien der Lebensbasis hantieren können, die haben es leicht, großspurig mit Computersteuerungen, Baustatik, Atomstrom usw. zu hantieren. Und ζ. B. Architekten, die nichts vom Alltag und vom „Hausen" verstehen, sollten nicht mit ihren Gebäuden Lebensverhältnisse schaffen, die, wie dies der Walliser Maurice CHAPPAZ benannte, „Kaninchenstallstädten" gleichkommen. Mit der Zunahme der Gebäudehöhen sinken die Freiraumqualitäten und steigt der Abhängigkeitsgrad externer Hilfsmittel. Und wer darf dann mit den Isotopen, Radioaktivität oder mit den Genpartikeln forschen? Schlichtweg niemand! Das Sezieren im Genmaterial von Lebewesen steht niemandem zu.

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W i r haben über viele Generationen, vielfach auch aus der Not des Überlebens gelernt, uns den Reichtum an Mitteln dieser Erde verfugbar zu machen. Dieses Gebrauchswissen reicht aus. Dazu gehört nicht nur die kultivierte Natur, sondern auch die wildwachsende. Uber viele Vorgenerationen erfuhr das Wissen eine Bewährung. Warum sollten wir dieses über Bord werfen? Nur damit wir mit anderen Staaten wirtschaftlich mithalten können? Die schieben scheinbar gute Produkte vor, welche ja auch nur aus einer Kostenunwahrheit entstanden sind. Das Vorgaukeln guter Dinge und Sichtweisen bleibt Tele-Vision. Wenn ich das Wort „Vision" schon höre, kommt mir die Galle hoch, immer diese uneinholbaren Verheißungsallüren. Das kann aus der Dauerhaftigkeit der Neuerfindungen bewiesen werden, denn immer schneller wechseln sich die neuen Produkte ab, weil sie nicht tragfähig sind, sondern eben nur inhaltlich leer und dem Marktprofit entsprechend kurzlebig. In das Wirtschaftsschema des schnellen Verwerfens von Produktideen kann dann allerdings eine langlebige Kuh mit über 20 Kälber doch nicht hineinpassen. Diese Wirtschaftstheorie geht von falschen Vorstellungen aus. Und übliche Fernsehgestalter bedienen sich eines vergangenen und verharmonisierten Bildes. Andererseits ignorieren sie die Welt von gestern, da diese Lebenswelt ausschließlich museal bearbeitet und präsentiert wird. Die Planung greift heute auf unsere Regionen zu wie die einstigen Kolonialverwaltungen oder die Entwicklungshilfe westlicher Intention.

Nimm Deinen Rucksack, geh und schau Deshalb dürfte Dich meine Sicht der Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Forschung ergriffen oder angegriffen haben, da Du selber am Scheideweg gehst und nicht verstehen willst, was die beiden Seiten fur Deine Entwicklung bedeuten können. Nimm diese Gedanken auf und nimm Dir die Zeit, in die Ferne zu wandern, u m wieder Sehender zu werden. Schnalle Dir den Rucksack um und lerne zu gehen, zu schauen, denn was geschaut ist, ist mehr als das Gesehene. Es enthält auch den beobachteten Gedanken in sich. Und höre den Worten der Leute entlang dieser Wege, setze Dich in ihre Gasthäuser, arbeite mit ihnen, dann verstehst Du die Alltage und die Verschiedenheiten besser, und Deine Wissenschaftsgläubigkeit wirst Du zurücknehmen und viel entdecken, was für die Leute von Wichtigkeit ist. Vordergründig wirst Du völlig unwichtig, denn Du bemerkst die sinnliche Wahrnehmung der Grundbedürfnisse, die glücklich machen. Die verlorenen Sinne kannst Du durch ein basisorientiertes Le-

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ben wieder entdecken. Das klingt vielleicht esoterisch, aber in den Schulen und aus den Büchern lernt man das nicht. Die Wanderforscherei lebt von den Geschichten der Leute Wenn ich ζ. B. von Dorf zu Dorf ziehe und mit den Leuten rede, werden interessante Geschichten erzählt und entstehen neu Kontakte, Gedanken und Ideen. Mit brennender Neugier stricken sich Indizienketten um bestimmte Kapitel, versuchen Gedanken bei einem Schwerpunkt zu bleiben, um nicht abgelenkt, ganz woanders hinzukommen, und die Geschichte nicht zu sprengen. Jede Teilgeschichte hat seinen Auftakt, eine Hinleitung oder Einleitung einen vollen und detaillierten Kern und einen Schluß, und dieser ist wiederum eine Hinleitung zu einem neuen Kapitel oder größeren Ganzen. Und ohne dieses Geschichtenerzählen wäre ein Dorf nichts. Die zunehmende Television trennt die Menschen voneinander. Sie treffen sich nicht mehr zum Geschichtenaustauschen, und so können keine unmittelbaren Dorfmeinungen mehr entstehen. Die Meinung entsteht heute im TV, dort wird fur die Menschen gedacht und diese denken dann im ganzen Land, wie im Fernkasten vorgedacht wurde. Insofern wird uns das Wichtige fur das Leben und langfristige Uberleben genommen. Das wirkliche „Fernsehen" entsteht, wenn man in die sozialen Netze der Bewohner eintauchen und aus dieser Nähe spannende Begebenheiten verschiedener Kontexte vernehmen kann. Meiner Meinung nach entdeckt man durch die Möglichkeit des praktischen Mitarbeitens Neues und findet sich selber wieder. Und wenn man nach einer Zeit des Arbeitens dann weiterwandert, entsteht mit jedem Schritt eine Art Distanz, und es beginnt mit dem zunehmenden Abstand eine Art des Ordnens, wenn vieles durch den Kopf läuft und sich absetzt. Packe dann beim Nachtlager Deinen Notizblock zum Aufschreiben und Gedankenformulieren aus und „sieh in die Ferne", dann werden die Wurzeln der Wirklichkeit sichtbar. Die Zukunft gehört denen, die sich auf das bewährte Wissen unserer Altvorderen beziehen und sich nicht in modische, oberflächliche Gepflogenheiten hineinziehen lassen, sondern außerhalb stehen oder „an den äußeren Rand" gehen, um nach innen schauen können. Sie können sich eine Art von Freiheit bewahren. Ich bin schon gespannt auf die berichteten Kenntnisse und erlebten Geschichten. Hoffentlich stößt Du mit den Hörnern an und wirst klüger. Auf ein baldiges Wiedersehen

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Michael

Literatur- und Ouellenverzeichnis

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Literatur- und Ouellenverzeichriis I

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299

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5 0 . Jg. Folge 8 - 9 / 2 0 0 0 : 1 3 - 1 7 . Innsbruck.

und Bergbauer.

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300

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Über den Autor MICHAEL MACHATSCHEK, stammt aus dem Salzkammergut, absolvierte die Landwirtschaftsschule H B L A Ursprung/Elixhausen ehe er u. a. Landschaftsökologie an der Universität für Bodenkultur in Wien studierte. Er besuchte während seiner Wanderjahre Seminare der .Arbeitsgemeinschaft Freiraum und Vegetation' (Kassel u n d Bremen) bei Karl Heinrich Hülbusch u n d ist in verschiedenen Berufen u. a. als freiberuflicher Forscher, Vegetationskundler, Lehrer, Hirte, Landschafts- und Freiraumplaner tätig. Er redigiert die Schriften der .Cooperative Landschaft' (Wien), schreibt für verschiedene Fachzeitschriften und führt fachbezogene Projekte, Forschungen und Seminare zur Erhaltung agrikulturellen Gebrauchswissens, von Nutzpflanzen und alten Landbewirtschaftungsformen durch. Erschienene Bücher (zumTeil gemeinsam mit anderen Autoren): Nahrhafte Landschaft, Laubgeschichten (Bühlau Verlag); Hecken und Beiträge im Subsistenzhandbuch (Stocker Verlag).

301

Allgemeines Stichwortverzeichnis Ahorn 107

Bienenwachs 135

Convallaria majalis 81

Ajuga reptans 40

Biestmilch 78

Coprinus comatus 209

Allermannsharnisch 82

Biologie 34

Coprinus

Allium ursinum

Biotechnologie 31

81 ff.

atramentariaus

212

Allium victiorialis 82

Birnenbrot 207

Corylus avellana 245

Allmende 21

Blaubeernocken 191

Crataegus agg. 47, 203

Alpenampfer 42

Blausäuregehalt 239

Craterellus cornucopioides

Alpenrose 1 7 5 , 2 6 5

Blitzpulver 231

Ameisen Tb

Blütenessig 107

Crepis biennis 38

Angelica archangelica 164

Blütenessigansätze 104

Crocus albiflorus 41

Anis 73

Blütenknospen 104

Crocus sativus 41

Bockshornklee 155

Cumarin 98

Botanik 33

Cymbalaria muralis 4 5

Anthoxanthum

odoratum

104

215

Anthrscus sylvestris 45

- Archeobotanik 30

Arnikaöl 164

- Ethnobotanik 30

Dentaria enneaphyllos 75

Aromastoffe 2 1 , 2 5 , 102,

-Volksbotanik 30

Desinfektionspuder 231

136, 280 Asarum europaeum

57

Bowle 98, 102

Dessert 183

Braten 210

Diät 102

Asperl 202

Brateneinwickeln 98

Dörrbeeren 186

Aufläufe 219

Breit-Wegerich 41

Dörrbirne 186

Aurikel 66

Breizusätze 264

Dörrzwetschke 186

Austernpilz 221

Brennessel-Omelettentorte

Dreckbeere 47 Duftjasmin 108

113 ff. Bachehrenpreis 131

Brennesseltorten 32

Barbarakraut 111

Brot 40

D ü n g u n g 20

Bärenklau 45, 161

Brotklee 154

Eberesche 203, 235

Bärlapptinktur 231

Brotmehl 235

Eibisch 73

Bärlauch 26, 81 ff.

Bruchöle 79

Eichelkuchen 32

— Bärlauchpesto 84

Brunnenkresse 4 3

Eicheln 1 9 , 4 6

- Bärlauchspinat 85

Buchecker 46

Einwecken 228

- Bärlauchkapern 88

Buchweizen 122

Engelsüß 48

Bauernsafran 41

Butterbrot 289

Engelwurz, Echte 164 Entbitterung 238

Baumknospen 111 Baumpech 135

Calluna vulgaris 171

Entengrütze 146

Beerenkorb 181

Caltha palustris

Entwicklungshilfe 291

Beinwell 4 4

Capsella bursa-pastoris 4 3

Enzian 265

Bellis perennis 4 0

Cardamine amara 4 4

Erdbeeren 4 7

Berberitze 47, 195

Cardamine pratensis 44

Ernähungssicherheit 261

Berberis vulgaris 47, 195

Carexpanicea

Ersatznahrung 259

Bernsteinsäure 244

Carum carvi 45

Besen 178

Chemie 292

Bibernelle 71

Christwurz 51

Fagus sylvatica 46

— Kleine Bibernelle 71,

Chutney 2 4 3

Falten-Tintling 212

142 Bienenkraut 144

302

111

43

Essigbereitung 198

Cirsium oleraceum 45 Colchicum autumnale

Farbstoffe 189 81

Färbung 248

Allgemeines Stichwortverzeichnis I

Fußabstreifen 179 Feldsalat 38 Fenchel 73 Fetthenne 44 Ficaria verna 80 Fichte 49 Filipendula ulmaria 136 Fragana vesca 47 Franzosenkraut 125 Frauenmantel 71 Frischkäseaufstriche 130 Frischsaft 132 Früchtetees 264 Fruchtsaftfärbung 189 Frühjahrssuppe 71 Frühlingskrokus 41 Futterlaub 19 Gabanol 276 Galium spec. 263 f. Gallium odoratum 98 Gänseblümchen 40 Gänsedistel 125 Gänsefuß 114, 125 Gartenheidelbeere 181 Gartenwirtschaft 25 Gelees 102 Gemeinschaft 266 Gentiana asckpiaJea 59 Gentiana lutea 265 Gentiana pannonica 265 Gentiana punctata 265 Gentiana purpurea 265 Genußmittel 102 Gerben 126 Gerbstoffe 126 Germer 57 — Weißer Germer 57 — Schwarzer Germer 57 Geschmacksverstärker 279 Gesundheitsvorbeugung 263 Gichtblume 66 Giersch 26 Ginseng 161 Glamer Kräuterkäse 158 Glarner Schabziger 158 Glechoma hederacea 128

Gleck 169

Honigpflanze 176

Glück 291

Hühner 147

Gründonnerstagssuppen

Huflattich 73

131 Grüne Bohnen 49 Güllkrankheit 58 Güllkraut 58 Güllwurz 54 Gundelrebe 128 Günsel, Kriechender 40

Hunde 61 Huperzia selago 233 Hex aquifolium

195

Isländische Moosflechte 19 Jodsalz-Aroma 279

Haferschlehe 47

Johanniskrautöl 164

Hainsimse 43

Judenkirsche 110

- Feldhainsimse 43

Juglans nigra 245

— vielblütige Hainsimse 43 Harz 130

Juglans regia 245

Haselnuß 245 Haselnüsse 26 Haselwurz 57 Hausbaum 251 Hausen 290 Heidekraut 171 Heidelbeere 180 ff. Heidelblättertee 193 Heidelbeeressig 191 Heidelbeer-Glühwein 186 Heidelbeersäfte 189 Heildolde 75 Helleborus dumetorum 58 Helleborus foetidus 60 Helleborus niger 51 Heracleum sphondylium 45 Helleborus viridis 57 Heracleum sphondylium 161

Kaffee 236

Herbsttrompete (s. Totentrompete) 215 Herbstsafran 41 Herbstzeitlose 81 Herzfreund 100 Hesperl 202 Heu 99 Hexenzauber 25 Himmelschlüssel 64 ff. Hirsensegge 43 Hirten 176 Hirtentäschelkraut 43 Hollerblütensirup 69

Kälber 79 Kälberlabmagen 263 Kalbsbraten 102 Kalbfleischpilz 221 Kamille 73 - Echte Kamille 42 - Strahlenlose Kamille 41 Kamin 179 Kamm 181 Kaninchen 210 Kaninchenstallstädte 294 Kapern 40 Kapernersatz 26, 104 Kapuzinerkresse 109 Käse 41 Käsepappel 40 Käsen 14 Käsewürze 158 Kastanien 19 Keulenbärlapp 228 Kinderbrote 26 Kirschkerne 264 Kleearten 44 Kleinviehhaltung 71 Knoblauchsrauke 131 Knödel 219 Kohle 55 Kohldistel 45, 125 Kompostierung 252 Kompotte 102 Königskerze 108

303

I Allgemeines Stichwortverzeichnis

Konservierungsstoffe 21 Kopfläuse 55

194

Nachtkerze 108

— Kriechende Mahonie

Kostbares 37

194

nahrhafte Landschaft Naschobst 26

Kraftblume 66

Maibowle 130

N a ß wiesen 144 f.

Krapfenfullungen 264

Maiglöckchen 81

Nasturtium

Kräuterbutter 130

Maikäfer 35

Naturpflaster 135

Kräuteressig 106 ff.

Maikraut 99

Naturschutz 21

Kräuteromelette 118 f.

Mais 38

Neoliberalismus 290

Kräuterpulver 161

Maische 167

Nieswurz 54

Kriecherin 47

Μαίνα sylvestris 40

- Grüne Nieswurz 57

Kühe 135

Malva negkcta 40

— Heckennieswurt 58

Kümmel 45

Margeriten 111

— Schwarze Nieswurz 51

Mästen 277

- Stinkende Nieswurz 60

officinale 4 3

Labkräuter 263

Matricaria discoidea 41

Labpflanzen 2 6 3

Matricaria chamomilla

Lakritze 48

Mauerbohnen 44

Nußlikör 249

Lamium agg. 44

Mauerpfeffer 44

Nußöl 246

Landnutzung 259

Mäuse 269 ff.

Nußdörfer 251 42

Nußlaub 252

Lärche 107

medlar tree 201

Obstsalate 102

Laubnutzung 18

Meisterwurz 59, 161 ff.

Obstsuppen 102, 185

Lauchkur 90

Meisterwurzschnäpse 168

Odermennig 172 f.

Lauchmedizin 84

Meisterwurzzugsalbe 164

Ölansätze 88

Läuse 61

Melde 114

Ölfarben 246

Leberkraut 100

Melilotos 155

Oxalis acetosella 48

Leimkraut, gewöhnliches

Melkfett 78 Mespilus germanica

125 Lemna gibba

Mischmarmeladen 204

Lemna minor 145 ff.

Mischsirupe 102

Lemna trisulca 146 Levisticum officinale 156 Liebstöckl 156

Mispelbaum 201 Mispellikör 206 Mispelmus 206

Liköre 102

Mistbaum 251

Linde 108

Mistwürmer 93, 95

Lungenkraut 132

Mittel-Wegerich 41

Luzernen 275

Molke 130, 192

LuzuLi campestris 43 Luzula multiflora

201

Milchmoos 232

146

Mölltaler Mungg'n 275 f.

43

Lycopodium alpinum

228

Lycopodium clavatum

228

Lycopodium selugo 228

Mädesüß 136

M o n d 289 Most 2 0 4

Paarin 157 f. Pädagogik 29 Pastinak 108 Paxillus panuoides Peucedanum

225

ostruthium

59, 161 Pfeffer 111 Pfeil-oder Geschoßgift 61 Pferchen 178 Pferde 61 Physalis 110 Physik 292 Pilze 26 Pilzfasern 218

Mostzubereitung 204

Pilzknödel 228

Mottenmittel 98

Pinienkerne 258

Müll 285

Pinus cembra 46, 252 ff.

Mädesüßfischsalat 32

Mundwasser 56

Plaggenwirtschaft 176

Mahonia aquifolium

Musbereitung 206

Plantago hnceolata

Mahonia repens 194

Muschelkrempling 225

Plantago major 41

Mahoniasaucen 198

Muschelpilz 221

Plantago media 41

Mahonie 194 ff.

Mutterwurz 108

Pleurotus columbinus

224

Pleurotus comucopiae

224

194

— Gewöhnliche Mahonie

304

41

Allgemeines Stichwortverzeichnis I

Pleurotus eryngii 225

Rhododendron

Pleurotus florida 224 Pleurotus olearius 225

hirsutum

Schopf-Tintling 209 Schreibtinte 212

265 224

Schölmwurz 58 Schönheitswasser 72

Rhododendron

Pleurotus ostreatus 221 Pleurotus pulmonarius

ferrugineum

265

Riffel 181

Schulweg 49

Polygonum aviculare 41

Rinder 61

Schwalbenwurz-Enzian 59

Polygonum bistorta 119

Rindsuppe 130

Schwarzbeere 180

Polypodium vulgare 48

Ringlotten (Reineclaude)

Schwarzbeermandl 191

Portulaca oleracea 38

Schwarznuß 245

47

Portulak 38

Rohkost 35, 102

Schwedenbitter 171

Preiselbeere 243

„Rohkösteln" 37

Schweine 58

Primel 67 ff.

Rohkostsalate 130

Schweinebraten 102

- Becher- oder Giftprimel

Rosenblüten 109

Sedum

Rosinen 243

Seifenproduktion 245

67

44

_ Glockenprimel 67

Roßbremsen 250

Seitling 224

- Primelsirup 70

Rotklee 108

- Floridaseitling 224

- Stengellose Primel 67

Ruchgras, gewöhnliches

- Kräuter- oder Sommer-

Primula acaulis 44, 67 Primula auricula

104

seitling 224

66

Rumexacetosa

40

Primula beesiana 67

Rumexalpinus

40

Primula elatior 44 Primulafarinosa

224 - Ölbaumseitling 224

68

Primulaflorindae

- Löffeiförmiger Seitling

67

Salbei 172

- Rillstieliger Seitling 224

Salycilschnaps 136

- Taubenblauer Seitling

Primula obconica 67

Sanguisorba minor 71, 142

Primula prolifera 67

Sanicula europaea 75

224 - Zwergmuschelseitling

Primula veris 44

Sanigl (Sanikel) 74 ff.

Prunus avium

— Saniglsalbe 78

Sempervivum

Sarcomyxa serotina 225

Silberdistel 45

ζ]

Prunus domestica subsp. in-

224 44

Sättigungsmittel 259

Sikne vulgaris 125

Saucen 102

Silieren 228

Sauerampfer 42

Sirup 142

Schabzigerklee 154

Sirupherstellung 199

Prunus spinosa 47

Schafe 61

Sorbus aucuparia 47, 203,

Prunus spinosa var. macro-

Schafgarbe 71

sititia 4 7 Prunus domestica subsp. italica 47 Prunus padus

275

Scharbockskraut 80

carpa 47

Schlafmittel 100

Pudding 102, 121

Schlangenmoos 229

235, 242 Sorbus aucuparia var. moravica 242 Sorbus aucuparia var. edu Iis

Quercus 4 6

Schlehen 26

Quitschbeerbaum 235

Schlehdorn 47

Sorbus domestica

Quitte 202

Schlüsselblumen 44

Spargelpilz 209

— Schlüsselblumenlikör 70

Spargelgemüse 26

— Schlüsselblumensirup 69

Sparsamkeitsprinzip 259

Räudemilbe 61

Schnapsansätze 88

Speck 269

Rauschbeere 181

Schneeball, Gewöhnlicher

Speiselaub 18

Ranunculusficaria

80

Regenwürmer 93

275

242 198

Speierling 198

Schneerose 26, 51 ff.

Spiritus 103

Ressourcen 291

Schneidelwirtschaft 18

Spirodela polyrrhiza

Rhododendron 175

Schnellrösten 275

Spitz-Wegerich 41

Reisen

13

146

305

I Allgemeines Stichwortverzeichnis

Sproßknospen 104 Stechmücken 250 Stechpalme 195 Steinklee 155 Stinkkraut 60 Subsistenz 260 Sumpfdotterblume 111 Süßigkeiten 207 Süßspeisen 102 Süßwurzel 48 Symphytum agg. 44

Tränken 274 Traubenkirschen 33, 275 Trifolium agg. 44 Trigonella caerulea 154 ff. TrigonelU foenum-graecum 155

Tabak 98 Talggen/Talken 276 Tanne 49 Taubnessel 44, 125 Tierfütterung 153 Tierheilkunde 78, 135 Totentrompete 215 Tradition 261 Tragopogon pratense 40

Vaccinium corymbosum 180 Vaccinium myrtillus 180 Vaccinium uliginosum 180 Vaccinium vitis-idea 243 Valerianella agg. 38 Veilchen 44 -Duftveilchen 107 Veratrum album 57

Trompetenpulver 218 Tropaeolum majus 109 Tüpfelfarn 48 Unkraut 22

Veratrum nigrum 57 Vergißmeinnicht 107 Verpilzung 19 Viburnum lantana 47 Viburnum opulus 275 Vintschgerln 157 Viola 44 Viola odorata 107 Vogelbeeren 26,47,235 Vogelbeergelee 239 Vogelbeermarmelade 241 Vogelkirschen 47 Vogelknöterich 41 Vogel-Sternmiere 114 Wacholder 49 Waldknoblauch 85 Waldmeister 33, 98 ff. Waldsauerklee 48

Krankheiten - betroffene Körperteile

Abführmittel 54,230 Abwehrkräfte 59 f. Acetaldehyd 214 Acetyl-Coenzym-A 214 Akne 197 Altherrenkrankheit 173 Anthozyanverbindung 189 Anti-Skorbutmittel 153 Anti-Syphilismittel 153 Aphrodisiaka 162 Appetitanregung 18 Appetitlosigkeit 91 Arteriosklerose 189 Arthritis 73, 143,171,232 Aspirin 138 Astrenzen 169 Ausfluß 129 Austernseitling 222

306

Beinbrüche 79 Berberin 196 Bißwunden 134 Blähungen 91 Blasenkatarrh 173 Blutdruck 55 Blutegeltherapie 171 Blutergüsse 79, 134 Blutharne 232 Blutkraut 197 Blutreinigung 173 Brandwunden 127 Brechmittel 55 Brennen 55 Bronchitis 63, 73 Catechine 126 Coprin 214

Darmkatarrhe 208 Darmparasiten 91 Darmreiniger 91 Darmschleimhaut 62 Darmseuchen 59 Darmträgheit 61 Darmwürmer 62 Depression 55, 63 Diabetes 189 Digitalisglykosid 54 Diureticum 153 Durchfall 55 Eiter 129 Ekzeme 197 Engelmacherinnen 56 Enzian 250 Erbrechen 55

Stichwortverzeichnis - Krankheiten - betroffene Körperteile I

Erkältungen 59 Erysipelas suum

I m p o t e n z 193 58

Ischias 6 0

Euterkrankheiten 135 Fadenwürmer 244

Milz- u n d Rauschbrand 59 Mitesser 7 2

Jucken 55

M ü d i g k e i t 193

Juglon 2 5 0

M u n d 55 M u n d f ä u l e 132

Fieber 136 Fisteln 132

Kälber 59

Mundgeruch 91

Flimmern 7 2

Kalziumoxalat 127

Mundhöhlenentzündung

Fußgelenke 171

Karies 2 3 2 Katarrh 7 3

123 Muskelentzündung 72

Galle 133, 143

Knie 171

Gallensekretion 90

Knochenbrüche 244

Nabelbruch 7 9

Gastritis 138

Knochenfraß 232

Nabelentzündung 79

Geburt 57

Knochengicht 2 3 2

N a c h t b l i n d h e i t 189

G e h i r n - u n d Geisteskrank-

Kompressen 208

Nachtsehvermögen 189

Kopfschmerzen 57, 63,

Nekrosen 2 3 2

heiten 55 Gelbsucht 59, 100

136

Nervosität 143

G e l e n k s e n t z ü n d u n g e n 59

Körperschwäche 55

Neuralgien 7 1

Geschlechtsorgange 2 3 0

K r a f t b l u m e 66

Nierenbeckenentzündun-

Geschwulst 160

Krampf 230

Geschwüre 79, 127, 129

Krätze 6 1

Nierenerkrankungen 6 0

Gesicht 160

Krebsgeschwüre 56

Nierensteine 127

G i c h t 55, 6 3 Gichtblume 66 Gichtmoos 232

gen 167

Niesen 57 Lähmungserscheinungen

Niesvorgang 5 7

73

Gliederbeschwerden 7 9

Leberegel 2 4 4

Ö d e m e 61

Griesleiden 100

Leberegelbefall 2 3 2

O h r e n k l i n g e n 131

grindige H a u t 132

Leberkrankheiten 100

Ohrensausen 131

grippale Infektionen 132

Leibschmerzen 173

Ölauszug 134

Grippemittel 167

Leistenbruch 7 9

Oxalate 147

Güllsucht 58

Lungenentzündung 73

Oxalsäure 127

Gurgeltee 2 5 0 Magenkrämpfe 63

Pflaster 134

Halsschmerzen 7 8

Magenkrankheit 57

Pfortadersystem 56

H ä m o r r h o i d e n 127

Magensaft 169

Podagra 56

Harnruhr 232

Magenschwäche 160

Prostatavergrößerung 173

H a r n w e g p r o b l e m e 136

M a g e n ü b e r s ä u e r u n g 138

Psoriasis 197

Helleborein 54

Magenverschleimung 132

Pulsverlangsamung 55

Hepatitis Β 197

MastdarmafFektionen 6 0

Herpes 197

Mastitis 135

Rachen 55

Herz 7 2

Maul- u n d Klauenseuche

R a c h e n t z ü n d u n g 123

Herz-Kreislaufprobleme

169

Rachitis 175

Meisterwurzschnäpse 168

R a p h i d e n - N a d e l 147

Hodenschmerzen 232

Meisterwurztinktur 167

R h e u m a t i s m u s 55

H u s t e n 63, 78, 160, 2 5 8

Meningitis 56

Rinderpest 59

Hydrochinonverbindung

M e n s t r u a t i o n 56

R i n d e r r u h r 59

M i g r ä n e 71

Rote R u h r 133

Milzkrankheiten 100, 133

Rotlauf 59

59

193

307

I Stichwortverzeichnis - Krankheiten - betroffene Körperteile

Runzeln 72

Spulwürmer 144

Russisches Penicillin 91

Stärke 127

Vitamin C 127

Stirnhöhlen 73

Wahnsinn 55

Schlaflosigkeit 71

Stuhl 91

Wassergeschwülste 232

Schlaganfall 5 4 , 7 2

Stuhlgang 132

Wassersucht 6 1 , 7 2 , 100,

Schlagflüsse 167

Tannine 126 f.

Schnittwunden 127

Tierheilkunde 62

Schuppenflechte 197

Tonikum 131

Schweinerotlauf 58

Tuberkulose 244

Schweißausbrüche 55

Weißfluß 91 Wunden 79 Wundheilsalben 134

Schwerhörigkeit 232

Übelke ' 55

Schwindelanfalle 71

Unterlcibsbeschwerden 71

Schwindelgefühl 55 Schwindel bei Lämmern

167 Wechseljahre 71

Wundreinigung 91 Wurmabtreibung 236 Würmer 56

Verdauungsstörungen 143 Verkühlung 78

Zähne, lockere 123

Sehvermögen 189

Verrenkungen 79

Zahnfleisch 56

Seuchen 59

Verstauchungen 79

Zahnfleischentzündung

Sommersprossen 72

Verstopfung 6 1 , 9 0 f ,

Speichelabsonderung 55

Viehkrankheiten 61

123 Zerrungen 79

Sprunggelenke 171

Vierzigerleikraut 136

59

Folgende Bücher von Michael Machatschek sind im Böhlau Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich: Nahrhafte Landschaft Ampfer, Kümmel, Rapunzelgemüse, Speiselaub und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen. 2003. 2. unveränd. Aufl. 284 Seiten, 200 Färb- und SW-Abb. 13,5 χ 21 cm. Geb. I S B N 3-205-99005-6 Laubgeschichten Gebrauchswissen einer alten Baumwirtschaft, Speise- und Futterlaubkultur. 2002. 544 Seiten, 55 SW- und 372 Farbabb. 13,5 χ 21 cm. Geb. I S B N 3-205-99295-4

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