Mittelhochdeutsche Grammatik: Teil II Flexionsmorphologie 9783110522723

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Mittelhochdeutsche Grammatik: Teil II Flexionsmorphologie
 9783110522723

Table of contents :
Vorwort......Page 7
Inhalt......Page 9
1. Zur Methode......Page 27
2. Zum Aufbau und zur Benutzung des Bandes......Page 32
1. Korpusstruktur und Strukturkennung......Page 37
2. Liste der Korpusquellen......Page 38
3. Verzeichnis korpusexterner Quellen......Page 51
1. Allgemeines......Page 81
2. Flexiv-Inventar......Page 85
3. Klassen......Page 95
4. Kasus: Singular-Kasus......Page 105
5. Kasus: Plural-Kasus......Page 149
6. Numerus......Page 158
7. Genus, Genusvariation und Genuswechsel......Page 181
8. Flexion der Eigennamen......Page 191
1. Überblick und Allgemeines......Page 199
2. Flexionsformenbildung......Page 222
3. Komparativ- und Superlativbildung......Page 330
4. Bildung von Adjektivadverbien......Page 343
0. Vorbemerkungen......Page 369
1. Wortartklassifikation......Page 371
2. Die pronominale Deklination......Page 374
3. Substantivische und schwache Deklination von Pronomina......Page 380
4. Pronomina im engeren Sinne......Page 381
5. Artikel......Page 457
6. Pronomina im weiteren Sinne......Page 495
0. Vorbemerkung......Page 663
1. Kardinalzahlen......Page 665
2. Ordinalzahlen......Page 710
3. Andere Zahlarten......Page 719
1. Allgemeines......Page 727
2. Die Flexion der schwachen und starken Verben......Page 748
3. Besondere Verben......Page 902
1. Zeichentabelle......Page 1013
2. Abkürzungsverzeichnis......Page 1016
3. Literaturverzeichnis......Page 1019
4. Wortregister......Page 1065
5. Sachregister......Page 1090

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Mittelhochdeutsche Grammatik Teil II Flexionsmorphologie

Thomas Klein Hans-Joachim Solms Klaus-Peter Wegera

Mittelhochdeutsche

Grammatik Teil II Flexionsmorphologie Band 1 Substantive, Adjektive, Pronomina

Abkürzungsempfehlung für diesen Band: KSW II.1

ISBN 978-3-11-052272-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-052352-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-052289-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: LVD GmbH, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen    Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Erarbeitet von: Fabian Barteld, Birgit Herbers, Thomas Klein, Sarah Kwekkeboom, Aletta Leipold, Stefan Müller, Hans-Joachim Solms, Sandra Waldenberger, Klaus-Peter Wegera

Unter Mitarbeit von: Eva Büthe-Scheider, Nina Bartsch, Katrin Chlench, Anja Micklin, Tobias Kemper, Yvonne Luther

Vorwort Als 2009 der erste von vier geplanten Bänden der Mittelhochdeutschen Grammatik (KSW III = Klein/ Solms/ Wegera: Mittelhochdeutsche Grammatik, Tl. III: Wortbildung) erschien, sollte es rasch weitergehen und spätestens nach zwei Jahren die Flexionsmorphologie als Teil  II vorliegen. Trotz der schon planmäßig abgeschlossenen Forschungsarbeiten wurde die kontinuierliche Manuskripterarbeitung nach dem Auslaufen der Langzeitförderung durch die DFG dann jedoch immer wieder durch die vielfältigen Anforderungen des akademischen Lehr-, Forschungs- und Verwaltungsalltags unterbrochen. Aus den geplanten zwei sind nun tatsächlich acht Jahre geworden. Dass der Zeitraum nicht noch länger wurde, danken wir auch dem engagierten Einsatz unserer wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die weit über den zu erwartenden Rahmen hinaus auch Teile ihrer Freizeit nutzten, um neben den inzwischen neu entstandenen Aufgaben auch die Arbeiten an der Flexionsmorphologie weiterzutreiben. Dies gilt vor allem für das Substantiv- und Verbkapitel. Wir hoffen, dass in den kommenden Jahren nun auch die Phonologie und Graphematik als Teil I (KSW I) und die Syntax als Teil IV (KSW IV) der Grammatik erscheinen können. Neben den im Titel genannten Autorinnen und Autoren möchten wir uns herzlich bei den Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern in Bochum, Bonn und Halle bedanken. Dies sind in Bochum Simone Schultz-Balluff, Cornelia Johnen, Ilka Lemke, Rebecca Wache und Vera Strobel. Dies sind in Bonn Susanne Hahn und Barbara Lenz-Kemper und alle an der Korpus-Annotation Beteiligten, die bereits in KSW  III, S. V, VIIf genannt sind und die mit ihrer Arbeit die unerlässliche Datenbasis auch für die Beschreibung der  mhd. Flexionsmorphologie geschaffen haben. Und dies sind in Halle Juliane Berger, Florian Gieseler, Peter Grube, Sylwia Kösser, Jonas Langner, Heike Link, Denise Rönsch (†), Erik Springstein und Clemens Zvaçek. Nachdrücklich danken möchten wir Birgit Herbers und Sarah Kwekkeboom für die redaktionelle Vorbereitung dieses Bandes und die Bearbeitung des Quellen-, Abkürzungs- und Literaturverzeichnisses. Die bereits für Teil III der Mittelhochdeutschen Grammatik beschriebene Arbeitsteilung der drei Arbeitsstellen wurde auch bei der Erarbeitung der Flexionsmorphologie beibehalten. So wurden die Adjektiv-, Pronominal- und Numeralflexion in Bonn, die Substantivflexion in Bochum, und die Verbflexion in Halle erarbeitet. Der schon bei den Arbeiten zu Teil III entwickelte Austausch mit den Herausgebern und Bearbeitern des neuen Mittelhochdeutschen Wörterbuchs in den Arbeitsstellen Trier, Mainz und Göttingen wurde zum Nutzen des Unternehmens fortgesetzt. Zu danken haben wir auch Kolleginnen und Kollegen, namentlich Johannes Erben, Martin Durrell, Frank Heidermanns, Jürgen Hensel, Damaris Nübling und Elke Ronneberger-Sibold, die das Manuskript z. T. auch einer kritischen Sichtung

VIII

Vorwort

unterzogen haben, für fachkundigen Rat. Ihre Anregungen und kritischen Bemerkungen wurden berücksichtigt und eingearbeitet. Danken wollen wir allen Kolleginnen und Kollegen des In- wie Auslands, die in ihrer positiven Resonanz auf KSW III für uns ein zusätzlicher Anreiz waren, nun KSW II folgen zu lassen. Sehr zu danken haben wir der DFG, die das Vorhaben als Langzeitprojekt bis 2009 gefördert hat. Einen besonderen Dank schulden wir dem Max Niemeyer Verlag, der uns in schwierigen Zeiten der Verlagsumstellung und -neuordnung immer die Treue gehalten hat. Diesen Dank übertragen wir nun auf den de Gruyter Verlag, der es uns ermöglicht, die weiteren Teile der Mittelhochdeutschen Grammatik in weitgehend unveränderter Form erscheinen zu lassen. Th. Klein, H.-J. Solms, K.-P. Wegera

Bonn, Halle, Bochum 2017

Inhalt Band 1: Substantive, Adjektive, Pronomina I. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. 2.

Zur Methode  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Zum Aufbau und zur Benutzung des Bandes  . . . . . . . . 8

II. Quellenkorpus  . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

1. Korpusstruktur und Strukturkennung  . . . . . . . . . . 13 1.1. Zeitliche Strukturierung des Korpus  . . . . . . . . . . . 13 1.2. Sprachräumliche Strukturierung des Korpus  . . . . . . . . 13 2. Liste der Korpusquellen  . . . . . . . . . . . . . . . 14 3. Verzeichnis korpusexterner Quellen  . . . . . . . . . . . 27 Sammeleditionen und Reihen  . . . . . . . . . . . . . 27 3.1. 3.2. Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III.

Substantive (Klaus-Peter Wegera, Fabian Barteld, Sarah Kwekkeboom, Sandra Waldenberger)  . . . . . . . . 55

1. Allgemeines   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Flexiv-Inventar  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Klassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Kasus: Singular-Kasus  . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.1. Die Singular-Paradigmen und ihre Entwicklung  . . . . . . . 81 4.2. Die Singular-Kasus im Einzelnen  . . . . . . . . . . . . 84 4.2.1. Maskulina  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.2.1.1. Nominativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.2.1.2. Akkusativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.2.1.3. Dativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.2.1.4. Genitiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.2.1.5. Besondere Maskulina  . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.2.2. Neutra  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4.2.2.1. Nominativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2.2.2. Akkusativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.2.2.3. Dativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.2.2.4. Genitiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.2.3. Feminina  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.2.3.1. Nominativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

X

Inhalt

4.2.3.2. Akkusativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.2.3.3. Dativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.2.3.4. Genitiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.2.3.5. Besondere Feminina  . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5. Kasus: Plural-Kasus  . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Plural-Paradigmen und Entwicklungen  . . . . . . . . . . 125 5.1. 5.2. Plural-Kasus im Einzelnen  . . . . . . . . . . . . . . 126 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 5.2.1. Nominativ  5.2.2. Akkusativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 5.2.3. Dativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 5.2.4. Genitiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5.2.5. Besondere Substantive  . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6. Numerus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6.1. Inventar und Distribution der Pluralflexive  . . . . . . . . 134 6.2. -e-Plural und endungsloser Plural  . . . . . . . . . . . . 135 6.3. Umlaut-Plural  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 6.4. -(e)n-Plural  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 -er-Plural  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 6.5. 7. Genus, Genusvariation und Genuswechsel  . . . . . . . . . 157 8. Flexion der Eigennamen  . . . . . . . . . . . . . . . 167 IV. 1. 1.1. 1.2. 1.3. 1.3.1. 1.3.2.

Adjektive (Stefan Müller)  . . . . . . . . . . . . . . . 173

Überblick und Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . 175 Gegenstand, Verfahren, Tabellendarstellung  . . . . . . . . 175 Die Formenbildung und ihre Kategorien  . . . . . . . . . 179 Verwendung der Formen im Satz  . . . . . . . . . . . . 184 Vorbemerkung. Unterscheidungsmerkmale und Einfluss der Textart  184 Attributive Verwendung. Voran- und Nachstellung. Schwache und starke Form  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1.3.3. Substantivierte Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . 187 1.3.4. Prädikative Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . 188 1.3.5. Adverbielle Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . 189 1.3.6. Die Unterscheidung nachgestellter, prädikativer, adverbieller Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1.4. Einordnung in die Gesamtentwicklung. Formregel, analytischer ­Sprachbau, OV-Stellung, Satzklammer, Kasus- und Genussemantik  191 2. Flexionsformenbildung  . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2.1. Flexionsklassen (Stämme)  . . . . . . . . . . . . . . 198 2.1.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2.1.2. Klasse 1 (grōȥ)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2.1.3. Klasse 2 (süeȥe)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Inhalt

2.1.4. 2.1.5.

XI

Schwanken zwischen Klasse 1 und 2  . . . . . . . . . . . 208 Die neue Klasse 3 (mit Nebensilbenschwund). Bedeutungsminderung der Klassen  . . . . . . . . . . . . . . . 212 2.1.6. Restklasse 4 (Indeklinabillia und Verwandtes)  . . . . . . . 214 2.2. Schwache Flexion, starke Flexion, Flexivlosigkeit  . . . . . . 216 2.2.1. Einleitung und Überblick: schwache, pronominal-starke und ­nominal-starke Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . 216 2.2.2. Schwache und starke Flexion. Die Formregel und ihre Ausnahmen  218 2.2.2.1. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2.2.2.2. Geltungsgrad der Formregel für die nominal-starken Formen  . . 219 2.2.2.3. Geltungsgrad der Formregel gegenüber der älteren Regel  . . . 220 2.2.2.4. Geltungsgrad der Formregel an sich  . . . . . . . . . . . 225 2.2.2.5. Bevorzugung der schwachen Flexion in Sonderfällen  . . . . . 228 2.2.2.6. Die Verhältnisse im Mittelfränkischen  . . . . . . . . . . 231 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2.2.3. Flexivlosigkeit  2.2.3.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2.2.3.2. Flexivlosigkeit bei prädikativer Verwendung  . . . . . . . . 236 2.2.3.3. Flexivlosigkeit bei Nachstellung  . . . . . . . . . . . . 237 2.2.3.4. Flexivlosigkeit als nominal-starke Flexion  . . . . . . . . . 243 2.2.3.5. Flexivlosigkeit bei Substantivierung  . . . . . . . . . . . 246 2.2.3.6. Flexivlosigkeit durch Apokope  . . . . . . . . . . . . . 249 2.2.3.7. Flexivlosigkeit durch Haplologie oder Synkope mit Verschmelzung  255 2.3. Mehrdeutigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2.3.1. ‑er + ‑ere > ‑ere; ‑em + ‑eme > ‑eme  . . . . . . . . . . . 262 2.3.2. ‑er > ‑re und ‑en > ‑ne  . . . . . . . . . . . . . . . 265 2.4. ‑iu/ ​‑e im Nom.Akk.Pl. neutr. stark, Nom. Sg. fem. und Akk.Sg. fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2.4.1. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2.4.2. Nom.Akk.Pl. neutr. stark  . . . . . . . . . . . . . . . 266 2.4.3. Nom.Sg. fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2.4.4. Akk.Sg. fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2.5. iu mit und ohne Umlaut  . . . . . . . . . . . . . . . 271 ‑en/ ​‑e im Akk. Sg. fem.  . . . . . . . . . . . . . . . 272 2.6. 2.7. ‑eme/ ​‑em/ ​‑en im Dat. Sg. mask. neutr.  . . . . . . . . . . 273 2.8. ‑ere/ ​‑er im Gen. Dat. Sg. fem. stark und Gen. Pl. stark  . . . . 277 2.9. ‑eȥ/ ​‑es im Nom. Akk. Sg. neutr. stark und Gen. Sg. mask. neutr. stark  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2.10. Auswirkungen der Nebensilbenabschwächung  . . . . . . . 280 2.11. ‹e›- und ‹i›-Schreibungen für Schwa  . . . . . . . . . . . 305 3. Komparativ- und Superlativbildung  . . . . . . . . . . . 306 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 3.1. Überblick 

XII

Inhalt

3.2. Lexikalisierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 3.3. Suppletion  3.4. Mehrdeutigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Auswirkungen der Nebensilbenabschwächung  . . . . . . . 313 3.5. 3.6. Periphrase  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Bildung von Adjektivadverbien  . . . . . . . . . . . . . 319 4. 4.1. Bestandsüberblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Bildungen auf e, en, es, ene, enes, līche, iclīche, lingen  . . . . . 321 4.2. 4.3. Suffixlosigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 4.4. Umlaut und Umlautlosigkeit  . . . . . . . . . . . . . 338 4.5. Auswirkungen der Nebensilbenabschwächung  . . . . . . . 340 V.

Pronomina (Thomas Klein)  . . . . . . . . . . . . . . 343

0. Vorbemerkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 1. Wortartklassifikation  . . . . . . . . . . . . . . . . 347 1.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 1.1.1. Definition  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 1.1.2. Statistisches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 1.2. Pronomina im engeren und im weiteren Sinne  . . . . . . . 348 2. Die pronominale Deklination  . . . . . . . . . . . . . 350 2.1. Die pronominale Deklination im Überblick  . . . . . . . . 350 2.1.1. Paradigma  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 2.1.2. Nebensilbenreduktion in der pronominalen Deklination  . . . . 351 2.2. Genusmarkierung in der pronominalen Deklination  . . . . . 354 3. Substantivische und schwache Deklination  . . . . . . . . 356 4. Pronomina im engeren Sinne  . . . . . . . . . . . . . 357 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 4.1. Überblick  4.2. Personalpronomen der 1. und 2. Person  . . . . . . . . . 357 4.2.1. Paradigma  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 4.2.2. Lautliches/ ​Graphisches  . . . . . . . . . . . . . . . 357 4.2.2.1. ‹h› ~ ‹ch› im Auslaut von mich, dich, sich, iu(wi)ch  . . . . . 357 4.2.2.2. r-lose Formen: mī, dī, wī, ī  . . . . . . . . . . . . . . 358 4.2.2.3. Dehnung und Diphthongierung von mir, dir, wir, ir  . . . . . 359 4.2.2.4. mer, der, wer, er ‚mir, dir, wir, ihr‘  . . . . . . . . . . . 359 4.2.3. Morphologisches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4.2.3.1. Zusatz des Flexivs -es im Genitiv Singular  . . . . . . . . . 360 4.2.3.2. Dativ-Akkusativ-Synkretismus im Singular: mich ‚mir, mich‘, dich ‚dir, dich‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4.2.3.3. Dativ-Akkusativ-Synkretismus im Plural: uns Dat.=Akk.  . . . . 361 4.2.3.4. Dativ-Akkusativ-Synkretismus im Plural der 2. Person: iuch, iu Dat.=Akk.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Inhalt

XIII

4.2.4. 1. Person Singular  . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 4.2.5. 2. Person Singular  . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 4.2.6. 1. Person Plural  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 4.2.7. 2. Person Plural  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 4.2.7.1. Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Personalpronomen der 3. Person (anaphorisches Pronomen)  . . 369 4.3. 4.3.1. Paradigma  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 4.3.2. Allgemeines  4.3.2.1. Gedehnte Formen im Md.  . . . . . . . . . . . . . . 369 4.3.2.2. Diphthongierte Formen im Obd.  . . . . . . . . . . . . 369 4.3.2.3. Gerundete Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 4.3.2.4. Formen mit h-Anlaut  . . . . . . . . . . . . . . . . 370 4.3.2.5. Reduktionsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 4.3.3. Nom.Sg.Mask.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 4.3.3.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 4.3.3.2. Mittelfränkisch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 4.3.3.3. Rheinfränkisch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 4.3.3.4. Hessisch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 4.3.3.5. Hessisch-Thüringisch und Ostmitteldeutsch  . . . . . . . . 375 4.3.3.6. Mitteldeutsch-Niederdeutsch  . . . . . . . . . . . . . 377 4.3.3.7. Reduktionsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 4.3.4. Gen.Sg.Mask.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 4.3.5. Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 379 4.3.5.1. Die Reduktion des finalen Vokals: imo > ime > im  . . . . . 379 4.3.5.2. Diphthongierte und gedehnte Formen  . . . . . . . . . . 381 4.3.5.3. Md. īme/ ​ēme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 4.3.5.4. Oberrhein. imme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 4.3.5.5. Gerundete Formen ume, ome; Formen mit h-Anlaut  . . . . . 382 4.3.5.6. Enklise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 4.3.6. Akk.Sg.Mask.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 4.3.6.1. in; ien; un, on; hin  . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 4.3.6.2. inen, ine  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 4.3.6.3. Enklitisches en, -n, -nen, -ne  . . . . . . . . . . . . . 384 4.3.7. Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 385 4.3.7.1. Vokalismus: iȥ – eȥ – ęȥ  . . . . . . . . . . . . . . . 385 4.3.7.2. Konsonantismus: ȥ > s, mfrk. d ~ t  . . . . . . . . . . . 386 4.3.7.3. Reduktionsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 4.3.8. Gen.Sg.Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 4.3.8.1. ęs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 4.3.8.2. Konsonantismus: ‹ſ, s› ~ ‹z›  . . . . . . . . . . . . . . 388 4.3.8.3. Enklitisches -s  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

XIV

Inhalt

4.3.8.4. sīn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 4.3.9. Nom./ ​Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. 390 4.3.9.1. Überblick: die s-Kasus  . . . . . . . . . . . . . . . . 390 4.3.9.2. Nom.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.  . . . . . . . . . . 391 4.3.9.3. Distinktionstypen der s-Kasus  . . . . . . . . . . . . . 393 4.3.9.4. sܷ als Regelform des Nom./ ​Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl.  . . 394 4.3.9.5. sie als Regelform im Nom./ ​Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl.  . . 394 4.3.9.6. sܷ Nom./ ​Akk.Sg.Fem. – siu Nom./ ​Akk.Pl.  . . . . . . . . . 395 4.3.9.7. Sekundäre Kasusdistinktion im Bairischen: ‫܅‬i – ‫܅‬ei – ‫܅‬eu  . . . . 396 4.3.10. Gen./ ​Dat.Sg.Fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 4.3.10.1. Diphthongierte, gedehnte, gerundete und enklitische Formen  . . 398 4.3.11. Gen.Pl.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 4.3.12. Dat.Pl.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 4.3.12.1. in, en, -n; în, ien; un, on; hin  . . . . . . . . . . . . . 400 4.3.12.2. inen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 4.4. Reflexivpronomen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 4.5. Das reziproke Pronomen ėinander  . . . . . . . . . . . 407 . . . . . . . . . . . . . . . . 410 4.6. Interrogativpronomen  4.7. Generalisierendes Pronomen swęr  . . . . . . . . . . . . 412 4.7.1. Herkunft und Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . 412 4.7.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 4.8. Indefinitpronomina  . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 4.8.1. man  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 4.8.2. ieman – nieman  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 4.8.2.1. Lautliches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 4.8.2.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 4.8.2.3. Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 4.8.3. iht, niht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 4.8.3.1. iht ‚etwas‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 4.8.3.2. niht ‚nichts‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 4.8.4. ęte(s)węr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 4.8.5. ihteswęr (mfrk. getzwē, -wat)  . . . . . . . . . . . . . 429 4.8.6. gelīch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 4.8.6.1. Herkunft und Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . 429 4.8.6.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 4.8.6.3. (aller)manne(ge)līch  . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 5. Artikel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 5.1. Definitartikel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 5.1.1. Paradigma  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 5.1.2. Nom.Sg.Mask.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 5.1.3. Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 439

Inhalt

XV

5.1.4. Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 440 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 5.1.5. Akk.Sg.Mask.  5.1.6. Gen.Pl.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 5.1.7. Dat.Pl.  5.1.8. Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 449 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 5.1.9. Instr.Sg.Neutr.  5.1.10. Nom.Sg.Fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 5.1.10.1. Reduktionsformen des Nom./ ​Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl.  . 454 5.1.11. Gen/ ​Dat.Sg.Fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 5.1.12. Akk.Sg.Fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 5.1.13. Zusammenfall von Nom. und Akk.Sg.Fem.  . . . . . . . . 459 5.1.14. Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​Fem.  . . . . . . . . . . . . . . 460 5.1.15. Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 5.2. Indefinitartikel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 5.2.1. Historische Entwicklung und Abgrenzung von Numerale und ­Indefinitpronomen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 5.2.2. Paradigma  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 5.2.3. Zum Vokalismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 5.2.4. Nom.Sg.Mask./ ​Fem./ ​Neutr., Akk.Sg.Neutr.  . . . . . . . . 465 5.2.5. Akk.Sg.Fem.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 5.2.6. Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5.2.7. Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 467 5.2.8. Akk.Sg.Mask.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 5.2.9. Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.  . . . . . . . . . . . . . . 469 6. Pronomina im weiteren Sinne  . . . . . . . . . . . . . 471 6.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 6.2. Demonstrativa  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 6.2.1. dęr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 6.2.2. dise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 6.2.2.1. Paradigmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 6.2.2.2. Entwicklungslinien  . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 6.2.2.3. Nom.Sg.Mask.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 6.2.2.4. Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.  . . . . . . . . . . . . . . 477 6.2.2.5. Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 478 6.2.2.6. Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 481 6.2.2.7. Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.  . . . . . . . . . . . . . . . . 482 6.2.2.8. Nom.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.  . . . . . . . . . . . 485 6.2.2.9. Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​Fem.  . . . . . . . . . 485 6.2.3. jėner, jėniu, jėneȥ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 6.2.4. sęlp  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 6.2.4.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

XVI

Inhalt

6.2.4.2. dęr sęlbe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 6.2.4.3. Verstärkendes sęlp  . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 6.2.5. sol(i)ch ‚solch‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 6.2.5.1. Lautliches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 6.2.5.2. Zur Verwendung von sol(i)ch  . . . . . . . . . . . . . 500 6.2.5.3. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 6.2.6. suslich ‚solch‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 6.3. Possessiva  6.3.1. Herkunft der Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . 504 6.3.2. Stellung des Possessivs in der Nominalphrase  . . . . . . . 505 6.3.2.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 6.3.2.2. Possessiv nach ėin  . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 6.3.2.3. Possessiv nach Definitartikel dęr  . . . . . . . . . . . . 506 6.3.2.4. Possessiv nach Pronomen im weiteren Sinne  . . . . . . . . 509 6.3.2.5. Possessiv nach Adjektiv  . . . . . . . . . . . . . . . 510 6.3.3. mīn, dīn, sīn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 6.3.3.1. Attributiv vorangestellt  . . . . . . . . . . . . . . . . 510 6.3.3.2. Attributiv nachgestellt  . . . . . . . . . . . . . . . . 515 6.3.4. unser  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 6.3.4.1. Der Stamm unser- (ünser-, unsr-, under-, ūser-, ǖser-)  . . . . 517 6.3.4.2. Der verkürzte Stamm uns-  . . . . . . . . . . . . . . 518 6.3.4.3. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 6.3.5. iuwer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 6.3.5.1. Die Stammvarianten iuwer- und iuw-  . . . . . . . . . . 521 6.3.5.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 6.3.6. Possessivum ir(e)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 6.3.7. Reflexive Possessiva  . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 6.4. Interrogativa  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 6.4.1. wėlich, wilich ‚welch, wie beschaffen‘  . . . . . . . . . . . 535 6.4.1.1. Lautliches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 6.4.1.2. Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 6.4.1.3. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 6.4.2. węder ‚welcher (von beiden)‘  . . . . . . . . . . . . . 542 6.4.2.1. Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 6.4.2.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 6.5. Generalisierende Pronomina  . . . . . . . . . . . . . . 544 6.5.1. swėl(i)ch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 6.5.1.1. Lautliches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 6.5.1.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 6.5.2. swęder ‚welch auch immer (von beiden)‘  . . . . . . . . . 545 6.5.2.1. Zu Herkunft und Verwendung  . . . . . . . . . . . . . 545

Inhalt

XVII

6.5.2.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 6.6. Indefinita  6.6.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 dehėin/ ​kėin, ėinig, sihėin ‚(irgend)ein/ ​kein‘, nehėin ‚kein‘  . . . . 549 6.6.2. 6.6.2.1. Übersicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 6.6.2.2. dehėin  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 6.6.2.3. kėin (hėin, chėin)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 6.6.2.4. sihėin  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 6.6.2.5. nehėin ‚kein‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 6.6.2.6. Flexion der -ėin-Indefinitpronomina dehėin, nehėin, sihėin, kėin  . 562 6.6.2.7. ėinig  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 6.6.3. ‚(k)ein von beiden‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 6.6.3.1. dewęder ‚(k)ein von beiden‘, newęder ‚kein von beiden‘  . . . . 570 6.6.3.2. ėin(t)węder ‚ein von beiden‘  . . . . . . . . . . . . . . 571 6.6.3.3. Flexion von dewęder, ėin(t)węder, newęder  . . . . . . . . . 572 6.6.4. Quantifikativa  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 6.6.4.1. ‚ein gewisser, irgendeiner, mancher‘  . . . . . . . . . . . 574 6.6.4.2. sum, sümelich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 6.6.4.3. ęte(s)-lich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 6.6.4.4. manic ‚viel‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 6.6.4.5. ‚ein‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 6.6.4.5.1. Übersicht  . . . . . . . . . . . . . . . . 587 6.6.4.5.2. ėin als Zahlwort  . . . . . . . . . . . . . . 587 6.6.4.5.3. ėin als Indefinitpronomen  . . . . . . . . . . 593 6.6.4.6. ‚jeder‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 6.6.4.6.1. Die mhd. Distributiva  . . . . . . . . . . . . 595 6.6.4.6.2. Flexion der Pronomina iegelich, ie(te)slich, iewėlich  . . 601 6.6.4.7. ‚jeder von zweien, beiden‘  . . . . . . . . . . . . . . 603 6.6.4.7.1. iegewęder, iewęder, ietwęder  . . . . . . . . . . 603 6.6.4.7.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 6.6.4.8. all  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 6.6.4.8.1. Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . 606 6.6.4.8.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 6.6.4.9. bėide  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 6.6.4.9.1. Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 6.6.4.9.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 6.6.4.9.3. Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . 623 6.6.4.10. ander  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 6.6.4.10.1. Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 6.6.4.10.2. Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . 630

XVIII

Inhalt

Band 2: Numeralia, Verben, Register, Anhänge  VI.

Numeralia (Thomas Klein)  . . . . . . . . . . . . . . 637

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 0. Vorbemerkung  1. Kardinalzahlen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 1.1. ‚ein‘  1.2. ‚zwei‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 1.2.1. Paradigma  1.2.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 1.2.2.1. Nominativ/ ​Akkusativ Maskulinum und Femininum  . . . . . 642 1.2.2.2. Nominativ/ ​Akkusativ Neutrum  . . . . . . . . . . . . 643 1.2.2.3. Genitiv und Dativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 1.3. ‚drei‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 1.3.1. Paradigma  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 1.3.2. Flexion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 1.3.2.1. Nominativ/ ​Akkusativ Maskulinum und Femininum  . . . . . 647 1.3.2.2. Nominativ/ ​Akkusativ Neutrum  . . . . . . . . . . . . 649 1.3.2.3. Genitiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 1.3.2.4. Dativ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 ‚vier‘ bis ‚neunzehn‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 1.4. 1.4.1. Paradigma (am Beispiel vier)  . . . . . . . . . . . . . 653 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 1.4.2. Formen  1.4.2.1. ‚vier(-)‘ (vier, vierde, vierƶęhen, vierƶic)  . . . . . . . . . . 653 1.4.2.2. ‚fünf(-)‘ (vünf, vünft-, vünfƶęhen, vünfƶic)  . . . . . . . . . 654 1.4.2.3. ‚sechs‘ (sęhs, sęhst-, sęhƶęhen, sęhƶic)  . . . . . . . . . . . 657 1.4.2.4. ‚sieben(-)‘ (siben, sibende, sibenƶęhen, sibenƶic)  . . . . . . . 661 1.4.2.5. ‚acht(-)‘ (ahte, aht(od)e, ahtƶęhen, ahtƶic)  . . . . . . . . . 663 1.4.2.6. ‚neun(-)‘ (niun, niunde, niunƶęhen, niunƶic)  . . . . . . . . 665 1.4.2.7. ‚zehn‘ (ƶęhen, ƶęhende, -ƶęhen)  . . . . . . . . . . . . . 667 1.4.2.8. ‚elf ‘ (ėinlif, ėinlifte)  . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 1.4.2.9. ‚zwölf ‘ (ƶwėlif, ƶwėlifte)  . . . . . . . . . . . . . . . 670 1.4.2.10. ‚dreizehn‘ bis ‚neunzehn‘  . . . . . . . . . . . . . . . 673 1.4.2.11. ‚zwanzig‘ bis ‚neunzig‘  . . . . . . . . . . . . . . . . 675 1.4.2.12. ‚hundert‘ (hunder(e)t, ƶęhenƶig(est))  . . . . . . . . . . . 678 1.4.2.13. Zahlverbindungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 1.4.3. Flexion und Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . 684 1.4.3.1. ‚vier‘ bis ‚sieben‘, ‚neun‘ bis ‚neunzehn‘  . . . . . . . . . . 684 1.4.3.2. ‚hundert‘, ‚tausend‘  . . . . . . . . . . . . . . . . . 685

XIX

Inhalt

2. Ordinalzahlen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686 Bildung und Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . 686 2.1. 2.2. Flexion und Verwendung  . . . . . . . . . . . . . . . 691 Andere Zahlarten  . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 3. 3.1. Distributiva  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 3.2. Multiplikativa  3.3. Bruchzahlen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698 VII.

Verben (Birgit Herbers, Aletta Leipold, Hans-Joachim Solms)  .

701

1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703 1.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703 1.2. Klassenbildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706 1.3. Modus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709 1.3.1. Allgemeines  1.3.2. Umlaut/ ​Umlautbezeichnung  . . . . . . . . . . . . . . 712 1.3.3. Konjunktiv: Präsens  . . . . . . . . . . . . . . . . . 715 1.3.3.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715 1.3.3.2. Modusauszeichnung  . . . . . . . . . . . . . . . . 717 (1) Endungsflexivik  717 ​​(2)  Stammvokalalternation (Wechselflexion)  718 ​ (3) Umlaut  719 ​

1.3.4. Konjunktiv: Präteritum  . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4.1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4.2. Modusauszeichnung  . . . . . . . . . . . . . . . .

719 719 721

(1) Endungs-/ ​Stammflexivik (1./ ​3.Sg.Konj.Prät.)  722 ​(2)  Umlaut (Plural Präteritum Konjunktiv)  723 ​

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben  . . . . . . . 724 2.1. Allgemeine Flexionsmerkmale  . . . . . . . . . . . . . 724 2.2. Endungsflexivik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726 2.2.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726 2.2.2. Vokalismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 2.2.2.1. Vokalgraphien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 (1) Überblick  727 ​(2)  ‹i›  728 ​(3)  ‹o›  728 ​(4)  ‹a›  729 ​(5)  ‹u›  730 ​

2.2.2.2. Vokaltilgung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

731

(1) Überblick  731 ​(2)  Apokope  731 ​(3)  Synkope  733

2.2.2.3. e-Epithese  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 2.2.3. Paradigmapositionen  . . . . . . . . . . . . . . . . 734 2.2.3.1. Infinitiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 (1) Allgemeines  734 ​ (2)  Infinitiv (3) Gerundium  736 ​

als

Teil

einer

Verbperiphrase  735 ​

XX

Inhalt

2.2.3.2. Partizipien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 (1) Allgemeines  737 ​(2)  Partizip Präsens  738 ​(3)  Partizip Präteritum  739 ​ (4) Partizip Präteritum starker Verben  741 ​(5) Partizip Präteritum schwacher Verben  742 ​

2.2.3.3. 1. Singular Indikativ Präsens und 1./ ​3. Singular Konjunktiv Präsens  744 (1) Allgemeines  744 ​(2) 1. Singular Indikativ Präsens  745 ​(3)  1./ ​3. Singular Konjunktiv Präsens  747 ​

2.2.3.4. 2. Singular Indikativ/ ​Konjunktiv Präsens  . . . . . . . . . 747 2.2.3.5. Imperativ Singular  . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 (1) Überblick  749 ​(2)  Starke Verben  750 ​(3)  Schwache Verben  752 ​

2.2.3.6. 3. Singular Indikativ Präsens  . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.7. Plural Präsens/ ​Imperativ Plural  . . . . . . . . . . . .

753 754

(1) Allgemeines  754 ​(2) 1. Plural Präsens 755 ​(3) 2. Plural Präsens 756 ​ (4) 3. Plural Präsens  758

2.2.3.8. 1./ ​3. Singular Indikativ Präteritum starker Verben  . . . . . . 759 2.2.3.9. 2. Singular Indikativ Präteritum starker Verben  . . . . . . . 760 2.2.3.10. 1./ ​3. Singular Konjunktiv Präteritum starker Verben  . . . . . 761 2.2.3.11. 2. Singular Konjunktiv Präteritum starker Verben  . . . . . . 762 2.2.3.12. 1./ ​3. Singular Präteritum schwacher Verben  . . . . . . . . 763 2.2.3.13. 2. Singular Präteritum schwacher Verben  . . . . . . . . . 765 2.2.3.14. Plural Präteritum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 (1) Allgemeines  766 ​ (2) 1. Plural Präteritum 767 ​ (3) 2. Plural Präteritum  767 ​(4) 3. Plural Präteritum  768 ​

2.3. Stammflexivik schwacher Verben  . . . . . . . . . . . . 769 2.3.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 2.3.2. Präteritum, Präteritalflexiv  . . . . . . . . . . . . . . 775 2.3.2.1. Allgemeines, dentaler Bestandteil des Präteritalflexivs  . . . . . 775 2.3.2.2. Vokalhaltiges vs. vokalloses Präteritalflexiv  . . . . . . . . 777 (A) Fortführung der ahd. klassenbezogenen Verteilung  778 ​(B)  Finite Formen – Partizip Präteritum  781 ​(C) Abhängigkeit vom Stammauslaut  783 ​

2.3.3. Schwache Verben mit Vokalwechsel im Präteritum (‚Rückumlaut‘)  785 2.3.3.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 2.3.3.2. Typen des Vokalwechsels  . . . . . . . . . . . . . . . 788 2.4. 2.4.1. 2.4.1.1. 2.4.1.2.

(1)  ė – a  789 ​(2)  ǟ – ā  791 ​(3)  ü – u (o)  792 ​(4)  üe – ue  793 ​ (5)  ȫ – ō  793 ​(6)  ǖ – ū  794 ​(7)  öu – ou  794 ​

Stammflexivik starker Verben  . . . . . . . . . . . . . 795 Präsensflexion, Stammvokal  . . . . . . . . . . . . . . 795 Starke Verben Klasse I  . . . . . . . . . . . . . . . . 798 Starke Verben Klasse II: Stammvokalalternation iu – ie  . . . . 798 (1) Verben mit ie  799 ​(2)  Verben mit iu  801 ​(3)  Verben mit ū  802 ​ (4) Verben mit Kontraktion  802

2.4.1.3. Starke Verben Klasse IIIa  . . . . . . . . . . . . . . . 803

Inhalt

XXI

2.4.1.4. Starke Verben Klasse IIIb, IV, V: Stammvokalalternation ę – i  . . 803 (1) 1. Singular Indikativ Präsens 805 ​(2)  2./ ​3. Singular Indikativ Präsens  806 ​(3) Verben mit Kontraktion  807 ​

2.4.1.5. Starke Verben Klasse IV: komen  . . . . . . . . . . . . 2.4.1.6. Starke Verben Klasse V  . . . . . . . . . . . . . . .

811 814

(1)  quęden  814 ​(2)  j-Präsentien  815 ​

2.4.1.7. Starke Verben Klasse VI  . . . . . . . . . . . . . . . 816 (1) Allgemeines  816 ​(2)  Verben mit a, ā  816 ​(3)  j-Präsentien  819 ​

2.4.1.8. Starke Verben Klasse VII  . . . . . . . . . . . . . . . 821 (1) Allgemeines  821 ​(2)  Verben mit a  821 ​(3)  Verben mit ā  824 ​ (4) Verben mit ō  826 ​(5)  Verben mit ou  826 ​(6)  Verben mit ue  827 ​

2.4.2. Präteritum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827 2.4.2.1. 2. Singular Indikativ Präteritum  . . . . . . . . . . . . 827 2.4.2.2. Tempusbildungen der starken Verben  . . . . . . . . . . 829 (1) Starke Verben Klasse I  829 ​(2) Starke Verben Klasse II  835 ​(3)  Starke Verben Klasse III  838 ​(4) Starke Verben Klasse IV  844 ​(5)  Starke Verben Klasse  V  849 ​ (6)  Starke Verben Klasse  VI 853 ​(7)  Starke Verben Klasse  VII  856 ​

2.4.2.3. Regelmäßiger Konsonantenwechsel: Grammtischer Wechsel  . .

861

(1)  f/ ​v – b  864 ​(2)  d – t  865 ​(3)  h – g (h – w, h – ng)  869 ​(4)  s – r  875 ​

3. Besondere Verben  . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 3.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 3.2. Mischung starker und schwacher Konjugation  . . . . . . . 879 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879 3.2.1. Allgemeines  3.2.2. Mischverben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879 3.2.2.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879 3.2.2.2. beginnen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880 3.2.2.3. bringen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 3.2.3. Verben mit Nebenformen  . . . . . . . . . . . . . . 882 3.2.3.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 3.2.3.2. Starke Verben mit schwachen Nebenformen  . . . . . . . . 883 3.2.3.3. Schwache Verben mit starken Nebenformen  . . . . . . . . 888 3.3. Präterito-Präsentien  . . . . . . . . . . . . . . . . . 889 3.3.1. Übersicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 889 3.3.2. Endungsflexivik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 3.3.2.1. Präsens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 3.3.2.2. Präteritum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897 3.3.3. Stammflexivik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899 3.3.3.1. Ablautreihe I  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899 (1)  wiȥȥen  899 ​(2)  ėigen  900 ​

3.3.3.2. Ablautreihe II, tugen  . . . . . . . . . . . . . . . .

900

XXII

Inhalt

3.3.3.3. Ablautreihe III  . . . . . . . . . . . . . . . . . .

901

(1) Überblick  901 ​(2)  bunnen  902 ​(3)  gunnen  902 ​(4)  kunnen  903 ​ (5)  durfen  903 ​(6)  turren  904 ​

3.3.3.4. Ablautreihe IV, soln  . . . . . . . . . . . . . . . . . 904 3.3.3.5. Ablautreihe V, mügen  . . . . . . . . . . . . . . . . 905 3.3.3.6. Ablautreihe VI, müeȥen  . . . . . . . . . . . . . . . 907 3.4. wėllen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 3.4.1. Überblick  3.4.2. Endungsflexivik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 909 3.4.2.1. Präsens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 909 3.4.2.2. Präteritum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913 3.4.3. Stammflexivik  3.4.3.1. Präsens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913 3.4.3.2. Präteritum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914 3.5. Kurzverben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 3.5.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 3.5.2. Wurzelverben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916 3.5.2.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916 3.5.2.2. tuen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916 (1) Überblick  916 ​(2)  Endungsflexivik Präsens  918 ​(3)  Endungsflexivik Präteritum  919 ​(4)  Stammflexivik Präsens  920 ​(5)  Stammflexivik Präteritum  922 ​

3.5.2.3. sīn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923 (1) Überblick  923 ​(2)  Präsens  924 ​(3)  Präteritum  930 ​

3.5.2.4. gān/ ​gēn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 931 (1) Überblick  931 ​(2)  Endungsflexivik Präsens  935 ​(3)  Endungsflexivik Präteritum  936 ​(4)  Stammflexivik Präsens  937 ​

3.5.2.5. stān/ ​stēn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 (1) Überblick  939 ​(2)  Endungsflexivik Präsens  942 ​(3)  Endungsflexivik Präteritum  943 ​(4)  Stammflexivik Präsens  944 ​

3.5.3. Kontrahierte Verben  . . . . . . . . . . . . . . . . 946 3.5.3.1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946 3.5.3.2. haben/ ​hān  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950 (1) Allgemeines  950 ​(2)  Überblick Präsens  953 ​(3)  Endungsflexivik Präsens  954 ​(4)  Stammflexivik Präsens  956 ​(5)  Überblick Präteritum  958 ​ (6) Endungsflexivik Präteritum  959 ​(7)  Stammflexivik Präteritum  960 ​

3.5.3.3. lāȥen/ ​lān  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

964

(1) Allgemeines  964 ​(2)  Überblick Präsens  965 ​(3)  Endungsflexivik Präsens  966 ​(4)  Stammflexivik Präsens  967 ​(5)  Überblick Präteritum  968 ​ (6) Endungsflexivik Präteritum  970 ​(7)  Stammflexivik Präteritum  970 ​

XXIII

Inhalt

3.5.3.4. Sonstige Kontraktionen  . . . . . . . . . . . . . . .

971

(1) Kontraktion bei inlautenden Mediae: -g-, -d-, -b-  971 ​(a)  Kontraktion von -age-  973 ​(b) Kontraktion von -ėge-/ ​-ęge-  974 ​(c)  Kontraktion von -ige-  975 ​ (d) Kontraktion von -oge-, -üge-  976 ​(e)  Kontraktion von -ide-  976 ​ (f)  Kontraktion von -ėde-/ ​-ade-/ ​-ide- (sonstige)/ ​-ėide-  976 ​ (g) Kontraktion bei -b-  978 ​(2)  Kontraktion bei h  978 ​(a)  Kontraktion von -āhe-  980 ​ (b)  Kontraktion von -ahe-  981 ​(c)  Kontraktion von -ēhe-  982 ​ (d) Kontraktion von -ęhe- (mit Wechselflexion -ihe-)  982 ​ (e) Kontraktion von -īhe-  983 ​(f) Kontraktion von -ǟhe-, -ȫhe-, -ǖhe-  984 ​ (g) Kontraktion bei Verben auf Diphthong  984 ​(3) Kontraktion bei -l-  985 ​

VIII. Anhang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 987 1. Zeichentabelle  . . . . . . . . . 2. Abkürzungsverzeichnis  3. Literaturverzeichnis  . . . . 4. Wortregister  . . . . . . . 5. Sachregister  . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . 989 . . 992 . . 995 . 1041 . 1066

I. Einleitung

1. Zur Methode Die hier gebotene grammatische Darstellung der mhd. Flexionsmorphologie beruht zum einen auf den handschriftlichen mhd. Texten des strukturierten Korpus der mhd. Grammatik (MiGraKo) als primärer Datenbasis. Zum anderen gründet die Darstellung auf dem sprachhistorischen Kenntnisstand, wie er sich in historischen Grammatiken und Wörterbüchern sowie der einschlägigen Forschungsliteratur darbietet. Auf diesem Vorwissen beruhen sowohl die Annotation des Korpus als auch die gesamte flexionsmorphologische Analyse. In dieser Einleitung wird knapp skizziert, wie wir ausgehend von den handschriftlichen Wortformen und bestimmten heuristischen Vorgaben induktiv zu abgesicherten aufbereiteten Sprachdaten gelangt sind und welche flexionsmorphologischen Beschreibungseinheiten (Grundform, lexikalischer und grammatischer Stamm, Flexiv, Flexionsklasse) dabei benutzt wurden.

E 1

Nach erfolgter Wortformtrennung (Tokenisierung) des transkribierten handschriftlichen Textes werden den Wortformen folgende Angaben zugewiesen: a) ein Lexem, das im Wesentlichen mit dem lexikographischen Stichwort (Nennform) der mhd. Wörterbücher identisch ist, im Unterschied zu ihm aber ohne Lenisierung von nt > nd (z. B. wunter ‚Wunder‘), ohne Auslautverhärtung (z. B. līb ‚Leben, Leib‘, vęld ‚Feld‘, briev ‚Urkunde, Brief‘) und ohne Geminatenkürzung im Silbenauslaut (z. B. sinn, spott, schiff statt sin, spot, schif) angesetzt ist; b) Informationen zu Wortart und Flexionsweise; letztere bestehen beim Subst. nur in Angaben zu Genus und Pluralumlaut; beim Verb in der Angabe ‚stv.‘+Klasse, ‚swv.‘ oder ‚anv.‘; c) die Flexionsbestimmung, z. B. ‚3.Sg.Konj.Prät.‘

E 2

Lexikalischer und grammatischer Stamm Bei der Analyse der im Textkorpus belegten flektierten Wortformen wird zunächst der ‚lexikalische Stamm‘ bestimmt. Er ist in der Regel gleichlautend mit dem zugeordneten Lexem, das auch als ‚Grundform‘ betrachtet werden kann. Es besteht beim Substantiv in der Form des Nom.Sg. und beim Adjektiv und dem nicht suppletiv flektierenden Pronomen in der endungslosen (prädikativen) Form. Beim Verb ist das Lexem gleichlautend mit der Form des Infinitivs, der lexikalische Stamm entspricht dagegen in der Regel dieser Form ohne die Infinitiv-Endung -(e)n. Der lexikalische Stamm ist Träger der lexikalischen Wortbedeutung. Ausgehend vom lexikalischen Stamm lässt sich die vom Vorwissen geleitete regelhafte (nicht suppletive) Bildung der Flexionsformen so beschreiben: Auf dem lexikalischen Stamm beruhen zunächst die ‚grammatischen Stämme‘; dies sind die Numerusstämme beim Substantiv, die Komparationsstämme beim Ad-

E 3

4

I. Einleitung

jektiv und die Tempus(-Numerus-Modus)-Stämme beim Verb. Mit dem lexikalischen Stamm ist jeweils der unmarkierte grammatische Stamm identisch: der SingularStamm beim Substantiv, der Positiv-Stamm beim Adjektiv und der Präsens(-Plural)Stamm beim Verb. Die übrigen grammatischen Stämme werden vom lexikalischen Stamm durch eine suffixale Erweiterung oder durch eine Modifikation des Stammes abgeleitet, die durch Ablaut, Grammatischen Wechsel oder Umlaut/ ​Rückumlaut bedingt sein kann. Diese suffixale Erweiterung bzw. Stammmodifikation trägt eine grammatische Bedeutung wie ‚Plural‘ oder ‚Präteritum Konjunktiv‘, die der grammatische Stamm damit zusätzlich zur lexikalischen Bedeutung des ihm inhärenten lexikalischen Stamms erhält. Beispiele: (1) mit Stammbildungssuffix: lexikalischer Stamm = grammatischer Präsensstamm salb- ‚salben‘ + präteritales Stammbildungssuffix -(e)t- > grammatischer Präteritumstamm salb-et-; lexikalischer Stamm = grammatischer Singularstamm rind- ‚Rind‘ + Pluralsuffix -er- > grammatischer Pluralstamm rind-er-; (2) mit Stammbildungssuffix und Umlaut/ ​Rückumlaut-Modifikation: lexikalischer Stamm = grammatischer Präsensstamm trėnk- ‚tränken‘ + präteritales Stammbildungssuffix -(e)t- und Rückumlaut > grammatischer Präteritumstamm trank-t-; lexikalischer Stamm = grammatischer Singularstamm blat‚Blatt‘ + Pluralsuffix -er- und Umlaut > grammatischer Pluralstamm blėt-er-; (3) mit Ablaut/ ​ Umlaut nur bei den starken Verben (mit teilklassenspezifischen Besonderheiten): lexikalischer Stamm = grammatischer Präsens-Plural-Stamm nęm- ‚nehmen‘ + Ablaut a) > Präteritum-Singular-Stamm nam; b) > Präteritum-Plural-Stamm nām-; c) > Partizip II-Stamm nom-; d) nęm- + Umlaut > Präsens-Singular-Stamm nim-; e) nęm- + Ablaut (nām-) + Umlaut > Präteritum-Konjunktiv-Stamm nǟm-; lexikalischer Stamm kies- ‚wählen‘ + Ablaut (*kus-) + Grammatischer Wechsel (kur-) + Umlaut > Präteritum-Konjunktiv-Stamm kür-. E 4

Flexionsendung und Flexiv Die flektierte Form kann sich mit einem grammatischen Stamm decken. Sie ist dann endungslos, z. B. im Nom./ ​Akk.Sg. der meisten Substantive oder in der 1./ ​3.Sg. Ind.Prät. der starken Verben. In der Regel aber folgt dem grammatischen Stamm eine Flexionsendung als Repräsentant eines Flexivs, das die (u. U. komplexe) grammatische Bedeutung trägt, soweit sie nicht schon vom grammatischen Stamm ausgedrückt wird. Ausdrucksseitig besteht die Flexionsendung aus einem Zeichen/ ​einer Zeichenfolge an einer bestimmten Stelle einer bestimmten Handschrift, z. B. ist in (Cgm. 39, fol. 2r, Zeile 1, 9. Wort) die Ausdrucksseite der Flexionsendung mit der Inhaltsseite ‚Gen.Sg.‘. Abstrahiert man von den unterschiedlichen singulären graphischen Realisierungen der Buchstabenformen ı und ſ, so ergibt sich eine erste Abstraktionsform ıſ mit der Bedeutung ‚Gen. Sg.‘. In einem zweiten Abstraktionsschritt werden alle Buchstabenformen wie z. B. ſ und s oder ı und í graphemisch zusammengefasst; in dem obigen Beispiel wäre das Ergebnis is ‚Gen.Sg.‘. Mit derselben Bedeutung ‚Gen.Sg.‘ verbinden sich mit got und anderen lexikalischen Stämmen u. a. auch die Flexionsendungen es und s. Die Gesamtmenge dieser gleichbedeutenden Flexionsendungen ist Ausdrucksseite des Flexivs, das durch -es oder -(e)s repräsentiert wird; dabei verdeutlicht das geklammerte -(e)s, dass es sowohl für silbische (-es) als auch für unsilbische, synkopierte (-s) Flexionsendungen steht.

1. Zur Methode

5

In Verbindung mit substantivischen lexikalischen Stämmen wie got- kann das Flexiv -es nur die Bedeutung ‚Gen.Sg.‘ haben. Dagegen ist das Flexiv -er in Verbindung mit pronominalen lexikalischen Stämmen wie manig- ‚manch‘ zunächst einmal vieldeutig: Es kann ‚Nom.Sg.Mask.‘, ‚Gen.Sg.Fem.‘, ‚Dat.Sg.Fem.‘ oder ‚Gen.Pl.‘ bedeuten. Die Menge aller dieser Bedeutungen bezeichnen wir als ‚paradigmatische Bedeutung‘ des Flexivs -er im Unterschied zu den belegspezifischen Einzelbedeutungen, die sich erst durch die kontextuelle Vereindeutigung der paradigmatischen Bedeutung ergeben. Kontextfrei hat -er in maniger nur die paradigmatische Bedeutung ‚Nom.Sg.Mask./ ​ Gen.Sg.Fem./ ​Dat.Sg.Fem./ ​Gen.Pl.‘, erst im syntaktischen Kontext von z. B. maniger tage dagegen die Einzelbedeutung ‚Gen.Pl.‘.

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Die Vorannahmen hinsichtlich Struktur und Bildung flektierter Wortformen und zur Flexionsweise von einzelnen Lexemen müssen am Material der handschriftlichen Wortformen überprüft werden. Das kann auf doppelte Weise geschehen: 1. Die ausgehend von den Vorgaben zu Lexem (lexikalischer Stamm), Wortart, Flexionsweise und den Werten der einschlägigen grammatischen Kategorien regelhaft gebildete Flexionsform muss mit der entsprechenden handschriftlichen Wortform koinzidieren, wenn man von deren graphischen und dialektalen Besonderheiten absieht. Anders gesagt: Die aufgrund unseres Vorwissens gebildete Flexionsform muss sich mit der handschriftlichen Wortform (abzüglich der genannten Besonderheiten) decken (oder revidiert werden), z. B. Lexem spręch-en, starkes Verb, 3.Sg.Konj.Prät. → sprǟche  – handschriftliche Wortform mfrk. ‫܅‬preyge, ohne graphische/ ​dialektale Besonderheiten = sprǟche. 2. Die retrograde Analyse der handschriftlichen Wortform (z. B. ‫܅‬preyge 3.Sg.Konj. Prät. ‚spräche‘) muss regelhaft über den grammatischen Stamm zum angenommenen lexikalischen Stamm zurückführen. Dabei lassen sich folgende Schritte unterscheiden: a) Beseitigung der graphischen und schreibdialektalen Besonderheiten zugunsten einer normalisierten Form: ‫܅‬preyge → sprǟche; zugleich Rücknahme von Lautwandel wie Auslautverhärtung (z. B. chīt → kind) oder Geminatenkürzung im Silbenauslaut, z. B. ‫܅‬in → sinn. b) Festlegung des grammatischen Stammes durch regressive Segmentierung: Am rechten Rand der Wortform wird das Flexiv abgetrennt, z. B. sprǟch-e → sprǟch-; salb(e)t-est ‚salbtest‘ → salb(e)t-; lieber-(e)n → lieber-. Der verbleibende Rest ist der grammatische Stamm. Problematisch ist dieser Schritt teils im Pl. der Substantive, vor allem bei den Fem. auf -e (Klasse 5 und 6 = ehemalige ō- und ōn-Stämme), bei denen wegen der Flexionsklassenmischung bei der einzelnen Wortform zunächst unklar sein kann, ob im Gen./ ​Dat.Pl. -(e)n Flexiv ist oder zum Stamm gehört (s. § S 59). Zu Problemfällen vgl. § E 7. In der Regel umfasst der grammatische Stamm den größten Wortteil, der allen Flexionsformen eines Lexems gemeinsam ist, die die grammatische Bedeutung dieses

E 6

6

I. Einleitung

Stammes (z. B. ‚Plural‘ oder ‚Präteritum‘) teilen; den jeweiligen Rest bildet die Flexion­ sendung. Dieser Umstand kann unter der Voraussetzung zur Segmentierung in grammatischen Stamm und Flexiv genutzt werden, dass ein Lexem in all seinen grammatischen Stämmen hinreichend häufig belegt ist und hinreichend viele Belege in die Entscheidung einbezogen werden können. c) Bestimmung des lexikalischen Stammes durch regelhafte Abtrennung eines Stammbildungssuffixes und/ ​oder Beseitigung von Umlaut/ ​Rückumlaut, Grammatischem Wechsel und Ablaut: rind-er- → rind-; lėmb-er- →(ohne Umlaut) lamb-; salb(e)t(Präteritumstamm) → salb-; ėlt-er- (Komparativstamm) →(ohne Umlaut) alt-; sprǟch- →ohne Umlaut sprāch →ohne Ablaut spręch-. Wo diese Überprüfung anhand der handschriftlichen Primärdaten die Vorannahmen und das eingeflossene Vorwissen nicht bestätigt, wurden sie korrigiert. E 7

Abgrenzung von Stamm und Flexiv Die Abgrenzung von Stamm und Flexiv bereitet dort Probleme, wo ein Schwa an der Stamm-Flexiv-Grenze steht und fraglich ist, ob es zum Stamm oder zum Flexiv gehört. Im Mhd. stellen sich solche Abgrenzungsprobleme mehrfach. Bei der Adjektivflexion (abgesehen von den Sonderfällen der von der Schwa-Apokope betroffenen Adjektive des Typs hol und der ja-Stämme des Typs spæte), wird das Problem dahingehend gelöst, dass bei der starken wie bei der schwachen Deklination die endungslos-nominale Form als lexikalischer (und unmarkierter grammatischer) Stamm angesetzt wird.­ Beim starken Adjektiv hängt die Stammgrenze im Mitteldeutschen davon ab, ob die endungslos-nominale Form einbezogen wird oder nicht. Hier spricht alles dafür, diese Form einzubeziehen und geradezu mit dem lexikalischen Stamm gleichzusetzen, der seinerseits auch Basis für die Bildung der Komparationsstämme ist. Bei Ausklammerung der nominalendungslosen Form ergäbe sich für das Mitteldeutsche ein Stamm rōte- des stark-pronominalen Adjektivs (weil -e(-) in allen Flexionsformen erscheint und insofern zum inva­ rianten Stamm zu zählen ist), während für das Oberdeutsche wegen der Form rōt‑iu (Nom.Sg.Fem. sowie Nom.Pl.Neutr.) ein Stamm rōt- anzusetzen wäre. Bei dieser Sachlage ist daher für das Mittelhochdeutsche insgesamt ein Stamm rōt- des starken Adj. anzunehmen. Dann ergibt sich beim schwachen Adjektiv das folgende Problem: Wie bei den n‑stämmigen Substantiven müsste man für das schwache Adjektiv einen anderen Stamm als beim starken Adjektiv annehmen, nämlich rōte- (wiederum wegen des Vorkommens von -e- in allen Flexionsformen) versus rōt‑. Dies bedeutete, dass die Flexionsweise (stark/ ​ schwach) bei dieser Segmentierung sowohl durch die unterschiedliche Gestalt des Stammes als auch durch den unterschiedlichen Satz von Flexiven ausgedrückt wäre, während die zentralere Genus-Kategorie nur durch diese Portmanteau-Flexive mitbezeichnet würde. Hinzu käme, dass homonyme Formen sich dann in der morphologischen Segmentierung als distinkt erwiesen, so im Akk.Sg.Mask. und im Dat.Pl. rōt‑en stark vs. rōte‑n schwach; ebenso im mitteldeutschen Nom.Sg.Fem. rōt‑e stark vs. rōte‑ø schwach. Wegen dieser Schwierigkeit, und weil sich die diatopischen und diachronischen Unterschiede weit einfa-

1. Zur Methode

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cher allein über die Verschiedenheit der Flexivvarianten und Flexive als mit der Annahme „pulsierender“ Stämme beschreiben lassen, empfiehlt es sich, auch für das schwache Adj. des Typs rōt den lexikalischen Stamm rōt- anzusetzen.

Auch bei den schwachen Verben ergibt sich im Mittelhochdeutschen ein ähnliches Problem insbesondere dann, wenn man den Präsensstamm und damit zugleich den lexikalischen Stamm mit dem größten invarianten Teil des Wortes gleichsetzt: Bei allen schwachen Verben, die auf ahd. schwache Verben der Klassen Ia, II und III zurückgehen und deren Stamm auf e (Schwa) endet (z. B. Ia dėne- ‚dehnen‘, II salbe‚salben‘, III lębe- ‚leben‘), wären alle Präsensflexive und das Präteritumflexiv e-los, weil e zum Stamm gehört; bei allen übrigen Verben (Ib z. B. trėnk- ‚tränken‘) würde der Präsensstamm dagegen nicht auf e enden, während die Präsensflexive und das Präteritumflexiv e-haltig wären (sofern das Schwa nicht apokopiert/ ​synkopiert wird). Im Mhd. bleibt e als klassenbezogener Fortsetzer der Stammbildungssuffixe der ahd. schwachen Verben nur partiell erhalten, stattdessen greift u. a. eine phonologische Steuerung. Aufgrund dieser konkreten Beleglage wird das aus dem Ahd. ererbte vokalische Element als Bestandteil des Personal- bzw. des Präteritalflexivs angenommen. Daher werden auch bei dėnen, loben usw. die lexikalischen (und Präsens-) Stämme dėn-, lob- usw. ohne Schwa angesetzt. Bei den Substantiven ergeben sich dann Schwierigkeiten, wenn im Nominativ Pl. stärker apokopiert wird als im Akkusativ. Es stellt sich die Frage, ob man in diesen Fällen beide Kasus dennoch als prinzipiell gleich flektierend ansehen und von einer eher zufällig belegten Stammvarianz ausgehen kann oder ob hier zumindest ansatzweise von einem systematisch begründbaren Akkusativ-Flexiv-e ausgegangen werden muss. Im umgekehrten Fall, wenn der Akkussativ stärker apokopiert belegt ist als der Nominativ, müsste man von einer Art Minus-Flexiv (in der Terminologie der Natürlichkeitstheorie: kontraikonisch) ausgehen. Die vorliegende Grammatik geht deshalb in solchen Fällen von einer Stammvarianz aus und behandelt Nominativ und Akkusativ im obigen Beispiel gleich (s. dazu auch Antonsen 1973; Gr.d.Frnhd.III, § 38, Anm. 1; Wegera 1993). Flexionsklasse Lexeme, bei denen alle Formen des Flexionsparadigmas auf dieselbe oder eine hinreichend ähnliche Weise gebildet werden, lassen sich zu einer Flexionsklasse zusammenschließen. Das heißt genauer: Verschieden sind bei ihnen im Grundsatz nur die lexikalischen Stämme; die grammatischen Stämme sind dagegen nach denselben Regeln abgeleitet und dieselben grammatischen Bedeutungen werden durch Varianten derselben Flexive ausgedrückt. Gleichwohl bleiben Flexionsklassen grammatikographische Konstrukte und ihre genauere Abgrenzung Ermessenssache.

E 8

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I. Einleitung

2. Zum Aufbau und zur Benutzung des Bandes E 9

Die makrostrukturelle Gliederung des Bandes erfolgt traditionell nach den verschiedenen Wortarten in der Reihenfolge: Substantive, Adjektive, Pronomina, Numeralia, Verben. Die für die vorliegende Flexionsmorphologie ermittelten Befunde beruhen auf dem Korpus zur Mittelhochdeutschen Grammatik, welches ausschließlich Primärquellen umfasst (zur Übersicht s. Kap. II, § E 13–E 16 sowie auf der Verlagswebseite unter https://www.degruyter.com/view/serial/39131 (hier unter Zusatzinformationen)). Die in den einzelnen Kapiteln angegebenen Beispiele und Kontextbelege stammen in der Regel aus den Texten des Korpus; viele Belege (inbesondere Belege im Kontext) sind durch einen Stellennachweis ergänzt (Korpus-Sigle, Stellenangabe, bei Verstexten auch Versangabe). Für einige Phänomene (bspw. gering belegte Paradigmenpositionen der Verben) wurden teilweise weitere Belege durch Zusatzexzerption in den nicht digitalisierten Teilen der Korpustexte ermittelt (in diesen Fällen sind Sigle und Stellenangabe in eckige Klammern gesetzt oder die Stellenangaben mit einem Stern versehen) oder externen Quellen entnommen, vor allem aus dem Referenzkorpus Mittelhochdeutsch (https://www.linguistics.rub.de/rem/index.html). Außerhalb des Korpus ermittelte Belege werden durch Asterisk vor der Sigle kenntlich gemacht (s. a. Kap. II, § E 17, Verzeichnis korpusexterner Quellen). Korpusexterne Materialien werden nicht in direkte Beziehung zu den Korpusdaten gesetzt; sie dienen vielmehr als Vergleichsfolie.

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Konkrete Belege und davon abstrahierte Lexeme werden durch verschiedene Schrifttypen unterschiedlich markiert. Die Handschriftenbelege des Grammatik-Korpus werden in der originalen (nichtnormalisierten) Schreibung der jeweiligen Handschriften wiedergegeben und durch eine vom üblichen Schriftbild abweichende Schriftart (bspw. fvzgengel) kenntlich gemacht. Dies geschieht einerseits, um die mhd. Sprachwirklichkeit in ihrer graphischen Vielfalt wiederzugeben. Andererseits ist es vielfach sachlich notwendig, die Darstellung und Argumentation mit diesen Formen zu illustrieren. Ein theoretisches Problem bietet sich dann, wenn auf der Ebene der Originalschreibung bei mehreren (hinsichtlich des in Frage stehenden Problems irrelevante) verschiedene Schreibformen belegt sind. Damit die Darstellung nicht durch mitunter umfangreiche Varianten aufgebläht wird, konnte hier die häufigste oder – bei unklaren Quantitätsverhältnissen  – die an dieser Stelle grammatikographisch angemessenste Schreibung als Leitvariante gewählt werden. Diese Formen stehen zwischen dem abstrakten Lexem und dem Originalbeleg. Sie können für ihre graphische Wiedergabe theoretisch der einen oder anderen Gruppe zugewiesen werden; sie werden in dieser Grammatik wie Belege behandelt.

2. Zum Aufbau und zur Benutzung des Bandes

9

Lexeme werden kursiviert und im Allgemeinen zur besseren Auffindbarkeit in den Wörterbüchern im Ansatz von Lexer/ ​MWB wiedergegeben, allerdings in der modifizierten Schreibung dieser Grammatik (s. Anhang 1. Zeichentabelle). Grammatikographische Einheiten und Formen wie Flexionsklassen, Paradigmen, Flexiv-Inventare und segmentierte Formen werden immer (auch) in normalisierter Form aufgeführt. Vielfach ist eine parallele Wiedergabe von Belegen und ihrer Abstraktionsform vonnöten: In Tauler findet sich bspw. der Genitivbeleg doyt zu ‚Tod‘ ohne Genitivflexiv -(e)s. Da die kombinierte Darstellung eines Originalbeleges und einer abstrakten Einheit und damit eine Wiedergabe doyt-ø theoretische Probleme bereitet, wird die grammatikographische Form tōt-ø angesetzt und durch den Originalbeleg ergänzt: tōt-ø (doyt, Taul). Besonders wichtig ist die parallele Wiedergabe in den Fällen, in denen die graphische Form nicht den (vermuteten oder anderweitig überzeugend erschlossenen) Laut(wandel) wiedergibt (z. B. Umlaut, Auslautverhärtung, Vokalquantität etc.). Hier zeigt die Lexemangabe die grammatische Regel/ ​den Wandel, die Belegwiedergabe dokumentiert den tatsächlichen Schreibusus, z. B.: „es finden sich bereits ab 212 Substantive mit Langvokal wie brot (‚brōt‘, Hoff)“. Die statistischen Angaben sind immer korpusbezogen, ggf. wird mit Befunden aus der Forschungsliteratur verglichen (die aber auf anderer Grundlage erhoben sind!). Es handelt sich immer um einfache Prozentangaben, die lediglich die allgemeinen Verhältnisse widerspiegeln. Bei sehr geringen Belegzahlen wird entweder ganz auf die Angabe von Prozentzahlen verzichtet oder diese werden durch die Angabe der absoluten Belegzahlen ergänzt. In Fällen, in denen die verschiedenen Texte einer Landschaft sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern, wird ein Range von der geringsten bis zur stärksten Belegung angegeben: so gehen etwa die 76% -e-Apokope im Dat. Neutr. im alem.-bair. Übergangsraum der ersten Hälfte des 14. Jh.s auf Prozentzahlen zwischen 10% und 100% je Text zurück.

E 11

Besonderheiten der einzelnen Kapitel Zu spezifischen Hinweisen zur Benutzung s. die Hinweise bei den einzelnen Wortarten. Im Zuge der Erarbeitung der einzelnen Wortartkapitel haben sich Besonderheiten in der Darstellung und teils auch hinsichtlich der herangezogenen Sprachdaten (Berücksichtigung korpusexterner Quellen) ergeben, die zumeist in den flexionsmorphologischen Eigenheiten der verschiedenen Wortarten, zu einem Teil aber auch im Darstellungsstil der Kapitelautoren begründet sind. Auf den Versuch, diese Unterschiede durch eine umfassende und durchgreifende Vereinheitlichung der Kapitel zu beseitigen, wurde verzichtet. Er wäre nur bedingt sachgerecht gewesen und hätte das ohnehin schon beträchtlich verspätete Erscheinen dieses Grammatikbandes noch weiter verzögert. Die Wortartkapitel sind daher auch im Inhaltsverzeichnis ihren Autoren namentlich zugewiesen. Damit wird zugleich auch die jeweilige Verantwortlichkeit verdeutlicht.

E 12

II. Quellenkorpus

Die folgende Übersicht über das Quellenkorpus dieser Grammatik (vgl. dazu Wegera 2000) ist bewusst knapp gehalten. Eine ausführlichere und differenziertere Beschreibung des Quellenkorpus (mit begründender Einleitung) wird in Teil I der Grammatik erscheinen und enthält u. a. die Signaturen der Urkunden sowie die Editionen, nach denen sich die Zählung v. a. der Verstexte richtet. Sie steht vorab schon unter Zusatzinformation auf der Verlagswebseite: https://www.degruyter.com/view/serial/39131

1. Korpusstruktur und Strukturkennung Die Kurzbezeichnung der Korpusquellen besteht aus der Strukturkennung und der Quellensigle, z. B. I-0-P1 Will mit der Strukturkennung I-0-P1 und der Quellensigle Will. Die Strukturkennung zeigt die Platzierung der Quelle in der Korpusstruktur an: Die römische Zahl am Anfang verweist auf den Zeitraum (s. § E 14), die arabische Zahl in der Mitte auf den Sprachraum (s. § E 15), der Buchstabe am Ende auf die Textart: P = Prosatext, U = Urkunden, V = Verstext. Im Text der Grammatik wird in der Regel nur die Quellensigle verwendet, die anhand der alphabetischen Übersicht im hinteren Buchdeckel aufgelöst werden kann.

E 13

1.1. Zeitliche Strukturierung des Korpus Das Korpus ist in Zeiträume von 50 Jahren gegliedert, nur der Zeitraum I umfasst wegen des spärlichen Bestands an frmhd. Handschriften 100 Jahre: Zeitraum

abgekürzt

I

1050–1150

211/ ​112

II

1150–1200

212

III

1200–1250

113

IV

1250–1300

213

V

1300–1350

114

E 14

1.2. Sprachräumliche Strukturierung des Korpus Abhängig von der handschriftlichen Überlieferungslage werden in diesen fünf Zeiträumen folgende Sprachräume unterschieden: Sprachraum

Zeitraum

0

oberdeutsch

I, III

1

bairisch

II–V

2

alemannisch-bairischer Übergangsraum (ostalem./ ​westbair.)

II–V

3

alemannisch (westalemannisch)

II–V

4

westmitteldeutsch

II–III

4a

mittelfränkisch

IV–V

4b

rheinfränkisch-hessisch

IV–V

5

hessisch-thüringisch

II–III

ostmitteldeutsch

IV–V

ostfränkisch

V

6

E 15

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II. Quellenkorpus

2. Liste der Korpusquellen E 16

Die folgende Liste enthält soweit wie möglich knappe Angaben zur Datierung und (sprachgeographischen) Lokalisierung von Text und Handschrift (Hs.). Wo aus einem Text größeren Umfangs Textausschnitte von zusammen etwa 12000 Wortformen ausgewählt wurden, wird diese Textauswahl genau bezeichnet. I-0-P1 Will

Williram von Ebersberg: Hoheliedparaphrase Text: um 1060; obd. (Kloster Ebersberg/ ​Bayern). Hs.: Breslau, Bibl. uniw., Cod. R 347 [Film; Hs. verschollen]  – Ende 11. Jh.; ofrk.

I-0-P2 WNot

Notker Labeo: Psalmenauslegung, ‚Wiener Notker‘ Text: 11. Jh. bair. (Wessobrunn?), Vorlage: vor 1020, alem. (St. Gallen). Hs.: Wien, ÖNB, Cod. 2681 [,Wiener Notker‘ = Notker Y]  – um 1100; bair. (wahrscheinlich Kloster Wessobrunn).  – Textauswahl: fol. 5ra,6– 44vb,9.

I-0-P3 BaGB/ ​HuH Bamberger Glaube und Beichte; HuH = Himmel und Hölle Texte: 11. Jh.; obd. Hs.: München, BSB, Clm 4460, fol. 103r–111v (135,1–148,17) (BaGB), fol. 111v–114r (153,1–154,61) (HuH)  – 12. Jh.; ofrk.

I-0-V1a Ezzo

Ezzos Gesang Text: ca. 1057–1065; obd. (Bamberg). Hs.: Straßburg, Bibl. Nat. et Univ., Ms. 1 (olim L. germ. 278.2o), fol. 74v (derselbe Schreiber wie bei I-0-V1b Mem)  – bald nach 1130; alem.

I-0-V1b Mem

Memento mori Text: wohl zwischen 1070 und 1085; obd. (alem.). Hs.: Straßburg, Bibl. Nat. et Univ., Ms. 1 (olim L. germ. 278.2o), fol. 154v– 155r (derselbe Schreiber wie bei I-0-V1a Ezzo)  – bald nach 1130; alem.

I-0-V2 Meri

Merigarto Text: 1070–1080/ ​um 1100; bair. Hs.: Karlsruhe, BLB, Cod. Donaueschingen A III 57  – 1. Viertel 12. Jh.; bair.

I-0-V3 RPaul

Rheinauer Paulus Text: Anfang 12. Jh.; obd. (alem.). Hs.: Zürich, ZB, Cod. Rh. 77, fol. 1r u. 53v  – 1. Drittel 12. Jh.; alem.

2. Liste der Korpusquellen

II-1-P1 Phys

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Physiologus Text: bair.? alem.? Hs.: Wien, ÖNB, Cod. 2721, fol. 129v–158r  – wohl 4. Viertel 12. Jh.; bair. (mit alem. Einsprengseln).

II-1-P2 Wind

Windberger Psalter Hs.: München, BSB, Cgm 17, fol. 9r–205v  – um/ ​nach 1174; nordöstl. westmittelbair. (wohl Windberg).  – Textauswahl: 1–1,6 (fol. 9r,1–9v,10); 2,10–17,7 (10r,1–27v,16); 51,1–66,8 (80r,1–96r,12); 127,5–147,20 (186v,1–204r,4) [Hand 1].

II-1-V1 Kchr

Kaiserchronik Text: Mitte 12. Jh; bair. (Regensburg). Hs.: Vorau, StiB, Cod. 276, 1r–73v  – 4. Viertel 12. Jh.; bair. (Vorau?).  – Textauswahl: vv. 277–1136 (fol. 2ra,12–5rb,46); 8096–8952 (35ra,12–38vb,47); 16376–17283 (69vb,46–73vb,17).

II-1-V2 HLit

Heinrich: Litanei Text: 12. Jh; bair., Österreich. Hs.: Graz, UB, Hs. 1501 (olim 39/ ​59 8°), 70r–105r (G)  – 2. Hälfte 12. Jh.; bair. (Kloster Seckau in Österreich).  – Textauswahl: fol. 70r,1–104v,13 (fol. 105r von jüngerer Hand).

II-2-P1 Spec

Speculum ecclesiae C Text: um 1130/ ​1150; bair. Hs.: München, BSB, Cgm 39 [Hs. C], fol. 4r–132v u. 142r–178v [s.  II-2-V1]  – 4. Viertel 12. Jh.; westbair.  – Textauswahl: fol. 4r,1–14r,20; 34r,1–41r,23; 64r,7–82v,22.

II-2-P2 WMEv

Wien-Münchener Evangelienübersetzung Text: spätes 12. Jh.?; obd. (alem.?). Hs.: München, BSB, Cgm 5250/ ​1 [Fragm. a]; Oxford, Bodl. Libr., Ms. Germ. b 3, fol. 15 [Fragm. b]; Wien, ÖNB, Ser. n. 249 [Fragm. c]  – Ende 12. Jh. oder um 1200; schwäb.-alem. mit bair. Einschlag.

II-2-V1 Mess

Deutung der Messgebräuche Text: ca. 1150–1160; nordalem. (Hirsau?). Hs.: München, BSB, Cgm 39, vv. 1–524 (fol. 132v,10–142r,2)  – [s. II-2-P1] (Speculum ecclesiae).

II-3-P1 PrZü

Zürcher Predigten Hs.: Zürich, ZB, Cod. C 58 (olim Nr. 275), fol. 105va,3–114va,23; 182rb,34– 183va,14  – Ende 12. Jh. (nach 1172)/ ​um 1200; alem.

16

II-3-P2 Muri

II. Quellenkorpus

Gebete und Benediktionen aus Muri Hs.: Sarnen, Bibliothek des Benediktinerkollegiums, Cod. membr. 69, fol. 1v,1–95v,12  – 12. Jh. oder um 1200; alem.

II-3-V1 LEnt

Linzer Entechrist Text: wohl zwischen 1160 und 1180; alem. Hs.: Linz, LB, Hs. 33, fol. 171r–180r  – um 1200 oder frühes 13. Jh.; alem. (oberrheinisch mit bair. Elementen).

II-3-V2 Scop

Scoph von dem Lone Text: Ende 12. Jh.; alem. Hs.: Colmar, Archives départementales du Haut-Rhin, Série F, Varia 108 [= Colmarer Bruchstücke], fol. 2r–5r  – 4. Viertel 12. Jh.; ndalem. (Elsass).

II-4-P1 TrPs

Trierer Psalmen Hs.: Trier, StB, Cod. 806/ ​4 8°  – um 1200; rhfrk. (mit alem.-els. Einschlag).  – Textauswahl: fol. 1r,1–12v,12; 36v,1–52r,7; 80r,7–94v,20.

II-4-V1 ArnM

Arnsteiner Mariengebet Text: Mitte 12. Jh.; nordrheinfrk.-moselfrk. (Beselich oder Arnstein?). Hs.: Wiesbaden, HStA, Hs. Abt. 3004, C 8, fol. 129v–135v  – 4. Viertel 12. Jh.; nordrheinfrk.-moselfrk.

II-4-V2 RBib

Mittelfränkische Reimbibel A und *A Text: Anfang 12. Jh.; mfrk.-ndfrk.-westfäl. (Werden?). Hs.: Halle, UB, Cod. Yg 34. 4° [Fragm. A]; Moskau, Bibl. der Lomonossow-Universität, Dokumentenslg. Gustav Schmidt, Fonds 40/ ​1, Nr. 37 (früher Halberstadt, Bibl. des Domgymnasiums, Fragm. 3) [Fragm. A*]  – 2. Hälfte 12. Jh.; mfrk.-ndfrk.-westfäl. (Werden?).

II-5-P1 PrFr

Frankfurter Predigtfragmente Hs.: Frankfurt, SUB, Fragm. germ. I 1  – Ende 12./ ​Anfang 13. Jh.; hess.thür.

II-5-V1 Aegi

Trierer Aegidius Text: um 1160; hess.-thür. Hs.: Trier, StB, Fragm.-Mappe X, Nr. 14, fol. 1r–5v  – Ende 12. Jh./ ​Anfang 13. Jh.; hess.-thür.

III-0-V1 Parz

Wolfram von Eschenbach: Parzival (D) Text: Anfang 13. Jh.; obd. (ofrk.). Hs.: St. Gallen, StiB, Cod. 857  – 2. Drittel 13. Jh.; westbair./ ​ostalem.  – Textauswahl: vv. 19,17–43,02 (fol. 10a,18–16b,20); 503,1–528,30 (144a,7– 151a,30); 798,17–825,30 (280a,1–287b,12 [= Schreiber 3]).

2. Liste der Korpusquellen

III-0-V2 Iw

17

Hartmann von Aue: Iwein (B) Text: um 1200; alem. Hs.: Gießen, UB, Hs. 97 [= B]  – 2. Viertel 13. Jh.; oobd.  – Textauswahl: vv. 1–709 (fol. 1r–14v,5); 4818–5648 (93v,2–109r,26); 7378–8166 (144r,11– 159v,18).

III-0-V3 Tris

Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde (M) Text: ca. 1200–1210; (west)alem. Hs.: München, BSB, Cgm 51 [= M]  – 2. Viertel 13. Jh.; bair.-ostalem.  – Textauswahl: vv. 1–818 (fol. 1ra,1–5va,14); 6951–7788 (48ra,19–52vb,18); 18131– 18749 (94vb,5–96vb,25); 18761–19194 (96vb,37–98vb,39) (1. Hand).

III-0-V4 Nib

Nibelungenlied C Text: ca. 1180–1210; ostbair.-österr. Hs.: Karlsruhe, BLB, Cod. Donaueschingen 63, fol. 1r–89r [= Nibelungenlied C] – 1. Hälfte 13. Jh., wohl 2. Viertel 13. Jh.; bair.-ostalem. (­Südtirol oder Vorarlberg?).  – Textauswahl: vv. 1,1–118,4 (fol. 1r,1–5r,32); 1304,1– 1424,4 (50r,1–54v,25); 2323,1–2440,4 (84r,23–89r,3).

III-1-P1 PrMi

Millstätter [früher Kuppitsch’sche] Predigtsammlung Text: alem. (St. Georgen?). Hs.: Krakau, Bibl. Jagiellońska, Berol. mgq 484 (und Karlsruhe, BLB, Cod. Donaueschingen 290)  – Mitte 13. Jh; bair.-österr. (Admont?).  – Textauswahl: fol. 14v,11–36v,26.

III-1-P2 PrPa

St. Pauler Predigten Hs.: St. Paul im Lavanttal, StiB, Cod. 109/ ​3 (olim Ms. 27.5.26) – 2. Viertel 13. Jh.; bair.-österr. – Textauswahl: S. 23,13–56,17; 144,13–177,10; 285,10– 320,19.

III-1-V1 Mar

Priester Wernher: Driu liet von der maget (Marienleben) Text: 1172; westbair./ ​ostschwäb. (Augsburg). Hs.: Krakau, Bibl. Jagiellońska, Berol. mgo 109 [Hs. D]  – 1. Viertel 13. Jh.; (nord)bair. (Regensburg oder Umgebung). – Textauswahl: vv. 261– 1138 (fol. 6v,1–22r,23); 2243–3161 (40r,4–54r,9); 4214–5110 (74r,1–91v,7).

III-1-V2 Hchz

Die Hochzeit Text: um 1160; alem.? Hs.: Klagenfurt, Kärntner Landesarchiv, Hs. GV 6/ ​19, fol. 142r,4–154v,8 [Millstätter Hs.]  – um 1200 oder frühes 13. Jh.; bair.-österr. mit Alemannismen.

18

III-2-P1 ZwBR

II. Quellenkorpus

Zwiefaltener Benediktinerregel Hs.: Stuttgart, WLB, Cod. theol. et phil. 4° 230  – 1. Viertel 13. Jh.; ostalem.  – Textauswahl: fol. 1v,1–27r,9; 31r,2–52r,5 ohne fol. 44v und 45r.

III-2-P2 Hoff

Hoffmann’sche Predigten Text: Ende 12. Jh.; Diözese Salzburg. Hs.: Wien, ÖNB, Cod. 2718  – 1. Drittel 13. Jh.; bair.-ostalem.  – Textauswahl: fol. 9r–30v.

III-3-P1 TrHL

St. Trudperter Hohelied Text: Anfang der 1160er Jahre; bair. (Admont) oder alem. (St. Georgen). Hs.: Wien, ÖNB, Cod. 2719 [Hs. A] – ca. 1210-25; alem., wohl nach bair. Vorlage.  – Textauswahl: fol. 1r,1–10v,18; 45v,2–55v,12; 101r,6–111v,15.

III-3-P2 Luci

Lucidarius Text: ca. 1190–1195; alem. Hs.: Göttingen, SUB, 2° Cod. Ms. theol. 101n Cim. [Lucidarius Gö1]  – 2. Viertel/ ​Mitte 13. Jh.; alem.

III-3-V1 Flor

Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur (F) Text: um 1220?; alem. Hs.: Frauenfeld, Archiv der kath. Kirchgemeinde, Cod. III Bg. [Fragm. F] – 2. Viertel 13. Jh.; hochalem. – Textauswahl: Fragment komplett, aber ohne die vier Streifchen des zerschnittenen Blattes.

III-3-V2 TriF

Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde (f/ ​f1/ ​m) Text: s. III-0-V3. Hs.: Berlin, SBPK, mgf 923 Nr. 4 [Fragm. m]; Augsburg, StUB, Fragm. germ. 31 [Fragm. f1]; Köln, Hist. Archiv, Fragmentkapsel I, Nr. XLIV [Fragm. f]  – Mitte 13. Jh.; westalem. (els.).

III-4-P1 VatG

Vatikanische Gebete Text: vielleicht noch 12. Jh.; Bistum Mainz? Hs.: Rom, BAV, Cod. lat. 4763, fol. 107r/ ​v, 109r–110r, 111v–112r, 112v–113r, 124v–128v  – 2. Viertel 13. Jh.; rhfrk. (Raum Bingen?).

III-4-V1 RhMl

Rheinisches Marienlob Text: 2. Viertel 13. Jh.; mfrk. (rip.). Hs.: Hannover, NLB, Ms I 81  – 2. Viertel 13. Jh., spätestens um 1250; rip.  – Textauswahl: fol. 1r,1–12v,11; 30r,6–42v,10; 80v,8–93v,24.

2. Liste der Korpusquellen

III-4-V2 RhTun

19

Niederrheinischer Tundalus Text: 4. Viertel 12. Jh.; mfrk. Hs.: Krakau, Bibl. Jagiellońska, Berol. mgq 642  – 1. Viertel 13. Jh.; hess. nach mfrk. Vorlage.

III-5-P1 PrMK

Mitteldeutsche Predigten (K) Text: um 1200/ ​1. Viertel 13. Jh.; vermutlich wmd. (rhfrk.-hess.?). Hs.: Berlin, SBPK, Fragm. 55 [Fragm. K]  – Mitte 13. Jh.; md. (wohl hess.-thür).

III-5-V2 GRud

Graf Rudolf Text: wohl ca. 1170–1190; vermutlich hess. Hs.: Braunschweig, StB, Fragm. 36 [a]; Göttingen, SUB, 4° Cod. Ms. philol. 184: VII [b]  – 1. Viertel 13. Jh.; thür.

III-5-V3 AlxS

Straßburger Alexander Text: letztes Drittel 12. Jh.; hess. Hs.: olim Straßburg, Seminarbibl., Hs. C. V. 16.6. 4°, 13va–29ra (sog. Straßburg-Molsheimer Hs., verbrannt) – 1. Fünftel 13. Jh.; hess.(-thür.). – Textauswahl: vv. 2063–4635.

IV-1-P1 BKön

Buch der Könige Text: zwischen 1274/ ​75 und 1282; ostschwäb. (Augsburg). Hs.: Karlsruhe, BLB, Cod. Donaueschingen 739  – 70er oder frühe 80er Jahre des 13. Jh.s; bair. (Regensburg).  – Textauswahl: fol. 1ra–14ra,1.

IV-1-P2 Bart

Bartholomäus Text: Ende 12. Jh.; (o)md. Hs.: München, BSB, Cgm 92, fol. 1r–18v [Tegernseer Bartholomäus]  – 3. Viertel 13. Jh.; bair.

IV-1-V1 Diet

Dietrichs Flucht Text: im Zeitraum von ca. 1220–1300; Österreich. Hs.: Berlin, SBPK, mgf 1062, fol. 63ra–102va [Riedegger Hs.]  – um 1300; bair.-österr. (wohl aus Niederösterreich).  – Textauswahl: vv. 2328a–3174 (fol. 63ra,1–67rb,48); 5691–6556 (80va,15–85ra,16); 9233–10004 (97vb,47– 102ra,4).

IV-1-V2 Lieht

Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst Text: Mitte 13. Jh.; bair.-österr. (Steiermark). Hs.: München, BSB, Cgm 44  – vor/ ​um 1300; niederösterr.  – Textauswahl: vv. 85,1–110,8 (fol. 6ra,3–7rb,35); 115,1–161,8 (8ra,4–10va,31); 870,1–974,8 (60ra,3–66ra,2); 1522,1–1593,8 (106vb,34–110vb,36).

20

IV-2-P1 DvATr

II. Quellenkorpus

David von Augsburg: Traktate Text: zwischen 1240 und 1272; ostschwäb. (Augsburg). Hs.: München, BSB, Cgm 183  – vor/ ​um 1300; westl. mbair.  – Textauswahl: fol. 27v,6–93v,16.

IV-2-P2 StBA

Augsburger Stadtbuch Hs.: München, BayHStA, Reichsstadt Augsburg, Lit. Nr. 32 (als Dauerleihgabe im Stadtarchiv Augsburg) – ca. 1276; ostschwäb. (Augsburg). – Textauswahl: fol. 14ra,1–21va,12; 68ra,1–76ra,3; 113va,21–122ra,12.

IV-2-U1 Augsb

Urkunden Augsburg Hs.: Augsburger Urkunden aus dem Zeitraum 1279–1285; ostschwäb. (Augsburg).

IV-2-V1 Wins

Winsbecke und Winsbeckin Text: ‚Winsbecke‘ 1210/ ​20 oder später, ‚Winsbeckin‘ etwas jünger; schwäb./ ​alem. Hs.: Berlin, SBPK, mgf 474 [Winsbecke J], fol. 61va,26–68ra,8  – um 1300; bair.-ostalem. (Tirol?).

IV-3-P1 SwSp

Schwabenspiegel Text: 1275/ ​76; ostschwäb. (Augsburg). Hs.: Karlsruhe, BLB, Cod. Donaueschingen 738 [Lassberger Hs. oder Codex Lüzelheimeri]  – 23. August 1287; alem. (Raum Freiburg).  – Textauswahl: fol. 41rb,7–56rb,18; 108ra,1–122ra,9.

IV-3-P2 PrSch

Schwarzwälder Predigten Hs.: Freiburg, UB, Cod. 460 [Gr]  – 1280–1300; (ost)alem.  – Textauswahl: fol. 4v,26–12r,11; 123v,1–131v,15; 239r,6–246r,18.

IV-3-U1 Freib

Urkunden Freiburg Hs.: Freiburger Urkunden aus dem Zeitraum von 1284–1298; alem. (Freiburg).

IV-3-V1 RWchr

Rudolf von Ems: Weltchronik Text: um 1250; alem. (Vorarlberg). Hs.: München, BSB, Cgm 8345 [Weltchronik Z = Wernigeroder Hs.]  – 4. Viertel 13. Jh.; alem.  – Textauswahl: fol. 14rb,5–20ra,26; 150rb,22–156va,10; 232va,1–237vb,35 [alles 1. Hand].

IV-3-V2 RWh

Rudolf von Ems: Wilhelm von Orlens Text: um 1235-1240; alem. Hs.: München, BSB, Cgm 63 [Hs. M]  – 4. Viertel 13. Jh.; alem. (Zürich?).  – Textauswahl: fol. 2ra,25–8rb,5; 50va,3–57ra,8; 105vb,15–111vb,38.

2. Liste der Korpusquellen

IV-4a-P1 PLilie

21

Die Lilie [Prosa] Text: letztes Drittel 13. Jh.; mfrk. (rip.?). Hs.: Wiesbaden, HessLB, Hs. 68  – ca. 1270–1290; rip.  – Textauswahl: 1,1–10,6 (fol. 3r,1–26v,4) [Prosa-Teil].

IV-4a-P2 Brig

Amtleutebuch von St. Brigiden Hs.: Köln, HistA, G 334  – Mitte/ ​spätes 13. Jh.; rip. (Köln).

IV-4a-U1 Köln

Urkunden Köln (Urkunden Gottfried Hagens) Hs.: Kölner Urkunden, geschrieben von Gottfried Hagen, aus dem Zeitraum von 1262–1274  – rip. (Köln).

IV-4a-V1 VLilie

Die Lilie [Vers] Text: s. IV-4a-P1. Hs.: Wiesbaden, HessLB, HS. 68 – s. IV-4a-P1. – Textauswahl: 10,7–54,4 (fol. 26v,4–99v,9).

IV-4a-V2 KuG

Karl und Galie (D) Text: ca. 1215–25; westrip. (Aachen?). Hs.: Darmstadt, ULB, Hs 3234, Nr. 13 [DR]; Hs 3250 [DD und DU]; Wolfenbüttel, HAB, Cod. 404.9 (5) Novi [DW]  – Ende 13. Jh./ ​um 1300; rip.

IV-4b-P1 SalH

Salomons Haus Text: 13. Jh., vor ca. 1278; wmd. Hs.: Gießen, UB, Cod. 876, S. 1–162 (Schreiber A1)  – letztes Viertel 13. Jh. (um/ ​nach 1278?); rhfrk.-hess.  – Textauswahl: S. 1,1–143,5.

IV-4b-P2 PrM

Mitteldeutsche Predigten (Codex discissus Fr, G, H1) Text: um 1200/ ​1. Viertel 13. Jh; vermutlich wmd. (rhfrk.-hess.?). Hs.: Frankfurt, SUB, Fragm. germ. II 2 [Fragm. Fr]; Freiburg, UB, Cod. 519 [Fragm. G]; Nürnberg, GNM, Cod. 42526 [Fragm. H1]  – Ende 13. Jh.; rhfrk.

IV-4b-V1 Himlf

Rheinfränkische Marienhimmelfahrt Text: 1258 oder 1269; hess.(-rhfrk.). Hs.: Gießen, UB, Cod. 876, S. 163–272 (Schreiber A2)  – letztes Viertel 13. Jh. (um/ ​nach 1278?); rhfrk.-hess.

IV-5-P1 MüRB

Mühlhäuser Reichsrechtsbuch (N) Text: ca. 1220–1230 (zwischen 1224 u. 1231?); nordthür. (Mühl­hausen). Hs.: Nordhausen, StadtA, Ms. II., Na. 6 [Hs. N] – Ende 13. Jh.; nord­thür. (Nordhausen?).

22

IV-5-P2 JMar

II. Quellenkorpus

Jenaer Martyrologium Hs.: Jena, UB, Ms. Bos. q. 3, 1r–109v  – vor/ ​um 1300; thür.  – Textauswahl: fol. 1r,1–16v,23 (Circumcisio bis XII. kal. Mart.); 58r,1–66v,24 (V. kal. Aug. bis VIII. kal. Sept.); 102v,1–109v,6 (XIX. kal. Jan. bis II. kal. Jan.).

IV-5-V1 AthP

Athis und Prophilias Text: 1. Hälfte 13. Jh.; hess.-thür. Hs.: Krakau, Bibl. Jagiellońska, Berol. mgq 846 [ABCDEF]; Berlin, SBPK, Nachlass Grimm 196 (angebunden) [A*C*]  – 3. Viertel 13. Jh.; hess.-thür.  – Textauswahl: Fragmente A–D (Schreiber 1).

V-1-P1 Rupr

Ruprecht von Freising: Rechtsbuch Text: 1328; bair. (Freising). Hs.: München, StadtA, Zimelie 1  – nach 1328; mbair. (Freising).  – Textauswahl: S. 8,1–13,28; 44,30–49,39; 66,29–79,20; 91,23–102,11.

V-1-P2 ObEv

Oberaltaicher Evangelistar Hs.: München, BSB, Cgm 66, S. 5–61  – Anfang 14. Jh.; bair.  – Textauswahl: S. 23a–26b; 32a; 34ab; 35b–36b; 38ab; 40a–42b; 52ab; 54ab; 56a.

V-1-U1 Lands

Urkunden Landshut Hs.: Landshuter Urkunden aus dem Zeitraum von 1333–1345 – bair. (Seligenthal bei Landshut).

V-1-V2 MMag

Maria Magdalena Text: noch im 13. Jh.; nordwestbair. (Nähe Regensburg?). Hs.: Wien, ÖNB, Cod. 15225, suppl. 3146, fol. 1r–33r  – um 1300; bair.-­ österr. (Steiermark). – Textauswahl: vv. 72–1036 (fol. 2v–33r) (= 2. Hand).

V-2-P1 Baum

Baumgarten geistlicher Herzen (L) Text: zwischen 1270 u. 1290; ostschwäb. (Augsburg oder Umgebung). Hs.: München, BSB, Cgm 6247 [Hs. L] – Ende 13. Jh.; ostschwäb. (Augsburg?).  – Textauswahl: fol. 17r,4–27r,19 (= Kap.  24–35); 101r,7–112r,15 v r (= Kap. 124–135); 171 ,6–181 ,21 (= Kap. 198–201).

V-2-U1 Augsb

Urkunden Augsburg Hs.: Augsburger Urkunden aus dem Zeitraum von 1336–1341  – ostschwäb. (Augsburg).

V-2-V1 Türh

Ulrich von Türheim: Rennewart Text: nach 1243; schwäb. Hs.: Berlin, SBPK, mgf 1063 [Rennewart B]  – wohl 20er Jahre des 14. Jh.s.; ostschwäb.  – Textauswahl: vv. 1–788 (fol. 61vc,1–63vc,12); 16254– 17044 (103va,1–105va,7); 34424–35210 (149vc,1–151vc,6).

2. Liste der Korpusquellen

23

V-2-V2 HartwM; HartwT Hartwig von dem Hage: Margaretenlegende; Tagzeitengedicht Texte: spätestens 3. Viertel 13. Jh.; Salzburger Raum oder Ostschwaben? Hs.: München, BSB, Cgm 717, fol. 16v–33r (‚Margaretenlegende‘) und fol. 33r–49v (‚Tagzeiten‘)  – 1348; ostschwäb.  – Textauswahl: Margaretenlegende komplett; Tagzeitengedicht: vv. 1–396 (fol. 33r,10–37r,05); 1178–1560 (45v,19–49v,21).

V-3-P2 NikP

Nikolaus von Straßburg: Predigten Text: um 1330; alem. (Freiburg?). Hs.: St. Florian, StiB, Cod. XI 284, kl. 4°, fol. 37ra,1–85rb,3 [Hs. C] – Mitte bis 70er Jahre 14. Jh.; alem.  – Textauswahl: fol. 37ra,1–51vb,14; 72ra,1–85rb,3.

V-3-U1 Freib

Urkunden Freiburg i.Br. Hs.: Freiburger Urkunden aus dem Zeitraum von 1316–1320  – alem. (Freiburg).

V-3-V1 Rapp

Philipp Colin, Claus Wisse u. a.: Rappoltsteiner Parzival Text: 1331–1336; alem.-els. (Straßburg). Hs.: Karlsruhe, BLB, Cod. Donaueschingen 97  – 1331–1336; els. (Straßburg).  – Textauswahl: vv. 1–685 (fol. 116ra,1–119rb,49); 17069–17793 (201va,2–205rb,10); 32460–33154 (282ra,1–285va,27).

V-3-V2 Mart

Hugo von Langenstein: Martina Text: abgeschlossen 1293; alem. Hs.: Basel, UB, Cod. B VIII 27 – um oder bald nach 1300; alem. (Raum Zürich).  – Textauswahl: vv. 1,1–23,26 (fol. 1ra,1–23ra,26).

V-4a-P1 Taul

Johannes Tauler: Predigten Text: vor 1361; els.? Hs.: Wien, ÖNB, Cod. 2744  – letztes Viertel 14. Jh.; rip.  – Textauswahl: fol. 1–20r,2; 79r,6–97v,6; 159r,8–178r,16.

V-4a-P2 BuMi

Buch der Minne (Rede von den 15 Graden) Text: letztes Drittel 13. Jh.; mfrk. Hs.: Prag, Bibliothek des Klosters Strahov, Cod. DG IV 17  – 1. Hälfte 14. Jh.; mfrk. (rip.).  – Textauswahl: fol. 57r,3–98v,12 (Hand 3).

V-4a-U1 Köln

Urkunden Köln Hs.: Kölner Urkunden aus dem Zeitraum von 1302–1320  – rip. (Köln).

24

V-4a-V1 Yol

II. Quellenkorpus

Bruder Hermann von Veldenz: Yolande von Vianden Text: Ende 13. Jh. (nach 1283); moselfrk. Hs.: Luxemburg, Bibl. Nationale, Ms. 860 [Textauswahl und Annotation erfolgten bereits vor Wiederauffinden der Hs. 1999; daher sind in der Auswahl auch die Partien vv. 5325–5366 und vv. 5919–5963 enthalten, die in der Hs. seit der von Alexander Wiltheim 1655 angefertigten Abschrift, auf der die Ausgabe von John Meier beruht, verloren gegangen sind.]  – Ende des 1. Viertels des 14. Jh.s; westmoselfrk. (Kloster Marienthal).  – Textauswahl: vv. 2611–3772; 4878–5963.

V-4a-V2 Göll

Schlacht bei Göllheim, Böhmenschlacht, Minnehof Texte: Ende 13. Jh.; moselfrk. Hs.: Frankfurt a. M., SUB, Ms. germ. oct. 25  – Anfang 14. Jh.; rip.

V-4b-P1 OxBR

Oxforder Benediktinerregel Hs.: Oxford, BL, Ms. Laud. Misc. 237, fol. 1r–16v  – 1. Hälfte 14. Jh.; nordrhfrk.-hess. (südl. und mittleres Nassau). – Textauswahl: fol. 1r–13v,37.

V-4b-P2 Hleb

Hermann von Fritzlar: Heiligenleben Text: 1343–1349; hess.-thür. Hs.: Heidelberg, UB, cpg 113 [und 114]  – 1343–1349; hess.-thür.  – Textauswahl: cpg 113, fol. 4r,13–17r,5; 92v,18–110r,21; 177v,9–192r,6.

V-4b-U1 Mainz

Urkunden Mainz Hs.: Mainzer Urkunden aus dem Zeitraum von 1346–1350  – rhfrk. (Mainz).

V-4b-V1 Elis

Leben der heiligen Elisabeth Text: um 1300; hess. (wohl Kloster Altenberg bei Wetzlar). Hs.: Darmstadt, ULB, Hs. 2269 [Hs. A]  – um 1320/ ​30; (zentral)hess.  – Textauswahl: vv. 1–880 (fol. 1r–19r,18); 4598–5523 (96v,24–116r,15); 9622– 10534 (201v,8–220v,16).

V-4b-V2 Erlös

Die Erlösung Text: 1. Drittel 14. Jh.; (westl.?) hess. Hs.: Krakau, Bibl. Jagiellońska, Berol. mgq 1412 (olim Berlin SBPK, mgq 1412) [B1]; Laubach, Gräfl. Solms-Laubachsche Bibliothek, ohne Sign. [L].  – 12. 1. 1336 (Schreibernotiz); rhfrk.-hess.

V-4b-V3 PrRei

Hessische Reimpredigten Text: 1. Viertel 14. Jh.; westl. Zentralhessen (Wetzlar?). Hs.: Hamburg, SUB, Cod. 99 in scrin., S. 12–312  – um 1320–30; (westl.) zentralhess.  – Textauswahl: 1,1–4,620 (fol. 12a,1–26b,12); 34,1–39,190 (159a,15–172b,8).

2. Liste der Korpusquellen

V-5-P1 BeEv

25

Berliner Evangelistar Hs.: Berlin, SBPK, mgq 533  – 1340; thür.-obersächs.  – Textauswahl: fol. 1r,1–9v,8; 57r,23–64v,15; 114v,23–125r,12 (jeweils vollständige Perikopen).

V-5-P2 MBeh

Matthias Beheim: Evangelienbuch Text: 1343; omd. Hs.: Leipzig, UB, Ms. 34, fol. 53r–224r (Evangelienbuch) u. fol. 224v–234v (Harmonie der Passionsgeschichte) – 1343; omd. – Textauswahl: fol. 53r,1– 54r,26; 55r,2–62r,16; 141v,8–149v,21; 227r,8–235r.

V-5-U1 Jena

Urkunden Jena-Weida Hs.: Jenaer Urkunden aus dem Zeitraum von 1317–1333  – omd. (Jena, Weida).

V-5-V1 LuKr

Die Kreuzfahrt Landgraf Ludwigs des Frommen Text: 1301; omd. (schles.). Hs.: Wien, ÖNB, Cod. 2737  – Anfang 14. Jh.; omd./ ​schles.  – Textauswahl: vv. 1–2398 (fol. 1r–41r,02) (1. Hand).

V-5-V2 HTri

Heinrich von Freiberg: Tristan und Isolde (Fortsetzung) Text: etwa 1285–1290; wohl Böhmen. Hs.: Florenz, Nationalbibliothek, Ms. B. R. 226 (früher: Bibl. Nazionale Centrale, Codex Magliabechianus germ. VII 9. 33. Perg)  – 1. Hälfte 14. Jh.; omd.  – Textauswahl: vv. 1–772 (fol. 103ra,1–106vb,47); 3005–3766 (118vb,27–122vb,46); 5983–6890 (136ra,1–140vb,33).

V-5-V3 Pass

Passional A (Marienlegenden) Text: Ende 13. Jh.; omd. Hs.: Berlin, SBPK, mgf 778 [Passional A]  – 2. Viertel 14. Jh.; omd.  – Textauswahl: vv. 1,1–19,103 (fol. 76va,9–91ra,27).

V-6-P1 GnaÜ

Christine Ebner: Von der Gnaden Überlast (N2) Text: 1340er Jahre, aber vor 1346; ofrk. (Kloster Engelthal). Hs.: Nürnberg, GNM, Hs. 1338 [N2]  – um/ ​nach 1350; ofrk.  – Textauswahl: S. 1,1–38,2; 74,5–112.

V-6-P2 SBNü

Satzungsbuch Nürnberg (I/ ​A) Hs.: Nürnberg, StA, Reichsstadt Nürnberg, Amts- und Standbücher Nr. 228  – 1302 bis ca. 1310; ofrk. (Nürnberg).

V-6-P3 WüPo

Würzburger Polizeisätze Text: 1342/ ​43; ofrk. (Würzburg). Hs.: München, UB, 2 Cod. ms. 731 (= Cim. 4) [Würzburger Liederhs.], 238va–251va  – ca. 1347–1350; ofrk. (Würzburg).  – Textauswahl: fol. 240ra– 251va,14.

26

V-6-U1 Nürnb

II. Quellenkorpus

Urkunden Nürnberg Hs.: Nürnberger Urkunden aus dem Zeitraum von 1335–1341  – ofrk. (Nürnberg).

V-6-V1 Renn

Hugo von Trimberg: Der Renner Text: wohl Ende 13. Jh.; ofrk. (Bamberg). Hs.: Erlangen, UB, Ms B 4 (olim Cod. Erl. 1460) [Renner E1]  – 1347; ofrk. (Nürnberg).  – Textauswahl: vv. 1–766 (fol. 1va,5–6va,1); vv. 11313– 11928 (fol. 74ra,10–78ra,11); vv. 23794–24611 (fol. 151va,1–156vb,15).

V-6-V2 Lupo

Lupold Hornburg: Reden Text: 1347 (Rede IV) und 1348 (Rede I–III); ofrk. (Würzburg oder Umgebung). Hs.: München, UB, 2 Cod. ms. 731 (= Cim. 4) [Würzburger Liederhs.], fol. 226ra,32–234va,12  – wohl ca. 1350 entstanden; ofrk.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

27

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen 3.1. Sammeleditionen und Reihen ATB

Altdeutsche Textbibliothek

Bibl.d.ges.dt.Nat.-Lit.

Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit.

DTM

Deutsche Texte des Mittelalters.

GAG

Göppinger Arbeiten zur Germanistik

Maurer, Rel. Dicht.

Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts. Nach ihren Formen besprochen und hrsg. v. Friedrich Maurer, Bd. I–III, Tübingen 1964–1970.

Kraus, Dt. Gedichte

Deutsche Gedichte des zwölften Jahrhunderts. Hrsg. v. Carl Kraus. Halle/ ​S. 1894.

Kriedte, Bibelfragmente

Horst Kriedte, Deutsche Bibelfragmente in Prosa des XII. Jahrhunderts. Halle/ ​S. 1930.

Selmer, Benediktinerregeln

Middle High German Translations of the Regula Sancti Benedicti. The eight oldest versions. Edited with an introduction, a Latin-Middle High German glossary, and a facsimile page from each manuscript by Carl Selmer. Cambridge MA 1933 (The Mediaeval Academy of America 17). [Nachdr. New York 1970]

Steinmeyer, Sprachdenkm.

Die kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler. Hrsg. v. Elias von Steinmeyer. Berlin 1916.

StLV

Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart.

Waag/ ​Schröder, Dt.Ged.

Kleinere deutsche Gedichte des 11. und 12. Jahrhunderts. Nach der Auswahl von Albert Waag neu hrsg. von Werner Schröder. 2 Bde. Tübingen 1972 (ATB 71/ ​72).

Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa Denkmäler deutscher Prosa des 11. und 12. Jahrhunderts. Hrsg. v. Friedrich Wilhelm, A: Text. München 1914 (Münchener Texte 8). [Nachdr. München 1960]

E 17

28

II. Quellenkorpus

3.2. Quellen *AbBlutsegen

Abdinghofer Blutsegen Carl Selmer: An Unpublished Old German Blood Charm. In: The Journal of English and Germanic Philology 51 (1952), 345–354.

*Ad equum errehet

Ad equum errehet In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 66,2, 373.

*AHeinr

Hartmann von Aue: Der arme Heinrich. Hrsg. v. Hermann Paul. 17., durchges. Aufl. bes. v. Kurt Gärtner. Tübingen 2001 (ATB 3).

*ÄJud

Drei Jünglinge im Feuerofen; Ältere Judith In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 15, 398–407; Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 4.

*Albanus Albanus In: Maurer, Rel. Dicht. III, Nr. 62, 605–613. *Albert

Albert von Augsburg: Leben des heiligen Ulrich. Hrsg. v. Karl-Ernst Geith. Berlin 1971 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker 39 [163]).

*Alkuin

Alkuins Traktat ‚De virtutibus et vitiis‘ In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 9, A: 33–37, B: 70–79.

*Andreas Andreas In: Kraus, Dt. Gedichte, Nr. 13, 64–67, 250–259. *Aneg

Das Anegenge. Hrsg. von Dietrich Neuschäfer. München 1969 (Altdeutsche Texte in kritischen Ausgaben 1).

*Anno

Das Annolied. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Hrsg., übers. u. komm. v. Eberhard Nellmann. 5. Aufl. Stuttgart 1999 (Reclam-UB 1416).

*Anno O

Das Annolied. Hrsg. von Max Roediger. Berlin 1895 (MGH Dt. Chron. I, 2).

*ÄPhys

Physiologus (Älterer/ ​Ahd. Physiologus) In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 2, A: 4–20, B: 13–52.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

29

*Apostelgesch Apostelgeschichte Eine ostdeutsche Apostelgeschichte des 14. Jahrhunderts (aus dem Königsberger Staatsarchiv, Handschrift A 191). Hrsg. v. Walther Ziesemer. Halle/ ​S. 1927 (ATB 24). *ArnoltSieb

Priester Arnold: ‚Loblied a. d. hl. Geist‘ (‚Von der Siebenzahl‘) In: Maurer, Rel. Dicht. III, Nr. 48, 53–85.

*ÄSigen

(Älterer) Sigenot In: Dietrichs Abenteuer von Albrecht von Kemenaten nebst den Bruchstücken von Dietrich und Wenezlan. Hrsg. v. Julius Zupitza. Berlin 1870 (Deutsches Heldenbuch, Fünfter Teil), 207–215.

*AugustReg

Hugo von St. Victor: Expositio in regulam S. Augustini, dt. [Katharinenthaler] Übersetzung In: Mittelalterliche und frühneuzeitliche deutsche Übersetzungen des pseudo-hugonischen Kommentars zur Augustinerregel. Hrsg. v. Igna Marion Kramp. Münster 2008 (Corpus Victorinum. Textus historici 2), 44–161.



*AvaJG

Ava: Das Jüngste Gericht In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 43, 499–513.

*AvaLJ

Ava: Das Leben Jesu In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 41, 399–498.

*BabGefang

Von der babylonischen Gefangenschaft Carl von Kraus: Collation und Abdruck von Fragmenten des 12. Jahrhunderts. In: ZfdA 50 (1908), 328–333.

*BaBlutsegen

Bamberger Blutsegen In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 69; Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 18.

*BaumJohBapt

Baumgartenberger Johannes Baptista In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 27, 134–139; Kraus, Dt. Gedichte, Nr. 3, 12–15, 101–111.

*BdN

Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur. Die erste Naturgeschichte in deutscher Sprache. Hrsg. v. Franz Pfeiffer. Stuttgart 1861.

*BenedGlB I

Benediktbeurer Glaube u. Beichte I In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 53.

30

II. Quellenkorpus

*BenedGlB II

Benediktbeurer Glaube u. Beichte II In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 52.

*BenedGlB III

Benediktbeurer Glaube u. Beichte III In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 60.

*BenGeb

Benediktbeurer Gebet zum Messopfer In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 35, 316–321.

*BenRat

Benediktbeurer Ratschläge u. Gebete In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, A: 104–107, B: 193–196.

*Beowulf Beowulf Klaeber’s Beowulf and the Fight at Finnsburg. Ed., with introduction, commentary, appendices, glossary, and bibliography by R. D. Fulk, Robert E. Bjork, John D. Niles, with a foreword by Helen Damico. 4th ed. Toronto, Buffalo, London 2008. *Blume der Schauung

Die Blume der Schauung. Hrsg. v. Kurt Ruh. München 1991 (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 16).

*BrAdm

Admonter Benediktinerregel In: Selmer, Benediktinerregeln, 206–244.

*BraunschwRchr

Braunschweigische Reimchronik. Hrsg. v. Ludwig Weiland. In: MGH Deutsche Chroniken II. Hannover 1877, 430–585.

*BrEng

Engelberger Benediktinerregel In: Selmer, Benediktinerregeln, 89–128.

*BrHoh

Hohenfurter Benediktinerregel In: Selmer, Benediktinerregeln, 48–88.

*BvgSP

Das Buch von guter Speise (A) Daz bůch von gůter spise. Aus der Würzburg-Münchener Handschrift. Hrsg. v. Hans Hajek. Berlin 1958 (Texte des späten Mittelalters 8).

*Cäc

Caecilia (Verslegende) Anton Schönbach: Sant Cecilia. In: ZfdA 16 (1873), 165–223.

*Capsula

Bamberger Arzneibuch [Arzenîbuoch Ipocratis (B)] In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 25B, B: 244–249.

*ChristhChr Christherre-Chronik Hs. Göttingen, Staats- und Universitätsbibl., 2° Cod. Ms. philol. 188/ ​10. Transkription von Monika Schwabbauer: http:// dtm.bbaw.de/bilder/christh.pdf/at_download/file

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

31

*Christi Geburt

Von Christi Geburt In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 26, 124–133.

*Christus und Pilatus

Christus und Pilatus In: Maurer, Rel. Dicht. III, Nr. 55, 429–433; Kraus, Dt. Gedichte, Nr. 1, 3–6, 71–77.

*ContracadM/ ​P

Contra caducum morbum (M/ ​P) In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 70, 380–383.

*Contraparal

Contra paralysin theutonice In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 72,1, 384f.

*Cranc

Die Prophetenübersetzung des Claus Cranc. Hrsg. v. Walther Ziesemer. Halle/ ​S. 1930 (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Sonderreihe 1).

*Craun

Moriz von Craûn Mauritius von Craûn. Hrsg. v. Heimo Reinitzer. Tübingen 2000 (ATB 113).

*Cresc Crescentia Ernst Martin: Colmarer Bruchstücke aus dem 12. Jahrhundert. In: ZfdA 40 (1896), 305–331. *Daniel

(Buch) Daniel Dichtungen des Deutschen Ordens, Bd. III: Die poetische Bearbeitung des Buches Daniel. Aus der Stuttgarter Handschrift. Hrsg. v. Arthur Hübner. Berlin 1911 (DTM 19).

*De definitione

De definitione (Bruchstück einer Logik) In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 25.

*EbvErf

Ebernard von Erfurt: Heinrich und Kunegunde. Zum ersten Male nach der einzigen Handschrift hrsg. v. Reinhold Bechstein. Quedlinburg, Leipzig 1860 (Bibl.d.ges.dt.Nat.-Lit. 39). [Nachdr. Amsterdam 1968]

*Eilh M

Eilhart von Oberg: Tristrant (M) In: Eilhart von Oberg, Tristrant, I. Die alten Bruchstücke. Hrsg. v. Kurt Wagner. Bonn, Leipzig 1924 (Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde 5), 32*–47*, 6–32.

*Eilh R

Eilhart von Oberg: Tristrant (R) In: Wagner, Eilhart von Oberg, 23*–32*, 45–47.

32

II. Quellenkorpus

*Eilh S

Eilhart von Oberg: Tristrant (St) In: Wagner, Eilhart von Oberg, 38*–47*, 32–49.

*Elmend

Wernher von Elmendorf, Fragm. B In: Wernher von Elmendorf. Unter Mitarbeit von Udo Gerdes, Joachim Heinzle und Gerhard Spellerberg hrsg. v. Joachim Bumke. Tübingen 1974 (ATB 77).

*EngelbGeb

Engelberger Gebete In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 30, A: 87–93, B: 177– 179.

*EnikFb

Jansen Enikel: Fürstenbuch In: Jansen Enikels Werke. Hrsg. v. Philipp Strauch. Hannover, Leipzig 1891–1900 (MGH Deutsche Chroniken III), 597–679.

*EnikWchr

Jansen Enikel: Weltchronik In: Jansen Enikels Werke. Hrsg. v. Philipp Strauch. Hannover, Leipzig 1891–1900 (MGH Deutsche Chroniken III), 1–596.

*Er

Hartmann von Aue, Erec. Mit einem Abdruck der neuen Wolfenbütteler und Zwettler Erec-Fragmente. Hrsg. v. Albert Leitzmann, fortgeführt von Ludwig Wolff. 7. Aufl. bes. von Kurt Gärtner. Tübingen 2006 (ATB 39).

*Eracl Eraclius. Deutsches Gedicht des dreizehnten Jahrhunderts. Hrsg. v. Harald Graef. Straßburg, London 1883. *ErfJud

Erfurter Judeneid In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 36, A: 108, B: 198–200.

*ErnstA M

Herzog Ernst A (M) In: Cornelia Weber: Untersuchung und überlieferungskritische Edition des Herzog Ernst B. Mit einem Abdruck der Fragmente von Fassung A. Göppingen 1994 (GAG 611), 5, 192–195, 356–376.

*ErnstA P

Herzog Ernst A (P) In: Weber, Herzog Ernst B, 5, 186–191, 221–226, 247–251, 260– 264, 270–275, 347–352.

*ErnstA S

Herzog Ernst A (S) In: Weber, Herzog Ernst B, 5, 181–185, 214–225.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

33

*Ess. Evang.-Gll.

Glossen des Essener Evangeliars In: Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler mit Anmerkungen und Glossar. Hrsg. v. Elis Wadstein. Norden, Leipzig 1899, 48–61.

*EvStPaul

Johannes Fournier: St. Pauler Evangelienreimwerk. Bd. 1. Bern, Berlin 1997 (Vestigia Bibliae 19).

*Exod

Altdeutsche Exodus Die altdeutsche Exodus. Untersuchungen und kritischer Text. Hrsg. v. Edgar Papp. München 1968 (Medium Aevum 16).

*Flors

Flors inde Blanzeflors Die Mülheimer Bruchstücke von Flors und Blanzeflors. Hrsg. v. Heinrich Schafstaedt. Mülheim-Rhein 1906 (Gymnasium und Realschule zu Mülheim am Rhein. Abhandlung zum Jahresbericht über das Schuljahr 1905–1906).

*FranzRegel

Franziskanerregel (Augsburger Drittordensregel) Anton Birlinger: Deutsche Franziscanerregel des XIII. Jahrhunderts. In: Germania 18 (1873), 186–195.

*Frauengeheim Frauengeheimnisse In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 13, A: 46; B: 115f. *FrauGeb

Vorauer Gebet einer Frau In: Maurer, Rel. Dicht. III, Nr. 64, 621–624.

*Freid

Fridankes Bescheidenheit, von H. E. Bezzenberger. Halle/ ​S. 1872. [Nachdr. Aalen 1962]

*FriedbChrist

Friedberger Christ In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 25, 103–123.

*FüssSprachpr

Füssener Sprachproben In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 40, A: 111–113, B: 209f.

*GalSchularb

St. Galler Schularbeit In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 26, 121–123.

*GebetsanwAug

Augsburger Gebetsanweisungen zum Psalter In: Hardo Hilg: Lateinische mittelalterliche Handschriften in Quarto der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppen Cod. I.2.4° und Cod. II.1.4°. Wiesbaden 2007 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg I,3), 76– 79. [Teilabdruck]

34

II. Quellenkorpus

*GebetsanwBeu

Beuroner Gebetsanweisungen zum Psalter Gerhard Eis: Ein weiterer Psalter-Codex mit gereimten frühmittelhochdeutschen Marginalien. In: PBB (T) 78 (1956), 61– 64.

*GebetsanwZü

Züricher Gebetsanweisung In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 34, A: 107, B: 196f.

*GeistRat

Geistliche Ratschläge In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr.  31, 164–167; Wilhelm, Denk­mäler dt. Prosa, Nr. 7, A: 30f, B: 55–59.

*Gen

Wiener Genesis Die frühmittelhochdeutsche Genesis. Synoptische Ausgabe nach der Wiener, Millstätter und Vorauer Handschrift. Hrsg. v. Akihiro Hamano. Berlin, Boston 2016 (Hermaea 138).

*Gen M

Millstätter Genesis Die frühmittelhochdeutsche Genesis. Synoptische Ausgabe nach der Wiener, Millstätter und Vorauer Handschrift. Hrsg. v. Akihiro Hamano. Berlin, Boston 2016 (Hermaea 138).

*Georg

Der heilige Georg Reinbots von Durne. Nach sämtlichen Handschriften hrsg. v. Carl von Kraus. Heidelberg 1907 (Germanische Bibliothek III, 1).

*GFrau

Die gute Frau Emil Sommer: Die gute Frau. Gedicht des dreizehnten Jahrhunderts. In: ZfdA 2 (1842), 385–481.

*Glaub

Der arme Hartmann: ‚Rede vom Glauben‘ In: Maurer, Rel. Dicht., Nr. 46

*Göll2

Das ‚Turnier‘, ‚Ritterfahrt‘, ‚Ritterpreis‘ In: Adolf Bach: Die Werke des Verfassers der Schlacht bei Göllheim (Meister Zilies von Seine?). Bonn 1930 (Rheinisches Archiv 11).

*GothFiebers

Gothaer Fiebersegen In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 21, A: 51f, B: 131f.

*Greg

Hartmann von Aue, Gregorius. Hrsg. v. Hermann Paul. Neu bearb. von Burghart Wachinger. 15., durchges. und erw. Aufl. Tübingen 2004 (ATB 2).

*GvJudenb

Gundackers von Judenburg Christi Hort. Aus der Wiener Handschrift hrsg. v. J. Jaksche. Berlin 1910 (DTM 18).

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

35

*Hadloub

Johannes Hadloub In: Die Schweizer Minnesänger. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch neu bearb. u. hrsg. v. Max Schiendorfer, Bd. 1: Texte. Tübingen 1990, 313–391.

*HagenChr

Gottfried Hagen: Reimchronik der Stadt Köln (D) Andrea Rapp: Das Düsseldorfer Fragment von Gottfried Hagens ‚Reimchronik der Stadt Köln‘ im Rahmen von überlieferungsgeschichtlichen Fragestellungen und Vorüberlegungen zu einer Neuausgabe. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 59 (1995), 1–30.

*HambBeicht

Hamburger Beichte Tilo Brandis: Zu den altdeutschen Beichtformeln. Eine bisher unbekannte mittelfränkische Beichtformel des 13. Jahrhunderts. In: Deutsche Handschriften 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hrsg. v. Volker Honemann und Nigel F. Palmer. Tübingen 1988, 168–178.

*HartmKlage

Das Klagebüchlein Hartmanns von Aue und das zweite Büchlein. Hrsg. v. Ludwig Wolff. München 1972 (Altdeutsche Texte in kritischen Ausgaben 4), 17–67.

*Hawich

Havich der Kellner: Sankt Stephans Leben. Aus der Berliner Handschrift hrsg. v. Reginald John McClean. Berlin 1930 (DTM 35).

*HeimlBote

Der heimliche Bote In: Miscellaneen zur Geschichte der teutschen Literatur, neu aufgefundene Denkmäler der Sprache, Poesie und Philosopie unserer Vorfahren enthaltend. Bd. 2. Hrsg. v. Bernhard Joseph Docen. München 1807, 305–307.

*Heliand

Heliand und Genesis. Hrsg. v. Otto Behaghel. 9. Aufl. bearb. v. Burkhard Taeger. Tübingen 1984 (ATB 4).

*Helmbr

Wernher der Gartenære: Helmbrecht. Hrsg. v. Friedrich ­Panzer und Kurt Ruh. 10. Aufl., bes. v. Hans-Joachim Ziegeler. Tübingen 1993 (ATB 11).

*Herb

Herbort von Fritzlar: Liet von Troye (H) Herbort’s von Fritslâr liet von Troye. Hrsg. v. Karl Frommann. Quedlinburg, Leipzig 1837 (Bibl.d.ges.dt.Nat.-Lit. 5).

36

II. Quellenkorpus

*Herb B

Herbort von Fritzlar: Liet von Troye (B) Joachim Bumke: Untersuchungen zu den Epenhandschriften des 13. Jahrhunderts. Die Berliner Herbortfragmente. In: ZfdA 119 (1990), 404–434.

*Herb S

Herbort von Fritzlar: Liet von Troye (S) Joachim Bumke: Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der höfischen Epik im 13. Jahrhundert. Die HerbortFragmente aus Skokloster. Mit einem Exkurs zur Textkritik der höfischen Romane. In: ZfdA 120 (1991), 257–304.

*Herzogenburger Urkunden

Herzogenburger Urkunden II (1319–1450) Michael Faigl: Die Urkunden des regulirten Chorherrenstiftes Herzogenburg vom Jahre seiner Übertragung von St. Georgen 1244 bis 1450. Wien 1886.

*HeslApk

Die Apokalypse Heinrichs von Hesler. Aus der Danziger Handschrift hrsg. v. Karl Helm. Berlin 1907 (DTM 8).

*HeslNic

Das Evangelium Nicodemi von Heinrich von Hesler. Hrsg. v. Karl Helm. Tübingen 1902 (StLV 224). [Nachdr. Hildesheim, New York 1976]

*HildegGeb

Gebetbuch der Hildegard von Bingen (Bildbeischriften) Karin Schneider: Die deutschen Texte in Clm 935. In: Hildegard-Gebetbuch. Faksimile-Ausgabe des Codex-Latinus Monacensis 935 der Bayerischen Staatsbibliothek München, Kommentarband. Wiesbaden 1987, 51–69.

*Himmelr

Vom Himmelreich In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 14, 365–395.

*HimmJerusal

Himmlisches Jerusalem In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 28, 140–152; Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 7, 92–111.

*Hiob

Die mitteldeutsche poetische Paraphrase des Buches Hiob. Aus der Handschrift des Königlichen Staatsarchivs zu Königsberg. Hrsg. v. Torsten Evert Karsten. Berlin 1910 (DTM 21. Dichtungen des Deutschen Ordens IV).

*HLitS

Heinrich: Litanei (S) In: Maurer, Rel. Dicht. III, Nr. 51, 124–251.

*IdsteinSpr

Idsteiner Sprüche der Väter In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 2, 76–93.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

37

*InnKrB

Kräuterbuch, Innsbrucker Fassung In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 12, A: 43–45, 104–115.

*InnsbArz

Innsbrucker Arzneibuch In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 11, A: 39–42, B: 88–104.

*Ipocr

Züricher Arzneibuch In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 25, A: 53–64, B: 137– 154.

*Iw A

Hartmann von Aue: Iwein (A) Hs. Heidelberg, Universitätsbibl., Cpg 397.

*JJud

Die jüngere Judith aus der Vorauer Handschrift. Kritisch hrsg. v. Hiltgunt Monecke. Tübingen 1964 (ATB 61); Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 31, 225–259.

*JohBapt

Adelbrecht: Johannes Baptista In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 37, 328–341.

*JTit

Albrechts von Scharfenberg Jüngerer Titurel. Nach den ältesten und besten Handschriften kritisch hrsg. v. Werner Wolf [Bd. 1–2,2] und Kurt Nyholm [Bd. 3,1–3,2]. Berlin 1955–1992 (DTM 45, 55, 61, 73, 77).

*Kaland

Könemann: Kaland In: Die Dichtungen Könemanns. Kaland, Wurzgarten, Reimbibel. Hrsg. v. Ludwig Wolff. Neumünster 1953 (Niederdeutsche Denkmäler 8), 2–14, 69–123.

*KalendUrb

Kalender mit Urbareinträgen Hs. München, Staatsbibl., Cgm 5250/ ​30a.

*Karlm

Karl Meinet. Zum ersten Mal hrsg. durch Adelbert von K ­ eller. Stuttgart 1858 (StLV 45).

*Kchr F

Kaiserchronik A (F: Fragmente Fr, Mz) Gotthelf Fischer: Über einige Denkmäler alt-deutscher Dichtkunst. In: Beschreibung typographischer Seltenheiten und merkwürdiger Handschriften nebst Beyträgen zur Erfindungsgeschichte der Buchdruckerkunst, Vierte Lieferung. Nürnberg 1803, 109–140; Matthias Lexer: Bruchstücke der Kaiserchronik. In: ZfdA 14 (1869), 503–525.

*Kchr H

Kaiserchronik A (H) Hs. Heidelberg, Universitätsbibl., Cpg 361.

38

II. Quellenkorpus

*Kchr K

Kaiserchronik A (Fragment K) Joseph Diemer: Kleine Beiträge zur altdeutschen Sprache und Literatur, I. Bruchstücke der Kaiserchronik. In: Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, Bd. 6 (1851). Wien 1851, 329–342.

*Kchr N

Kaiserchronik A (Fragment N) Karl Bartsch: Bruchstücke zweier Handschriften der Kaiserchronik I. In: Germania 25 (1880), 98–103.

*Kchr V

Kaiserchronik A Hs. Vorau, Stiftsbibl., Cod. 276. Kaiserchronik eines Regens­ burger Geistlichen. Hrsg. v. Edward Schröder. Berlin 1895 (MGH Deutsche Chroniken I,1). [Neudr. Berlin, Zürich 1964]

*Kchr W

Kaiserchronik A (Fragment W) Edward Schröder: Alte Bruchstücke der Kaiserchronik. In: ZfdA 26 (1882), 224–240, hier 224–238.

*Klage

Die ‚Nibelungenklage‘. Synoptische Ausgabe aller vier Fassungen. Hrsg. v. Joachim Bumke. Berlin, New York 1999.

*Klagschrift

Klagschrift der Gesellschaft der alten Geschlechter zu Mainz gegen die Zweiundzwanzig von der Gemeinde. In: C. Hegel: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. 17. Leipzig 1881 (Die Chroniken der mittelrheinischen Städte. Mainz, Bd. 1), 353–360.

*KLD

Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Hrsg. v. Carl von Kraus, 2. Aufl., durchgesehen von Gisela Kornrumpf, Bd. I: Text. Tübingen 1978.

*KlosterneuGeb

Klosterneuburger Gebet In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 4, A: 28f, B: 52f; Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 34, 181.

*KlostEvang

Österreichischer Bibelübersetzer: Klosterneuburger Evangelienwerk Hs. Schaffhausen, Stadtbibl., Cod. Gen. 8

*Köditz

Friedrich Köditz. Das Leben des heiligen Ludwig, Land­ grafen in Thüringen, Gemahls der heiligen Elisabeth. Nach der lateinischen Urschrift übers. von Friedrich Köditz von Salfeld. Zum ersten Mal hrsg. mit sprachlichen und historischen Erläuterungen von Heinrich Rückert. Leipzig 1851.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

39

*KölnEidb

Kölner Eidbücher In: Walther Stein: Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert. Bd. 1. Bonn 1893, 3–5, 14–19, 20–21, 23–24. [Nachdr. Düsseldorf 1993]

*KölnMorgens

Kölner Morgensegen In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 31, A: 93, 95, B: 179f.

*KomputNotiz

Komputistische Notiz In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, B: 215f.

*Konr

Priester Konrad: Predigtbuch Altdeutsche Predigten. Hrsg. v. Anton Emanuel Schönbach. Bd. 3: Texte. Graz 1891. [Nachdr. Darmstadt 1964]

*Konr H

Priester Konrad: Predigtbuch (Ha) Joseph Schatz: Bruchstücke einer bairischen Predigthandschrift des 12. Jahrhunderts. In: PBB 52 (1928), 345–360.

*Konr P

Rothsche Predigtsammlung (P)/ ​Priester Konrad: Predigtbuch (P) Oswald Zingerle: Bruchstücke altdeutscher Predigten. In: ZfdA 23 (1879), 399–408.

*Konr (Sch)

Priester Konrad: Predigtbuch (Sch) Altdeutsche Predigten. Hrsg. v. Anton Emanuel Schönbach, Bd. 3: Texte. Graz 1891. [Nachdr. Darmstadt 1964]

*KremsmüGlB

Kremsmünster Glaube und Beichte Volker Honemann: Kremsmünsterer ‚Beichte‘ und ‚Glaube‘. In: PBB 102 (1980), 339–356.

*Krone

Heinrich von dem Türlin, Die Krone (Verse 1–12281). Nach der Handschrift 2779 der Österreichischen Nationalbibliothek nach Vorarbeiten von Alfred Ebenbauer, Klaus Zatloukal und Horst P. Pütz hrsg. v. Fritz Peter Knapp und Manuela Niesner. Tübingen 2000 (ATB 112).; Die Krone (Verse 12282–30042). Nach der Handschrift Cod. Pal. germ. 374 der Universitäts­ bibliothek Heidelberg nach Vorarbeiten von Fritz Peter Knapp und Klaus Zatloukal hrsg. v. Alfred Ebenbauer und Florian Kragl. Tübingen 2005 (ATB 118).

*KvFuss

Konrad von Fussesbrunnen: Die Kindheit Jesu. Kritische Ausg. von Hans Fromm und Klaus Grubmüller. Berlin, New York 1973.

40

II. Quellenkorpus

*KvHeimHinv

Konrad von Heimesfurt: ‚Unser vrouwen hinvart‘ und ‚Diu urstende‘. Mit Verwendung der Vorarbeiten von Werner Fechter hrsg. v. Kurt Gärtner und Werner J. Hoffmann. Tübingen 1989 (ATB 99), 1–52.

*KvHeimUrst

Konrad von Heimesfurt: ‚Unser vrouwen hinvart‘ und ‚Diu urstende‘. Mit Verwendung der Vorarbeiten von Werner Fechter hrsg. v. Kurt Gärtner und Werner J. Hoffmann. Tübingen 1989 (ATB 99), 53–129.

*KvMSph

Konrad von Megenberg: Die Deutsche Sphaera. Hrsg. v. Francis B. Brévart. Tübingen 1980 (ATB 90).

*KvWEngelh

Konrad von Würzburg: Engelhard. Hrsg. v. Ingo Reiffen­ stein. 3., neubearb. Aufl. der Ausg. von Paul Gereke. Tübingen 1982 (ATB 17).

*KvWSilv

Konrad von Würzburg: Silvester In: Konrad von Würzburg: Die Legenden. Hrsg. v. Paul Gereke, Bd. I. Halle/S. 1925 (ATB 19).

*KvWTroj

Konrad von Würzburg: Der Trojanische Krieg. Nach den Vorarbeiten K. Frommanns und F. Roths zum ersten Mal hrsg. durch Adelbert von Keller. Stuttgart 1858 (StLV 44). [Nachdr. Amsterdam 1965]

*LambGeb A

Seckauer (St. Lambrechter) Gebete A In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 32, A: 96–102, B: 185f.

*LambGeb B

Seckauer (St. Lambrechter) Gebete B In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 32, A: 97, 99, 101, 103 (Abdruck der Gebete), B: 185–193.

*Lanc Lancelot. Nach der Heidelberger Pergamenthandschrift Pal. Germ. 147. Hrsg. v. Reinhold Kluge. Bd. 1. Berlin 1948 (DTM 42). *LancM

Lancelot, Fragment M Friedrich Keinz: Über einige altdeutsche Denkmäler. In: Sitzungsberichte der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München, Jg. 1869, Bd. II. München 1869, 290– 321, hier 312–316.

*Leidener Will

Leidener Willeram. (Expositio) Willerammi Eberspergensis abbatis in Canticis Canticorvm. Die Leidener Handschrift, neu hrsg. v. Willy Sanders. München 1971 (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 9).

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

41

*LilienfeldAndb

Lilienfelder Andachtsbuch Hermann Menhardt: Lilienfelder Heilsgeschichte. In: ZfdA 78 (1941), 167–184.

*LobSal

Lob Salomons In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 9, 317–326.

*LReisesegen

Londoner Reisesegen und Bruchstücke eines Gebets Robert Priebsch: Deutsche Handschriften in England. Bd. 2. Erlangen 1901, Nr. 138, 118f.

*LvRegFr

Lamprecht von Regensburg: ‚Sanct Francisken Leben‘ In: Lamprecht von Regensburg, ‚Sanct Francisken Leben‘ und ‚Tochter Syon‘. Zum ersten Mal hrsg. nebst Glossar v. Karl Weinhold. Paderborn 1880, 43–260.

*Macer

Der deutsche ‚Macer‘. Vulgatfassung. Mit einem Abdruck des lateinischen Macer Floridus ‚De viribus herbarum‘. Kritisch hrsg. v. Bernhard Schnell in Zusammenarbeit mit William Crossgrove. Tübingen 2003.

*Makkabäer

Halberstädter Makkabäer In: Kraus: Dt. Gedichte, 25–29, 147–157.

*Mar

Priester Wernher: Maria. Bruchstücke und Umarbeitungen. Hrsg. v. Carl Wesle. Zweite Auflage besorgt durch Hans Fromm. Tübingen 1969 (ATB 26).

*Mar E

Priester Wernher: Driu liet von der maget (E) Kurt Gärtner: Ein bisher unbekanntes Fragment von Priester Wernhers ‚Maria‘. In: ZfdA 101 (1972), 208–213.

*MarKlage

Ältere niederrheinische Marienklage Wilhelm Grimm: Vnsir vrowen clage. In: ZfdA 1 (1841), 34– 39.

*MarldM

Melker Marienlied In: Maurer, Rel. Dicht. I, 357–363.

*MarMirakel Marienmirakel Friedrich Keinz: Bruchstücke von Marienlegenden. In: Germania 25 (1880), 82–88. *MarseqM

Mariensequenz aus Muri (A) In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 13, 453–461.

42

II. Quellenkorpus

*Märt

Buch der Märtyrer (Märterbuch) Das Märterbuch. Die Klosterneuburger Handschrift 713. Hrsg. v. Erich Gierach. Berlin 1928 (DTM 32).

*Merlin

Rheinischer Merlin (Merlin und Lüthild) Der Rheinische Merlin. Text, Übersetzung, Untersuchungen der ‚Merlin‘- und ‚Lüthild‘-Fragmente. Nach der Handschrift Ms. germ. qu. 1409 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin neu hrsg. und erläutert von Hartmut Beckers. Übersetzung und Untersuchungen von Gerd Bauer u. a. Paderborn u. a. 1991.

*MF

Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus bearb. von Hugo Moser und Helmut Tervooren, Bd. 1: Texte, 38., erneut revidierte Aufl., mit einem Anhang: das Budapester und Kremsmünsterer Fragment, Stuttgart 1988.

*MillPhys

Millstätter Physiologus In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 4, 169–245.

*Minneb

Die Minneburg. Nach der Heidelberger Pergamenthandschrift (CPG. 455) unter Heranziehung der Kölner Handschrift und der Donaueschinger und Prager Fragmente. Hrsg. v. Hans Pyritz. Berlin 1950 (DTM 43).

*MorantGalie

Morant und Galie. Hrsg. v. Theodor Frings und Elisabeth Linke. Berlin 1976 (DTM 69).

*MU13

Mittelfränkische Urkunden des 13. Jahrhunderts In: *UrkCorp

*MU14

Moselfränkische (und rheinfränkische) Urkunden aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts (annotiert von Britta Weimann).

*MüAugensegen

Münchner (Regensburger) Augensegen In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 73, 386.

*MünchnGlB

Münchner Glauben und Beichte (A) In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 56, 345–350.

*NdApokalypse

Die niederdeutsche Apokalypse. Hrsg. v. Hjalmar Psilander. Uppsala 1901 (Uppsala Universitets Årsskrift 2).

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

43

*Neidh

Die Lieder Neidharts. Hrsg. v. Edmund Wießner. Fortgeführt von Hanns Fischer. 5., verb. Aufl. hrsg. v. Paul Sappler. Mit einem Melodienanhang von Helmut Lomnitzer. Tübingen 1999 (ATB 44).

*NibA

Nibelungenlied A Hs. München, Staatsbibl., Cgm 34; Der Nibelunge Noth und die Klage. Nach der ältesten Überlieferung mit Bezeichnung des Unechten und mit den Abweichungen der gemeinen Lesart. Hrsg. v. Karl Lachmann. 5. Ausg., Berlin 1878. [Nachdr. als 6. Ausg. Hildesheim 1960. Mit einem Verzeichnis der Handschriften von Ulrich Pretzel]

*NibB

Nibelungenlied B Hs. St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 857; Das Nibelungenlied. Nach der Ausg. von Karl Bartsch hrsg. v. Helmut de Boor. 22., rev. und von Roswitha Wisniewski erg. Aufl. Mannheim 1988 (Deutsche Klassiker des Mittelalters). [Nachdr. Wiesbaden 1996]

*NonGebBuch

Gebetbuch für Nonnen Hs. München, Staatsbibl., Cgm 101.

*Np

Notker: Psalmenübersetzung In: Notker der Deutsche, Der Psalter. Psalm 1–50. Hrsg. v. Petrus W. Tax. Tübingen 1979 (Die Werke Notkers des Deutschen 8; ATB 84).

*Npgl

Glossen zu Notkers Psalter In: Notker der Deutsche, Der Psalter. Psalm 1–50. Hrsg. v. Petrus W. Tax. Tübingen 1979 (Die Werke Notkers des Deutschen 8; ATB 84).

*NüP

Nürnberger Stadtbuch Werner Schultheiß: Satzungsbücher und Satzungen der Reichsstadt Nürnberg aus dem 14. Jahrhundert, 1. Lieferung: Einleitung (1. Teil), Abdruck der Texte, Personen- und Ortsregister. Nürnberg 1965 (Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 3,1), 20–23, 81–205.

*NvJer

Di Kronike von Pruzinlant des Nicolaus von Jeroschin In: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Hrsg. von Theodor Hirsch, Max Töppen und Ernst

44

II. Quellenkorpus

Strehlke. Bd. 1. Leipzig 1861, 291–648. [Nachdr. Frankfurt/ ​M. 1965] *Orend Orendel. Ein deutsches Spielmannsgedicht. Mit Einl. und Anm. hrsg. v. Arnold Erich Berger. Bonn 1888. [Nachdr. Berlin, New York 1974] *Otfrid

Otfrids Evangelienbuch. Hrsg. v. Oskar Erdmann. 6. Aufl. besorgt von Ludwig Wolff. Tübingen 1973 (ATB 49).

*Otloh

Otlohs Gebet In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 1, A: 1–3, B: 1–13.

*Ottok

Ottokars österreichische Reimchronik. Nach den Abschriften Franz Lichtensteins hrsg. v. Joseph Seemüller, 2 Bde. ­Hannover 1890–1893 (MGH Deutsche Chroniken V, 1–2).

*Parad

Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers Abschrift hrsg. v. Philipp Strauch. Berlin 1919 (DTM 30). [Nachdr. Hildesheim 1998. Mit einem Nachwort versehen von Niklaus Largier und Gilbert Fournier]

*PassSpM

St. Galler (mittelrheinisches) Passionsspiel Das Benediktbeurer Passionsspiel. Das St. Galler Passionsspiel. Hrsg. v. Eduard Hartl. Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. Halle/ ​S. 1967 (ATB 41).

*Patricius Patricius In: Kraus: Dt. Gedichte, Nr. 7, 30–35, 157–182. *PfJud

Pfälzer Judeneid In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 37, A: 108f, B: 200.

*Phys S

Physiologus S (Schäftlarner Fragment) In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, B: 46f.

*Pilatus Pilatus Karl Weinhold: Zu dem deutschen Pilatusgedicht. Text, Sprache und Heimat. In: ZfdPh 8 (1877), 253–288. *PrFrBasel

Basler Predigtenfragmente (Morvay/ ​Grube T 36) In: Altdeutsche Predigten und Gebete aus Handschriften. Hrsg. v. Wilhelm Wackernagel. Basel 1876, 34–38, 255.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

45

*PrFrKrakau

Krakauer Predigtfragmente (Morvay/ ​Grube T 36) In: Altdeutsche Predigten und Gebete aus Handschriften. Hrsg. v. Wilhelm Wackernagel. Basel 1876, 38–43 und 255 (nur Teilabdruck: fol. 3r–6v).

*PrFrT8

Predigtfragment (Morvay/ ​Grube T 8) Joseph Haupt: Bruchstücke von Predigten. In: ZfdA 23 (1879), 345–353.

*PrFrT35

Millstätter Predigtsammlung (M/ ​G T 35) Karl August Barack: Deutsche Predigten des XII. Jahrhunderts. In: Germania 10 (1865), 464–473.

*PrHvKonst

Hugo von Konstanz: Predigten Alfred Holder: Zwei Predigten des Lesemeisters Hugo von Constanz. In: ZfdPh 9 (1878), 29–43.

*PrKöln

Kölner Klosterpredigten Philipp Strauch: Kölner Klosterpredigten des 13. Jahrhunderts. In: Niederdeutsches Jahrbuch 37 (1911), 21–48.

*PrLeys

Leysersche Predigten (Morvay/ ​Grube T 15) In: Deutsche Predigten des 13. und 14. Jahrhunderts. Hrsg. v. Hermann Leyser. Quedlinburg, Leipzig 1838 (Bibl.d.ges.dt. Nat.-Lit. 11,2) (Nachdruck Darmstadt 1970), XXIIf, 1–23.

*PrLo

Londoner Predigt(fragment) Robert Priebsch: Deutsche Handschriften in England, Bd. 1, Erlangen 1896, 125f, 301–303 (Nr. 129).

*PrLpz

Leipziger Predigten (Fragment I) In: Deutsche Predigten des 13. und 14. Jahrhunderts. Hrsg. von Hermann Leyser. Quedlinburg, Leipzig 1838 (Bibl.d.ges. dt.Nat.-Lit. 11,2), XXVf. [Nachdr. Darmstadt 1970]

*PrMetten

Mettener Predigtsammlung II [Leipziger Predigten Me] In: Anton Schönbach: Mittheilungen aus altdeutschen Handschriften II: Predigten. In: Sitzungsberichte der phil.-hist. 94, Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, Bd.  Wien 1879, 187–232.

*PrMH2

Mitteldeutsche Predigten (H2) Julius Zacher: Bruchstücke aus der Samlung des Freiherrn von Hardenberg IV. In: ZfdPh 15 (1883), 257–296.

46

II. Quellenkorpus

*PrPrag

Prager Predigtentwürfe (Morvay/ ​Grube T 31) Joseph Diemer: Deutsche Predigtentwürfe aus dem XIII. Jahrhundert. In: Germania 3 (1858), 360–367.

*PrRoth R

Roth’sche Predigtsammlung [Überlieferungskomplex Priester Konrad (R)] Karl Roth (Hrsg.): Deutsche Predigten des XII. und XIII. Jahrhundertes. Quedlinburg/ ​Leipzig 1839 (Bibl.d.ges.dt.Nat.-Lit. 11,1), 7f, 19–79.



*PrüllK

Kräuterbuch, Prüler Fassung In: Wilhelm: Denkmäler dt. Prosa, 12, A: 43–45, B: 104–115.

*PrüllS

Prüler Steinbuch In: Wilhelm: Denkmäler dt. Prosa, Nr. 10, A: 37–39, B: 79–88.

*PrüWurmsegen

Prüler Wurmsegen In: Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VIII–XII ​ Jahrhundert. Hrsg. v. Karl Müllenhoff und Wilhelm Scherer. Dritte Ausgabe von E. Steinmeyer. Berlin 1892, Bd. 1, 181 (Nr.  XLVII, 2), Bd. 2, 276–281.

*PrWack

Altdeutsche Predigten und Gebete aus Handschriften. Gesammelt und zur Herausgabe vorbereitet von Wilhelm Wackernagel. Basel 1876. [Nachdr. Darmstadt 1964; Hildesheim, New York 1964]

*PrWessA

Wessobrunner (Ahd.) Predigtsammlung A In: Ernst Hellgardt: Die spätalthochdeutschen „Wessobrunner Predigten“ im Überlieferungsverbund mit dem „Wiener Notker“. Eine neue Ausgabe. In: ZfdPh 130 (2011), 1–49, hier: 10–21; Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 30, 156–163.

*PrWessB

Wessobrunner (Ahd.) Predigtsammlung B In: Ernst Hellgardt: Die spätalthochdeutschen „Wessobrunner Predigten“ im Überlieferungsverbund mit dem „Wiener Notker“. Eine neue Ausgabe. In: ZfdPh 130 (2011), 1–49, hier: 22–33; Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 32, 168–172.

*PrWessC

Wessobrunner (Ahd.) Predigtsammlung C In: Ernst Hellgardt: Die spätalthochdeutschen „Wessobrunner Predigten“ im Überlieferungsverbund mit dem „Wiener Notker“. Eine neue Ausgabe. In: ZfdPh 130 (2011), 1–49, hier: 34–49; Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 33, 173–180.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

47

*PsBrieg

Brieger Psalmenfragmente In: Kriedte, Bibelfragmente, 41–44 und 133–136.

*PsM

Millstätter Psalter. Cod. Pal. Vind. 2682. Hrsg. v. Nils Törn­ qvist. Bd. 1: Eine frühmittelhochdeutsche Interlinearversion der Psalmen aus dem ehemaligen Benediktinerstifte Millstatt in Kärnten. Lund, Kopenhagen 1934. Bd. 2: Hymnen und Perikopen. Lund, Kopenhagen 1937 (Lunder Germanis­ tische Forschungen 3, 7).

*PsRhfrk

Rheinfränkische Interlinearversion der Psalmen In: Kriedte, Bibelfragmente, Nr. IV, 45 u. 136–140.

*PsSchleiz

Schleizer Psalmenfragmente Hermann Schults: Bruchstücke zweier Psalmenübersetzungen II. In: Germania 23 (1878), 62–70; Kriedte, Bibelfragmente, Nr. VIII, 57–63 und 152–167.

*PsWig

Wiggert’sche Psalmenfragmente Friedrich Wiggert: Scherflein zur Förderung der Kenntniß älterer deutscher Mundarten und Schriften. Magdeburg 1832; Kriedte, Bibelfragmente, Nr. II, 29–40 und 124–132.

*RBibB

Mittelfränkische Reimbibel (B) In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 3, 95–168.

*RBibC

Mittelfränkische Reimbibel (C) In: Maurer, Rel. Dicht., I, Nr. 3, 95–168, hier S. 102–105.

*Reimbibel (Könemann)

Könemann: ‚Reimbibel‘ In: Die Dichtungen Könemanns. Kaland, Wurzgarten, Reimbibel. Hrsg. von Ludwig Wolff. Neumünster 1953 (Niederdeutsche Denkmäler 8), 24–27, 307–322.

*ReinFu

Heinrich, Reinhart Fuchs (S) Jacob Grimm: Sendschreiben an Karl Lachmann über Reinhart Fuchs. Leipzig 1840, 6–32.

*RezStein

Codex Falkensteinensis: Rezept gegen den Stein In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 24, A: S. 53, B: 135–137; Nr. 39, A: 111, B: 203–209.

*RheinauGeb

Rheinauer Gebete Albert Bachmann: Bruchstücke eines Frauengebets. In: ZfdA 32 (1888), 50–57.

48

II. Quellenkorpus

*Rittersitte Rittersitte Hermann Menhardt: Rittersitte. Ein Rheinfränkisches Lehrgedicht des 12. Jahrhunderts. In: ZfdA 68 (1931), 153–163. *RolA

Pfaffe Konrad: ‚Rolandslied‘ (A) Hs. Straßburg, Stadtbibl., ohne Sign. (6) [verbrannt]. Ausgabe wie *RolP.

*RolE

Pfaffe Konrad: ‚Rolandslied‘ (E) Hs. Erfurt, Universitätsbibl., Cod. Ampl. 4° 65; Einlage. Carl Liersch: Ein neues Bruchstück des Rolandsliedes. In: ZfdPh 10 (1879), 485–488; s. *RolP.

*RolP

Pfaffe Konrad: ‚Rolandslied‘ (P) Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Hrsg. v. Carl Wesle. 3., durchgesehene Auflage besorgt von Peter Wapnewski. Tübingen 1985 (ATB 69).

*RolS

Pfaffe Konrad: ‚Rolandslied‘ (S) Hs. Schwerin, Landesbibl., ohne Sign. (2). Ausgabe wie *RolP.

*RolT

Pfaffe Konrad: ‚Rolandslied‘ (T) Hs. Sondershausen, Schloßmuseum, Germ. lit. 1 (olim Hs.Br. 2). Ausgabe wie *RolP.

*Roth

König Rother (H) König Rother. Hrsg. v. Theodor Frings und Joachim Kuhnt. Bonn, Leipzig 1922 (Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde 3).

*RubrA/ ​B

Deutsche Rubriken zu Texten eines Nonnenbreviers In: Anton Schönbach: Über einige Breviarien von Sanct Lambrecht. In: ZfdA 20 (1876), 129–197, hier 144–156.

*Rugge

Heinrich von Rugge In: Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus bearbeitet von Hugo Moser und Helmut Tervooren, Bd. I: Texte, 38., erneut rev. Aufl. Mit einem Anhang: Das Budapester und Kremsmünsterer Fragment, Stuttgart 1988, XV. Heinrich von Rugge, 201–223.

*RvEAlex

Rudolf von Ems: Alexander. Ein höfischer Versroman des 13. Jahrhunderts. Zum ersten Male hrsg. v. Victor Junk. 2 Bde. Leipzig 1928–1929 (StLV 272, 274).

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

49

*RvEBarl

Rudolf von Ems: Barlaam und Josaphat. Hrsg. von Franz Pfeiffer. Mit einem Anhang aus Franz Söhns, Das Handschriftenverhältnis in Rudolfs von Ems ‚Barlaam‘, einem Nachwort und einem Register von Heinz Rupp. Berlin 1965.

*RvZw

Die Gedichte Reinmars von Zweter. Hrsg. von Gustav Roethe. Leipzig 1887.

*SalArz

Deutsches salernitanisches Arzneibuch. Das Breslauer Arzneibuch R. 291 der Stadtbibliothek. Hrsg. von C[arl] Külz und E[mma] Külz-Trosse, 1. Teil: Text. Dresden 1908, 1–116.

*SchlBlutsegen

Schlettstädter Blutsegen. Elias von Steinmeyer: Segen. In: ZfdA 21 (1877), 210.

*Sedulius

Sedulius, Carmen paschale, dt. Interlinearübersetzung. Marlis Stähli: Sedulius: Carmen Paschale  – Bruchstücke einer frühen deutschen Interlinearversion. In: ZfdA 114 (1985), 330– 337.

*Serv

Oberdeutscher Servatius (n) Sanct Servatius oder Wie das erste Reis in deutscher Zunge geimpft wurde. Hrsg. v. Friedrich Wilhelm. München 1910, 166–168, 170, 172.

*SHort

Der Sälden Hort Der Saelden Hort. Alemannisches Gedicht vom Leben Jesu, Johannes des Täufers und der Magdalena. Aus der Wiener und Karlsruher Handschrift hrsg. v. Heinrich Adrian. Berlin 1927 (DTM 26).

*SiebenZ

Gedicht von der Siebenzahl (De septem sigillis) In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 11, 345–351.

*Spec

Speculum ecclesiae. Eine frühmittelhochdeutsche Predigtsammlung (Cgm. 39). Hrsg. v. Gert Mellbourn. Kopenhagen 1944 (Lunder Germanistische Forschungen 12).

*SpecHumSalv

Speculum humanae salvationis Manuela Niesner: Das Speculum humanae salvationis der Stiftsbibliothek Kremsmünster. Edition der mittelhochdeutschen Versübersetzung und Studien zum Verhältnis von Bild und Text. Köln, Weimar, Wien 1995 (Pictura et Poesis 8).

50

II. Quellenkorpus

*Stargarder Fragmente

Stargarder Fragmente Hermann Degering: Neue funde aus dem zwölften jahrhundert. In: PBB 41 (1916), 513–553.

*StatDtOrd

Deutschordensregeln und -statuten Hs. Darmstadt, Universitäts- und Landesbibl., Hs. 468. Ottmar Schönhuth: Das Ordensbuch der Brüder vom deutschen Hause St. Marien zu Jerusalem. Zum ersten Mal in der ältesten Abfassung nach der Pergamenturkunde des dreizehnten Jahrhunderts. Heilbronn 1847.

*Stein

Walther Stein: Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert. Bd. I–II. Bonn 1893/ ​1895. [Nachdr. Düsseldorf 1993]

*StGallGlB I

St. Galler Glaube u. Beichte I In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 54, 340f.

*StGallGlB II

St. Galler Glaube u. Beichte II In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 55, 341–345.

*StGallGlB III

St. Galler Glaube u. Beichte III In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 58, 353f.

*StRAugsb

Das Stadtbuch von Augsburg, insbesondere das Stadtrecht vom Jahre 1276, nach der Originalhandschrift zum ersten Male hrsg. und erl. von Christian Meyer. Augsburg 1872.

*StrDan

Der Stricker: Daniel von dem Blühenden Tal. 2., neubearb. Aufl. hrsg. von Michael Resler. Tübingen 1995 (ATB 92).

*StRFreiberg

Das Freiberger Stadtrecht. Hrsg. von Hubert Ermisch, Leipzig 1889.

*StrKarl

Karl der Große von dem Stricker. Hrsg. von Karl Bartsch. Quedlinburg, Leipzig 1857 (Bibl.d.ges.dt.Nat.-Lit. 35). [Nachdr. Berlin 1965. Mit einem Nachwort von Dieter Kartschoke]

*SüKlMill

Millstätter Sündenklage In: Maurer, Rel. Dicht., II, Nr. 24, 57–101.

*SüKlU

Uppsalaer Sündenklage In: Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 13, 223–226; Maurer, Rel. Dicht. III, Nr. 49, 86–93.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

51

*SüKlV

Vorauer Sündenklage In: Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 12, 193–222; Maurer, Rel. Dicht. III, Nr.50, 95–123.

*SuTheol

Summa Theologiae In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 8, 304–316; Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 2, 27–42.

*Tauler

Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften hrsg. v. Ferdinand Vetter. Berlin 1910 (DTM 11).

*TegProgn

Tegernseer Prognostica In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 43, A: 114f, B: 216–222.

*Teichn

Die Gedichte Heinrichs des Teichners. Hrsg. v. Heinrich Niewöhner. 3 Bde. Berlin 1953–1956 (DTM 44, 46, 48).

*Tobias

Pfaffe Lambrecht: Tobias In: Maurer, Rel. Dicht. II, 517–535.

*TobiassegU

Tobiassegen U In: Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VIII–XII Jahrhundert. Hrsg. v. Karl Müllenhoff und Wilhelm Scherer. Dritte Ausgabe von Elias v. Steinmeyer. Berlin 1892, Bd. 1, 183–192, Bd. 2, 290f.

*Tr

Gottfried von Straßburg: Tristan und Isold. Hrsg. v. Frie­ drich Ranke. Text. Berlin 1930 (15. unveränd. Aufl. Dublin, Zürich 1978); Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. v. Karl Marold. Unveränd. 4. Abdruck nach dem 3. mit einem auf Grund von F. Rankes Kollationen verb. Apparat besorgt von Werner Schröder. Berlin, New York 1977.

*Trauformel

Schwäbische Trauformel In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 14, A: 47f, B: 116–123.

*TrSilv

Der Trierer Silvester. Hrsg. von Carl Kraus. In: MGH Deutsche Chroniken I,2, Hannover 1895 (Nachdruck Berlin/ ​Zürich 1964), 1–61.

*UppsGeb

Uppsalaer Frauengebete In: Hjalmar Psilander: Mittelhochdeutsche Frauengebete in Uppsala. In: ZfdA 49 (1908), 363–375; Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, B: 173–177.

52

II. Quellenkorpus

*UrkCorp

Corpus der altdeutschen Originalurkunden Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300, Bd. I: 1200–1282. Hrsg. v. Friedrich Wilhelm. Lahr 1932; Bd. II: 1283–1292. Hrsg. v. Richard Newald, Lahr 1943; Bd. III: 1293–1296. Hrsg. v. Helmut de Boor und Diether Haacke. Lahr 1957; Bd. IV: 1297–(Ende 13. Jahrhundert). Hrsg. v. Helmut de Boor und Diether Haacke. Lahr 1963; Bd. V: Nachtragsurkunden 1261–1297. Hrsg. v. Helmut de Boor, Diether Haacke und Bettina Kirschstein bis Lfg. 54. Lahr 1986; Lfg. 55: Hrsg. v. Bettina Kirschstein und Ursula Schulze. Berlin 2004.

*UrkKölnSchr

Schreinskarten der Kölner Laurenzpfarre In: Kölner Schreinsurkunden des zwölften Jahrhunderts: Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln, Erster Band. Hrsg. v. Robert Hoeniger. Bonn 1884–1894, 233–244; Kurt Gärtner: Die deutschen Einträge in den Kölner Schreinskarten als früheste Zeugnisse für den Gebrauch des Deutschen als Urkundensprache im 12.  Jahrhundert. In: Christa Baufeld (Hrsg.): Die Funktion außer- und innerliterarischer Faktoren für die Entstehung deutscher Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Göppingen 1994 (GAG 603), 51–65.

*UvEtzAlex

Ulrich von Eschenbach [Etzenbach]: Alexander. Hrsg. v. Wendelin Toischer. Tübingen 1888 (StLV 183). [Nachdr. Hildesheim, New York 1974]

*UvLFrd

Ulrich’s von Liechtenstein Frauendienst. Hrsg. v. Reinhold Bechstein, 2 Bde. Leipzig 1888 (Deutsche Dichtungen des Mittelalters 6–7).

*UvTürhTr

Ulrich von Türheim: Tristan. Hrsg. v. Thomas Kerth. Tübingen 1979 (ATB 89).

*UvZLanz

Lanzelet. Eine Erzählung von Ulrich von Zatzikhoven. Hrsg. v. Karl August Hahn. Frankfurt/ ​M. 1845. [Nachdr. Berlin 1965. Mit einem Nachwort und einer Bibliographie von Frederick Norman]

*VAlex

Pfaffe Lambrecht: Alexanderlied (Vorauer Alexander) In: Lamprechts Alexander. Nach den drei Texten mit dem Fragment des Alberic von Besançon und den lateinischen Quellen hrsg. und erklärt. Hrsg. v. Karl Kinzel. Halle/ ​S. 1884.

3. Verzeichnis korpusexterner Quellen

53

*Vateruns

Die Auslegung des Vaterunsers In: Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 5, 68–85.

*VBalaam

Vorauer Balaam (Vorauer Bücher Mosis 5) In: Deutsche Gedichte des XI. und XII. Jahrhunderts. Hrsg. v. Joseph Diemer. Wien 1849, 72–85.

*VMarienlob

Vorauer Marienlob (Bücher Mosis 4) In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 12, 351–355.

*VMos1

Vorauer Genesis (Bücher Mosis 1) In: Deutsche Gedichte des XI. und XII. Jahrhunderts. Hrsg. v. Joseph Diemer. Wien 1849, 3–31.

*VMos2

Vorauer Joseph (Bücher Mosis 2). Geschichte Joseph’s in ­Aegypten. Deutsches Gedicht des XI. Jahrhunderts nach der Voraur Handschrift mit Anmerkungen hrsg. v. Joseph Diemer. Wien 1865.

*VMos3

Vorauer Moses (Bücher Mosis 3) In: Deutsche Gedichte des XI. und XII. Jahrhunderts. Hrsg. v. Joseph Diemer. Wien 1849, 32–69.

*VorauNov

Vorauer Novelle Anton E. Schönbach: Studien zur Erzählungsliteratur des Mittelalters II: Die Vorauer Novelle. Wien 1899 (Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 140, IV. Abhandlung).

*VRechte

Vom Rechte In: Maurer, Rel. Dicht. II, Nr. 29, 156–182; Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 8, 112–135.

*Wachtendoncksche Psalmen Die altmittel- und altniederfränkischen Psalmen und Glossen. Nach den Handschriften und Erstdrucken hrsg. v. Arend Quak. Amsterdam 1981. *Wahrh

Die Wahrheit In: Maurer, Rel. Dicht. I, Nr. 18, 426–432; Waag/ ​Schröder, Dt.Ged., Nr. 11, 184–192.

*WälGa

Thomasin von Zerklære, Der Welsche Gast Der Wälsche Gast des Thomasin von Zirclaria. Zum ersten Male hrsg. mit sprachlichen und geschichtlichen Anmerkungen von Heinrich Rückert. Quedlinburg, Leipzig 1852 (Bibl.d.ges.dt.Nat.-Lit. 30). [Nachdr. Berlin 1965]

54 *Wandelart

II. Quellenkorpus

Robert Priebsch: Bruchstücke einer mittelfränkischen Ritternovelle In: Festschrift Friedrich Kluge zum 70.  Geburtstage am 21. Juni 1926 dargebracht. Tübingen 1926, 108–122.

*WernhvN

Wernher v. Niederrhein: Die vier schiven. In: Maurer, Rel. Dicht. III, Nr. 56, 435–483.

*WessobrGlB I

Wessobrunner Glaube u. Beichte I In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 28W, 135–152.

*WessobrGlB II

Wessobrunner Glaube u. Beichte II In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 59, 354–357.

*Wh

Wolfram von Eschenbach: ‚Willehalm‘ In: Wolfram von Eschenbach. Hrsg. v. Karl Lachmann. 6. Ausg. Berlin, Leipzig 1926. [Neudr. Berlin 1964]

*Widerstr

Der Sünden Widerstreit (G) Der Sünden Widerstreit. Eine geistliche Dichtung des 13. Jahrhunderts. Hrsg. v. Victor Zeidler. Graz 1892.

*Wig

Wirnt von Gravenberc, Wigalois der Ritter mit dem Rade. Hrsg. v. Johannes Marie Neele Kapteyn, Bd. 1: Text. Bonn 1926 (Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde 9).

*WildM

Der Wilde Mann: Dichtungen In: Maurer, Rel. Dicht., Nr. 57–60, 485–593.

*WindbKal

Windberger Kalendernoten In: Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa, Nr. 42, A: 113f, B: 214–215.

*WReisesegen

Weingartner Reisesegen In: Steinmeyer, Sprachdenkm., Nr. 78, 397f.

*WvRh

Walther von Rheinau, Das Marienleben. Hrsg. v. Edit Perjus. 2. verm. Aufl. Åbo 1949 (Acta Academiae Aboensis. Huma­ niora 17,1).

*ZwBüchl

Das zweite Büchlein In: Das Klagebüchlein Hartmanns von Aue und das zweite Büchlein. Hrsg. v. Ludwig Wolff. München 1972 (Alt­deutsche Texte in kritischen Ausgaben 4), 69–91.

III. Substantive

1. Allgemeines Als primäre Bedingung für die in der Substantivflexion ablaufenden Prozesse kann die sukzessive Festlegung des idg. freien Akzents auf die erste Silbe im Germ. ange­ sehen werden (zur Problematisierung s. Wegera/ ​Waldenberger 2012, 56ff). In der Folge dieser Festlegung, durch die die erste Silbe als Hauptsilbe privilegiert wird, werden die nun stets unbetonten Nebensilben allmählich abgeschwächt, was in der Substantivflexion seit dem Ahd. von einer zunächst erheblichen Störung der Flexion bis hin zur nahezu völligen Auflösung des alten Flexionssystems im Frnhd. führt (vgl. Gr.d.Frnhd.III, passim). Im Mhd. ist die im Ahd. noch einigermaßen funktions­ tüchtige Kopplung von Kasus- und Numerusinformation in Form von PortmanteauMorphemen weitgehend aufgelöst und einer seriellen Markierung von Numerus- und Kasusinformation im Pl. gewichen. Im Sg. gibt es nun keine numerustypischen Fle­ xive mehr, sodass der Sg. hinsichtlich des Numerus unmarkiert ist und somit seit dem Mhd. ausschließlich der Plural die (flexivische) Numerusinformation trägt (vgl. u. a. Kern/ ​Zutt 1977, 92). Die ehemaligen vokalischen Kasus- und Numerusdistink­ tionen (z. B. Nom./ ​Akk.Pl. zungūn vs. Dat.Pl. zungōm oder Nom./ ​Akk.Sg. geba vs. Nom./ ​Akk.Pl. gebā) schwinden, wobei weitere lautliche Prozesse wie die Angleichung von m > n im Dat.Pl. und die frühe Apokope des Endvokals bei mehrsilbigen Flexi­ ven -ōno > -en im Gen.Pl. noch zusätzlich nivellierend wirken (vgl. auch Stopp 1974, Anm. 4). Durch die Abschwächung der Nebensilben und ihre graphische Uniformie­ rung zu ‹e› wird die Grenze zwischen Stamm und Flexionsendung verschoben:

S 1

ahd. Sg. Nom./ ​Akk. geba, Dat. gebu (~ -o ~ -a), Gen. geba (~ -u ~ -o) mhd. gębe-ø, gębe-ø, gębe-ø, gębe-ø. Anm. 1:  Die graphische Präsentation des Zentrallauts durch ‹e› mag zwar nach der bereits bei Notker (und dann noch in der 2. Hälfte des 11. Jh.s) vollzogenen Teilreduktion vor­ nehmlich auf ‹e›, ‹a› und ‹o› nahegelegen haben, stellt aber eine mehr oder weniger bewusst vorgenommene Symbolisierung des Schwa-Lauts /ә/ durch das bereits vorhandene Vokal­ zeichen ‹e› dar. Dass diese Lösung, die sich zum Nhd. hin durchgesetzt hat, keineswegs selbstverständlich ist, zeigt die starke – bis spät in das Frnhd. hinein beobachtbare – Kon­ kurrenz mit anderen Vokalzeichen, z. T. in Abhängigkeit und Fortsetzung althergebrachter Vokalzeichen, z. T. systematisch konsequent ohne historische Begründung (vgl. Gr.d.Frnhd.I.2 u. I.3). Insbesondere ‹i› stellt vielfach – bes. konsequent im Thür. – eine alternative Symbo­ lisierung dar (vgl. dazu Lloyd 1961; McLintock 1970; Valentin 1978; Rietveld/ ​Koopmans-van Beinum 1987).

Die Privilegierung der Hauptsilbe und die damit verbundenen lautlichen Prozesse führen zu einer tiefgreifenden typologischen Veränderung der deutschen Lexem­ struktur von einer im Ahd. noch intakten silben- zu einer akzentzählenden Sprache

S 2

58

III. Substantive

(vgl. Auer 1991; 2001; Auer/ ​Uhmann 1988; Auer u. a. 2002; Szczepaniak 2005; 2012). Hiervon betroffen ist etwa die -e-Apokope bei mehrsilbigen Lexemen auf -en, -er, -el (Typ vasten), die Reduktion von Stammvarianz, die Stabilisierung von -e in zweisil­ bigen Lexemen auf -e (Typ ƶunge), die Form des Dat.Pl. etc. Mit der allmählichen Auflösung der ahd. Portmanteau-Morpheme, der damit verbundenen zunehmenden Serialisierung von Kasus- und Numerusinformation und mit dem parallel verlaufenden Ausbau des Artikelsystems als Teil der Nominalphrase wird im Mhd. zwar die Grundlage der Organisation der modernen deutschen Sub­ stantivflexion gelegt, der Prozess des vollständigen Abbaus und Neuaufbaus in der Schriftsprache (Schreibsprachen, später Standardsprache) findet jedoch erst im Frnhd. statt (die Wende bildet das 16. Jh.). Im Mhd. stellt das zwar uniformierte und damit homophone/ ​homographe, aber doch weitgehend noch vorhandene e vorübergehend einen Stabilisierungsfaktor insbesondere im Bereich der Numerusmarkierung dar. Dies ändert sich erst mit der fortschreitenden e-Apokope im Frnhd. (vgl. Gr.d.Frnhd. III, passim; Suchsland 1969, 102; anders McLintock 1966, 1, der den Umbau des Fle­ xionssystems um 1200 zu Unrecht bereits für weitgehend abgeschlossen hält). Hinsichtlich der Art und Weise der Neustrukturierung des nhd. Substantivsys­ tems, dessen ‚natürliche‘ Entwicklung (im Sinne der Natürlichkeitstheorie) durch zunehmende Standardisierung gebremst und teilweise konterkariert wurde, sowie der Motivierung dieses Prozesses gehen die Meinungen noch weit auseinander. Die beiden von Hotzenköcherle (1962) so bezeichneten wesentlichen Entwicklungslinien der Kasusnivellierung und der Numerusprofilierung bieten noch keine Erklärungen im Sinne einer gegenseitigen Motivierung, sondern beschreiben zunächst nur zwei Entwick­ lungen der Substantivflexion. Während die Kasusinformation im Deutschen weitgehend durch analytisch-syntaktische Mittel (Begleiter, Distribution) geleistet wird, hat sich die flexivisch symbolisierte Numerusinformation für das Deutsche durchgesetzt und wurde im Laufe der Entwicklung erheblich ausgebaut (s. dazu auch die cross-linguistische Dar­ stellung bei Corbett 2000). Die gegensätzliche Entwicklung lässt sich wohl eher anhand des Relevanzkonzepts erklären. Die Numerusinformation ist unmittelbar relevant für das Sub­ stantiv, da sie den Referenzbereich des Substantivs betrifft. Die Kasusinformation betrifft dagegen nicht den nominalen Referenzbereich, sondern bestimmt die Rolle des Substantivs im Satz und kann entsprechend durch andere (syntaktische) Mittel kodiert werden. Die Abfolge Numerus vor Kasus bei synthetischer Formenbildung spiegelt dies wider; sie folgt dem sog. Relevanzprinzip (vgl. Bybee 1985). Entsprechend tendiert die Numerusinformation auch stärker zur Fusionierung, während z. B. der Umlaut als Kasusmarkierung (wie bei den mhd. ehemaligen fem. i-Stämmen) vollständig abgebaut wird (vgl. auch Bybee 1994; Nüb­ ling/ ​Dammel 2004). Eine andere Perspektive betont die Konsolidierung der Bindung von Genus und Flexion. So weist Woronow (1962, 197) bes. auf den Zusammenhang von Genus und Pluralflexiv im Nhd. hin, Große (1964, 4) auch auf den Zusammenhang von Sg.-Kasus und Genus (s. dazu auch Gr.d.Frnhd.III, § 16) und unten § S 87ff.

1. Allgemeines

59

Nachdem die ahd. Portmanteau-Morpheme weitgehend separiert und zu -e bzw. ehaltigen Flexiven uniformiert waren, fiel dem -e eine wichtige, wenn nicht die zen­ trale Funktion für die Numerusmarkierung zu: Nicht nur alle ehemaligen mask. aund alle ehemaligen mask. und fem. i-Stämme werden nun durch -e hinsichtlich des Plural markiert, sondern das -e wird ansatzweise (allerdings zögerlich in einem spä­ ten Stadium des Mhd.) analog auch auf ehemalige neutr. a-Stämme übertragen (vgl. unten § S 73). Diese Markierung wird aber durch die im Spätmhd. verstärkt einset­ zende e-Apokope gebremst und dann weitgehend aufgelöst (vgl. Gr.d.Frnhd.III, bes. § 67). Im Gefolge dieser Störung werden andere  – im Mhd. nur gering genutzte  – Numerusmarkierungen aktiviert (-er, Umlaut des Stammvokals, bei den Fem. -(e)n). Diese werden dann durch die seit dem 16. Jh. einsetzende Restituierung des Nume­ rus-e nur zum Teil wieder durch -e verdrängt. Zum größeren Teil bleiben sie neben -e erhalten und vergrößern das Inventar zur Markierung des Pl. Diese Entwicklung zeigt eine deutliche Genussteuerung: -er bleibt auf Neutr. und – in geringem Maße – Mask. begrenzt; -(e)n wird zur dominierenden Numerusmarkierung der Fem. und -e zur dominierenden Numerusmarkierung der Mask./ ​Neutr. Auch hinsichtlich der Bindung von Genus und Numerusmarkierung lässt sich seit dem Frnhd. eine Ent­ wicklung erkennen (vgl. dazu Wegera 1980). Die heutigen Ausnahmeformen wie fem. -øUml (Mütter, Töchter), neutr. -eUml (Flöße), -øUml (Klöster), -ø (Fohlen) sowie fem. -e (bei -nis und -sal) sind Reste ehemals (im Frnhd.) weit umfangreicherer Gruppen. Die Darstellung der nhd. substantivischen Flexionsklassen von B. Wiese (2000) ge­ wichtet die Klassen hinsichtlich ihres Umfangs. Die Gruppe der heute verbliebenen ‚schwachen‘ Mask. entzieht sich bisher weit­ gehend allen Erklärungsversuchen. Diese Gruppe steht einer scharfen Genusprofilie­ rung entgegen und sie ist bereits im Mhd., verstärkt dann im Frnhd. wieder produk­ tiv (vgl. Durrell 1990, der genau diese Besonderheit herausstellt). Vielfach wird hier eine neuerliche semantische Motivierung für die Gruppe angenommen; Köpcke (2000a) hat aber deutlich herausgestellt, dass das Merkmal ‚+belebt‘ für die Erklärung der Stabilität der Gruppe allein nicht ausreicht. Der Kern (‚Prototyp‘) der Gruppe ist vielmehr als mehrsilbig, mit -e (Schwa) im Auslaut und dem semantischen Merkmal ‚+menschlich‘ zu charakterisieren. Diese Gruppe widersetzt sich nicht nur am stärks­ ten dem Wandel der anderen ‚schwachen‘ Mask., sondern wird sogar wieder produk­ tiv. Nachdem im Mhd. bes. Angehörige von Völkern etc. (Typ Provenzal) ‚schwach‘ gebildet werden, werden im Frnhd. vorwiegend lateinischen Partizipien auf -ns, -ntis, -tus, -ndus entsprechende Substantive in diese Klasse aufgenommen: -ant (Adjutant), -ent (Quotient), -at (Advokat), -and (Doktorand) und ebenso lat. Bildungen auf -ta (Prophet), -ista (Sozialist); weiterhin substantivierte Adjektive aus dem Griech. auf -oph (Philosoph), -aph (Paragraph), -nom (Astronom) sowie eine größere Zahl von Fremdwörtern unterschiedlicher Herkunft wie Zar, Kalif, Husar, Heiduck etc. (vgl. dazu die Listen bei Paul, Dt.Gr.II, § 88). Diese sind im Nhd. finalbetont. Zusätzlich wechseln einige im Mhd. noch nicht ‚schwach‘ belegte Substantive in Analogie zu

S 3

60

III. Substantive

den neuen -ant-Bildungen (Diamant, Elefant, Gigant) in diese Gruppe (vgl. Paul, Dt.Gr.II, § 89). B. Wiese (2000) verweist auf die Nähe zur Adjektivflexion, wobei die deadjektivischen Konversionen vom Typ der Schöne geeignet erscheinen, zur Stabi­ lisierung der Gruppe beizutragen. Dieser Zusammenhang wird bereits für die frühe Produktivität der schwachen Flexion (ursprünglich handelt es sich um mask. nomina agentis) angenommen, vgl. dazu Weinhold, Mhd.Gr., § 456 unter Verweis auf Osthoff (1876b).

61

2. Flexiv-Inventar

2. Flexiv-Inventar Das Inventar der substantivischen Flexive im Mhd. ist leicht geringer ausgeprägt als im Frnhd. (vgl. Gr.d.Frnhd.III, § 6) und im Nhd. Es können folgende Einheiten angesetzt werden: -ø

-e

-øUml

-eUml

-(e)n

-(e)s

S 4

-er(Uml)

Da die Verteilung von -e und -ø bzw. von -eUml und -øUml sich im Mhd. noch auf bestimmte Lexemgruppen bezieht, können -e und -ø bzw. -eUml und -øUml nicht sys­ tematisch in allen Fällen zu je einem Flexiv -(e) bzw. -(e)Uml zusammengefasst werden (anders Stopp 1974, 327, für das normalisierte Mhd. s. auch Gr.d.Frnhd.III, § 6, Anm. 3). Anm. 1:  Zu den Inventaren der Kasus- bzw. Pluralflexive s. jeweils die Ausführungen am Beginn der entsprechenden Kapitel. Anm. 2:  Zur Variation der jeweils e-haltigen und der e-losen Variante in -(e)n bzw. -(e)s s. unten unter § S 15f. Anm. 3:  -er ist nur vereinzelt ohne -e- (Synkope) belegt, sodass hier das Flexiv -er ohne Klammerung des -e- angesetzt wird (§ S 83ff). Anm. 4:  -(e)ns wird für das Mhd. noch nicht als vollgültiges Flexiv gewertet, vgl. § S 27, Anm. 5. Anm. 5:  -er-Pl. ist in der Regel mit Umlaut des Stammvokals verbunden. Da der Umlaut jedoch noch nicht systematisch markiert wird und gelegentliche Ausnahmen nicht ausge­ schlossen sind, kann hier – anders als im Nhd. – nur von einer Teilregelung ausgegangen werden.

Die oben angeführten Flexive stellen Abstraktionen der tatsächlich belegten Varian­ ten dar. Die angesetzten Formen begründen sich aus den – bezogen auf das Korpus – am häufigsten belegten Varianten. (1)

-e

(2) (3)

-i, -a, -o

-en

-es ~ -e‫܅‬

-n

-s ~ -‫܅‬

-in, -on, -un, -an -ono, -one, -eni, -ene

-is ~ -i‫܅‬

-ir

-z ~ -ȥ

(4a) (4b)

-er

-ࠀ -ࠁ und andere Konsonanten plus Nasalstrich, z. B. -ࠂ

Abb. S 1 : Flexiv-Varianten

-’

S 5

62

III. Substantive

(1) enthält jeweils die -e‑haltige Variante; (2) enthält die -e‑lose Variante; (3) enthält die vokalischen Varianten von ‹e› in den Flexiven; (4) enthält die Varianten der konsonantischen Bestandteile der Flexive, und zwar (4a) die buchstäblichen Varianten und (4b) die Kürzelzeichen. S 6

Zu (1) und (2) Das -e- in -(e)n wird in größerer Zahl nur bei mehrsilbigen Lexemen auf -er, -el, -en und -em synkopiert. In 114 finden sich etwas häufiger Synkope-Belege auch bei ein­ silbigen Lexemen bzw. bei mehrsilbigen Lexemen auf -e, doch bleiben die Zahlen insgesamt gering. mehrsilbige zweisilbige Lexeme auf Lexeme auf -e -er, -el, -en, -em

sonstige mehrsilbige Lexeme Typ künic

212

 17

113

 32

213

 32

‫܅‬porn

114

155

10

11

gesamt

236

18

11

einsilbige Lexeme

gesamt

 23

6 (5x orn, torn)

 32 ‫܅‬charn

 34

2

267

176 (75 in Urkk.)

Abb. S 2: Synkope bei -(e)n (außer hērre und vrouwe) Anm. 1:  In den Hss. Iw, Nib, Parz, Tris gibt es einen hohen Anteil an Synkope-Belegen: mehrsilbige Lexeme auf -er, -el, -en und -em (8), zweisilbige auf -e (35), einsilbige (5). Anm. 2: Bei vrouwe tritt Synkope 92x auf, davon 1x in BaGB, 5x in 212 (alle alem.), 2x in 113, 21x in 213 (alle obd.) und 63x in 114, überwiegend in der Form vern (vor allem in Ur­ kunden UFreib2, UKöln2, UNürnb, vereinzelt im Omd.). Anm. 3: Bei hērre tritt Synkope bei -(e)n zunächst nur vereinzelt (212, Spec) auf. Insgesamt bleibt die Apokope bes. im Md. eher selten (lediglich im Omd. in 114 finden sich 11  Be­ lege  = rund 9%). Anteile von über 10% finden sich nur im Alem. (rund 40% in 213; rund 20% in 114), im alem.-bair. Übergangsraum (rund 14% in 213) und in ofrk. Texten (rund 40%), und zwar weit überwiegend in Urkunden und anderen Rechtstexten (SBNü, WüPo). Anm. 4:  Im Dat.Pl. entsteht gelegentlich durch Synkope des Vokals doppelte Schreibung e von n: w‫ܓ‬genn ~ wegenn ~ weigenn (UAugsb1, WüPo), mvr‫܅‬teínn (UAugsb1), kri‫܅‬tenn (Hartw).

Das -e- in -(e)s wird bis 213 in größerer Zahl nur bei mehrsilbigen Lexemen auf auf -er, -el, -en und -em synkopiert. In 114 finden sich häufiger Synkope-Belege auch bei einsilbigen Lexemen bzw. mehrsilbigen Lexemen auf -e, doch werden die Zahlen stark beeinflusst von hochfrequenten Wörtern wie got oder guet. Die Synkope ist

63

2. Flexiv-Inventar

aber insgesamt deutlich geringer als bei den mehrsilbigen Lexemen auf -er, -el, -en und -em. ges. zweisilbige sonstige Lexeme mehrsilbige auf -e Lexeme Typ künic

Anteil Synkope

mehr­ silbige Lexeme auf -er, -el, -en, -em

einsilbige Lexeme

212

 43

‫܅‬un‫( ܅‬HLit) hu r‫( ܅‬Spec) wint‫( ܅‬HLit) got‫( ܅‬PrZü) zôrns (Spec)

  48

 4%

113

154

‫܅‬un‫( ܅‬2x, Hoff)

hail‫܅‬ (ZwBR)

volcs (ZwBR)

 158

16%

213

323

 14

31

11

 5

 6

 390

18%

114

656

144

91

48

13

53

1005

28%

Kurzvokal

Langvokal/ ​ Kons.Diphthong cluster o

Abb. S 3: Synkope bei -(e)s Anm. 5:  Iw, Nib, Parz, Tris zeigen einen vergleichsweise hohen Anteil an Synkope-Belegen: mehrsilbige Lexeme auf -er, -el, -en und -em (46), zweisilbige auf -e (1), einsilbige (34). Anm. 6:  Eine besondere Schreibung findet sich in konnix (u. ä.) 6x in UKöln2; hier vertritt die Schreibung ‹x› die Lautfolge /g+s/ bzw. /k+s/. Anm. 7:  In Brig und UKöln2 steht gelegentlich (7x) ‹z› bzw. ‹tz› für die Lautfolge /t+s/ o (z. B. gotz ~ goz). Ebenso in kunz (‚Kindes‘; Brig). e

Synkope im Pl.Flexiv -er ist selten belegt: hvnr ~ hunr (huen, 2x UAugsb1, 1x StBA). Zu (3) Schreibungen mit anderen Vokalzeichen als ‹e› als Flexiv bzw. Bestandteil von Fle­ xiven sind in unterschiedlichem Maße belegt. Sie werden hier als weitgehend nur noch graphische Varianten aufgefasst, erfahren jedoch je nach grammatischer Posi­ tion und Text eine unterschiedliche Bewertung (s. auch Weinhold, Bair.Gr., § 339). Die Gründe für eine vorwiegend graphische Wertung ergeben sich aus der zumeist starken Dominanz von konkurrierendem ‹e› einerseits und der oft freien Variation zwischen den verschiedenen Vokalzeichen ohne historische Motivation. Dies sagt nichts über die tatsächliche Aussprache der Nebensilbenvokale aus. In Will und WNot entstehen durch diese Entwicklung teilweise neue Distinktionsmuster, über deren tatsächlichen Lautwert man wenig sagen kann (vgl. unten § S 8). Die Uniformierung der Nebensilben ist unterschiedlich weit fortgeschritten. Wäh­ rend einige grammatische Positionen bereits weitgehend ‹e›-Schreibungen aufweisen, sind andere konservativer bzw. gleichen mehr oder weniger einheitlich zu einem anderen Vokalzeichen als ‹e› aus. Die Texte ab 212 weisen nur noch gelegentlich

S 7

64

III. Substantive

andere Vokalzeichen als ‹e› auf bzw. vereinheitlichen die Vokale graphisch zu ‹i› (mit deutlichen Zentren im Omd. und Alem.). In 211/ ​112 ist die graphische Variation in den Hss. noch so stark, dass sie im Folgenden differenziert dargestellt wird (die im Ahd. üblichen Vokalzeichen werden jeweils fett hervorgehoben). Die Grenzverschiebung zwischen Stamm und Flexiv (z. B. ahd. erbo > mhd. ėrbe-ø) ist in 211/ ​112 noch nicht abgeschlossen, aber bereits deutlich sichtbar. Die Nebensilbenvokale am Stammende verhalten sich in diesem Prozess weit konserva­ tiver als die vokalischen Bestandteile von Flexiven. Während z. B. bei den ehemaligen ‚schwachen‘ Mask. das ‹o› am Stammende (hier sichtbar im Nom.Sg.) mit knapp 90% noch dominiert, ist es in den übrigen Kasus im Sg. bereits weitgehend, im Pl. bereits deutlich anderen Vokalzeichen gewichen: Sg. Akk. 50%, Dat. 12,5%, Gen. 14%; Pl. Nom. 20%, Akk. 44,5%, Dat. 52%, Gen. 50%. Sg.

Pl.

Nom./ ​Akk.

-ø Ausnahmen: ri‫܅‬o, ‫܅‬kimo

Dat.

-e 112

Gen.

-es 103

-i 13

-a 5

-is 25

-ø 5

-a  24

-e  16

-on 12

-en 13

-o

-e

4

-i 8

4

Abb. S 4: Maskulina (ehemalige a-Stämme sowie analog flektierte Substantive) Sg.

Pl.

Nom./ ​Akk.



-e

Dat.

-e

-en 9

Gen.

-es

-o  4

-on 1 (Will)

-e 2 -i 1 (Will)

Abb. S 5: Maskulina (ehemalige i-Stämme) Sg.

Pl.

Nom./ ​Akk.

-ø Stamm endet auf e (16) oder i (9, ausschließlich Suffix -ari)

-ø Stamm endet auf e (4) oder i (7, ausschließlich Suffix -ari)

Dat.

Stamm endet auf e (6) oder i (3, ausschließlich Suffix -ari)

Stamm endet auf e + -n (4), Stamm endet auf i + -n (4, ausschließlich Suffix -ari)

Gen.

-is (4), -es (1)

1x hirto

Abb. S 6: Maskulina (ehemalige ja-Stämme)

In der Stammnebensilbe (hier: Nom./ ​A kk.Sg.) mehrsilbiger ehemaliger ja-/ ​waStämme dominiert bereits ‹e›, gefolgt von seltenerem ‹i› und 3x ‫܅‬ito (< ahd. situ ~ sito). Im Dat. und Gen.Sg. aller Mask. überwiegen die ‹e›-Schreibungen deutlich (Dat. rund 96%, Gen. rund 84%). Im Pl. ist der Anteil von ‹e› geringer (62% im Dat., 48%

65

2. Flexiv-Inventar

im Nom./ ​Akk., 30% im Gen.). Zu den gering belegten Formen mit ‹i›, ‹u› und ‹a› s.  Weinhold, Bair.Gr., § 339 mit weiteren Belegen. Sg.

Pl.

Nom.

-ø Stamm endet auf: o 86 e 9 i1

-on 6

-en 18

-in 3

-un 2

Akk.

-on 33 -en 26

-an 1

-on 8

-en 6

-in 3

-un 1

Dat.

-on 4

-en 28

-an 1

-on 15

-en 9

-in 3

-un 2

Gen.

-on 2

-en 10

-on 8

-en 3 -eni 3 -en 1

-in 1

-in 4 -un 2 -in 1 -un 1

Abb. S 7: ‚Schwache‘ Maskulina

In der Stammnebensilbe (hier Nom.Sg.) weisen die ‚schwachen‘ Maskulina  – mit Ausnahme von 8  Belegen herre, einem Beleg menni‫܅‬ge (BaGB) und einem Beleg ‹i› (fur‫܅‬ti, WNot)  – noch regelmäßig ‹o› auf. Die Flexionsendungen zeigen jedoch nur zu rund 50% andere Vokalzeichen als ‹e›. Im Gen.Pl. sind noch vereinzelt Reste der alten zweisilbigen Endung -ōno, abgeschwächt zu -eni, -ene, belegt. Sg.

Pl.

Nom./ ​Akk.

-ø Stamm endet bei den -ja-Stämmen auf: e 76 i 11 a7



Dat.

-e 109

-i 5

-en 37 -on 29

Gen.

-es 72

-is 14

-a 6

-o 2

-e 3

-an 4 -in 2

-o 22

-un 1

-i 4

Abb. S 8: Neutra (ehemalige a-/ ​ja-/ ​wa- und iz-/ ​az-Stämme)

Die Neutr. der ehemaligen a- und iz-/ ​az-Stämme zeigen eine starke Tendenz zum Ausgleich nach ‹e› (67%). Lediglich der Gen.Pl. weist mit überwiegend ‹o› noch einen deutlich abweichenden Wert auf. Der -er-Pl. zeigt in 211/ ​112 ausschließlich -er. Sg.

Pl.

Nom.

hęrƶa hęrƶi hęrƶe

8 2 1

Akk.

hęrƶa hęrƶi

10 1

hęrƶa 1 ougen 6 hęrƶe 1 ougin 1 ougon 1

Dat.

hęrƶen hęrƶan

17 ougen 2 4

hęrƶen 7

Gen.

hęrƶen

4

Abb. S 9: ‚Schwache‘ Neutra

ouga

1

hęrƶa 2 ougen 5 ougon 3 hęrƶe 1 ougin 1 ougun 1

ougen 11

ougen 3

66

III. Substantive

Die ‚schwachen‘ Neutr. zeigen neben seltenem ‹e› und ‹i› in der Nebensilbe des Stamms (hier: Nom./ ​Akk.Sg.) überwiegend altes ‹a›. Im Dat./ ​Gen.Sg. und Pl. hat sich die ‹e›-Schreibung weitgehend etabliert. Zu hęrƶa im Nom./ ​Akk.Pl. s. Ahd.Gr.I, § 224, Anm. 1; J. Schmidt (1889, 123). Sg.

Pl.

Nom.

-ø endet auf: e 34 a 95

-ø e 6 i6 a 9 1x kuniginno (Will)

Akk.

-ø endet auf: a 128 e 76

i 77

o1

Dat.

endet auf: a 56 e 19

i 13

o 25

Gen.

endet auf: a 90 e 30

i 30

o 18

-ø a 16

e 16

i7

-on 43 -un 1

-en 19

-in 3

-o 5 -on 2 -one 8 -ono 3

-e 2 -en 1

-i 1

-an 1

Abb. S 10: Feminina (ehemalige ō-/ ​jō-/ ​wō-Stämme) Sg.

Pl.

Nom.



-e 12

Akk.



-e 6

-i 1

Dat.

-e 87

-i 8

-en 17

-in 1

Gen.

-e 35

-i 11

-e 5 -i 1 -en 1 -in 1

Abb. S 11: Feminina (ehemalige i-Stämme)

Bei den ehemaligen femininen ō-, wō- und jō-Stämmen dominiert ‹a› als Vokalzeichen der Stammnebensilbe (hier: alle Sg.-Kasus); ‹o› erscheint mit einer Ausnahme (lu‫܅܅‬amo, WNot, 44ra,1 zu lustsame ‚Schönheit‘) nur im Dat./ ​Gen.Sg.; ‹u› ist nicht belegt. Bei den ehemaligen fem. i-Stämmen überwiegt die ‹e›-Schreibung im Gen./ ​Dat. Sg. deutlich (Gen. 80%; Dat. 92%). Im Dat.Pl. variiert das Vokalzeichen des Flexivs -en, -on, selten -an oder -un. Im selten belegten Gen.Pl. variieren -on und -o. Einen Rest der alten Gen.Pl.-Endung -ōno zeigt BaGB in abgeschwächten Formen mit -one: achu‫܅‬tône (ākust ‚Schlechtigkeit, Tücke‘), forhtone, gnâdone, meîndatône, minnône, ‫܅‬culdone, ‫܅‬undône, tugidone. Die alte Vollform -ono ist 3x belegt: ‫܅‬orgono (BaGB), ‫܅‬undono (2x WNot) (weitere Belege bei Weinhold, Bair.Gr., § 341). Die große Zahl von Fem. mit ‹i› in der Stammnebensilbe setzt sich aus verschiedenen Gruppen von Fem. zusammen: –– Ableitungen auf ahd. -ī(n) (z. B. hohi, kiuschi ‚Keuschheit‘, tunchili ‚Dunkelheit‘), –– Fem. der ehemaligen i-Stämme. Dazu gehören neben kuri (vgl. Ahd.Gr.I, § 220) und arbeiti (WNot) auch Ableitungen auf -hėit (z. B. chri‫܅‬tenheiti, uuarheiti WNot),

67

2. Flexiv-Inventar

–– Ableitungen auf -nissi ~ -nussi, -ungi, -idi. Diese Suffixe sind auch konkurrierend mit ‹a› in allen Kasus oder ‹o› im Dat./ ​Gen.Sg. belegt, –– vereinzelt ehemalige ō-Stämme wie sǟlde (un‫܅‬aldi, WNot).

(Nahezu alle Belege mit ‹i›, die nicht auf ahd. -ī(n)-Ableitungen zurückgehen, finden sich in WNot). Sg.

Pl.

Nom.

-ø Stamm endet auf: a 37 e 1

-on 9

-un 1

-en 1

Akk.

-an 1

-en 1

-on 6

-on 3

-un 2

-en 1

Dat.



-en 4

-on 9

-un 10

-on 12

Gen.



-en 1

-on 4

-un 4

-on 3

o1 -un 1

-en 3

Abb. S 12: ‚Schwache‘ Feminina

Bei den ‚schwachen‘ Fem. ist mit wenigen Ausnahmen in der Stammnebensilbe (hier Nom.Sg.) ‹a› erhalten. -on ist die häufigste Form der Flexionsendung im Akk., Dat. und Gen.Sg. und im gesamten Pl. Gelegentlich sind neben abgeschwächtem -en auch altes -un und einmal -an belegt. Eine Handschrift kann dabei alle drei Varianten ohne erkennbare Distribution aufweisen (z. B. zungen, zungon, zungun in WNot). Die einzelnen Texte aus 211/ ​112 verfahren bei der Verwendung von Nebensilben­ vokalen unterschiedlich: In Ezzo/ ​Mem dominiert in der Stammnebensilbe bereits ‹e› (neben ‹a›, ‹i› und ‹u›). Im Dat.Sg. findet sich ausschließlich -e, im Gen.Sg. überwiegt -es (-is nur in gotis und himili‫;) ܅‬ neben 1x rehten ist 1x rehtin belegt. Im Pl. variiert -en (9x) mit -on (8x) und -in (buchin). In Meri findet sich in der Nebensilbe des Stamms bei den Fem. überwiegend ‹a› und bei den Mask. überwiegend ‹o›; zu den Neutr. ist lediglich vuerva (węrbe) belegt. Die Flexive im Dat. und Gen.Sg. sind dagegen weitgehend zu -e ausgeglichen. Dat.-a findet sich nur in rata, pada (‚Pfad‘), uuara (wār ‚Wahrheit‘); -i nur in ‫܅‬pili, mundi und im Gen. gnuogi; im Gen.-is in vuini‫܅‬, meri‫( ܅‬neben 7x -es). Im Pl. besteht Variation zwischen -en, -an (1x Dat. chri‫܅‬tallan), -in (2x ougin, uergin ‚Fährmann‘). In RPaul wird  – mit Ausnahme des Dat.Pl.  – überwiegend zu ‹e› vereinheitlicht. Im Akk. finden sich 2x herrin, 1x willin, im Gen.Sg. 1x huri‫ ܅‬neben sonst üblicher ‹e›-Schreibung. Im Pl. überwiegt ‹e›, in Flexionsendungen dominiert ‹i› (11x -in, 1x -on). In BaGB ist die Stammnebensilbe (hier: Nom./ ​Akk.Sg.) bei den Fem. weitgehend als ‹a› (61) bzw. ‹i› (36) erhalten; ‹e› erscheint nur 15x. Bei den Mask. dominiert ‹o› (12) gegen ‹e› (8). Im Neutr. dominiert ‹e› gegen ‹a› (3). Die Flexionsendungen im Dat. und Gen.Sg. zeigen weitgehend einen Ausgleich zu ‹e›. Im Dat.Sg. findet sich nur lichaman und 4x herzan, im Gen.Sg. nur ua‫܅‬tun; ansonsten steht -en. Im Gen.Sg. der Mask. und Neutr. findet sich ‹e›-Schreibung in -es mit rund 63%. Im Nom./ ​Akk.Pl. sind alle Vokalzeichen der Flexionsendungen zu ‹e› ausgeglichen; ‹a› ist nur noch als Vokalzeichen der Stammne­ bensilben belegt. Im Dat.Pl. ist neben insgesamt dominierendem -en (33x) vor allem bei den Fem. altes -on (17x) belegt. Insgesamt geringer belegt sind -an (9x), -in (6x) und -un (1x). Der Gen.Sg. ist bei den ehemaligen fem. i-Stämmen zu -e ausgeglichen, bei den Mask.

68

III. Substantive

konkurrieren -o und -e. Im Neutr. ist ding-o belegt. Die übrigen Fem. zeigen durchweg ‹o› in -on (12x) neben (im Gen.Pl.) teilabgeschwächtem -one (8x) und altem -ono (‫܅‬orgono, ‫܅‬verodono zu swęrde ‚Leid‘). In Will dominiert in der Stammnebensilbe bei den Fem. deutlich ‹a› (121  :  31 ‹e›) und bei den Mask. leicht ‹o› (32 : 30). Die Neutr. zeigen bis auf herza immer ‹e›. Im Dat.Sg. der Mask./ ​Neutr. überwiegt -e (120 : 12 ‹o›, 1x ‹a› holza). Die Fem. zeigen im Dat./ ​Gen.Sg. 22x ‹o› (abweichend zu ‹a› im Nom./ ​Akk.Sg.). Möglich ist hier ein Ansatz zum Teilausgleich Nom./ ​A kk.Sg. -a vs. Dat./ ​Gen.Sg. -o. Bei den ‚schwachen‘ Substantiven überwiegt -on (132  :  54 -en). Im Pl.-Stamm überwiegt -e, in Flexionsendungen überwiegt deutlich ‹o›: Nom.Pl. 27x -on, 1x -en (ôigen), 1x -un (ôigun); Akk.Pl. 25x -on, 1x -en (ôigen); Dat.Pl. 83x -on (32 fem., 21 mask., 30 neutr.) vs. 27x -en; Gen.Pl. 51x -on (15 fem., je 18 mask./ ​neutr.) ohne Konkurrenz. In WNot dominiert in der Stammnebensilbe bei den Fem. ‹a› (148x) über ‹i› (87x); ‹e› ist nur 9x belegt. Bei den Mask. überwiegt ‹a› (44x) gegen ‹i› (11x) und ‹e› (8x); bei den Neutr. dominiert ‹i› (37x) gegen ‹e› (27x) und ‹a› (19x). Im Dat.Sg. der ehemaligen fem. iStämme dominiert bereits ‹e› (31x) über ‹i› (15x). Bei den Mask./ ​Neutr. überwiegt ebenfalls -e (91 mask., 42 neutr.) über -i (30 mask., 4 neutr.), -o (7x), und -a (4x: uuorta, toda, zorna). Im Pl. besteht eine große Variation, wobei ‹e›-Schreibungen überwiegen: Nom./ ​Akk.Pl.: 58x -e bzw. -en; 22x -i bzw. -in; 5x -a bzw. -an und je 2x -on und -un. Im Dat.Pl. sind neben 102x -en 30x -on (21 fem., 5 mask., 4 neutr.) und je 6x -in und -un belegt. Im Gen.Pl. do­ miniert -e 18x neben 11x ‹i›, in Flexionsendungen vor n dominiert ‹o›; 5x findet sich -a (2x handa, 3x fianda). Einmal ist die alte Endung -ono (‫܅‬undono) belegt. In 212 sind in einigen Texten noch Reste voller Nebensilbenvokalzeichen belegt, so in RBib (8% der Nebensilbenvokalzeichen sind nicht ‹e›), Muri (22%), PrZü (18%) und Phys (7%) sowie in den Interlineartexten TrPs (3%) und Wind (7%; von 196  Belegen entfallen allerdings 175 auf herro als Übersetzung des Vokativs domine). Vereinzelt sind Belege in PrFr (frouwa, herro), Kchr (waga ‚Gewicht‘), Mess (menegî). In Aegi, LEnt, WMEv, Spec und HLit steht (neben ‹e›) ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen. Eine sprachräumliche Tendenz zu ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen ist noch nicht zu beobachten. In 113 zeigen nur noch zwei Texte Reste voller Nebensilbenvokale in mehr als Einzel­ belegen: ZwBR und VatG (27%). In ZwBR tritt zusätzlich ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen auf. ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen ist zudem belegt in alem. Texten (TrHL, Luci und Flor) und in md., insbes. omd. Texten (PrMK, GRud), darüber hinaus vereinzelt in Mar (bair.) und RhTun (rhfrk.). Einzelbelege für andere Nebensilbenvokalzeichen als ‹e› oder ‹i› finden sich in Hchz (‫܅‬itun), Flor (gnadon), RhMl (ro‫܅‬o ‚Rose‘) und RhTun (H’ro, ‫܅‬ela ‚Seele‘). In 213 sind insbesondere in alem. Texten Flexionsendungen belegt, die ein anderes Nebensilbenvokalzeichen als ‹e› (oder ‹i›) aufweisen: 4 Belege in SwSp, 31 in PrSch und 43 in UFreib1. Darüber hinaus finden sich 9  Belege in SalH. ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen ist überwiegend in md. Texten belegt (wmd. in UKöln1, SalH, PrM, nur wenige Belege in KuG, Himlf; omd. in MüRB, JMar und AthP), vereinzelt in alem. Texten (RWchr; einzelne Belege in PrSch). Als Text, in dem nahezu konsequent ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen genutzt wird, sticht MüRB hervor. In 114 kommen nur noch sehr vereinzelt andere Nebensilbenvokalzeichen als ‹e› oder ‹i› vor: hellevorhton (Baum), Va‫܅‬ton (UAugsb2), ‫܅‬albun (NikP), ro‫܅‬a und zidelo‫܅‬a (ƶītelōse ‚Maiblume‘, Erlös), apo‫܅‬tolon (PrRei), worton (HTri) und 29 Belege in UFreib2 (z. B. iuchertun zu jǖchart ‚Flächenmaß‘, mattun ‚Wiese‘, reban). ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen kommt fast ausschließlich in md. Texten vor (wmd. in UKöln2, Taul, Erlös, PrRei; wenige Belege in BuMi, OxBR, Hleb; omd. in MBeh 5x, vereinzelt in BeEv und UJena). Lediglich ein alem. Text (Mart) zeigt ‹i› als Nebensilbenvokalzeichen.

69

2. Flexiv-Inventar

Aufgrund der zahlreichen Nebensilbenvokale ≠ ‹e› in einzelnen Texten, über deren lautliche Realität wenig gesagt werden kann, die aber möglicherweise noch nicht als /ә/ gelten dürfen, ergeben sich vorübergehend z. T. neue Distinktionsmuster im Schriftlichen. Dies kann anhand des Flexionssystems von Will mit einer hier noch am stärksten vertretenen Nebensilbenschreibung mit ‹o› und ‹a› exemplarisch dar­ gestellt werden (zur sprachhistorischen Bedeutung des Textes s. bes. Gärtner 1991). Die Vokalschreibung in den Flexionsendungen mit den drei Endsilbenvokalen (a, e, o) ist bei Will noch in hohem Maße regulär im Sinne eines etymologischen Bezugs. Damit ergibt sich folgendes Bild: Maskulina: ehem. a-Stämme Sg.

Pl.

Nom.

ehem. i-Stämme ø

ehem. n-Stämme o

Akk.

ø

on ~ en

Dat.

e

en

Gen.

es

en

Nom./ ​Akk.

a~e

e

on ~ en

Dat.

on

en

on ~ en

Gen.

o~e

o~e



Neutra: ehemalige a-Stämme verhalten sich wie Mask. Feminina:

Sg.

ehem. i-Stämme ø

ehem. n-Stämme a

ø

on

Dat.

a~ o~e~a

e

on

Gen.

o~e~a

e

on ~

Nom./ ​Akk.

o

e

on

Dat.

a~ on

en

on

Gen.

on

e ~ o

on

Nom. Akk.

Pl.

ehem. ō-Stämme a

Abb. S 13: Flexive in Will

e

en

S 8

70

III. Substantive

Während der Ausgleichsprozess bei den Mask./ ​Neutr. und bei den ehemaligen fem. i-Stämmen bereits weit fortgeschritten ist, verhalten sich die übrigen Fem. abwei­ chend. Die ehemaligen fem. ō-Stämme zeigen im Sg. drei verschiedene, miteinander konkurrierende Ausgleichstendenzen: kompletter Ausgleich nach ‹a›, tendenzieller Ausgleich nach ‹e› bzw. Teilausgleich und Profilierung des Gegensatzes Nom./ ​Akk. ‹a› vs. Dat./ ​Gen. ‹o›, ähnlich wie im Pl. (‹a› vs. ‹on›). Die ehemaligen fem. n-Stämme zeigen Ausgleich nach ‹on› mit nur geringem Anteil von ‹en›. S 9

Zu (4a) Andere Konsonantenzeichen in Flexiven als ‹n› und ‹s ~ ‫ ›܅‬sind vergleichsweise selten. Im Gen.Sg. erscheint häufiger das geschweifte ‹ȥ›; ‹ȥ› bzw. ‹ƶ› sind überwiegend in ²13/ ​¹14 und hier besonders im Ofrk., seltener im Wmd. belegt (vgl. dazu Kap. s in KSW I). Zu (4b) Der Nasalstrich über -e (‹ࠀ›) als Kürzelzeichen (Tachygramm) ist häufig belegt, und zwar in hohem Maße in Abhängigkeit von Einzeltexten und Schrifttypen. In Ein­ zelfällen überwiegt der Nasalstrich gegenüber der Voll-Schreibung. Nasalstrich über dem letzten Konsonanten des Stamms (z. B. leࠂ) für ‹en› ist dagegen nur gering be­ legt. Nasalstrich über n ist immer verbunden mit e-Ausfall belegt (z. B. erbࠁ). Das Kürzelzeichen ’ für -er-Pl. findet sich vermehrt in späten Texten, insbes. auch in Urkunden.

3. Klassen

71

3. Klassen Die folgende Klassifikation ist Darstellungen wie der von G. Bech (1963b) verpflich­ tet. Die Klassenbildung durch Kombination je eines Gen.Sg.- und eines Pluralflexivs folgt darstellungsökonomischen Überlegungen, da mit nur zwei Angaben jede Klasse eindeutig bezeichnet werden kann und eine Subklassifikation weitgehend entfällt (zur Ausnahme s. unten § S 12). Die beiden Konstituenten Gen.Sg.-Flexiv und Pluralflexiv ergeben sich dabei mehr oder weniger zwangsläufig. Der Gen.Sg. verfügt über die meisten Flexive und ist daher am weitestgehenden Paradigmen unterscheidend:

Nom.



Akk.



-(e)n

Dat.

-(e)



-eUml

-(e)n

Gen.

-(e)s



-eUml

-(e)n

Die Kombination mit einem Pl.-Kasusflexiv ist nicht angebracht, da das Mhd. bereits nur noch über Kasusmarkierungen im Dat.Pl. (aller Klassen) und nur noch in Resten im Gen. Pl. verfügt.

Kombiniert mit dem Inventar der Pluralflexive (vgl. unten § S 69) ergeben sich für das Mhd. zehn Substantivklassen. Die Klassen sind unterschiedlich stark besetzt, was in der Klassenübersicht (vgl. die Übersicht in Abb. S 14) durch unterschiedliche Druck­ größe angezeigt wird. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

-(e)s|-(e) -(e)s|-(e)Uml -(e)s|-ø -(e)s|-er(Uml) -(e)n|-(e)n -ø|-ø -(e)Uml|-eUml -ø|-eUml -ø|-øUml -ø|-(e)n –– Klasse 1 entspricht den ehemaligen mask. a-/ ​ja-Stämmen und analog flektierten Mask. –– Klasse 2 entspricht den ehemaligen mask. i-Stämmen. –– Klasse 3 entspricht den ehemaligen neutr. a-/ ​ja-Stämmen. Klasse 1 und 3 werden zum Nhd. hin umbesetzt: Einsilbige Mask. und Neutr. flektieren nach Klasse 1, mehrsilbige Mask. und Neutr. auf -en, -el und -er nach Klasse 3.

S 10

72

III. Substantive

–– Klasse 4 entspricht den ehemaligen iz-/ ​az-Bildungen. –– Klasse 5 entspricht den ehemaligen n-Stämmen. Die Fem. dieser Klasse fallen mit der Klasse 6 in Klasse 10 zusammen. Die Mask. dieser Klasse wechseln in großer Zahl zu Klasse 1 bzw. 2. Von den vier Neutr. dieser Klasse wird wange fem. und wechselt in Klasse 10, ōre und ouge bilden eine Mischklasse mit Gen.Sg. -(e)s und -en-Pl., hęrƶe bildet im Nhd. eine eigene Klasse (Herz-ens/ ​Herz-en). –– Klasse 6 entspricht den ehemaligen fem. ō-Stämmen sowie einigen besonderen Subs­ tantiven (Wurzelnomen, er-Stämme). –– Klasse 7 entspricht den ehemaligen fem. i-Stämmen und einigen analog flektierten Fem. Diese Klasse befindet sich im Mhd. bereits in Auflösung und schwindet zum Nhd. hin. –– Klasse 8 entsteht im Mhd. neu durch Apokope des Kasus-e im Gen./ ​Dat.Sg. und Aus­ gleich des Stammvokals im Singular. –– Klasse 9 entsteht im Mhd. neu aus Klasse 7. Es handelt sich um eine Übergangsklasse, zu der im Nhd. nur noch die mehrsilbigen Fem. Mutter/ ​Mütter und Tochter/ ​Töchter gehören. –– Klasse 10 entsteht im Mhd. neu durch Nivellierung der Sg.-Kasus der ehemaligen fem. n-Stämme zu -ø und durch Ausgleich der Pl.-Kasus zu -(e)n bei den ehemaligen fem. ō-Stämmen.

Die Übersichtsdarstellung der Klassen (Abb. S 14) abstrahiert von regionalen Varie­ täten und weitgehend von diachronen Entwicklungen. Da es im Rahmen einer Grammatik wenig sinnvoll ist, die Klasseninventare aller Einzeltexte darzubieten, soll der Spannrahmen extremer Klassenbildungen exemplarisch dargestellt werden. Die extremsten Abweichungen bieten das Bair. des 14. Jh.s und das Mfrk. des 13./ ​14. Jh.s. Die Klassendarstellung zu Iw steht exemplarisch für das ausgeglichene mittlere Mhd. des Obd. bis zum Eintritt der verstärkten e-Apokope.

gėst-(e)-ø gėst-(e)-ø gėst-(e)-n gėst-(e)-ø 8 -ø|-eUml

tag-(e)-ø tag-(e)-ø tag-(e)-n tag-(e)-ø

7 -(e)Uml|-eUml

kraft-ø kraft-ø krėft-e krėft-e

krėft-e‑ø krėft-e‑ø krėft-e‑n krėft-e‑ø

Pl. Nom. Akk. Dat. Gen.

Klasse

Sg. Nom. Akk. Dat. Gen.

Pl. Nom. Akk. Dat. Gen. müeter-ø-(e)n müeter-ø‑ø

krėft-e‑n krėft-e‑ø

Abb. S 14: Gesamtübersicht der Klassen

müeter-ø‑ø

mueter-ø

kraft-ø

müeter-ø‑ø

mueter-ø

kraft-ø

krėft-e‑ø

mueter-ø

krėft-e‑ø

mueter-ø

kraft-ø

9 -ø|-øUml

wort-ø‑ø wort-ø‑ø wort-ø‑en wort-ø‑e

wort-ø wort-ø wort-(e) wort-(e)s

3 -(e)s|-ø

kraft-ø

gast-ø gast-ø gast-(e) gast-(e)s

tac-ø tac-ø tag-(e) tag-(e)s

Sg. Nom. Akk. Dat. Gen.

2 -(e)s|-(e)Uml

1 -(e)s|-(e)

Klasse

Klassen

bote-n‑ø/ bote-n‑ø/ bote-n‑ø/ bote-n‑ø/

bote-ø/ bote-n/ bote-n/ bote-n/

5 -(e)n|-(e)n

ƶunge-n‑ø/ ƶunge-n‑ø/ ƶunge-n‑ø/ ƶunge-n‑ø/

gębe-n‑ø

gębe-n‑ø

gębe-n‑ø

gębe-n‑ø

ƶunge-ø/ gębe-ø ƶunge-ø/ gębe-ø ƶunge-ø/ gębe-ø ƶunge-ø/ gębe-ø

10 -ø|-(e)n

lėmb-er-ø lėmb-er-ø lėmb-er-(e)n lėmb-er-(e)

lamp-ø lamp-ø lamb-(e) lamb-(e)s

4 -(e)s|-er(Uml)

ƶunge-n‑ø/ ƶunge-n‑ø/ ƶunge-n‑ø/ ƶunge-n‑ø/

ƶunge-ø/ ƶunge-(n)/ ƶunge-n/ ƶunge-n/

hęrƶe-n‑ø

hęrƶe-n‑ø

hęrƶe-n‑ø

hęrƶe-n‑ø

hęrƶe-n

hęrƶe-n

hęrƶe-ø

hęrƶe-ø

gębe-ø‑ø/ gębe-ø‑ø/ gębe-ø‑n/ gębe-ø‑n/

gębe-ø/ gębe-ø/ gębe-ø/ gębe-ø/

6 -ø|-ø

man-ø‑ø

man-ø‑ø

man-ø‑ø

man-ø‑ø

man-ø

man-ø

man-ø

man-ø

3. Klassen

73 S 11

2

4

-er

-ø -ø Klasse 2: Mask. wenige Belege im Pl.: e Sv n e Pro b‫܅‬t (5x) e Ho f

-ø‑ø

Klasse 1/ ​3: Mask./ ​Neutr.

Dat.Sg. -ø außer Pawmanne; Gen.Sg. -(e)s außer Mitichens (2x) brud’ (3x) Graf (-)‌haus (21x) Iar; Dat.Pl. -(e)n außer Swen e dın‫܅‬t

Gen.

Abb. S 15: Klassen (Urkunden Landshut)

-er(Uml)-ø-(e)n

-øUml-(e)n

-ø-(e)n

Dat. Uml

wenige Belege: aier (3x) -hæu‫܅‬er (2x)

Klasse 4: Neutr.



(Uml)



-er

-ø -ø

-ø‑ø

Akk. (Uml)

-er(Uml)-ø

Uml

-øUml-ø

-ø‑ø

Nom.

Pl.

-(e)s



-ø -(e)s



-(e)s

Dat.

Gen.



-ø -ø





-(e)s|-er(Uml)



-(e)s|-øUml

Nom.

-(e)s|-ø

1/ ​3

Akk.

Sg.

Klasse

Klassen (ULands)





wenige Belege: gens (2x) Hof‫܅‬tet

Fem. auf -e: Akk.Sg. -(e)n (11%) Dat.Sg.  -(e)n (38%) Gen.Sg. -(e)n (54%)

-øUml-ø

-øUml-(e)n

-øUml-ø

-øUml-ø



Klasse 9: Fem.

-ø‑n/ ​-ø

-ø‑n

-ø‑ø

-ø‑ø







-ø|-øUml

9

Klasse 5: Klasse 6: Fem. Mask./ ​Fem. (Neutr. nicht belegt)

-n‑ø

-n‑ø

-n‑ø

-n‑ø

-n

-n

-ø -ø



-ø|-ø

6

-n/ ​-ø

-(e)n|-(e)n

5

74 III. Substantive

-e -(e)s

-e

-(e)s

Dat.

Gen.

welde eppele (4x) gedenke (2x) ‫܅‬lege (2x) Grede

Dat.Sg. -e außer gemach, ‫܅‬laf; Gen.Sg. -(e)s außer vater o brudegu me (2x); Pl. -e außer vrunt (4x Nom./ ​Akk.)

Abb. S 16: Klassen (Buch der Minne)

Klasse 2: Mask.

Klasse 1: Mask.

-ere-ø

bladere (3x) lidere

-(e) -ø

-e‑ø

Gen.

-er(e)-n

Dat.Sg. -e außer hus-ø (4x)

-ø‑e

-(e)Uml-n

-e‑n

Dat.

-ere-ø

Klasse 4: Neutr.

-ø-(e)n

-(e) -ø

-e‑ø

Akk.

-ere-ø

-(e)s

-e





-(e)s|-ere(Uml)

4

Klasse 3: Neutr.

-ø‑ø

Uml

Uml

-ø‑ø

-(e)Uml-ø

-e‑ø

-(e)s

-e





-(e)s|-ø

3

Nom.

Pl.

-ø -ø





-(e)s|-(e)Uml

2

Nom.

-(e)s|-(e)

1

Akk.

Sg.

Klasse

Klassen (BuMi)

Gen.Sg. megede; Pl: megede(n) (2x) ‫܅‬tede wende hende(n) (2x)

Klasse 7: Fem.

Klasse 5/ ​6: Mask./ ​Fem./ ​Neutr. Neutr. nur ougen (15x) Pl. herzen (12x) Sg. Fem. (auf -e) Akk.Sg. -n (5%) Dat.Sg.  -n (85%) Gen.Sg. -n (91%)

-eUml-ø

-eUml-n

-eUml-ø

-eUml-ø

-n‑ø

-n‑ø

-n‑ø

-n‑ø

-(e)Uml

-(e)Uml

-n/ ​-ø -n/ ​-ø





-(e)Uml|-eUml

7

-n/ ​-ø



-(e)n|-(e)n

5/ ​6

3. Klassen

75

2

-ø -(e) -(e)s



-(e)

-(e)s

Akk.

Dat.

Gen.

3

-ø‑e

-(e) -n -(e) -ø Klasse 2: Mask.

-(e)-n

-(e)-ø

Klasse 1: Mask.

Dat.

Gen.

Abb. S 17: Klassen (Iwein)

-ø-(e)n

-(e) -ø

-(e)-ø

Akk.

ge‫܅‬te e‫܅‬te ‫܅‬lege(n) (2x) zægel mi‫܅܅‬eræte e ‫܅‬v ne e fv zze

Uml

Klasse 3: Neutr.

-ø‑ø

Uml

Uml

-ø‑ø

-(e)Uml-ø

-(e)-ø

-(e)s

-(e)





-(e)s|-ø

Nom.

Pl.



-(e)s|-(e)Uml



-(e)s|-(e)

1

Nom.

Sg.

Klasse

Klassen (Iw) 4

clêider vrrinder

Klasse 4: Neutr.

-er-ø

-er-(e)n

-er-ø

-er-ø

-(e)s

-e





-(e)s|-er(Uml)

5

Neutr.Sg. nur hercen (4x) Pl. ôvgen oren (2x) herze Akk.Pl. Fem. auf -e Akk.Sg. -n (8%) Dat.Sg. -n (22%) Gen.Sg. -n (41%)

Klasse 5: Mask./ ​Fem./ ​Neutr.

-n‑ø

-n‑ø

-n‑ø

-n‑ø

-n

-n

-(n)



-(e)n|-(e)n

6

Klasse 6: Fem.

-ø‑n/ ​-ø

-ø-(e)n

-ø‑ø

-ø‑ø









-ø|-ø

7

e

Dat.Sg. no te Gen.Sg. bvrge Pl: hende (2x) hande Bvrge hîvte

Klasse 7: Fem.

-e(Uml)-ø

-e(Uml)-n

-e(Uml)-ø

-e(Uml)-ø

-e(Uml)

-e(Uml)





-(e)Uml|-eUml

76 III. Substantive

77

3. Klassen

Die Klassifikation in § S 10 und § S 11 fasst flexivische Allomorphe teilweise zu abstrak­ ten Einheiten zusammen. Betrachtet man jedoch ausschließlich die Oberfläche, er­ geben sich etwas genauere Distinktionsmuster, mit Hilfe derer sich auch die Entwick­ lung der jeweiligen Klassen im Nachmhd. darstellen lässt. Diese Muster werden besonders deutlich, wenn man die Abfolge der Kasus im Sg. (Abfolge Nom., Akk., Dat., Gen.) und im Pl. (Abfolge Nom., Akk., Gen., Dat.) unterschiedlich gestaltet. 1 1a

1b Sg.

N A

Pl.

tac

tage

D tag(e) G tag(e)s

tagen

Sg. N

N

A

A tac

G

D

D

G tag(e)s

Pl. tage tagen

Sg. N

N

A

A

G

D

D

Mask. ehemalige a-Stämme

Pl. N burgǟre

A G

G burgǟres

burgǟren

D

ehemalige ja-Stämme

Klasse 1a und 1b unterscheiden sich auf der Oberfläche im Mhd. durch das Vorhandensein bzw. Fehlen von -e im Stammauslaut. Zum Nhd. hin wird das -e der ehemaligen ja-Stämme apokopiert. Die beiden Paradigmen bleiben erhalten, jedoch wird die -e-/ ​-ø-Verteilung im Pl. lautlich geregelt (mehrsilbige Lexeme auf -er, -el, -en folgen dem Pradigma 1b, einsilbige dem Paradigma 1a). Dativ-e ist im Nhd. nur noch als stilistisch markierte Form vorhanden. 2 Sg. N A

Pl.

gast

gėst(e)

D gast(e) G gast(e)s

gėst(e)n

Sg. N

N

A

A gast

G

D

D

G gast(e)s

Pl. N gėst(e)

A G

gėst(e)n

D

Mask. ehemalige i-Stämme 3 3a

3b Sg.

Pl.

N

wort

A D

wort(e)

G wort(e)s

worten

Sg. N

N

A

A

Pl.

G

D

wort/ rėich

worte/ rėiche

D

G wort(e)s

worten

Neutr. ehemalige a-Stämme

Sg. N

N

A

A

G

D

D

G rīches

Pl. N rīche

A G

rīchen

D

ehemalige ja-Stämme

Klasse 3 unterscheidet sich auf der Oberfläche durch das Vorhandensein bzw. Fehlen von -e im Stammauslaut. Die Paradigmen 3a und 3b fallen zum Nhd. hin zusammen.

S 12

78

III. Substantive

4 Sg. N A

lamp

Pl. lėmber

Sg. N

N

A

A lamp

G

D

D lamb(e)

lėmber(e)

G lamb(e)s

lėmber(e)n D

Pl. N lėmber

A G

G lamb(e)s

lėmber(e)n D

Neutr. ehemalige iz-/ ​az-Bildungen 5

10 Sg.

6

Pl.

Sg.

N bote/ ​ƶunge

N

A hęrƶe

A

Pl.

Sg.

N

N

N

A

A gębe

D boten /ƶungen /hęrƶen G

A gębe D ƶunge

G

D

G

G

D

G

D

fem.

gęben ƶungen

ehemalige n-Stämme

Pl. N A gęben

G D

ehemalige ō-Stämme

Die ehemaligen fem. n-Stämme verlieren seit dem Mhd. die Kasusmarkierung im Sg. Die ehemaligen fem. ō-Stämme bilden den Pl. zunehmend mit -en, sodass beide zum Nhd. hin in Klasse 10 zusammenfallen. 7

8/ ​9 Sg.

N A

kraft

Pl. krėfte

D G

krėften

Sg. N

N

A

A

G

D

D

G

Pl. N

kraft

krėfte

A G

krėften

D

Fem. ehemalige i-Stämme S 13

Die drei Genera verteilen sich auf die durch die Kombinationsmöglichkeit von Gen. Sg.-Flexiv und Pluralflexiv definierten Klassen in unterschiedlichem Maße: Klasse 1 und 2 bestehen ausschließlich aus Mask., Klasse 3 und 4 ausschließlich aus Neutr., Klasse 6, 7, 8, 9 und 10 bestehen  – abgesehen von einigen wenigen Mask. vom Typ man – ausschließlich aus Fem. Lediglich in Klasse 5 sind alle drei Genera vertreten. Konkurrierend zu der Klassifikation durch die Kombination von Gen.Sg.- und Pluralflexiv wird in jüngeren Klassifikationsvorschlägen zur nhd. Substantivflexion die Einbeziehung des Genus als klassenkonstituierende Größe diskutiert (vgl. etwa Wurzel 1986; D. Bittner 1994; 2000; B. Wiese 2000; s. auch die Darstellung bei Eisenberg 2006, 158ff). Diese Mög­ lichkeit einer Klassifikation erscheint weniger elegant, da die drei Genera zwangsläufig eine Subklassifikation erfordern oder wie im Modell von B. Wiese (2000, bes. 150) regelmäßig zu Zweiergruppen zusammengefasst werden müssen, die im Falle der Klassifizierung Neutr. vs. Fem./ ​Mask. den Gen.Sg. nicht mehr unterscheiden. Anm. 1:  Eine implikative Klassifikation, die mit nur 5 Klassen auskommt (vgl. etwa ­Thieroff/ ​Vogel 2009, 43f), hat den Nachteil, dass sie nur vom Plural aus in jedem Fall

3. Klassen

79

funktioniert. Bei den ‚starken‘ Nicht-Feminina kann zwar vom -er-Pl. auf das Sg.-Para­ digma geschlossen werden, da -er-Pl. im Gen.Sg. -(e)s impliziert, nicht aber umgekehrt vom -(e)s-Gen. auf das Pluralflexiv -er. Noch schwieriger ist dies bei den Feminina. Somit wei­ sen die 5 Klassen mindestens 3 Subklassen auf, wobei der Umlaut des Stammvokals noch gar nicht konsequent berücksichtigt ist. Anm. 2:  Zu älteren Klassifikationen der mhd. Substantivflexion s. bes. Stopp/ ​Moser (1967) und die dort referierten Klassifikationsmodelle der verschiedenen Grammatiken.

Die früheren Klassifikationen nach (ehemaligen) Stammklassen hatte bereits Paul in seiner Mhd.Gr. als inadäquat bezeichnet: „so ist es für die praktische einführung kaum zweckmässig, die einteilung nach dem alten stammauslaut consequent durch­ zuführen“ (Paul, Mhd.Gr. 1900, 50f; vgl. auch Ahd.Gr.I, § 192f, Anm. 1). Um den Zusammenhang der im vorliegenden Band gewählten mhd. synchron strukturell begründeten Klassifikation mit den historischen Stammklassen zu wahren, wird  – immer verbunden mit dem Epitheton ‚ehemalig‘  – auf diese rekurriert. Paul – wie auch zahlreiche andere Darstellungen zur Substantivflexion – übernimmt statt­ dessen die von Grimm eingeführte Dichotomie ‚stark‘ vs. ‚schwach‘. Diese bereits im frü­ hen 19. Jh. und dann verstärkt durch die strukturalistisch orientierte Literatur vielfach kritisierte Einteilung verstand Grimm ausschließlich historisch begründet. So schreibt er rückblickend: „Die grammatik empfindet ein bedürfnis überall von der grundlage jüngere zuthat, von dem ursprünglichen abgeleitetes, von dem inneren äuszeres zu unterscheiden. […] es scheint zulässig und förderlich, sie durch den namen des starken und schwachen auszuzeichnen“ (Grimm 1880/ ​1970, 877). Im Gegensatz zur späteren meist unreflektierten Verwendung der Begriffe ‚stark‘ und ‚schwach‘ sieht Grimm die Problematik solcher Be­ griffe deutlich: „Zur Bezeichnung […] habe ich die Ausdrücke stark und schwach ge­ braucht, sie sind relativ zu nehmen und richtiger würde die starke Declination: die stärkere, die schwache, die schwächere heißen“ (Grimm, Dt.Gr.I, 135) und „die schwache Declination kann nicht so viel Casus an einem Worte ausdrücken, als die starke. Dies gilt im ganzen, nicht im einzelnen, da es wohl Fälle gibt, die der starken Decl. beigezählt werden müssen, und geringere Biegungsfähigkeit zeigen, wie die Wörter der schwachen Classe“ (ebd.). Dabei geht es Grimm offensichtlich lediglich um eine griffige Benennung anstelle komplizierterer Umschreibungen: „Bei dem, was ich stark oder schwach […] nenne, sind mir die genom­ menen Ausdrücke gleichgültig und es kommt auf die Sache an, welche sie zu bezeichnen haben, die ich aber ohne eigenthümliche Benennung unzähligemale hätte umschreiben müssen“ (Grimm, Dt.Gr.I, XXIII).

Die Einteilung in ‚stark‘ und ‚schwach‘ ist für die Substantivklassifikation  – im Gegensatz zur Verbflexion – jedoch wenig angemessen, da einer ‚schwachen‘ Klasse mehrere ‚starke‘ Klassen gegenüberstehen und somit eine Subklassifikation erforder­ lich ist. Die folgende Darstellung meidet die Bezeichnungen ‚stark‘ ganz und die Bezeichnung ‚schwach‘ weitgehend. Es wird der Begriff ‚schwach‘ gelegentlich – ver­ sehen mit Anführungszeichen – benutzt, um die Vergleichbarkeit mit anderen Gram­ matiken zu gewährleisten.

80

III. Substantive

Lit.: Allgemeine Darstellungen zur Substantivflexion: Augst (1975); Bettelhäuser (1976); Bybee (1985), (1994); Dammel/ ​Gillmann (2014); Durrell (1977), (1994); Eisenberg (2006); Frnhd.Gr., § M 3–30; Fuhrhop (1998); Keseling (1968); Schmidt-Ihms (1968); Szczepaniak (2011); Thieroff (2006); Thieroff/ ​Vogel (2009); Klassen, Paradigmen, flexionsmorphologische Besonderheiten: Adams/ ​Conklin (1973); Augst (1975); G. Bech (1963b); D. Bittner (1987), (1991), (1994), (2000); Craig (1986); Dixon (1968/ ​1982); Durrell (1990); Friedrich (1901); Gortzitza (1854); Hermodsson (1968); Jørgensen (1969); Kürschner (2008); Köpcke (1994), (1995), (2000a), (2000b); Marko (1972); Pahre (1985); Senft (2000); Serzisko (1981), (1982); Spitz (1965a); H. Walter (1982); B. Wiese (2000); Wurzel (1975), (1986), (1987), (1994), (1998); Historische Aspekte und Darstellungen: Ahlsson (1965); H. Bach (1937/ ​1972), (1943/ ​1972); Becker (1994); Beyer (1963); Bojunga (1890); Gayler (1835); Gr.d.Frnhd.III; Graser/ ​Wegera (1978); Hotzenköcherle (1962); Kern/ ​Zutt (1977); Th. Klein (1987a); Kürschner (2008); Kürschner/ ​Dammel (2013); Lindgren (1953); Ljungerud (1955); McLintock (1966); Møller (1937); Molz (1902), (1906); Nübling u. a. (2013); Paul, Dt.Gr.II; Paul, Mhd.Gr., § M 4ff; Pav­ lov (1995); Rettig (1972); Schmidt-Wilpert (1980); Solms/ ​Wegera (1982); Steche (1927); Stopp (1974); Stopp/ ​Moser (1967); Suchsland (1968); Wegener (1985), (1995), (2005); Wegera (1980), (1987); Wilmanns, Dt.Gr.III.2; Wurzel (1985), (1995).

81

4. Kasus: Singular-Kasus

4. Kasus: Singular-Kasus 4.1. Die Singular-Paradigmen und ihre Entwicklung Das Mhd. verfügt hinsichtlich der Sg.-Kasus über 4 Paradigmen: Sg. Nom. Akk. Dat. Gen.

S 1 -ø -ø -(e) -(e)s

S 2 -ø -ø -ø -ø

S 3 -ø -(e)n ~ -ø -(e)n -(e)n

S 14

S 4 -ø -ø -e(Uml) -e(Uml)

–– Paradigma S 1 ist das Paradigma der meisten Mask. und Neutr. –– Paradigma S 2 ist das Paradigma der ehemaligen ō-/ ​jō-Stämme; im Mhd. flektieren zudem noch Reste der ehemaligen Wurzelnomen (Typ man) nach diesem Muster. –– Paradigma S 3 ist das Paradigma der ehemaligen n-Stämme (‚schwache‘ Flexion); Akk. -ø bei hęrze. –– Paradigma S 4 ist das Paradigma der ehemaligen fem. i-Stämme; dieses Paradigma wird seit dem Mhd. zunehmend hinsichtlich der Kasusmarkierungen nivelliert und dem Paradigma S 2 angeglichen. Übergangsbedingt schwanken zahlreiche Fem. zwischen Paradigma S 2 und S 3 (vgl. § S 44).

Das Inventar zur Markierung der Sg.-Kasus besteht aus -(e)s, -(e)n und stark abneh­ mendem -e(Uml) bzw. -e. Die Verteilung von -e/ ​-ø in -(e)n und -(e)s ist weitgehend von der lautlichen Umgebung bestimmt. -(e)n

S 15

Die -e-/ ​-ø-Verteilung im Flexionselement -(e)n zeigt Synkope i. d. R. nur bei mehrsilbigen Lexemen auf -el, -er, -en, -em. Sonderfälle sind vrouwe und hērre, die insbes. in Phrasen zusammen mit Namen (v. a. in Urkk.) häufig Synkope zeigen bzw. kontrahiert werden: z. B. h’n Chvnrad, vern El‫܅‬peten. Weitere Ausnahmen von der Regel sind: bern (4x), grabn (Parz), keln (GnaÜ), lêvn (24x Iw, 1x LuKr), knabn (Parz), koln (Renn), namn (2x Parz), orn (5x), o portn (Parz), ‫܅‬charn (Himlf), ‫܅‬chun (Brig), ‫܅‬elb‫܅‬choln (‚Selbstschuldner‘ 9x in Urkk., 5x in StBA), sporn (10), torn (2), wegn (4x Nib), zagn (Parz), bir(e) : birn (10x Renn), ‫܅‬ter(e) : ‫܅‬tern (Parz). Synkope tritt zunächst zögerlich auf, sie bleibt bis 213 ein fast ausnahmslos obd. Phänomen. In 114 steigt die Zahl der synkopierten Fälle insbesondere in den Urkunden sprunghaft an. -(e)s Die -e-/ ​-ø-Verteilung im Flexionselement -(e)s zeigt häufiger -ø als im Falle von -(e)n. Zum einen setzt die Synkope hier früher bzw. früher stärker ein (in 212), zum anderen ist sie nicht in der Hauptsache auf mehrsilbige Lexeme auf -er, -el, -en oder -em beschränkt,

S 16

82

III. Substantive

sondern tritt auch bei einsilbigen Lexemen auf, z. T. auch bei solchen, die mehr als einen Konsonanten im Silben-Endrand haben. Ist t der letzte Konsonant im Endrand, entsteht durch Synkope aus t+s die Affrikate /ts/, häufig mit der Schreibung ‹tz›. Einsilbige Lexeme, die auf einem Konsonanten enden: arquan‫( ܅‬arcwān DvATr), biers (WüPo), bloitz (bluet Taul), boyms (boum Taul), breifs (brief UKöln2), broitz (brōt Taul), o o gotz (84 got), Grals (8x Parz), gu ts (43), hail‫( ܅‬hėil ZwBR), hers (6), hur‫( ܅‬huer Spec), jars (24), libs (4), lob‫( ܅‬Parz), lons (12), mals (4), mans (11), maíns (mėin Rupr), mers (Tris), mers (4), rat‫( ܅‬2), reichs (GnaÜ), ‫܅‬aum‫( ܅‬soum 4x UAugsb2), ‫܅‬chlags (slac Hartw), Smitz (ULands), ‫܅‬on‫܅‬ (sin‌tags ‌teils VLilie), ‫܅‬pers (2), ‫܅‬pils (3), ‫܅‬tuls (stuel Lupo), (-)‌‫܅‬uns (18), (-) (17), (-) (2), doitz (tōt Taul), vbels (11), fûrpots (vürbot Rupr), (-) (10), wirtz (3), zilz (SwSp). ‌wins Lexeme mit Konsonantencluster: ambz (4), Erfs (ėrbe UKöln2), flæ‫܅‬chbanks (vlėischbanc o UAugsb2), ga‫܅‬ts (2x Rupr), geltz (14), gruntz (4x Taul), halms (2x Bart), harns (Bart), hvnt‫܅‬ (Bart), kampfs (Parz), kintz (2), chnechts (knęht 2x Rupr), korns (29), Lambs (UAugsb2), lants (2), pfærds (Parz), Reigts (ręht UKöln2), ‫܅‬w’ts (swęrt Rupr), vogts (2), volcs (ZwBR), wercks (2), wirt‫( ܅‬3), zorns (3). S 17

Die Entwicklung der Sg.-Kasus zeigt eine starke Tendenz zur Nivellierung der flexi­ vischen Kasusmarkierungen. Doch wird die vollständige Tilgung zum Nhd. hin nur bei den Fem. erreicht. Durch den im Gefolge der Abschwächung der Nebensilben­ vokale zu ‹e› /ә/ einsetzenden Prozess der Um- und Neustrukturierung der Substan­ tivflexion werden zum Nhd. hin die Paradigmen selbst vergleichsweise nur gering verändert. Die vier nhd. Sg.-Paradigmen entsprechen den mhd. Paradigmen S 1 (Mask. und Neutr., weitgehend ohne Dat.-e), S 2 (Fem.) und S 3 (‚schwache‘ Mask.). Lediglich das mhd. Paradigma S 4 fällt weg; die entsprechenden Substantive flektie­ ren im Nhd. überwiegend nach S 2. Die nhd. wenig belasteten Paradigmen -ø, -(e)n, -(e)n, -(e)ns (Typ Name) und -ø, -ø, -(e)n, -(e)ns (das Neutrum Herz) entstehen erst im Frnhd. Die wesentliche Entwicklung besteht in der Umschichtung der Substantive zwi­ schen den verschiedenen Paradigmen. Die auffälligste Veränderung ist dabei die weitgehende Auflösung von S 3 (‚schwache‘ Flexion) bzw. die neuerliche Motivierung des nun mask. Paradigmas (vgl. dazu D. Bittner 1987; 1991; Köpcke 1995; 2000a; 2000b; Pahre 1985; B. Wiese 2000; Wurzel 1985 und oben § S 3).

Mask./Neutr. -ø

Mask./Neutr./Fem. -ø

Akk.



-(e)n

Dat.

-(e)

Gen.

-(e)s

Sg. Nom.

(zahlreiche Mask.; ōre, ouge)

-(e)n

Fem./Mask. -ø -ø (alle Fem.)

-(e)n (Besondere Mask.: man etc.)

-ø < -e(Uml) -ø < -e(Uml)

4. Kasus: Singular-Kasus

83

Das -(e)s-Paradigma ist im Mhd. das dominierende Paradigma der Mask./ ​Neutr. Durch Zuwachs großer Teile der ehemals ‚schwach‘ flektierten Mask. sowie ōre und ouge wird das -(e)s-Paradigma zusätzlich gestärkt. Das -ø-Paradigma wird zum Pa­ radigma der Fem. (und zwar aller Fem.). Das -(e)n-Paradigma bleibt im Nhd. Mas­ kulina mit bestimmten Merkmalen (Typ Bote) vorbehalten. Die Ausgleichsentwicklung bei den Sg.-Kasusflexiven verläuft nicht geradlinig und nicht im gesamten Sprachgebiet einheitlich, sondern zeigt regional begrenzte Son­ derwege. Bei den Fem. bilden sich verschiedene Ausgleichsmuster aus: In der frühen Neuzeit wird im Obd., insbes. im Bair., das -(e)n der obliquen Kasus analog in den Nom.Sg. übertragen und so das Paradigma mit durchweg unbezeichneten Kasus durch Verschiebung der Grenze zwischen Stamm und Flexiv indirekt hergestellt (ƶungen-ø, ƶungen-ø, ƶungen-ø, ƶungen-ø). Besonders im Wobd. und Teilen des Md. werden die -(e)n-Flexive der obliquen Kasus direkt getilgt (levelling), sodass alle ehemals ‚schwachen‘ Fem. nun hinsichtlich der Sg.-Kasus unmarkiert sind (vgl. dazu Gr.d.Frnhd.III, § 48). Daneben existiert als Übergangsmuster ein Ausgleichsmodell mit einem Teilaus­ gleich und einer Kasus-Distinktion: Nom. = Akk. ≠ Dat. = Gen. Dieser Distink­ tionstyp, der z. T. noch im Mhd. bei den fem. i-Stämmen (kraft = kraft ≠ krėfte = krėfte) besteht und im Sg. der ‚schwachen‘ Neutr., wird im Spätahd. bei den ō-Stämmen durch Angleichung des Gen.-a an das Dat.-u (bzw. regional auch Dat.-o) ausgebildet (geba = geba = geba ≠ gebu > geba = geba ≠ gebu = gebu) (vgl. dazu Ahd. Gr.I, § 207, Anm. 5; Wilmanns, Dt.Gr.III.2, § 162, Anm. 3; Wurzel 2001, 98; Th. Klein 2005a). Man kann diesen Distinktionstyp als eine Art Zwischenstufe der Kasusni­ vellierung der Fem. ansehen, eine Re-Strukturierung, die nach kurzer Zeit durch den weitergehenden Verfall der Nebensilben bereits obsolet wird. Das Mfrk. folgt  – im Verbund mit dem Ostmittelniederländischen  – diesem Distinktionstyp im Mhd. besonders konsequent (vgl. Marynissen 1996; Th. Klein 2005a), indem im Dat./ ​Gen. Sg. der ehemaligen ō-Stämme verstärkt -(e)n angefügt wird, während es im Akk. der ehemaligen n-Stämme schwindet und so in einem Teilausgleich ein Gegensatz zwi­ schen endungslosem Nom./ ​Akk. einerseits und -(e)n im Dat./ ​Gen. andererseits her­ gestellt wird, und zwar sowohl bei ehemaligen n-Stämmen als auch bei ehemaligen ō-/ ​jō-Stämmen: ƶunge-ø = ƶunge-ø ≠ ƶunge-n = ƶunge-n; gębe-ø = gębe-ø ≠ gębe-n = gębe-n. Auch das Obd. zeigt hier eine entsprechende, aber weniger stark hervor­ tretende Tendenz durch vorübergehenden Ausbau des Kasus-(e)n im Dat./ ​Gen.Sg. der Fem. (vgl. unten unter § S 48 u. § S 50). Anm. 1:  Dieser Teilausgleich ist verbunden mit einem konsequenteren Ausbau des -(e)nPlurals durch Übertragung des Dat./ ​Gen.Pl.-Kasus -(e)n auf den Nom./ ​Akk.Pl. bei den ehemaligen ō-Stämmen nach dem Muster der ‚schwachen‘ Flexion (vgl. unten unter Nu­ merus -(e)n § S 78ff).

84

III. Substantive

4.2. Die Singular-Kasus im Einzelnen 4.2.1. Maskulina S 18

Paradigma: Sg. Nom. Akk. Dat. Gen.

S 1 -ø -ø -(e) -(e)s

S 2 -ø -ø -ø -ø

S 3 -ø -(e)n ~ -ø -(e)n -(e)n

–– Nach Paradigma S 1 flektieren die ehemaligen a-, ja- und wa-Stämme (wie tac, sē(w-), dienest, stil, ėngel, nagel, winter), die ehemaligen i-Stämme (wie gast, apfel, ƶaher ‚Träne‘), dazu ehemalige u-Stämme (wie brief, vride, sun), einige ehemalige Wurzelno­ men (wie genōȥ, ƶan(t)) und die ehemaligen Partizipialstämme auf -nt (wie vīant). –– Nach Paradigma S 2 können noch das ehemalige Wurzelnomen man und die ehemali­ gen er-Stämme vater und brueder flektieren. Sie zeigen im Mhd. jedoch bereits Über­ gänge zu Paradigma S 1, sodass das Paradigma bei den Mask. kaum noch in reiner Form vorliegt (vgl. unten unter § S 19). Zwischenstufen mit Kombinationen aus beiden Paradigmen sind nicht selten. –– Nach Paradigma S 3 flektieren die ehemaligen n-Stämme (wie bote, van, pfā(w-), habere) sowie eine kleinere Gruppe von ehemaligen jan-Stämmen (wie ėrbe).

Im Mhd. zeigen sich folgende grundlegenden Entwicklungen der Mask.: 1. Die seit dem Ahd. direkt beobachtbare Nivellierung der Kasusflexive setzt im Dat. Sg. verstärkt ein (s. unten unter § S 23). 2. Die Tendenz zu wenigen (mit jeweils einem Genus korrespondierenden) Paradig­ men wird weiter sichtbar. Der im Frnhd. endgültig vollzogene Übergang von Para­ digma S 2 zu S 1 ist im Mhd. im Ansatz belegt und bei den verschiedenen einschlä­ gigen Substantiven unterschiedlich weit fortgeschritten (s. unten unter ‚Besondere Maskulina‘ § S 30ff). 3. Der Übergang von Substantiven aus Paradigma S 3 zu S 1 ist in allen Kasus belegt. Dazu ist in allen Kasus jeweils eine größere Zahl von übergangsbedingten Schwan­ kungen zwischen S 1 und S 3 vertreten. Weit seltener finden sich ehemalige mask. a-/ ​ ja- oder i-Stämme mit vereinzelten Kasus-(e)n bzw. als nachhaltige Übergänge von S 1 nach S 3. Die meisten dieser Mask. sind jedoch nur in jeweils einem Kasus mit -(e)n belegt. Zugleich in allen drei Kasus (Akk., Dat. und Gen.) mit -(e)n belegt sind: boge, bote, gemahel(e), gesėlle, hase, jude, junchērre, lęwe, nęve, prophēte, rėcke, rise, sāme, slange, tōre, vorvar(e), vürste, wīssage. Zugleich im Akk. und Dat. Sg. mit -(e)n belegt sind: affe, ande (‚Feind‘), galge, gebręst(e), gevėrte, grabe, junger(e), kėmpfe, ohse, rębe, schėnke, (-)‌trappe, wideme.

4. Kasus: Singular-Kasus

85

Zugleich im Dat. und Gen.Sg. mit -(e)n belegt sind: ēwangeliste, (-)‌garte, (-)‌geloube, gewęr(e), (-)‌grēve, habere, hėrƶoge, knappe, līchname, mėie, name, pfaffe, rīfe, rogge, smęrƶe, vormunde, vürspręche, (-)‌wille. Zugleich im Akk. und Gen.Sg. mit -(e)n belegt sind balke, (-)‌bürge, han(e), junge, węr(e), ƶęhende. Vgl. unten unter § S 22, § S 26 und § S 28.

4. Belege mit analogem -n im Nom.Sg. (Typ namen) sind noch sehr selten (s. unten unter Nominativ § S 20). Zur weiteren diachronen Entwicklung s. Gr.d.Frnhd.III, § 52 u. § 55; s. auch die Listen bei Bojunga (1890, 69) und Paul, Dt.Gr.II, § 27 u. § 35. Im Korpus flektieren ausschließlich nach Paradigma S 1 abbet, ābent, acker, adelar, advent, āl, altǟre, amīs, andāht, anger, angest, antvanc, apfel, arcwān, arƶāt, ātem, bābes, bāc, bach, bal, balsame, (-)‌ban, (-)‌banc, bāruc (‚Titel des Kali­ fen‘), bęcher, bęrc, (-)‌bischof, blic, bluetvėim (‚Blutschaum‘), boc, brant, brobest, būch, buckel, dahs, danc, dęgen, diep, dōn, doner, durst, ębenkrist, ėisch, ėit (‚Urteil‘), ęlefant, ėngel, ėsel, ėȥȥich, ganc, gast, (-)‌gębe, gedanc, (ge)hīlėich, gėist, gęlt, gelust, geruch, gesmac, gesunt, gewalt, gewin, gīr, glanƶ, glast, got, grāl, grāt, grif, grim, grueȥ, grunt, gürtel, halm, hals, haȥ, hėiden, hėilant, hęlm, hėlt, himel, hof, holunter, horn, hort, hundestille, hunger, hunt, hurt, igel, jāmer, jungelinc, kampf, karkǟre, karl, kėiser, kęlch, kēr, (-)‌klanc, knęht, kommentiur, konvęnt, kopf, kōr, korp, (-)‌kouf, krām, kriec, krisem (‚Salböl‘), kumber, künic, kus, kuster, līp, list, liut, louf, luft, mangolt, mānōt, mantel, market, marschalc, mast, mėier, (-)‌mėister, męte, morgen, mort, morter, münech, muet, munt, murmel, nāchgebūre, nagel, naht, napf, nębel, nīde, nuƶ, (-)‌orden, ōriōn, ougest, palmenstėngel, paradīse, pastor, pfarrǟre, pfęffer, pfėnninc, pilgerīm, plān, poinder (-)‌priester, prīor, prīs, raben, (-)‌rāt, rinc, rock, rouch, roup, ruch, ruef, ruem, rūm, runs (‚das Rinnen‘), sal, salter, sanc, sant, sarc, schāchǟre, schade, schal, schalc, (-)‌schaƶ, schęr, schillinc, schimpf, schīn, schranc, schric, schrit, schuech, schup, schūr, sęgen, sėim (‚Honig, Saft‘), sęnt, sēr, sin, slāf, (-)‌slac, smac, (-)‌smit, (-)‌snit, solt, souc, soum, spil, spitāl, spot, stanc, stėin, stift, stil, stoup, strit, strunƶe, (-)‌stuel, sturm, sumer, (-)‌sun, swāger, swębel (‚Schwefel‘), swęher, swėiȥ, swęlch, tadel, (-)‌tac, tanƶ, (-)‌tęchan (‚De­ chant‘), tėil, tęmpel, tier, tisch, tiuvel, tōt, touf, tranc, trōn, trōst, troum, turn, turnėi, tūsch, val, vālant, valsch, verlor, vīant, vinger, visch, vlach, vlėischhėckel, vlins, vlīȥ, vluech, vluht, (-)‌vluȥ, vogel, (-)‌voget, vrāȥ, vriunt, vrost, vueȥ, vunt, wāc, walt, wān, węgerīch, wėinlėich, wėiȥe, wīc, wider, (-)‌wīn, windemāt, wine, wint, winter, wirt, wunsch, wurm, ƶagel, ƶart, ƶinemīn (‚Zimt‘), (-)‌ƶins, ƶipres, ƶirkel, ƶol, ƶorn, ƶwīvel; -er-Ableitungen; Ableitungen mit mask. Genus auf -sal, -tuom.

S 1/ ​S 2 brueder, man, vater.

S 3 aberęlle (‚April‘), affe, ande (‚Feind‘), ane, ange (‚Angel‘), apostel, asche, backe, balke, baptiste, bėcke (‚Bäcker‘), belange, bęr (‚Bär‘), boge, borte, bote, bręche, bręste, briuwe (‚Brauer‘), burne, droȥȥe (‚Schlund‘), ēhalte, ėinsidele, ēwe, galge, gebręste, gelange (‚Verlangen‘), gemahel(e), gērmāc, gesėlle, gevėrte, (ge)węr (‚Bürge‘), grabe (‚Graben‘), grīse (‚Greis‘), han,

S 19

86

III. Substantive

hase, höüschręcke, (-)‌hūfe (‚Haufen‘), jude, junchērre, junge (‚Junge‘), kanonike, kappe (‚Ab­ gabe‘), karrosche, kėmpfe, kęrne (‚Kern‘), klobe, knolle, kolbe, koƶƶe (‚Decke‘), krage (‚Hals‘), lėis, lęwe (‚Löwe‘), liumunt, māge, mage, mėie, mėrƶe, mėƶƶe (‚Maßeinheit‘), molte, narre, nęve, ȫhėim, ohse, palme, patriarche, pfage, pfāwe, plānēte, prophēte, rabe (‚Rabe‘), rache (‚Rachen‘), rātgębe, rębe, rėcke, ręhte (‚der Gerechte‘), (-)‌rieme (‚Riemen‘), rīfe, rise, rogge, rūȥ (‚Russe‘), sāme, schėffe (‚Schöffe‘), schėnke (‚Mundschenk‘), schirbe (‚Scherbe‘), -schol, schręcke (‚Schrecken‘), schrōt, schultgemare (‚Mitschuldner‘), sęhe (‚Augapfel‘), sęlpgęlte (‚Selbstschuldner‘), siechtac, slange, smach, spade, sproȥȥe, stade (‚Ufer‘), stam, stėcke, stęrbe, stęrre, tolde, tōre, (-)‌trache, (-)‌trappe (‚Treppe‘), tropfe, truhtsǟȥe, turre (‚turn‘), vahsstręne (‚Haarflechte‘), valke, vlade, volle, vorvare, vürste, wabe, wade, wase (‚Rasen‘), węrre, wideme, willekum, wīssage (‚Prophet‘), ƶage, ƶęhende, ƶinke, (ge)ƶǖge (‚Zeuge‘).

S 1/ ​S 3 (adel)ar(e) (‚Adler‘), arm, boum, brief, bruckhėie (‚Brückenwärter‘), brǖtegome, brunne, (-)‌bürge (‚Bürge‘), buesem, ėrbe (‚der Erbe‘), ēwangeliste, ēwarte, (-)‌garte, gedinge (‚Hoff­ nung‘), (-)‌geloube, gēr, goume, (-)‌grāve/ ​(-)‌grēve, habere, hamer, hērre, hėrƶoge, hirte, hirȥ, junger, kapellān, knappe, kristen, lēbarte, lėie (‚Laie‘), (-)‌līcham, līchname, mānde, māne, markīs, mėn(ni)sche, mittewoche, name, pfaffe, (p)salme (‚Psalm‘), rėie, rihtǟre, riuwe, rücke, schade (‚Schaden‘), schate, schilt, (-)‌schim(e), (-)‌schīm(e), schulthėiȥe, sige, site, smęrƶe, stęrne, sunder, sunne, truhtīn ~ trehtīn, urdruȥ (‚Überdruss, Unlust‘), vane, vėr(e), vęrs, vėtere, vlęc(ke), vorht, vormunde, vride, vrume, vürspręche (‚Fürsprecher‘), węc, (-)‌wille. Anm. 1:  Zum Genuswechsel mask. > fem./ ​neutr. bzw. fem./ ​neutr. > mask. s. unten unter § S 87ff. 4.2.1.1. Nominativ S 20

Der Nom.Sg. ist als Folge der Abschwächung der Nebensilbenvokale und der damit verbundenen Verschiebung der Grenze zwischen Stamm und Flexiv immer endungs­ los (-ø). Nebensilbenvokale zweisilbiger Substantive auf -e werden als zum Stamm gehörig gewertet (vgl. Stopp 1974, 329). Verschiedene Formen des Stamms bei labiler Lexem­ gestalt werden als Stammvarianten gewertet: mėnsch-ø vs. mėnsche-ø. In beiden Fäl­ len wird für den Nom.Sg. -ø angesetzt. Das Problem erreicht im Mhd. noch nicht die Dimension, die ihm im Frnhd. aufgrund der weit stärker auftretenden e-Apokope zukommt (zum Problem der Segmentierung und Paradigmenbildung s. Gr.d.Frnhd. III, § 38, Anm. 1 und Wegera 1993). Die Stammvarianz im Mhd. ist weitgehend als graphische Varianz bzw. mit Hilfe von Lautregeln beschreibbar. Auf das Ansetzen einer theoretisch durchaus begründ­ baren Archi-Form etwa mėnschE für mėnsch und mėnsche wird verzichtet. Die Stammvarianz hat verschiedene Ursachen: 1. Aufgrund der einsetzenden e-Apokope, die auch mehrsilbige Lexeme auf -e be­ trifft, besteht Stammvarianz zum Teil bereits in 212 (etwa bei bot(e): Der bot ‫܅‬prach, Kchr, 4ra,42; 805 – Owi uvi fro der bote was, Kchr, 4ra,29; 787). Die -e‑lose Form tritt

4. Kasus: Singular-Kasus

87

häufig auf bei Titeln und in Anreden, die vor Eigennamen stehen: herzog Jesus, her Gawan etc. Apokope ist vereinzelt bereits in 212 im Obd. (12 Fälle) belegt, im 13. Jh. nimmt die Zahl der apokopierten Belege leicht, aber kontinuierlich zu. Die Apokope bleibt zunächst weiter ein obd. Phänomen, in md. Texten tritt sie nur sehr vereinzelt auf, so man (māne RhMl), her (GRud, PrMK) und apokopierte -er(e)-Ableitungen, prediger (‚prėdigǟre‘ JMar), mínner (‚minnǟre‘ Himlf). In 114 steigt die Zahl der apo­ kopierten Belege sprunghaft an (auf ca. 800). Dieser steile Anstieg geht zu über 60% auf die Urkunden zurück. Besonders stark vom Ausfall des -e betroffen sind -er(e)Ableitungen: Ab 213 dominiert -er gegenüber -ere, z. B. rihtere: 212: sämtliche Belege v mit -e (‫܅‬o i‫܅‬t er rihtare go t, Mess, 136r,18; 200); 213: 90% -ø (Eîn îegelích man der rihter í‫܅‬t, SwSp, 45rb,16f). -e als Wortbildungssuffix wird dagegen selten apokopiert. 2. In einigen Fällen beeinflusst der e-Schwund den konsonantischen Auslaut und seine graphische Repräsentation wie in buechstabe ~ buechstap (Ab’ ein buch‫܅‬tabe. Od’ ein kritz ࠄ ‫܅‬al nicht vorgࠀ vࠅ d’ ee, MBeh, 59r,15ff – Der itel bvch‫܅‬tap. derne fvrdert niemen, PrMi, 22v,15), knabe ~ knap, liebe ~ lip, sige ~ sic, vormunde ~ vormunt, wāge ~ wāc; gelegentlich bewirkt die Apokope Kürzung des Stammes wie in hērre ~ hęr, mėige ~ mėi, lėige ~ lėi. 3. Selten findet sich epithetisches -e wie bei boum(e), diebe ~ diep (Der tac un‫܅‬er‫܅‬ herrin. der kumit al‫܅‬o der dîebe in der naht, Spec, 38v,3f), stabe ~ stap. Weinhold belegt für das Bair. ab dem 11./ ​12. Jh. und für das Alem. ab dem 13. Jh. weitere epithetische Bildungen („unechtes e“) (vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 338; Weinhold, Alem.Gr., § 391). Belegte Lexeme zu 1.–3. Mit -e/ ​-ø-Varianz im Nom. belegt sind: adelar(e), altār(e), ān(e), apostel(e), ar(e), bach(e) ‚Schinken‘, bėck(e), -bęr(e), bot(e), boum(e), bręst(e), brǖtegom(e), buechstabe, buechstap ~ diebe ~ diep, donr(e) (‚doner‘), ēhalt(e), ėinhürn(e), ėinsidel(e), ėngel(e), ėrb(e), ėsel(e), ēwangelist(e), ēwart(e), gart(e), geburt(e), gėist(e), gelėit(e), geloub(e), -genōȥ(ȥe), getriuw(e), got(e), han(e), has(e), hėiden(e), hęlm(e), hērr(e), hėrƶog(e), hirt(e), hirȥ(e), junger(e), kǟs(e), karl(e), kėmp(f)(e), kęrn(e), knap ~ knabe, knapp(e), knęht(e), convęnt(e), krieg(e), kristen(e), künig(e), lėi(e), līchnam(e), liebart(e) (lēbart), lieb(e) ~ liep, mān(e), mėnsch(e), mōr(e), nam(e), patriarch(e), pfaff(e), ręht(e), ruem(e), salm(e), schad(e), schat(e), schaƶ(e), schėnk(e), schėrg(e), schīm(e), schultgemar(e) (‚Mitschuldner‘), schulthėiȥ(e), sig(e), sit(e), spręch(e), stabe ~ stap, stėin(e), stęrn(e), sun(e), sunder(e), tisch(e), tōr(e), trach(e), troum(e), valk(e), van(e), vęrs(e), vėter(e), vlęck(e), vormunt ~ vormunde, vrid(e), vürst(e), wāc ~ wāge, walh(e), węr(e), wīssag(e), ƶag(e), ƶęhend(e); dazu zahlreiche Bildungen auf -er(e), selten bei -tuom(e).

4. Stammvarianz aufgrund von Synkope-Prozessen finden sich bei: ab(e)t, an(e)vanc, arƶ(e)t, āt(e)me, bāb(e)st, dęg(e)n, dien(e)st, ęrn(e)st, ėst(e)rīch, g(e)węr, hęl(e)t, kapp(e)llān, kini(n)c ~ kunc, kėl(e)ch, mün(i)ch, sęg(e)n, tur(e)n, vüet(e)rer, vog(e)t (Der Vogt von Berne, Nib, 88r,17; 2421,1; ‫܅‬chermen im began. d’ voget von Berne, Nib, 87 v,16f; 2408,3).

88

III. Substantive

5. Einige Dubletten, regionale und stilistische Varianten verhalten sich ähnlich und werden wie Stammvarianten behandelt: adamas ~ adamant (< lat. adamas, (-)‌mantis ~ adimant); grāve (< ahd. grāvo < mlat. gravius) ist im Obd. und in LuKr belegt (dazu ein Beleg in UKöln2 Burggrauen) ~ grēve (mnl./ ​mnd.). grēve findet sich ausschließlich in md. (nicht rhfrk.-hess.) Texten (dazu 2x in UNürnb und 1x in WüPo jeweils neben a-Formen); stęrre (ahd. (frk.) sterro) steht im Korpus ausschließlich und ausnahmslos im Wmd. (57 Belege) ~ stęrn(e) (ahd. stern(o)) ausschließlich und ausnahmslos in allen anderen Landschaften einschießlich des Omd.; līchame (überwiegend md.) ~ līchname (nur obd. belegt); raben (< ahd. (h)raban) ~ rabe (< ahd. rappo ~ rabo), lęwe ~ lęu (< ahd. louwo, lewo < lat. leo), ƶaher (< ahd. zahar; bair.: da manich zaher wirt gegozzen an ir fvzze, PrPa, 315,14f) ~ ƶar ist md. (afries./ ​anord. tār; omd.: Mít di‫܅‬er red manich heizz’ zar vz ir ‫܅‬pilden ovgen clar alda begonde wallen, HTri, 121va,32ff; 3519ff). 6. Stammvarianz besteht auch aufgrund des gelegentlich in frühen Texten belegten Nebeneinanders von ‹e›, ‹a› oder ‹i› in der Nebensilbe. Mehrsilbige Mask. mit i bzw. a in der Nebensilbe: abbat, arƶāt, bruedir, buhil (bühel), ėngil, ėsil, himil, kęllare, mėistir, mėnniski, morgin, raban, ręgan ~ ręgin, sęgin, slüȥȥil, swāgir, tiuval, tumil (‚Lärm‘), vatir, vogil, vogit, wuechir, ƶwīvil. Zu anderen Vokalzeichen als ‹e› s. oben unter § S 7. 7. Stammvarianz ist in Einzelfällen auch Ergebnis bestimmter Lautprozesse wie Me­ o o tathese, so kęllre ~ kęller, vėnre ~ vėner ‚Fähnrich‘, vrost ~ vorst (nu vor‫܅‬t nu hitzde o nv rayn nu ‫܅‬ne, Taul, 16r,6f), t-Epenthese wie āben(t), bischof ~ bischof(t), louf(t), palas(t), Varianz zwischen n  : m: kradem ~ craden ‚Lärm, Getöse‘, ȫhėim ~ ohėin, pilgerīm ~ pilgerīn, rīchtuem ~ rīchton, Assimilation kamber ~ kammer oder Kon­ traktionen wie ręgen ~ ran ~ rayn, vog(e)t ~ vait ~ voit ~ vod ~ vog sowie weiterer Lautwandelprozesse. Außerdem Fälle wie amiral ~ ėmeral, bischof ~ bischolf, bruckhėie ~ bruggehaie ~ prukhay, burge ~ porg, karkare ~ kėrker, mėnnisch(e) ~ mėnsch(e), pfėnni(n)c, vater ~ vatr ~ vat(e), wurm ~ wrme. 8. Bei den ehemaligen wa-Stämmen variiert der Stamm zwischen Nom./ ​Akk. und Dat./ ​Gen. Während im Nom./ ​A kk. das w bzw. später die gesamte Endung w+Nebensilbenvokal ausfällt, bleibt w bzw. die gesamte Endung im Dat./ ​Gen. im Mhd. noch teilweise erhalten (diese Schwankung besteht bereits im Ahd., vgl. Ahd. Gr.I, § 204f). Belegt sind bū (Nom./ ​Akk.) vs. būwe (Dat.Sg.); tou (Nom./ ​Akk.) vs. Dat./ ​Gen. regelmäßig touwe (mask./ ​neutr.); ‫܅‬cadewe (1x Dat.Sg., TrPs), sonst immer schate; sēwe (2x Dat.Sg. Phys, PrMK), sonst sē (vgl. auch Ahd.Gr.I, § 216, Anm. 5). Anm. 1:  Keine Varianz zeigen im Korpus klē, lē (‚Hügel‘) und snē (immer ohne w). Anm. 2:  rē (‚Leichnam‘) und har (‚Flachs‘) sind im Korpus nicht belegt. Anm. 3:  Zu dominierendem lewe sind neben leuuo (WNot), leu (Wind, HLit), lev (Iw, RWchr, RWh), leo (Lieht, PrSch) belegt. Zu leo etc. s. auch Bremer (1888).

9. Graphische Varianz zwischen dem Nom./ ​Akk.Sg. und dem Dat./ ​Gen.Sg. kann auch bei doppelter vs. einfacher Konsonantenschreibung auftreten (man : mannes)

4. Kasus: Singular-Kasus

89

Von morphologischer Relevanz ist die analoge Übertragung des Kasus-n der obliquen Kasus in den Nom.Sg. bei den ehemaligen ‚schwachen‘ Mask. Diese Übertragung, die zu einem Klassenwechsel zahlreicher Mask. führt, findet weitgehend erst im Frnhd. statt (vgl. Gr.d.Frnhd.III, § 52). Im Mhd. sind nur vereinzelte Übernahmen (rund 20) belegt: apo‫܅‬teln (1x Hleb neben insgesamt 9x apo‫܅‬tele), ‫܅‬wibogen ‚gewölbter Steinbogen‘ (1x PrPa), brvnnen (1x Luci neben insgesamt 37x brunne), herren (1x in OxBR neben mehreren tausend Belegen herre), lichnâmen (1x PrMi neben insgesamt 57x lichame), magen (1x Hchz neben insgesamt 2x mage), men‫܅‬chin (2x in PrMK, PrMi neben ins­ gesamt 449x menni‫܅‬che), namen (7x Wind, TrPs, SalH, Yol, BeEv neben insgesamt 103x name), ‫܅‬chaden (2x Rupr, WüPo neben insgesamt 68x ‫܅‬chade), willen (1x Pass neben insgesamt 224 wille), wi‫܅܅‬agen (1x PrRei neben insgesamt 70x wi‫܅܅‬age). 4.2.1.2. Akkusativ

Im Akk.Sg. finden sich neben der endungslosen Form (-ø) lediglich -(e)n (‚schwache‘ Mask.). Zu -ø gilt das unter dem Nominativ Ausgeführte sinngemäß. Konkurrierende Formen mit -e und -ø werden als Stammvarianten gewertet, wobei es sich bei Formen mit -e jeweils immer nur um Einzelfälle handelt wie bei bęrc (vࠁ fvrte ín. geín olivet den berge hín, Himlf, 207,2f; 753f), himel, hof, līp ~ lėip, lon, mag, muet, nīt, rat, slac, stuel, trōn, ƶorn (vnd lie got ‫܅‬inen zorne, BKön, 9rb,33). Vereinzelt mit -e im Akk. belegt sind auch anbeginne, convęnte, wiltbanne: od’ ín ı ‫܅‬wez wiltbanne ez gat (SwSp, 115rb,10f), aber: vnde fluhet ez dar nach ín eínen andren for‫܅‬tban eíns herren (SwSp, 113ra,15ff). Auf Synkope bzw. Metathese geht die Varianz aren : arnre, kęller : kęllre zurück. kortare und korter (‚quartier‘) sind Dubletten.

S 21

Anm. 1:  Zum ehemaligen wa-Stamm bū s. oben unter Nom.Sg. (§ S 20). -(e)n

Mit -(e)n werden überwiegend ehemalige mask. n-Stämme flektiert. Nur wenige andere Substantive zeigen Formen mit -(e)n. Andererseits finden sich zahlreiche Übergänge von -(e)n zum endungslosen Akkusativ. In den meisten Fällen ist der Wegfall von -(e)n durch flexionsmorphologische Übergänge bestimmt. Rein lautliche Tilgung (etwa nach Nasal bei Apokope des Stammnebensilben-e wie nam-ø) ist davon kaum zu unterscheiden, dürfte aber eine eher nachgeordnete Rolle spielen (s. zum Vergleich den Wegfall von -(e)n im Dat.Pl., wo flexionsmorphologische Ursachen eine weit geringere Rolle spielen als lautliche Prozesse; vgl. dazu auch Weinhold, Mhd.Gr., § 458). Anm. 1:  Ausfall von -e- ist selten und  – mit Ausnahme von 2x herrn (Spec)  – erst ab 113 belegt, so adelarn (MBeh), bern (2), habern (UNürnb), hern (27), lêvn (7, davon 6 in Iw), vetern (BKön), voln (2). In wmd. Texten kommt Synkope ausschließlich bei hern vor.

S 22

90

III. Substantive

Ausschließlich mit -(e)n belegt sind: affe, ande, asche, backe, balke, belange, bęr, (-)‌boge, borte, (-)‌bote, bręche, bręste, briuwe (‚Brauer‘), (-)‌bürge, burne, droȥȥe, ēhalte, galge, gebręste, gelange, gemahel(e), gesėlle, gevėrte, grabe, (-)‌grāve, han, hase, jude, junchērre, junge, junger, kappe, karrosche (‚Wagen‘), kėmpfe, klobe, knolle, kolbe, koƶƶe, krage, lėie, lėis, lęwe, māge, mage, mėƶƶe, molte, narre, nęve, ȫhėim, ohse, palme, patriarche, pfage, plānēte, prophēte, rache, rātgębe, rębe, rėcke, (-)‌rieme, (-)‌rise, rūȥ (‚Russe‘), sāme, schėnke, schirbe (‚Scherbe‘), -schol, schręcke, schrōt, sęhe, sęlpgęlte, siechtac, slange, smach, spade, sproȥȥe, stade, stam, stėcke, stęrbe, sunne, tolde, tōre, (-)‌trache, (-)‌trappe, tropfe, truhtsǟȥe, turre (‚turn‘), valke, vane, vėr(e), vlade, vorvare, vürste, wabe, wade, wase, węr, węrre, wideme, wīssage, ƶęhende, (ge)ƶǖge.

Konkurrierend -(e)n und -ø belegt sind: (adel)ar(e) (1 -(e)n  : 1 -ø), arm (3  :  8), brunne (8  :  1), brǖtegome (5  :  4), buesem (1  :  1), ėrbe (1  :  1), ēwarte (3  :  1), (-)‌garte (46  :  2), gedinge (19  :  1), (-)‌geloube (49  :  1), gēr (1  :  1), goume (1 : 1), (-)‌grēve (27 : 2), habere (9 : 1), hamer (1 : 4), hērre (322 : 12), hėrƶoge (5 : 1), hirte (2 : 3), hirȥ (1 : 2), knappe (3 : 2), kristen (1 : 3), (-)‌līcham (55 : 40), līchname (15 : 2), mānde (15 : 1), māne (13 : 1), markīs (2 : 11), mėn(ni)sche (56 : 5), name (96 : 1), pfaffe (4 : 1), (p)salme (9 : 3), rėie (1 : 1), rihtǟre (1 : 62), riuwe (8 : 3), rücke (5 : 14), schāchǟre (1 : 2), schade (201 : 1), schate (2  :  4), schilt (1  :  37), (-)‌schim(e) (3  :  1), schulthėiȥe (1  :  1), sige (5  :  24), site (1  :  1), smęrƶe (17 : 5), stęrne (8 : 3), sunder (2 : 7), truhtīn (1 : 2), vane (15 : 3), vėtere (1 : 4), vlęc(ke) (4 : 3), vorht (1 : 1), vormunde (11 : 4), vrume (3 : 6), vride (24 : 57), vürspręche (12 : 1), wille (251 : 13). Weitere konkurrierend flektierte Belege bei Weinhold, Mhd.Gr., § 459.

Ausschließlich endungslos belegt sind: abbet, buechstap, ēwangeliste, gebręche, gevatere, gīr, goume, hęlm, houbet, karl, kęrne, lėim, lėist, māl, mėie, nack(e), nuƶ, pfuel, (-)‌spor, stam, stroum, strūȥ, swam, toter, vėls, vuhs (vgl. Molz 1902, passim). Anm. 2:  Titel wie grāve, hėrƶoge, kōrhęrre, truhtsǟȥe sind häufiger bzw. durchweg mit -(e)n flektiert. Umgekehrt bleiben Titel mit nachfolgendem flektiertem Eigennamen gelegentlich endungslos: herzoge allebrechten Von O‫܅‬terrich den wy‫܅‬en (Lupo, 231ra,3f; 2,356f). Anm. 3: līcham ist überwiegend im Md. belegt; einzelne Belege finden sich im Alem. (12 von 14  Belegen) und in Texten von 211/ ​112 (alle Belege). Die alternierende Form līchname ist ausschließlich obd. belegt. Anm. 4: Mask. riuwe ist im Wmd. 10x in der Form ruen (RhMl, VLilie, Yol) belegt. Anm. 5: Die sige-Belege mit -(e)n sind alle md. Anm. 6:  galge, kolbe, krage, mage, rache, rieme, sāme, schręcke, spade, (-)‌trache, tropfe, vlade (stėcke, wase) übertragen zum Nhd. die Kasusmarkierung -n der obliquen Kasus analog in den Nom.Sg. und verlieren durch die so entstandene Nivellierung indirekt ihre Kasusmarkierung: nhd. Galgen, Kolben, Kragen, Magen, Rachen, Samen, Schrecken, Riemen, Spaten, Drachen, Tropfen, Fladen (mdal. Stecken, Wasen) (vgl. Gr.d.Frnhd.III, § 52). Anm. 7: Die vride-Belege mit -(e)n sind alle wmd., name ist 1x als nam (Er hete ein reine wibe‫܅‬nam, Pass, 92ra,18) vertreten.

91

4. Kasus: Singular-Kasus

Anm. 8:  smęrƶe ist ausschließlich im Akk.Sg. ohne -(e)n belegt, im Dat./ ​Gen. dagegen mit -(e)n. Anm. 9:  Gelegentlich finden sich Ausnahmeformen nur im Reim, so z. B. ‫܅‬innen (: minnen) in TriF, wiganden (: landen) in Elis. Anm. 10:  Zu den ehemaligen wa-Stämmen s. oben unter Nominativ/ ​Stammvarianten (§ S 20). Anm. 11:  Klassenwechsel zum Nhd. liegt vor bei adelar, hėrƶoge, junger, ȫhėim, stam.

4.2.1.3. Dativ

-(e)

S 23

-e als Dat.-Flexiv der ehemaligen mask. a- und i-Stämme und analoger Bildungen unterliegt im Verlauf des Mhd. im Obd. einer fortschreitenden Apokope. obd.

omd. ofrk. –

0

0

< 10



Einzel­ beleg

0

34 (13–69)



ܣ‬d‫ ܣ‬blieb. Als in spätmhd. Zeit mfrk. (rip.) ‫ݔ‬ ( dęm wurden auch die Verschmelzungsformen apokopiert, z. B. ƶęme > ƶęm, anme > an‫ > ܢ‬am, anme > amme > amm > am. 2. Aus Präp. + dęm wurden Verschmelzungsformen wie ƶuem, am (< an‫ < ܢ‬anem?) neu gebildet. Eine Entscheidung wird auch dadurch erschwert, dass Zwischenformen wie amme, anm, ame nur selten belegt sind. Sicher ist dagegen, dass es sich bei diesem Prozess, der an die zunächst nur obd. Artikelform dęm gebunden ist, um einen primär obd. Vorgang handelt. Anm. 2:  Die Annahme Christiansens (2016, 94), „dass der Verschmelzungsprozess sein historisches Zentrum im Oberdeutschen hat und sich allmählich auf das Mitteldeutsche verbreitet“, gilt also nur für die Bildung der Kurzformen vom Typ im, vom, zum, nicht aber für den Verschmelzungsprozess insgesamt. Dessen Anfänge sind gerade im Afrk. (Tatian, Otfrid) gut bezeugt (s. Anm. 1) und sie finden ihre Fortsetzung in relativ zahlreichen md. Verschmelzungsformen der frmhd. Zeit, z. B. fon me, fonme, PrFr, 2,4, 5,19.21, zume, 5,6, zeme, 6,3, amme, 6,2, for me 10,20; inme, *Roth, 615; *PrLpz, 1a,5.10; an me, *TrSilv, 245, 389, in me, 399; *ErnstA P, 2,5, uan me, 1,43, bi me, 2,29; *EilhS, 131, an me, 64, Amme, 460, vzme, 434. Andererseits gibt es auch nach 1250 noch obd. Formen mit -me, wenn sie sich auch im Oberrhein., vor allem Els., massieren, vgl. vōme, Rapp, 17140, 17831, 33052, z‫ݑ‬me, 33184, 33187a; s. auch unten zu den alem. Belegen aus *UrkCorp. Für 213 lässt sich aus dem *UrkCorp ein sehr genaues Bild gewinnen. Der Gleichlauf der Formen dęme, dęm und ihrer klitischen Reduktionsformen -me und -m tritt hier klar zutage (s. Abb. P 71): Im Wmd. ist sowohl der Anteil von dęme als auch der von -me am höchsten, während im Bair. umgekehrt sowohl dęme als auch -me so gut wie ganz fehlen. Uneinheitlich ist das Bild im Alem.: Während sich das Ndalem. und hier besonders das Els. mit relativ hohen Anteilen von dęme und -me und entsprechend seltenem -m zum Md. stellen, steht das Schwäb. näher beim Bair. Zwischen Md. und Bair./ ​Schwäb. steht das Ofrk. mit vergleichsweise zahlreichen Belegen sowohl von -me als auch von -m. dęme

dęm

nach Präp. an, in, von -me

28

69

1,8

0,9

5813

45

52

2,8

0,2

2628

hochalem.

4

95

0,5

0,6

3356

schwäb.

4

94

0,0

1,8

2005

0

99

0,0

1,2

8098

ndalem. alem.

els.

bair.

10

86

2,6

1,8

1133

wmd.

65

25

9,3

0,1

1391

omd.

63

34

1,6

1,0

618

ofrk. md.

n

-m

Abb. P 71: Verteilung von dęm, dęme (Artikel u. Dem.-Pron.) und der Verschmelzungsformen -me, -m im *UrkCorp (Prozentzahlen kursiv)

5. Artikel

447

Anm. 3:  Abb. P 71 beruht auf einer Volltext-Recherche im *UrkCorp und ist daher zwangsläufig grob. Für die Spalten -me und -m wurden nur die Kombinationen mit den Präpositionen ane, in und von (also z. B. die Formen anme, an me, anm, amme, ame, am) ausgewertet; nicht berücksichtigt sind wegen des hohen Disambiguierungsaufwands die Formen ime und im, die in mehreren Tausend Belegen meist für im(e) ‚ihm‘ und nur sehr selten für Verschmelzungsformen von in dęm(e) stehen.

Im Md. sind Verschmelzungsformen in Rechtsquellen (MüRB, Brig, UKöln1, UKöln2, UMainz) erheblich häufiger als in literarischen Texten. Besonders auffällig ist der Unterschied zwischen der mfrk. Gruppe RhMl, PLilie, VLilie, BuMi, in der Verschmelzung nur vereinzelt vorkommt, und den verschmelzungsfreudigen rip. Rechtsund Urkundentexten Brig, UKöln1 und UKöln2. Lit.: Ahd.Gr.I, § 287 Anm. 2; BMZ I, 312a; Christiansen (2016); Grimm, Dt.Gr.IV, 368ff; Nübling (1992, 154–158); Paul, Mhd.Gr., § E 21.1; WMU 1, 365f.

5.1.5. Akk.Sg.Mask.

Die Normalform lautet den, unabhängig von Zeit- und Sprachraum. Seltene Varianten sind: denn, Baum, 25v,19; dēn, NikP, 46rb,14; dên, PrMi, 18r,26, 32v,18; ten, WNot, 14vb,13 (Pausastellung); Mem, 13,3 (nach t), 19,3 (nach n); LEnt, 45a,2 (nach e). Die Form dem, die teils durch den < dem Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. ausgelöst worden sein könnte (s. § P 141–P 143), erscheint gelegentlich in bair. und alem.-bair. Quellen: PrPa, 312,15; Bart (6-mal); ObEv (2-mal); Hoff, 27 v,26; DvATr, 31r,8; Baum (2-mal); sonst nur vereinzelt: PrMK, 3v,42; AlxS, 4941; RWchr, 20406; Himlf, 19; UMainz, 22,18; WüPo, 246vb,6. Die Schreibung din, dín beschränkt sich auf den Artikel und auf Quellen, in denen Schwa auch sonst oft durch ‹i› bezeichnet wird. ‹i› dürfte daher auch hier für den Reduktionsvokal stehen: Spec, 63r,2; WMEv (4-mal); PrZü, 113vb,7; ZwBR (10-mal); MüRB (15-mal). Kompromissschreibungen von den und din könnten vorliegen in: i deín, MüRB, 1r,13, 1r,15, 3r,17, 9r,14, 14r,14, diē, 2v,22; den, RWchr, 2225.

P 146

Die wenigen Verschmelzungsformen des Akk.Sg.Mask. stehen mehrheitlich nach Präp., und zwar zumeist nach ūf: ‫ܔ‬fen, Parz, 41,25; uffin, AthP, 4,123, 6,90, 7,27; vffen, WüPo, 244va,29; nach umbe: al vmben, Parz, 508,9; ūmin, AthP, 7,78; vmmen, Erlös, 1054; nach über: ubern, Kchr, 389. Noch seltener in anderen Positionen: lat mirn zǒm, Parz, 40,15; mit assimilatorischem Schwund nach d oder t: ‫܅‬i wolden kunic biten, Nib, e 1426,1; er [...] bat en chvnen ‫܅‬igolo‫܅‬en man, Parz, 42,2; proklitisch: er næme entǒf, Parz, 813,29.

P 147

448



V. Pronomina

5.1.6. Gen.Pl. P 148

Der Gen.Pl. stimmt formal mit dem Gen./ ​Dat.Sg.Fem. überein, s. § P 159ff. 5.1.7. Dat.Pl.

P 149

Mhd. dęn setzt ahd. dęn < dēn < dēm < germ. *þaim fort (EWA II, 595). Nur im Alem. wurde ahd. dēm zu deam > dien diphthongiert (Ahd.Gr.I, § 43 Anm. 3, 287 i Anm. 1i). In mhd. Zeit findet sich dien (díen, dîen, diên, den) in einer Reihe von alem., vor allem hochalem. Texten und Urkunden (Weinhold, Alem.Gr., § 419; WMU 1, 366), ebenso auch noch im 14./ ​15. Jh., seltener im 16. Jh. (Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd. VII, 256f Anm. 59). Im Korpus beschränkt sich dien auf folgende Quellen: Artikel den

Pronomen dien

den

dien

2

5

71

0

0

0

PrZü

50

6

11

7

0

0

Muri

20

1

5

5

0

0

TrHL

44

0

0

15

1

6

RWchr

4

42

91

0

14

100

14

5

26

1

6

86

Ezzo/ ​Mem

NikP i

Abb. P 72: dien (den) Dat.Pl. in alem. Texten (Prozentzahlen kursiv) i

Die Form den, die in RWchr allein gilt, findet sich auch in hochalem. Urkunden, z. B. *UrkCorp Nr. 170B (Liestal 1272); Nr. 279 (Kloster Klingental 1276); Nr. 825 (Zofingen 1286); Nr. 1895 ([Kt. Luzern] 1294); Nr. 2002 (1294). Als Variante von dien ist wohl auch din in ZwBR (9-mal = 5,4%, stets Artikel) anzusehen, während din sonst für die reduzierte Artikelform den [dәn] stehen dürfte, so in MüRB (16-mal = 24,6%) und schon in *Anno, 22,3, 35,5; *LobSal, 240; *ÄPhys, 61; *SuTheol, 311; *WernhvN, 231. Die Form dem Dat.Pl. kann – soweit es sich nicht um bloße Fehlschreibung handelt – auf Assimilation an einen folgenden Labial beruhen, z. B. dem men‫܅‬chē, DvATr, 50r,7; dem blinden heiden, 56v,7; an dem buchín, PrM, b1va,1; an dem b’gen, c3va,6; uon dem banden, c7ra,9; Von dem melwerinn ‚Mehlhändlerinnen‘, WüPo, 246rb,24; tiene dem mit triwen, Kchr, *8234. Bei bair. Belegen könnte es sich auch um hyperkorrekte Formen handeln, veranlasst durch bair. dem Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. > den (s. § P 146), so z. B. dem tůrn, Kchr, *12264; dem uǒr‫܅‬ten, *7476; indem ziten, *Kchr F, 13861; dem ‫܅‬cvldigen, *Kchr N, 5857; und’ dem i‫܅‬chraheli‫܅‬chin kindin, *VMo3, 382.

5. Artikel

449

Verschmelzungsformen Verschmelzung des enklitischen Definitartikels dęn Dat.Pl. ist im Korpus allein nach Präp. belegt, wobei 94% der 105  Belege auf die Präp. ƶe entfallen (s. dazu besonders Christiansen 2016, 98ff). Die restlichen Fälle sind: vndern hânden, PrMi, 27 v,6; vndern wílen, Hartw, M 651; uf ín heiligín, MüRB, 3v,14, 21r,23; uf ínheligín, 16r,7; ovzen chophen, Diet, 9362. Bei ƶe + Definitartikel dęn entfallen drei Viertel der Verschmelzungsbelege auf lediglich 7 Quellen (s. Abb. P 73).

P 150

ƶen Yol

 9010 

Wind

 8919

UKöln1

 878

ZwBR

 8211

Nib

 7629

SwSp

 758

StBA

 2619

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 73: Quellen mit gehäufter Verschmelzung von ƶe + Definitartikel dęn Dat.Pl.

Das Verschmelzungsergebnis ist zu über 70% ƶen, mfrk. auch cen (UKöln1, 3-mal; UKöln2, einmal; Yol, 5-mal); zin, ZwBR, (7-mal). Vornehmlich md. ist ƶun < ƶue + dęn: zůn, z‫ݑ‬n, PrMK, 4v,8; AthP, 2,76; Yol, 3049, 3511; auch ofrk.: WüPo, 243va,12; zv en eren, GRud, 14,46; zvn, Himlf, 1193; Pass, 21,103, 21,444; zū, UMainz, 28,2. 5.1.8. Nom./ Akk.Sg.Neutr.

Die Normalform daȥ gilt in über zwei Dritteln der Korpusquellen ausschließlich oder zu über 99%. Im späten 12. Jh. begegnen erste obd. ‹s›-Schreibungen für den Lautverschiebungsfrikativ /ȥ/: da‫܅‬, RPaul, 64 (Subjunktion); Scop, 13,8; LEnt, 12,3, 61,11, 68,14 (Subjunktion); *Rittersitte, 5v,24; *PrFrKrakau, 7r,4.5. Mehrere Einzelbelege birgt die Vorauer Hs.: das was, *VAlex, 93, 132, 962; da‫܅‬, Kchr, *11564; *Wahrh, 96va,15. In 113 kommen md. Belege hinzu, z. B. in AlxS, 1854, 1897; *Roth, 2373, 2923; *WernhvN, 201, 337, 515; *WildM, I, 183, 643; *IdsteinSpr, 66,1.4. Ab 213 nimmt das in einigen alem. Hss. stark zu: in UFreib1, UFreib2 ist es alleinige Form, in RWchr (108 = 55%) und NikP (59 = 31%) häufig, doch auch im alem.bair. Hartw (27 = 20%) und bair. Rupr (72 = 22%) nicht selten. Im Mfrk. bleibt dat unverschoben, vermutlich, weil das ausl. t von germ. *þat im mfrk. Bereich schon vorahd. zu d lenisiert und so der Lautverschiebung entzogen wurde (s. Wilmanns, Dt.Gr.I, § 50.3; Franck, Afrk.Gr., § 100.2; Schützeichel 1976, 289). Dafür sprechen die gerade in älterer Zeit begegnenden dad, z.B dad (Subjunktion)

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V. Pronomina

ig, ArnM, 151; *Anno, dad, did 6-mal, dad Subjunktion 4-mal (neben 62 daz, 7 das, 1 dat); stets dad in *Albanus (19-mal, 14-mal Subjunktion) und *Christi Geburt (­15-mal, 8-mal Subjunktion). In den mfrk. Quellen herrscht sonst meist ausnahmslos dat: RhMl, PLilie, VLilie, KuG, Brig, UKöln1, UKöln2, BuMi, Yol, Taul. In RBib stehen neben 46 that auch 27 thaz (vgl. Th. Klein 2003b, 27f), in Göll neben 46 dat auch 2 das. P 152

Reduktions- und Verschmelzungformen Von den Reduktionsformen des Definitartikels deȥ, diȥ statt daȥ findet sich dez (des) nur gelegentlich: dez mínni‫܅‬t, Will, 53r,8; Parz 5-mal, z. B. dez pfert 513,21; dez hôvpt, Iw, 460, und weitere Einzelbelege in PrMK, ULands, Yol, Göll und Lupo. diz (dit) beschränkt sich auf wenige Quellen, in denen Schwa auch sonst durch ‹i› bezeichnet wird: diz tritte, RPaul, 11; ZwBR 6-mal, z. B. diz tritte 5v,10; dat ín dit íere genomen ‫܅‬í, UKöln1, 13,26; MüRB 22-mal, z. B. diz eíni kint heit al‫܅‬i guit recht an demí gutí al‫܅‬í diz andirí, 10v,10f. Sonst bereits häufig in *Anno (21 diz, 3 did), ferner z. B. *Glaub, 116; *WildM, III, 181. Enklitisch kann daȥ mit dem vorausgehenden Wort, vor allem einem Personalpron. oder einer Präp., verschmelzen, wobei das anlautende d getilgt wird. Auch der Vokal a schwindet meist oder wird zu Schwa reduziert. Die Belege setzen im 12. Jh. ein: Nach Personalpron. z. B. do horderz ros waien, *VAlex, 280, ähnlich 805, 1327; *Vateruns, 169, 170; *VMos2, 245 (79rb,12), daz inz [‚ihn das’] geuugel eze, *VAlex, 1396, imz hǒbet, 1509; er beuulhe imez chint, *Gen, 4508; ich gibe dirz lop, *RolP, 3811.  – Nach Präp. z. B. aniz lant, *Anno, 15,8; an iz gerichte, *TrSilv, 339; anez prot, *Vateruns, 141; anz cruce, *WessobrGlB II, 1,10; inz ore, *VAlex, 284, ubrez wazer, 1190; vnbez liph, *Roth, 1360.  – Nach sonstigen Wörtern z. B. niemerz tages lieht, *VAlex, 1257; ‫܅‬amiz golt, *Vateruns, 186, al‫܅‬ez pli, 191; al‫܅‬iz herze, *Glaub, 1138; So ez capitl gent [‚beendet‘] wirt, *RubrB, 101r,10; daz [‚wo das‘] cruce bî‫܅‬tat, 159r,19; Sueniz iar, *Eilh S, 272. – Mit assimilatorischem Schwund des d: undaz ubel, *EngelbGeb, 8v,15; iz ‫܅‬uentaz [‚behebt das‘] unte anderen ‫܅‬ihtǒm, *InnKrB, 79r,1; daz i‫܅‬t recht iz hô‫܅‬te, AthP, 8,100. Teils ist unsicher, ob Pro- oder Enklise vorliegt, z. B. die iz y‫܅‬ín gitran heit ‚der das Eisen getragen hat‘, MüRB, 5v,12; vnde iz ‫܅‬uin, 18r,22; Da iz ge‫܅‬tuole wa‫ ܅‬bereitit, AthP, 6,124; – proklitisch: ez herze ‫܅‬i dir ‫܅‬teinen, *TobiassegU, 4,45; ez hobet, 4,47; ez paradi‫܅‬, 4,51. Im Korpus folgt das reduzierte (e)z, iz zu zwei Dritteln auf eine Präp. und zu je einem Sechstel auf ein Pron. oder eine sonstige Wortform. Die Belege häufen sich auffällig in Parz (16-mal); es folgen AthP (9-mal), Pass (6-mal), RWh (5-mal) und MüRB, Rapp (je 3-mal). In 18 weiteren Quellen finden sich nur ein oder zwei Fälle. Das Pron. und die Konj. thaz konnten schon im Ahd. (häufig vor allem bei Otfrid) mit folgendem ist, iȥ ‚es‘, ih zu theist, theiz, theih verschmelzen (Ahd.Gr.I, § 288 Anm. 2; Kelle 1869, 345–47). Auch im Mhd. finden sich diese Verschmelzungen, und

5. Artikel

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zwar mit wenigen Ausnahmen in obd. Versdichtungen, vornehmlich bis 113. Von den 51 Korpusbelegen entfallen 37 = 72% auf diesen Zeitraum, von den restlichen 14 stammen allein 8 aus Lieht und nur 2 aus 114 (Rapp). Der Typ daȥ ist > dėist etc. bestreitet drei Viertel der Belege, und zwar mit den Varianten dei‫܅‬t (9-mal), z. B. Kchr, 8656; de‫܅‬t, Nib, 120,3; Wins, a30,4, b21,6; RWh, 395; da‫܅‬t, Rapp, 280; meist in Verschmelzungen der Formel daȥ ist wār: tei‫܅‬t war, Mem, 14,8; dei‫܅‬war, Parz, 23,13; dêi‫܅‬war, Iw, 38, 126, 596, 4958, 4972, 4984, 5253, 7393, 7443, 8082; deswar, Lieht, 95,7, de‫܅‬war, 153,8, 904,5, 913,4, 917,8, 967,5, 969,7, 1591,5, 1563,3; RWh, 14132; Dez‫܅‬war, Lieht, 972,5; Da‫܅‬t wor, Rapp, 656.  – daȥ (Subjunktion) + ęȥ/ ​iȥ > dėiȥ (9-mal), z. B. Meri, 2,58; Hchz; 13; Parz, 26,28, 29,11; Tris, 6976; Nib, 54,3, 1359,4, 1398,3, 1445,4.  – daȥ (Subjunktion) + ich > dėich nur in Nib, 1340,2, 1444,3, 2319,4.  – Vereinzelt auch daȥ (Subjunktion) + si > d‫ܣ‬s: ir eigin‫܅‬chefte ioch ‫܅‬i twanc. de‫ ܅‬abir got an riefín, RWchr, 20392. Weitere frmhd. Belege für dėist, dėiȥ, dėich: dei‫܅‬t, *Anno, 20,8; *Vateruns, 144; *AvaLJ, 2251; Kchr, *8656, de i‫܅‬t, *RolP, 988; The i‫܅‬t, *RolA, 988; de‫܅‬t, *Vateruns, 26; dei‫ ܅‬war, *Patricius, 62, 97.  – deiz, *Gen, 1619, 2296, 2514, 4199, 4513, 4842, 5153; *ArnoltSieb, 183; *Himmelr, 2,18, 6,22, 12,10; *VMos2, 1400, 1907; Kchr, *14900; *Patricius, 75; *RolP, 4064; *SüKlV, 536; dez, *VMos2, 2337; daiz, Kchr, *8980.  – deich, *Gen, 2901; daȥ (Subjunktion) + ęr > de ir, *Vateruns, 206. Assimilatorischer Schwund des finalen ȥ (bzw. mfrk. t) des Pron. daȥ könnte vorliegen in: da ‫܅‬int die heiligen wi‫܅܅‬agen, PrZü, 113va,31; waz er horte [...] da ‫܅‬aíte er e ín allen, HTri, 3600; wilich clo‫܅‬ter is ‫܅‬o gůt. Da dis ordē nı t enwerden ze brochen, BuMi, 85v,2. Abkürzungen daȥ wird in den PrZü häufig (über 70-mal) durch d∙ abgekürzt. Um 1200 kommt im Alem. die Kürzung dc auf, die auch in der Folge weitgehend auf alem. Hss. beschränkt bleibt (Haacke 1962; Schneider 1987, 102f, 300; Schneider 2009b, 90; Römer 1997, 118–120). So auch im Korpus: dc dominiert in den alem./ ​schwäb. Hss. von ZwBR, TrHL, Flor, TriF, SwSp, PrSch, RWchr, RWh, NikP, Mart, sonst nur vereinzelt in MBeh 228v,5, 229r,25. Seit dem 2. Viertel des 14. Jh.s wird dc durch dz ersetzt (Schneider 2009b, 90) und greift auch auf andere Regionen über; so bestreitet dz in der rhfrk. OxBR fast die Hälfte aller daȥ-Belege und ist auch im omd. MBeh nicht selten (29 dz = 13%). Die Belege von dz reichen weit ins 13. Jh. zurück, mehrere finden sich schon in Parz (St. Gallen 857, 2. Drittel 13. Jh.), z. B. 438,6, 440,19, 452,7, 458,27, 505,23, 517,25, 534,14. In den Urkunden aus 213 gibt es seit 1280 Belege für dz fast ausschließlich im alem. Bereich (Nordschweiz, Oberrhein, Seeschwaben): *UrkCorp Nr. 422 (Schiltach 1280) 379,31; Nr. 574 (Aarau 1283) 7,37 u. ö.; Nr. 582B (Burg Pruntrut 1283) 13b,2; Nr. 873 (Basel 1287) 214,29; Nr. 875 (Basel 1287) 215,23; Nr. 901 (Balm 1287) 260,11; Nr. 1003A (Basel 1288) 331,33; Nr. 1067 (Kloster Töss 1289) 372,43, 373,2; Nr. 1499 (Freiburg 1291) 677,4.7 u. ö.; Nr. 1514 (St. Gallen

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V. Pronomina

A 1292) 683,35; 684,7 u. ö.; Nr. 1628 (Gf von Fürstenberg A 1292) 760,35.40 u. ö.; Nr. 1845 (Basel 1293) 147,33.34 u. ö.; Nr. 2415 (Breisach 1296) 494,6.9 u. ö.; Nr. 2486 (Freiburg 1296) 537,25; Nr. 2910 (Altshausen 1298) 210,23 u. ö.; Nr. 3009 (Altshausen 1298) 269,13; Nr. 3010 (Altshausen 1298) 269,25 u. ö.; Nr. N 423 (Straßburg 1290) 313,35 u. ö.; sonst erst ganz vereinzelt: Nr. 2213 (Augsburg 1295) 366,27; bair. Nr. 1033 (Kloster Altenhohenau UP 1288/ ​89) 353,23.24.

5.1.9. Instr.Sg.Neutr. P 154

Während der Instrumental in der Substantivdeklination bereits in ahd. Zeit im Dativ aufgegangen ist (Ahd.Gr.I, § 192c), hat sich der Instr.Sg.Neutr. beim Pron. dęr (und Fragepron. węr, s. § P 109) bis in mhd. Zeit erhalten, allerdings nur in zwei Funk­ tionen: 1. abhängig von Präp. in erstarrten Wendungen und 2. vor adj. und adv. Komparativen in der Bedeutung ‚umso‘ (vgl. Behaghel 1923, 245–249). Von den Varianten stellt diu (div, díu, dív) mehr als drei Viertel der Belege; dîu, dîv erscheint in Will (16v,21, 53v,12), BaGB (6-mal, z. B. 135,6), WMEv (85,1) und regelmäßig in PrMi (26-mal, z. B. 15r,17). du, dv beschränkt sich auf wenige alem. und md. Quellen: Luci, b1v,35, g4r,4; Flor, 4974, 4994, 5310, 7241; ArnM, 9, 120, 140; RhMl, 4617; PrMK, 1r,29; AlxS, 2920; PrM, c8va,4. Im Md. und Alem. reichen die Belege bis 113; danach ist diu (deu) nahezu nur noch bair. und ostschwäb. (Augsburg) belegt: dív, UAugsb1, 4,4; UAugsb2, 3,5, 12,4, e e 20,3, 21,5; dev, ULands, 12,7, 18,21. Auch im *UrkCorp kommt diu (div, dı v, div, deu, dev, dew) noch in bair. und Augsburger Urkunden vor (WMU 1, 389). Vgl. die noch deutlicher bair. Beleglage bei wiu (§ P 109). Im Md. ist diu hier wie im Nom.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. meist durch die (di, dy) ersetzt worden, zu dem sich auch die Varianten di (dy), de stellen: die, RhMl, 3885; UKöln1, 10,4; Himlf, 390; Taul, 165r,8; di, Elis, 42, 4643, 4644, 5066; dy, Yol, 2694, 3250, 3580. Anm. 1:  de in vonde, PrM, c6vb,28; Elis 42, ist wohl eher jüngere Reduktionsform von die (aus diu) als später Fortsetzer des möglicherweise in deste steckenden Instr. germ. *þ‫( ܣ‬EWA II, 618).

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diu nach Präp. Über 90% aller Korpusbelege entfallen auf die Stellung nach Präp., und hiervon wiederum ca. 96% auf das Obd. und 95% auf den Zeitraum bis zur Mitte des 13. Jh.s. Die wenigen md. Fälle sind: van du, ArnM, 120, 140; uon diu, Aegi, 1038; von díu, PrMK, 1v,18; von du, 1r,29; uon dv, AlxS, 2920; von dv, PrM, c8va,4, vonde, c6vb,28; Elis, 42; zo div, AlxS, 244. Der Typ von diu ‚(von) daher, deshalb‘ bestreitet mit über 200 Belegen im Korpus allein drei Viertel der Fälle und hält sich resthaft bis 114. Alle übrigen Typen finden sich fast nur noch in Texten des 11./ ​12. Jh.s (deren hs.liche Überlieferung freilich aus 113 stammen kann):

5. Artikel

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ƶe diu ‚dazu‘, stets als Verstärkung der folgenden finalen Subjunktion daȥ, z. B. Iz gieng ein man uz an daz uelt. ze div daz er ‫܅‬inen ‫܅‬amen ‫܅‬ete, Hoff, 18r,15; ferner Will, (7-mal); Phys, (3-mal); HLit, 265, 411; PrZü, 105vb,20; Hoff, (2-mal); TrHL, (4-mal); AlxS, 244.  – bī diu ‚dadurch, daran, deshalb‘, z. B. bidiu i‫܅‬t er chunig. unde her‫܅‬caft aller tuginde, Phys, 130r,19; ferner Will, 3v,19, 5v,2; bi dev, *VBalaam, 236.  – mit diu ,damit, dadurch‘: WNot, 11va,11; Subjunktion ‚während, solange‘: ‫܅‬i i‫܅‬t ineiner ‫܅‬tete. unt traget ‫܅‬ich da. mit diu ‫܅‬i mach, Phys, 153v,5; relativisch ‚womit‘: Ích habe gi‫܅‬úndôt [...] in áller únreîni. und in únkîu‫܅‬ci, mit dîu ménni‫܅‬co [...] in diheîna ‫܅‬íh ‫܅‬élben biwéllen mác, BaGB, 147,17; Kchr, *15177; *Gen, 1211; [...] mit diu und er da habite 2316. – nāh diu ‚danach‘: nah diu ge‫܅‬lunigten ‫܅‬i iz, Wind, 15,4; *RolP, 7092; nāh diu (sō) Subjunktion ‚so wie, dementsprechend wie‘: Vone dîu bilâzzich uone hérzan in dâz ‫܅‬elba gidínge, nâh dîu ‫܅‬ó dú, gót álemáhtigê, mir uerrô‫܅‬t gilâ‫܅‬t, BaGB, 142,4, G135,6, G142,14; *WessobrGlB I, 135,6, 142,2.11; alnah diu ‫܅‬o, *GebetsanwZü, 106v,18; [n]ah diu ‫܅‬i da firnamen., die ‫܅‬ona ‫܅‬i frumitan, Meri, 2,39.  – unter diu ‚unterdessen‘: Kchr, (11-mal), z. B. Vnder div chom ez ‫܅‬o, 16454; WMEv, 85,1; Hoff, 9v,8; *ArnoltSieb, 410; *RolP, 839, 867, 5562; Spec, *27r,7.10; *RubrB, 172r,1; unter diu daȥ ‚während‘, 20v,8, 159r,14; Vnder div v‫܅ ܒ‬i an dirre verte waren, do chom daz zit [...], Spec, *17 v,2. – inner diu ‚inzwischen, unterdessen‘: Hoff, 17r,9, 18r,23; innen diu, *Gen, 3211; *AvaLJ, 769.  – in diu ‚darin, daran‘: *PrWessC, H35a,22. – after diu ‚danach‘: Meri, 2,107; PrZü, 113rb,8; *Gen, 3174, 5256, 5967; *VMos2, 1820 (s. MWB 1, 112).  – ē diu ‚vorher, vordem‘: HLit, 196.  – ane diu ‚daran, dadurch‘: TrHL, 7r,15; *ÄPhys, 31r,12, 32r,9; an dev, *VMos2, 1850. diu vor Komparativ Ursprünglich hatte der ahd. Instrumental thiu wohl die Bedeutung ‚deshalb‘ und die Funktion, den kausalen oder konzessiven Bezug zum vorausgehenden oder folgenden Satz hervorzuheben. Als dieser Zusammenhang verblasste, wurde er durch Hinzufügung von dęs in derselben Bedeutung und Funktion erneut verdeutlicht (Behaghel 1917c, 289ff; Behaghel 1923, 245f). Während sich die Verbindung dęs diu, die früh zu dęste zusammengerückt wurde, im Obd. bereits in ahd. Zeit durchsetzte, blieb im Md. daneben einfaches diu (du, die, di, de) vor Komparativ in Gebrauch (Weinhold, Mhd.Gr., § 483; weitere mfrk. Belege s. Bartsch 1861, 277; Frings/ ​Schieb 1947, 68): du dunkelere, ArnM, 9; du mer, *Glaub, 3740, di mer, 335; dv baz, *FriedbChrist, 24,8; the tiefere, *RBibC, 22; dv mere, RhMl, 4617; die lichtere, 3885; die grozer, Himlf, 390; die meire, Taul, 165r,8; dy baz, Yol, 3250, 3580; di baz, Elis, 5066; di lobelicher, 4643; di wirdeclicher, 4644. Anm. 1:  Anstelle von deste und einfachem die, de erscheint in mfrk. Quellen mehrfach (des) ze, zo: al widermude creizede mich. dat ich des ce me minnede dich, RhMl, 3972; dat du des ze otmůdiger ‫܅‬is, VLilie, 25,3; de‫ ܅‬zebaz, 19,22, 36,2; dat du in dineme hercen imer des ze otmůdiger ‫܅‬is, 46,5; BuMi, 66v,9; op dat di‫܅‬e ‫܅‬une ze ‫܅‬tedelicher vnde ze vruntlicher bliue [...] *UrkCorp Nr. 196 (1273) 209,8; da mede en bregen wir nýet zo mynre vn‫܅‬en eýt inde vn‫܅‬e ‫܅‬iggerheit, *MU14, 421017 (Hartrad v. Schönecken 1342) 7. Hier ist offenbar die

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Instrumentalform als Präp./ ​Adv. ƶe, ƶue reanalysiert worden. Während dies bei mnd. tô und mnl. te statt des Instrumentals (des) te < (des) de vor Komparativ (s. Sarauw 1924, 118; Franck 1910, § 217) lautlich nahe lag, wäre dies im Mfrk. so nur vor der II. Lautverschiebung der Fall gewesen; die assimilierte Form t‫ ī verdanken dürfte, so rhfrk.-hess. in TrPs (79-mal = 63%), VatG (6-mal = 86%), RhTun (7-mal = 64%) und besonders hess.-thür./ ​ omd.: AlxS (49-mal = 98%) und weitere Texte der Straßburg-Molsheimer Hs. (*Glaub, *Pilatus, *HLitS), PrM (58-mal = 83%), MüRB (16-mal = 39%), Hleb (39-mal = 52%), Pass (93 = 95%); ausnahmslos sodann in BeEv, MBeh und UJena. In den mfrk. Korpusquellen begegnet di nur selten  – abgesehen von Yol, wo di in allen betroffenen Kasus gilt. Auch in einigen mfrk. Urkunden aus 213/ ​114 findet di sich häufiger, z. B. in *UrkCorp Nr. 9, 42AB, 45, 56, 59, N 282. Auch im Bair. zeigt di sich früh, häufig schon in Kchr (85-mal = 92%) und weiteren Teilen der Vorauer Hs. 276 (so in *ÄJud, *VMos1–3, *LobSal, *SuTheol), sodann in PrPa (91-mal = 94%) und Bart (138-mal = 84%). In 114 gewinnt di im Bair. die Oberhand: In Rupr, ObEv und ULands liegt sein Anteil über 90%, nur in MMag

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5. Artikel

überwiegt die noch deutlich (10 = 83%). Statt des wobd. sonst vorherrschenden die ist di Regelform des Akk.Sg.Fem. (und Nom./ ​Akk.Pl.) auch in ZwBR. In RBib findet sich im Nom./ ​Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. aller Genera nur selten thie Akk.Sg.Fem. (515, 644) und Nom./ ​Akk.Pl. (339, 347, 354, 444, 477, 524); Regelform ist hier the (ca. 90%), das zu den mnd.-westfäl. Anteilen von RBib gehört, vgl. mnd. dê (Lasch 1914, § 406; Sarauw 1924, 117). Das entsprechende mfrk. de (ē < ī < ie, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 18, L 48) kommt im 13. Jh. erst selten in RhMl, PLilie, VLilie und UKöln1 vor, ähnlich auch noch im 14. Jh. in Taul und BuMi, während in Göll schon ein Viertel der Belege auf de und ein Drittel auf die Variante dey entfällt, welche gleichfalls für [de:] steht. In UKöln2 ist de bereits die Regel (61-mal = 82,4%). 5.1.13. Zusammenfall von Nom. und Akk.Sg.Fem.

Im Obd. bleibt die Unterscheidung zwischen dem Nom.Sg. diu (und seinen Varianten) und dem Akk.Sg. die (und seinen Varianten) bis Ende des 13. Jh.s sehr fest; nur selten dringt die in den Nom.Sg. und nur vereinzelt diu in den Akk.Sg. ein. Zu den Ausnahmen zählt die ZwBR, in der zwar diu nur im Nom.Sg. (21-mal = 19,4%) und die nur im Akk.Sg. (12-mal = 9%) vorkommt, di aber die Regelform in beiden Kasus ist: Nom.Sg. 80,6%, Akk.Sg. 91%. Im els. Rapp ist dagegen durchaus Zusammenfall in die eingetreten, und auch im oberrhein. NikP steht die schon 31-mal (44,3%) im Nom.Sg.Fem. In 114 beginnt sich der Unterschied zwischen beiden Kasus auch im Bair. zu verwischen, indem die Form des Akk.Sg. di, die sich im spätmhd. Bair. weitgehend durchgesetzt hatte (s. § P 163), zunehmend auch in den Nom.Sg. eindringt. Von den bair. Korpustexten aus 114 ist dies in ULands bereits die Regel; nur die südbair. (steirische) MMag bewahrt die Distinktion von diu Nom.Sg. und die Akk.Sg.: Nom.Sg.Fem.

Akk.Sg.Fem.

diu

die

di

n

diu

die

di

n

Rupr

49

3

49

37

0

8

92

67

ObEv

50

3

47

58

7

2

91

60

ULands

8

8

84

25

0

8

92

26

MMag

93

7

80%), sonst selten und teils möglicherweise verschrieben: RPaul, 142; ange‫܅‬t (= ėin gėist), TrHL, 49v,10; ámir Dat. Sg.Fem., 109v,2; an, Wins, a27,5; aner, *LambGeb A, 107 v,8; Kchr, *9379, anes, *15634; anime, *Phys S, 33r,26; zame uateR, *PrRoth R, 2b,9. Die Belege für an(-)‌im *UrkCorp sind zumeist ostalem.-schwäbisch (WMU 1, 432; vgl. auch Kleiber/ ​Kunze/ ​Löffler 1979, II Kt. 59, 61): *UrkCorp Nr. 205, 532B, 1183, 1288, 1592, 1624, 1660, 1744, 2213, 2326, 2437, 2596, 2912, 3036, 3297, 3357; selten auch in oberbayer. Urkunden: Nr. 1141 (Benediktbeuern 1289), Nr. 2157 (Kloster Schliersee 1295), Nr. 2320 (Aufhofen 1296), Nr. 3039 (Schrobenhausen 1298), außerdem an phunt Nr. 3263 (Nürnberg 1299).

eyn (eýn, eẏn) erscheint im Korpus mit wenigen Ausnahmen nur in md. Quellen ab ca. 1300, so überwiegend bis ausschließlich in Brig, UKöln2, Taul, Göll, BeEv, UJena; außerdem als Nebenform in OxBR, Hleb, UMainz, Erlös, PrRei. Die obd. Ausnahmen sind: bair. Eyner, MMag, 925, ofrk. eynē, Lupo, 2,453, eȳ, 2,554, eyn, 2,558. Im *UrkCorp bietet sich ein ähnliches Bild (vgl. WMU 1, 432): eyn setzt mit Ausnahme von Nr. 73 (Neuerburg 1263; mfrk.) erst 1285 ein und beschränkt sich weitgehend auf md. und nd.(-md.) Urkunden, nämlich wmd. Nr. 73, 995, 1200, 1935, 2070, 3470, 3485, 3569, N 282, N 548A, N 631; omd. Nr. 222AB, 1251, 1631, 3307, 3561, N 407; nd.(-md.) Nr. 1612, 1913, 2438, 2570, 3193. Ferner in zwei Urkunden Kg Rudolfs: Nr. 879H (Reichslandfriede Würzburg 1287), 1437 (1291); ofrk. Nr. 1082 (Reicheneck/ ​Mittelfranken 1289); südbair. Nr. 1669 (Rein/ ​Steiermark 1293), 2170 (Friesach/ ​Kärnten 1295), N 594 (Treffen/ ​Kärnten 1293).

Seltenere Varianten, die sich zumeist auf das ältere Obd. beschränken, sind êin und eîn: êin gilt zu > 90% in Will und Iw, selten in Spec, *ÄPhys (32v,30, 33r,27) und *Gen (1894). eîn tritt im Korpus nur als jeweils (sehr) seltene Nebenform auf: Will, 6r,13; BaGB, 136,27, 137,7; Spec, 34v,9; Parz, 31,17, 508,19; PrMi, 20v,25, 30r,12; Mar, 937, 4259; SwSp, 42ra,13, 45rb,15, 46vb,17, 49vb,3, 51va,16, 109va,4; auch md.: RBib, 439, 619.  – Extern z. B. eîné, *ÄPhys, 32v,25; êin, *Kchr K, 1329; *PrLo, 37r,18, 39v,3.8; überwiegend in *PrPrag, 1,24.25, 2,5.15 ü. ö. (39 = über 75%); *PrFrBasel, 1r,34.35, 1v,19.27.29.32 u. ö. (9 = über 55%). en findet sich selten im älteren Obd.: Phys, 136r,15; Kchr, 685; Spec, 13v,16; PrZü, 106ra,34, 107ra,21; Muri, 42r,11; LEnt, 4,5, 6,5, 44,15. Später im Korpus nur noch in md., besonders mfrk. und omd. Quellen, wo ‹e› teils für monophthongiertes ē < ėi stehen kann (s. Paul, Mhd.Gr., § L 45): AlxS, 200; PLilie, 4,5; Brig, 1v,8.12, 2r,4.16, 3r,14, 3v,24.25 (> 25%); MüRB, 4v,6, 5v,18 u. ö. (23 = 14%); Yol, 3769, 5070; OxBR, 2v,29; Hleb, 89v,4, 96v,2; HTri, 3072. Auch im *UrkCorp (s. WMU 1, 432) stammt en vornehmlich aus md. und nd.(-md.) Urkunden, kommt aber auch obd. vor, und zwar zumeist alem., nur vereinzelt auch bair. Westalem. ist ên: *UrkCorp Nr. 348 (Klingnau/ ​Kt. Aargau 1278), Nr. 394 (Mkgf v. Hachberg/ ​Baden 1279), Nr. 2558 (Gengenbach/ ​Baden 1296); auch mfrk.: Nr. N 548A (Reichslandfriede, Kg Adolf, Köln 1292).

465

5. Artikel

5.2.4. Nom.Sg.Mask./ Fem./ Neutr., Akk.Sg.Neutr.

Im Nom.Sg.Mask./ ​Neutr. und Akk.Sg.Neutr. steht überall durchgängig flexivloses ėin. Vereinzelte Ausnahmen sind zumeist wohl fehlerhaft, z. B. eine bette, PrMK, 3r,18; eíne ‫܅‬o ‫܅‬chones wíp, HTri, 5753. Der Nom.Sg.Fem. lautet obd. gleichfalls noch fast immer ėin, in späten Quellen vereinzelt auch ėine, z. B. eine frawe, GnaÜ, 28,10; eíne lai‫܅‬we‫܅‬t’, 100,17. Im Mfrk. ist dagegen ėine schon die Regel (im Korpus zu ca. 80%), im übrigen Md. liegt der Anteil von ėine zwischen unter 10% bis ca. 20%. Die Verhältnisse sind damit ähnlich wie bei den Poss.-Pron. mīn, dīn, sīn (s. § P 234).

P 172

5.2.5. Akk.Sg.Fem.

Beim Akk.Sg.Fem. besteht obd. wie md. eine Tendenz zum Zusammenfall mit der Form des Nom.Sg.: im Obd. in der Form ėin, im Md., insbesondere im Mfrk., dagegen in der Form ėine. Im Bair. schreitet die Entwicklung hin zu ėin Nom./ ​Akk. Sg.Fem. von ca. 40% ėin in 212 bis zu 100% in 114 am schnellsten voran, im Alem.Bair. und mehr noch im Alem. bleibt ėine dagegen auch noch in 114 eine relativ häufige Nebenform (s. Abb. P 84) Der Ersatz der angestammten flektierten Form ėine durch flexivloses ėin ist obd. bereits in 212 im Gange und wird zunächst morphologisch motiviert gewesen sein (Ausgleich mit dem Nom.Sg. ėin). Im 13. und 14. Jh. wird ihn die beginnende obd. Schwa-Apokope aber zunehmend gefördert haben. obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

omd.

alem.bair.

bair.

ofrk.

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

  ‒

 04

  ‒

  ‒

²12

  ‒

2914

1712

 4122

  ‒

1619

5010

¹13

1435

1712

6715

 5634

  ‒

 651

²13

  ‒

6680

6819

 8265

  ‒

1042

1225

1020

¹14

  ‒

5959

7520

10024

9859

2779

2762

1741

1513

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 84: Prozentualer Anteil des flexivlosen ėin im Akk.Sg.Fem. des Indefinitartikels

Die Verhältnisse sind ähnlich wie bei den Poss.-Pron. mīn, dīn, sīn, doch ist die flexivlose Form beim Indefinitartikel im Schnitt um ca. 14% häufiger.

P 173

466



V. Pronomina

5.2.6. Gen.Sg.Mask./ Neutr. P 174

Neben der dominierenden Flexionsendung ‹es›, ‹e‫ >( ›܅‬60%) stehen ‹is›, ‹i‫( ›܅‬ca. 12%) und synkopiertes ‹s›, ‹‫ ›܅‬als deutlich seltenere Nebenformen. ‹is›, ‹i‫ ›܅‬ist vornehmlich alem. und md., nicht aber bair. In den alem. Korpusquellen nimmt sein Anteil im Laufe der mhd. Zeit kontinuierlich ab; auch im nicht-mfrk. Md. ist von 213 zu 114 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen (s. Abb. P 85). obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

omd.

alem.bair.

bair.

ofrk.

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

 ‒

754

  ‒

  ‒

²12

 ‒

717

8010

08

 ‒

673

 00

¹13

017

254

 06

011

 ‒

2223

²13

 ‒

1533

 027

028

 ‒

6414

437

011

¹14

 ‒

 024

 04

015

037

 023

1137

911

 06

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 85: Prozentualer Anteil der Endung -is, -i‫ ܅‬im Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. des Indefinitartikels Dem entsprechen auch die Belege von (ein)is, -i‫ ܅‬im *UrkCorp (WMU 1, 432). Sie sind alem. (Nr. 248AB, 298B, 1871, 2583, 2976, 3220), md. (Nr. 1161AB, 2262, 3424B, N 651) und nd. (Nr. 392, N 164).

Die synkopierte Form auf ‹s›, ‹‫ ›܅‬erscheint vor 1200 nur vereinzelt, z. B. eins, *VAlex, 363; ain‫܅‬, *RubrB, 219r,16. Ab 113 nimmt sie im Obd., besonders im Alem.-Bair. (>  55%), zu, ebenso  – wenn auch schwächer  – im Wmd. (20–25%); omd. bleibt sie seltene Ausnahme. Synkopiertes ėins ist auch Voraussetzung für die Sonderform eis (< eins) mit dem alem. n-Schwund vor s (s. Paul, Mhd.Gr., § L 95; Boesch 1946, 175–77; vgl. auch § P 32, P 235, P 241). Sie ist gut bezeugt in hochalem. Urkunden des *UrkCorp (WMU 1, 432), vor allem in Zürich (eis Nr. 550, 672AB, 759, 886, 1414, 1423, 1498, 1675, 2065, 2078, 3324, N 532), Nr. 1204 (Bubikon/ ​Kt. Zürich), ferner eis Nr. 2168 (Tegerfelden/ ​Kt. Aargau 1295), eîs Nr. 1295 (StR Rheinfelden/ ​Kt. Aargau 1290), Nr. N 569 (Olten/ ​Kt. Solothurn 1293), eiz Nr. 506 (Luzern 1282), Nr. 838 (Sandegg/ ​Kt. Thurgau 1286), Nr. N 317 (Sandegg/ ​Kt. Thurgau 1286), Nr. 2343 (Basel 1296), es Nr. 1157 (Glarus 1289).

5. Artikel

467

5.2.7. Dat.Sg.Mask./ Neutr.

Ausgangsform ist frmhd. ėineme (< ahd. einemo); auf ihm beruhen (1) synkopiertes ėime (< ėimme < ėinme), das obd. weiter zu ėim apokopiert werden konnte; (2) apokopiertes ėinem. Diese Varianten verteilen sich, wie folgt (s. Abb. P 86): Das nicht reduzierte ėineme (nebst älterem ėinemo, s. § P 177) ist nur noch in ²11/ ​ ¹12 im gesamten Obd., im Alem. bis 113 Regelform. Auch im *UrkCorp (213) ist es noch in zahlreichen Urkunden des alem. Nordwestens belegt, so besonders els.-badisch: Nr. 77, 244AB, 578, 1085, 1499, 1154, 3375, N 13, N 176, N 547, N 599E, N 716; ferner in Nr. 341 (Basel), Nr. 346 (Klingnau/ ​Kt. Aargau), Nr. 1787 (Heilbronn), Nr. 557B (Kg Rudolf A), ostschwäb. Nr. 2181 (Giengen); ainime nur in (Kt.) St. Gallen: Nr. 250, 276, 333, 1802, 1956, 2042.

Bair. wird ėineme in 212 schon weitgehend und ab 113 fast vollständig durch ėinem ersetzt, das in 213/ ​114 auch im übrigen Obd. vorherrscht, im Md. dagegen nur eine marginale Rolle spielt. ėime tritt im Korpus innerhalb des Obd. lediglich in ostschwäb. und els. Quellen gehäuft (> 40%) auf, so in StBA, UAugsb1, Türh einerseits und in NikP und Rapp andererseits. Im *UrkCorp ist ėime (aime etc.) nach WMU 1, 432 dagegen „fast gleich häufig“ wie ėinem. Dies gilt jedoch nur für das Alem. und Md., während aime, eime in bair. Urkunden nur vereinzelt vorkommt, so aime südbair. *UrkCorp Nr. 636 (Kloster Stams/ ​Tirol 1284), eime nordbair.-ofrk. Nr. 867 (Weißenburg i. Bay. 1287), nordbair. Nr. 2529 (Regensburg 1296), südbair. Nr. N 741 (Kloster Neustift/ ​Südtirol 1295). Innerhalb des wobd. Gesamtraums entfallen etwa zwei Drittel der eime- und aime-Belege auf den ndalem. Nordwesten.

Im Md. bleibt das finale Schwa von ėi(ne)me bis zum Ende der mhd. Zeit fast durchweg erhalten, wobei seltener ėineme, meist aber ėime überwiegt: ėineme z. B. in RhMl, PLilie+VLilie, BuMi, Aegi, MüRB; ėime z. B. in KuG, UKöln1, Brig, UKöln2, Taul, TrPs, SalH, Himlf, OxBR, Elis, Erlös, PrRei, Hleb, JMar, BeEv, MBeh, UJena, Pass. Stets ėinem (7-mal) hat UMainz, sonst erreicht ėinem nur in einigen hess.-thür. und omd. Quellen Anteile von über 20%. Mehrheitsform ist es im Korpus lediglich in AlxS (ca. 60%), LuKr (75%) und HTri (über 90%).

P 175

468



obd. ²11/ ​¹12 bair.

V. Pronomina

ėineme

ėi(n)me

ėinem

ėim

ėinen

92

0

8

0

0

12

4

1

94

1

1

196

n

6

35

55

3

1

193

alem.

12

12

75

1

0

319

wmd.

15

72

7

0

6

213

mfrk.

21

68

3

1

7

103

rhfrk.-hess.

8

76

10

0

5

110

hess.-thür.

25

17

43

0

15

65

omd.

15

55

27

0

2

155

ofrk.

0

7

84

7

1

95

Iw, Nib, Parz, Tris

0

24

76

0

0

42

alem.-bair.

Abb. P 86: Sprachgeographische Verteilung der Varianten von ėinem(e) Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. (Prozentzahlen kursiv) P 176

Die Nebenform ėinen (ca. 5–15%) dürfte im Md. nicht auf ėineme beruhen, sondern auf der nördlichen Kurzform auf -un < -um (s. § P 8), vgl. as. ēnum, ēnun. Daher schon in RBib stets einen (320, 324, 390, 546, 548), ferner in AlxS (1611, 1830, 2752, 2890, 3032, 3165, 3412, 4917, 6355 = 27%); PrMK, 4r,18; SalH, 132,13, 134,11, 139,10; Himlf, 1064; AthP, 6,163; Taul, 24v,2; Yol, 5761; OxBR, 8r,6; Hleb, 12r,19; HTri, 3360; Pass, 18,128. Weit selteneres obd. ėinen wird dagegen mit -n < -m aus ėinem entstanden sein, vgl. z. B. ainen, Kchr, 17252; einen, Spec, 11r,18; SwSp, 122va,21; Renn, 11617. Belege aus *UrkCorp sind z. B. md. einen Nr. 255, 494, 602, 1393, enin Nr. 2787, alem. einen Nr. 2980 (Kloster Murbach/ ​Elsass), Nr. N 599BCE (Freiburg i.Br.), bair. ainen Nr. 1646, Nr.  N 508 (Eggenburg/ ​NÖ), alem. ainen Nr. 2644 (Ebersberg/ ​Württ.), aînen Nr. 2239 (Esslingen, Württ.), einin Nr. 920 (Kloster St. Gallen).

P 177

Formen wie ėinemo o. ä. mit unabgeschwächtem -o sind nur in wenigen ältesten oder älteren Quellen erhalten: êinemo, Will, 18r,15, 21v,17, 24r,17, 28v,2, 31r,9, 52r,10; einemo, WNot, 11ra,16, 29rb,16; Meri, 1,24; einimo, Ezzo, 15. Extern z. B. enimo, *AbBlutsegen, 5v,7; einmo, *ÄPhys, 32v,12; md. eimo, *Anno, 14,11; *HildegGeb, 29r,1, 30v,1 (2-mal), 55r,1; *Capsula, 2v,4; emo 2v,7; eimne, Yol, 5418; eimme, Mess, 158, 497. Seltenere md. und alem. Nebenformen sind einme, VLilie, 12,7; eínmi, MüRB, 11r,17; eynme, UKöln2, 13,18.24, 14,20.29, 15,32. Nur vereinzelt belegt ist flexivloses ėin, z. B. ‫ܔ‬z ein templo, PrMi, 25v,23, ic geliche in an mā wi‫܅‬em, ZwBR, 4r,5; Urkundenbelege: einme *UrkCorp Nr. 3230 (Kloster Töss/ ​Kt. Zürich), ainme Nr.  N 285 (Überlingen/ ​Baden); eimme Nr. 136 (Beuggen/ ​Baden), Nr. 1124 (Freiburg i.Br.), Nr. 2361 (Freiburg i.Br.), Nr. N 261 (Straßburg), aimme Nr. 2405 (Ittendorf/ ​Baden), Nr. 2468 (Kloster Weingarten). – eim kommt weit überwiegend in oberrhein. und hochalem. Urkunden vor, z. B. in Nr. 248A, 289, 385, 478; 502, 581A; hochalem. z. B. Nr. 213, 447, 574, 654, 863 usw.;

469

5. Artikel

selten schwäb.: Nr. 535, 548A, 3008; bair.-österr. z. B. Nr. 1138, 2682, 2835, 3085; ofrk. z. B. Nr. 29, 1303, 1509, 2930.  – aim alem. z. B. Nr. 1778, N 727, N 740, 278, 970B, 2408; schwäb. z. B. Nr. 844, 1571, 2081, 2333, 2356; bair. z. B. Nr. 1100A, 1829, 2303, 2694; eī Nr. 3427 (Zürich), Nr.  N 90 (Straßburg).

5.2.8. Akk.Sg.Mask.

ėinen (êinan, einin, ainen, ainin) ist zumeist die alleinige oder deutlich vorherrschende Form des Akk.Sg.Mask., neben der verkürztes ėin vor allem in einigen obd. Texten aus 212 und 113 häufig vorkommt, in 213 und 114 dagegen im Schnitt wieder etwas seltener wird (s. Abb. P 87). Gehäuft tritt ėin z. B. in folgenden Quellen auf: Kchr (ca. 60%), *RolP (zwei Drittel), PrZü (> 40%), PrPa (ca. 90%), ZwBR (ca. 90%). obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

²11/ ​¹12

 ‒

²12

 ‒

4522

 032

¹13

367

3318

²13

 ‒

 586

¹14

 ‒

1787

omd. bair.

ofrk.

715

²12, ¹13: hess.-thür.

P 178

wmd. rhfrk.hess.

mfrk.

 ‒

 ‒

4538

 ‒

09

2015

4418

2044

 ‒

684

 452

1989

 ‒

362

424

331

1443

1073

788

7108

773

556

1119

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 87: Prozentualer Anteil von ėin im Akk.Sg.Mask.

5.2.9. Gen./ Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.

Spätahd. einero findet sich nur noch gelegentlich in den ältesten Quellen, z. B. éinero, *ÄPhys, 31v,27; êinéro 33r,27; einero, *ContracadP, 9v,27. Auch das daraus abgeschwächte frmhd. einere ist nur selten belegt, z. B. *PrWessA, H16b,19, *RolA, 718, 2137; später vereinzelt noch in einere *UrkCorp Nr. 632 (Basel 1284) 62,26. Apokope des finalen Schwa von ėinere ergab das nahezu überall vorherrschende Flexiv -er; -ir ist eine alem.-schwäbische (> 20%), omd. (< 25%) und wmd. (< 5%) Nebenform. Die Form ėinre (eynre, ainre) kann aus ėinere synkopiert sein, aber auch auf ėin‫ܙ‬ (< ėiner) mit silbischem [‫ ]ܙ‬beruhen (s. § P 13). Belegt ist sie in wmd. und alem. Quellen: einre, PLilie, 8,3; UMainz, 2,16, 28,16; Elis, 5235; eynre, Brig, 3v,28, 6v,5; UKöln1, i 2,15; Taul, 2v,10 u. ö. (14-mal); UKöln2, 14,29, 15,32; enre, 5,4; PrZü, 182vb,25; eínre, Rapp, 133, 17201, 17432, 17442, 17599, 32473, 33156. Eine entsprechende Verbreitung hat ėinre auch im *UrkCorp: Neben wmd. (mfrk. und rhfrk.) Belegen (Nr. 60, 964, 1524, 1788AB, 2564, 2785B, 3470, N 369, N 548B) omd. nur eynre N 407 (Erfurt 1289).  – Die obd. Belege im *UrkCorp sind mit wenigen Ausnahmen westalem.,

P 179

470



V. Pronomina

und zwar mit deutlichem Schwerpunkt im Elsass: Nr. N 636 (Wasigenstein), Hr v. Lichtenberg A: Nr. 2197, 2433, N 705, N 734), Hagenau (Nr. N 113), Straßburg (Nr. 184, 207, N 45, N 47, N 55, N 56, N 59, N 60, N 61, N 62, N 64, N 66, N 67, N 69, N 70, N 72, N 73, N 74, N 75, N 90, N 101, N 107, N 162, N 184, N 238B, N 259, N 266, N 816), Niedermünster (Nr.  N 392, N 818, N 821), Nr. 948 (Kloster Andlau), Nr. 2842 (Sermersheim), Nr. N 789 (Zellenberg), Rappoltstein (Nr.1075, 3055ABC), Nr. N 789 (Zellenberg), Colmar (Nr. 1695, 2866, 3279, N 813, N 714), Nr. N 815 (Horburg), Nr. N 336 (Münster), Rufach (Nr. 1107, N 624), Nr. N 823 (Gebweiler), Nr. N 799 (Sulz), Nr. 2729 (Sennheim).  – Baden: Nr. 2558 (Gengenbach), Nr.  1904 (Hr von Geroldseck/ ​Baden), Nr. 1980 (Bahlingen), Freiburg (Nr. 161, 177, 383, 581AB, 1054, 1630, 2713, 3027), Nr. 671 (Staufen), Nr. 1600AB (Neuenburg a.Rh.). Südl. anschließend an das els.badische einre-Gebiet gibt es Vorkommen in der nördl. Schweiz: Basel (Nr. 347, 1142B, 1672, 1774, 1957, 2796, N 410, N 539, N 627), Nr. 582B (Pruntrut/ ​Kt. Jura), Nr. 18 (Bern), Nr. 26 (Luzern), Nr. 902 (Zürich), Nr. 1120 (Bubikon/ ​Kt. Zürich).  – Außerhalb dieses west­a lem. Gebietes begegnet einre nur selten: sfrk. Nr. 1391 (Heilbronn), Nr. 29 (Öhringen/ ​Württ.), ofrk. Nr. 1820 (Mergentheim/ ​Württ.), Nr. 2664 (Kloster Heilsbronn/ ​MFr.); ostschwäbisch Nr. 2055 (Augsburg). Vereinzelte Belege von ainre finden sich im östlichen Anschluss an die einre-Vorkommen: ainre *UrkCorp Nr. 2273 (Rottweil), Nr. 3407 (Rottweil/ ​Württ.), Nr. 3139 (Schaffhausen), Nr. N 288 (Überlingen/ ​Baden); außerdem Nr. N 586 (Köstlan/ ​Südtirol).

6. Pronomina im weiteren Sinne

471

6. Pronomina im weiteren Sinne 6.1. Überblick Die Pronomina im weiteren Sinne können sowohl selbständig als auch adnominal als Artikelwörter verwendet werden. Hierher gehören die Demonstrativa dęr (mit Einschränkung), dise, jėner, sęlp, sol(i)ch und suslich, die Possessiva, die Interrogativa wėlich und węder, die generalisierenden Pronomina swėl(i)ch und swęder und schließlich die Indefinitpronomina, bei denen wiederum die Quantifikativa eine besondere Untergruppe bilden (s. § P 309ff). Hinsichtlich der Kombinierbarkeit mit dem und der relativen Stellung zum Definit- und Indefinitartikel unterscheiden sich Pronomina i. w. S. teils erheblich: So können sęlp und jėner dem Definitartikel folgen (s. § P 204, P 206), ebenso  – wenn auch selten  – das Possessiv (§ P 226) und manic (§ P 317). Der Indefinitartikel (oder das Zahlwort) ėin kann dem Possessiv (§ P 225), sol(i)ch (§ P 217) und den Distributiva wie iegelich (§ P 337) vorangehen. al, dehėin/ ​kėin und nehėin stehen dagegen, sofern sie dem Kopfsubstantiv nicht nachgestellt sind, stets an der Spitze der NP (s. § P 347ff, P 284).

P 180

6.2. Demonstrativa 6.2.1. dęr

Das Relativpronomen dęr wird stets selbständig gebraucht, gehört also eigentlich zu den Pronomina im engeren Sinne. Auch das Demonstrativpronomen dęr kann nur insoweit zu den Pron. im weiteren Sinne gezählt werden, als es im Mhd. auch adnominal verwendet wurde, wie das für das Nhd. angenommen wird (vgl. etwa Thieroff/ ​ Vogel 2009, 71f; Duden-Grammatik 2016, § 372f; kritisch: Bisle-Müller 1991, 62ff). Wo dies im Mhd. der Fall war, lässt sich in der Regel nicht entscheiden, da das Kriterium der stärkeren Betonung des adnominalen Demonstrativs in den mhd. Quellen nicht anwendbar ist. Möglicherweise handelt es sich aber beim mfrk. de-Artikel teilweise um das adnominale Demonstrativ (s. § P 138). Die Flexion des (einfachen) Demonstrativ- und Relativpronomens dęr entspricht der des aus ihm entstandenen Definitartikels dęr (s. § P 135ff). Der Hauptunterschied besteht darin, dass es die beim Artikel häufigen Reduktionsformen (s. § P 145, P 147, P 150, P 152, P 158, P 161) beim Demonstrativpronomen nicht gibt. Zu den md. r-losen Formen des Nom.Sg.Mask., die vornehmlich beim Relativ- und Demonstrativpron. vorkommen, s. § P 137ff.

P 181

472



V. Pronomina

Außerdem kommt der Instr.Sg.Neutr. diu nur beim Demonstrativpronomen vor, zumeist in feststehenden Präpositionalphrasen wie von diu (s. § P 154f). 6.2.2. dise 6.2.2.1. Paradigmen P 182

Singular Ostoberdeutsch 211 (WNot) Sg.

Mask.

Neutr.

Fem.

Nom.

diser

diƶ (diƶƶe)

disiu

Akk.

disen

dise

Gen.

disses

Dat.

dismo

dirro,-e ~ disere

Ostoberdeutsch 212–114

Westoberdeutsch Sg.

Mask.

Neutr.

Fem.

Mask.

Neutr.

Fem.

Sg.

Nom.

dirre

diȥ

disiu

dirre → diser

diƶ(e)

disiu

Nom.

Akk.

disen

dise

Gen.

disses → dis

Dat.

dis(e)m(e)

dirre

disen disses → diƶ(es), dises

dise

Akk.

dirre → diser

Gen.

disem

Dat.

Mittelfränkisch Sg.

Mask.

Neutr.

Fem.

Nom.

dis

dit

dise

Akk.

disen

Gen.

dis

diser

Dat.

dis(e)me

Abb. P 88: Singularparadigmen des Demonstrativpronomens dise P 183

Plural Oberdeutsch Pl. Nom.

Mitteldeutsch

Mask./ ​Fem.

Neutr.

Mask./ ​Fem./ ​Neutr.

dise

disiu

dise

Akk.

Pl. Nom. Akk.

Gen.

dirre, bair. → diser

dirre, mfrk. diser

Gen.

Dat.

disen

disen

Dat.

Abb. P 89: Pluralparadigmen des Demonstrativpronomens dise

6. Pronomina im weiteren Sinne

473

6.2.2.2. Entwicklungslinien

Das „zusammengesetzte“ Demonstrativpronomen dise ist nach herrschender Auffassung so entstanden, dass an die flektierten Formen des „einfachen“ Demonstrativpronomens dęr eine mit s anlautende Partikel trat (vgl. EWA II, 611ff; anders Klingenschmitt 1987, 185ff). Ihr wurden später die Flexive der pronominalen Deklination angefügt, so dass sich eine doppelte Flexion ergab (Binnenflexion + Endflexion), vgl. z. B. ahd. Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. dęs-s‑es. Der Stamm des Vordergliedes wurde zu d‫ݧ‬-, jünger di- vereinheitlicht. Außerdem verschmolzen beide Glieder derart, dass die Binnenflexion allenfalls noch in mhd. disses Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. erkennbar ist. Im Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. entwickeln sich im Ahd. (Ahd.Gr.I, § 288, Anm. 1) durch Assimilation von -s- an das -r- des Flexivs und Synkope des Mittelsilbenvokals -rr-Formen (Notker: dirro), neben denen im Bair. desero, -e, disero, -e partiell aber offenbar bestehen blieben. Diesen spätahd.-frmhd. Stand bezeugt WNot (s. das Para­ digma § P 182). In mhd. Zeit zeichnen sich folgende Hauptentwicklungslinien ab: Zunächst setzt sich im gesamten nicht-mfrk. Mhd. dirre wie im Gen./ ​Dat.Sg.Fem. und Gen.Pl. auch als Form des Nom.Sg.Mask. durch. In spätmhd. Zeit wird dirre dann ausgehend vor allem von Österreich im Ostteil des Mhd. (Oobd., Ofrk., Omd.) zunehmend wieder durch diser abgelöst. Entsprechend wird dises hier zur Regelform des Gen.Sg.Mask./ ​ Neutr., und auch im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. gibt es erste Belege für die Neubildung diseȥ/ ​dises. Dieser Gesamtprozess, der im Frnhd. zum Abschluss kommt (Walch/ ​ Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 297ff), bedeutet eine Regularisierung in dem Sinne, dass sich alle Formen des Paradigmas wie im Nhd. in einen Stamm dis- (dies-) und die jeweilige pronominale Flexionsendung -e, -er, -es usw. zerlegen lassen. Die Ansätze zur Verallgemeinerung der Stammform diss- im Alem. (s. § P 193) und der Stammform dius- im Wmd. (s. § P 186) konnten sich demgegenüber nicht durchsetzen.

P 184

Stammformen: Vokalismus Nach dem Stammvokal sind drei Hauptformen des Stammes zu unterscheiden: 1.  dęs-, 2. dis- ‹di‫܅‬-, die‫܅‬-, de‫܅‬-› und 3. dius- ‹diu‫܅‬-, du‫܅‬-, dů‫܅‬-›. Die ältere Stammform dęs- ist nahezu nur in älteren bair. Quellen teils noch erhalten: de‫܅‬a Akk.Sg.Fem., *Otloh, 163r,11, de‫܅‬i, 162v,20, de‫܅‬er Dat.Sg.Fem., 161v,23; de‫܅‬iu Akk.Pl.Neutr., WNot, 18ra,7; *PrWessA, H21a,16; de‫܅‬mi Dat.Sg.Neutr., *PrWessB, H29a,13; de‫܅‬me, *AvaLJ, 1774; de‫܅‬im, *RolP, 298; de‫܅‬ere Gen.Pl., WNot, 27rb,5; de‫܅‬in Dat. Pl., *PrWessB, H25b,4; sonst nur alem. de‫܅܅‬e Gen.Sg.Neutr., *StGallGlB, II, 143,5. Davon zu trennen ist das jüngere md. de‫܅‬-, dei‫܅‬-, in dem ‹e, ei› das tongedehnte ē < i bezeichnet, s. u. § P 187.

P 185

Anm. 1:  Zu nd. Formen mit dese-, desse- im *UrkCorp vgl. de Boor (1976a, 7); hierher gehören auch de‫܅܅‬e(-)‌, de‫(܅‬-)‌ in *Roth (1. Teil: 261, 478, 1079 u. ö.).

474 P 186



V. Pronomina

Im Mfrk. ist auch die Stammform dius- (du‫܅‬-, dů‫܅‬-) belegt. Sie beruht auf der ursprünglichen, noch binnenflektierten Form des Nom.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. Neutr., die in as. thius erhalten ist (Gallée 1993, § 367; vgl. auch ae. ðēos, afries. thius Nom.Sg.Fem.). Während sich im Altobd. stattdessen die endflektierte Form desiu (disiu, disu) durchgesetzt hat (Ahd.Gr.I., § 288), blieb *thius(-)‌ offenbar in Teilen des westlichen Afrk. bewahrt und wurde zunächst auch auf den Akk.Sg.Fem. übetragen. Dieser Stand zeigt sich sehr deutlich noch in RhMl und BuMi, in denen du‫܅‬-, dů‫܅‬ausschließlich im Nom./ ​Akk.Sg.Fem. und (selten) auch im Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. belegt ist: Nom./ ​Akk. Sg.Fem. RhMl disdiusBuMi disdius-

Nom./ ​Akk. Pl.Neutr.

Nom./ ​Akk. Dat.Sg. Akk.Sg.Mask., Gen./ ​Dat.  Pl.Mask./ ​Fem. Mask./ ​Neut. Dat.Pl. Sg.Fem., Gen.Pl.

13

6

14

29

26

10









23 –

5

5

13

30

24

31

17

1









Abb. P 90: Verteilung der Stammvarianten dis- (di‫܅‬-, die‫܅‬-) und dius- (du‫܅‬-, dů‫܅‬-) in RhMl und BuMi

Dazu stimmen auch die Belege weiterer mfrk. Quellen und der älteren rip. Urkunden, z. B. Nom./ ​A kk.Sg.Fem. diu‫܅‬i, *Anno, 43,18; du‫܅‬e, ArnM, 109, 299; KuG, 11356; *WildM, I, 622, III, 14; *Wandelart, 2r,23; *UrkCorp Nr. 59 (Ebf von Köln A 1262), Nr. 69AB (Köln 1263), Nr. 70 (Köln 1263); Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. dů‫܅‬e, UKöln1, 6,24, 7,24; *UrkCorp Nr. 69AB, 70, 1076 (Köln 1289). Selten auch hess.-thür.: PrFr, 8,22. Vor allem in moselfrk. und späteren rip. Urkunden aus 213 und in UKöln2 hat dius- (du‫܅‬-, dů‫܅‬-) dann auch auf weitere Kasus übergegriffen, z. B. rip. du‫܅‬en Akk. Sg.Mask., UKöln2, 6,2.13, 13,25 u. ö.; moselfrk. du‫܅‬eme Dat.Sg.Neutr. schon *ErnstA P, 4,50. Im *UrkCorp: dui‫ ܅‬Nom.Sg.Mask. Nr. 73 (Neuerburg 1263), du‫܅‬en, dů‫܅‬en Akk.Sg.Mask. *UrkCorp Nr. 73, Nr. 796 (Landskron/ ​R h.-Pf. 1286) = N 301 (Sinzig 1286), Nr. N 282 (Schöneck/ ​R h.-Pf. 1285), Nr. 2262, Nr. 3374 (Schöneck/ ​R h.-Pf. 1299); dů‫܅‬ir Gen.Sg.Fem. Nr.  N 282, du‫܅‬er Nr. 3374; du‫܅‬en Dat.Pl. Nr. N 548A (ReichsLdfr., Köln 1292), Nr. 3470 (Köln 1299). Anm. 1:  Es handelt sich demnach bei mfrk. du‫܅‬-, dů‫܅‬- nicht um Rundung von i > ü, wie de Boor (1976a, 7f) annimmt. Dies könnte aber auf einzelne obd. Belege zutreffen wie dvzze Nom.Sg.Fem., Baum, 24r,8.  – Zu mnd. düsse, dösse vgl. Lasch (1914, § 173, 407 Anm. 1); Sarauw (1924, 119). P 187

Ansonsten hat sich im Gesamtgebiet die Stammform dis- (di‫܅‬-, dí‫܅‬-, dy‫܅‬-) durchgesetzt, gleichfalls ausgehend vom Nom.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. ahd. dęsiu > disiu (Ahd.Gr.I, § 288 Anm. 2). In offener Tonsilbe wurde i im Md. früh zu ī ge-

475

6. Pronomina im weiteren Sinne

dehnt und (später) teils zu ē gesenkt (s. Paul, Mhd.Gr., § L 32). So erklären sich die md. Formen (s. Abb. P 91): die‫܅‬- (RhMl, PLilie, UKöln1/ ​2, BuMi, Taul; UMainz, Erlös, e PrRei, OxBR; Aegi, GRud, JMar, MüRB), dı ‫܅‬- (RhMl, BuMi, PrRei); de‫܅‬- (PLilie+VLilie, BuMi, UKöln2, Göll; PrRei; BeEv); dei‫܅‬- (UKöln2, Taul). e Dabei ist die‫܅‬-, dı‫܅‬- die ältere Variante, die in 114 vermehrt durch de‫܅‬-, rip. auch dei‫܅‬-, abgelöst wird. mfrk.

dis-

dies-

des-

deis-

dus-

n

53

30

2

10

5

915

rhfrk.-hess.

87

11

1

0

1

413

hess.-thür.

95

4

0

0

1

116

omd. (²13/ ​¹14)

74

12

14

0

0

254

Abb. P 91: Verteilung der Stammvarianten dis-, dies-, des-, deis-, dus- von ‚dieser‘ im Mitteldeutschen (Prozentzahlen kursiv)

Hintergrund von obd. dierre ist die alem.-bair. Diphthongierung von i > ie vor r (s. Boesch 1946, 89f; § P 21). Im *UrkCorp ist dierre (diere, diere, dierr, dier) vornehmlich alem. belegt, und zwar besonders in Freiburg und Konstanz und ihren Ausstrahlungsbereichen, vgl. de Boor (1976a, 10f).

6.2.2.3. Nom.Sg.Mask.

Die ältere Form dęse wurde in ahd. Zeit zu dęsēr, disēr und nach dem Muster der anderen -rr-Formen (s. § P 190) weiter zu dirro umgebildet (Ahd.Gr.I, § 288 Anm. 3a; EWA II, 608f; Wilmanns, Dt.Gr.III.2, 430f). dirre (< dirro) ist im Mhd. zur herrschenden Form geworden, hinter der diser zunächst weit zurücktritt. Nur im frmhd. Bair. steht neben dirre auch diser. Im WNot ist di‫܅‬er noch Regelform (24 di‫܅‬er, 1 dirre); die Übertragung von dirre in den Nom.Sg.Mask. steckte in der Sprache des bair. Bearbeiters also offenbar noch in den Anfängen. Auch in *Gen und PrPa überwiegt diser Nom.Sg.Mask. anders als in den meisten anderen bair. Quellen ab 212, in denen dirre allein gilt oder dominiert. Anm. 1: Dass diser im WNot der Sprache des bair. Bearbeiters angehörte und nicht etwa nur aus der alem. Vorlage übernommen wurde, zeigen Stellen, an denen der Bearbeiter diser selbst eingesetzt haben muss, z. B. di‫܅‬er Nom.Sg.Mask., 42ra,21 (gegenüber dirro, *Npgl, Ps. 25,1), 72va,1 (gegenüber dirro, *Npgl, Ps. 37,13), di‫܅‬ere Gen.Sg.Fem. 50ra,23 (fehlt *Npgl, Ps. e 30,3), 155vb,21 (fehlt *Np, Ps. 118,37], di‫܅‬r e, 158va,22 (fehlt *Np, Ps. 118,55), di‫܅‬er Dat.Sg.Fem., vb 85 ,23 (gegenüber dirro, *Np, 43,20), di‫܅‬ero Gen.Pl., 125rb,13 (gegenüber dero, *Np, Ps. 105,33); einmal auch umgekehrt dirre, 196ra,21 (gegenüber di‫܅‬er, *Np, Ps. 138,11). Anm. 2: In dirrer, *PfJud, 12, 19, 23, 29, ist die Endung -(e)r des Nom.Sg.Mask. erneut an dirre angehängt worden.

P 188

476 P 189



V. Pronomina

In der oobd. Urkundensprache wird dirre in 213 dann wieder weitgehend durch diser verdrängt (de Boor 1976a, 15f): Der Wandel geht von Österreich aus – in den Wiener Urkunden von 1290–1300 bestreitet diser bereits mehr als 90% –, in Bayern vollzieht er sich langsamer, doch überwiegt diser gegen Ende des 13. Jh.s auch hier mit über 70%. Es scheint, dass nicht-juridische, insbesondere literarische Quellen des bair.österr. Raums sich konservativer verhalten und länger an dirre festhalten, doch bedürfte dies noch näherer Untersuchung. Anm. 1:  Zum Ersatz von dirre durch diser im Frnhd. vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 297f: „Zu Beginn des Frnhd. ist der Typ dirre insgesamt noch deutlich häufiger als der Typ diser/ ​dieser [...] Im Verlauf des 15. Jh.s setzt sich aber diser/ ​dieser im gesamten Hd. gegenüber dirre durch.“ (297). Nom.Sg.Mask. diser

Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. dirre

diser

dirre

24

96

1

6

32

4

80

1

1

17

6

*Kchr V

0

0

8

0

0

35

PrPa (2V13)

7

70

3

9

27

24

PrMi

0

0

8

0

0

17

*GvJudenb

3

43

4

5

31

11

ObEv

0

0

5

0

0

10

MMag

0

0

1

0

0

9

WNot (Hs. um 1100) *Gen (211, Hs.

12)

4V

13

Abb. P 92: diser ~ dirre in ausgewählten oobd. Quellen (Prozentzahlen kursiv)

Mhd. dise Nom.Sg.Mask. kommt nur noch sehr beschränkt vor (de Boor 1976a, 14): Einerseits md., und zwar abgesehen von Einzelvorkommen (AlxS, 2437, *UrkCorp Nr. 557A [Mainz 1282]) in einer kleinen Gruppe thüringischer Urkunden (*UrkCorp Nr. 50, 544, 1251, 1816, 3307, 3561 und 1727), andererseits in etwa 20 alem. Urkunden des *UrkCorp aus dem Raum Laufenburg/ ​Baden  – Schaffhausen  – Konstanz  – Lindau  – St. Gallen  – Luzern. Anm. 1:  Wenige weitere Belege von dise, diese stellen sich zu frühmnd. dese, dise und stammen aus auch sonst nd. beinflussten Quellen: the‫܅‬e, RBib, 679; di‫܅‬e, *Roth, 3517, 3818; die‫܅‬e *UrkCorp Nr. 37 (Köln 1257); di‫܅‬e Nr. 47 (Köln 1259); Nr. 56 (Köln 1262) 1r. Diese Belege in den frühesten Kölner Urkunden bleiben in der mfrk. Urkundensprache des 13./ ​14. Jh.s. ganz isoliert (vgl. Klein/ ​Peters 2015).

Die mfrk., insbesondere rip. Regelform lautet dis, z. B. RhMl, 221, 231, 271 u. ö., selten auch dies, UKöln1, 8,8; dijs, Taul, 3r,19, 4v,7, 157r,7. Vgl. auch Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd. VII, 297f (die Typen dise und dis sind hier allerdings unter dis(e) zusammengefasst). Nur in Taul erscheint daneben auch dei‫܅‬er, die‫܅‬er (mit der nicht mfrk. Endung -er des Nom.Sg.Mask.): 23r,12, 87 v,10, 88v,17, 157 v,11, 157 v,13, 162r,19; auch in moselfrk.-rhfrk.

6. Pronomina im weiteren Sinne

477

Urkunden, z. B. Die‫܅‬ir *UrkCorp Nr. 995 (Gf von Veldenz UP 1288); Di‫܅‬er Nr. 1000 (Gf von Nassau A); Nr. N 364 (Beselich 1288).  – Vom nicht mfrk. Schreiber stammt dírre, *WildM, II, 48; *MarKlage, 112; dirre *UrkCorp Nr. 231 (Blankenberg 1275: moselfrk.-rhfrk.). 6.2.2.4. Gen./ Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.

dirre (< spätahd. dirro) ist im Großteil des Mhd. die nahezu unangefochtene Regelform des Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. Anm. 1: Ahd. desera, -u, -o Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. ist schon früh durch Assimilation (und Synkope) zu ther(e)ra, -u, -o geworden, das später zu dirro umgebildet wurde (Ahd. Gr.I, § 290 Anm. 1; Ahd.WB 2, 419f, 422). dirre

diser

95

5

20

100

0

19

87

13

108

alem.-bair.

85

15

117

alem.

96

4

106

obd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris bair.

n

0

100

158

rhfrk.-hess.

98

2

113

hess.-thür.

67

33

21

mfrk.

omd. (²13/ ​¹14)

63

37

59

ofrk.

70

30

30

Abb. P 93: dirre ~ diser ‚dieser‘ Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen. Pl. (Prozentzahlen kursiv)

Im Bair. bestanden neben dirre jedoch die Formen mit -s- weiter. Sie sind seit 211 gut e bezeugt: Gen./ ​Dat.Sg.Fem. di‫܅‬ere, WNot, *50ra,23, *155vb,21; di‫܅‬re, *158va,22; di‫܅‬er Dat. Sg.Fem., *85vb,23; di‫܅‬er, HLit, 723; PrPa, 32,13, 146,19, 147,1.16 u. ö.; Mar, 733; Bart, 12vb,22; auch ostschwäb. DvATr, 41v,13, 68r,13; Gen.Pl. de‫܅‬ere, WNot, 27rb,5; disero, *125rb,13; di‫܅‬er, Diet, 3120. Im Mfrk. gelten die -s-Formen diser, dieser, deiser, deser durchgängig, z. B. di‫܅‬er, RhMl, 267, 269, 307 u. ö.; die‫܅‬er, UKöln1, 1,11.15.27 u. ö.; dei‫܅‬er, Taul, 4r,12, 5v,3, 6r,6, 8v,19; de‫܅‬er, BuMi, 74r,4; UKöln2, 13,14.20, 14,17. dirre bleibt hier vereinzelte Ausnahme, die auf fremden Schreibeinfluss deutet, so in *UrkCorp Nr. 56 (1262) 90,18.21. Im übrigen Md. herrscht wie im Alem. dirre; nur in AlxS überwiegt diser (64, 1540, 3474, 3526, 5800, 6912; dirre, 3480, 3540, 4125, 6562). Für die oobd. Urkundensprache hat de Boor (1976a, 16–18) bei diesen Kasus denselben Wandel wie beim Nom.Sg.Mask. (s. § P 189) nachgewiesen (s. auch WMU 1, 387f): Ausgehend von Österreich wird dirre bis Ende des 13. Jh.s weitgehend durch

P 190

478



V. Pronomina

diser verdrängt. Für das Ostschwäb. spiegelt sich dieser Wandel im Kontrast von StBA (213: 10 dirre, 1 di‫܅‬er) und UAugsb2 (114: 8 di‫܅‬er, kein dirre). Wie beim Nom. Sg.Mask. scheint sich der Wandel außerhalb von Rechtsquellen deutlich langsamer zu vollziehen (s. Abb. P 92).  – Zur sprachlandschaftlich gestaffelten Durchsetzung von diser im Frnhd. vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 321ff, bes. 323f. Anm. 1:  de Boor (1976a, 18) glaubt, diser Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. sei anders als diser Nom.Sg.Mask. „eine wirkliche Neubildung erst in mhd. Zeit“. Die Beleglage – insbesondere die des 11./ ​12. Jh.s, deren Einbezug de Boor bereits gefordert hat, selbst aber noch nicht vornehmen konnte  – spricht indessen dafür, dass diser gerade auch im Oobd. bereits seit (spät)ahd. Zeit bestand, jedoch zunächst durch dirre zurückgedrängt wurde, bis es in spätmhd. Zeit von Südosten her wieder vordringt. 6.2.2.5. Gen.Sg.Mask./ Neutr. P 191

Die ältere, nur binnenflektierte Form ahd. dęsse > spätahd. disse setzt sich im Mhd. nur sehr beschränkt fort, vor allem wobd.: de‫܅܅‬e, St. GallGlB II, 143,5; di‫܅܅‬e bair.ostalem., Hoff, 9r,18, 9v,12, 19r,8; schwäb. ZwBR, 4r,11. Auch apokopiert di‫܅܅‬, Parz, 514,2, 519,19. Frnhd. scheint disse nicht mehr nachweisbar zu sein, vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 299. *UrkCorp: di‫܅܅‬e, schwäb. Nr. 400 (Kloster Offenhausen 1280), Nr. 2148 (Reutlingen 1295), Nr.  2421 (Kloster Kirchberg 1296), hochalem. Nr. 2655 (Klingnau 1297), oberrhein. ze einem vrkúnde vnde ‫܅‬icherheit di‫܅܅‬e Nr. 2174 (Mühlhausen/ ​Els. 1295); sonst nur vereinzelt: di‫܅‬es frides v‫ ܒ‬di‫܅܅‬e rehte‫ ܅‬Nr. 3110 (ReichsLdfr. Nürnberg 1298). – di‫܅܅‬, hochalem. *UrkCorp Nr.  670 (Kloster Töss/ ​Kt. Zürich UP 1284), Nr. 1295 (StR Rheinfelden 1290), Nr. 1645 (Aarau 1292).

Häufiger ist disses (di‫܅܅‬es, di‫܅܅‬is) < ahd. disses (älter dęsses) mit Doppelflexion. Es dominiert in frmhd. Zeit und findet sich später besonders noch in rhfrk.-hess., seltener in omd. Quellen. Frmhd. di‫܅܅‬es, di‫܅܅‬is: alem. PrZü (4-mal); Muri, 38r,16, TrHL 5v,6, 54v,16; *Ipocr, 45ra,20; *EngelbGeb, 7r,9, 8r,17, 8v,15; – bair. *Gen, 428, 3228, 3645, 4885; *Vateruns, 19, 166, 207, 238; Kchr, *3983, *9939, *10804, *13049; *LambGeb A, 111v,2; *VMos2, 193, 1445; *VMos3, 58; *SiebenZ, 7,6; *Exod, 582 (K dit‫܅܅‬e); – md. RhTun, 239; *Pilatus, 379; später noch rhfrk.-hess.: *Herb, 679, 901, 3238, 3239, SalH, 25,4, 101,8; Himlf, 204, 219; PrM, c4vb,17; OxBR, 4v,12, 15r,8; PrRei, 20b,22;  – omd. PrMK, 6r,23, 7 v,21; Pass, 10,54, 18,108. Im *UrkCorp (de Boor 1976a, 21–24) erscheint disses in einer ganzen Reihe von alem. und ofrk./ ​nordbair. Urkunden, außerdem gelegentlich in Hessen und Südtirol. In der alem. Urkundensprache wird disses weitgehend von dis, in der bair. Urkundensprache durch ditz(es), seltener auch durch dises abgelöst.  – Belege: disses kommt in ca. 15 wobd. Urkunden aus Freiburg (Nr. 94, 100, 106), Rufach (Nr. N 430), Colmar (Nr. 3279, N 236, N 776), Zürich (Nr. 3049), St. Gallen (Nr. 1453AC, 173), Lindau (Nr. 2279), Wangen i. Allgäu (Nr. 301), Ulm (Nr. 141) vor. Relativ häufig ist es auch ofrk./ ​nordbair. in Rothenburg o. T. (Nr. 371, N 510), Würzburg (Nr. N 572), Bamberg (Nr. 1764, 2525, 3130), Kloster Schlüsselau (Nr. 2798), Pappenheim (Nr. 123, 124), Weißenburg i. Bayern (Nr. 867), Pettendorf (Nr. 1400); hess. in Marburg (Nr. 598, 599) und Umstadt (Nr. 517); Südtirol: Taufers (Nr. 2954), Pfalzen (Nr. 3048).

6. Pronomina im weiteren Sinne

479

In bair. Quellen ist ‹z›, ‹tz› teils vom Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. auch auf den Gen.Sg. übertragen worden, und zwar nicht nur beim Neutr., sondern auch beim Mask., z. B. Gen.Sg.Neutr. dize‫܅‬, *ArnoltSieb, 14; *PrLeys, 12rb,22; dices, *HimmJerusal, 17; ditze‫܅‬, Spec, 41v,18; Gen.Sg.Mask. ditze‫܅‬, Spec, 30r,6, 48v,17, 49r,13, 50r,2 u. ö.; dize‫܅‬, *InnsbArz, 78r,3; vgl. auch diz‫܅‬es tages, Kchr, *5762. In der bair. Urkundensprache wird ditz(es) in 213 sehr häufig (vgl. de Boor 1976a, 22f), und zwar in den Varianten (mit abnehmender Häufigkeit): dit‫܅‬/ ​dits, ditz, ditze, ditze‫܅‬/ ​ditzes, ditzs/ ​ditz‫܅‬: dit‫܅‬, dits, vor allem in Niederösterreich: Wien (*UrkCorp Nr. 1014), Mailberg (Nr. N 416, N 417), Dürnstein (Nr. 1564, 2140), Kloster Zwettl (Nr. 1939), Hagenberg (Nr. N 622), Guntramsdorf (Nr. N 641), Herren von Falkenberg (Nr. 3225), Allentsteig (Nr. 3289), Altpölla (Nr. 3333); ferner in Baumgartenberg (Nr. 1137), Reichenhall (Nr. 1884), Marburg a. d. Drau (Nr.  N 310).  – ditz: Regensburg (Nr. 1390), Landshut (Nr. 2487), Kloster Aldersbach (Nr.  2346), Kloster Tegernsee (Nr. 801), Brandenberg (Nr. 1641), Salzburg (Nr. 850, N 582), Kloster Zwettl (Nr. 1322, 2851), Liebenberg (Nr. 3274), Wien (Nr. 3301), Herren von Pettau (Nr. 1922), Schloss Tirol (Nr. 3524). – ditze: Kloster Kühbach (Nr. 1754), Hg von Oberbayern (Nr. 1853), Wien (Nr. N 414, N 589), Kloster Admont (Nr. 1249), Seitz (Nr. N 303), Kloster Merenberg (Nr.  N 307).  – ditze‫܅‬, ditzes, vor allem österr.: Wien (Nr. 2131, 2345), Krems (Nr. N 387), Kloster Kremsmünster (Nr. 843), Kapfenberg (Nr. 868), Klagenfurt (Nr. 597), Friesach (Nr. N 492, 2935).  – ditz‫܅‬, ditzs: Kloster Altenhohenau (Nr. 2940), Ruprechtshofen (Nr. 1327), Radmannsdorf (Nr. 3592), Laibach (Nr. 3204, 3205).

Außerhalb des oobd. Raumes gelegentlich auch ostschwäb.: ditze, DvATr, 92v,12; dítz, UAugsb2, 6,31. Vgl. ditze schwäb. *UrkCorp Nr. 1360 (Memmingen 1291); Nr. 2857 (Kloster Irsee UP 1297);  – ditz Nr. 603 (Kloster Kirchheim am Ries UP 1283); hochalem. ditz *UrkCorp Nr. 221 (Freiburg i. Ü. 1274), N 742 (Maienfeld/ ​Graubünden 1295); ofrk.: ditz, GnaÜ, 17,4, UNürnb, 10,29, 11,20, 12,22, Ditzes *UrkCorp Nr. 258 (Rothenburg o. d. Tauber 1275), ditzs Nr. 2299 (Burggf von Nürnberg A 1295).  – dizze, das in schwäb. und westbair. Urkunden erscheint (*UrkCorp Nr. 1662, 2006, 2078; 2307, 2444), könnte Variante sowohl von ditze als auch von disse sein, s. de Boor (1976a, 22); vgl. auch dize *UrkCorp Nr. 682 (Kloster Hirsau A 1284).

Die regularisierte Neubildung dis-es macht sich vor allem im Oobd., Ofrk. und Md. geltend: bair. di‫܅‬e‫܅‬, Spec, 30r,6; Bart, 1ra,8, 14rb,27; schon *BenGeb, 3,8; Di‫܅‬ez, MMag, 699, di‫܅‬es, 898; ofrk. GnaÜ, 10,10; UNürnb, 1,23; Renn, 11477, 11479; wmd. OxBR, 1r,23, 1v,20; Hleb, 14v,19, 98r,13 u. ö. (7-mal); omd. die‫܅‬is, MüRB, 1v,12; di‫܅‬es, UJena, 3,11; MBeh, 226v,12, 230v,14; schon disis *PsSchleiz 9r,8 [297]; selten auch alem., z. B. di‫܅‬i‫܅‬, *Ipocr, 46rb,28. Anm. 1:  the‫܅‬e‫܅‬, RBib, 371, 685, stellt sich zu mnd. des(s)es (as. theses). Auch di‫܅‬es, Taul, 102v,7, ist wegen des sonst durchgängigen rip. dis (s. § P 192) fremdem Spracheinfluss zuzuschreiben.

480



V. Pronomina

Im *UrkCorp (de Boor 1976a, 22–24) stammen die dises-Belege mehrheitlich aus bair.-österr. Urkunden, die restlichen sind zumeist ostalem. oder ofrk.; dises hat sich also offenbar vom Südosten her ausgebreitet. P 192

dis (di‫܅‬, dis, dys, dijs, dies) ist seit Einsetzen der Belege im RhMl (226, 243, 249 u. ö.) die durchgängige mfrk. Form des Gen.Sg.Mask./ ​Neutr., vgl. z. B. PLilie, 8,16, VLilie, 13,4 u. ö.; Brig, 3r,2.19; KuG, 11678, 11991; BuMi, 64r,14, 76r,11 u. ö.; Göll, B 172, C 56; UKöln2, 13,9.24 u. ö.; dys, Taul, 9v,16, 11v,14 u. ö., dijs, 83v,18, 99r,12, 103r,16; dis gehört hier zusammen mit mnl. des (Franck 1910, § 218; van Loey 1976, I, § 33) wohl in einen nordwestlichen Zusammenhang. Im übrigen Md. ist dis dagegen selten, z. B. AlxS, 2031; Hleb, 17 v,6, 106r,7; HTri, 110, 416; *UrkCorp Nr. 22 (Deutschmeister A, Kulm, Thorn UP 1251–1300), Nr. 1200 (Wetzlar 1290), Nr. 1062 (Rochlitz 1288). In 213 löst dis im Alem. disses ab und wird insbesondere in der alem. Urkundensprache zur Regelform (de Boor 1976a, 23f). Inwieweit dis aus disses verkürzt ist oder eine analogische Neubildung (so de Boor 1976a, 24) darstellt, bleibt offen.

P 193

Übertragung von -ss- vom Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. auf weitere Kasusformen Die Ausbreitung von -ss- ist vom Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. aus offenbar genusgesteuert erfolgt, da sie sich weitestgehend auf das Singularparadigma des Mask./ ​Neutr. beschränkt, vgl. schon di‫܅܅‬eme Dat.Sg.Neutr., *AvaLJ, 2042. Auffällig häufig sind solche -ss-Formen in OxBR: Akk.Sg.Mask. di‫܅܅‬en, 9r,7, 11v,38, r 13 ,28, 16r,15 (daneben di‫܅‬en, 8v,15.18), Nom./ ​Akk.Pl. di‫܅܅‬e, 2v,37, 4r,5, 6r,16, 10v,26, 14v,26 (daneben di‫܅‬e, 4r,1, 7 v,21, 12r,9), Dat.Pl. di‫܅܅‬en, 5v,3, 6r,26 u. ö. (10-mal, daneben di‫܅‬en, 8r,32, 8v,33, di‫܅‬chen 2v,33); deutlich seltener im Nom./ ​Akk.Sg.Fem.: di‫܅܅‬e Nom.Sg.Fem., 4r,12, 11r,25 (daneben di‫܅‬e, 11v,19, 12r,25), Akk.Sg.Fem. 14v,29 (neben 7-mal di‫܅‬e). Vor allem in der alem. Urkundensprache – und hier gehäuft in Urkunden aus Rheinfelden (de Boor 1976a, 12) – hat -ss- auch auf den Dat. und Akk.Sg.Mask übergegriffen, so besonders in den Verbindungen an di‫܅܅‬em briefe, z. B. *UrkCorp Nr. 1715, 1737, N 567 (alle Rheinfelden 1293); di‫܅܅‬en brief Akk.Sg., z. B. Nr. 1589, 1715, 1737, N 567, 1990, 2058 (alle Rheinfelden e 1292–94); vereinzelt bleibt di‫܅܅‬en Dat.Pl., z. B. di‫܅܅‬en erbern luten Nr. N 569 (Olten/ ​Kt. Solothurn 1293), und nur sehr selten wird disse auch auf den Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. übertragen (s. de Boor 1976a, 12).  – Außerhalb des Alem. findet sich di‫܅܅‬en Akk.Sg.Mask. noch in eini­gen rhfrk. Urkunden, z. B. *UrkCorp Nr. 1290 (Grumbach 1290), Nr. N 631, Nr. 1935 (Gf v. Zweibrücken 1294), Nr. 3067 (Kloster Limburg 1298), Nr. 3568 (Weinheim), Nr. 3438 (Worms 1299); sonst nur sehr selten, z. B. *UrkCorp Nr. 90 (Herr v. Starkenberg/ ​Tirol 1265), Nr. N 355B (Wien 1288), Nr. 758 (Regensburg 1285), Nr. 1303 (Ellingen/ ​Mfr. 1290), Nr. 1400 (Kloster Pettendorf 1291). Anm. 1:  Zum nd. Sprachanteil gehören -ss-Formen, die zu mnd. desse-, disse-, düsse- stimmen (s. Lasch 1914, § 407; Sarauw 1924, 119), bei hd. schreibenden Niederdeutschen und in norddeutschen Urkunden des *UrkCorp (de Boor 1976a, 12), so z. B. thisse Nom.Sg.Mask., *PsWig, 324; thi‫܅܅‬en, *RBibC, 227; häufig in *RolA, z. B. thi‫܅܅‬e, Nom.Sg.Mask. 2118, Nom./ ​ Akk.Sg.Fem. 638, 5201, Akk.Pl. 779; thi‫܅܅‬eme Dat.Sg.Mask./ ​Neutr., 1385 u. ö.; thi‫܅܅‬en, Akk. Sg.Mask. 2547, Dat.Pl. 1214 u. ö.; de‫܅܅‬e, *Roth (Teil I), Akk.Sg.Fem. 478, Nom./ ​Akk.Pl. 2185;

6. Pronomina im weiteren Sinne

481

de‫܅܅‬eme Dat.Sg.Mask., 1983; de‫܅܅‬en Akk.Sg.Mask., 1079. Im *UrkCorp finden sich mnd. -ss-Formen in den Urkunden Nr. 51, 606, 1091, 1269, 1612, 1913, 2024, 1310B, 2231B, hierher auch Di‫܅܅‬e Nom.Pl. Nr. 56 (Köln 1262: nd. Schreiber!) . Anm. 2: Neben dise- (Dat.Sg.Mask./ ​Neutr., Akk.Sg.Mask., Akk.Sg.Fem., Nom./ ​A kk.Pl., Dat.Pl.) erscheint im *UrkCorp sehr selten (< 3%) auch dize-, und zwar weit überwiegend alem. (de Boor 1976a, 13). 6.2.2.6. Dat.Sg.Mask./ Neutr.

Die Vollform diseme < ahd. disemo ( 20%). Noch ausgeprägter ist dies im Rhfrk.-Hess.: Hier wird di‫܅‬em in 114 zur Mehrheitsform (ca. 55%). di‫܅‬en erscheint als zumeist seltene Nebenform vornehmlich im Md. und kann hier die nordseegerm. Kurzform (vgl. as. thesum, thesun) zum Hintergrund haben (s. § P 8). Relativ häufig zeigt sich di‫܅‬en in Texten der hess.-thür. Straßburg-Molsheimer Hs.: AlxS (di‫܅‬en, 2447, 2547, 3715, 6265, 6787, daneben 2 di‫܅‬em, 2 di‫܅‬eme); *Glaub (di‫܅‬en, 1392, 2174, daneben 1 di‫܅‬em); *HLitS (di‫܅‬en, 672, 896, daneben 2 di‫܅‬eme, 2 di‫܅‬em). Im Obd. bleibt di‫܅‬en vereinzelte Ausnahme, z. B. Bart, 1ra,13; DvATr, 55r,12; UFreib1, 15,9; Mart, 12,71; di‫܅‬in, *PrFrT8, 4r,21. – Im *UrkCorp sind die Belege für di‫܅‬en vorwiegend alem., speziell els. (WMU 1, 387).

P 194

482



V. Pronomina

diseme

disme

0

100

0

0

2

14

0

86

0

14

obd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris

disen

n

1

3

94

1

86

11

3

85

1

95

bair. alem.-bair.

disem

alem.

38

1

57

3

89

mfrk.

67

26

0

7

128

rhfrk.-hess.

59

1

39

1

75

hess.-thür.

36

0

18

45

11

omd. (²13/ ​¹14)

58

21

16

5

43

0

0

100

0

55

ofrk.

Abb. P 94: Sprachräumliche Verteilung von diseme, disme, disem, disen Dat. Sg.Mask./ ​Neutr. (Prozentzahlen kursiv) 6.2.2.7. Nom./ Akk.Sg.Neutr. P 195

Von den mhd. Hauptformen diȥ, dit, diƶ(e) (‹dizze, dize, dezzi, ditze, ditz›) lassen sich nur die Formen mit Affrikata /ƶ/ problemlos auf die ahd. diz, dizze, dize, dezzi, dezi zurückführen, für die durchgängig germ. Vorformen mit tt > ahd. ƶ angenommen werden (Ahd.Gr.I, § 288 Anm. 3b; zu den verschiedenen Erklärungen vgl. EWA II, 613–616; v. Grienberger 1907, 68–71). Im Mhd. galt demgegenüber nach Ausweis der Reime (Schirokauer 1923, 80f) und der jüngeren Schreibformen di‫܅‬, dis im Alem. und im Großteil des Md. diȥ mit Frikativ. Dafür sind verschiedene Erklärungen denkbar. Möglich ist, dass die neben *þitti bestehende einsilbige Form *þitt (vgl. as. thitt) im Vorahd. teils zu *þit gekürzt und regulär zu ahd. diȥ verschoben wurde. Dann stände ahd. thiz, diz ebenso wie mhd. diz teils für die Affrikata-Form diƶ < *þitt, teils für die Frikativ-Form diȥ < *þit. Dafür könnte sprechen, dass auch nordmd. dit (~ did) eher auf *þit (> *þid) als auf *þitt zurückweist (s. § P 151 zu dat ~ dad). Möglich ist aber auch, dass ahd. diƶ erst später unter dem Einfluss von daȥ zu diȥ umgestaltet wurde. Franck (Afrk.Gr., § 177) nimmt eine rein lautliche Veränderung an: Die Affrikata von ahd. diƶ sei „erst im Lauf der Zeit infolge der Unbetontheit in die Spirans ȥ“ übergegangen. Dieses diȥ müsste sich in spätahd.-frmhd. Zeit dann rasch großräumig durchgesetzt haben. Jedenfalls ist die altobd. Formenvarianz in spätahd.-frmhd. Zeit offenbar im Alem. zugunsten von diȥ (~ diƶ?) und im Bair. zugunsten von diƶe reduziert worden: Während die zweisilbige Affrikata-Form dezzi, deze im älteren Altalem. noch bezeugt ist, hat Notker nur noch diz (Ahd.WB 2, 417f, 420f). Im frmhd. Alem. erscheint dizze noch in Scop, 14,1.3 neben diz, 13,9.

483

6. Pronomina im weiteren Sinne

Im Mhd. ergibt sich für den Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. eine weithin klare Dreiteilung: Im Oobd. und Ostschwäb. (Augsburg) gilt diƶ(e) (‹dizze, dize, ditze, ditz›), im Alem. und Großteil des Md. diȥ (‹diz, di‫܅‬, dis›) und im Mfrk. und nördl. Hess. und Omd. dit. diz

di(z)ze

ditze

ditz

dit

n

100

0

0

0

0

11

Iw, Nib, Parz, Tris

87

7

4

2

0

55

bair.

17

7

26

50

0

70

alem.-bair.

39

12

18

30

0

66

alem.

98

2

0

0

0

121

obd. ²11/ ​¹12

2

0

0

0

98

316

rhfrk.-hess.

92

0

0

0

8

250

hess.-thür.

84

0

0

2

14

64

omd. (²13/ ​¹14)

90

0

0

1

8

157

ofrk.

10

0

0

90

0

31

mfrk.

Abb. P 95: Sprachräumliche Verteilung der Formen von ‚dieses‘ Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. (Prozentzahlen kursiv)

Bei den Schreibvarianten von oobd. diƶ(e) zeichnet sich folgende zeitliche Verteilung ab. In der älteren mhd. Zeit dominiert dizze, dize: 211 dizze, WNot, *142vb,9, *158vb,3; dize, *183rb,10; 212 dizze, Phys, 135r,4, 154v,9; HLit, 942, 945; Spec, 6v,8, 35v,2, 37 v,18, 38v,5, 65v,21; dizce, Wind, 7,4; 113 dizze, Nib, 87,1, *170,1, *239,2, u. ö. (28-mal; daneben 5 diz, ditze *1537,3; ditzce (?), *1035,2; d‫ݦ‬tz, *1532,3, *1583,4); Hoff, 28v,14, 30v,9 (neben 4 ditze); Parz, 25,19, 27,18 (neben 14 diz, 1 ditze, 1 ditz). Noch deutlicher zeigt sich die Dominanz von diz(z)e im älteren Oobd. bei Einbezug korpusexterner Quellen: *PrWessB (dezzi, H33b,18); *PrWessC (dezzi, H37a,16; dizzi, H36b,21, H38b,19); *AvaLJ (dize, 344, 1276, 1286, 1662, 1672, 1 ditze, 1 ditz); *AvaJG (dizze, 393, dize, 401); *BenGeb (dizze, 1,3, 5,2); *VMos2 (dizze, 463, 619, 925, 1022, 1171, 1328, 2099, 2266, dize, 715, 1389, 2256, 1 diz); *VMos1 (dizze, 346, 827); *BaumJohBapt (dize, 54, 59, 60); *Exod (dizze, 97, 1463, 1 diz); *JJud (dize, 716, 1505); *RolP (dizze, 1004, 1502, 1672, 2110, 2411, 6106, 6349, 7416; dize, 6353; daneben 7 ditze, 1 ditz, 2 diz); *RubrB (dice, 126v,7, 133r,2, 1 ditze). Der bair. Bearbeiter von *RBibB hat das thit, thiz (s. RBib) seiner Vorlage nur einmal beibehalten, sonst aber geändert zu thice, 150, 248, 290, 486, 571, 601; thize, 485, 553, 606. Im *UrkCorp findet sich dizze, dize noch in ca. 26 Urkunden (davon 17 bair.) mit ca. 30 Belegen, das ist weniger als ein Zehntel der ditz(e)-Belege: bair. dizze Nr. 596, 1187, 1420, 1548, 1576, 1676, 1762, 1974, 2159, 3147, N 118, N 741; dize Nr. 2017, 2869, N 658, N 741, N 804; ostschwäb. dizze Nr. 1089 (Mindelheim 1289), Nr. 2022 (Mindelheim 1294), Nr. 2056 (Nördlingen A 1294), Nr. 2974 (Wertingen A 1298), Nr. 3073 (Kloster Niederschönenfeld UP 1298), dize Nr. N 643 (Giengen 1294); hochalem. dize Nr. 2528 (Kloster St. Gallen 1296); ofrk. dize Nr. 1235 (Giech b. Bamberg 1290), Nr. 3425 (Eger, Nürnberg UP 1299).

Die überregionale Schreibform diz überwiegt oobd. in 113, weicht dann aber den kennzeichnend oobd. Formen ditze und  – weit häufiger noch  – ditz, das von 213 ab

P 196

484



V. Pronomina

zur oobd. Regelform wird (s. Abb. P 96). ditze, ditz dominiert teils aber auch in ofrk. und ostschwäb. Quellen. Regelform ist diz in Kchr (13 diz, daneben nur dizze, *2822, *3744, dize, *13168) und PrMi (8 diz). Inwieweit diz hier für diƶ oder für diȥ steht, bleibt offen. Für das *UrkCorp nimmt de Boor (1976a, 20) an, dass ‹diz› in bair. Urkunden die Affrikata-Form diƶ, im Alem. dagegen die Frikativ-Form diȥ bezeichnet. Auch im *UrkCorp teilen sich die Belege für den Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. mit seltenen Ausnahmen „sehr genau in bayrisch-österreichisches ditz, ditze und alemannisches di‫܅‬, dis, diz“ (de Boor 1976a, 19). – Oobd. Urkunden bieten auch schon wenige Belege der normalisierenden Neubildung ditzez, ditze‫܅‬, di‫܅‬ez (de Boor 1976a, 20), in denen sich (fr)nhd. dieses ankündigt.

Abb. P 96: Häufigkeitsentwicklung von diz, diz(z), ditze, ditz Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. im Oobd. P 197

Unverschobenes md. dit ist im Mfrk. die alleinige Form. Im Hess. und Omd. konkurriert es mit überwiegendem diz (vgl. Böhme 1893, 80f; Mitzka 1946, 10; Mitzka 1953, 155f; H. Bach 1943/ ​1972, 147f; Feudel 1961, 163). Im Korpus erscheint dit nur in folgenden hess. und thür. Quellen: PrFr, 4,12, 5,6, 6,7, 13,4; GRud, 9,43, 14,21.47, 22,1, 26,2; SalH, 27,12 (neben 49 diz); AthP, 1,16.41.64, 5,2.94.121, 7,2.10; MüRB, 8v,4, 9v,25, 15v,6, 17v,16, 24v,25 (daneben 4 diz). In PrRei herrscht dit neben seltenem diz (Lenz-Kemper 2008, 111, 170f); vgl. ferner dit, *ErfJud, 11; *TrSilv, 227, 362; diet, 32, 65, 118, 235, 244, 412. dit in omd. Urkunden: stets (25-mal) im Erfurter StR *UrkCorp Nr. 1161AB (Mainz 1289), vgl. dazu Haacke (1963, 269); ferner in Nr. 1251 (Erfurt 1290) 496,17; Nr. 2937 (Kloster Fulda A, Erfurt UP 1298) 228,13; Nr. 544 (Wartburg 1282) 479,44; Nr. 1062 (Rochlitz 1288) 371,3; Nr. 1616B (Bf von Merseburg 1292) 750,47, 751,6.14.28; Nr. 1631 (Eisenach 1292) 762,25; Nr. 1816 (Triptis 1293) 131,14; Nr. N 651 (Mühlhausen A 1294) 470,11; dit in hess. Urkunden: Nr. 598 (Marburg a. d. Lahn 1283) 22,36.39; Nr. 599 (Marburg a. d. Lahn 1283) 23,45, 24,2; Nr. 1918 (Frankfurt 1294) 189,43, 190,15. 21; Nr. 1200 (Wetzlar 1290) 471,36. 46; Nr. 493ABC (Kg Rudolf A, Mainz 1281) 436,22, 436,40; Nr. N 203 (Kg Rudolf A, Mainz 1281) 157,34, 158,21; Nr. N 205 (Kg Rudolf A, Mainz 1281) 159,30.

6. Pronomina im weiteren Sinne

485

Die Nebenform did (s. § P 195, Franck, Afrk.Gr., § 100.2) begegnet noch in älteren mfrk. Quellen (bis Mitte 13. Jh.): *Anno, 16,8; *UrkKölnSchr, 2I5,5; *Albanus, 99, 101, 112; *Christi Geburt, 134; *HambBeicht, 38; *UrkCorp Nr. 21B (Neuss 1251) 32,30, 34,2; Nr. 47 (Köln 1259) 75,40, 76,8; auch in *Roth, 972. 6.2.2.8. Nom.Sg.Fem., Nom./ Akk.Pl.Neutr.

In diesen Kasus gelten die Flexive der pronominalen Deklination obd. -iu, md. -e mit nur wenigen Ausnahmen: In den md. Quellen steht durchgängig (dis)-e; allein in TrPs herrscht im Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. di‫܅‬iv, das aus der obd. Vorlage stammen dürfte. In den alem. und bair. Quellen liegt der Anteil von disiu im Durchschnitt bei > 90%, und zwar im Alem. etwas höher als im Bair. und im Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. etwas höher als im Nom.Sg.Fem. Im Bair. erscheint seit 212 auch di‫܅‬ev o. ä., z. B. di‫܅‬ev Nom.Sg.Fem., Kchr, *8951; *VMos3, 1104; *LambGeb B, 72r,4; PrMi, 15v,18; MMag, 627, 862, 867, 949; di‫܅‬eu Akk.Pl.Neutr., *AvaLJ, 1278. In 114 auch im Nürnberger Raum: Nom.Sg.Fem. di‫܅‬ev, GnaÜ, 2,5, 17,1, 99,8. Alem. sind demgegenüber die Formen i i i i di‫܅‬u, di‫܅‬v, di‫܅‬ú, z. B. di‫܅‬v, RWchr, 2358, 2529, 20989 u. ö.; di‫܅‬u, 42va,2, 44vb,19, 50ra,9. Eine Ausnahme bildet die Kchr, in der di‫܅‬e Nom.Sg.Fem. mehr als 60% ausmacht, z. B. *81, *2924, *3384 u. ö. (12-mal), diz frǒwe, *1599, daneben 7-mal di‫܅‬iu, das im Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. allein herrscht (5-mal). In *RolP dürfte di‫܅‬e Nom.Sg.Fem. (898, 1647, 6081 neben di‫܅‬iu, 5201, 67424, di‫܅‬u, 1679, di‫܅‬ui, 3384) zu den md. Anteilen ge­ hören. Ansonsten bleibt -e im Obd. seltene Ausnahme, z. B. di‫܅‬e, Mar, 5028; Luci, 2v,22; di‫܅‬i, ZwBR, 10r,3; etwas häufiger in 114, z. B. di‫܅‬e, MMag, 301; NikP, 40ra,13; Mart, 8,63; Díz, ObEv, 42a,22; dvzze, Baum, 24r,8. Die Formendistribution im *UrkCorp charakterisiert de Boor (1976a, 26–28) so: Während sich das Els. mit -e zum Md. stellt, ist disiu im übrigen Alem. bei weitem vorherrschend. Ebenso im Oobd.: Einzig Wien neigt hier mit etwa 60% „der ‚modernen‘ Form dise zu“ (de Boor 1976a, 27).

P 198

6.2.2.9. Akk.Sg.Fem., Nom./ Akk.Pl.Mask./ Fem.

Neben dise, das nahezu überall die Regelform bildet, erscheinen vornehmlich folgende Varianten: Die obd. Form dis (di‫܅‬, diz) dürfte aus dise apokopiert sein, z. B. Akk.Sg.Fem. di‫܅‬, ZwBR, 41r,9, 57 v,13 u. ö. (6-mal, daneben di‫܅‬e, 3r,12, 38r,2); diz, PrSch, 10v,1; di‫܅‬, Hartw, M 1304; ObEv, 35b,21, 38b,3; díz, 23a,24; dís, NikP, 42vb,11, 81rb,5. – Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​ Fem. di‫܅‬, ZwBR, 10r,1, 29v,7 u. ö. (5-mal); ObEv, 41a,27, dis, 41a,21; NikP, 83rb,21, 83vb,15, 84ra,19; diz, Mart, 5,22; einmal auch mfrk.: dis ordē, BuMi, 85v,2. – Im *UrkCorp alem. und bair., s. WMU 1, 387f. i disiu (di‫܅‬v, di‫܅‬ú, di‫܅‬eu, di‫܅‬ew) kann im Obd. vom Nom.Sg. auch auf den Akk. Sg.Fem. übergreifen, z. B. di‫܅‬ew, GnaÜ, 4,22. Vereinzelt auch im Nom.Pl.Fem.: Di‫܅‬iv

P 199

486



V. Pronomina

‫܅‬iben regelī, DvATr, 71r,15.  – Zu den Urkundenbelegen vgl. de Boor (1976a, 27); WMU  1, 387f. Lit.: Ahd.Gr.I, § 288; de Boor (1976a); EWA I, 608–617; Frnhd.Gr., § M 70; v. Grienberger (1907); Klingenschmitt (1987); Schirokauer (1923, 80f); Sparmann (1961, 62–72); Walch/ ​ ­Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 27–31; Weinhold, Mhd.Gr., § 485f; Wilmanns, Dt.Gr.III.2, 430– 432; WMU 1, 386–388.

6.2.3. jėner, jėniu, jėneȥ P 200

Herkunft und lautliche Entwicklung Die Herleitung der ahd.-mhd. Formen von ‚jener‘ ist strittig. Nicht sicher geklärt sind insbesondere auch der Vokalismus von mhd.(obd.) (j)ėn- und md. gin- und die j-Losigkeit oberdeutscher Formen von ‚jener‘, vgl. Ahd.Gr.I, § 289 Anm. 1; Klingenschmitt (1987, 176–182); EWA V, 282–284; H. Bach (1937/ ​1972, 43f). Zum j-Schwund in obd. en- vgl. Ahd.Gr.I, § 116 Anm. 4; Wilmanns, Dt.Gr.I, § 128 Anm. 2. Nach Schatz (1927, § 293) und Kluge/ ​Seebold, EWB, s. v. jener, handelt es sich dagegen um eine anord. inn entsprechende alte Bildung (< germ. *ena-). Ahd. jen- (gen-), en- setzt sich in mhd. Zeit überwiegend als jėn- mit dem geschlossenen /ė/ des Primärumlauts fort. Zu Erklärungsmöglichkeiten dieses ė vgl. Klingenschmitt (1987, 179ff); Ahd.Gr.I., § 289 Anm. 1 (weitere Literatur). Der ė-Vokalismus wird durch die große Mehrzahl der mhd. Reimbelege gesichert, in denen jėn- mit ƶėne(n) ‚Zähne(n)‘, sėnen ‚sehnen‘, sėne ‚Sehnsucht‘ gereimt wird, so z. B. Parz, *582,1; Tris, *19391; *Krone, 924; *UvEtzAlex, 22129; *KvWEngelh, 2990, 4674 (jene  : Tene ‚Däne‘); *KvWTroj, 3496; *Neidh, 56,5 (WL 14: II,12); *RvEBarl, 3494; nur vereinzelt auch im Reim auf ę: jener  : tęner ‚flache Hand‘, *Georg, 2635.

In md.(-els.) gin-, gen- ist j vor dem folgenden Palatalvokal zu g geworden, vgl. Ahd. Gr.I, § 116 Anm. 1; Paul, Mhd.Gr., § L 87; H. Bach (1937/ ​1972, 44 u. Anm. 1 (mit omd. Mundartformen)). Der Vokal i von md. gin- ist auch durch den Reim gesichert: di gine  : hine adv (RhTun, 226); Dirre wolde den pris,/ Also wolde auch d’ iene [l. gine]./ Also ginc die zit hine, *Herb, 8141; auch ienen : grienen, *Herb, 6315, ist wohl als ginen : grinen zu lesen; daneben benutzt *Herb (8812, 13895) im Reim auch jėne, vgl. Brachmann (1907, § 32). Anm. 1: Das i in gin- erklärt sich möglicherweise aus einer Schwachtonform *jin- < *jen-, vgl. Klingenschmitt (1987, 177: zu anord. hinn); Lessiak (1910, 215). Doch sind auch andere Erklärungen denkbar, so Analogiewirkung vonseiten des einst vielleicht weiter verbreiteten ‚jener‘-Pron. hin- (s. § P 202) und/ ​oder des zu dis- vereinheitlichten Stammes des korrespondierenden nahdeiktischen Pronomens ‚dieser‘ (s. § P 185); u. U. könnte auch Umlaut-ė zugrunde liegen (vgl. Franck, Afrk.Gr., § 13.1), mit dem Sarauw auch für mnd. gine, giene zu rechnen scheint (Sarauw 1924, 119f: gine wahrscheinlich < as. *gẹne). P 201

Im Afrk. ist ‚jener‘ nur bei Otfrid belegt, und zwar zumeist gen- mit g-Anlaut (in V ist g meist aus i korrigiert); daneben nur selten ien-. Alle altobd. Belege (zahlreich

487

6. Pronomina im weiteren Sinne

bei Notker, sonst nur vereinzelt) zeigen j-loses en- (Ahd.Gr.I, § 289; Ahd.WB 4, 1805f). Dem schließt sich WNot mit durchgängigem en- an: ener Nom.Sg.Mask., *137 va,1.3, *151rb,3; eniu Nom.Sg.Fem., 31ra,7; enero Dat.Sg.Fem., *52vb,22, *60ra,3, *113vb,7; enera, *184va,24, *189rb,18, *204va,20, *207 va,5; ene Akk.Sg.Fem., *71vb,23; enez Akk. Sg.Neutr., 6rb,11; ena‫ ܅‬Gen.Sg.Neutr., *89va,13; ene Nom.Pl., *3va,21.23, *111va,10, *116ra,10, *121rb,3.13, *182ra,5; eniu Nom.Pl.Neutr., *200ra,19; ene Akk.Pl., *92va,3; enen Dat.Pl., *63rb,17, *167ra,1, *111va,10. In der weiteren obd. Überlieferung begegnet en- demgegenüber neben dem herrschenden jen- (ien-) nur noch selten; im Korpus lediglich in WNot (s. o.), énero, Will, 36r,25; zênir werelt, Spec, 40r,4, neben ieni, 37 v,19; enz, WMEv, 15,20; êner, PrMi, 29r,7, neben îener, 20v,26; ener, Hoff, 19r,16, neben iener, 12r,9; ener, DvATr, 33v,10, 63r,9; en’, Rupr, 92,7, 100,35, neben 35 ien-. Falls en- im Altobd. zunächst weiter verbreitet war oder gar allein gegolten haben sollte, ist es folglich in spätahd.-frmhd. Zeit zumindest in der geschriebenen Sprache offenbar durch nördliches jen- zurückgedrängt worden. Auch im *UrkCorp (Boesch 1946, 187; WMU 2, 962) ist en- nur relativ selten belegt, und zwar alem. in Stadtrechten aus St. Gallen (Nr. 173), Winterthur (Nr. 2596, für Mellingen Nr. 2597) und Freiburg (Nr. 248B, 1797AB), außerdem in Nr. N 399 (Zürich 1289); bair. in einer vom Erzbischof von Salzburg und vom Herzog von Niederbayern ausgestellten Urkundengruppe (Nr. 846, 847, N 319, 1030), ferner in Nr. 631 (Salzburg 1284), Nr. 475AB (Bayer. Ldfr. Regensburg 1281), Nr. 1800B (Regensburg 1293), Nr. 778, Nr. 2851 (Kloster Zwettl 1297), Nr. 888 (Karlstein a. d. Thaya 1287). jobd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris

g-

e-

0

0

0

0

3

100

13

81

0

0

3

19

bair.

48

94

0

0

3

6

alem.-bair.

77

95

0

0

4

5

alem.

44

61

28

39

0

0

mfrk.

0

0

42

100

0

0

8

57

6

43

0

0

omd. (²13/ ​¹14)

33

66

17

34

0

0

ofrk.

27

100

0

0

0

0

hess.-thür.

Abb. P 97: j-, g- und e-Anlaut beim Pronomen ‚jener‘ (Prozentzahlen kursiv)

Die Formen mit g-Anlaut (s. Abb. P 98) beschränken sich fast völlig auf das Md. und (nördl.) Elsass (Straßburg); gelegentlich kommen sie auch ofrk. vor: gener, *Minneb, 4385. Die vorherrschende Form des Stammes ist hier gin- mit kurzem /i/ (s. § P 200), z. B. giner, Aeg, 190, 517, 701; ginen, *Elmend B, 363; ginen, RhTun, 381; gine, 226; VLilie, 49,21; giner, *GothFiebers, 407ra,48; ginin, MüRB, 4v,17, gíne, 9v,5, 17r,21, gíní, 17 v,18.23 u. ö.; gínre, Rapp, 334, 512, 548 u. ö.

P 202

488



V. Pronomina

*UrkCorp dy gine 21B (Neuss 1251) 33,25; den ginen Nr. 602 (Ebf von Köln A 1283) 25,8; Nr. 623 (Ebf von Köln A 1284) 49,22; gine Nr. 2785AB (Kg Adolf A, Speyer 1297) 135,44, 136,2.

In den zweisilbigen Flexionsformen unterlag gin- der Tondehnung zu g‫ݔ‬n- (> gēn-). So erklärt sich die häufige md. Schreibform gien- ebenso wie jüngeres mfrk. gen-, gein-, geyn-, z. B. gienen, UKöln1, 9,1, 10,1, 12,3 u. ö.; gýene, Brig, 4r,28, gyenen, 5v,19; gienir, Aegi, 657; gieni, MüRB, 11v,17; gein, KuG, 12270, 12272, 12274; geynen *UrkCorp Nr. 73 (Neuerburg 1263) 114,7; geinen Nr. 255 (Köln 1275) 265,16; geine 267,13; geyn, i Brig, 3r,16, 5v,21; genen, UKöln2, 5,3, 11,1, 12,1, 14,1; genen, UKöln2, 13,1, 15,1. Wo ‹e› in gen- sich nicht als Tondehnungs-ē < i erklären kann, wird das schon bei Otfrid bezeugte gęn- oder gėn- vorliegen, so in den rhfrk. Urkundenbelegen (s. u.).  – Zu gen-Formen in thür.-obersächs. Quellen des 14. Jh.s vgl. Feudel (1961, 87f).  – Ganz vereinzelt bleibt bair. genen, *SüKlV, 128. gen-Formen im *UrkCorp: rhfrk. den genen Nr. 3567 (Merl/ ​R h.-Pf. A, Gf von Sponheim: moselfrk.-rhfrk.) 612,19; den genen Nr. 235B (Kg Rudolf A, [Mainz] 1275) 236,21 (ginen 235A); genen Nr. 494 (RheinLdfr Mainz 1281) 439,2 (daneben ginen 439,8); genen Nr. 879Sp (ReichsLdfr Würzburg 1287) 239,22.30 („Sp. zeigt Einfluß von Speyerer Orthographie und pfälzischer Mundart“, Regest). – Alem. gen‫ ܅‬Nr. 383 (Herren von Üsenberg A, Freiburg UP 1279) 355,17; genes Nr. 1453AC (StR St. Gallen 1291) A 647,22, A 648,3.13; geneme C647,43; genen Nr. 1851 (Kg Adolf A, Ortenberg 1293) 152,27. Anm. 1:  In nd. beeinflussten Quellen erklärt sich gen- aus mnd. gēne (Lasch 1914, § 342.2, 408 Anm. 3; Sarauw 1924, 119f), so genir, *Roth, 1167; gener, 3195, 4550; geniz, 3540, 4103 (daneben gine, 699; Geinir, 2989). Auch in zwei von nd. Schreibern stammenden Kölner Urkunden: gene *UrkCorp Nr. 56 (Gf von Jülich u. Ebf von Köln A) 90,24, genen 75 (Konzept) (Köln 1263). Anm. 2:  Der Wandel von j > g trat vor i regelmäßig, vor ę, ė dagegen nur sporadisch und wohl erst sekundär ein (vgl. Mausser, Mhd.Gr.III, 546). Das erklärt, warum sich der g-Anlaut bei ‚jener‘ weitestgehend auf das Md. und Els. beschränkt, da er hier weit überwiegend mit dem Stammvokal i einhergeht. Anm. 3:  Die mhd. sprachlandschaftliche Verbreitung der Formen mit g-Anlaut setzt sich im Frnhd. des 14./ ​15. Jh.s kaum verändert fort, vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 510 Anm. 4.

489

6. Pronomina im weiteren Sinne

ginmfrk.

113 213

¹14

hess.-thür.

²12

omd.

²13

els.

¹14

gen-

gein-

2

100

0

0

0

0

0

0

*LancM

2

100

0

0

0

0

0

0

UKöln1

0

0

17

100

0

0

0

0

VLilie

1

100

0

0

0

0

0

0

KuG

0

0

1

25

0

0

3

75

Brig

0

0

2

50

0

0

2

50

*PrKöln

0

0

11

100

0

0

0

0

UKöln2

0

0

7

54

2

15

4

31

Taul

0

0

0

0

0

0

1

100

Aegi

5

83

1

17

0

0

0

0

12

75

2

12

2

12

0

0

0

0

0

0

1

100

0

0

28

100

0

0

0

0

0

0

50

47

41

39

5

5

10

9

MüRB HTri

insgesamt

gien-

RhTun

Rapp

Abb. P 98: Verteilung von gin-, gien-, gen-, gein- beim Pronomen ‚jener‘ (Prozentzahlen kursiv)

hin- (hien-, hen-) ‚jener‘ (Lenz-Kemper 2008, 112; s. § P 200) ist lediglich in wenigen rhfrk.-hess. Quellen (Erlös, Elis, PrRei; hiner, *Mainzer Friedgebot v. 1300, 207) und den hess.-thür. PrMK belegt. Die Form hin- (s. § P 202) entspricht in Bildungsweise und Lautstand genau anord. hinn ‚jener‘ (vgl. Klingenschmitt 1987, 176–78). In den modernen Mdaa. lebt das h-anlautende ‚jener‘ wohl in südhess. henәr fort (vgl. Südhess.Wb. 3, 956f; hier als Ausläufer von obd. ener „mit agglutiniertem h“ erklärt). Anm. 4: Die -ig-Weiterbildung jėnig, aus der sich nhd. derjenige entwickeln wird, ist von Hause aus nd. und in mhd. Zeit nur in den Ausfertigungen des StR Magdeburg für Breslau belegt (s. WMU 2, 963). Erst in frnhd. Zeit erscheint jenig ab dem 15. Jh. im Wmd., ab dem 16. Jh. im übrigen hd. Gebiet, vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 509 Anm. 1.

Flexion Mhd. jėn- (ėn-, gin-, gėn-) wird stark pronominal flektiert  – auch dort, wo ihm der bestimmte Artikel vorausgeht (s. § P 204). Besonderheiten gibt es lediglich im Nom.Sg.Mask. und Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. Im Nom.Sg.Mask. erscheint das vorherrschende Flexiv -er (-ir, -’) alem. und md. auch als -re, das zumeist für silbisches [‫ ]ܙ‬stehen dürfte (s. § P 13), so alem. ienre, Flor, 5142; in Rapp durchgegend gínre, 334, 512, 548 u. ö.; md. z. B. ienre, GRud, 23,33; MBeh, 234v,20; geinre *UrkCorp Nr. 903 (StR Worms 1287) 262,24; vgl. dazu auch ienr *UrkCorp Nr. N 238B (StR Straßburg) 185,29; jenr Nr. N 651 (Mühlhausen/ ​Thür. A 1294) 470,33. Im Mfrk. ist der Nom.Sg.Mask. zunächst  – wie das nahdeiktische dis ‚dieser‘ (s. § P 189) – flexivlos, später nach dęr auch schwach, z. B. der gein, KuG, 12270, 12272,

P 203

490



V. Pronomina

12274 (die Hs. A des 15. Jh.s hat in all diesen Fällen der gene), der geyn, Brig, 3r,16, 5v,21; der gein, *HagenChr, 997; der gyn, 3157; der gien, *PrKöln, 32,40; d’ gene, *MU14, 250629 (Burgfrieden derer von Waldeck 1325); moselfrk. auch mit südlichem Flexiv -er: der giner, *GothFiebers, 407ra,48. Im nordthür. MüRB steht im Nom.Sg.Mask. stets die zu mnd. de gēne stimmende schwache Form gine, gíní, 9v,5, 17r,21, 17 v,15.18.23 u. ö. (9-mal). Mfrk. gine ist schon durch gine, RhTun, 226, reimbezeugt. Vgl. auch Jene *UrkCorp Nr. 1161A (StR Erfurt, Mainz 1289) 437,27. Selten alem.: ein als g‫ݑ‬te [...] als ene *UrkCorp Nr. N 399 (Zürich 1289) 295,34; enne 1295 (StR Rheinfelden 1290) 537,6; ênne 536,23. Im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. erscheint neben dem weit überwiegenden Flexiv -em (auch -ē) die volle Endung -eme teils noch alem. (bes. els.): gíneme, Rapp, 32812, 32965. *UrkCorp: alem. ieneme Nr. 372 (StR Colmar, Wien 1278) 347,5; Nr. 1695 (StR Colmar, Rottweil 1293) 28,6; N 815 (Horburg/ ​Els.) 582,30; gineme Nr. N 238A (StR Straßburg 1283) 188,10; geneme 1453AC (StR St. Gallen 1291) 647,43; – omd.-nd. ieneme *UrkCorp Nr. 51 (StR Magdeburg für Breslau 1261) 81,19.23, 82,10; Nr. 606 (StR Magdeburg für Breslau 1283) 33,37.42, 34,22.

Auch die Kontraktionsformen jėme, ėm(m)e, gėme, gime (< jėneme, ėneme, gėneme, gineme) sind wobd. und md., z. B. wobd. íeme, ieme, StBA, 18vb,21, 23va,21, 113vb,7 u. ö. (10-mal); SwSp, 42ra,19; Gíme, Rapp, 562; – md. ieme, JMar, 104v,8; MBeh, 226r,7; giemí, MüRB, 1r,23;  – ofrk. ieme, Renn, 24151; Iem, 362. *UrkCorp ieme Nr. 372 (StR Colmar, Wien 1278) 345,14; eme *UrkCorp Nr. 1797AB (Freiburg 1293) 111,34; ême Nr. 248B (StR Freiburg 1275) 260,47; emme Nr. 248A 258,6; Nr. 1295 (StR Rheinfelden 1290) 537,30; Nr. 2596 (StR Winterthur 1297) 23,10; ēme 2597 (StR Winterthur für Mellingen 1297) 27,4; geme *UrkCorp Nr. 879Sp (ReichsLdfr. Würzburg 1287) 239,10; moselfrk. *MU14, 250629 (Burgfrieden derer von Waldeck 1325). P 204

dęr jėner ‚derjenige‘ Im Md. wird seit 212 die Tendenz sichtbar, dem substantivisch verwendeten jėneden bestimmten Artikel voranzustellen. Frühe Belege sind z. B. d’ iener, AlxS, 2362; die iene, 6847; di gine, RhTun, 226; der giner, *GothFiebers, 407ra,48; dí gíne, *WildM, I, 436; Die iene, *Herb (Hs. 114!), 3643, 13582, D’ iener, 6461, 8141. Selten auch attributiv: Die iene zwene namē Ir sw’t an die rechtē hant, *Herb, 13582. Insbesondere erscheint der jėner wie nhd. derjenige als Korrelat zu (restriktiven) Relativsätzen, z. B. Du eweclihe himelcrone [...] Di god den ginen hat gegebin./ Di in geminnet hant al ir leben, RhTun, 381. Im Mfrk. wird gin- (gien-, gein-, gen-) seit 213 fast nur noch in Verbindung mit dem Definitartikel gebraucht, und zwar stets als Korrelat, z. B. Id i‫܅‬ der gein, de da ir‫܅‬luch Den kuninc Breimunde doit, KuG, 12270. Urkundlich sehr oft in der Formel wír [...] Důn kůnt allen den gienen, die die‫܅‬en brief ane ge‫܅‬ient, UKöln1, 10,1. Ohne Definitartikel begegnet ‚jener‘ mfrk. nur noch vereinzelt: Ich ‫܅‬ach giene

6. Pronomina im weiteren Sinne

491

al‫܅‬o geberen, Dat ich i‫ ܅‬mach al hie irveren, KuG, 12281; ‫܅‬o intfeys dů ouch vijl: alz dys min, alz vijl geinz me ‚so erhältst du auch viel: wie von diesem weniger, so viel von jenem mehr‘, Taul, 91v,11.  – Auch im *UrkCorp sind die Belege für die jene nur md. (WMU 2, 962). Lit.: Ahd.Gr.I, § 289; H. Bach (1937/ ​1972); Feudel (1961, 87f); Klingenschmitt (1987); LenzKemper (2008); Lessiak (1910); Mausser, Mhd.Gr.III, 546, 840f; Sarauw (1924, 119f); Walch/ ​ Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 507–516; Weinhold, Mhd.Gr, § 488; WMU 2, 962.

6.2.4. sęlp 6.2.4.1. Überblick

Mit vorausgehendem Definitartikel hat sęlp die Bedeutung ‚derselbe‘ (lat. idem), sonst fungiert es als Intensifikator, selten auch als Skalierer, entsprechend der nhd. Fokus­ partikel selbst, s. § P 207ff; so auch schon ahd., vgl. Ahd.Gr.I, § 290; Behaghel (1923, 333ff); Lühr (2010, 104–114); zu nhd. selbst vgl. Zifonun (2003, 89ff); Siemund (2000).

P 205

6.2.4.2. dęr sęlbe

In nahezu der Hälfte aller Korpusbelege steht sęlp nach Definitartikel, nur relativ selten nach dem Demonstrativpronomen dise, z. B. diz ‫܅‬elbe chleine ‫܅‬chifelin, Tris, 7597; Di‫܅‬iv ‫܅‬elben mære. v’nam do Sigemvnt, Nib, 50,1; dirre ‫܅‬elbe man, AlxS, 63; an di‫܅‬eme ‫܅‬elben daga, Himlf, 633; in dirre ‫܅‬elben naht, Erlös, 5567. sęlp wird in dieser Stellung regelmäßig schwach flektiert. Wie bei der Adj.-Flexion (s. § A 66) gelten im Mfrk. jedoch im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr., Gen./ ​Dat./ ​Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl. und Gen.Pl. die starken pronominalen Flexionsformen, z. B. Dat. Sg.Neutr. indeme ‫܅‬elueme kier‫܅‬pele, UKöln1, 12,25; Gen.Sg.Fem. an der ‫܅‬eluer ‫܅‬ůnē brieve, UKöln1, 13,3; Dat.Sg.Fem. zu der ‫܅‬eluer ‫܅‬tunden, RhMl, 1585; Akk.Sg.Fem. di ‫܅‬elue ‫܅‬tat, RhMl, 651; Gen.Pl. na der ‫܅‬eluer vůrgenander ‫܅‬agene, UKöln1, 13,13; Nom. Pl. die ‫܅‬elue bůrgere, UKöln1, 4,16. Daneben kommen selten auch schwache Formen vor: Dat.Sg.Fem. Zvr ‫܅‬eluen ‫܅‬tunden, Yol, 5313; Akk.Pl. die ‫܅‬eluen dri dugede, VLilie, i 24,24; de ‫܅‬eluen zolle, UKöln2, 3,33. Im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. steht mfrk. neben -eme teils auch -en, das sich als Nachfolger der nordseegerm. Kurzform -un < -um erklären kann (s. § P 8), z. B. deme ‫܅‬alůen, Taul, 16r,19; deme ‫܅‬eluen, 92r,7.10, 94v,11; Göll, i A 234; UKöln2, 3,3.10.16.28; dem ‫܅‬elben, 3,35, deme ‫܅‬eluen, 15,13. Im Nom.Sg.Mask. und Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. gibt es neben dem schwachen Flexiv -e bzw. -en selten auch starke Flexion, z. B. der ‫܅‬eluer greuo *UrkCorp Nr. 9 (Thurant 1248), des ‫܅‬elues Criges, *MU14, 180823.2 (Koblenz 1318). Im Akk.Sg.Fem. konkurrieren im übrigen Md. die starke Form auf -e und die schwache auf -en (s. § A 90); schwach z. B. di ‫܅‬elben, AlxS, 1990; die ‫܅‬elben, Himlf, 1413; dí ‫܅‬elbín, MüRB, 24r,8; die ‫܅‬elben, Erlös, 2443; PrRei, 160a,2; Elis, 202; di ‫܅‬elben,

P 206

492



V. Pronomina

9884, 10334; Pass, 1,50; stark z. B. di ‫܅‬elbe, VatG, 107 v,6, 109v,13, 112r,11; AlxS, 2770; die ‫܅‬elbe, Himlf, 203; OxBR, 13r,25; di ‫܅‬elbe, MBeh, 225r,13, 233v,2; Pass, 8,44; díe ‫܅‬elbe, LuKr, 2044; HTri, 5784; auch oberrhein. díe ‫܅‬elbe, UFreib1, 32,4; UFreib2, 1,4, 11,6, 12,5, 15,5. Im Oobd. folgt im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. dem Definitartikel in nicht wenigen – vor allem älteren – Denkmälern teils auch die starke Form: deme ‫܅‬elbem, Wind, 3,3; tem ‫܅‬elbem, *HimmJerusal, 314; durchgehend dem ‫܅‬elbem, dem ‫܅‬elbim in Spec (6r,18.21, 7 v,10, 10r,19, 44r,7, 51v,17, 65r,8, 67r,8), dem ‫܅‬elbem, *PrLo, 39r,12, *SiebenZ, 3,3, Kchr, *4289, *MillPhys, 147,2, *PrRoth R, 28b,6, Parz, 503,23, 816,16, PrMi, 26r,21, 34r,18. Sonst i begegnen starke Formen außerhalb des Mfrk. nur vereinzelt, z. B. Nom.Sg.Fem. dv i i ‫܅‬elbv, dv i‫܅‬t vil g‫ݑ‬t, RWchr, 2352; Dat.Sg.Fem. in d’ ‫܅‬elber zit, AlxS, 6318, zo deme ‫܅‬elbeme hole, *Glaub, 609; Nom.Pl. Die ‫܅‬elbi herrn, Spec, 77 v,15, Daz mohten wol die ‫܅‬elbe ‫܅‬ín, Diet, 9305; Gen.Pl. der ‫܅‬elber gnaden, HLit, 65. 6.2.4.3. Verstärkendes sęlp P 207

Auf sęlp als Intensifikator entfällt weniger als die Hälfte der Korpusbelege von sęlp. Davon wiederum bezieht sich die große Masse auf ein Pronomen  – zumeist ein Personalpronomen –, nur etwa ein Siebtel auf eine nominale NP. Weit überwiegend folgt sęlp seiner pronominalen oder nominalen Bezugs-NP in Kontaktstellung, nur zu weniger als einem Drittel in Distanzstellung. Nach Art der Bezugs-NP und nach Kontakt- oder Distanzstellung von sęlp lassen sich folgende Typen unterscheiden: –– sęlp folgt dem Bezugspronomen in Kontaktstellung. Im Nom.Sg. aller Genera und im Akk.Sg.Neutr. steht die schwache Form sęlbe (apokopiert sęlb), in den obliquen Sg.-Kasus herrscht dagegen starke Flexion: ér ‫܅‬élbo ôuh ún‫܅‬ih humilitate(m) lêrta mit ‫܅‬înemo bílide, Will, 10r,5; ‫܅‬íu ‫܅‬elba, 9r,24; ez ‫܅‬elbe, Baum, 110r,10.11; Gen.Sg. sīn sęlbes, ir sęlber s. § P 210; im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. überwiegt bis 212 starke, danach schwache Flexion, vgl. z. B. stark ímo ‫܅‬élbemo, Will, 15v,18.28, 17r,26, 38r,25; WNot, 17rb,18, 33va,22 u. ö.; ime ‫܅‬elbeme, Phys, 156v,14; Wind, 61,6; mír ‫܅‬élbemo, Will, 39r,4; WNot, 27 vb,1 u. ö.; BaGB, 147,11; schwach im ‫܅‬elben, PrPa, 151,2, 294,15, 317,5; Hchz, 334, 487; Hoff, 12v,23, 25v,24, 26r,1; AlxS, 212, 1816; BKön, 5va,18; DvATr, 28v,8.9 u. ö.; SwSp, 111va,4 usw. – Im Dat.Sg.Fem. gilt mit wenigen Ausnahmen starke Flexion, z. B. íro ‫܅‬élbero, Will, 46v,7; ire ‫܅‬elb’, PrZü, 112vb,2; ir ‫܅‬elb’, Nib, 46,2; ir ‫܅‬elber, DvATr, 70r,2; MMag, 645, 656; OxBR, 11r,13; Elis, 872; GnaÜ, 34,13; schwach: uone iro ‫܅‬elbun, WNot, 6ra,22; bi ir ‫܅‬elben, DvATr, 69v,12; ir ‫܅‬elben, StBA, 74vb,14; UFreib1, 11,8; mir ‫܅‬elben, Elis, 5499.  – Akk.Sg.Mask. z. B. Der gebot, daz man allez ‫܅‬in inge‫܅‬inde for ‫܅‬inen ougen houbte. u‫ ܒ‬daz man in ‫܅‬elben wilden pherden an den zagel ‫܅‬trikte ‚... und dass man in selbst wilden Pferden an den Schwanz band‘, PrFr, 5,3; ‫܅‬wie er mich ‫܅‬elben bræhte. in ange‫܅‬tliche not., idoch ‫܅‬o wil ich rechen. de‫ ܅‬vil chvnen rechen tot, Nib, 2435,3. – Im Nom.Pl. überwiegt starkes sęlbe gegenüber schwachem sęlben im Verhältnis von ca. 7:1, im Akk.Pl. dagegen umgekehrt

6. Pronomina im weiteren Sinne

493

sęlben gegenüber sęlbe im Verhältnis von etwa 4:1, z. B. Nom.Pl. ‫܅‬i ‫܅‬elbe, Wind, 55,7, 58,16 u. ö.; Kchr, 16656 u. ö.; Spec, 63v,10; Parz, 798,22; DvATr, 80r,14; UFreib1, 9,7; ‫܅‬ie ‫܅‬elbe, PrMK, 1r,49; wir ‫܅‬elbe, PrZü, 108ra,24.26 u. ö., ir ‫܅‬elbe, PrZü, 110va,27; schwach z. B. bêide ‫܅‬îe ‫܅‬elbon, Will, 36v,14; ‫܅‬ie ‫܅‬elben, WNot, 13vb,15, 36rb,24; Aegi, 457; ‫܅‬i ‫܅‬elben, AlxS, 2256.  – Akk.Pl. sęlben: ‫܅‬i ‫܅‬elben, Iw, 4907; JMar, 1r,20; Baum, 177r,4; iuuuih ‫܅‬elben, WNot, 37ra,12; ivch ‫܅‬elben, Nib, 2390,1; ähnlich Flor, 4979; RhMl, 1205; vn‫܅ ܅‬elben, PrPa, 48,2; RhMl, 4508; DvATr, 45v,12; Himlf, 1290; Baum, 109r,19; BuMi, 84r,14; Renn, 24188; stark: sęlbe: ‫܅‬i ‫܅‬elbe, UFreib1, 44,12; Baum, 110v,2; un‫܅ ܅‬elbe, Spec, 35r,21, 71v,13; ivch ‫܅‬elbe, Spec, 82r,7. –– sęlp folgt dem Bezugspronomen in Distanzstellung. Beim Bezugspronomen handelt es sich nahezu durchgehend um das Subjekt. sęlp steht zunächst fast stets sowohl im Nom.Sg. als auch im Nom.Pl. aller Genera in der Form sęlbe: ‫܅‬i ‫܅‬culn abi ‫܅‬elbe ‫܅‬niden alle achu‫܅‬te de‫ ܅‬herzen. unt de‫ ܅‬lichinamen ‚sie sollen sich dann selbst abschneiden alle Schlechtigkeiten des Herzens und des Leibes‘, Phys, 147 v,12; ‫܅‬int dv an not ‫܅‬elbe dine herren wilt uerraten ‚da du selbst ohne Not deine Herren verraten willst‘, AlxS, 2843. Erst spätmhd. erscheint statt der schwachen Form sęlbe häufiger sęlber Nom.Sg.Mask., vor allem wohl md. und ofrk.: Swaz frivnd frí‫ܨ‬t geraten mac., er welle ‫܅‬elber ‫܅‬tivrē ‫܅‬ich., ez i‫܅‬t ín eínen bach eín ‫܅‬lac ‚was ein Freund dem Freunde auch raten kann, es ist, wenn er sich nicht selbst lenken will, ein Schlag ins Wasser‘, Wins, a35,9; vgl. auch Mart, 3,82, 4,100, 22,71; Hleb, 19v,14, 104v,14; MBeh, 147r,20, 148r,8; Pass, 14,157; GnaÜ, 22,20; WüPo, 240rb,21, 250va,9; Renn, 24498; Lupo, 2,388.  – sęlben Nom.Pl.: as of ‫܅‬y [...] ‫܅‬elůen ‫܅‬int in irme grūde groi‫܅܅‬er, dan der doyme ‫܅‬y ‚als ob sie selbst in ihrem Grund größer als der Dom sind‘, Taul, 14v,6, – Objektbezogen: die man ‫܅‬al ‫܅‬ich dan des ‫܅‬elbín gutis ‫܅‬elbín werí ‫܅‬int me ‚der Mann soll sich dann desselben Gutes selbst Währschaft leisten fortan‘ e (Meyer 1934, 128,14ff), MüRB, 9v,25; Daz al den tac ‫܅‬ie garlich díe ors v‫ ܒ‬ouch ‫܅‬elben ‫܅‬ich Hetten gemvt tzu ‫܅‬ere, daz twanc ‫܅‬i der widerchere ‚dass sie den ganzen Tag die Pferde und auch sich selbst zu sehr strapaziert hatten, das zwang sie zur Umkehr‘, LuKr, 2360. –– sęlp folgt dem Bezugsnomen in Kontaktstellung. Im Nom.Sg. steht zunächst regelmäßig die schwache Form sęlbe, in 114 im Nom.Sg.Mask. zunehmend auch sęlber: der chuníc ‫܅‬elbe lobete daz, Kchr, 1108; daz er di tiw hat zerbrochen., di got ‫܅‬elb’ ge‫܅‬etzet hat ‚dass er die Treuepflicht gebrochen hat, die Gott selbst eingesetzt hat‘, Rupr, 8,30; vgl. auch Mart, 24,75; Hleb, 181v,12, 188v,1; PrRei, 169a,30; HTri, 782; GnaÜ, 99,14; Renn, 11712; Lupo, 1,76, 2,365.413, 3,124. In den wenigen Belegen mit obliquem Kasus überwiegt, soweit entscheidbar, starke Flexion: De‫ ܅‬hâbe wír bílde an vn‫܅‬erm herren ‫܅‬elbem ‚dafür haben wir ein Vorbild an unserm Herren selbst‘, PrMi, 20r,6; [von] got ‫܅‬elbem, PrPa, 43,13; Wir ‫܅‬vln wi‫܅܅‬en vnd gelovben, daz di‫܅‬iv hohzit got ‫܅‬elbem i‫܅‬t genæme ‚dass dieses Fest Gott selbst wohlgefällig ist‘, PrPa, 154,8.  – Schwacher Nom.Pl.: Ein wige the herren ‫܅‬eluon gelouodon ‚einen Zweikampf gelobten die Herren selbst‘, RBib, 635; nicht entscheidbar z. B. Akk.Sg.Mask.

494



V. Pronomina

ein magit gebar got ‫܅‬elbin, ire ‫܅‬chepphare, PrZü, 108vb,5; Dat.Pl. an den ge‫܅‬ten ‫܅‬elben, Nib, 2300,3. –– sęlp folgt dem Bezugsnomen in Distanzstellung teils schwach, teils stark flektiert: d’ kunic Ezele. i‫܅‬t ‫܅‬elbe zv dem ‫܅‬chaden chomen, Nib, 2295,4; die nature is ‫܅‬elue e ‫܅‬tarc, RhMl, 3664; welh grôz frowde da wirt., ‫܅‬wēne got ‫܅‬ich ‫܅‬elb’ wil gebē ze ain’ i krôn, PrSch, 124r,4; Der kvnig ‫܅‬t‫ݑ‬nt ‫܅‬elber vf, Rapp, 17459. P 208

In allen Kontexten kann spätmhd. schon das zur Partikel erstarrte sęlber als Intensifikator verwendet werden, z. B. Sín helfe was ím ‫܅‬elber tot, Wand mā ím leides vil erbot, Daz er mv‫܅‬te liden, Pass, 3,125; Ir habt ‫܅‬elber wol gehort dív ‫܅‬cheltwort, ObEv, 23b,26; Wie groz w’den danne di vin‫܅‬t’ni‫܅܅‬e selbir.?, MBeh, 61v,16; die prediger [...] tauftē ‫܅‬ie do vnd wurden ‫܅‬elber totē, GnaÜ, 28,17. Zu sęlp als Intensifikator des reflexiven Bezugs s. § P 93.

P 209

Intensivierendes und skalierendes sęlp vor seiner Bezugs-NP Vergleichsweise selten geht sęlp als Intensifikator seiner (in der Regel nominalen) Bezugs-NP voraus: In Kontaktstellung vor nominaler NP z. B. er ‫܅‬prach, daz ‫܅‬elbe un‫܅‬er here. in dar z‫ ݑ‬erwelte, Kchr, 17281; Spec, 79r,18 LEnt, 45a,8; RBib, 558; ‫܅‬elbe min trehtin ‚mein Herr selbst‘, Kchr, 8325, 16678, in Distanzstellung: Ande quamon sumeliche ī fines orbis terre, also in seluo gebot unse hiero ‚und einige kamen bis zum Ende des Erdkreises, wie ihnen unser Herr selbst aufgetragen hatte‘, RBib, 479; Daz [l.  Waz] i‫܅‬t bezzer zi minnenne. den ‫܅‬elbe diu minna ‚was ist besser zu lieben als die Liebe selbst‘, TrHL, 1v,13; an ‫܅‬elben den menni‫܅‬kin, 3v,18; want iz wa‫܅ ܅‬elp diu g‫ݑ‬te. v‫ܒ‬ genade ‚denn es war die Güte und Gnade selbst‘, 6r,12; daz i‫܅ ܅‬elbe alexander, AlxS, 3156; daz was ‫܅‬elb d’ B’nære vnd maních rekche mære, Diet, 9443; vgl. ferner z. B. RhMl, 441, 3650. Häufiger ist diese Stellung in lateinnahen Texten, vgl. z. B. unde ‫܅‬o er diu guot imfahet uone ‫܅‬inen urteilen., ‫܅‬o ‫܅‬int ‫܅‬elben die urteili ‫܅‬in lon, WNot, 31rb,11; Selbem deme girdlichen ,demselben Begehrten‘ (ipsi David), Wind, 137,1. In ZwBR steht ‫܅‬elbe auch abweichend von Kasus, Numerus, Genus der Bezugs-NP, z. B. vō ‫܅‬elbe den vbilne (de ipsis malis, BR, 4,58), ZwBR, 8r,11; in ‫܅‬elbe d’ hor‫܅‬ami (in ipsa oboedientia, BR, 7,35), 14r,3. sęlp vor dem Bezugspronomen, in Kontaktstellung: ‫܅‬elbe ‫܅‬ie de‫ ܅‬iahē, Aegi, 359; do greif ih zo dē briebe. ‫܅‬elbe ih dar inne las, AlxS, 6534. – In Distanzstellung, z. B. ‫܅‬elbe læt er ‫܅‬in blůt., daz im al‫܅‬o we tůt, Hchz, 82; ‫܅‬elbe furte ih mjnen uane, AlxS, 5705; Selb wil ich daz vierde ‫܅‬ín!, Diet, 3158. Aus dem intensivierenden vorangestellten selb konnte sich schon im Ahd. skalierendes selb entwickeln, dessen Funktion der der nhd. Fokuspartikel selbst entspricht (vgl. Lühr 2010, 104ff). Im Korpus ist dies nur vergleichsweise sehr selten belegt, z. B. dîn euangelium [...] gekúndet uvírdit (per) tota(m) latitudine(m) mundi. ióh ‫܅‬élb dén pagani‫‚ ܅‬und sogar den Heiden‘, Will, 47v,23; vgl. auch 37 v,30, 47r,33; Lazarus [...] Themo

6. Pronomina im weiteren Sinne

495

self thine brosmen nemohten werthen, the thar uielen zo ther êrthen ‚Lazarus, dem selbst deine Brosamen nicht zuteil werden konnten‘, RBib, 700; Wrowe, dine ‫܅‬chonheit i‫ ܅‬wnderlich., der ‫܅‬elue de brudegume wndert ‫܅‬ich ‚über die selbst der Bräutigam in Verwunderung gerät‘, RhMl, 4254; da von auch ‫܅‬elb der riht’ barc/ dív augen durch den iam’ ‫܅‬tarc ‚selbst der Richter bedeckte die Augen wegen des großen Leides‘, Hartw, M 739. sīn sęlbes, ir sęlber Ein besonderer Fall ist das verstärkende sęlp nach Personalpronomen im Genitiv (vgl. § P 207). Meist sind beide als possessiver Ausdruck dem regierenden Nomen vorangestellt: mit sīn sęlbes handen ‚mit seinen eigenen Händen‘. Das verstärkende sęlp ist dem Personalpron. zunächst kongruent flektiert beigeordnet, und dies bleibt vor allem oobd. noch bis in spätmhd. Zeit weithin die Regel, z. B. an mín ‫܅‬elbe‫ ܅‬libe, Kchr, *3106; mit vn‫܅‬er ‫܅‬elber gebet, Spec, 24v,3; von dín ‫܅‬elbes mvnt, ObEv, 56a,35; durch uwer ‫܅‬elber ere, *RolP, 423; vō ‫܅‬ein ‫܅‬elbs. wegen, Rupr, 100,30; von ir ‫܅‬elber leibe, MMag, 746.

P 210

Anm. 1:  Abweichend vom Got. (vgl. Streitberg 1920, § 280.2) ist dies offenbar die ursprüngliche gemeinwgerm. Konstruktion, vgl. z. B. ae. Gen.Sg.Mask. his selfes hám, Beo­ wulf, 1147; Gen.Sg.Fem. hire selfre sunu, 1115; Gen.Pl. hyra sylfra feorh, 2040; as. z. B. thurh is selƀes craft, Heliand, 377; iro selƀoro sundea, 1139; unkero selƀero dâd, 5593. Bereits im 8./ ​9. Jh. ist diese Konstruktion in Teilen des Afrk. in folgender Weise umgeformt worden: Sofern neben dem Gen. des Personalpronomens ein Possessivpronomen desselben Stammes stand, wurde unabhängig vom Genus und Numerus des Bezugswortes sęlbes (selten auch sęlben) verallgemeinert und mit dem gleichfalls auf -es endenden Possessivpronomen verbunden, so schon bei Otfrid nahezu durchgängig mīnes/ ​thīnes/ ​sīnes sęlbes statt mīn/ ​thīn/ ​sīn sęlbes, ebenso iuwes sęlbes statt iuw‫ܣ‬r sęlbero, aber weiterhin iro sęlbero (vgl. Grimm, Dt.Gr.IV, 356f, 358; Ahd.Gr.I, § 282 Anm. 2; Franck, Afrk.Gr., § 169; Kelle 1881, 523f; Mausser, Mhd.Gr.III, 749f). Anm. 2:  An der possessiven Konstruktion vom Typ sīnes selves haben auch alle übrigen kontinentalwgerm. Sprachen Anteil: mnl. (Stoett 1923, § 86; MNW s. v. selve I); mnd. (Sarauw 1924, 121); afries. (van Helten 1890, § 245 Anm.).

Der Typus sīnes (mīnes, dīnes, ires) sęlbes ist im Mhd. vornehmlich md. (Grimm, Dt.Gr.IV, 358; Michels 1921, § 225 Anm.) und insbesondere ein mfrk., Kennzeichen, vgl. auch § P 23, P 55. Im Korpus ist sīnes sęlbes in den rip. Texten PLilie+VLilie, UKöln1, BuMi und Taul und hess.-thür./ ​omd. in AlxS, GRud, AthP, PrMK, Hleb und BeEv belegt; ferner z. B. ‫܅‬ine‫܅ ܅‬elbi‫܅‬, *Glaub, 122, 676, 854, 1008; mjne‫܅ ܅‬elbi‫܅‬, 993, 2183; dine‫܅ ܅‬elbi‫܅‬, 1842; *HLitS, 734, 1349; ‫܅‬ines ‫܅‬elbes, *FriedbChrist, 10,1. Dagegen bleibt sīn sęlbes rhfrk.-hess. in SalH, Himlf, PrRei, OxBR und hess.-thür./ ​omd. in Aegi und MüRB bewahrt. Mfrk. auch unses selves (z. B. UKöln1 4,4, 5,4, 6,4, 7,4, 14,5, 15,5, UKöln2 3,15, 4,6, *UrkCorp Nr. 69AB 104,46; Nr. 70 107,36; Nr. 86 129,10, u. ö.).

P 211

496



V. Pronomina

Anm. 1:  unses ist hier wie auch bei mnl. unses/ ​iuwes selves (s. MNW s. v. selve) eindeutig eine Form des Poss.-Pron. und kein um -es erweiterter Gen. des Personalpron. (der *unse­res lauten müsste); ebenso schon Otfrids iuues selbes (Ahd.Gr.I, § 282 Anm. 2; Grimm, Dt.Gr.IV, 356).

Im Obd. ist sīnes sęlbes im Korpus nur vereinzelt belegt: dini‫܅ ܅‬elbe‫܅‬, RPaul, 16; Baum (‫܅‬ines ‫܅‬elbes, 19r,8, 174v,17). Vgl. ferner z. B. nah ‫܅‬ines ‫܅‬elbes willen, *ArnoltSieb, 314; mit ‫܅‬ine‫܅ ܅‬elbe‫ ܅‬hanten, *RolP, 7490. Auch in obd. Urkunden des 13. Jh.s findet sich diese Konstruktion erst vereinzelt, s. WMU 2, 910: min‫܅ ܅‬elbi‫ ܅‬jngi‫܅‬igilne *UrkCorp Nr. 871 (Staufen/ ​Baden 1287), dvrch [...] meines ‫܅‬elbes Sele willen Nr. 1669 (Rein 1293). mīn/ ​dīn/ ​sīn sęlbes

mīnes/ ​dīnes/ ​sīnes sęlbes

obd. ²11/ ​¹12

8

89%

1

11%

Iw, Nib, Parz, Tris

5

100%

0

0%

bair.

18

100%

0

0%

alem.-bair.

17

89%

2

11%

alem.

27

100%

0

0%

mfrk.

0

0%

22

100%

rhfrk.-hess.

12

80%

3

20%

hess.-thür.

1

9%

10

91%

omd. 213/ ​114

2

40%

3

60%

ofrk.

6

100%

0

0%

Abb. P 99: Sprachlandschaftliche Verteilung der Typen mīn (dīn, sīn) sęlbes und mīnes (dīnes, sīnes) sęlbes P 212

Außerdem verbindet sich im Mhd. auch iro >> ir(e) Poss.-Pron. mit sęlbes. Ein früher Korpusbeleg ist: martire‫܅‬. dîe der mit íro ‫܅‬elbe‫ ܅‬blûote hímilrîche árnôton ‚Märtyrer, die sich mit ihrem eigenen Blut das Himmelreich verdienten‘, Will, 16v,6. Von 213 ab wird dieses erstarrte sęlbes nach femininem oder pluralischem ir dann md. zur Regel. Im Obd. überwiegt weiterhin sęlber, doch beginnt in einzelnen Texten auch hier sęlbes dafür einzutreten, im Korpus mehrfach in Baum, z. B. Die and’n erchantnu‫܅܅‬e, die gei‫܅‬tlichen, di můz div be‫܅‬cheidenheit in ír ‫܅‬elbes můt begriffen ‚die anderen, nämlich die geistigen Erkenntnisse muss der Verstand in seinem eigenen Inneren begreifen‘, Baum, 18r,6; ferner in UAugsb2, 11,22, und ofrk. in WüPo, 245rb,30, und Lupo, 2,566. In Baum ausnahmsweise auch selben (mit schwacher Flexion oder flexivischer Angleichung an das folgende regierende Substantiv): daz ‫܅‬i mit ir ‫܅‬elben helf oder aller creature immer ge‫܅‬pi‫܅‬et mvgen w’den, 172r,2.

497

6. Pronomina im weiteren Sinne

ir sęlber

ir sęlbes

ires sęlbes

n

50

50

0

100

0

0

2

bair.

87

12

0

8

alem.-bair.

27

73

0

11

obd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris

2

alem.

83

17

0

6

mfrk.

9

9

82

11 8

rhfrk.-hess.

0

87

12

hess.-thür./ ​omd.

0

100

0

3

ofrk.

0

50

50

2

Abb. P 100: Sprachräumliche Verteilung der Typen ir sęlber, ir sęlbes, ires sęlbes (Prozentzahlen kursiv)

In gleicher Weise beginnt md. und ofrk. auch ir sęlber zu ires sęlbes umgeformt zu werden, im Korpus zumeist in rip. Quellen, außerdem in der rhfrk. OxBR und der ofrk. WüPo, z. B. ere‫܅ ܅‬elue‫ ܅‬lîf, RBib, 613; ŕre‫܅ ܅‬elues ere, RhMl, 2245; den niet ingenuget ires ‫܅‬elue‫ ܅‬vn‫܅‬elicheit. ‫܅‬i in machen och ander lude un‫܅‬elich ‚denen genügt ihr eigenes Unheil nicht, wenn sie nicht auch andere Leute unglücklich machen‘, PLilie, 10,5; ‫ݡ‬rs ‫܅‬elues burg’en, UKöln1, 2,11; Dat ‫܅‬i [...] uergezzent ires ‫܅‬eluē, BuMi, 89r,10; an ieres selvis live, *PrKöln, 33,34; irs ‫܅‬elbis wūdē, OxBR, 10v,15; mít írs ‫܅‬elbes ge‫܅‬índe, WüPo, 245rb,30.

P 213

Lit.: Ahd.Gr.I, § 282 Anm. 2; Behaghel (1923, 333ff); Franck, Afrk.Gr., § 169; Grimm, Dt. Gr.IV, 356ff; Grimm, DWB s. v. selb II.4; Kelle (1881, 523f); Lühr (2010, 104–114); Mausser, Mhd.Gr.III, 749f, 839; Michels (1921, § 225); Siemund (2000); Zifonun (2003, 89ff).

6.2.5. sol(i)ch ‚solch‘ 6.2.5.1. Lautliches

Mhd. solich und sulich basieren auf ahd. obd. solܷh bzw. afrk. sulih, die ihrerseits schon auf verschiedene germ. Vorformen zurückgehen dürften; vgl. dazu etwa Lehmann (1986, S 171 swa); Kluge/ ​Seebold, EWB, s. v. solch; Pfeifer (1993, s. v. solch); Mausser, Mhd.Gr.III, 816f; H. U. Schmid (1998, 451f). Anm. 1:  Das zu as.-afries. sulik stimmende afrk. sulih steht im Weißenburger Katechismus, Tatian (solih- nur α 13,7, β 78,2, 79,12, sonst 9-mal sulih-) und bei Otfrid; außerdem einzelne Glossenbelege, s. Schützeichel (2004, Bd. 9, 320).

In der Nachfolge der ahd. sprachgeographischen Verteilung gilt mhd. in obd. Quellen solich, in großen Teilen des Md. – vornehmlich im Mfrk. und Omd. – und teils auch im Ofrk. (s. Abb. P 101) herrscht dagegen sulich, z. B. mfrk. ‫܅‬ulicheme, RhMl, 1984; ‫܅‬ulcheme, VLilie, 60,14; ‫܅‬ulche, KuG, 11357; Taul, 22r,7; – hess.-thür. ‫܅‬ulhen, Aegi,

P 214

498



V. Pronomina

1095; ‫܅‬ulich, PrMK, 7r,1; ‫܅‬ulher, AlxS, 1502;  – omd. ‫܅‬ulchim, AthP, 8,63; ‫܅‬ulch, BeEv, 65r,17; ‫܅‬vlchen, LuKr, 570; ‫܅‬ulch’, HTri, 3205; ‫܅‬ulchem, Pass, 1,46;  – ofrk. ‫܅‬úlihe, Will, 5v,25; ‫܅‬úlehemo, 9r,1; ‫܅‬úlehe, 27 v,4.5; Súlich, 34v,3; ‫܅‬uliches, Lupo, 2,71. Die Graphie ‹ů› ist vornehmlich mfrk. (im Korpus 22 von 24  Belege), z. B. ‫܅‬ůlich, RhMl, 5000; UKöln1, 11,20.31; ‫܅‬ůlge, Taul, 14v,2; ‫܅‬ůliche, BuMi, 86v,13; ‫܅‬ůlicher, UKöln2, 3,12; ‫܅‬ůlgher, Göll, A 37; selten auch sonst, z. B. ‫܅‬ůlhes, Kchr, 582; ‫܅‬ůlichē, Lupo, 3,44. ‹ůe› scheint nur Gottfried Hagen in der Urkunde *UrkCorp Nr. 53 (Köln 1269) zu verwenden: ‫܅‬ůelg-, UKöln1, 1,6.12.17.18.33. Anm. 2: Da sulih durch Otfrid und Weißenburger Katechismus für das ahd. Rhfrk. bezeugt ist, könnte solich in SalH, Himlf, OxBR, Elis, Erlös und PrRei auf jüngerer Übernahme der obd. Form beruhen.  – Auch im *UrkCorp finden sich die Formen mit su-, sv- vorwiegend in md. Urkunden (s. WMU 2, 1610). P 215

Die mhd. Varianten von sol(i)ch, sul(i)ch erklären sich zunächst durch folgende lautlichen Veränderungen des Erstgliedes so-, su-: –– Kürzung von sō- > so- dürfte bereits im Ahd. eingetreten sein; vereinzeltes ‹ô› (‫܅‬ôlhe, PrMi, 33r,16) muss nicht notwendig langes /ō/ bezeichnen. e –– Teils ist solich zu sölich umgelautet worden, was obd. durch die Schreibungen ‹o›, e selten auch ‹oe›, ‹œ› bezeichnet sein kann. Die Umlautbezeichnung ‹o› erscheint e e gelegentlich in alem.-bair. Quellen, z. B. ‫܅‬olhe, Parz, 20,16, 21,27, 31,26 u. ö.; ‫܅‬olher, e e e e Lieht, 112,6, 938,8; ‫܅‬olhe‫܅‬, DvATr, 39v,15; ‫܅‬olich, 70v,4; ‫܅‬olhiv, 70v,4; ‫܅‬olhen, Türh, 374, e e e e 34984; ‫܅‬olher, 16795; ‫܅‬olich, 17041; ‫܅‬olch, Hartw, M 203, M 1689, T82, T1543; ‫܅‬olch’, e e e e M 293; ‫܅‬olhem, *Aneg, 92va,2; ‫܅‬olhen, 93ra,18; Solch, *KlostEvang, 153v,13; ‫܅‬olchen, 297v,9. e

e

Anm. 1:  Auch im *UrkCorp stammen die weitaus meisten Belege für ‫܅‬olh-, ‫܅‬olch- aus bair. und ostschwäb. Urkunden: Bair. Nr. 594, 935, 935, 959, 1016A, 1603B, 1724, 2216, 2345, 2358, 2429, 2507, 2802, 2817, 2817, 2817, 2919, 3248, 3458, 3479, 3526, N 741. – Ostschwäb. Nr. 1360, 1782, 1634, 2055, 2284, 2338A, 2338B, 2557, 2898, 3056, N 208. Außerhalb dieses bair.-ostschwäb. Bereichs gibt es nur wenige Vorkommen: hochalem. Nr. 5C (Kloster Rüti A 1238) 20,29; Nr. 327 (Thunstetten UP 1277) 314,5; Nr. 2285 (Konstanz 1295) 414,5. – Ofrk. Nr. 1452 (Marschall von Pappenheim A 1291) 646,17; Nr.1602 (Bamberg A 1292) 739,24.  – Weit seltener sind die Umlautgraphien ‹œ›, ‹oe›: ‫܅‬œlichin diene‫܅‬t vnde ‫܅‬œlich reht *UrkCorp Nr. 2746 (Kaiserslautern A 1297) 114,29; ‫܅‬œlhe‫ ܅‬Nr. 694 (Kloster Sirnau UP um 1285) 102,8; ‫܅‬oelichem Nr. 2374 (Kloster St. Paul i. Lavanttal 1296) 474,32; soelchiu Nr. 2976 (Isny 1298) 249,37.

–– In 212 oder um 1200 wurde wohl im Ostalem. solich, sölich nach dem Muster von wėlich zu sėlich umgebildet. Anm. 2:  Es ist demgegenüber wenig wahrscheinlich, dass ein Kontinuitätszusammenhang zwischen dem vereinzelten seljhcha, Ahd. Benediktinerregel, 106,6 (neben häufigem solih-, solich- etc.) und den mhd. selich-Formen besteht.

Diese Neuerung scheint zuerst in ZwBR (1. Viertel 13. Jh., ostalem.) belegt zu sein, wo sie bereits die alleinige Form bildet, z. B. ‫܅‬elche, 10r,1; ‫܅‬elchi, 10r,13; ‫܅‬elchi’, 11r,6 u. ö.;

499

6. Pronomina im weiteren Sinne

ebenso in Iw (B = Gießen, UB Hs. 97, bair.-ostalem. 2. Drittel, 13. Jh.), z. B. ‫܅‬elche‫܅‬, Iw, 173, 548; ‫܅‬elche, 539; ‫܅‬elher, 863 u. ö. Im Korpus sonst nur noch: ‫܅‬elch, Mart, 4,77. Gelegentlich finden sich selh-/ ​selch-Formen in einer Reihe weiterer literarischer Hss. des 13./ ​14. Jh.s, so in St. Gallen 857: Parz (D) 447,5, 447,15, 454,4, 469,25, 476,11, 478,10, 487,9, 508,7, 509,11; *Wh (G) 55,13, 69,14, 101,8, 107,20, 110,3; in *Krone W (= Wien, ÖNB 2779, bair. 114) 1014, 1351, 1534, 2452 u. ö.; *UvZLanz W (= Wien, ÖNB 2698, alem. 114) 2647, 4386, 5456, 9353. Nicht selten sodann in den Heidelberger Liederhss. A und C, z. B. bei Dichtern aus *Minnesangs Frühling: alselhen, Hausen, IV.3,5 (C); selhem, Veldeke, XXXII.5 (A); selhen, Johansdorf, XII.3,4 (C); Morungen, XII.2,4 (A); Reinmar, selcher, XVIII.1,4 (A); selhen, XXXVIII.4,7 (A); selche, LV.4,3 (C); Hartmann, II.3,7 (A). – Bei Walther: selch, 24 7 (A), 95 II 5 (CE); selcher, 52 V 5 (AC); bei Ulrich v. Winterstetten (C): Leich I 10,33, II 65, IV 42, 75, 85; bei Ulrich von Singenberg: selchen (A, solhen C), 5.I.6, 5.III.1; selche (A, solhe C), 5.II.6, 24.IV.5; selcher, (A, selker C). – Auffällig selten demgegenüber im *UrkCorp, das für selh-, selch- Belege nur in vier schwäb. und einer bair. Urkunde bietet (s. auch WMU 2, 1610): selchun *UrkCorp Nr. 2911 (Kloster Zwiefalten 1298) 211,4; mit ‫܅‬elchem gedinge Nr. 1993 (Kloster Adelberg 1294) 246,5; mit ‫܅‬elchem gedingede Nr. N 401 (Überlingen 1289) 297,1; Mit/ Selkem gedinge Nr. 1001 (Kloster Blaubeuren 1288) 330,38; mit ‫܅‬elhem gelubd Nr. 1889 (Ebf von Salzburg UP, Leibnitz AO 1294) 173,29. Anm. 3:  Für Hartmann v. Aue ist aus selh Iw B und wenigen weiteren Indizien in der Hartmann-Überlieferung (Umdeutung von selich zu sælic, s. Wolff 1968, 41, zu Iw 866) sel(i)ch als alleinige Form erschlossen und auch in den Editionen von *Er, *AHeinr und *Greg gegen die Überlieferung eingesetzt worden. Anm. 4:  Im Frnhd. erscheinen e-Formen wie sellich, selher noch selten, vor allem in schwäb., aber auch omd. und ofrk. Quellen des 14./ ​15. Jh.s, s. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd. VII, 423 Anm. 7. Teils könnte hier allerdings Entrundung von sölich > selich vorliegen.

obd. ²11/ ​¹12

sol(i)ch

sul(i)ch

se(li)ch

n

64

36

0

14

100

0

0

31

Iw, Nib, Parz, Tris

71

0

29

31

alem.-bair.

13

0

87

31

alem.

98

0

2

44

mfrk.

8

92

0

12 41

bair.

rhfrk.-hess.

93

7

0

hess.-thür.

0

100

0

23

omd. (²13/ ​¹14)

0

100

0

30

33

67

0

6

ofrk.

Abb. P 101: Sprachgeographische Verteilung von sol(i)ch, sul(i)ch, se(li)ch (Prozentzahlen kursiv)

500 P 216



V. Pronomina

Reduziert wurde auch das Zweitglied -līch, und zwar durch –– Kürzung von ī > i, das weiter zu e abgeschwächt werden konnte, s. § P 269. –– Synkope in solich > solch; wie bei wėlich tritt sie in den flektierten Formen (ca. 75%) erheblich häufiger ein als in den flexivlosen Formen (ca. 36%). Anders als bei wėlich erreicht der Anteil synkopierter flektierter Formen bei solich aber schon in 113 sein Maximum und fällt dann wieder ab: 20% (²11/ ​¹12)  – 53% (212)  – 94% (113)  – 79% (213)  – 63% (114). –– Schwächung des Frikativs ch > h (vgl. Ahd.Gr.I, § 93 Anm. 1, § 145 Anm. 7), die sich in der Graphie ‹h› statt ‹ch› äußert; dazu und zur mfrk. Schreibung ‹g› für ‹ch› s. § P 270. Für den finalen Frikativ wird alem. selten ‹k›, ‹c› geschrieben, z. B. ‫܅‬elc, ZwBR, 29v,7, 47r,14; Selkem *UrkCorp Nr. 1001 (Kloster Blaubeuren 1288) 330,38; ‫܅‬olikem Nr. 1250 (Waldshut 1290) 495,38; solkem, Liederhs. C (*MF Veldeke XXX 2,8). Sehr selten fehlt er ganz (s. § P 271): ‫܅‬ulir frowede Gen.Sg., PrMK, 4r,42; ‫܅‬ule ceichin Nom.Pl., 7r,38; mit ‫܅‬óler unrêinikheite, *StGallGlB II, 143,8. 6.2.5.2. Zur Verwendung von sol(i)ch

P 217

sol(i)ch wird in aller Regel attributiv verwendet, im Korpus zu ca. 86%, substantivisch nur zu ca. 8% und prädikativ zu ca. 6%. Hinsichtlich seiner Referenz lassen sich bei mhd. sol(i)ch wie schon bei ahd. solīh sortaler Bezug (‚so beschaffen, derartig‘) und Individuenbezug (‚folgender, der‘) unterscheiden (Demske 2005; vgl. auch Michels 1921, § 236; Mausser, Mhd.Gr.III, 817). Vorausgehender Indefinitartikel ėin könnte zur Vereindeutigung der sortalen Bedeutung von sol(i)ch dienen. Auf flexivloses ėin folgt im Nom.Sg.Mask. pronominal flektiertes sol(i)cher: aín ‫܅‬olher ‫܅‬merze, MMag, 476; eín ‫܅‬olich’ ker des willē, NikP, 51va,16. Substantivisch mehrfach in *BrAdm: eín ‫܅‬olh’, d’ ‫܅‬ih aintwed’ wid’leit v‫܅ ܒ‬leffet. od’ leiht eín ‫܅‬olh’, d’ ‫܅‬ih aintwed’ wid’leit v‫܅ ܒ‬leffet. od’ ouzzen ‫܅‬itzet, 30v,5; eín ‫܅‬olh’, 33r,18, 37 v,8; attributiv auch flexivlos: eín ‫܅‬olh alth’re, *BrAdm, 38r,9. Im Nom./ ​ Akk.Sg.Neutr. steht nach ėin gleichfalls flexivloses sol(i)ch oder stark flektieres sol(i)­ cheȥ: ein ‫܅‬olih kint, Mar, 394; ein ‫܅‬ulh ge‫܅‬trume, AlxS, 2060; Ein ‫܅‬ulch dinc, AthP, 6,29; ein solich gevidere, *StrDan, 554; ein solhez maere, *StrDan, 437; ein solichez spil, *UvEtzAlex, 17197, auch 3347, 27183. Ebenso folgt im Nom.Sg.Fem. sowohl die flexivlose als auch die flektierte Form: ein sůlich menige, *Anno, 6,5; ein solhiu hôchgezît, Parz, *100,23; ein ‫܅‬ulche demut, Pass, 15,10; ein ‫܅‬ulche wunde, *Herb B, 13063. Nach flektiertem ėin steht teils schwach, teils stark flektiertes sol(i)ch: schwach z. B. Gen.Sg.Mask. Eini‫܅ ܅‬olichin herrin, PrZü, 107rb,28; Dat.Sg.Mask. mit einem solhen valle, *StrDan, 210; Gen.Sg.Fem. einer solhen nôt, *Er, 3165; Dat.Sg.Fem. mit einer solhen stimme, *StrKarl, 775; stark z. B. einem solhem man, *StrDan, 8450; mit einer

6. Pronomina im weiteren Sinne

501

solher juste, 5389; Akk.Sg.Fem. ein sölhe vart, Lieht, *1511,8; Akk.Sg.Mask. (stark/ ​ e schwach) êinen ‫܅‬elhen ‫܅‬tich, Iw, 5029; diu ge‫܅‬ante un‫ ܅‬nie. ainē ‫܅‬olchē tôtē (nunquam r talem mortuum misit), PrSch, 242 ,5; mit folgendem Poss.-Pron.: einen ‫܅‬olichen ir ‫܅‬vn, PrZü, 112rb,15. Nur vereinzelt erscheint sol(i)ch auch schon mit Nachstellung von ėin (Behaghel 1923, 346f): [ich en maich neit langer by uch syn,] Mir is komen sůlchen [= sůlch ein] boide, Vch beide beueil ich zo goide, *HagenChr, 3979. Selten tritt bei Individuenbezug auch der Definitartikel vor sol(i)ch: solich: daz e solhe gvte, dc sulch gůt *UrkCorp, s. WMU 2, 1610 s. v. solich 1.2; vgl. auch Behaghel (1923, 348). Die Verbindung dise (+ sō/ ​alsō/ ​alsus) mit substantivischem solich beschränkt sich auf die Wiedergabe von lat. hic talis in den eng am Lat. orientierten Übersetzungstexten ZwBR und OxBR: di‫܅ ܅‬elche (hi tales c. 5,7), ZwBR, 10r,1; dirre ‫܅‬elchi (hic talis, c. 57,3), 48v,11; di‫܅ ܅‬o ‫܅‬elc, ‫܅‬o ‫܅‬i ‫܅‬undunt (hi tales dum delinquunt, c. 30,3), 29v,7; dirre ‫܅‬o‫܅‬elchi, ib, dc hin ‫܅‬i, wund en e’ wirt, e’ w’d e ref‫܅‬ut (hic talis si quod absit repertus fuerit, corripiatur, c. 48,19), 42v,12;  – Di‫܅‬e al‫܅‬us ‫܅‬olich (hi tales, c. 5,7), OxBR, 4r,1; die ‫܅‬ie [l. disse] al‫܅‬us ‫܅‬olich (hic talis, c. 57,3), 12v,25. Verstärktes nicht attributives (al)sō solich findet sich als Wiedergabe von lat. qualis/ ​talis/ ​hic talis wiederum in ZwBR: e’ i‫܅‬t liht ‫܅‬o ‫܅‬elche, d’ [...] (erit forte talis qui [...], c. 43,8), 38v,13; al‫܅ ܅‬elc (quales, c. 55,7), 47r,14; ib ir al‫܅ ܅‬elche e’ ‫܅‬ihit dc leben we‫܅‬in (si eorum talem perspexerit esse vitam, c. 61,12), 53v,8; al‫܅ ܅‬elch (hi tales, c. 5,7), 9v,2. Doch gibt es auch urkundliche Belege (s. WMU 2, 1610), z. B. Vort van Diederiche van Heím‫܅‬b’ge ‫܅‬agín wír al‫܅‬us, dat ‫ݑ‬n‫܅‬e here van kolne ‫܅‬al ín halden/ al‫܅‬o ‫܅‬ůlch, dat he halde/ índe důe, al‫܅‬e díe ‫܅‬ůne ‫܅‬pricht, UKöln1, 13,27. Nur selten tritt solich zu wie hinzu: Wi ‫܅‬elche ‫܅‬ul we‫܅‬en di mazze de ‫ ܅‬banni‫( ܅‬Qualis debet esse modus excommunicationis, c. 24), ZwBR, 26v,11; Heí ‫܅‬prach: ‫܅‬age, goide Merlin, Wei ‫܅‬ulg ‫܅‬al min ende ‫܅‬in? ‚welcherart wird mein Ende sein?‘, *Merlin, 62; wíe ‫܅‬ůlch ‫܅‬ůlde ‫܅‬in ír doít, 189. sol(i)ch als Indefinitpronomen Wie im Mnl. (s. MNW s. v. sulc II) kann sol(i)ch auch mfrk. als Indefinitpronomen in der Bedeutung ‚ein gewisser, irgendein, dieser und jener‘ (lat. quidam) auftreten; allerdings ist eine sichere Abgrenzung vom phorischen sol(i)ch nicht immer möglich; vgl. z. B. ‫܅‬o koment ‫܅‬ůlge v‫ ܒ‬doynt al dage dit of dat ‚dann kommen einige und tun alle Tage dies oder das‘, Taul, 15r,9; ähnlich 19r,10; Och, kind’/, dan moichtē ‫܅‬ůlche willen, dat ‫܅‬y ney gei‫܅‬tlichē ‫܅‬chyn gewůnnē inheddē 19v,6; Bi wilen heis ín ‫܅‬ulg ‫܅‬agen, Wat eme ‫܅‬ulde ge‫܅‬cheín, *Merlin, 16; Als ín ír eíních da vernam, Harde ‫܅‬cheire dat heí ín íntquam. Ey doch heí weder ‫܅‬ulgen reíde [‚dennoch sprach er mit diesem und jenem‘], Mit waírheíde heí ín kunt deíde, Dat ín neíman ín moíchte vaín, 51.

P 218

502



V. Pronomina

6.2.5.3. Flexion P 219

Attributiv Attributives sol(i)ch wird pronominal flektiert – mit Ausnahme folgender Kasus, in denen in unterschiedlichem Ausmaß auch flexivlose Formen eintreten können: Im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. steht die flexivlose Form, z. B. ‫܅‬olih erbe zebe‫܅‬izzenne, e WNot, 21vb,1; ‫܅‬olch gelvche chvmt vn‫܅ ܅‬elten, Parz, 31,26; nur selten auch flektiert: e e Menlich ‫܅‬ich forhtē mue‫܅‬te., Der noch hort ‫܅‬uliches gel‫܅‬en, Lupo, 2,71; Man bríchet e niht brot, nvr brotes pilde. ‫܅‬olhez taílen i‫܅‬t gar wílde, *NonGebBuch, 18v,9. Im Nom.Sg.Mask. folgt auf den Indefinitartikel ėin meist die pronominal flektierte Form (s. § P 217). Daneben kann sol(i)ch flexivlos bleiben: ein ‫܅‬olig me‫ܒ‬i‫܅‬ge, PrZü, 107 va,32. Sonst überwiegt umgekehrt die flexivlose Form, z. B. ‫܅‬olich ‫܅‬tanch, Phys, 131v,11; ‫܅‬olch ‫܅‬chal, Diet, 9370; ‫܅‬oilich M[ensche], Taul, 12r,18; ‫܅‬olich ‫܅‬mache, *MillPhys, 11,4; ‫܅‬ulich hurere., ‫܅‬ulich vraz., ‫܅‬ulich trenkere, *PrMH2; seltener ist pronomie e nale Flexion: ‫܅‬olch’ rǎt, d’ da ergíe., vf ‫܅‬í v‫ ܒ‬vf ír ku‫܅‬ch gíe, Hartw, M 293; ‫܅‬olh’ wille, v *BrAdm, 40 ,5; ‫܅‬olicher chovf *UrkCorp Nr. N 307 (Kloster Merenberg 1286) 235,19; ‫܅‬olher chavf vñ ‫܅‬olher gewerf *UrkCorp Nr. N 310 (Marburg a. d. Drau 1286) 237,22. In ZwBR auch einmal mit schwachem Flexiv -e: ‫܅‬elche wille, 53r,7. Auch im Nom.Sg.Fem. stehen flexivlose Formen und flektierte auf -e, -iu nebeneinander, im Korpus etwa im Verhältnis von 5 (flexivlos) zu 8 (flektiert). Flexivlos e z. B. ‫܅‬olch craf[t], Kchr, 16679; Selch frêvde, Iw, 51; ‫܅‬olich gedvlt, DvATr, 41r,3; ‫܅‬ollich gnade, Elis, 5342; Sůlich mancraft, *Anno, 41,11; nach ėin: ein sůlich menige, *Anno, 6,5; ein svlich [‫܅‬ulche B!] wūde, *Herb, 13063. Flektiert obd. -e ~ -iu: ‫܅‬olhe ‫ݣ‬nne, Mar, 2546; ‫܅‬uliche wirde, Lupo, 2,401; ‫܅‬olhev chraft, MMag, 941; md. -e: Soliche gewalt, Himlf, 663; ‫܅‬oliche gírekeit, PrRei, 21a,26; ‫܅‬ulche demut, Pass, 15,10; sulche tat, *Herb, 6782. Im Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. erscheinen neben dem regulären Flexiv -e, obd. Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. -iu, selten auch flexivlose Formen, die in jüngeren Quellen durch die obd. Schwa-Apokope und in Verstexten durch Schwa-Elision vor vokalisch anlautendem Folgewort bedingt sein können, vgl. Akk.Sg.Fem. ‫܅‬olich bermde, PrPa, e 150,9; ‫܅‬olih kraft, RWchr, 20976; Solch clag, Hartw, M 203; ‫܅‬olich êwe, *Exod, 75; ‫܅‬ůlh ere, Kchr, *6795; Akk.Pl.Neutr. Div ‫܅‬elch gebot enpfiengē, Die von dem kei‫܅‬ir giengen, i Die ‫܅‬chriben furbc in dv lant V‫ ܒ‬tatin dc gebot erkant, Mart, 4,77; Tha sach er unde gehorte sulich thinc, the er niemanne dorste sagent sint, *RBibC, 12; ‫܅‬olh w’che, *BrAdm, 34v,16. Nach ėin ist in obliquen Kasus auch schon schwache Flexion belegt: Eini‫܅ ܅‬olichin herrin ‫܅‬oldat [‚Sold‘] mugin ‫܅‬ine ellinde rechin gerne īphahin, PrZü, 107rb,28.

P 220

Substantivisch In substantivischem Gebrauch wird sol(i)ch überwiegend stark-pronominal flektiert, z. B. Nom.Pl. ‫܅‬oliche nechoment fure dih., ‫܅‬o ‫܅‬aul i‫܅‬t. unde ‫܅‬ine nah uolgari,

6. Pronomina im weiteren Sinne

503

WNot, 12va,17; ‫܅‬ůlge, Taul, 15r,9, 19r,10; Akk.Pl. Soliche ich kan er‫܅‬chrecken, PrRei, 19a,39; Nom.Sg.Mask. eín ‫܅‬olh’, *BrAdm, 30v,5, 33r,18, 37 v,8. In der ZwBR ist der Nom.Sg. Mask. auch schwach belegt: ab’ ib nit e’ i‫܅‬t ‫܅‬elche, d’ garnei. w’d en giworfī (Quod si non fuerit talis qui mereatur proici c. 61,8), 53r,13; nach dise: dirre ‫܅‬o‫܅‬elchi, 42v,12; dirre ‫܅‬elchi, 48v,11. Seltener sind flexivlose Formen, die sich im Korpus auf ZwBR und OxBR beschränken: z. B. Akk.Sg.Neutr. al‫܅‬us ‫܅‬olich, OxBR, 15r,8; Nom.Pl. di‫܅ ܅‬o ‫܅‬elc, ‫܅‬o ‫܅‬i ‫܅‬undunt (hi tales dum delinquunt, c. 30,3), ZwBR, 29v,7; Di‫܅‬e al‫܅‬us ‫܅‬olich, OxBR, 4r,1. Extern z. B. Nom.Sg.Neutr. Daz eilfti horn [...] hat ougin unti munt, Sůlich ni wart uns é kunt, *Anno, 17,6; Nom.Sg.Mask. ‫܅‬ulg, *Merlin, 16. Prädikativ Prädikatives sol(i)ch bleibt in der Regel flexivlos, z. B. subjektsprädikativ ‫܅‬olech i‫܅‬t din lôn unt din êre, HLit, 495; die ‫܅‬o lich ‫܅‬int., den chlaget [er] ‫܅‬ine ‫܅‬uare, TrHL, 48v,21; diz gebet i‫܅‬t ‫܅‬olich., daz iz ein igelich. men‫܅‬he. wole moge lernin, SalH, 139,12; objektsprädikativ: Vort ‫܅‬o ‫܅‬al vn‫܅‬e vůrgenande here ‫܅‬íne ‫܅‬tede [...] al‫܅‬o ‫܅‬ůlich haldin, dat ‫܅‬i dit ‫܅‬elue gelouen ze důne, UKöln1, 11,31; ähnlich 11,20, 13,27; Ge‫܅‬it ‫܅‬ie auch die ebdi‫܅܅‬en ‫܅‬olich we‫܅‬en, dz ‫܅‬ie des wert ‫܅‬ij, ‫܅‬ie muz ‫܅‬ie wol yn hoer ‫܅‬tat ‫܅‬etzen, OxBR, 13v,36. Bei flektierten Belegen lässt sich substantivischer und prädikativer Gebrauch nicht immer sicher trennen. Im Korpus bietet nur die ZwBR Beispiele mit schwacher Flexion im Nom.Sg. Mask./ ​Fem., Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.: Nom.Sg.Mask. v‫ ܒ‬d’ eltir im ‫܅‬elche w’de gi‫܅‬azt, d’ vellic ‫܅‬i zi wocchirnde di ‫܅‬ela (et senior eis talis deputetur qui aptus sit ad lucrandas animas, c. 68,7), 49v,4; Nom.Sg.Fem. Wi ‫܅‬elche ‫܅‬ul we‫܅‬en di mazze de ‫ ܅‬banni‫܅‬, 26v,11. – Vgl. außerdem z. B. ob ‫܅‬in vreuel ‫܅‬olhe i‫܅‬t., daz er ‫܅‬ih vnd’geben v‫ ܒ‬d’ regeln gehor‫܅‬aܑ niht envvil, *BrAdm, 41v,3; Akk.Pl. Dara nah rǒfo ih zidinen gnadun umbe alla un‫܅‬re rihtara, phaffon iouh leigun., daz tu ‫܅‬ie ‫܅‬oliha gimaccho‫܅‬t., daz ‫܅‬i ‫܅‬ih ‫܅‬elben megin grihten. unte alla in untertana iouh biuolahna, *Otloh, 163r,5.

P 221

Lit.: Behaghel (1923, 341–348); Demske (2005); Mausser, Mhd.Gr.III, 816f; Sparmann (1961, 90f); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 421–428; Weinhold, Mhd.Gr., § 327; WMU 2, 1610f.

6.2.6. suslich ‚solch‘

Wie ahd. wiolīh neben wėlīh trat (s. § P 268), so ist auch suslīh eine bereits ahd. Neubildung (s. H. U. Schmid 1998, 431f). Im Mhd. wird es wie solich nahezu ausschließlich attributiv verwendet und pronominal dekliniert. Vor allem im Nom. Sg.Mask. und im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr./ ​Fem. kommen daneben auch flexivlose Formen vor. Mhd. suslich beschränkt sich weitestgehend auf wmd. und alem.-oberrhein. Denkmäler: ‫܅‬u‫܅‬lich gi‫܅‬lâhte, Phys, 133v,4; ‫܅‬u‫܅‬lich gi dingi, *SuTheol, 110; mít zuzlíchen gíbere, *MarKlage, 134; Svs liche rede, Yol, *1230; umb susliche ding, *Tauler, 128,25; sit got

P 222

504



V. Pronomina

suslichen adel vnd suslich richeit in ünser sele hat geplantzet das das liecht siner gotheit inder luterkeit miner sele schinende ist, *PrWack, 62,20f (Johannes v. Sterngassen; Hs. Basel, UB B XI 10, 214). Im *UrkCorp (s. WMU 2, 1712): ‫܅‬v‫܅‬lich vnreht vñ mi‫܅܅‬etát Nr. N 2AB (Straßburg 1261) 2,40; mit ‫܅‬v‫܅‬lichen ‫܅‬achen 5,8; mit ‫܅‬vzlichem gedingde Nr. N 157 (Rheinfelden 1278) 124,24; ‫܅‬u‫܅‬lich getat Akk.Sg. Nr. N 238AB (Straßburg 1283) 181,6/ ​24; ‫܅‬u‫܅‬lich gerihte 188,4/ ​29; ‫܅‬u‫܅‬lich ‫܅‬azzunge Akk.Sg. Nr. 1054 (Freiburg 1288); mit ‫܅‬uzlicheme gedinge Nr.  N 483 (Mülhausen/ ​Els. 1291) 351,21; ‫܅‬o‫܅‬lichen be‫܅‬cheit Akk.Sg. Nr. N 531 (Gf v. Sponheim, Gf v. Leiningen A 1292) 378,3; ‫܅‬u‫܅‬lichs enzihen Nr. 2388 (Zürich 1296) 481,4, ‫܅‬u‫܅‬lich gelúbde 481,7; ‫܅‬u‫܅‬lich reht Nr. 2746 (Kaiserslautern 1297) 114,7. Lit.: Behaghel (1923, 341f); H. U. Schmid (1998, 431f); WMU 2, 1712.

6.3. Possessiva 6.3.1. Herkunft der Formen P 223

Als Poss.-Pron. der 1. und 2. Person dienen im Mhd. mīn, dīn, unser, iuwer. Ihnen liegen die Gen.-Formen des Personalpronomens der 1. und 2. Pers.Sg. und Pl. zugrunde. Ebenso beruht das Poss.-Pron. sīn auf dem Gen. des Reflexivpron. Auch als Poss.-Pron. konnte sīn im Germ. nur reflexiv verwendet werden, wobei es auf alle Genera im Sg. wie Pl. beziehbar war (s. § P 267). Im Mhd. wie schon im Ahd. ist sīn dagegen zum einen auf den Sg. des Mask./ ​ Neutr. beschränkt und kann zum anderen auch nicht-reflexiv verwendet werden. Allerdings gibt es im Mhd. (und Frnhd.) einzelne, nicht durchweg sichere Belege von sīn mit femininem oder pluralischem Bezug (Grimm, Dt.Gr.IV, 341), in denen Behaghel (1923, 355) keinen „Rest des Alten, sondern spätere Übertragung“ sieht. Vgl. z. B. Do quam vrauwe venus, Pallas v‫ ܒ‬juno. [...] Ir iegeliche mir sine gift bot, *Herb, 2202; Z‫܅ ݑ‬înen fvzzen ‫܅‬í ‫܅‬ich bôt. ‫܅‬i chlagt ím wainende ‫܅‬în [ir V] nôt, *AvaLJ G, 784; Parzivâl sich leite nidr. ouch sazten junchêrrelîn ûfen tepch die kerzen sîn, dô si in slâfen sâhen, Parz, *244,28; ein muoter ir fruht gebirt: diu fruht sînr muoter muoter wirt *659,24; die linden bî dem brunnen, die senften linden winde, die Markes ingesinde sîn wesen engegene macheten, *Tr, 561; Wer di‫܅‬e vrouwen nu ge‫܅‬ach. Vnde erkante ‫܅‬in [ir aD] vngemach., Di mv‫܅‬ten mit der reinen. Weizgot alle weinen. Des fur‫܅‬ten clegelichen dot, Elis, 4842; nu merket, wie diu wurze geslaht in kurzer vrist von gotes kraft sîn schüzzelinge geschozzen habe, *WälGa, 10577, alsam diu kirche tuon sol: si sol sîn kint dwingen wol, 12668 (s. auch Wilms 2004, 171 zu V. 38). Andere Fälle mögen sich auch durch den Wechsel von grammatischem und natürlichem Geschlecht erklären, s. Kraus (1894, 239f, mit weiteren Verweisen).

6. Pronomina im weiteren Sinne

505

Anm. 1:  sins (seins V) gastes ‚ihres Gastes‘, *Krone 8028, ändern Knapp/ ​Niessner zu seis gastes (sei’s = sî des), s. dort auch Anm. zur Stelle.

Im Sg.Fem. und im Plural aller Genera ist die durch die beschränkte Verwendung von sīn entstandene Lücke durch die Gen.-Form des Personalpron. ahd. ira, iro > mhd. ir(e) gefüllt worden, s. § P 256ff. 6.3.2. Stellung des Possessivs in der Nominalphrase 6.3.2.1. Überblick

Mit seinen Stellungsmöglichkeiten innerhalb der NP unterscheidet sich das mhd. Poss.-Pron. deutlich vom nhd.: Dem mhd. Possessiv können nicht nur andere Artikel­ wörter (§ P 232), sondern auch das Zahlwort ėin (§ P 225), der Definitartikel (§ P 226ff) und Adjektive (§ P 233) vorangehen. Das mhd. Possessiv stellt sich damit näher zum Adj. und könnte u. U. auch als possessives Adj. von den Pronomina getrennt werden. Andererseits unterscheidet sich das Possessiv vom Adj. jedoch deutlich sowohl in der frequentiellen Nutzen dieser Stellungsmöglichkeiten als auch darin, dass schwache Flexion beim Possessiv selbst nach Definitartikel nicht die Regel ist (s. § P 228ff). Die Entwicklung bis hin zum Nhd. ist so verlaufen, dass sich das Poss.-Pron. in seinem Stellungsverhalten dem Artikelwort angleicht. Doch behält es auch im Nhd. noch Gemeinsamkeiten mit dem Adj. Vgl. u. a. Behaghel (1923, 348ff, bes, 358f); Behaghel (1932, 208f); Frnhd.Gr., § S 11, S 17; Zifonun (2005, 88ff); Eisenberg, (2006, 140ff); Thieroff/ ​Vogel (2009, 73f); DudenGrammatik 2016, § 368ff.

P 224

6.3.2.2. Possessiv nach ėin

Nach dem Zahlwort ėin steht das Possessivum im Mhd. dort, wo im Nhd. ein partitiver Genitiv folgt (s. auch § P 325(10)), z. B. ein ‫܅‬in kappelan ‚einer seiner Kapläne‘ (Parz, 36,7). Daneben gibt es schon früh auch die Konstruktion mit partitivem Genitiv, z. B. in êinemo dîner ôigen, Will, 21v,16; vermehrt tritt sie wohl erst in spätmhd. Zeit auf: Von 12 Korpusbelegen fallen 9 in die Zeit nach 1250, vgl. z. B. einez diner gelide, MBeh, 59v,22. Im Nom.Sg. aller Genera und im Akk.Sg.Neutr. folgt dem unflektierten ėin in der Regel das unflektierte Possessiv, z. B. eín ‫܅‬in vríunt, Lieht, 896; so in 8 von 9 Korpusbelegen. Nur einmal flektiertes ėine Nom.Sg.Fem.: eine mín frvndinne, Flor, 5352. In den obliquen Kasus überwiegt stark-pronominale Parallelflexion von ėin und Possessiv, z. B. ín eínís vn‫܅‬is burgeris hus, MüRB, 18v,21; In einem ‫܅‬inem půche, Renn, 11490; bi eínem irm alde‫܅‬ten erben, UMainz, 29,9. Bei Nasalstrich ist im Dat.Sg.Mask./ ​ Neutr. fraglich, ob schwache Flexion oder Parallelflexion vorliegt, z. B. von eínem ‫܅‬ínē ívngere, SwSp, 53rb,12; ähnlich Renn, 24106, 24190.

P 225

506



V. Pronomina

Lit.: Behaghel (1923, 358f); Grimm, Dt.Gr.IV, 418f; Paul, Mhd.Gr., § S 51, S 119; Weinhold, Mhd.Gr., § 516. 6.3.2.3. Possessiv nach Definitartikel dęr P 226

Dem Possessivum kann der bestimmte oder – sehr viel seltener – der unbestimmte Artikel vorangehen. Bei den Fällen mit bestimmtem Artikel handelt es sich mehrheitlich (knapp 60%) um das substantivisch gebrauchte Possessiv (vgl. nhd. das meine, das meinige). Da die Flexion der Possessiva unser, iuwer und ir unter besonderen Bedingungen steht (s. § P 243ff, P 249ff, P 258), werden ihre  – für diese Position ohnehin nur sehr seltenen – Belege hier zunächst ausgeklammert (s. aber § P 231) und das Flexionsverhalten der häufiger belegten Possessiva mīn, dīn, sīn beschrieben.

P 227

a) attributiv Die Kookkurrenz des attributiven Possessivs mit dem Definitartikel wird „im Lauf des Mhd. selten“ (Behaghel 1923, 358; Gräf 1905, 76f). Die Korpusbefunde erlauben die Präzisierung, dass sich diese Konstruktion weitgehend auf die erste Hälfte der mhd. Zeit beschränkt: Von den insgesamt 154  Belegen fallen nur 14 (= 9%) in den Zeitraum 213/ ​114. Betrachtet man die Textentstehungszeit der 62 hs.lich in 113 fallenden Belege, so gehören wenigstens 51 von ihnen zu vor ca. 1210 entstandenen Texten. Das bedeutet, dass wenigstens ca. 84% der Belege aus der Zeit vor ca. 1210 stammen: obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

²11/ ​¹12

  ‒

²12

  ‒

 6

5

omd. ofrk.

 ‒

 ‒

11

 ‒

3

18

35

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd.

bair.

rhfrk.hess.

mfrk.

¹13

24

 5

6

23

 ‒

3

²13

  ‒

 0

2

 2

 ‒

1

1

0

¹14

  ‒

 0

1

 1

0

2

3

0

 1

Abb. P 102: Absolute Häufigkeit der attributiven Possessiva mīn, dīn, sīn nach Definitartikel

Wenn sich die Belege im Nib im Gegensatz zu Iw, Parz und Tris noch häufen, so könnte dies demnach schon ein stilistischer Archaismus sein. Auch sonst unterscheidet sich die relative Häufigkeit des attributiven Possessivs nach Definitartikel je nach Text teils erheblich; sie ist etwa in der *JJud achtmal häufiger als in der *Gen und im *Rol zweieinhalbmal häufiger als in der Kchr (Gesamttext!):

507

6. Pronomina im weiteren Sinne

Text

attributive Possessiva nach Definitartikel

*Gen

1874

Kchr

22169

Will

2650

*Roth

3510

*Glaub

4486

*RolP

51439

*JJud

9336

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 103: Relative Häufigkeit der attributiven Possessiva nach Definitartikel in frmhd. Texten

Flexion: Der Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr. bleibt 38-mal flexivlos, daneben nur ein schwacher Beleg im Nom.Sg.Fem. (16-mal flexivlos): div ‫܅‬ine zunge, Hchz, 369. Alle 14  Belege des Akk.Sg.Fem. sind stark flektiert, z. B. dîe dîna alemahtigan gnada, BaGB, 135,8; Di ‫܅‬íne barmherzekeít, Pass, 21,423. Im Gen./ ​Dat.Sg.Mask./ ​Fem. und Gen.Pl. gibt es neben starken relativ häufig auch schwache Formen (43% von 35), im Nom./ ​Akk.Pl. dagegen nur selten (17% von 18), z. B. Gen.Sg.Fem. der diner otmůte, ArnM, 294; der ‫܅‬inen gute, Mar, 647; Akk.Pl. die mine mage, Nib, 2391; die ‫܅‬inen wtrîche, Mar, 4859. Nur ein sicherer Beleg mit schwacher Flexion ist md.: Iz was ge‫܅‬criben [...], daz un‫܅‬ir h’regot gebotín hate dem ‫܅‬ínen volke, daz [...], PrM, b4ra,8. Beim Eindringen schwacher Formen scheint es sich demnach um eine vornehmlich obd. Tendenz gehandelt zu haben, die sich zudem erst seit dem späteren 12. Jh. verstärkt haben dürfte, da es aus 211/ ​112 erst zwei schwach flektierte Belege gibt. Von der Flexion des Adj. nach Definitartikel unterscheidet sich die des Possessivs somit in allen Positionen außer dem Akk.Sg.Mask. und dem Dat.Pl.

P 228

Für das ältere Obd. ergibt sich folgendes Paradigma:

P 229

Mask. Sg.

Akk.

Pl.

Neutr.

-en

-e

Gen.

-es ~ -en

Dat.

-em ~-en

Nom.

Fem.



Nom.

-er ~ -en -e (~en)

Akk. Gen.

-er ~ -en

Dat.

-en

Abb. P 104: Flexion der attributiven Possessiva mīn, dīn, sīn nach Definitartikel im Obd. (211–113)

508 P 230



V. Pronomina

b) substantivisch Bei substantivischer Verwendung folgt das Possessiv auf den Definitartikel im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg. in flexivloser oder schwacher Flexion, während im übrigen Paradigma in der Regel stark-pronominale, daneben später und seltener auch schwache Formen auftreten. Für den Nom.Sg.Fem. fehlen Korpusbelege. Im Nom.Sg.Mask. stehen 8 flexivlosen (stark-nominalen) Formen zwei Belege mit -e gegenüber: d’ míne, Lieht, 891,5; d’ díne, HTri, 3627. Etwas häufiger belegt ist der Nom./ ​Akk.Sg.Neutr., doch lassen sich auch hier keine klaren und hinreichend sicheren Aussagen zur zeitlich-sprachräumlichen Distribution machen. Insgesamt halten sich flexivlose und schwache Flexion in etwa die Waage. Zu bedenken ist aber, dass die schwachen Formen auf -e zunächst im Bair., dann auch im weiteren Obd. durch Apokope lautgesetzlich mit den flexivlosen zusammenfallen mussten. Das dürfte der Grund dafür sein, dass in 114 im Obd. auf 13 Belege nur 3 schwache Formen, im Md. auf 10 Belege dagegen 7 schwache Formen kommen. -Ø

schwach



schwach

211/ ​112

0

0

obd.

1

6

212

1

0

bair.

4

1

113

7

6

alem.-bair.

4

3

213

6

7

alem.

4

6

114

13

10

wmd.

9

5

n

27

23

omd.

0

2

ofrk. n

5

0

27

23

Abb. P 105: Flexion der substantivischen Possessiva mīn, dīn, sīn nach Definitartikel im Nom.Sg.Mask. und Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.  – nach Zeit- und Sprachräumen

Von den übrigen Paradigmenpositionen lassen der Akk.Sg.Mask. und Dat.Pl. keine Entscheidung zwischen starker und schwacher Deklination zu. Im Gen./ ​Dat.Sg. aller Genera, Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk./ ​Gen.Pl. werden die substantivisch verwendeten Possessiva mīn, dīn, sīn weit überwiegend stark-pronominal flektiert (s. Abb. P 106). Erst in spätmhd. Zeit kommen im Obd. und Omd. auch schwache Formen auf. Lediglich ein vereinzelter Korpusbeleg stammt schon aus 113 (bair.): ‫܅‬o gewnnen di ‫܅‬inen vor dem berge den ‫܅‬ich, PrPa, 152,13. Das Wmd. scheint noch weitgehend an der starken Flexion festzuhalten; den einzigen schwach flektierten wmd. Korpusbeleg bietet Elis: Des ‫܅‬inen dirre vnde der began, Wes man vor herren plegen ‫܅‬ol, 168. Dagegen überwiegt schwache Flexion in der omd. LuKr mit 7 von 11  Belegen schon deutlich.

509

6. Pronomina im weiteren Sinne



stark

schwach



stark

211/ ​112

0

0

0

obd.

0

7

schwach 0

212

0

10

0

bair.

6

11

5

113

0

17

1

alem.-bair.

0

4

1

213

5

11

5

alem.

0

8

2

114

2

17

15

wmd.

0

10

1

n

7

55

21

omd.

1

15

9

ofrk.

0

0

3

7

55

21

n

Abb. P 106: Flexion der substantivischen Possessiva mīn, dīn, sīn nach Definitartikel im Gen./ ​ Dat.Sg., Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk./ ​Gen.Pl.  – nach Zeit- und Sprachräumen

Nach ihrer Verteilung  – erst spätmhd., in 6 von 7 Fällen bair. und beschränkt auf den Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.  – sind die flexivlosen Formen augenscheinlich aus starken Formen auf -e apokopiert, z. B. er wart flvhtic vnd alle die ‫܅‬in, BKön, 7 va,21; ähnlich: 8vb,2, 11va,31, 12rb,36, 12vb,9. Lediglich bei dem einzelnen omd. Beleg könnte es sich um eine originär flexivlose Form handeln; doch wird sie eher wohl dem Reim geschuldet sein: Dírre venvs, die gotín, het ge‫܅‬níten ín díe ‫܅‬ín ‚dieser hatte Venus, die Göttin, auf seinem [Banner] abgebildet‘, LuKr, 1346. Von den übrigen Poss.-Pron. sind stark belegt: ‫܅‬y ‫܅‬int ‫܅‬elůer of get des irs ‚sie seien es selbst oder etwas von dem Ihrigen‘, Taul, 160v,20; Nom.Pl. die ‫ݑ‬n‫܅‬e ‚die Unseren (Dienstleute)‘, UKöln1, 12,6; Nom.Pl. die íere, 13,28.  – Schwach flektiert: Nom.Sg. dit íere ‚das Ihrige‘, UKöln1, 13,26; ähnlich HTri, 655; WüPo, 243rb; Gen.Pl. der vn‫܅‬ern, LuKr, 766; Akk.Sg.Fem. di iwern, Baum, 180v,20.  – Genitivisch/ ​unflektiert: daz iro uuellent ‫܅‬i ‫܅‬tatigen ‚das Ihrige (nl. ihr Recht) wollen sie bekräftigen‘, WNot, 27 va,11; v v ich laze iv ı wer g‫ݑ‬t. v‫ ܒ‬ı wer ‫܅‬we‫܅‬ter habe daz ir, Iw, 7689; daz ir wart riwaline, Tris, 815; vn‫܅‬er got ‫܅‬int al‫܅ ܅‬tarch al‫ ܅‬d’ ir, BKön, 4ra,25; ‫܅‬wer de‫ ܅‬ir [nl. der werlt] iht hat, den læt ‫܅‬i nimmer ger‫ݑ‬wen, DvATr, 46r,13.

P 231

6.3.2.4. Possessiv nach Pronomen im weiteren Sinne

Nach vorangehendem Pronomen im weiteren Sinne  – weit überwiegend all  – bleibt das Possessiv im Nom.Sg. aller Genera und im Akk.Sg.Neutr. flexivlos und wird in allen anderen Fällen stark flektiert. Abweichend von dieser Regel endet der Nom.Sg.Fem. von mīn, dīn, sīn in den wenigen md. Belegen mehrheitlich auf -e: alle dine pine, RhMl, 1688; alle ‫܅‬ine lerunge, VLilie, 59,37; neheine dine li‫܅‬t, AlxS, 6162; alle ‫܅‬ine habe, JMar, 106v,7; flexivlos: almín zvvir‫܅‬iht, Himlf, 316; alle mȳ gerūge, OxBR, 5r,9.

P 232

510



V. Pronomina

Nur vereinzelt belegt sind schwache Formen in den übrigen Kasus: Gen.Sg.Mask. alli‫ ܅‬un‫܅‬ern můtwillen, Spec, 40v,20; Gen.Pl. aller minen ‫܅‬eleden la‫܅‬t, Yol, 5623. Bei den mehrfach vorkommenden Endungen -ē mit Nasalstrich und md. -en im Dat.Sg. Mask./ ​Neutr. ist keine sichere Festlegung der Deklinationsart möglich (s. § P 8), z. B. mit allen ‫܅‬inen ‫܅‬inne, AlxS, 332; uon allíme uwern h’zen, PrM, c4ra,10; an allem ‫܅‬inē libe, BKön, 6va,7; in allem ‫܅‬inē leben, GnaÜ, 19,12; an allen irē tün, 98,13. Im Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. begegnen relativ häufig auch flexivlose Formen, im Md. allerdings nur vereinzelt (4,3% von 67): alle mine crancheit. und alle min unwizigheit, ArnM, 213; alle ‫܅‬in viende, SalH, 94,3; Akk.Sg.Fem. kein ‫܅‬in habe, Erlös, 6881. Auch im Alem. kommt Flexivlosigkeit nur selten vor (4 von 43), deutlich überwiegend dagegen im Bair. (40 von 49), Alem.-Bair. (16 von 22) und Ofrk. (5 von 8). Nach dieser Distribution dürften die flexivlosen Formen im Wesentlichen Resultat der vom Oobd. ausgehenden Schwa-Apokope sein. Zu beachten ist allerdings, dass dem flexivlosen Possessiv in sehr vielen Fällen das flektierte all-e mit nicht apokopiertem oder aus morphologischen Gründen wiederhergestelltem Schwa vorausgeht, so durchgängig in den zahlreichen Urkundenbelegen aus 114 (ULands, UAugsb2), aber teils auch schon sehr früh: uber alle ‫܅‬in afterchumft, Ezzo, 46; alle din heiligen, HLit, 853; Akk.Pl. alle ‫܅‬în arbeite, Mess, 45; Akk.Sg. alle min not, Muri, 14v,4. 6.3.2.5. Possessiv nach Adjektiv P 233

Dem Poss.-Pron. können auch Adjektive vorausgehen. Dies ist zwar selten, aber in allen Zeiträumen und Textarten und sowohl obd. wie md. belegt (s. auch Behaghel 1932, 206f), z. B. diu unzalehaftin ‫܅‬înîu zeichen, BaGB, 137,33; von grozzer ‫܅‬iner ‫܅‬wære, Iw, 94; da wír vernêmen dîe ‫ܔ܅‬zen ‫܅‬íne ‫܅‬tímme, PrMi, 16v,4; den aller liue‫܅‬ten. ‫܅‬inen heiligen bruden, RhMl, 334; mít wizzíntaftín vn‫܅‬ín burgerín, MüRB, 6r,1; der edele ‫܅‬ín ga‫܅‬t, LuKr, 820.  – Extern z. B. mit gotelichen ‫܅‬inen ougen, *Glaub, 135. Für das Poss.-Pron. ir(e) finden sich dafür im Korpus erst spät und nur bei Hartw Beispiele: von ‫܅‬tarken íren banden, Hartw, M 560; wan ‫܅‬i d(ur)ch g(r)oz ir vngebar Vnd nah ertotet des v’gaz, M 862; durch groz ir gnad, M 1726. Korpusextern gibt es bereits frühe md. Belege vor flektiertem ir(e): Mit heiligem irin blůde, *Anno, 5,19; mit tiefen irn ‫܅‬innen, *Glaub, 357. 6.3.3. mīn, dīn, sīn 6.3.3.1. Attributiv vorangestellt

P 234

Geht dem attributiven Possessivpronomen mīn, dīn, sīn kein weiteres Artikelwort voraus, so bleibt es im Nom.Sg.Mask/ ​Neutr. und Akk.Sg.Neutr. überall und durchgängig unflektiert. Ausnahmen begegnen nur ganz vereinzelt im RhMl: dine herce, RhMl, 2131, 4153; Die minne wa‫ ܅‬mine macht inde mine rat, 105. Im Obd. gilt das mit

6. Pronomina im weiteren Sinne

511

nur seltenen Ausnahmen auch für den Nom.Sg.Fem., der im Mfrk. – wie im Nhd. – dagegen in aller Regel schon auf -e gebildet wird. Im Thür.-Obersächs. beträgt der Anteil der Formen auf -e etwa ein Drittel, im übrigen Omd. und im Rhfrk.-Hess. nur ca. 15%; ähnlich auch in der moselfrk. Yol mit 14% -e (von 14). -Ø obd.

192

-e 5

2%

bair.

173

3

2%

alem.-bair.

179

0

0%

alem.

176

7

4%

ofrk.

39

0

0%

mfrk.

30

211

88%

mfrk. ohne Yol

18

209

92% 16%

rhfrk.-hess.

74

14

hess.-thür.

28

1

3%

thür.-obersächs.

23

10

30%

sonst omd.

47

8

14%

Abb. P 107: Flexion der vorangestellten Possessiva mīn, dīn, sīn im Nom.Sg.Fem. – sprachräumliche Verteilung

Im Obd. kommen vereinzelt auch starke Formen auf -iu vor: dinu heiligu craft, Muri, i i 10r,11; ‫܅‬ínv errv kraft, RWchr, 21109. Die seltenen obd. Belege mit -e sind als schwach dekliniert zu werten, z. B. mine ‫܅‬ele, Muri, 39r,9; ‫܅‬ine marke, Tris, 18698; ‫܅‬ine hant, i Nib, 38,3; dine chone, Mar, 732; ‫܅‬ine ze‫܅‬we, 2660; ‫܅‬íne gelvbede, Rapp, 317, ferner 17402, 17514, 32700, 33078. Beim md. Nom.Sg.Fem. -e ist dagegen wegen des Zusammenfalls von afrk. -(j)u und -a in [ә] (s. § P 7) keine Entscheidung über die Deklinationsart möglich; dies gilt schon für den Beleg Dîne ûzflánza, Will, 23r,19. Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. In den synkopierten Formen dīns, mīns, sīns war die Voraussetzung für den alem. Schwund des Nasals vor s (Staub’sches Gesetz, s. Paul, Mhd.Gr., § L 95) gegeben, vgl. von der craft ‫܅‬is gebotis, Mart, 14,42. Zahlreiche Belege finden sich in alem., und zwar fast durchweg hochalem., Urkunden ab 213 (vgl. Boesch 1946, 175–177): mi‫܅‬, mis Zürich (Nr. 92, 590, 1498, 1675, 3364); (Kt.) Luzern (Nr. 8, 2582, 2915, N 298); Basel (Nr. 283, 1845); Kt. Aargau (Nr. 1213, 1645,1990); Nr. 2891 (Kloster Beinwil/ ​Kt.Aargau UP, Neuenburg a.Rh./ ​Baden AO); Nr. 1055 (Sargans/ ​Kt. St. Gallen); miz Nr. 464 (Kloster Interlaken/ ​Kt. Bern); Nr. 628 (St. Gallen); außerdem mi‫܅‬, mis Nr. 81, 110 (Kloster Tennenbach/ ​Baden UP); Nr. 100 (Freiburg i.Br.), Nr. 2508 (Altshausen DO/ ​Württ., Mainau DO/ ​Baden UP); ‫܅‬is, ‫܅‬iz ‚seines‘ Nr. 628 (St. Gallen); ‫܅‬is Nr. 1337B (Basel), Nr. 1586 (Luzern), Nr. 2048 (Zürich), Nr. 3486 (Zürich).  – mi‫‚ ܅‬meines‘ Akk. Sg.Neutr. Nr. 1698 (Zofingen/ ​Kt. Aargau). Vgl. auch § P 32, P 241.

P 235

512 P 236



V. Pronomina

Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. Die älteste Flexivform des Dat.Mask./ ​Neutr. der Poss.-Pron. mīn, dīn, sīn lautet wie im Ahd. -emo. Sie beschränkt sich weitestgehend auf die ältesten Texte: In Will, WNot und BaGB gilt sie noch ausnahmslos, danach begegnet sie nur noch selten bis vereinzelt in RBib, TrPs und VatG (‫܅‬inemo, 112r,7). Korpusextern z. B. minemo, *Otloh, 162r,9; *BenedGlB I, 108r;11; *BenedGlB II, 150v,2.3.4.5; *PsBrieg, 20; mînemo, *StGallGlB II, 143,15; ‫܅‬inemo, *WessobrGlB I, 138,6; *ÄPhys, 31r,8; *GeistRat, 1v,18; ‫܅‬inimo, *Anno, 46,10. Das aus -emo abgeschwächte -eme ist im Bair. schon in 212 weitgehend durch -em ersetzt, während es im Alem. und gesamten Md. noch in 113 und mfrk. noch in 213 Mehrheitsform bleibt (s. Abb. P 109). Ab 213 gilt -em (mīnem, dīnem, sīnem) im gesamten Obd. allein oder überwiegend; in 114 wird es auch im Rhfrk.-Hess. und Omd. zu einer häufigen Nebenform (s. Abb. P 111). Früh schon ist -īneme zu -īme verkürzt worden, möglichweise über die  – allerdings nur selten belegten – Zwischenstufen -īnme und -īmme, vgl. ‫܅‬inme, Phys, 131v,18; *ArnoltSieb, 564, 742, 818; *Gen, 5004; *HimmJerusal, 14; *Spec, 16v,1; dinme, RhMl, 1777; ‫܅‬ínme, RWh, 7226. ‫܅‬imme beschränkt sich im Korpus auf Mess, 81, 290, 404. Im *UrkCorp kommen Formen auf -īnme mehrfach in alem. und rhfrk. (Nr. 1577, N 536) Urkunden vor (s. WMU 2, 1231, 1579). Die Belege für mimme, simme sind zumeist alem.: mimme Nr. 121A (Hr von Usenberg A, Kaiserstuhl/ ​Kt. Aargau UP 1269); Nr. 659 (Kloster Tennenbach UP 1284); Nr. 2405 (Ittendorf A, Kloster Weingarten UP 1296); Nr. 3398 (Kloster Lauffen 1299); simme Nr. 331 (Gf von Löwenstein A 1277); Nr. 1659 (Konstanz A 1293). – Bair. (Tirol) meimme Nr. N 598 (Bf von Brixen A, Kloster Innichen UP 1293).

mīme, dīme, sīme kommen im 12. Jh. auf und haben ihren Belegschwerpunkt im Rhfrk.-Hess., Omd. und Wobd. Im Mfrk. gewinnt -īme erst in 114 die Oberhand; oobd. bleibt es selten (s. Abb. P 110). In frmhd. Quellen kommt auch noch -īmo mit vollem Endvokal vor, z. B. ‫܅‬imo, RBib, 421; TrPs, 84r,5; thimo, RBib, 698; ‫܅‬imo, *ÄJud, 81; *HildegGeb, 69v,1; *LobSal, 217, 224, 256; dimo, 195. Sehr spät stehen mimo, ‫܅‬imo noch gehäuft in einer rhfrk. Urkunde von 1319 (*MU14, 191019), die auch imo, demo enthält. Apokopiertes ‫܅‬im gibt es schon mehrfach in LEnt (2,9, 3,3, 4,13, 32,10, 47,3, 47a,11); spätere Belege: ‫܅‬ím, StBA, 113vb,23; WüPo, 250rb,20.  – Zu sim, seim im *UrkCorp s. WMU 2, 1579. Md. gelegentlich und selten auch obd. erscheint die Flexivvariante -en (s. § P 8), z. B. md. ich entbrande an ‫܅‬inen uride, RhMl, 3912; In ‫܅‬inen munde, RhTun, 222; gegin antonio v‫܅ ܒ‬inin wibe cleopatre, PrMK, 4r,1; in ‫܅‬inen lande, AlxS, 2579 (hier besonders häufig: weitere 14 Belege); minen munde, VLilie, 13,17; an ‫܅‬inen b‫ݑ‬che, SalH, 68,2; daz er [...] gote offīne. u‫܅ ܒ‬inen p i‫܅‬tere, PrM, b4vb,15; mínen ‫܅‬inne, HTri, 54; in ‫܅‬ínen mute, Pass 18,114. – Obd.: ‫܅‬înen herren, Kchr, 782; mit ‫܅‬inen ebengraden rat, 8816; ‫܅‬ínen vâter, PrMi, 22r,2; uon ‫܅‬inen wibe, Mar, 450; vz dinen herzen, DvATr, 54r,11; ‫܅‬inen vitzetvme, StBA, 16vb,20; dir, mínen rehten herren, Baum, 26v,12; nach ‫܅‬inen werde, 175r,9; an ‫܅‬ínen buwe, UAugsb2, 6,9. – Zu frnhd. -en vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 343 Anm. 23.

513

6. Pronomina im weiteren Sinne

obd. ²11/ ​¹12

-īnemo

-īneme

-īme

-īnem

-īnen

n

97

1

0

2

0

120

Iw, Nib, Parz, Tris

0

0

36

59

4

74

bair.

0

6

1

92

2

306

alem.-bair.

0

5

25

67

3

272

alem.

0

26

22

51

1

290

mfrk.

1

64

27

1

6

359

rhfrk.-hess.

1

6

78

11

4

281

hess.-thür.

0

44

20

21

15

119

omd. (²13/ ​¹14)

0

10

61

25

3

186

ofrk.

0

0

14

83

2

42

Prozentzahlen kursiv

Abb. P 108: Poss.-Pron. mīn, dīn, sīn: Hauptformen des Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. in sprachräum­ licher Verteilung obd. Iw, Nib, Parz, Tris

omd. bair.

ofrk.

alem.bair.

  ‒

  ‒

3954

3834

15126

 ‒

8642

1093

1120

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd.

alem.

rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

 ‒

²12

 ‒

¹13

074

7564

 032

 0103

 ‒

2177

²13

 ‒

 287

 097

 024

 ‒

2575

489

6888

¹14

 ‒

 585

 0109

 053

042

 0111

0107

26102

90161

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 109: mīneme, dīneme, sīneme Poss.-Pron.Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. in zeitlich-sprachräum­ licher Verteilung obd. Iw, Nib, Parz, Tris ²11/ ​¹12

  ‒

²12

  ‒

alem.

alem.bair.

5954

omd. ofrk.

  ‒

  ‒

3234

0126

  ‒

1042

7293

0120

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd.

bair.

rhfrk.hess.

mfrk.

¹13

3674

1664

 032

2103

  ‒

2677

²13

  ‒

 087

4497

024

  ‒

6575

8489

 6161 2088

¹14

  ‒

2685

14109

053

1442

59111

72107

68102

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 110: mīme, dīme, sīme Poss.-Pron.Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. in zeitlich-sprachräumlicher Verteilung

514



V. Pronomina

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

bair.

ofrk.

omd.

wmd.

²12, ¹13: hess.-thür.

rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

  ‒

  ‒

 ‒

²12

  ‒

 254

 2634

 83126

  ‒

 042

193

¹13

5974

 864

10032

 96103

  ‒

3277

²13

  ‒

9887

 5497

 9624

  ‒

 975

 489

588

¹14

  ‒

6785

 83109

10053

8342

36111

23107

0102

  2120

1161

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 111: mīnem, dīnem, sīnem Poss.-Pron. Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. in zeitlich-sprachräumlicher Verteilung P 237

Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. Im Gen./ ​Dat.Sg.Fem. und Gen.Pl. gilt ab 212 das Flexiv -er überall allein oder weit überwiegend. Die zu spätahd. -ero stimmende Endung ist im Korpus nur noch in WNot (98%) und Will (60%) belegt. Auch das aus -ero abgeschwächte frmhd. -ere beschränkt sich fast ganz auf wenige Quellen des 11./ ​12. Jh.s: Wind (16 -ere neben 91 -er), WMEv (2 -ere neben 20 -er), RBib (3 -ere neben 4 -er). Korpusextern z. B. in *PrWessA, H11b,13; *PrWessB, H25a,15, H26b,14.18.22 u. ö.; *BenedGlB II, 150v,1.6; *StGallGlB II, 143,9; *Himmelr, 1,7.14.15.21.23 u. ö. (11-mal); *Gen, 2528, 3042; Kchr, *7400; *PsWig, 33, 43, 76, 179 u. ö.; *RolA, 1258, 2436, 3368, 8192 u. ö. -ere ist sodann noch in 113 in Abschriften älterer Vorlagen belegt, so z. B. minere, TrHL, 103r,11.20; minnére, 103v,13; dinere, AlxS, 2842. Später nur noch vereinzelt: ‫܅‬inere Dat.Sg.Fem., GnaÜ, 13,10; von ‫܅‬eínere banc, *NüP, 4vb,20. Neben -ero, -ere und -er tritt im Alem. schon früh das synkopierte Flexiv -ro, -re, z. B. Dat.Sg. minro froun ‫ݕ܅‬ę mariun, *StGallGlB I, 2a,2; ‫܅‬ínre, PrZü, 182va,33, 182vb,30.32; min re, 108ra,28; Gen.Sg.Fem. minre, Muri, 43v,7; ‫܅‬inre, Flor, 5152; später noch häufig in Rapp (z. B. ‫܅‬ínre, 17416, 17462 u. ö., mínre, 17568). Im Mfrk. ist dagegen neben dem ansonsten allein herrschenden -er vereinzelt auch -re erst in 113, selten in 213 belegt: ‫܅‬inre, *Christi Geburt, 17; dinre, VLilie, 17,19; ‫܅‬inre, *LancM, 1vb,13. In 114 bestreitet -re in UKöln2 bereits zwei Drittel der Belege und in Taul gilt es allein. Vgl. auch ‫܅‬inre, *PrKöln, 45,23, 46,15.16; *KölnEidb, 1v,19, 5v,12, 6r,10.32.31, 7r,19; *Merlin, 39, 222; selten auch rhfrk.: dīre, *PassSpM, 341. Zumindest im Wmd. wird sich -re wegen der spät einsetzenden Belege nicht als synkopiertes -ere, sondern als Reflex des silbischen -‫ < ܙ‬-er erklären (s. § P 13). Dafür dürfte auch alem.-schwäb. -r stehen: dínr, Türh, 10, 19, 30, 205, 250. Auch im *UrkCorp kommen minr, sinr nur in alem. Urkunden vor, und zwar minr in *UrkCorp Nr. 84 (Boswil 1264); Nr. 1423 (Zürich 1291); Nr. 1840 (Zürich 1293); Nr. 2064 (Schaffhausen 1294); Nr. 2331 (Kloster Holzen 1296); Nr. 2376 (Zürich 1296); Nr. 2549 (Zürich 1296); Nr. 2788 (Sennheim 1297); Nr. 3427 (Zürich 1299); ‫܅‬inr in Nr. 436 (Basel 1280); Nr. 478 (Gf von Freiburg i.Br. 1281); Nr. 842 (Zürich 1286); Nr. 940 (Zürich 1287); Nr. 1221 (Zürich

515

6. Pronomina im weiteren Sinne

1290); Nr. 1330 (Basel 1290); Nr. 1337B (Basel 1290); Nr. 1503 (Zürich 1291); Nr. 1562 (Zürich 1292); Nr. 1675 (Zürich 1293); Nr. 1726 (Zürich 1293); Nr. 1840 (Zürich 1293); Nr. 1873 (Werdenberg 1294); Nr. 1960 (Zürich 1294); Nr. 2064 (Schaffhausen 1294); Nr. 2065 (Zürich 1294); Nr. 2164 (Memmingen 1295); Nr. 2208 (Zürich 1295); Nr. 2343 (Basel 1296); Nr. 2549 (Zürich 1296); Nr. 2989 (Sennheim 1298); Nr. 3098 (Zürich 1298); Nr. 3153 (Zürich 1298); Nr. 3427 (Zürich 1299); Nr. 3486 (Zürich 1299). Auch minre, sinre stehen zu ca. 90% in alem. Urkunden. Die restlichen Belege stammen aus wmd. und zwei ofrk. Urkunden: mfrk. minre *UrkCorp Nr. 566 (Gfin von Sayn A 1283) 3,1.34; Nr. 624 (Gfin von Sayn A 1284) 53,13.21.24.33; ‫܅‬inre Nr. N 223 (Koblenz [DO] A, Gfin von Sayn UP 1282) 170,3; Nr. N 548A (Köln 1292) 394,36, 398,31; mfrk.-rhfrk. mynre Nr. 3567 (Merl A, Gf von Sponheim UP) 612,25; rhfrk. (-alem.) Nr. 1524 (Worms 1292) 690,1, 691,1; Nr. 1788B (Mainz A 1293) 89,32; Nr. 2564 (Kloster St. Lambrecht A 1297) 2,11; ofrk. ‫܅‬inre Nr. 2664 (Kloster Heilsbronn 1297) 64,3.5.19.24.43; minre Nr. N 647 (Würzburg UP 1294) 467,25.33.35. Ndfrk. ‫܅‬inre Nr. 2493 (Gf von Kleve A 1296) 541,13 stellt sich zu mnl. mijnre, sijnre.  – Aus diesem Rahmen fällt einzig ‫܅‬inr Gen. Sg.Fem. Nr. 1495 (Wien A 1291); in dieser Urkunde häufig auch -m, -n, -nt für -em, -en, e -ent, z. B. Hertzzgn, ver‫܅‬etzzn, vorgenantn, hornt, vn‫܅‬rm usw. 6.3.3.2. Attributiv nachgestellt

Nachstellung des attributiven Poss.-Pron. beschränkt sich im Korpus weitestgehend auf lateinnahe Texte, insbesondere die Interlinearversionen Wind, TrPs und ZwBR, während der Anteil von Nachstellung bei den sonstigen Prosatexten im Schnitt weit unter 1% liegt. Deutlich häufiger ist Nachstellung in Verstexten (im Schnitt 4%); ein Grund dürfte die leichte Reimbarkeit der Poss.-Pron. mīn, dīn, sīn sein, denn von 565 nachgestellten Formen stehen 499 (= 88%) im Reim (s. Abb. P 112) vorangestellt

nachgestellt

211/ ​112 ofrk.

Will

563

211/ ​112 bair.

WNot

663

13

2%

212 bair.

Wind

24

827

97%

212 rhfrk.

TrPs

130

966

88%

113 alem.

ZwBR

35

199

85%

sonstige Prosa

11451

30

0%

Verstexte

13744

565

4%

lateinnahe Texte

P 238

16

3%

Abb. P 112: Voran- und Nachstellung des attributiven Possessivpronomens

Bei der Verteilung unflektierter und flektierter Formen nachgestellter Poss.-Pron. sind folgende Gruppen zu unterscheiden: –– Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr. –– übrige Kasus im Singular –– Plural.

P 239

516



V. Pronomina

Im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr. entfallen von insgesamt 171 flektierten Belegen 160 (= 93,6%) auf die stark von ihren lat. Vorlagen abhängigen WNot, Wind und TrPs (hier allein 155  Belege!). Auch sonst erklärt sich das nachgestellte Poss.Pron. teils aus einem lat. Hintergrund. So entspricht ich pin ein eben‫܅‬chalch diner. unde ander chnehte ‫܅‬iner, HLit, 172, der Bibelstelle conservus tuus sum et fratrum tuorum prophetarum et eorum qui servant verba libri huius, Apoc. 22,9. Die restlichen 11 flektierten Einzelbelege verteilen sich in breiter Streuung auf Texte, die meist überhaupt nur wenige nachgestellt-attributive Poss.-Pron. aufweisen. Es handelt sich überwiegend um Verstexte, in denen die nachgestellten flektierten Formen Reimzwecken dienen (s. Abb. P 113). unflektiert lateinnahe Texte

sonstige Prosa

Verstexte

211/ ​112 bair.

flektiert

WNot

5

4

212 bair.

Wind

189

1

212 rhfrk.

TrPs

81

155

213 alem.

PrSch

0

2

114 ofrk.

GnaÜ

0

1

212 bair.

HLit

0

1

113 bair.

Mar

1

1

113 mfrk.

RhMl

1

1

213 bair.

Diet

8

1

213 bair.

MMag

6

2

114 omd.

LuKr

2

1

114 omd.

HTri

10

1

Abb. P 113: Nachgestellte Formen der Possessiva mīn, dīn, sīn im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr.

Nach Textarten verteilt sich der Anteil flektierter Formen nachgestellter Possessiva im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr., in den übrigen Kasus des Singulars und im Plural folgendermaßen: Nom.Sg./ ​Akk.Sg. Neutr.

oblique Kasus des Singulars

Plural

WNot, Wind, TrPs

37435

96605

99367

sonstige Prosatexte

 840

 289

 636

Verstexte

 4195

 4251

1088

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 114: Flektierte nachgestellte attributive Possessiva mīn, dīn, sīn – Verteilung nach Text­ arten

6. Pronomina im weiteren Sinne

517

Der Anteil flektierter Formen ist im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr. deutlich geringer als in den übrigen Kasus. Das liegt hauptsächlich daran, dass Wind im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr. in auffälligem Unterschied zu WNot und mehr noch zu TrPs flektierte Formen meidet (s. Abb. P 113), und zwar wohl deshalb, weil der Nom.Sg. und der Akk.Sg.Neutr. auch beim vorangestellten Possessiv nahezu ausnahmslos unflektiert bleiben (s. § P 234). Bei den Singular-Kasus ist der Anteil flektierter Formen im Gen.Sg. mit ca. 76% höher als im Dat.Sg. und im Akk.Sg. Mask./ ​Fem. mit je etwa 60%. 6.3.4. unser 6.3.4.1. Der Stamm unser- (ünser-, unsr-, under-, ūser-, ǖser-)

Der Stamm ünser- mit analogischem Umlaut (s. § P 31) ist im Korpus nur in alem. i und alem.-bair. Quellen aus 213/ ​114 belegt: vn‫܅‬ir(-)‌, RWchr, 20480 u. ö. (6-mal); ivn‫܅‬er, i e ra RWh, 803; vn‫܅‬er(-)‌, NikP, 37 ,5 u. ö. (> 100-mal); ostschwäb. vn‫܅‬er(-)‌, Baum, 22r,10; UAugsb2, 4,22 u. ö. (19-mal). i

Auch in *UrkCorp stammen die Belege von vnser(-)‌, únser(-)‌, ‫ݐ‬nser(-)‌, ivnser(-)‌ vornehmlich e aus alem. Urkunden, die Belege von vnser(-)‌ sind dagegen meist bair. (vgl. WMU 3, 1924).

Synkope des Stammes unser- > unsr- beschränkt sich im Korpus auf vn‫܅‬rív Akk. Pl.Neutr., UNürnb, 33,34, und auf die 19-mal in ULands belegte Form vn‫܅‬r’ Gen./ ​ Dat.Sg.Fem. und Gen.Pl. Extern erscheinen synkopierte Formen schon mehrfach bei *Otloh: un‫܅‬re Akk.Pl., 162v,16, 163r,4; un‫܅‬ri, 163r,20; un‫܅‬run, Dat.Pl. 162v,18; vgl. ferner z. B. un‫܅‬reme uater, *Gen, 4773. ‹r› dürfte silbisches [‫ ]ܙ‬bezeichnen in Vmb un‫܅‬r brůder Akk.Pl., *RubrB, 219r,10 (s. § P 13).  – Zu unsr-, vnsr-, ‫ݐ‬nsr- etc. in alem. und bair. Urkunden des *UrkCorp vgl. WMU 3, 1924. Die Herleitung der spezifisch ofrk.(-nordböhm.) Form unner ist strittig (vgl. Gleißner 1935, 69f, 85; Schwarz 1960, 422–424; Steger 1968, 209f). Belegt ist seit spätmhd. Zeit zunächst die Form under(-)‌, die als umgekehrte Schreibung, bedingt durch den Wandel von -nd- > -nn-, oder durch Dentaleinschub in unr- > under- zu erklären ist (Gleißner 1935, 69; Schwarz 1960, 423): vndern h’ren, GnaÜ, 22,15 u. ö. (7-mal). Vgl. auch Weinhold, Bair.Gr., § 147, 362; Paul, Mhd.Gr., § M 42 Anm. 2. vnre *UrkCorp Nr. 29 (Öhringen 1253), vnder brůder Nr. 331 (Gf v. Löwenstein, Bf v. Würzburg 1277), von vndern nachcomen Nr. 365B (Oettingen i. Bayern). Zu urkundl. Belegen aus dem Vogtland, Regnitzland, Nordböhmen, aber auch Meißen, s. Gleißner (1935, 69); Schwarz (1960, 423). Anm. 1:  unre, Kchr, 16688, ist möglicherweise verschrieben.

P 240

518 P 241



V. Pronomina

Im Alem. finden sich urkundlich schon ab den 1260er Jahren Belege für den Nasal­ schwund vor s in unser- > ūser-, ünser- > ǖser- (Boesch 1946, 176f; Paul, Mhd.Gr., § L 95; WMU 3, 1924). Vgl. auch § P 32, P 241, P 235. e

v‫܅‬er *UrkCorp Nr. 68 (Winterstetten 1263); u‫܅‬eren Nr. N 29 (Straßburg 1263/ ​64); v‫܅‬eren Nr. 910 (Rufach/ ​Elsass 1287) 268,46; v‫܅‬erme Nr. N 756 (Colmar 1296); v‫܅‬erme Nr. N 812 (Colmar 1296) 580,17; v‫܅‬ers Nr. 93 (Freiburg i.Br. 1265); v‫܅‬er Nr. 1039 (Freiburg i.Br. 1288) 356,41; Nr. 929 (Reutlingen 1287); v‫܅‬eren Nr. 3312 (Justingen/ ​Württ. 1299) 458,4; ‫܅ݐ‬ir‫ ܅‬Nr. 1207 (Pfullendorf/ ​Baden 1290) 476,14; ‫܅ݐ‬ir 476,16.26, 476,31; v‫܅‬eren 476,30; v‫܅‬ers Nr. 1019B (Mellingen/ ​Kt. Aargau 1288); ‫܅ݐ‬eren Nr. 2151 (Lindau 1295); v‫܅‬er, v‫܅‬erun Nr. 1262 (Isny/ ​Allgäu 1290); vereinzelt auch bair.: v‫܅‬erm *UrkCorp Nr. 2157 (Kloster Schliersee 1295); v‫܅‬er Nr. 2620 (Burg Feldsberg 1297). Anm. 1:  Bei weiteren Einzelfällen dürfte es sich um Schreibfehler handeln, so inu‫܅‬er gewalt, Kchr, 10241; u‫܅‬e herre, VLilie, 13,25.

6.3.4.2. Der verkürzte Stamm unsP 242

In mhd. Zeit sind verkürzte Formen wie unse Nom.Sg., unses Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. ein md. Kennzeichen (Weinhold, Mhd.Gr., § 480; Zelissen 1969, 200–209; Habscheid 1997, 115f; Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 47, Anm. 2, 49, Anm. 1). Nur sehr selten treten sie auch im Alem. auf (Weinhold, Alem.Gr., § 417; WMU 3, 1924; zu den rezenten alem. Kurzformen vgl. Frings/ ​Linke 1963, 92), z. B. vn‫܅‬e gi‫܅‬il Nom.Sg.Mask., PrZü, 108rb,4; vmbe un‫܅‬e heil, Muri, 30r,4; ‫ݐ‬n‫܅‬e Vater *UrkCorp Nr. 1066 (Diessene hofen 1289); ‫ݐ‬n‫܅‬e herre Nr. 2597 (Winterthur 1297). Vereinzelt auch bair.: vn‫܅‬e her Chun von Eglingen *UrkCorp Nr. 2602 (Kloster Tegernsee 1297). Anm. 1:  Bereits im Ahd. steht neben altobd. unser- im Afrk. ein verkürzter Stamm unse(Ahd.Gr.I, § 286), der as.-anl. ūsa entspricht (vgl. Frings/ ​Linke 1963; Seebold 1984, 55f).

Innerhalb des Md. herrschen die Kurzformen im Mfrk. nahezu ausnahmslos. Auch im Omd. sind sie weithin die Regel, während sie in den hess.-thür. und noch deutlicher in den rhfrk-hess. Quellen hinter den Langformen zurückstehen. Besonders ausgeprägt sind diese Unterschiede im Nom.Sg.Mask., der im Mfrk. mit wenigen Ausnahmen unse lautet, während diese Form im übrigen Wmd. nur selten belegt ist (s. Abb. P 115).

519

6. Pronomina im weiteren Sinne

Nom.Sg.Mask.

sonst (außer Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.)

unse

unse-

obd. ²11/ ​¹12

 012

 021

bair.

 0165

 0418

alem.-bair.

 0102

 0355

alem.

 1146

 0374

ofrk.

 071

 0152

mfrk.

97148

99562

rhfrk.-hess.

 6263

19419

ohne TrPs

 8192

35228

hess.-thür.

1232

4185

ostmitteldeutsch

4613

7296

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 115: Anteil des r-losen Stammes uns- (ausgenommen Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.)

6.3.4.3. Flexion

Oberdeutsches Paradigma Sg.

P 243

Mask.

Neutr.

Gen.

unsers

Dat.

unserm

Akk. Pl. Nom./ ​Akk.

Fem.

unser

Nom.

unser ~ unserre

unser(e)n

unser

Mask./ ​Fem.

Neutr.

unser

unseriu (~ unser)

Gen.

unser ~ unserr(e)

Dat.

unser(e)n

Abb. P 116: Paradigma des Possessivpronomens unser im Obd.

520 P 244



V. Pronomina

Mittelfränkisches Paradigma Sg.

Mask.

Neutr.

Gen.

unses

Dat.

unsem

Akk. Pl.

Fem.

unse

Nom.

unsen

unser unse

Mask./ ​Fem./ ​Neutr.

Nom./ ​Akk.

unse

Gen.

unser

Dat.

unsen

Abb. P 117: Paradigma des Possessivpronomens unser im Mfrk. P 245

Zum Nom.Sg.Mask. s. oben § P 242; zur Endung -e der Kurzform, vgl. Frings/ ​Linke (1963, 106f). Stark flektiertes unseriu Nom.Sg.Fem. ist im Korpus nicht belegt, unsereȥ Nom./ ​ Akk.Sg.Neutr. nur ganz vereinzelt und unsicher (Endung ‹e‫܅‬, es›!): unreth un‫܅‬ere‫܅‬ (=  iniquitates nostras Ps. 89,8), TrPs, 48v,4; dat un‫܅‬es gůt Akk.Sg., BuMi, 85r,14. Die Flexivvariante -en des starken Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. (s. § P 8) statt -em(e) begegnet nur in wenigen md. Quellen, und zwar fast ausschließlich in Verbindung mit dem kurzen Stamm uns-: un‫܅‬en, RBib, 478, 495; AlxS, 5872; un‫܅‬in, *HLitS, 205, 437, 635, 759; vn‫܅‬en, Brig, 5v,12; UKöln1, 3,3.8; Pass, 17,32; un‫܅‬eren, *RBibB, 252. Im Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​Fem. ist unsere mit bewahrter Endung nur in einigen älteren obd. Quellen bezeugt: un‫܅‬era naturā Akk.Sg., WNot, 34va,16; Vn‫܅‬ere forderen, 35ra,7; Phys (8 unsere, 4 unser), Wind (7 unsere, 2 unser), TrHL (9 unsere, 14 unser). Ansonsten gilt durchgängig unser. Im Md. kommt unsere nur in TrPs (17 unsere, 9 unser) vor, und zwar stets nachgestellt im engen Anschluss an die lat. Vorlage. Sonst konkurrieren md. unse und unser, wobei unse im Mfrk. allein herrscht und in den meisten omd. Quellen Regelform ist. Im Rhfrk.-Hess. zeigen ArnM und OxBR zumeist unse, während im Übrigen unser zu 75–100% gilt. Der Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. lautet im Obd. noch weit überwiegend unseriu, daneben unser, vereinzelt auch unsere: vn‫܅‬ere, UFreib2, 8,20; md.: iar un‫܅‬ere, TrPs, 48v,8; vn‫܅‬ere kyndere, Hleb, 182v,8. Besondere Verhältnisse bestehen im Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.: Hier steht unser im Wmd. nahezu ausnahmslos, im Omd. zu über 85%, im Obd. zu etwa 60%. Im Mfrk. und zum Teil wohl auch im übrigen Md. ist unser flektierte Form des r-losen Stammes uns-, ansonsten ist es als Form des r-haltigen Stammes unser zu betrachten, die durch haplologische Verkürzung von unserer > unser flexivlos geworden ist. Im Obd. und bei seltener Belegung auch im Omd. bestreiten bei den flektierten Formen

6. Pronomina im weiteren Sinne

521

unserre und seine apokopierte Variante un‫܅‬err (nur in ULands, UAugsb1/ ​2, UNürnb) im Korpus drei Viertel der Belege. unsrer (vn‫܅‬r’) beschränkt sich auf ULands (19-mal). Die in 212 gelegentlich noch wmd. erscheinende Form un‫܅‬ere (TrPs, 48v,9, 49r,6.7; RBib, 476) dürfte die afrk. Kurzform unsero fortsetzen. Nach dem Stamm unser- ist das ‹e› der Flexive -es, -em(e), -en nur noch in älteren Quellen erhalten, so in WNot, Will, Phys und Wind. In 212 beträgt der Anteil der synkopierten Formen unsers, unserm(e), unsern schon mehr als zwei Drittel und ab 113 liegt er über 90%. Beim verkürzten Stamm unse- beschränken sich die synkopierten Formen auf den Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. in UKöln1 (20 ‫ݑ‬n‫܅‬me neben 38 ‫ݑ‬n‫܅‬eme, vn‫܅‬eme), UKöln2 (vn‫܅‬me, 5,33, neben 11 vn‫܅‬eme) und Taul (vn‫܅‬me, 13v,3, 14r,1). Lit.: Ahd.Gr.I, § 286; Boesch (1946, 176f); Frings/ ​Linke (1963); Gleißner (1935, 69f, 85); Paul, Mhd.Gr., § M 43; Schwarz (1960, 422–424); Seebold (1984, 55f); Steger (1968, 209f); Walch/ ​ Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 357ff; Weinhold, Bair.Gr., § 147, 362; Weinhold, Mhd.Gr., § 480; WMU 3, 1924f.

6.3.5. iuwer 6.3.5.1. Die Stammvarianten iuwer- und iuw-

Der verkürzte Stamm iuwFormen ohne r, die dem md. verbreiteteren unse (s. § P 242) entsprechen und sich mnd. juwe und mnl. uwe vergleichen, kommen nur in einzelnen hess. Quellen vor: uwe, AlxS, 2226; vhis, vhen, *HLitS, 680, 1093; úwe, úwen, Elis, 60, 268, 269; vwes, vwem, vwen öfter in PrRei, s. Lenz-Kemper (2008, 111f); Weinhold, Mhd.Gr., § 480. Genauere Verbreitungsangaben lässt die Beleglage nicht zu.

P 246

Anm. 1:  Im Afrk. gab es teils einen verkürzten Stamm iuw-, flektiert z.B iuuuemo Dat. Sg.Neutr., Otfrid, III 22,40 P. Belege finden sich nur bei Otfrid und – beschränkt auf Formen mit r-haltigen Flexiven – auch im Tatian, s. Franck, Afrk.Gr., § 173; vgl. auch Frings/ ​ Linke (1963, 91ff, 102–106); Zelissen (1969, 201ff, bes. 208f). Anm. 2:  uvve, *PsWig, 254; uwen, *Eilh S, 162[7225], 163[7226]; uwen, iv, *Roth, 1000, 4766, sind wohl den jeweiligen nd. Anteilen zuzurechnen. i

Vokalismus: iuw-, iw-, vw-, uwDie Schreibungen für iuw- verteilen sich nach Zeit und Sprachraum in sehr charakteristischer Weise: ‹iuw› dominiert nur noch in 211/ ​112, bair. und alem. auch noch in 212; Varianten sind außer ‹iuw› auch ‹iuuu› (WNot); ‹íuu, íuuv, íuvu, íuuv› (Will); ‹îuw›, Phys, 138r,7; ‹ivw› (PrZü, Muri, ZwBR). Alem.-bair., aber teils auch bair., wird seit 212 ‹iw› vielfach zur Regelschreibung.

P 247

522



V. Pronomina

i

iuw

iw

ǐw

euw

uw

u(w)

100

0

0

0

0

0

11

0

54

46

0

0

0

119

36

51

1

12

0

0

137

8

89

3

0

0

0

156

alem.

27

8

7

0

32

25

110

wmd.

0

2

0

0

0

98

180

hess.-thür.

0

0

0

0

0

100

45

omd. (²13/ ​¹14)

0

1

0

9

0

90

103

ofrk.

0

7

0

79

0

14

14

obd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris bair. alem.-bair.

n

Abb. P 118: Prozentualer Anteil der Schreibungen für iuw- in iuwer ‚euer‘ in sprachlandschaftlicher Verteilung (Prozentzahlen kursiv)

ǐw ist eine Variante von iuw, die vornehmlich in wobd. und bair. Hss. begegnet, so stets in Mar und Iw und überwiegend in DvATr und RWh. Spezifisch bair., ab 114 aber teils auch ofrk. und omd., ist euw- (‹evw-, ew-, ev-›), das die Schreibung ‹eu, ev› für nicht umgelautetes iu zum Hintergrund hat (s. § P 7). Es tritt bereits im (späten) 12. Jh. auf, und zwar stets schon in *VMos2 (21 ewer-, ever-, evr- evwer-), vgl. auch ewer, *Kchr W, 4621; everen, VMos3, 1264. Zu bair. ewer-, ever-, evr- im *UrkCorp s. WMU 2, 951. Im Korpus setzen die Belege erst in 114 ein: Bair. ObEv (14 evr), MMag (ěwer, 363, 455).  – Ofrk. GnaÜ (ew’e, 19,4; ew’en, 26,15), Renn (8 evr, eur-); Lupo (eur, 2,174).  – Omd. (schles.) LuKr (9 ewer). i i i Alem. uwer (uvver, vwer) begegnet z. B. schon in *PrFrBasel, 1v,17, sodann in alem. Urkunden aus 213 (WMU 2, 951). Es gilt stets in NikP und überwiegt in Rapp. Im Md. gelten die u-Formen (uwer, vwir, ur u. ä.) vorherrschend bis ausnahmslos. Eine nur in Texten der Straßburg-Molsheimer Hs. (AlxS, *Glaub, *HLitS) begegnende Variante ist vher(-)‌, s. Klein/ ​Bumke (1997, 199f). u-Formen finden sich auch in einzelnen obd. Quellen, zumal dort, wo mit md. Einflüssen zu rechnen ist, z. B. *RolP (überwiegend uwer); uwer, *PrPrag, 9,22, 11,7; uwiri, *ÄJud, 136; alem. (oberrhein.): uwerin, *ReinFu, 658; Flor (stets vwir); Rapp (häufig uwer, uw’). Alem. uwer(-)‌im *UrkCorp: z. B. uwerme Nr. N 1 (Straßburg 1261) 1,11; Nr. N 2AB (Straßburg 1261) 1,27; uwer, 5,27; Nr. 3057 (Basel 1298) 304,23; Nr. 3058 (Basel 1298) 304,38, uwern, 304,42. P 248

Die Verkürzung von iuwer zu iur ist in mhd. Zeit dialektal noch eng begrenzt: Im Md. ist ur(-)‌, vr(-)‌eine mfrk. Besonderheit, im Obd. aber vornehmlich bair. , wenngleich auch in einigen (ost)alem. Quellen vorkommend. Gut bezeugt sind die verkürzten Formen bereits in frmhd. Quellen: *StGallGlB II (stets iur-, 6-mal); *Gen (15  iur-, îur- = 58%); *JJud (7 ivr- = 87%); iûre, *Exod, 1075; evren, *VMos2, 1090;

523

6. Pronomina im weiteren Sinne

ivrem, *MillPhys, 115,3; ivre‫܅‬, 117,3; ivr, *SüKlMill, 57, 672; ivrre, *PrLo, 38r,8; iûr, *PrFrT8, 3r,17. Im Korpus (s. Abb. P 119) herrscht in mfrk. Texten ab 113 ur- mit wenigen Ausnahmen. Im Obd. beschränken sich ivr- und evr- weitgehend auf bair. und ofrk. Hss.. Auch im *UrkCorp (WMU 2, 951) stehen iur-, îvr-, evr- in bair. Urkunden: evren *UrkCorp Nr. 938 (Karlstein a. d. Thaya 1287) 294,5; îuren Nr. 1547 (Kloster Stams 1292) 706,41; ivr Nr.  2138 (München 1295) 326,32, ivren, 326,36.37; ivrre Nr. 3578 (Marschallin von Pappenheim A) 620,23, ivren, 620,24, ivr, 620,26.30. obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

omd. bair.

ofrk.

wmd.

²12, ¹13: hess.-thür.

rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

 ‒

 ‒



²12

 ‒

03

 096

 033

  ‒

00

03

¹13

0119

730

 031

 029

  ‒

045

00

9020

²13

 ‒

024

147

4259

  ‒

03

028

9418

¹14

 ‒

053

 022

8716

5714

0100

934

9577

011

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt. Alle Varianten des initialen Vokals sind einbezogen. Abb. P 119: Anteil verkürzter Formen mit iur(-)‌, eur(-)‌, ur(-)‌beim Poss.-Pron. iuwer 6.3.5.2. Flexion

Paradigma Sg.

P 249

Mask.

Neutr. iuwer

Nom. Gen.

iuwers

Dat.

iuwer(e)m

Akk. Pl. Nom./ ​Akk.

Fem. iuwer ~ iuwerre

iuwer(e)n

iuwer

Mask./ ​Fem.

Neutr.

iuwer

iuweriu (~ iuwer)

Gen.

iuwer ~ iuwerre

Dat.

iuwer(e)n

Abb. P 120: Paradigma des Poss.-Pron. iuwer im Obd.

Zur Fortsetzung dieser Verhältnisse im Frnhd. vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 371ff.

524



V. Pronomina

P 250

Nom.Sg.Mask./ ​Fem./ ​Neutr., Akk.Sg.Neutr. Im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr. steht im Obd. und im Großteil der md. Quellen stets die flexivlose Form iuwer (iwer, ǐwer, uwer, ur etc.). Lediglich mfrk. kommt neben ur gelegentlich auch ure vor (s. Frings 1969, 164), vor allem im Nom. Sg.Fem., so in dat i‫ ܅‬ure megetliche reinicheit, RhMl, 2401; ure Nom.Sg.Fem. auch RhMl, 832; KuG, 11335; Taul, 94v,20; Nom.Sg.Mask. 160r,9. Sonst nur vereinzelt: omd. vw’e Nom.Sg.Fem., MBeh, 226r,14. Nach Artikel auch obd.: diu iûre ge‫܅‬azte not, *Exod, 1075.

P 251

Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. Die Gestalt des Flexivs, schwa-haltig oder schwa-los, hängt von der Form des Stammes ab: Bleibt der Stamm zweisilbig (iuwer-), so wird das Schwa der Endung -es weit mehrheitlich synkopiert. Wird dagegen das Schwa des Stamms synkopiert (iur-), so bleibt das Schwa der Endung meist erhalten: -es

-s

n

iuwer-

31

69

29

iur-

67

33

12

Abb. P 121: Schwa-haltige und schwa-lose Flexivvariante im Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. (Prozentzahlen kursiv) P 252

Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. Im Md. erscheint gelegentlich die Kurzendung -en (s. § P 8) statt -em(e), z. B. vheren, AlxS, 5263; vweren, *HLitS, 404, 1277; vhen, 1093; vweren, SalH, 145,5; vwern, 141,1; uwirn, AthP, 8,127; uwern, Pass, 21,341. Selten und spät auch obd., z. B. iw’n, Hartw, M 1405. Im Mfrk. wechselt die nicht synkopierte Kurzendung -en in uren, vren (KuG, 11331; Taul, 96v,8; Yol, 3763, 5501, 5503) mit der synkopierten Langendung -me in urme, vrme (KuG, 13846; Yol, 2668, 2676, 2779, 2789, 5041; *Flors, 48; *PrKöln, 22,30), daneben auch ureme, RhMl, 2400. Der finale Vokal des Flexivs -emo, -(e)me ist in frmhd. Quellen auch obd. noch oft erhalten, z. B. iuuueremo, WNot, 6rb,16; iwerme, Spec, (4-mal, 3-mal iwerm). Ab 113 herrscht im Großteil des Obd. -(e)m, nur oberrhein.-els. erscheint -(e)me wie im i Md. noch in 114, vgl. vw’me, Rapp, 349, 17482; uwerme, 33102, 33282; md. ‫ݑ‬wírme, PrMK, 7r,30; vw’me, MBeh, 61v,22, 140v,15; zu mfrk. ur(e)me s. oben. Die Synkopierung von iu(we)rem(e) > iu(we)rm(e) hängt offenbar von der Gestalt des Stammes ab (ähnlich beim Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. und Akk.Sg.Mask., s. § P 251, P 253): Nach zweisilbigem Stamm iuwer- wird im Obd. zu mehr als 80%, im Md. zu i mehr als 60% zu iwerm synkopiert: iuwerm, ǐwerm, vwerme, uwerm und dergleichen. Nach einsilbigem Stamm iur- (< iuwer-) bleibt das erste Schwa der Endung mehrheitlich bewahrt, soweit die schmale Belegbasis ein Urteil erlaubt: ivrem, evrem, mfrk. uren (neben urme).

6. Pronomina im weiteren Sinne

525

Akk.Sg.Mask, Dat.Pl. Flexivlose Formen kommen nicht vor. Die Gestalt des Flexivs, -en oder -n, ist zum einen sprachlandschaftlich bestimmt und hängt zum anderen davon ab, ob der Stamm zwei- oder einsilbig ist (ähnlich beim Gen./ ​Dat.Sg.Mask./ ​Neutr., s. § P 251, P 252): Nach zweisilbigem Stamm (iuwer- etc.) wird häufig, nach einsilbigem Stamm (iur-, ur- etc.) nur vereinzelt synkopiert; im Korpus nur einmal: i‫ܔ‬rn Akk.Sg.Mask., BKön, 12rb,33, neben insgesamt 36-mal iuren (ivren, euren, evren, uren, vren). iuweren mit zweisilbigem Stamm wird im Obd. zu über 70% zu iuwern (iwern etc.) synkopiert, im Omd. dagegen nur zu ca. 30% und im Rhfrk.-Hess. noch seltener.

P 253

Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl. Nur die ältesten obd. Quellen bieten noch Formen des Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​ Akk.Pl.Mask./ ​Neutr. mit erhaltenem finalem Vokal, z. B. íuvuera Akk.Sg.Fem., Will, 9r,33; iwere Spec 82r,10. Bereits in 212 greifen im Obd. flexivlose Formen wie iuwer, iwer, iur um sich, in denen -e apokopiert worden ist (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 53.2). So stehen in Spec neben 7 flexivlosen nur noch zwei flektierte Formen. Ab 113 sind die flexivlosen Formen dann die kaum noch durchbrochene Regel. Im Nom./ ​A kk. Pl.Neutr. hält sich die obd. Endung -iu dagegen besser, doch wird später vermehrt auch die flexivlose Form des Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​Fem. auf das Neutr. übertragen, z. B. evr hertz ‫܅‬ínt noch blínt, ObEv, 52b,16. Im Md. bleibt die Endung -e im Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. aller Genera weit besser bewahrt als im Obd.: In 114 beträgt der Anteil der flektierten Formen uwere, ure noch etwa die Hälfte.

P 254

Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. In den ältesten Quellen steht neben dem obd. erwartbaren iuwerere < spätahd. iuwerero (vgl. iuuuerera, *PrWessA, H19a,8, H21a,14) die dem Afrk. entsprechende verkürzte Form iuuuera, *PrWessA, H21a,11; hiuero, *StGallGlB I, 2b,6. Im Obd. dominieren die Formen iuwer (ca. 60%) und iuwerre (ca. 40%). Nur selten belegt sind iuwerer, *Exod, 606; îurer, *Gen, 5108; ivrer, *JJud, 1204. iuwerre kann aus dem lautgesetztlich erwartbaren frmhd. iuwerere (< spätahd. iuwerero) durch Synkopierung des mittleren Schwa entstanden sein oder die Form iuwer‫ ēre) gedehnt (und gesenkt) werden (Paul, Mhd.Gr., § L 32). Rundung (und Dehnung) von i > ‫ݤ‬, ‫ ݥ‬erscheint im RheinMaasländ. und angrenzenden Rip. und im Thür.-Omd. (Feudel 1961, § 15b; Weinhold, Mhd.Gr., § 481; Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 54 Anm. 1; s. § P 4), vgl. z. B. Dat. Sg.Mask. ureme, RhMl, 2380; Akk.Sg.Mask. ‫ݑ‬ren, UKöln1, 12,20; vr, ‫ݑ‬res, ‫ݑ‬ren, UKöln2, 3,42, 5,4.16.18 u. ö.; Dat.Sg.Fem. ‫ݑ‬rre, JMar, 9v,6; durchgängig vrí, vrís, vrín etc. in MüRB; omd. (thür.) häufig auch in *Parad (s. § P 41), z. B. uris, 112,3; urme, 31,21, 48,33, 111,25.26.28; urin, 58,17.20, 112,22.33.37; urre, 115,19; vres, *Blume der Schauung, 369; vrme, 295, 296, 497. Westmfrk. Formen mit anl. h fehlen im Korpus; korpusextern z. B. hiren Akk. Sg.Mask. *UrkCorp Nr. 9 (Thurandt 1248); Nr. N 282 (Schöneck 1285); hore Akk. Sg.Neutr. Nr. 55 (Kloster Burtscheid 1261) 88,30.31. Lit.: Feudel (1961, § 15b); Grimm, Dt.Gr.I, 789f; IV, 343f; Habscheid (1997, 117f); Th. Klein (2000a, 161f); Paul, Mhd.Gr., § M 43; Sanders (1974, 216f); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 380–391; Weinhold, Mhd.Gr., § 481; WMU 2, 945f; Zelissen (1969, 188, 209–213).

6.3.7. Reflexive Possessiva P 267

Im Germ. wurde das aus dem Gen. des Reflexivpronomens sīn abgeleitete Possessivum zunächst nur reflexiv verwendet, und zwar für alle Genera und beide Numeri; so auch noch im Got. (Braune/ ​Heidermanns, Got.Gr., § 152 Anm. 2; Streitberg 1920, § 279.2), An. (Heusler 1931, § 398) und zumeist noch beim absterbenden ae. Possessiv sīn (Brunner 1965, § 335; Campbell 1964, § 705). Auch im Mnl. kann sijn sich noch auf das Fem. und den Pl. beziehen, wobei es sowohl reflexiv als auch nicht-reflexiv gebraucht sein kann (Stoett 1923, § 78). Letzteres ist auch im Dt. seit ahd. Zeit der Fall. Im Mhd. bestand aber die Möglichkeit, reflexive Possessiva durch die Verbindung von Gen. des Personalpronomens mit folgendem sęlp zu bilden, so dass neben dem neutralen Possessivpronomen sīn das optionale genitivische reflexive sīn sęlbes stand (s. § P 207). Im Ahd. ist sīn auf den Sg. von mask. und neutr. Bezugsgrößen beschränkt; zu seltenen mhd. Ausnahmen von dieser Regel s. § P 223.

6. Pronomina im weiteren Sinne

535

6.4. Interrogativa 6.4.1. wėlich, wilich ‚welch, wie beschaffen‘ 6.4.1.1. Lautliches

Während das Obd. nur wėlich mit Umlaut-ė kennt, konkurrieren im Md. wėlich und wilich (s. Abb. P 133). Während wilich im Mfrk. nahezu allein gilt, tritt es im übrigen Md. zumeist hinter wėlich zurück.

P 268

Anm. 1:  wėlich und wilich beruhen auf verschiedenen germ. Vorformen: *hwa-līk- > ahd. wėlīh und *hwe-līk- > got. ƕileiks, anord. hvílíkr, as. hwilīk; in den wgerm. Sprachen konkurrieren wie im Md. Nachfolger beider Formen: ae. hwelċ ~ hwilċ, hwylċ, afries. hwelik ~ hwilik, mnl. welc ~ wilc, mnd. welk ~ wilk, vgl. Kluge/ ​Seebold, EWB, s. v. welch. wėlich

wilich

n 23

obd. ²11/ ​¹12

100

0

Iw, Nib, Parz, Tris

100

0

4

bair.

100

0

53

alem.-bair.

100

0

35

alem.

100

0

53

6

94

70

79

21

78

hess.-thür.

25

75

16

omd. (²13/ ​¹14)

92

8

26

100

0

10

mfrk. rhfrk.-hess.

ofrk.

Abb. P 133: Sprachräumliche Verteilung von wėl(i)ch und wil(i)ch (Prozentzahlen kursiv)

Eine Neubildung mit wie als Erstglied, die in spätahd. Zeit zurückreicht (Ahd.Gr.I, § 292 Anm. 2; H. U. Schmid 1998, 431f), ist alem. und wmd. belegt (vgl. suslich neben solich, § P 222). Alem. Belege sind z. B. wielich, PrZü, 183ra,32; wielicher *UrkCorp Nr.  1653 (StR Hagenau 1292) 779,12; wmd. wielhi‫܅‬, Aegi, 571; wie liche, SalH, 61,2; wielgen, UKöln2, 3,6; wielhir, *TrSilv, 396; wielich *UrkCorp Nr. 1524 (Worms 1292) 691,1. Bei den md. Belegen mit wie- könnte es sich auch eine additive graphische Verbindung von welich und wilich handeln, vgl. auch zu weilhein ziln *UrkCorp Nr.  3439 (Worms 1299) 531,14. Bereits in ahd. Zeit wurde der Vokal ī von -līhh- zu i > e reduziert und spätahd. meist schon synkopiert (Ahd.Gr.I, § 292 Anm. 1; H. U. Schmid 1998, 118 Anm. 180). Die Schwa-Variante -lech/ ​-leh beschränkt sich bei wėlich wie auch bei swėlich und solich auf frmhd. Texte und ihre hs.liche Überlieferung bis 113 (s. P 134), vgl. z. B.

P 269

536



V. Pronomina

uuéleche‫܅‬, Will, 4r,1; uuélehe, 21r,29; WNot, 12vb,17; welech, HLit, 537; PrZü, 107rb,12; wilehe‫܅‬, AlxS, 4825. Gestützt durch das Muster der übrigen Pron. und Adj. auf -lich hat sich -lich/ ​-lih danach jedoch wieder als einzige nicht synkopierte Variante durchgesetzt. -lich

-lech

n

²11/ ​¹12

74

26

38

²12

77

23

22

¹13

90

10

49

²13

100

0

72

¹14

100

0

96

Abb. P 134: Zeitliche Verteilung von -lich/ ​-lih und -lech/ ​ -leh in wėlich, swėlich, solich (Prozentzahlen kursiv)

Im Mhd. tritt Synkope von wėlich > wėlch, wilich > wilch in den flektierten Formen erheblich häufiger ein als in der flexivlosen Form. Zudem ist sie im Obd. weit verbreiteter als im Md. (s. Abb. P 135). Außerdem nehmen die Belege mit Synkope im Laufe der mhd. Zeit zu, und zwar bei den flektierten Formen  – vor allem im Zeitraum bis 113  – viel stärker als bei Flexivlosigkeit (s. Abb. P 136). flexivlos

flektiert

wėlch, wilch

wėlch-, wilch-

obd. ²11/ ​¹12

  011

  013

Iw, Nib, Parz, Tris

1002

1002

bair.

 6727

 9328

alem.-bair.

 8513

1006

alem.

 7010

 8928

mfrk.

 2227

 5317

rhfrk.-hess.

 3315

 8553

hess.-thür.

 176

 8010

omd. (²13/ ​¹14)

 899

10017

ofrk.

1001

 789

insgesamt

 49121

 79183

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 135: Sprachräumliche Häufigkeit synkopierter Formen bei flexivlosem und flektiertem wėlich, wilich

537

6. Pronomina im weiteren Sinne

Abb. P 136: Zunahme synkopierter Formen bei flexiv­ losem und flektiertem wėlich, wilich

Bereits ahd. ist der Frikativ ch (< germ. *k) in wėl(i)ch, swėl(i)ch, sol(i)ch teils zu h reduziert worden (Ahd.Gr.I, § 292 Anm. 1). Im Mhd. zeigt sich dies deutlich nur im Obd. Md. steht im In- und Auslaut nahezu durchgehend ‹ch›. Nur in den hess.-thür. Texten der Straßburg-Molsheimer Hs. erscheint relativ häufig auch ‹h›, z. B. ‫܅‬ulih, AlxS, 1522; ‫܅‬ulh, 2060, 4719; welih, *Glaub, 2524, 2592; Swelih, 1209; inlautend z. B. wilehe‫܅‬, AlxS, 4825; ‫܅‬vilhe, 5291; ‫܅‬ulhe, 89, 3815 u. ö.; ‫܅‬ulehe‫܅‬, *Glaub, 81; ‫܅‬vileher, 1230; ‫܅‬velehe, 2283; ‫܅‬veleher, 3079; ‫܅‬velehe‫܅‬, 827; sulhir, *HLitS, 105; svlher, 715; sulhis, -es, 638, 1209; sulhe, 836; sulhen, 740, 990. Obd. halten sich ‹ch› und ‹h› im Auslaut bis 213 in etwa die Waage, bei beträchtlichen Unterschieden zwischen einzelnen Quellen. Erst in 114 weicht ‹h› stärker zurück. Inlautend dominiert ‹h› im Obd. dagegen eindeutig. Nur im Alem. macht es in 114 weitgehend dem ‹ch› Platz. Zuvor bildet schon ZwBR mit durchstehendem ‹ch› in ‫܅‬elch- eine Ausnahme, z. B. ‫܅‬elche, 10r,1, 25v,4 u. ö.; ‫܅‬elchir, 11r,6, 20v,4 usw. obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

omd. bair.

ofrk.

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

  ‒

  ‒



²12

  ‒

  02

673

5010

  ‒

 02

00

¹13

258

 2711

 04

6414

  ‒

2512

015

²13

  ‒

10011

5351

1315

  ‒

 015

07

012

¹14

  ‒

 405

1811

119

3116

 012

021

014

3315

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 137: ‹ch› ~ ‹h› für ch von wėl(i)ch, swėl(i)ch, sol(i)ch: Anteil der Graphie ‹h› im Auslaut

P 270

538



V. Pronomina

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

5315

omd. ²12, ¹13: hess.-thür.

wmd.

bair.

ofrk.

rhfrk.hess.

mfrk.

  ‒

 ‒

1006

10020

  ‒

805

805

²11/ ​¹12

  ‒

²12

  ‒

¹13

9734

6422

  025

 9625

  ‒

9521

²13

  ‒

8724

10048

 9416

  ‒

 018

 014

016

¹14

  ‒

2417

 9123

 7351

7942

 240

 068

023

4825

 03

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 138: ‹ch› ~ ‹h› für ch von wėl(i)ch, swėl(i)ch, sol(i)ch: Anteil der Graphie ‹h› im Inlaut

Die Graphien ‹g›, ‹gh› sind mfrk. Kennzeichen, z. B. wiligen, RhMl, 2749; wilige, 2831, 4048; Brig, 1r,28; wilg, 1r,22.24 u. ö.; wielgen, UKöln2, 3,6; wilger, *Flors, 68; wilgher, *PrKöln, 42,27; weilg, *KölnEidb, 1v,27, 6r,5.32; weilgh, 5v,12; weilgen, 4r,23.  – ‫܅‬o wilige, i RhMl, 3291; BuMi, 70r,14; ‫܅‬o wilg, Brig, 1v,7, 4v,21 u.ö; So welig, UKöln2, 6,7; ‫܅‬o weilg, v *KölnEidb, 4 ,32; – ‫܅‬ůelge, UKöln1, 1,12; ‫܅‬ůlgher, Göll, A 37; ‫܅‬ůlge, Taul, 14v,2, 15r,9 u. ö.; ‫܅‬ulg, *Merlin, 16, 62; ‫܅‬ulgen, 51. Mehrfach auch in der nordrhfrk. OxBR, z. B. wilge, 11v,17; welges, 14r,18; wylge, r 15 ,16, 15v,13; sonst nur vereinzelt: ein ‫܅‬olig me‫ܒ‬i‫܅‬ge, PrZü, 107 va,32; swiligen, *HLitS, 544. P 271

Eine schon ahd. bezeugte alem. Besonderheit sind Formen, in denen der zu h reduzierte Frikativ ch geschwunden ist (vgl. Ahd.Gr.I, § 292 Anm. 1; Weinhold, Mhd.Gr., § 490). Auch mhd. bleibt dies ein vornehmlich alem. Kennzeichen (Paul, Mhd.Gr., § L 108; Kleiber/ ​Kunze/ ​Löffler 1979, 300 u. Karte 209): Nom.Sg.Mask. weler, TrHL, 20r,2; NikP, 80rb,2; wel, *Cäc, 402; Nom.Sg.Fem. wel, ZwBR, 61r,3; weliv, 5r,5, 61r,2; Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. wel, ZwBR, 61r,5; Welez, PrZü, 110va,30; *PrHvKonst, 143v,2; weles, PrSch, 5v,9, 9v,13.16 u. ö.; Rapp, 32549, 32555; wellez, TrHL, *25v,3; Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. wele‫܅‬, Mem, 4,6; WMEv, 13,3; ZwBR, 3r,7; Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. welme, Rapp, 105; Akk. Sg.Mask. Welen, WMEv, 22,3; Gen./ ​Dat.Sg.Fem. weler, PrZü, 109vb,15; NikP 80rb,2; Akk.Sg.Fem. wele, Rapp, 413; Wel wi‫܅‬, WMEv, 13,15; Dat.Pl. Welen, ZwBR, 20v,11, 36v,12.  – Seltener auch rhfrk.-hess. belegt: Nom.Sg.Mask. wel, TrPs, *34v,2; Nom. Sg.Fem. wel, Elis, 5331, 5337, 5341 u. ö.; Nom.Sg.Neutr. Weliz, PrM, b2ra,2; omd. Dat. Sg.Fem. welir, PrMK, 4v,22. Auch im *UrkCorp stammen die wel-Belege meist aus alem. oder alem. gefärbten Urkunden (s. WMU 3, 2344; Gleißner/ ​Frings 1941, 56f). Das gilt auch für die Königsurkunde *UrkCorp Nr. 244AB (Kg Rudolf A, Gengenbach UP 1275) und die oberrhein. Urkunde Nr. N 369 (Dahn 1288): Weleme 276,23.  – Selten auch sonst: md. (moselfrk.) Gen.Sg.Mask. in wels gerechte Nr. N 282 (Schöneck 1285) 221,5; bair. (alem. Vorlage?) vmb wel ‫܅‬ache Nr. 3110 (Reichslandfr., Kg Albrecht I. Nürnberg 1298) 336,48.

6. Pronomina im weiteren Sinne

539

6.4.1.2. Verwendung

Bei wėl(i)ch steht der ursprünglichen qualitativen, sortalen Bedeutung ‚welcher Art, wie beschaffen, was für ein‘ (= lat. qualis) die weit überwiegende aussondernde Bedeutung ‚welch, wer/ ​was‘ (= lat. quis) gegenüber (s. Behaghel 1923, 372–381). Bei nicht attributivem wėl(i)ch ist prädikativer Gebrauch (qualitativ) von substantivischem (aussondernd) nicht immer sicher zu unterscheiden. Prädikativ (in qualitativer Bedeutung) z. B.: Inde were iman, [...] de din ‫܅‬o ůulede, al‫܅‬e du bis., noch dan enmochte he mir nit beweren., wilich dine ulammen enbinnen weren, RhMl, 3564; do ir‫܅‬chrak ‫܅‬y. vnde dachte, welch de‫܅‬ir gruz ‫܅‬yn mochte, BeEv, 2r,13; V‫ ܒ‬were dirre d’ p(ro) ph(et)e., ‫܅‬icherlichē h’ wi‫܅‬te., W’ v‫ ܒ‬welch diz wip i‫܅‬t, di en růrit., Wan ‫܅‬i eī ‫܅‬underīne i‫܅‬t, MBeh, 149v,12; owi, welch der iamer do wart, *RolP, 7131.  – Substantivisch (aussondernd), teils mit Angabe der Bezugsmenge durch einen partitiven Genitiv oder eine Präpositionalphrase, z. B. ‫܅‬o lat un‫܅‬er genoze. uínden mit loze., welhe ain andere ‫܅‬ůln re‫܅‬lahen, Kchr, 997; Mai‫܅‬ter, wele‫ ܅‬it daz mai‫܅‬te gebot in der ê.?, WMEv, 13,3; Von div ‫܅‬o ‫܅‬age un‫܅‬: an der ur‫܅‬tende, welhem dirre ‫܅‬ibinen wirt daz wip.?, 12,16; wêlher íwer mâk mích berêffen vmbe deheíne ‫ܔ܅‬nte.?, PrMi, 25r,23; wilg der ambtlůde, Brig, 1r,22; welhe under in, Mar, 2275; ‫܅‬i næme michil wnder, [...] welhe under den die heri‫܅‬ten wæren, Hchz, 918. Attributiv mit qualitativer Bedeutung z. B. Paradẏ‫܅‬um, daz i‫܅‬t verro hinnan, tar chom vil ‫܅‬elten dehein man., taz er herwiderwnde unde er un‫ ܅‬taz mare brunge., [...] wele‫ ܅‬libe‫܅‬ ‫܅‬iv dort lebetin, Mem, 4,6; Nu ‫܅‬eht, liebin, welich trô‫܅‬tar der gei‫܅‬t ‫܅‬i, Spec, 72v,8. Häufiger ist stattdessen schon die Verbindung von flexivlosem wėl(i)ch mit dem Indefinitartikel ėin (Behaghel 1923, 373), z. B. wir hieten iemer uon dir ciredene., welech ein gotis wůchirære. uor allen heiligen du wære, HLit, 537; nu ‫܅‬ehet, welich ein wndir da ge‫܅‬cach, *VRechte, 462; meist exklamativ: owe, welich ein helt Dv, Sybech, zemanígen eren bi‫܅‬t!, Diet, 2598; Owe, here (Ihes)u chri‫܅‬t/, welch eín wandelunge ditze i‫܅‬t!, MMag, 195; welch aín wei‫܅‬er irretvm, 807 u. ö.; Awe, welch ein groziv chraft div mínne i‫܅‬t!, Baum, 179r,12; Eý, wel ein luter andacht, Elis, 5341; Eý, welch ein ‫܅‬elec frouwe, 9887 u. ö. Aussondernd z. B. Welch ‫܅‬terne i‫܅‬t denne der morgin ‫܅‬terne, ‫܅‬o uenus i‫܅‬t d’ abint ‫܅‬terne.?, Luci, 3r,22; Wilich engel nam got ie in ‫܅‬ine hant., al‫܅‬e on dine reine hant e bewant.?, RhMl, 972; Der h’re vragendes niht v’gas, Von welme lande er mohte ‫܅‬ín, Rapp, 105. Die attributive Verwendung übersteigt die nicht-attributive bei weitem. Im Korpus beläuft sich ihr Anteil auf über zwei Drittel. Die relative Seltenheit des substantivischen wėl(i)ch dürfte in der Konkurrenz durch węr (bei aussondernder Bedeutung) begründet sein. Ab etwa 1300 tritt im Md. – besonders im Mfrk. – und teils auch im Ofrk. wėl(i)ch, wil(i)ch auch für das generalisierende Pronomen swėl(i)ch (mfrk. sō wil(i)ch) ein, s.  § P 277.

P 272

540



V. Pronomina

wėl(i)ch versieht gelegentlich schon in mhd. Zeit die Funktion des Relativpronomens (zur Erklärung vgl. Behaghel 1911/ ​1912; Curme 1912/ ​1913; Behaghel 1923, 374f; Behaghel 1928a, 718f; Beyschlag 1938), und zwar teils schon früher als bisher angenommen: Id solten thrie himele [wesen] nach them daz wir hauen gelesen. An then muge wir [einen] gesen, an welheme the sterren stien, *RBibC, 7. Teils könnte auch wėl(i)ch < swėl(i)ch vorliegen: der odír díe/, welche daz deten, díe en ‫܅‬olden keín recht han/ an den v’gen(anten) Schrot ampten, UMainz, 7,20; welche daz ‫܅‬ageten, daz ‫܅‬íe recht hetten [...], díe vírdribín ‫܅‬íe dír ‫܅‬tat, *Klagschrift, 1r,200[359,18]. Mehrfach in den lateinnahen Übersetzungstexten ZwBR und OxBR: div gnade goti‫ ܅‬ich bin. daz, wel‫܅‬ ic bin [gratia Dei sum id quod sum, Prolog 31], ZwBR, 4r,2; dv ulie‫܅‬t den wec de ‫ ܅‬hail‫܅‬, weliv nit i‫܅‬t niwā mit engī anuang an zeuahinde [refugias viam salutis quae non est nisi angusto initio incipienda], 5r,5; di urtaild e, mit wel’ e’ ‫܅‬prich[t], 10r,2; Geliche buzze ‫܅‬ollē ‫܅‬ie lyden, wylge irgē gedar gan uzzer dē clo‫܅‬t’e [Similiter et qui praesumpserit claustra monasterii egredi vel quocumque ire, c. 67,7], OxBR 15v,13. Zu weiteren Belegen aus dem 14. Jh. s. Behaghel (1928a, 719); Beyschlag (1938, 174). In spätmhd. Zeit erscheint wėl(i)ch möglicherweise schon als Indefinitum ‚irgendein‘ (vgl. aber Behaghel 1923, 378f; Glaser 1992, 115–118): Sa hant eín deil daz malat werliche an deme hare vil gnvg der paffen zware, ritter, knappe, welich man, daz wi‫܅‬zít ‫܅‬vnder allen wan, die heímeliche vnde vffenbar z‫ ݑ‬crvllen machent ‫܅‬lechtíz har ‚so haben viele Geistliche die Krankheit an den Haaren,  – Ritter, Knappe, irgendein Mann  –, die heimlich und öffentlich glattes Haar zu Locken drehen‘, PrRei, 21b,39; vielleicht auch in: weler [wilch, Taul, 156r,2] under úch hat einen frúnt [~ quis vestrum habebit amicum, Lk 11,5], *Tauler, 278,21 (oder ist quis hier als Interrogativum aufgefasst?). 6.4.1.3. Flexion P 273

Sofern es nicht flexivlos bleibt, wird wėl(i)ch pronominal flektiert. Der Nom.Sg.Mask. ist bei attributivem Gebrauch durchaus flexivlos. Dagegen konkurrieren bei nicht attributiver Verwendung flexivlose und flektierte Form, wobei md. und frühe obd. Texte zur flexivlosen Form neigen, vgl. z. B. Uuélich í‫܅‬t der dîn trût uóne trûte., áller uuîbo ‫܅‬cône‫܅‬ta? Wélich í‫܅‬t der dîn trût uóne trûte., uuante dú ún‫܅‬ih úmbe ín ‫܅‬ó be‫܅‬uôran hâ‫܅‬t?, Will, 30r,32ff, 34v,8; uuelih i‫܅‬t der min uuillo an in. uuane daz ih ‫܅‬ie habe getan. uone totlichen. ze euuigin, WNot, 21ra,15; [uon div] mugit ir wole wizzē, wilch h’ i‫܅‬t, Aegi, 1038; [...] welh der hof i‫܅‬t, welh ge‫܅‬inde., welh ir werdikeit ane ende, Mar, 2610; nu uirnim, welich der gǒte wille i‫܅‬t, TrHL, 9r,19 welch vwír wil buwyn eynen turm [...]?, BeEv, 120v,24; ‫܅‬it alle, wilich i‫ ܅‬de‫ ܅‬duuels rat!, RhMl, 635, auch 3385, 3666; weilg ir her weder dede, *KölnEidb, 7r,2, auch 5v,12, 6r,32. – Flektiert z. B. wêlher íwer mâk mích berêffen vmbe deheíne ‫ܔ܅‬nte?, PrMi, 25r,23; welher haizet der man./ newane, der manliche tugent hât, TrHL, 106v,5; welch’ hat en lib’?, MBeh, 149v,19; vnd het man ir einē verlorn, man moht niht gebruft habē, welher er gewe‫܅‬t wer, GnaÜ, 18,6.

541

6. Pronomina im weiteren Sinne

Im attributiven Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. wechseln im Obd. flektierte und flexivlose Formen, während letztere im Md. nahezu allein gelten. Nur vereinzelt erscheint hier auch das schwache Flexiv -e: Obe wilche buch der heilgen veddere in ‫܅‬ingit dz ‫܅‬elbe nit, dz wir mit rechtē laufe uollekūmē zu ‫܅ܨ‬ē ‫܅‬ceppere? ,oder welches Buch der heiligen Väter verkündet das nicht, dass wir mit rechtem Lauf zu unserm Schöpfer gelangen?‘, OxBR, 16r,30. Bei substantivischer Verwendung herrscht wie im Nom.Sg.Mask. im Obd. die flektierte, im Mfrk. die flexivlose Form, während im übrigen Md. beide Formen wechseln. Die flektierte substantivisch oder prädikativ gebrauchte Form des Nom.Sg.Neutr. kann unabhängig vom Genus und ebenso wie die flexivlose Form unabhängig vom Numerus der Bezugsgröße stehen, vgl. z. B. ube ‫܅‬i ein pechennent in demo lichinamon, uuelehez lieht unde fin‫܅‬teri ‫܅‬int., ‫܅‬o bechenno ih eino unter den liuten., uuelehez rehte unde ‫܅‬undigi ‫܅‬int, WNot, 23rb,6; Welez ‫܅‬int div manegen tor., da man hine dvrch ‫܅‬ol, PrZü, 110va,30; weles i‫܅‬t díu vaizte waide?, PrSch, 5v,9.  – Flexivlos (oder apokopiert) i z. B. Swaz wír von den riht’n han ge‫܅‬prochen., welh rihter mvgen ‫܅‬ín. oder nvt, SwSp, 45va,7; wilich ‫܅‬ínt di unrehtín wege, di wir lazín ‫܅‬uln?, PrM, b1vb,27. Der attributive Nom.Sg.Fem. ist obd. flexivlos. Nur vereinzelt ist die flektierte Form auf -e belegt: welhe kraft ím were an behaft, RWchr, 20977. Sie überwiegt e dagegen im Md., z. B. wiliche not [...] of wı liche andere plage. mach mich ge‫܅‬cheidē v vā godes minnen, BuMi, 73 ,14–16; Wylche ‫܅‬u‫܅‬ter, OxBR, 10r,28, 10v,9; flexivlos z. B. welich ‫܅‬ele, Erlös, 1288; Ey, wel gedruwe mahel‫܅‬chaft, Elis, 5331; Eý, wel inbrun‫܅‬tec minne, 5337; Wilich ere, *Roth, 2661, 2804. Im Nom.Sg.Fem. des nicht-attributiven wėl(i)ch steht die flektierte Form auf obd. -iu, md. -e neben der flexivlosen Form, vgl. z. B. uuelichiu i‫܅‬t diu ‫܅‬tīma?, WNot, 43ra,2; Uór állen dingen ‫܅‬ol menne‫܅‬che er uor‫܅‬con, uuelichiu ‫܅‬îge diu wâre gewízzeda ‚vor allen Dingen soll der Mensch erforschen, welches das wahre Wissen sei‘, *Alkuin, 46r,2. Flexivlos z. B. welch i‫܅‬t deíns laides ge‫܅‬chi[h]t?, MMag, 390; welich i‫܅‬t die ‫܅‬aminunge de‫ ܅‬lůte‫ ܅‬wene die heilige cri‫܅‬tenheit? ‚welches ist die Versammlung des Volkes wenn nicht die heilige Christenheit?‘, PrMK, 4v,21. Auch im (attributiven) Akk.Sg.Fem. kommen neben der Form auf -e seit Ende des 12. Jh.s selten auch flexivlose Formen vor, z. B. Wel wi‫ ܅‬hiez in dauid herren? ,in welcher Weise nannte ihn David „Herr“?‘, WMEv, 13,15; wande der munt wol en‫܅‬tat, welich ‫܅‬ůzze ez hat, Hchz, 551; Daz buoch un‫܅ ܅‬aget., wêlich bizeichinunge ditze habet, *Gen, 5689; ez hete in ‫܅‬inem gebote. moý‫܅‬es geue‫܅‬tent uon gote., die an der é mi‫܅܅‬etaten., welh půze ‫܅‬ie dauon hæten, Mar, *3244. attributiv obd. -Ø

Nom.Sg.Mask. Nom.Sg.Fem Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.

substantivisch md.

obd.

md.

-er ~ -Ø

-Ø ~ -er



-e ~ -Ø

-Ø ~ -iu

-e ~ -Ø

-Ø ~ -eȥ



-eȥ

-Ø (~ -eȥ)

Abb. P 139: Flexion von wėl(i)ch im Nom.Sg.Mask./ ​Fem. und Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.

542



V. Pronomina

Lit.: Behaghel (1911/ ​12); Behaghel (1923, 379f); Behaghel (1928a, 717–720); Beyschlag (1938); Curme (1912/ ​13); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 329–337; Weinhold, Mhd.Gr., § 498; WMU 3, 2344; Zelissen (1969, 13–132 passim).

6.4.2. węder ‚welcher (von beiden)‘ 6.4.2.1. Verwendung P 274

Substantivisches węder ‚welcher (von beiden)‘ leitet als duale Entsprechung von węr direkte und indirekte Fragesätze ein, z. B. Ir blinden, wederz i‫܅‬t mere, div gabe odr der altare, der da geheiliget die gabe? ‚ihr Blinden, welches von beiden ist mehr, die Gabe oder der Altar, der die Gabe heiligt? (Mt 23,17)‘, WMEv, 15,9; vnd hat d’ Richt’ vnd di pûrg’ di wal., daz ‫܅‬i vnd’ den drin gerichtē im tůnt, wed’s ‫܅‬i wellent, Rupr, 11,51. In negierten Sätzen kann węder anstelle von dewęder ‚(k)einer (von beiden)‘ (s.  § P 306), in positiven Sätzen statt ietwęder ‚jeder (von beiden)‘ (s. § P 340ff) auftreten: vr wedir ín mac iz abir wedir vircophí noch vir‫܅‬ezzí ‚keiner von beiden kann es verkaufen noch versetzen’, MüRB, 14r,18; Jnde da ín bínnen ín ‫܅‬al er wedir ‫ݑ‬p den anderen engeinen ‫܅‬chaden důen, UKöln1, 11,16. – Sie riten mit vngedolt Ir wederer [Ir itweder H] dem andern engegen, *Herb B, 13183. Nur selten und meist in bestimmten Verbindungen wird węder attributiv gebraucht, und zwar a) interrogativ in der Bedeutung ‚welcher (von beiden)‘ oder b) distributiv in der Bedeutung ‚jeder (von beiden)‘; vgl. z. B. a) er sach an einer wende, ine  weiz ze wederr hende, eine tür wît offen stên, Parz, *566,6; *UrkCorp-Belege s. WMU 3, 2337; – b) sie habet in uuether half druge thac ‚sie (Noahs Arche) hat auf jeder Seite trockene Dächer (ein trockenes Dach)‘, *RBibB, 32.

P 275

węder als Teil paariger disjunktiver Konjunktionen/ ​Subjunktionen basiert auf dem flexivlosen Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. węder, vgl. BMZ 3, 543; Behaghel (1928a, 334–339). Mit weitem Abstand am häufigsten ist węder statt newęder in der Verbindung (ne) węder [...] noch belegt. Statt noch steht vereinzelt auch joch oder oder: zv dir ha‫܅‬tv mich gebvnden. mit dinen blvdigen handen., der ich niet virgezzen mac. wed’ nach[t] ioch tac, SalH, 157,3; Daz ahte [‚das achte Gebot‘], daz du nit enqueles, wie dů dime ebencri‫܅‬ten ‫܅‬teles Weder gut ioch [noch B2N] kein ‫܅‬in habe Erlös 6881; Ei wi gar hohe wirde Was dirre selen girde, Di weder gudes richdům Joch kinde drostlicher rum Joch ir versmehekeit enschiet Von godelicher liebe niet!, Elis, *6750; – Di hýmel margariden [‚himmlischen Perlen‘] [...], Di nieman follecliche., Weder frouwen oder man., Vergelden nach ir werde kan, Elis, 10311. – węder [...] węder für lat. neque [...] neque: wande wed’ uon o‫܅‬torite, uved’ uō we‫܅‬terote, wed’ uō den w‫܅‬ten der berge (quia neque ab oriente neque ab occidente neque a desertis montibus, Ps. 74,7), TrPs, *33r,5. Als Einleitung a) direkter oder b) indirekter Fragesätzen wird węder [...] oder wie lat. utrum [...] an, engl. whether [...] or verwendet; vgl. z. B. a) weder i‫܅‬t er riter oder

6. Pronomina im weiteren Sinne

543

kneht?, TriF, 10773; weder wilt du lieber ‫܅‬terben an vn‫܅‬er frawē tag ín der va‫܅‬ten oder am karfritag?, GnaÜ, 75,18; b) ‚ob [...] oder‘: wol mugen wir un‫ ܅‬en‫܅‬tan., [...] wedir ez e i‫܅‬t ubil ode gůt, Hchz, 549; vveder wider mich ‫܅‬in m‫ݑ‬t. vvære bo‫܅‬e ode g‫ݑ‬t., de‫܅‬n we‫܅‬te ich niht die warhêit, Iw, 475; So ‫܅‬int vn‫܅‬er oren vil wite, wa‫܅ ܅‬i ‫܅‬prechen., weder ‫܅‬i ‫܅‬cherf oder linde ‫܅‬in, PrPa, 301,9; dc ich muge bewêrē., wed’ du ‫܅‬îge‫܅‬t mī ‫܅‬un E‫܅‬au ald’ niht ‚ob du mein Sohn Esau seist oder nicht‘, PrSch, 128r,9; weder he ‫܅‬eze oder ‫܅‬tunde [...], des ‫܅‬agen die ewangeli‫܅‬ten nícht, Hleb, 4v,9; zu allē zijden, wed’ iz ‫܅‬i wa‫܅‬tē od’ inbizē (omni tempore, sive ieiunii sive prandii, c. 42,1), OxBR, 9v,25. In Verbindung mit oder bei der (exklusiven) alternativen Verknüpfung von Satzgliedern (‚entweder [...] oder‘, ‚oder‘, ‚sei es [...] sei es‘), z. B. wed’ in wortē od’ in geberdē (in aliquo qualicumque verbo vel significatione, c. 34,6), OxBR, 8r,33; vnde daz dí brudere/ wedir bí vn‫܅‬eme lebene edir vn‫܅‬eme tode/ nímāt ímmer gehínderen muge, UJena, 2,9; Díe brůder ǎch dí‫܅‬es lebenes, díe ‫܅‬uln ‫܅‬ích cleíden gemeínlích vō demůtígem tůche an d’ tívri vnd an d’ varwe, daz ez wed’ wíz od’ ‫܅‬warz genzlích ‫܅‬í, *FranzRegel, 2va,12. Vereinzelt auch węder [...] unde (wohl als Konstruktionsmischung): wāt it is allet den gudē dohteren gůt., So wat du gůde můder, du brut, gedůt. I‫ ܒ‬it cumet on allet ze nůtce. Inde zů gemache., weder ‫܅‬i ‫܅‬lafe inde wache., nemeliche ī di‫܅‬eme ‫܅‬lafe., ī deme ‫܅‬i wachet [...], BuMi, 95r,13. 6.4.2.2. Flexion

Im Nom.Sg.Mask. und Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. konkurrieren flexivlose und flektierte Formen, vgl. z. B. flektiert: Nom.Sg.Mask. uil fru hůben ‫܅‬i ein ‫܅‬trît., [...] wederer ê wurde geborn, *VMos1, 841; wederer, *Herb B, 13183; – unflektiert: wedir, MüRB, 14r,18; nu ‫܅‬age du mir, ‫܅‬imeon! [...], weder den herren! ‫܅‬olte minnen mere, *AvaLJ, 883. – Der Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. wird überwiegend flektiert: wederz, WMEv, 15,4.9; Parz, 536,19, 803,2; Kchr, *4596; wedirz, *VRechte, 193; weders, ObEv, 54a,4.7; wed’s, Rupr, 11,51; – i i flexivlos: Weder i‫܅‬t nv daz mere: d’ ellu díng vō nihte machte., od’, do ‫܅‬u zerbrachē, i d’ ‫܅‬u wid’ machete?, NikP, 76vb,1. Auch in weiteren Kasus kann die flexivlose Form erscheinen, so im Akk.Sg.Mask.: In mac he abir weder gihabí [‚kann er aber keinen von beiden (d. h. weder den Richter noch seinen Stellvertreter) erlangen‘], ‫܅‬o ‫܅‬al hen uf halde mít eímí ‫܅‬íme naciburí, MüRB, 8v,11. Im Übrigen gilt pronominale Flexion, z. B. Mask./ ​Neutr. Gen.Sg. weders er geruoch­te, *RvEAlex, 8225; weders kraft, *KvWSilv, 4781; Dat.Sg. wederem, *Tr, 10273; wederm, Iw, *3832, *3847; Von ir wedrem [irme deweder H] geboten enwart Bezzerunge noch vn‫܅‬cholt, *Herb B, 13180; Dat.Sg.Fem. wederre juncvrouwen, *UvTürhTr, 1598; ze wederr hende, Parz, *566,6. Lit.: Behaghel (1923, 370–372; 1928, 334–339); Grimm, DWB 13, 2834ff; Paul, Mhd.Gr., § M 49, S 126, S 170; Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 285f; Weinhold, Mhd.Gr., § 490; WMU 3, 2336f.

P 276

544



V. Pronomina

6.5. Generalisierende Pronomina 6.5.1. swėl(i)ch 6.5.1.1. Lautliches P 277

Wie bei den anderen sw-Wörtern wie swęr (s. § P 112), swie, swanne treten auch bei swęl(i)ch ‚welch auch immer‘ spätmhd. vermehrt s-lose Formen an die Stelle der mit s- (mfrk. sō) beginnenden Formen (vgl. auch Beyschlag 1938, 176f). Vor allem ist dies im Md. – und hier besonders im Mfrk. – und teils auch im Ofrk. der Fall, während das Oobd. und Ostschwäb. an den sw-Formen festhalten. Mfrk. kommen die Formen ohne sō sehr oft in Brig vor, z. B. Inde wilg der ambtlůde dar kůmt vp den dag., die můgen kye‫܅‬en die zwene mey‫܅‬tere, Brig, 1r,22; vgl. i i ferner z. B. dar na binnē eẏme iare van deme dage, welig zijt he wilt, UKöln2, 5,25; De afgode, die inwillent ‫܅‬y neyt lai‫܅܅‬en, wilcher kvnne ‫܅‬y ‫܅‬int, Taul, 13r,7. – Rhfrk.-hess. welich ‫܅‬vnder allenthalben Sich ‫܅‬merit mít der ‫܅‬alben, des ‫܅‬ele m‫ݑ‬z gene‫܅‬en, PrRei, 162a,31; Erlös, 192; al‫܅‬o welches iars man dez phůnt geldes nit engebe, UMainz, 5,18, 8,9; OxBR, 10r,28, 14r,18 u. ö. – Omd. welch uwir ‫܅‬ich nicht abe tut alliz, des her be‫܅‬ezen hat., der mak myn iunger nicht ge‫܅‬yn, BeEv, 121r,4; MBeh, 230v,5; HTri, 3014. – Ofrk. e welich ‫܅‬chro ter daz bricht., der git ‫܅‬ehzig pfenninge z‫ ݑ‬bezzerunge, WüPo, 243vb,5, auch e va 242 ,27, 242vb,23 u. ö.; UNürnb, 10,13; 26,14; ‫܅‬welhes tuch dann gereht i‫܅‬t, daz ‫܅‬uln ‫܅‬i ra zaichē. welhes ab’ vngereht i‫܅‬t, daz ‫܅‬ol man .vj. ellen lank ab ‫܅‬neidē, *NüP, 11 ,2.  – i i Alem. nv nēmēt hín daz, Weles uch geuellet fur daz and’e baz, Rapp, 32549; auch 32555. Noch häufiger als bei wėl(i)ch (s. § P 269) wird der Vokal der zweiten Silbe von swėl(i)ch synkopiert, im Korpus bei flexivlosen Formen zu etwa 68%, bei flektierten Formen zu etwa 84%. Auch hier sind Formen ohne ch ein alem. Merkmal (s. § P 271). Im Korpus sind sie in Scop (Sueliz, 13,6), ZwBR (z. B. ‫܅‬veliv, 8v,2; ‫܅‬welr‫܅‬lat, 38r,13), SwSp (z. B. ‫܅‬wele, 44va,16; ‫܅‬welen, 115ra,18), PrSch (‫܅‬welíu, 8r,10), UFreib1 (‫܅‬wele‫܅‬, 22,13, 27,9; ‫܅‬weler, 42,19.20) und Rapp (Weles, 32549, 32555) belegt. Vgl. auch ‫܅‬o uuelero, *StGallGlB I, 2a,18; Swelv Nom.Pl., *AugustReg, 25a,9; ‫܅‬wel men‫܅‬che, *PrHvKonst, 137 v,10; ‫܅‬wel Nom.Pl., *Cäc, 212.  – Md. nur selten: ‫܅‬welin tot, PrMK, 4r,26; Suelin, *Capsula, 1r,17. Fraglich sind ‫܅‬uvil vver [= swilh iuwer?, l. swęr?], *Roth, 190; ‫܅‬wellente [= swėlh ėnde ?], *JJud, 1361. 6.5.1.2. Flexion

P 278

Die Flexion von swėl(i)ch deckt sich im Wesentlichen mit der von wėl(i)ch (s. § P 273). Unterschiede gibt es vor allem im Nom.Sg.Mask.: Bei attributivem Gebrauch stehen neben der weit vorherrschenden flexivlosen Form selten (ca. 10%) auch flektierte Formen, die nicht nur das pronominale Flexiv

6. Pronomina im weiteren Sinne

545

-er, sondern auch die schwache Endung -e aufweisen können, z. B. Swelher mvlner daz brichet, der gibt ‫܅‬ehzíc phennīg, SBNü, 16ra,13; ‫܅‬welher vi‫܅‬cher, 16rb,19; mit -e: Swêlhe (christ)en menní‫܅‬che des n‫ ܔ‬rêhte pfleget., daz er al‫܅‬o t‫ܔ‬n wíl., der m‫ܔ‬z iz vil hârte enblanten, PrMi, 19v,23; Swele br‫ݑ‬d’ [si quis frater, c. 23,1], ZwBR, 26v,1; ‫܅‬welh herre i vnde ‫܅‬wele rihter. dí‫܅‬e víer tvgende nvt en hant., den hazzet menegelích. vnde i mí‫܅܅‬evallent wí‫܅‬en lvten, SwSp, 44va,16; ‫܅‬welhe bekke ze chlein bachet, SBNü, 9rb,1; ‫܅‬welhe jude, *NüP, 7 va,10. – Auch mfrk. gelegentlich mit der dem Mfrk. sonst fremden Endung -er des Nom.Sg.Mask. ‫܅‬o wilgír, *StatDtOrd, 16r,19; ‫܅‬o weilger, *KölnEidb, 5r,13; ‫܅‬o weilg’, 7r,4. Bei substantivischem swėl(i)ch Nom.Sg.Mask. beträgt der Anteil flexivloser Formen gut ein Drittel. Bei Flexion ist das pronominale Flexiv -er (-ir) die Regel. Daneben kommt gelegentlich auch die schwache Form auf -e vor: Svele (quisquis), ZwBR, 1v,9; ‫܅‬welhe ‫܅‬in’ vrevnt den vride dāne brichet., der ‫܅‬ol ‫܅‬ín vride breche [‚Friedensbrecher‘], SBNü, 16ra,6; ‫܅‬welhe ‫܅‬o welle., der widir rede daz., der chan div bůch baz, *VRechte, 366; ‫܅‬weliche ír ge‫܅‬ígete., daz des and’n lute zv íme ‫܅‬olden kern, *PrLpz, 138vb,40. Der attributive Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. ist flexivlos, im Obd. später auch flektiert: ‫܅‬wele‫ ܅‬hv‫܅‬, UFreib1, 27,9; ‫܅‬welhes men‫܅‬ch, Rupr, 92,23; ‫܅‬welichs chínt, ULands, 18,39.40; ‫܅‬welhes zil, UAugsb2, 11,15; ‫܅‬welhez hus, Kchr, *2252; ‫܅‬welhes tuch, *NüP, 11ra,1; mfrk. vereinzelt mit schwacher Flexion: ‫܅‬o wiliche dinc nit in i‫ ܅‬redelich., ‫܅‬o wie gůt it ‫܅‬i., it i‫ ܅‬unlouelich, VLilie, 58,5. Lit.: Behaghel (1923, 379–381); Paul, Mhd.Gr., § L 108, S 123; Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 329–337; Weinhold, Mhd.Gr., § 498; WMU 2, 1723; Zelissen (1969, 13–132 passim).

6.5.2. swęder ‚welch auch immer (von beiden)‘ 6.5.2.1. Zu Herkunft und Verwendung

Zur Herkunft von swęder aus ahd. sō (h)wedar sō s. § P 111. Das zweite sō ist mhd. nur noch selten belegt und kann dann teils als Relativpartikel (Paul, Mhd.Gr, § S 163) verstanden werden, z. B. daz [‫܅‬i] ‫܅‬ich mochton cheren ze ‫܅‬uedreme ‫܅‬o ‫܅‬i wolton., ze gote. ald uon imo, PrZü, 183rb,12; er ‫܅‬prach, daz er gebiti. ‫܅‬uedir ‫܅‬o er wolti., richtum odir wi‫܅‬heit, *LobSal, 16; so gebiut dir daz únser herre got, daz du in eines zeichens bittest, sweder so du wellest, her uf von dem abgrúnde oder her zetal von dem himile, *Konr (Sch), 29,9. Wie bei den anderen sw-Wörtern entfällt das initiale s- im späteren Mhd. zunehmend (s. § P 112, P 277). Zwischen węder und (s)węder ist dann oft nicht mehr sicher zu unterscheiden, da węder und swęder auch vorher schon in denselben Kontexten auftreten können (besonders in der Verbindung węder/ ​swęder ... oder ‚ob ... oder‘, s. § P 275).

P 279

546



V. Pronomina

swęder wird in aller Regel substantivisch verwendet und nur selten attributiv, z. B. swerderz teil, *KvWSilv, 2676; sweder gemahele sîne phliht mit valscher triuwe mischet, *KvHeimHinv, 1000; sweder magt dir baz behaget, diu muoz hînaht bî dir wesen, *UvTürhTr, 1626. swęder leitet verallgemeinernde, oft irrelevanzkonditionale Relativsätze ein, z. B. ich [...] wêiz wol, ‫܅‬wederz ich kîv‫܅‬e., daz ich daran verlîv‫܅‬e, Iw, 4877; I‫܅‬t, daz ‫܅‬ich zwaí elute ge‫܅‬ament, v‫܅ ܒ‬tirbet der eínz – ‫܅‬wederz daz i‫܅‬t. – vnde lat dem andern chínt., [...] ‚stirbt einer der Eheleute  – wer immer das ist  – und hinterlässt dem anderen Kinder‘, StBA, 78ra,26; ‫܅‬weder der bruder ê gehite., dem ertailte man daz gerihte, Kchr, *11375. P 280

Ähnlich wie bei węder (s. § P 275) hat sich auch bei swęder der flexivlose Nom./ ​Akk. Sg.Neutr. zu einer mit folgendem oder verbundenen Subjunktion mit der Bedeutung ‚ob (... oder)‘, ‚wie immer‘ entwickelt: ‫܅‬ámo zîerent díh gûotív uuérch in mînero ána‫܅‬ûne., ‫܅‬uéder ‫܅‬îe gefrémet uuérden (per) (prę)lato‫܅‬. óder (per) ‫܅‬ubdito‫܅‬, Will, 22v,22; Al‫܅‬o ‫܅‬col der menni‫܅‬ke tůn., ‫܅‬ueder er ‫܅‬i iude oder un‫܅‬ere‫ ܅‬ge‫܅‬lâhte‫܅‬, Phys, 151r,4; Hie ‫܅‬int die menni‫܅‬che in ir ‫܅‬elbir gewâlte., ‫܅‬uvedir ‫܅‬i wellin nach deme himelrich arbeitin. oder nach der helle werche, Spec, 38r,7; daz he den man bi‫܅‬ende., ‫܅‬ued’ [‚was immer von beidem‘ → ‚wie immer‘] he wolli, heímiliche edir vffínbarí MüRB 23r,12; vgl. ferner z. B. sweder ros od man getrat iender ûz der rehten stat, daz ruorte die vallen, Iw, *1085; sweder ich sterbe oder da beste, *Tr, 5802; sweder er lebe oder entuo, 9187; sweder ich gelæge und oder obe, *UvZLanz, 547; sweder man si liep ald anders hete, daz huop ir harte cleine, 6186; sweder erz oder ein ander ist, *KvHeimUrst, 378.  – Auch mit unde statt oder: ‫܅‬weder ih ‫܅‬terben u‫ ܒ‬gene‫܅‬en, AlxS, 3862. – ‚sei es ... sei es‘: waz helfen dih dan ‫܅‬veder knehte oder man?, *Glaub, 2543.  – Ohne folgendes oder: ‫܅‬wed’ un‫ ’܅‬ein’. [‚wer von uns, wenn einer von uns‘] am and’n mac ge‫܅‬igen., dem ‫܅‬ol ez allez dienen., die lute v‫ ܒ‬ovch div lant, Nib, 114,2. 6.5.2.2. Flexion

P 281

Wie węder wird swęder pronominal flektiert, teils in Konkurrenz mit flexivlosen Formen. In den flektierten Formen ist meist das Schwa des Flexivs, selten das der zweiten Silbe des Stammes synkopiert. Flexivlos ist überwiegend der Nom.Sg.Mask., z. B. ‫܅‬weder, Kchr, *11375; Iw, *6960, *7069, *7280; UFreib2, 20,14; ‫܅‬wed’, Rupr, 76,27; flektiert z. B. ‫܅‬wederre, StBA, 120rb,8. Im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. scheinen flektierte und flexivlose Formen in etwa gleich häufig zu sein: flektiert ‫܅‬wederz, Iw, 4877, 4877, 4987; StBA, 76ra,8.11.26, 117 vb,2; Kchr, *5436, 5438; ‫܅‬wed’s, Rupr, 73,22, 74,7, 99,34. – Flexivlos ‫܅‬wedir, PrZü, 105va,16; ‫܅‬ueder, MüRB, 10r,24; ‫܅‬uedir, 12r,2; ‫܅‬ued’, 18r,8, 23r,12, 23v,20; ‫܅‬veder, *Glaub, 2543. Nur selten begegnen flexivlose Formen auch in weiteren Kasus: Dat.Sg.Neutr. Selic nacht v‫ ܒ‬selic tag, An ‫܅‬weder ich bi dir gelac, *Herb, 8372; Akk.Sg.Fem. sweder vart [‚welchen Weg‘] ir keren welt, *Wh, 52,27.

547

6. Pronomina im weiteren Sinne

Ansonsten herrscht pronominale Deklination: Nom.Sg.Fem. swederiu, *UvTürhTr, 1631.  – Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. ‫܅‬wed’s haus, Rupr, 93,37; sweders herze, Parz, *738,6; sweders gerihte, *StRAugsb, 67, 29; ubeles unde gůtes., ‫܅‬wederes uns wrde zemůte, *Wahrh, 40. – Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. ‫܅‬uedreme, PrZü, 183rb,12; ‫܅‬wederm, Iw, 4866; StBA, 113ra,21; *Macer, 19,7. – Akk.Sg.Mask. ‫܅‬uederen, *ArnoltSieb, 205; ‫܅‬wederen, Kchr, *11395.

6.6. Indefinita 6.6.1. Allgemeines

Gliederung der mhd. Indefinita Die folgende Übersicht über die mhd. Indefinitpronomen (Abb. P 140) orientiert sich an Paul, Dt.Gr.III, § 131 (vgl. auch Dal/ ​Eroms 2014, § 69; Fobbe 2004, 7ff; Jäger 2007; 2008, 252ff; 2010). Anm. 1:  Zur Problematik der Abgrenzung und Einteilung der Indefinitpronomina vgl. u. a. Haspelmath (1997); Fobbe (2004); Zifonun (2001, 35ff); (2007, 37ff). Zum Bestand der germ. und älteren deutschen Indefinitpronomen vgl. u. a. Behaghel (1923, 360ff); Gerring (1927); G. Bech (1952); Kolditz (1952); Danielsen (1968); Ahd.Gr.I, § 294–300; Weinhold, Mhd. Gr., § 492–498; Paul, Mhd.Gr., § M 51, S 124–129. 1

2

3

4

5

‚irgendein‘ ‚einige‘, viel‘

‚irgendein‘

‚kein‘

‚jeder‘

‚all‘

nehėin ⇒ †

iegelich

sum ⇒ † sümelich ęte(s)lich manic

dehėin, kėin ⇒ sihėin ⇒ † ėinic

ieteslich

all

negėin

ėin

‚einer von beiden‘

keiner von beiden‘ ‚jeder von beiden‘

‚beide‘

dewęder

newęder

bėide

‚jemand‘

‚jemand‘

‚niemand‘

‚jeder‘

ęte(s)węr

ieman

nieman

(-)gelīch

‚etwas‘

‚etwas‘

‚nichts‘

ęte(s)waȥ

iht

niht

ietwęder iegewęder

ėin(t)węder

‚man‘ man

Abb. P 140: Einteilung der Indefinitpronomina

P 282

548



V. Pronomina

Den Unterschied zwischen Gruppe 1 und 2 kann man im Anschluss an Paul (Dt. Gr.III, § 131) und Dal/ ​Eroms (2014, 86) so formulieren: Die Pronomina der ersten Gruppe beziehen sich auf etwas Bestimmtes, wirklich Existierendes, das der Sprecher nur nicht näher bezeichnen kann oder will, die der zweiten auf etwas Unbestimmtes, dessen Existenz entweder negiert wird oder fraglich ist. Die Pronomina der Gruppe 2 stehen daher in (auch indirekt oder durch Litotes) negierten Sätzen oder anderen nicht-affirmativen oder in einem weiten Sinne hypothetischen Kontexten (z. B. in Konditional-, Frage-, sw-Sätzen, nach Komparativ oder Superlativ), s. § P 122, P 126, P 283, P 306. Sie werden auch als „negative Polaritätselemente“ (negative polarity item = NPI) bezeichnet (vgl. den Forschungsüberblick von Penka/ ​Zeijlstra 2010). Die Kontexte, in denen diese Pron. vorkommen können, werden im Folgenden kurz als „NPIKontexte“ oder „nicht-affirmative Kontexte“ bezeichnet. Anm. 1:  Gegen den von ihr selbst zuvor (Jäger 2007) gebrauchten Terminus „non-affirmative“ wendet Jäger (2010, 788 Anm. 1) ein, dass bestimmte NPI-Kontexte wie Vergleiche affirmativ sind. Gleichwohl sei hier „nicht-affirmativ“ als Bezeichnung aller NPI-Kontexte vorgezogen, da die Alternativen engl. „affective“ und „non-veridical“ im Deutschen zu wenig sprechend erscheinen.

Die Negationspronomina (Gruppe 3) sind im Mhd. sehr eng mit den Pronomina der Gruppe 2 verzahnt – insbesondere dadurch, dass nicht nur iht und ieman wie weitere mhd. NPIs unter bestimmten Bedingungen für niht und nieman stehen können (s. Paul, Mhd.Gr., § S 147; Behaghel 1924a, 90f), sondern auch dehėin und mehr noch kėin immer mehr in den Funktionsbereich von nehėin hineindrängen, das seinerseits untergeht (s. § P 289f, P 292). Auf diese Weise ist die Aufgabe der Unterscheidung zwischen Gruppe 2 und 3 am Ende der mhd. Zeit schon weitgehend vorbereitet, wenngleich sie erst in frnhd./ ​nhd. Zeit zum Abschluss kommen wird: kein ist im Nhd. endgültig zum Negationspronomen geworden, jemand hat zusätzlich die Funktionen von mhd. ętewęr übernommen und umgekehrt etwas die von mhd. iht; ėinic schließlich hat sich im Laufe einer längeren Geschichte vom NPI zu einem quantifikativen Pron. (Gruppe 1) entwickelt (vgl. Paul, Dt.Gr.III, 147ff; Dal/ ​Eroms 2014, § 69; Fobbe 2004, 251ff; Jäger 2008, 192ff, 258–260; Jäger, 2010). Einige NPIs können im Mhd. in bestimmten Kontexten, insbesondere nämlich in daȥ-Sätzen und Sätzen, die von wænen abhängen, als Negationspron. fungieren, vgl. Behaghel 1924a, 90f; Paul, Mhd.Gr., § S 147; s. § P 122 (ieman), P 126 (iht), P 306 (dewęder). Gruppe 4 und 5 umfassen die universell quantifizierenden Indefinitpron., und zwar 4 die distributiven und 5 die kollektiven. Sie werden meist zu den Indefinitpronomina gezählt, teilweise aber auch zusammen mit den Indefinita der Gruppe 1 als Quantifikativa/ ​Quantifikationspronomina von den Indefinita getrennt. Für Gruppe 4 und 5 lässt sich das damit begründen, dass sie hinsichtlich des Bezugs auf eine bestimmte Gesamtheit definit sind. Bei Gruppe 1, den „Quantifikativa des mittleren

6. Pronomina im weiteren Sinne

549

Skalenbereichs“, fällt die Abgrenzung von den Indefinita schwerer (Zifonun 2007, 79, 130ff). Im Folgenden sind die Pron. der Gruppen 1, 4 und 5 als Quantifikativa bei den Indefinita eingereiht (s. § P 309ff). Zu ihnen ist auch ander gestellt, das auch als Ordinalzahl fungiert, s. § P 374ff. – Zu ėin(t)węder, das in seiner Verwendung wie ėin zwischen Gruppe 1 und 2 steht s. § P 307. Lit.: Ahd.Gr.I, § 294–300; Behaghel (1917a); (1917b); (1923, 360–452); Dal/ ​Eroms (2014, § 69); Danielsen (1968); Fobbe (2004); Frnhd. Gr., § M 73; Gerring (1927); Gleißner/ ​Frings (1941); Jäger (2007); (2008); (2010); Kolb (1983); Marcq (1986); Paul, Dt.Gr.III, 143ff; Sparmann (1961); Zifonun (2007).

6.6.2. dehėin/ kėin, ėinig, sihėin ‚(irgend)ein/ kein‘, nehėin ‚kein‘ 6.6.2.1. Übersicht

Die hierher gehörenden Pronomen zählen abgesehen von nehėin zur Gruppe 2 (NPI) der Indefinita (s. oben § P 282): Sie beziehen sich auf unspezifische Größen von negierter oder fraglicher Existenz und kommen dementsprechend nur in negierten Sätzen, in Konditional- und Fragesätzen, nach Komparativ oder in sonstigen nichtaffirmativen Kontexten vor. dehėin, kėin und sihėin können mit der Bedeutung ‚kein‘ auch alleiniger Negationsausdruck sein und damit als Negationspronomina fungieren. Hier ein Überblick über ihre Verwendung: Das Pronomen hat die Bedeutung ‚irgendein‘ und steht –– im Konditionalsatz: mæht im dehain gnade ge‫܅‬cehen., des ha‫܅‬t du íemer mere. beide geuǒre vnt ere, Kchr, 770; ha‫܅‬dv noch ‫܅‬prechens keíne maht., Herze liebe ‫܅‬vn, ‫܅‬o ‫܅‬prich!, Himlf, 308; Gert er ‫܅‬icheini‫ ܅‬wibis Zů nemine durch ‫܅‬in iamir, Son konde wir nicht ær‫܅‬âmir Alemandînin be‫܅‬tatin, AthP, 8,150; Inde ‫܅‬leyt hey der bůden eyngen, ‫܅‬o gilt hey eyne mark, Brig, 5v,14. –– im Untersatz eines Konditionalsatzes: i‫܅‬t íemen hie, den ich Mit deheínem leíde be‫܅‬wart han., der r‫ݑ‬ch daz hivt dvrch got lan, Diet, 3099; wær au’., daz man chain mazze in ir gwalt fûnd, di ze gros od’ ze chlain wærn., da mit ‫܅‬i di læut be‫܅‬chedigē woltē., da mag ‫܅‬i d’ Richt’ v‫ ܒ‬di pûrg’ wol ange‫܅‬p’echen, Rupr, 45,21; ge‫܅‬che uns daz gelucke, das wir mit ‫܅‬iheiner wîs bedungen daz paradîs [...], ‫܅‬o ‫܅‬olde wir mit ‫܅‬jnne u‫ ܒ‬ouh mit grozen eren heim zelande keren, AlxS, 6791; Qvemit al‫܅‬o, dat einích man van ‫ݑ‬n‫܅‬er brůder‫܅‬chaffe/ iemanne ‫܅‬in gewant borgede [...], UKöln1, 1,11. –– im Fragesatz: wêlher íwer mâk mích berêffen vmbe deheíne ‫ܔ܅‬nte?, PrMi, 25r,23; Wie mochte danne ‫܅‬ichein gedanc wizze ‫܅‬inen umbevanc? *Glaub 139; we mach mir einigen der engele bewi‫܅‬en., de got mu‫܅‬te cleiden inde ‫܅‬pi‫܅‬en?, RhMl, 1974; im obe-Satz: got hat eine ī ‫܅‬iner phlehte., vvanne die vivnfcehindage irgein., [...] obe daz gerihte ‫܅‬a irgê. odir danah keī fri‫܅‬t ‫܅‬i me, LEnt, 57,18. –– nach Komparativ: dan noh was er ein lutzil kint v‫ ܒ‬was doh wi‫܅‬er dan dihein man gri‫܅‬er, AlxS, 2506; Des augen ‫܅‬ollent lut’ ‫܅‬in, ferre clarer dan kein win, Erlös, 1258; Aber der me e erbeitē mohte Den iekeínre cri‫܅‬tenre man., Sach ‫܅‬ime ge‫܅‬ellen wol an, Daz er mvden begonde die riht, Rapp, 17298; Do clagete alexand’ mer dan ‫܅‬ihein ander ‫܅‬inē ‫܅‬cade groze, AlxS, 1074; Vvant die ‫܅‬ele is bezere dan einiche wereltliche haue, VLilie, 50,15.

P 283

550



V. Pronomina

–– im sw-Satz: u‫܅ ܒ‬ua ‫܅‬o ‫܅‬i decheinen cri‫܅‬tinen funden., daz ‫܅‬i den zu dere martere zugen, PrFr, 5,10; v‫ ܒ‬nů hatte he die gewalt mit den brieuin entpfangin, ‫܅‬wa he cheinin kir‫܅‬tin ẘnde, [‚fände‘] daz he in totite, JMar, 9r,19; wande daz ne ware njwit recht, ‫܅‬va ‫܅‬ihein vher knecht vher bote‫܅‬caft tribe, daz er dar umbe tot blibe, AlxS, 1495; So wanne du willen haues zů einicher ‫܅‬undin ‫܅‬i ze dune., ‫܅‬o i‫ ܅‬din wille crumb, PLilie, 3,12. –– neben ie, iemer ‚jemals‘: ‫܅‬i redeten, daz iz la‫܅‬ter wære., daz iz ie dehaimme romære ge‫܅‬cæhe, Kchr, *4376; So wanne ‫܅‬o wir horen ‫܅‬agen Thie grozen untruwe, So mah uns balde riwen, Thaz ie ‫܅‬ohein [dehein P] Kri‫܅‬ten man, Ther toufe an ‫܅‬ih gewan, Ie geriet then morth, *RolA, 2379; du mait dinen lif alse meislichen [= mǟzlīchen] halden, dat he dir also gehoirsam wirt alse die sunne irme scheppere inde wurde also snel, alse ie einich wint gewart, de einen hasen iagede, *PrKöln, 46,31. –– nach Superlativ + ie: do wart er zeme tode braht mit der mei‫܅‬ten not, die ie dechein menne‫܅‬che dorfte liden, PrFr, 6,4; Di aller ‫܅‬chon‫܅‬ten vrouwen, Di ie keín ouge me ge‫܅‬ach, Sach ich kvmē vf mī gemach, Pass, 6,65; Der wa‫ ܅‬der aller ge‫܅‬trui‫܅‬te man., den ie ‫܅‬ichhein romi‫܅‬e kuninc gewan, *Roth, 56. –– im ē-Satz: ih rate dir zware, daz du [...] wider keres heim zo dinē lande, e dir dihein e e e e ‫܅‬cande begagene uon mir, AlxS, 4251; Dı dridde martilie lidden dı kínt., dı ane ıren willen gemartelet ‫܅‬ínt., want ir blůt durch I‫ݖ‬m wart gegozzen., e ‫܅‬i einich vnder‫܅‬cheit mohten wizzen, RhMl, 4805. –– nach all-Ausdrücken: [...] daz er dich gnadecliche irlo‫܅‬e von allen den., die dichein vbiln willen. alde dichein rat ubir dich haben, Muri, 4v,1f; gregoríus [...] hiz ‫܅‬ich alle di ‫܅‬amnvnge, di zv rome waren. u‫ ܒ‬da bi ī keíner nehede, v‫ ܒ‬hiz ‫܅‬i gen mít den crucē. von latran, von ‫܅‬cē paule. dannen zv ‫܅‬cē petro, PrM, c1rb,23; Jnbarmet uch alle, die oren hauēt., alle, die einiche minne zů der minnen dragent!, VLilie, 19,30. –– im negierten Satz: nach dirre zit enhabet ni me. dekeine vorhte her ze mir, TriF, 12159; Reicher het, als man ‫܅‬aít, Mit im da zwelf tov‫܅‬ent man. der chom nie chein’ dan, Od ‫܅‬i lægen alle da tot, Diet, 9682; Her ne rochte nicht zo lebine. Mit ‫܅‬icheini‫܅ ܅‬cazzi‫ ܅‬vber‫܅‬ite, *Roth, 3729; Dat ‫܅‬cheiden dedde ým al‫܅‬o we, Dat er ‫܅‬ich nýt enkvnde Getroi‫܅‬tē. eine ‫܅‬tvnde Nog einich wort ge‫܅‬prechen, Yol, 5541. –– nach āne, sunder ‚ohne‘: Der sale ein gewelbe hett, [...] Das den sal gar vber zoch One dheiner ander hand tach, *Krone, 15725; werliche ‫܅‬al man uch mine iungere nennen., of ir ‫܅‬under einichen wandel. die geware minne hat under ein ander, VLilie, 60,3. –– nach litotischem sęlten, lützel, kūme etc.: Paradẏ‫܅‬um, daz i‫܅‬t verro hinnan, tar chom vil ‫܅‬elten dehein man, Mem, 4,2; da gena‫ ܅‬liuzel dehain wip oder man, Kchr, 17264; luzzil dehein’ m‫ݑ‬ze. ir deheíniv pflach., vnze ‫܅‬i geworhten die ‫܅‬ifrides wat, Nib, 65,2; der vil Reyne Mu‫܅‬t ‫܅‬terbē vmb ‫܅‬ín eigē gut; Daz ‫܅‬elten [n]u kein h’re tut, D’ luge, e er eín dorf e verlur, Lupo, 4,30; wer leven bo‫܅‬liche., daz wir dienin eime zagin., Der ime vil ‫܅‬eldene grocen ‫܅‬chadin. Durch un‫܅‬ir ‫܅‬iheini‫ ܅‬willen tot, *Roth, 1118; want ich wenen, dat ime cume einich wort geliche., dat man le‫܅‬e oue ‫܅‬unge, VLilie, 31,10. –– nach negiertem oder prohibitivem Obersatz: H‫ݑ‬tit ivch., daz iwer dehein, iht awichi. von dem rehtim wêge!, Spec, 7r,19; Er virmeide den win v‫ ܒ‬allir ‫܅‬lahte trinchin., da dehein ‫ݑ܅‬ zze ani wa‫܅‬, Spec, 76v,14; ‫܅‬ine ‫܅‬ele wold e h’ de‫ ܅‬bewarē., daz ‫܅‬ie immer durch dicheine gire. ce helle gefure, Aegi, 770; Do ‫܅‬i den lícham vffe daz velt brachten., do quam eín rabe v‫ ܒ‬ge‫܅‬tatet nícht, daz ín keín vogel ezze oder dy keín tyr, Hleb, 105v,18; iz ne wa‫ ܅‬nie e reht, daz ‫܅‬ihenime knecht oder ‫܅‬iheineme bote dihein herre mi‫܅܅‬ebote, AlxS, 6324; dı de e e e e vient nıt enmohte bedrıgen., dat he an ín behılde enígen ‫܅‬ıgen, RhMl, 4847. –– nach wæne ‚glaube ich‘ (Paul, Mhd.Gr., § S 110 Anm. 1, § S 158), z. B. den chuhte‫܅‬t du, frowe, mit dinem gibete., daz wæne ie dehein mere gitete ‚den erwecktest du zum Leben, was, glaube ich, nie jemand sonst tat‘, HLit, 652.

6. Pronomina im weiteren Sinne

551

Die Bedeutung ist ‚kein‘: –– Inder helle i‫܅‬t dehein urlô‫܅‬e., dehein nuzziv bîhte, Spec, 37r,12, vgl. auch 8v,2, 37r,11, 40r,19, 68v,5, 76v,16, 78r,15, 80r,12; ‫܅‬i heten vliehen‫ ܅‬decheinen rat, Parz, 21,28; dehein ch‫ܔ‬nch ‫܅‬o werder wa‫ ܅‬al‫ ܅‬er, Tris, 451; Eín der vble menní‫܅‬che., [...] der deheínen gedíngen hat. ze gôte., der ne hât mít ím deheíne frevde, PrMi, 23r,19; kein chovf ‫܅‬olte. da īne be‫܅‬tân, LEnt, 66,12; ‫܅‬ine varwe [...] wc ‫܅‬o menegehande v‫܅ ܒ‬o gar irrebere., al‫ ܅‬da kein varwe were, TriF, 15848; Got richet ǒch chein ‫܅‬vnde. al‫܅‬o ordenliche. [...] al‫ ܅‬hohvart, DvATr, 63r,8; Thie ‫܅‬int ane zwiuel, Thaz in dirre welde lebe ‫܅‬o hein [dehein P] man, Ther ‫܅‬ie thorre be‫܅‬tan, *RolA, 2357.

Wortstellung Nachstellung von dehėin, nehėin, kėin begegnet nur in Versdichtungen, meist in Reimposition: Ovch hort ich iv ‫܅‬elben. d’ degenheite iehen., daz man kunic deheinen. chun’ habe ge‫܅‬ehen, Nib, 108,2; daz er bot‫܅‬chafte neheine. [:] noh boten ‫܅‬ante hin heîme, Mar, 921; er uerdult(et) vī‫܅‬ter nehein [:], Mar, 2747; nje ne wart holz nehein [:] i ‫܅‬o gut noh ‫܅‬o ture, AlxS, 5562; er wolte anders. e. Ervarn v‫ ܒ‬fvrbas frogen me, Wenne i i ‫܅‬tvrbe ir m‫ݑ‬ter reín, Obe ‫܅‬v hette br‫ݑ‬der oder ‫܅‬we‫܅‬t’ keín [:], Rapp, 17613; Gezyret bas nog e nog ‫܅‬ynd Wart ny iunfroiwe keine [:], Yol, 5743; ‫܅‬i negerent durh den dur‫܅‬t iemmer mete‫ ܅‬noh wine‫܅‬. oder ce wollibe morate‫ ܅‬noh trinchene‫ ܅‬deheine‫[ ܅‬:], *Himmelr, 9,16; nune wizzen auer wir got deheinen., [:] niewan in einen, *JJud, 1032; ‫܅‬i ne gerten helfe decheine., niewan die uluht eine, 1668; wande uǒr daz mana‫܅‬es er‫܅‬tarb eine., ‫܅‬o ne gewnne du niemer mere man decheinen, 1742; vgl. ferner Kchr, *3065, *10590, *13589; *MillPhys, 33,1; *ArnoltSieb, 339; *VBalaam, 174; *Gen, 2447; *Glaub, 75; *VMarienlob, 19; *RolP, 3324, 5176, 8792; *SiebenZ, 7,4; *Herb, 2509. Häufiger ist Nachstellung nach zwīvel, z. B. ‫܅‬on i‫܅‬t zivil nehaín, LEnt, 54,15; des i‫܅‬t zwivel dehein, Diet, 2568; ähnlich *Gen, 4078, 6044; *Glaub, 1329; *HimmJerusal, 166, 259, 418; *VMos2, 624, 2610, 2624; Kchr, *11060; *RBibB, 266; Mar, *1768. Nur sehr selten stehen dehėin und nehėin in Distanzstellung: ob chunic ie deheiner [...] deheiner grozer gewnne., daz i‫܅‬t vns gar verdeit, Nib, 1394,2; unde brachen da der be‫܅‬ten mure eine., die ie burch gewan. deheine [:], *VAlex, 868; man ne ged‫ܓ‬hte du nie nehaines [:] ‚nie hattest du irgendeinen Mann im Sinn‘, Kchr, *9185; ‫܅‬i genam toten lichnamen nie nehainen., [:] noch enphie nie menni‫܅‬chen plůt *9569; Noh zeware ander marh die o‫܅‬teren neheiniz habent nihwan daz uolemæne aprili‫܅‬, *WindbKal, 3r,8; Der din ‫܅‬mach i‫܅‬t ‫܅‬o getan., er nemac geliches niht han., ‫܅‬albe uber al nehein [:], *VMarien­ lob, 111. dehėin und nehėin können dem Definitartikel vorangehen, z. B. dehêin der ga‫܅‬t, Iw, 375, nehein dv h’‫܅‬chaft ir ge‫܅‬chepfda ‚nichts von der Herrlichkeit ihrer Beschaffenheit‘, PrZü, 183rb,15; [...] daz er vf den ‫܅‬elben garten cheín den bv tvn ‫܅‬olte, d’ ím ze ‫܅‬chaden chomen mohte ‚dass er [der Käufer des Gartens] in dem betreffenden Garten nichts Derartiges errichten sollte, das ihm [dem Verkäufer] zum Schaden gereichen könnte‘, UAugsb1, 8,9; gein dat gut, dat ‫܅‬i ane horet ‚keinerlei Gut, das ihnen gehört‘

P 284

552



V. Pronomina

*UrkCorp Nr. 196​(Dietrich von Isenburg A, Gfin von Sayn UP 1273) 208,40, dikeine di lude ‚keine von den Leuten‘ Nr. 3502, 579,28. P 285

Hd. dehėin ist den übrigen wgerm. Sprachen fremd. In seiner Funktion und Bedeutung erscheint stattdessen as. ēnag, mnd. êinich, mnl. enich, ae. ǣnig (engl. any), teils auch ahd. einīg (Ahd.WB 3, 191ff; Kolditz 1952, 233, 241; Fobbe 2004, 138ff). Ebenso gilt ėinig ‚irgendein‘ (s. § P 305) auch im Rip., während es im übrigen Md. neben dem vorherrschenden dehėin nur selten vorkommt (vgl. F. Bech 1873, 269f; Behaghel 1923, 419f). Auf hess.-thür. und nd.-md. Quellen des 12./ ​13. Jh.s beschränkt ist sihėin (s. § P 291). 6.6.2.2. dehėin

P 286

Die Herleitung von dehėin (< ahd. thehėin, thohėin) ist unsicher, vgl. Ahd.Gr.I, § 29 Anm. 3, § 154 Anm. 7, § 295e; Gerring (1927, 54ff); G. Bech (1964); Danielsen (1968, 104f); Lühr (1976, 80ff); Marcq (1986); EWA II, 562f; Fobbe (2004, 139–142, mit weiterer Lit.). Das bereits im Ahd. als Ergebnis einer sekundären Gemination des -h- erscheinende ‹hh, ch› in deh-, nihėin (s. Ahd.Gr.I, § 154 Anm. 7; Gerring 1927, 7; G. Bech 1964; Fobbe 2004, 140f) ist im Mhd. vornehmlich md., s. Abb. P 141; Gerring (1927, 32–37, 82–91). Für den hohen dechein-/ ​nechein-Anteil im Korpusabschnitt obd. ²11/ ​ ¹12 sorgt Will, der sich mit seinem weit überwiegenden dechêin, nechêin auf die fränkisch-md. Seite stellt. Weitgehend zeitgleich, wie es scheint, kommen um 1200/ ​113 im Obd. und Wmd. ‹k›-Formen sowohl bei dekėin, enkėin als auch bei der Kurzform kėin auf, vgl. bes. Gerring (1927). Frühe Belege sind: dekėin: wmd. dikeni, *RolT, 1794; Dikeíne, *IdsteinSpr, 78,1; dí keín, *WernhvN, 262; di keíne, *WildM, II, 121, III, 68; alem. dekein-, TriF, 10776, 12159, 15836; alem.bair. dekaines, Spec, 20v,11; dekein, Hoff, 10r,24, 18v,25, dikein, 18v,1; bair. dekein, *UppsGeb, 3a,15, 6b,18; dekeiner, 3a,16; enkėin ist zunächst vor allem wmd.: en keinnen, *FriedbChrist, 11,1; en keine, *GothFiebers, 407ra,54; inkein, *ErnstA P, 5,20.26, inkeine, 1,30; ínkeinír, *WernhvN, 494, inkeín, 586; ínkeín, *WildM, IV 65; alem.-bair. enkaine‫܅‬, Spec, *31r,16, *35,28; In kaine, ZwBR, 6v,5; inkaim, 7 v,5; vgl. schon alem. nekheinen, *EngelbGeb, 9r,14. kėin: alem. oft schon in LEnt, z. B. kein- 1,8, 12,9, 13,25, 27a,16, 28,2.4 u. ö., kain, 18,6; kain-, ZwBR, 5v,11, 10r,14, 25v,7, 26v,14, 31r,9 u. ö., kaime, 6v,5, 32r,7 usw.; kein-, TriF, 11547, 15844, 15848, 15882, 16567, 16606; wmd. ken, RhTun, 218; keín, *WernhvN, 125, 604, keínír, 146; keíne, *WildM, II, 66; IV, 154. kėin ist in spätmhd. Zeit ein alem. und mehr noch rhfrk.-hess. Kennzeichen. Anm. 1: Die k-Formen sind verschieden erklärt worden, vgl. bes. Behaghel (1913, 180); Gerring (1927, 42ff, 107ff). Vermutlich handelt es sich um Lautsubstitution (Danielsen 1968, 97f, 101; vgl. auch Gerring 1927, 107): In [dәxein], [nә-, әnxein], [xein] stand der Frikativ [x]

553

6. Pronomina im weiteren Sinne

im Anlaut einer betonten Silbe; da er dort sonst nicht vorkam, trat der in dieser Position gewöhnliche, phonetisch nächstliegende Laut für ihn ein: [k] (md.), [kh] oder [kχ] (obd.). Bei jüngerem obd. chein ist daher unentscheidbar, ob der initiale Kons. schon [kχ] oder noch [x] ist.  – Bei enkėin mag die von Gerring (1927, 42–44) vertretene Entwicklung des velaren Nasals in [әnχein] > [әŋχein] > [әŋkχein] den Lautersatz befördert haben. Allerdings beruht der zeitliche Vorsprung von enkėin, den Gerring (1927, 44, 111) annimmt, auf einer veralteten Datierung: Die Hs. des *FriedbChrist wird inzwischen erst in den Anfang des 13. Jh.s datiert (Schneider 1987, 112). -h-

-ch-

-k-

n

obd. ²11/ ​¹12

59

41

0

75

Iw, Nib, Parz, Tris

93

7

0

90

bairisch

98

2

0

238

alem.-bair.

84

9

8

105

alemannisch

60

12

28

187

rhfrk.-hess.

3

6

91

35

ostmitteldeutsch

32

66

2

156

hess.-thür.

49

51

0

80

omd. (²13/ ​¹14)

14

82

4

76

ostfränkisch

98

0

2

87

Abb. P 141: Sprachräumliche prozentuale Verteilung von ‹-h-›, ‹-ch-›, ‹-k-› in dehėin, nehėin (Prozentzahlen kursiv)

Auch Formen mit der Vorsilbe di- sind vornehmlich md., vgl. Gerring (1927, 24–26, 78f). So z. B. dihein-, AlxS, 414, 414, 1215 u. ö.; LuKr, 186, 540, 801 u. ö.; dichein-, TrPs, 3r,14; Aegi, 242, 359, 770, 828 u. ö.; AlxS, 40, 2261, 6241; MüRB, 1v,18, 2v,15, 3r,2 u. ö.; dikein-, SalH, 79,13, 155,2; Hleb, 107r,4, 181r,8 u. ö.; Pass, 6,43, 13,42. Sie finden sich aber auch in frmhd. obd. (BaGB, 140,6, 147,17; Kchr, 8742), und zwar besonders alem. Quellen (RPaul, 141; PrZü, 107 vb,18, 108rb,19; oft in Muri, Scop). Zu Urkundenbelegen mit di-, die wiederum vor allem alem. sind, s. WMU 2, 362.

die-, der-, den-, du-hein, -kein Gelegentlich kommen md. (besonders rhfrk.) auch Formen mit die- vor (vgl. Gerring 1927, 79, 122; Danielsen 1968, 114), z. B. die chein zale, TrPs, *60r,2; diekeine wi‫܅‬, SalH, 33,8; diekein ander wec, 70,13; virleide vn‫܅‬. īdiekeine bekorvnge, 146,14; die kein ge‫܅‬lehte, Himlf, 102; die kein brediere, 1753; die keíner hande gvt, PrRei, 18a,12; die keínen vnflat, 23a,16; die keine ‫܅‬tedekeit, 23b,4 usw.; díe keíner ‫܅‬lachte not, HTri, 3350; diekeíne phorte, *PrLpz, 139ra,20. Auch in alem., speziell els. Urkunden, s. WMU 1, 362. Sonst obd. selten, z. B. diehein kri‫܅‬ten man, *RolP, 2379; dieheiner dinge, *AugustReg, 44a,30. Die häufige Getrenntschreibung die kein- könnte auf Anlehnung an die Artikelform die beruhen, die auch seltenes der keiner erklärt, s. Gerring (1927, 122f),

P 287

554



V. Pronomina

vgl. z. B. derkeín, Himlf, 721; d’hain en, MMag, 397; d’hainer, *GvJudenb, 1085; der­ cheinen, *StatDtOrd, 31r,19; der keíne, *PassSpM, 288. Insbesondere alem. sind die Sonderformen den-, dem-hein, -chein, -kein (Gerring 1927, 123f; WMU 1, 362), z. B. denheîner‫܅‬lahte *UrkCorp Nr. 305 (Hinwil 1277) 297,23; denheine Nr. 1534 (Hagenau UP 1292) 697,15; denheinen Nr. 2217 (Bf von Straßburg UP 1295) 369,24; denhain Nr. 2273 (Rottweil UP 1295) 406,14; Nr. 3294 (Rottweil 1299) 447,1; Nr. 3407 (Gf von Hohenberg 1299) 510,8; denhein Nr. N 167 (Kloster Neuweiler UP + Geisweiler UP 1279) 133,15; denkein Nr. 244AB (Kg Rudolf A, Gengenbach UP 1275) 243,12, 245,5; denkeinin, 244,46; denkeinre Nr. 360 (Weißenburg UP 1278) 335,27; denkein, 336,8; dirre vor genanter pfleger den keiner Nr. 1216 (Villingen 1290) 481,38; den kein knabe Nr. 2433 (Herren von Lichtenberg A 1296) i 505,9; den kein fremedes [vihe] Nr. N 109B (Straßburg 1272) 81,26.  – von demheini andern manlehin Nr. 102 (Konstanz 1267) 150,44.

Eine gleichfalls alem., speziell els. und hier insbesondere Straßburger Sonderform ist du-, dv-, dú-, d‫ݐ‬-hein, -kein, s. Gerring (1927, 79f); WMU 1, 362. Belege in Straßburger Urkunden a. 1263: dvhein *UrkCorp Nr. N 34, 24,16; dukein Nr.  N 35, 24,38; dukeiner, 25,4; duheinre Nr. N 40, 29,14; dukein, 29,15; Nr. N 47, 33,12; duheiner Nr.  N 45, 32,23; duheinre Nr. N 43, 30,32; Nr. N 47, 33,23.36, 34,6.8 usw.; dvHein Nr. 240 (Säckin­ gen 1275) 238,43; dvheîn Nr. 1295 (StR Rheinfelden 1290) 537,36; d‫ݐ‬heiner Nr. 2048 (Zürich 1294) 276,22; d‫ݐ‬heinem Nr. 2395 (Neuenburg a.Rh. UP 1296) 484,12; dukeinre Nr. 2558 (Gengenbach UP + Offenburg UP 1296) 578,30; duheinre 3279 (Colmar UP 1299) 435,11. P 288

dhėin Synkopiertes dhėin ist eine vornehmlich oobd. Kennform (vgl. Gerring 1927, 80– 82), z. B. dhein, BKön, 6rb,31, dheinē, 6va,23, 11va,2, dheniv, 8rb,1, dhain, Rupr, 78,4; sehr häufig in ULands, z. B. dheín, 1,11.14, 2,16, 3,21, 4,5.6.8.9 usw.; dhein, Baum, 111r,20; ofrk. dheín, GnaÜ, 99,8; UNürnb, 1,13, 7,9, 8,11, dheíner 4,11, 33,29, dheínen 4,11, 10,38, 18,11, dheínem 10,25. 6.6.2.3. kėin (hėin, chėin)

Neben dehėin, nehėin treten seit 211 gelegentlich durch Fortfall von de-, ne- die Kurzformen hėin, chėin auf. Ab dem ausgehenden 12. Jh. erscheint kėin mit k-Anlaut (s.  § P 286 Anm. 1) zunächst vor allem im Alem. Im 13. Jh. setzt sich kėin schnell auch im Rhfrk.-Hess. durch und greift auch auf das Ofrk. und Omd. über (schon in JMar stets kėin). Im Oobd. kommt es zwar schon früh vor, kann gleichwohl aber nur zögernd Fuß fassen (s. Abb. P 146; Gerring 1927, 93–107, 116–120). Frühe Belege der Kurzformen sind z. B. hilf mir [...] daz necheina mina ‫܅‬unta. noh heina vara de‫ ܅‬leidigin viante‫ ܅‬mih ‫܅‬o girran megin., daz [...], *Otloh, 162v,12; Of in chein kint bequemen inthen wegen, thaz sie in af næmen thaz leben, *RBibB, 189; Dv ‫܅‬olt dínen herren. niht gar zeverre. Mit cheínen dingen bechorn, *AvaLJ, 509; ‫܅‬i

555

6. Pronomina im weiteren Sinne

ge‫܅‬wichen im niemer zehainer‫܅‬lahte not, Kchr, *6739; ‫܅‬i ne megen zehainer ‫܅‬tunde. ge‫܅‬prechen mit dem munde., ‫܅‬ich enube der tieuel dar inne, Kchr, 8174; zehainer rede, 8483; erne cherte cheinen ‫܅‬inen můt weder an chint noch an tumben man, *VAlex, 158; ‫܅‬o wolt er ninieht geliegen. noch ‫܅‬ich fone cheiner wareht [= warheit] gezien, 226; wan diz nie chein man negerihte, 271; daz begundin ‫܅‬ider ruwen leider alze ‫܅‬pate ze cheineme ‫܅‬ineme rate, *Glaub, 838. Im Rip. gelten ausschließlich das nördliche ėinig und negėin statt hd. dehėin/ ​kėin, nehėin, während kėin und enkėin ab dem späteren 13. Jh. auch in moselfrk. Quellen nachweisbar sind, so oft in Yol: kein, 3184, keiner, 3354, 3414, 3669, 5295, cheiner, 3561, keinen, 5452, keine, 5743. Im *UrkCorp z. B. inkeyne Nr. 73 (Neuerburg 1263) 114,3; inkeynerhande, 114,6; keinis Nr. N 282 (Schöneck bei Koblenz A 1285) 220,40; inkein, 220,36.42, 221,5.

Die Verbindung ie + kėin (Weinhold, Mhd.Gr., § 492) wird trotz gelegentlicher Zusammenschreibung nicht als univerbiert zu gelten haben, zumal auch ie + dehėin häufig belegt ist, vgl. z. B. íe cheín, Baum, 172v,7; iekeínre, Rapp, 17298; iekeín, Hleb, 7r,17, 206v,1; íe keíns, 107r,19; ie keín, Pass, 6,65. – ie dehain, Kchr, 493, 16782; ie deheinin, Spec, 74v,5; ie dehein(-)‌, HLit, 652; PrZü, 109ra,18, 113vb,17; Hchz, 181, 321; Tris, 542; Nib, 1394,2. Verwendung von dehėin und kėin Im Laufe der mhd. Zeit wurde dehėin immer häufiger in negierten Sätzen und in der Funktion von nehėin verwendet, und für kėin gilt dies schon seit dem Aufkommen dieser Form. Damit nahmen dehėin und kėin mehr und mehr die Bedeutung ‚kein‘ an und machten nehėin auf diese Weise überflüssig. Es liegt daher nahe, dass dieser Funktions- und Bedeutungswandel von dehėin und kėin das Verschwinden von nehėin im Spätmhd. (s. § P 292) wenn nicht bewirkt, so doch wesentlich befördert hat. Bei dehėin steigt der Anteil seiner Verwendung in negierten Sätzen von etwa einem Drittel in frmhd. Zeit auf ca. 80% in 114 (s. Abb. P 142). dehėin

im negierten Satz

Bedeutung

im nicht negierten Satz

neben (weiterer) Negationsform

dehėin ist alleinige Negationsform

n

‚irgendein/ ​kein‘

‚kein‘

²11–²12

25

 9

67

¹13

43

20

36

132

²13

25

29

47

129

¹14

47

34

19

140

36

24

40

506

Durchschnitt

‚irgendein‘ 105

Abb. P 142: Verwendung und Bedeutung von mhd. dehėin in zeitlicher Hinsicht (Prozentzahlen kursiv)

P 289

556



V. Pronomina

Noch deutlicher sind die Verhältnisse bei mhd. kėin: Es beschränkt sich im Schnitt zu etwa 90% auf negierte Sätze (s. Abb. P 143f). Bereits im LEnt, dem ältesten Korpustext mit häufigen kėin-Belegen, entfallen von insgesamt 36 kėin 31 (86%) auf negierte Sätze und in 13 (= 42%) dieser Fälle ist kėin der alleinige Negationsausdruck, was in etwa dem Korpusdurchschnitt entspricht. Abgesehen vom Rip., das kėin (und dehėin) nicht kennt, scheint es diesbezüglich keine nennenswerten dialektalen Unterschiede zu geben (s. Abb. P 144). kėin

im negierten Satz

Bedeutung

im nicht negierten Satz

neben (weiterer) Negationsform

kėin ist alleinige Negationsform

‚irgendein/ ​kein‘

‚kein‘

‚irgendein‘

n

²12/ ​¹13

50

39

11

²13

54

38

8

 78

¹14

54

37

9

218

53

38

9

340

Durchschnitt

 44

Prozentzahlen kursiv

Abb. P 143: Verwendung und Bedeutung von mhd. kėin in zeitlicher Hinsicht sonst

n

bair.

im negierten Satz 21

91%

2

23

alem.-bair.

52

98%

1

53

alem.

80

93%

6

86

ofrk.

41

91%

4

45

wmd.

68

88%

9

77

hess.-thür./ ​omd.

47

87%

7

54

309

91%

29

338

Insgesamt

Abb. P 144: kėin im negierten Satz und sonstigen Umgebungen Anm. 1:  Die Zahlen von Abb. P 144 beruhen auf einer strukturierten Auswahl aus den ca. 675 Korpusbelegen von kėin. P 290

Während ahd. thehein und zunächst auch frmhd. dehėin nur die positive Bedeutung ‚irgendein‘ hatten, schuf das zunehmende Auftreten von mhd. dehėin und kėin in negierten Sätzen die Voraussetzung dafür, dass sie auch ‚kein‘ bedeuten konnten. Denn dehėin erschien nun in derselben Position wie nehėin bei gleicher negativer Bedeutung der Aussage: ‚nicht irgendein‘  – ‚[nicht] kein‘ (mit doppelter Negation); vgl. z. B.

6. Pronomina im weiteren Sinne

dáz ír dîe dé‫ ܅‬ne írret mít dechêinemo uuérltlíchen ‫܅‬trepitu ‚dass ihr die daran nicht hindert mit irgendeinem weltlichen Lärm‘, Will, 50v,31 nie kein gelert man. ‫܅‬o getanes began, LEnt, 35,15

557

purgatio peccatoru(m)., díu der nûo ê de‫ ܅‬nemóhta uuérdan. mít nehêinemo ‫܅‬anguine ‫܅‬acrificioru(m) ‚die Reinigung von den Sünden, die zuvor durch kein Opferblut erfolgen konnte‘, Will, 31r,6 nie nehein holz ‫܅‬o dvrre wart, PrZü, 109ra,27

Bisweilen erscheinen dehėin/ ​kėin und nehėin auch im selben Satz: unte ‫܅‬îe nechêin gedínge nehând an ín ‫܅‬élbon. dúrch dechêina íro uuóletât, Will, 16v,28f; unte in állen dén., dîe der nîene hábent dechêine maculam grauiori‫ ܅‬peccati. nóch nechêine rugam mendo‫܅‬ę duplicitati‫‚ ܅‬und an all denen, die weder irgendeinen Makel einer schwereren Sünde noch irgendeine Runzel trügerischer Doppelzüngigkeit an sich haben‘, Will, 21r,3ff. In solchen Verwendungen konnte dehėin/ ​kėin als funktions- und bedeutungsgleich mit nehėin reinterpretiert und dann als nehėin-Äquivalent weiter benutzt werden. kėin ist häufig wie nhd. kein schon alleiniger Ausdruck der Negation, vgl. z. B. e diem‫ݑ‬t r‫ݑ‬met ‫܅‬ich nihte‫܅‬. zecheinem dinge. ‫܅‬prichet ‫܅‬i, daz vngelimphlich lv te ‚Demut rühmt sich in keiner Beziehung; zu keiner Sache äußert sie, was unangemessen lauten würde‘, DvATr, 29r,17; Ez mag mít rehte keín gebure rihter ge‫܅‬ín, SwSp, 48ra,10. In der positiven Bedeutung ‚irgendein‘ (wenn auch in NPI-Kontexten) tritt kėin nur noch gelegentlich auf, und zwar bis zum Ende der mhd. Zeit und im Md. etwas häufiger als in (ost)alemannischen Quellen, vgl. z. B. Sva och der heilige c(r)i‫܅‬t. hete keine vvi‫܅‬t. odir an ‫܅‬velher ‫܅‬tete keine gnadi er tete., iz ‫܅‬i kirche odir mure., daz zer‫܅‬toret der vngehure ‚wo immer der heilige Christus irgendeinen Aufenthalt hatte oder an welchem Ort er irgendeine Gnade erwies, sei es Kirche oder Mauer, das zerstört der Scheußliche‘, LEnt, 28,4; al‫܅‬o zæm. daz niht, der [‚wenn jemand‘] gei‫܅‬tlich liebe zecheiner itelcheit cheret, DvATr, 28r,12; Daz í‫܅‬t darvmme, wanne ‫܅‬i [i. e. di‫܅‬es heyligen bekerunge] wunderlicher i‫܅‬t danne íe keíns heilígen me, Hleb, 107r,20; So ‫܅‬ůlde er daz fil wol bewarn, daz kein men‫܅‬he dor‫܅‬te farn hien wid’ an daz riche, da von er ‫܅‬hemeliche Da vor fertrieben were, Erlös, 254. Es zeichnet sich somit in mhd. Zeit schon klar ab, dass dehėin und sein Nachfolger kėin sich zum reinen Negationsausdruck entwickeln und damit aufhören, ein negatives Polaritätselement zu sein (vgl. auch Jäger 2008, 260ff; Jäger 2007, 160ff). Anm. 1:  Im Frnhd. tritt kein noch im 14. und 15. Jh. in der Bedeutung ‚irgendein‘ auf, danach nur noch selten, vor allem nach Komparativ, vgl. Frnhd.Gr., § S 13. 6.6.2.4. sihėin

Neben dihein, dichein begegnet in hess.-thür. und teils auch md.-nd. Quellen aus 212–113 sihein, sichein ‚irgendein‘ (s. Abb. P 145; vgl. Gerring 1927, 126ff; Danielsen

P 291

558



V. Pronomina

1968, 113; Th. Klein 1982, 173ff; Klein/ ​Bumke 1997, 310f; unrichtige Verbreitungsangaben bei Schröder 1925, 157; Michels 1921, § 10 Anm. 3).  – Zur Herleitung von sihvgl. Gerring (1927, 126ff); Danielsen (1968, 104f); Fobbe (2004, 52f, mit weiterer Literatur). sihėin erscheint häufig in Texten der Straßburg-Molsheimer Handschrift (AlxS, *Glaub, *HLitS), in GRud, AthP, MüRB (‫܅‬icheínír, 1r,21, ‫܅‬icheín, 9r,4, 13v,8, 15r,16) und in *Kchr H (z. B. ‫܅‬icheinen, 903, 5031; ‫܅‬ichein, 1174; ‫܅‬ichen, 1619, s. auch Schröder 1892, 13), z. B. Stirbit abír der kinder ‫܅‬icheín vnde leizit vrot [l. vort] kint., den kindin ‫܅‬al min gebi, ‫܅‬uaz vrmí vatirí von vrme eldiruatirí werdi mochtí ‚stirbt aber irgendeines dieser Kinder und hinterlässt seinerseits Kinder, den Kindern soll man geben, was ihrem Vater von ihrem Großvater zukommen konnte‘, MüRB, 15r,16; Do clagete alexand’ mer dan ‫܅‬ihein ander ‫܅‬inē ‫܅‬cade groze, AlxS, 1074; iz ne wa‫ ܅‬nie reht, daz ‫܅‬ihenime knecht oder ‫܅‬iheineme bote dihein herre mi‫܅܅‬ebote, AlxS, 6324. Außerdem findet sihėin sich bei den älteren hochdeutsch schreibenden Niederdeutschen: *PsWig (‫܅‬ichein, 39, 114; s. Loewe 1892, 437), *Roth (‫܅‬ichein, 3327, 3721, 3743, 5084, ‫܅‬ich hein, 56, ‫܅‬ig ein, 4273, ‫܅‬icheinir, 570, ‫܅‬ichenir, 587, ‫܅‬ieheini‫܅‬, 663, ‫܅‬iheini‫܅‬, 1118, ‫܅‬icheini‫܅‬, 3729, ‫܅‬igenin, 2805, ‫܅‬icheine 4808). Folgende Sonderformen treten nur in diesem Umkreis auf: sehein, *RolS 1461, segein, *PsSchleiz, 1v,8 und ‫܅‬o heiner, *RolA, 3588, ‫܅‬o hein, 2357, ‫܅‬oheinen, 2359; ‫܅‬o cheinen, *Roth, 1623; *Iw A (‫܅‬o hein- 33-mal, dehein 9-mal, vgl. Luckin 1921, 91f [mit falscher Einordnung von dehein, 3351]). AlxS

dehėin

kėin

ėinig

6

0

0

sihėin 8

n 57

14

*HLitS

3

0

0

2

40

5

*Glaub

4

1

0

3

37

8

GRud

0

0

0

2

100

2

AthP

0

0

0

2

100

2

MüRB

22

0

0

4

15

26

*PsWig

1

0

0

2

67

3

*PsSchleiz

0

0

0

1

100

1

*Roth

2

0

1

14

82

17 19

*RolA

15

0

0

4

21

*RolS

3

0

0

1

25

4

*Iw A

9

0

0

32

78

41

Abb. P 145: Vorkommen von sihėin ‚irgendein‘ (Prozentzahlen kursiv)

Im Unterschied zu dehėin, kėin wird sihėin ähnlich wie mfrk. ėinig nur selten in negierten Sätzen verwendet (lediglich in 3 von 43  Belegen), z. B. nwet ne ‫܅‬al cumen zo thi ‫܅‬ichein vuel ‚nicht kommen wird zu dir irgendein Übel‘, *PsWig, 39; nicht ne i‫܅ ܅‬ichein vnrecht an hime, 114; s. auch § P 283.

559

6. Pronomina im weiteren Sinne

6.6.2.5. nehėin ‚kein‘

Das Negationspronomen nehėin ‚kein‘ setzt ahd. neh(h)ėin, noh(h)ėin (Danielsen 1968, 92ff; Fobbe 2004, 138ff) fort. Zu seiner Flexion s. § P 296. nehėin (enhein, enkein, enchein etc.) ist im Obd. schon um die Mitte des 13. Jh.s und im nicht-mfrk. Md. in 114 fast völlig verschwunden, während sich die entsprechende mfrk. Form negėin (engein, gein) noch unangefochten hält (s. Abb. P 146f). Anm. 1:  In Bezug auf das Md. zu relativieren ist demnach Behaghels Aussage: „nihein gehört der älteren Sprache an; etwa seit dem Ende des 12. Jahrh. verschwindet es im Hd. fast gänzlich, lebt jedoch vereinzelt im heutigen Alem. fort“ (Behaghel 1923, 425; vgl. auch Behaghel 1913, 179f; Jäger 2007, 160f).  – Schon die großen Epenhss. aus 113 bieten nehėin, enkėin nur noch resthaft: In Iw B fehlt es ganz, in Nib C und B finden sich noch je zwei Belege; etwas häufiger erscheint es in Parz D und *Wh G, doch auch hier neben ca. 7-mal häufigerem dehėin, kėin. dehėin

kėin

ėinig

nehėin

²11/ ​¹12

36

0

0

64

75

²12

39

19

0

42

188

obd.

n

¹13

63

15

0

23

301

²13

35

60

0

5

262

¹14

48

50

0

2

408

Prozentzahlen kursiv

Abb. P 146: Zeitliche Verteilung von dehėin, kėin, ėinig, nehėin im Obd. dehėin

kėin

ėinig

nehėin/ ​negėin

²12

10

10

0

80

10

¹13

6

1

6

87

108

rhfrk.-hess.

²13

44

50

0

6

34

¹14

7

91

0

3

169

mfrk.

²13

0

0

54

46

195

¹14

1

7

27

66

119

²12

29

0

0

71

31

¹13

13

0

0

87

115

²13

28

17

0

55

78

¹14

23

77

0

0

53

wmd.

hess.-thür./ ​omd.

n

Abb. P 147: Zeitliche Verteilung von dehėin, kėin, ėinig, nehėin/ ​mfrk. negėin im Md. (Prozentzahlen kursiv)

Ein Hauptgrund für das weitgehende Verschwinden von nehėin (enhėin etc.) im Spätmhd. dürfte sein, dass dehėin und kėin im Laufe der mhd. Zeit immer stärker in den Verwendungsbereich von nehėin eindringen und nehėin damit zunehmend seine Existenzberechtigung rauben (s. § P 289f). Nicht betroffen davon ist mfrk.

P 292

560



V. Pronomina

engėin (negėin), wie auch mfrk. ėinig weit seltener in negierten Sätzen erscheint als dehėin, kėin (s. § P 289); während dehėin zu ca. 60% und kėin zu ca. 90% in negierten Sätzen auftreten, ist dies bei ėinig nur zu ca. 20% der Fall. Bemerkenswert ist der starke Rückgang von mfrk. ėinig von 213 zu 114. Grund dafür ist zum einen wohl das Vordringen von kėin in moselfrk. Quellen aus 114 (s. § P 305). Zum anderen erscheint in den zuvor für ėinig reservierten nicht negativen NPI-Kontexten nun gelegentlich auch negėin, z. B. wir [...] ‫܅‬ůlen des ‫܅‬icherheít důn, of wir engeinen breif ove i haíntfe‫܅‬te dar ‫ݑ‬uer biheilden, dat de herna ingeẏne macht haven ‚wir sollen verbindlich versichern, wenn wir irgendeine Urkunde dazu besäßen, dass die hiernach keine Gültigkeit hat‘, UKöln2, 3,10; J‫܅‬t oich in geiner des vůrgenanten vn‫܅‬es heírren, des Rome‫܅‬chen kůninges Albrechtes, Helfer in de‫܅‬en díngen in vn‫܅‬en Ban kůmen, den ‫܅‬ůlen wír dar vz lazen ‚wenn einer der Helfer unseres zuvor genannten Herren, des römischen Königs Albrechts, in diesem Zusammenhang von uns gebannt worden ist ...‘, UKöln2, 3,42; [W]ant eme herzeliche was leit, [Da]t eý ir geín danne reit ‚... dass je einer von ihnen fortritt‘, Göll, A 247. Dies ändert nichts daran, dass ėinig im Rip. wenigstens bis Ende des 15. Jh.s noch vornehmlich in NPI-Kontexten gebraucht wird. P 293

Formales Das Präfix neh- erscheint mhd. in mannigfacher Abwandlung. Zu ihr gehört zunächst die Variation -h- ~ -ch- ~ -k- ~ -g-. negein (jünger engein, ingein) ist die kennzeichnend mfrk., besonders rip. Form, die sich zu mnl. negheen (engheen, gheen), mnd. negên (engên, gên) stellt, vgl. van Loey (1976, I, § 42); Sarauw (1924, 127). Die Varianten mit -h-, -ch-, -k- sind nach Zeit und Raum ähnlich verteilt wie bei deh(s.  § P 286 u. Abb. P 141; vgl. Gerring 1927, 32ff): -ch- ist ein md. Charakteristikum, das obd. nur selten begegnet; -k- kommt ab dem späten 12. Jh. auf und findet sich hauptsächlich in alem. und rhfrk.-hess. Quellen. Auch nih-, nich-, sind wie dih-, dich- vornehmlich md., kommen bisweilen aber auch obd. vor, vgl. Gerring (1927, 24–26). Ähnlich der jüngeren Form en (< n, ܹ < ne) der Negationspartikel ne und gewiss beeinflusst von dieser Entwicklung hat sich auch aus ne-, ni-(hein, -chėin, -kėin) die jüngere Form en-, in-(hein, -chein, -kein) ergeben (vgl. Gerring 1927, 26ff). Die en-, in-Formen, die wohl in 112 zuerst im Wobd. aufkommen, drängen die mit ne-, niimmer weiter zurück und herrschen in ¹14 nahezu allein (s. Abb. P 148). Frühbelege für en-, in- sind z. B. inhein, RPaul, 70; inehein, 94; incheinin, *StGallGlB III, 304,5; inheini‫܅‬, Muri, 24r,12, 32r,7; inhein, 42v,16. Späte ne-Belege finden sich md. noch in 213, z. B. neheín, PrM, a2va,27; nikeín, c5va,22; níchein-, MüRB, 1v,11.19, 2v,17.25 u. ö. (33-mal); neheinz, JMar, 11v,13; nichein, AthP, 1,12.132.141, 4,31.52.54. nechein *UrkCorp Nr. 1816 (Triptis 1293) 132,8. Die meisten Belege im *UrkCorp (s. WMU 2, 1293) stammen aus nd.-hd. Urkunden: nechein *UrkCorp Nr. 51 (StR Magdeburg für Breslau, Magdeburg 1261) 85,12; nehein Nr. 392 (Hg von Braunschweig A 1279) 363,35; nechein-, nekein- oft in den nd.-md. Ausfertigungen des Rhein. Landfriedens (Mainz 1281) *UrkCorp Nr. 494R, 494F; necheîn, nechein Nr. 606 (StR Magdeburg für Breslau, Breslau 1283) 31,34.42, 32,12.22.39 u. ö.; nehein Nr. N 164 (Braunschweig 1279) 130,36; hierher auch

6. Pronomina im weiteren Sinne

561

nechain Nr. 1184 (Ittendorf/ ​Baden 1290) 457,4.5.10, das wie andere nördliche Formen dem wohl von der Deutschordenskommende Winnenden gestellten md.-nd. Schreiber anzulasten ist.

Im Obd. treten Formen mit ne- dagegen nur noch selten im 3. Viertel des 13. Jh.s auf, z. B. neheín, Bart, 7ra,4, 11ra,23, 17r,5.27; Nehein, 16va,19; neheine, 13vb,26 (in Bart auch häufig noch die Negationspartikel ne). In alem. Urkunden: nehein *UrkCorp Nr. 20 (Kloster Lautenbach UP 1251) 28,32; neheyn Nr. 80 (Bf von Basel 1264) 124,2; neheinre‫܅‬lahte Nr. 100 (Freiburg i.Br. 1266) 150,5. ne-, ni-

en-, in-

n

²11/ ​¹12

96

4

48

²12

95

5

107

¹13

68

32

147

²13

35

65

136

¹14

0

100

77

Abb. P 148: Zeitliche Verteilung von nehėin und enhėin (nebst Varianten) (Prozentzahlen kursiv)

Nebenformen von enhėin, -kėin, -gėin Seltene Nebenformen mit ein- (Gerring 1927, 29f; Danielsen 1968, 102) finden sich in mfrk. Quellen, z. B. eingein, RhMl, 347, 3196; eingeine, 1719; VLilie, 13,37; eyngeynrehande, UKöln2, 14,9. Auch im *UrkCorp einerseits rip. eingeinen Nr. 380 (Köln 1279) 351,21; eingeynen Nr. 3469 (Köln 1299) 552,8; Nr. 3470 (Köln 1299) 555,7.  – Andererseits stammen die meisten Belege aus alem. Urkunden (s. WMU 2, 1293): einkein Nr. 244B (Kg Rudolf A, Gengenbach UP 1275) 245,44; Nr. 769 (Falkenstein A, Freiburg i.Br. UP 1286) 146,4; Nr. 1218 (Zürich 1290) 482,24; Nr. 3290 (Luzern 1299) 444,30; ein kein Nr. N 503 (Säckingen 1291) 362,2; Nr. 1851 (Ortenberg 1293) 153,18; einkéne‫ ܅‬Nr. N 154C (Bf von Basel 1278) 120,30; ein chein Nr. 767 (Basel UP 1285) 145,16; einchein Nr. 1783 (Köniz 1293) 82,31; eînheîn Nr. 2931 (Basel 1298) 223,3; ein heinen Nr. N 26 (Straßburg 1262) 20,2.

Diese Formen dürften sich durch Anlehnung an den Indefinitartikel ėin, u. U. aber auch als Sonderschreibung für Schwa als Folge des Schwankens zwischen ‹e›- und ‹i›-Graphie erklären. Bei nie + kėin (hein, chein, gein) kann eine Variante von nehėin, später aber auch die – teils wohl schon univerbierte – Verbindung von nie Adv. und der Kurzform kėin (hėin, chėin, gėin) vorliegen (vgl. Gerring 1927, 26; Danielsen 1968, 98; WMU 2, 1293f), z. B. niehain, Kchr, 8742; niehein, *VAlex, 581; nie heine, 716; nieheiner, 1071; niehein, *RolP, 1592; *Roth, 336, 648, 1511, 2151, 2229, 2278; nieheinen, 220, 970; niecheini‫܅‬, Aegi, 1476; nie hein, TrHL, 9r,19; niehein, 13r,8, 15v,1, 20v,4; ney geyn, Taul, 4r,11; ney geyns, 169v,20. Vgl. auch nien heine, *Kchr N, 5848; nie nieneiheinen, *SüKlV, 458.

P 294

562



V. Pronomina

Reduktion von en- > e- dürfte den wmd., vor allem rip. Formen mit e- zugrunde liegen (vgl. die mnl. Variante egeen, egein), z. B. egein, Taul, 168r,6; egeine, 99v,18; egeyne, 84r,17, 94r,19; egeynre, 86r,4; egein, *KölnEidb, 4r,29, 4v,8.13.19, 5r,26, 5v,4, 6r,24, 7r,10.12; egeine, 5v,3; egeinrhande, 4v,6; egeinrehande, 4v,24, 6v,36; egeinre, 4v,14, 7r,1; egeynre, 4v,12; egeinme, 4v,15, 5v,3; moselfrk. ekeyne *MU14, 390530R (Herr v. Kronenburg, Herr v. d. Neuerburg A 1339) 9; ekeýnī, 11; rhfrk.-hess. egeiner *UrkCorp Nr. 235B (Mainz 1275, mfrk. Schreiber?) 235,44. Anm. 1:  Gerring (1927, 30f) und Walch/ ​Häckel (Gr.d.Frnhd.VII, 463 Anm. 9) verzeichnen auch (jüngere) hochalem. Formen wie ekein, echein, akein und thür. ichein, ichein u. ä. P 295

Neben mfrk. negėin, engėin tritt die Kurzform gėin, z. B. Sine hant der uromechede nicht getan. V‫ ܒ‬in getruweder geinen man, *Roth, 4858; Ein got inde gein me., Darane gelouit Orie, KuG, 13869; um geínrehande gůt, *LancM, 1rb,1; geyn-, Taul, 3r,7, 6v,3, 15v,11, 94r,19 u. ö.; hie invortit oůch geyn dinck me, 3r,8. Mfrk. gein *UrkCorp Nr. 44 (Bonn 1258) 73,28 (3-mal), geiner, 74,2; geinen Nr. 57 (Gfin Mechthild von Sayn A 1262) 91,24; geinerhande Nr. 196 (Isenburg A, Gfin von Sayn UP 1273) 208,30.37.42.46; an gein dat gut, 208,40; an geime půnte Nr. 255 (Ebf von Köln 1275) 266,14; geinrehande, 267,24; Nr. N 160 (Kloster Walberberg A, Gfin Mechthild von Sayn 1279) 126,8; geinen Nr. 602 (Ebf von Köln A 1283) 26,7; geime Nr. 623 (Ebf von Köln A 1282) 50,23; geinrenhande, 51,32.

In der Bedeutung ‚irgendein‘ im NPI-Kontext (Konditionalsatz): kome v imer mer gein ue[r]triven man., Da ‫܅‬olit ir uch baz uoR warnan ‚wenn jemals irgendein Vertriebener zu euch kommt, ...‘, *Roth, 3003. Lit.: Behaghel (1923, 392f: ahd. sihwer, sihwelīh, 426f); Fobbe (2004, 52, 117–121); Jäger 2007; 2008; 2010; Th. Klein (1982, 173f); Lühr (1999, 174f); Paul, Mhd.Gr., § M 55; Weinhold, Mhd. Gr., § 492. 6.6.2.6. Flexion der -ėin-Indefinitpronomina dehėin, nehėin, sihėin, kėin P 296

Im Nom.Sg.Mask./ ​Fem. und Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. konkurrieren in unterschiedlicher Weise flexivlose und pronominal flektierte Formen. In allen übrigen Kasus gilt die pronominale Flexion sowohl bei attributiv-vorangestellter als auch bei substantivischer Verwendung nahezu uneingeschränkt.  – Zur Flexion des nachgestellten attributiven -ėin-Pronomens s. § 304.

563

6. Pronomina im weiteren Sinne

Sg. Nom. Akk.

Mask.

Neutr. subst.

attribut.

subst.

attribut.

subst.

dehėin

dehėin(er)

dehėin

dehėin(eȥ)

dehėin(e)

dehėiniu, md. dehėine

dehėin(en)

dehėin(e)

Gen.

dehėin(e)s

Dat.

dehėinem(e), dehėim(e)

Pl. Nom./ ​Akk.

Fem.

attribut.

Mask./ ​Fem.

Neutr.

dehėine

dehėiniu, (md.) dehėine

Gen.

dehėiner, dehėinre

Dat.

dehėin(en)

dehėiner, dehėinre

Abb. P 149: Paradigma (vereinfacht) der -ėin-Pronomina dehėin, nehėin, sihėin, kėin am Beispiel von dehėin

Nom.Sg.Mask./ ​Fem. und Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. Im Nom.Sg.Mask. bleiben die -ėin-Pronomina attributiv fast durchweg flexivlos. Bei substantivischer Verwendung herrscht im Obd. Flexion, während im Md.  – vor allem im Mfrk.  – auch hier flexivlose Formen häufig sind oder allein gelten (s.  Abb. P 150). Ausnahmsweise begegnen auch flektierte attributive Formen, z. B. Aber der me e erbeitē mohte Den iekeínre cri‫܅‬tenre man., Sach ‫܅‬ime ge‫܅‬ellen wol an, Daz er mvden begonde die riht ‚aber der mehr kämpfen konnte als irgendein anderer Christ, sah seinem Gegner genau an, dass er zu ermüden begann‘, Rapp, 17298. In aller Regel endet die flektierte Form mit dem stark-pronominalen Flexiv -er, das zu silbischem [‫ ]ܙ‬reduziert werden konnte (s. § P 13). Darauf beruhen die kennzeichnend alem. Varianten -r und -re (s. WMU s. v. dehein, kein, nehein); z. B. keínr, Türh, 16782; keínre, *Freid, 570; dekeinr *UrkCorp Nr. 5C (Kloster Rüti/ ​Kt. Zürich A 1238) 20,21; kainr ‫܅‬inr erben Nr. 2164 (Memmingen 1295) 339,40. Nur vereinzelt findet sich auch die schwache Endung -e des Nom.Sg.Mask., und zwar sowohl attributiv als auch substantivisch; z. B. attributiv, Gi‫܅‬ce vbir daz bín des ímíní dícheíní ‫܅‬cade von demí burníní, da ín heit dí man nícheíní ‫܅‬cult aní ‚geschähe überdies unterdessen jemandem irgendein Schaden durch die Brandstiftung, MüRB, 23v,23; deheine ga‫܅‬t, SBNü, 13va,19; deheineman, *RolA, 1461 [dehein man P]; Man hat auch ge‫܅‬etzet, daz dehaíne pecke da haím in ‫܅‬einem hau‫܅‬e noch auf ‫܅‬einem laden kain brot vaile haben sol, *NüP, 2vb,15; dehaíne jude, 7 va,1.20, 7 vb,27. – Substantivisch: vondiv nemi‫܅܅‬e trvwe vn‫܅‬ir neheine gote nieht., ‫܅‬wie ‫܅‬vndig er ‫܅‬ie ‚deshalb misstraue keiner von uns Gott, wie sündig er auch sei‘, PrZü, 110vb,18; ni‫܅‬t enhêine vunden., d’ i vvid’chêrte. u‫ ܒ‬gote die gotlichi gêbe., vvan dirre fromdelīc, *PrFrBasel, 2r,23; v‫ ܒ‬dunket i i vch en keín ‫܅‬terne ‫܅‬o kleíne, er ‫܅‬i merer dēne alles ertrích., v‫ ܒ‬dunket vch en keine bi

P 297

564



V. Pronomina e

dem and’n ‫܅‬o nahe ‫܅‬tande, er ‫܅‬i tu‫܅‬ent míle v’re vō dem and’n, NikP, 76rb,13; wir treten ‫܅‬i in den graben., [...] daz ir lebentic nehaine. uf un‫܅‬er erde. niemir mere ge‫܅‬ehen werde, *RolP, 3842; uzen laz ich min herren ainen., ‫܅‬o ni‫܅‬t hie manne nehaine., der in ‫܅‬in ‫܅‬culdigen welle., der uer‫܅‬uche ‫܅‬in ellen, 8800; v‫܅ ܒ‬wenne den cheíne vmbe cri‫܅‬ten globen wrde er‫܅‬lagē, dc in denne nieman ‫܅‬olti begraben, *Cäc, 751; Vlixes was kleine, Doch was ir deheine Also gefuge in allē wis, *Herb, 3022. attributiv flektiert

flexivlos

0

100

14

bair.

substantivisch flektiert

flexivlos

7

33

67

86

7

100

0

7

0

100

51

75

25

12

alem.-bair.

3

97

61

97

3

30

alem.

2

98

64

80

20

15

mfrk.

5

95

40

0

100

19

rhfrk.-hess.

0

100

16

50

50

12

hess.-thür.

0

100

39

24

76

17

omd. (²13/ ​¹14)

4

96

24

50

50

8

ofrk.

3

97

29

100

0

10

insgesamt

2

98

338

61

39

136

obd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris

n

n 6

Prozentzahlen kursiv

Abb. P 150: Flektierte und flexivlose Formen im Nom.Sg.Mask. von dehėin, nehėin, sihėin, kėin P 298

Ähnlich wie im Nom.Sg.Mask. sind die Verhältnisse im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr., soweit die spärlichen Belege substantivischer Verwendung ein Urteil erlauben (s. Abb. P 151). Beispiele der selteneren flexivlosen Form bei substantivischem Gebrauch: Md. den ne mohte ‫܅‬pere noh ‫܅‬wert durh‫܅‬niden noh durh‫܅‬techen [...] noh d’ wafene nichein, daz di ‫܅‬unne ie be‫܅‬chein, AlxS, 6377; Is abir, daz vndir den kíndín dicheín werí, daz ‫܅‬ich des gutís me vndirwíndí woldí, MüRB, 11r,10; Is abir, daz ímín wil habí der noziri dicheín durch ‫܅‬ien eínís nuz v‫ ܒ‬vromín, 25r,21. – Obd. ie ni‫܅‬t der ge‫܅‬copfide nihein., ez in diene alliz dem man, Scop, 11,7; obene wa‫ ܅‬eín míxture. gemi‫܅‬cet al‫܅ ܅‬cone in ein., dc ‫܅‬ich ír aller dekein. vz wur dc and’ da bot, TriF, 15836. Nur vereinzelt finden sich flektierte Formen bei attributiver Verwendung: al‫܅‬o ‫܅‬al de gude wille ‫܅‬in., dat [in] ingeine vngewidere muge brechen, PLilie, 3,28; Swēne er ez besloz in d’ hant, So daz des fing’lins stein De heinez licht beschein, Daz zeichē im geschah, Daz in nimma[n] ensach ‚wenn er ihn so mit der Hand umschloss, dass kein Licht auf den Stein des Rings fiel, ...‘, *Herb, 1034; – lateinabhängig: kainz ‫܅‬i vrlob da nah kaime redin etwaz (nulla sit licentia denuo cuiquam loqui aliquid, c. 42), ZwBR, 38r,5. Bei Nachstellung: iz ne uůrte ‫܅‬chilt, noh daz ‫܅‬wert., [...] noh horn neheiniz., grozez noh chleinez, *Exod, 1353; Daz nie wip deheine So schone noch so reine Muge gewerden Nimmer mer vf erden, *Herb, 2509.

565

6. Pronomina im weiteren Sinne

attributiv

substantivisch

flektiert

flexivlos

n

flektiert

obd. ²11/ ​¹12

0

100

12

100

flexivlos 0

n 2

Iw, Nib, Parz, Tris

0

100

7

0

0

0

bair.

0

100

26

0

100

1

alem.-bair.

2

98

61

100

0

5

alem.

0

100

34

83

17

12

wmd.

1

99

69

67

33

3

hess.-thür.

0

100

19

0

100

2

omd. (²13/ ​¹14)

0

100

23

50

50

4

ofrk.

0

100

36

100

0

3

insgesamt

1

99

287

75

25

32

Prozentzahlen kursiv

Abb. P 151: Flektierte und flexivlose Formen im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. von dehėin, nehėin, sihėin, kėin

Der Nom.Sg.Fem. des attributiven Pronomens ist im Obd. wie der Nom.Sg.Mask. und Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. flexivlos, im Mfrk. dagegen durchaus und im übrigen Md. gelegentlich flektiert. Bei der nur spärlich belegten substantivischen Verwendung herrscht obd. wie md. zumeist die flektierte Form (s. Abb. P 152). Flexivlose Beispiele finden sich besonders md., z. B. undir in ne was nehein, ‫܅‬i ne phlege ‫܅‬coner hubi‫܅‬cheit, AlxS, 5280; wizere dan ‫܅‬i en i‫ ܅‬engein. under allen creaturen, RhMl, 2362; [...] dz kein da uūden ī werde muzzig od’ mit ydelre redē, OxBR, 11r,13; auch bair.: den chuhte‫܅‬t du, frowe, mit dinem gibete. daz wæne ie dehein mere gitete, HLit, 652; Do gebot er e eíne herevart., daz nie dehein grozorer [!] wart, Diet, 2818. Im Obd. zeigt die flektierte Form weit überwiegend die stark-pronominale Endung -iu. Nur selten erscheint wie im Md. auch in obd. Quellen -e, z. B. ‫܅‬o groz vvirt div ‫܅‬elbe var., daz nie keine me. ‫܅‬o creftic wart ê, LEnt, 12,9; die gotes barmunge., die deheine zunge. enmæhte fur bringen, Mar, 4239; ir antlutze was ‫܅‬o tugentliche., [...] ir gebærde al‫܅‬o reine., daz ‫܅‬ih zv ir glichte deheîne. under allen den frǒen, *1300; vnd ovch div groze hervart, daz níe decheíne grozer wart vf romi‫܅‬cher erde, Diet, 5710; ‫܅‬i redent algemæine, daz ír tůrer nehaine. ne ẘrde níe zerome geborn, Kchr, *1559; ‫܅‬i was ku‫܅‬ke unt raine!, ir geliche neuvart ne nehaine!, *1611.

P 299

566



V. Pronomina

attributiv

substantivisch

flektiert

flexivlos

obd. ²11/ ​¹12

0

100

8

0

0

0

Iw, Nib, Parz, Tris

0

100

3

100

0

6

bair.

0

100

15

71

29

7

alem.-bair.

5

95

22

100

0

2

alem.

4

96

25

100

0

5

mfrk.

91

9

44

90

10

10

rhfrk.-hess.

60

40

42

95

5

22

hess.-thür.

12

87

8

0

100

3

omd. (²13/ ​¹14)

11

89

9

0

0

0

0

100

5

0

0

0

38

62

181

87

13

55

ofrk. insgesamt

n

flektiert

flexivlos

n

Prozentzahlen kursiv

Abb. P 152: Flektierte und flexivlose Formen im Nom.Sg.Fem. von dehėin, nehėin, sihėin, kėin P 300

Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. Im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. (s. Abb. P 153) ist das ahd. Flexiv -emo in Will noch durchweg erhalten: dechêinemo, Will, 9v,4.11, 50v,31; dehêinemo, 10v,12; nehêinemo, 31r,6; vgl. auch ne cheinemo, *FriedbChrist, 29,3; Nicheinimo, *Anno, 41,8. Die frmhd. Nachfolgeform auf -ėin-eme behält mfrk. und hess.-thür. noch die Oberhand. Apokopiertes -ėin-em, die obd. gängigste Form, prädominiert im Oobd. und Ofrk. und ist auch im besonders variantenreichen Alem. häufig. Im Md. und Alem. wird -ėineme teils durch -ėime abgelöst, das wohl über synkopiertes -ėin-me aus -ėin-eme entstanden ist, vgl. ingeinme, VLilie, 55,15, und ingeime, 22,17. Vgl. zu -ėin-eme z. B. md. neheineme, AlxS, 117, 4986; ‫܅‬ihenime, 6324; ‫܅‬iheineme, 6325; engeineme, RhMl, 2678, 4116; keineme, OxBR, 10v,10, 12r,17.  – Alem. neheineme, PrZü, 105vb,25; *Alkuin, 46r,9; necheinime, Luci, d2r,15; cheinime, *GebetsanwBeu, 3r,12; zehaíneme, TrHL, *44r,18.  – Frmhd. auch noch bair., z. B. zeheineme, *Gen, 5209; neheineme, *VMos2, 252, 1773; deheineme, 255; dehaineme, 285. -ėime z. B. md. ín geyme, Brig, 6v,15; geime, Taul, 177r,13; keíme, Himlf, 873; OxBR, 12r,17, 13v,9.38; Hleb, *21r,15; neheíme, *Tobias, 101.  – Alem. neheime, PrZü, 113rb,15; deheime, Muri, 9v,12; kaime, ZwBR, 6v,5, 38r,5, 39v,7, 59r,9, 60r,2; keíme, Rapp, 276; enheime, *PrHvKonst, 169v,3; dehaime, 172r,4.  – Ostschwäb. cheime, StBA, 80vb,25, 107 va,3, 111rb,20.  – Auch ofrk.: keime, WüPo, 247 va,8; Lupo, 2,280. Anm. 1: Obd. -ėim könnte aus -ėin-em zusammengezogen oder aus -ėime apokopiert sein, vgl. einerseits bair. dehaimme, Kchr, *4376; dehainm, *5031, andererseits dehaim, Kchr, 8676; nienehaim, 393.  – Alem. keim, LEnt, 45a,11; inkaim, ZwBR, 7 v,5; kaim, 26v,3, 27r,11, 27 v,4, 32r,7. – Ofrk. keím, WüPo, 249vb,20; Lupo, 2,160.

Zu den Formen im *UrkCorp s. WMU s. v. dehein, kein, nehein.

567

6. Pronomina im weiteren Sinne

-ėineme

-ėime

-ėim

-ėinem

n

0

0

0

2

15

11

85

13

0

0

12

44

5

19

10

37

27

2

17

3

25

1

8

6

50

12

mfrk.

5

62

3

37

0

0

0

0

8

rhfrk.-hess.

2

29

4

57

0

0

1

14

7

hess.-thür.

5

100

0

0

0

0

0

0

5

ofrk.

0

0

2

15

2

15

9

69

13

bair.

0

alem.-bair. alem.

Abb. P 153: Flexionsformen des Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. von dehėin, nehėin, sihėin, kėin (Prozentzahlen kursiv)

Akk.Sg.Mask. und Dat.Pl. Neben der regulär flektierten Form gibt es selten auch flexivlose Formen, die meist ebenso wie jene auf -n wohl sekundär aus der Form auf -en entstanden sein werden: dehėin < dehėinܹ < dehėinen, vgl. z. B. keínn, Türh, 443; WüPo, 246rb,30; dehainn *UrkCorp N 347 (Seckau 1287) 262,13; dekainn Nr. 2106 (Kloster Zwiefalten UP 1295) 310,1; enkeinn Nr. 5C (Kloster Rüti/ ​Kt.Zürich A 1238) 20,32. Flexivlos z. B. Akk.Sg.Mask. uuanta íh in állen mînen uuérchon nehêin humanu(m) fauore(m) ne uuíl expetere, Will, 29r,5; nehain willen, Kchr, 8726; nehain anderen, 8737; nehain got, 8772, 8742; dehain man, 16782; nihein ‫܅‬vndich[l]ikin gelv‫܅‬t, PrZü, 107 vb,18; dichein vbiln willen alde dichein rat, Muri, 4v,1; dehein velt‫܅‬trit, Tris, 18777; Doch i i ‫܅‬we‫܅‬ter noch br‫ݑ‬der, wen ich, Han ich nvt noch frvnde keín [: eín], Rapp, 17560; Dat. Pl. an dehein dingen, SBNü, 17ra,1; an kein ‫܅‬in gelidern, WüPo, 250rb,2; ze dehein werltlichen ‫܅‬canten, *RolP, 74.

P 301

Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. Im Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. erscheinen neben der herrschenden Form auf -e flexivlose Formen gelegentlich schon früh, vermehrt aber erst als Folge der obd. Apokope des finalen Schwa. Frühe Belege für den flexivlosen Akk.Sg.Fem. sind z. B. der nehete zegote nehain mínne, Kchr, 1078; daz ‫܅‬i nehain not habeten, 16737; nehein grůne, HLit, 789; daz ‫܅‬ie î gevvnnin kein mv, LEnt, 65,5; dehein herzewnne, Mar, 741; dehein ‫܅‬unde, Hoff, 11r,25; dehein tugint, *RheinauGeb, 3r,14; ub ‫܅‬i inbizzen der feizten [nl. chůe] dehein [: er ‫܅‬kein], *Gen, 4059; VMos2, 605. – Nom./ ​Akk.Pl., z. B. dechein nvzze, Luci, g4v,2; laz mjr werden ‫܅‬chin, ob in der werlt mvgen ‫܅‬in ieren dihein truwe, AlxS, 3660; chein kint, *RBibB, 189; chain ‫܅‬in bo‫܅‬e li‫܅‬te, *Kchr F, 8379; nehein gůtt‫ܓ‬te, Mar, *2152; dehein menni‫܅‬hlichen ǒgen, *PrLeys, 12vb,12.

P 302

568



V. Pronomina

Abb. P 154: Zunahme flexivloser Formen im Akk.Sg.Fem von dehėin, nehėin, kėin

Belege schwacher Flexion sind ganz vereinzelt und nur bedingt vertrauenswürdig, z. B. Nom.Pl.Fem. wan íz en‫܅‬ínt dí keínen grozer ere., wanne daz der men‫܅‬che gotís knecht ‫܅‬í, Hleb, 107r,4. P 303

Gen./ ​Dat.Sg.Fem. und Gen.Pl. Anstelle der sonst herrschenden Endung -er bieten alem. und md. Quellen auch -ir, z. B. alem. diheinir, Muri, 7 v,16; keinir, LEnt, 65,19; niheinir, Scop, 7,9; deheinir, Flor, 5269; keínír, RWchr, 1845, 31926; dekeínír, 20861.  – Md. keinir, OxBR, 16r,1; nicheínír, MüRB, 12v,11, 13v,9; ‫܅‬icheínír, 1r,21. Die spätahd. Endung -ero erscheint im Korpus nur noch im Dat.Sg.Fem. neheinero, WNot, 20va,17. Vgl. auch diheinera, *PrWessC, H38b,3. – Frmhd. -ere z. B. in neheinere, *Himmelr, 4,21. Die Flexivvariante -re ist entweder aus -ere synkopiert oder sie beruht auf silbischem [‫ < ]ܙ‬-er (s. § P 13). Sie findet sich in alem. und md. – besonders mfrk. – Quellen (s. auch WMU 1, 363; 2, 985, 1294); vgl. z. B. alem. neheinre, Flor, 5405, 6863; dehainre ‫܅‬chlahte *UrkCorp Nr. 104 (Konstanz 1267) 152,7; keinnre Nr. 1047 (Mkgf von Baden A 1288) 360,46; kainre‫܅‬lachte Nr. 1116 (Esslingen 1289) 406,26. – Md. in geinre, PLilie, 6,30; geínre, *LancM, 1rb,1; egeynre, Taul, 86r,4; *Köln­Eidb, 4v,12.14.24, 6v,35 u. ö.; en geẏnre, UKöln2, 5,25; eyngeynre, 14,9; in geynre, *Flors, 180; keinre, MBeh, 142v,18; keinre leye *UrkCorp Nr. 1788AB (Mainz, Worms, Speyer A 1293) 89,23f. Gleichfalls für [‫ < ]ܙ‬-er steht die vor allem wobd. Flexivvariante -r, z. B. vm kainr‫܅‬lath ‫܅‬ach, ZwBR, 32r,7; deheinr, Tris, 7483; öfter in hochalem. Urkunden, z. B. kainr‫܅‬laht *UrkCorp Nr. 763 (Zürich 1285) 144,2; inheinr‫܅‬chlaht Nr. 940 (Zürich 1287) 296,21; enheinr ‫܅‬lachte Nr. 1423 (Zürich 1291) 628,19; keinr‫܅‬lacht Nr. 1783 (Bern 1293) 82,32; Nr. 2075 (Zürich 1294) 294,14.  – Md. egeinrhande *KölnEidb 4v,6.

6. Pronomina im weiteren Sinne

569

Flexion des nachgestellten attributiven -ėin-Pronomens Vergleichsweise sehr selten wird das attributive -ėin-Pronomen nachgestellt. Im Korpus beträgt der Anteil von Nachstellung an der Gesamtheit der attributiven Fälle nur deutlich weniger als 1%. Die Belege stammen meist aus Verstexten und stehen überwiegend im Reim. Es konkurrieren flexivlose und pronominal flektierte Formen. Bei den folgenden Beispielen kann in einigen Fällen auch substantivisches dehėin, nehėin mit vorangestelltem partitivem Gen. vorliegen: Nom.Sg.Mask. ‫܅‬on i‫܅‬t zivil nehaín [: ‫܅‬tein], LEnt, 54,15; des i‫܅‬t zwivel dehein [:  Rib‫܅‬teín], Diet, 2568.  – Flektiert: Div hochgecit do werte. wol sibenzehn tage. ob chunic ie deheiner mit warheit od’ nach ‫܅‬age. deheiner grozer gewnne., daz i‫܅‬t vns gar verdeit, Nib, 1394,2; Andri‫ ܅‬ni‫܅‬t got neheiner ‫܅‬undir dirre einer, *Glaub, 75. Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. ih negiho inanderz. nehein [: ein], Ezzo, 20; nje ne wart holz nehein [: vein] ‫܅‬o gut noh ‫܅‬o ture, AlxS, 5562.  – Flektiert: iz ne uůrte ‫܅‬chilt, noh daz ‫܅‬wert., [...] noh horn neheiniz., grozez noh chleinez, *Exod, 1353.  – Mit schwacher Flexionsendung oder aber Genusinkongruenz: Beide ir lip v‫ ܒ‬ir kleit Was vō sulch’e zirheit, Daz nie wip deheine So schone noch so reine Muge gewerden Nimmer mer vf erden, *Herb, 2509. Nom.Sg.Fem. Gezyret bas nog e nog ‫܅‬ynd Wart ny iunfroiwe keine [: ge‫܅‬teine], Yol 5743; noch andir gewalt deheine [: rein], *MillPhys, 33,2. Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. ‫܅‬i negerent durh den dur‫܅‬t iemmer mete‫ ܅‬noh wine‫܅‬. oder cewollibe morate‫ ܅‬noh trinchene‫ ܅‬deheine‫܅‬, *Himmelr, 9,16. Akk.Sg.Fem. er uerdult(et) vī‫܅‬ter nehein [: er‫܅‬chein], Mar, 2747; untriwe nehain [:  ohaim], *RolP, 8793.  – newi‫ ܅‬hie wile neheine., uar zů dinem oheime!, *Gen, 2447; ‫܅‬i ne gerten helfe decheine. niewan die uluht eine, *JJud, 1668. Akk.Sg.Mask. hetet ir under iv uverren dehaín [: be‫܅‬caiden!] ‚falls ihr unter euch irgendeinen Streit hättet‘, Kchr, *3065. – Ovch hort ich iv ‫܅‬elben. d’ degenheite iehen., daz man kunic deheinen. chun’ habe ge‫܅‬ehen, Nib, 108,2; nune wizzen auer wir got deheinen. niewan in einen, *JJud, 1032. Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. dizze priuilegium wart gegeben. wibe ninehein. wan un‫܅‬erre frǒwen alter ‫܅‬eine, *VMarienlob, 19.  – nu arne‫܅‬t du hie ze‫܅‬tunt., ‫܅‬waz du menni‫܅‬chen dehainem. inder werlte ie getæt zelaide, Kchr, *10590. Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. daz ne tunt endereu ‫܅‬igna neheiniu, *ArnoltSieb, 339; er ne uorcht wafen nehaine [: ge‫܅‬taine], *RolP, 3324.

P 304

Lit.: Paul, Mhd.Gr., § M 55; Weinhold, Mhd.Gr., § 492; WMU 1, 362f, 2, 985f, 1293f.

6.6.2.7. ėinig

In mhd. Zeit ist die Verwendung des Indefinitpronomens ėinig anstelle von dehėin fast gänzlich auf mfrk., insbesondere rip. Quellen beschränkt, so auch durchaus im Korpus (s. auch § P 292 und Abb. P 147). Hier ist es die alleinige Form in RhMl,

P 305

570



V. Pronomina

PLilie+VLilie, BuMi, KuG, UKöln1, Brig, UKöln2; in Taul neben 12 ėinig auch einmal die geyne 161r,5; extern häufig z. B. auch in *PrKöln, *KölnEidb, *Merlin und *Stat­ DtOrd. Nur in der auch sonst gelegentlich südlich geprägten moselfrk. Yol herrscht schon kėin, daneben selten ėinig, z. B. einich, 5545. Auch in *Göll2 nur einmal enech, 1,14, neben kein, 3,90, 3,134, keiner, 3,148. Im weiteren Md. begegnet ėinig ‚irgendein‘ nur vereinzelt, z. B. omd.-nordbair. eynigerleye din‫܅‬t *UrkCorp 222AB (Plauen 1274) 227,22, 227,13. Zu weiteren, zumeist späteren md., aber auch ofrk. Belegen vgl. F. Bech (1873, 269f); Behaghel (1923, 419f); Grimm, DWB neu 7, 753ff; MWB 1,1534; einzelne frnhd. alem. Belege gibt Weinhold, Alem.Gr., 293f. Die Verwendung von ėinig entspricht der von mhd. dehėin (s. § P 283, P 289). Es wird also fast nur in nicht-affirmativen Kontexten (s. § P 282) verwendet (s. auch Grimm, DWB neu 7, 753), erscheint aber weit seltener in negierten Sätzen als dehėin, kėin und wohl auch nicht in der negativen Bedeutung ‚kein‘. Anm. 1:  In ahd. Zeit kommt einīg (auch eining) vor allem noch in älteren afrk. und obd. (alem.?) Quellen vor (Ahd.WB 3, 191–193, 195), ist dann im Wobd. und Oobd. aber so gut wie gänzlich und im nicht-mfrk. Md. und Ofrk. weitgehend durch thehėin, thohėin ersetzt worden, das zuerst im Weißenburger Katechismus und bei Otfrid belegt ist (Ahd.WB 2, 353f). Zur Erklärung der Bildungen ahd. einīg, eining vgl. EWA II, 993; Fobbe (2004, 141f). Anm. 2:  Das Indefinitpron. ėinig bleibt in den meisten mhd. Grammatiken (abgesehen von Weinhold, Mhd.Gr., § 492) und in Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, unerwähnt; ebenso in Fobbe 2004, 161ff. Deshalb und wegen ihres zu beschränkten Korpus kommt Jäger (2008, 258) zu der Fehleinschätzung: „With the great increase of dehein in MHG [...], the indefinite NPI determiner einig is virtually lost”.

6.6.3. ‚(k)ein von beiden‘ 6.6.3.1. dewęder ‚(k)ein von beiden‘, newęder ‚kein von beiden‘ P 306

dewęder und newęder sind die dualen Entsprechungen von dehėin und nehėin. Sie setzen ahd. de(h)wędar (Ahd.WB 2, 424f) und ni(h)wedar fort. dewęder wird wie dehėin in nicht-affirmativen Kontexten verwendet, zählt also zu den mhd. negativen Polaritätselementen (s. § P 282). Es erscheint u. a. –– im negierten Satz: dannoch mag ir dewederz níht getvn ane mit der ratgæben rate ‚dann kann keines von beiden (Kindern) etwas tun ohne den Rat der Ratgeber‘, StBA, 78ra,17; vgl. auch Iw, 4888; Tris, 817; Nib, 2425,2; SwSp, 109rb,9; RWh, 205; MüRB, 8v,25, 14r,7; –– im Konditionalsatz: Stírbet der deweder oder beíde ín dem vorgenanten zíle ‚wenn einer von beiden oder beide in der vorgenannten Frist sterben‘, UFreib1, 2,14;

6. Pronomina im weiteren Sinne

571

–– nach übergeordnetem Fragesatz: Trohtin i‫܅‬t, der mih intluhtit. ze ‫܅‬in ‫܅‬elbe‫ ܅‬bechennidi. unde er i‫܅‬t min heili. uuen furhto ih., der mir deuueder neme.?, WNot, 43va,5; –– im sw-Satz: ‫܅‬wenne ír deweder‫܅ ܅‬tírbet, ‫܅‬o ‫܅‬ol da‫ ܅‬ander díe matta vmbe den ‫܅‬elben zín‫܅‬/ han ‚wann immer einer von beiden stirbt, so soll der andere die Wiese für denselben Zins haben‘, UFreib1, 28,6; vgl. auch Spec, 4v,22. dewęder kann auch wie newęder in der Bedeutung ‚keiner von beiden‘ auftreten: Swaz eín chínt getut/ [...], daz ‫܅‬ol níemen rihten/ wan ‫܅‬ín vater/ vnde ‫܅‬ín muter/. hat ez der dewederz/, ‫܅‬wær danne ‫܅‬ín reht phlæger i‫܅‬t/, der ‫܅‬ol ez rihten/ ín allen dem rehte/, als ob ez vater/ v‫ ܒ‬muter wære, StBA, 71ra,5; vgl. auch RWh, 209, 457. In affirmativem Kontext und gleichbedeutend mit ie(t)węder ‚jeder von beiden‘ (s. § P 342) ist dęweder mehrfach in *Herb belegt: Ir dewed’ sach dē and’n an, Er daz wip, sie den man, 2521; Ir dewed’ sīnes vurgaz, 2526; Ir dewed’ d’ sinē vil v’los, 17363. Häufiger ist diese Verwendung bei ėin(t)węder, s. § P 307.

In der Verbindung mit folgendem oder bildet die flexivlose Form des Neutr. von dewęder und ėin(t)węder die Konjunktion ‚entweder – oder‘ und ebenso wie newęder in der Verbindung mit noch die Konjunktion ‚weder  – noch‘, vgl. Paul, Mhd.Gr., § S 126, S 146; BMZ 3, 546f; MWB 1, 1264f, 1550. 6.6.3.2. ėin(t)węder ‚ein von beiden‘

Mhd. ėinwęder setzt das erst spätahd. bezeugte ahd. ėinwęder (Ahd.WB 3, 220ff) fort. Die erst mhd. Form ėintwęder ist entweder aus (allerdings nicht belegtem) *ėindewęder verkürzt oder -t- ist jüngerer Übergangslaut (s. Behaghel 1928a, 169; EWA II, 1020). Sowohl ėinwęder als auch ėintwęder sind nur selten belegt. Für ėin- erscheint bisweilen en-, z. B. en wedêr, *PrPrag, 10,11; enwedirz *VRechte 176. ėint- ist häufiger zu ent-, seltener  – und vor allem els. und wmd.  – zu ant- reduziert, z. B. entwed’s, Rupr, 12,9; entwederz, *Aneg, 62; entweder, *HLitS, 305; antwederme, UKöln1, 11,18; antwederre, OxBR, 15r,7; antweder‫܅‬ite, *UrkCorp Nr. 343 (Straßburg A 1278) 324,30; antwederme, *UrkCorp Nr. N 45 (Straßburg 1263) 32,13. Aus dem flexivlosen ėin(t)węder Nom./ ​Akk.Sg.Neutr., das auf Satzglieder oder Sätze vorausweist, hat sich die Konjunktion entwęder (– oder) entwickelt (vgl. Ahd. WB 3, 222; Behaghel 1928a, 170), s. § P 306. Teils wird ėin(t)węder wie dewęder in nicht-affirmativen und negativen Kontexten verwendet (s. § P 282); so z. B. i

–– im negierten Satz: Doch diu gothait wart nit vō entwed’em ge‫܅‬chaiden, Si blaip bi lip v‫܅ ܒ‬el, bi in baiden, *SpecHumSalv, 157; nach āne: do dannoch nicht ge‫܅‬chaffen was., wan daz der gote‫ ܅‬gæi‫܅‬t [s]az. vff de‫ ܅‬luffte‫ ܅‬vederen., do [en] wa‫ ܅‬er an der namen entwedern., Daz der vater. vnt der ‫܅‬un i‫܅‬t, *Aneg, 306;

P 307

572



V. Pronomina

–– im Konditionalsatz: in mach. vil wol an‫܅‬p(r)echen. ‫܅‬ein hau‫܅‬frawe [...] od’ ‫܅‬einev chint. hat er entwed’s. [‚keines von beiden‘], ‫܅‬o mag in d’ richte’ wol. an‫܅‬prechē. oder di pûrg’, Rupr, 12,9; –– im exzipierenden Bedingungssatz: vnde mag auh er von im niht chomen an ‫܅‬íner her‫܅‬chefte willen., ez enmvge danne eíntwederz fur gezíehen ‫܅‬ogtanen gebre‫܅‬t, da mít ez von dem andern ledik mvge wærden, StBA, 115va,7; –– in irrealem Kontext: hete ín ymen genomen/ vnt het ich daz ge‫܅‬ehen/, ‫܅‬o w’ mir der aíntwederz ge‫܅‬chehen/: ich het ez ín gewert od’ ich wer von ín niht chomen, MMag, 521. Auch als Negationspron. in der Bedeutung ‚keiner von beiden‘ wird ėin(t)węder gelegentlich gebraucht: ‫܅‬i habent ez mit ir ‫܅‬waizze gewnnen., ez bedarf ir enwedirz dem anderem enbunnen ‚sie haben es mit Schweiß erworben, es darf keiner von beiden dem andern aus Missgunst etwas wegnehmen‘, *VRechte, 176; die daz ervor‫܅‬chen wellent., wa got vor de‫ ܅‬genas., do der entwederz was., Hímel. noch erde. noch daz liecht, *Aneg, 62. Anm. 1:  Schon ahd. ėinwęder erscheint vornehmlich in negierten Sätzen (Ahd.WB 3, 220f).

Andererseits gibt es häufiger als bei dewęder auch Vorkommen in affirmativen Kontexten, z. B. hie m‫ݑ‬z vnder vn‫ ܅‬beiden der criec werden ge‫܅‬cheiden! eintweder‫܅ ܅‬icherheît mvz dem andern ‫܅‬in bereît v‫ ܒ‬mit ím von hínnen varn, RWh, 783; ‫܅‬o ‫܅‬agin wir al‫܅‬us., Dat wír dat ‫܅‬etzín/ an den greuen Van gulícge. Jnde an den pro‫܅‬t van aghe. jnde an den heren van bůrne/ al‫܅‬o, dat ‫܅‬í drj/ of der greue mít ír antwederme die wareit verhorin/ índe vůr‫܅‬íen, UKöln1, 11,18; Do daht der B’nære: „vn‫܅‬er eintweders ‫܅‬were M‫ݑ‬z iez‫ ݑ‬ein ende han!“, Diet, 9546; v‫ ܒ‬die ‫܅‬u‫܅‬t’e, die ūder ‫܅‬int v‫ ܒ‬ir antwederre mede ‫܅‬meichēt, ‫܅‬ie gēt in daz u’lorni‫܅܅‬e, OxBR, 15r,7; Antwedírín wech muz‫܅‬en wir gan., dí wíle wír dí kure han, *WildM, III, 385; i‫܅‬t al‫܅‬o, dc min hant ber‫ݑ‬rt dc holz alde ein and’ dinch, ‫܅‬o wirt ain weders vir wandelot indaz ander, *PrHvKonst, 138r,4. Soweit die spärliche Beleglage ein Urteil erlaubt, ist mhd. ėin(t)węder also eher der Gruppe 1 der Indefinitpron. (s. § P 282) zuzuordnen und nicht als NPI zu betrachten. 6.6.3.3. Flexion von dewęder, ėin(t)węder, newęder P 308

Die drei -węder-Pronomen sind weit überwiegend substantivisch belegt. Der Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. wird dann in der Regel pronominal flektiert, z. B. nv ne magich ir bêider niht be‫܅‬tan. v‫ ܒ‬getar ôvch ir dewederz lan, Iw, 4888; ‫܅‬wenne ír deweder‫܅ ܅‬tírbet, ‫܅‬o ‫܅‬ol da‫ ܅‬ander díe matta vmbe den ‫܅‬elben zín‫܅‬/ han, UFreib1, 28,6; eíntwederz, StBA, 115va,7; do der entwederz was., Hímel. noch erde. noch daz liecht, *Aneg, 62. Seltener auch flexivlos, z. B. dúrh íro neuuéder, Will, 26r,12; dv maht wole entweder tun, *HLitS, 305; daz min herre einweder tů, *RolP, 1201.

6. Pronomina im weiteren Sinne

573

Der Nom.Sg.Mask. ist teils flexivlos, teils erscheint er flektiert; flexivlos z. B. e Weder Baldewîn noch Rennewart, Der en weder ‫܅‬olher ‫܅‬terke pflag Als div an Malfer v lag, Türh, 16795; diwedir, MüRB, 8 ,25; dí wedir, 14r,7; en wedêr, *PrPrag, 10,11; ir dewedir *UrkCorp Nr. 143 (Bf von Basel 1270) 176,11. Die flektierte Form endet in der Regel auf -r oder -re, beruhend auf silbischem [‫ < ]ܙ‬-er (s. § P 13), vgl. z. B. der herren eintwederr *UrkCorp Nr. 1411 (Bf von Regensburg 1291) 620,5; aintwederr Nr. 1549 (Bf von Regensburg 1292) 708,4; – ir eíntwederre, StBA, 80va,18; dewederre *UrkCorp Nr. 217 (Gf von Freiburg i.Br. A 1274) 220,26; enwedirri Nr. 1829 (Aichach UP 1293) 139,36.  – Ebenso auch im Gen./ ​Dat.Sg.Fem., z. B. antwederre, OxBR, 15r,7. -re kann weiter zu -e reduziert sein, das auch als schwaches Flexiv deutbar ist, z. B. Si lie ‫܅‬i ligen ‫܅‬vnder. dvrch ir vngemach., daz ir ‫܅‬it dewedere. den andern nie ge‫܅‬ach, Nib, 2425,2; ir newedire uirgaz, er nedehte an ‫܅‬ine ‫܅‬ache, Flor, 5245; ‫܅‬tírbet daz i vihe., ír dewedere giltet dem andren nvt, SwSp, 109rb,9; dwedre *UrkCorp Nr. N 399 (Zürich 1289) 295,31. In den übrigen Kasus gilt stark-pronominale Flexion, wobei das Schwa des Flexivs seltener erhalten, meist aber synkopiert ist. Erhalten z. B. in: Nom.Sg.Neutr. æintwederez *UrkCorp Nr. 3141AB 351,37, 352,9; Akk.Sg.Mask. Antwedírín, *WildM, III 385; eintwederen *UrkCorp Nr. 1114 (Kloster Raitenhaslach 1289) 405,22. – Synkopiert z. B. in: Nom.Sg.Neutr. dewederz, StBA, 78ra,17; Gen.Sg.Mask. vn‫܅‬er eintweders ‫܅‬were, Diet, 9546; Dat.Sg.Mask. dewederm, RWh, 457; antwederme, UKöln1, 11,18; Akk.Sg.Mask. entwedern, *Aneg, 306. Doch kann auch das Schwa in -węder- getilgt sein, z. B. Dat. Sg.Mask./ ​Neutr. von antwedrem *UrkCorp Nr. 475B (Regensburg 1281) 413,13, aintwedrem Nr. 1540 (Friedberg 1292) 702,35; Nr. 2528. Nur selten liegt attributiver Gebrauch vor, z. B. deweder rihter, SwSp, 116ra,13; mit dewedirer ewe, *TrSilv, 715; Antwedírín wech muz‫܅‬en wir gan, *WildM, III, 385. Verwendung im Plural kommt nur vereinzelt vor: Vnbe die z‫ݑ‬ganden vi‫܅܅‬hen ‫܅‬prechen wir da‫ ܅‬enwedere den er‫܅‬ten ‫܅‬ollent nemen *UrkCorp Nr. 240 (Säckingen 1275) 238,37. Statt des partitiven Genitivs, mit dem die substantivischen -węder-Pronomina meist verbunden sind, erscheint gelegentlich auch das Poss.-Pron.: Irn dewed’ valte d’ stich, *Herb, 8789; Vō irme dewed’ gebotē wart Bezzervnge noch vnschult, 13180; ‫ݐ‬n‫܅‬erm æn wedrem *UrkCorp Nr. 2528 (Kloster St. Gallen 1296) 561,3. Lit.: Behaghel (1923, 381–83; 1928, 169f, 337f); Paul, Mhd.Gr., § S 126; Weinhold, Mhd.Gr., § 497; WMU 1, 369, 442f, 445; 2, 1300.

574



V. Pronomina

6.6.4. Quantifikativa 6.6.4.1. ‚ein gewisser, irgendeiner, mancher‘ P 309

Im Mhd. gab es für das Bedeutungsspektrum von ‚ein gewisser, irgendeiner, mancher‘ eine ganze Reihe von Pronomina: sum ,ein gewisser‘ (lat. quidam), s. § P 310; sume-, süme-lich ,ein gewisser, Pl.: einige, manche‘, s. § P 311; ėin ,irgendein‘, s. § P 327; ęteswęr, ętewęr, s. § P 129; ęteslich, ętelich, ętzlich, s. § P 314; wėl(i)ch wird nur selten substantivisch als Indefinitpron. gebraucht (s. § P 272). 6.6.4.2. sum, sümelich

P 310

sum ,ein gewisser‘ (lat. quidam) kommt im Mhd. nur noch in sehr wenigen korpusexternen Texten bis ca. 1300 vor, und zwar stets im Pl. (,einige, gewisse, die einen  – die anderen‘). Die meisten Belege sind alem. (s. dazu Behaghel 1917b, 162): nû râte ich mînen vriunden sumen (: vrumen), *Er, 7634; ce ‫܅‬vmen citin (certis teme poribus), *BrEng, 115,3 (c. 48); sit [...] und wir so manigen wider slag haben von sumen dingen, *SHort, 3857; vil arbait, jamer, ach und och ist sumen da behalten, 5957; an sumen ziten, 6139; sum richter (Akk.Pl.), 4999; Sume buten ir des schatzes solt, […] Sume buten acker, wisen dar,/ Sume anders rîchtuomes schar, *WvRh, 1835ff; Sume stiezen, sume sluogen,/ Sume schurcten ungefuogen, 9688f; Ir sum in under stunden/ Ane grinen glîch dien hunden, 9694f; Ir sume nâch ir unheile/ In zugen an einem seile,/ Ir sume in sêre sluogen, Sume schurcten ungefuogen, 9936ff. Sonst gibt es nur verstreute Einzelvorkommen: die Troieri ‫܅‬um intrunnin, *Anno, 22,1; sume klagent ir frouwen grôze unstætekeit, *KLD: Reinmar von Brennenberg, I 3,5; ouch waren sume cristen hie, die murmelen begunden, *KvWSilv, 4850. Anm. 1:  Der von Lexer 2,1295 angeführte vermeintliche Beleg in *Gen, 4990 (107r,11) beruht darauf, dass Hoffmann ‫܅‬i ime fälschlich als ‫܅‬ume gelesen hat.  – die sum bei Bruder Hans (Die sum tragen ouch cranz von roten lelyen, 3195) entspricht mnl. die some, bedeutet also ‚einige, manche‘, nicht ‚dieselben‘ (so Lexer). Anm. 2:  sum ist das alte gemeingerm. Indefinitpron. der Bedeutung ‚ein gewisser, irgendeiner; Pl. einige‘. Es wird im Ahd. noch häufig verwendet (Fobbe 2004, 107ff) und liegt auch in got. sums, anord. sumr, ae. as. afries. sum vor (Behaghel 1917a, 160f; Kolditz 1952; Fobbe 2004, 107–112). Im Mnl. und Mnd. hat sich som weit besser und länger gehalten als im Hd. Lit.: Behaghel (1917a-b); Behaghel (1923, 404–406); Fobbe (2004, 107–112, 162–164); Kolditz (1952); Paul, Mhd.Gr., § S 125.

P 311

sümelich, sumelich sumelich, sümelich ist in allen mhd. Sprachlandschaften bis 114 bezeugt. Es hat sum fast ganz verdrängt, an dessen Stelle es schon in ahd. Zeit zu treten begann. Wie mhd. sum nur noch im Pl. auftritt, so beschränkt sich auch sümelich weitgehend

6. Pronomina im weiteren Sinne

575

auf den Pl. Die wenigen Sg.-Belege entfallen zumeist auf das Mask. oder Fem., z. B. Sumelicher uiel er [der Samen] untir die dorne, Hoff, 18r,19; durch ‫܅‬umeliche ‫܅‬chult, OxBR, 14r,15. Der Sg.Neutr. ‚(irgend)etwas‘ wird dagegen in der Regel von ęte(s)waȥ und in nicht-affirmativen Kontexten von iht bestritten (s. § P 126, P 129). Nur selten erscheint hier in frmhd. Quellen noch sümelich: ein ‫܅‬vmelich wib, PrZü, 112ra,16; ‫܅‬vmelichez, PrPa, 170,17; Sumelichiz korn uiel an eine gute erde, Hoff, 19r,19; ‫܅‬umelichez wir ‫܅‬agen., ‫܅‬umelichez wir ferdagen, *Gen, 1110f; daz můzzen wir ‫܅‬umelichez uberheuen, 3417; Nom.Sg. subst. ‫܅‬umelichiz, *PrWessB, H29a,15.19.22, H29b,5; din volc ‫܅‬vmelichiz, *Roth, 2826; später noch: sůmelich (schif), *PrKöln, 26,26. Auch im Pl. hat sümelich aber in ęte(s)lich einen Konkurrenten, der es in 114 bereits weit überflügelt (s. Abb. P 155) und es zusammen mit ėinic im Laufe der frnhd. Zeit gänzlich verdrängen wird (Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 440f). ²11–²12

sümelich

ęte(s)lich

n

91%

9%

46

¹13

58%

42%

43

²13

58%

42%

31

¹14

17%

83%

81

Abb. P 155: Verteilung von sümelich und ęte(s)lich im Plural

Das Erstglied von sümelich erscheint in aller Regel als ‫܅‬ume-, ‫܅‬vme-, ‫܅‬ůme-, auch ‫܅‬umi- etc. mit ‹i› für Schwa, z. B. ‫܅‬umiliche, HLit, 616; ‫܅‬umilich-, Spec, 69r,12.13 u. ö.; Sůmiliche, PrMK, 4r,19.20. Synkopierung des Schwa und Bezeichnung des erwart­ e i baren Umlauts ü < u durch ‹u, u, ú› setzen erst in 113 bzw. 213 in obd. Quellen ein, vgl. z. B. einerseits ‫܅‬umlich‫ܒ‬, ZwBR, 23v,1; ‫܅‬vmlicher, DvATr, 60r,6; ‫܅‬vmlich, *Aneg, 154; e e andererseits ‫܅‬vmlich, DvATr, 60r,5; ObEv, 25b,41, 34a,14, 34b,41 u. ö.; ‫܅‬umlích, Hartw, i M 87; ‫܅‬umeliche, PrSch, 239v,8. Eine bislang unerklärte Sonderform simelich, similich ist in alem. und rhfrk.-hess. Texten belegt: Alem. ‫܅‬imeliche, LEnt, 41,2; Similiche 48,1.4; ‫܅‬ímeliche, RWh, 548; ‫܅‬imilichiw gvte *UrkCorp Nr. 2207 (Mkgf von Burgau A, Augsburg UP 1295) 363,3; rhfrk.hess. ‫܅‬ímílíche, PrM, b1va,17, c7 vb,9.10.11.12, c8ra,16.17.19.20; ‫܅‬ímelich-, PrRei, 137b,8, 149b,12, 170b,41, 176a,34, 246b,23; simelich-, *Herb, 1155, 14444, 14445, 14454, 14455, 16783; auch ‫܅‬imilichir, *LobSal, 182, wird aus der angenommenen wmd. Vorlage stammen; er chumt ouch gliche dem fiure/ simelichen zeiner stiure, *StrKD II, Nr. 11, 105f. Anm. 1: Entrundung ü > i dürfte als Erklärung ausscheiden, da zumindest die Belege aus LEnt und PrM wohl älter sind als die Entrundung im Alem. bzw. Rhfrk.-Hess. und auch die Vorkommen von simelich in den übrigen Quellen als Fälle bezeichneter Entrundung von ü > i noch allein dastünden. Auch eine direkte Verbindung mit samelich, sėmelich ‚ebenso beschaffen‘ kommt aus lautlichen (und semantischen) Gründen wohl nicht in Frage (s. schon F. Bech 1860, 502). So bleibt die Vermutung, dass simelich auf eine frühe Vermengung von Formen des schwundstufigen *sum- mit e-stufigem *sem- ‚eins‘ (vgl. got. simle ‚einst‘, Lehmann 1986, 304) derselben Wurzel zurückgeht.

P 312

576 P 313



V. Pronomina

sümelich wird stets stark flektiert, sofern es nicht flexivlos bleibt oder durch SchwaApokope flexivlos geworden ist. Es wird meist substantivisch gebraucht, und zwar weit überwiegend im Pl., im Korpus zu etwa 70%. Im Nom.Sg. und Akk.Sg.Neutr. steht in der Regel die starke, e e e selten  – vor allem md.  – die flexivlose Form, z. B. Sv mlik bǒm treit mv‫܅‬cat obz, e ‫܅‬v mlich bal‫܅‬em ‫܅‬af, ‫܅‬vmlicher zimin ‫܅‬mach, DvATr, 60r,4–6; ‫܅‬o namen ‫܅‬i daz plvt v‫ܒ‬ branten ‫܅‬vmelichez, PrPa, 170,17; Svmeliche ‫܅‬ter[nin] ‫܅‬int caltir nature., ‫܅‬vmelicher nazzir, ‫܅‬vmelich[e trucheni]r., ‫܅‬vmeliche heizir, Luci, g3r,38f; flexivlos: De di ‫܅‬t’rín ‫܅‬undír nennít. Vnde aleíne bikennít. Ir craft undi irín ganc., Sumilích kurt, Sumilích lanc, *WernhvN, 238; manich schif ilit ze Colne, der sůmelich niemer ingein dar in kůmit, *PrKöln, 26,26, ähnlich 48,33. Auch im Nom./ ​Akk.Pl. herrscht starke Flexion, z. B. ‫܅‬umeliche, Phys, 154r,1, Kchr, 16474, 16520 u. ö.; RBib, 479, 492 u. ö.; ‫܅‬ímíliche, PrM, c7 vb,9.10 u. ö.; Svmeliche, Pass, 3,55, 21,9; nach oder vor partitivem Genitiv: Íro ‫܅‬úmelîche, Will, 26v,8; Ir ‫܅‬umiliche, WMEv, 25,15; ‫܅‬ůmeliche d’ ph(ar)i‫܅‬ei, MBeh, 145v,5. Daneben begegnen jedoch schon früh flexivlose Formen, z. B. ‫܅‬umelich, *Kchr W, 16747; *RBibB, 180, 196, 493, 541; *SüKlMill, 409; *PrLeys, 17rb,34. Teils könnte hier schon e-Apokope vorliegen, die für Belege aus jüngeren obd. Quellen als wahrscheinlich anzunehmen ist, z. B. ‫܅‬vmelich, e e DvATr, 36v,15; ‫܅‬vmlich, ObEv, 24b,25, 25b,41 u. ö.; ‫܅‬umlích, Hartw, M 87. Im seltenen attributiven Gebrauch kann sümelich im Nom.Sg. und Akk.Sg.Neutr. flexivlos bleiben oder stark flektiert werden, z. B. sumilih prunno, Meri, 2,59; ein e ‫܅‬vmelich wib, PrZü, 112ra,16; Sv mlik bǒm, DvATr, 60r,4; simelich furste, *Herb, 16783; stark flektiert: Sumelichiz korn, Hoff, 19r,19; ‫܅‬ímelicher ‫܅‬ín, PrRei, 170b,41. In den übri­ gen Kasus herrscht starke Flexion. Nur im Nom./ ​Akk.Pl. steht gelegentlich auch die flexivlose Form: ‫܅‬umelich ‫܅‬ine heri‫܅‬te chnehte., die wrben niht rehte, Hchz, 162; sumee e lich ubeldædige livte, *RBibB, 554; ‫܅‬vmelich lv te, BKön, 7 vb,19; ‫܅‬vmelich chri‫܅‬ten lv te, DvATr, 56v,1. Bei Voranstellung kann sümelich dem Poss.-Pron. oder einem attributiven Genitiv vorangehen, z. B. ‫܅‬imeliche ‫܅‬iniv tr‫ܔ‬t, LEnt, 41,2; ‫܅‬vmeliche ir kint, BKön, *14rb,25; ‫܅‬umeliche gotes ‫܅‬calche, Kchr, *6397. Auch nachgestelltes sümelich ist stark flektiert, z. B. Uǒr‫܅‬ten ‫܅‬umeliche. gerieten do indem riche, Kchr, 17039; Romære ‫܅‬umeliche., di enbǒten do den crichen [...], Kchr, *16006; Daz wart dinen ivngeren ‫܅‬vmelichen zorn, *Glaub, 2154; Do ‫܅‬pach ǒch do uns’ h’re., daz div livte ‫܅‬umelichiv uerre dar choܑ waren, *PrRoth R, 12b,18; din volc ‫܅‬vmelichiz. Laz mit mir hei be‫܅‬tan, *Roth, 2826. Wahrscheinlich gehört sümelich hier aber nicht zur vorausgehenden Nominalphrase, sondern ist als prädikativ/ ​adjungiert aufzufassen (vgl. entsprechend bei all § P 350). Ebenso wird sümelich auch prädikativ in der Stellung unmittelbar nach seiner Bezugs-NP oder in Distanzstellung zu ihr in der Bedeutung ‚teils, teilweise, einiges davon‘ gebraucht (vgl. Grimm 1841, 579f). Es wird hier stark flektiert und kann sich beziehen a) auf ein Pronomen: do er do bigunde ze ‫܅‬æin, do uiel er ‫܅‬umelicher [‚einiges von ihm‘] zů dem wege unt wart zetræitit [...] Sumelicher uiel er ůf einen herten

6. Pronomina im weiteren Sinne

577

‫܅‬tein. [...] Sumelicher uiel er untir die dorne, Hoff, 18r,16ff; doch pirt ir ‫܅‬umiliche uon dem ‫܅‬ige. der martyrære ungi‫܅‬cheiden, HLit, 616; Daz an dem bůche ‫܅‬tat ge‫܅‬criben., daz můzzen wir ‫܅‬umelichez uberheuen ‚das müssen wir teilweise übergehen, davon müssen wir einiges übergehen‘, *Gen, 3417; b) auf ein Substantiv, z. B. Sumelicher uiel der ‫܅‬ame an ein gůte erde, Hoff, 18r,22; [Die] zwelf zeichin ‫܅‬int ‫܅‬vmelichiv hohe, ‫܅‬ume­ lichiv [nidere], Luci, g3r,11; de‫ ܅‬worden di herren gemeit ‫܅‬umeliche uil unfro, AlxS, 6853. Zu Belegen aus dem *UrkCorp vgl. WMU 2, 1690 (B 1.2–3). Lit.: Behaghel (1923, 406f); Fobbe (2004, 162–164); Grimm (1841, 579f); Paul, Mhd.Gr., § S 125; WMU 2, 1689f.

6.6.4.3. ęte(s)-lich

ęte(s)-lich ‚mancher, ein gewisser; Pl. einige, manche‘ überschneidet sich in Bedeutung und Verwendung weitgehend mit sümelich, das ihm in spätmhd. Zeit immer mehr Platz macht (s. § P 311 und Abb. P 53, Abb. P 155). Zur Herkunft der Vorsilbe ęte(s)- s. § 129. Von den Hauptvarianten ęte- (ęt-, ętte-), ętes- (ęttes-, ęts-) und ętz(e)- dominiert weithin ęte- (s. Abb. P 156). ętz(e)- beschränkt sich im Korpus auf mfrk. Texte, vgl. auch etze-, *StatDtOrd, 27 v,21, 30r,12, 38r,20; *PrKöln, 26,26, 32,42, 34,29.41, 35,12.36, 46,40, 48,34. In den Urkunden des *UrkCorp erscheint etz(e)- dagegen mfrk. nur in ezzeliche *UrkCorp Nr. 45 (Köln u. Stadt Utrecht 1259) 74,38. Die übrigen Belege entstammen alem. und rhfrk. Urkunden (s. WMU 1, 536), und zwar alem.: ezlichen *UrkCorp Nr. 506 (Luzern 1282) 448,16; etzlich- Nr. N 238AB (Straßburg 1283) 189,34, 190,37; etzelich- 185,16.34, 189,7, 190,12; etzlich Nr. N 243 (Luzern 1284) 197,8; Nr. N 370 (Zofingen A, Kloster St. Urban UP 1288) 277,18, ezzeliker Nr. 2583 (Klingnau 1297) 11,8; – rhfrk.: etzlich- Nr. 1788AB (Mainz A 1293) 86,33.44, 88,27.40, 89,2 u. ö.; Nr. 1524 (Worms 1292) 689,4; Nr. 2785A (Speyer 1297) 135,37. ęte-

ętes-

obd. ²11/ ​¹12

50

50

ętze0

2

Iw, Nib, Parz, Tris

37

62

0

8 20

n

bair.

90

10

0

alem.-bair.

69

31

0

52

alem.

79

21

0

28

0

0

100

21

rhfrk.-hess.

86

14

0

21

mfrk. hess.-thür.

44

56

0

9

omd. (²13/ ​¹14)

87

12

0

16

ofrk.

82

12

6

17

Abb. P 156: Verteilung der Varianten ęte-, ętes- und ętze- von ęte(s)lich (Prozentzahlen kursiv)

P 314

578



V. Pronomina

P 315

Flexion Im Nom.Sg.Mask. überwiegt im Korpus attributiv die flexivlose Form (7-mal flexivlos, 2-mal -er), substantivisch dagegen die Form auf -er (14-mal -er, 4-mal ­f lexivlos). Im Nom.Sg.Fem. ist nur die flektierte Form auf obd. -iu, md. -e, im Nom./ ​ Akk.Sg.Neutr. nur die flexivlose Form belegt (7-mal). In den obliquen Kasus wird ęte(s)-lich attributiv wie substantivisch stets stark flektiert. Formen mit apokopiertem -e im Akk.Sg.Fem. und im Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​ e Fem. finden sich in jüngeren obd. Quellen, z. B. Akk.Sg.Fem. durch ettlich v ppikait, Hartw, T1353; etlích wi‫܅‬e, NikP, 50va,14; Nom./ ​Akk.Pl. etlich lut, Baum, 176v,19; etlich wochen, GnaÜ, 23,13; da vielen ettlich zetal, Diet, 9478; Ir ettlich man mít ‫܅‬chw’ten ‫܅‬chlůg, Hartw, M 35. Frühe Belege des flexivlosen Akk.Sg.Fem. aus 113 sind: vmbe êtelích vn‫܅‬er nôt, PrMi, 19r,13; et‫܅‬lic ‫܅‬tund e, ZwBR, 13v,3; dc nit et‫܅‬lic ‫܅‬um‫܅‬uli ‫܅‬i liden i i 33v,10; dc ir har vber etlich boza inpfânt, *PrFrBasel, 1r,3. Vereinzelt erscheint die flee xivlose Form auch schon im Akk.Sg.Mask.: Etlich la t [‚legte‘] man vf ainē ro‫܅‬t als aínen vi‫܅‬ch, da man ín brant, Hartw, M 72.

P 316

Verwendung Zunächst wird ęte(s)-lich vorwiegend im Sg. verwendet, doch verdreifacht sich der Gebrauch im Pl. bis 114 auf über 60% (s. Abb. P 157; vgl. auch Fobbe 2004, 162–164). Singular

Plural

n

²11–²12

79

21

19

¹13

57

43

42

²13

57

43

30

¹14

36

64

104

Abb. P 157: Verwendung von ęte(s)-lich im Singular und Plural (Prozentzahlen kursiv)

Im Korpus ist attributive nur wenig häufiger als substantivische Verwendung. Dem substantivischen ęte(s)-lich geht nicht selten (in nahezu 20%) ein partitiver Gen.Pl. voraus, z. B. un‫܅‬er ettelicher, Mess, 101; d’ heidene et‫܅‬lich, Erlös, 1174; ir etlichew, GnaÜ, 4,20. ęte(s)-lich steht weit überwiegend in affirmativen Kontexten, kommt in etwa einem Viertel der über 190 Korpusbelege aber auch in NPI-Kontexten vor, davon etwa zur Hälfte in Konditionalsätzen und exzipierenden Bedingungssätzen, z. B. –– im negierten Satz: davon di ‫܅‬orgi alrgro‫܅‬te ‫܅‬i dī vater, dc nit et‫܅‬lic ‫܅‬um‫܅‬uli ‫܅‬i liden ‚daher sei es die größte Sorge des Abtes, dass sie nicht irgendeine Saumseligkeit zu erdulden haben‘, ZwBR, 33v,10; –– im Konditionalsatz: I‫܅‬t den chinden ettelichen geholfen vnde ettelichen niht [...], StBA, 78rb,21; häufiger in ZwBR, z. B. 28v,5; 40v,11 (BR, c. 46,1); 52v,3; 53r,3; 58v,2;

6. Pronomina im weiteren Sinne

579

–– im exzipierenden Konditionalsatz: wir ne uerlazen dih ne ettelichiu zit, wir uerlie‫܅‬en ‫܅‬ele unde lib, Mem, 18,5 (problematisch ist das überschüssige ne, vgl. MSD II, 166 zur Stelle); d’ [kauf ] ‫܅‬ol ‫܅‬tæte ‫܅‬ín., ez en‫܅‬i danne ettelich dínch da ínne., daz den kauf gebrechen mvge od’ geírren, StBA, 111vb,9; –– in pleonastisch negiertem Satz mit negiertem übergeordnetem Satz: Iedoch ne muge wir noch ne geturre wir uon un‫܅‬erm ambæhte daz niht uerlazen., wir ne‫܅‬agen iv ettelicher maze. uon di‫܅‬em troe‫܅‬tlichen tage, Hoff, 29v,4. ęte(s)-lich dringt also teils schon in den nicht-affirmativen Verwendungsbereich von dehėin und kėin ein, die sich ihrerseits zunehmend zum Negationspronomen entwickeln (s. § P 289). Lit.: Behaghel (1923, 385f); Fobbe (2004, 121–124, 162–164); Paul, Mhd.Gr., § M 55, S 127; Sparmann (1961, 88); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 435f; Weinhold, Mhd.Gr., § 495; WMU 1, 536. 6.6.4.4. manic ‚viel‘

manic ‚viel‘ bezeichnet eine unbestimmte, aber beträchtliche Anzahl oder Menge gleichartiger Personen oder Sachen (vgl. Behaghel 1923, 402; Knapp 2009). Es setzt ahd. manag, manīg (Ahd.WB 6, 206ff) fort, vgl. auch got manags, as. manag, ae. manig (mænig, menig), mnl. manig, menig. In seiner Verwendung steht manic zwischen Pronomen und Adj. Es teilt mit dem Adj. zwar die Eigenschaft, dem Definitartikel nur folgen, gesteigert und nachgestellt werden zu können, doch wird von diesen Möglichkeiten nur sehr bzw. extrem selten Gebrauch gemacht: Hinsichtlich der Stellung nach Artikel verhält sich manic weit eher wie ein Pronomen. Aufgrund seiner Semantik steht es nie nach dem Indefinitartikel. Auch dem Definitartikel folgt es im Korpus lediglich ein Dutzend Mal, d. h. in weniger als 1% seiner attributiven Verwendung, während im Schnitt mehr als 40% der attributiven Adj. nach dem Definitartikel stehen. In den Belegen nach Definitartikel, die fast durchweg aus der älteren mhd. Zeit stammen, ist manic meist auf Abstrakta wie güete, genāde, ƶėichen, wunder, nur selten auf Massennomina oder Konkreta, nie aber auf Personenbezeichnungen bezogen: der manigē givte h’ uol wa‫܅‬, Aegi, 1255; Er qvît.: „introite porta‫܅‬.!“ Welez ‫܅‬int div manegen tor., daman hine dvrch ‫܅‬ol ad ianvā regni?, PrZü, 110va,30; Nv ‫܅‬vln wír [...] ahten di manigen bizeichen vn‫܅‬er erlo‫܅‬vnge, PrPa, 50,14; we‫܅܅‬en wir niht di manigen bermde vn‫܅‬er‫ ܅‬herren, 151,7; daz bedvte di manigen tvgende, da dív ‫܅‬ele mit ‫܅‬ol gereinet ‫܅‬in, 175,10; si ‫܅‬ahen mít ir ovgen di manigen zeichen, di got begie indirre werlte, 306,1; daz ‫܅‬ie [...] die manigen uarwe. ‫܅‬pranktē an dǐ bilde, Mar, 2258; diu manegen grozen zeichen, Hoff, 10v,10; Div menigen wazzer [aquae multae, Ct 8,7] nemahten erlesken die mine minnere [l. minne minere] gemahelen, TrHL, 103v,12; die mangen danch, Baum, 25r,7.

P 317

580



V. Pronomina

Im Komparativ ist manic im Korpus nur viermal belegt, und zwar meist attributiv; es bedeutet dann ‚mehr, zahlreicher‘: díu mâre mîner gr(atię) [...] gelócchet máneger ménni‫܅‬kon ze ‫܅‬ích. dánne álle legale‫ ܅‬ob‫܅‬eruatione‫‚ ܅‬die Kunde von meiner Gnade lockt mehr Menschen zu sich als alle Befolgungen der Gesetze‘, Will, 22r,24; uuánte nú ‫܅‬ub (gratia) mánegera exercitia uirtutu(m) uúre cúment. [...] dánne îe ê tâte ‫܅‬ub lege, 22r,26; de‫ ܅‬vvellint ‫܅‬ie habin rvm., vvelher mit ‫܅‬ime ‫܅‬inne. mengirn volg’ gevvinne, LEnt, 29,16; ‫܅‬o maneg’m ez wirt īpholhī, ain’ nit hov’tei ‚wird es mehreren aufgetragen, wird ein einzelner nicht stolz sein‘ (dum pluribus committitur, unus non superbiat, c. 65), ZwBR, 56v,5. Korpusextern z. B. h’ wil noch manigeren dieni‫܅‬tman gwīnē, *TrSilv, 517. Ebenfalls nur sehr selten wird manic nachgestellt, und zwar meist in Versdichtungen, z. B. uzer gallia unt uzer germanía. komen ‫܅‬car manige, Kchr, 472; ‫܅‬ie tvnt vvnd’ manigiv., vil harte creftigiv, LEnt, 41,5; ‫܅‬ie [...] ‫܅‬agetē deme kvninge die wūd’ al‫܅‬o manige, Aegi, 446; daz gímeíne volc ouch des v’droz Durch gebrechen manígen, den ‫܅‬ie liten, LuKr, 1555; Hvnde meníge vellen týr, doch wellen vns ír weren wir, 2449; unde daz er imo do erwelita zveilf iungeren. unde andera maniga, BaGB, 137,29; in hônreden mánigen, 147,1. Ferner in Übersetzungstexten nach lat. Vorbild, z. B. Uuanda hunda manige [lat. canes multi] umbehalbeton mih, WNot, 36rb,7; diete manige [gentes multas], Wind, 134,10; uon ‫܅‬timme wazerer maniger [a vocibus aquarum multarum], TrPs, 50v,18. manic wird nur zu etwas weniger als 10% substantivisch verwendet, spürbar seltener als andere Indefinitpronomina wie sümelich, ęte(s)-lich oder auch all. P 318

Soweit die Variante ahd. manīg zugrunde liegt, konnte Umlautung zu mėnig eintreten. Dies ist häufig im Alem., sonst nur gelegentlich bezeugt (s. Abb. P 158). manic

mėnic

obd. ²11/ ​¹12

95

5

39

Iw, Nib, Parz, Tris

98

2

187

100

0

225

bair.

n

alem.-bair.

77

23

146

alem.

43

57

207

wmd.

100

0

204

hess.-thür.

100

0

208

99

1

149

100

0

151

omd. (²13/ ​¹14) ofrk. Prozentzahlen kursiv

Abb. P 158: Sprachräumliche Verteilung nicht umgelauteter und umgelauteter Formen von manic

Hohe Anteile der umgelauteten Form weisen besonders folgende alem. Quellen auf: Flor, stets Umlaut: menec, 5024; menegir, 5224; mengin, 5007; menegin, 6793, 7203;

581

6. Pronomina im weiteren Sinne

TriF, 10-mal Umlaut: menic, 11500; menger, 10631, 12403; menge‫܅‬, 11502; menigem, 11503; menegem, 16676; mengem, 11498, 11519, 11521; menege, 15846; umlautlos nur manegen, 12328; manigem, 12415. RWh, 31-mal Umlaut: menec, 626, 7244, 7401; meníc, 711, 724, 6783, 7381; menic, 797, 7336, 14601; menege, 402, 7074, 7362; menge, 7454; menegen, 550, 830, 7057; mengen, 6825; mengē, 7351; menegeme, 279, 6695; menegem, 14232, 14625, 14743; meneger, 572, 14603; meneg’, 14464; menger, 6723, 14206; meng’, 7351; mege, 7091; nur 5 umlautlose Formen wie manic, manec, 347, 489, 534, 707, 714. Mart, stets Umlaut (63-mal): z. B. menic, meníc, 1,95.97.99.103, 2,14.36.63.93 u. ö.; mengem, 1,104, 2,11.41, 4,37; mengen, mengē, 2,26.48.52.62.107 u. ö.; menges, 1,31; meng’, 6,1, 11,58; mengir, 11,14, 12,44.65 u. ö. e

e

Hartw, 34-mal Umlaut: z. B. mang, M 31, M 42, M 75, M 83, M 89 u. ö.; manger, M 1588, T0179; e e e e mang’, M 65, M 79, M 239, M 841, M 1718 u. ö.; manges, M 1684; mangem, M 71, M 1717; mane gen, M 24, M 55, M 988, M 1210, M 1213, T109; mangem, M 71, M 1717; nur 5 umlautlose Formen: M 39, M 45, M 74, T252, T1354.

Wie die Belege zeigen, kann insbesondere die Verbindung von Umlaut und synkopiertem oder zu e reduziertem Suffixvokal als alem. Kennzeichen gelten. Außeralem. Umlautformen sind selten: bair. menigiu, WNot, 35vb,2; menigiv, Meri, 1,52; mænegiv, Parz, 22,1; menegiv, 823,10; mænigiv, Nib, 101,4; menigiv, PrPa, 24,8; omd. meníge, LuKr, 2449. Anm. 1:  Auch im *UrkCorp entfallen fast alle Umlautbelege auf alem. Urkunden (WMU 2, 1180), und zwar sowohl mit ‹e› also auch mit ‹æ› als Umlautbezeichnung; nur selten auch bair.: menigiv *UrkCorp Nr. 1010 (Regensburg 1288) 335,9; mæniger Nr. 788 (Bf von Brixen 1286) 157,13; mænige Nr. 3072 (Kloster Niederschönenfeld UP 1298) 315,40; mænige Nr. 3073 (Kloster Niederschönenfeld UP 1298) 316,16.  – In etwa der Hälfte der Fälle verbindet sich Umlaut mit Synkope des Suffixvokals, z. B. meng *UrkCorp Nr. 248B (Freiburg i.Br. 1275) 260,6; Nr. 1797AB (Freiburg i.Br. 1293) 102,5, 110,40; menge Nr. 1295 (StR Rheinfelden 1290) i 536,19.20; mengv Nr. 3474 (Zofingen 1299) 559,25, mênge ebd.; mæng Nr. 248A (Freiburg i.Br. 1275) 257,13; mænge Nr. 278 (Rorschach 1276) 284,3; mængi‫ ܅‬Nr. 542 (Gf von Freiburg i.Br. A 1282) 478,32; mængen Nr. 2491 (Munderkingen 1296) 540,5, mænger 540,10.

Der Vokal der zweiten Silbe erscheint weit überwiegend als ‹i› (manig-), seltener als ‹e› (maneg-) und wird zunächst nur sehr selten, in 114 dann häufiger synkopiert (mang-). Vor allem aber steuern nur acht Quellen aus unterschiedlichen Sprachräumen ca. 80% der Synkopierungsbelege bei (Abb. P 159; zu synkopiertem mėng- mit Umlaut s. § P 318).

P 319

582



V. Pronomina

synkopiertes mangSpec

 5012

Tris

10046

Wins

1008

Mart

 6363

Yol

 758

Göll

 758

HTri

 8927

Renn

 55121

zusammen

 69293

sonstige Quellen

  41250

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 159: Häufigkeit von synkopiertem mang- < manigin ausgewählten Quellen Anm. 1:  In *RolP ist manic mehrfach – und daher vielleicht nicht nur fehlerhaft – zu man verkürzt: 2495, 3329, 6456, 7369.

Korpusextern tritt synkopiertes mang- relativ häufig z. B. in folgenden Texten auf: *ÄSigen (7 mang-, 1 manig-), *VorauNov (5 mang-, 1 manig-), *HeimlBote (4 mang-, 1 manig-), *Herb B (5 mang-, 1 manig-), *Daniel (5 mang-, 2 manig-). Anm. 2:  Im *UrkCorp stammt mehr als die Hälfte der synkopierten Formen aus alem. Urkunden, ein Drittel aus bair. und die restlichen aus md. und ofrk. Urkunden; alem. z. B. manger *UrkCorp Nr. 8 (Altbüron 1248) 22,20; Nr. 981 (Mengen 1288) 319,12; Nr. 1131 (Augsburg A 1289) 417,36; Nr. 1540 (Friedberg 1292) 703,20; mange Nr. 1358 (Augsburg UP 1291) 583,27; Nr. 2284 (Augsburg 1295) 413,19; menge Nr. 1295 (StR Rheinfelden 1290) 536,19.20; mênge Nr. 3474 (Zofingen 1299) 559,25; meng Nr. 248B (Freiburg i.Br. 1275) 260,6; Nr. 1797AB (Freiburg i.Br. 1293) 102,5, 110,40.  – Bair. manger Nr. 1104B (Feldsberg 1289) 400,10; mang Nr. 1138 (Krems 1289) 421,41; mangen Nr. 1140 (Straßburg/ ​Kärnten 1289) 422,18; Nr. 2145 (Marburg a. d. Drau 1295) 330,13; Nr. 2466 (Landau a. d. Isar 1296) 525,39; Nr. N 491 (Dürnstein UP 1291) 354,33; mangem Nr. 2826 (Klosterneuburg A 1297) 163,43; Nr. N 434 (Vils­hofen A 1290) 321,15; mangeu Nr. 1914 (Amberg 1294) 186,41.  – Ofrk. mange Nr. 1259 (Kloster Engelthal UP 1290) 502,10; Nr. 2750 (Kloster Engelthal UP 1297) 116,26; Nr. 3044 (Bamberg UP 1298) 293,11.  – Omd. mangen Nr. 777 (Elbing UP 1286) 150,25; manges Nr. 1161B (StR Erfurt, Mainz 1289) 437,6, 443,34. – Rhfrk. mangen Nr. 1524 (Worms 1292) 691,24; mangen Nr. 2785AB (Speyer 1297) 134,20f. P 320

In ähnlicher Weise ist auch maneg- vom Schreibusus einzelner Hss./ ​Schreiber abhängig: Drei Viertel der Korpusbelege entstammen wenigen, zumeist alem. Quellen (s. Abb. P 160).

6. Pronomina im weiteren Sinne

583

manegPrZü

789

Parz

9451

TrHL

717

Flor

805

RhTun

8513

PrSch

7010

RWchr

7121

RWh

5336

zusammen

76152

sonstige Quellen

 31233

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 160: Häufigkeit von maneg- in ausgewählten Quellen

Ausschließlich maneg- gilt z. B. auch in *VMos2 (16-mal), *VMos3 (3-mal), *FriedbChrist (7-mal), *VBalaam (5-mal) und in Rugges *Leich (4-mal); relativ häufig ist maneg- z. B. in *SüKlMill (5 maneg-, 1 manig-), *VAlex (21 maneg-, 4 manig-, 2 mang-), TrHL (insgesamt: 7 maneg-, 2 manig-), *RolA (56 maneg-, 18 manig-, 1 mang-), *SüKlV (5 maneg-, 2 manig-). Im *UrkCorp beschränken sich maneg- und meneg- auf wenige zumeist alem. Urkunden (WMU 2,1180): alem. manegen *UrkCorp Nr. 8 (Altbüron 1248) 22,21; maneg Nr. 248B (Freiburg i.Br. 1275) 9,7; manege Nr. 325 (Rorschach 1277) 312,9; menegen Nr. N 151 (Freiburg i.Br. A 1278–1280) 110,16; maineges Nr. 1320 (Kloster Blaubeuren 1290) 561,39. – Bair. maneger Nr. N 215 (Mailberg UP 1282) 164,41; manek Nr. 536 (Bf Bruno v. Brixen A, Kg Rudolf [Hofgericht] 1282) 474,29.37.  – Md.-nd. in den Ausfertigungen des Magdeburger StR für Breslau: manege Nr. 51 (Magdeburg 1261) 80,24, manegerhande 82,35; manege Nr. 606 (Breslau 1283) 33,1, manegerhande 34,47.

Im absoluten Auslaut erscheint die Schreibung ‹g› für den finalen Konsonanten von manic nur noch relativ selten (s. Abb. P 161). Im Alem., Rhfrk.-Hess., Omd. und Ofrk. dominiert das durch Auslautverhärtung bedingte ‹c›. Sehr selten tritt stattdessen ‹k› auf: maník, mânik, PrMi, 17r,5; manek, Mar, 2573; relativ häufig nur in Renn: 16-mal manik, maník (z. B. 225, 316, 350, 446) neben 33-mal maníc und manig, 406, 412; vgl. ferner z. B. manik, *Kchr K, 1660, 1690; mænik, Spec, *22v,4, *27 v,16; manik, *VorauNov, 428; menik, *ÄSigen, 14,10. Im Bair. überwiegt ‹ch›, das hier die Affrikata [kx] bezeichnet (s. Paul, Mhd.Gr., § L 105). Im Mfrk. steht das nahezu allein herrschende ‹ch› dagegen für den auslautverhärteten stimmlosen Frikativ [x] < [ɣ]. Im übrigen Md. findet sich ‹ch› relativ häufig in AlxS (20 manich neben 46 manic). Nur vereinzelt wird ‹ch› durch ‹h› vertreten: manih, AlxS, 4971; manh, *Kchr W, 4408; manih, *RolS, 8682; häufiger in

P 321

584



V. Pronomina

*RolA (meneh, 665, 667, 4570, 8282; menih, 4744; manih, 2495, 3329, 5002, 5202, 5550, 5793, 8278, 8333, 8359, 8892; maneh, 4953). ‹g›

‹c›

‹k›

‹ch›

100

0

0

0

1

Iw, Nib, Parz, Tris

0

47

0

53

62

bair.

5

37

3

55

88

obd. ²11/ ​¹12

n

alem.-bair.

44

44

0

12

34

alem.

21

72

0

7

58

mfrk. rhfrk.-hess. hess.-thür. omd. (²13/ ​¹14)

6

0

0

94

34

20

77

0

3

35

1

75

0

24

99

13

70

0

17

30

ofrk.

25

49

24

1

67

insgesamt

12

54

4

30

508

Abb. P 161: Sprachräumliche Verteilung der Schreibungen des finalen Konsonanten von manic im absoluten Auslaut (Prozentzahlen kursiv) Im *UrkCorp (vgl. WMU 2, 1180) entfällt von den Schreibungen für g im Auslaut von manic auf ‹ch› etwa die Hälfte, auf ‹g› etwa ein Drittel und auf ‹c› nur rund ein Sechstel der Belege. Von den Formen mit ‹ch› stehen ca. 60% in bair. und etwa ein Viertel in rip. Urkunden. Von den restlichen Fällen sind alem.-schwäb. manich Nr. 1701 (Bf Wolfhart v. Augsburg UP 1293) 33,24; Nr. 1702 (Augsburg UP 1293) 34,11; Nr. 584 (Konstanz 1283) 14,5; ofrk. Nr. 3107 (Burggrafen von Nürnberg 1298) 332,1; md.-nd. Nr. 51 (Magdeburg 1261) 79,43, 80,25; Nr. 606 (Breslau 1283) 32,20, 33,1.  – ‹g› (manig, menig, meng etc.) findet sich weit überwiegend in alem. Urkunden, die übrigen sind bair. bis auf einen rip. Beleg (Nr. 72B Köln 1263). P 322

Im Inlaut bleibt g in aller Regel bewahrt. Formen mit ‹ch› sind md., vor allem mfrk. und omd.: mfrk. z. B. maneche, RhTun, 194; Maniche, 475; manechez, 273; Manecher, 493; maniche, VLilie, 28,25, 33,33; manichen, 5,22, 7,12, 33,20, 39,7; manicher, 13,36, 40,14, 43,35; maníche, UKöln1, 1,23; manícher, 1,24; manchin, KuG, 12028; māche, 12272; maniche, BuMi, 56r,14, 63v,7, 82v,17, 94v,9; manichē, 96r,10; manchen, Yol, 2655. Korpusextern z. B. manichen, *ErnstA P, 2,11, 3,40; maniche, 2,31; manicheme, 5,42.65; Manichin, *RolE, 3344, 3346; manichín, *WildM, II, 236; maníchem, III, 118; maniche, *PrKöln, 36,1; manicher, 32,27, 41,32; manichen, 36,23, 48,35; manchen, 37,43; – rhfrk.hess. manchē, OxBR, 15r,13; manchin, *Klagschrift, 1r,103; manichin, *Herb S, 7977; Manichir, 8083;  – hess.-thür./ ​omd. manicheme, GRud, 5,29, manichen, 11,47; manichin, JMar, 59v,11; manicher, 104r,14; in 114 synkopiert manch-: manchir, BeEv, 6r,19, 10v,13; mancher, 19v,10; manchis, 6r,22; manche, 22r,24; manchen, HTri, 6070; manchē, 320; ma[n]chem, 3497; manche, *Daniel, 813, 941, 981, 1137; – auch ofrk.: māchirhāde, Lupo, 2,138.

6. Pronomina im weiteren Sinne

585

Anm. 1:  manch- ist dann im Frnhd. zur Regelform geworden, vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 82. Im *UrkCorp ist ‹ch› für inlautendes -g- allein rip. belegt: maniche, manicher Nr. 53 (Köln 1269) 86,37.

Auf Schwächung des frikativen g dürften md. Formen wie manie beruhen, vgl. z. B. manie, *Christi Geburt, 21, 37, 42, 44, 69; manier, 5, 65; manien, 47; *Herb, 13172, 16063; manier, 10156, 15360. Flexion manic wird in aller Regel stark-pronominal flektiert oder bleibt flexivlos. Die sehr seltenen schwachen Formen (im Korpus nur ca. 1%) folgen dem Definitartikel, Demonstrativ- oder Possessivpronomen, z. B. diu manegen grozen zeichen, Hoff, 10v,10; di‫܅‬iv māgen dinch, DvATr, 68r,11; der míner manigen ‫܅‬ere, Kchr, 915; diner manigē tvgende, *RvZw, 5,1. Nur vereinzelt begegnen schwache Formen auch sonst, z. B. Eyns ritters h’cze ‫܅‬chriches bloiz V‫ ܒ‬menegen ‫܅‬carpē ‫܅‬wertes ziel, *Göll2, 3,41. Anm. 1:  Das seltene Mask. vrist dürfte vorliegen in D’ welte ‫܅‬ůze i‫܅‬t dāne bitt’ Mengen fri‫܅‬t [‚oft‘] v‫ ܒ‬darz‫ ݑ‬zitt’, Mart, 9,112.

Nach ander steht die stark-pronominale oder flexivlose Form, z. B. div zeichen himel‫܅‬ vnd erde [...] v‫ ܒ‬anderr maniger dinge, PrPa, 25,4; andre manige kuninge, AlxS, 3451; Ere v‫ ܒ‬ander manch gǒt, Tris, 182; U‫ ܒ‬andir menic w’der helt, Mart, 4,25. Bei attributivem manic gilt im Nom.Sg.Mask. und im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. die flexivlose Form mit nur sehr seltenen Ausnahmen: maníger edel men‫܅‬che, Hleb, 189v,17; mang’ roide mūt, *Göll2, 3,80. Dem engen Anschluss an die lat. Vorlage geschuldet ist die attributiv nachgestellte flektierte Form in vride maniger (pax multa, Ps. 118,165), TrPs, 81v,13. Im Nom.Sg.Fem. herrscht im Obd. gleichfalls die flexivlose Form, z. B. vil maníc ‫܅‬choniv meit, Nib, 29,2; ‫܅‬o manich ercenie, Bart, 16va,8. Nur vereinzelt erscheint auch die flektierte Form: Manige brvnne ‫܅‬tælin, Diet, 9567. Im Md. dagegen liegen flektierte und endunglose Formen in etwa gleichauf (s. Abb. P 162); flektiert z. B. Maniche ‫܅‬ele, RhTun, 475; manige brunje, AlxS, 3288; manige ‫܅‬unde, PLilie, 3,12; manige togint, SalH, 23,9; maniche unvledicheit, BuMi, 63v,7; manige grůweliche dicke hůyt, Taul, 12r,13; maníge míle, Hleb, 11r,15; mange ‫܅‬toríe, HTri, 554; Manige rede, *Herb, 16680; maníge vntrívwe, *Freid, 1005;  – flexivlose Formen z. B. manich ‫܅‬care, AlxS, 1958; manic ‫܅‬cone gimme, 5978 (vgl. auch 3115, 4705, 5966, 6771); maníc wunnecliche ‫܅‬char,

P 323

586



V. Pronomina

Himlf, 589; manic ‫܅‬ele, 1628; manig pine, JMar, 12r,16; Manec vngefuge ‫܅‬char, Elis, 10216; manig breiti ‫܅‬cari, *Anno, 27,9; manich urowe, *Roth, 1940. attributiv obd. -Ø

Nom.Sg.Mask. Nom.Sg.Fem.

substantivisch md.



-e ~ -Ø

obd.

md.

-er

-Ø ~ -er

-iu ~ -Ø

?

Abb. P 162: Flexion von manic im Nom.Sg.Mask./ ​Fem.

Auch im Akk.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Pl. aller Genera kommen  – wenngleich selten – flexivlose Formen vor, die noch nicht durch Apokope bedingt sind, z. B. Akk. Sg.Fem. manich marter, PrPa, 177,2; maních ritt’s tat, Lieht, 1588,4; manich her‫܅‬chaf, e VLilie, 48,4; Akk.Sg.Mask. do gab [‫܅‬i] ím menec gv tlichen kv‫܅‬, RWh, 626; Dat.Sg. Mask.: Hie nachet der toth manic manne, *Roth, 2776; Nom./ ​Akk.Pl. Wi manic ‫܅‬almi (quot psalmi), ZwBR, 21v,6; maníc ‫܅‬chone mertilere., Patriarchen v‫ ܒ‬p(ro)pheten, Himlf, 1447; Uil manic notue‫܅‬te man, Der ich nicht genennin kan, AthP, 7,93; maníc eprechere Machent frevden lere, Renn, 11927; manig lude, BuMi, 70v,17; manic helt ‫܅‬nelle. unt iunge. chomen zeder ‫܅‬amenunge, Kchr, *6988. Den vorausgehenden attributiven Zahlwörtern hundert, tūsent passt manic sich in der Flexivlosigkeit an, z. B. Nom.Pl. manic hundert tů‫܅‬ent heiligen, Hoff, 24v,10; uor manic hundert iaren, *VMarienlob, 8. Vereinzelt erscheint flexivloses manic auch bei substantivischem Gebrauch im Nom./ ​Akk.Pl.: wie manch der hiemele sin da inboven, *PrKöln, 40,6. Bei substantivischer Verwendung gibt es im Nom.Sg.Mask. einen klaren Kontrast zwischen obd. und md. Texten (s. Abb. P 162): Im Obd. herrscht die flektierte Form auf -er (im Korpus über 50  Belege), z. B. vil manigir, Spec, 75r,22; vil maniger, LEnt, 13,4, 20,4, 23,8, 45a,4; Nib, 1393,2; Lieht, 872,4; maniger bîvt div oren dar, Iw, 251; flexivlos dagegen nur: Ee. er begrífe den vr‫܅‬prvnc, So‫܅‬t meníc alt, Mart, 2,36; Auch wart e [...] víl mang vf reder ge‫܅‬ezet, Hartw, M 42; unsicher ist Hartw, T252. Im Md. konkurrieren demgegenüber die flexivlose und die flektierte Form. Flexivlos z. B. vil manic ouh da irslagen lach, AlxS, 1067; vil manich in dē blvte ertranc, 2149; uil manich ‫܅‬inen genoz in daz mere irtrancte, 2414; manic, 3353, 4594, 4729; Aegi, 169; manich, PLilie, 3,30; wie manich volget de‫܅‬eme rade, 4,22; Su‫܅ ܅‬tarb da manic manige wi‫܅‬, AthP, 1,157; da umbe uerlu‫܅‬it manig beide lib unde ‫܅‬ele, *Glaub, 2500.  – Flektiert z. B. Maniger we‫܅‬chet ‫܅‬ich v‫ ܒ‬ne blibet nít reíne, PrM, b2va,26; De‫ ܅‬uil manigir intgalt, AthP, 3,125; Vn‫܅‬er vrouwen gezít, Di maníger noch ‫܅‬prechen pflít, Pass, 7,10; Des bleip ír da maníger tot, LuKr, 2051; d’ co‫ ܅‬manier den dot, *Christi Geburt, 5; Ein wort heizit ere. daz coufet maniger ‫܅‬ere, *Glaub, 2499; de‫ ܅‬nam maniger den ‫܅‬chaden, *ErnstA M, 18. i Nur vereinzelt findet sich die schwache Form: Er ‫܅‬prach ǒch., dc (Christus) nut d’ rb er‫܅‬te was, d’ íe er‫܅‬tarb. es was maníge vor ím tǒt, NikP, 44 ,5.

6. Pronomina im weiteren Sinne

587

Nom.Sg.Fem. und Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. sind substantivisch zu selten belegt, um gesicherte Aussagen über die Formenverteilung zu erlauben. Zumindest obd. scheinen aber auch hier die flektierten Formen vorzuherrschen, vgl. für den Nom.Sg.Fem.: Ir was vil mangív drund’ clar, Lieht, 132,8; Dem gelich vil mangiv leider t‫ݑ‬t, Wins, b19,3; – Ir maníg vert reht, als ob ‫܅‬ie tobe, Renn, 412. Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.: daz man div mícheln mezzer hîz ‫܅‬ah‫!܅‬, der di rechen manegez trůgen, Kchr, 337 (= Der di rekkin manigis drůgin, *Anno, 21,19); div liehten helmvaz., d’ frvmt er da vil manigez. von bl‫ݑ‬te rot v‫ ܒ‬naz, Nib, 2338,4; vnd als manick brot [...] er auf d’ penke vaile hat., als maniges ‫܅‬ol er da bei vaile haben, *NüP, 1vb,6. – Flexivlos: Dis red. vnd noch maníg. hat d’ weí‫܅܅‬ag. vō ‫܅‬eín ‫܅‬elbes leib niht ge‫܅‬prochē, *KlostEvang, 297r,30; So manic was d’ stucke, *Herb, 6769. Lit.: Behaghel (1923, 401–404); Paul, Mhd.Gr., § M 55; Sparmann (1961, 84f); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 428–433; Weinhold, Mhd.Gr., § 508, 520; WMU 2, 1180f.

6.6.4.5. ‚ein‘ 6.6.4.5.1. Übersicht

Die genauere Grenzziehung zwischen dem Zahlwort, dem Indefinitpronomen und dem Indefinitartikel ėin wird unterschiedlich beurteilt (vgl. § P 169; für das Nhd. etwa Bisle-Müller 1991, 100ff). Beim mhd. Gebrauch von ėin, der im Wesentlichen schon dem nhd. entsprechen dürfte, lassen sich hinsichtlich Verwendung und Flexion die in den folgenden Paragraphen vorgestellten Haupttypen unterscheiden.

P 324

Anm. 1:  Die schon von Braune (1886; 1887) diskutierte Auffassung (vgl. u. a. auch Kauffmann 1889; Hildebrand 1889; Tobler 1891; McClean 1934, 339), mhd. ėin habe teils auch die Funktion eines Demonstrativpronomens, hat sich nicht durchsetzen können, vgl. Paul, Dt.Gr.III, § 146 Anm.; Behaghel (1923, 135ff); v. Kraus (1930); Panzer (1955, 154–161); Spitzer (1956); Mustanoja (1958, 52 Anm. 2).

6.6.4.5.2. ėin als Zahlwort

Entsprechend der Kardinalzahl ‚1‘ bezieht sich ėin auf genau eine Größe. Nur bei den folgenden Verwendungstypen (1)–(3) handelt es sich um das Numerale im strengen Sinne, während in (4)–(10) teils schon das (indefinite) Zahladjektiv ėin vorliegt (vgl. für das Nhd. Duden-Grammatik 2016, § 446): (1) ėin als Zähleinheit bei Maß- oder Münzbezeichnungen, und zwar sowohl attributiv als auch substantivisch (oder mit erspartem Substantiv), z. B. [...] der git dem vogte ze buzze/ ein phunt phenninge, StBA, 16ra,1; der ‫܅‬elben fvnf phvnt werdent der ‫܅‬tat vierev. v‫ ܒ‬eínz dem Rihter, SBNü, 17ra,7.

P 325

588



V. Pronomina

(2) ėin als Teil komplexer Kardinalzahlen, z. B. Eín vnd zwenzíg Schillinge, UMainz, 4,19. In der Regel steht die flexivlose, selten nur die flektierte Form, z. B. do man i i zalte von gottí‫ ܅‬geburte/ zwelfhvndírt/ v‫ ܒ‬eíne‫܅‬/ v‫ ܒ‬Nvnzíg/ Jar, UFreib1, 5,13; man ‫܅‬ol im ainē v‫ ܒ‬zwaizig. nennē, Rupr, 75,22. (3) Attributives ėin, das als betont zu denken ist, bezieht sich auf ein und nur ein, auf genau ein Exemplar, z. B. Ich glóubo eina gotheit, [...] eina uur‫܅‬t we‫܅‬ende natura [...] ein almahtige. eina ebenewigheît de‫ ܅‬uater. unde de‫܅ ܅‬une‫܅‬. unde de‫ ܅‬héiligo‫܅‬ten gei‫܅‬te‫‚ ܅‬ich glaube an éine Gottheit, éine den höchsten Wert habende Natur, éine Allmacht, éine Gleichewigkeit des Vaters und des Sohnes und des heiligsten Geistes‘, BaGB, 135,30–136,7. (4) ėin in der Bedeutung ‚nur ein, höchstens ein‘. In substantivischer Verwendung wird ėin stark flektiert, z. B. Da randen zwen ofte eínen an, Lieht, 1561,1; Treit ab’ ein wagen mer Chi‫܅‬ten danne aine [...], UAugsb1, 5,53, 6,52; I‫܅‬t íenert eínív ‫܅‬ælden fri., da bi ‫܅‬ínt tu‫܅‬ent oder mer., den tugend v‫ ܒ‬ere wonet bi, Wins, a10,8; ‫܅‬wer eíne zerbríchet., der hat ‫܅‬i alle ‫܅‬amment zerbrochen, SwSp, 44va,7; ez i‫܅‬t bezzer, daz einer ‫܅‬terbe., dan alle die werl virderbe, SalH, 121,15; zů. dem ‫܅‬elb Erb./ da. gehorent mer Erben. zů denn ain’, Rupr, 67,34; Nom.Pl. (oder schwach flektiertes Sg.Neutr.?): HErre Gei‫܅‬t, Vat’ vnd kint., Div driv gar an dir eíne ‫܅‬ínt, Türh, 2; uf daz ‫܅‬y an vns alle eyne ‫܅‬ynt, BeEv, 63v,10 (in der Nachbarschaft von: uf daz ‫܅‬y alle eyn ‫܅‬yn, 63v,8, und uf daz ‫܅‬y ‫܅‬ynt alle eyn., al‫܅‬e wir alle eyn ‫܅‬yn, 63v,13f). – Als substantiviertes Neutr.: Sus kan dín eín gedriet ‫܅‬i, Türh, 14. – Attributiv, z. B. mín ‫܅‬el hat ‫܅‬o grozz gnade vnd freud mit got, daz er gelobt ‫܅‬ei, daz er mich eín ‫܅‬tund níe uber hebt hat dez leidens, dez ich gehabet han, GnaÜ, 90,10. (5) ėin ‚eins, ein und dasselbe, eine Einheit‘ (im Unterschied zu einer Vielheit); meist steht hier das unflektierte Neutrum ėin: ‫܅‬i i‫܅‬t, diu uzer manigen ein machot, WNot, 36va,21; [si vant do mit den buochstaben], die man ze beiden namen ‫܅‬ol haben., dc ez allez ein waz, TriF, 10615; Dar umbe die werc der minnen inde der barmherzicheide., ‫܅‬i ‫܅‬int al ein bit ingeinme under‫܅‬cheide, VLilie, 55,15; vgl. auch RhMl, 2064; BeEv, 63v,8. (6) ėin nach dem Definitartikel, wie im Nhd. bezogen auf ein bestimmtes und zugleich einziges Exemplar (vgl. Behaghel 1923, 414f). ėin wird in aller Regel schwach flektiert wie ein dem Definitartikel folgendes Adj. Substantivisches ėin überwiegt bei weitem, vor allem in der Formel dęr ėine  – dęr ander; im Korpus ist die substan­ tivische Verwendung etwa viermal häufiger als die attributive. Substantivisch z. B. Daz êina i‫܅‬t ábo hîe ze mérchenne, Will, 14v,3; an ‫܅‬wem er de‫ ܅‬innen wirt., daz i‫܅‬t der eine, den er uerbirt, HLit, 582; ‫܅‬o wirt min angi‫܅‬t cleine, wan ir bint der eine, d’ mir hie gihelfin mag, Flor, 5368.  – dęr ėine  – dęr ander z. B. Ezen i‫܅‬t dehein chnet, der gedienin muge zwein herren, ern haze den einin unt minne den andir. oder er behalte den einin unt uer‫܅‬mahe den andern, WMEv, 66,3–67,1; LEnt, 63,3; PrFr, 5,15; PrMi, 24r,10;

6. Pronomina im weiteren Sinne

589

Mar, 4635; TrHL, 106v,19; Luci, a1v,29, b1v,7 u. ö.; Flor, 5076; do ‫܅‬i ‫܅‬ich m‫ݑ‬zen ‫܅‬ceiden., div eine von den beiden., do ‫܅‬ach man iamer v‫ ܒ‬leit, TriF, 11516.  – Zu die ėinen Pl. s. § P 328. Attributiv z. B. Den einan waren trohtin, got alemahtigen, glóubich uor allen werltzîtan do hie we‫܅‬enten, BaGB, 136,7; allez daz lantuolc. in di ain ‫܅‬tat [Jerusalem] uor ín floh., bediv kint vnt wip, Kchr, 860; So man. daz eine wort ‫܅‬prichit. „‫܅‬vnne.“, da ‫܅‬ehen wir driv dinc ane, PrZü, 107 vb,8; die einen frǒde., die ih hete, Mar, 510; doch wære div êine magt. harte ‫܅‬chîere verclagt. vvider dem ‫܅‬chaden, der hîe ge‫܅‬chiht, Iw, 4899; z‫ ݑ‬der eínen ‫܅‬iten wit des bergis da von olívet, PrRei, 12a,12.

(7) ėin nach (niht) wan oder niuwan, welche den Bezug auf ausschließlich ein, auf nur ein Expemplar hervorheben, z. B. ‫܅‬ilue‫܅‬ter nennet nehain got mere. wan ainen uz i‫܅‬rahel, Kchr, 8773; Die wi‫܅‬en h’ren [...] di ‫܅‬agīt un‫ ܅‬daz., daz dri indie ‫܅‬ín., al wenēt di lute, daz nít wan eíne ‫܅‬i ‚... dass es nur éin Indien gebe‘, PrM, c8vb,1; daz le‫܅‬in wir niht, daz daz ie deheinin heiligin verlihen wrde an got. wan einim, .s. Joh(ann)i, Spec, e 74v,6; Mir kom an einem morgē frv. So manigerleye gedenke zv. Von dirre werlde lauffe, Daz ich by ‫܅‬ůlichē kauffe So nahen níe v’toret was Wa‫ ܒ‬eynē, dē ich vz in las, D’ mir da wol behagete, Lupo, 3,46. Teils geht wie bei (6) dem dann schwach flektierten ėin der Definitartikel voraus, z. B. daz enzêlt dehein bůch., waz er ‫܅‬prâche., wan daz êine., daz er bitterlichen wâinti, Spec, 39v,1; iedoch ne woldiz daz livt. niemāne bekēnē. wen dē einē māne, Aegi, 56; dc ‫܅‬i anbeten eínin got v‫ ܒ‬iemír lei‫܅‬ten des gebot v‫ ܒ‬me encheínín an bettín wan den eínin, RWchr, 31687; Ver‫܅‬vmet eín herre ‫܅‬in lanti tegedingen [...], da mít v’‫܅‬vmet er den lvten nîvt wan daz eíne lanttegeding, SwSp, 54va,9; Es i‫܅‬t ír deheíner mer choܑen, der got lob ‫܅‬age, wan d’ eíne, ObEv, 56a,14. (8) ėin in prädikativer (oder adjunktiver) Verwendung mit der lat. sōlus entsprechenden Bedeutung ‚einzig, allein, nur‘; es steht also weniger die Einzahligkeit als die Ausschließlichkeit im Vordergrund (Behaghel 1923, 415). Im Nom.Sg. steht zumeist schwach flektiertes ėine. Dies hat die Adverbialisierung von ėin(e) begünstigt, die bereits in ahd. Zeit zurückreicht (vgl. Ahd.WB 3, 206 s. v. eino). Vielfach ist ėine sowohl prädikativ als auch adverbial lesbar. Im Mhd. tritt oft al verstärkend hinzu, vor allem auch bei adverbialisiertem al-ėine, das sich in nhd. allein ‚nur, ausschließlich‘ fortsetzt. Vgl. z. B. er eino ‫܅‬ihet, uuio ‫܅‬i uallent, WNot, 37vb,6; eruelle ‫܅‬ine geuualt., der ‫܅‬o michel uuirt., daz ecchert du eino in ube ruuinden maht ‚wirf seine Macht nieder, der so groß wird, dass nur du allein ihn überwinden kannst‘, 14rb,12; Derder tuot wunter michiliu eine (Qui facit mirabilia magna solus), Wind, 135,4; Wíe bí‫܅‬tv eine ‫܅‬o ellente, daz d‫ ܔ‬níht enweí‫܅‬t., waz n‫ ܔ‬ge‫܅‬chêhen í‫܅‬t? ‚bist du allein so fremd hier, dass du nicht weißt, was geschehen ist?‘ (Lk 24,18), PrMi, 36v,21; selten auch stark flektiert, z. B. heiligu mǒtir, du einv da bi‫܅‬t, an d er gnad e [...] wir un‫ ܅‬uir‫܅‬ehen, Muri, 37r,12; In den obliquen Kasus überwiegt dagegen starke Flexion, z. B. Gen.Sg.Mask. vvande îe ‫܅‬in ein‫܅ ܅‬lac. va‫܅‬te wider zwêin wac ‚denn der Schlag von ihm allein wog zwei (von ihnen) auf‘, Iw, 5347; durch ‫܅‬in eines ‫܅‬terben. ‫܅‬tarp vil manich m‫ݑ‬t’ kint Nib 18,4; min eines hant, Nib, 59,1. In der Rechtsformel mit sīn ėines hant ‚mit seiner alleinigen Hand, er allein‘ z. B.

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V. Pronomina

MüRB, 1r,27, 6v,5 u. ö.; Dat.Sg.Mask. Dir eînemo, herro, ‫܅‬ínt ‫܅‬i chúnt., du eîno máht ‫܅‬iê uirgéban, BaGB, 148,5; dir einemo (tibi soli), Wind, 52,7a; TrPs, 11v,20; ihne gan dine‫ ܅‬libe‫ ܅‬v‫ܒ‬ diner ‫܅‬ele íemen wan mír einem, PrPa, 318,1; an ime einime wonete ‫܅‬ameth. die ‫܅‬ibin gabe de‫ ܅‬heiligin gei‫܅‬ti‫܅‬, TrHL, 4r,5; Dat.Sg.Fem. Dit ‫܅‬olde inde mochte dir einere ge‫܅‬chin, RhMl, 2291; Akk.Sg.Mask. al‫ ܅‬ab ich in êinen ‫܅‬ach., min forhte v‫ ܒ‬min vngemach. vvart ge‫܅‬enftet îedoch, Iw, 703; mín tro‫܅‬t i‫܅‬t vf dich eínen comen, Wins, a36,6. Schwach flektiert z. B. Abir alliu dv ‫܅‬chonheit, div an d en nivn ‫܅‬amenungen wa‫܅‬., div wa‫܅‬ uollichliche an ime einin, PrZü, 106ra,19; dc wer ím eínen vnver‫܅‬êit, RWh, 262; wan ‫܅‬wc ie ze e liebe mir v‫ ܒ‬ze ‫܅‬elden ge‫܅‬chach, [...] dc mv‫܅‬te von dir eínen komen, RWh, 6875; selten auch im Pl.: Ovch warn gar gevallen. Gunth’s degene. niwan ‫܅‬i einen zwene., er v‫ ܒ‬Hagene, Nib, 2359,2. Auch nach dem Pluralis reverentiae ir, iu, iuwer steht singularisches ėinem, ėiner, ėines: div ‫܅‬elbe zvht [...] div da iv êinem ge‫܅‬chach, Iw, 131; ich ‫܅‬agiv mit der warhêit., daz div helfe v‫ܒ‬ der rat. nǐwan an iv êiner ‫܅‬tat, Iw, 8050; Daz aller iwer vordern lant wartent iwer eínes hant, Diet, 2634.

(9) Die Verbindung von ėin mit folgendem Definitartikel kann verschiedene Bedeutungen haben. Am häufigsten steht sie vor superlativischem Adj., wobei sehr oft ein e restriktiver Relativsatz mit ie oder nie folgt, z. B. an êin daz ‫܅‬chon‫܅‬te gra‫܅‬., [‚eine der schönsten Wiesen’] daz div werlt îe gewan., da f‫ݑ‬rte ‫܅‬i mich an, Iw, 334; [Baldewín von burgo], der mít hoher tat Het erworben, daz man ín ‫܅‬agte eínen den be‫܅‬ten ritt’ ‫܅‬ín [‚dass man ihn als einen der besten Ritter bezeichnete‘], Als in die cri‫܅‬tenheít da het, LuKr, 228; ein dat herlih‫܅‬te bedde [...], dat he íe me ge‫܅‬in hede, *LancM, 1ra,10. Vor Substantiv mit folgendem Relativsatz z. B. er tr‫ݑ‬ch in ‫܅‬inem mvte. ein minnekliche meit. v‫ ܒ‬ovch in ein div frowe., die er noch niene ge‫܅‬ach, Nib, 133,3; er dâhte und dâhte als ein der man, dem ez ze cleinem liebe ertaget, *Tr, 15228; owê, daz er ie erkôs im ze vriunde ein den man, der nie deheine triuwe gewan!, *Wig, 3690.  – Vgl. dazu Grimm, Dt.Gr.IV, 417; Paul, Mhd.Gr., § S 135. Weinhold (Mhd.Gr., § 523) und Behaghel (1923, 137f) halten ėin in dieser Verbindung kaum zu Recht für den Indefinitartikel. Dagegen spricht schon die von Weinhold selbst bemerkte Parallelität von ėin dęr und dehėin dęr und – wenn man Mustanoja (1958, 50, 52) folgt – mehr noch der emphatische Charakter und die Zahlwortnähe von ėin der [...]. Die Konstruktion ist verschieden erklärt worden: als Entsprechung der nhd. Konstruktion mit partitivem Genitiv (Grimm, Dt.Gr.IV, 417, 455; dagegen Szczepaniak 2016, 252) oder als Vermengung der Konstruktionen mit Indefinit- und mit Definitartikel (Tobler 1891, 382f; Behaghel 1923, 137f; v. Kraus 1930, 4–6); dagegen McClean (1934) mit Verweis auf die weite Verbreitung der Konstruktion in den germ. Sprachen und ihr wahrscheinlich hohes Alter. Nach Spitzer (1956, 301f) handelt es sich vornehmlich um ein stilistisches Phänomen: die Verbindung von publikums- und figurenbezogener Rede. Mustanoja (1958; so auch Szczepaniak 2016, 252f) gelangt zu dem Ergebnis, dass emphatischer Gebrauch des Zahlworts ėin vorliegt, das hier wie lat. ūnus den Superlativ intensiviert; mit dem emphatischen ėin verbinden sich „several aspects of ‚oneness‘ such as individuality and exclusiveness (‚one among others‘, ‚one as distinct from all others‘, etc.)“ (Mustanoja 1958, 50). Einige dieser Ansätze dürften sich eher ergänzen, als sich auszuschließen.

6. Pronomina im weiteren Sinne

591

Für Grimms Annahme dürfte sprechen, dass die Konstruktion in frnhd. Zeit durch die nhd. Konstruktion mit partitivem Genitiv ersetzt wird. Sehr schön illustriert etwa *Lanc diesen Ablösungsprozess, da hier neben der noch vorherrschenden mhd. Konstruktion in gleicher Funktion auch schon Beispiele der nhd. Konstruktion mit partitivem Gen. vorkommen, vgl. z. B. er ist ein der schönste ritter, den ich ye gesehen hab, II 236,25 eyn der best ritter von der welt, II 819,11

eyner der besten ritter von den wapen den ich kenne, II 202,21 der besten ritter eynen der welt, II 808,12

Die neue Konstruktion könnte durch Fälle gefördert worden sein, in denen beide Lesarten möglich waren, z. B. da gab er die cleynot beide eyner der schönsten jungfrauwen die er ie gesah, *Lanc, I 344,7 (der schönsten jungfrauwen Dat.Sg. oder Gen.Pl.?). Hier lassen sich auch einige wenige Stellen anschließen, in denen ėin die Bedeutung ‚allein der, einzig der‘ hat (vgl. oben (7) ėin ‚solus‘), z. B. Mit einim deme willen ‫܅‬ine‫ ܅‬uater. so fůr er indie wambe. der unbirůrtin magide, Phys, 134v,10; die Grenze zum Adv. ėin(e) ist teils nicht sicher zu ziehen, vgl. z. B. Eín der vble menní‫܅‬che., des hêrze er‫܅‬teínet í‫܅‬t., der deheínen gedíngen hat. ze gôte., der ne hât mít ím deheíne frevde, PrMi, 23r,19; Wane i‫܅‬t ein diu ‫܅‬icherheit an îme., diu gebirt die ‫܅‬icherheit zeden ‫܅‬unton. hater auer aine die ‫܅‬erpfin. der mai‫܅‬ter‫܅‬cefte., diu machet die untertanen mi‫܅܅‬etruik der gote‫ ܅‬gnâdon ‚denn ist allein unbesorgte Nachsicht an ihm, so bewirkt sie die Sorglosigkeit im Sündigen; übt er dagegen allein strenge Herrschaft aus, so lässt sie die Untertanen an Gottes Gnade zweifeln‘ (Si enim ‫܅‬ola fuerit misericordia, securitatem facit peccandi subiectis. iterum si disciplina sola semper fuerit, animus uertitur in desperationem), *Alkuin, 47 v,19–22.

(10) ėin + Poss.-Pron. entspricht der nhd. Konstruktion Poss.-Pron. + partitiver Gen., vgl. Grimm, Dt.Gr.IV, 418f; Weinhold, Mhd.Gr., 573f; Behaghel 1923, 120, 358f; Paul, Mhd.Gr., § S 119, S 130. Die Flexion ist die des Indefinitartikels ėin (s. § P 170), vgl. a z. B. mezze ‫܅‬tiphte ain ‫܅‬in man., metius geheize n ‚Metz stiftete einer seiner Gefolgsleute’, Kchr, 651; ein ‫܅‬in kappelan, Parz, 36,7; in deme turne da inne i‫܅‬t eine mín frvndinne, dv i‫܅‬t. Bl(anscheflur) ginant, Flor, 5352; einem ‫܅‬inē mei‫܅‬tere daz wol ‫܅‬chein, AlxS, 262; ín eínís vn‫܅‬is burgeris hus, MüRB, 8v,21; Vnd ‫܅‬ollent aůch díe zwene. morgen. wíngartes alle wege v’liben. bi eínem irm alde‫܅‬ten erben. vngeteilt ‚bei jeweils (?) ihrem ältesten Erben‘, UMainz, 29,9;  – ‚allein, einzig, nur‘: di‫܅‬e namin ‫܅‬int alle gǒt. aber einen dinen, den erkennet Min ‫܅‬ele., dc d[u] bi‫܅‬t cristus, filius dei uiui, TrHL, 10v,14. ėin bezieht sich auf ein (zunächst) beliebiges Element einer bestimmten, im engeren Kontext explizit genannten Menge. Hier verbinden sich Eigenschaften des Zahlworts mit solchen des Indefinitpronomens, insbesondere Definitheit hinsichtlich der Mengenzugehörigkeit mit individueller Indefinitheit des ėin-Elements (vgl. Behaghel 1923, 413; Erben 1950, 201; Fobbe 2004, 165f). Die Bezugsmenge kann in unterschiedlicher Weise benannt sein:

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V. Pronomina

(1) durch einen partitiven Genitiv, der der ėin-NP meist vorangestellt ist; substan­ tivisch verwendet wird ėin stark flektiert, z. B. îuwer einer uerchoufet mich, Phys, 146r,15; ähnlich WMEv, 19,2, 35,23; ír ainer od’ mer, UAugsb2, 7,22; ähnlich LEnt, 4,1; Aegi, 510; nachgestellt, z. B. Swer ‫܅‬o eine‫ ܅‬dirre chinde enphfahet in mime namen, der enphahet mih, WMEv, 32,6; do bat ī einer ‫܅‬iner ivngeron, PrZü, 111rb,19; eíner der, dí da ‫܅‬tvnden, fvrt. daz ‫܅‬wert vnd ‫܅‬lvg des ober‫܅‬ten ewarten chneht daz ze‫܅‬m or ab, ObEv, 26b,25; (2) durch eine unmittelbar folgende Präpositionalphrase, z. B. eyner vndir uch uorretet mich, BeEv, 57 v,12; Do ‫܅‬tūt da einer vō dē knechtē, d’ gap (Jes)u einē backē‫܅‬lac, MBeh, 226v,26; auch als Indefinitpronomen gewertet werden könnten Fälle wie [...], [ir]grifin ‫܅‬i einin uon cirine (apprehenderunt Simonem quendam Cyrenensem), WMEv, 90,1 (vgl. Fobbe 2004, 166f); mit ėiner – dęr als Wiedergabe von lat. qui (vgl. Fobbe 2004, 193) z. B. ez i‫܅‬t ab’ain’ enmitemē und’ íu ge‫܅‬tandē, dez ier niht hant erkennet (medium autem vestrum stetit quem vos non scitis, Joh 1,26), PrSch, 130v,5. (3) im vorausgehenden Satz: [...] vnd daz dev brot al‫܅‬o gezaichent ‫܅‬eîn., daz man eínez von dem andern erchenne, SBNü, 9ra,21; Si ‫܅‬ante ím drí epfele hín; Vil mi‫܅܅‬ewant [‚verschieden‘] vnder ín Einer von dem andern ‫܅‬cheín, Pass, 18,118. Häufig referiert ėin auf ein beliebiges von zwei Elementen; es konkurriert hier mit ėin(t)węder oder dewęder, kann also gleichfalls als Indefinitpron. betrachtet werden, vgl. z. B. I‫܅‬t auch, daz ‫܅‬ich zwai egemæchide ge‫܅‬ament mít d’ e, hat daz eine danne gut [...] vnde git ez daz ‫܅‬ime gemæchide, ‫܅‬o ‫܅‬ol ez ‫܅‬in ‫܅‬in, StBA, 78vb,21. ėin steht meist in der Verbindung dęr ėine  – dęr ander, z. B. in der burch waren do zwene gewaltige herren. der eíne hiz Dulzmar., der ander SignatoR, Kchr, 411; v‫܅ ܒ‬ont wi‫܅܅‬en, dc er in dem kelch í‫܅‬t als gew’lích als ín d’ ho‫܅‬tie/, d’ ‫܅‬elb gew’e got v‫ ܒ‬mē‫܅‬ch mit flei‫܅‬ch v‫ ܒ‬mit blůte [...]. Davō ‫܅‬ont ir eime als groz ere bíeten als dem and’n gelich ‚daher sollt ihr dem einen ebenso große Ehre erweisen wie dem anderen‘, NikP, 73va,15. Nach der Angabe des zahlenmäßigen Umfangs der Menge werden ihre Elemente nacheinander aufgezählt, davon das erste mit ėin (oder ērste), das zweite mit ander, z. B. vierhandeleie i‫܅‬t daz malat. [...] daz eíne hant die lvde Mit namen an der hvde. daz ander malat zware hant ‫܅‬ie an deme hare. daz dritte mít warheíde hant ‫܅‬ie an deme cleide. daz fierde malat mi‫܅܅‬efar, daz lit an ieren hv‫܅‬en gar, PrRei, 21b,5ff. Selten steht anstelle von ander gleichfalls ėin, z. B. Der bilede, der ‫܅‬int drie. einiv i‫܅‬t gezalt zů dem chuphir unde zůdem blie. einiv heizzet ‫܅‬ilberin. [...] div dritte i‫܅‬t guldin, Hchz, 618ff; Wir bechēnen zǒgebvrte [‚zwei Geburten’] vn‫܅‬ere‫ ܅‬herrin [...] eine ane mǒtir da zimele., eine ane vatir i hienerde, PrZü, 108vb,9; Eínes í‫܅‬t offen dîepheít., eíns i‫܅‬t heínlíchv dîepheit, SwSp, 109rb,16; vgl. auch PrM, c1rb,30ff; MüRB, 16r,23ff; ObEv, 24b,10f; Renn, 341ff.

6. Pronomina im weiteren Sinne

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6.6.4.5.3. ėin als Indefinitpronomen

Das Indefinitum liegt dort vor, wo sich ėin in der Bedeutung ‚irgendein‘ auf ein (zunächst) unbestimmtes Element einer gleichfalls unbestimmten Menge bezieht. Nach Behaghel (1923, 416) hat sich diese Verwendungsweise aus Fällen entwickelt, in denen die Bezugsmenge zwar zuvor benannt wurde (s. § P 326), ihre Angabe aber „weit von dem Zahlwort entfernt war, diese also aus dem Bewußtsein verschwinden konnte.“ Vgl. z. B. Mess, 167: obe ‫܅‬ich einez dicche. uon d en and eren ge‫܅‬cicche ‚wenn sich eines oft von den anderen entfernt‘; der Bezug (eines aus der dem Priester anbefohlenen Herde) ergibt sich nur aus dem weiteren Vorkontext: Ein chorter wirt ime danne beuolhen., er ‫܅‬ol ‫܅‬ehen., daz im d eheinez darúz werd e uer‫܅‬toln, 161f; – Im rieten ‫܅‬ine mage [...], daz er eine næme., div im mohte zemen, Nib, 48,3: Hier ist von der möglichen Bezugsmenge von eine bereits in der vorausgehenden Strophe, also in einigem Abstand die Rede (‫܅‬chon’ frowen lip, 47,3). Anm. 1:  Diese Entwicklung hat bereits in ahd. Zeit eingesetzt, da sich einschlägige Belege bereits bei Notker, teils auch schon früher finden (s. Ahd.WB 3, 158f). Insofern ist Fobbes Annahme zu relativieren, „daß eine Pronominalisierung erst in mittelhochdeutscher Zeit erfolgt ist“ (Fobbe 2004, 166).

In der Folge konnte das indefinite ėin dann auch ohne jede Angabe einer Bezugsmenge gebraucht werden. ėin kann dann synonym mit Ausdrücken wie ėin man, man, ieman wechseln, vgl. z. B. im MüRB: (in der Überschrift) hí vir‫܅‬prichit eín di‫ ܅‬andirin gůt. (im folgenden Text) Uvo eín man demi andirin guit vir‫܅‬prechchí ‫܅‬al, daz ‫܅‬uldi hoirí ‚Hier spricht einer des anderen Gut an. Wie ein Mann gegenüber dem anderen Gut ansprechen soll, das sollt ihr hören‘ 7v,23f; (in der Überschrift) Sal eín von me landí hinne gelde. (im folgenden Text) Sal ímín von mí lande enímí vn‫܅‬ími burgerí geldi hínni [...] ‚Soll einer vom Lande hierin Zahlung leisten. Soll jemand von dem Lande einem unserer Bürger Zahlung leisten hierin (hier in der Stadt)‘, MüRB, 8v,7f. Beispiele, in denen substantivisches ėin wohl als Indefinitpronomen zu werten ist, erscheinen im Korpus zumindest vermehrt erst ab 213. ėin wird stark flektiert: Nim epich vnd b(r)ene in v‫ ܒ‬habe in eín’ f‫ݑ‬r di na‫܅‬., div da ‫܅‬prichet, ‫܅‬i ‫܅‬ei dirne ‚und halte ihn einer unter die Nase‘, Bart, 13va,1; Man mag ir eínes vnder‫܅‬ehen., da ‫܅‬i ir friheit tribet z‫‚ ݑ‬man kann sie an einem hindern, zu dem sie ihre Handlungsfreiheit treibt‘, Wins, b30,8; do d’ man ‫܅‬tarb., do nam ‫܅‬i einen, d’ hiz cleophes, PrM, c2va,2; darna gebot he eime, daz he ‫܅‬ie bewolle. v‫ ܒ‬darna ‫܅‬ie brechte vnd’ die gemeine wib, JMar, 60r,23; Do gienc vil truric her abe D’ ‫܅‬elbe mē‫܅‬che., v‫ ܒ‬vnderwegen Gienc ím eíner engegen, D’ vragete in ‫܅‬a der mere, War‫ܨ‬me er leidec were, Pass, 19,60; er ‫܅‬ol is einē e antw(ur)ttē. in d’ ‫܅‬tat/ oder ienē. ‫܅‬elbē., den is do ze recht an gehort, Rupr, 96,27; Do i ‫܅‬ach er eíne gegen ím koܑ, Ob ‫܅‬v frowe oder jūcfrowe wer, Rapp, 17171; eín dínk ich wol gemerket han, Daz mangē h’re eín fal‫܅‬chaft man vil líeber i‫܅‬t, d’ ‫܅‬meíchen kan, Denne eín’, d’ gůtes vnd eren ín gan, Renn, 746. In Konditionalsätzen anstelle von dehėin, z. B. ib ain’ liht in d em inpholhī im ammet i‫܅‬t bikummirt (si qui forte in assi-

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594



V. Pronomina

gnato sibi commisso fuit occupatus, BR, c. 42,6), ZwBR, 38r,2; Swelh riht’ gůt nímet. von eínem, d’ vnreht hat., der t‫ݑ‬t al‫܅‬e Judas, SwSp, 45ra,1; Vnde ‫܅‬príchet ín eíner an., dez wort er al‫܅‬o vngetrîvlíchen ge‫܅‬prochen hat vor dem rihter., vnde mag er îns ‫܅‬elbe i drîte vber zvgen, er ‫܅‬ol ím ‫܅‬ínen ‫܅‬chaden zwîvalt gelten, SwSp, 46rb,7; v‫܅ ܒ‬p’cht ain’., daz ím fûrchauf. getan ‫܅‬ei. an einē gůt, wie man den furchauf p’ngē ‫܅‬ol., dez ‫܅‬ullē wir euch be‫܅‬chaiden, Rupr, 94,26. Der Bezug auf beliebige Elemente einer unbestimmten Menge kann auch durch ėin  – ander erfolgen (vgl. nhd. das eine und andere), z. B. do gingin ‫܅‬i alle dannin, eíne nach andirmo, un(us) po‫܅‬t unu(m), RPaul, 98; Dan ‫܅‬ůlen ‫܅‬eýuene vn‫܅‬er herren. [...] ‫܅‬izzen, biz vn‫܅‬e bůden weider kůment. Inde ‫܅‬agē vns eín of ander ‚dann sollen sieben unserer Herren sitzen, bis unsere Boten zurückkommen und uns das eine oder andere sagen‘, Brig, 1v,19; Ein ieclich hat ir eigene gabe vō gode., eine ‫܅‬us, die and’ ‫܅‬o (lat. alius sic, alius vero sic), OxBR, 9r,33. P 328

Substantivisches ėin im Plural In der Regel bezieht sich pluralisches ėin auf eine von zwei (Teil-)Mengen, während auf die zweite überwiegend durch ander verwiesen wird; zu reziprokem ėinander s. § P 102. Zumeist geht dem dann schwach flektierten ėin der Definitartikel voraus, und zwar mit folgendem andere: dîe êinon [...] dîe ándere, Will, 32r,30; die eínen grozen ‫܅‬chaden kvrn, die andern ere. v‫ ܒ‬grozen pri‫܅‬, RWh, 6768; Die einen [...] Die anderī, SalH, 138,2; PrRei, 162b,15; *HimmJerusal, 242; man warf ‫܅ ܨ‬coz uon den einē zo den anderē, AlxS, 1213.  – Ohne folgendes andere: dáz ‫܅‬íu nîeht dén êinen netáreta, qui clamauerunt. crucifige. crucifige eum, ‫܅‬únter ióh íro po‫܅‬teritate(m) mít bítteremo flûoche begrêif, Will, 51v,26. – Bei pluralischem brūtlouft (s. MWB 1, 1071): von einin anderen brutlǒften, TrHL, 8r,6. Seltener erscheint ėin stark flektiert ohne vorausgehenden Definitartikel: ‫܅‬o er hie in uuerlti eine blendet ze dero flornnu‫܅܅‬idi. unde andere uillet zebuoze, WNot, 12rb,7. ėin ‚einzig, allein‘ (lat. solus) im Plural: Ovch warn gar gevallen. Gunth’s degene. niwan ‫܅‬i einen zwene., er v‫ ܒ‬Hagene, Nib, 2359, ähnlich 2368,2.

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Attributives ėin im Plural Bei pluralischer Verwendung des attributiven ėin (dem kein Definitartikel vorausgeht) handelt es sich um ein Indefinitpronomen mit der Bedeutung von lat. quidam ‚ein gewisser‘ (Grimm, Dt.Gr.IV, 411). Die Vorkommen beschränken sich meist auf den Dat.Pl. in Präpositionalphrasen  – fast stets mit der Präp. ƶe  – und hier weit überwiegend auf Zeitangaben (vgl. McClean 1953, 35f), z. B. zêinen pfinge‫܅‬ten, Iw, 33; Parz, 281,18; zeinen ‫܅‬vnewenden, Nib, 30,4, 2142,1; zeaínen ‫܅‬tunden, Kchr, 4087, 8724; zeinen ‫܅‬tunden, AlxS, 6549; Hoff, 18r,12, TriF, 16689; zv einen ‫܅‬tvnden, SalH, 53,14; zeinen zîten, Parz, *460,4; *Konr H, 1r,24, 4r,10; *PrRoth R, 24b,7; *MarMirakel, 220; RWchr, *13757, *35457; in einen ziten, *NibB, 1143,1. Bei anderen Abstrakta (vgl.

6. Pronomina im weiteren Sinne

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­ cClean 1953, 36f): ce einen oi‫܅‬t’lichen vrǒeden, *Christi Geburt, 41; ze eínen gnâden, M PrMi, 17r,9; zeinen êrn, Parz, *336,28; mit einen sachen, *152,26; van eínín sachín, *MarKlage, 153; uon einē gotelichē dingē, *TrSilv, 3; in einen listigen siten, *NibB, 727,4; sonst nur sehr selten: zu einen herbergin, Scop, 16,2; ėiniu liute (s. McClean 1953, 35): ǒch dienten im da bi. einiv livte, div heizent medi, *JJud, 50; so ‫܅‬int einu liute da bi., haizent arima‫܅‬pi, *HimmJerusal, 231; eine lute, hiezen hebreí, *Kchr H, 11210 (Bl. 67 v,25).  – Selten auch in der Verbindung die ėinen  – die andern: die einen drahene [...] die andern drehene ‚die einen Tränen ... die andern Tränen‘, PrRei, 169b,29. Attri­ butiv nachgestellt in der Bedeutung ‚einzig, allein‘: ‫܅‬i lazzēt irē chinden einē havs vnd. and’ gůt, Rupr, 66,31. – Vgl. BMZ I, 416b; Paul, Dt.Gr.III, § 147; Mausser, Mhd.Gr.III, 821; McClean (1953); Paul, Mhd.Gr., § S 134d. Lit.: Behaghel (1923, 137f, 408–412); Braune (1886); Braune (1887); Desportes (2000); Erben (1950, 200–202); Fobbe (2004); Grimm, Dt.Gr.IV, 410f, 417–419, 452–455; Hildebrand (1889); Kauffmann (1889); v. Kraus (1930); Mausser, Mhd.Gr.III, 820–825; McClean (1934); McClean (1953); Michels (1921, § 232); Mustanoja (1958); Paul, Dt.Gr.III, § 145ff; Paul, Mhd.Gr., § S 128, S 134f; Spitzer (1956); Tobler (1891); Weinhold, Mhd.Gr., § 492, 516. 6.6.4.6. ‚jeder‘ 6.6.4.6.1. Die mhd. Distributiva

Für den Ausdruck von ,jeder/ ​jede/ ​jedes Einzelne aus einer bestimmten Menge‘ gibt es im Mhd. zum einen die nur substantivisch verwendeten Pronomina gelīch, (aller) manne(ge)līch (s. § P 132–P 134), zum anderen die sowohl substantivisch als auch adnominal verwendeten Pronomina iegelich, ieteslich (s. § P 334) und iewėl(i)ch (s.  § P 333), außerdem ie(t)węder, iegeweder ‚jeder von zweien‘ (s. § 340ff). Vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 495–497; Ahd.Gr.I, § 300; Behaghel (1923, 388ff); Walch/ ​­Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 72–76. Mit Ausnahme des Mfrk. und einiger hess.-thür. Texte ist iegelich überall das weit vorherrschende Ausdrucksmittel für ‚jeder‘ (s. Abb. P 163f). Im Mfrk. dominiert dagegen iewėl(i)ch (zu mfrk. iegelich s. § P 333), während sich die Nebenform ieslich fast ganz auf das Oobd. beschränkt. ielich ist eine seltene wmd. (besonders mfrk.) und alem. Variante, ieteslich demgegenüber vornehmlich oobd. Die synkopierte Form ieglich – und mit bezeichneter Auslautverhärtung ieclich – ist in den ältesten Quellen noch selten, nimmt dann rasch zu, kann aber in 212/ ​213 bei erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Texten/ ​Hss. aufs Ganze gesehen noch nicht die Oberhand gewinnen. Erst in 114 gilt sie in allen Sprachlandschaften zu über 80%.

P 330

596



V. Pronomina

iegelich

ielich

gelīch

iewėl(i)ch

ie(te)slich

obd. ²11/ ​¹12

59

4

37

0

0

27

Iw, Nib, Parz, Tris

55

0

3

0

41

29

n

bair.

64

0

13

2

22

55

alem.-bair.

91

0

4

0

5

137

alem.

65

1

30

0

3

141

mfrk.

16

12

11

60

0

105

rhfrk.-hess.

83

6

11

0

0

98

hess.-thür.

39

0

61

0

0

18

omd. ²13/ ​¹14

93

0

5

0

1

76

ofrk.

69

0

29

0

2

45

67

3

16

9

5

731

insgesamt

Abb. P 163: Sprachgeographische Verteilung der Pronomina für ‚jeder‘ (Prozentzahlen kursiv) ieslich

oobd.

iewėl(i)ch

rip.

iegeslich

obd. (alem.)

ielich

alem.

ixlich

omd. (thür.)

s. § P 331

ietlich, itlich

ofrk.

s. § P 334

s. § P 335 bair. (211/ ​112)

s. § P 333

wmd.

s. § P 332

s. § P 331

Abb. P 164: Dialektal kennzeichnende Formen von ‚jeder‘

Bei substantivischem iegelich, ieteslich und iewėlch wird die Bezugsmenge häufig durch einen vorangestellten partitiven Genitiv angegeben (vgl. Gen.Pl. + gelīch s.  § P 132), z. B. der helidi igilich druc ‫܅‬in ‫܅‬uert umbi ‫܅‬ich *LobSal 178. In mehr als der Hälfte der Fälle handelt es sich um ir Gen.Pl., z. B. ir iegelich ‚jeder von ihnen‘. Gelegentlich folgt ir redundant einer vorausgehenden expliziten Angabe der Bezugsmenge, so mehrfach in *Herb, z. B. Der crichē ir iegelich Gabē rum sime slage, 10312; Vier vzfluzze ez hat, Der ir iegeliche Sin lant v‫ ܒ‬sin riche Svnd’lichen beslozzē, 14171; Polidamas sluc vmbe sich V‫ ܒ‬sin’ gesellē ir iegelich, 14464; vgl. auch al‫܅‬o gaber den ge‫܅‬ellen. ir iegelichem ain zit, Kchr, *4975 (statt des üblichen der gesėllen iegelīchem). Wie im Nhd. (ein jeder, ein jeglicher) kann auch den mhd. ‚jeder‘-Pronomina ėin vorausgehen, nie jedoch der bestimmte Artikel. Anm. 1:  Bereits im Ahd. können sich iogilīh und io(gi)welīh mit vorausgehendem ėin verbinden, vgl. Ahd.WB 1, 168f.

In Versdichtungen überwiegt substantivische, in Prosatexten attributive Verwendung der ‚jeder‘-Pronomina (s. Abb. P 165). In attributiver Stellung geht in Prosatexten zu

597

6. Pronomina im weiteren Sinne

über 70% ėin voraus, in Verstexten dagegen nur in knapp der Hälfte der Fälle. Vorausgehendes Genitivattribut erscheint nur beim substantivisch verwendeten ‚jeder‘Pronomen; Ausnahmen sind sehr selten, z. B. der in Kölner Urkunden erscheinende Ausdruck unser iewėlich part(e), in dem unser nur Gen.Pl. sein kann, also: ‚jede Partei von uns‘: Jnde hait Vn‫܅‬er iewelich part die‫܅‬er bríeve eínen al be‫܅‬iegilt, UKöln1, 9,25, ähnlich 15,32; UKöln2, 4,36; vgl. auch Die anderen bvch‫܅‬tabe ‫܅‬int die b’ge. div erde vnt die livte. D’ iehlicher b‫ݑ‬ch‫܅‬tabe. hat ‫܅‬in ampt ‚jeder dieser Buchstaben [wörtlich: deren jeder Buchstabe] hat seine Funktion‘, *PrLeys, 12va,21. substantivisch

attributiv

nach

subst. attrib.

n

nach

Gen.Pl.

ėin

sonst

n

Gen.Pl.

ėin

sonst

n

Prosa

35

34

31

109

0

72

28

179

38

62

288

Urkunden

77

15

 8

  13

6

72

21

  47

22

78

  60

Versdichtung

44

13

43

  84

0

48

52

  56

60

40

140

Abb. P 165: iegelich, iewėlich, ieteslich in substantivischer und attributiver Verwendung (Prozentzahlen kursiv)

In der Bedeutung ‚jeder‘ erscheinen die hierher gehörigen Pronomina nur im Sg., in der Bedeutung ‚alle (Einzelnen)‘ selten auch im Pl., so besonders in Übersetzungstexten als Wiedergabe von lat. singuli oder der Pluralformen von lat. quisque und quilibet; z. B. durh ‫܅‬unterliche. iegeliche naht (per singulas noctes), Wind, 6,7; durh iege‫܅‬liche tage (er singulos dies), 7,12, 144,2; dur iecliche tag, ZwBR, 22v,8; igeliche ertkint (quique terrigenae, Ps. 48,2), TrPs, 9v,7; dc in ieclichiv (singula) [...] inpfelhe zi h‫ݑ‬tinde ‚dass er ihnen alle einzelnen Dinge zur Verwahrung übergebe‘, ZwBR, 31r,5; dur iecliche (per singulos), 47r,9; ez war gitailt ieclichen (singulis), al‫ ܅‬ieclim durft wa‫܅‬ ‚es wurde allen Einzelnen (so viel) zugeteilt, wie jedem nötig war‘, 31v,14; ieclig’ (singulorum), 50v,13; in and’en ieclichen ding‫( ܒ‬in aliis quibuslibet rebus), 40v,8. Sonst nur vereinzelt pluralisch, z. B. ieglichiu gote‫ ܅‬chint, *Himmelr, 7,10; zi ichlichin nachtin, *LobSal, 181; daz i‫܅‬t gai‫܅‬tlichen leben. unde ioch ieclich gai‫܅‬tlich menne‫܅‬kin!, obe ‫܅‬i den zun dęr gůten gewonehait! unbe ‫܅‬ich habent, TrHL, *40r,13; ‫܅‬waz er gebot, daz wa‫ ܅‬getan. an iegelichen dingen, Tris, 18683; ‫܅‬age minen lantherren wider [...] dc ir iege‫܅‬liche vr‫ݑ‬. mit ‫܅‬inem dinge ‫܅‬in bereit, TriF, 10754 (weitere Hss.: ir iegelîcher [...] sî Sg.); uz iclihen rotden ‚Scharen‘, *Widerstr, 1037. Anm. 1:  Fraglich ist daz er [...] mit ‫܅‬ineme herzen minnen wil./ ein eigelichiu ding, TrHL, 47 v,17 (ein eigelich [un]ding l. Menhardt; iegelîchiu ding l. Ohly). – In OxBR hat pluralisches iegelīche auch die Bedeutung ‚irgendwelche, manche‘ (lat. aliqui): wan iecliche werdē ‫܅‬o iruullit mit dē vbelē gei‫܅‬t d’ ‫܅‬tolzheide (dum sint aliqui maligno spiritu superbiae inflati), 14v,34; hierher vielleicht auch Jecliche, die off dē wege ‫܅‬int (Similiter, qui in itinere directi sunt), OxBR, 11v,5.

598



V. Pronomina

P 331

iegeslich Die seltene Nebenform iegeslich dürfte ihr -s- in direkter oder mittelbarer Analogie zu ęteslich ‚irgendein‘ erhalten haben (s. § P 314). Die meisten Belege sind obd. und hier wiederum vornehmlich alem.: iege‫܅‬lich-, TriF, 10754, 10758; RWchr, 20719, 31696, 32322, 32352, 32413, 32424; *UrkCorp Nr. 33AB (Bf von Konstanz 1255) 64,48; Nr. 188 (Zürich A 1272) 204,36; Nr. 1660 (Winnenden 1293) 2,23; Nr. N 412 308,14; iegezlich-, igezlich- Nr. 2913 (Kloster Zwiefalten 1298) 212,21. – Bair. iege‫܅‬lich-, Wind, 7,12; *MünchnGlB, 1b,25; ieg‫܅‬liches *UrkCorp Nr. 935 (Regensburg 1287) 289,18. – Ofrk. iege‫܅‬lich- *UrkCorp Nr. 2525 (Bamberg UP 1296) 559,22. – Obd. ieg‫܅‬lichem *UrkCorp Nr. 1215 (Alzey 1290) 481,6. Sehr selten auch md.: rhfrk.-hess. iege‫܅‬lich-, Himlf, 941. Kennzeichnend omd. (thür.) scheint ixlich- zu sein: ixlichir, jxlichir *UrkCorp Nr. N 407 (Erfurt UP 1289) 301,2.3. Zu weiteren thür. Belegen (14. Jh.) von ixlich- s. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd. VII, 435 Anm. 9.

P 332

ielich ielich ist im Korpus nur alem. und (w)md. belegt: alem. z. B. ielich-, Ezzo, 65; PrZü, 182vb; îelích, SwSp, 49rb,4; *PrFrBasel; *BrEng, c. 2, 7, 19, 22 u. ö. Auch die Belege aus dem *UrkCorp stammen nach WMU 2, 912 bis auf den Rheinischen Landfrieden *UrkCorp 494 (Mainz 1281: eilicheme 439,27, ielich 438,9.12) nur aus alem. Urkunden. – Mitteldeutsch, z. B. mfrk. eylich-, Brig, 1v,5, 2r,25 u. ö. (13-mal); ylíchín, *WildM, II,I 120; nordrhfrk. ielich-, OxBR, 6v,22, 8r,26.29, 8v,1, 9r,36, 16v,24; omd. (?) ilich, *Sal­ Arz, 1,33. Während alem. ielich in ahd. Zeit zurückreicht (s. Ahd.WB 4, 1683), könnte mfrk. ielich eine jüngere verkürzte Form von iewėlich sein.

P 333

iewėl(i)ch iewėl(i)ch kommt gelegentlich noch in älteren bair. Quellen vor: ie welichen, Phys, 135r,12; ieuuelih, *PrWessA, H12a,20; iêuuelih, *PrWessC, H37b,20; îewelichen, *Gen, 4823. Ansonsten ist iewėlich eine spezifisch mfrk. (rip.) Form (s. Abb. P 163), die im Zusammenhang mit mnl. iewelc und mnd. iowel(ĩ)k zu sehen ist. Das Präfix ie- ere scheint in den Schreibungen ‹ie, ı, i›, jünger ‹e, ey›; der gekürzte Vokal i des Suffixes -lich wird rip. nie synkopiert: iewelich(-)‌, RhMl, 1666, 1667, 2952, 3785; UKöln1, 1,14, 4,11.16.25 u. ö. (30-mal); KuG, 11398; UKöln2, 4,16.19.20.30.36, 6,4; *PrKöln, 45,2, 46,7; e ı welich, RhMl, 4530; iwelich(‑), *Anno, 3,17, 8,15; RhMl, 702, 5054; PLilie, 1,8.21, VLilie, 12,24 u. ö. (13-mal); *WildM, IV, 120; íwílích, I, 644; ewelich(-)‌, RhMl, 1879; Brig, 3v,11.16; ewelig(-)‌, UKöln2, 3,19; *PrKöln, 44,42; *KölnEidb, 5r,11; eweligh 5r,10.12, 6v,25; eywelich(-)‌, Brig, 3v,19; Taul, 10v,9. Anm. 1:  iegelich ist demgegenüber im Mfrk., insbesondere im Rip., vor 1300 nur relativ e selten belegt, im Korpus nur ıgelich, RhMl, 1148; ekelich, Brig, 5r,5. igelich, -en, RhTun, 350, 446,474, 498, dürfte vom hess. Schreiber stammen. Hinzu kommen einige Urkundenbelege

6. Pronomina im weiteren Sinne

599

aus dem *UrkCorp, zunächst iegelichem Nr. 47 (Köln 1259) 75,41 (zur Sprachmischung in dieser Urkunde vgl. Klein/ ​Peters 2015, 51ff); sodann einige Fälle in zwei Urkunden von der Hand Lamberts von Asbach, des Schreibers der Mechthild von Sayn: iegelich, -en *UrkCorp Nr. 407AB (Gfin von Sayn A, Ebf von Köln UP 1280), 371,11.24.25; igelich, -en Nr.  N 223 (Koblenz A, Gfin von Sayn UP 1282) 170,7.22; ferner moselfrk. iclich, -e, -er, -is Nr.  N 282 (Schöneck bei Koblenz A 1285) 220,28.32; zahlreiche Belege aber auch schon in der Urkunde der Kölner Erbgenossen an den Rheinmühlen von 1276 (Bohn/ ​Rapp 1995, 233–329, 278f): ieclich, -e, -en, -em, -me, 5,2.18.19 u. ö. (8-mal), iecljchin, 5,15, iechlichen, 5,25.  – Erst in 114 nehmen die mfrk. Belege für iegelich (eigelich, eiclich u. ä.) dann deutlich zu: Im Korpus stehen 113/ ​213 nur 2 iegelich neben 14 iewelich, in 114 dann 11 iegelich neben 6 iewelich. Es scheint sich also ab dem späten 13. Jh. ein Ersatz des bodenständigen iewelich durch südliches iegelich vollzogen zu haben, das teils in der synkopierten Form ieclich übernommen wurde, vgl. zu mfrk. ieclich u. ä. Dornfeld (1912, 177f).

Im übrigen Md. scheinen sich die einzigen Belege im *Glaub zu finden: iewelheme, 388; íwelen, 2192; jwelheme, 3687. Anm. 2:  iegewėl(i)ch, dessen ahd. Vorläufer iogi(h)uuelīh gut bezeugt ist (Ahd.WB 4, 1680– 1682), scheint mhd. nur noch vereinzelt vorzukommen; im Korpus nur: iegwelich, PrZü 108vb,32.

ieteslich, iet(e)lich Bei der Formengruppe ieteslich, iet(e)lich, ieslich handelt es sich um Neubildungen aus iegelich und ęteslich, ętelich ‚irgendein‘ (s. § P 314), die wohl erst seit frmhd. Zeit entstanden, da die ältesten Belege nicht vor 212 zurückreichen. Auf ieteslich, iet(e)lich ist zugleich auch die Bedeutung ‚jeder‘ der Pronomina iegelich, iewėl(i)ch übertragen worden, vgl. Fobbe (2004, 180–182). Anm. 1:  Im AlxS bedeutet ite‫܅‬lich- (1268, 2481, 3962, 7041) demgegenüber nicht ‚jeder‘, sondern ‚irgendein, mancher‘ wie ęt(es)-lich; so z. B. auch itthelicher ‚irgendeiner, jemand‘, *Roth, 505; vgl. dazu mnd. itlīk 1. ‚jeder‘, 2. ‚etlich, irgendein‘ (Lasch 1914, § 411; Mnd.WB. s. v. etlĩk, itlĩk; Sarauw 1924, 126: ittes- „aus dem Hochdeutschen“). – Hd. sonst nur vereinzelt, z. B. Ittleich, *KlostEvang, 150v,13.

Die Belege von ieteslich ‚jeder‘ setzen erst im 2. Drittel des 13. Jh.s ein und beschränken sich fast ganz auf das Bair., Ofrk. und Omd.: ietslich(-)‌, *NibB, 743,2, 931,2, 1122,4 u. ö. (neben überwiegendem ieslich); iteslich(-)‌, *LvRegFr, 1626, 1870, 1922, 1956 (sonst ieslich- 550, 1591, 2003 u. ö.); itslich(-)‌, *SalArz, 5,46, 34,16.19.20 (sonst islich-); itzlich *UrkCorp Nr. 222AB (Plauen i. Vogtland, Fälschung des 14. Jh.s); it‫܅‬lich, LuKr, 2434; ietslich- ~ ieslich-, *UvEtzAlex. – Zu omd. itslich, iczlich (14. Jh.) s. Feudel (1961, 167). Anm. 2:  Im Frnhd. treten nach Walch/ ​Häckel (Gr.d.Frnhd.VII, 437 Anm. 22) „Entsprechungen von mhd. ietslîch [...] auf allen Gebieten bis ins 16. Jh. auf“, doch stammen die mitgeteilten Belege fast durchweg aus bair., vor allem aber aus ofrk. und omd. Quellen.

Nur relativ selten und erst spätmhd. erscheint ietlich- (itlich-, idlich-): Vermutlich ist nach dem Muster von ęteslich ~ ęt(e)lich neben iet(e)slich auch ietlich gebildet worden.

P 334

600



V. Pronomina

Die Belege gehören zumeist ins östliche Obd., z. B. ofrk.-nordbair. ietlich-, GnaÜ, 5,9; itleich, *NüP, 6vb,9; ietlich *UrkCorp Nr. 475B (Regensburg 1281) 417,5; ietleich-, *BdN, 317,14; *KvMSph, 43,23; ostschwäb. íedlich, Hartw, M 882.  – Auch omd.: itlich *UrkCorp Nr. 1816 (Triptis 1293). Anm. 3:  In frnhd. Zeit ist ietlich, itlich, idlich dann obd. breiter belegt, findet sich aber gelegentlich auch md., s. Weinhold, Mhd.Gr., § 495; Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 437 Anm. 23; Frnhd.WB 8, 345f. P 335

ieslich Die Entstehung von ieslich ist ungeklärt. Es bleibt fraglich, ob diese Form „auf ietslîch oder auf iegeslîch basiert, denn in beiden Fällen sind die unterscheidenden Konsonanten geschwunden und es ist nur das als sekundär zu betrachtende -s- übrig geblieben“ (Fobbe 2004, 181). Gegen eine Herleitung aus iet(e)slich könnte sprechen, dass die Belegreihe von ieslich um einige Jahrzehnte früher einsetzt als die von ietes­ lich. ieslich, in jüngerer Kürzung islich, ist eine breit belegte oobd. Kennform, vgl. z. B. ie‫܅‬lich(-)‌, Spec, 78r,2.10; Parz, 30,24, 31,17, 813,27 u. ö.; Nib, 1362,3, 1401,2, 1410,2 u. ö.; îe‫܅‬lich(-)‌, Parz, 509,15, 518,5.10; ei‫܅‬lihchem, WMEv, 8,13; ie‫܅‬lich-, Diet, 6166; *PsM (Törnqvist 1953, 62); *LilienfeldAndb, 44; *PrMetten, 74v,19, 75r,16; *GvJudenb,, 1099; *NonGebBuch, 16v,16; *KlostEvang 296v,26.31.33, 297r,19, 297 v,5.22; i‫܅‬lich(-)‌, Diet, 2455, 3091, 9336, 9447, 9565; Lieht, 1524,6, 1534,6, 1544,1; I‫܅‬leich, MMag, 614; i‫܅‬elíches, 414.  – Ostschwäb.: Je‫܅‬licher, Türh, 576; ie‫܅‬licher, 17030. In *BrHoh dürfte ieslich- (3v,14, 4r,16, 5r,1) zu den bair. Anteilen gehören. Abseits stehen nur i‫܅‬lich(-)‌, LEnt, 3,4.12, 44,9; *Freid, 624; ie‫܅‬lich, 449, 972, 1294. Anm. 1:  Auch im *UrkCorp beschränken sich die Vorkommen von ieslich, islich weitestgehend auf oobd. Urkunden: ie‫܅‬lich(-)‌ *UrkCorp Nr. 130 (Regensburg 1269) 171,16; Nr. 1042 (Mureck 1288) 357,33; Nr. 2918 (Wien 1298) 215,4; Nr. 3404 (Regensburg A 1299) 507,22; Nr. N 748 (Kloster St. Paul i. Lavanttal 1296) 542b,32; Nr. N 782 (Unterdrauburg 1297) 563,30; i‫܅‬lich(-)‌, i‫܅‬leich(-)‌, i‫܅‬lih(-)‌, i‫܅‬leih(-)‌*UrkCorp Nr. 3 (Herr von Liechtenstein [Venusfahrtbrief] 1227) 5,39; Nr. 475B (Regensburg 1281) 417b,22.23; Nr. 933 (Judenburg A 1287) 286,10.11; Nr.  1057 (Gries 1288) 367,10; Nr. 1382 (Wien 1291) 598,74.76, 599,15.20; Nr. 1475 (Mühldorf 1291) 663,3; Nr. 1606 (Herr Gunndaker v. Starhemberg A 1292) 743,6; Nr. 1896 (Herren von Wallsee A 1294) 176,16; Nr. 2014 (Wien 1294) 256,7.22; Nr. 2015 (Kloster Rein 1294) 257,4; Nr. 2230 (München 1295) 375,35; Nr. 2345 (Wien 1296) 454,8.12.43, 456,24; Nr. 2481 (Kloster Lilienfeld A 1296) 534,25; Nr. 2573 (Kloster Aldersbach A 1297) 6,11; Nr. 2648 (Kloster St. Georgenberg 1297) 54,18; Nr. 2938 (Kloster Rein 1298) 228,25; Nr. 3068 (Frauenburg 1298) 313,7.9.25.  – Außerhalb des Oobd. nur in wenigen ofrk. und md. Urkunden: ie‫܅‬lich *UrkCorp Nr. 3318 (Schleusingen/ ​Thür. 1299) 461,11; i‫܅‬lich(-)‌ Nr. 22 (Kulmer Handveste) 37,19.22, 38,18, 39,14 u. ö.; Nr. 1254 (Kg Rudolf A, Kloster Fulda UP 1290) 498,28; Nr. 1602 (Bamberg A 1292) 739,28.

6. Pronomina im weiteren Sinne

601

ie dęr, iedęr Während nhd. jeder früher als Verkürzung von mhd.-frnhd. ie(t)węder ‚jeder von beiden‘ betrachtet wurde, liegt ihm offenbar die mhd. Fügung ie dęr ‚je(weils) der, immer der‘ zugrunde (vgl. Kolb 1983; Fobbe 2004, 182–184; anders etwa Grimm, Dt.Gr.III, 55; Weinhold, Mhd.Gr., § 497; Behaghel 1923, 388, 391; Haspelmath 1995, 375ff).

P 336

Anm. 1:  Die frnhd. „langen Formen“ wie jeder-er, jeder-m, jeder-n, die als Zwischenstufe auf dem Weg von iewęderer, iewederm, iewedern zu jeder, jedem, jeden betrachtet werden könnten, sind erst im 15./ ​16.–17. Jh. belegt, während sie doch am Anfang der Entwicklung stehen sollten (s. auch § P 343). Tatsächlich sind die langen Formen wohl junge Neubildungen nach dem Muster der flektierten Formen von frnhd. (-)‌weder (Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 502–506). Auch das spricht gegen die Herleitung von jeder aus iewęder, vgl. Kolb (1983, 59f); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 72 Anm. 2, § 73 Anm. 2, 6, 9.

Obd. Textstellen, in denen für ie dęr die Lesarten ‚je(weils) der‘ und ‚jeder‘ gleichermaßen möglich sind, finden sich bereits in der mhd. Epik um 1200 (Parz, Tris, *Wh, s. Kolb 1983, 50, 52), z. B. und über daz leite ie der man sîne reisekappen an, *Tr, 5321; ähnlich früher schon: er hiez ie dem zehenden man diu houbet sciere ab slahen, Kchr, *6573. In 213/ ​114 mehren sich dann obd. Belege dieser Art (Kolb 1983, 55f; WMU 2, 911 s. v. ie B4), ab dem ausgehenden 13. Jh. auch md. In der Wortstellung wird Distanzstellung von ie und dęr zunehmend durch Adjazenz abgelöst (Kolb 1983, 57f). So wird ie auch in Präpositionalphrasen vor dęr gezogen, z. B. vf ie daz ros eín ritter, verwapent maníger leie, PrRei, 22b,38; daz ‫܅‬íe von ie dem gefangen eýnin bůrgen e namen, *Klagschrift, 1r,58; w’ daz vb’ fure, [...] d’ m‫ݑ‬z geben ie von dem rinde .j. (pfunt) h(aller) vnd von ie dem ‫܅‬chof .j. (pfunt) h(aller), *NüP, 6rb,27; er můz [...] geben ‫܅‬ehtzig e haller vō ie d’ havt, 6ra,8; zv ie dem tuch, 10vb,10; fur ie den fadem, 11vb,4. In diesen Fällen ist die Bedeutung gewiss schon ‚jeder‘. Wann und wo aber die Univerbierung der festen Fügung ie dęr zu iedęr zuerst eintrat und wann sie abgeschlossen war, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Einige der Indizien dafür wie die Verbindung mit ėin (vgl. frnhd. ein jeder, Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 72) oder die Abschwächung von iedaȥ zu iedeȥ sind in mhd. Zeit anscheinend noch nicht bezeugt. 6.6.4.6.2. Flexion der Pronomina iegelich, ie(te)slich, iewėlich

Flexion nach vorausgehendem ėin Die Flexion der ‚jeder‘-Pronomina iegelich, ie(te)slich, iewėlich hängt zum einen davon ab, ob das Pronomen attributiv oder substantivisch verwendet wird, zum anderen davon, ob ėin vorausgeht oder nicht. Nach ėin bleiben die attributiv verwendeten ‚jeder‘-Pronomina im Nom.Sg. aller Genera und im Akk.Sg.Neutr. weit überwiegend flexivlos, z. B. ein igelieh kvnic, LEnt, e 33,11; eín ı welich ‫܅‬und’e, RhMl, 4530; ein ieglich deginchint, Spec, 12r,8; ein igleich frawe,

P 337

602



V. Pronomina

Rupr, 93,23. Daneben selten und zumeist obd. auch stark flektiert, z. B. ein iegelicher i ‫܅‬æliger menni‫܅‬ch, Hoff, 28v,2; aín iegelich’ ‫܅‬und’, PrSch, 131v,9; Ein iegelich’ purg’, SBNü, i rb r 15 ,8; ein iegelichiv bewegde, Baum, 102 ,7; eín ieglichv ‫܅‬we‫܅‬t’, *AugustReg, 18b,20; an ein ieglichez blat, Pass, 15,60. Nur selten belegt ist schwache Flexion: ein ieclîche chri‫܅‬ten, Spec, 35v,22; ein iegliche menni‫܅‬che 83r,4; Hoff, 27r,11. Substantivisch gilt nach ėin im Nom.Sg.Mask. obd. die starke Form ėin iegelīcher etc., nur vereinzelt schwache Flexion oder Flexivlosigkeit: ein ieliche, *BrEng, c. 7, 22, 40, 49; eín iegelich, Luci, g5r,9. Im Md. herrscht umgekehrt die flexivlose Form, ledig­ lich in späteren omd. Texten wird auch stark flektiert, z. B. ein iclich’, MBeh, 59v,1.18, 60r,3, 62v,12 u. ö.; eín ieglicher, Pass, 3,256; nur selten schwach: ein ie‫܅‬liche, *BrHoh, 3v,14, 5r,1. Im Gen. und Dat.Sg. aller Genera konkurrieren nach ėin in attributiver wie substantivischer Verwendung schwache und starke Flexion; attributiv z. B. Gen.Sg.Mask. eínes igeliches ܑ‫܅‬chen ovgen, *PrLpz, 130vb,2  – wan eínes íglichen men‫܅‬chen leben, ObEv, 40a,39; Dat.Sg.Mask. einim ieclichem man, Spec, 78r,6 – eínem îegelíchen man, SwSp, 111ra,21; Dat.Sg.Fem. ī enir igeliher ‫܅‬tete, LEnt, 44,15  – an ein’ igelichen tvgent, DvATr, 81r,5; substantivisch z. B. Gen.Sg.Mask. eines iecliches, *BrHoh, 3v,13  – eínes iwelichen, RhMl, 5054; Dat.Sg.Mask. ze eime iclichime, PrMK, 1v,34  – eyme yclichen, BeEv, 119v,23. Im Akk.Sg.Fem. erscheinen neben starken auch flexivlose Formen, die bei jüngeren obd. Belegen auch auf Schwa-Apokope beruhen können, z. B. in ein iegliche kirchen, StBA, 24ra,22  – eíne îegelîch rede, PrMi, 20r,22. P 338

Flexion nach vorausgehendem partitivem Genitiv Folgt das ‚jeder‘-Pronomen dem von ihm abhängigen partitiven Genitiv, so wird es fast immer substantivisch verwendet. Im Nominativ, auf den die große Mehrzahl der Belege entfällt, begegnet im Obd. neben der weit vorherrschenden starken Form nur selten die flexivlose oder die schwache Form: Nom.Sg.Mask. der ‫܅‬teine allir iegelich, Hchz, 443; iwer iegelich bi‫܅‬unter, Hoff, 16v,10, 29r,1; PrZü, 110rb,22; iwir iegliche, Spec, 7r,15; iwer ieglichi, 7r,17; d’ iegeliche, PrZü, 114va,4; ire iegeliche, 114va,13. Während im Mfrk. allein die flexivlose Form gilt, konkurrieren im Hess. und Omd. starke Flexion und Flexivlosigkeit, z. B. ir iegelich, AlxS, 3582,  – ir iegelicher, 7150. Der Gen. und Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. werden stark flektiert, z. B. ivwer iegelichi‫܅ ܅‬ele, PrZü, 113vb,31; uf ir igelichis houbite, PrM, c4vb,30; Ein karre d’ iegeliches, UAugsb1, 6,47;  – ir iegelichem, Tris, 18913; ire ichlichíme, PrMK, 1v,33.

P 339

Flexion in den übrigen Fällen Geht dem ‚jeder‘-Pronomen weder ėin noch ein partitiver Genitiv voraus, so unterscheidet sich die Flexion im Nom.Sg. aller Genera und Akk.Sg.Neutr.: In attributiver Verwendung gilt die flexivlose Form, z. B. ieglich hucker (‚Zwischenkäufer, Krä-

6. Pronomina im weiteren Sinne

603

mer‘), StBA, 109ra,6.12.14; iclich mā, MüRB, 7r,29; ieglich magedin, Mar, 2279; iegelich vlei‫܅‬ch, SBNü, 10rb,12. Starke Flexion nur vereinzelt, z. B. Jegelich’ ‫܅‬und’, Erlös, 2353. Bei substantivischer Verwendung dominiert demgegenüber die starke Flexion, zunächst obd., in spätmhd. Zeit dann auch md., z. B. igelicher, Himlf, 491; iegelich’, Erlös, 6288; iclicher, BeEv, 115r,10; vereinzelt selbst rip.: eweliger, UKöln2, 3,19. Nur ausnahmsweise wird schwach flektiert: Igeliche sprach, *Herb, 6043. Die flexivlose Form beschränkt sich fast ganz auf md. Quellen, z. B. iegelich des ande’n mīne gert, Erlös, 6080; iegelich, UKöln2, 5,27; ieglich, Pass, 3,153, 11,97, 14,225; iwelich, VLilie, 33,37; obd. vergleichsweise nur sehr selten.: igelich, *RolP, 6155, 7189; da vō ‫܅‬o wirt e iegelich d’ zwelue lone iegelich’ reht ‫܅‬chînēde als aī ‫܅‬t’ne, PrSch, 124r,10. Der Grund für diesen Unterschied mag darin liegen, dass bei attributivem Gebrauch das folgende Substantiv das Genus und teils auch den Kasus zu erkennen gibt, während das substantivische Pronomen hierin auf sich selbst gestellt ist. In den obliquen Kasus steht attributiv wie substantivisch die starke Form, attributiv z. B. iegliches obzes, StBA, 111rb,13; vz îegelichem ort, Iw, 624; Dat.Sg.Fem. an ieglicher ‫܅‬trazze, PrZü, 113ra,10; substantivisch z. B. iegeliche‫ ܅‬wille, Tris, 588; iegelichem, DvATr, 43r,7; ieclicher Dat.Sg.Fem., OxBR, 2v,8. Lit.: Behaghel (1923, 390f); Fobbe (2004, 179–186); Paul, Mhd.Gr., § M 52; Sparmann (1961, 88–90); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 417–421, 433–438; Weinhold, Mhd.Gr., § 495; WMU 2, 915. 6.6.4.7. ‚jeder von beiden‘ 6.6.4.7.1. iegewęder, iewęder, ietwęder

Als Ausdruck für ‚jeder von beiden‘ dienen im Mhd. die Pronomina iewęder, iegewęder und ietwęder. Daneben erscheint vereinzelt noch gewęder als Fortsetzer von ahd. giwędar: wol nutzeten di ecken die turlichen recken [d. h. Porus und Alexander], ir geweder wider den anderen, AlxS, 4668, wenn hier nicht iegeweder zu lesen ist. In îet‫܅‬weder, Parz, 517,22, scheint eine sporadische Umbildung nach dem Muster von ietslich (s. § P 334) vorzuliegen. Als Distributivpronomina verhalten sich ie(ge)węder, ietwęder semantisch zu kollektivem bėide wie iegelich, iewėlich, iet(es)lich ‚jeder‘ zu all. Die ältesten mhd. Formen dürften iegewęder und iewęder sein. iegewęder (> iegwęder, iequęder) setzt ahd. iogi(h)wędar (Ahd.WB 4, 1678) fort. Es ist alem. noch in PrZü belegt: iegwed’em, 112rb,29; iegwed’e‫܅‬, 112va,20. Ansonsten darf es als ein hess.omd. Kennzeichen gelten (s. Lenz-Kemper 2008, 114), vgl. iegweder, AlxS, 1730, 1736, 3745; iegwederme, 2716; iequeder, *HildegGeb, 62r,1; iecwedirin, AthP, 6,144; yqueder *UrkCorp Nr. 1200 (Wetzlar 1290) 470,42; yquedir, 471,27; icqueder, PrRei, *6,486; iqueder, *NvJer, 2498, 11706, 20157.

P 340

604



V. Pronomina

P 341

iewęder ist Nachfolger von ahd. iowędar, das erst im Alem. Notkers auftritt und als eine Verkürzung von iogi(h)wędar betrachtet wird (Ahd.Gr.I, § 300 Anm. 2). Im Mhd. ist iewęder die Form mit der größten  – sowohl wobd. wie md.  – Verbreitung, z. B. alem. ie wedire, Scop, 4,4; Ie wedirz, 7,4; iewed’me, PrZü, 105va,18; Je wederre, Rapp, 393, 17817; ostalem. ieweders, StBA, 76ra,11, 120rb,7; iewederz, UAugsb1, 3,4; wmd. e ı wedere, RhMl, 4879; íweder, UKöln1, 3,17; iwederre, VLilie, 38,6; ieweder, Elis, 398; Erlös, 6710; PrRei, 15b,2; hess.-thür./ ​omd. iewedere, AlxS, 4408; iewedir‫܅‬, AthP, 1,38; ýeweder, HTri, 118. Im Oobd. scheint sich iewęder dagegen vornehmlich auf die frmhd. Zeit zu beschränken, danach aber weitgehend durch ietwęder verdrängt worden zu sein, vgl. z. B. iewederen, Kchr, 1034, 8585; ieweder, HLit, 235; iewedirz, Spec, 6r,14, 40r,10, 74v,13; iewedir, 36v,9, 80r,12; ieweder-, îeweder-, *Gen, 140, 978, 1172, 1208 u. ö.; iwederer, *VMos1, 756; iwederer, *VMos2, 410; îwederez, 554; iwedere, 2085. Für 113–114 bietet das Korpus dagegen keine oobd. Vorkommen von ieweder mehr. Auch im *UrkCorp (s. WMU 2, 916f) gibt es in oobd. Urkunden neben herrschendem ietwęder nur wenige Belege für iewęder: iewedern *UrkCorp Nr. 476 (Regensburg A 1281) 418,7; iewedirre Nr. 1829 (Aichach UP 1293) 139,39; iewederhalben Nr. 2575 (Kloster Steingaden UP 1297) 7,2; îeweders Nr. 2424 (Wien 1296) 500,12.

P 342

ietwęder ist erst seit dem letzten Viertel des 12. Jh.s zunächst nur obd., dann auch omd. vereinzelt schon in 213, vermehrt in 114 belegt. Obd. Frühbelege sind z. B. ietwederez, *Himmelr, 6,4; iedwederer, *Exod, 391; íeteweder, Mar, *2211; ietwederre, *PrFrKrakau, 3v,7; ietwederz, 6r,13; [i]etwederz, 6v,19.  – Omd. z. B. ietwederin, AthP, 3,34; itwederē, MBeh, 53r,10; Itwed’, LuKr, 1499; itweder, HTri, 132, 151, 152 u. ö. Im *UrkCorp (s. WMU 2, 915) stammen die Belege fast ausschließlich aus obd. Urkunden, zu denen nach ihrem Sprachstand auch die Königsurkunden *UrkCorp Nr. 1276ABC (Kg Rudolf A, Erfurt 1290) und 2785AB (Kg Adolf A, Speyer 1297) gehören: ietweder 1276AB, 519,36.37; ietwedern, 2785A, 136,5.9, 2785. itweder 262,25 in der srhfrk. Urkunde *UrkCorp Nr. 903 (Worms 1287) wird sich durch die alem. Nachbarschaft erklären. So kann ietweder bis Ende des 13. Jh.s als eine nahezu rein obd. Form gelten. Angesichts der erst relativ späten Bezeugung ist eine alte primäre Bildung *ie-dewęder, die Behaghel (1923, 389) auch semantisch für bedenklich hält, wenig wahrscheinlich. Vielmehr dürfte wie iegelich zu iet(es)lich (s. § P 334) auch ie(ge)węder zu ietwęder umgebildet worden sein.

P 343

-węder- ist gelegentlich zu -wędr- synkopiert oder zu -węr- reduziert, vgl. z. B. ietwedrem, UAugsb2, 12,11, 18,5; iewedre teil *UrkCorp Nr. 890 (Kloster Frauental A 1287) 253, 13; ietwedrem tail Nr. 1540 (Friedberg 1292) 702,35.36;  – Uz iwereme (iewederem P) taile, *RolA, 8861; ietweren *UrkCorp Nr. 389 (Kloster Paradies UP 1279) 359,17; iewerre Nom.Sg.Mask. *UrkCorp Nr. N 306 (Kloster Ittenweiler A 1286) 234,21; N 817 (Kloster Niedermünster UP) 585, 18; iewere‫܅‬, 585,21.

6. Pronomina im weiteren Sinne

605

Bei Reduktionsformen von ie(t)węder ist also die letzte unbetonte Silbe betroffen, nicht aber -wę-. Auch das spricht gegen die Herleitung von nhd. jeder aus einer Kurzform *ieder von iewęder (s. § P 336).

6.6.4.7.2. Flexion

iegewęder, ie(t)węder wird in der Regel substantivisch gebraucht. Pluralische Verwendung bleibt vereinzelte Ausnahme, z. B. Dat.Pl. Wan uz itwederē veteren i‫܅‬t xpi‫܅‬tus, MBeh, 53r,10. Im Nom.Sg.Mask. ist die flexivlose Form mehrfach häufiger als starke Flexion, die sich zudem auf das Obd. beschränkt, und zwar zunächst mit dem Flexiv -er, später zumeist mit -re, -r, z. B. ir îewederer, *Gen, 1208, 3866; ir iwederer, *VMos2, 410; iedwederer, *Exod, 391; ietwederre, *PrPrag, 11,33; ietwederre, Lieht, 959,6; StBA, 19rb,16; Je wederre, Rapp, 393; ietwederr, *NüP, 5va,8. Nur selten erscheint die schwache Form, z. B. do ‫܅‬lvg ir ietwed’e. vil manige wndē wit, Nib, 2354,2; ir iewedere ‫܅‬tach den anderen nider, *VAlex, 1243; iwedere livt, *VMos2, 2085. e e Auch im Nom./ ​Akk.Sg.Fem. überwiegen die flexivlosen Formen, z. B. ı re ı weder, RhMl, 4881; Ieweder, PrRei, 15b,2; Itweder, HTri, 151, 152; daneben auch -e: Nom.Sg. e e ı re ı wedere, RhMl, 4879; Akk.Sg. ie wedire, Scop, 4,4b; iewedere hant, *Gen, 2270, 4429; ietwed’e hant, HTri, 6599. Im Nom./ ​Akk.Sg.Neutr. herrscht dagegen starke Flexion, z. B. der îewederez i‫܅‬t gůt, *Gen, 1172; ir iewedirz, Spec, 74v,13; ietwederz, Hoff, 17 v,7; vn‫܅‬er iewederz, UAugsb1, 3,4; daneben seltener flexivlos: ieweder, HLit, 235; [iet]wedir, Hoff, 27 v,25; ietweder tor, RWchr, 20944; an ietweder ort, *NüP, 8vb,19. Der Gen./ ​Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. wird stark flektiert, z. B. Gen.Sg. -(e)s: iegwed’e‫܅‬ lebēne‫܅‬, PrZü, 112va,20; iewedir‫܅ ܅‬in, AthP, 1,38; Dat.Sg. -(e)me, -(e)m: iegwed’em, PrZü, 112rb,29; iewed’me, 105va,18; ietwedrem, UAugsb2, 12,11; ietwederm, RWh, 730; nachgestellt stark oder schwach: An dem orte iecwedirin, AthP, 6,144. Im Dat.Sg.Fem. – und ebenso wohl auch im selten belegten Gen.Sg.Fem. – stehen neben starken Formen auf -er, -re auch haplologisch verkürzte flexivlose Formen (iewęder < iewęderer); vgl. z. B. bi iwederer hant, *VMos1, 756 (76va,7); an iwederre hant, VLilie, 38,6; ietwederre, RWchr, 32271; uon iewedere menige, AlxS, 4408; – Zwo ‫܅‬tête ‫܅‬int [...] einiz i‫܅‬t div helle., daz ander daz ‫܅‬chone himilrîch. in der iewedir i‫܅‬t ein hiwi‫܅‬ch., die gůtin unde die ubelin ‚... in jeder von beiden gibt es eine Familie, die Guten und die Bösen‘, Spec, 36v,9; ze îet weder hant, RWchr, 20944; Si nigen ieweder chrone, Elis, 398. Lit.: Behaghel (1923, 387–390); Grimm, Dt.Gr.III, 55; Sparmann (1961, 98–100); Walch/ ​ ­Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 502–506; Weinhold, Mhd.Gr., § 497; WMU 2, 912, 915–917.

P 344

606



V. Pronomina

6.6.4.8. all P 345

Kollektiv zusammengefasst werden die Mitglieder einer Menge durch das Pronominaladjektiv al. Es flektiert wie ein starkes Adj., kann aber vor Artikel und Pron. in allen Kasus flexivlos bleiben: al der ēren. 6.6.4.8.1. Verwendung

P 346

Übersicht In aller Regel bezieht sich all attributiv oder in Distanzstellung auf eine nominale oder pronominale NP: all(e) (die) liute, die liute [...] all(e), sie [...] alle, daȥ alleȥ, alleȥ daȥ; im Korpus ist das in etwa 92% der Belege der Fall. Dabei steht all zu ca. 84% adjazent zu seiner Bezugs-NP, und zwar geht es ihr in etwa 72% unmittelbar voraus und steht in ca. 12% unmittelbar hinter ihr (s. Abb. P 166f). In ca. 8% folgt all in Distanzstellung nach (s. § P 352), während getrennte Voranstellung von all nur verschwindend selten vorkommt (s. § P 351). Nur selten wird all im Korpus substantivisch ohne Bezugs-NP verwendet; es dient dann meist als Bezugswort eines folgenden Relativsatzes. Die Flexion ist in der Regel stark-pronominal, z. B. elliu, dei iener ‫܅‬int., dei uurfi du imo under fuoze, WNot, 12ra,6; der [...] fůr ze helle. unt zebrach elliu, dei drinne tôt waren, Phys, 135v,1; ‫܅‬wie ‫܅‬ware im aber wære. al ‫܅‬in herze v‫ ܒ‬al ‫܅‬in ‫܅‬in., ‫܅‬o ‫܅‬chifter doch allez hin, Tris, 7506; Eín îegelich x‫ݗ‬en menní‫܅‬chen, der rehte vâ‫܅‬ten wíl., der ‫܅‬ol ‫܅‬ich aller dínge mâzen an êzzen. [...] v‫ܒ‬ an allem, daz ze ‫ܔ܅‬nten gez‫ܔ‬het, PrMi, 18r,14. Die wenigen flexivlosen Formen entfallen zumeist auf den Nom./ ​Akk.Sg.Neutr., z. B. er gab iv al, des iv durft. wa‫܅‬, Kchr, 8632; do mu‫܅‬te al in ouwe gan, GRud, 7,24.

P 347

all geht in Kontaktstellung voraus Adnominal vorangestelltes all steht stets an der Spitze seiner NP (s. Abb. P 166). Ihm kann also ebensowenig wie im Nhd. ein anderes Artikelwort vorangehen (z. B. nur all(e) die liute, nicht auch *die alle liute). Flexivlose Formen statt der pronominal flektierten kommen nur vor Artikel oder Poss.-Pron. häufiger vor (20% bzw. 17%), sonst nur selten bis vereinzelt. Anm. 1:  Einzelne Belege, in denen all dem Artikel folgt, stehen im Verdacht fehlerhaft zu sein: daz i‫܅‬t, daz die elliv werltlichiv mínne er‫܅‬torben ‫܅‬i in dinem hertzen (Unger ändert mit der Hs. M1 [cgm 210] die in dir), Baum, 17 v,5; dat lamp godis, dat da dragit der alre .M. ‫܅‬ůndē (statt alre der Men‫܅‬chen), Taul, 172v,4.

607

6. Pronomina im weiteren Sinne

NP mit

all steht vor

Substantiv als Kern

Subst. oder subst. Adj.

3132

 46

 1%

3178

52%

Adj.

  268

  8

 3%

 276

 5%

Pronomen als Kern

unflektiert

n

von 6123

Artikel

  781

199

20%

 979

16%

Poss.-Pron.

  972

201

17%

1173

19%

dise

  111

  5

 4%

 116

 2%

ander

  13

  0

 0%

  13

 0%

dęr

  358

 14

 4%

 373

 6%

dise

   5

  2

29%

   7

 0%

   8

  0

 0%

   8

 0%

5654

478

 8%

6123

Personalpronomen zusammen

flektiert

Abb. P 166: all in Kontaktstellung vor seiner Bezugs-NP

In gut der Hälfte der Fälle steht all direkt vor dem Kernsubstantiv (oder substan­ tivischen Adj.), z. B. mit állen chréften, Will, 4v,8; zeinime lerare allir werelte, Spec, 80r,5; vzer aller liebe, SalH, 157,12; Sceidet iuuuih uone mir, alle ubeltatigen, WNot, 9ra,11; alle armen., alle ‫܅‬iechen., alle h’zenlich be‫܅‬wærtē., alle iam’ige., alle ‫܅‬vndær, DvATr, 33v,1. Nur zu etwa 5% folgt auf all ein Adj., das selbst etwas häufiger stark als schwach flektiert wird. all ist in aller Regel flektiert, z. B. alle‫ ܅‬gůti‫ ܅‬werchi‫܅‬, HLit, 788; álli‫܅‬ írdi‫܅‬ken gûote‫܅‬, Will, 53r,12; ellîv vnrehtîv dínk, PrMi, 18r,11; elliu romi‫܅‬ken hus, Kchr, 8219. Nur selten bleibt all flexivlos, und zwar wohl nur, wenn auch das folgende Adj. flexivlos ist, z. B. al menne‫܅‬clich gir an ir verdarp, Parz, 824,8; al himel‫܅‬ch here, RhMl, e 1925; nv hebt ‫܅‬ich iamer vnde not. In al Romi‫܅‬ch lande mít w‫܅‬ten vnd mít brande, Diet, 2535; al ‫܅‬o getan gut, MüRB, 14v,6. Häufig steht all vor einem Artikelwort, nämlich  – in der Reihenfolge der Häufigkeit  – vor einem Poss.-Pron., vor dem Definitartikel oder vor dise oder ander. Das folgende Poss.-Pron. bleibt im Nom.Sg. und im Akk.Sg.Neutr. flexivlos und wird sonst stark flektiert; z. B. nach flektiertem all flexivlos: allez ‫܅‬in varnde gǒt, PrZü, 111ra,7; alliv ‫܅‬in ger, LEnt, 20,22.  – Flektiert: elliv ‫܅‬iniv gebôt, Spec, 12v,8; In alleme ‫܅‬ineme richtǒme, PrZü, 110rb,30; mít aller ‫܅‬iner píne, Hleb, 104v,10. Unflektiertes all(e) steht oft vor gleichfalls unflektiertem Poss.-Pron., z. B. ál mîn iâmer, Will, 30r,9; al din gotehait, RPaul, 69; vor stark flektiertem Poss.-Pron., z. B. al ‫܅‬iner richen habe Gen.Sg., Parz, 819,13; mít alle írre maícht, UKöln1, 2,10; mit i‫܅‬erinin kemmin z‫ ݑ‬reiz man im alle ‫܅‬inen lib, JMar, 12r,11. Ausnahmsweise kann das Poss.-Pron. auch schwach flektiert sein: wir [...] uolgin un‫܅ ܅‬êlbin alli‫ ܅‬un‫܅‬ern můtwillen, Spec, 40v,20; So nim bit dir dat herze min Und aller minen seleden last, Yol, *5623. Ein Sonderfall ist die Form auf -en im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. (s. § P 8), z. B. mit allen ‫܅‬inen ‫܅‬inne, AlxS, 332; an

P 348

608



V. Pronomina

allem ‫܅‬inē libe, BKön, 6va,7; uon allíme uwern h’zen, PrM, c4ra,10; vielleicht auch (falls ē hier nicht für em steht): in allem ‫܅‬inē leben, GnaÜ, 19,12; an allen irē tün, 98,13. Geht all dem Definitartikel voraus, so folgt in aller Regel unmittelbar das Sub­ stantiv z. B. flektiert áller dér uvérlte, Will, 46r,13; elliu dei wort munde‫ ܅‬dine‫܅‬, Wind, 137,4; zi allen den dingin, Muri, 3v,1; aller der tro‫܅‬t, SalH, 14,12; unflektiert al oder alle, z. B. al dîe uuîla, Will, 12v,17; for al der werlnte, PrFr, 11,8; al den frǒwen, Parz, 801,22; al d er hof, Mar, 4519; alle dem volke, BeEv, 4r,17; ín alle der wi‫܅‬e, UJena, 4,17. Nur selten (zu etwa 5%) steht zwischen Artikel und Substantiv ein Adj., z. B. allet dat iudi‫܅܅‬che ge‫܅‬lechte, RhMl, 3290; al dir heiligen kri‫܅‬tenheit, Hoff, 23v,13; tv dich abe alle der leiden tuvels habe, Pass, 20,256. Anm. 1: Während all vor Subst., Adj. und Poss.-Pron. als Artikelwort zu werten ist, bleibt fraglich, ob all vor Definitartikel oder dise eine Konstituente der NP bildet oder dem folgenden Substantiv bzw. Artikel(wort) nur adjungiert ist (vgl. Pafel 2005, 28); vgl. dazu auch den Status von all in Distanzstellung (s. § P 351f). – Selten erscheint auch ėin nach all und ist dann nicht als Indefinitartikel, sondern als Zahlwort anzusehen: So f‫ݑ‬r ich allen êinen tac ‚einen ganzen Tag‘, Iw, 269; mit uolcwige reit er ime zv u‫ ܒ‬vochten allen einen tach, AlxS, 2137; dív (christ)enheít wârt allez eín dínk mít gôte.: Unus deus, una fides., unum baptisma, PrMi, 24r,7.

all vor dise, z. B. er hiz ‫܅‬criben allen di‫܅‬en umberinch, Kchr, 617; vb’ elliv di‫܅‬iv lant, Nib, 108,3; aller dirre werlt Dat.Sg., PrPa, 43,17; alliz diz gi‫܅‬creigí, MüRB, 4r,4; al di‫܅‬e degene, e Diet, 6215; der fvr‫܅‬t alle dírre werlt, ObEv, 38a,36.  – Nur selten vor ander z. B. aller anderer megede cronen, RhMl, 4856; alle‫ ܅‬and’n ezen‫ ܅‬als vil. al‫ ܅‬de‫ ܅‬brote‫܅‬, Bart, 16ra,18. P 349

Einer pronominalen Bezugs-NP kann all in Kontaktstellung sowohl vorangehen als auch folgen. Adjazente Voranstellung ist nur beim Dem.-Pron. dęr nicht ganz selten, vor einem Personalpron. oder dise begegnet sie lediglich vereinzelt. Das Dem.-Pron. ist in aller Regel Korrelat eines Relativsatzes, z. B. So ‫܅‬culn alle die tůn., die mit gote ‫܅‬ubirliche wellent leben, Phys, 147 v,11; Dat ‫܅‬i kůnt allen den, die die‫܅‬en brief ane ge‫܅‬ient, UKöln1, 5,1; al des wir ie gedahten., daz wir hinnen brahten. ane bůzze ‫ ܨ‬ane bihte., daz ge‫܅‬tat da niht lihte, Mar, 2907; do behait [‚behagte‘] es heroden. v‫ ܒ‬alle den, dy do azen, BeEv, 116r,14. Nur selten ohne nachfolgenden Relativsatz, z. B. vor anaphorischem dęr: Kyele, kocken, barken, Galyne, y‫܅‬ier, ‫܅‬enyez: Al der keínes man vns liez, Türh, 682. Vor freiem Relativsatz (da al wegen der Versaufteilung kaum als Korrelat dem Obersatz angehört): da wa‫ ܅‬der knappe chomn nach., ze dem div frǒwe heiden‫܅‬ch ‫܅‬prach.,/ al daz ‫܅‬i widr ‫ܔ‬f enbot ‚alles, was sie hinauf (zur Burg) ausrichten ließ‘, Parz, 529,21. Für flektiertes all vor substantivischem dise bietet das Korpus nur zwei latein­ abhängige und drei mfrk. Belege: alliv di‫܅‬iv chomen uf diz ge‫܅‬lahte (venient haec omnia super generationem istam, Mt 23,36), WMEv, 16,24; in allen di‫܅‬en ‫܅‬unden ‫܅‬i inoh (in omnibus his peccaverunt adhuc, Ps. 77,36), TrPs, 36v,1. – Eraclius uor ī crieglant, thar her scāM helenā uant, The unson herron goth louodo, tho her ero allen [!] thit sagodo

609

6. Pronomina im weiteren Sinne

‚... als er ihr all dies gesagt hatte‘, RBib, 667; allet dit din curte ‫܅‬ang umbeueit ‚all dies umfasst dein kurzer Gesang’, RhMl, 2964; nů ‫܅‬al der men‫܅‬che dat bekennen, dat hie dat alremyn‫܅‬te. van allen dei‫܅‬en neyt ī mach geroiren van ‫܅‬inre ‫܅‬noitheyt ‚nun soll der Mensch das erkennen, dass er wegen seiner Schlechtigkeit auch nicht das Aller­ wenigste von all diesem berühren kann‘, Taul, 87r,12.  – Flexivloses all vor dise: mit al di‫܅‬me, Taul, 85v,19, na al di‫܅‬me, 102v,1. Während all dem Personalpron. oft in Kontaktstellung folgt (s. § P 350), sind die Fälle von adjazenter Voranstellung selten: Allo se zo there helle gesturuon, wante se uan x‫ݗ‬o gelost worthen, RBib, 673; Du býs dog ‫܅‬ýcher des., dat ich Dich han vor alle mine kýnd Vnd alle ‫܅‬ý mýr nýt en‫܅‬ýnt So lýf, ‫܅‬o du mýr eine bý[‫] ܅‬t, Yol, 5562; Da ‫܅‬ie die h’ren ‫܅‬ahen, glich alle ‫܅‬ie da iahen, Si weren wini‫ ܅‬drunken, Erlös, 5882. In Übersetzungstexten: Derder zelet die menige dere ‫܅‬ternun unde allen in namen nennenter (... et omnibus eis nomina uocans), Wind, 146,4; im alle ‫܅‬i gehor‫܅‬ameg‫( ܒ‬ei cuncti oboediant, BR, c. 3,5), ZwBR, 6r,15; v‫ ܒ‬vnd’ aime alle ‫܅‬i z‫ ݑ‬gangen zim ti‫܅‬che (et sub uno omnes accedant ad mensam, BR, c. 43), 39r,11. all folgt in Kontaktstellung nach In adjazenter Nachstellung erscheint all mehrheitlich nach Personalpronomina (ca. 57%) und in gut einem Viertel der Fälle nach Substantiv (oder subst. Adj.). Der Rest verteilt sich auf die Stellung nach den Dem.-Pron. dęr und dise und weiteren Pron. (s. Abb. P 167). In allen Stellungen ist all zu deutlich mehr als 90% flektiert, und zwar auch dort, wo dies im Nhd. nicht möglich ist (z. B. ęr aller Nom.Sg.Mask.). all steht nach

n

von 1022

Substantiv (oder subst. Adj.)

251

19

7%

270

26%

dęr

112

1

1%

113

11%

dise

32

1

3%

33

3%

572

15

3%

587

57%

18

1

5%

19

2%

983

37

4%

1022

Pronomen

flektiert

Personalpronomen sonstigen Pronomen zusammen

unflektiert

Abb. P 167: all in Kontaktstellung nach seiner Bezugs-NP

all nach Substantiv unterscheidet sich von nachgestelltem attributivem Adj. und Poss.-Pron. in doppelter Hinsicht: Zum einen wird es zu über 90% flektiert, während das nachgestellte Adj. umgekehrt zu rund 60% unflektiert ist. Zum anderen beschränkt sich das nachgestellte Adj. zu fast 80% auf Versdichtungen, ähnlich auch beim Poss.-Pron. (s. § P 238f), während diese Rate bei all nach Subst. nur etwa 48% beträgt und damit den durchschnittlichen Korpusanteil von Versdichtungen (43%) nur unwesentlich übersteigt. Daher ist nachgestelltes all nach Substantiv wohl nicht Teil der NP wie das nachgestellte attributive Adj., sondern ist der vorausgehenden

P 350

610



V. Pronomina

NP ebenso in Kontaktstellung adjungiert wie in Distanzstellung (s. § P 351f); vgl. z. B. Déro túgede állero ánagenge, Will, 23v,20; div werlt elliv, Kchr, 8729; die vinde ‫܅‬lvgen in der ‫܅‬tat daz volc alle‫܅‬, BKön, 7 va,34; ‫܅‬o i‫܅‬t doch d’ lip aller ínnen zebro‫܅‬tē, Bart, 2va,17; e mit dem aigen allem/ mugent ‫܅‬i wol tvn, ‫܅‬waz ‫܅‬i wellēt, StBA, 75vb,24. Bei unflektiertem all (alle) kann unsicher sein, wie es zu beziehen und ob es adverbialisiert ist, vgl. z. B. ter hello wo‫ ܅‬ter ir gewin., manchunne al, daz fuor dar in, Ezzo, 52; do hiz er [...] di burg al umbeuan, AlxS, 1035; Si werten den rinch, daz i‫܅‬t war, Den abent al den ritt’en gar, Lieht, 1529,6; in deme is die clarheit al. inde alle ‫܅‬chonheit ane nider ual, RhMl, 3829; Daz uolc al zů houe gienc, AthP, 1,165. Beispiele für die Kontaktstellung nach Personalpron.: Vbe ir alle eini‫ ܅‬rehtin lebitint., ‫܅‬o wvrdint ir alle geladet in. zeder ewigun mendin, Mem, 11,2; [D]annan zellet phi‫܅‬iologu‫܅‬. [...], daz er aller wiz si, Phys, 156r,11; Gallien9, d’ het einē frivnt./, d’ het daz getwanch ‫܅‬o va‫܅‬te, daz er aller ge‫܅‬wollen wa‫܅‬, Bart, 15va,22; zir allir ange‫܅‬ihte, RWchr, 32305; selten mit unflektiertem all(e), z. B. dar na gebot der k‫ݑ‬nig, daz man das ‫܅‬chif mit holtze ẘllite [‚füllte‘] vnd ‫܅‬ie al gebundin dar inne brente, JMar, 64r,16; [Si] ‫܅‬prach e e it alle durch kurzewile, KuG, 13764; von dann wir vns all In all díe walte taílten, Hartw, M 1224. all in Kontaktstellung nach den Dem.-Pron. dęr und dise, z. B. Ime wa‫ ܅‬daz allez ‫܅‬ůzzi., daz ‫܅‬ime taten, Phys, 132v,2; Wie chumit ditze., daz die alli ‫܅‬int uon galilea. u‫ܒ‬ redint iedoch un‫܅‬ir allir zvngen, Spec, 66v,6; Mit d’ allir helfe. mvzint ir beidiv erchennin. v. minnon vn‫܅‬irn herrin, den almachtigin got, PrZü, 106vb,1; ‫܅‬íe hetten gnuc des alles., waz díe erde truc, HTri, 3380.  – diz allez wirt îv gegebin, WMEv, 56,5; wachet alle zít vnd betet, daz ír wírdich wert ze phahen dí‫܅‬ív elliv, dív ch‫ݑ‬nftich ‫܅‬ínt, ObEv, 54b,14. all in Kontaktstellung nach weiteren Pron., so nach Poss.-Pron., z. B. durch ‫܅‬in ubermůt mu‫܅‬er uallen. unde di ‫܅‬ine alle., di der uber můte waren ge‫܅‬ellen, Kchr, 8805; er ‫܅‬prah zo ‫܅‬inen allen: „wi ‫܅‬ol un‫ ܅‬diz geuallen?“, AlxS, 4272; vgl. weiter z. B.: die andere alle, die mit ‫ݑ‬n‫܅‬eme heren gevangin worden, UKöln1, 11,10; die anderen alle in kvrzer‫܅‬tvnt. eín gemeíne ‫܅‬laf be‫܅‬tvnt, Himlf, 1043; Daz ‫܅‬elbe alliz bilden. wir iv iarliche in der heiligen chri‫܅‬teit. zi di‫܅‬im zîte, Spec, 35r,10; Die ‫܅‬elben alle ‫܅‬vlen bewaren., daz man von lovterre ‫܅‬emelle eín brôt bache vmb ein phennínc, SBNü, 9ra,15. P 351

all geht in Distanzstellung voraus Nur sehr selten geht all seiner Bezugs-NP in Distanzstellung voraus. In allen 11 Korpusbelegen steht all subjektbezogen im Vorfeld; das Bezugssubjekt ist stets pronominal (zur Erklärung vgl. Pittner 1995, 39 zu 37c) und steht meist im Plural, z. B. Alle ‫܅‬int ‫܅‬i geneigit (omnes declinauerunt), Wind, 13,3; Alle nach ire ammite werdint ‫܅‬ie genemmit angeli, ‫܅‬o ‫܅‬i mazlichin gewerb ī di‫܅‬e welt bote‫܅‬chephtont., Archangeli., ‫܅‬o ‫܅‬ie die here‫܅‬tin bote‫܅‬chephte w’bint, PrZü, 106rb,10; alle werdent ‫܅‬ie vnvro, GRud, 20,35; alle zvibeleten ‫܅‬i dar an, AlxS, 2634; alle traten ‫܅‬i ein phat mit ‫܅‬trite an der ‫܅‬elben ‫܅‬tat, Diet, 9493; Alle willent ‫܅‬i dat gůt hauen. van der wigen bize zů deme graue, VLilie,

6. Pronomina im weiteren Sinne

611

21,3; nur zwei singularische Belege: unte áller í‫܅‬t er nîet‫܅‬ám (et totus desiderabilis, Cantica 5,16), Will, 34r,19; Allez ‫܅‬al iz in gemeine ‫܅‬in (lat. Plural: omniaque omnium sint communia, BR, c. 33,6), OxBR, 8r,23. all folgt in Distanzstellung nach Wie im Nhd. steht prädikatives all schon im Mhd. nicht selten in Distanzstellung hinter seiner Bezugs-NP. Nach einer NP mit substantivischem Kern ist das weit seltener der Fall als nach einem Pronomen, und hier wiederum am häufigsten nach Pers.-Pron und Dem.-Pron. dęr (s. Abb. P 168) Anm. 1:  Für das Nhd. zeigt Pittner (1995), dass all in Distanzstellung keine extrahierte Konstituente seiner Bezugs-NP darstellt, sondern ihr prädikativ adjungiert ist. Die Argumente dafür gelten weitestgehend offenbar auch schon für das Mhd. Zu nhd. all in Distanzstellung vgl. auch Link (1974).

Es besteht offensichtlich das Bestreben, bei Distanzstellung die Entfernung zwischen Bezugs-NP und all möglichst klein zu halten, und zwar sowohl was die Zahl als auch was den Umfang der zwischen ihnen stehenden Satzglieder anbelangt. Dies sei am häufigsten Typ, der Distanzstellung von all nach Personalpronomen, erläutert: Hier ist der häufigste Fall (ca. 47%) der, dass das Bezugspronomen  – meist das Subjekt  – im Vorfeld eines V2-Satzes steht und all unmittelbar hinter dem finiten Verb an der Spitze des Mittelfeldes folgt, z. B. ‫܅‬i wanten, ‫܅‬i hetten alle den ir lip uerlorn, Kchr, 436. Mit flexivlosem all (u. U. mit elidiertem Schwa) z. B. ir ‫܅‬vlent aller‫܅‬terben, Mem, 6,3; Si ‫ݣ‬rtin alle ‫܅‬o blint., daz ‫܅‬i div apgot an pettin, Spec, 5r,14; Sîu i‫܅‬t in golde‫܅ ܅‬coni. ‫܅‬amo daz durhliehte gla‫܅‬. allîu durh‫܅‬côuvig ioh durh luther, HuH, 153,15; Er zebra‫܅‬t allir., u‫܅ ܒ‬íne darme vilín uz íme, PrM, b1ra,19; ‫܅‬i iehent all, ez brenne fr‫ݑ‬., daz zer nezzeln werdē ‫܅‬ol, Wins, a36,1; ien was allen gliche gach Zů predegene, Erlös, 1160; dur vn‫܅‬er, der vorgenanten, aller bette, UFreib2, 1,16; nach expletivem ęȥ: ez ‫܅‬int allez edilu kint, Scop, 2,8a; it ‫܅‬int allet irrere, VLilie, 47,33. – Selten unflektiert e z. B. ir ‫܅‬vlent all er‫܅‬terben, Mem, 6,3; Daz ‫܅‬i uz u‫ ܒ‬in iledin al, RhTun, 477; Es war aín e vnerwendet not., ‫܅‬i mu‫܅‬ten all lígen tot, Hartw, M 198. Deutlich seltener (ca. 16%) tritt noch weiteres Satzglied, meist ein Pron. oder Adv., vor all, z. B. Er í‫܅‬t ôuh aller nîet‫܅‬am. bêidu in diuinitate. ióh in humanitate, Will, 34r,28; ‫܅‬ie ‫܅‬int im alle ebin lieph, LEnt, 42,20. Gelegentlich auch mit einer PP vor all, z. B. ‫܅‬i bougent wr ieme alle ire knin, RhMl, 1429; ‫܅‬i ‫܅‬int mit zigen beine alle gewafent, AlxS, 4774. Nur vereinzelt stehen mehr als zwei Satzglieder zwischen all und seiner Bezugs-NP: wír ‫܅‬in vil gar nach alle v’zagt, Diet, 5995; ‫܅‬i werdent uns da alle ‫܅‬chin, VLilie, 45,30; Sîu i‫܅‬t in golde‫܅ ܅‬coni. ‫܅‬amo daz durhliehte gla‫܅‬. allîu durh‫܅‬côuvig ioh durh luther, HuH, 153,15; Swaz ‫܅‬i der an‫܅‬prach dann ‫܅‬chaden næmen., den ‫܅‬ol ich. vnd e min erben. vnd mín vorgenant burgen in auch zehant allen gar vnd gæntzlichen. abt ‫ݑ‬n vnd gelten, UAugsb2, 18,21.

P 352

612



V. Pronomina

Auch bei anderer Stellung des Bezugspronomens ist all von ihm in aller Regel nur durch ein Satzglied getrennt, z. B. Uon de‫ ܅‬ri‫܅‬en valle. frêvten ‫܅‬i ‫܅‬ich alle, Iw, 5076; d‫ܔ‬ maht ez noch allez wol geb‫ܔ‬zen, PrMi, 16r,12; der [...] leitte ‫܅‬i mit ime alle uon der helle, Phys, 135v,2; Daz ‫܅‬ibende i‫܅‬t div grozz er v‫ ܒ‬frawde, di ‫܅‬i mit di‫܅‬en tugenden alle erwerbent, Baum, 111v,11. Nur sehr selten mit größerer Distanz: wând wír ‫܅‬íner geb‫ܔ‬rte vn‫܅‬ers herren. v‫܅ ܒ‬íner mart’. v‫܅ ܒ‬íner ‫ܔ‬r‫܅‬tente alle gefrôwet ‫܅‬ín, PrMi, 25r,1; dv ‫܅‬olt die einlif rihtær henken. v‫܅ ܒ‬olt in daz antlvtze an dem galgen. allen o‫܅‬ter halb d’ ‫܅‬vnn cheren, BKön, 5rb,35. Beispiele für die Distanzstellung nach Substantiv: ‫܅‬in ge‫܅‬læhte wart allez er‫܅‬lagen, Kchr, 16441; Den got gloubich unerrahlichen., unmezmichilen., eben ‫܅‬elbgaginwartigan., unendigen., olanglichen allen in aller ‫܅‬téteglich, BaGB, 136,13; Der tro‫܅‬t kom un‫܅‬ aller uon miner frẘen ‫܅‬ente MERien, Hoff, 16r,3; Die ritt’ chomen alle dar, Lieht, 972,2; e Di‫܅‬iv abtgot ‫܅‬ol d’ g‫ݑ‬t men‫܅‬ch elliv zebrechē v‫ ܒ‬ze‫܅‬toren, DvATr, 44v,1. Nur selten unflektiert: do lerta un‫ ܅‬enoch., daz un‫܅‬eriv werh ‫܅‬in al in got, Ezzo, 70; ‫܅‬ine hut was ime beuangen al mit ‫܅‬vini‫ ܅‬bur‫܅‬ten, AlxS, 5368; ich [...] haíz, das gelaube mír., die ader e lo‫܅‬en all von dír, Hartw M 756. Distanzstellung nach den Dem.-Pron. dęr und dise z. B. daz i‫܅‬t in allez offen, HuH, 153,24; di gůten unt di rehten., di we‫܅‬ten ez alle dem bi‫܅‬colf Albrehte, Kchr, 16935; ich han iv vil ze‫܅‬agine., de‫ ܅‬megit ir nu alli‫ ܅‬niht getragin, Spec, 66r,10; aventvre erwarp er vil., der ich aller niht gewæhnen wil, Tris, 18462; mere denne ‫܅‬ehzech oh‫܅‬en.: di ne mohten in alle niht erwegen, PrPa, 285,18; diz wa‫ ܅‬allez ‫܅‬chiere. nach ‫܅‬inen willen getan, Tris, 7434; Di‫܅‬e gebe ich dir alle., ob du nid’vallinde uf di erdē. v‫ ܒ‬mich ane bete‫܅‬t, MBeh, 57 v,21. Selten unflektiert z. B. aller ‫܅‬laht gi‫܅‬uhte., daz ie iemen gwar., daz ue[r] treib er al gar, HLit, 610; div goltfaz, da er abe tranc, di warf er al in ‫܅‬ine ‫܅‬coz, AlxS, 3120. Nach weiteren Pron. z. B. di ‫܅‬ine wǒrden alle ‫܅‬amt er‫܅‬lagen, Kchr, 16638 (oder univerbiert allesamt?); Die andre volgeden ime du alle, KuG, 12241; daz and’ i‫܅‬t allez vn‫ ’܅‬frawē v‫ ܒ‬irs Got‫܅‬haus, ULands, 5,12. Selten steht all im Nachfeld (ca. 8%), und zwar weit überwiegend in Versdichtungen, z. B. uon himel chom ein ‫܅‬terne., da wir waren alle dri, Mar, 4535; er ‫܅‬prah, daz er ‫܅‬ie mit golde. wider wæge alle. in ze ‫܅‬chanden ‫ ܨ‬ze ualle, 4783; dat it un‫ ܅‬allen ‫܅‬i allet gemeine., ‫܅‬o wat mir gegiuet die urowe reine!, RhMl, 1534; Do enkondent wir ín i nvt erbitten alle Noch dar z‫ ݑ‬die m‫ݑ‬ter mín, Rapp, 17663; in Prosaquellen z. B. In i‫܅‬t dar vb’ erlǒbet allē grifen. z‫ݑ‬, ‫܅‬wa ‫܅‬i lv‫܅‬te, DvATr, 92r,17. Zwischen infiniten Konstituenten der VP: ha‫܅‬tv ge‫܅‬vndet vzer zale., ich wil iz lazin allez varin, SalH, 159,11.

613

6. Pronomina im weiteren Sinne

all steht in Distanzstellung nach

flektiert

unflektiert

n

von 662

96

3

3%

99

15%

Personalpron.

283

15

5%

298

44%

dęr

235

10

4%

245

36%

dise

21

2

9%

23

3%

7

0

0%

7

1%

Substantiv (oder subst. Adj.) Pronomen

sonstigen Pron. zusammen

662

Abb. P 168: all in Distanzstellung nach seiner Bezugs-NP

Die Distanzstellung hat die Adverbialisierung von al, alleȥ, selten auch alles, aller gefördert (s. MWB 1, 142, 158f), vgl. z. B. daz er al‫܅‬o chunftich i‫܅‬t ze erteilin tôtin u‫ܒ‬ lebintigin al nach ir werchin, Spec, 65r,10; Al de‫ ܅‬gelîch gehîez er ín eín lânt, PrMi, 21v,8; di herren lante‫ ܅‬grauen., di der allez mite waren., ‫܅‬i hiwen aine wite, Kchr, 16417; Die ‫܅‬coni got‫[ ܅‬...], die geront die heiligin Engil allez ā be‫܅‬covvon, PrZü, 108rb,20; dv bi‫܅‬t alles in den pergen. moht dv her ab. an daz velt gen. vnd viht mít vn‫܅‬, BKön, 12va,17; ‫܅‬o ir lob, ir er v‫ ܒ‬danchen aller vollēchomen i‫܅‬t, Baum, 175v,13. Die Grenze zwischen diesen Adverbien und den gleichlautenden Formen des Pron. all ist nicht immer sicher zu ziehen, vgl. z. B. Dez volgete ‫܅‬ie íme alles nach, Himlf, 417: alles Adv. ‚durchaus‘ oder Gen.Sg.Neutr. in Distanzstellung zur Bezugs-NP Dez? – Zu al vor Konzessivsätzen vgl. Paul, Mhd.Gr., § S 157 Anm. 2.

P 353

6.6.4.8.2. Flexion

Paradigma

P 354

Oberdeutsch Sg.

Mask.

Nom.

aller

Akk.

allen

alleȥ

Gen.

alles

Dat.

allem

Instr. Pl. Nom.

Mitteldeutsch

Neutr.



Fem.

Mask.

Neutr.

Fem.

ėlliu, alliu, älliu, alle

aller

alleȥ

alle

alle

allen

aller –

Mask./ ​Fem. alle



Nom. Akk.

alles

aller

alleme, allem, alme

alle, ėlliu, alliu

Sg.

alle

Neutr.

Mask./ ​Fem./ ​Neutr.

ėlliu, alliu, älliu, alle

alle

Akk.

Gen. Dat.



Instr. Sg. Nom. Akk.

Gen.

aller

aller

Gen.

Dat.

allen

allen

Dat.

Abb. P 169: Flexionsparadigma von all

614 P 355



V. Pronomina

all wird in allen Stellungen in der Regel pronominal flektiert, soweit es nicht flexivlos bleibt. Besonderheiten gibt es insbesondere im Nom.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. (s. § P 357), im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. (s. § P 360f) und im Gen./ ​Dat.Sg.Fem. und Gen. Pl. (s. § P 363). Für schwache Flexion von all gibt es im Korpus keine zweifelsfreien Belege, da sich der Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. allen und der obd. Nom.Sg.Fem. alle anders erklären können (s. § P 357ff). Anm. 1:  In Einzelfällen wie den folgenden liegen vermutlich Überlieferungsfehler vor: tho her ero allen thit [‚alles dies‘] sagodo, RBib, 667; Suanní he dan allín [alle Hs. M] ‫܅‬íní kínt al‫܅‬o vō vme gimut‫܅‬cart heit ‚wenn er dann alle seine Kinder so von sich abgeteilt hat‘, MüRB, 13r,10; zo allen dinre vnordenůngen, Taul, 97 v,12.

Der Anteil unflektierter Formen liegt im Schnitt bei 7% (s. Abb. P 170). Neben flexiv­ losem al erscheint die Variante alle, die zumindest teilweise auf dem afrk. Instr. allu beruhen dürfte (s. § P 360), vereinzelt schon früh, z. B. dîe blûomon ‫܅‬chînent in álle démo lante, Will, 10v,24; in alle dinemo diono‫܅‬ti, *Otloh, 161v,22; ‫܅‬o í‫܅‬t allí íudíz ríche vír loren, *WildM, II, 62; it wart oueruol alle der gauen, RhMl, 343; du druges ouch ulei‫܅‬chliche. alle dat honich uan himelriche, 2586. Vermehrt tritt unflektiertes alle aber erst seit 213 vor allem in md. Urkunden auf (Belege aus obd. Urkunden: WMU 1, 46): UKöln1 (12 al, 28 alle); UKöln2 (3 al, 9 alle); UMainz (kein al, 26 alle); UJena (1 al, 8  alle); z. B. mít alle ‫ݑ‬n‫܅‬ir maicht, UKöln1, 2,5; mít alle irme gůde, UKöln2, 3,22; mít alle ‫܅‬ínem bůwe, UMainz, 4,31; ín alle der mazze, 7,16; alle ‫܅‬íner vord’en ‫܅‬ele heil, UJena, 4,8. Auch in sonstigen Quellen tritt unflektiertes alle im Md. häufiger auf als im Obd., vgl. z. B. [Si] ‫܅‬prach it alle durch kurzewile, KuG, 13764; alle ‫܅‬in licham, JMar, 7 v,18; ain alle vnderlais, Taul, 98r,15; alle ír líp, Hleb, 12v,22; ich kunde uch groze vroude, dy alle dem volke ‫܅‬al werden, BeEv, 4r,17. flektiert

unflektiert al

n

alle

obd. ²11/ ​¹12

91

9

0

351

Iw, Nib, Parz, Tris

83

17

0

285

bair.

96

3

0

1476

alem.-bair.

96

4

0

1298 1400

alem.

96

4

0

mfrk.

87

9

4

1270

rhfrk.-hess.

95

2

3

1335

hess.-thür.

88

12

0

372

omd. (213/ ​114)

83

10

7

585

ofrk.

98

2

0

367

insgesamt

93

5

2

8739

Abb. P 170: Flektierte und unflektierte Formen von all in sprachgeographischer Verteilung (Prozentzahlen kursiv)

615

6. Pronomina im weiteren Sinne

Ein Grund für die größere Häufigkeit von (scheinbar) unflektiertem alle im Md. liegt darin, dass es in vielen Fällen die ahd. Instrumentalform allu > alle fortsetzen dürfte. In einer Konstruktion wie afrk. *mit allu thiu ist im mhd. Md. zwar für diu die Dat.-Form dęm(e) eingetreten, die Instr.-Form alle < allu aber offenbar oft erhalten geblieben. Dies erklärt nicht nur die Häufigkeit von md. mit/ ​von alle vor dęm(e) oder Poss.-Pron., sondern ist damit vermutlich auch die Voraussetzung für nhd. alledem (vgl. Grimm, DWB neu 2, 315f; Th. Klein 2016). all(e)m(e)

al

mfrk.

17

9

21

alle 45%

47

rhfrk.-hess.

22

0

18

45%

40

hess.-thür/ ​omd.

27

3

 7

19%

37

P 356

n

Abb. P 171: all(e)m(e), al, alle Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. nach Präp. im Md.

Der Nom.Sg.Fem., Instr.Sg.Neutr. und Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. lautet md. einheitlich alle, während im Obd. ėlliu, älliu, alliu, alle in regional unterschiedlicher Verteilung konkurrieren (s. Abb. P 1720ff). Anm. 1:  Zur sprachhistorischen Einordnung ist ein Rückblick auf die ahd. Verhältnisse geboten (s. Ahd.WB 1, 97,100, 103f; Th. Klein 2016, 142f): Der Instr.Sg.Mask./ ​Neutr. ist ahd. nur in der Form allu, jünger allo, belegt, und zwar sowohl obd. als auch afrk. Im Nom. Sg.Fem., Nom./ ​A kk.Pl.Neutr. gibt es dagegen klare sprachlandschaftliche Unterschiede: Die bair. Form lautete elliu mit Primärumlaut, die altalem. Form dagegen alliu, in der -iu Sekundärumlaut bewirken konnte. Im Afrk. standen Formen auf -u und auf -iu neben­ einander: allu, alliu, elliu.

Im Md. der mhd. Zeit hat sich im Nom.Sg.Fem. (s. § P 358) und Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. (s. § P 359) die Form alle (< allu) durchgesetzt (s. Abb. P 174). Allenfalls in elliu der TrPs könnte die afrk. Umlautform noch nachleben. Im Alem. und Bair. setzen sich die ahd. Verhältnisse dagegen bis 212 fort: Im Frmhd. dominiert bair. ėlliu ebenso wie alem. alliu, das mit der Verschriftlichung des Sekundärumlauts aber zunehmend e durch elliu (-iv, -u, -v, -ú), ostalem. auch ælliu, alliu abgelöst wird. Umgekehrt gibt es im Bair. zunächst eine leichte Zunahme von alliu, spätmhd. dann eine spürbare Zunahme von alle. Der ahd. Instr. allu setzt sich md. lautgesetzlich als alle fort, während im Bair. auch die Umlautform elliu in Anpassung an folgendes diu und analog zum Nom./ ​ Akk.Pl.Neutr. in den Instr. eingedrungen ist (s. § P 360). Vom Ahd. her zu erwartendes mit alle diu wäre demnach einerseits zu mit alle dem(e), anderseits bair. teils zu mit ėlliu diu umgestaltet worden. In der Verbindung mit alle (mitalle, betalle) bleibt der Instr. alle dagegen fest (Th. Klein 2016).

P 357

616



V. Pronomina

elliu

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

²11/ ​¹12

   ‒

²12

   ‒

omd.

alem.

alem.bair.

124

388

ofrk.

 ‒

 ‒

9237

  ‒

00

144

6520

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd.

bair.

rhfrk.hess.

mfrk.

¹13

10010

606

1910

8157

  ‒

00

²13

   ‒

5217

8344

7019

  ‒

00

 00

00

¹14

   ‒

5323

1810

319

226

00

 00

00

 00

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 172: ėlliu Nom.Sg.Fem., Instr.Sg.Neutr. und Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. in räumlich-zeitlicher Verteilung alliu

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

²11/ ​¹12

 ‒

²12

 ‒

alem.

alem.bair.

8427

6213

omd. ofrk.

 ‒

 ‒

 00

 ‒

00

329

237

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd.

bair.

rhfrk.hess.

mfrk.

¹13

00

202

7540

 64

 ‒

00

²13

 ‒

3010

158

267

 ‒

00

 00

00

¹14

 ‒

219

6737

247

00

00

 00

00

 00

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 173: alliu Nom.Sg.Fem., Instr.Sg.Neutr. und Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. in räumlich-zeitlicher Verteilung alle

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

omd. bair.

ofrk.

134

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

 ‒

   ‒

 ‒

²12

 ‒

 31

 00

 73

  ‒

1002

 5415

¹13

00

202

 63

139

  ‒

10022

10046

²13

 ‒

 00

 21

 41

  ‒

10010

10020

10037

¹14

 ‒

2611

 74

4513

7821

10050

100135

10037

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. P 174: alle Nom.Sg.Fem., Instr.Sg.Neutr. und Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. in räumlich-zeitlicher Verteilung P 358

i

Im Nom.Sg.Fem. stehen sich zunächst die obd. Formen ėlliu, alliu (-iv, -u, -v, -u ) und md. alle gegenüber (s. § 7, P 357). ėlliu dominiert im Bair., ist im Alem. dagegen etwas seltener als alliu. alle ist im Obd. eine nicht ganz seltene Nebenform, in der keine schwache Flexion, sondern Übernahme der Form. des Akk.Sg.Fem. vorliegen dürfte.

617

6. Pronomina im weiteren Sinne

Für die *UrkCorp-Urkunden stellt de Boor (1974, 135) vor allem im Bair.-Österr. ein starkes Vordringen der Ausgleichsform alle fest (17 alle neben 9 elliu, 8 alliu). Im Md. gilt alle durchgängig. Die einzigen Ausnahmen im Korpus finden sich in den rhfrk. TrPs (Elliu, 4v,20, elliv, 7 v,10, alliv, 2r,1). Nom.Sg.Fem. elliu

alliu

alle

Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. n

elliu

alliu

alle

n

obd. ²11/ ​¹12

44

33

22

9

70

22

9

23

bair.

80

10

10

60

70

10

20

101 157

alem.-bair.

36

52

12

25

43

53

4

alem.

36

43

21

28

51

42

8

89

mfrk.

0

0

100

29

0

0

100

93

rhfrk.-hess.

7

4

89

27

1

5

94

153

hess.-thür.

0

0

100

10

0

0

100

14

omd. (²13/ ​¹14)

0

0

100

6

0

0

100

54

ofrk.

0

0

100

2

24

0

76

25

Abb. P 175: ėlliu, alliu, alle Nom.Sg.Fem. und Nom./ ​A kk.Pl.Neutr. in sprachgeographischer Verteilung (Prozentzahlen kursiv)

Im Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Nom.Sg.Fem.: Im Bair. ist wiederum ėlliu die vorherrschende Form, alliu dagegen selten, während alliu und ėlliu im Alem. und Ostalem.-Westbair. in etwa gleich häufig sind. Die Varianten mit e ‹a, æ› sind gelegentlich ostschwäb. und alem. belegt: ælliv, UAugsb2, 4,19,29, 13,16; e e e allív, 15,15, 20,11; Türh, 352, 34430; alliv, Hartw, M 192, M 1238; allíu, PrSch, 129r,6.7, 242r,20, 246r,18. Für das Flexiv -iu steht bair. seit 212 selten auch -ev: ellev, Kchr, 376; elleu, *AvaLJ, 371; *ArnoltSieb, 39, 881; ellev, *VMos1, 159, 243; ellev, Diet, 2486; MMag, 406; allev, Rupr, 73,5.9; ULands, 2,12, 14,29, 18,38. In 114 auch ofrk. (Nürnberger Raum): ellew, GnaÜ, 28,22 ; ellev, SBNü, 11vb,1.2, 17ra,23. Im Md. gilt alle größtenteils ausnahmslos; die einzigen Ausnahmen im Korpus bieten wie im Nom.Sg.Fem. wieder die rhfrk. TrPs (2 elliv, 6 alliv, 1 allw, 7 alle). Zur Grenze zwischen obd. -iu und md. -e vgl. de Boor (1974, 124–126). Anm. 1:  Die Verhältnisse im *UrkCorp stellen sich nach de Boor (1974, 126–134) für das Obd. so dar, dass die umgelauteten Formen gesamtobd. gegenüber unumgelautetem alliu überwiegen. Dabei wird die umgelautete Form im Oobd. fast stets mit ‹e› geschrieben, während im Wobd. daneben selten (nur in Konstanz häufiger) auch Formen mit ‹æ› vorkommen. Im Elsass hat sich die Form alle des Mask./ ​Fem. auch im Neutr. schon fast völlig durchgesetzt, und auch in den bair. Urkunden ist dieser Ausgleichsprozess bereits deutlich sichtbar: alle bestreitet immerhin etwa ein Sechstel der Belege. In ULands (bair. 114) ist der Wandel noch weiter fortgeschritten: 8 alle, 3 allev, kein elliu, ellev mehr!

P 359

618



V. Pronomina

P 360

Im Instr.Sg.Neutr. wäre von ahd. allu (allo) her nur umlautloses alle zu erwarten, das im Md. auch allein gilt. Im Bair. und Ostalem. erscheint dafür jedoch nicht ganz selten ėlliu, älliu, alliu (s. § P 357). Obd. ėlliu, älliu, alliu Instr. erscheint fast stets in der Stellung nach Präp. und vor dem Demonstrativpronomen dęr, das dann meist auch selbst diu (deu) Instr. lautet und Korrelat eines folgenden, teils asyndetisch oder durch unde angeschlossenen Relativsatzes ist: mit elliv div, unt er ‫܅‬ich geflizen mohte, dienet er der werlt, Hoff, 16v,18; in elliu diu, und er tete, ‫܅‬o hete er gůte ‫܅‬ite. got gab im fran‫܅܅‬půt in elliu diu, und er be‫܅‬tůnt, *Gen, 3687ff; mít ellív dív, vnd d’ zv h‫ݢ‬ret, UAugsb1, 4,3; vs allív dív/, e vnd dar z‫ ݑ‬gehort, UAugsb2, 3,5, ähnlich 12,4, 20,3, 21,5; wi [...] in der chunic pate., er chome ime mit allev dev er hate., mit wiben ioh mit kinden., mit allen ir dingen, *VMos2, 1563; in *Gen, 5001, ist an der entsprechenden Stelle für alliu unflektiertes al eingetreten: wî [...] in der chunig pâte., er chôm ime mit al dîu er hete., mit wiben iǒch mit chinden., mit allen ir dingen. Auch allem Dat. vor diu Instr. ist belegt: ze ge‫܅‬ellen ich gewan. einen richen chǒfman. vnde lǒde wir zwene einen chiel. mit allem div, al‫ ܅‬vn‫ ܅‬gefiel, Tris, 7582. Das im Md. an entsprechender Stelle, aber vor Dativformen wie dęm(e), ir(e)me etc. stehende alle setzt offenbar den ahd. Instr. allu fort (s. § P 356), z. B. in alle deme rehte, UKöln1, 6,5, 75, 10,6; in alle írme rehte, 9,10; in alle ‫܅‬ime lande, 11,3. Von daher wurde alle wie unflektiertes al auch vor dem Dat.Sg.Fem. und in weiteren Kontexten verwendet (s. auch § P 355), z. B. Jn alle der formen, Brig, 5r,20, 6v,9; mít alle ‫ݑ‬n‫܅‬ir maicht, mít alle írre maicht, UKöln1, 2,5.7 u. ö.; it wart oueruol alle der gauen, RhMl, 343; alle dat honich uan himelriche, 2586. Nur vor dem Dat.Sg. des Demonstrativpronomens aber hat sich die alte Instr.-Form alle bis ins Nhd. (alledem) halten können (Grimm, DWB 1, 206; Th. Klein 2016). Auf dem Instr. allu beruht ebenso alle in der Formel mit alle (mitalle), bit alle (bitalle, betalle) (Lexer 1,37; BMZ 1, 19f; Schützeichel 1955, 215; de Boor 1974, 138f). Auch im Obd. begegnet dieses alle nach Präp. statt ėlliu, alliu sogar vor folgendem e e dev Instr.: mit alle dev, v‫ ܒ‬dar z‫ ݑ‬gehort, ULands, 12,7; vntz daz wir/ ‫܅‬i/ irs dı n‫܅‬tes v’rihtten v‫ ܒ‬geweren von alle dev/, v‫ ܒ‬da wurd/, ‫܅‬wie daz genant wær, 18,21. Im *UrkCorp stammen die obd. Belege für den Instr. von all nach de Boor (1974, 136–139; s. auch WMU 1, 49) zu über 90% aus oobd. und hier wiederum weit überwiegend aus österr. Urkunden. Die restlichen Belege steuern Augsburg und Nürnberg bei. Zwei Drittel entfallen auf die Formeln mit alle (alliu, ėlliu) diu, daȥ/ ​unt darƶue gehȫret und ūf alle (alliu, ėlliu), unt wir haben. Die Form alle (< ahd. allu) überwiegt dabei gegenüber dem wohl aus dem Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. eingedrungenen ėlliu, alliu.

P 361

Im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. (s. Abb. P 176) beschränkt sich die noch unabgeschwächte Form allemo auf die ältesten Quellen: WNot, 12rb,14, 23ra,8; BaGB, 143,2.38, 145,18.35, 146,16, 148,8; HuH, 153,14; *WessobrGlB I, 143,3.39, 144,4.33 u. ö.; *PrWessA, H19a,4.6; *Alkuin, 46v,7; *SüKlU, 5,5. Auch alleme weicht im Oobd. bereits im 12. Jh. apoko-

619

6. Pronomina im weiteren Sinne

piertem allem, neben dem vereinzelt schon früh allen erscheint (s. § P 362). Im Alem. hält sich alleme als seltene Nebenform länger, so teils noch in Urkunden des *UrkCorp (s. WMU 1, 47). Im Md. ist allem selten. Wmd.  – vor allem im Mfrk.  – bleibt älteres all(e)me vorherrschend. Die synkopierte Form alme ist ein vornehmlich mfrk. Kennzeichen: alme, UKöln1, 12,6 .10; UKöln2, 5,22; BuMi, 59r,15; Yol, *5716; Taul, 11r,16.17, 23v,11 u. ö.; auch rhfrk.-hess.: OxBR, 3r,31, 5v,27; *Herb, 2850, 3558, 11369. In den hess.-thür. Texten, insbesondere in denen der Straßburg-Molsheimer Hs., dominiert das auf der nördlichen Kurzform (vgl. as. allum, allon) beruhende allen (s. § P 8). Die omd. Quellen aus 213/ ​114 zeigen dann schon eine dem Obd. entsprechende Formenverteilung. all(e)me

allem

allen

n

obd. ²11/ ​¹12

41

59

0

22

bair.

16

79

5

43

0

82

18

45

alem.

14

84

2

56

mfrk.

93

0

7

28

rhfrk.-hess.

63

10

27

30

hess.-thür.

24

6

71

17

omd. (²13/ ​¹14)

10

90

0

10

0

54

46

35

alem.-bair.

ofrk.

Abb. P 176: all(e)me, allem, allen in sprachgeographischer Verteilung (Prozentzahlen kursiv)

Dem Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. allen folgt in der Mehrzahl der Fälle der Artikel oder das Pronomen dęm(e) oder ein anderes pronominal flektiertes Pronomen. Hier handelt es sich offenbar um Dissimilation von -em(e) [...] -em(e) zu -en [...] -em(e) (Paul, Mhd. Gr., § M 57 Anm. 1). Belegt ist dies sowohl md. als auch obd. (hier schon in 211): Obd. zi allen dinemo diono‫܅‬ti, *Otloh, 162r,11; ī allen dem me‫ܒ‬i‫܅‬clichem libe, *Ipocr, va 44 ,4; ín allen dem rehte, StBA, 16vb,3, 71ra,7, 71rb,18, 111vb,12, 112rb,22; ín allen dem rehten, UNürnb, 4,18, 10,36, 13,8, 20,10, 27,9, 28,22.25, 33,28.32; an allen dem gute, e StBA, 74vb,6; mít allen dem, v‫ ܒ‬dar zu gehort, UNürnb, 1,5, 7,5, 14,10, 35,8, ähnlich 34,7; die waz [...] an allen irē tün eín ordenlich’ gei‫܅‬tlich’ men‫܅‬ch, GnaÜ, 98,13; an allen irm leben, GnaÜ, *48,18, *58,5.7. Gelegentlich auch allen [...] -en: in allen den gebere, AlxS, 5663; *Roth, 2089, 2159, 3175; mit allen ‫܅‬inen ‫܅‬inne, AlxS, 332; an allen ‫܅‬inen libe, 4370; an allen den, daz ín ir [herczen] i‫܅‬t v’borgen, Baum, 174r,11; – md.: in allen dem gebere, AlxS, 2736, 2982, 4010; in allen den gebare, *Glaub, 2307; allin deme lůte, PrMK, 4r,50; allen deme folke, SalH, 120,6; of allen dem, daz dar zů gehorít, UMainz, 1,9, 17,6, 21,9, 23,9, ähnlich 15,8; mít/zů allen dem rechten, 11,7, 12,15; mit allen deme, daz er hat, *Widerstr, 866;  – nd.-md. In allen minem rike, *RolA, 3619; Uz allen mineme riche, 4781.

P 362

620



V. Pronomina

Abgesehen von diesem Sonderfall sind sichere obd. Belege von allen selten: mit allen ir magene, Kchr, 16577; uon allen menn i‫܅‬ken kunne, *1025; uon allen ir ‫܅‬iechtům, *Konr H, 4r,10; allen man chunne, *BenRat, 53va,6; der git von dem allen níwan eínen helblínch, UAugsb1, 5,41; mít allen nůtz v‫ ܒ‬rehten, UNürnb, 33,24; Indem zit allen, *SpecHumSalv, 32ra,6. Im Md. wird -en zumindest teilweise auf der nördlichen Kurzform des Dat.Sg. Mask./ ​Neutr. beruhen (s. § P 8): daz er in nicht ne ‫܅‬cadete an allen, des ‫܅‬i habeten, AlxS, 2432; mit allen flize, 6390; an allen ertriche, 6883, 7104; uon allin unrehte, *HLitS, 1348; mit allen himelischen here, 1463; být allen vli‫܅‬ce, Yol, 5266; Vor allen voltre, 5436;  – md.-nd. mit allen vlize, *Roth, 681, 1105. P 363

Im Gen./ ​Dat.Sg.Fem. und Gen.Pl. erscheint die unabgeschwächte Form allero nur noch in Will (12r,21.22, 23v,20 u. ö.), WNot (11rb,9, 15ra,7, 16ra,19, 18ra,6 u. ö.) und RBib, 672. Vgl. auch allero, *Otloh, 162v,17.18.20; *StGallGlB I, 2a,4, 2b,6.21.24; *WessobrGlB I, 135,14, 139,11.13.26 u. ö.; *Capsula, 2v,23; *PsBrieg, 91; *ÄPhys, 32v,18; allera, *PrWessA, H11b,19, H19a,8, H21a,14; *Glaub, 504. Frmhd. allere belegen noch einige Quellen des 12. Jh.s, so Phys, 148r,2; Wind, 6,11a, 9,26, 58,18a u. ö. (insgesamt 14-mal, nur 3-mal aller); *Gen, 1141, 2430, 3937, 5850; *Himmelr, 1,22.24, 5,20, 6,8, 9,20; *LambGeb A, 109r,3. Bei der Form alre fragt sich, ob sie aus allere synkopiert ist oder auf al‫ md. ƶwū) scheint als Reimform vornehmlich ofrk. und omd. bezeugt zu sein (Schirokauer 1923, 66f). Vgl. dazu ofrk. Di‫܅‬e zwü ‫܅‬we‫܅‬ter, GnaÜ, 23,4; dí zẘ Swe‫܅‬ter, UNürnb, 10,34.37, auch 15,5; *BvgSP, 157ra,30, 158va,10, 160vb,5.  – Omd. ƶwū (Feudel 1961, 155): Zw kerczen, HTri, 691; czwu, czw, czvu, BeEv, 65r,11, 117r,13, 124v,2; zẘ, UJena, 6,4; czwu, zwu *UrkCorp Nr. 222AB (Plauen i. Vogtland 1274) A 224,2.20.39.42, 225,9, B 223,47, 224,18.36.39, 225,5.  – Doch erscheint ƶwuo (> ƶuo) auch gesamtalem.: Die zǒ ge‫܅‬we‫܅‬t’e, PrZü, 112ra,18, auch 105vb,19, 108vb,7; *Ipocr, 45ra,8, 46ra,28; Dine zů bru‫܅‬te, TrHL, *35r,1; zwǒ, *Ipocr, 46vb,5.6; zẘ, StBA, 21vb,25.26, 22va,14.15 u. ö.; RWchr, 21149; zwů, UAugsb2, 6,15; Türh, 34731, 35139; *SpecHumSalv, 9. zwů ivchert *UrkCorp Nr. 166 (Zürich A 1272) 192,29, zw hvbe Nr. 1803 (Kloster Zell unter Aichelberg UP 1293) 125,40.  – Bair. ƶwū: z‫ ݣ‬br‫܅ܔ‬te, PrMi, 26v,6.9.

1. Kardinalzahlen

643

In alem. Urkunden begegnet häufig die Form zẘ, so in Urkunden aus Zürich, Reinach, Basel, Colmar, Kaysersberg, Breisach, Freiburg i.Br., Horb am Neckar, Esslingen, Kloster Sirnau, Kirchheim u. T., Memmingen, Kloster Bregenz, Kloster Oberschönenfeld, Augsburg (*UrkCorp Nr. 32, 166, N 675, 189, 2866, N 784, N 228, 3027, 718, 931, 697, 3172, 1285, 3124, 2137, 548ABC, 3415). zẘ kommt seltener auch bair. vor: *UrkCorp Nr. 1418 (Ingolstadt 1291) 625,3; Nr. N 804 (Veldes 1287) 576,12; Nr. 3013 Kloster Au a.Inn A 1298) 271,22; Nr. 3296 (Wallerstein 1299) 447,35; Nr. 3430 (Laibach 1299) 526,26.34. Anm. 1:  Dieses Verbreitungsbild setzt sich im Wesentlichen auch in frnhd. Zeit fort, vgl. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 548f Anm. 3:  zwu, zwů ist am stärksten vertreten im Schwäb., Ofrk., Omd., auch Bair., im Nieder- und Hochalem. dagegen kaum belegt.

ƶwā ist md., vor allem mfrk., z. B. zwa, zua, RhMl, 4874; RhTun, 168; UKöln1, 12,12; VLilie, 24,13, 52,5; Yol, *5799; BuMi, 70r,12, 91v,8; Taul, 1v,3; *UrkCorp Nr. 79 [Ebf Engelbert von Köln A 1264] 122,3; *Merlin, 282; *PrKöln, 48,26; zua werilte, *Anno, e 2,7a;  – rhfrk.-hess. UMainz, 2,13), ‫܅‬ine zua elde‫܅‬ten dohtere *UrkCorp Nr. 1000 (Gf Adolf von Nassau A 1288) 329,22.33. Auch bair.: zua wile, *ArnoltSieb, 414; die zuwa wente, *HimmJerusal, 114, auch 340. Seltene Schreibformen sind z. B. zwo, UAugsb1, 5,72, 6,71; zwov, ULands, 3,19; z‫ܔ‬o, *VMos1, 955; Z‫ݑ‬a, *RolE, 3319; zowo, *Roth, 1108; zův, *SuTheol, 236. Zumal in Urkunden kommt ƶwā neben dem vorherrschenden ƶwō nicht selten auch alem. – und zwar els.  – und mittel- und südbair. vor, z. B. zwa in den Straßburger Urkunden *UrkCorp Nr. 207, N 149, N 209, N 238A, N 379, N 390, N 816; zva *UrkCorp Nr. N 818 (Niedermünster); Nr. N 235 (Hagenau A 1283) 178,5; bair. z. B. zwa *UrkCorp Nr. 2792 (Wien 1297) 142,46; Nr. N 640 (Wien 1294) 463,22; Nr. N 620 (Kloster St. Bernhard UP 1294) 446,33; Nr. 3060A (Ebf von Salzburg 1298) 305,22; Nr. 2630 (Windisch-Feistritz A, Kloster Studenitz UP 1297) 44,35. Vgl. dazu Kranzmayer (1950, 42 Anm. 20): „zwa (geschrieben auch zwo) ist in mhd. Quellen wie in der modernen Mda. charakteristisch mittelbair.“ 1.2.2.2. Nominativ/ ​Akkusativ Neutrum

Der Wurzelvokal ėi ist dem Nom./ ​Akk.Neutr., dem Gen. und Dat. gemeinsam. Die häufigsten Formen sind ƶwėi, ƶwėier, ƶwėin. Belege für ‹ai, aí, ay› sind im Korpus im Ostalem.-Westbair. am häufigsten. Sie setzen hier in 212 ein, nehmen in 113 sprunghaft zu und sind in 213/ ​114 mit zwei Dritteln bis drei Vierteln die Regel. Bair. finden sich vereinzelte ‹ai›-Formen schon in 211/ ​112: ziuuain, *PrWessB, H22b,11; *PrWessC, H36b,14. In 212 bestreiten sie bereits mehr als ein Fünftel der Belege, verschwinden im 13. Jh. dann wieder ganz, um in 114 schließlich fast ausnahmslos zu gelten. Frühe ‹ai›-Belege sind z. B. Nom./ ​Akk.Neutr. zewai, Spec, 67r,10, 75r,2; zwai, *JJud, 782; Kchr, *6024, *6426, *12506 u. ö.; *RolP, 3754, 4957, 5583; *RubrB, 243r,12; zvai, *Ipocr, 47ra,6.7; zvvai, *BenRat, 52vb,19.  – Gen. zwaier, zwaíer, Kchr, 734, *1237, *3590; Spec, 77 v,12, *27 v,8, *30v,16.17;  – Dat. zwain, Kchr, 541, 2121, 6202 u. ö.; *AvaLJ, 2246; *JJud, 118; *RolP, 2676, 3070, 6929, 7152, 8911; zuain, *TegProgn, 1r,20.

N 5

644

VI. Numeralia

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

omd. bair.

ofrk.

²12, ¹13: hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

 ‒

 ‒



²12

 ‒

 014

1520

229

 ‒

02

00

06

¹13

042

1225

605

 04



023

²13

 ‒

1661

7676

 332

 ‒

014

015

041

¹14

 ‒

 025

6926

9628

477

035

060

018

09

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. N 2: Prozentualer Anteil von Formen mit ‹ai› im Nom./ ​Akk.Neutr., Gen. und Dat. e

Statt zwai (zwaier, zwain) gelegentlich auch zwae, zwa, zwa, z. B. Gen. zwager, MMag, 989; Dat. In di‫܅‬en zeuuan dingen, *Alkuin, 46r,7. e

Urkundlich besonders schwäb.: zwa phunth *UrkCorp Nr. 846 (Gfen von GrüningenLandau A um 1286) 197,19; zvae (zwae) phunth ebd. 197,20; Nr. 1624 (Kloster Weiler 1292) 757,21.46; Nr. 2139AB (Kloster Rinchnach UP 1295) 327,10; zwa phunt Nr. 354 (Kloster Oberschönenfeld A 1278) 331,34; zwa hvndert iar Nr. 1066 (Kloster Diessenhofen A 1289) 372,38; Nr. 1569 (Esslingen 1292) 719,29; Nr. 2181 (Giengen 1295) 350,19.  – Bair. zwahundert iâr vñ zwa vñ nunzec iar Nr. 1510 (Kloster Stams UP 1292) 682,37; Nr. 1547 (ebd.) 707,2.

Weitere Varianten sind zuêi, Will, 10v,14, 20r,13, 42r,23; zwêi, Spec, 4v,7; Iw, 331, 7695; div zwæí, *Aneg, 1178; zewæi, *PrLeys, 15vb,20, 18vb,6. Moselfrk.-lothring. zwoi *UrkCorp Nr. 1577 (Hg Friedrich von Lothringen A, Gf Heinrich von Veldenz UP 1292) 723,20.21, 723,39; Nr. N 536 (Gf Heinrich von Veldenz A, Hg Friedrich von Lothringen UP 1292) 381,29.30, 382,3.

Monophthongierung ėi > ē könnte die md. Graphie ‹e› für ėi anzeigen, vgl. z. B. Nom./ ​Akk.Neutr. zwe, zue, zve, AlxS, 1545; *Capsula 2r,13; *Sedulius, 1r,6; *Herb, 3404, 5237, 17398. In wmd. Urkunden: *UrkCorp Nr. 73 (Neuerburg 1263) 114,11; Nr. 776 (Lichtenberg 1286) 149,35; Nr. 962 (Reinhard von Löwenstein; Wildgraf Konrad von Dhaun UP 1288) 306,23; Nr. 965 (Mainz 1288) 307,32; Nr. 2748 (Gf Friedrich von Leiningen A 1297) 115,32.

Gen. zuegir, MüRB, 15v,2.  – Dat. zuen, RBib, 670; zwen, RhTun, 165; Brig, 1v,17.21, 2v,3 u. ö.; JMar, 6v,15, 13r,15, 15v,19 u. ö.; Taul, 154v,1; UKöln2, 13,5, 15,16; MBeh, 61v,17; *­KölnEidb, 1r,26; *HagenChr, 3987; *PrLpz, 134va,24; tzven, JMar, 12v,6; czwen, BeEv, 6r,7, 65r,11; zven, *Roth, 2173, 3179. Vereinzelt auch obd., z. B. zvem, LEnt, 38,2; Zwen, Renn, 23923. Selten, aber für bloße Schreibfehler zu häufig erscheint statt ƶwėi(-)‌‌‌auch das sonst nur als Kompositionsglied vorkommende ƶwī(-)‌, wobei auch Analogie zu drī(e), drīer und drīn (sofern diese jüngere Form schon galt) mitgespielt haben mag; z. B. Nom./ ​

1. Kardinalzahlen

645

Akk.Neutr. div zewi lebin, PrZü, 112ra,29; da‫܅ ܅‬int zwi lant, RWchr, 1916; zvvi wip, *AvaLJ, 954; zewi (‫܅‬wert), 1396; zvi mez, *Ipocr, 45rb,25; zwi hundert iar, Kchr, *9949; zwi ‫܅‬tuche, *RolA, 5583; zwîe *UrkCorp Nr. 1527 (Gf von Veldenz A, Freiburg i.Br. UP 1292) 693,28.38.  – Gen. zvier, AlxS, 2712, 4642; zwier, OxBR, 13r,7; vieleicht auch zuiwir, zeuir, *SuTheol, 209, 294.  – Dat. uon den herzzogen zevin, *VAlex, 829; ‫܅‬ivt ‫܅‬ie mit fier mezzen wazzere‫[ ܅‬...], unz ez uer‫܅‬ide ze zvin becchern vollen, *Ipocr, 45vb,25. Die Form des Neutrums wird regelmäßig auch generisch gebraucht: wir einigen zvei [Alexander und Candacis], AlxS, 6093; ‫܅‬i zwei [Tristan und Isot], TriF, 11532; VLilie, 54,22; Suo zueí zu‫܅‬amíní cumín an rechtir ewí, MüRB, 12r,10, 14r,26; di‫܅‬e zwei geliebin, AthP, 6,64; Da er [Gott] die zwei [Adam und Eva] geworhte, Türh, 271; Al da ‫܅‬ý zvei [Yolande und ihr Vater] berrýden ‫܅‬ich, Yol, 5554; Iz giengen zwei men‫܅‬ch in ein gote‫ ܅‬h‫܅ݑ‬. v‫ ܒ‬baten da, *PrMetten, 73r,30. 1.2.2.3. Genitiv und Dativ

Genitiv ƶwėier(e) mit dem pronominal-starken Flexiv -er(e) ist im Mhd. durchweg an die Stelle von ahd. ƶweio getreten (Ahd.Gr.I, § 270 Anm. 2). Das finale Schwa ist nur vereinzelt noch erhalten: zuwaigere wege, *HimmJerusal, 453; der zweiere apo‫܅‬telen *UrkCorp Nr. 86 (Köln 1264) 130,9, zweijere, *PrKöln, 28,11, 39,26. Sonst ist es stets geschwunden. Nur selten erscheint ‹ir, jr› für -er: zuegirleigi kint, MüRB, 15v,2; zweíír, zweíjr, UKöln1, 17,10, 18,10; zweiir, zweijr, *PrKöln, 45,5, 47,31, 43,24, 44,43. Anm. 1:  Eher um vergessenes r oder r-Kürzel als um einen Nachklang von ahd. zweio dürfte es sich handeln in: ‫܅‬o ‫܅‬ulen wir im/ v‫܅ ܒ‬iner hu‫܅‬vrowun/ der zwaige hú‫܅‬er [...] ains lihen, ‫܅‬wedrez er wil *UrkCorp Nr. 1207 (Pfullendorf 1290) 476,4.

Belege mit zu -r reduziertem Flexiv finden sich im Korpus obd., aber auch md., z. B. bair. zweir, BKön, 6vb,4; ObEv, 24a,27.  – Ostalem. zweir, Wins, a36,8; Türh, 16930; zwair, ZwBR, 49v,10.  – Ofrk. zweir, GnaÜ, 100,6; SBNü, 9va,2; CZweír, Renn, 11683; zwair, SBNü, 11vb,18.20.  – Omd. zweir, PrMK, 7 v,28; MBeh, 53r,7.  – Rhfrk.-hess. zweir, PrM, c1vb,10, c5va,3. Extern zumeist bair., z. B. zeweir, *AvaLJ, 748; zweir, *Konr P, 407,13; *VRechte, 417; *Mar, 91; zwair, *PrRoth R, 26a,14; *PrFrKrakau, 4v,15; *Klost­ Evang, 294v,19; selten auch mfrk.: zueír, *WernhvN, 43; zweir, *PrKöln, 22,3. Im *UrkCorp sind die Belege von zweir, zwair weit überwiegend bair. (ca. 80%): *UrkCorp Nr. 534 (Weilheim i.OB. 1282) 473,24.27; Nr. 690 (Bf von Freising 1284) 100,38; Nr. 1274A (Freising 1290) 514,43, 1355 (Wien 1291) 581,33.34.35; Nr. 1646 (Fr. von Rohr A, Kloster Raitenhaslach UP 1292) 771,32; Nr. 1861 (Waidhofen a. d. Ybbs 1293) 161,1; Nr. 2647 (Kloster Zwettl A 1297) 53,42.43; Nr. 2693 (Landshut 1297) 81,22; Nr. 2817 (Kloster Prüfening 1297) 158,34,15.  – Alem. Nr. 331 (Gf von Löwenstein A, Bf von Würzburg UP 1277) 316,23; Nr. 730B (Bf von Konstanz 1285) 124,7; Nr. 2422 (Kloster St. Gallen UP 1296) 498,34,14.  – Ofrk. Nr. 258 (Rothenburg o.d.Tauber 1275) 270,9.  – Rhfrk. Nr. 903 (Worms 1287) 263,36.

N 6

646

VI. Numeralia

Zu Formen wie zwain, zwen, zwin mit ‹ai›, ‹e›, ‹i› für ėi s. § N 5. Hiatustilgendes g ist überwiegend alem., kommt aber auch sonst vor; alem. z. B. zweiger, Tris, 7372, 18133; Rapp, 17830; *AugustReg, 25a,30, 28b,29, 36a,13; *PrHvKonst, 137 v,3; zwaiger, zwaîger, TrHL, *35r,3; *SpecHumSalv, 23. – Alem.-bair. zweiger, WMEv, 22,3. – Bair. zwaiger, zwager, MMag, 993, 989; zveiger, *VMos1, 834; zuwaigere, *HimmJerusal, 453. – Omd. zuegir, MüRB, 15v,2. – Rhfrk. zweiger, UMainz, 22,32, 29,11; zueig’ *UrkCorp Nr. 3502 (Kirchberg i.Hunsrück 1299) 579,23. – Hess.-thür. (Hs. ofrk.) zweiger, zweig’, *Herb, 2213, 6812, 8108 u. ö. Im *UrkCorp stammen mehr als 80% der Belege aus wobd. Urkunden, nämlich zweigir, zweiger Nr. 27 (Zürich UP 1252) 53,40, 54,4; zweiger Nr. 248AB (Freiburg i.Br. 1275) 252,25, 251,15, 252,43; Nr. 971AB (Basel A 1288) 312,7; Nr. 1149 (Kloster Maulbronn UP + Speyer UP 1289) 429,8.11; Nr. 2197 (Hr von Lichtenberg A 1295) 357,11; Nr. 2301 (Schwarzenbach 1295) 424,23; Nr. 2730 (Basel A, Rheinfelden [JO] UP 1297) 104,11; Nr. N 384 (Schlettstadt i UP 1289) 287,25; zweger Nr. 3030 (Basel A 1298) 281,6; zweger Nr. 870 (Kenzingen 1287) 213,3; Nr. N 716 (Rufach UP 1295) 517,5; zwaiger Nr. 2310 (Kloster Heiligkreuztal A 1296) 430,10; Nr. 2607 (Gf von Tübingen 1297) 33,14.15.25, zwaîger Nr. 2239 (Esslingen 1295) 384,15; zwaigher Nr. 1480 (Weikersheim 1291) 666,16.  – Srhfrk.-alem. zwaiger Nr. 2746 (Kaiserslautern A, Kloster Hornbach UP + Kloster Eußertal UP 1297) 114,36. – Bair. zwaiger Nr. 1074 (Hr von Kapellen UP 1289) 375,17.  – Ofrk. zweiger 2958 (Würzburg A 1298) 240,7.  – Omd. zweger Nr. 1816 (Triptis 1293) 133,1.  – Hess. zweigir Nr. 862 (Kloster Arnsburg UP 1287) 208,23.

Die Dativ-Normalform lautet ƶwėin (zweín, zwêin, zveîn, zewein, zuein, zvein). Statt ƶwėin steht selten auch ƶwėien mit Angleichung an das nominale Dat.Pl.-Flexiv: zweien, Rapp, 17517; Hleb, 14r,14; häufig in UNürnb, 10,4.8.13.37, 11,15.22 u. ö. Auch mit Hiatus-g: zweigen, Rapp, 17384. Mit angehängtem Flexiv -en: zwæinen, Baum, 105v,1.

1.3. ‚drei‘ 1.3.1. Paradigma N 7

Mask./ ​Fem. Nom./ ​Akk.

Neutr. driu

drī(e)

Gen.

drīer

Dat.

drin, drīn

Abb. N 3: Paradigma von drī ‚drei‘

1. Kardinalzahlen

647

1.3.2. Flexion 1.3.2.1. Nominativ/ ​Akkusativ Maskulinum und Femininum

Die mhd. Formen drī und drīe stehen offenbar nicht in geradliniger Nachfolge von ahd. drī Mask. und drīo Fem., da die Genusunterscheidung zumindest in Teilen des Spätahd. in Auflösung begriffen ist (vgl. Ahd.WB 2, 642; Eichner 1987; Mausser, Mhd.Gr.III, 860–862; zur Herkunft der Formen vgl. Ross/ ​Berns 1992, 575–577): Notker gebraucht drī für beide Genera, nur vereinzelt daneben drīe Fem. Im Bair. des WNot ist dria (tria) (vgl. Eichner 1987, 199) neben seltenerem dri (tri) Einheitsform für beide Genera: Mask.: Vnde doh nesint nieht tria euuige. [lat. tres eterni] suntir einer euuiger, WNot, *230rb,3, ähnlich 230va,1.16; so ne muozen uuir chueden tria gota. odar dria herren. nah uuarheite. unde nah rehtera glouba, WNot, *230vb,3; daneben tri, WNot, *128vb,18, *230rb,7.8, *230va,9, *230vb,22.23.24.  – Fem.: daz sint tria kenemmida. unda dria uuesenussida, WNot, *229vb,13f, auch *229va,12, *229vb,8.9.10.17.18; daneben auch dri, WNot, *231ra,9. Vgl. auch die dria genennida, *WessobrGlB I, 135,19; Drîa ‫܅‬lahta, *ÄPhys, 33r,9.

Im Korpus bestreitet drī Mask./ ​Fem. mehr als drei Viertel der Belege. Die frühesten Korpusbelege für drīe stammen aus 211: drie (Drîe) ‫܅‬tunt (WNot, 18ra,15; Will, 21r,23); weitere frühe Belege sind z. B. alem. trie taga (*ÄPhys, 31r,24), drîe namin (*StGallGlB III, 304,5), drie daga (*Contraparal, 785), drie leffele (*Ipocr, 46va,32), die namin drie (*MarseqM, 63); bair. drie tage (*Kchr F, 8362), grozer ‫܅‬car drie (*Kchr, 14618), drie turni (‫܅‬ache, gebe) (*VAlex, 945, 1026, 1029), drie namen (*MünchnGlB, 1a,24). Reimbelege aus dem 12. Jh. sind drie  : ‫܅‬ien [drīe  : sīen], RPaul, 23; drie  : sigen [drīe : sīgen], Kchr, *14618; drie : marie [drīe : Marīe], Mar, 2878; drie : frîe [drīe : vrīe], Mar, 499; drie  : blie [drīe  : blīe], Hchz, 618. Anm. 1: Zu drī und drīe im Reim vgl. Schirokauer (1923, 67ff). Für die „genaue scheidung zwischen drî als masc. und drîe als fem.“, die Schirokauer (1923, 69) für einige Dichtungen annimmt (allerdings aufgrund geringer Belegzahlen!), finden sich im Korpus keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Insgesamt ist drie im Korpus in alem. Quellen mit weitem Abstand am häufigsten, im Md. dagegen sehr selten:

648

VI. Numeralia

drī

drīe

0

100

7

100

0

9

bair.

64

36

76

alem.-bair.

92

8

62

obd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris

n

alem.

23

77

61

wmd.

96

4

109

hess.-thür./ ​omd.

95

5

39

ofrk.

90

10

48

Abb. N 4: Sprachlandschaftliche Verteilung der Formen dri und drie Nom./ ​A kk.Mask./ ​Fem. (Prozentzahlen kursiv) Anm. 2:  Wegen der Seltenheit von md. drie sind die folgenden Vorkommen eher den nd. Anteilen der betroffenen Quellen zuzurechnen: thrie himele, *RBibC, 6; drie tage, *Roth, 2351, 2535; vgl. zu mnd. drê < drie < thria Lasch (1914, § 396 Anm. 5). Dasselbe gilt für drie in den Ausfertigungen des Magdeburger Stadtrechts für Breslau (*UrkCorp Nr. 51 [1261], 606 [1283]) und in den gleichfalls nd. bzw. nd. beeinflussten Ausfertigungen des Rhein. Landfriedens *UrkCorp Nr. 494/ ​1 (441,11) und Nr. 494/ ​2 (438,49). Im *UrkCorp sind über 90% der Belege von drie (drîe, drye, drige) alem., nur ein knappes Dutzend ist bair. (*UrkCorp Nr. 174 [2x], 476, 898, 1129, 2146, 2428, 2573, 2850, N 724 [2x]) und wenige drie sind ofrk. (*UrkCorp Nr. 879Sp, 2529, 2777, 3110). Abgesehen von den srhfrk.-alem. Fällen (*UrkCorp Nr. 2863 [3x], 2746) und dem trotz des Ausstellungsorts alem. Reichslandfrieden König Adolfs (*UrkCorp Nr. N 548B [Köln 1292] 392,15) gibt es nur vereinzelte md. Belege: omd. *UrkCorp Nr. 1062 (Rochlitz 1288) 371,11; Nr. 3099 (Erfurt A 1298) 328,3.

Die Form drīge (< drīje) mit Hiatus-g ist alem.: drige, PrSch, 9v,14, 11r,2, 131r,2.5 u. ö.; *Ipocr, 45va,13; drîge, PrSch, 237 v,2; driege, RWh, 14858. Selten sonst, z. B. bair. drige tage, Kchr, *1910; driege naht, *JJud, 1363; md.-ofrk. drige, *Herb, 8614. Im *UrkCorp finden sich nur alem. Belege für drige  – mit einer einzigen Ausnahme im Erfurter Stadtrecht von 1289 (*UrkCorp Nr. 1161A [Mainz 1289] 442,25). Formen mit der Diphthongierungsgraphie ‹ei, eí› beschränken sich im Korpus auf wenige bair. (Rupr, ULands, MMag) und ofrk. (GnaÜ, SBNü, UNürnb, Renn) Quellen aus 114. Es fragt sich, ob neben zweisilbigem drīe in (späterer) mhd. Zeit auch gekürztes drie mit dem Diphthong [iә] bestanden hat. Anders als für drīe scheint es dafür keine sicheren Reimbelege zu geben (s. Schirokauer 1923, 68f), doch könnten die urkundlich mehrfach e e e bezeugten Schreibungen ‹ı›, ‹y› dafür sprechen: drı bair. *UrkCorp Nr. 1497 (Türtenfeld 1291) 675,26; Nr. 2139A (Kloster Rinchnach UP 1295) 327,13; Nr. 3060A (Ebf von Salzburg 1298) 306,12.17; Nr. 1889 (Leibnitz 1294) 173,28.30; alem. Nr. 1624 (Kloster Weiler 1292) 757,37 [2x], 2910 (Altshausen A 1298) 210,29.32; rhfrk.-hess. Nr. N 380 (Assenheim 1288) e 285,20; Nr. 2787 (Gf von Katzenelnbogen A 1297) 138,23; omd. dry *UrkCorp Nr. N 407

1. Kardinalzahlen

649

(Erfurt UP 1289) 300,32.40, 301,6.21. Auffällig ist auch, dass im Gegensatz zu den bair. diphthongierten Formen drei, dreier, drein (drey, dreyer, dreyn) entsprechendes dreie (dreye) im Korpus völlig fehlt und im *UrkCorp offenbar nur einmal vorkommt: dreie Nr. 898 (Karlstein a. d. Thaya A 1287) 257,36. 1.3.2.2. Nominativ/ ​Akkusativ Neutrum

Die obd. Standardform ist driu (driv) mit nicht umgelautetem iu (Paul, Mhd.Gr., § L 44). Dafür erscheint bair. seit 212 auch dreu (drev, drew). Im Korpus ist dreu, drev erst in 114 belegt, dann aber bair. in 10 von 12 Fällen: drev, ObEv, 32a,4; Rupr, 45,27, 47,3 u. ö.; ULands, 1,26, 6,12 u. ö. Auch ofrk.: drev, Renn, 608, 11846 u. ö.; drew, GnaÜ, e 24,19, 98,15. Bair. Frühbelege sind z. B. dev drev ge‫܅‬lahte, *VMos1, 551; dev drı v, 1120; drevhundert, *VMos2, 1515. i i Zu den weiteren obd. Varianten zählt das spezifisch alem. dru, z. B. dru, UFreib2, i 18,3, 21,2 u. ö.; drv, SwSp, 55rb,12; UFreib2, 3,5, 10,19 u. ö.; RWchr, 2090, 20718 u. ö.; Rapp, 17440, 17653; dr‫ܔ‬, UFreib1, 11,17, 12,14. Seltenere Sonderformen sind z. B. drǐ, Muri, 12r,1; Mar, 1071, 2867; Parz, 808,12. Zu den Formen im *UrkCorp vgl. WMU 1, 398f. Die vorherrschenden md. Formen sind dru (drv) und drů (dr‫)ݑ‬, so dru, drv mfrk. PLilie, 8,30; Brig, 3v,23; UKöln1, 7,29, 8,9 u. ö.; BuMi, 62v,15; UKöln2, 5,38, 7,7 u. ö.; drw, RhTun, 173; drǒ, *Albanus, 67; rhfrk.-hess. drv, dru, SalH, 61,16; PrM, c5va,16; Elis, 132; Erlös, 1883, 6404; Hleb, 16r,2, 106v,15; hess.-thür./ ​omd. dru, PrMK, 7r,14.46; GRud, 8,45; MüRB, 8v,6.28 u. ö.; Pass, 19,65;  – drů, dr‫ ݑ‬mfrk., UKöln1, 4,29, 5,29, 6,27; Taul, 14v,14; 156r,5 u. ö.; UKöln2, 11,9; rhfrk.-hess., UMainz, 4,4, 6,3 u. ö.; PrRei, 16b,39, 172a,25; hess.-thür./ ​omd. PrMK, 7r,16; JMar, 66v,15, 106r,6.  – Nur in UMainz e e häufiger (11-mal) auch dru (z. B. 1,3, 3,3, 9,3) mit der obd. Umlautgraphie ‹u›, vgl. e e auch dru *UrkCorp Nr. 1788AB (Mainz A 1293) 89,46.47; mfrk. DRu, *StatDtOrd, e 11v,15; ofrk. dru, *BvgSP, 165va,32; alem. *UrkCorp Nr. 570 (Rheinfelden 1283) 5,40, e drv *UrkCorp Nr. 608 (Rheinfelden 1283) 42,11; Nr. 2048 (Zürich 1294) 276,16; bair. Nr. N 586 (Köstlan b. Brixen 1293) 421,25. Die obd. Form driu (driv) kommt in md. Quellen demgegenüber nur selten vor: Thrîu, RBib, 486; driv, AlxS, 6513; LuKr, 1253, 1337, 1620; häufiger nur in SalH (­9-mal), z. B. driv, 46,2, 54,7 u. ö.; triv, 76,11. Vgl. extern auch driu, *Anno, 13,5, 15,12, 18,3; *Capsula, 2v,5; *TrSilv, 627; *Freid, 415, 475, 529, 593, 607. Umgekehrt erscheint dru (drv) in obd. Korpusquellen nur vereinzelt: dru, Kchr, 1112; WüPo, 248va,29, 251va,9. – druv in *SuTheol (165, 166) und *ÄJud (44,49, 58, 82) könnte aus der mutmaßlichen rhfrk. Vorlage dieses Teils der Vorauer Hs. stammen. Zu alem.-oberrhein. dru im *UrkCorp, s. unten. Vereinzelt und möglicherweise verschrieben ist die Form driun mit angefügtem n: mfrk. Drunhundert, UKöln2, 1,11, 4,35; schwäb. trivn iar *UrkCorp 1660 (Winnenden 1293) 2,28.

N 8

650

VI. Numeralia

iu

eu

u, ů

n

obd. ²11/ ​¹12

100

0

0

1

Iw, Nib, Parz, Tris

100

0

0

2

74

23

2

43

alem.-bair.

100

0

0

35

alem.

100

0

0

16

3

0

97

33

rhfrk.-hess.

21

0

79

43

hess.-thür.

17

0

83

6

omd. (²13/ ​¹14)

25

0

75

12

ofrk.

18

64

18

11

bair.

mittelfränkisch

Prozentzahlen kursiv.

Abb. N 5: Sprachgeographische Verteilung von iu (iv), eu (ev, ew), u (v, ů, ‫ )ݑ‬im Nom./ ​Akk.Neutr. von ‚drei‘ Auch im *UrkCorp (s. WMU 1, 398) ist driu (driv) die allgemeine obd. Form. Im Oobd. ist allerdings dreu (drev) mit ‹eu, ev› für nicht umgelautetes iu noch um ca. 10% häufiger. Im Wobd. konkurrieren mit driu, driv (ca. 40%) die graphischen Varianten drú, dr‫( ݐ‬ca. 38%), i i dru, drv (ca. 4%), selten auch drû, dr‫ܔ‬: *UrkCorp Nr. 582A (Pruntrut 1283) 13,12, 2501 (Straßburg UP 1296) 546,2; Nr. N 805 (Colmar UP 1288) 576,29; Nr. 750 (Ebingen 1285) 132,41; Nr. 1106 (Kloster Andlau A, Mkgf von Hachberg UP 1289) 401,27; Nr. 1797B (Freiburg i.Br. 1293) 112,22; Nr. N 567 (Rheinfelden 1293) 409,42; Nr. N 569 (Olten 1293) 411,36. Außerdem kommt auch dru, drv nicht selten vor (ca. 14% der alem. Belege), vor allem im Oberrhein. und hier wiederum zumeist els., so in Urkunden aus Straßburg (*UrkCorp Nr. N 054, N 395 [2x], N 410, N 539, N 573, N 587, N 660 [3x], N 674), Colmar (Nr. N 121, N 236 [2x], N 237 [2x], N 559, N 773, N 805 [2x]), Murbach (Nr. 1759, 1775), Schlettstatt (Nr. N 175, N 271) und in weiteren els., badischen und Baseler Urkunden (Nr. 645, 1780, 2257, N 229, N 235, N 242, N 357, N 591, N 820; Nr. 1061, 1730,1740, 1770, N 228; Nr. 616, 830, 880, 1256, 1781); ferner auch hochalem. (Nr. 198, 605, 681, 1698, 1737,1843, 2064, N 196, N 675) und schwäbisch (Nr. 68, 2367 [2-mal], 3398, N 224 [2-mal]). Ansonsten ist dru, drv auch im *UrkCorp, von wenigen ofrk. Belegen abgesehen (Nr. 258 [2x], 879L, 1581, 2235 [2x], N 572), nur gesamtmd. bezeugt. – Dazu und zu weiteren seltenen Sonderformen vgl. WMU 1, 398f. – Zu rhfrk. (Mainz) drau (und naun ‚9‘) mit ‹au› für das nicht umgelautete iu s. Steffens (2005, 217–219).

Nur selten und zumeist md. steht statt der Form des Neutrums schon die des Mask./ ​ Fem., z. B. die dri kindere, RhMl, 4091; drie cruce, *Konr P, 407,14; drí ven‫܅‬t’, Hleb, 12r,5; die dri reínen wib, PrRei, 161b,27; wohl auch d’ riche‫܅‬tin burg’e [...] hiz er dri du‫ݨ ܅‬ [= dusent] fahen, AlxS, 1390; drei wort, Renn, 11516; omd. zunehmend in 114 (Feudel 1961, 155), z. B. de‫܅‬e dry gebot, BeEv, 124v,12; dry tabernacula, *20r,20; dri iar, MBeh, 142v,16; Drí hundírt jar, Jena, 1,13, 2,11, 3,15 u. ö. Zum generischen Gebrauch von driu vgl. z. B. ervert ez iemen ane vn‫ ܅‬driv., [Brangæne, Tristan, Isot] ir ‫܅‬it verlorn v‫ ܒ‬ich mit iv, TriF, 12151; Di‫܅‬e driv. [mirre, wīrouch, golt] die dri. [die hl. drei Könige] brahten drín [Jesuskind, Maria, Josef], Türh, 13.

1. Kardinalzahlen

651

1.3.2.3. Genitiv

Wie bei ‚zwei‘ ist auch beim Gen. von ‚drei‘ im Mhd. pronominal flektiertes drīer durchaus an die Stelle des ahd. substantivisch flektierten drīo (s. § N 6) getreten. Resthaftes drīe < drīo könnte vorliegen in: der drîe i‫܅‬t aller mai‫܅‬te diu minne, *Alkuin, 46v,26; nah d’ vollunge d’ dri ‫܅‬almo (post expletionem vero trium psalmorum, BR, c. 17,4), ZwBR, 21v,12; ‫܅‬cōrum Donati., Dru‫܅‬i. vnd andir dri heiligin mit in, JMar, 106r,14. Das Flexiv erscheint fast stets schon reduziert zu -er, nur vereinzelt noch in den vollen Formen -ero > -ere: na ‫܅‬agene der ‫܅‬eluer driere vůrgenander, UKöln1, 13,14; driere gůder manne, 1,13; der vi‫܅‬co ge‫܅‬lette. vingen ‫܅‬i do ī ritthe. wnfzvc v‫ ܒ‬cehenzvc. [...] u‫ ܒ‬driero mera, *FriedbChrist, 24,11; der drîere zeinen, *Gen, 3944. Nur selten schwindet das Schwa des Flexivs -er: drir *UrkCorp Nr. 46 (Regensburg UP 1259) 75,12.22; dreirleye, Renn, 24314; dreir‫܅‬lacht, *PrLeys, 16vb,44; dreir *UrkCorp Nr. 2466 (Landau a. d. Isar 1296) 526,12; Dreyr Nr. 3329 (Graz 1299) 467,14. Formen mit Hiatus-g (driger, dreiger) begegnen alem., aber auch sonst, z. B. alem. drîg’, drig’, PrSch, 130v,24; driger, *AugustReg, 36a,13; bair. *VMos2, 488; md.-ofrk., *Herb, 16407.

N 9

Im *UrkCorp sind g-Formen vornehmlich alem., daneben omd. und selten auch ofrk. und bair.: driger alem. Nr. 206 (Gengenbach UP 1273) 214,44, 215,5; Nr. 281 (Kloster Wonnental 1276) 284,34; Nr. 1083 (Freiburg i.Br. 1289) 383,16; Nr. 127AB (Klingnau 1269) 168,15.16; Nr. 1341 (Kenzingen 1290) 576,29; Nr. 2596, 2597 (Winterthur 1297) 22,44, 26,35; Nr. 2822AB (Hildrizhausen 1297) 161,31.32; Nr. N 599BCDE (Gf von Freiburg A 1293) 432,20.21.43.44.  – Omd. Nr. 1161A (StR Erfurt, Mainz 1289) 442,12(2x).24; Nr. 1816 (Triptis 1293) 132,30.47.  – Ofrk. Nr. 1734 (Nürnberg 1293) 54,34. – Bair. dreiger Nr. N 563 (Kloster Michaelbeuern 1293) 407,12. 1.3.2.4. Dativ

Die ursprüngliche Form ist drin mit kurzem i (vgl. ahd. drim, drin, got. þrim). Vor allem obd. ist teilweise drīn mit langem ī an seine Stelle getreten. Ob drin oder drīn vorliegt, ist der Schreibform ‹drin›, ‹drín› allerdings nicht abzulesen. Entscheidbar ist die Frage zum einen dort, wo drܷn im Reim steht. Nach Zwierzina (1901a, 76f) ist drīn alleinige Reimform von Wolfram, *Renn, *Freid, Ulrich v. Türheim, *Flore, *UvZLanz und *Aneg. Nur drin reimen Hartmann, Rudolf v. Ems, *GFrau, *Krone, Stricker, *Herb, Elis, Erlös, *EvStPaul, *Klage, Konrad v. Heimesfurt, *KvFuss, *Wig. Gottfried geht im Tris von drin zu drīn als Reimform über. Eine klare sprachlandschaftliche Verteilung ergibt sich daraus nicht, wenngleich drīn vornehmlich ofrk. und alem. und drin vornehmlich bair., alem. und (w)md. zu sein scheint. Zumindest hess.-thür./ ​omd. dürfte aber auch drīn möglich gewesen sein; so hat AlxS (180) den Reim drin  : sin seiner Vorlage (*VAlex, 154) in drīn  : sīn (Poss.-Pron.) geändert; vgl. auch drīn  : sīn, LuKr, 1410. Zum anderen können Schreibungen auf einen Lautwandel deuten, der Kürze bzw. Länge voraussetzt. So liegt drīn diphthongiertem bair.(-ofrk.) drein zugrunde; z. B.

N 10

652

VI. Numeralia

drein, Rupr, 10,27; Renn, 11465, 11467, 24142. Md. drin wird demgegenüber voraus­ gesetzt von gesenktem (oder zu [drәn] reduziertem?) dren, z. B. wmd. dren, UMainz, 1,15, 2,20, 3,18 u. ö. [stets: 27-mal]; omd., *Köditz, 42,3, 77,24; *Cranc, 41,16, 257,5.6.12; *Hiob, 1544, 11397, 12111. Anm. 1:  Alle *UrkCorp-Belege des Dat. dren, drên stammen aus nd. oder nd. beinflussten Urkunden: Nr. 392 (Hg von Braunschweig A 1279) 361,19; Nr. N 164 (Braunschweig 1279) 128,16,130,1; außerdem in den Ausfertigungen des Magdeburger Stadtrechts für Breslau *UrkCorp Nr. 51 (1261) 79,22, 81,39.40; Nr. 606 (1283) 31,46, 34,9.10; Nr. 2265 (1295) 400,18. Diese Belege werden daher mnd. drên zuzuordnen sein (vgl. Lasch 1914, § 396 Anm. 6). Das gilt vermutlich auch für dren *UrkCorp Nr. 22 (Deutschmeister A [Kulmer Handfeste] 1251–1300) 38,12; Nr. 494/ ​1 (Rhein. Ldfr. Kg Rudolf A, Mainz 1281) 440,15.

In dron (VLilie, 31,26, 32,17) liegt ‹o› für mfrk. gerundetes i vor Nasal vor (Th. Klein 2000b, 21). Es handelt sich also gleichfalls um eine Variante von drin. Neben drin (drīn) tritt seit (2)12 auch neu gebildetes drī-en, in dem analog zur Gen.-Form drīer an das als Stamm aufgefasste drī das Dat.Pl.-Flexiv -en angefügt ist. Frühe Belege sind z. B. drîen, drien, Spec, 8v,17, 9v,2, *57 v,8; PrMi, 35r,13; *TrSilv, 812,835; *PrFrT8, 1v,21; *BenRat, 52vb,27. Auch durch den Reim ist drīen früh bezeugt: drien [:  ‫܅‬chrîen], Mar, 4779. Die Korpusbelege sind ostalem.-bair. (Spec, Mar, PrMi, Wins, Baum), ofrk. (GnaÜ, WüPo) und md. (PrRei, Hleb, JMar, MBeh). In spätmhd. Zeit wird drien zunehmend häufiger: Von 22 Belegen stammen nur 4 aus 212/ ​113, dagegen 5 aus 213 und 13 aus 114. Anm. 2:  Im Laufe des Frnhd. wird drin/ ​drein, das im 14. Jh. noch überwiegt, dann durch drien/ ​dreien völlig verdrängt, s. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 571f Anm. 2. Im *UrkCorp liegt der eindeutige Belegschwerpunkt von drien Dat. im Oberrhein., vor allem im Els., so in Urkunden aus Straßburg oder mit Straßburger Bezug (Nr. N 47, N 66, N 84, N 85, N 109AB, N 162, 547, N 219, M 238A, N 412, N 750AB, 1655, 3037, N 816), aus Kloster Andlau (Nr. 679), Dossenheim (Nr. N 820), Kloster Marbach (Nr. 3129), Buchsweiler (Nr. N 342) und Landsberg (Nr. N 357). Hinzu kommen badische Urkunden aus Freiburg (Nr. 100, 1797AB) und Ortenberg (Nr. 1851). Deutlich seltener sind Belege aus dem übrigen Obd., so hochalem. (Nr. 615, N 243, 1157), schwäb. (Nr. 967, 3343), bair. (Nr. 174, 2216, 2337, 2684, 2875), ofrk. (Nr. 1581, 2550, 3110). Nur wenige Fälle sind md. (Nr. 13, 222AB, 2772).

Selten erscheint im Dat. Hiatus-g: an di‫܅‬en drigen dingen, *GvJudenb, 424. Auch im *UrkCorp scheinen (entgegen WMU 1, 399) Belege zu fehlen. In attributiver Verwendung kann selten schon statt der Form des Dativs auch die des Nom./ ​Akk. als gleichsam unflektierte stehen, z. B. Den li‫ ܅‬den dri kunegen vmb din g‫ݑ‬t, daz ‫܅‬ie dir daz gemerē, *GebetsanwAug, 88v,1; na dri tagī, MBeh, 234v,21.

653

1. Kardinalzahlen

1.4. ‚vier‘ bis ‚neunzehn‘ 1.4.1. Paradigma (am Beispiel vier)

Nom./ ​Akk.

Mask./ ​Fem.

Neutr.

viere, vier

vieriu, vier

Gen.

vierer, viere, vieren, vier

Dat.

vieren, vier

N 11

Abb. N 6: Paradigma der Flexion der Kardinalzahlen von ‚vier‘ bis ‚neunzehn‘ (am Beispiel vier)

1.4.2. Formen

Die Varianten der Zahlen von ‚vier‘ bis ‚neunzehn‘ (s. Weinhold, Mhd.Gr., § 336; Mausser, Mhd.Gr.III, 862–869) sind großenteils das Ergebnis der auch sonst geltenden dialektalen lautlichen Entwicklungen.

N 12

1.4.2.1. ‚vier(-)‌‘ (vier, vierde, vierƶęhen, vierƶic)

Die mhd. Regelform ist vier (zu ihrer Herkunft vgl. Ross/ ​Berns 1992, 583). Im Anlaut steht zu ca. 88% ‹v›. ‹u› (ca. 8%) findet sich in spätmhd. Zeit fast nur noch in md. Quellen. Die obd. Ausnahmen im Korpus sind uierdehalbē , PrSch, 245v,8; uier, ­U Nürnb, 5,7. Die wenigen ‹f›-Belege (2%) stammen zu mehr als der Hälfte aus spätmhd. rhfrk.-hess. Quellen, z. B. fier, Fier, Himlf, 447; Erlös, 1873, 1887; fierde, SalH, 2,16; PrRei, 21b,13, 167a,39; firede, SalH, 78,7, 80,16. Vereinzelt bleibt ‹w›, z. B. wier, PrZü, 113ra,1; wîerde, Spec, 7r,3; wierden, 138,12; wiere, HTri, 3333. e Vokalismus: ‹ie› bestreitet ein Viertel, zusammen mit den Varianten ‹ı› und ‹îe› e etwa 80% aller Belege. ‹ı› tritt im Korpus gehäuft nur in UNürnb auf (13-mal neben e e 11-mal ‹i›), sonst nur vereinzelt: vı r, uı r, RhMl, 4441; ObEv, 52b,22; BuMi, 74v,4; e e UKöln2, 3,15; vı re, vı ren, LuKr, 564, 1410.  – Die Schreibung ‹îe› statt ‹ie› in vîer etc. beschränkt sich auf wenige obd. Korpusquellen: uîer, wîerde, Spec, 72r,11, 7r,3; vîer Iw, 643; vîere 86, 4953, 5309; vîeren 583; vîer, Tris, 536; vîeren, 7006; vîer, PrMi, 26v,26; vîerde, 30r,6; vîerzek, 16v,17, 19v,19; vîer, SwSp, 43vb,3, 44va,3.10, 114vb,2; vîerden, 109va,12; vîerzehen, 56va,19, 111va,12, 116va,15.  – ‹iê› nur in uiêrzig, uiêr, BaGB, 137,24.35. Die Graphie ‹i, í› hat die vor allem md. Monophthongierung von /ie/ > /‫ݔ‬/ zum Hintergrund (s. Paul, Mhd.Gr., § L 18, L 48.4). Demgemäß sind nahezu alle Korpusbelege (ca. 135 = 16%) von vir, uir etc. md. oder ofrk.; bair. oder alem. dagegen nur virív, BKön, 8ra,20; vir, Bart, 13vb,22; Baum, 19r,20; vírde, SwSp, 43vb,10; außerdem ‹î› in vîrív, vîrden, BKön, 8vb,27, 2va,23.

N 13

654

VI. Numeralia

Im Mfrk. ist im Laufe des 13. Jh.s das offene Monophthongierungs-‫ ݔ‬zu ē gesenkt worden (s. Paul, Mhd.Gr., § L 18); daher die mfrk. Formen mit ‹e, ei, ey›, z. B. verde, uerde, RhMl, 373, 2109, 2160; uercich, 653; verdeme, BuMi, 83r,13; veir, veír, UKöln2, 3,13.31.35 u. ö.; Taul, 173v,17, 175v,14; veirzich, UKöln2, 3,16, 4,25; veirtzich, Taul, 5r,1, 12r,19; veirde, veirdem, Taul, 154r,17, 169r,14, 152v,8; veirre Jnde zwenzíg (Akk.Pl.), UKöln2, 15,16; veyr, Taul, 153v,4, 174v,2. Auch alem. kommen Formen mit ‹ei› und ‹e› vor (vgl. dazu Boesch 1946, 105f), so in *UrkCorp-Urkunden (s. WMU 3, 2149): veir Nr. 649 (Ottenhausen 1284) 72,25; Nr. 651 (Bözen 1284) 74,43; Nr. 663 (Hohenrain A 1284) 81,18; veire Nr. 1512, 1513 (Kloster Salem UP 1292) 683,11.22; veire Nr. 1512 (Kloster Salem UP 1292) 683,11; feirdem Nr. 682 (Kloster Hirsau A 1284) 96,17; verdenzal Nr. 684 (Rheinfelden 1284) 97,3; Nr. 1330 (Basel 1290) 567,38.

Zu weiteren urkundensprachlichen Varianten s. WMU 3, 2149ff. 1.4.2.2. ‚fünf(-)‌‘ (vünf, vünft-, vünfƶęhen, vünfƶic) N 14

Im Anlaut dominiert im Korpus ‹f› mit etwas über 70% vor ‹v› mit etwa 25%. Der Rest entfällt auf ‹u› (ca. 3%) und ‹w›, z. B. uivnf, WMEv, 96,4; uinf, RBib, 704; uůnf, Aegi, 874; uuniu zehinden, ZwBR, 49r,14; uivnf, Hoff, 29v,17; uonf, RhMl, 2232. ‹w›, das teils für ‹vv› = ‹vu› steht, kommt im Korpus nur 4-mal in ZwBR vor (z. B. wunven, 37 v,14; wunfzigu‫܅‬t, 19v,1) und in ẘmf, JMar, 16v,12; sonst wohl meist md., vgl. z. B. auch wnfzvc, *FriedbChrist, 24,10; ẘnf, wunf, *HildegGeb, 24v,1; wnf, *Roth, 395,1926; *WildM, III, 363.  – Vereinzelt bleibt ‹ph›: ni‫ݑ‬z di erzenie phunf‫܅‬tunt, Bart, 17 v,18. phvnf mvotte wei‫܅܅‬en/ ph‫ݐ‬nf mvotte roggen *UrkCorp Nr. 828 (Freiburg i.Br. 1286) 183,7; e phinf Nr. 2181 (Giengen 1295) 350,19; phvmph Nr. 740 (Salzburg 1285) 128,17; Nr. N 200 (Salzburg 1281) 155,6; Nr. N 693 (Salzburg 1295) 501,35.

Vokalismus: Das in ahd. fimf noch durchaus geltende /i/ ist in frmhd. Zeit zu /ü/ gerundet worden (vgl. Ahd.Gr.I, § 271 Anm. 2). Formen mit ‹i› finden sich vornehmlich noch im 12. Jh. Im Korpus: finf, Phys, 148v,5, 157 v,10; finften, 137 v,3; vinfzic, Spec, 72r,14; vinf zegi‫܅‬tin, r 67 ,6; vinfzehi‫܅‬time, 67r,20, 67 v,1. Korpusextern noch regelmäßig in *Gen, z. B. finf, 266, 372, 2073 u. ö.; finfiu, 371, 4952, 5243. Vgl. auch fimf, *RubrB, 182r,18; uimf, *SuTheol, 76; finf, *VMos2, 1424, 1454, 2376; finfiv, 1514; finf, *VMos3, 344; vînf, Spec, *55r,22; uinf, *PrWessB, H26a,13; *SüKlV, 230; Vinue, *Exod, 43; uif, *AvaLJ, 874. Später nur noch selten, z. B. vinf *UrkCorp Nr. 3398 (Lauffen 1299) 503,44; vinfvndachzich Nr. 729. (Ehnheim 1285) 121,34; vînf Nr. N 675 (Ulrich v. Rinach, Kt. Aargau 1295) 485,5. Der neue gerundete Vokal wird im Obd. zunächst durch ‹u, v› und durch ‹iu, iv› bezeichnet, z. B. funf, fvnf, Kchr *7199; PrZü, 107 vb,4; fiunf, fivnf, Kchr, 600; PrZü, 107rb; uivnf, WMEv, 96,4. Erst in spätmhd. Zeit wird obd. ‹iu, iv› zunehmend einer-

655

1. Kardinalzahlen e

e

i

i

seits durch bair., ostalem. und ofrk. ‹u, v›, andererseits durch (west)alem. ‹u, v› (‹ú, ‫ )›ݐ‬zurückgedrängt, s. Abb. N 7f. e e e e e ‹u, v› z. B. in funften, Lieht, 1565f; fumzehē, StBA, 71ra,9; fv nf, ObEv, 40a,19 u. ö.; e e ULands, 3,58 u. ö.; fumf, UAugsb2, 11,10 u. ö.; funf, Hartw, M 1268; WüPo, 248ra,27 u. ö.; e e Lupo, 2,472; fumf, fv mf, Nürnb, 28,6; Renn, 11703 u. ö. Außerhalb des Bair.-Ostalem.e e Ofrk. nur selten: Vunf, UFreib2, 8,10; funfzíg, UMainz, 12,18. i i i i ‹u, v› z. B. in vunf, UFreib1, 5,5 u. ö.; UFreib2, 4,6 u. ö.; fvnf, RWchr, 1958 u. ö.; Mart, i vb 24,67; Rapp, 17656; funf, NikP, 42 ,9 u. ö. Im Md. tritt zu ‹u, v› schon in 212 die auch nachfolgend fast ausschließlich md. Schreibung ‹ů, ‫ ›ݑ‬hinzu, z. B. uůnf, Aegi, 874; vůnf, *Anno, 4,4; Brig, 3v,5 u. ö.; UKöln1, 4,13 u. ö.; UKöln2, 3,28 u. ö.; JMar, 16v,9 u. ö.; fůnf, UMainz, 1,7 u. ö.; fůnfte, Erlös, 6868. Außerhalb des Md. selten, z. B. fůnf, StBA, 21rb,12.14. e Eine speziell wmd. Graphie ist ‹o›: mfrk. uonf, RhMl, 2232 u. ö. (5-mal); vonfcı nde, v BuMi, 91 ,13; rhfrk. vonf *UrkCorp Nr. 1577 (Hg von Lothringen A 1292) 723,19.22.27 u. ö., ebenso in der Gegenurkunde des Gf von Veldenz Nr. N 536, 381,24.28.31 u. ö. e

e

i

i

‹u, v›

‹iu, iv›

‹u, v›

‹u, v›

‹ů, ‫›ݑ‬

n

²12

10

81

0

0

10

21

¹13

69

31

0

0

0

54

²13

46

23

2

13

15

181

¹14

45

4

28

13

10

204

Abb. N 7: Häufigste Vokalgraphien im Zahlwort ‚fünf‘ (vünf, vünft-, vünfƶęhen, vünfƶic) in zeitlicher Verteilung (Prozentzahlen kursiv) ‹u, v›

‹iu, iv›

e

e

i

i

‹u, v›

‹u, v›

‹ů, ‫›ݑ‬

0

2

bair.

28

32

38

alem.-bair.

n 60

63

13

20

0

4

95

alem.

3

46

1

50

0

102

mfrk.

19

0

0

0

81

32

rhfrk.-hess.

80

0

2

0

18

60

hess.-thür.

86

0

0

0

14

14

omd. ²13/ ​¹14

85

0

0

0

15

40

ofrk.

58

10

33

0

0

52

Abb. N 8: Häufigste Vokalgraphien im Zahlwort ‚fünf‘ (vünf, vünft-, vünfƶęhen, vünfƶic) in sprachgeographischer Verteilung (Prozentzahlen kursiv)

Seltene Sonderschreibungen sind etwa ‹û›: vûnfezehen, Spec, 40r,2; fûnf, fûnft, Rupr, 45,14, 49,32, 75,5 u. ö.; vûnf, *BenedGlB III, 3r,6; vûnzech, *UrkKölnSchr, 3II 8,3; ‹eu› in *VMos1: ueunf, 597, 662; ueunfte, 53; ueunfzec, ueunfhez ‚fünfzig‘, 456, 657; ‹ie›: Hie uiem‫܅‬tunte. durh die uiemwnten ‚hier fünfmal wegen der fünf Wunden‘ (Gebetsanweisung), *RubrB, 243v,3.

656

VI. Numeralia

Das ‹m› von ahd. fimf ist im Frmhd. zunächst fast durchgängig durch ‹n› ersetzt worden. Resthaftes ‹m› z. B. in fi‫ݐ‬mf, Mar, 920; fumve, *2134; fiumf, fiumuen, *Himmelr, 5,22; uumfe, Kchr, *15580; vumfcehente, viumf, *TegProgn, 1r,16f. Ab 213 kommt ‹m› in einer Reihe von Texten wieder zum Vorschein und setzt sich teils völlig durch; im Korpus: PrSch (22 ‹m›), Baum (5 ‹n›, 2 ‹m›), UAugsb2 (6 ‹n›, 9 ‹m›), Diet (1 ‹n›, 3  ‹m›), JMar (13 ‹n›, 2 ‹m›), BeEv (15 ‹m›), Pass (6 ‹m›), UNürnb (7 ‹n›, 3 ‹m›), Renn (10 ‹m›). Nasalschwund begegnet  – von nd. beeinflussten Quellen abgesehen (z. B. vííf, *Tobias, 269)  – im Alem. (s. Paul, Mhd.Gr., § L 95), so schon in fivf, Muri, 42v,6. Auch die meisten *UrkCorp-Belege mit n-Schwund sind alem.: vivf Nr. 247 (Spitzenberg A 1275) 248,11; Nr. 458 (Schaffhausen UP 1281) 397,28; Nr. N 429 (Rufach 1290) 318,33; viufte Nr. N 287 (Überlingen 1285) 223,11; fivf Nr. 2911 (Kloster Zwiefalten UP 1298) 211,3; fivften Nr. N 739 (Kaufbeuren UP 1295) 533,9; fúf Nr. 1706 (Zürich 1293) 35,42; Nr. 2126 (Gfin von Rapperswil 1295) 320,1; fúften Nr. 2199 (Rottenburg 1295) 358,20; vuf Nr. N 433 (Weißenburg UP 1290) 320,39.

In Fällen, die weder als alem. noch als nd. erklärbar sind, ist Verschreibung nicht auszuschließen, z. B. uif, *AvaLJ, 874; uiufiv, *VMos2, 1807; fûf, *BaBlutsegen, 69,12; vivft‫܅ݑ‬ent, *PrLeys, 16va,39; ge‫܅‬egen dih die heren fihwunden ‚fünf Wunden‘, *TobiassegU, 4,38. vůf *UrkCorp Nr. 235B (Kg Rudolf A, Mainz 1275) 236,34; fuf Nr. 2299 (Burggf von Nürnberg e A 1295) 423,23; fuffe Nr. 2682 (Kloster Lilienfeld 1297) 76,8; fuf Nr. 2694 (Kloster St. Florian A 1297) 82,36.

Für das wurzelschließende /f/ (< germ. *f) erscheint im Silbenauslaut regelmäßig ‹f›. Auch vor Flexiv überwiegt ‹f›, z. B. fvnfe, BKön, 3va,7; Himlf, 1406; funfe, Elis, 9925; fumfe, BeEv, 121v,6; vuinfe, Freib, 25,2; fuinfe, Rapp, 33310; fvnfev, SBNü, 9rb,8. Seltener steht ‹v, u›, z. B. wunven, wunuē, ZwBR, 37 v,14, 49r,14; fvnve, Himlf, 1397; fiumuen, *Himmelr, 5,22; uunve, *Roth, 4269; fumve, Mar, *2134; Vereinzelte Sonderschreibungen sind etwa ‹ff›: funffe *UrkCorp Nr. 231 (Ernst von Blankenberg a. d. Sieg A) 233,39; ‹fv›: vunfve Nr. 255 (Ebf von Köln 1275) 268,44; Nr. 602 (Ebf von Köln 1283) 28,36; ‹ph›: fvnphzehen, fvnphzen Nr. 1638 (Gf Walram von Zweibrücken A 1292) 766,26.

Schwund des wurzelschließenden /f/ tritt gelegentlich vor folgendem /ƶ/ in vünfƶęhen, vünfƶic ein, z. B. uivnzic, WMEv, 65,2; vunzic, PrM, c4vb,14; vunzehíndē, PrM, b3vb,21; e vunzich, JMar, 64v,17; funzc, JMar, 4v,10; fívnzík, PrMi, 25v,20; fumzehē, StBA, 71ra,9; e Funzehen, Hartw, M 119. Für Schwund des f im absoluten Auslaut gibt es einige oberrhein. *UrkCorp-Belege, z. B. fvn‫܅‬chillinge Nr. 3573 (Straßburg) 618,29; vůn ‫܅‬chillingen Nr. 798AB (Colmar 1277) 573,7.

Zu weiteren urkundensprachlichen Varianten s. WMU 3, 2273ff.

1. Kardinalzahlen

657

1.4.2.3. ‚sechs‘ (sęhs, sęhst-, sęhƶęhen, sęhƶic)

Für den Wurzelvokal /ę/ steht zu fast 90% ‹e›. Lediglich in den rip. Quellen dominiert die Graphie ‹ei, ey› (s. § N 17). Vereinzelt bleiben Formen mit ‹ê›: bair. ‫܅‬êhte ‚sechste‘, PrMi, 30r,10; ofrk. Sêhzíc, SBNü, 10rb,19, 11vb,15, 17rb,4. Im *UrkCorp mehrfach alem.: Sêch‫܅‬, ‫܅‬êchs Nr. 2476 (Luzern 1296) 532,31; Nr. 2485 (Zug 1296) 537,15; Nr. 3153 (Zürich A 1298) 358,40; Nr. 3486 (Zürich A 1299) 568,20; ‫܅‬êh‫܅‬e Nr. 2671 (Luzern 1297) 69,15; ‫܅‬ê‫܅܅‬e Nr. 1571 (Reutlingen 1292) 720,7; bair. ‫܅‬êch‫ ܅‬Nr. N 772 (Brixen 1296) 558,19; sêchzich Nr. 3430 (Laibach 1299) 526,33; rhfrk.-hess. ‫܅‬ês Nr. 1788A (Mainz A 1293) 88,32; Nr. 862 (Kloster Arnsburg UP 1287) 208,25.27.

‹æ› beschränkt sich im Korpus auf Augsburger Urkunden: Sæhs, ‫܅‬æhzehen, UAugsb1, 5,65, 6,64; 5,9, 6,8; ‫܅‬æhzeh‫ܒ‬, UAugsb2, 21,9. Die *UrkCorp-Belege stammen aus Nr. 548ABC (Augsburg 1282): Sæhs, AB 489,27; S‫ܓ‬hs, C 489,44; ‫܅‬æhzehen, AB 483,28, C 483,45; weitere sind bair.: ‫܅‬æhs Nr. 1948 (Mühldorf 1294) 207,42; Sæhtzeg Nr. 631 (Salzburg 1284) 58,19; Sæhtzich Nr. 1100A (Attersee 1289) 392,31; Sæchzik Nr. 2038 (Stein a. d. Donau 1294) 270,35; ‫܅‬æhtzkem ‚sechstem‘ Nr. 2410 (Regensburg UP 1296) 492,3; ofrk. ‫܅‬æhzik 1044 (Nürnberg 1288) 358,34; alem. ‫܅‬æch‫ ܅‬838 (Sandegg 1286) 190,34.

Für das Obd. und Omd. bietet das Korpus nur Formen mit -hs- (und varianten Graphien wie ‹chs, hz›), s. Abb. N 9. Der Typ sechs (‫܅‬echs, ‫܅‬ech‫܅‬, ‫܅‬echz) mit ‹ch› ist bair., alem., ofrk. und omd. belegt: alem. NikP, 76rb,2; alem.-bair. Spec, 13v,13; bair. Diet, 6527; ObEv, 25a,20; ULands, 13,20; ofrk. SBNü, 9rb,4, 9va,8 u. ö.; omd. PrMK, 1r,48; AthP, 2,103; JMar, 9r,11, 9v,16 u. ö.; LuKr, 1044; ‫܅‬echz, BeEv, 8v,28. Im *UrkCorp tritt ‹ch› vornehmlich in alem. und bair., aber auch in omd. Urkunden auf, vgl. ‫܅‬echs Nr. N 651 (Mühlhausen 1294) 470,12.15.22.24; Nr. 3307 (Erfurt UP 1299) 455,3; Nr. N 407 (Erfurt UP 1289) 300,29.30; Nr. 1727 (Pegau 1293) 47,24; Nr. N 746 (Kg Adolf UP 1296) 536,36.37; ‫܅‬ech‫܅‬er Nr. 1727 (Pegau 1293) 47,22, ‫܅‬ech‫܅‬e 47,31; Sechz Nr. 631 (Eisenach 1292) 762,20.21.24.25; ‫܅‬ech‫܅‬z Nr. 222AB (Plauen i. Vogtland 1274) 224,18.40, 225,11 u. ö. Anm.1: Die Angaben von Gleißner/ ​Frings (1941, 146), die sich nur auf den ersten Band des *UrkCorp stützen konnten, sind entsprechend zu korrigieren.

‫܅‬ehz, ‫܅‬ehze, ‫܅‬ehzi mit ‹hz› ist im *UrkCorp fast durchweg alem., vor allem oberrhein., nur vereinzelt auch bair.: Nr. 3583 (München) 622,24.32.

N 15

658

VI. Numeralia

sex

n

bair.

sehs 100

0

0

29

alem.-bair.

100

0

0

22

alem.

100

0

0

59

mfrk.

0

100

0

32

rhfrk.-hess.

85

15

0

20

hess.-thür.

100

0

0

10

76

0

24

17

100

0

0

39

omd. (²13/ ​¹14) ofrk.

ses(s)

Abb. N 9: Sprachgeographische Verteilung der Graphien ‹hs› (‹chs, hz›), ‹s› (‹ss, z, zz›), ‹x› beim Zahlwort ‚sechs‘ (Prozentzahlen kursiv)

‹‫܅‬h› beschränkt sich auf ZwBR: ‫܅‬e‫܅‬h, 17r,15, 17 v,13, 18v,1.7. Auch im *UrkCorp alem.: Se‫܅‬h Nr. 256 (Basel A 1275) 269,8; ‫܅‬e‫܅‬h Nr. 2542 (Kloster Tänikon UP 1296) 569,37, 570,2; se‫܅‬h Nr. 1345 (Kloster Sirnau A 1291) 577,41, 578,1; ‫܅‬e‫܅‬h Nr. 2309 (Kloster Sirnau UP 1296) 429,35; vgl. auch ‫܅‬e‫܅‬ch Nr. 3498 (Breisach UP 1299) 576,19.

Formen mit ‹x› sind  – sofern nicht von lat. sex beeinflusst  – vielleicht schon Ausdruck des vor allem oobd. Wandels von hs > ks (s. Paul, Mhd.Gr., § L 110.1). ‫܅‬ex u. ä. ist allerdings mhd. noch selten (s. auch § N 19). Im Korpus findet sich nur ‫܅‬exphēníge, ‑phennígí u. ä., MüRB, 20v,21.24, 21v,22, 22r,19; vgl. auch ‫܅‬ex manode, Spec, *60r,3; ‫܅‬ex, *BrHoh, 9v,1.10. Die wenigen *UrkCorp-Belege sind vor allem bair. und omd.: bair. ‫܅‬ex Nr. 1920 (Ebf von Salzburg UP 1294) 192,40; Nr. 3348 (Gais 1299) 477,43; Nr. N 348 (Kloster Eberndorf 1287) 263,1.17; Nr. N 760 (Klausen 1296) 551,8; Nr. N 767 (Velturns 1296) 555,22; sextem Nr.  N 751 (Gf von Sternberg UP 1296) 546,6; Sæxthalbenpfvnt Nr. 631 (Salzburg 1284) 58,31; hess.-thür. ‫܅‬extehalb Nr. N 172 (Bischofsheim UP 1280–1300) 136,28; omd. sex Nr. 22 (Deutschmeister A 1251–1300) 40,30; ‫܅‬exehundert Nr. 1062 (Rochlitz 1288) 371,12. Daneben vereinzelt alem. ‫܅‬ex Nr. 213 (Zürich 1274) 218,5. Vgl. auch bair. ‫܅‬egx Nr. 2533 (Bf von Gurk UP 1296) 565,15 (2-mal); alem. ‫܅‬ehx Nr. 466 (Gf von Pfirt 1281) 403,28. N 17

Formen, welche die Assimilation hs > ss voraussetzen (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 110.1), sind im Korpus nur in wmd. Quellen belegt, z. B. ‫܅‬es mfrk., VLilie, 55,6.7.16 u. ö.; UKöln2, 6,18; rhfrk.-hess.: OxBR, 9v,18; PrRei, 17a,11, 19b,34; ‫܅‬e‫܅܅‬e, VLilie, 24,5.7. Die insbesondere rip. Graphie ‹ei, ey› bezeichnet die vor dem stimmlosen Frikativ eingetretene Dehnung/ ​Diphthongierung (Th. Klein 2000b, 20f), z. B. ‫܅‬eís, Seis u. ä., UKöln1, 2,27, 3,9 u. ö.; UKöln2, 4,19, 5,12 u. ö.; ‫܅‬eiz, Brig, 3v,21.22 u. ö.; ‫܅‬eys, Taul, 89v,8; ‫܅‬ei‫܅܅‬e, ‫܅‬ei‫܅܅‬er, UKöln1, 2,19.23.22. Auch im *UrkCorp sind die meisten Belege wmd. (wenn nicht nd.), so rip. z. B. ‫܅‬e‫ ܅‬21AB (Neuss a.Rh. 1251) 33,26.35; Nr. 62 (Köln A 1262) 99,27; Ses Nr. 59 (Ebf Engelbert von Köln

1. Kardinalzahlen

659

A, Gfin Mechthild von Sayn UP 1262) 93,11. – Hess. ‫܅‬ê‫ ܅‬Nr. 862 (Kloster Arnsburg UP 1287) 208,25, ‫܅‬e‫ ܅‬208,27.  – Rhfrk. Nr. 1788B (Mainz A 1293) 88,32; rhfrk.-thür. Nr. 1161A (Mainz 1289) 444,5.6; srhfrk. Nr. 2863 (Bruchsal 1297) 187,42, 188,2. – Formen mit ‹ei, ey› sind auch hier fast durchweg rip., so ‫܅‬eis u. ä. in *UrkCorp Nr. 60, 61,75, 79, 85, 86, 566, ‫܅‬ei‫܅܅‬e in Nr. 21A, 60, 264; ‫܅‬ey‫܅‬e Nr. 21B (Neuss a.Rh. 1251) 33,21; ‫܅‬ei‫܅‬tzich Nr. 69B (Köln 1263) 107,22. Der Wandel hs > ss reichte in mhd. Zeit zwar auch ins Obd. hinein, doch finden sich selbst im *UrkCorp nur spärliche alem. Belege: ‫܅‬e‫ ܅‬Nr. 2414 (Gf von Hohenzollern A, Kloster Stetten UP 1296) 493,41; Nr. 2558 (Gengenbach UP + Offenburg UP 1296) 578,15; Nr. N 261 (Straßburg A 1284) 209,26; Nr. N 321 (Rosheim A 1286) 245,33. Möglicherweise sind auch die obd. Graphien ‹‫܅‬h› (s. oben) und ‹h‫܅܅‬, ch‫ ›܅܅‬Reflexe von ss < hs, vgl. bair. ‫܅‬eh‫܅܅‬e (Lieht, 1558,2). Im *UrkCorp ist ‫܅‬eh‫܅܅‬, ‫܅‬ech‫܅܅‬, ‫܅‬eh‫܅܅‬e häufiger belegt, bair. z. B. in Nr. 365A, 476, 854AB, 1006, 1030, 2194, 2403, alem. z. B. in Nr. 787, 2332, 2530, 3129, N 191, N 192, N 758, ‫܅‬ehs‫܅‬iv Nr. 2495 (Kloster Baindt UP 1296) 542,7; Nr. N 762 (Benfeld 1296) 552,9; ‫܅‬eh‫܅܅‬v N 306 (Kloster Ittenweiler 1286) 235,2.

‚sechzehn‘, ‚sechzig‘ Nur relativ selten kommen noch Formen mit erhaltenem -hs- in sęhs- (‹‫܅‬ehs›, ‹‫܅‬echs›) vor. Das Korpus bietet lediglich 3 Belege: ‫܅‬eh‫܅‬zig’, Luci, g2r,27; ‫܅‬ehscich, AlxS, 1963; ‫܅‬ehtzzig‫܅‬ten, GnaÜ, 83,10. Extern z. B. auch ‫܅‬ehszec, ‫܅‬eh‫܅‬zec, ‫܅‬eh‫܅‬zech, Kchr, *6514, *9886, *14949; ‫܅‬ech‫܅‬cene, *Roth, 5125; ‫܅‬eh‫܅‬cehente, *TegProgn, 1v,1; sehszehende, *Herb, 4836; sehszic, 3311, 3356; ‫܅‬ech‫܅‬zic, *Daniel, 1175. Im *UrkCorp liegt der Anteil solcher Formen bei ‚sechzehn‘ unter 10%, bei ‚sechzig‘ unter 5%. Die Belege sind weit überwiegend alem.: Sech‫܅‬zehin Nr. 32 (Zürich 1255) 62,17; ‫܅‬eh‫܅‬zehin Nr. 741 (Basel UP 1285) 128,23; ‫܅‬eh‫܅‬zehen Nr. 1797B (Freiburg i.Br. 1293) 101,28; Nr. 979 (Schaffhausen A 1288) 317,7; Nr. N 805 (Colmar UP 1288) 577,8; ‫܅‬eh‫܅‬zen Nr. 680 (Waldeck 1284) 94,43; Nr. 1992 (Pfullendorf 1294) 245,24. – ‫܅‬eh‫܅‬cig Nr. 99 (Breisach 1266) 149,35; ‫܅‬eh‫܅‬zic, ‫܅‬eh‫܅‬zich Nr. 3572 (Straßburg) 618,17.24; Seh‫܅‬zig Nr. 1653 (StR Hagenau 1292) 780,33; ‫܅‬eh‫܅‬zig Nr. 1700 (Kg Adolf A 1293) 33,2. Sonst nur vereinzelt: omd.-nordbair. ‫܅‬ech‫܅‬czen Nr. 222B (Plauen i. Vogtland 1274) 226,35.  – Bair. ‫܅‬echsczek Nr. 2401 (Gf von Heunburg UP 1296) 487,3; seh‫܅‬zich Nr. 3039 (Schrobenhausen 1298) 289,9.

Im Obd. dominieren dagegen die Formen sęhƶęhen, sęhƶic (und Varianten), in denen bereits ahd. s vor ƶ assimilatorisch geschwunden war (s. Ahd.Gr.I, § 99 Anm. 3, § 273), z. B. ‫܅‬ehzehen, Parz, 30,11; ‫܅‬æhzehen, UAugsb1, 5,9; ‫܅‬ehzec, Kchr, 16478; ‫܅‬ehzeg, PrZü, 113rb,2. Extern z. B. ‫܅‬ehzehen, Kchr, *11348; ‫܅‬ehcehinden, *KomputNotiz, 11; ‫܅‬echzic, *LobSal, 176; ‫܅‬ehzec, ‫܅‬echzec, *RolP, 4485, 6347u.ö. In den *UrkCorp-Urkunden beträgt der Anteil der Formen mit ‫܅‬eh-, ‫܅‬ech- 70–80%. Bei ‚sechzig‘ sind die Varianten mit -htz-, -chtz- ein Kennzeichen (jüngerer) bair. und ofrk. Quellen: ‫܅‬echtzich, ‫܅‬echtzig, Rupr, 47,3, 49,40, 101,31; Sehtzikch, ULands, 3,24.25.26; ‫܅‬ehtzig, ‫܅‬ehtzich, WüPo, 240rb,19, 241vb,29 u. ö. (20-mal); UNürnb, 3,6, 5,7 u. ö. (5-mal); außerdem auch ostschwäb. Sehtzig, UAugsb2, 7,11, 15,8. Im *UrkCorp stammen die Belege zu fast 90% aus oobd. Urkunden. Der Rest besteht aus verstreuten Belegen: ostschwäb. sehtzech Nr. 1718 (Mkgfen von Burgau A, Bf von Augsburg UP 1293) 41,42; Nr. 2653 (Augsburg A, Mkgf von Burgau UP 1297) 57,20.22; ‫܅‬ehtzek Nr. 603

N 18

660

VI. Numeralia

(Kloster Kirchheim a.Ries UP 1283) 28,46; obd. (schwäb.?) ‫܅‬ehtzich Nr. 2245 (Kg Adolf A, Gf Ulrich v. Helfenstein UP, Kreuzburg/ ​Thür. AO 1295) 386,45, 387,2; ‫܅‬ehtzic 387,13; alem. Sehtzig Nr. 244B (Kg Rudolf A, Gengenbach UP 1275) 243,5; srhfrk. sehtzig Nr. N 77 (Speyer A 1265) 56,5. Anm. 1:  Es fragt sich, ob in -htz- die jüngere ‹tz›-Graphie für /ƶ/ oder aber t-Einschub (also sęht-ƶig) vorliegt. Für eine Antwort müsste der sonstige Schreibgebrauch einbezogen werden. Meist liegt wohl ‹tz›-Scheibung vor; so in Rupr und ULands, da hier auch Formen wie ‫܅‬ibentzich, viertzehen, Drevtzehen, zwaíntzikch vorkommen. Für das Ofrk. spricht die mehrfach belegte Worttrennung zwischen t und z dagegen eher für t-Einschub: ‫܅‬eht|zig, WüPo, 244ra,23; in *NüP: seht|zick, 5ra,18; seht|zig, 5rb,6; ‫܅‬eht|zick, 5rb,10, 7 vb,20.

Bei ‚sechzehn‘ finden sich solche Formen dagegen deutlich seltener und verstreut in obd. und md. Quellen. Im Korpus nur Sechtzen, UMainz, 22,32; ‫܅‬ehtzehen, WüPo, 243va,28.31. Im *UrkCorp: alem. sehtzehen Nr. 2207 (Mkgf von Burgau A, Augsburg UP 1295) 362,19.43; Nr. 3415 (Augsburg UP 1299) 514,34. – Bair. Nr. N 303 (Seitz 1286) 231,34.39; Sechtzehen Nr. 1703 (Hasendorf UP 1293) 34,22; Nr. 2743 (Hadersdorf am Kamp 1297) 112,36.  – Ofrk.nordbair. sehtzehen Nr. 2775 (Schenk v. Reicheneck, Regensburg 1297) 129,34.37. – Md.-obd. ‫܅‬echtzen Nr. 222A (Plauen i. Vogtland 1274) 226,42, ‫܅‬ehtzehen Nr. 1161B (Mainz 1289) 440,45.

Im Wmd. ist dagegen auch hier der Wandel von hs > ss (im Silbenauslaut > s) eingetreten (s. § N 17), z. B. Se‫܅‬zehene, Elis, 10508; ‫܅‬e‫܅‬zich, AlxS, 5554; ‫܅‬ei‫܅‬zín, UKöln1, 2,24.25.27 u. ö.; ‫܅‬ei‫܅‬zich, UKöln1, 4,29, 5,29 u. ö. Hierher auch ‫܅‬é‫܅‬zoch, Will, 15r,17. Extern z. B. ‫܅‬e‫܅‬cihg, ‫܅‬e‫܅‬cein, *Anno, 10,18, 41,12; Se‫܅‬zen, *Roth, 1580, 3171a; Sei‫܅‬zene, *KölnEidb, 1v,15. Im *UrkCorp stammen alle einschlägigen Belege aus nd.(-md.) und md., insbesondere mfrk. Urkunden (s. WMU 2, 1545f). N 19

‚sechste‘ Bei der Ordinalzahl sęhste bestreiten im Obd. und Omd. Formen des Typs sęhstmit bewahrtem -hs- (‹hs, chs, x›) etwa 90% der Belege, z. B. ‫܅‬eh‫܅‬te, WMEv, 91,25; Muri, 4r,5; Mar, 860; ‫܅‬eh‫܅‬talp, Lieht, 102,3; ‫܅‬eh‫܅‬tehalben, UFreib1, 22,6. – Omd. ‫܅‬echstin, JMar, 106r,21; ‫܅‬ech‫܅‬te, BeEv, 2v,1, 124v,21; ‫܅‬eh‫܅‬te, MBeh, 230r,16, 233r,9.11. – Seltener auch rhfrk.hess.: ‫܅‬eh‫܅‬tín, PrM, b3va,28, c1va,3; ‫܅‬eh‫܅‬tin, SalH, 31,3; seh‫܅‬tehalb, UMainz, 28,21.25. Wmd. gilt sonst sest- (seist-) mit s < hs: ‫܅‬e‫܅‬te- hess.-thür., AlxS, 7053; mfrk., RhMl, 331, 381 u. ö.; PLilie, 7,7; VLilie, 41,1.2.4 u. ö.; ‫܅‬ei‫܅‬te, Taul, 170r,2; *PrKöln, 22,19, 32,16, 33,49; ‫܅‬e‫܅‬te- rhfrk.-hess., SalH, 14,2, 83,12; OxBR, 5v,21; Hleb, 108r,7, 109r,14, 187r,20; Erlös, 6627, 6871; PrRei, 24a,39.  – Sonst nur alem. ‫܅‬e‫܅‬te, TrHL, 3r,21. Im *UrkCorp: ‫܅‬e‫܅‬ten nd.-md. Nr. 2438 (Hitzacker a. d. Elbe 1296) 508,19.  – Rhfrk.-hess. Nr. 1056 (Assenheim 1288) 366,31; Nr. 2462 (Frankfurt a. M. 1296) 523,38.  – Alem. Nr. 2539 (Schwäbisch Hall A 1296) 568,12, ‫܅‬e‫܅‬tenhalben Nr. 1980 (Baldingen 1294) 237,41.

Nur selten ist s in -hst- assimilatorisch geschwunden (s. § N 18): bair. ‫܅‬êhte, PrMi, 30r,10; alem. ‫܅‬ehtē, PrSch, 240r,19; rhfrk.-hess. ‫܅‬echte, ‫܅‬ehte, SalH, 84,14, 109,9; omd.

1. Kardinalzahlen

661

‫܅‬echtin, JMar, 109r,23; wohl auch hess.-thür. ‫܅‬i [...] ‫܅‬azten den tac, da der der ‫܅‬ehte‫]![ ܅‬ e mant get, PrFr, 4,11. Korpusextern z. B. bair. ‫܅‬ehte, *ArnoltSieb, 566; ‫܅‬ehten, Kchr, *2442; omd. ‫܅‬echten, *PrLpz, 135ra,34; hess.-thür.(ofrk.) sehtē, *Herb, 13612. Im *UrkCorp sind 10 von 14  Belegen alem: ‫܅‬ehte Nr. N 308 (Straßburg UP 1286) 236,17; Nr. N 776 (Colmar UP 1296) 561,7; ‫܅‬ehten Nr. 792 (Kloster Oberschönenfeld A, Augsburg UP 1286) 159,39; Nr. 294A (Säckingen 1276) 291,31; Nr. 294B (Säckingen 1276) 291,30; Nr. N 754 (Konstanz 1296) 548,22; Sechtem Nr. 2311 (Kloster Weingarten UP 1296) 430,29; Sehtehalbe Nr. 1516 (Mkgf von Burgau A, Kloster Zwiefalten UP 1292) 684,42; ‫܅‬echthalb Nr. 3441 (Zürich A 1299) 532,35; ‫܅‬ehtehalp Nr. 2758 (Kloster Wald UP 1297) 119,42.  – Sonst nur bair. ‫܅‬eht Nr. 2264 (Aichach UP 1295) 399,33. – Ofrk. ‫܅‬ehten Nr. 124 (Pappenheim 1269) 166,29. – Hess.thür. ‫܅‬echtehalb Nr. N 651 (Mühlhausen A, Kloster Lippoldsberg UP 1294) 470,24.  – Rip. Sehteme Nr. 79 (Köln 1264) 121,30.

Sonderformen sind u. a. ‫܅‬e‫܅‬hte, AlxS, 245; ZwBR, 19r,14; ofrk. ‫܅‬e‫܅‬ht *UrkCorp Nr. 799AB (Schenken von Reicheneck A, Kloster Engelthal UP 1286) 166,28.31.  – Alem. ‫܅‬extin, LEnt, 53,23; omd. ‫܅‬exte, *BrHoh, 8r,31; hess.-thür. ‫܅‬extehalb *UrkCorp Nr. N 172 (Bischofsheim UP 1280–1300) 136,28; bair. sextem Nr. N 751 (Gf von Sternberg UP 1296) 546,6; s. § N 16.  – ‫܅‬ehe‫܅‬te, HTri, 6277. Zu weiteren urkundensprachlichen Varianten s. WMU 2, 1543ff. 1.4.2.4. ‚sieben(-)‌‘ (siben, sibende, sibenƶęhen, sibenƶic)

Leitform ist siben(-)‌, auf das im *UrkCorp über 90% der obd. Belege entfallen. Anm. 1:  Im Korpus tritt dies wegen der vor allem im Obd. sehr geringen Belegzahlen nicht so deutlich hervor.

Im Md. schlägt sich die Tondehnung von i > ī, das teils zu ē gesenkt wird (s. Paul, e Mhd.Gr., § L 18), in den Schreibungen ‹ie, ı, e› und mfrk. auch ‹ei, ey› nieder. e ‹ie, ı›: mfrk. Sievenzích, UKöln1, 17,10, 18,9; rhfrk.-hess. ‫܅‬iebinden, SalH, 34,6; ‫܅‬ie‑ bende, Erlös, 6875; hess.-thür. ‫܅‬iebene, GRud, 28,21; omd. ‫܅‬iebin, JMar, 2r,10, 3r,3 u. ö., ‫܅‬iebende, 2r,7; ‫܅‬iebendin, 2r,15. ‹e›: mfrk. ‫܅‬euen, RBib, 330; Seuen, UKöln2, 15,11; Seuenzeẏn, 8,8, 9,7 u. ö.; rhfrk.hess. Sebin, Seben, OxBR, 6r,23.26; ‫܅‬ebende, 5v,26; omd. ‫܅‬ebyn, BeEv, 6r,25, 125r,6; ‫܅‬ebyn‑ czik, 124r,6; ‫܅‬ebynde, 124v,24; ‫܅‬ebende, HTri, 6277. ‹ey›: mfrk. ‫܅‬eyuene, ‫܅‬eyuenen, Brig, 1v,20.29, 2r,7 u. ö. (18-mal); ‫܅‬eyuen, *MU14, 140423,7; Seyuenden, 071226,28. e

Im *UrkCorp finden sich die Schreibungen ‹ie, ı› und ‹e› vor allem in nd.-md. und mfrk. e Urkunden; ‹ie, ı› md.-nd. ‫܅‬ieben(-)‌, ‫܅‬ieven(-)‌ z. B. in Nr. 51 (Magdeburg 1261); Nr. 606 (Breslau 1283).  – Rip. ‫܅‬ieuene Nr. 21A (Neuss a.Rh. 1251) 34,40, sonst nur in Kölner Urkunden, z. B. ‫܅‬ieuen(-)‌, Sieuen(-)‌ in Nr. 37 (1257); Nr. 42AB (1258); Nr. 45 (1259); Nr. 223 (1274); Nr. 224 (1274); Nr. 255 (1275). – Daneben selten auch obd.: bair. Sieben Nr. 944 (Bf von Freising UP 1287) 298,19; ‫܅‬iebenzich Nr. 475A (Regensburg 1281) 416,6; sieben Nr. 2855 (Bf von Brixen UP 1297) 182,21.32; siebenzich Nr. 3546 (Wien UP 1299) 603,13.  – Ofrk. ‫܅‬ieben Nr. 317 (Ellingen

N 20

662

VI. Numeralia

UP 1277); Nr. 1880 (Nürnberg A 1294).  – Alem. Siebenzehen Nr. 1431 (Basel 1291) 633,14.  – Formen mit ‹e› begegnen vor allem in nd. und md.-nd. Urkunden (Nr. 2, 95, 392, 494F, 1091, 1269, 1310B, 2265, N 164).  – Sodann in mfrk. sêven Nr. N 548A (Köln 1292) 399,16; ‫܅‬euenzech Nr. 138 (Gfin von Sayn A 1270) 174,23; ‫܅‬euen‫܅‬zi‫܅‬teme Nr. 380 (Köln 1279) 353,35;  – rhfrk.-hess. Sebenzich Nr. 235B (Kg Rudolf A, Mainz 1275) 236,34; ‫܅‬ebende Nr. 1278 (Nidda A 1290) 525,31.

Im Alem. und Bair. konnte vor dem Labial b Rundung von i > ü eintreten, geschriei i ben alem.-bair. ‹u, v›, alem. ‹u, v, ú, ‫( ›ݐ‬Boesch 1946, 88f; Kleiber/ ​Kunze/ ​Löffler 1979, i i i 118f u. Karte 22): alem. ‫܅‬ubē, ‫܅‬uben, PrSch, 8r,6.9, 123v,17.19, 240r,27, ‫܅‬ubendē, 240r,26; bair. ‫܅‬vbent, ObEv, 40b,12.39 neben 7-mal ‫܅‬iben(-)‌. Vgl. schon ‫܅‬ubeniv, ‫܅‬uben, Kchr, *65, *67, *99; ‫܅‬vbent, *KalendUrb (Bistum Salzburg), 2r,17; subin oft in *Gen M, z. B. ­subiniv, 1496f (1392f), subin, 2068 (1892), suben, 2796 (2581), 2828 (2613) u. ö. Im *UrkCorp beträgt der Anteil der gerundeten Formen im Alem. und Bair. etwa 6–7%. Die wobd. *UrkCorp-Belege sind schwäb.-oberrheinisch nördlich einer Linie (einschließlich) Basel – Rheinfelden – Diessenhofen – Konstanz – Biberach – Augsburg, z. B. ‫܅‬uben Nr. 102 (Konstanz 1267) 151,10; ‫܅‬vbenzeg Nr. 254 (Villingen 1275) 265,6; Subencehende 2033 (Kloster Zwiefalten 1294) 268,1; subenden 2599 (Kloster Reutin UP 1297) 28,40. Neben die Vokalschreibung ‹u, v› tritt alem. in einem Drittel der Fälle ‹ú, ‫›ݐ‬, also ‫܅‬úben(-)‌, ‫ݐ܅‬ben(-)‌, nämlich in Urkunden aus Dorlisheim/ ​Elsass (Nr. 3403 [1299] 507,2), Basel (Nr. 226AB [1274] 230,11; Nr. 282 [1276] 285,15; Nr. 312AB [1277] 302,2.4), Kloster Diessenhofen (Nr. 2561 [1297] 1,18; Nr. 2563 [1297] 2,6), Meßkirch (Nr. 1494 [1291] 673,38), Konstanz (Nr. 2330 [1296] 443,35), Kloster Heiligkreuztal (Nr. 1738 [1293] 57,15), Kloster Kirchberg (Nr. 2566 [1297] 3,15), Kloster Heiligkreuztal (Nr. 2737 [1297] 109,11), Kloster Reutin (Nr. 2864 [1297] 188,35; Nr. 2890 [1298] 199,34), Ulm (Nr. 2852 [1297] 181,20), Speyer (Nr. 1401 [1291] 613,33). Von den 22 oobd. Belegen für ‫܅‬uben, ‫܅‬vben stammen 19 aus niederösterreichischen und Wiener Urkunden, nämlich aus Kloster Zwettl (Nr. 872 [1287] 214,25), Krems (Nr. 1087AB [1289] 386,28.29), Kloster Heiligenkreuz (Nr. 2608 [1297] 33,42), Kloster Lilienfeld (Nr. 2077 [1294] 295,6; Nr. 2631 [1297] 45,11; Nr. 2682 [1297] 76,8.10.29; Nr. 3080 [1298] 319,19; Nr. N 779 [1297] 562,23), Klosterneuburg (Nr. 2826 [1297] 164,19), Korneuburg (Nr. 2827 [1297] 164,42, 165,29), Kloster Altenburg (Nr. 2835 [1297] 171,23), Gars am Kamp (Nr. 3177 [1299] 372,43), Araburg (Nr. N 345 [1287] 261,18), Wien (Nr. 2067 [1294] 287,2; Nr. 2642 [1297] 51,14).  – Außer­halb dieses begrenzten Raums nur Svben Nr. 905B (St. Oswald 1287) 266,33); Nr. 2839 (Kloster Rein 1297) 173,15); Nr. N 347 (Seckau UP 1287) 262,23). e

‹i, y›

‹ie, ı›

‹e›

i

‹ei, ey›

‹u, u›

n

bair.

3

60

0

0

0

0

0

0

2

40

alem.-bair.

1

100

0

0

0

0

0

0

0

0

1

alem.

8

57

0

0

0

0

0

0

6

43

14

mfrk.

5

36

54

3

4

9

13

19

28

0

0

67

rhfrk.-hess.

9

64

2

14

3

21

0

0

0

0

14

hess.-thür.

1

50

1

50

0

0

0

0

0

0

2

23

50

18

39

5

11

0

0

0

0

46

omd. (²13/ ​¹14)

Abb. N 10: Vokalgraphien bei siben, sibente, sibenƶęhen, sibenƶig (Prozentzahlen kursiv)

1. Kardinalzahlen

663

Nur sehr selten wird das Schwa der zweiten Silbe von siben synkopiert, z. B. ‫܅‬ibniv, DvATr, 71v,7; ‫܅‬ibnv, *PrHvKonst, 156r,4; ‫܅‬ibniu *UrkCorp Nr. 2565 (Markdorf/ ​Baden 1297) 2,41; ‫܅‬ibn *UrkCorp Nr. N 667 (Kloster Herzogenburg/ Niederösterreich 1294) 479,18, Sibnzg Nr. 1164 (Hr und Frau von Rohr A, Wien UP 1289) 446,29. In der Ordinalzahl sibende < sibente wird mhd. n erst vereinzelt getilgt, vgl. in deme ‫܅‬ibeten cite, *ArnoltSieb, 770. In den siueden thac, *RBibC, 4, kann nd. Einfluss vorliegen. Sicher ist dies in folgenden nd. bzw. nd.-md. *UrkCorp-Belegen der Fall: ‫܅‬euedeme Nr. 2 (Braunschweig 1227) 3,17; Nr. 95 (Braunschweig 1265) 146,26; Nr. 392 (Hg von Braunschweig A 1279) 362,17; Nr. N 164 (Braunschweig 1279) 129,15; ‫܅‬euedehaluen Nr. 1091 (Blankenburg 1289) 389,16; ‫܅‬ibede Nr. 51 (Magdeburg 1261) 79,44, 80,13.30, 81,40.  – Sonst nur drei obd. Belege (s. WMU 2, 1565): bair. an dem ‫܅‬ibeten vnd Nevnzki‫܅‬tem iar Nr. 2716 (Hr von Kapellen A, Kloster St. Florian/ ​Oberösterreich UP 1297) 95,42; in dem sibten vnt Niwenzichi‫܅‬tem Jar Nr. 2849B (München 1297) 179,14.

Zu weiteren urkundensprachlichen Varianten s. WMU 2, 1564ff. 1.4.2.5. ‚acht(-)‌‘ (ahte, aht(od)e, ahtƶęhen, ahtƶic)

Die vorherrschende Form der Kardinalzahl ‚acht‘ ist umlautloses ahte > aht, das unflektiertes ahd. ahto fortsetzt. Daneben stehen in dialektal unterschiedlicher Verteilung Formen mit Sekundärumlaut (æht(e), eht(e)), die auf den nach der i-Deklination flektierten ahd.-wgerm. Formen beruhen. Anm. 1:  Die flektierten ahd. Belege beschränken sich auf wenige alem. Formen von ahtowi, -iu, -en (vgl. Ahd.Gr.I, § 271 Anm. 4), die sich in mhd.-oberrhein. eht(u)we fortsetzen (s. u.). Bei mhd. æhte, ehte könnte es sich gleichfalls um (dann verkürzte) Nachfolger von ahd. ahtowi handeln. Es könnte aber auch ein analog zu Formen wie fiori, fimfi, sibuni gebildetes ahd. *ahti zugrunde liegen.

Apokopiertes aht scheint bis 113 noch seltenere Nebenform zu sein, setzt sich dann aber rasch durch. Ein oobd. Kennzeichen ist die o-Form oht ‚acht‘ (ohtode/ ​ohte, ohzehen, ohzic, ohtz(i)gist), vgl. Ohtt, ULands, 1,7, 13,6, 18,12f u. ö.; oht, *NonGebBuch, 70r,7, 75r,2; Dev ohte mín vrevd ‚meine achte Freude‘, 74v,17. Im *UrkCorp liegt der Belegschwerpunkt von oht-, ocht- in Niederösterreich und Wien, gefolgt von Oberösterreich und Salzburg. Vergleichsweise seltener sind die südbair. Belege (Kärnten, Steiermark, Südtirol) und die Belege aus Ober- und Niederbayern, der Oberpfalz und dem angrenzenden nordbair.-ofrk. Übergangsraum (Ohzeck Nr. 421 [Heidenheim 1280] 379,26, Ochtzich Nr. 1144 [Gunzenhausen 1289] 426,33).

N 21

664 N 22

VI. Numeralia

Bei den Umlautformen ist eine charakteristische dialektale Verteilung erkennbar: ėhtewe, ėhtüwe ist offenbar ein spezifisch alem. Kennzeichen (s. Weinhold, Alem. Gr., § 326a). Mhd. Frühbelege sind z. B. Andemi ‫܅‬ibindin ahtǒwe ‚in dem siebten (Jahr) acht (Wochen)‘, *KomputNotiz, 6; An demi fivnfcehenden iâre ahtǒwe, 11. Im *UrkCorp sind fast alle Belege oberrhein., einschließlich Basel (s. WMU 1, 39); sonst nur dreimal im benachbarten Aargau: etewi Nr. 346 (Klingnau UP 1278) 328,11; ehtewi Nr. 348 (Klingnau A 1278) 329,14; ehtúẃ Nr. N 370 (Zofingen A 1288) 277,38. Die häufigsten e Varianten sind ehtewe, ehtewi, ehtúwe (nebst eht‫ݐ‬we, ehtv we, æhtúwú bes. in Freiburg), ehtwe.

æhte, æht ist vornehmlich oobd. und ostschwäb., z. B. æhte, Kchr, 16845; Parz, 30,18, e 31,14; æht, Diet, 9695; ULands, 15,7; ahte, PrSch, 240v,17; æhtiv, *FüssSprachpr, 58r,52f. Ebenso auch im *UrkCorp; nur selten hochalem.: æhtǒ *UrkCorp Nr. 2105 (Winterthur 1295) 309,3; æht Nr. 2316 (Winterthur 1296) 433,2.  – Solange im frmhd. Obd. noch ‹a› für den Sekundärumlaut geschrieben wird, ist nicht erkennbar, ob ‹aht› für aht- oder äht- steht. Die obd. Umlautformen æht(e), ėhtewe, ėht(e) treten vorzugsweise bei substan­ tivischem Gebrauch und in den mit unde gebildeten Zahlverbindungen auf. Dies gilt zumindest für das belegreiche *UrkCorp. Im Mfrk. und teils auch im Rhfrk.-Hess. hat eht(e) dagegen auch in attributiver Verwendung aht(e) weitgehend verdrängt: ehte, eht ist vornehmlich wmd. Vor allem im Mfrk. sind umgelautete Formen die Regel, vgl. z. B. ehte, *UrkKölnSchr, 3III 5,3; eygthe, Brig, 4v,23; Eychte, UKöln2, 4,18; echte, *PrKöln 23,5; eht, UKöln1, 14,15, 15,15.  – Teils auch rhfrk.-hess.: Echt, UMainz, 9,3 u. ö. (6-mal); daneben acht, 15,12 (2x), 29,8. Stets umgelautete Formen zeigen die 1278 in Naumburg/ ​Hessen ausgestellten Urkunden *UrkCorp Nr. 368AB (in deme ehten yâre, 342,33) und Nr. 369 (di vorgenanten ehte rittere, 343,14.20; in den ehte tagen, 343,17.25; in deme ehtin yâre, 343,35).

Im Obd. tritt eht(e) wohl nur selten und verstreut auf; Korpusbelege fehlen. Extern z. B. ofrk. ‫܅‬ehs wůchē oder ehte, *BvgSP, 157 vb,21. Auch im *UrkCorp gibt es nur relativ wenige obd. Einzelbelege: bair. in dem [...] ehtvndahcege‫܅‬tem iâr Nr. 998 (Hausegg 1288) 328,3; ehte Nr. N 377 (Rothengrub A 1288) 283,41; Nr. 1914 (Amberg 1294) 187,37; echt Nr. 355 (Ebf von Salzburg 1278) 332,23; Nr. 1021 (Kloster St. Florian UP 1288) 346,26. – Ofrk. ehte 2664 (Kloster Heilsbronn 1297) 64,31.37. – Alem.-oberrhein. stets flektiert: ehtiv Nr. 350 (Freiburg i.Br. UP 1278) 330,19; ehtiu Nr. 372 (StR Colmar, Wien AO 1278) 347,46; ethiv Nr. 343 (Straßburg A 1278) 325,28; ehtu Nr. 1048 (Mkgf von Baden A 1288) 362,33; Nr. 1060 (Mkgfen von Baden A 1288) 369,32; Nr. N 382 (Mkgf von Baden A 1288) 287,3; Nr. 1007 (Kg Rudolf 1. A 1288) 334,5.  – Schwäb. Ehtiv Nr. 2983 (Rottweil 1298) 254,2; eht Nr. 3172 (Kirchheim u. T. 1299) 370,7; durchgängig e-Formen bietet die schreibsprachlich auch sonst auffällige Urkunde *UrkCorp Nr. 1262 (Isny A 1290): Ehte, 503,24.27.29 u. ö. (9-mal); Ehton, 504,5.

665

1. Kardinalzahlen

In den Formen von ahtƶic ist /t/ überwiegend assimilatorisch geschwunden. Es wird jedenfalls meistenteils nicht geschrieben: Von 32 Korpusbelegen sind nur 4 ‹t›-haltig, nämlich athzich, TrPs, 48v,11; ahtzik, ObEv, 54a,32; ahtzíg, UAugsb2, 10,5; ahtzzig, GnaÜ, 99,13. Vgl. demgegenüber z. B. áhzoch, Will, 36r,29; ahzig, BaGB, 138,3; ahzic, WMEv, 65,6; ahzigu‫܅‬t, ZwBR, 20r,3 (2-mal); ahzic, AlxS, 3631; ahzech, Diet, 2970; ahzigo‫܅‬ten, UAugsb1, 1,13, 2,11, 3,15 u. ö.; ahzíg, UFreib1, 1,7, 2,4.18 u. ö.; achzíc, LuKr, 465. Bei ahtƶęhen herrscht im Korpus dagegen das umgekehrte Verhältnis: 43 Belegen mit ‹t› stehen nur 5 ohne ‹t› gegenüber. Vgl. einerseits z. B. Ahtzehenden, Nib, 1402,1; ahtzehinden, ZwBR, 22v,4.6, 23r,1 u. ö.; Ahtzehen, Lieht, 1528,3; Ohtzehen, ULands, 22,5; ahtzehen, Augsb2, 18,4.23; UFreib2, 9,15, 10,18, 11,14 u. ö.; GnaÜ, 97,5; WüPo, 243va,25, 243vb,1 u. ö.; UNürnb, 14,8, 22,5; achtzen, Hleb, 4v,2; achtzen‫܅‬tem, UMainz, 1,3, 2,5, 3,4 u. ö.; andererseits ahzehen, PrMi, 26v,18; UFreib1, 17,4; achzenin, JMar, 61v,22; eyg zeẏn, UKöln2, 13,6. Dieser Unterschied, dem das MWB (1, 137) mit den Lemma-Ansätzen ahtzëhen und ahzec Rechnung trägt, ist möglicherweise darin begründet, dass man im Kompositum aht-ƶęhen die Eigenständigkeit des Erstglieds aht deutlicher empfand als in der Suffixbildung ahtƶic. Da der Löwenanteil der aht-Belege von aht-ƶęhen auf 114 entfällt (35 ‹t›-haltige gegenüber nur einer ‹t›-losen Form), scheint sich dies erst in spätmhd. Zeit stärker ausgeprägt zu haben.

N 23

Im *UrkCorp überwiegen demgegenüber nach WMU (1, 44f) nicht nur bei ahtƶic, sondern auch bei ahtƶęhen die Belege mit -hz-/ ​-chz- gegenüber denen mit -htz-/ ​-chtz. Eine umfassendere Untersuchung wäre daher wünschenswert. Lit.: Ahd.Gr.I, § 271 Anm. 4; EWA I, 121f; Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 576 Anm. 3; WMU 1, 38f. 1.4.2.6. ‚neun(-)‌‘ (niun, niunde, niunƶęhen, niunƶic)

In der Vokalschreibung dominiert in frmhd. Zeit noch ‹iu, iv›, z. B. bair. niune, HLit, 337; alem. nivne, Muri, 3v,13; schwäb. nivnde, ZwBR, 15v,9 u. ö.; selten md., im Korpus nur in SalH, wobei ‹iv› hier das unumgelautete /iu/ bezeichnen dürfte (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 44): nivn, 113,3.4.8; nivnde, 109,13. Schon in 212 kommen aber regionale Graphien auf, vor denen ‹iu, iv› in der Folge immer weiter zurückweicht (s. Abb. N 11). Nur bair. und alem.-bair. scheint ‹iu› sich besser zu halten: Jüngere bair. Korpus­ belege finden sich in Bart, Diet und Lieht, ostalem. in UAugsb1, UAugsb2 und Baum. ²12

i

‹iu›

‹ui, u, ‫›ܔ‬

‹eu›

‹u›

‹ů›

n

85

0

0

15

0

13 28

¹13

57

0

0

36

7

²13

10

73

1

6

9

78

¹14

11

27

18

21

23

56

Abb. N 11: Vokalgraphien bei niun, niunde, niunƶęhen, niunƶic in zeitlicher Entwicklung (Prozentzahlen kursiv)

N 24

666

VI. Numeralia

Die wichtigsten dieser regionalen Graphien sind (s. Abb. N 12): i

i

i

i

i

i

–– alem. ‹ui, u, ú, ‫›ܔ‬, z. B. ‹v› in Nvne, UFreib1, 2,4, Nvnzíg 2,13 u. ö.; ‹u› in nunzehen, i UFreib2, 18,2.21 u. ö.; ‹‫ ›ܔ‬in N‫ܔ‬nzíg, UFreib1, 14,16 u. ö. Ein Frühbeleg ist nune, r *PrFrBasel (alem., um 1200), 2 ,23. Davon zu trennen ist (seltenes) md. ‹ui, uy› mit anderer Funktion des nachgeschriebenen ‹i, y›, z. B. nuínne, UKöln1, 16,35; nuyn, *MU14, 491010,22; nuíní, MüRB, 6v,11. – Auch im *UrkCorp sind Formen mit ‹ui, i u, ú, ‫ ›ܔ‬fast ausschließlich alem., s. WMU 2, 1316ff. –– bair.(-ofrk.) ‹eu, ev›, ne‫ݑ‬n, Bart, 3ra,21; nevn, nevnden, ObEv, 56a,13, 54a,16; ofrk. neundē, GnaÜ, 89,20; Neun, UNürnb, 10,8, 27,14 u. ö. Bair. Frühbelege aus 212 oder um 1200 sind z. B. neun, *Gen, 1068; neunzich, *ArnoltSieb, 783; nevntzehente, *TegProgn, 1v,13. ‹eu› steht hier für das unumgelautete /iu/, da das umgelautete /ǖ/ < ahd. iü in *ArnoltSieb durch ‹u› oder ‹ǒ› (lute, lǒten, cruce, dute) und in *TegProgn durch ‹iv› (chiv‫܅‬che, vnchiv‫܅‬che) bezeichnet wird. – Auch im *UrkCorp sind Formen mit ‹eu, ev, ew, e‫ݑ‬, êv› u. ä. mit wenigen Ausnahmen bair., s. WMU 2, 1316ff. –– ‹u, v› ist in 212 noch obd. wie md. möglich, z. B. alem. nū, PrZü, 105vb,31; nvn, Muri, 3v,15; nun, *Ipocr, 46vb,25; ostschwäb. nvni, *FüssSprachpr, 58r,52.54; bair., *Frauengeheim, 79v,10; md. nvnzich, AlxS, 5552; nun, *Capsula, 1v,3.16; nun, nunzic, *TrSilv, 821; nvne, *LReisesegen, 186r,7. Später ist ‹u, v› weitgehend auf das Md. beschränkt. Obd. Belege sind selten, im Korpus nur Nvnzíg, UFreib1, 27,17. –– Ähnliches gilt für die md. Formen nůn(-)‌, n‫ݑ‬n(-)‌, z. B. nůnde, AlxS, 7059; nůn, PrMK, 1r,47. Weitere omd. Belege gibt es in JMar, MBeh, UJena, *PrLpz; rhfrk.hess. in PrM, UMainz; mfrk. in UKöln1, ferner z. B. in *WernhvN, *StatDtOrd, *KölnEidb. Obd. selten: z. B. nůn, *SüKlV, 200. nůne, nunte in *RolP (2329, 8054, 8112) werden eher den md. Anteilen von *RolP zugehören. – Zu obd. Formen mit ‹u, v, ů, ‫ ›ݑ‬im *UrkCorp s. WMU 2, 1316, 1318f, 1320. bair. alem.-bair. alem. mfrk. rhfrk.-hess.

i

‹iu›

‹ui, u, ‫›ܔ‬

‹eu›

‹u›

‹ů›

62

0

38

0

0

n 8

100

0

0

0

0

20

14

82

0

4

0

85

0

6

0

82

12

17

17

0

0

41,5

41,5

24

hess.-thür.

0

0

0

33

67

3

omd. (²13/ ​¹14)

0

10

0

10

80

10

ofrk.

0

0

100

0

0

8

Abb. N 12: Vokalgraphien bei niun, niunte, niunƶęhen, niunȥic in sprachgeographischer Verteilung (Prozentzahlen kursiv)

667

1. Kardinalzahlen e

e

e

Selten und sowohl md. als auch obd. erscheinen Formen mit ‹u, v›: Nun, UMainz, 11,11, e 21,4; nun, WüPo, 249rb,11, 251ra,6.8, 251rb,7. Zu den *UrkCorp-Belegen s. WMU 2, 1316f, 1319f. Anm. 1:  Von den verbleibenden Sonderformen stammen die g-haltigen aus nd.-md. Quellen und stellen sich zu mnd. nēgen (< nigun): nígonzog, RBib, 501; nigenzich, *RBibB, 501; nivgene, nivgethe, *RolA, 5895, 8054.

Lautgesetzlich wäre in der unflektierten Form das nicht umgelautete /iu/, in den flektierten Formen dagegen /ǖ/ aus umgelautetem ahd. iü zu erwarten (vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 44), also niun – nǖne (< ahd. niun bzw. niuni, s. Ahd.WB 6, 1288f). Inwieweit diese Unterscheidung im Mhd. fortlebt oder Ausgleich zugunsten einer der beiden Formen stattgefunden hat, bleibt offen, da die meisten Graphien sowohl für /ǖ/ als auch für /iu/ stehen können. Nur wo dies nicht der Fall ist, kann ggf. hinreichend sicher das nicht umgelautete /iu/ angenommen werden, so z. B. bei nivn, nivnde in SalH und bei neunzich in *ArnoltSieb und nevntzehente in *TegProgn (s. § N 24). Auch im Md. hatte unumgelautetes /iu/ sich teils zu einem öü- oder ou-Laut entwickelt, vgl. A. Bach (1930, § 88); daher Formen wie noun, VatG, 127r,16; nǒnen, *StatDtOrd, 33v,12; nonzehen, *MU14, 191019,27; zu naun (Mainz, 114) s. Steffens (2005, 217–219). In Formen von niunte und niunƶig(est) kann das wurzelschließende n schwinden: nůzeg, Erlös, 2402.

N 25

i

Zu *UrkCorp-Belegen s. WMU 2, 1318–1321; vgl. z. B. alem. nvdem Nr. 1064 (Freiburg i.Br. 1288) 372,10, Nvzig Nr. 3477 (Straßburg 1299) 561,27; bair. nevtem Nr. 3199 (Ebf von Salzburg 1299), Na‫ݑ‬zich Nr. 1427 (Linz a. d. Donau 1291) 631,2.

Zu weiteren urkundensprachlichen Varianten s. WMU 2, 1316ff. 1.4.2.7. ‚zehn‘ (ƶęhen, ƶęhende, -ƶęhen)

Obd. Regelform ist ƶęhen ‹zehen, cehen›. Für /ę/ steht ostschwäb. (Augsburg) auch ‹æ, ‫›ܓ‬: zæhen, StBA, 19ra,7.24 u. ö.; zæhende, 75ra,13; zæhenden, UAugsb1, 1,2, 2,2; z‫ܓ‬hen, 5,37, 6,36. Alem. und alem.-bair. selten auch ‹zehin›, z. B. cehinde, PrZü, 105vb,22; fivnfzehin, Muri, 4r,4; Cehinzic, WMEv, 64,6, 65,5; Sehzehin, Mart, 12,31. Gelegentlich auch md., z. B. zehinde, SalH, 109,17; zehínden, PrM, b3vb,8, ähnlich b3vb,19.21; zehínden, Hleb, 188v,21. Relativ selten findet sich obd. synkopiertes zehn, cehn, Iw, 260, 676, 755; sibenzehn, Nib, 1394,1; zehn, BKön, 2va,7, 3vb,3, 6ra,24 u. ö.; zehnden, 8ra,36; viertzeh‫ܒ‬, Rupr, 99,26. e -ęhe- ist im Mfrk. zu ie > ‫‹ ݔ‬i, ie, ı› kontrahiert und monophthongiert und später (213) > ē ‹e, ei, ey› gesenkt worden (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 80). So erklären sich Formen wie virzín, ‫܅‬ei‫܅‬zín, UKöln1, 2,15.24.25 u. ö.; cin, *Anno, 16,9, 17,1, 22,11; cinde, BuMi, e 72r,15; ziene, KuG, 12285; vůnfzien, UKöln1, 4,12, 5,12 u. ö.; dru-, ver-, fonfcı nde, BuMi, 81v,1, 86r,2, 91v,13; Sei‫܅‬zene, *KölnEidb, 1v,15; dr‫ݑ‬zeín, Brig, 5r,6; (-)‌zein, *KölnEidb, 1v,13; zein, -zeẏn, UKöln2, 5,16, 2,11, 4,26 u. ö. In seltenen Fällen, für die mfrk. ē < ‫ < ݔ‬ie

N 26

668

VI. Numeralia

nicht (oder noch nicht) in Frage kommt, könnte ‹ei› auch für einen aus ęhe durch h-Ausfall entstandenen Diphthong stehen, z. B. Zein, RhTun, 148; ‫܅‬e‫܅‬cein, *Anno, 41. Nd. Einfluss (‹ei› für mnd. ê4, s. Th. Klein 2003a, 216) dürfte vorliegen in: zêin, RBib, 646; teínde, zeín, *Tobias, 134, 136. Rhfrk.-hess. und omd. wurde -ęhe- zu ē kontrahiert (s. Paul, Mhd.Gr., § L 80), daher z. B. rhfrk.-hess. czendē, OxBR, 11r,8; drí-, vir-, fůnfzen, -tzen, UMainz, 11,10, 15,11, 16,5 u. ö., zenden 28,13.14; drícen, Hleb, 92v,23, 95v,21, zende 92v,23. – Omd. virzen, MüRB, 2v,11, 5v,23 u. ö.; tzen, zen, JMar, 3r,13, 14v,2; czen, BeEv, 115r,1.11.15 u. ö.; zcen, vierzcen, MBeh, 58v,7, 55r,6 u. ö. – Auch im Obd. können Formen wie zen gelegentlich begegnen, vor allem im Alem., wo zên bereits bei Notker bezeugt ist (Ahd.Gr.I, § 154 Anm. 8), vgl. alem. cên, cenen, cêne, *PrFrBasel, 2r,14.18.22; zen *UrkCorp Nr. 2607 e (Gf von Tübingen 1297) 33,13.  – Ofrk. drivzen, UNürnb, 1,25, 2,12, 3,12 u. ö. N 27

Für anl. /ƶ/ erscheint die spätmhd. Graphie ‹tz› statt ‹z, c› erst vereinzelt: tzen, JMar, 3r,13; tzehenden, LuKr, 252. Inlautend in den Zahlwörtern ‚dreizehn‘ bis ‚neunzehn‘ in 114 dagegen vor allem bair., ostschwäb., rhfrk.-hess. nicht selten, z.B viertzehen, Rupr, 10,27, 71,14, 78,41; Drevtzehen, ULands, 1,25, 2,25, 3,57; dritzehen, UAugsb2, 9,3.9.12; drítzen, Hleb, 98v,8; UMainz, 11,10, 20,12 u. ö.; virtzehen, GnaÜ, 107,8, UNürnb, 20,7; viertzehen, WüPo, 241rb,8; drítzehen, 242rb,10; drutzehen, 251va,8. ‹cz, zc› ist vornehmlich omd., vgl. z. B. czen, BeEv, 115r,1.11.15 u. ö.; czende, 125r,2; virzcen, MBeh, 55r,5.6.8; zcen, 58v,7, 234r,17;  – rhfrk. czendē (OxBR, 11r,8). Im *UrkCorp omd. Czehinde, czehende, czehen Nr. 222AB (Plauen 1274) 223,44, 224,9, 225,10; zcende Nr. N 407 (Erfurt UP 1289) 300,40.  – Bair. czehen *UrkCorp Nr. N 123AB (Kloster Schlägl UP 1274) 90,16.

Zu weiteren urkundensprachlichen Varianten s. WMU 3, 2479ff. 1.4.2.8. ‚elf‘ (ėinlif, ėinlifte) N 28

Die Form ėinlif, ėinliv- ‚elf‘ setzt ahd. einlif (Ahd.WB 3, 198) fort; zur Etymolgie und ursprünglichen Bedeutung s. EWA II, 1008–1011; Ross/ ​Berns (1992, 593f); Schuppener (1996, 32ff). Während ėinlif, -lef (bair., ostalem. auch ainlef, -lif) im Bair. und weithin auch im Alem. erhalten bleibt, ist ėinlif im Md. zunächst zu ėilif vereinfacht und später zu ėilf synkopiert worden, z. B. eilif, RhTun, 52; AlxS, 1977; VLilie, 43,2; JMar, 108r,20; eilifte, AlxS, 7061; ellif, JMar, 2r,8; elifte, BuMi, 73v,6.7; elftín, PrM, b3vb,10; Elf, UKöln2, 5,9.10; Eylf, UKöln2, 15,12.13; UMainz, 22,13, Eŷlf 19,5; eilften, Elis, 4694; eilfte, Erlös, 6651; vgl. schon eilf, eilfti, *Anno, 6,7, 17,3; eilf, *TrSilv, 620. Im Obd. stellen sich das Elsässische und wohl auch das Ofrk. zum Md., vgl. elfdim, LEnt, 55,2; eylften, Lupo, 1,39. Vereinzelt auch sonst obd., z. B. schwäb. ailphte, ZwBR, 16r,2; bair. (?) eilif, *VMos2, 75; alif, *RolP, 8184.

669

1. Kardinalzahlen

Im *UrkCorp kommt ‚elf(t)‘ nur in sechs md. Urkunden vor, die stets ėilf u. ä. bieten: eilf Nr. 962 (Dhaun UP 1288) 306,17; Nr. 1076 (Köln 1289) 377,34, Elf Nr. 1816 (Triptis 1293) 131,31; Eliph Nr. 941 (Kloster Hessen UP 1287) 296,44; eylfthalbin Nr. 222AB (Plauen 1274) 226,31.32.39.40). Von den übrigen 27 Belegen für eilf u. ä. entfallen 14 auf els. Urkunden: eilf in den Straßburger Urkunden Nr. N 141 (1276) 99,17; Nr. N 142 (1276) 100,12.20; Nr. N 184 (1280) 143,23; Nr. N 286 (1285) 222,32; Nr. N 444 (1290) 326,28; Nr. 3206 (Ehnheim 1299) 388,43.45, 389,10; eîlf Nr. N 534 (Straßburg 1292) 379,37; eilftehalben Nr. N 227 (Straßburg UP 1283) 173,41; eilif Nr. N 299 (Kloster Niedermünster A 1286) 229,31.33; eilef Nr. 910 (Rufach UP 1287) 269,5. einlif kommt dagegen nur in zwei els. Urkunden mit 4  Belegen vor: einlif Nr. 2941 (Gebweiler 1298) 230,1.3.4; Einliften Nr. 2980 (Kloster Murbach 1298) 252,26. – Von den verbleibenden 13 obd. eilf-Belegen sind 6 schwäb.: eilfw Nr. 1085 (Pforzheim 1289) 384,13; eilfiv Nr. N 388 (Pforzheim 1289) 289,22; Eilfthalp Nr. 519 (Augsburg UP 1282) 456,4; ailf Nr. 2274AB (Ulm 1295) 406,42.43; Eilif Nr. 680 (Waldeck 1284) 95,24;  – 3 hochalem.: eîlf Nr. 1046 (Zofingen A 1288) 360,28; eilftin Nr. 66 (Gfin von Rapperswil 1263) 103,2; eilif Nr. 305 (Hinwil 1277) 297,7;  – 3 ofrk.: eilf Nr. 2958 (Würzburg A 1298) 239,35; Eilue Nr. 29 (Öhringen 1253) 54,35, 56,15.  – Nur einmal bair.: ailve Nr. 536 (Bf Bruno v. Brixen A, Kg Rudolf [Hofgericht] 1282) 474,36.

Der Vokal des Zweitglieds -lif wird im Bair. teils schon im 12. Jh. zu -lef, -lev- abgeschwächt, z. B. ainlef, Kchr, 8494, *4267, *7233 u. ö.; Bart, 15va,18; Diet, 9733; einlef, Diet, 9799; Lieht, 905,1; ObEv, 34a,13; eínleftem, eínleften, Bart, 4vb,5; ObEv, 54b,43; sonst noch einleften, Parz, 820,18. Weitere bair. Frühbelege sind z. B. einlef, einleuen, *AvaLJ, 1948, 2112, 1275; einleuen, *ArnoltSieb, 406; einlef, einleue, *VMos2, 835, 821. Auch im *UrkCorp ist -lef ein vornehmlich bair. Kennzeichen: Von 26 -lef sind 20 bair., nämlich ainlef in Nr. 861, 2034, 2034, 2243, 2342 (2x), 2576, 2818, 2819, 2820, 3320, N 263, N 377, N 463, N 589, N 590, N 687; aynlef Nr. 1195; einleften Nr. 3; ainlefthalben Nr.  N 687; Ainleif Nr. 840 (Judenburg 1286) 192,15. Daneben nur 6-mal bair. -lif: einlif in Nr. 46; Einlive Nr. 801; ainlif Nr. 2337, 2418B, 3088; ainliftau‫܅‬ent Nr. 930. – -lef sonst 5-mal hochalem.: einlef Nr. 3278 (Zürich 1299) 434,10.11; Nr. 3334 (Zürich 1299) 470,5; einlefde 2825 (Zürich 1297) 163,38; Nr. 2950 (Klingen 1298) 235,4. – Einmal ofrk. einlef 2960 (Kloster Engelthal A 1298) 240,34. i

i

Im Alem. konnte -lif zu -lüf gerundet werden: einlvf, RWchr, 20957; eínluf, UFreib2, i 3,23, 18,7; eínluftehalben, 29,10. Auch im *UrkCorp sind alle Rundungsbelege mit einer Ausnahme alem., und zwar vornehmlich hochalem.: Nr. einlvf Nr. 1994 (Gf von Freiburg; Kloster Tennenbach UP 1294) 246,45; Nr. 2126 (Gfin von Rapperswil 1295) 319,4.6; Nr. 586 (Freiburg i.Br. 1283) 15,45; Nr. 828 (Freiburg i.Br. 1286) 183,9; einlǐf Nr. N 675 (Reinach 1295) 488,25; einlivf 488,14; einl‫ݐ‬f Nr. 3024 (Luzern 1298) 278,15; einlúf Nr. 893 (Kloster Tennenbach 1287) 254,15; Nr. N 675 (Reinach 1295) 488,40; Nr. 3513 (Zürich 1299) 587,17; ainlúf Nr. 2226 (Überlingen 1295) 373,36; ainl‫ݐ‬f i Nr. 746 (Konstanz 1285) 130,25; ainlvf Nr. 951 (Lindau um 1288) 302,9; einlvfte Nr. 3004 (Waldshut 1298) 266,27; Einlúfte Nr. 3092 (Zürich 1298) 324,41; einl‫ݐ‬ften Nr. 3024 (Luzern UP 1298) 278,27; einlúften Nr. 3038 (Kloster Fischingen 1298) 289,3; einlúfthalb Nr. 2483 (Eschenbach/ ​Kt. Luzern UP 1296) 535,30; einlvfthalp Nr. 1002 (Basel 1288) 331,16; Einlúftu‫܅‬ent Nr. 330 (Luzern 1277) 315,43; einlúftu‫܅‬ent Nr. 484 (Colmar 1281) 428,41.  – Außerhalb dieses e Raums nur ein bair. Beleg: einlvften Nr. 2968 (Kloster St. Georgenberg/ ​Tirol 1298) 244,28.

N 29

670

VI. Numeralia

In den flektierten Formen steht für f (< germ. *f) teils ‹v, u›, teils ‹f›, z. B. einleue, *VBalaam, 280; einlive, *KomputNotiz, 6; eilive, *FriedbChrist, 25,4; einlife, *Gen, 3255; ainleffen, Kchr, *15907; eilfen, BeEv, 65r,5. Vgl. auch WMU 1, 440. 1.4.2.9. ‚zwölf‘ (ƶwėlif, ƶwėlifte) N 30

Mhd. ƶwėl(i)f setzt ahd. ƶwėlif (Ahd.Gr.I, § 271) fort. Zur Etymologie und mutmaßlichen Ursprungsbedeutung ‚(zehn und) zwei übrig, überschüssig‘ vgl. Sommer (1951, 62f); Ross/ ​Berns (1992, 596f); EWA II, 1010; Schuppener (1996, 32ff, 58ff, 109ff). Neben dem weit vorherrschenden Anlaut zw- erscheinen im Korpus zv-, zu- gelegentlich noch bis 113: zveilf, BaGB, 137,28; zuelif, Phys, 137 v,5; zuelf, Wind, 59,2; zvelph, PrZü, 113ra,5; zvelif, zuelif, RhMl, 4573, 4574, 4575 u. ö.; zvelf, GRud, 28,12; zvelif, AlxS, 255, 2026, 5271 u. ö. Später nur vereinzelt: zueliph, zuelph, MüRB, 24r,13.25; zuelf, ­UNürnb, 5,7. Von den etwa 70 *UrkCorp-Belegen mit zv-/ ​zu-Anlaut sind mehr als zwei Drittel wobd., relativ viele auch wmd. und nur vergleichsweise wenige bair.: zvelf hochalem. z. B. Nr. 88 (Zürich A 1265) 131,2; Nr. 92 (Zürich 1265) 132,41, 133,1; Nr. 1028 (Rheinfelden 1288) 350,13; oberrhein. z. B. zvelf Nr. 152 (Freiburg i.Br. 1271) 186,18; Nr. N 83 (Bf von Straßburg UP 1267) 58,36; Nr. 3360 (Colmar UP 1299) 484,9; Nr. 189 (Basel A 1272) 205,24; zuelf Nr. 2433 (Hren von Lichtenberg A 1296) 505,18; zveilf Nr. 206 (Gengenbach UP 1273) 215,12; Nr. 834B (Villingen 1286) 187,5; schwäb. z. B. zvelf Nr. 1493 (Mengen 1291) 673,17; Nr. 1624 (Kloster Weiler 1292) 758,2; Nr. 2249 (Höfingen 1295) 391,26, 393,3; Nr. 3063 (Kloster Heiligkreuztal UP 1298) 310,23; Nr. N 210 (Augsburg UP 1282) 162,31.  – Rip. zveilf Nr. 380 (Stadt Köln A 1279) 352,14.19; Nr. 3469 (Stadt Köln A, Gf Wilhelm von Berg UP 1299) 553,2.3.37; Nr. 3470 (Gf Wilhelm von Berg A, Stadt Köln UP 1299) 555,42.45; zueilf, 556,30.  – Moselfrk.-alem. zuelf Nr. 904 (Gf von Veldenz S 1287) 264,22. – Rhfrk. zueilfhundirt Nr. 3165 (Gfen von Sponheim 1299) 363,38, 364,21.35.  – Bair. zvelfboten Nr. 2630 (Windisch-Feistritz A, Kloster Studenitz UP 1297) 44,44, zuelf Nr. N 639 (Wien 1294) 462,34, zvelf 463,11; Nr. 470 (Wien 1281) 406,26; Nr. 1485 (Mailberg UP 1291) 668,29.33; Nr. N 646 (Bergau 1294) 467,13; Nr. 1096 (Schloss Tirol 1289) 391,9.

Formen mit Sprossvokal zwischen /ƶ/ und /w/ bietet das Korpus nur selten, vornehmlich aus frmhd. Quellen: zeuuelften, WNot, 19ra,3; zewelfe, zeuvêlfe, Spec, 10r,22.23; zewelf botin, 79r,22; zewelf potin, *47 v,1; zivvef, zivvelf, LEnt, 3,1, 52,3. Später noch ze‑ welf, RWchr, 32349; Zvwilf, Erlös, 5915. Vgl. korpusextern auch zewelf, Kchr, *7328, *16067; *ArnoltSieb, 412; *FranzRegel, 4vb,3; zewelfe, Kchr, *4947; zuweluen, *RubrA, 295r,6; zewelf poten, *AvaLJ, 762; zewelf boton, *AugustReg, 24a,7. Im *UrkCorp sind abgesehen von 3 bair. alle etwa 75  Belege alem., und zwar zur Hälfte hochalem. und zu etwa einem Viertel bzw. Fünftel ndalem. und schwäb., z. B. hochalem. zewelf Nr. 2069 (Beromünster 1294) 288,25; Nr. 2142 (Schaffhausen 1295) 329,3; Nr. 2209 (Zürich A 1295) 364,36; Nr. 2210 (Zürich A 1295) 365,5; Nr. 2749 (Beromünster 1297) 116,14; Nr. N 675 (Reinach UP 1295) 486,15; zewelfbotton Nr. 825 (Zofingen 1286) 182,5; zivelf Nr. 2314 (Brugg 1296) 432,7; ziwelf Nr. 126 (Klingnau 1269) 167,16; zuwelfhundurt Nr. 1250 (Waldshut 1290) 496,8; z‫ݐ‬welf Nr. 1284 (Winterthur 1290) 528,14; Nr. 2029 (Oberdürnten 1294) 265,38. – Bodenseeraum: zewelf z. B. Nr. 104 (Konstanz 1267) 152,15; Nr. 584 (Konstanz 1283) 14,22;

1. Kardinalzahlen

671

Nr. 924 (Konstanz 1287) 278,45; Nr. 1045 (Konstanz 1288) 359,37; Nr. 1601 (Mainau 1292) 739,14; Nr. 2226 (Überlingen A 1295) 374,5; Nr. 2151 (Lindau A 1295) 333,26; zewelphehúnderte Nr. 3421 (Lindau A, Konstanz UP 1299) 520,22.  – Oberrhein. zewelf z. B. Nr. 341 (Landser 1278) 322,16; Nr. 642A (Freiburg i.Br. 1284) 68,28; Nr. 794 (Endingen 1286) 160,42; Nr. 2595 (Freiburg i.Br. 1297) 19,39; Nr. 2779 (Basel 1297) 132,6; zewelften Nr. 775 (Gebweiler A, Kloster Murbach UP 1286) 148,37; Nr. 632 (Basel 1284) 62,39; zewelif Nr. N 584 (Gf von Pfirt A 1293) 420,22, zuwelf Nr. N 707 (Bf von Straßburg UP 1295) 511,17.  – Schwäb. zewelf z. B. Nr. 603 (Kloster Kirchheim a.Ries UP 1283),7; Nr. 1929 (Kloster Roggenburg UP + Bf von Augsburg UP 1294) 198,25; Nr. 2068 (Mkgf von Burgau A 1294) 287,44; Nr. 3495 (Mengen 1299) 574,27; zewelfboten Nr. 603 (Kloster Kirchheim a.Ries UP 1283) 29,25; ziwelf Nr.  N 739 (Kaufbeuren UP 1295) 533,8; ziwelph Nr. 2951 (Ulm 1298) 235,25; Nr. 2951 (Ulm 1298) 235,32; Nr. 3265 (Wernau 1299) 427,13; zuwelhundert Nr. 3538 (Kloster Offenhausen UP 1299) 599,26. – Bair. (Niederösterr.) zewelf Nr. 2292 (Hr von Wallsee UP 1295) 419,34.36; Nr. N 602 (Kloster Altenburg 1293) 437,2.  – Zu weiteren Sonderschreibungen des Anlauts wie cw-, sqw-, schv-, alem. sw- s. WMU 3, 2540.

Die Form ƶwėil(i)f, die sich wohl durch Angleichung an die Zahlwörter ƶwėi, ƶwėinƶic erklärt, ist im Korpus abgesehen von zveilf (BaGB, 137,28) nur in Kölner Urkunden belegt: zweilf, UKöln1, 1,23, 9,4, 12,5. Im *UrkCorp stammen alle über 120  Belege für zweilf (zveilf, zueilf, zweilft, zweilfbotten) einerseits aus oberrhein./ ​ndalem. (ca. 74%) und hochalem. (ca. 9%) Urkunden, andererseits aus wmd., zumeist rip. Urkunden (ca. 17%); s. auch WMU 3, 2540.

Im Wmd. und Alem. konnte ƶwėlif bereits in mhd. Zeit zu ƶwöl(i)f gerundet werden (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 24, L 29): rhfrk.-hess. zwolf, SalH, 66,13, 102,9; Elis, 328; zvolf‑ bode, zvolfboten, Himlf, 882, 1457; moselfrk. zuoilften, zuolf[t]en, Yol, 5637, 5728. Im *UrkCorp ist zwolf u. ä. alem. und wmd. bezeugt. Die alem. Belege sind weit überwiegend oberrhein. mit einem Belegschwerpunkt in Basel: zwolf Nr. 465AB (1281) 402,16; Nr. 489 (1281) 431,11; Nr. 512 (1282) 451,44; Nr. 571 (1283) 6,19; Nr. 591 (1283) 18,3; Nr. 714 (1285) 113,43; Nr. 797 (1286) 164,33; Nr. 896 (1287) 256,25; Nr. 908 (1287) 267,37; Nr. 956 (1288) 304,5; Nr. 1093 (1289) 390,13; Nr. 1292 (1290) 533,8; Nr. 1365 (1291) 588,6; Nr. 1470 (1291) 658,9; Nr. 1471 (1291) 658,29; Nr. 1557 (1292) 713,29; Nr. 2052 (1294) 279,28; els. zwolf 816 (Hagenau 1286) 176,16; Nr. 1440 (Wasigenstein A 1291) 641,15; Nr. 2130 (Colmar 1295) 322,20; Nr. N 517 (Hagenau A 1292) 371,9, N 612 (Haslach i.Breuschtal 1293) 442,15, N 652 (Ramstein UP 1294) 471,13; zwolften N 752 (Bf von Straßburg A 1296) 547,10; zwolhundert N 752 (Bf von Straßburg A 1296) 547,11; cwolfhundirt Nr. N 809 (Gf von Pfirt S 1292) 578,31; zwolef Nr. 765 (Kloster Frauenalb/ ​Baden UP 1285) 144,35; hierher auch zwôlf in der alem. geprägten Urkunde Nr.  N 427 (Heimbach/ ​Pfalz UP 1290) 317,18.  – Hochalem. zwolf Nr. 2168 (Tegerfelden/ ​ Kt.Aargau 1295) 341,23.  – Schwäb. zwolf Nr. 1894 (Kloster Kirchberg 1294) 175,32; Nr. 2657 (Haigerloch 1297) 59,25; Nr. 296 (Achalm 1276) 292,28; zwoilf Nr. 1424 (Landau 1291) 629,34; Nr. N 473 (Pfullendorf A, Kloster Wald UP 1290) 341,40. – Moselfrk. zwolf Nr. 2262 (Kloster Rommersdorf UP 1295) 399,14; moselfrk.-rhfrk. Nr. N 631 (Gf von Zweibrücken UP 1294) 457,33.  – (S)rhfrk. Nr. 3438 (Worms 1299) 530,42; Nr. 3568 (Weinheim a. d. Bergstraße UP) 613,6; Nr. 1935 (Gf Walram von Zweibrücken A 1294) 200,36, N 279 (Dahn A 1285) 219,13; zwolif Nr. 941 (Kloster Hessen UP 1287) 296,43.

N 31

672 N 32

VI. Numeralia

Das Zweitglied -lif, -liv- erscheint zumeist synkopiert: ƶwėlf, ƶwėlv-. Im Korpus beträgt der Anteil synkopierter Formen ca. 92%. Insbesondere im Obd. sind sie ab 113 die kaum durchbrochene Regel, während in frmhd. Zeit noch nicht synkopierte Formen vorkommen, in denen /i/ teils zu /e/ abgeschwächt ist: zuelif, Phys, 137 v,5; zweleve, zwelephpoten, PrZü, 113ra,10, 113va,32. Vgl. auch zuelife, *Gen, 4312; zvelef, *VBalaam, 138; zweleue, *Exod, 1169; zvelefe, *VMos2, 967; zweleue, Kchr, *2566; zvelef, zvelefe, *VMos3, 966, 1222; zuelefpoten, *ArnoltSieb, 231. Später noch vereinzelt zwelif, GnaÜ, 111,5; zwelifbotē, *NonGebBuch, 24r,3, 77 v,4; zwelif potē, zwelif poten, *KlostEvang, 296r,16.22.28 u. ö. Im Md. hält sich nicht synkopiertes -lif, zumal in der unflektierten Form, vor allem mfrk. teils besser, so zvelif, zuelif, RhMl, 4573, 4574, 4575 u. ö., nur einmal zuelff, 4619. Vgl. auch zuelevin, *Anno, 21,7; zwolif, *MU14, 250808, 9, 22; 280707, 279; zwoilif, 250808, 20; hess.-thür. zvelif, AlxS, 255, 2026, 5271 u. ö., Zilif, 1091; zvelif, *Glaub, 370; twelif, zwelifbotin, *HLitS, 570, 551; thür. zueliph, MüRB, 24r,13; rhfrk. zwelif, *PrMH2, 2r,28. Im *UrkCorp machen die nicht synkopierten Formen lediglich etwa 6% aller Belege aus. Drei Viertel dieser Belege entstammen bair. Urkunden, z. B. zwelif Nr. 1122 (Landshut UP 1289) 411,5; Nr. 1247 (Salzburg UP 1290) 494,38; Nr. 1274AB (Freising 1290) 515,20.23, 517,42.44, 518,5.7; Nr. 1312B (Kloster Rohr 1290) 555,15.42; Nr. 1322 (Kloster Zwettl 1290) 562,33; Nr. 1574 (Oberdrauburg a. d. Drau 1292) 722,24 usw. – Relativ häufig auch ofrk., z. B. zwelif Nr. 1602 (Bamberg A 1292) 739,23.30; Nr. 3131 (Bf von Bamberg A 1298) 346,41; zweliftem Nr. 1235 (Giech 1290) 489,38; zwelifboten Nr. 1773 (Bamberg 1293) 77,2.14; Nr. 2293 (Bamberg A + Schr. 1295) 420,45; Nr. 3130 (Bf von Bamberg UP + Schr. 1298) 346,14.  – Die alem. Belege finden sich mehrheitlich in oberrhein. Urkunden, insbesondere in solchen mit Kloster Niedermünster als Urkundspartei: zvelif N 306 (Kloster Ittenweiler A, Kloster Niedermünster UP 1286) 234,1; Nr. N 817 (Kloster Niedermünster UP) 584,42; Nr. N 818 (Kloster Niedermünster UP) 586,14.21; Nr. N 818 (Kloster Niedermünster UP) 586,21.24; zveilif Nr.  N 821 (Kloster Niedermünster UP nach 1284) 588,20; ferner zwelif Nr. 2257 (Zellweiler UP 1295) 396,42; zweilif Nr. 795B (Kg Rudolf A, Basel UP 1286) 163,25; zweillif Nr. 1256 (Basel 1290) 499,42. – Ostschwäb. zwelif Nr. 2943 (Kloster Niederschönenfeld UP 1298) 231,20. – Md.-nd. zwelif Nr. 51 (Magdeburg 1261) 81,35; Nr. 606 (Breslau 1283) 34,5.  – Rhfrk. Nr. 3067 (Kloster Limburg A, Naumburg UP 1298) 312,5; srhfrk. zwolif Nr. 941 (Kloster Hessen UP 1287) 296,43. – Nur vereinzelt erscheint statt -lif abgeschwächtes -lef: alem. zwolef Nr. 765 (Kloster Frauenalb UP 1285) 144,35; zvelef Nr. 1442 (Mkgf von Burgau A 1291) 642,13.  – Bair. zwelef Nr. 2598 (Klosterneuburg 1297) 28,4.  – Rhfrk.-ofrk. zuuelefe Nr. 504 (Bf von Würzburg UP, Oppenheim 1282) 446,17.  – Md.-nd. zweleften Nr. 51 (Magdeburg 1261) 79,5.

Für den Frikativ f1 erscheint in der Regel im Auslaut ‹f›, im Inlaut ‹v, u› ~ ‹f›. Selten ist auslautend ‹ph›, z. B. zwelph, zvelph, PrZü, 109va,17, 113ra,6, 113rb,5, 113ra,5; zwelephpo‑ ten, PrZü,113va,32; zueliph, zuelph, MüRB, 24r,13.25. Im *UrkCorp sind die Belege mit ‹ph› alem., s. WMU 3, 2540. Die verkürzten Formen zwel, zwol sind nur vereinzelt bezeugt: zwelhvndírt, ­UFreib1, 35,27; zwelbode, Elis, 834. Vgl. auch zwel‫܅‬tunt [zwelif ‫܅‬tunt W], *MillPhys, 52,3; zwol jar, *MU14, 240401, 20.

673

1. Kardinalzahlen

Im *UrkCorp stammen die wenigen Belege aus alem. Urkunden: zwel pfenninge Nr. 248B (Freiburg i.Br. 1275) 255,45; zwel hundert Nr. 1127 (Rottweil UP 1289) 416,27; Nr. 2325 (Teningen 1296) 440,22; Nr. 2434 (Hundersingen 1296) 505,30; Nr. 3294 (Rottweil 1299) 447,13; Nr. 2841 (Kloster Hohenrain 1297) 174,28; zweilhundert Nr. N 813 (Colmar A 1299) 581,12; zwolhundert Nr. N 752 (Bf von Straßburg A 1296) 547,11.

Zu den genannten und weiteren Urkundenformen vgl. WMU 3, 2540–2542. 1.4.2.10. ‚dreizehn‘ bis ‚neunzehn‘

Die Zahlwörter von ‚dreizehn‘ bis ‚neunzehn‘ werden wie im Nhd. durch die Verbindung der Einer-Kardinalzahl mit ƶęhen gebildet: drīƶęhen, vierƶęhen, vünfƶęhen usw. Zu ‚sechzehn‘ s. § N 18, zu ‚achtzehn‘ s. § N 23. Bei ‚dreizehn‘ konkurrieren drīƶęhen und driuƶęhen, vgl. driu ‚drei‘ Nom./ ​Akk. Pl.Neutr. Über die Verteilung beider Varianten lässt die Beleglage im Korpus keine sicheren Schlüsse zu: Von 153 Belegen stammen 143 erst aus 114, von diesen wiederum 127 aus Urkundenstrecken, in denen driuƶęhen klar vorherrscht: drīƶęhen

driuƶęhen

n

ULands

0

0%

23

100%

23

UAugsb2

6

22%

21

78%

27

UFreib2

6

17%

30

83%

36

UKöln2

1

33%

2

67%

3

UNürnb

0

0%

38

100%

38

13

10%

114

90%

127

Abb. N 13: ‚dreizehn‘ in Urkundenstrecken aus 114

Vgl. z. B. Drevtzehen, ULands, 1,25, 2,25, 3,57 u. ö.; Drívzehen, Driuzehen, UAugsb2, i 1,22, 2,8, 3,26 u. ö.; dritzehen, 9,3.9.12.20.23.26; druzehen, UFreib2, 1,21, 2,13, 3,22 u. ö.; e drízehen, 3,4, 12,5 u. ö.; drivzen, UNürnb, 1,25, 2,12, 3,12 u. ö. Von den verbleibenden 16 Belegen aus 114 entfallen 13 auf rhfrk.-hess. Quellen, die durchgängig drīƶęhen bieten: drícehē, drícehenden, Hleb, 4v,3, 15v,1; drícen, 92v,23, 95v,21; drítzen, 98v,8; dricenden, 98r,23; dritzende, 187r,2, drítzen, UMainz, 11,10, 20,12, 21,11, 24,22, 25,29; drizehende, Erlös, 6659; drizehíndime, PrM, b3vb,16. Vgl. auch drizehen, *Klagschrift, 1r,32; Drizehene, drizehende, *Herb, 3384. Demnach dürfte für das Rhfrk.-Hess. drīƶęhen feststehen. Dies ist auch für das Omd. anzunehmen, wenngleich das Korpus nur zwei Belege bietet: drizendí, MüRB, 6v,11; dricen, JMar, 2r,13. Vgl. auch Drizehin, *ChristhChr, 12003. Auch das *UrkCorp belegt omd. nur drīƶęhen-Formen: dritzen Nr. 222AB (Plauen i. Vogtland 1274) 225,27, 226,16.26.36, 226,18.28; dritzenhalbir, 225,22; drytzen, 224,46, 225,3, 226,9;

N 33

674

VI. Numeralia

dryzende Nr. N 407 (Erfurt UP 1289) 300,19; dryzendehalb, 301,8; drycendehalbir, 301,9; drycendehalbe, 301,11. In der stark bair. beeinflussten Urkunde Nr. 2435 (Naumburg a. d. Saale 1296) steht neben drizehen 506,30 auch driuzehen 506,19.

Im Mfrk. war dagegen driuƶęhen Regelform, vgl. dr‫ݑ‬zeín, Brig, 5r,6; Drůzindeme, e e Druzínde, UKöln1, 11,19, 16,36; drucı nde, BuMi, 81v,1; druzíen, *WildM, II, 232; druze­ hen, *StatDtOrd, 16r,13; druzein, drůzein, *KölnEidb, 1v,13, 6r,5. Auch in *MU14 und *Stein stehen durchaus driuƶęhen-Formen, z. B. Drucein, Drůzin (*MU14, 010210/ ​1, 32, 010210/ ​2, 36, 011220/ ​1, 44, 011220/ ​2, 51 u. ö.), druzein (*Stein, I 4,27 [1321], 20,20 [1326], 27,12 [1341], II 12,11 [1343]). Für das Obd. bietet das *UrkCorp ein deutlich anderes Bild als das Korpus (für 114). Hier überwiegt drīƶęhen in allen obd. Sprachlandschaften. Daneben hat aber auch driuƶęhen vor allem in bair. und ofrk. Urkunden einen Anteil von etwa 40%, während er für das Alem. unter 30% liegt: drīƶęhen alem.

driuƶęhen

n

30

75%

10

25%

40

4

57%

3

43%

7

bair.

15

60%

10

40%

25

ofrk.

3

60%

2

40%

5

schwäb.

Abb. N 14: ‚dreizehn‘ in den obd. Urkunden des *UrkCorp (Nieder-, Hoch-, Höchst-)Alem. drizehen, dricehen, drizehend- in *UrkCorp Nr. 27, 36, 207, 382, 386, 612, 735, 769, 783, 816, 1293, 1431, 1655, 1767, 2655, 2736, 2779, 2862, 3030, 3206, 3500, N 197, N 244, N 271  – dr‫ݐ‬zechen Nr. 1167 (Zürich 1289) 447,29; dr‫ݐ‬zehin Nr. 1169 (Freiburg i.Br. UP 1289) 449,6; Dr‫ݐ‬zehen Nr. 1560 (Zürich 1292) 714,28; Drúzehen Nr. 2175 (Falkenstein A 1295) 346,32; Nr. 2841 (Kloster Hohenrain 1297) 174,18; drúzehen Nr. N 583 (Breisach A, Kloster Pairis UP 1293) 420,9; druzen Nr. 3216 (Straßburg UP 1299) 394,12; drivzehin Nr. N 284 (Schönau UP 1285) 221,33; drivzehen Nr. N 675 (Reinach UP 1295) 489,10; drvzehen Nr. N 815 (Horburg UP) 582,11. Schwäb. dreizehenti‫܅‬tem Nr. 787 (Augsburg 1286) 157,5; Dricendehalben Nr. 1116 (Esslingen 1289) 406,19; drizehendhalb Nr. 601 (Augsburg A 1283) 24,22; drizehenthalb Nr. 1910 (Donauwörth 1294) 183,39. – drivzehen Nr. 3161 (Metzingen 1299) 362,22; Nr. 3162 (Metzingen 1299) 362,33; druizenhen Nr. 745 (Dornstetten A, Gfen von Fürstenberg UP 1285) 130,6. Bair. drizehenden Nr. 3 (Hr von Liechtenstein A? 1227) 5,27; dricehendem Nr. 216 (Bf von Freising UP 1274) 220,12; dritzehen Nr. 1410 (Wien 1291) 618,40; Nr. N 455 (Passeier 1290) 332,10; drizehent Nr. N 300 (Barbian 1286) 230,5; drîzehendhalber Nr. 3545 (Hren von Wallsee UP + Hr von Kuenring UP 1299) 602,32; dreizehen Nr. 1635 (Hren von Falkenberg A 1292) 765,4; Nr. 1944 (Regensburg 1294) 205,1; Nr. 3527 (Regensburg UP 1299) 594,18; dreizehen Nr. N 377 (Rothengrub A 1288) 283,19; Nr. N 551 (Hren von Falkenberg A, Kloster Minnebach UP 1292) 401,13; dreitzen Nr. 3340 (Kloster St. Bernhard UP 1299) 473,30; dreicehenthalb Nr. 2187 (Kloster Seckau UP 1295) 352,36; dreizehenden Nr. 351 (Gries 1278) 331,4; dreizenhenden Nr. 593 (Geiselmannsdorf 1283) 19,7; dreitzhen Nr. N 687 (Wien 1295) 497,21; dreizenhenthalben Nr. N 687 (Wien 1295) 497,34.  – drivzehen Nr. 2076 (Kloster Göttweig 1294) 294,28; Nr. 3041 (Metnitz 1298) 291,3; drîvzehn Nr. 1896 (Hren von Wallsee A 1294)

675

1. Kardinalzahlen e

176,21; drivtzehen Nr. 3257 (Matrei a.Brenner 1299) 422,36; dreutzehen Nr. 1668 (Inzersdorf a. d. Traisen A 1293) 5,28; Nr. N 698 (Eggendorf i. Thale 1295) 504,30; Drevtzehen Nr. 1253 (Sulz 1290) 497,18; drevzehen Nr. 2551 (Kloster Niederalteich UP 1296) 575,26; Nr. 3302 (Fr. von Ebersdorf UP 1299) 451,34; drevzehendhalp Nr. N 458 (Klausen 1290) 333,20. Ofrk. drizehen Nr. 258 (Rothenburg o.d.Tauber 1275) 269,44; Nr. 909 (Nordenberg A 1287) 268,4.10. – drivzehen Nr. 2502 (Eschenbach UP 1296) 546,28; Drvzehen Nr. 3044 (Bamberg UP + Schr. 1298) 293,13. 1.4.2.11. ‚zwanzig‘ bis ‚neunzig‘

Diese Zahlwörter werden durch die Verbindung der Einer-Kardinalzahl mit dem ursprünglich selbständigen Dekadenwort ƶig gebildet (s. EWA I, 125f; Kluge/ ​Seebold, EWB, s. v. -zig; Ross/ ​Berns 1992, 602ff; Sommer 1951, 48ff; Rosenfeld 1956/ ​57; Frings 1962, 5ff; Wilmanns, Dt.Gr.II, § 435): vier-ƶic, vünf-ƶic, siben-ƶic, niun-ƶic. Zu sęhƶic s. § N 18; zu aht- ~ ah- bei ahtƶic, ahtƶęhen s. § N 23. Bei den übrigen Zehnerzahlen gibt es folgende Besonderheiten:

N 34

‚zwanzig‘ Bei ƶwėinƶic ‚zwanzig‘ ist vor allem im Md. und Alem. ein Trend zur Mono­ phthongierung von /ėi/ > /ē/ ‹e› beobachtbar: Die relative Häufigkeit der Formen mit ‹e› wie zwenzic beträgt hier 85–100% (s. Abb. N 15). Abgesehen von den Sonderfällen ƶwėinƶic und bėide beträgt der Anteil von ‹e›-Schreibungen für /ėi/ im Korpus ansonsten im Mfrk. und Omd. nur unter 2,5% und im Alem. nur wenig mehr als 1%. Der hohe Anteil von ‹e› bei ƶwėinȥic erweist also eine  – wenn auch regional beschränkte – lexemspezifische Monophthongierung. Selbst im Bair. gibt es schon früh Formen mit ‹e›: zuenzich, *Gen, 2935; zuenzech, Kchr, *3518, *13648, *16048; zwenzec, *10617, *16243; zuenzigo‫܅‬timo, *ÄPhys, 32r,22.

N 35

‹ei›

‹ai›

‹e›

n

0

0

0

0

100

0

0

3

76

24

0

21

3

97

0

29

alem.

14

0

86

29

wmd.

0

0

100

29

hess.-thür.

0

0

100

9

omd. (²13/ ​¹14)

13

0

87

15

ofrk.

78

11

11

9

obd. ²11/ ​¹12 Iw, Nib, Parz, Tris bair. alem.-bair.

Abb. N 15: Die Häufigkeit von ‹ei›-, ‹ai›- und ‹e›-Graphien bei ƶwėinƶig (Prozentzahlen kursiv)

676

VI. Numeralia

Im *UrkCorp sind die Formen mit ‹e› gleichfalls vor allem wobd. und md., nur selten bair.: Der Anteil von ‹e›-Formen beträgt in den wobd. Urkunden mehr als die Hälfte, in den md. Urkunden mehr als 80%, in den bair. weniger als 5%. N 36

‚dreißig‘ Bei ‚dreißig‘ ist in der Regel drīȥic mit Frikativ /ȥ/ anzunehmen. Dies äußert sich insbesondere in den obd. Graphien ‹zz› und ‹‫( ›܅܅‬s. auch WMU 1, 403). ‹zz› beschränkt sich im Korpus auf obd. Formen von ‚dreißig‘, vgl. z. B. drizzig, BaGB, 137,21; drizzich, Mar, 4375; drizzic, Luci, b1r,19; BKön, 1va,15; ‹‫ ›܅܅‬vor allem in Freiburger und Augsburger Urkunden, z. B. dri‫܅܅‬íg, drí‫܅܅‬íg, UFreib1, 2,4, 18,11, 21,4 u. ö.; UFreib2 ,1,4.5, 8,10 u. ö.; Dri‫܅܅‬igo‫܅‬ten, -em, UAugsb2, 2,8, 3,26, 4,35 u. ö.; dry‫܅܅‬ich, Taul, 12r,19. Vgl. auch dri‫܅܅‬ich, *KölnEidb, 1v,11; dri‫܅܅‬íge‫܅‬tem, Hleb, *201v,22. Im *UrkCorp ist ‹zz› selten auch bei anderen -ƶic-Zahlen zu finden, s. WMU 2, 1321, 1546, 1567; 3, 2157, 2278, 2538; z. B. bair. zwainzzich Nr. 1908 (St. Peter i. d. Au 1294) 182,32.34.36; zweinzzicke Nr. 907 (Kloster Altenhohenau UP 1287) 267,18; nivnzzich Nr. 2119 (München UP 1295) 316,15; alem. Nr. 1453C (St. Gallen 1291) 650,44. Vereinzelt auch ‹tzz›, z. B. zwaintzzeck *UrkCorp Nr. 1288 (Augsburg UP 1290) 530,28.

Schon ahd. gab es daneben offenbar Formen mit Affrikata /ƶ/ (Ahd.WB 2, 671; Ahd. Gr.I, § 273 Anm. 2). Sie setzen sich auch im Mhd. fort. Dafür sprechen vor allem die Graphien ‹c›, ‹tz› und wohl auch ‹cz›, vgl. dricich, AlxS, 4047a; dricic, *Aneg, 1653, 2239; driczech, *RolP, 2323. Auch das *UrkCorp bietet hierfür einige bair. und ostschwäb. Belege: dreitzich Nr. 1584 (Kloster Herrenchiemsee UP 1292) 727,20; dritzech Nr. 2118 (Kloster Altenhohenau UP 1295) 315,33. – Ostschwäb. drietzeck Nr. 2365 (Augsburg UP 1296) 470,14. Vgl. auch dritzzk Nr. 475B (Regensburg 1281) 412,21; Dreiztzig Nr. 3219 (Bf von Regensburg 1299) 395,34.42; dreîztzig, 395,38; Dreiztig, 395,44. N 37

Varianten von -ƶic Für den Anlaut /ƶ/ erscheint gewöhnlich ‹z›, selten ‹tz› und noch seltener ‹c›. ‹tz› zumeist erst in 114, vgl. z. B. ‫܅‬ibentzich, Rupr, 44,33, 92,2 u. ö.; zwaíntzikch, ULands, 6,12, 7,7; viertzich-, 12,13, 13,25 u. ö.; zwaintzig, UAugsb2, 8,17, 13,13; veirtzich, Taul, 5r,1, 12r,19; zwentzíg, UMainz, 20,8; virtzig, GnaÜ, 7,17. Vorher im Korpus nur ‫܅‬ibintzic, Spec, 34r,4.6, 36r,11; zwentzc, zwentzich, JMar, 1v,12, 2r,9. Vgl. auch viertzich, *AvaLJ, 472; ‫܅‬ibentzich, 610.  – Die ‹c›-Schreibungen finden sich umgekehrt vornehmlich in älteren Quellen (bis 113), z. B. fuinficic, Kchr, 666; uiercich, HLit, 721; cehincig, PrZü, 114rb,7; zvencich, AlxS, 2000, 5509; uercich, RhMl, 653; ‫܅‬ibincic, PrMK, 7r,41. Später im Korpus nur noch ‫܅‬echcigin, JMar, 8v,9; zwencig, 10v,1. Nur sehr selten noch scheint sich /u/ (> /o/) von ahd. -zug fortzusetzen, und zwar vornehmlich in älteren md. Quellen: thrizog, nígonzog, RBib, 485, 501; zehin zoch, ‫܅‬ibenzoch, *VAlex, 455, 1427; ‫܅‬ibenzog, *Anno, 10,13; wnfzvc, cehen zvc, virzvc, vircug,

677

1. Kardinalzahlen

*FriedbChrist, 24,10, 25,1. – Ofrk. ‫܅‬é‫܅‬zoch, áhzoch, zéhenzog, Will, 15r,17, 36r,29, 55v,18. – Bair. uierzog, *BenedGlB I, 107 v,34. Die vereinzelten *UrkCorp-Belege sind gleichfalls md.: mfrk. vírcoh Nr. 9 (Thurandt 1248) 23,22; rhfrk. nůnzoch Nr. 2748 (Gf Friedrich von Leiningen A 1297) 115,32. Anm. 1:  Beiseite zu lassen sind wohl alem. Belege aus Urkunden, in denen auch sonst oft ‹u› für Schwa jedweder Herkunft steht: zuwenzug, Núnzug *UrkCorp Nr. 1250 (Waldshut/ ​ Baden 1290) 495,38, 496,8; núnzug Nr. 2408 (Friedingen/ ​Baden 1296) 491,3; nunzug Nr. 1872 (Kloster Tänikon/ ​Thurgau UP 1294) 167,25; uunhzug ‚50‘, nunzug Nr. 2542 (Kloster Tänikon/ ​ Thurgau UP 1296) 569,37, 570,1. Verschrieben sein dürfte ‫܅‬echút [‚60‘] March ‫܅‬ilbers 2508 (Hr von Königsegg/ ​Württ. A 1296) 550,41.

Allgemein durchgesetzt hat sich im Mhd. die Form -ƶic mit /i/. -ƶic, die lautgesetzliche Fortsetzung von germ. *-tegu-, ist im Ahd. nur spärlich belegt; vgl. dazu G. Müller (1962, 45): „In -zig möchte man einen Eindringling aus dem Norden sehen, der früh im Alemannischen, spät im Bairischen auftaucht.“ Auch eine sekundäre Angleichung an das Adj.-Suffix -ig mag mitgespielt haben. Neben -ƶic steht abgeschwächtes -ƶec, z. B. drizec, Kchr, 372, 627, 734 u. ö.; ‫܅‬ehzeg, PrZü, 113rb,2; zuenzegen, PrFr, 14,17. Solche Formen sind dem Mfrk. fremd und im Rhfrk.-Hess. selten. In den obd. Korpusquellen erreichen sie in 212/ ​113 ihr Häufigkeitsmaximum, um in 114 wieder weitestgehend -ƶig-Formen Platz zu machen. Gegen diesen Trend nehmen sie im Omd. gerade in 114 stark zu: obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

omd. bair.

ofrk.

 03

wmd.

²12, ¹13: rhfrk.hess.-thür. hess.

mfrk.

²11/ ​¹12

   ‒

   ‒

 ‒

²12

   ‒

437

 017

6118

 ‒

1002

00

¹13

1005

205

449

2711

 ‒

  036

²13

   ‒

 9116

 338

4139

 ‒

  025

813

040

¹14

   ‒

 029

1216

 028

0125

 4825

836

018

04

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. N 16: Vokalismus von -ƶic: Häufigkeit der Formen mit ‹e›

-ƶic kann zu -ƶc, -ƶk (‹zc›, ‹zch› u. ä.) synkopiert sein, z. B. vierzch, Tris, 7602; häufig in JMar: zwenzc, 3v,21, 4r,1 u. ö.; vierzciar, 4v,12; vierzktage, 13v,11; funzc, 4v,10. Vgl. zwainzchc, *VAlex, 756; zehenzch, *PrMetten, 71v,7; zehenzch, 75v,12. Nicht ganz selten sind synkopierte Formen im *UrkCorp, z. B. Driezc Nr. 1116 (Esslingen 1289) 406,23; vierzg Nr. 2048 (Zürich 1294) 276,15; Virtzk Nr. 2429 (Kloster Moosburg 1296) 502,13; fvnzke Nr. 1923 (Steyr UP 1294) 195,1; funzche Nr. 1235 (Giech 1290) 489,25; ‫܅‬ehzk Nr. 1021 (Kloster St. Florian UP 1288) 346,15; ‫܅‬echzk Nr. 475B (Regensburg 1281) 409,3; Sibenzg Nr. 1949AB (Bf von Konstanz 1294) 209,14.15; Sibentzch Nr. 1709 (Ebf von Salzburg 1293) 36,43; ahtzch Nr. 1071 (Kloster Raitenhaslach A 1289) 374,21; Niunzg Nr. 3308 (Ulm UP

678

VI. Numeralia

1299) 456,3; nevntzg Nr. N 441 (Feldsberg 1290) 325,40; Neuntzge Nr. 2011 (Kloster Seiten­ stetten A 1294) 255,3. Häufig ist Synkope in den flektierten Formen der Ordinalzahl niunzigest (s. WMU 2, 1319). Eher vereinzelt erscheint -ƶic über -ƶc zu -ƶ verkürzt, z. B. dreiz *UrkCorp Nr. 2547 (Kloster Göß UP 1296) 571,38; Nr. N 493 (Mailberg 1291) 355,29; Viertz Nr. 1843 (Thun 1293) 146,24; wnfz Nr. 109 (Kiefersfelden 1267) 154,22; Sibentz Nr. 1117 (Kloster Raitenhaslach 1289) 407,21; ‫܅‬ibenze Nr. N 157 (Rheinfelden 1278) 124,40; Nunz Nr. 1873 (Werdenberg 1294) 168,8; n‫ݐ‬nz Nr. 2308 (Kloster Weingarten UP 1296) 429,21; Nevnz Nr. 1484 (Kloster Niederalteich A 1291) 668,23; nevntz Nr. N 541 (Marburg a. d. Drau UP 1292) 385,29. Es ist wenig wahrscheinlich, dass es sich bei diesen Formen um Nachfahren der ahd. Bildungen auf -zo (Ahd. Gr.I, § 273) handelt (sibunzo > sibenze > sibenz?): -zo ist nur noch in einigen sehr alten ahd. Quellen belegt und wurde wohl schon im 9. Jh. gänzlich durch -zug ersetzt; außerdem beschränkte sich -zo auf die Zahlen 70–100, so dass es als Erklärung der obigen Formen dreiz, viertz, wnfz schwerlich in Frage kommt.

Zu diesen und weiteren urkundensprachlichen Varianten s. WMU 1, 44, 403f; 2, 1320f, 1546, 1567; 3, 2157f, 2278, 2538. 1.4.2.12. ‚hundert‘ (hunder(e)t, ƶęhenƶig(est)) N 38

Neben hundert erscheint in frmhd. Quellen noch ƶęhenƶic < ahd. zehanzug (s. Ahd. Gr.I, § 274), danach offenbar nur noch vereinzelt in bair. Quellen: zehenzch, zehenzch, *PrMetten, 71v,7, 75v,12; zehentzch Phenning *UrkCorp Nr. 2839 (Kloster Rein/ ​Steiermark 1297) 173,4; zainczk phvnt phenning (*Herzogenburger Urkunden II; Nr. 77,6 [nach MHDBDB]). Zur Etymologie und Bedeutungsentwicklung von hundert < hunderet vgl. EWA IV, 1239f, 1243f; Ross/ ​Berns (1992, 620). Da germ. *hund- (an. hundrað, ae. hundred) vorausliegt, wäre bei einer bodenständigen Bildung in der frmhd. bair. Überlieferung häufiger noch nicht lenisiertes *hunteret zu erwarten, das aber zunächst gänzlich fehlt. Auch das spricht für eine obd. Entlehnung aus dem Md. und/ ​oder Nd. Erst später erscheinen selten Formen mit -nt-, z. B. ahtzehenhvntert, BKön, *16ra,17. Zu den wenigen urkundlichen Formen wie hvntert, huntdert s. WMU 2, 898f. Der Ersatz der älteren Bildung ƶęhenƶic durch nördliches hundert (s. dazu EWA IV, 1238ff; Sommer 1951, 68f) scheint im Wesentlichen im Laufe des 12. Jh.s erfolgt und bis zum Jahrhundertende weitgehend abgeschlossen gewesen zu sein. Wie er sich im Einzelnen vollzogen hat, bleibt offen, da ‚hundert‘ in der spärlichen hs.lichen Überlieferung zwischen WNot und Will einerseits und den Hss. aus dem letzten Viertel des 12. Jh.s andererseits kaum belegt ist (s. Abb. N 17). hunderet (*RBibB [bair., Mitte 12. Jh.], 31, 49, 607) dürfte aus der niederrhein. Vorlage stammen.

679

1. Kardinalzahlen

bair.

ƶęhenƶic

hundert

n

ƶęhenƶic

hundert

n

Will

1 100%

0

0%

1

PrZü

1

20%

4

80%

5

WNot

1 100%

0

0%

1 alem. TrHL

1

50%

1

50%

2

Phys

1

50%

1

50%

2

*ReinFu

2

100%

0

0%

2

HLit

1 100%

0

0%

1

WMEv

2

100%

0

0%

2

*JJud

5

83%

1

17%

6

*MillPhys

1

50%

1

50%

2

*TrSilv

1

25%

3

75%

4

*AvaLJ

1

50%

1

50%

2

*VAlex

2

14% 12

86% 14

*ArnoltSieb

1 100%

0

1 md.

AlxS

2

8% 24

92% 26

*Gen

6

55%

5

45% 11

*Roth

2

22%

7

78%

9

*VMos2

2

67%

1

33%

*HLitS

2

100%

0

0%

2

*FriedbChrist

1

100%

0

0%

1

KchrV

0%

3

12

44% 15

56% 27

*Rol

6

24% 19

76% 25

*PrMetten

2 100%

0

0%

2

*Aneg

1

4

80%

5

20%

Abb. N 17: Texte mit ƶęhenƶic (und hundert)

Im Verhältnis zur Kchr hat sich der Anteil von ƶęhenƶic in *RolP fast halbiert. Das zeigt möglicherweise an, dass sich  – zumindest im Bair.  – die Verdrängung von ƶęhenƶic durch hundert im 3. Viertel des 12. Jh.s beschleunigte. Die Durchsetzung von hunder(e)t im (obd.) Mhd. ist vermutlich in zwei Schritten erfolgt: Zunächst trat hunder(e)t für ahd. hunt ein, dann ersetzte es auch ƶęhenƶic: Im Ahd. sah die Funktionsverteilung zwischen den ‚hundert‘-Wörtern zehanzug und hunt so aus, dass zur Bezeichnung des einfachen Hundert allein zehanzug, für die Bezeichnungen der Hunderterzahlen von 200–900 (Typ nhd. drei-hundert) dagegen allein (Einerzahl +) hunt diente, z. B. ein-hunt, zuuei-hunt, driu-hunt, s. Ahd.WB 2, 668f; 3, 190, 853; 5, 1366. Mit zehanzug konnten Bezeichnungen der Hunderterzahlen nur durch Zufügung multiplikativer Zahladverbien gebildet werden, z. B. zwiro zehanzug ‚zweimal hundert‘ (Ahd.Gr.I, § 274), vgl. noch zuíren zéhenzog phénninga, Will, 55v,18; dc i‫܅‬t tu‫܅‬int zwire zehenzic, TrHL, 107r,10; fůnf we‫܅‬r [l. werf] zehinzoch ‚fünfmal hundert‘, *VAlex, 455. Zunächst trat hundert nun  – vielleicht schon im 11. Jh.  – nur an die Stelle des älteren hunt in Bezeichnungen für mehrere Hundert, z. B. driu hunt ‚dreihundert‘ → driu hundert. In einem zweiten Schritt setzte sich hundert dann auch im Verwendungsbereich von ƶęhenƶic durch, so dass die Doppelung der ‚hundert‘-Wörter beseitigt wurde. Für diesen Ablauf spricht zum einen, dass es für hunt anders als für ƶęhenƶic keine sicheren mhd. Belege mehr gibt (s. § N 40). Zum anderen entfallen die frühen obd. Belege von hundert zu etwa 85% auf den Typ Kardinalzahl + hundert (driu hundert), z. B. finf hundert iar, Phys, 157 v,10; uehtendes uolkes driv hundert tu‫܅‬unt, Kchr, 8467. Anderweitige Belege sind selten, z. B. Do diu urǒwa ‫܅‬ara. gelebete hundert iǒch ‫܅‬iben und zuêinzich iare, *Gen, 1892; uor manic hundert iaren, *VMarienlob, 8; ach[t] unt hundert mán, *RolP, 4657, ähnlich 4849. Sehr viel häufiger sind sie in md. und md.-nd. Texten, wohl ein Hinweis darauf, dass die Durchsetzung von hundert hier bereits weiter gediehen war, vgl. z. B. hundrit ‫܅‬neller helede,

N 39

680

VI. Numeralia

AlxS, 1272, ferner 1052, 1649, 2192 u. ö. (10-mal); ‫܅‬i wold im hundirt mark geben, *Eilh Rd, 86; Hvnd’t ‫܅‬illīge, *Eilh S, 304; Der kamerere [...] tro‫܅‬te ‫܅‬ich zo hundert manen, *Roth, 1631, ferner 1811, 4286. Erst nach der Verdrängung von ƶęhenƶic nimmt die Verwendung von hundert ohne vorausgehende Kardinalzahl stark zu: Wenn man von den Urkunden absieht, in denen der Typ Kardinalzahl + hundert schon wegen der Datumszeile vorherrscht, so ist hundert ohne vorausgehende Kardinalzahl im Korpus im Schnitt fast ebenso häufig  – im Obd. sogar etwas häufiger  – wie hundert nach Kardinalzahl. Anm. 1:  In EWA (IV, 1238) wird angenommen, dass hunder(e)t „wegen des Belegs in der Wiener Genesis“ schon im 11. Jh. „eingebürgert“ gewesen sei. Dies ist indessen nicht sicher, da alle drei Textzeugen von *Gen erst Ende des 12. Jh.s entstanden sind und ihre gemeinsame Vorstufe *WMV um 1170/ ​1175, also etwa ein Jahrhundert nach der mutmaßlichen Entstehung von *Gen, datiert wird. In *WMV aber könnte hunder(e)t z. T. für das veraltende ƶęhenƶic eingetreten sein. Auch der einzige Reimbeleg bietet keine Gewähr: ‫܅‬câffe zueihundert,/ remme zuire zehen‫܅‬tůnt, *Gen, 3021 (= *Gen M, 3260); hier könnte zueihundert in *WMV älteres zueihunt ersetzt haben; vgl. uierhundert [: ‫܅‬tunt], *Rol, 6650, wo Bartsch und Wesle (in ihren *Rol-Ausgaben) und Weinhold (Mhd.Gr., § 337) uierhunt konjizieren. Dieselbe Möglichkeit besteht bei driuhunterit altheirrin, *Anno, 18,3 (die verschollene von Opitz benutzte Hs. stammte vermutlich aus dem 12. Jh.). – Fazit: Dass es hunder(e)t bereits in 211 md. wie obd. (bair.) gab und hundert ahd. -hunt bereits ersetzt hatte, ist demnach möglich, aber nicht sicher.

Nicht synkopiertes hunderet findet sich obd. nur noch in wenigen frmhd. Quellen, z. B. *Gen, 1378; *JJud, 571; Kchr, *6024, *Konr H, 3r,26; sonst nur in md. oder md. bzw. nd. beeinflussten Quellen, z. B. Erlös, 2295; *RBibB, 49, 607; *VAlex, 903, 1415 u. ö.; *RolA, 4496, 4849 u. ö.; *RolS, 1544, 1661 (in *RolP dagegen stets hundert); hunderit, *Roth, 4044. In AlxS steht fast durchgehend hundrit, hundrith 1052, 1168, 1272 u. ö. (20-mal). Vgl. auch hundrit, *Glaub, 2158; *Roth, 4039, 5019; hundret, 4286. N 40

Für ein Fortleben von ahd. hunt ‚hundert‘ (in einhunt, zweihunt, driuhunt usw., s.  Ahd.Gr.I, § 274) im Mhd. scheint es kein sicheres Zeugnis zu geben. Anm. 1:  Lexers einziger Beleg für hunt stammt aus Ottokars Reimchronik in der Ausgabe von Pez (1745) und beruht auf einer Konjektur: Pez hat für hundert [: gewundert], 151b in der von ihm für diesen Abschnitt benutzten Admonter Hs. (Seemüllers Nr. 5) wegen des sinnwidrigen gewundert zu hunt [: gewunt) geändert; vgl. dagegen die entsprechende Stelle in Seemüllers Ausgabe: ir was wol driu hundert./ von in wart gemundert/ vil manic pôlânischer gast, *Ottok, 16375–77. Auf dieses vermeintliche hunt in *Ottok stützen sich sich u. a. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 337; Grimm, DWB 10, 1919; EWA IV, 1238. Konjiziert sind auch die weiteren von Weinhold genannten Formen: zehenstunt, drûstunt, *Orend, 430, 806 (dry hundert); vierhunt, *Rol, 6650 (232,15), s. oben § N 39 Anm. 1. drithalphvnt haller *UrkCorp Nr. 242 (Ulm UP 1275) 240,4 [= Ulmisches Urkundenbuch, I, 151 (Nr. 122)] schließlich ist entgegen Weinhold nicht als drithalp hvnt, sondern als drithal[p] phvnt aufzufassen (s. WMU 1, 400; Boeters 2006, 51).

1. Kardinalzahlen

681

‚tausend‘ Mhd. tūsent ‚tausend‘ beruht auf ahd. dūsunt (EWA II, 890ff; Ross/ ​Berns 1992, 621). Für den Anlaut d < germ. *þ tritt schon im ahd. Obd. vereinzelt t ein (Ahd. Gr.I, § 167 Anm. 8; Ahd.WB 2, 798). In Will und WNot gilt noch der d-Anlaut, vgl. dûsent, Will, 19v,3, 20r,3.7, dû‫܅‬onton, 30v,15, dû‫܅‬vnt, 55r,15, dûsunt, 55v,16; WNot, ohne Entsprechung bei Notker (Np): dusent, *110rb,3 (Ps. 101,15), *215ra,1 (Canticum Ezechiae 17); dusunt, *160vb,21 (Ps. 118,72); mit Entsprechung bei Notker (Np): dusent, *224vb,18f (Canticum deuteronomii 30). Danach finden sich obd. nur noch vereinzelt d-Belege in 212: du‫܅‬ent, Wind, 3,7, 59,2; dv‫܅‬int, LEnt, 39,19. Im Wmd. bleibt d- dagegen erhalten. In rhfrk.-hess. Quellen erscheinen jedoch teils auch schon Formen mit t-Anlaut: tu‫܅‬ent, TrPs, 48r,16; tv‫܅‬int, SalH, 33,3, 117,5; tu‫܅‬ínt, tv‫܅‬ínt, PrM, a1vb,18, c7 va,8f; tu‫܅‬ent, Hleb, 95r,19, 96v,23; Elis, 9924. Anm. 2:  In AlxS, in dem sonst in der Regel ‹t› für mhd. /t/ steht, kommt neben weit überwiegendem tu‫܅‬int, tu‫܅‬unt, tu‫܅‬ant (2247, 2274, 3183 u. ö., 29-mal) 8-mal noch du‫܅‬int, du‫܅‬unt (1116, 1118 u. ö.) vor. Im *UrkCorp sind die d-Formen überwiegend wmd. und nd. Daneben gibt es auch zahlreiche alem. Belege, die in ihrer großen Mehrzahl oberrhein. und hier wiederum vor allem els. sind, vgl. WMU 3, 1790; Paul, Mhd.Gr., § L 115; Boesch (1946, 147f); Kleiber/ ​Kunze/ ​ Löffler (1979, I, 250ff; II, Kt. 154).

In der zweiten Silbe ist ahd. /u/ gewöhnlich zu /ә/ (‹e›, ‹i›) abgeschwächt. Formen mit ‹u› (‹o›, ‹a›) finden sich selten noch in frmhd. Quellen, später gelegentlich noch alem. (*UrkCorp, s. u.), vgl. dû‫܅‬vnt, Will, 55r,15; dû‫܅‬unt, 55v,16; tů‫܅‬unt, Kchr, 8197, 16677; tu‫܅‬unt, 8467; AlxS, 1052, 1681 u. ö.; tu‫܅‬ant, 1984, 2000, 2002, 6513. Vgl. auch tu‫܅‬unt, *RolP 4764; *TrSilv, 470; tv‫܅‬unt, 625, 627; du‫܅‬unt, *WildM, II, 232. Die *UrkCorp-Belege sind alem. (vgl. WMU 3, 1790), z. B. tu‫܅‬unt Nr. 950 (Kloster Tänikon UP 1287) 302,2; Nr. 1582 (Bf von Straßburg UP + Kloster Marienzell UP 1292) 726,6; Nr. 1872 (Kloster Tänikon UP 1294) 167,24; Nr. 1936 (Schlettstadt 1294) 201,8; Tv‫܅‬ung Nr. 1019A (Mellingen 1288) 345,17; Tv‫ݐ܅‬ng Nr. 3054 (Aarau 1298) 299,19; Tv‫܅‬vng Nr. 2362 (Aarau 1296) 468,31; e tv‫܅‬vnch Nr. N 675 (Reinach UP 1295) 484,25; sonst vereinzelt, z. B. mfrk. du‫܅‬unt Nr. 776 (Lichtenberg 1286) 149,35.

Eine alem. Besonderheit ist die lexemspezifische Velarisierung von tūsent zu tūseng u. ä., vgl. tu‫܅‬inc, Mem, 14,8; tu‫܅‬eng, NikP, 48va,11, 73vb,21, 76rb,18 u. ö.; tu‫܅‬ēg, 46va,12; tv‫܅‬íng, Rapp, 17478. Fast alle der über 100 *UrkCorp-Belege sind wobd. Die Hauptmasse stammt aus Urkunden des südl. Oberrheins (Schwerpunkt Basel), des Bodenseeraums (Schwerpunkt Konstanz) und der nördlichen Schweiz, vgl. z. B. tv‫܅‬eng Nr. 122 (Kenzingen 1269) 164,17; Tu‫܅‬ing Nr. 1759 (Kloster Murbach A 1293) 69,47; Tv‫܅‬inc Nr. 809 (Basel A 1286) 172,11; tu‫܅‬ench Nr. 530ABCD (Bf von Konstanz 1282) 462,2.22.25 u. ö.; Tu‫܅‬inch Nr. 276 (St. Gallen 1276) 282,13; tu‫܅‬ungo‫܅‬tun Nr. 495 (Kloster Magdenau 1281) 443,2. Zu (seltenen) sonstigen alem. Velarisierungsfällen vgl. Boesch (1946, 150 u. Anm. 1).

N 41

682

VI. Numeralia

1.4.2.13. Zahlverbindungen N 42

Durch Zahlverbindungen werden wie im Nhd. die Einerzahlen (Zwischenzahlen) ab 21, die Hunderter- und Tausenderzahlen gebildet (vgl. Hildebrandt 1937). Als Teil einer Zahlverbindung vom Typ ‚dreiundzwanzig‘ erscheinen die Formen von ‚zwei‘ und ‚drei‘ genus- und kasuskongruent mit dem Bezugsnomen, vgl. z. B. Nom./ ​Akk. Mask. Er hat zwene vnd ‫܅‬ibenzec namen, Türh, 16325; mit ‫܅‬inin ge‫܅‬ellin zwene v‫ ܒ‬tů‫܅‬int v‫ ܒ‬nůnzig. v‫ ܒ‬zwene v‫ ܒ‬vunzich, JMar, 64v,17; Fem. zwo v‫܅ ܒ‬ibinzic z‫ݑ‬ngen, PrMK, 6r,28; zwa unde ‫܅‬ibenzehec mangge, *VAlex, 957; Neutr. Zwei v‫ ܒ‬zweínzíc ‫܅‬per, Lieht, 951,6; zwai. v‫ ܒ‬viertzikch. Pfvnt, ULands, 11,7; Mask. drige v‫ ܒ‬fiumfzech vi‫܅‬che, PrSch, 240v,6; Fem. dríe v‫ ܒ‬zwenzíg marke/ ‫܅‬ilbers, UFreib2, 3,7; Neutr. dru unt drizich iar, Kchr, 1112; Dat.: bi den zwein v‫܅ ܒ‬ibenzech naܑ. des almehtigen gote‫܅‬, Bart, 13vb,19; mit zwain unt uierzic chuningen, *RolP, 7152; ähnlich *Roth 2556; mid den zuen inde Echtzigen heirrin van deme widin Raide, *KölnEidb, 1r,26; ín drín vnd drízig íarē, NikP, 47ra,1; ähnlich *Aneg, 2659; zů dren vnd zwenzíg ‫܅‬chillíngen, UMainz, 4,40. In *Klagschrift häufig den zwein vnd zwenzegin (bezogen auf die Zweiundzwanzig von der Gemeinde), 1r,35.41.44.55 u. ö., nur einmal ohne Kasuskongruenz: in der cit, do [...] man zů‫܅‬chin in vnd den zweý vnd zwenzegin sůlde reden, *Klagschrift, 1r,55f. Auch Genusinkongruenz ist selten, z. B. dri v‫ ܒ‬drizzic [schif], *Herb, 3343. Bei Bezug auf substantivisches hundert und tūsent steht das Neutrum, z. B. do wart d’ vinde er ‫܅‬lagen zwei v‫ ܒ‬drizzic tv‫܅‬ent, BKön, 5va,12. So erklärt sich auch der Genuswechsel z. B. in zwei hundirt v‫ ܒ‬zwene v‫܅ ܒ‬echzich rittire, JMar, 62v,4. Anm. 1:  Zum Rückgang der Kasusflexion von ‚zwei‘ und ‚drei‘ in Zahlverbindungenn im Laufe der frnhd. Zeit s. Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, 561f Anm. 18, 575 Anm. 15.

Die Zahlwörter von 4 bis 9 bleiben als Erstglied von Zahlverbindungen im Obd. in aller Regel unflektiert, z. B. ‫܅‬iben unde ‫܅‬ibenzich ‫܅‬tunde, HLit, 528. In der Kchr überwiegen jedoch noch flektierte Formen: driv hundert bi‫܅‬colf da was., uiere unt ‫܅‬ehzec mere, 16478; vgl. auch ‫܅‬ehe‫܅‬e und drizec man, *2011, ferner *3518, *14191, *15939. Weitere obd. Beispiele sind d’ wende waren fiere. v. zwenceg, PrZü, 113ra,9; uiere unde hazech iare, *AvaLJ, 336; ‫܅‬ibnv v‫ ܒ‬zwenzich v‫ ܒ‬hvndert lande, *PrHvKonst, 156r,4. Md. scheinen flektierte Formen häufiger zu sein, vgl. z. B. viere u‫ ܒ‬zvenzich bla‫܅‬ebelge, AlxS, 6016; mjner ge‫܅‬ellen [...] ‫܅‬ibene v‫ ܒ‬zvenzic, 4954; eilif hundirt iare. V‫ ܒ‬nune u‫ ܒ‬virzik, RhTun, 53; Von cri‫܅‬t geburte tu‫܅‬ent iar., Zwei hundert, funfe vnde drizic, Elis, 9925; funuí undi funfzic engili, *WReisesegen, 78,3. In mfrk. (Kölner) Urkunden sind sie die Regel, z. B. Dů‫܅‬ínt íaír/ zweí hůndírt íaír/ índe víere/ índe sei‫܅‬zích íaír, UKöln1, 13,46; nuínne índe Sei‫܅‬zich íaír, 16,36; veirre Jnde zwenzíg Hoynre, UKöln2, 15,16. Bei einer ordinalen Zahlverbindung des Typs ‚dreiundzwanzigste‘ steht das erste Glied unabhängig vom Kasus der Gesamtzahl zumeist in der Form des Nom./ ​Akk., und zwar teils mit, teils ohne Genuskongruenz mit dem Bezugsnomen, vgl. z. B. mit Genuskongruenz: ín dem Drev v‫ ܒ‬Dreizzichi‫܅‬tem Iar, ULands, 1,26, 17,17, 18,54; in dem

1. Kardinalzahlen

683

dru vnd vierzege‫܅‬ten iare, WüPo, 251va,9; in dem zwey v‫ ܒ‬dri‫܅‬igi‫܅‬tē jore, *MU14, 320425r, 6. Ohne Genuskongruenz: ī dem dri v‫ ܒ‬virzegi‫܅‬tē iare, MBeh, 235r,4. Beispiele für ‚acht‘: a) die Einerzahl erscheint als flektierte Ordinalzahl, z. B. ín dem Ahtenden vnd drizzigo‫܅‬ten Iar, UAugsb2, 9,35, 10,29, 11,27, 12,25 u. ö., ahten 14,13; ín dem ahten v‫ܒ‬ dreizzig‫܅‬tem iar, UNürnb, 19,14, 20,14, 22,9, 24,11; b) die Einerzahl ist flexivlos: in dem Echt vnd vierzíg‫܅‬tem iare, UMainz, 12,3, auch 9,3, 13,4, 14,3 u. ö.; ín dem aht v‫ܒ‬ dreizzig‫܅‬tem (UNürnb, 21,14, 23,11, 5,12 u. ö.).  – Zu weiteren Belege aus *UrkCorp s.  WMU 1, 43; 2, 1319. Bei ordinalen Zahlverbindungen kann die Einerzahl also noch flektiert sein, doch zeichnet sich die Entwicklung zur flexivlosen Einerzahl und damit der Weg vom Syntagma zum Kompositum bereits ab. Die verschiedenen Typen der Zahlenverbindungen in Datumsangaben deutscher Urkunden des 13. Jh.s sind nicht dialektal, sondern stilistisch bedingt, wobei sich hinsichtlich der Bevorzugung der einzelnen Varianten regionale Schwerpunkte und – auch lokale  – Sonderentwicklungen abzeichnen (de Boor 1975, 10–51): Dies gilt für die beiden Grundvarianten der Jahrhundertzahlen tūsent ƶwėi hundert und ƶwėlf hundert: Der bayrisch-österreichische Osten benutzt zunächst fast ausschließlich den Typ tūsent zwėi hundert, doch geht man in Bayern später teils zum Typ ƶwėlf hundert über. Den alem. Südwesten kennzeichnet zumeist eine teils wechselvolle Auseinandersetzung zwischen beiden Grundvarianten, so insbesondere in Straßburg und Augsburg, während Freiburg und der umgebende Breisgau auf Dauer den Typ ƶwėlf hundert favorisieren. Bei den Einer- und Zehnerzahlen sind nach de Boor (1975, 35ff) drei Haupttypen zu unterscheiden: 1. die Kardinalzählung (= card), z. B. Tú‫܅‬ent/ zweihundert/ vnd ‫܅‬iben vnd achtzich Jar, *UrkCorp Nr. 879H (Würzburg 1288) 236,5.  – 2. die Zählung mit ordinaler (Einer +) Zehnerzahl (= ord.Z), z. B. Tau‫܅‬ent iar· zwaihvndert iar/ in dem vumf vnd ahtzig‫܅‬t iar, Nr. 720 (Waidhofen a. d. Ybbs 1285) 116,18, oder mit separater ordinaler Einerzahl, z. B. in dem sibenten vnd Newentzigi‫܅‬tem Jar Nr. 2640 (Kitzbühel 1297) 50,11.  – 3. die Zählung mit allein ordinaler Einerzahl (= ord.E), z. B. zwelfhvndert iar. Vnd ‫܅‬ehzig iar. Vnd in dem dritten Jare, Nr. 65 (Thalwil 1263) 102,22. Bei der Kardinalzählung geht die Einerzahl der Zehnerzahl wie im Nhd. meist voraus, doch ist auch Nachstellung (Typ engl. twenty seven) häufig „und scheint im Lauf der Jahre sogar zuzunehmen“ (de Boor 1975, 36), z. B. Thu‫܅‬ent/ zwei hvnderd achzig vnd Siben iar, Nr. 857 (Riehen 1287) 206,17.  – Die geographische Verteilung dieser Typen stellt sich nach de Boor (1975, 37ff) bei vielen Besonderheiten im Einzelnen so dar: Am Oberrhein gilt Typ card fast uneingeschränkt. In Bayern-Österreich gewinnt dagegen der Typ ord.Z gegenüber card im Laufe der 1290er Jahre klar die Oberhand; dem schließen sich auch Nürnberg und Augsburg an. Auch im übrigen Schwaben dringt die Ordinalzählung in beiden Typen vor, doch bleibt card hier vorherrschend. Den Schweiz-Bodensee-Raum kennzeichnet vor allem eine starke Zunahme des Typs ord.E. Im md. Raum favorisiert der Westen wie der Oberrhein die Kardinalzählung, das Omd. dagegen wie Bayern den Typ ord.Z.

N 43

684

VI. Numeralia

1.4.3. Flexion und Verwendung 1.4.3.1. ‚vier‘ bis ‚sieben‘, ‚neun‘ bis ‚neunzehn‘ N 45

Die flektierten Formen entsprechen mit Ausnahme des Gen. dem Pluralparadigma der starken Adj., also der pronominalen Deklination (s. § P 5). Anm. 1:  Im Ahd. folgte die Deklination der Kardinalzahlen von ‚vier‘ bis ‚neunzehn‘ der substantivischen i-Deklination (Ahd.Gr.I, § 271), z. B. für ‚vier‘: fior-i, Gen. fior-(e)o, Dat. fior-im, -in. Nur im Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. war bereits das Flexiv -iu der starken Adj. eingetreten. Da infolge der Endsilbenabschwächung auch im Nom./ ​Akk.Mask./ ​Fem. und Dat. Zusammenfall mit den Pluralformen des starken Adj. erfolgte, bestand wie bei ‚zwei‘ und ‚drei‘ (s. § N 6, N 9) die Tendenz, auch im Gen. das Flexiv -er der starken Adj.-Deklination einzuführen.

Im Gen. konkurrieren im Mhd. –– das substantivische Flexiv -e (< ahd. -(i)o), so in *Rol durchgängig der zwelue (2482, 3588, 3618, 3813, 5869, 8742); der víere, UKöln1, 16,25; di‫܅‬er viere herren *UrkCorp Nr. 1000 (Gf Adolf von Nassau A 1288) 329,40; der vyre manne Nr. 1200 (Wetzlar 1290) 471,30; der ‫܅‬ibine, *GebetsanwAug, 125r,2; nah ‫܅‬eh‫܅‬e manoden ringe (post sex mensuum circuitum, BR, 58,12), *BrAdm, 38v,1; –– das pronominale Flexiv -er: einer der zweluer, WMEv, 18,14; die‫܅‬ir ‫܅‬ei‫܅܅‬er einích, UKöln1, 2,22; der vunuer, *Roth, 484; der vierer (virer, virrer, virre, vierre etc.) *UrkCorp Nr. 56 (Köln 1262) 89,11.15.18.22 u. ö.; –– selten das schwache Flexiv -en: welhem dirre ‫܅‬ibinen wirt daz wip?, WMEv, 12,17; an [der] zwelfen ‫܅‬tat, PrM, b1rb,27. Einige Male in alem. Urkunden: der vieron *UrkCorp Nr. 187 (Freiburg i.Br. 1272) 204,10; nach dierre ‫܅‬eh‫܅‬en rate 335 (Nellenburg 1277) 319,30; der vorgenanter nivnen namen Nr. 1283 (Villingen 1290) 527,36. Insgesamt dürfte -er häufiger als -e gewesen sein; -en war wohl nur seltene Sonderform. Verlässliche Angaben zur relativen Häufigkeit und dialektalen Verbreitung der Flexive lässt die geringe Belegzahl des Gen. jedoch kaum zu. – Zu weiteren urkundlichen Belegen für Gen.-Formen auf -e und -er s. WMU 3, 2149 (vier), 2273 (vünf), 2, 1543 (sęhs), 1564 (siben), 3, 2479 (ƶęhen). N 46

Die Kardinalzahlen von ‚vier‘ bis ‚neunzehn‘ bleiben in attributiv vorangestellter Verwendung mit nur wenigen Ausnahmen unflektiert. Die substantivisch verwendeten und attributiv nachgestellten Zahlwörter werden dagegen überwiegend flektiert (vgl. Behaghel 1923, 429), Im Korpus stellt sich das Verhältnis zwischen flektierten und unflektierten Formen so dar:

685

1. Kardinalzahlen

Nom./ ​Akk. attributiv vorangestellt attributiv nachgestellt substantivisch Gen./ ​Dat. attributiv vorangestellt

unflektiert 1443

flektiert

n

27

2%

0

6

100%

6

76

115

60%

191

unflektiert 409

flektiert 13

3%

1470

n 422

attributiv nachgestellt

1

1

50%

2

substantivisch

9

38

81%

47

Abb. N 18: Verteilung flektierter und unflektierter Formen der Kardinalzahlwörter ‚vier‘ bis ‚neunzehn‘

1.4.3.2. ‚hundert‘, ‚tausend‘

ƶęhenƶic bleibt stets unflektiert, ebenso hunder(e)t als Zahlwort. Das Substantiv hunder(e)t verhält sich dagegen flexivisch wie ein starkes Neutrum, vgl. ‫܅‬o git man ie von dem hvnderte funf phennínge (UAugsb1, 5,7, 6,9) (= *UrkCorp Nr. 548, s. WMU 2, 899), Da mvste er eine lidē, Des hund’tē gnvc w’e (*Herb, 12749). Fraglich bleibt: do wurden innewendek einer wochen menne‫܅‬che[n] ge‫܅‬unt. ingegen zuenzegen u‫ ܒ‬hunder‑ ten ‚gegen 120‘ (PrFr, 14,17). Lit.: de Boor (1975); Eichner (1987); Feudel (1961); Frings (1962); Frnhd.Gr., § M 57ff; Hildebrandt (1937); Mausser, Mhd.Gr.III, 853–885; Objartel (1977); Paul, Mhd.Gr., § M 60ff; Rosenfeld (1956/ ​57); Rosenfeld (1957); Ross/ ​Berns (1992); Schirokauer (1923); Schuppener (1996); Szemerényi (1960); Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 136–144; Weinhold, Mhd.Gr., § 336ff; WMU passim; Ahd.Gr.I, § 270–276; Zwierzina (1901a–c).

N 47

686

VI. Numeralia

2. Ordinalzahlen 2.1. Bildung und Formen N 48

Die Ordinalzahlen für ‚erst‘ und ‚zweit‘ werden durch ēr(e)st und ander (s. § P 376ff) vertreten, z. B. daz er‫܅‬te i‫܅‬t g‫ݑ‬t., daz and’ i‫܅‬t etwenne bezz’., daz dritte aller be‫܅‬te, DvATr, 70v,18. zweit- kommt als analogische Neubildung erst in frnhd. Zeit auf (s.  Walch/ ​Häckel, Gr.d.Frnhd.VII, § 145 Anm. 5; Paul, Dt.Gr.V, 111). Die Ordinalzahlen von ‚dritt‘ bis ‚zwölft‘ sind von den zugehörigen Kardinalzahlen mit einem Dentalsuffix abgeleitet. Dasselbe gilt mhd. für die Zahlwörter für 13.–19. Anm. 1:  Die Ordinalia 13.–19. waren im Ahd. noch aus den (unflektierten) Ordinalia der Einerzahlen und ƶęhanto zusammengesetzt, z. B. dritto-ƶęhanto, fiordo-ƶęhanto. Bereits im Spätahd. (Notker) beginnt man aber, im Erstglied die Ordnungszahl durch die Kardinalzahl zu ersetzen, z. B. fimf-cehenten, funf-zêndin neben finfto-zendun u. ä. (Ahd.WB 3, 854f; Ahd.Gr.I, § 278 Anm. 2; Grimm, Dt.Gr.II, 949f; Wilmanns, Dt.Gr.III.2, 600f). Von dem älteren ahd. Bildungsprinzip scheint es im Mhd. zumindest ab 112 keine Spuren mehr zu geben. Ein Nachklang vielleicht noch in An demo dritte cehenten staphe, WNot, *177 vb,10, neben An demo fiercehenten, *177 vb,20, Des fimfcehenten staphis sanc, *178ra,4; allerdings entspricht diese Abfolge der Zahlwörter der Notker’schen Vorlage: An dem dríttezênden sprózzen, *Np, 483,8, An demo fiêrzênden, 483,12, Des funfzêndin gradus canticum, 483,14.

Selten erscheint statt -t- das Suffix -st- (s. § N 52; vgl. Rosenfeld 1956/ ​57, 197; Frings/ ​ Lerchner 1962, 55): achtzen‫܅‬tem, UMainz, 1,3, 2,5 u. ö. (7-mal), sýbenzehe‫܅‬ten, *MU14, 170622/ ​2,15. *UrkCorp-Belege sind z. B. omd. in dem [...] Siben‫܅‬tin vnde Nůncigi‫܅‬ten/ Jare Nr. 2570 (Kloster Alt-Zelle A 1297) 4,35; bair. an dem sehczeni‫܅‬tem tag dez ovz genten Mayen Nr. 2706 (Kloster Mariental 1297) 90,25. N 49

Im Falle von ‚dritt-‘ war das Suffix j-haltig (germ. *þri-đj-a-, s. EWA II, 792), so dass wgerm. Gemination eintrat; daher ahd.-mhd. dritt-. Im Mhd. ist -tt- ‹tt› in aller Regel erhalten. Nur selten ist ‹tt› zu ‹t› verkürzt, z. B. bair. tríten, Kchr, 753, Dtriten, 8716; drítē, Bart, 4vb,28; driten, Diet, 2914; drite, 3157; dríte, 6145, 9701; alem.-bair. driten, WMEv, 12,14; drit, DvATr, 32v,11; alem. dritin, LEnt, 31a,6.10; drite, 33,5; TrHL, 2r,22; drithe, 3r,12; tritē, ZwBR, 18r,11; dríte, SwSp, 42vb,20, 47 va,6; md.: driten, GRud, 8,35; drithe, SalH, 2,11; driten, Himlf, 1009, 1143. Wmd. erscheint auch ‹td›, mfrk. auch ‹dd›; ‹td› z. B. rhfrk.-hess. tritdē, SalH, 98,16; mfrk. dritde, VLilie, 20,35, 32,13 u. ö.; dri tde, 38,13; dritden, 27,23, 38,5; alem. (oberrhein.) dritde, LEnt, 52,8. – Mfrk. ‹dd›, z. B. thridden, RBib, 386; thredden, 453; dridde, RhMl, 319, 369 u. ö.; dridden, 4598; dridde, BuMi, 74v,6, 96r,11; driddeme 88v,4. Formen mit r-Metathese (dirt-, dird-) sind mfrk., omd. (thür.) und alem. (els.), vgl. mfrk. dirdeme, Brig, 1v,28; dirde, 5v,18, Taul, 10r,2, 154r,11; vgl. auch dírde, *WildM, I,

2. Ordinalzahlen

687

149; *Merlin, 93; *PrKöln, 22,16, 24,10 u. ö. (13-mal); dirden, 40,33, 41,34; dirte, *Göll2, 3,11; dirten, 3,12.  – Thür. dirtí, MüRB, 1r,22, 3v,2 u. ö. (18-mal); dirte, 20v,4; dirtin, 5v,5, 11v,12.  – Alem. (els.) dírttē, Rapp, 33187a. Auch die Metathese-Formen im *UrkCorp entstammen mfrk., omd. und alem. Urkunden; mfrk. z. B. dirde *UrkCorp Nr. 146 (Linz a.Rh. 1270) 181,13; dirdime, 181,15; dirtdeme Nr. N 548A (Köln 1292) 391,4; Dirdewerue Nr. 796 (Landskron b. Sinzig UP 1286) 163,38.  – Omd. dirte Nr. 1727 (Pegau 1293) 47,38; Nr. 2937 (Kloster Fulda A, Erfurt UP 1298) 228,2; dirtin Nr. 3307 (Erfurt UP 1299) 455,4. Fast alle alem. Belege sind els., z. B. dirte Nr. N 131 (Straßburg 1275) 93,31; Nr. N 299 (Kloster Niedermünster A 1286) 229,31; dirthe Nr. N 357 (Landsberg A 1288) 269,15; dirtil [l. dirtin!] Nr. 1653 (Kg Adolf A 1292) 779,43; dirten Nr. 1653 (Kg Adolf A 1292) 780,16; dirthen Nr. N 396 (Kloster Niedermünster UP 1289) 294,10; dirteil Nr. 3487 (Straßburg UP 1299) 569,26, Dirtehalb Nr. N 101 (Straßburg 1271) 73,21, 74,11 u. ö.; Nr. N 230 (Straßburg UP 1283) 175,15; Nr. N 238A (Straßburg 1283) 192,19; Nr. N 379 (Straßburg UP 1288) 284,27; sonst nur gleichfalls oberrhein. dirte Nr. 1851 (Ortenberg, Gengenbach UP 1293) 152,32; dirteil 151,41.

Das Dentalsuffix erscheint im Mhd. wie schon im Ahd. (Ahd.Gr.I, § 278) bei vierdund ahtod- ‚acht-‘ als /d/, bei sibent-, niunt- und ƶęhent- infolge Gramm. Wechsels ursprünglich als /t/ (vgl. EWA I, 124). Bei vierd- ist /d/ mhd. noch sehr fest, nur vereinzelt erscheinen schon Formen mit ‹t›: vierte, Hleb, 7r,14, 17r,22. Der einzige *UrkCorp-Beleg mit ‹t› im Inlaut entstammt einer md.-nd. Urkunde und könnte der Unsicherheit des nd. Schreibers hinsichtlich der mhd. /t/-/d/-Verteilung zuzuschreiben sein: z‫ ݑ‬dem viertē dinge Nr. 2265 (Magdeburg 1295) 400,18. Bei einigen weiteren Belegen steht ‹t› im Auslaut, könnte also das Ergebnis von Auslautverhärtung sein: Hochalem. d‫ ݐ‬viert Nr. 1407 (Zürich A 1291) 617,38; Nr. 1414 (Zürich 1291) 623,35, vierthalben mut e kernen 2541 (Winterthur 1296) 569,12; schwäb. Das viert vierdaıl Nr. 1624 (Kloster Weiler 1292) 758,24. vierthalb phûnt 2326 (Holzgerlingen 1296) 440,35.

Zur Herleitung von ahd.-mhd. ahtod- vgl. EWA I, 123f. Die Vollform gilt in frmhd. Zeit noch unangefochten, z. B. ahtode, WNot, 8rb,14; ahtoden, Wind, 6,1; âhtodin, Spec, 12r,8; ahtode, PrZü, 108vb,29, 109rb,14 u. ö. Die verkürzte Form aht-, die mit der Kardinalzahl gleich lautet, ist erst seit ca. 1200 belegt: ahte, AlxS, 7057; di achte [ahtethe, A], *RolP, 8053 (zu den md. Elementen von P gehörig?); ahte, *Christi Geburt, 118; echte, RhMl, 2643; ehte, 4494. Im Md. gilt sie allein, während das Wobd. umgekehrt lange an der Vollform festhält und die Kurzform nur zögerlich übernimmt.

N 50

688

VI. Numeralia

ahtod-

aht-

bair.

40

60

5

alem.-bair.

94

6

18

n

alem.

100

0

19

wmd.

0

100

18

omd. (²13/ ​¹14)

0

100

8

ofrk.

0

100

9

Abb. N 19: Häufigkeit der Vollform ahtod- und der Kurzform aht- der Ordinalzahl ‚acht-‘ (Prozentzahlen kursiv)

Der Vokal /o/ der zweiten Silbe ist in der Vollform ahtod- sehr fest, Abschwächung zu ahted- selten: achteden, *RolP, 808; achtede, 8111. Durchgängig nur in den gleichfalls sehr seltenenen Formen mit inseriertem n: Ahtenden, UAugsb2, 9,35, 10,20 u. ö.; achtendeme, *Tobias, 171. Auch im *UrkCorp ist die Vollform ahtod- überwiegend alem., seltener bair., während es sich bei der Kurzform aht- genau umgekehrt verhält (WMU 1, 43): Mehr als drei Viertel der Vollform-Belege entstammen wobd. Urkunden, nur ein Fünftel ist oobd. Darunter sind auch solche mit bair. o-Anlaut, so in Brixener Urkunden ohtoden Nr. 2997 (1298) 261,8; Nr. 3091 (1298) 324,19; Nr. 3104 (1298) 330,35; Nr. 3141AB (1298) 352,29; Ohtedem Nr. 2097 (St. Pölten 1295) 303,17; Nr. 2929 (Patzmannsdorf UP 1298) 221,33. – Abgeschwächtes ahted- findet sich selten und vor allem els. und bair., z. B. achtede Nr. 2842 (Sermersheim 1297) 174,35; Nr. N 799 (Sulz 1280) 574,2; ahtede Nr. N 818 (Kloster Niedermünster UP) 587,3; ahteden Nr. N 819 (Kloster Niedermünster UP) 587,17; Nr. N 11 (Straßburg 1262) 11,16; Nr. 2894 (Wien 1298) 202,1; Nr. 3011 (Klosterneuburg S 1298) 270,32; ahtedhalb Nr. 1896 (Hren von Wallsee A 1294) 176,30.  – ahtend-: hochalem. Nr. 113 (Kloster Rieden 1268) 157,26; schwäb. Nr. 3406 (Kloster Maulbronn UP 1299) 509,27, bair. Nr. 2103 (Wien 1295) 308,16; Nr. 1750 (Linz a. d. Donau 1293) 65,12; Nr. 1751 (Linz a. d. Donau 1293) 65,26; rhfrk. Nr. N 203 (Kg Rudolf A, Mainz 1281) 157,13. Zu diesen und weiteren Urkundenformen s. WMU 1, 41, 43. N 51

Bei den Ordinalzahlwörtern sibent-, niunt-, (-)‌ƶęhent- ist das Dentalsuffix inlautend nur teilweise noch als /t/ erhalten. Die Belege sind zumeist frmhd. und bair., z. B. zehenten, WNot, 19ra,6; cehenten, BaGB, 146,24; ‫܅‬ibinte, Spec, 13v,16; zehenti, 9v,22; ‫܅‬íbente, PrMi, 30r,17; zehenten, Mar, 458; Hchz, 500; Hoff, 13v,15. Vgl. auch (alle bair.) uiercehten, *AvaJG, 135; uinfzehente, 147; dricehenten, *JJud, 189; dricehente, *TegProgn, 1r,5; viercehente, 1r,11; vumfcehente, 1r,16; ‫܅‬eh‫܅‬cehente, 1v,1; ‫܅‬ibenzehente, 1v,5; ahtzehente, 1v,8; nevntzehente, 1v,13; 213: fvmfzehentē, *BrAdm, 45v,15. Auch im *UrkCorp entstammen alle Belege mit inlautendem -nt- bairischen, in seltenen Fällen auch ostschwäb. (Augsburg) Urkunden oder solchen aus dem Nürnberger Raum, z. B. nivntem, -en Nr. 378 (München UP 1279) 350,30; Nr. 1133 (Gf von Ortenburg A 1289) 419,29; Nr. 3182 (Ebf von Salzburg 1299) 375,30 und 11 weitere Urkunden; nevnten, -em z. B. Nr. 3 (Hr von Liechtenstein A? 1227) 5,26; Nr. 652 (Wien 1284) 75,16; Nr. 3181 (Bf von Gurk UP 1299) 375,6 und 25 weitere Urkunden; ostschwäb. Nivntem Nr. 3280 (Augsburg A 1299)

2. Ordinalzahlen

689

436,12; Nr. 3343 (Augsburg UP 1299) 475,29; Nr. 3459 (Augsburg UP 1299) 545,37; Nr. 3543 (Kloster Oberschönenfeld UP 1299) 601,25; Nivntē Nr. 3471 (Augsburg UP 1299) 557,30; ofrk. Neuntem Nr. 3255 (Wolfsberg 1299) 421,29. Zahlreiche bair. -nt-Belege auch für ƶęhende ‚Zehnt‘ (s. WMU 3, 2480f), z. B. zehenten Nr. 453 (Geiselhöring 1281) 395,2; Nr. 622 (Stein a. d. Donau UP um,1284) 49,7; Nr. 3217 (Ebf von Salzburg 1299) 394,19; Cehenten Nr. 3261 (Regensburg UP 1299) 424,31.39.

Ansonsten ist im Zuge der Lenisierung nach n regelhaft /d/ eingetreten, im Alem. schon bei Notker (Ahd.Gr.I, § 163 Anm. 5, § 278). Frühe mhd. Belege sind z. B. alem. cehindin, PrZü, 108va,6; ‫܅‬ibinde, Muri, 4r,5; nivndin, LEnt, 54,1; bair. nivnden, Kchr, 16846; zeh enden, *6573; ‫܅‬ibenden, *8084; ‫܅‬ibender, *VMos1, 407; hess.-thür. ‫܅‬ibende, AlxS, 7055; nůnde, 7059; zehende 7060; ‫܅‬ibende, *TrSilv, 275; ‫܅‬ibindē, 391. Ordinalzahlwörter auf -ƶig-est Die Ordinalzahlwörter zu den Zehnerzahlen 20–90 werden im Mhd. wie schon im Ahd. (Ahd.Gr.I, § 278; Ross/ ​Berns 1992, 622f) mit dem Superlativsuffix -ōst- gebildet. Die Suffixform -ōst- ist frmhd. noch teils erhalten, z. B. uierzigo‫܅‬ten, BaGB, 138,37; drizigo‫܅‬tin, PrZü, 182vb,30; fierzego‫܅‬ten, *BenedGlB I, 107 v,35; fiercigosten, *WessobrGlB I, 138,36; zuenzigo‫܅‬timo, *ÄPhys, 32r,22. Später im Korpus nur noch wobd., und zwar schwäb., so stets ‹u‫܅‬t› in ZwBR (29-mal), z. B. zwainzigu‫܅‬tē, 23v,3; drizzigu‫܅‬t, 19v,14; vierzigu‫܅‬t, 19v,14; vunfzigu‫܅‬t, 20r,1; ‫܅‬ehzigu‫܅‬t, 20r,2. Stets ‹o‫܅‬t› in UAugsb1 und UAugsb2: ahzigo‫܅‬ten, UAugsb1, 1,13, 2,11, 3,15 u. ö. (8-mal); Sibenzigo‫܅‬ten, 8,15; dri‫܅܅‬igo‫܅‬tem, -en, UAugsb2, 1,23, 2,8, 3,26 u. ö. (8-mal); drizzigo‫܅‬ten, 9,35, 10,29 u. ö. (10-mal); Viertzígo‫܅‬ten, 19,13, 20,35, 21,26. Auch im *UrkCorp sind von ca. 185  Belegen mit -zigost u. ä. über 70% (ost)schwäb. mit Schwerpunkt Augsburg, z. B. ‫܅‬ibenzego‫܅‬ten Nr. 214 (Rottweil A 1274) 218,34; Ahtzego‫܅‬tem Nr. 481 (Augsburg A, Hg von Oberbayern UP 1281) 422;30; Ahtzigo‫܅‬tem Nr. 800 (Ulm [JO Ermingen] A, Nivnzego‫܅‬tem Nr. 2384 (Marstetten A 1296) 479,8; Nr. 2022 (Mindelheim 1294) 262,2. Etwa 15% sind hochalem. oder aus dem Bodenseeraum, z. B. achzego‫܅‬ten Nr. 863 (Zürich A 1287) 209,6; Nr. 912 (Zürich A, Kloster Töss UP 1287) 270,9; Nr. 940 (Zürich 1287) 296,31; ahzego‫܅‬ten Nr. N 179 (Konstanz 1280) 141,2; ahzigo‫܅‬tem Nr. 992 (Kloster St. Gallen 1288) 325,43. Dagegen nur 3 oberrhein. Fälle: ahzigo‫܅‬ten; Nr. 454 (Staufen i.Br. 1281) 395,32, zweinzigo‫܅‬ten Nr. 1797AB (Freiburg i.Br. 1293) 104,19. Hinzu kommen je ca. 5% bair. und ofrk. Belege, die bair. zumeist aus oberbayerischen, die ofrk. zumeist aus Nürnberger Urkunden; bair. z. B. Ahtzigo‫܅‬tem Nr. 569 (München 1283) 5,19; nivnzego‫܅‬tem Nr. 2337 (Aichach UP 1296) 447,29; Nivnzgo‫܅‬ten Nr. 3203 (Weikershofen UP 1299) 386,28; ofrk. z. B. ahzigo‫܅‬ten Nr. 949 (Nürnberg 1287) 301,27; Nr. 1044 (Nürnberg 1288) 359,24; Nîvnzego‫܅‬ten Nr. 1689 (Marschall von Pappenheim UP 1293) 20,42; Nivnzigo‫܅‬ten Nr. 1898 (Nürnberg 1294) 177,33. Auch die wenigen Belege mit -ust- sind schwäb.: Achzegu‫܅‬tem Nr. 1146 (Augsburg UP 1289) 427,23; Achzegv‫܅‬tem Nr. 792 (Kloster Oberschönenfeld A, Augsburg UP 1286) 159,39; ahzegv‫܅‬tem Nr. 774 (Gf von Hohenberg A 1286) 148,12.

Von synkopierten Varianten der Suffixkombination -ƶig-est ist -ƶig-st im Korpus rhfrk. und ofrk. belegt: vírzíg‫܅‬tem, vierzíg‫܅‬tem u. ä. UMainz, 1,3, 2,5, 3,4 u. ö. (19-mal);

N 52

690

VI. Numeralia

fůnfzíg‫܅‬tem, 30,2.18; ofrk. ‫܅‬ehtzzig‫܅‬ten, GnaÜ, 83,10; dreizzig‫܅‬tem, Nürnb, 1,26, 2,13, 3,12 u. ö. (31-mal); Virzig‫܅‬tem, 32,11, 33,35 u. ö. (6-mal). Im *UrkCorp ist die große Masse der Belege mit -zigst- oder -zichst- bair., außerdem ofrk. und md., dagegen nur vereinzelt wobd. (schwäb.), z. B. bair. ahtzig‫܅‬ten Nr. 894 (Oberdrauburg a. d. Drau 1287) 255,8; Neunzig‫܅‬tem Nr. 2269 (Wien 1295) 404,17; sibenzich‫܅‬tem Nr. 355 (Ebf von Salzburg 1278) 332,23; ofrk. Ahzig‫܅‬ten Nr. 1153 (Kloster Engelthal UP 1289) 432,2; Neunzig‫܅‬tem Nr. 3255 (Wolfsberg 1299) 421,29; mfrk. ‫܅‬e‫܅‬zig‫܅‬teme Nr. 62 (Köln A 1262) 100,12; vinzig‫܅‬ten Nr. 21B (Neuss a.Rh. 1251) 35,21; hess. Achzich‫܅‬ten Nr. 598 (Marburg a. d. Lahn 1283) 22,40; Nr. 599 (Marburg a. d. Lahn 1283) 24,3. Vereinzelt schwäb. nivnzig‫܅‬tem Nr. 2057 (Pfullingen UP 1294) 282,21. Nur bair. sind die *UrkCorp-Formen mit -zkist-, -tzkist-, z. B. bair. ‫܅‬ibentzki‫܅‬ten Nr. 288 (Hr von Starhemberg A, Hr von Weidenholz UP 1276) 287,42; nevnzki‫܅‬tem Nr. 1194 (Hr Johans v. Rohr A, Kloster St. Florian UP 1290) 461,44; Neuntzki‫܅‬ten Nr. 1896 (Hren von Wallsee A 1294) 176,40. Keine Ausnahme ist Neuntzki‫܅‬ten in der sprachlich bair. geprägten Königsurkunde Nr. 3276 (Kg Albrecht A, Zürich 1299) 433,13. N 53

Suffixvarianten Anstelle von -ōst-, -(e)st erscheint in späteren mfrk. Quellen selten das Dentalsuffix -t- (‹t›, ‹d›), z. B. jn deme Eyn jnde zuenzichteme jare, *KölnEidb, 1r,2, ähnlich 1v,26; moselfrk. indeme eýn in zenzicdimme Jare ‚in dem einundzwanzigsten Jahr‘, *MU14, 220110,17; in deme Eÿht vnd zwenzichtem Jare, 280707,333. Das *UrkCorp bietet einige vornehmlich bair.-österr. und md. Belege ohne Suffix (s. WMU 2, 1321): bair.-österr. in dem Ains vñ Nevntzigem Jar Nr. 1436 (Linz a. d. Donau 1291) 639,25; in dem ‫܅‬uben vnd neunzigem iar Nr. 2631 (Kloster Lilienfeld UP 1297) 45,11; Nr. N 779 (Kloster Lilienfeld UP 1297) 562,23; in dem ‫܅‬iben vnd nivnzigem iar Nr. N 780 (Kloster Lilienfeld UP 1297) 562,37; in dem Nevn vnd Nevntzichem Jar Nr. 3359 (Niederloiben 1299) 483,27; in dem Nivn vnd Nivntzgem Jar Nr. 3422B (Ebf von Salzburg 1299) 521,12. – Omd.-thür. indeme andern unde nvnzigen iare Nr. 1508 (Ldgf von Thüringen A, Feuchtwangen UP 1292) 681,19; indem nuen vñ nunzegeme iare Nr. 3318 (Schleusingen 1299) 461,19.  – Hess. Jn deme achte vñ nvnzigeme iare Nr. 2878 (Romrod A, Ldgf von Hessen UP 1298) 195,7.  – Mfrk. in deme zue inde ‫܅‬ezzicgeme iare Nr. 61 (Köln 1262) 97,18.  – Vereinzelt auch flexivlos: bair. in dem zwai vnd Nevntzich iar Nr. 1517 (Landshut A 1292) 685,40; schwäb. in dem vier vnd Nivnzich iar Nr. 2006 (Nördlingen UP 1294) 252,25.

N 54

hundertest, tūsentest Die Ordinalzahlwörter zu 100 und 1000 werden wie die ordinalen Zehnerzahlen mit dem Suffix -ōst- > -(e)st gebildet (s. § N 52): hundertōst > hundertest, tūsentōst > tūsentest. Das Korpus bietet keine Belege. Im *UrkCorp stammen die Formen mit unabgeschwächtem Suffix aus alem. Urkunden, z. B. zweihvnderto‫܅‬ten Nr. 416 (Kloster Magdenau 1280) 376,12; hvnderto‫܅‬ten Nr. N 147 (Gf von Toggenburg A, Kloster Magdenau UP 1277) 104,28; Nr. N 179 (Gf von Toggenburg A, Konstanz 1280) 141,2; Nr. 172 (Winterthur 1272) 195,33; tv‫܅‬endo‫܅‬ten Nr. N 147 (Gf von Toggenburg A, Kloster Magdenau UP 1277) 104,28; Nr. 416 (Kloster Magdenau 1280) 376,12; Nr. N 179 (Gf von Toggenburg A, Konstanz 1280) 141,2; tu‫܅‬endo‫܅‬ten Nr. 172 (Winterthur 1272) 195,32; tv‫܅‬indo‫܅‬tin Nr. 1134 (Kloster Töss A, Kloster Magdenau UP 1289) 420,3.

691

2. Ordinalzahlen

2.2. Flexion und Verwendung Paradigma Sg.

N 55

Mask.

Neutr.

Fem.

dritt-e

Nom. dritt-en

Akk.

dritt-en, dritt-em(e)2

Gen.

dritt-en )

dritt-e1) dritt-en

Dat. 1) md.

2) bair.-ofrk.-wmd.

Abb. N 20: Paradigma der Ordinalzahlen

Ordinalzahlwörter werden in aller Regel im Sg. verwendet und – abgesehen vom Dat. Sg.Mask./ ​Neutr. und Akk.Sg.Fem. (s. § N 57f)  – schwach flektiert, z. B. in PrSch e (alem.): Nom.Sg. d’ dritte, 130v,14; díu dritte, 131r,4; Dc dritte gruzē, 240r,14; Dat.Sg. an dem dritten tage, 9v,8; an d’ vierdō zůkumft, 129v,5; Zem drittē mâl, 125v,9. Sehr selten kommt auch pluralischer Gebrauch vor: Die dri tde bende [‚Bande‘] waren dotlich, VLilie, 38,13; her Herman [...] gewan ‫܅‬ine drítte bennen ‚(Zahlungs-) Verfügungen‘, UMainz, 22,6; zeden uierden ‫܅‬tunden, *ArnoltSieb, 361; Diê dritte bvch‫܅‬tabe ‫܅‬int die liute, *PrLeys, 12vb,44.

N 56

Anm. 1:  Unsicher ist der Numerus von sęlbe dritte etc. nach pluralischem Bezugsnomen oder ‑pronomen; formal handelt es sich um den schwach flektierten Nom.Sg., z. B. mvgen ‫܅‬i erziugen ‫܅‬elbe dritte/ mit ir magen/ [...], StBA, 73rb,16, ähnlich 81ra,21; ‫܅‬o ‫܅‬ulín [‫܅‬u] andirir eraphtir luití al‫܅‬i vielí da zu neími, daz ‫܅‬u ‫܅‬elbí dirtí ‫܅‬ín, MüRB, 11r,2; da‫܅ ܅‬ullen ‫܅‬i berredon! [= berėden ‚beweisen‘] nah lehen‫ ܅‬reht/ ‫܅‬elbe dritte *UrkCorp Nr. 94 (Freiburg i.Br. 1265) 144,2; ‫܅‬o ‫܅‬ulen wir ez ‫܅‬elbe vierde behaben mit dem eide Nr. N 192 (Gfen von Zweibrücken A, Mkgfen von Baden UP 1281) 151,9.

Starke Formen sind selten: Nom.Sg.Fem. ohne vorausgehenden Definitartikel/ ​Demonstrativpronomen [S]in drittiu ge‫܅‬cepfide, Phys, 130v,14; Trittiu uenie, *RubrB, 253v,19.  – Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. De‫ ܅‬drittes tages, *VMos2, 893; nach lat. Vorlage: di‫܅‬ ‫܅‬almin niunzigu‫܅‬te‫ ܅‬vierden (psalmi nonagesimi quarti, BR, 43,4), ZwBR, 38v,4. Anm. 2:  Eine Mischung starker und schwacher Flexion scheint vorzuliegen in: di mach ‫܅‬ich in‫܅‬cůldigen bit ieme ‫܅‬ieuendire *UrkCorp Nr. 42AB (Köln 1258) 70,42 (zum Schreiber dieser Urkunde vgl. Klein/ ​Peters 2015, 27ff).  – Zu starken mfrk. Formen wie Gen./ ​Dat. Sg.Fem. dridder, RhMl, 4267, 4770, uierder, VLilie, 29,11, ‫܅‬e‫܅‬ter, 41,4 vgl. § A 65f.

Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. Im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. steht im Bair., Ofrk. und Wmd. auch nach Definitartikel oder Demonstrativpronomen häufig das starke Flexiv -em(e), z. B. bair. in dem zueinzigi‫܅‬tem tage mercen, Phys, 137 v,4; an dême dríttem tâge, PrMi, 36r,16.20; Ze dem víerdem mâle, 36v,13; an dē eínleftem tage, Bart, 4vb,5; westbair. an dem zehentim iâre,

N 57

692

VI. Numeralia

Spec, 34r,16; ane dem vierzigi‫܅‬tim tage, 63r,9; An deme vinfzehi‫܅‬time tâge, 67r,19, 67 v,1. – Ofrk. ín dem Virzig‫܅‬tem iar, UNürnb, 32,11, 33,35 u. ö. – Mfrk. in deme Se‫܅‬teme chore, RhMl, 2231; zůme dirdeme ‚zur dritten (Vorladung)‘, Brig, 1v,28; An deme verdeme grade, BuMi, 83r,13.  – Rhfrk. An deme drizehíndime tage, PrM, b3vb,16, nach dem achtzen‫܅‬tem tage, UMainz, 1,6, 2,5 u. ö. – Alem. nur an dem elfdim dage, LEnt, 55,2, an dem zvelftim dage, 55,12; schwäb. zim vunfzigu‫܅‬tim (ad quinquagesimum, BR, c. 13,2), ZwBR, 19v,11. Vergleicht man die Häufigkeit starker Flexion des Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. in dieser Stellung bei Ordinalzahlen und Adjektiven, so ergibt sich folgendes Bild: Starke Flexion ist bei Ordinalzahlen im Mfrk. etwas seltener, im Bair. und Rhfrk.-Hess. deutlich häufiger als bei Adj.; noch stärker ist dieser Kontrast im Ofrk. (s. Abb. N 21). Ordnungszahl

Adjektiv

-em(e)

-em(e)

obd. ²11/ ​¹12

 05

1127

Iw, Nib, Parz, Tris

 03

1428

bair.

3336

22271

alem.-bair.

1058

22285

alem.

 543

 4326

mfrk.

4416

49203

rhfrk.-hess.

1953

11202

hess.-thür.

 02

 577

omd. (²13/ ​¹14)

 024

 3110

ofrk.

4314

 089

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. N 21: Häufigkeit des starken Flexivs -em(e) Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. bei Ordinalzahl und Adjektiv nach Definitartikel oder Dem.-Pron. dise

Eine Sonderrolle kommt Zahlverbindungen des Typs „kardinale Einerzahl + unde + ordinale Zehnerzahl“ zu. Hier dominiert der stark flektierte Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. nach vorausgehendem Definitartikel in den Landshuter Urkunden, und in den Nürnberger und Mainzer Urkunden herrscht er allein, z. B. (Drevtzehen. Hvndert Iar, dar e nach ín) dem fv nf. v‫ ܒ‬Dreizzichi‫܅‬tem Iar, ULands, 3,58; in dem Sehs vnd vírzíg‫܅‬tem iar, UMainz, 1,3; ín dem fivnf vnd dreizzig‫܅‬tem iar, UNürnb, 1,26. Dieser Typ, von de Boor (1975, 35) als „ord.Z.“ bezeichnet (s. § N 44), begegnet fast ausschließlich in den Datumszeilen von Urkunden und erscheint im *UrkCorp vornehmlich in oobd., ofrk. (Nürnberg) und omd. Urkunden, während im Wobd. (bei manchen Unterschieden im Einzelnen) und Wmd. die Kardinalzählung vorherrscht (z. B. zwelfhvndírt/ zwe‫ݠ‬/ i v‫ ܒ‬Nvnzíg/ Jar, UFreib1, 7,15f), vgl. de Boor (1975, 37ff). Demgegenüber zeigen die Mainzer Urkunden aus 114 im Korpus ausschließlich Datumsangaben des „ord.Z.“Typs (s. Abb. N 22).

2. Ordinalzahlen

693

-em(e) UAugsb1

  01

UKöln1

1001

ULands

 6118

MBeh

  01

GnaÜ

  01

WüPo

  01

UNürnb

10028

UMainz

10019

Angaben in Prozent, Gesamtbelegzahl tiefgestellt.

Abb. N 22: Häufigkeit des Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. auf -em(e) in ordinalen Zahlverbindungen des Typs dem niun und vierzigstem

Akk.Sg.Fem. Im Akk.Sg.Fem. konkurriert das schwache Flexiv -en auch nach Definitartikel mit starkem -e (vgl. § A 93). Das Korpus bietet mit zwei Ausnahmen nur md. Belege für -e (vgl. auch § A 93), z. B. mfrk. die verde ‫܅‬tat, RhMl, 2160; die ‫܅‬e‫܅‬te engel‫܅‬che ‫܅‬charen, 2262; hess.-thür. di dritte kemenaten, AlxS, 6090; omd. ‫ܨ‬me di ‫܅‬eh‫܅‬te ‫܅‬tunde, MBeh, 230r,16, 233r,9; ‫ܨ‬me di nůnde ‫܅‬tunde, 233r,12; rhfrk.-hess. die fvnfte ‫܅‬vl, SalH, 29,1; biz ā die uirde zijt, OxBR, 10v,28; di ‫܅‬ybínde houbít ‫܅‬vnde, 179r,4.  – Obd. nur e ostschwäb. Div dritte haizzet man go tlichiv mínne, Baum, 17 v,5; di‫܅‬e vierde tugent, 21r,4. -en

-e

Iw, Nib, Parz, Tris

1

0

bair.

2

0

alem.-bair.

2

2

alem.

1

0

mfrk.

0

4

rhfrk.-hess.

9

3

hess.-thür.

0

1

omd. (²13/ ​¹14)

0

3

ofrk.

0

0

N 58

Abb. N 23: Akk.Sg.Fem. -e bei Ordinalzahlen nach Definitartikel/ ​Demonstrativpron.

Selten erscheint -e anstelle anderer Flexive. Im *UrkCorp vornehmlich in wobd. Urkunden, zumal im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr., z. B. zv deme dritte male *UrkCorp Nr. 1161A (Mainz 1289) 440,21; in dem dritte iare Nr. 1847

N 59

694

VI. Numeralia

(Schwarzenbach/ ​Kt.Thurgau 1293) 149,4; Jndem dritte Jare Nr. 2153 (Oppenheim 1295) 334,14; an dem vierde tag Nr. 3073 (Kloster Niederschönenfeld UP 1298) 316,18; indem vierde jare Nr. N 613 (Schwyz A 1294) 443,14; an deme vúnte tage 1448–644,19; jn dem fvmfte vnd nevnzige‫܅‬t iare Nr. N 738 (Hr von Ebersdorf UP 1295) 532,24; Jn deme ‫܅‬ibende iare Nr. 2772 (Kassel 1297) 128,16; an dem ahtode tage Nr. 1252 (Schaffhausen 1290) 497,2; indeme ahtode Jare Nr. 2996 (Sulz a.Neckar 1298) 260,33; an dem achtede tage Nr. N 799 (Sulz 1280) 574,2; Dat.Sg.Fem. ze der dritte ‫܅‬ite Nr. 1790 (Kloster Schuttern/ ​Baden 1293) 91,14.

Flexivlose Formen erklären sich teils durch e-Apokope, besonders im Nom.Sg. Sie finden sich meist erst in bair. und ostschwäb. Quellen aus 114, vgl. aber schon bair. Daz ‫܅‬ibent was ein ‫܅‬terne, Mar, 4399; dív zehent hora, *AvaLJ, 547; Div f‫ݑ‬nft gâb, *PrFrKrakau, 12v,21. Häufig in ZwBR, z. B. d’ niunzigu‫܅‬t vierde, 17r,13; später z. B. Ich was ‫܅‬elbe zehent chomen dar, Lieht, 1580,1; Daz dritt (vierd, fûnft usw.), Rupr, 75,1ff; Der zehend. Svntag, ObEv, 54b,15; Der vierd, Baum, 19v,11; Div fvnft, 24r,17; der Dritt zehende, UAugsb2, 7,5; der drítt, Hartw, M 1191; Der vierd, Renn, 346, 358, 373. Selten stehen sie aber auch in anderen Fällen, z. B. an dem ‫܅‬vbent abent, ObEv, 40b,12; an dem ‫܅‬vbent tag 40b,39. Bei substantivischem sibend(e), drīȥigest(e) ‚siebter/ ​dreißigster Tag nach dem Begräbnis (und Seelenmesse an diesem Tag)‘ (MWB 1, 1380; WMU 1, 404; 2, 1565): In dem drizigi‫܅‬t. oder in dem ‫܅‬iebentn ain‫ ܅‬manne‫܅‬, *RubrB, 219r,16; in dem drizigi‫܅‬t. oder in dem ‫܅‬iebentm, 219v;10; vn‫܅‬er ‫܅‬ibent, vn‫܅‬er dreizgi‫܅‬t (Akk.Sg.) *UrkCorp Nr. N 514 (Kapfenberg/ ​Steiermark 1292) 369,6f; ‫܅‬inen ‫܅‬ibent vnd ‫܅‬inen drizzich 2899 (Kloster Ranshofen/ ​Oberbayern 1298) 204,12. Nur vereinzelt steht das Ordinalzahlwort statt einer zu erwartenden Kardinalzahl: ‫܅‬ine drítte bennen, UMainz, 22,7 (oder Pl. der Ordinalzahl?, s. § N 56); vmb zwai. v‫ܒ‬ viertzichi‫܅‬t. Pfvnt Regen‫܅‬pvrg’ Pfenn&, ULands, 24,8; li‫ ܅‬den ‫܅‬almen. Daz i‫܅‬t der ‫܅‬ibent exaudi einer, *GebetsanwAug, 76r,2.

3. Andere Zahlarten

695

3. Andere Zahlarten 3.1. Distributiva Von den im Ahd. bezeugten Distributiva (Ahd.Gr.I, § 279) setzt sich mhd. nur ƶwisch ‚je zwei‘ (oder multiplikativ ‚zweifach‘) fort, das bald jedoch nur noch in den zu Adverb oder Präp. erstarrten Fügungen in ƶwischen, enƶwischen ‚zwischen, inmitten von‘, ƶwischen ‚inzwischen, zwischen‘, under(-)‌ƶwischen ‚unterdessen, untereinander, wechselseitig‘ vorkommt (vgl. Lexer 3, 1220). Die älteren Verwendungsweisen und Bedeutungen (vgl. BMZ 3, 954) finden sich oobd. noch bis 113, so distributiv ,je zwei, beide‘: iegeliche‫ ܅‬niene wan zwi‫܅‬ckiu ‚von jedem nur je zwei‘, *Gen, 1393; Ich pin de‫܅‬ gewi‫܅‬., daz unter iw zui‫܅‬k. niene wart diu minne ‫܅‬o groz, 3365; multiplikativ ,zweifach, doppelt‘: Nemet zui‫܅‬ken ‫܅‬catz, *Gen, 4530; Eua braht un‫ ܅‬zwi‫܅܅‬en tot, *MarldM, 78; daz bezachienet [= beƶėichenet] un‫܅‬ern zwi‫܅‬cen lib, *SiebenZ, 3,6; Ein zwisch reizel ‚doppelter Köder‘, *Krone, 1735. Sonst werden distributive Zahlenangaben im Mhd. – wie schon im Spätahd. und noch im Nhd.  – durch ie ... oder ie ... unde ... ausgedrückt (Mausser, Mhd.Gr.III, 854f), z. B. ‫܅‬iniv kinder liefen vor im in. Ie zwei ein andir an der hant, Parz, 23,19; da e rant ie ein’ zwene an, Diet, 9448; man [...] gab îe drízzeg vmbe eínen bo‫܅‬en phenníng, SwSp, 122rb,20; ie zuai unde zuai, TrHL, *32v,1; Iê. ‫܅‬ibenív vnt ‫܅‬ibenív, *Aneg, 1854. Vgl. schon îe ziuueni. unte ziuueni, *PrWessB, H22a,25.

N 60

3.2. Multiplikativa Multiplikative Zahlwörter werden im Mhd. von der Kardinalzahl mit dem Suffix -valt abgeleitet, während die zum Nhd. stimmenden Bildungen auf -vach erst spätmhd. aufkommen (s. KSW III, § A 144ff, 148; Wilmanns, Dt.Gr.II, § 438; Mausser, Mhd.Gr.III, 882f). Weit seltener sind die obd.  – und zwar zumeist offenbar bair.  – Bildungen auf spilde (Adj./ ​Adv.). Außerdem scheinen nur ƶwīspilde, vierspilde belegt zu sein, vgl. du ginæme den ende uon einem ‫܅‬werte., do dich un‫܅‬er herre gót giwerte. einer zwi‫܅‬pilden ‫܅‬tôle, HLit, 655; vnde í‫܅‬t, daz er gar v’derbet í‫܅‬t., ‫܅‬o gelte aber zwí‫܅‬pilde, SwSp, 114va,3; daz galt er allez uier‫܅‬pilde, Spec, *137,34; ich [...] wil mit dem andern tail allen den gelten unde wider geben, den ich dehein leit oder dehein schaden getan han, vierspilde, *Konr, 95,36; ƶwīspilde z. B. auch *RolP, 3624; Parz, *201,1; *KvHeim­ Urst, 1940; *JTit, 1673,3, 3088,3; vgl. auch WMU 3, 2549f. Anm. 1:  Die auf Entlehung aus lat. bilīx bzw. trilīx beruhenden ƶwil(i)ch ‚zweifädig‘, dril(i)ch ‚dreifädig‘ haben offenbar erst in übertragener Verwendung und vielleicht auch in

N 61

696

VI. Numeralia

Anlehnung an das schon ahd. belegte ėinlich ‚einzig, einfach (simplex)‘ zusätzlich die multiplikative Bedeutung ‚zwei-, dreifach‘ angenommen, vgl. Wilmanns, Dt.Gr.II, § 284.4; Schmid (1998, 533); EWA II, 779, 1011; Kluge/ ​Seebold, EWB, s. v. Drillich, Zwillich; MWB 1, 1370, 1541f; vgl. z. B. D’ vn‫܅‬er [Gott] i‫܅‬t gewalteg, einlich vnt driwalteg, Drilich v‫ ܒ‬auch einvalt, Erlös, 1137ff.

Abgesehen von zwir(e), zwir(e)n(t) ‚zweimal‘ (s. Lexer 3, 218) und dem spezifisch omd. drīes ‚dreimal‘ (s. MWB 1, 1368f) werden multiplikative Zahladverbien im Obd. und weit seltener auch im Md. durch Nominalphrasen aus Kardinalzahl und stunt gebildet (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 339; Wilmanns, Dt.Gr.II, § 465; Mausser, Mhd.Gr.III, 884f), z. B. daz tůt er drî ‫܅‬tunt, Phys, 151r,2; ‫܅‬o luot [‚brüllt‘] er zuelif ‫܅‬tunt indeme tage, 137 v,5; du ‫܅‬olde‫܅‬t im uergeben ‫܅‬ine ‫܅‬unde. ‫܅‬iben unde ‫܅‬ibenzich ‫܅‬tunde, HLit, 528; de‫܅‬ gnadet er ir wol tv‫܅‬ent ‫܅‬tvnt, Iw, 5563. – Md. nur selten (im Korpus < 10% der Belege), z. B. daz ‫܅‬inget man dan nivn ‫܅‬tvnt, SalH, 113,3; al‫܅‬e diz dri‫܅‬tunt ge‫܅‬prochin i‫܅‬t, OxBR, 8v,18; Nv ‫܅‬vlt ir hundertu‫܅‬ent ‫܅‬tunt gote v‫ ܒ‬mír willekome ‫܅‬ín, HTri, 496.  – Mit Ordinalzahl (selten) z. B. Dtriten ‫܅‬tunt [‚drittens‘] zai[g]et er im ge‫܅‬criben da, Kchr, 8716. – i Alem. auch univerbiert und zu -sto verkürzt: ‫܅‬uben‫܅‬to ‚siebenmal‘, PrSch, 123v,17 (korpusextern hier auch hundersto, zehensto, zwainzechsto, vgl. Weinhold, Alem.Gr., 311). Im Wmd. und Els. werden Verbindungen der Kardinal-/ ​Ordinalzahl mit warbe, wėrbe (zu warp ‚Drehung, Wendung‘, Lexer 3,695) zur Bildung multiplikativer Zahladverbien verwendet. Mit Kardinalzahl z. B. mfrk. drywerf, Taul, 24v,14; zeynwerf ‚10-mal‘, 101v,1; dů‫܅‬ent werf, 160v,3; vgl. auch fůnf we‫܅‬r [l. werf] zehinzoch ‚fünfmal hundert‘, *VAlex, 455; thriwarf, driwarf ‚dreimal‘, *RBibB, 244, 265; thri waruen, 260; hundert werf, *PrKöln, 28,7, 38,18; zwenzich werf, 43,25.  – Rhfrk.-hess. tv‫܅‬int warbe, SalH, 33,3, 117,6; Sebinwerbe, OxBR, 6r,23.26; driwerbe (-uerbe, -berbe), 7 v,17, 8v,16, 9r,7, 13r,29; uirwerbe, 15r,22. – Els. tu‫܅‬ent warbe, Rapp, 672; driewarbe *UrkCorp Nr. N 238A (Straßburg 1283) 191,9; driewerbe Nr. N 526 (Hohenstein/ ​Elsass A 1292) 374,36.  – Mit Ordinalzahl z. B. mfrk. anderwerue ‚zum zweiten Mal, zweitens‘, RhMl, 2520, 4263; anderwerf, 530, Taul, 81v,2. – Rhfrk.-hess. anderwerbe, OxBR, 2v,19; die ‫܅‬al man bere‫܅‬pē zwirnt v‫ ܒ‬dritwerbe, 6v,12; Anderwerbe u. ä., UMainz, 4,15.24, 8,15 u. ö.; *UrkCorp Nr. 2462 (Frankfurt a. M. 1296) 523,27; And’werbe, *Herb, 1444, 5926, 6688, 12018, 13971. – Alem. anderwarbe *UrkCorp Nr. N 238A (Straßburg 1283) 186,16.40.42, 190,4. In der Bedeutung ‚zum Zweiten, zweitens‘, ‚drittens‘ usw. mfrk. Andirwerue ‫܅‬agin wir/ Dat [...] *UrkCorp Nr. 796 (Gr Ruprecht von Virneburg u. a. 1286) 163,37; Dirdewerue, 163,39; Verdewerf, 163,42; Vunftewerf, 164,2; Se‫܅‬tewerf, 164,6; Sieuindewerue, 164,7; Eichtewerf, 164,9; entsprechend in Nr. N 301 (Hospital von Sinzig a. d. Ahr A nach 1286) 230,23ff.  – Rhfrk. Andirw’be, Andírwerb, *Klagschrift, 1r,107.203. Vornehmlich omd. und rhfrk.-hess., aber auch ofrk. und ostschwäb. sind die Bildungen mit -wėide (drī-wėide, ander-wėide, dritte-wėide): „heiligir got“, ‫܅‬prechin ‫܅‬ie drieweide, PrMK, 1r,22; Vnder tac v‫ ܒ‬vnder nacht nam her dríweide cyplinen ‚unterzog er sich dreimal Kasteiungen‘, Hleb, *198v,1; anderweide (anderweid) u. ä. ‚zum zweiten

3. Andere Zahlarten

697

Mal; außerdem, weiterhin‘ (MWB 1, 215; WMU 1, 87; Frnhd.WB 1, 1046f); z. B. hess.thür./ ​omd. AthP, 3,18, 4,138, 8,92; MüRB, 7r,25; Pass, 19,52; andirweyde, BeEv, 64v,7; and’weit, MBeh, 57 v,17, 225v,11 u. ö.; and’weite, 225r,2; rhfrk.-hess. Elis, 4887, 5242, 5314; PrRei, 171b,27; *Rittersitte, 5v,13; ofrk. anderweit, GnaÜ, 75,13; ostschwäb. Türh, 73; anderweide, 16761. Die Verbindung mit māl, die sich im Nhd. zum Ausdruck multplikativer Zahladverbien durchgesetzt hat, beschränkt sich im Mhd. noch auf Präpositionalphrasen der Typen a) ze drīn mālen ‚dreimal‘ und b) ze dęm dritten māle ‚zum dritten Mal, zum Dritten, drittens‘. Typ b), also die Verbindung von Ordinalzahlen mit māl ist bei weitem häufiger. Auf ihn entfallen im Korpus drei Viertel der Belege, z. B. bair. ze dem fîvnftem mâle er‫܅‬cheín er zweín ‫܅‬ínen ívngern, PrMi, 36v,15; alem.-bair. Wírt ez aber zem dritten male/ ín ‫܅‬íner gewalt funden/, ‫܅‬o enhoeret níht anders darzv wan dív hant, StBA, 69ra,21; alem. Zem êr‫܅‬tē mâl, ‫܅‬o ‫܅‬ol er ‫ܔ‬z w’dē ge‫܅‬endet dar ūbe, dc d’ e i go teliche zorn w’de gehullet v‫ ܒ‬ge‫܅‬tillet., Zem and’n mâl., dc díu men‫܅‬cheliche nat2 e e w’de erlo‫܅‬et., Zem drittē mâl., dc d’ val d’ engel wid’ w’de brâht., Zem vierdē mâl., i dc d’ gewalt v‫ ܒ‬diu grôze vreuílí dez tíeuels w’de ub’wndē, PrSch, 125v,6ff; rhfrk.-hess. zv dem ander male, SalH, 65,14; omd. als d‫ ݑ‬dries [‚dreimal‘ s. o.] wirdis dar in ge‫܅‬tozin., z‫ ݑ‬deme drittin male wirdis d‫ ݑ‬ge‫܅‬unt, JMar, 109r,5f; ofrk. Da ‫܅‬prach er zem dritten mal die ‫܅‬elbē rede, GnaÜ, 74,18. Die Belege von Typ a) enthalten oft ėin als Zahlwort, z. B. Ez ‫܅‬ol auch der vogt ellív iar zeínem male/ ‫܅‬uchen vnrehtív geloete, StBA, 69ra,24; zu eím mol da ‫܅‬ah ‫܅‬ie ín eím gei‫܅‬telichen ge‫܅‬iht [...], GnaÜ, 74,22; Do zeinem mâle. troumte un‫ ܅‬beiden ‫܅‬uâre, *Gen, 4000; ze aínmal, Kchr, *2683; zainemale, *RubrB, 222r,10; ze ėinem māle kann auch anstelle von ze dem ērsten māle stehen: So er denne mit den drîn in‫܅‬tozen get‫ݑ‬ft [‚mit dreifachem Eintauchen getauft‘] wirt., indem namen de‫ ܅‬uater zeinem male., in dem namen de‫܅ ܅‬un‫ ܅‬zim andern male., in dem namen de‫ ܅‬heiligen gei‫܅‬te‫ ܅‬ze dem dritten male, Hoff, 27 v,2ff. Vgl. ferner z. B. do er‫܅‬chaín er in ze fíumf malon, PrSch, 9v,19; d’ wart z‫܅ ݑ‬ieben malin ge‫܅‬lagin, JMar, 3r,3; zů míttem ‫܅‬om’., Da Scůltheízze Růdolf zů dren malen an vngeboden dínge zů geríchte Saz, UMainz, 30,5. Folgende Beispiele mit zunehmendem Flexionsabbau und Verlust der Präp. ze sind e bereits Vorboten des nhd. Gebrauchs: alem. io hore ich [...], dc er zweín malon ‫܅‬i gevangē v‫ ܒ‬ge‫܅‬lagē, *Cäc, 456; rhfrk. las dir gedenken, wi ich dir. Gefri‫܅‬te zveinmal dinen lip, Himlf, 1267; omd. he ‫܅‬al och ‫܅‬izzi virmal mit den burgerin, MüRB, 16r,18; ofrk. Ein iegelich purg’, der lai‫܅‬ten ‫܅‬ol., der i‫܅‬t niht mere ‫܅‬chvldic ze lei‫܅‬ten danne des tages eín mal, SBNü, 15rb,3. Vgl. auch den ‫܅‬ol er iegelichem ainen gi‫܅‬el in ‫܅‬in hu‫ ܅‬legen. zwen mal am Tage *UrkCorp Nr. 2517 (Konstanz UP 1296) 555,1; ‫܅‬o ‫܅‬uln ‫܅‬ie ze Schorndorf lai‫܅‬ten ze rehter gi‫܅‬el‫܅‬chaft des tages zvai mal Nr. N 649 (Gf von Württemberg A 1294) 469,8f.

698

VI. Numeralia

3.3. Bruchzahlen N 62

Bruchzahlen werden durch die Verbindung einer Kardinal- oder Ordinalzahl mit dem Subst. tėil gebildet (Mausser, Mhd.Gr.III, 883), das in der Regel Neutr., selten Mask. ist. Die Verbindung hat überwiegend die Form eines Kompositums mit tėil als Grundwort und einem Zahlwort als Bestimmungswort, z. B. vier-tėil ‚Viertel, vierter Teil‘. Nur im Ausdruck halp-tėil ‚Hälfte‘ bildet das Adj. halp das Erstglied: z. B. da‫ ܅‬halbteíl de‫ ܅‬nehí‫܅‬ten hv‫܅‬e‫ ܅‬da hínder/ v‫ ܒ‬da‫ ܅‬halbteíl gen‫܅‬elín‫ ܅‬hv‫܅‬e‫܅‬, UFreib1, 25,3; tǒ daz habt teil [l. halbteil] ‫܅‬arphin ezzichi‫ ܅‬dar zǒ, *Ipocr, 44va,12 (vgl. auch WMU 1, 790). Anm. 1:  Im Nhd. ist das Zweitglied -tėil dieser Komposita zu -tel abgeschwächt worden, doch halten sich Formen wie Dritteil neben Drittel teils bis ins 19. Jh. (vgl. Grimm, DWB neu 6, 1404f). Anm. 2:  Von den germ. Bildungen auf -ung-/ ​-ing- (vgl. anord. þriðjungr ‚Drittel‘, fiórðungr ‚Viertel‘, fimtungr ‚Fünftel‘ usw., ae. fēorþung ‚Viertel‘; Ross/ ​Berns 1992, 654–656) finden sich mhd. nur Reste, bei denen das Suffix teils zu -ling umgebildet ist (vgl. Wilmanns, Dt.Gr.II, § 437.4), z. B. drīling ‚Drittel‘ (MWB 1, 1370), vierdunc, -ing, vierlinc, vierdelinc ‚Viertel‘ (Lexer 3, 339). Vgl. auch vierdegezal, vierde(n)zal, viernzal, vierder ‚Viertel‘ (WMU 3, 2151ff).

Bei drittėil ‚Drittel‘ bildet stets die Ordnungszahl das Erstglied. In der Variante ahtetėil ‚Achtel‘ neben ahtėil kann sowohl die aus ahtode verkürzte Ordinalzahl als auch die noch nicht apokopierte Kardinalzahl ahte vorliegen (s. § N 21, N 50); für Letzteres spräche der ahd. Beleg zwêne ahto téila ‚zwei Achtel‘ (Ahd.Gr.I, § 280a Anm. 2). In allen übrigen Fällen stimmt das Erstglied formal mit der Kardinalzahl überein: vier-, vünf-, sęhs-tėil, *siben-tėil (im Korpus und in den mhd. Wörterbüchern nicht belegt), niun-, ƶęhen-tėil, vgl. z. B. d’ ‫܅‬tete daz dritteil., beide gezimb’ v‫ ܒ‬gemvre., daz zervellit vil vngehvre, LEnt, 37,8; [...] daz eín ieglich ga‫܅‬t cheínen rínde‫܅‬puch ver‑ kauffen ‫܅‬ol. [...] wan bi ganzen rínde‫܅‬puchen. v‫ ܒ‬bi halben. v‫ ܒ‬bi dem vierteil. v‫ ܒ‬bi níht mínn’, StBA, 106va,26; So ním vil dichez pier. V‫ ܒ‬nim dar zve eziches. daz vier teil. v‫ ܒ‬daz ahteteil bovmoles ‚ein Viertel Essig und ein Achtel Ölivenöl‘, Bart, 9va,9; io‫܅‬eph e kovft daz fv nfteil. des chornes, ‫܅‬waz dem manne wart, BKön, 2rb,35; vf dem Seh‫܅‬tail der ‫܅‬elben gůt, UAugsb2, 16,17; Nim daz ahteil waz’e‫܅‬. v‫ ܒ‬daz nívnteil wíne‫܅‬. v‫܅ ܒ‬i‫ݑ‬t div zwei mit ein and’, Bart, 18r,16f. Ahd. fiorteil mit kardinalem fior- wird durch Glossenbelege bereits für das 10. Jh. gesichert (vgl. Ahd.WB 3, 899). Es ist somit denkbar, dass die Bildung der -tėil-Bruchzahlen teils schon von Hause aus mit Kardinalzahlen erfolgt ist (vgl. Wilmanns, Dt.Gr.II, § 438.3 Anm. 3). Das Nebeneinander von dritt-tėil mit Ordinalzahl und etwa vier-tėil mit Kardinalzahl bliebe dann freilich erklärungsbedürftig, und ebenso auch das Verhältnis zu den im nördlichen Wgerm. geltenden Ausdrücken wie ae. fēorðandǣl, afries. fiārdandēl, mnl. vier(d)endeel, mnd. vêrdendê(i)l ‚Viertel‘ (daneben auch afries. fiārdēl, mnl. vierdel, mnd. vêrdê(i)l); entsprechend z. B. auch afries. sextandēl, achtendēl, mnl. derden-, vijften-, sesten-.

3. Andere Zahlarten

699

achten-, tiendendeel, mnd. derden-, achtende(i)l. Das Erstglied bildet hier die flektierte Form der Ordinalzahl, vermutlich die des Akk.Sg.Mask. (so auch die Vermutung im MNW 9, 448): *feorþan dail ‚vierten Teil‘ wurde zu *feorþan-dail univerbiert. Neben dem mask. i-Stamm germ. *dail-i- bestand im Wgerm. auch ein neutr. a-Stammm *dail-a-. Die ihm zugehörigen Phrasen wie z. B. *fiorda tail, *sehsta tail, *ahtōda tail Nom./ ​Akk.Sg. könnten nun im (Vor-?, Früh-?)Ahd. gleichfalls zusammengerückt und dann zu fior-, sehs-, ahtō-tail haplologisch verkürzt worden sein. Für das Zwischenstadium vgl. mnl. derdedeel, mnd. achtede-, derde-, vêrdede(i)l.

Wie schon die obigen Beispiele zeigen, werden die -tėil-Bruchzahlen meist mit partitivem Gen. und mit dem Definitartikel gebraucht. Verbindung mit dem Numerale ėin, im Nhd. die Regel, ist im Mhd. seltener, z. B. aín dritteil er der werlte under ‫܅‬ih gewan, Kchr, 564; v‫܅ ܒ‬ol div mazze zem mín‫܅‬ten ein ahtel ‫܅‬ín vnde ein halbez ahteil, StBA, 111rb,18; da git man zwen phenninge von vnce an ein viertail, UAugsb1, 5,10. Neben den -tėil-Komposita können im Mhd. weit seltener auch bedeutungsgleiche Phrasen mit attributiver Ordnungszahl verwendet werden, z. B. eínen halben teíl/ ane eín zehende teíl, UFreib1, 43,3; Uolleclich d’ vierde teil Dez tempils nid’ wart gevalt, Mart, 10,100; dz dritte deil des brodes, OxBR, 9r,25. „Gemischte“ Zahlen des Typs „3½“ werden im Mhd. wie schon im Ahd. und Germ. durch Ausdrücke wie vierdehalp ‚Viertes halb = dreieinhalb‘ bezeichnet (vgl. Wilmanns, Dt.Gr.II, § 438.2; Boeters 2006). Sie bestehen aus der Verbindung der Ordinalzahl mit dem Adj. halp. Im Nhd. hat sich davon nur anderthalb erhalten, resthaft auch noch Bildungen wie dritthalb, viertehalb (s. Grimm, DWB neu 6, 1410; DWB, 16, 312f; Boeters 2006, 114ff). Im Mhd. waren diese Bildungen auch noch zu höheren Zahlen möglich, z. B. Sibentzendehalb ‫܅‬chilling, UMainz, 22,23.24; dr‫ݑ‬cindehalf hundert. jair jnde egthe jair ,1258‘ *UrkCorp Nr. 44 (Bonn 1258) 74,10. Vgl. auch ƶwėlftehalp, vierƶęhendehalp, vünfƶęhendehalp, sęhƶęhendehalp, ahtƶęhendehalp, niunƶęhendehalp (s. WMU, jeweils s. v.). Anm. 3:  Im Nhd. hat sich demgegenüber der Bildungstyp zweieinhalb durchgesetzt, der in mhd. Zeit erst vereinzelt vorkommt, zuerst wohl in: nv invvellin vvir och nivt verdagin. von den zvem vvi‫܅܅‬agin., vvie ‫܅‬ie ligin dri dage. v‫ ܒ‬ein halbin obe der erde, LEnt, 38,3f (s. dazu Boeters 2006, 43f); danach im Korpus nur noch: des bliben ‫܅‬i ‫܅‬us ‫ܨ‬begraben Dri v‫ ܒ‬einē halben dag, Erlös, 6383; vgl. auch ein malder vnde ein halbe‫ ܅‬rocken [...] drů malder vnde Ein halbe‫ ܅‬rocken/ vnde Ein malder vnde ein halbe‫ ܅‬haberen, *MU14, 150120/ ​2 (Heinrich, Gf v. Sponheim-Starkenburg A 1315), 6ff u. ö. Fünf weitere Belege verzeichnet Boeters (2006, 55 [zu streichen ist hier der auf einem Druckfehler beruhende Beleg aus *UrkCorp Nr. N 150 (Kloster Niedermünster 1277) 108,3], 59–61).

Ursprünglich wurden beide Teile des Typs dritthalb flektiert (vgl. Ahd.Gr.I, § 280a). Im Mhd. ist die in der Form des Nom.Sg. erstarrte Ordinalzahl jedoch schon regelmäßig mit halp univerbiert, vgl. z. B. dríttehalben, UFreib1, 35,17; uierdehalbē, PrSch, i 245v,8; vunftehalbe, UFreib1, 39,3; ‫܅‬eh‫܅‬tehalben, 22,6; síbendehalben, 22,7; ahtodehalbe, 18,13; N‫ܔ‬ndehalbe, 11,3; zehendehalben, 35,21.

700

VI. Numeralia

Das auslautende e der Ordinalzahl wird obd. später zunehmend synkopiert, vgl. e z. B. fvmfthalp, Diet, 2368; ‫܅‬eh‫܅‬talp, Lieht, 102,3; Sibenthalbē, ULands, 19,9; fumfthalbs. vnd Sehtzíg pfunt, UAugsb2, 15,8; vierdhalbis, Mart, 18,10; Drithalp, Renn, 24567; schon ‫܅‬ibintalp, TrHL, *13v,21. Anm. 4:  Vereinzelt steht statt der Ordinalzahl die Kardinalzahl: achtzenhalb *UrkCorp Nr. 222AB (Plauen 1274) 225,5, dritzen halbir, 225,27, achczenhalb, 224,48, ‫܅‬ech‫܅‬halbin 225,33. Hier könnte es sich um Vorläufer des frnhd. häufigeren Typ dreihalb handeln, vgl. dazu Boeters (2006, 52–55, 76–78, 83–87)

-halp bleibt im Korpus in mehr als der Hälfte der Fälle unflektiert, oft allerdings vor den Kardinalzahlen hundert oder tūsent oder dem neutr. Subst. jār, z. B. vierdehalb iar, LEnt, 18,11; der vierdehalb dag, 39,9; andirhalp hundrith more, AlxS, 5545; ‫܅‬eh‫܅‬talp wochen, Lieht, 102,3; dríttehalb ‫܅‬chíllíng, UFreib1, 35,10; drit halb tv‫܅‬ent, RWh, 682; van die‫܅‬en vůnftehalf hůndirt markin, UKöln1, 12,7. Belege mit flektierter Ordinalzahl begegnen noch selten urkundensprachlich, meist im Akk.Sg.Mask., z. B. of vírzendenhalben Schillíng heller geldes, UMainz, 20,24; Aůch ‫܅‬al der vorgen& Pet’man zů Sŷlberberg vnd ‫܅‬in erben. ŷerlichen [...] gebē den h’ren zů ‫܅‬ent Moricien/ Sŷbendenhalben Schilling, 27,15; umbi ahtodinhalbin ‫܅‬chillinc, *FüssSprachpr, 58r,52. Die *UrkCorp-Belege stammen vornehmlich aus alem. Urkunden (vgl. auch Boeters 2006, 46f), z. B. mit drittem halbem ‫܅‬chillinge Nr. N 675 (Reinach/ ​Kt. Aargau UP 1295) 486,4; das [guot] giltet drittenhalben ‫܅‬chillinch pheningen, 487,16; von vierdemehalben se‫܅‬ter weizen Nr. 244AB (Kg Rudolf A, Gengenbach/ ​Baden UP 1275) 241,45f; vmbe dritthenhalben ‫܅‬e‫܅‬ter e nu‫܅‬ze Nr. N 688 (Straßburg A 1295) 498,38; So ‫܅‬ol abreht der ha‫܅‬eler ǒch gen [...] ahtodenhalben mut ‚geben 8½ Scheffel‘ Nr. 314 (Freiburg i.Br. S 1277) 303,44f; Ovch hab ich achtenhalben acker veldes Nr. N 392 (Kloster Niedermünster/ ​Els. UP 1289) 291,34. Zu weiteren Belegen vgl. WMU 1, 41 (ahtehalp); 2, 1544 (sehstehalp); 2, 1565f (sibendehalp); 3, 2151f (vierdehalp); 3, 2276 (vünftehalp). Lit.: Zahlwörter (Bestand, Bildung, Flexion) Ahd.Gr.I, § 270–281; Behaghel (1923, 427–432, 439–445); Boeters (2006); Grimm, Dt.Gr.II, 945–959; Frings (1962); Frings/ ​Lerchner (1962); Mausser, Mhd.Gr.III, 853–885; G. Müller (1962); Paul, Mhd.Gr., § M 60–M 62; Paul, Dt.Gr.II, 184–189, Dt.Gr.V, 111f; Rosenfeld (1956/ ​57); Ross/ ​Berns (1992); Schuppener (1996); Sommer (1951); Weinhold, Mhd.Gr., § 336–340; Wilmanns, Dt.Gr.II, § 434–438, III.2, § 211.

VII. Verben

1. Allgemeines

703

1. Allgemeines 1.1. Überblick 1. Das mhd. Verb vermag synthetisch-flexivisch und d. h. durch Wortformenveränderungen (Endungs- und/ ​oder Stammflexivik) die grammatischen Kategorien Person (1., 2., 3. Person), Numerus (Singular und Plural), Tempus (Präsens und Präteri­ tum) sowie Modus (Indikativ und Konjunktiv, im Präsens auch Imperativ) zum Ausdruck zu bringen; beim Genus verbi werden Aktiv und Passiv unterschieden, nur das Aktiv wird synthetisch realisiert.

V 1

Anm. 1:  Das Passiv wird durch eine Umschreibung mit węsen/ ​sīn oder węrden + Part. Prät. gebildet, z. B. ist gevangen und wirt gevangen im Präsens, was gevangen und wart gevangen im Präteritum. Die Verbindung mit sīn bezeichnet vornehmlich ein Zustandspassiv, die mit węrden vornehmlich ein Vorgangspassiv. Zur Bildung/ ​Verwendung des Passivs s. KSW IV. Anm. 2:  Hinsichtlich der zum Teil erst nach dem Mhd. erfolgenden Entwicklung der die grammatischen Kategorien ausdrucksseitig realisierenden formalen Ausdrucksmittel zeigt sich das Tempus und d. h. die Unterscheidung von Präsens und Präteritum als zentral, sie allein hat ‚einen Wert‘ (vgl. Paul 1995, § 146). Die nach dem Mhd. und also erststellig im Frnhd. vollzogene Entwicklung der formalen Ausdrucksmittel des Verbs erweist für diese zum Nhd. hin eine nur folgerichtig so bezeichnete ‚Tempusprofilierung‘ (vgl. Frnhd.Gr., § M 80, Gr.d.Frnhd.IV, § 170).

2. Im Mhd. ist der ursprünglich und d. h. für das Indo- und Urgermanische rekonstruierbare und im Ahd. zum Teil auch noch vorhandene größere Reichtum der flexivischen Ausdrucksmittel des Verbs deutlich reduziert. Eine aufgrund formaler Verschiedenheit noch im Ahd. gegebene Situation unterschiedlicher Klassen (u. a. Unterscheidung der Klassen I–III der schwachen Verben) ist zum Mhd. hin aufgegeben, lautliche und/ ​oder morphologische Entwicklungen führen vom Ahd. zum Mhd. zu einer Aufgabe von Klassenmerkmalen und einer Verschmelzung ehedem geschiedener Klassen. Es werden neue Klassenmerkmale herausgebildet, so dass für das Mhd. eine vom Ahd. verschiedene Klassifizierung vorgenommen werden muss; im frühen Mittelhochdeutschen (211/ ​112) ist das ahd. System noch teilweise nachweisbar. Doch trotz einer Vielzahl einzelner und im Mhd. vollzogener Veränderungen stimmen ahd. und mhd. Verbflexion noch oft überein; die zur Gegenwartssprache hin vollzogene strukturelle Umorganisation wird insbesondere erst im Frnhd. vollzogen (s.  Anm. 2). Anm. 1:  Eine wesentliche Ursache der flexivischen Umorganisation liegt in der den Übergang des Ahd. zum Mhd. markierenden Abschwächung der vollen Nebensilbenvokale in -e(-)‌; sie führt zur Aufgabe der für das Ahd. gegebenen suffixal ausdrucksseitigen Unterscheidung u. a. der Verben auf -ōn (zweite schwache Konjugation mit Stammbildungsvokal

V 2

704

VII. Verben

ō, vgl. Ahd.Gr.I, § 302, 366f), und -ēn (dritte schwache Konjugation mit Stammbildungsvokal ē, vgl. Ahd.Gr.I, § 302, 368f). Die Abschwächung der vollen Nebensilbenvokale ist in 211/ ​112 noch nicht vollständig abgeschlossen, so ist das System der Endsilbenvokale -a, -e, -o bei Williram noch weitgehend intakt. Die im Ahd. entsprechend unterschiedlich klassifizierten Verben wie etwa altēn und salbōn fallen mhd. in einer Klasse zusammen: Aus den stammbildenden Elementen ē und ō wird mhd. ‹e› in alten und salben zum Flexiv­ bestandteil, dessen Vorhandensein/ ​Fehlen in den Formen des Präteritums zum zentralen Klassifizierungskriterium wird. S. Kap. 2.3., § V 65ff zu den schwachen Verben. Anm. 2:  Ebenfalls durch lautliche Veränderungen qualitativer wie quantitativer Art sowie aufgrund morphologischer Vereinheitlichungs- und Ausgleichungsprozesse, deren Beginn in einigen Fällen bereits ins Mhd. zu datieren ist, wird im Frnhd. eine strukturelle Umgestaltung des verbalen Flexionssystems durchgesetzt (vgl. Frnhd.Gr., § M 80). Dazu zählen: weitgehende Tilgung des -e- innerhalb des Präteritalsuffixes (sag-et-e > sag-t‑e) und folgende Verschmelzung der im Mhd. noch vorhandenen zwei schwachen Verbklassen (mit oder ohne -e-), Aufgabe teils regionaler, teils auch paradigmatisch isolierter Flexive (z. B. -en der 1.Sg.Präs. oder -ent im Pl.Präs.); durch den Ausgleich des qualitativen oder quantitativen Numerusablauts im Präteritum der starken Verben (intraparadigmatischer ,Ablautausgleich‘) wird die Kategorie ,Tempus‘ ausdrucksseitig ,profiliert‘, durch den internen Klassenwechsel einiger starker Verben werden dominante Ablautmuster herausgebildet (interparadigmatischer Ausgleich) und die für das Mhd. noch gültigen Ablautklassen aufgelöst; zahlreiche stv. übernehmen die schwache Flexion; bei den schwachen Verben wird die besondere Möglichkeit des Rückumlauts in ganz erheblichem Maße reduziert; die im Mhd. noch häufig genutzten Möglichkeiten des Grammat. Wechsels werden bis auf wenige lexembezogene Ausnahmen aufgehoben; die mhd. Formenvielfalt der ,besonderen Verben‘ wird im Frnhd. reduziert, z. T. wird die schwache Flexion durchgesetzt. Die verschiedenen Vereinfachungen der schwachen Flexion, die Übernahme der schwachen Flexionsweise bei ehedem stv., die Reduzierung der Möglichkeit zur rückumlautenden Flexion, die Übernahme der regelmäßigen schwachen Flexion auch bei einigen besonderen Verben sowie die Tatsache, dass mhd. neugebildete Verben (z. B. mit Suffix -ieren) nahezu ausnahmslos schwach flektiert werden, unterstreichen die Entwicklung einer ,altdeutschen‘ (ahd./ ​mhd.) schwachen Flexionsweise zu einer ,neudeutschen‘ (frnhd./ ​nhd.) regelmäßigen ,Normal­ flexion‘. Bezüglich der Veränderungen bei den ,besonderen‘ Verben, beim lexemgebundenen Auftreten des Grammat. Wechsels sowie der stärkeren Systematisierung des ,Ablauts‘ zeigt sich eine Aufhebung von Suppletion zugunsten geregelter Alternationen; hier liegt zum Nhd. hin ein Prozess hin zu einer einheitlichen Stammstruktur in allen Flexionsformen vor. V 3

3. Das Mhd. realisiert synthetisch-flexivisch zwei Tempora: Präsens und Präteritum. Das Präsens dient auch zum Ausdruck zukünftigen Geschehens (Futur), das Präteritum dient auch zum Ausdruck vollendeter Vergangenheit (Plusquamperfekt, s. Anm. 4). Anm. 1:  Das Futur wird neben der Präsensform auch durch Umschreibungen (Periphrasen) realisiert: 1. mit sol, seltener mit wil und mueȥ + Infinitiv, z. B. ich sol spręchen, 2. mit węrden + Part.Präs. oder später mit węrden + Infinitiv; ich wirde spręchende/ ​spręchen. Die Konstruktion węrden + Infinitiv bleibt im Mhd. noch sehr selten, sie wird erst im Frnhd. in Konkurrenz zu den Konstruktionen ,Modalverben + Infinitiv‘ herausgebildet (vgl. Bogner 1989). Sie hat sich aus der Fügung węrden + Part.Präs. entwickelt, die ursprünglich den Eintritt in eine Handlung oder einen Zustand ausdrückt: ich wirde spręchende > ich wirde

1. Allgemeines

705

spręchen. Analog ist die Bildung des Konditionals zu verstehen: ich würde sprechen (Luther 2013; Kleiner 1925; Saltveit 1962). Anm. 2:  Das Plusquamperfekt wird wie im Nhd. zumeist analytisch durch Umschreibungen (Periphrasen) mit haben oder sīn/ ​węsen + Part.Prät. realisiert: ęr hėte geschriben, ęr was geloufen; die periphrastische Bildungsweise wird zum ausgehenden Mhd. zunehmend stärker genutzt. Anm. 3:  Das synthetisch gebildete Präteritum (sagte) weicht obd. seit dem Übergang des Mhd. zum Frnhd. dem analytisch gebildeten Perfekt (ęr hat gesagt, Lindgren 1957, 52; zum Gebrauch in den dt. Mundarten von kamen  : sind gekommen vgl. DSA 79, 80), die Entwicklung setzt merklich jedoch erst nach dem Mhd. im Frnhd. ein (zum Frnhd. vgl. Schieb 1976, 125f; Solms 1984, 311). Die sprachlandschaftliche Präferenz deutet sich bereits im Mhd. an, insofern analytisch gebildete Formen seit der 2. Hälfte des 13. Jh.s zuerst im alem.-bair. Übergangsraum und dann auch im Bair. relativ häufiger auftreten. Ein grobes Indiz dafür liefert das Verhältnis der Anzahl finiter Prät.-Formen der schwachen und starken Verben gegenüber der Anzahl von Präs.-Formen der Verben haben und sīn (Perfekt ęr hat gesprochen und ęr ist geloufen): Der Anteil aller finit gebildeten Prät.-Formen starker und schwacher Verben liegt im Grammatik-Korpus in der 1. Hälfte des 14. Jh.s bei ca. 65%, im alem.bair. Übergangsraum und Bair. dagegen nurmehr bei ca. 52–55%%; dem entspricht auch der deutlich höhere Anteil von Formen des Part.Prät. am Gesamt aller Prät.-Formen im Bair. und im alem.-bair. Übergangsraum (Schwäb.) von ca. 40% zu nur ca. 32% im Gesamtkorpus, s. differenziert dazu KSW IV.

In seltenen Fällen ist innerhalb des Präsens oder Präteritums eine auch aspektuelle Differenzierung möglich (durch ge-), s. Anm. 4 sowie KSW III, § V 197ff; zu Tempus und Aspekt s. KSW IV. Anm. 4:  Es ist nicht zweifelsfrei zu entscheiden, ob in Fällen einer ge-Präfigierung finiter Formen des Präteritums unpräfigierter Verben (getranc zu trinken) Vorzeitigkeit und damit eine Tempusstufe oder vollzogener Abschluss der Verbalhandlung und somit möglicherweise eine aspektuelle Differenzierung zum Ausdruck gebracht wird; in Fällen einer gePräfigierung finiter Präs.-Formen unpräfigierter Verben (getrinket) scheint die Annahme einer aspektuellen Markierung möglich (zu den morphologisch, syntaktisch oder aspek­tuell begründeten Verwendungsweisen von ge- s. KSW III, § V 195ff). Auffällig ist die sehr häufige ge-Präfigierung des Infinitivs in der Konstruktion ,Modalverb + Infinitiv‘ (KSW III, § V 197f). Insofern ge- eine aspektuelle Differenzierung zu leisten vermag, ist insbesondere in diesen Konstruktionen eine der Fügung węrden + Part.Präs. konkurrente und d. h. einen Zeitbezug (Futur) signalisierende Konstruktion zu sehen.

Die besondere Form der flexivischen Tempusbildung (Bildung eines jeweiligen grammatischen Präsens-/ ​Präteritumstammes, s. § E 3) dient als Kriterium der morphologischen Klassenbildung von schwachen, starken, besonderen Verben (s. Kap. 1.2.). 4. Neben den im Präsens und Präteritum realisierten Modi Indikativ und Konjunktiv wird der Imperativ synthetisch-flexivisch nur im Präsens der 2. Person realisiert. Anm. 5:  Die althochdeutsche Grammatik (Ahd.Gr.I, § 301, Anm. 4) wählt für ihre Darstellung innerhalb der Flexionsmorphologie die aufgrund der formalen Übereinstimmung

706

VII. Verben

zwischen den germanischen Flexionsformen und den griechischen/ ​a ltindischen Optativformen gegebene Bezeichnung des Optativs (Ahd.Gr.II, § S 125, Anm. 1: „Der germ. Konjunktiv ist eine Fortsetzung des idg. Optativs“). Demgegenüber wird hier die übliche und ihm insbesondere aufgrund seiner syntaktischen Funktionen zukommende Bezeichnung des Konjunktivs gewählt (so auch für die Beschreibung der ahd. Syntax im Gegensatz zur Flexionsmorphologie, s. Ahd.Gr.II, § S 125). Zur Diskussion des Konjunktivs, seinen vielfältigen semantischen Funktionen, seiner Kennzeichnung „als teilaktualisierte verbale Gestalt“ ohne Tempusgliederung (Ahd.Gr.II, § S 125), der notwendigen Unterscheidung seines Vorkommens im Haupt- und Nebensatz vgl. Ahd.Gr.II, § S 125 sowie s. ausführlich KSW IV.

Als einziger ‚vollaktualisierter Modus‘ (s.  § V 8, Anm. 1) trägt allein der Ind. eine Tempusbedeutung. Die innerhalb des flexivisch realisierten Tempus (Präs./ ​Prät.) gegebene Moduskennzeichnung als Ind., Konj. oder Imp. kann (sofern nicht ausdrucksseitig synkret) endungsflexivisch und/ ​oder durch Wechsel des Stammvokals (Umlaut, Wechselflexion mit/ ​ohne Grammat. Wechsel) erfolgen; Stammänderungen definieren gegenüber den der Klassenbildung dienenden primären Tempusstämmen (s.  Kap. 1.2., § V 5ff) sekundäre Tempusstämme (s.  Kap. 1.3., § V 8ff). 5. Es werden zwei Numeri realisiert, Singular und Plural. V 4

6. Neben den hinsichtlich Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus verbi bestimmten (finiten) Formen kennt das Mhd. drei infinite Formen (Verbalnomina): als Verbalsubstantiv den Infinitiv des Präsens, neben den sich das Gerundium stellt (Gen. und Dat. des flektierten Infinitivs), und als Verbaladjektive die Partizipien des Präsens und des Präteritums.

1.2. Klassenbildung V 5

1. Der seit Jacob Grimm üblichen Klassifizierung folgend werden die sog. schwachen Verben (swv.) von den sog. starken Verben (stv.) unterschieden (s. Anm. 1). Synchrones Kriterium der Klassifizierung ist die Flexion des Präteritums durch einen Dentalzusatz (Wolf 1971, 155), der auf eine Neubildung des Germanischen zurückgeht (zur möglichen Entstehung der schwachen Flexion s. § V 69): Diejenigen Verben, die einen solchen Dentalzusatz zwischen Stamm und Personalflexiv aufweisen, gehören zu den swv. (ich sag-e > ich sag-e‑t‑e, so auch das Part.Prät. ich habe gesag-(e)t). Eine Sondergruppe bilden die sog. ,rückumlautenden Verben‘: Zusätzlich zum Dentalsuffix tritt eine Alternation des Stammvokals ein (z. B. ich nėnn-e > ich nan-t‑e). Die mhd. Flexion eines swv. ist somit hinreichend bestimmt, wenn neben dem Infinitiv eine finite Form des Präteritums vorliegt. Anm. 1:  Mit der auf Jacob Grimm zurückgehenden und so auch in der Flexion der Substantive und Adjektive üblichen Bezeichnungsweise stark/ ​schwach wird dem historischen

1. Allgemeines

707

Umstand Rechnung getragen, dass die starke als „die ältere und (innerlich) einfachere [Flexion]“ gilt (Grimm, Dt.Gr.I, 509, vgl. auch 956, Anm.). Bezogen auf die Verben benennt Grimm (Dt.Gr.I, 755) das stark flektierte Präteritum „als haupt‫܅‬chönheit un‫܅‬erer ‫܅‬prache“. Dabei schwingt im „begriff des ‫܅‬chwachen“ die Vorstellung mit, dass das swv. seine Vergangenheitsform nur durch eine „äußerliche und er‫܅‬t nach dem ableitungsvocal eintretende zuthat“ bilden könne (Grimm, Dt.Gr.I, 957), was das stv. dagegen aus sich heraus zu leisten in der Lage sei. Die synchrone Definition der swv. findet sich so bereits auch bei Grimm (Dt.Gr.I, 757): „die ‫܅‬chwache conj. bildet ihr praet. nicht durch redupl. oder ablautung der wurzel, ‫܅‬ondern durch die zwi‫܅‬chen verbum und per‫܅‬onenflexion einge‫܅‬chaltete lingualis d (alth. t)“.

Die schwachen Verben sind meist sprachgeschichtlich sekundär und d. h. von starken Verben, Adjektiven oder Substantiven abgeleitet. Daneben besteht eine kleinere Gruppe von sprachgeschichtlich primären Verben, die sich der schwachen Flexion angeschlossen haben. Eine mhd. Klassifizierung der swv. ergibt zwei Gruppen (s.  ausführlicher § V 65ff): –– swv. mit -e- vor dem Präteritalsuffix (ich sag-e‑t‑e): Es handelt sich um die Verben der ahd. II. und III. Klasse und die kurzsilbigen der ahd. Klasse Ia; –– swv. ohne Mittelsilbenvokal und gegebenenfalls mit sog. Rückumlaut (ich nan-t‑e): Es handelt sich um die langsilbigen Verben der ahd. Klassen Ib und Ic (s.  Ahd. Gr.I, § 302). Anm. 2:  Die Unterscheidung zweier Gruppen swv. ist nicht streng aufrechtzuerhalten, weil in erstgenannter Gruppe -e- vielfach auch weggefallen ist: regelmäßig in den kurzsilbigen Verben nach r und l (bspw. nėrte, dolte aus ahd. nėrita, dolēta), nach n, r, l in mehrsilbigen (sęgente, vorderte, wandelte), nach t (bętte, warte; später auch sonst vielfach: wonte, trūrte, machte, ƶėicte usw. neben wonete, trūrete, machete, ƶėigete usw.). Durch Analogiebildungen werden die ursprünglichen Verhältnisse noch ungeregelter. Anm. 3:  Die Identifizierung von „(sprachgeschichtlich) sekundär“ bezieht sich auf Wortbildungen, die erst der germanischen Sprachgeschichte angehören. So verweisen die weitaus meisten und „fast ausnahmslos dem Grundwortschatz des Deutschen“ angehörenden stv. (Solms 1984, 23) zurück bis ins Idg., wohingegen sich die mhd. swv. als spätere Wortbildungen auf der Basis u. a. von Substantiven erweisen. Die jeweiligen synchronen Abhängigkeitsverhältnisse werden durch entsprechende Wortbildungsparaphrasen deutlich, durch die auch die morphologische Basis der jeweiligen Wortbildungskonstruktion expliziert wird. So ist das mhd. swv. vīlen (‚feilen‘) synchron als Wortbildung zum mhd. Substantiv vīle (‚Feile‘) zu beziehen (‚etw. mittels BS bearbeiten‘), es gehört aufgrund seiner durch die Paraphrase explizierten Funktion zu den sog. ‚instrumentativen Verben‘ (s. KSW III, § V 2).

2. Die starken Verben bilden ihr Präteritum (und Part.Prät.) ohne Dentalzusatz, vielmehr wird der Präteritalstamm durch Wechsel des Stammvokals (zum Teil mit Grammat. Wechsel), das Part.Prät. mit Nasalsuffix gebildet (gebog-en). Es handelt sich einerseits um ablautende Verben, bei denen im Mhd. aufgrund des indogermanischen e-/ ​o-Ablauts (Ablautreihen I–V) sowie der germanischen Neuerung der VI. Ablautreihe insgesamt sechs Ablautreihen (s.  KSW I) und entsprechend sechs Ab-

V 6

708

VII. Verben

lautklassen starker Verben zu unterscheiden sind. Es handelt sich andererseits um germanisch reduplizierende Verben (s.  Anm. 2), die einen dem Ablaut ähnlichen Vo­kal­wechsel aufweisen und eine siebte Klasse der stv. bilden. Anm. 1:  Mit ‚Ablaut‘ ist ein synchron funktionierender Laut‚wechsel‘ angesprochen, der auf das Idg. zurückgeht und durch einen phonetisch (Akzentunterschied) oder phonemkombinatorisch (phonologische Substanz der auf den Silbennukleus folgenden Koda) bedingten, diachron erfolgenden Laut‚wandel‘ entstanden ist. Ein Lautwechsel gilt als ‚Alternation‘, sobald er morphologisch funktional ist. Der Ablaut ist ein Musterbeispiel für eine solche Alternation (vgl. de Saussure 2014, 189), bei der der Vokalwechsel mit einer grammatischen Bedeutung identifiziert wird, welche die lexikalische Bedeutung überlagert (vgl. Admoni 1982, 40). Aufgrund der erfolgten Morphologisierung des Ablauts wird ihm eine rein lautlich verbleibende Definition nicht gerecht, so dass Wolf (1971, 155) den Ablaut für das Mhd. funktional als jenen Lautwechsel bestimmt, der bei bestimmten Verben die Präteritalbildung ohne Dentalzusatz ermöglicht (im Unterschied u. a. zu den ‚rückumlautenden‘ Verben, s. § V 74–77). Für das Mhd. ist die ins Idg. zurückverweisende und phonemkombinatorisch entstandene und fortentwickelte Ablautsystematik innerhalb der unterschiedenen Klassen starker Verben noch ersichtlich. Der spätestens für das Nhd. geltende Zustand, dass das „Exponenzverhältnis zwischen grammatischer Substanz [i. e. die Markierung des Tempusunterschieds] und phonologischem Ausdruck [... nur durch] den paradigmatischen Kontrast von Wortformen identifiziert wird“ (Durrell 1980, 23) und der Ablaut somit als eine ‚morpholexische Erscheinung‘ zu gelten hat (vgl. Durrell 1980, 21), wird erst im Verlauf des Frnhd. herausgebildet: „die Bindung der Vokalalternation an die Opposition von Wortformen markiert den Prozeß, der im Frnhd. zum Nhd. hin vollzogen wird“ (Solms 1984, 21). Anm. 2:  Das Verfahren der Reduplikation erfolgt durch Voranstellung einer aus dem anlautenden Konsonanten des Stamms und dem Vokal e bestehenden Silbe; so noch im Goti­ schen, während im West- und Nordgermanischen die Reduplikation aufgegeben und durch einen jüngeren Vokalwechsel ersetzt wurde (got. haita ,(ich) heiße‘ – haí-hait [he-he:t] ,(ich) hieß‘ entspricht ahd. heiȥu – hiaȥ, Got.Gr.2004, § 178; Ahd.Gr.I, § 302).

Neben der regelmäßigen und durch Ablaut bzw. jüngeren Lautwechsel entstandenen Alternation des Stammvokals kann im Präteritalstamm der stv. auch eine morphologisch gebundene Alternation des stammschließenden Konsonanten auftreten (Grammat. Wechsel: wir ƶiehen – wir ƶugen). Darüber hinaus kommt es zu positions­ gebundenen Alternationen des Präsensstammvokals, deren Ursprung in germ./ ​vorahd. und ahd. Lautveränderungen liegt (z. B. Wechsel ǖ – ie in ich bǖge – wir biegen oder Umlaut ich vare  – ęr vėrt). Um die konkrete Flexion eines mhd. Verbs vollständig zu charakterisieren, sind insgesamt fünf Stammformen (‚grammatische Stämme‘, s. § E 3) anzugeben, in denen zudem auch das Vorhandensein des Grammat. Wechsels signalisiert ist:

709

1. Allgemeines

Inf.

1.Sg.Ind.Präs.

1.Sg.Ind.Prät.

1.Pl.Ind.Prät.

Part.Prät.

biegen ƶiehen

bǖge ƶǖhe

bouc ƶōch

bugen ƶugen

gebogen geƶogen

Aufgrund der Ablautsystematik und der Regelmäßigkeit germ.-ahd. Lautveränderungen reichen zumeist aber schon der Stammvokal des Infinitivs sowie der/ ​die Folgekonsonanten aus, um die Klasse (und Unterklasse) zu bestimmen und damit alle Flexionsformen voraussagen zu können. 3. Aufgrund ihrer besonderen und z. T. suppletiven Flexion wird eine zahlenmäßig kleine Gruppe ,besonderer Verben‘ von den schwachen und starken Verben unterschieden: Hierzu zählen die ,Präteritopräsentien‘, wėllen, das verbum substantivum sīn, die Wurzelverben tuen, gān/ ​gēn, stān/ ​stēn sowie die kontrahierten Verben hān (haben) und lān (lāȥen); die darüber hinaus bei Vorliegen bestimmter phonologischer Bedingungen möglichen Kontraktionen (z. B. ęr saget > ęr sėit), „die ohne Bindung an morphologische Kategorien wie Tempus oder Numerus“ auftreten (Gr.d.Frnhd.IV, § 165), sind Thema der Lautlehre (s.  dazu KSW I) und werden hier nur insoweit berücksichtigt, als sich in bestimmten Positionen spezifische Auffälligkeiten ergeben (s. § V 237ff).

V 7

Lit.: Admoni (1982); Ahd.Gr.I, § 301–385; Durrell (1982); Förster (1966); Frnhd.Gr. § M 78–82; Got.Gr.2004, § 178; Graser (1977); Gr.d.Frnhd. IV; Grimm, Dt.Gr.I; Henzen (1965); Hiersche (1968); Kern/ ​Zutt (1977); Kleiner (1925); Krämer (1976); Lawson (1976); Lindgren (1953); Lindgren (1957); Luther (2013); Maurer (1926); Paul (1995); Paul, Dt.Gr.I, Tl. II, § 117; Saltveit (1962); de Saussure 2014; Schieb (1976); Schrodt (1983); Solms (1984); Solms (2004); Wolf (1971).

1.3. Modus 1.3.1. Allgemeines

Die Entwicklung der formalen Ausdrucksmöglichkeiten des Modus als einer grammatischen Kategorie des Verbs steht in Beziehung zur Entwicklung der unterschiedlichen Ausdrucksformen der Modalität als einer übergeordnet verstandenen semantischen Kategorie u. a. epistemischer oder deontischer Art, welche morphologisch wie lexikalisch oder syntaktisch realisiert werden kann. Insofern Modalität/ ​Modus inhaltlich/ ​funktional gleichermaßen als „Stellungnahme des Sprechers zur Geltung des Sachverhalts, auf den sich die Aussage bezieht“ (Bußmann 2008, s. v. Modalität) bzw. „subjektive Stellungnahme des Sprechers zu dem durch die Aussage bezeichneten Sachverhalt“ (Bußmann 2008, s. v. Modus) bestimmt ist, ist eine analytische Trennung beider Kategorien allein formal möglich: Der Modus realisiert die „subjektive

V 8

710

VII. Verben

Stellungnahme“ flexionsmorphologisch in seinen Ausprägungen Indikativ, Imperativ und Konjunktiv (s.  Anm. 1); die Modalität drückt sich darüber hinaus u. a. in un­ terschiedlichen Satztypen, Satzadverbien oder auch Modalverbkonstruktio­nen aus (s.  ausführlich KSW IV). Anm. 1:  Als „Grundwert der nicht-indikativischen Modi [ist] festzuhalten, dass die entsprechenden Sätze keinen bestimmten Wahrheitswert haben“, „einen solchen Wahrheitsanspruch nicht tragen“ (Ahd.Gr.II, § S 125). Einen solchen trägt allein der Ind., der aus eben diesem Grund der einzige ‚vollaktualisierte‘ Modus ist und also auch als einziger Modus eine unmittelbare „temporale Fixierung auf die Sprecherorigo“ aufweist (Ahd.Gr.II, § S 125). Eben dies gilt nicht für die nicht-indikativischen Modi, die jedoch als Modus ohne Wahrheitswert bestimmte semantische Funktionen („Nutzwerte“ wie etwa Irrealität) realisieren. Insofern diese Nutzwerte nun ihrerseits mit der „morphologische[n] Gestalt der verbalen Formen [...] korreliert werden [können]“ (Ahd.Gr.II, § S 125), realisieren diese Formen jeweils eben nur diese spezifischen Nutzwerte, ohne darüber hinaus einen temporalen Bezug aufzuweisen: Der morphologisch vom Präteritalstamm abgeleitete „zweite Konjunktiv“ kann „als ausdrückliche Negation der Gültigkeit des Geschehens zum Sprecherzeitpunkt uminterpretiert werden“, der morphologisch vom Präsensstamm abgeleitete „erste Konjunktiv“ kann „Annahme, Eventualität“ realisieren (Ahd.Gr.II, § S 125). Schon für das Ahd. gilt, dass der Konj. damit keinen temporalen Wert besitzt (Ahd.Gr.II, § S 125, Anm. 1 u. 2; vgl. Paul, Mhd.Gr., § S 16). Gegenüber dem als ‚teilaktualisierte‘ Modusform identifizierten Konj. (Ahd.Gr.II, § S 125) ist der Imp. als nurmehr „semifinite Form“ (Donhauser 1986, 124) zu verstehen, der eine „Kategorisierung nach Person, Tempus und Genus verbi“ fehlt (Ahd. Gr.II, § S 130). Seinen Grundwert sieht Schrodt mit Hinweis auf Donhauser (1986) als „Fehlen einer Indizierung der aktuellen Welt“, worin sich „auch die systematische Nähe zum Konjunktiv“ erweist (Ahd.Gr.II, § S 130). Anm. 2:  Dem Imperativ fehlt (über die nicht vorhandene Tempusgliederung des Konjunktivs hinaus, s. Anm. 1) die „Kategorisierung nach Person, Tempus und Genus verbi“ (Ahd. Gr.II, § S 130), allein die 2.Sg.Präs. kennt eine eigenständige und von Indikativ und Konjunktiv unterschiedene Form des Imperativs (stv. spręchen: Imp. sprich, Ind. sprichst, Konj. spręchest). Die im Imperativ formal realisierte Aufforderung kann als Adhortativ auch an eine Gruppe von Menschen adressiert sein, der der Sprecher angehören (1.Pl.) oder nicht angehören kann (3.Pl.). Solche Verwendungen sind synthetisch-flexivisch als Indikativ oder Konjunktiv (Bringen wir palme fvr sin ovgen, PrPa, 164,8f) oder analytisch u. a. durch eine Konstruktion der 2.Pl.Imp. von lāȥen + Inf. realisiert (lazit uch nicht totin, AthP, 4vb,23; 4,149). V 9

Konj./ ​Imp. werden im Rahmen einer Flexionsmorphologie allein formal und d. h. im Zusammenhang eines innerhalb des synthetisch-flexivischen Paradigmas ausdrucksseitig zuweisbaren Formenbestandes beschrieben. Neben der Beibehaltung des Konjunktiv-Begriffs (s.  § V 3, Anm. 5) wird für die Bezeichnung der synthetischflexivischen Formen auch die Bezeichnung Konj.Präs. bzw. Konj.Prät. beibehalten. Anm. 1:  Für die Beschreibung der ahd. Syntax werden die Bezeichnungen K 1 und K 2 verwendet (Ahd.Gr.II, § S 125, Anm. 1), „um problematische Assoziationen an die beiden Tempora zu vermeiden“. Die flexionsmorphologische Perspektive jedoch zeigt K 1 (Konj. Präs.) vom Präsensstamm abgeleitet (stv. spręchen mit 3.Sg.Konj.Präs. spręche), K 2 (Konj.

1. Allgemeines

711

Prät.) vom Präteritalstamm (3.Sg.Konj.Prät. spræche). Im Zusammenhang einer paradigmatisch bezogenen Darstellung ist daher die Beibehaltung der Bezeichnungen Konj.Präs. und Konj.Prät. geboten.

Noch im Ahd. ist der Konj. ausdrucksseitig durch den „Flexionsvokal“ ē (Präs.) oder i (Prät.) markiert (vgl. Ahd.Gr.I, § 310 u. 322), so 2.Pl.Konj.Präs. salb-ō‑ē‑t mit Wurzel salb-, Themavokal -ō- und (Konj.-)Flexionsvokal -ē-, mit (Pers.-)Flexionskonsonant -t (Ahd.Gr.I, Paradigmenübersicht zu § 304). Anm. 2:  In Will aus dem frühesten Zeitraum des Korpus sind die Modi z. T. noch deutlich getrennt, so endet die 1.Sg.Präs. im Ind. mehrheitlich auf ‹on› ~ ‹o›, im Konj. auf ‹e›, s. § V 44, in der 1.Sg.Prät. finden sich -a im Ind. und -e im Konj. (Konj.: búrete, 4r,9; Ind.: lêrta, 10r,6), s. § V 27.

Die spätahd. Nebensilbenreduktion hat einen weitgehenden Zusammenbruch dieser Modusunterscheidung zur Folge, so dass im Mhd. nurmehr in einigen paradigmatischen Positionen eine ausdrucksseitige Unterscheidung von Ind. und Konj. möglich ist (3.Sg.Präs.: Ind. ęr singet vs. Konj. ęr singe), in vielen Positionen sind Ind. und Konj. übereinstimmend gebildet (1.Sg.Präs.: Ind. = Konj. ich bite oder 1.Pl.Präs.: Ind. = Konj. wir sęhen). Die Reduktion endungsflexivischer Unterscheidungsmöglichkeiten führt klassenspezifisch (stv.) insbesondere zur vermehrten Kennzeichnung des Konj. Prät. mittels Umlaut, der jedoch erst in frnhd. Zeit vollständig ausgebaut ist. Eine Ausnahme stellt in 211/ ​112 Will dar (z. T. auch WNot), hier kommt der Modusunterschied in vielen belegten Formen noch zum Ausdruck. Über eine endungsflexivische Markierung hinaus kann der Konj.Präs. in Opposition zum Ind.Präs. ausdrucksseitig durch Umlautlosigkeit (3.Sg.Konj.Präs. grabe vs. Ind. grėbit) oder ausbleibenden Wechsel ę > i (3.Sg.Konj.Präs. gębe vs. Ind. gibet) bezeichnet sein, es kann der Konj.Prät. in Opposition zum Ind.Prät. zusätzlich bezeichnet sein durch Umlautung (3.Pl.Konj.Prät. gæben vs. Ind. gaben) bzw. im Sg.Prät. durch Verwendung des (sofern möglich) umgelauteten (schwund- bzw. dehnstufigen) Pl.Prät.-Ablauts, so etwa 3.Sg.Konj.Prät. rite oder gæbe vs. 3.Sg.Ind.Prät. rėit oder gap. Die Umlautung als Modusmarkierung setzt sich im Mhd. erst langsam durch.

Ein synthetisch-flexivisch formal ausdifferenziertes Modussystem gibt es im Mhd. nicht mehr, „der Modus-Synkretismus ist weit fortgeschritten“, so dass an die Stelle synthetisch-flexivischer Formen „Umschreibungen durch die Modalverben wil, muoz, sol, mac, kan, darf “ treten (Paul, Mhd.Gr., § S 14); die Verdrängung solcher Modalperiphrasen durch die Konstruktion würde + Inf. ist erst für das Frnhd. seit dem 14. Jh. bezeugt (Frnhd.Gr., § S 22, Anm.), eine Entwicklung hin zu einer verstärkten Nutzung von Periphrasen setzt zum Ende des Mhd. ein (s. Anm. 2). Anm. 1:  In Fällen eines Modus-Synkretismus ist ausdrucksseitig keine Entscheidung zu treffen, ob es sich um eine Form des Konj. oder Ind. handelt. Hier lässt sich aber oft aus der Kenntnis der Syntax heraus entscheiden, dass eine vorliegende Form als Konj. oder als Ind. zu werten ist. Die Untersuchung moduseindeutiger Formen in Haupt-/ ​Nebensätzen

V 10

712

VII. Verben

zeigt u. a., dass im Final- (vffe daz din herze deste starker werde, SalH, 31,5) oder auch im Konzessivsatz (Alein er hoch vnde wert ‫܅‬i. vber alle dinc. idoch othmvdiget er ‫܅‬ich. zv der reinen ‫܅‬elen, SalH, 65,11ff) ausschließlich Konj.-Formen vorkommen (Mihajlović 2017; so auch im Ahd., vgl. Ahd.Gr.II, § S 147f), so dass im Umkehrschluss gefolgert werden darf, dass eine modussynkrete Form in einem Final-/ ​Konzessivsatz ebenfalls als Konj. gewertet werden kann. Zum Gebrauch des autonomen und dependenten Konj., zur Modusverwendung im Nebensatz, zur Bedeutung des Konj. s. ausführlich KSW IV. Anm. 2:  Für das Mhd. ist von einer relativ gleichbleibenden Verwendung synthetischflexivischer gegenüber periphrastischen Konj.-Bildungen auszugehen. Ein Indiz liefert die Entwicklung des Verhältnisses der Konj.Prät.-Formen starker und schwacher Verben zu den Präteritalformen der Modalverben im Verlauf des Mhd. und d. h. des Anteils der entsprechenden Modalverben am Gesamt aller Konj.Prät.-Formen: Der Anteil der mit Modalverb + Infinitiv periphrastisch gebildeten Belege liegt bis 213 zwischen 44% und 46% am Gesamt aller Konj.-Belege, er steigt erst in 114 auf dann 53%. Anm. 3:  Als auf den Konj. verweisende Hiatus-Form (ähnlich der ahd. Aufeinanderfolge aus Thema- und Flexionsvokal) kommt im Grammatik-Korpus allein -ei- im alem.-bair. Übergangsraum (ZwBR) und im Alem. (Muri, PrZü, TrHL) in 212/ ​113 vor. Es handelt sich dabei um die Variante (neben -eigen, -eih, -ein; s. § V 45, Anm. 1, § V 52, Anm. 4, § V 54, Anm. 1, § V 179, Anm. 8 und § V 194, Anm. 8) einer erweiterten Konj.-Form -eje, -ei, die schon Weinhold (Weinhold, Mhd.Gr., § 370) im Alem. des 11./ ​12. Jh.s findet (ahten: 3.Sg. Konj.Präs. ahtei, ZwBR, 6r,7, 3.Pl.Konj.Präs. ahteigen, ZwBR, 33v,6; schėinen: 1.Pl.Konj.Präs. schinein, PrZü, 182va,6; gesęgenen: 3.Pl.Konj.Präs. gi‫܅‬egineigen, Muri, 10va,10). Solche Formen zeigen sich als jeweilig seltenere Formen bevorzugt bei swv., seltener bei stv. und auch in 1.Pl.Konj.Präs. wellein (PrZü, 182va,14 zu wėllen). Die scheinbaren Hiatus-Formen bi‫܅‬ei (MüRB, 7r,8) und korpusextern ge‫܅‬chei (*StatDtOrd, 39r,5) der 3.Sg.Konj.Präs. ergeben sich durch Kontraktion (s. § V 101, Anm. 1). Lit.: Ahd.Gr.I, § 304, 310, 322; Ahd.Gr.II, § S 125, S 130, S 147f; Bußmann (2008); Donhauser (1986, 124); Frnhd.Gr., § S 22; KSW IV; Mihajlović (2017); Paul, Mhd.Gr., § S 14, S 16; Weinhold, Mhd.Gr., § 370.

1.3.2. Umlaut/ ​Umlautbezeichnung V 11

Unter Umlaut (auch i-Umlaut) versteht man die partielle und in der Aussprache erfolgende Angleichung (Assimilation) der nicht palatalen Vokale (u. a. a, o, u) betonter Silben an die palatalen Vokale i, ī der nicht betonten Folgesilbe (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 16), s. § V 12, Anm. 1. Der im Ahd. somit lautgesetzlich entstandene Umlaut wird im Verlauf des Mhd. zunehmend zu einem Mittel der morphologischen Distinktion, der lautgesetzlich verursachte wird vom analogischen Umlaut abgelöst (vgl. Kranzmayer 1938, 91f). Vorausgesetzt ist die schon im Ahd. einsetzende Abschwächung des die zunächst allophonisch verbleibende Palatalisierung auslösenden i, ī der Nebensilbe; die Abschwächung führt zur endgültigen Phonemisierung der zuvor noch durch die Stellung vor i, ī bedingten i-Umlautallophone (vgl. Paul, Mhd. Gr., § E 12).

1. Allgemeines

713

Anm. 1:  Gegenüber der früheren Annahme eines mehrstufigen und über mehrere Jahrhunderte vollzogenen Prozesses (mit einem im Ahd. zuerst nur eingetretenen Primärumlauts a > ė) gehen neuere Untersuchungen von einer einheitlichen Umlautung in ahd. Zeit aus (zu den verschiedenen Theorien vgl. Ahd.Gr.I, § 51). Erst mit zeitlichem Abstand entstand die Notwendigkeit für eine graphische Kennzeichnung der neuen Umlaut- bzw. Palatalphoneme, so dass die auf der Schreibung basierende Beurteilung des Umlautprozesses zwangsläufig zur Einsicht eines gestuften Prozesses (u. a. mit Unterscheidung eines im Ahd. zuerst nur a ergreifenden Primär- und des erst in mhd. Zeit u. a. auch o oder ō ergreifenden Restumlautes) führen musste. Anm. 2:  Unter funktionalem Aspekt ist der Umlaut im frühen Ahd. vorübergehend redun­ dant, da die vollen Endsilben zur Kennzeichnung bestimmter Formen ausreichen; es kommt daher zu doppelter Markierung, z. B. in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. der stv. (bspw. Klasse VI ahd. varu, vėris, vėrit < *varis, *varit). Erst mit der Abschwächung der i-haltigen Endsilben wird die Kennzeichnungsfunktion des Umlauts (zus. u. a. mit dem Personalpronomen) bedeutsam: Der Umlaut wird morphologisiert.

Aufgrund seines ursprünglich umgebungsbedingten Auftretens erscheint der Umlaut in verschiedenen Zusammenhängen der starken und schwachen Flexion als Sub­ klassenmerkmal der rückumlautenden Verben (Präsensstamm brėnn- oder hȫr-, Präteritalstamm bran- oder hōr-), als ausdrucksseitige Markierung des Konj.Prät. der rück­umlautenden Verben (3.Sg.Konj.Prät. brėnte zu 3.Sg.Ind.Prät. brante), als aus­ drucksseitige Markierung der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. stv. mit umlautfähigem Stammvokal, insbesondere der Klassen VI und VII (Inf. halten, 3.Sg.Ind.Präs. hėlt), in der 2.Sg. Ind.Prät. stv. der Klassen II–VI (du bǖte ‚du botest‘, du hülfe ‚du halfst‘, du kæme ‚du kamst‘), als ausdrucksseitige Markierung des Konj.Prät. stv. (3.Pl.Konj.Prät. süngen zu 3.Pl.Ind.Prät. sungen). Im Ergebnis des sprachgeschichtlichen Prozesses zeigt sich, dass der „Funktionswert“ des Umlauts erststellig in der Assoziierung als Merkmal des Konj.Prät. liegt (Nyffenegger 1974, 180). Schon in der Frühzeit des Ahd. wird der Umlaut des a > ė (,Primärumlaut‘) wohl aufgrund des im lateinischen Alphabet enthaltenen e graphisch auch markiert. Insofern es dazu eine Vielzahl von Ausnahmen gab, bei denen es erst aufgrund des Jahrhunderte später und d. h. im Mhd. eintretenden ‚Sekundärumlauts‘ (s. Anm. 1) zu einer graphischen Bezeichnung kam, insofern eine solche auch in allen anderen Fällen schon im Ahd. anzunehmender Umlautung u. a. des o > ö nicht erfolgte, ist der Umlautprozess nur schwierig aus der Schriftlichkeit heraus zu beurteilen. Dabei reicht der Prozess der Durchsetzung einer Umlautmarkierung bis weit in das Frnhd. hinein, er entwickelte sich zudem schreiblandschaftlich sehr verschieden (obd. früher als md.). Generelle und für das Mhd. insgesamt geltende Aussagen sind schwierig, je im Einzelfall muss hinsichtlich der Durchführung einer Umlautkennzeichnung entschieden werden, ob etwa in der bei den stv. paradigmatisch den Umlaut aufweisenden 2.Sg.Ind.Prät. Hey wie bald du chome dar, MMag, 6v,13; 238 (neben auch Dv

V 12

714

VII. Verben

choeme, MMag, 3r,15; 105) Umlautlosigkeit oder nurmehr unbezeichneter Umlaut vorliegt. Insgesamt zeigt sich der Umlaut außerhalb desjenigen von ė (Umlaut zu a) bzw. æ (Umlaut zu ā) im Md. nicht bezeichnet (vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 34), für die umgelauteten Vokale werden also dieselben Graphien verwendet wie für ihre nicht umgelauteten Entsprechungen. Innerhalb des Obd. erweist der alem.-bair. Übergangsraum eine länger anhaltende und auch häufigere Umlautunbezeichnetheit. Anm. 1: Der ‚Umlaut‘ erklärt sich artikulatorisch als partielle und progressive Assimilation (artikulatorische Angleichung) eines Nicht-Palatalvokals (z. B. a) an die Artikulation eines Extrempalatalvokals der Folgesilbe (bes. i). Im Zusammenhang des seit dem frühen Ahd. eintretenden Primärumlauts bedeutet dies die anfänglich rein allophonische und in Richtung des Palatums realisierte Artikulation des nicht-palatalen a der betonten Stammsilbe (u. a.) vor einem palatalen i der Folgesilbe in ė (3.Sg.Ind.Präs. *far-it > fėr-it); in der Artikulation des a wird gleichsam antizipatorisch die erst folgende palatale Artikulation des i vorweggenommen. Diese artikulatorische Erklärung des Umlautprozesses macht zugleich plausibel, dass und warum der Umlaut in einer Reihe definierter Fälle ausblieb, ‚gehemmt‘ wurde, so u. a. vor der Lautkombination hs (3.Sg.Ind.Präs. wahsit statt *wėhsit, vgl. Ahd. Gr.I, § 27, Anm. 2), hier lag die Bedingung für eine in der Artikulation mögliche Assimilation nicht vor. Denn aufgrund der zuerst velaren und d. h. vom Palatum gerade hinwegführenden Artikulation des germ. *h und der dann über das Palatum hinaus postdentalen Artikulation des germ. *s wird eine in Richtung des Velums und gerade nicht in Richtung des Palatums realisierte Artikulation des a verstärkt, eine Palatalisierung wird ‚gehemmt‘. In diesen Fällen tritt erst im Mhd. ein analogisch zu erklärender Sekundärumlaut ein. Zu den verschiedenen Theorien der Umlautentstehung vgl. Ahd.Gr.I, § 51.

Die Umlautbezeichnung und der Grad ihrer Durchführung lassen sich gut anhand der rückumlautenden Verben beobachten und bewerten: Die rückumlautenden Verben stellen eine weitgehend geschlossene Gruppe von Verben dar, deren Besonderheit sich lautgeschichtlich ergeben und nur in wenigen Ausnahmen eine analogische Ausweitung erfahren hat (zu analogischen Rückumlautformen bei kēren und lēren vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 37.4, E 42.9, M 89, Anm. 4; s. § V 79, Anm. 2). Dabei darf angenommen werden, dass der ‚Rückumlaut‘ als jeweilige lexikalische Besonderheit eines Verbs subkategoriell markiert ist und somit zum aktiven/ ​passiven Sprachvermögen gehört. Insofern ist bei den rückumlautenden Verben stets Umlautung des Präsensstammes anzunehmen, bei graphischer Indifferenz ist mangelnde Umlautbezeichnung zu vermuten. Anhand der für die rückumlautenden Verben gewonnenen Einsichten (s. Kap. 2.3.3., § V 74ff) lässt sich im Vergleich der Umlautgebrauch u. a. zur Kennzeichnung des Pl.Konj.Prät. stv. annähernd bestimmen. Während bei a > ė (u. a. blėnden, brėnnen, kėnnen, lėnden) und ā > æ nahezu ausnahmslose Bezeichnung des Umlautes im Präsensstamm der rückumlautenden Verben vorliegt (s. § V 79f) und sich diese Graphieverwendung auch in den entsprechenden Formen der starken Verben der 2.Sg.Ind.Prät. bestätigt, sind bei u > ü (drücken, dürsten, küssen, ƶücken) und ō > ȫ (hȫnen, krȫnen, schȫnen) als Umlautbezeichnung zu wertende Graphien seltener und später belegt (s. § V 81 und V 83). Auch bei diesen beiden Stammklassen entspricht der Befund der rückumlautenden Verben dem graphischen Befund zum Konj.Prät. der stv. II

1. Allgemeines

715

und III (II z. B. vliegen, III z. B. singen), zur 2.Sg.Ind.Prät. der stv., der mit dem Stamm des umgelauteten Prät.Pl. gebildet wird (du sünge ‚du sangst‘). In einer Vielzahl von Belegen zeigt sich der Stammvokal in II/ ​III bis in 213 hinein nur ausnahmsweise nicht als u, v o (selten û, u ; nach Labiodental auch als eigenständige Graphie getilgt, z. B. 3.Sg.Konj.Prät. gwnne, RBib, A6v,12; 632). Singuläre Umlautbezeichnungen zeigen sich in 113/ ​213 (1.Sg.Konj. e e e Prät. trvge, Iw, 147 v,23; 7573 sowie i. d. R. dazu zvge, Iw, 147 v,24, 7574; 3.Sg.Konj.Prät. wurde, e e vb v Lieht, 64 ,17; 954,8 und 3.Pl.Konj.Prät. gewunne, DvATr, 92 ,10 sowie 3.Pl.Konj.Prät. vlugen, Lieht, 109ra,17; 1559,8). Insofern gegenüber dem Sg.Konj.Prät. die Modusmarkierung des Pl.Konj. allein über den Umlaut geschieht (Pl.Ind.Prät. hat u: wurden, UAugsb1, 6,4); im e Sg.Ind.Prät. liegt Ablautverschiedenheit vor (z. B. so man din spotet. vࠁ lastert. vࠁ schalt, DvATr, 81r,17), scheint der Umlaut eher und häufiger im Pl.Konj.Prät. bezeichnet zu sein. e i So auch in 114 (ofrk. twungen, Lupo, 230ra,9; 2,234 und alem. fundent, Rapp, 282rb,27; 32534), im Sg.Konj.Prät. liegt obd. und bes. ofrk. leicht überwiegende Umlautkennzeichnung vor e e e (z. B. betruge, Türh, 151rb,28; 34972, vertruge, Türh, 63ra,24; 475, luge, Lupo, 233rb,17; 3,59, e i e rb vb truge, Lupo, 233 ,18; 3,60, befvnde, Rapp, 201 ,18; 17135, brunne, UNürnb, 6,5; unsicher ist e Graphie û, z. B. fûnd, Rupr, 45,21), einschlägige Belege der 2.Sg.Ind.Prät. sind z. B. erstunde, e e Türh, 62ra,12; 73, sluge, Türh, 62vc,25; 411, twuge, ObEv, 42a,19; die Verhältnisse im Ofrk. spiegeln sich in den höher frequenten Verhältnissen des Konj.Prät. der stv. III, hier stehen 22 umlautbezeichneten Formen 15 umlautunbezeichnete Formen gegenüber (in besonderer Weise ‚fortschrittlich‘ zeigt sich UNürnb). Im Md. kommt Umlautkennzeichnung nicht vor (z. B. vunde, BuMi, 87 v,3, funde, Erlös, 1rb,23; 196, vunde, HTri, 119ra,33; 3057). Die in 213 stärker einsetzende Markierung zeigt sich auch für den Umlaut von ue (Prät. der stv. VI, z. B. tragen  – trueg  – trüege), so in der 2.Sg.Ind.Prät. trvege, RWchr, 234vb,12; 31995. Anm. 2:  Die insgesamt im Obd. (nicht jedoch im alem.-bair. Übergangsraum) häufiger vorkommende Umlautbezeichnung führt Fleischer (1966) auf die raschere Phonologisierung und Grammatikalisierung des Umlauts im Obd. zurück. Als wesentlichen Grund nennt er neben anderen die verschiedenen Umlauthemmungen. Im Md. trat der Umlaut regelmäßiger ein, behielt länger den Status eines Allophons und blieb daher eher unmarkiert. Lit. Umlaut im Ahd./ ​Mhd.: Ahd.Gr.I, § 27, Anm. 2, § 51; Antonsen (1961); Antonsen (1964); Arcamone (1987); Barnes (1998); Braune (1877); v. Coetsem/ ​McCormick (1982); Dal (1971); Erdmann (1972); Fourquet (1952); Fourquet (1954); Herrlitz (1970); Hirt (1931); Iverson/ ​Salmons (1996); Jilek (1927/ ​1973); Kauffmann (1888); Kranzmayer (1938); Kratz (1960); Lasatowicz (1980); v. Loon (1986); Lüssy (1974); Lüssy (1983); Mayer (1934); MacCray (1983); Mertes (1929/ ​30); Mertes (1930/ ​31); Moulton (1961/ ​1970); Nyffenegger (1974); Paul, Mhd.Gr., § E 12, E 34, E 37.4, E 42.9, L 16, M 89; Penzl (1949); Penzl (1969); Penzl (1971); Penzl (1983); Ronneberger-Sibold (1990b); Russ (1977); Schatz (1927); Scheutz (1989); Schirmunski (1961); Schweikle (1986); Sievers (1895); Smith (1999); Sonderegger (1959); Streitberg (1963); Szczepaniak (2007); Szulc (2002); Valentin (1971); Vennemann (1972); Voyles (1992); Wiese (1987); Wiget (1924); Zwierzina (1900b).

1.3.3. Konjunktiv: Präsens 1.3.3.1. Überblick

Die Formen des Konj.Präs. und Ind.Präs. sind nur zum Teil ausdrucksseitig geschieden. Dabei kann eine vom Ind. verschiedene Bildung des Konj. sowohl endungsfle-

V 13

716

VII. Verben

xivisch als auch durch Stamm bzw. Kombination beider Möglichkeiten erfolgen. Bei Vorliegen einer Stammvokalalternation des Ind. gegenüber dem Konj. sind die Formen des Konj. vom primären Präsensstamm abgeleitet, die des Ind. vom sekundären Präsensstamm, so dass hier der Ind. als die ausdrucksseitig markierte Form zu gelten hat. (zu Endungen und Stammvokalen in den einzelnen Modi s. ausführlich ab Kap. 2.2., § V 20ff). Präsens stv./ ​swv. ohne Vokalalternation rīten

Sg.Ind. 1.

Sg.Konj.

-e 2.

stv. mit Vokalalternation spręchen

-en -et

rīt-et

-e

1.

sprich-

spręch-

2.

sprich-

-e

stv. mit Umlaut graben

-et spręch-

-et

-e

grab-

2.

grėb-

-e

Prät.-Präs. kunnen

1. 2.

-en

-en -et

grėb-

grab-

-et

-e

-ent

-en

kann

künn-

kunn-

künn-



-e

-en

kan-

künn-

kunn-

-(e)s(t) 3.

-ent

grab-

-es(t) 3.

-en

-en

sprich-

1.

-ent

spręch-

-es(t) 3.

Pl.Konj.

rīt-es(t)

3.

Pl.Ind.

rīt-

künn-

-et

kann

künn-

kunn-

künn-



-e

-ent

-en

Abb. V 1: Stamm-/ ​Endungsflexion Ind.Präs./ ​Konj.Präs.

Eine paradigmatisch deutlich angelegte Trennung von Ind./ ​Konj. ist im Mhd. nur in wenigen Positionen möglich: –– endungsflexivisch generell in der 3.Sg./ ​Pl., –– bei stv. mit Stammvokalalternation in der 1./ ​2./ ​3.Sg. (Umlaut nur 2./ ​3.Sg.), –– bei Prät.-Präs. mit Stammvokalalternation in der 1./ ​2./ ​3.Sg. und auch im Pl.

(zu graphischen und/ ​oder lautlichen Abweichungen s. § V 27–30; zur syntaktisch gegebenen Möglichkeit einer Moduszuweisung synkreter Verbformen s. § V 10, Anm. 1).

1. Allgemeines

717

Die jeweiligen Möglichkeiten der Moduskennzeichnung definieren analytisch einen jeweils eigenständigen grammatischen Stamm (s. § E 3), wobei das Mhd. bezüglich der einzelnen paradigmatischen Position eine markante diatopische Varianz aufzeigt, so etwa bezüglich der 1.Sg. der stv. IIIb–V: Aufgrund des im Obd. weitgehend durchgeführten und beibehaltenen Wechsels -e- zu -i- liegen dort im Sg.Präs. zwei grammatische Stämme vor (Sg. Ind.-Stamm und Sg.Konj.-Stamm), die aufgrund ihres Vorkommens (Trennung nach Modus) eindeutig als Modusstämme qualifiziert sind. Dabei zeigt sich, dass der Sg.Konj.Stamm mit dem primären Präsensstamm übereinstimmt, der Sg.Ind.-Stamm stellt somit den sekundären Präsensstamm dar. Gegenüber der Situation im Obd. ist der Wechsel -e- zu -i- schon in der mhd. Frühzeit weitgehend nur in der 2./ ​3.Sg. durchgeführt, so dass -eebenfalls in der 1.Sg.Ind.Präs. als Stammvokal vorliegt. Analytisch liegen somit im Mhd. im Sg.Präs. drei grammatische Stämme vor, die aufgrund ihres Vorkommens einerseits als Personen-Modusstämme (2./ ​3.Sg.Ind.-Stamm, 2./ ​3.Sg.Konj.-Stamm) und andererseits als reiner Personenstamm (1.Sg.-Stamm) qualifizierbar sind: Der 1.Sg.-Stamm sowie auch der 2./ ​3.Sg.Konj.-Stamm sind identisch dem Präsensstamm, als sekundärer Präsensstamm hat der 2./ ​3.Sg.Ind.-Stamm zu gelten.

Über die paradigmatisch angelegte Differenzierung hinaus zeigt sich hinsichtlich der im Verlauf des Mhd. das Nebensilben-e ergreifenden Prozess von Apokope/ ​Synkope, dass diese zum Teil morphologisch gesteuert sind und im Ergebnis zu einer ausdrucksseitigen Unterscheidung von Ind./ ​Konj. beitragen können, bspw. (1.Sg.Konj. Präs.) Daz ich ir diener lege tot, Türh, 105ra,25; 16867 vs. (1.Sg.Ind.Präs.) Des lob ich got ‫܅‬prach Rennewart, Türh, 103vc,11; 16394. 1.3.3.2. Modusauszeichnung

(1) Endungsflexivik

Eine in Opposition zum Ind. endungsflexivisch eindeutige und mhd. auch stabile Bezeichnung des Konj. liegt allein in der 3.Sg.Präs. vor: Konj. -e vs. Ind. -t (swî si al o der hailige gaist lære, Kchr, 36ra,21; 8339; daz lert in sin diemv t, Kchr, 2vb,1; 449). Diese Opposition bleibt mhd. stabil, auch wenn hier wie in den anderen Paradigmenpositionen mit finalem -e (1.Sg.Ind./ ​Konj.Präs., Sg.Imp. swv.) im Verlauf des Mhd. die lautliche Veränderung der Apokope greift, die Modusopposition zeigt sich dann als Endungslosigkeit der 3.Sg.Konj.Präs. vs. beibehaltenen -t der 3.Sg.Ind.Präs. (Daz er beleib mít ev ewichlich, ObEv, 38a,11; Ir erchennet ín. wan er beleibet, ObEv, 38a,13). Hinsichtlich des Eintretens der Apokope (Beibehaltung/ ​Ausfall von finalem -e) zeigt sich neben den beeinflussenden phonologischen und/ ​oder sprachregionalen Faktoren eine deutliche morphologische Steuerung. So ist der Anteil apokopierter Formen in der 1.Sg.Präs. im Konj. geringer als im Ind., so dass eine Konjunktivform tendenziell eher auf -e endet (ob ich nícht bíe dir blibe vࠁ dich nicht neme zcv wiebe, HTri, 103vb,44; 183f).

Eine in Opposition zum Ind. endungsflexivisch zumeist eindeutige Bezeichnung des Ind. und somit eine indirekte Auszeichnung auch des Konj. liegt in der 3.Pl.Präs.

V 14

718

VII. Verben

vor: Ind. -ent vs. Konj. -en (oder ‫܅‬wem ‫܅‬ís gebent/, ‫܅‬chaffent. od’ lazzent ze haben, o UAugsb2, 7,10; von allen den gu ten. die daz Spítal ligent hat ín der Stat ze auspurch. od’ vzzerhalb der Stat/ Si ligen/ enunt Læches [jenseits des Lechs]. od’ híe disvnt læches [diesseits des Lechs], UAugsb2, 5,22). Die Auszeichnung ergibt sich als eine indirekte, insofern -ent zwar weit überwiegend auf den Ind. verweist, -en demgegenüber modal oft auch nicht eindeutig bestimmbar ist. Überschneidungen kommen in beiden Richtungen vor, so dass -ent ebenso im Konj. (ob [...] míniv wort in iv belibent [...] des ir denne gert des wert ir gewert, Baum, 180r,11) erscheint wie -en im Ind. (her fur die lude kriechen amehtig glich den sichen, Erlös, 14rb,17; 6645f). Zudem können beide Flexionsweisen funktional ununterschieden in der identischen Konstruktion vorkommen (vntz daz si/ bei nvtz vࠁ gewer gesitzࠀt, ULands, 8,14; vntz daz si dez Houez gesitzen, ULands, 15,13). Das modusindifferente Auftreten der Flexive ist bereits im Spätahd. (vgl. Ahd.Gr.I, § 309, insbes. Anm. 4) zu beobachten und im Frnhd. die Regel (vgl. Frnhd.Gr., § M 94). Die Verwendung von -ent und -en ist zudem diachron und diatopisch gebunden. Als zur 3.Pl.Ind.Präs. analoge Kennzeichnung des Ind. auch in der 1.Pl. erweisen sich Einzelfälle, z. B. wir sehent sin, NikP, 37 vb,3.

Eine Vermischung ehedem geschiedener Flexive des Ind./ ​Konj. zeigt sich im Mhd. ebenfalls für die paradigmatisch im Ahd. weitgehend schon aufgegebene (vgl. Ahd. Gr.I, § 311) und entsprechend selten noch im Mhd. vorkommende Verwendung von Ind. -est vs. Konj. -es in der 2.Sg.Präs. (dv redest als ein getriwer man, Diet, 16v,6; 2584; daz iht du zefuores, Wind, 86r,3).

(2) Stammvokalalternation (Wechselflexion) V 15

Im Sg.Präs. der stv. II, IIIb, IV (außer komen, s. u.) und V (außer ehemaligen j-Präsentien) ergibt sich aufgrund der beim Ind.Präs. eintretenden Stammvokalalternation (Wechselflexion: stv. II Wechsel ǖ > ie und stv. IIIb, IV, V e > i) eine indirekte Auszeichnung des Konj., ausdrucksseitig markiert ist der Ind.: Je nach sprachlandschaftlich differenzierter Durchführung der Wechselflexion erscheint in der 1./ ​2./ ​ 3.Sg.Konj.Präs. bzw. nur in der 2./ ​3.Sg.Konj.Präs. der primäre Tempusstamm (bspw. i 1.Sg.Konj.Präs. daz ich es vch gebe, NikP, 37rb,13 gegenüber 1.Sg.Ind.Präs. Ich gib ein glichnisse, NikP, 75ra,21). Die nicht eintretende Stammalternation im Konj. ist mhd. als Modusmarkierung weitaus vorwiegend, nur selten erscheint Wechselflexion und somit eine Anpassung an die Formenbildung des Ind. auch im Konj.Präs. (Ist auh daz einer frowen ir wirt stirbe, StBA, 74va,23). Der umgekehrte Fall, dass im Sg.Ind.Präs. die Wechselflexion aufgegeben ist, kommt kaum vor; in all solchen Ausnahmen ist zudem unentscheidbar, ob beim jeweiligen Verb starke oder ebenfalls mögliche schwache Flexion vorliegt i i (so etwa beim transitiven Beleg Wan eín rítt’ v’derbet sv fur war, Rapp, 285ra,6; 33037).

1. Allgemeines

719

Fälle einer Aufgabe der Wechselflexion des Ind. zugunsten einer einheitlichen Flexion liegen bei unter 5%. Dabei ist jedoch die sprachlandschaftliche Differenzierung der Durchführung der Wechselflexion zu berücksichtigen: Insofern sie im Md. gegenüber dem Obd. deutlich seltener vorkommt, können entsprechende Formen einer Bildung auch des Ind. Präs. mittels des primären Präsensstammes nicht als modaler Formenausgleich am Muster des Konj.Präs. gewertet werden, z. B. sterbit die vrowí, MüRB, 12v,7.

Bei komen ist der Stammvokal schon in vormhd. Zeit. zu o bzw. u gewandelt (s. § V 141). Früh ist der Usus einer Numerus-/ ​Modusvarianz mit u (als ‹u› und ‹v›) in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. und durchgehend o im Pl.Ind./ ​Konj.Präs. und Sg.Konj.Präs. herausgebildet (bspw. 3.Sg.Konj.Präs. chome, WNot, 9rb,4 oder 3.Pl.Ind.Präs. chomint, Meri, 1v,12; 1,46). So zeigt sich landschaftlich differenziert im Mhd. einerseits ein numerus- und z. T. auch modusdifferenter (Sg.Ind.Präs. mit u, Pl./ ​Konj.Präs. mit o) wie andererseits auch ein numerus- wie modusindifferenter Stammvokalgebrauch, wobei die Verhältnisse zu 114 hin partiell aufgelöst werden: Weitgehend fest ist die stammvokalische Distinktion (u im Sg., o im Pl.) im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum, im Alem. tritt neben vorwiegendem u–o-Wechsel insbesondere zum späten Mhd. hin auch jeweils o im Sg. und u im Pl. auf; weitgehend fest ist eine stamm­ vokalische Indifferenz im Md. (besonders omd. und abgeschwächter rhfrk.-hess.) und auch im Ofrk., es herrscht in allen Positionen weitgehend u, zum späteren Mhd. hin kann dann im (besonders östl.) Ofrk. und handschriftenbezogen im Wmd. schon auch häufig o erscheinen. (3) Umlaut

In der 2./ ​3.Sg.Präs. der umlautfähigen st. Verben (besonders Klasse VI und VII) kann die Modusopposition mit zusätzlicher endungsflexivischer Kennzeichnung durch den im Ind. umgelauteten Stamm gegenüber dem unumgelauteten primären Präsensstamm im Konj. sowie ohne diese Markierung angezeigt sein. Insofern der Umlaut graphisch bezeichnet ist, liegt eine ausdrucksseitige Opposition von u. a. e im Ind. vs. a im Konj. (sowie auch æ vs. ā) vor, wie sie bis ins Nhd. hinein besteht (bspw. 2.Sg.Ind.Präs. ih bin erstanten unde ie noh bin ih mit dir Obe du erslehest ó got die suntære, Wind, 194v,15a und 2.Sg.Konj.Präs. daz iht du slahes sie, Wind, 87 v,9).

V 16

1.3.4. Konjunktiv: Präteritum 1.3.4.1. Überblick

Konj.Prät. und Ind.Prät. sind in vielfältiger Weise ausdrucksseitig unterschieden, je nach Klasse und paradigmatischer Position sind sie jedoch auch ausdrucksseitig synkret. Dabei kann die vom Ind. verschiedene Flexion des Konj. allein endungsflexivisch als auch durch Stammalternation (vokalisch als Ablaut, Umlaut, konsonan-

V 17

720

VII. Verben

tisch als Grammat. Wechsel) bzw. Kombination beider vorliegen. Aufgrund der im Präteritum insbesondere bei den stv. vielfältig vorliegenden Alternanzen vokalischer (Ablaut, Umlaut) wie konsonantischer Art (Grammat. Wechsel) liegen im Prät. der stv. und in differenzierter Ausfächerung der Klassen I–VII (numerusbezogene Ablautdifferenz nur der Klassen I–V, numerusindifferenter und einheitlicher Prät.-Ablaut der Klassen VI–VII) unterschiedliche grammatische Stämme vor. Bei Vorliegen einer modusgesteuerten Stammvokalalternation sind die Formen des Konj. hier vom primären Plural-Präteritalstamm als umgelauteter sekundärer Plural-Präteritalstamm abgeleitet: Im Gegensatz zum Präs. hat der Konj.Prät. als die ausdrucksseitig markierte Form zu gelten. Eine Stammalternanz kennen die swv. allein bei jenen mit Rückumlaut. Auch hier greift im Md. (s. § V 79, Anm. 3) Umlaut, der Konj.Prät. hat als die ausdrucksseitig markierte Form zu gelten. Präteritum stv. I rīten

stv. II ƶiehen

Sg.Ind.

Sg.Konj.

1./ ​3.

rėit-

rit-



-e

-en

2.

rit-e

-es(t)

-et

ƶōh-

ƶüg-

ƶug-



-e

-en

-es(t)

-et

1./ ​3. 2.

ƶüg-e

stv. IV spręchen

1./ ​3.

1./ ​3.

-e

spræch-e

swv. lėben

ƶug-

-es(t)

1./ ​3.

Prät.-Präs. soln

1./ ​3.

lėbtbrant-

-et brėnt-

brantsolt-

brėnt-

brėnt-

brant-

brėnt-

-et sölt-

-e solt-

brant-en

-est

2.

spræch-

-et -en

-e 2.

ƶüg-

lėbt-

-est swv. rückumlautend brėnnen

ƶüg-

-en sprach-

-e 2.

Pl.Konj.

sprach-ø

2.

Pl.Ind.

solt-

sölt-

-en sölt-

-est

Abb. V 2: Stamm-/ ​Endungsflexion im Ind.Prät./ ​Konj.Prät.

solt-et

sölt-

1. Allgemeines

721

Die überwiegende Anzahl aller swv. (außer Verben mit Stammvokalalternanz, rück­ umlautenden Verben) ist modussynkret. Eine paradigmatisch angelegte Trennung von Ind./ ​Konj. ist allein bei den Verben mit Stammalternanzen (stv., rückumlautende Verben, zum Teil besondere Verben) möglich: –– endungsflexivisch bei den stv. generell im Sg.; –– bei stv. mit numerusbezogener Alternanz (Ablaut, Grammat. Wechsel) Verwendung des Pl.-Präteritalstammes in der 1./ ​2./ ​3.Sg. (bei umlautfähigem Stammvokal des Pl.-Präteritalstammes zusätzlich mit Umlaut) und Umlaut (bei umlautfähigem Stammvokal) in der 1./ ​2./ ​3.Pl.; –– bei swv. mit sog. Rückumlaut generell Umlaut im Sg. und Pl.; –– bei Prät.-Präs. mit Stammvokalalternation Umlaut im Sg. und Pl.; (zur syntaktisch gegebenen Möglichkeit einer Moduszuweisung synkreter Verbformen, s. § V 10, Anm. 1). Bezüglich der konkreten Verbklasse (besonders stv., swv.) definieren die Kombinationsmöglichkeiten analytisch jeweils eigenständige grammatische Stämme: –– Bei den swv. ohne Stammalternanz liegt aufgrund des Modussynkretismus ein dem Präsensstamm identischer Präteritalstamm vor. –– Bei den stv. ohne numerusbezogene Stammalternanz (Klasse VI) liegen zwei Modusstämme vor, von denen der Ind.-Stamm dem Präteritalstamm entspricht, der durch Umlaut gekennzeichnete Konj.-Stamm sekundärer Präteritalstamm ist. –– Bei den stv. mit numerusbezogener Stammalternanz (abgetönte Grundstufe vs. Schwund-/ ​Dehnstufe der Kl. I–V, zusätzlich: Grammat. Wechsel) liegen mehrere grammatische Stämme vor: –– In der 1./ ​3.Sg.Ind. liegt ein primärer 1./ ​3.Sg.-Präteritalstamm vor (Person-NumerusTempusstamm); –– in der 2.Sg.Ind./ ​Konj. liegt entweder ein primärer Pl.-Präteritalstamm (Ablaut, z. B. Kl. I) oder ein sekundärer durch Umlaut gekennzeichneter Pl.-Präteritalstamm vor (Numerus-Tempusstamm bzw. Person-Numerus-Tempusstamm, entspricht dem Numerus-Modus-Tempusstamm); –– in der 1./ ​3.Sg.Konj. liegt entweder ein primärer Pl.-Präteritalstamm (Ablaut, z. B. Kl. I) oder ein sekundärer und durch Umlaut zusätzlich bezeichneter Pl.-Präteritalstamm vor (Numerus-Tempusstamm bzw. Numerus-Modus-Tempusstamm); –– in der 1./ ​2./ ​3.Pl.Ind. liegt ein primärer Pl.-Präteritalstamm vor (Numerus-Tempusstamm); –– im Pl.Konj.Prät. liegt ein durch Umlaut gekennzeichneter sekundärer Pl.-Präteritalstamm vor (Numerus-Modus-Tempusstamm). 1.3.4.2. Modusauszeichnung

Allein im Sg.Prät. der starken Verben ist der Modusunterschied paradigmatisch durchgehend durch Endungsflexive bezeichnet (-e, -est, -e im Konj. gegenüber -ø, -e, -ø im Ind., s. § V 55–58). Aufgrund einerseits des (häufigen) lautlich verursachten Ausfalls von -e (Apokope) in der 1./ ​3.Sg.Konj.Prät. sowie andererseits auch einer

V 18

722

VII. Verben

(seltenen) epithetischen Bildung mit -e (statt -ø in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät.) kommt es endungsflexivisch zu Vermischungen, so etwa (3.Sg.Ind.Prät. mit epithetischem -e) als er des nahtes ent‫܅‬liefe. der engel im aue zuríef, Mar, 17 v,23; 887f oder (3.Sg.Konj. Prät. mit -ø) ich geb ez iv uil gerne, Kchr, 4vb,9f; 955. In den weitaus meisten Fällen (Kl. I–VI) besteht jedoch aufgrund der (Ablaut-)Unterscheidung eines primären Sg.Präteritalstammes und eines primären Pl.-Präteritalstammes sowie der Nutzung des (umgelauteten) sekundären Pl.-Präteritalstammes eine ausdrucksseitig eindeutige Unterscheidung zwischen dem Ind.Prät. und Konj.Prät. Die Epithese bleibt selten und zeigt sich besonders ofrk. in 114, die Apokope tritt nennenswert erst seit 213 auf (ca. 20% aller 1./ ​3.Sg.Konj.Prät-Belege) und entwickelt sich zu 114 hin besonders in der 3.Sg.Konj.Prät. (ca. 35% aller Belege, hingegen in der 1.Sg.Konj.Prät. nur ca. 23% aller Belege). Neben den beeinflussenden phonologischen und/ ​oder sprachregionalen Faktoren für den Eintritt der Apokope bestätigt sich eine deutliche morphologische Steuerung. (Zur Apokope im mhd. Verbsystem vgl. Herbers 2011).

Eine Verwendung von -est auch in der 2.Sg.Ind.Prät. kommt im Grammatik-Korpus nicht vor, endungsflexivisch kommt es insbesondere im Wmd. jedoch zu einer Vermischung durch Verwendung von 2.Sg.Konj.Prät. -es im Ind. (dinen lichame gaf ich dir arme wif. ia du nemes on selue uan mir, RhMl, 32v,22; 1854). (1) Endungs-/ ​Stammflexivik (1./ ​3.Sg.Konj.Prät.) V 19

Die 1./ ​3.Sg.Konj. wird mit dem primären Pl.-Präteritalstamm (Schwundstufe/ ​Dehnstufe des Ablauts, Grammat. Wechsel) gebildet, der  – bei umlautfähigem Stamm­ vokal  – Umlautung erfährt (sekundärer Pl.-Präteritalstamm): 1.Sg.Konj.Prät. ich rite (mit primärem Pl.-Präteritalstamm, bspw. 1.Pl.Ind.Prät. wir riten gegenüber 1.Sg.Ind. Prät. ich rėit mit primärem Sg.-Präteritalstamm) bzw. (mit zusätzlicher Umlautung) 1.Sg.Konj.Prät. ich sünge (mit sekundärem Pl.-Präteritalstamm bspw. 1.Pl.Ind.Prät. wir sungen gegenüber 1.Sg.Ind.Prät. ich sang mit primärem Sg.-Präteritalstamm). Während der Umlaut des Stammvokals ā (Dehnstufe des Ablauts, stv. IV und V) im Mhd. nahezu durchgängig bezeichnet ist, ist die Markierung des Umlautes von u (Schwundstufe des Ablauts, stv. II und III) und ue (stv. VI) eher die Ausnahme, ohne Umlautbezeichnung o bspw. (stv. II) vࠁ bat den babis daz er allin deme lu te gebute, PrMK, 4r,50 oder (stv. VI) e mir troࠈt wi ich drie chorbe. volle brotes trvge vf mínࠀ hvbet, BKön, 1vb,36. Der Umlaut von ā erscheint Obd. als ‹e› und ‹æ›, im Md. zumeist ‹e›. Insofern die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. der stv. IV und V den Ablaut a aufweist, bleibt die Modusdifferenz ausdrucksseitig bezeichnet; hier kann es jedoch ausdrucksseitig zu einem Tempussynkretismus kommen, da der Konj.Präs. mit Stammvokal e gebildet wird (z. B. Objektsatz nach einem Verb des Aufforderns: bat vnsern herrࠀ ih’m xࠉm daz her yme síne ougen wíder gebe, Hleb, 6r,7; zur möglichen Entscheidung s. Anm. 1). Tempussynkrete Formen liegen auch bei den stv. I vor, insofern der Stammvokal i des primären Pl.-Präteritalstammes (Konj.Prät.) sowie der Stammvokal ī des primären Präsensstammes (Ind./ ​Konj.Präs.) graphisch-ausdrucksseitig zumeist nicht geschieden sind (bspw. daz er nah champfes ‫܅‬íte. mit dem viande ‫܅‬trite, Mar, 44v,23; 2523f).

1. Allgemeines

723

Anm. 1:  Bei vorliegendem Tempussynkretismus kann eine Entscheidung aufgrund der für das Mhd. beschreibbaren temporalen Leistungen des jeweiligen im Nebensatz auftretenden Tempus getroffen werden: So signalisiert der Konj.Präs. in einem Objektsatz nach einem Verb des Aufforderns nur ausnahmsweise die Nachzeitigkeit (in der Regel muss das Prädikat des Hauptsatzes präsentisch oder imperativisch sein), wohingegen bei einem Nachzeitigkeit signalisierenden Konj.Prät. des Objektsatzes der Hauptsatz in allen Fällen präterital, perfektisch oder plusquamperfektisch ist (vgl. Mihajlović 2017; KSW IV). Im oben gegebenen Beispiel aus Hleb muss die Form gebe folglich als Konj.Prät. bestimmt werden.

(2) Umlaut (Plural Konjunktiv Präteritum)

Der Pl.Konj.Prät. erfährt – bei umlautfähigem Stammvokal – gegenüber dem Pl.Ind. Prät. Umlautung (sekundärer Pl.-Präteritalstamm), z. B. 3.Pl.Ind. Do sprachen sí, ObEv, 32a,5 zu 3.Pl.Konj. vnd namen rat, [...] daz sí sprechen, ObEv, 34b,45.

V 20

724

VII. Verben

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben 2.1. Allgemeine Flexionsmerkmale V 21

Die Flexion der starken und schwachen Verben stimmt im Mhd. im Präs. weitgehend überein, im Prät. gibt es einige Abweichungen. Zu den z. T. abweichenden Endungen der besonderen Verben s. § V 168ff. Starke und schwache Verben sind endungsflexivisch nur im Sg.Imp. unterschieden: Bei den st. Verben erscheint er mit Ausnahme der ehem. j-Präsentien endungslos, bei den sw. Verben endet er dagegen auf -e. Im Laufe des Mhd. sind insbes. in 114 im Obd. und Ofrk. Entwicklungen festzustellen, die einen Ausgleich darstellen: So können auch die st. Verben mit -e flektieren und die sw. Verben endungslos sein (zum Imp. s. § V 47–49). Einige st. Verben (stv. II, IIIb, IV, V) weisen einen Stammvokalwechsel zwischen Sg. und Pl.Ind.Präs. auf (s. § V 86f, V 89–104), andere (aus stv. II, VI, VII) haben Umlaut in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs.

V 22

Im Prät. unterscheiden sich die starken und schwachen Verben generell: Die starken Verben bilden das Prät. mit Ablaut, die schwachen Verben unter Einschub eines Dentalsuffixes. Die Gruppe der schwachen Verben mit ‚Rückumlaut‘ weist zusätzlich einen Vokalwechsel zwischen Präs. und Prät. auf (s. § V 5f). Im Sg.Ind.Prät. haben die st. und sw. Verben einen abweichenden Endungssatz, der aus historisch verschiedenen Flexiven entstanden ist: Die st. Verben flektieren regelmäßig -ø, -e, -ø, die sw. Verben -e, -est, -e (s. § V 69, Anm. 3). Landschaftlich kommt es bei beiden Verbklassen zu Abweichungen, im Mfrk. kann es teilweise zur Aufhebung der Klassenopposition in der 2.Sg.Ind.Präs. kommen, da hier beide Verbklassen auf -es enden können. Die Präteritalflexion stimmt für die st. und sw. Verben im Pl.Ind. sowie im gesamten Konj. überein. Anm. 1:  In beiden Modi sind enklitische Verbindungen von Verben mit nachfolgenden Pronomen nachweisbar (bevalher, Tris, 50rb,7f; 7356f; nemich, AthP, 1ra,42; 1,42). Häufiger ist dies bei den swv. und im Konj. der stv. belegt, seltener im Ind. der stv., das legt nahe, dass Enklise eher bei auslautendem e vorliegt. Zu Enklise s. § V 32, Anm. 2 sowie Paul, Mhd. Gr., § E 21.

725

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

V 23

Präsens Starke Verben

Schwache Verben

Starke Verben

Indikativ Sg.

Schwache Verben

Konjunktiv

1.

nime, -en (mfrk.)

sage, -en (mfrk.)

nęme

sage

2.

nimest, -es (md.)

sagest, -es (md.)

nęmest, -es (md.)

sagest, -es (md.)

3.

nimet

saget

nęme

sage

1.

nęmen, -ent (alem.)

sagen, -ent (alem.)

nęmen, -ent (alem.)

sagen, -ent (alem.)

2.

nęmet, -ent (alem.)

saget, -ent (alem.)

nęmet, -ent (alem.)

saget, -ent (alem.)

3.

nęment, -en (md./ ​ ofrk.)

sagent, -en (md./ ​ ofrk.)

nęment, -en (md./ ​ ofrk.)

sagent, -en (md./ ​ ofrk.)

Sg.

2.

nim, j-Präs. -e

sage

Pl.

1.

nęmen

sagen

2.

nęment, -en (md./ ​ ofrk.)

sagent, -en (md./ ​ ofrk.)

Gen.

nęmens

sagens

Dat.

nęmene

sagene

Pl.

Imperativ

Partizip Präsens nęmende

sagende

Gerundium

Infinitiv nęmen

sagen

Präteritum Starke Verben Indikativ

Schwache Verben

Konjunktiv

Indikativ/ ​Konjunktiv ohne Vokalwechsel

Sg.

Pl.

mit Vokalwechsel

1.

nam

nǟm(e)

sag(e)t(e)

rant(e)

2.

nǟme, -es (mfrk.)

nǟmest, -es (md.)

sag(e)test, -es (mfrk./ ​omd.) -e (rhfrk.-hess.)

rantest, -es (mfrk./ ​omd.) -e (rhfrk.-hess.)

3.

nam

nǟm(e)

sag(e)t(e)

rant(e)

1.

nāmen, -ent (alem.)

nǟmen, -ent (alem.)

sag(e)ten, -ent (alem.)

ranten, -ent (alem.)

2.

nāmet, -ent (alem.)

nǟmet, -ent (alem.)

sag(e)tet, -ent (alem.) rantet, -ent (alem.)

3.

nāmen, -ent (alem.)

nǟmen, -ent (alem.)

sag(e)ten, -ent (alem.)

Partizip Präteritum

Partizip Präteritum ohne Vokalwechsel

genomen

Abb. V 3: Paradigma starke/ ​schwache Verben

ranten, -ent (alem.)

gesag(e)t

mit Vokalwechsel gerant

726

VII. Verben

2.2. Endungsflexivik 2.2.1. Allgemeines V 24

Die Endungsflexivik der st. und sw. Verben ist in großen Teilen übereinstimmend, systematische Abweichungen betreffen den Sg.Imp. und den Sg.Ind.Prät. Damit ist die im Ahd. noch in weiteren Paradigmapositionen unterschiedene Flexion der st. und sw. Verben im Mhd. weitgehend aufgegeben. Das gilt besonders auch für eine ausdrucksseitige Markierung des Konj., der im Ahd. durch den Flexionsvokal ē (Präs.) bzw. i (Prät.) markiert ist (vgl. Ahd.Gr.I, § 310, 322; s. § V 9). Die spätahd. Nebensilbenreduktion hat einen weitgehenden Zusammenbruch dieser Modusunterscheidung zur Folge, so dass im Mhd. nurmehr in einigen paradigmatischen Po­si­ tionen eine ausdrucksseitige Unterscheidung von Ind. und Konj. möglich ist (3.Sg. Präs.: Ind. ęr singet vs. Konj. ęr singe), in vielen Positionen sind Ind. und Konj. übereinstimmend gebildet (1.Sg.Präs.: Ind. = Konj. ich bite oder 1.Pl.Präs.: Ind. = Konj. wir sęhen). Über die Flexionsendung hinaus ergibt sich eine Markierung des Konj. im Präs. durch Umlautlosigkeit (3.Sg.Konj.Präs. grabe vs. Ind. grėbit) bzw. ausbleibenden Wechsel ę > i (3.Sg.Konj.Präs. gębe vs. Ind. gibet) und im Prät. durch Umlautung (3.Pl.Konj.Prät. gæben vs. Ind. gāben). Die Umlautung als Modusmarkierung setzt sich im Mhd. erst langsam durch. Die ahd. Verhältnisse können z. T. noch in 211/ ​112 ermittelt werden. Die beiden Großtexte dieses Zeitraums (WNot und Will) unterscheiden sich teilweise erheblich voneinander, die Abschwächung des Nebensilbenvokalismus ist in diesen Texten verschieden stark fortgeschritten, auch je nach Paradigmaposition verschieden.

V 25

In allen nasalhaltigen Positionen (1./ ​3.Pl.Präs., Inf., Part.Prät. der stv.) kann das n der Endung abfallen (n-Abfall) oder fehlen (n-Losigkeit): Ein n-Abfall kann bei Vorliegen bestimmter (distributioneller) Bedingungen eintreten und führt zu Flexiv­ variation -en/ ​-e (Flexiv -e(n)), so in der 1.Pl.Ind.Präs. vor folgendem Personalpronomen (z. B. mache wir); n-Losigkeit ergibt sich als landschaftliche Besonderheit, bezogen auf das Diasystem des Mhd. sind -e und -en variante Flexive (-e ~ -en). Der n-Abfall zeigt starke Bindung an die morphologische Position: In der 1.Pl. tritt n-Abfall sehr viel häufiger auf als in der 3.Pl. In der 1.Pl. kann sowohl im Präs. als auch im Prät. das n der Endung oder seltener das gesamte Flexiv abfallen, wenn das Personalpronomen wir folgt (mache wir, bit wir, verlore wir). Dies kann bei starken und schwachen Verben sowie bei allen besonderen Verben im gesamten Mhd. vorkommen, es kann jedoch keine signifikante Bindung an eine Sprachlandschaft oder einen Zeitraum ausgemacht werden (s. § V 52, Anm. 3 u. § V 62, Anm. 1). Die Tilgung des n oder des gesamten Flexivs kommt in der 1.Pl.Präs./ ​Prät. zwar fast ausschließlich vor dem Personalpronomen wir vor (nur in Einzelfällen folgt kein Pronomen), diese

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

727

Stellung erzwingt den Ausfall jedoch nicht, in der Mehrzahl der Fälle, in denen wir dem Verb direkt folgt, bleibt das n der Endung erhalten (fast zwei Drittel aller Belege). In einigen Hss. können beide Möglichkeiten (Ausfall und Erhalt) parallel vorkommen, in den meisten Hss. wird eine Variante durchgängig verwendet. Bei seltenem n-Abfall (oder Flexivausfall) in der 3.Pl.Prät. handelt es sich anders als in der 1.Pl. nicht um Fälle mit nachgestelltem Pronomen, möglicherweise liegen hier Fehler (Verwechslung von Sg. und Pl.) vor (s. § V 64, Anm. 2). Eine ausdrucksseitig vergleichbare Erscheinung ist der n-lose Infinitiv, der fast ausschließlich im Thür. belegt ist (s. § V 36, Anm. 1) und somit eine deutliche landschaftliche Bindung aufweist. Vereinzelt kann Endungsabfall auch im Part.Prät. nachgewiesen werden (s. § V 41, Anm. 3); z. T. in anderen Landschaften (s. § V 42, Anm. 2). Vollständiger Flexivausfall im Part.Prät. kann als textliche Besonderheit von ZwBR gewertet werden (s. § V 41, Anm. 1). Zu n-Abfall/ ​n-Losigkeit im Mhd. vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 369, 372, 396, 399 u. Lawson (1976). Zur These des Relikts eines alten Dual in der 1.Pl. bei Bloomfield (1929) vgl. Lawson (1976 u. 1997, insbes. 78f).

2.2.2. Vokalismus 2.2.2.1. Vokalgraphien

(1) Überblick

Die Flexive aller paradigmatischen Positionen können vokalhaltig oder vokallos erscheinen: ęr saget vs. ęr sagt, wir gęben vs. wir gębn. In Positionen, die regelmäßig endungslos sind, kann vereinzelt auch -e auftreten (‚Epithese‘, bspw. 1.Sg.Ind.Prät. der starken Verben: ich sahe statt ich sah), Positionen, die regelmäßig vokalhaltig sind, können auch endungslos erscheinen (bspw. 1.Sg.Ind.Präs. ich mach statt ich mache). Zu Apokope und Synkope s. ausführlicher § V 31–33. Neben ‹e› sind auch andere Vokalgraphien möglich (‹i›, ‹a›, ‹o›, ‹u›). Die z. T. lautlich, z. T. nur graphisch zu wertenden Varianten weisen häufig eine deutliche landschaftliche und/ ​oder textspezifische Verteilung auf, ihr Vorkommen zeigt zudem in vielen Fällen Klassen- und/ ​oder Modusgebundenheit oder auch Reimbindung. Eine analytische Scheidung ist oft nicht möglich, doch erweist sich mehrheitlich eine zeitlich differierende landschaftliche Präferenz besonders bei ‹i› (z. B. omd. in 213), Verbklassengebundenheit bei ‹o› und ‹a› (swv. Verben der ehem. Klasse II), Textgebundenheit bei ‹u›. Die Vokalgraphie ‹i› ist am unspezifischsten, sie kann wie ‹e› für Schwa stehen, das häufige Vorkommen von ‹i› nach 211/ ​112 bedeutet keine Fortführung der ahd. Verhältnisse.

V 26

728

VII. Verben

Aufgrund einer noch im Ahd. über die Endungsvokale geleisteten Verbklassenund/ ​oder Modusmarkierung zeigt sich die größte Vokalvarianz in 211/ ​112, hier sind z. T. noch volle Nebensilbenvokale vorhanden; die Abschwächung zu Schwa (s. Anm. 1) ist für die einzelnen Hss. und Paradigmapositionen dieses Zeitraums teilweise unterschiedlich weit fortgeschritten. Ab 212 sind z. T. noch Relikte vorhanden, ab 113 sind die verschiedenen Vokale nicht mehr als funktional differenzierend zu klassifizieren, sondern mehrheitlich als regionale Varianten zu werten. 211/ ​112

‹e›

‹i›

‹o›

70,7%

6,1%

13,3%

‹a›

‹u›

9,8%

< 0,1%

Summe absolut 100% = 3532

212

80,6%

17,2%

2,1%

0,1%

0,1%

100% = 15230

113

92,5%

6,9%

0,3%

< 0,1%

0,3%

100% = 24948

213

87,1%

12,5%

0,4%

< 0,1%

< 0,1%

100% = 30862

114

95,9%

4,1%

< 0,1%

0

< 0,1%

100% = 46370

Abb. V 4: Verteilung der Vokalgraphien in allen Endungen je Zeitraum Anm. 1:  Die im Ahd. zum Teil noch vorhandenen ‚vollen‘ Vokale (a, ā, e, ē, i, ī, o, ō, u, ū, iu; vgl. Ahd.Gr.I, § 57) auch in der schwachbetonten Nebensilbe erfahren eine Abschwächung „zu einförmigem e“ (‚Schwa‘, auch ‚Murmel-, Neutral-, Zentralvokal‘ [ә]), die „im Laufe des 11. Jhs. schon zu weiter Verbreitung“ führt (Ahd.Gr.I, § 59). „Noch nicht vollendet ist die Abschwächung bei Ausgang der ahd. Periode im Alem.“ (Ahd.Gr.I, § 60). Zur mhd. Entwicklung von Schwa s. ausführlich KSW I.

(2) ‹i› V 27

Im gesamten Verbparadigma kann statt ‹e› auch ‹i› (oder ‹y› überwiegend in BeEv, omd., 114) in der Endung stehen. Das Vorkommen ist überwiegend landschaftlich gebunden: In 212 und 113 kommt ‹i› mehrheitlich im Obd., insbes. im Alem., vor (vgl. auch Weinhold, Alem.Gr., § 23: alem. ‹i› bis ins 15. Jh.). Erst ab 213 erscheint ‹i› im Omd. (vorherrschend in MüRB) und im Rhfrk.-Hess. (‹i› md. beliebt, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 372). Eine im Ahd. vorliegende Bindung an Verbklassen und/ ​oder zur Modusunterscheidung (‹i› in der 1.Sg.Konj.Prät. der swv.), ist im Mhd. nurmehr in 211/ ​112 teilweise vorhanden (nur WNot, nicht Will): So hat WNot in der 1.Sg.Prät. häufiger -i im Konj. (machoti, 14va,3) und -a im Ind. (rihta, 28rb,8). Bei Will wird die Modusdifferenzierung über -e/ ​-a geleistet (Konj.: búrete, 4r,9; Ind.: lêrta, 10r,6). (3) ‹o›

V 28

Vokalgraphie ‹o› erscheint noch in 211/ ​112 häufig, ab 212 selten und mit Bindung insbesondere an das Alem.; singuläre Belege kommen noch in 114 vor. Das Auftreten von ‹o› ist morphologisch bedingt, z. T. erst als Ergebnis lautlicher und mundartlicher

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

729

Veränderung: In Fortführung ahd. Verhältnisse erscheint ‹o› (1) bevorzugt in einigen Paradigmapositionen sw. Verben der ahd. ōn-Verben (bes. im Präs.), (2) in der 2.Sg. Ind.Prät. aller sw. Verben, (3) in der mit -u flektierten 1.Sg.Ind.Präs. st. und sw. Verben sowie (4) landschaftsbezogen (alem.) im Pl.Prät. aller sw. Verben. (1) Innerhalb der ahd. sw. Verben erscheint -ō- als klassenzuweisendes Merkmal der sw. Verben II durchgängig in allen Positionen des Sg./ ​Pl.Präs.; (2) es erweist sich demgegenüber als deutlich zur Flexions- und also nicht zur Stammendung zählendes vokalisches Element des Flexivs der 2.Sg.Ind.Prät. aller sw. Verben (suecht-ōs(t), salbōt-ōs(t), habēt-ōs(t), vgl. Ahd. Gr.I, § 304). (3) Das ahd. Flexiv -u der 1.Sg.Ind.Präs. st. und sw. Verben (Klasse I) ist im Zusammenhang der Nebensilbenabschwächung „allgemein im 10. Jh.“ zu -o übergegangen (vgl. Ahd.Gr.I, § 58, Anm. 2), es kann zum Ende des Ahd. bei den sw. Verben der Klassen II und III übernommen sein (vgl. Ahd.Gr.I, § 305, Anm. 4). (4) Als alem. Besonderheit erscheint -ō- zudem im Pl.Prät. der sw. Verben (vgl. Ahd.Gr.I, § 320).

Die Verhältnisse in 211/ ​112 erweisen die Fortführung ahd. Verhältnisse: In ca. 65% aller st. und sw. Verben tritt in der 1.Sg.Präs. ‹o› auf, in den übrigen Präsensformen kommt ‹o› bei den st. Verben nur vereinzelt (3.Pl.Präs., bes. in Will), bei den sw. Verben mit einem Anteil von ca. 10–15% vor; dabei handelt es sich mehrheitlich um Belege von ehem. Klasse II-Verben (z. B. 2.Sg.Ind.Präs. genieto‫܅‬t du, WNot, 22rb,1, aber auch: du kebreito‫܅‬t, WNot, 5vb,14 aus Klasse I), bei denen jedoch ‹o› nicht ausschließlich ist (du [...] pezzere‫܅‬t, WNot, 42rb,16). Das Flexiv der 2.Sg.Ind.Prät. aller sw. Verben weist in ca. 70% aller Belege ‹o› auf (z. B. Klasse-I-Verben du iruueleto‫܅‬t, WNot, 27rb,19; du [...] keheilto‫܅‬t, WNot, 32rb,20 oder Klasse-II-Verb du meisteroto‫܅‬t, WNot, 11va,20). Der für das späte Ahd. als alem. ausgewiesene Gebrauch von ‹o› in den Flexiven des Pl.Prät. sw. Verben tritt in 211/ ​112 in ca. 90 % aller Belege auf, ununterscheidbar häufig ebenfalls in Will; nur dort tritt ‹o› auch häufig im Pl.Prät. st. Verben auf (‫܅‬kinon, Will, 11v,7). Ab 212 sind Formen mit ‹o› erheblich seltener (z. B. in 212 unter 15% im Pl.Prät. sw. Verben) mit zudem deutlich landschaftlicher Bindung belegt: Ca. 80% der Belege aus 212 stammen aus dem Alem. und dem alem.-bair. Übergangsraum, ca. 13% aus dem Bair.; im Wmd. sind nur wenige Belege vorhanden (TrPs, RBib). Endungen mit ‹o› bleiben über 212 hinaus im Inf. und Part.Prät. sowie in der 3.Sg.Ind.Präs. und 3.Pl. Prät. der sw. Verben belegt: In 213 kommen Formen dieser Art mit wenigen Ausnahmen nurmehr in PrSch (alem.) und in 114 in singulären Belegen vor. Anm. 1:  In Fällen von ‹o› sowohl im Stamm als auch in der Endung kann Vokalassimilation angenommen werden, so etwa im Part.Prät. der st. Verben (gebóton, Will, 15r,3; bedrogon, RBib, A1v,30; 359; ge ohton, RBib, A6v,25f; 639), in der 1.Pl.Präs. (lôfon, Will, 3r,7) oder in der 1.Sg.Prät. der sw. Verben (lo‫܅‬to, PrSch, 126v,24).

(4) ‹a›

Vokalgraphie ‹a› kommt überwiegend in 211/ ​112 vor, ab 212 gibt es nur noch Einzelbelege. Im frühen Mhd. ist das Vorkommen abhängig von der Paradigmaposition

V 29

730

VII. Verben

und der Verbklasse und kann außerdem textgebunden sein: So erscheinen in Will ca. 80% aller Belege des Inf. und Part.Prät. der starken Verben mit -an gebildet, wohingegen WNot nurmehr eine Einzelbelegung im Part.Prät. ausweist (ge‫܅‬criban, 17 vb,14) (zum Inf. mit -an s. Anm. 1). In der 1./ ​3.Sg.Prät. der sw. Verben kommt ‹a› in fast allen Hss. in 211/ ​112 vor (außer in RPaul und Ezzo+Mem), die Endung dominiert jeweils deutlich vor -e (WNot: ca. 70%, Will: knapp 91%). In diesen paradigmatischen Positionen, in denen ‹a› häufig in 211/ ​112 vorkommt, kann es auch in späteren Zeiträumen noch  – landschaftsunspezifisch  – belegt werden; dies allerdings erheblich seltener: Im Inf. kann Endung auf ‹a› vereinzelt bis 113 stehen, in der 1./ ​ 3.Sg.Prät. der sw. Verben bis 213. Anm. 1:  Der ahd. Befund, nach dem die Infinitivendung -an allein bei st. Verben auftritt (vgl. Ahd.Gr.I, § 314), hat im Mhd. keine durchgängige Gültigkeit mehr, hier erscheinen auch sw. Verben der ehemaligen Klasse II oder III mit -an (geran, Will, 36r,18). Ab 212 stehen Infinitive auf -an mehrheitlich im Reim (man  : werdan, Aegi, 1ra,30; 59f; gewan  : geltan, Kchr, 2rb,1f; 232f); dies bestätigt Weinholds Auffassung, dass a in der Endung kein „grammatischer Wert zukommt“ (Weinhold, Mhd.Gr., § 82, 399). Anm. 2:  Vokalgraphie ‹a› steht selten in der 1./ ​3.Sg.Konj.Präs. (uuerda, Meri, 1v,2; 1,28), im Sg.Imp. der sw. Verben (Intluhta miniu ougen, WNot, 18vb,3f), in der 3.Pl.Präs. (biêtant, BaGB, 106v,25) und in der 3.Pl.Prät. (chodan < quęden, WNot, 17 vb,15). Darüber hinaus erscheint ‹a› singulär im (wohl adjektivisch gebrauchten) Part.Präs. (gloubenta, WNot, 24va,18; der Beleg steht in einer Reihe von Prät.-Formen mit -ta: In minemo truob‫܅‬ali ruofta ih zeminemo herren. unde hareta zegote. an in ua‫܅‬to gloubenta), im Part.Prät. der sw. Verben (der Beleg in PrSch, alem., 213: hêt geua‫܅‬tat, 241r,12, ist möglicherweise als Vokalassimilation zu werten; weitere Belege für -at vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 372) und in der 1.Sg.Ind.Präs. (gnada, WNot, 18ra,4; -a wird von Weinhold als mdal. Variante gewertet; vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 307). In allen paradigmatischen Positionen, in denen ‹a› selten oder singulär vorkommt, stammen die Belege aus verschiedenen Hss. aus 211/ ​112 sowie aus 212 (TrPs, Phys, LEnt).

(5) ‹u› V 30

Vokalgraphie ‹u› tritt überwiegend handschriftenspezifisch auf, sie erscheint mehrheitlich in ZwBR: 74 v. 85 Belegen stammen aus dieser Hs., die übrigen Belege stehen singulär in WNot (Part.Prät.: ‫܅‬in [...] uuortun < węrden, 19ra,17), in OxBR (3.Pl.Präs.: ledegunt, 4r,2) und in WMEv (3.Pl.Prät.: entwiztun < entwīȥen, 23,27) sowie im Part. Präs. (s. Anm. 1; weitere Belege für Endungen mit u vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 372 zum Part.Prät., Weinhold, Mhd.Gr., § 403 zu vereinzeltem Auftreten im Md.). Das Vorkommen von ‹u› in ZwBR ist klassenspezifisch bedingt: In der 3.Sg.Ind.Präs. (ib nit mit bvoze er bezzirut, 10v,1), 2.Pl.Präs., 3.Pl.Präs., 2.Sg.Prät. (dv demvotu‫܅‬t mih, 15v,5) und 1.Pl.Prät. sowie im Part.Prät. (w’dent gibannut, 40r,13) steht ‹u› ausschließlich in der Endung sw. Verben; mehrheitlich bei sw. Verben der ehem. Klasse II, seltener auch Ib. In der 3.Pl.Prät. erscheint ‹u› auch bei den st. Verben (watun < wǟjen, ZwBR, 4r,6); dies ist zudem die regelmäßige Bildung im alem. Ahd. in dieser

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

731

Position (vgl. Ahd.Gr.I, § 320). Zu ‹u› in den Flexiven in ZwBR vgl. auch Laistner (1880, 552–561). Anm. 1:  Das vereinzelte Auftreten von Formen mit ‹u› ~ ‹v› im Part.Präs. (insges. acht Belege, div weinvnde vࠁ we‫܅‬ende, PrMi, 31r,21) ist nicht eindeutig zu interpretieren. Mög­ licherweise können diese Belege auf die ahd. Form -ōnti der sw. Verben Klasse II zurückgeführt werden (Paul, Mhd.Gr., § L 57.4; Weinhold, Alem.Gr., § 372). Sechs Belege aus Bart gehören zum Verb vasten (va‫܅‬tvnde), in dieser Hs. wird das Part.Präs. darüber hinaus regelmäßig mit -e- gebildet. Sämtliche Belege für das Part.Präs. mit ‹u› ~ ‹v› stammen aus bair. Hss.; für diesen Sprachraum weist auch Weinhold Part.Präs. mit ‹u› nach (Weinhold, Mhd.Gr., § 373, 401; Weinhold, Bair.Gr., § 289, 312). Anm. 2:  Ein Beleg aus Mem: rivut (154v,37; 14,6), wird als Schreibfehler für riwit (‚reuen‘) gewertet (vgl. auch Ahd. Lesebuch 1994, 143 sowie Maurer 1964, 257). Zu Vokalvarianten im Präfix des Part.Prät. s. § V 40, Anm. 7. Zu den Vokalen vgl. auch Paul, Mhd.Gr., § L 57. Lit.: Ahd.Gr.I; Ahd. Lesebuch (1994, 143); KSW I; Laistner (1880, 552–561); Maurer (1964, 257); Paul, Mhd.Gr., § L 57; Weinhold, Alem.Gr., § 372; Weinhold, Bair.Gr., § 289, 307, 312; Weinhold, Mhd.Gr., § 82, 373, 399, 401, 403.

2.2.2.2. Vokaltilgung

(1) Überblick

Der Vokal der Endung kann der Apokope (zur Abgrenzung Apokope  – Elision s. § V 32, Anm. 1) und/ ​oder Synkope unterliegen (ich sag < ich sage; ęr sagt < ęr saget) oder enklitisch mit dem Folgewort verschmelzen (bitich < bite ich; zur Enklise s. § V 32, Anm. 2). Während Enklise generell möglich ist, weisen Apokope und Synkope eine diachrone und diatopische Differenzierung auf und können zudem von der lautlichen Umgebung beeinflusst sein. Diese verschiedenen Einflussfaktoren überlagern sich teilweise und können analytisch nicht immer eindeutig voneinander getrennt werden; selbst Hss. desselben Zeit- und Sprachraums verhalten sich unterschiedlich (so auch Th. Klein 2005b, 133 zu Apokope und Synkope nach Liquid).

V 31

Lit.: Herbers (2011), Th. Klein (2005b, 133), Lindgren (1953).

(2) Apokope

Im gesamten Mhd. kann eine Tendenz zur Apokope (zur Definition s. Anm. 1) belegt werden; diese ist landschaftlich und zeitlich unterschiedlich ausgeprägt und kann durch lautliche und/ ​oder morphologische Bedingungen gehemmt oder gefördert sein:

V 32

732

VII. Verben

–– Apokope zeigt eine diachrone und diatopische Entwicklung. Allgemein ist Apokope im Obd. früher eingetreten als im Md., teilweise ist ein klarer Gegensatz zwischen Bair. und Alem. vorhanden. Im Ofrk. ist -e-Tilgung am Wortende am konsequentesten durchgeführt. Im gesamten Md. ist die Apokopierungsquote in jeder paradigmatischen Position sehr gering, ab 213 kann ein leichtes Ansteigen am Gesamt aller Belege der jeweiligen Position ermittelt werden. In einigen Hss. des Md. (insbes. mfrk. Hss.) sind keine apokopierten Belege nachweisbar (212: RBib, Aegi, 113: VatG, RhMl, GRud, 213: Brig, 114: MBeh, UJena). Nur wenige md. Hss. in 114 weichen davon ab: Eine hohe durchschnittliche Apokopierungsquote weist HTri (durchschnittlich 20,5%) auf. (Zur Apokope in md. Texten vgl. auch Th. Klein 2000a u. 2005b).

–– Im Eintreten der Apokope oder im Erhalt des vokalischen Elements zeigt sich die funktionale Entbehrlichkeit oder Notwendigkeit des auslautenden Vokals (vgl. auch Gr.d.Frnhd.IV, § 29): So fällt der auslautende Vokal relativ häufiger in der 1.Sg.Ind.Prät. der sw. Verben als im Sg.Imp. der sw. Verben aus. –– Die Apokope kann lautlich bedingt sein: Sie tritt häufiger nach Liquid (s. § V 49 2.Sg.Imp.) oder Nasal auf (vgl. auch Th. Klein 2005b). Die Tilgung des auslautenden e kann des Weiteren abhängig vom Anlaut des Folgewortes sein, so wird in manchen Paradigmapositionen deutlich häufiger vor vokalisch anlautendem Folgewort apokopiert als vor konsonantisch anlautendem Folgewort. –– Die Apokope zeigt außerdem teilweise Abhängigkeit von den Überlieferungsformen der Texte (Vers, Prosa, Urkunde) oder Autor/ ​Schreiber auf; in einzelnen Hss. kann zudem häufig ein „eigener“ Usus festgestellt werden. –– In manchen Paradigmapositionen ist außerdem ein Zusammenhang von Apokope und vokalisch anlautendem, direkt folgendem Personalpronomen feststellbar (gęb ich > gębe ich). Diese Bindung ist bei allen Überlieferungstypen vorhanden (s. § V 25). –– In Verstexten kann zudem metrische Verursachung vorliegen, da durch die Tilgung des e die Silbenanzahl im Vers verändert wird (‚Ekthlipsis‘). Anm. 1:  Unter Apokope wird hier jedweder Ausfall eines unbetonten Vokals im absoluten Auslaut verstanden (so auch Bußmann 2008, 50). Der Begriff wird in der Forschungsliteratur nicht übereinstimmend verwendet: Häufig wird Apokope allgemein als Ausfall eines unbetonten Nebensilbenvokals aufgefasst, manchmal jedoch wird sie auf den Ausfall eines unbetonten Vokals vor einem konsonantisch anlautenden Folgewort eingeschränkt (so etwa Wilmanns, Dt.Gr.I, § 270; Ahd.Gr.I, § 61). Tilgung eines unbetonten Vokals vor vokalisch anlautendem Folgewort wird in diesem Fall als ‚Elision‘ bezeichnet, bei zugleich graphischer Einheit als ‚Enklise‘ (zu Enklise s. Anm. 2). Meist wird Elision ausschließlich auf Verstexte bezogen und der Zusammenhang mit dem Metrum betont. Als Musterfall gilt hier die ahd. Hs. V von Otfrids Evangelienharmonie, in der die Tilgung des auslautenden Vokals durchgeführt oder durch Unterpunktion im Text markiert ist (zu Otfrids Verfahren vgl. ausführlich de Boor 1928; Kappe 1909/ ​1910; Ahd.Gr.I, § 61; Franck 1909, § 64.1). Elision in der Prosa ist Wilmanns zufolge (Dt.Gr.I, § 270) erheblich seltener anzutreffen. Die Fälle, die in der Forschung häufig nicht als Apokope, sondern als Elision bezeichnet werden, beziehen sich auf Ausfall des auslautenden Vokals vor vokalisch anlautendem Pronomen. In der Forschungsliteratur zum Mhd. werden diese Fälle allerdings überwiegend nicht getrennt behandelt (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 51, Anm.; eine Trennung dieser Fälle hat Lind-

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

733

gren vorgenommen und keine Veränderung der diachronen und diatopischen Verteilung festgestellt; vgl. Lindgren 1953, 194). Die Gründe für den Vokalausfall sind vielfältig, Apokope daher eine nur schwer fassbare Erscheinung (Lindgren nennt u. a. folgende beeinflussende Aspekte: Original, Abschrift, Schreiber, Mundart, Prosa, Verse, Reim, Versmaß, Phrase, Hiatus, Elision, Syntax, Silbenstruktur; vgl. Lindgren 1953, 15). In den Hss. des Grammatik-Korpus sind keine Unterpunktionen zur Kennzeichnung des Vokalausfalls vorhanden, auch in Prosa-Hss. kann Apokope vor vokalisch anlautendem Pronomen auftreten, z. T. in hoher Quantität, wenn auch seltener als in Vers-Hss. Anm. 2:  In einigen paradigmatischen Positionen kann das Verb mit dem folgenden Personalpronomen enklitisch verbunden sein (batih < bat ich, gewinnestu < gewinnest du); ein ggf. vorliegender auslautender Vokal des Verbs ist getilgt (sagtih < sagte ich), Bedingung für die Definition als Enklise ist die graphische Einheit. In der 1./ ​3.Sg.Präs./ ​Prät. werden am häufigsten ęr, ęȥ, ich und in klitisiert (lebich, RWh, 53va,35; 7052; bindez, Bart, 17r,14), in der 2.Sg.Präs./ ​Prät. werden die Verben mit du verbunden (bliue‫܅‬tu, RhMl, 86r,6; 4654). Insgesamt kann gut 1% aller Belege dieser Positionen enklitisch belegt werden (489 v. 46410 Belegen). Ein nachfolgendes Pronomen erzwingt die Zusammenschreibung nicht, das zeigt der hohe Anteil an Belegen, bei denen das Pronomen folgt, ohne enklitisch mit dem Verb verbunden zu sein. Beide Varianten können z. T. innerhalb der gleichen Hs. parallel belegt werden (gewinne‫܅‬tv, TrHL, 8v,22  – gewinni‫܅‬t diu, TrHL, 8v,20). Enklise ist eine Erscheinung der gesprochenen Sprache, die nur z. T. schriftlich als graphische Einheit realisiert wird (vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 21). In der 2.Sg.Präs. erscheint die enklitische Verbindung einst selbständiger Elemente (Verb + Personalpronomen) grammatikalisiert und hat in der Folge Auswirkungen auf die Flexionsmorphologie: Das Flexiv -est der 2.Sg.Präs. ist möglicherweise durch Enklise entstanden (s. § V 46; vgl. Diskussion dieser These bei Paraschkewow 2003). Der für das Frnhd. beobachtete Zusammenhang zwischen vokalloser Endung in der 2.Sg.Präs. und enklitischem Pronomen kann im Mhd. nicht nachgewiesen werden (s. § V 46, Anm. 2). Bei Verben, die enklitisch mit dem folgenden Pronomen erscheinen, kann die Flexionsendung nicht zweifelsfrei ermittelt werden (bspw. Endung -e oder -ø in der 1.Sg.Präs., -(e)st oder -(e)s in der 2.Sg.Präs.), daher werden diese Belege in den einzelnen paradigmatischen Positionen keiner Flexivendung zugeordnet. In enklitischer Verbindung sind im Grammatik-Korpus ausschließlich Personalpronomen belegt. Zu Enklise in einzelnen Paradigmapositionen s. § V 46, Anm. 2, § V 49, Anm. 2, § V 56, Anm. 1. Lit.: Ahd.Gr.I, § 61; de Boor (1928); Bußmann (2008, 50); Franck (1909, § 64.1); Herbers (2011); Kappe (1909/ ​1910); Th. Klein (2000a u. 2005b); Lindgren (1953, 15, 194); Paraschkewow (2003); Paul, Mhd.Gr., § E 21, L 51, Anm.; Wilmanns, Dt.Gr.I, § 270.

(3) Synkope

In allen paradigmatischen Positionen kann der Vokal der Endung synkopiert werden (varen > varn, saget > sagt). Das Vorkommen ist abhängig von Zeit und Landschaft, von lautlicher Struktur des Verbstammausgangs und verschieden auch bei Endungsausgang auf -n oder -t (häufiger Synkope bei -et als bei -en/ ​-ent; s. etwa 2.Pl.Präs., § V 53, Anm. 4). Außerdem kann morphologische Verursachung vorliegen.

V 33

734

VII. Verben

–– Synkope kommt in 211/ ​112 nur selten vor, danach, insbes. ab 113, steigt die Menge synkopierter Belege stetig an. In einzelnen paradigmatischen Positionen erhöht sich der Anteil von synkopierten Formen bis 114 z. T. bis 50% (114: Knapp 50% im Inf. der sw. Verben; 28% in der 3.Sg.Ind.Präs. der sw. Verben). –– Allgemein ist Synkope häufiger in obd. Hss. nachgewiesen, die Anteile liegen in md. Hss. z. T. erheblich niedriger. Die höchsten Anteile von Synkope-Belegen erscheinen im Ofrk. (knapp 79% im Part.Prät. der sw. Verben; knapp 60% in der 2.Pl.Präs.). –– Am häufigsten erfolgt Synkope nach stammauslautendem Liquid (hęln) oder Nasal (regelmäßig mit gleichzeitiger Kürzung des Endungs-n durch Nasalstrich: v’noࠃ, Diet, 98rb,2; 9284; bekoࠃ, Hartw, 27r,20; M 1142), seltener nach Plosiv (gębn) oder h (geschęhn). –– In einigen paradigmatischen Positionen der sw. Verben können auch morphologische Gründe für Synkope geltend gemacht werden: So haben die ursprüngliche Klassenspezifik und die Silbenstruktur der sw. Verben Einfluss auf Tilgung oder Erhalt des e in der Endung (s. § V 70–73). Beim Part.Prät. kann zudem selten der Vokal des Präfixes ge- getilgt sein, meist vor Nasal, Liquid oder Vokal (s. § V 40, Anm. 6). Teilweise können zusätzlich zur Synkope stammauslautender Dental und Endungsdental zusammenfallen (‚Ekthlipsis‘: wirt < wirdit). Zur Synkope allg. sowie zur Bindung von Synkope an den Stammvokal und an leichte oder schwere Silbe vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 52ff.

2.2.2.3. e-Epithese V 34

Nur in wenigen Fällen erhalten regelmäßig endungslose Positionen ein auslautendes e, häufiger kommt dies nur bei den starken Verben im Sg.Imp. (ęr nime; knapp 7% aller Belege) und selten in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. (ęr halfe; unter 0,5% aller Belege) vor. Die e-haltigen Belege im Imp. erscheinen mehrheitlich ab 213 und insbes. im Bair. Diese Entwicklung läuft der allgemeinen Apokope-Tendenz zuwider und kann somit als Aufhebung der Klassenspaltung interpretiert werden. Eine entsprechende Tendenz kann für das Frnhd. beobachtet werden (vgl. Frnhd.Gr., § L 41). 2.2.3. Paradigmapositionen 2.2.3.1. Infinitiv

(1) Allgemeines V 35

Der Infinitiv ist ursprünglich ein mit dem Suffix -n gebildetes Verbalsubstantiv (nomina actionis), das im Nom./ ​Akk.Sg. seit wgerm. Zeit unflektiert ist, also mhd. -en

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

735

(< -an-ø) endet. Zum Inf. gehören auch ein flektierter Dat. auf -ene und ein flektierter Gen. auf -ens, das sog. Gerundium. Neben der nominalen Verwendung kann der Inf. auch abhängig von Verben auftreten (in Verbindung mit Modalverben, als Teil einer periphrastischen Form). Im Laufe der Sprachentwicklung wird der Inf. zu einer markierten Verbalkategorie und traditionellerweise bei den Verben beschrieben. Teilweise kann für den Inf. in verbalen Komplexen ein anderes Verhalten als in der substantivierten Form festgestellt werden: So gibt es beim substantivierten Inf. in der Regel keine n-Losigkeit (Ausnahme: 6x mortburni in MüRB). Zum Übergang von der Nominal- zur Verbalkategorie vgl. Paul, Mhd.Gr., § S 31f; zu den periphrastischen Verbformen s. § V 36 sowie KSW IV. Die Infinitivendung kann als Flexionsendung oder als Wortbildungsmorphem aufgefasst werden. Bei der Interpretation als Wortbildungsmorphem wird -en als Ableitungssuffix verstanden, alle sw. Verben stellen dann Ableitungen dar (s. dazu KSW III, § V 224). In der Morphologie werden die Infinitive als eine Form im Paradigma der Verben betrachtet und daher hier mitbehandelt. Lit.: KSW III, § 224; KSW IV; Paul, Mhd.Gr., § S 31f.

(2) Infinitiv als Teil einer Verbperiphrase

-en ~ -e

V 36

Belegt sind: -(e)n

überall regelmäßig

-e

häufig thür. 213, md. sonst selten, obd. und ofrk. ‹i›, ‹e›, 1x ‹u› vereinzelt

‹en›, ‹in›, ‹n›, ‹an›, ‹on›, ‹un›, ‹yn›, ‹ࠁ›, ‹–›, ‹ne›, ‹ên›, ‹ࠀn›, ‹im›, ‹ent›, ‹int›, ‹nt›, je 1x ‹în›, ‹ân›, ‹ein›, ‹em›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Synkope des Endungsvokals s. § V 33 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Die regelmäßige Endung des von Verben abhängigen Infinitivs ist -en (biten, machen); Wurzelverben wie gān, synkopierte und kontrahierte Formen enden auf -n (gēn < gęben, lān < lāȥen; zu kontrahierten Formen s. § V 220ff). Im Thür., Osthess. und nördlichen Ofrk. erscheint n-Losigkeit (insges. 14,1% aller Belege dieser Landschaften, vgl. dazu auch Ehrismann 1897, 297); „im Ostfrk., besonders in Würzburg“, findet sich dies bereits seit dem 9. Jh. (Ahd.Gr.I, § 314, Anm. 4). Im GrammatikKorpus erscheint n-Losigkeit häufig nur im Thür. in 213 (s. Anm. 1); überall sonst ist -e vereinzelt. Anm. 1:  n-Losigkeit ist charakteristisch für das Vorkommen des Inf. als Teil einer Verbperiphrase, in nominaler Verwendung ist mit einer Ausnahme (6x mortburni < mortbrėnnen, MüRB) -en regelmäßig. Der Inf. ohne n ist typisch für das Thür., hier insbes. für die Hs. MüRB (213), aus der ca. 80% aller Belege des Grammatik-Korpus stammen (mac he woli nach volgi, 9r,14; ‫܅‬al [...] binde, 5r,16f) (so auch noch im 15. Jh., vgl. Ehrismann 1897, 297–298,

736

VII. Verben

zur thür. Minneburg in Hss. des 15. Jh.s). Die übrigen Belege sind mehrheitlich in hess.thür. Hss. aus 113 und 213 nachgewiesen (PrMK, GRud, PrFr); Belege aus anderen Landschaften sind sehr selten. -e kommt im Reim sowohl auf -en (‫܅‬agen : clage, Lupo, 234ra,16ff; e e 4,8ff) als auch auf -e vor (fvge : benvge, Renn, 160ra,10f; 24514f); vgl. dazu auch Weinhold, Mhd.Gr., § 372, 399. Bereits in 114 ist n-Losigkeit nur noch sehr selten belegt (so auch selten im Frnhd. bis in das frühe 16. Jh.; vgl. Frnhd.Gr., § M 84). Im Neuhochdeutschen ist Inf. ohne n im Md. und Alem. ebenfalls möglich (vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 370 sowie Wiesinger 1983, 846, 854ff). Im Mhd. ist n-Losigkeit als mdal. Phänomen markant schriftlich nur in einer Hs. zu belegen (MüRB). Vgl. zu n-losem Inf. auch Lawson 1976, 89. Anm. 2:  In Einzelfällen kann die Endung vollständig fehlen (< 0,1%, 15 v. 21182  Belegen; ‚Ekthlipsis‘), dies kommt bei Verben auf Nasal (wir ‫܅‬vln wein < wėinen, PrPa, 44,17) oder singulär auf Liquid oder h vor (hiez ‫܅‬i ‫܅‬chench < schėnken, Parz, 12b,40; 29,9). Tilgung der gesamten Endung liegt auch bei einigen zweisilbigen Stämmen auf -n vor (beƶėichenen: o mugen [...] bezeichen, VLilie, 90v,10f; 48,34). Anm. 3:  Vereinzelt (< 1%; 53 v. 21182 Belegen) ist, insbesondere bei Verben auf Liquid, die Endung -ne belegt (wolden enperne, LuKr, 11v,28; 654 im Reim auf gerne; begerne, ZwBR, 8r,1). Diese Erscheinung wird von Weinhold als „unechte Erweiterung“ betrachtet und häufiger im Alem. (vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 350) und nur vereinzelt im Bair. (vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 311) ermittelt, im Grammatik-Korpus stammen die Belege aus dem alem.bair. Übergangsraum sowie singulär aus dem Omd. Anm. 4:  Vereinzelt kann im Obd. der Inf. auf -ent (~ -int ~ -nt) ausgehen (< 0,1%, 14 v. 21182 Belegen; Nv mvgint ir ‫܅‬p’chint, PrZü, 110va,25; ‫܅‬wem du wil ent‫܅‬perrent unt ent‫܅‬liezzen, HLit, 89v,7f; 523). Diese Fälle könnten als Verschreibungen aufgefasst werden (‚Hyperkorrektur‘), aber auch die Interpretation als flexivische Erweiterung ist möglich (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 80, Anm. 3). Anm. 5:  Als Verschreibungen erscheinen vereinzelt -et (Sit einueldich. dat ir nimanne bedriget inwillet (< betriegen, ‚seid rechtschaffen, dass ihr niemanden betrügen wollt‘ PLilie, 21r,10f; daz ir Gedenket muget, Pass, 84va,2; 10,106; mogࠀ [...] czu core kࠆmet, OxBR, 11v,2f), -ein (uir‫܅‬kein < vorschen, TrHL, 54v,11), -em (endem < ėnden, Hartw, 21v,24; M 589, Reim auf wenden) und -ic (uࠁ fru gebet minaz ‫܅‬ol uirkumic dic < vürkomen ‚und mein Frühgebet soll dich übertreffen‘ TrPs, 45r,20). Lit.: Ahd.Gr.I, § 314, Anm. 4; Ehrismann (1897, 297f); Frnhd.Gr., § M 84; Gr.d.Frnhd.IV, § 80, Anm. 3; Paul, Mhd.Gr., § L 53, L 57; Lawson (1976, 89); Weinhold, Alem.Gr., § 350, 370; Weinhold, Bair.Gr., § 311; Weinhold, Mhd.Gr., § 372, 399; Wiesinger (1983, 846, 854ff).

(3) Gerundium V 37

-ens ~ -ene Belegt sind: -ens

flektierter Genitiv

‹ens›, ‹enes›, ‹endes›, ‹ennes›, ‹ennis›, ‹enis›, ‹ins›, ‹es›, je 1x ‹nes›, ‹ns›, ‹enz›, ‹nis›, ‹inis›, ‹ônnis›, ‹indes›, ‹endez›

-ene

flektierter Dativ

‹ene›, ‹ende›, ‹enne›, ‹inne›, ‹ine›, ‹ne›, ‹inde›, ‹ini›, ‹nde›, ‹onne›, ‹enden›, ‹ônne›, ‹enni›, ‹inni›, ‹ede›, je 1x ‹eni›, ‹îne›, ‹nne›, ‹ernde›, ‹ndi›, ‹de›

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

737

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Synkope s.  § V 33 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Der Genitiv und Dativ des (substantivisch verwendeten) Infinitivs (traditionell als ‚Gerundium‘ bezeichnet) wurde im Wgerm. mit einer j-haltigen Flexionsendung gebildet, die die ‚Verdoppelung‘ des vorausgehenden n bewirkt hat: Genitiv *-an-jes > *-annjes > (fr)mhd. -ennes (Ahd.Gr.I, § 315, Anm. 1). Die Formen des Gerundiums haben einen Anteil von gut 5% am Gesamt aller Infinitive im Grammatik-Korpus. Belege im Dativ (1087  Belege) sind erheblich häufiger als im Genitiv (61  Belege). Besonders häufig sind Gerundium-Belege in 211/ ​112 (ein Fünftel am Gesamt aller Inf.; ab 212 liegt der Anteil immer unter 7%). Die regelmäßige Form im flektierten Genitiv ist -ens, im flektierten Dativ -ene. Formen mit Doppelnasal, die im Ahd. regelmäßig sind (s. o.), dominieren im Grammatik-Korpus nur in 211/ ​112 (zebe‫܅‬uichenne, WNot, 15va,2; âlles guôten lebenne‫܅‬, BaGB, 111v,21f). Formen mit einfachem Nasal sind in diesem frühen Zeitraum äußerst selten (ze árbêitene, Will, 15v,8). Schon ab 212 sind die Verhältnisse umgekehrt, so dass Doppelnasal nur noch singulär im Alem. vorkommt (wegenni‫܅‬, Muri, 4v,12). In Anlehnung an das Part.Präs. erscheinen auch Belege auf -nd-: Im Gen. (‫܅‬tritendez, Rapp, 119ra,19; 605) kommt dies nur selten vor (ca. 8% aller Gerundiumbelege im Gen.), im Dat. (zeheilinde, WMEv, 41,8) liegt der Anteil bei knapp einem Viertel aller Belege. Formen mit -d- werden insbes. ab 113 häufiger und stammen überwiegend aus dem Alem. (60% der Belege) und dem alem.-bair. Übergangsraum (29% der Belege) (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 372, 400; Weinhold, Alem.Gr., § 351, 371). In den übrigen Landschaften sind Bildungen mit -d- selten (omd.: GRud, JMar, AthP, MBeh, BeEv, LuKr), vereinzelt (bair.: Wind, rhfrk.-hess.: Hleb, OxBR) oder nicht belegt (wmd., ofrk.). Anm. 1:  In Einzelfällen kann der Nasal im Gen. ausfallen: Beide Belege des GrammatikKorpus stammen aus dem Wmd.: gebere‫( ܅‬RhTun, 6r,2; 433), uindes (PLilie, 26r,2). Weinhold weist dieses Phänomen auch im Bair. nach (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 372; Weinhold, Bair. o Gr., § 288). Im Dat. sind vereinzelte Bildungen ohne Nasal, aber mit Dental belegt: fu rede (PrSch, 5v,3), erchࠀnede (PrSch, 5v,1), vordirde (MüRB, 16v,4). Zwei der drei Belege stammen aus dem Alem. (vgl. auch Weinhold, Alem.Gr., § 351, 371, der auf Vorkommen dieser Bildungen auch im Nhd. verweist). Lit.: Ahd.Gr.I, § 315, Anm. 1; Paul, Mhd.Gr., § L 53, L 57; Weinhold, Alem.Gr., § 351, 371; Weinhold, Bair.Gr., § 288; Weinhold, Mhd.Gr., § 372, 400.

2.2.3.2. Partizipien

(1) Allgemeines

Die Partizipien der st. und sw. Verben sind ursprünglich von der Verbalwurzel gebildete Formen, die mhd. innerhalb des Verbalparadigmas sowie nominal innerhalb

V 38

738

VII. Verben

des Adjektivparadigmas gebraucht sind. Im Laufe der Zeit können Formen, die verbal verwendet werden, in ihrer Bedeutung erstarren und so den Charakter der Verbalform verlieren und zum Adjektiv werden (s. § V 40, Anm. 5). Das Part.Präs. bezeichnet eine unvollendete Handlung, das Part.Prät. eine vollendete Handlung. Das Part.Prät. flektiert im Mhd. als reguläres Adjektiv. Zum Gebrauch der Partizipien s. KSW IV. (2) Partizip Präsens Belegt sind:

V 39

-ende

‹ens›, ‹enes›, ‹endes›, ‹ennes›, ‹ennis›, ‹enis›, ‹ins›, ‹es›, je 1x ‹nes›, ‹ns›, ‹enz›, ‹nis›, ‹inis›, ‹ônnis›, ‹indes›, ‹endez›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57.

Das Part.Präs. endet regelmäßig auf -ende, Tilgung des auslautenden Vokals kommt insbes. ab 213 bair. und ofrk. vor (s. Anm. 1). Vereinzelt kann Ausfall des Nasals (-ede) oder des Dentals (-ene) vorkommen (s. Anm. 3 und 4). Anm. 1:  Apokope des auslautenden Vokals ist vor allem bair. und ofrk. belegt (jeweils etwa 45%). Bis 113 erscheint die Endung nur vereinzelt ohne Vokal, ab 213 steigt der Anteil stark an. Die sprachlandschaftliche Bindung bleibt noch lange bestehen (vgl. Frnhd.Gr., § M 86). Anm. 2:  Der Dental der Endung lautet regelmäßig d, bis 113 kann auch t stehen (brinnente, Will, 24r,35; ge‫܅‬ehente, Spec, 5v,1). Der höchste Beleganteil mit t erscheint mit knapp einem Viertel in 211/ ​112, im Ahd. ist t noch regelmäßig, Lenisierung zu d aber bereits nachweisbar (vgl. Ahd.Gr.I, § 316, Anm. 3). Im Md. kommen Belege mit t nur vereinzelt in TrPs vor (‫܅‬lafinte, 44v,19), alle übrigen Belege stammen aus obd., insbes. bair. Hss. Anm. 3:  Vereinzelt (ca. 1%, 9 v. 809  Belegen) erscheint die Endung ohne Nasal (‹ede› ~ ‹ide› ~ ‹de› ~ ‹t›), die meisten Belege des Grammatik-Korpus stammen aus dem Md. (bspw. dancede < tanzende, BuMi, 83r,4). Weinhold weist Nasalausfall mehrheitlich im Obd. aus (Weinhold, Mhd.Gr., § 373, 401). Der Ausfall des n kann als Dissimilation oder als Konsonanzerleichterung interpretiert werden (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 75, Anm. 1). Anm. 4:  Vereinzelt (ca. 1%, 9 v. 809 Belegen) ist die Endung ohne Dental (‹enne› ~ ‹ene› ~ ‹ne› ~ ‹en›) belegt. Die meisten Belege stammen aus der rhfrk.-hess. Hs. OxBR (‫܅‬o ‫܅‬al ‫܅‬ie ligen niderge‫܅‬treket [...] ‫܅‬til ‫܅‬wigene vࠁ nit ‫܅‬prechene, 10r,30f), die übrigen Belege sind singulär (weitere Belege bei Weinhold, Mhd.Gr., § 373, 401, der einen Schwerpunkt der Belegung im Md. verzeichnet). Für das Frnhd. können vereinzelte Belege ohne -d- im Omd. nachgewiesen werden (Frnhd.Gr., § M 86; Gr.d.Frnhd.IV, § 82, Anm. 3). In Einzelfällen liegen Dentalausfall sowie Apokope vor, diese Belege stimmen ausdrucksseitig mit dem Inf. überein o (Mit deme metze heܰ ‫܅‬i ane leif Al hurten in der viande ‫܅‬char, Göll, 2rb,15; A 221: „alle rennend in der Schar der Feinde“; vgl. dazu auch Weinhold, Mhd.Gr., § 373, 401). Anm. 5:  Singulär ist erweiterte Endung auf ‹enden› in der mfrk. Hs. Lilie (he ‫܅‬al imer uallenden ‫܅‬in, VLilie, 45v,13; 21,21).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

739

Anm. 6:  Besonders in Texten, die dem Lateinischen nahestehen (WNot, BaGB, Wind, ZwBR) sind z. T. flektierte Part.Präs. belegt (vgl. Paul, Mhd.Gr., § S 104), die eine noch deutlich nominale Bindung anzeigen (Ih aue ge‫܅‬ezit bin chunich [...] bredienter gebot ‫܅‬in, Wind, 10r,9: „ich aber bin als König eingesetzt, sein Gebot predigend“; în liginter rawot ‫܅‬o der lewe, Phys, 131r,4: „indem er so daliegt, ruht der Löwe“), Im Nhd. ist das Part.Präs. in dieser Verwendung stets unflektiert; vgl. Leipold 2013, 188. Lit.: Ahd.Gr.I, § 316, Anm. 3; Frnhd.Gr., § M 86; Gr.d.Frnhd.IV, § 82, Anm. 3; Leipold (2013, 188); Paul, Mhd.Gr., § L 57, L 75, Anm. 1; Weinhold, Mhd.Gr., § 373, 401.

(3) Partizip Präteritum

Die Bildung des Part.Prät. erfolgt durch ein diskontinuierliches Flexiv, welches aus dem Präfix ge- und der Endung -en (st. Verben) oder -et (sw. Verben) besteht; zu zusätzlichem Stammvokalwechsel bei den st. Verben und sog. ‚Rückumlaut‘ bei den sw. Verben s. § V 74–85. Das ursprüngliche Verbalpräfix ge- bezeichnete aufgrund seiner Semantik schon frühzeitig den Abschluss eines Vorgangs; es ist allmählich, aber schon vor dem Ahd. (vgl. Ahd.Gr.I, § 323) zum Merkmal des Part.Prät. geworden. Das Präfix ge- befindet sich im Mhd. noch im Stadium der Grammatikalisierung, es ist noch nicht bei allen Verben fest im Part.Prät. vorhanden. Im Verlauf des Mhd. nimmt die Präfigierung mit ge- im Part.Prät. zu. Einige Verben bilden das Part.Prät. noch im gesamten Mhd. weitgehend ohne ge-: Zum einen alle Verben, die mit einem untrennbaren Präfix verbunden sind (begraben, vernėmen), zum anderen einige zumeist perfektive Verben wie komen (< ist komen) und vinden (< hat vunden), die semantisch bereits eine abgeschlossene oder punktuelle Handlung enthalten. Regelmäßig (zu Ausnahmen ab 114 s. Anm. 3) ohne ge- werden bringen, komen, vinden und węrden gebildet; häufig ohne ge- sind tręffen (drei Viertel der Belege), lāȥen (ca. ein Viertel der Belege, am häufigsten in 113), gęben (ca. ein Fünftel der Belege, am häufigsten in 114) und koufen (s. Anm. 4) belegt. Bei anderen Verben steht das Part.Prät. nur in Ausnahmefällen ohne ge- (s. Anm. 2). Verben mit trennbaren Präfixen bilden im Mhd. fast durchgängig das Part.Prät. mit ge-, welches im Allgemeinen zwischen dem trennbaren Zusatz und dem Basisverb steht (an genomen, Iw, 3r,22; 126; czu ge‫܅‬lozen, BeEv, 122v,13). Ausnahmen sind Verben mit Zusätzen, die im Nhd. wechseltonig sind, also sowohl trennbar als auch untrennbar vorkommen und entsprechend mit oder ohne ge- im Part.Prät. gebildet werden; diese sind im Mhd. unabhängig von der Semantik o überwiegend ohne ge- gebraucht (u uer varen hat, BuMi, 98r,10; ha‫܅‬t umbe keret, TrPs, v 47 ,3); s. dazu KSW III, § V 5, V 101, V 102, V 126, V 146, V 220, V 409, Anm. 1. Ehemalige Fremdwörter mit dem Suffix -ieren sind im Grammatik-Korpus ebenfalls überwiegend mit ge- nachgewiesen (insges. 144x, bspw. gefêitieret, Tris, 4vb,1; 670; geklarificieret, NikP, 84va,3); Belege ohne ge- sind selten (im Grammatik-Korpus lediglich 3x: ob‫܅‬olueirt < absolvieren, Taul, 163r,5; canonizieret, Elis, 209r,12; 9976; florie-

V 40

740

VII. Verben

ret, Elis, 219v,24; 10494; aber geflorirt, LuKr, 31r,14; 1810 u. gefloriret, LuKr, 31v,4; 1830). So auch Frisch (1979, 199f); anders hingegen Weinhold, Mhd.Gr., § 405, der bei -ierenVerben eine Vermeidung von ge- beobachtet. Anm. 1:  Das Präfix ge- steht noch im gesamten Mhd. im Spannungsverhältnis einer zunehmenden Grammatikalisierung innerhalb des Flexionsparadigmas sowie der noch sehr zahlreichen Verwendung als wortbildendes Präfix und zur Kennzeichnung bestimmter syntaktischer Gebrauchssituationen (s. dazu KSW III, § V 192–217, insbes. § V 195f). Im Nhd. wird ge- ausschließlich innerhalb des Flexionsparadigmas genutzt; die mit dem Wortbildungselement ge- gebildeten Verben sind durchweg idiomatisiert (bspw. gehören, gewinnen). Vgl. dazu auch Frnhd.Gr., § M 87.3. Anm. 2:  Im Grammatik-Korpus können insgesamt 69 Lexeme (1327 Belege) nachgewiesen werden, bei denen die Bildung des Part.Prät. ohne ge- vorkommt. Abgesehen von den bereits oben genannten Lexemen, die immer oder häufig ohne ge- gebildet werden (bringen, komen, vinden, węrden, gęben, koufen, lāȥen, tręffen), handelt es sich bei den übrigen präfixlosen Part.Prät. (61 Lexeme in 94  Belegen) um Einzelbelege, die einer regelmäßigen Bildung mit ge- gegenüberstehen (bspw. 1x varn vs. 61x gevarn; 1x toufen vs. 58x getoufet). Die Gründe für den Ausfall des Präfixes sind bei diesen Lexemen nicht eindeutig zu bestimmen: In Verstexten kann metrische Verursachung vorliegen; bei Verben, die mit g- oder k- anlauten, kann neben Synkope des e Ekthlipsis (Verschmelzung der verbleibenden beiden g) vorliegen (bspw. ge-gegrȫȥet < grozet [...] bi‫܅‬t, TrPs, 90v,11f; gegolten < golten het, UNürnb, 20,7). Möglicherweise ist dies auch der Grund für die präfixlosen Partizipien von koufen (s. Anm. 4; vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 55, Anm.). Teilweise stellt die Tilgung von ge- eine textliche Besonderheit dar: So weist etwa TrPs (212, wmd.) außer den Verben, die regelmäßig ohne ge- gebildet werden, sechs weitere Lexeme auf, bei ZwBR (113, alem.-bair. Übergangsraum) sind es darüberhinaus 22 Lexeme (häufiger bei spręchen, bspw. al‫ ܅‬wir han ‫܅‬proh, 20v,8; w’de ‫܅‬prochࠄ, 49v,12; bei anderen Verben singulär: ‫܅‬i w’din vraget, 11r,3). Anm. 3: In 114 können für die perfektiven Verben vinden und węrden erste Belege mit o ge- nachgewiesen werden: wart ‫܅‬y gefunden (BeEv, 3v,12f), hat [...] gefundࠀ (MBeh, 229v,16f), r geworden is (Taul, 7 ,19). Anm. 4:  Als einziges sw. Verb bildet auch koufen das Part.Prät. häufiger ohne ge- (18 von 45 Belegen): So hedes dv nit wol kovft (Himlf, 173,9; 178), daz er mit im al‫܅‬o iht kauft hete (UAugsb1, 8,7). Oft steht das Part.Prät. (kouft) in Hss. des alem.-bair. Übergangsraums aus 213 (StBA, UAugsb1) und 114 (UAugsb2); in anderen Hss. sind nur Einzelbelege nachweisbar (ZwBR 213, alem.-bair.; Himlf 213, rhfrk.-hess.; Rupr 114, bair.). In StBA und UAugsb1 sind parallel Belege mit ge- nachweisbar. Möglicherweise liegt hier Assimilation des Präfix-g an den folgenden Konsonanten nach Synkope des e vor (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 55, Anm.). Weitere Belege für das Part.Prät. ohne Präfix im Mhd. vgl. Grimm, DWB 11, 324f. Anm. 5:  Das Verb belīben erscheint im Mhd. abweichend vom Nhd. durchgängig ohne ge-, trotz häufiger Synkope des Präfix-e (im Grammatik-Korpus knapp 37% der Belege) scheint im Sprachgebrauch noch deutlich, dass es sich um eine Präfigierung handelt. Eine Besonderheit der Part.Prät.-Bildung weisen die st. Verben hėben und lęschen auf, beide Verben bilden das Part.Prät. regelmäßig mit er- (der wart erhaben, Mar, 75v,6; 4301; Diz fivr i‫܅‬t [...] erlo‫܅‬chen, PrMi, 33v,7), Bildung mit ge- erscheint singulär in 213: ‫܅‬ie wurdin gehabin (JMar, 62r,1f). In beiden Fällen ist die Trennung von der jeweiligen er-Präfigierung (erhėben, erlęschen) kaum möglich. Zum Nhd. hin ist die Bedeutung des Partizips ‚erhaben‘ erstarrt,

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

741

es wird nur noch als Adj. verwendet; im Mhd. ist die Verbhandlung noch deutlich erkennbar. Zu hėben s. auch § V 148, Anm. 4. Anm. 6:  Synkope des Vokals im Präfix (g-) ist sehr selten (< 1%) und kommt am häufigsten vor folgendem Nasal (gnozzen < genieȥen, HLit, 88v,1; 488), Liquid (glovfen, ZwBR, 3r,9) oder w (gwe‫܅‬en, DvATr, 35r,1) vor. Teilweise entfällt das e außerdem vor Vokal (gahtet < ahten, PrPa, 309,3; gezzin < ęȥȥen, JMar, 10r,10; nhd. ‚gegessen‘ mit nochmaliger Vorsetzung von ge-). Außerhalb des Part.Prät. kommt Synkope häufiger vor (ca. 3% aller Belege mit ge-; s. dazu KSW III, § V 193). Anm. 7: Statt ge- kann im Obd. und Omd. auch ‹gi› stehen, häufiger bis 213, in 114 nur noch selten. Vereinzelt steht das Präfix mit ‹u›, ‹a› oder ‹o›; diese Formen können jeweils als Vokalassimilation gewertet werden (Grimm zufolge liegt ein Vorklingen des Stamm­ vokals in der unbetonten Silbe vor; vgl. Grimm, DWB 4, 1594f): ‹gu› (gubundin, MüRB, 5r,18), ‹go› (Gozogen, Hartw, 18v,9; M 229), ‹ga› (gahaizen, Kchr, 2rb,16; 342); Sehr selten kann in PrZü (212, alem.) ‹gie› belegt werden (giewnnin, 106vb,15, insges. 5x). Ausschließlich in WNot (211/ ​112) erscheint ‹ke›- (kegeben, 38ra,12). Anm. 8:  Wie das Part.Präs. so kann auch das Part.Prät. vereinzelt mit nominaler Endung, d. h. flektiert vorkommen, z. B. ein ‫܅‬olig meࠁi‫܅‬ge [...] al‫܅‬o gevazzoter. v. al‫܅‬o gewaphiniter. o mit vn‫܅‬er‫ ܅‬herrin mࠀne‫܅‬gheite, PrZü, 107 va,33 oder do ‫܅‬lvc der ri‫܅‬e im êinen ‫܅‬lac. daz er v ge‫܅‬tracter lac, Iw, 97 ,24; 5048. Im Nhd. kommen diese Formen nicht mehr vor. Lit.: Ahd.Gr.I, § 323; Frisch (1979, 199f); Frnhd.Gr., § M 87.3; Grimm, DWB 4, 1594f; Grimm, DWB 11, 324f; KSW III, § V 5, 101f, 126, 146, 192–217, 220, 409, Anm. 1; Paul, Mhd.Gr., § L 55, Anm.; Weinhold, Mhd.Gr., § 405.

(4) Partizip Präteritum starker Verben

ge-...-en Belegt sind: -en

‹en›, ‹in›, ‹n›, ‹ࠁ›, ‹an›, ‹–›, ø, ‹yn›, ‹ne›, ‹ent›, ‹e›, ‹em›, ‹on›, ‹i›, ‹int›, je 1x ‹ࠀn›, ‹un›, ‹nt›, ‹ant›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Synkope des Endungsvokals (ca. 10% der Belege) s. § V 33 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Das Part.Prät. der starken Verben endet regelmäßig auf -en (hat gebęten), kontrahierte Formen haben -n (hat gelān; zu kontrahierten Formen s. § V 220ff); Varianten sind äußerst selten (s. Anm. 1–3). Anm. 1:  Vereinzelt (< 1%, 37 v. 9753 Belegen) kann das Part.Prät. endungslos nachgewiesen werden, die meisten Belege stammen aus ZwBR und werden zu spręchen gebildet (w’de gi‫܅‬proh, 19v,12). In ZwBR ist die endungslose Bildung des Part.Prät. von spręchen häufiger als mit Endung (30 Belege vs. 13 Belege). Die übrigen endungslosen Belege erscheinen singulär in verschiedenen Hss. (ich han genuk gôz < gegęȥȥen, GnaÜ, 100,16; were er komm, TrHL, 6v,3). Weinhold weist Endungslosigkeit häufiger bei Verben auf Nasal nach (Weinhold, Mhd.Gr., § 373; Weinhold, Alem.Gr., § 352).

V 41

742

VII. Verben

Anm. 2:  In Einzelfällen (< 1%, 12 v. 9753 Belegen) kann die Endung mit Nasal erscheinen (-ent ~ -int ~ -ant ~ -nt), es kann aufgrund der seltenen Belegung keine signifikante diachrone oder diatopische Verteilung ausgemacht werden (s. hingegen Part.Prät. der sw. Verben, § V 42, Anm. 3). Fast immer treten diese Fälle in den vorkommenden Hss. singulär auf (Gezwicket vࠁ ge‫܅‬lagent wart, Erlös, 7ra,4; 5647), lediglich TrPs (212, wmd.) weist zwei Belege auf (virburgant hant, 91v,3; cobruchent werdent, 5r,7). Für diese Hs. kann auch im Part.Prät. der sw. Verben (s. § V 42, Anm. 3) und in der 2.Pl.Ind.Präs. eine Bevorzugung von -ent statt -en ermittelt werden (s. § V 53, Anm. 1). Im gesamten Pl. (Präs. und Prät.) kann -ent als variantes Flexiv zu -en erscheinen (s. zum Pl.Präs. § V 51–54, zum Pl.Prät. § V 61–64), aufgrund des hauptsächlichen Vorkommens im Alem. kann in diesen paradigmatischen Positionen eine landschaftliche Bindung angenommen werden. Dies trifft auf die Dentalendung im Part.Prät. nicht zu. Anm. 3:  Vereinzelt (< 1%, 20 v. 9753 Belegen) erscheint n-Abfall (-e ~ -i), die meisten Belege stammen aus dem Omd., insbes. aus MüRB (‫܅‬al [...] givangi vuri brengin, MüRB, 3r,25f; habe o vorlure, JMar, 106v,9), für das n-Losigkeit auch im Inf. belegt werden kann (s. § V 36, Anm. 1; so auch Weinhold, Mhd.Gr., § 373). Außerhalb des Omd. ist diese Erscheinung singulär (gwunne, Mar, 9r,14; 394 im Reim auf ordinunge; kome, Hoff, 29r,22; in gebunte, Wind, 10v,10 zu lat. ‚innexi‘, vgl. zu diesem Beleg auch Lewark 1914, 72). Anm. 4:  Selten (< 1%, 15 v. 9753 Belegen) kann bei Verben auf Liquid -ne stehen (vir holne [...] waz < verholn, SalH, 429,24; 51,11f; geborne ‫ࠄ܅‬t, TrHL, 6v,22), singulär ist -ne nach g im Reim (degene : gewegne, Diet, 83rb,9f; 6215f). Am häufigsten kann diese Endung im Rhfrk.Hess. und Alem. nachgewiesen werden. s. auch § V 36, Anm. 3. Anm. 5:  Singulär (3x) steht ‹em› für -en: genomem (VLilie, 73r,5f; 38,19), uernonem (Kchr, 38ra,8f; 8750). Anm. 6:  Vereinzelt kann das Part.Prät. schwach gebildet werden (gehėbt < hėben, gewęset < węsen), bei allen betroffenen Lexemen können (mit Ausnahme von -hėischen, welches im Part.Prät. ausschließlich schwache Bildung aufweist) parallel Belege in starker Bildung nachgewiesen werden. Häufig schwache Bildung ist bei -hėben (13 sw. Belege vs. 72 st. Belege), (-)‌schrīen (5 sw. Belege vs. 6 st. Belege) und węsen (31 sw. Belege vs. 208 st. Belege) nachgewiesen. Die übrigen Lexeme haben nur vereinzelt schwache Part.Prät.-Bildung. Zur Mischung von starker und schwacher Konjugation s. § V 169ff; zu schrīen und spīwen s. § V 124; zu geschęhen, pflęgen, węben und węsen s. § V 143, Anm. 2; zu hėischen s. § V 153, Anm. 3 und zu ruefen s. § V 156, Anm. 1. Lit.: Lewark (1914, 72); Paul, Mhd.Gr., § L 53, L 57; Weinhold, Alem.Gr., § 352; Weinhold, Mhd.Gr., § 373.

(5) Partizip Präteritum schwacher Verben V 42

ge-...-(e)t Belegt sind: -(e)t

‹et›, ‹t›, ‹it›, ø, ‹ot›, ‹ut›, ‹ent›, ‹en›, ‹th›, ‹e›, ‹te›, ‹ôt›, ‹int›, ‹eit›, ‹i›, ‹eth›, ‹in›, ‹d›, ‹n›, je 1x ‹at›, ‹yt›, ‹id›, ‹ith›, ‹iet›, ‹est›, ‹ist›, ‹ti›, ‹ote›, ‹the›, ‹de›, ‹nt›, ‹ic›, ‹ec›, ‹iph›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

743

Das Part.Prät. der schwachen Verben endet regelmäßig auf -et, häufig ist Synkope des vokalischen Bestandteils belegt (-t, s. Anm. 1). Lautliche und graphische Varianten sind zahlreich (ca. ⅓ aller Belege). Anm. 1:  Gut 41% der Belege weisen Synkope auf (gemacht, gestalt). Dies kann morphologische oder lautliche Gründe haben: Bei Verben der ehem. Klasse Ib der sw. Verben, die ‚Rückumlaut‘ aufweisen, steht überwiegend -t (gesant, aber gesėndet); so auch noch frnhd. (vgl. Frnhd.Gr., § M 87.1.). (Weitere Gründe für den Vokalausfall s. Kap. 2.3.3., insbes. § V 75– 77). Allgemein erscheinen synkopierte Formen in 211/ ​112 nur vereinzelt (3,1%), ab 113 steigt der Anteil der Belege stark an bis auf knapp 50% in 114. Singulär ist zusätzlich Lenisierung nach Liquid oder Nasal (genend, Hartw, 26r,16; M 1029; bekerd, ZwBR, 4r,14). Zur Synkope s. § V 33 u. Paul, Mhd.Gr., § L 53. Anm. 2:  In Einzelfällen (< 1%, 24 v. 9524  Belegen) kann im Part.Prät. bei Verben auf Dental n-Abfall geschehen (‹e› ~ ‹i›), alle Belege stammen aus 113 aus Hss. des Bair., Alem. o und des alem.-bair. Übergangsraums (Hoff, ZwBR, Mar; getroe‫܅‬te unt gefrwet wirt, Hoff, r r 14 ,16f; d’ w’de gidemuoti, ZwBR, 32 ,4). Singulär steht ‹e› bei anderem Stammausgang: al‫܅‬o o werdint ge‫܅‬vge die ‫܅‬aligin (< sougen TrHL, 10r,17f). Weinhold sieht diese Endung vorwiegend im Reim (Weinhold, Mhd.Gr., § 405; Weinhold, Bair.Gr., § 317). Anm. 3:  In Einzelfällen (< 1%, 29 v. 9524  Belegen) kann der Endung ein Nasal zugefügt sein (-ent ~ -int ~ -nt), diese Belege (eraltint ‫܅‬in, Hoff, 23r,14f) stimmen hier ausdrucksseitig mit einigen Belegen der st. Verben im Part.Prät. überein (s. § V 41, Anm. 2). Die meisten Fälle stammen aus dem Bair. und der wmd. Hs. TrPs (wande ‫܅‬int viande dine uerderbent. uࠁ ze‫܅‬prengent werdࠀ alle, TrPs, 50r,16f). Anm. 4:  Bei Verben auf Dental oder auf ƶƶ (‹tz›) erscheint das Part.Prät. endungslos (Ekthlip­sis: hat gegurt < gürten; hat gesatz < sėƶƶen), Belege mit vollständiger Endung sind parallel belegt (die wrden [...] bereit, Nib, 3v,5; 66,3 vs. was [...] bereitet, Nib, 54r,16; 1409,2). Bei Verben, deren Stamm bereits auf -et endet (enthoubeten), wird die Doppelung von -et im Part.Prät. vereinfacht (wart enthoubet, JMar, 1r,4). In Einzelfällen kann Endungslosigkeit auch bei anderem Stammausgang belegt werden, hier sind Schreibfehler anzunehmen (ir‫܅‬uch w’den, OxBR, 12v,8; heit virworch < verwirken, MüRB, 8v,28). Anm. 5:  Vereinzelt (< 1%, 19 v. 9524 Belegen) erscheint die Endung mit angefügtem h (‹eth› ~ ‹ith› ~ ‹th›): Bei einigen Verben scheinen h und t vertauscht (gedath werde, SalH, 23,12; wart bedruth < bedrücken, Himlf, 268,4; 1780), bei anderen wird die Endung durch h erweitert (gebezzereth werden, OxBR, 7 v,23; er ‫܅‬ezeth wrde, TrHL, 4r,1). Anm. 6:  Selten (< 1%, 64 v. 9524  Belegen) kann -te (‹te› ~ ‹ti› ~ ‹de› ~ ‹ote›) stehen (wart getyo‫܅‬tírte, Lieht, 60ra,30; 873,4), teilweise reimbedingt (gewalte  : gezalte, Mar, 16v,13; 813f). Nach Liquid ist Lenisierung möglich (geberlde < bęrlen ‚verzieren‘, Renn, 6vb,21; 208). Nur singulär ist vor dem Endungsdental ein Vokal belegt (gemarterote, Kchr, 73va,45f; 17261 im Reim auf got); diese Endungserweiterung ist vereinzelt auch im Frnhd. möglich (vgl. Frnhd. Gr., § M 87; Gr.d.Frnhd.IV, § 83.1.). Anm. 7:  In Einzelfällen (< 1%) kann die Endung ‹en› sein, diese Fälle stellen entweder e Verschreibungen dar (gehindern wurden, UNürnb, 28,21; din olei [...] enhat mie nicht gewermin, JMar, 15r,4f) oder es liegt st. Bildung vor: Das Verb būwen bildet das Part.Prät. sowohl sw. als auch st. (heten gebuwen, Türh, 63vb,22; 733 vs. het [...] gebuwet, HTri, 106vb,3f; 728f). Zur Mischung von starker und schwacher Konjugation s. § V 174ff; zu būwen s. a. § V 155, Anm. 1.

744

VII. Verben

Anm. 8:  Vereinzelt steht statt des zu erwartenden Part.Prät. ein Inf. (Dat ‫܅‬i hadde horen ‫܅‬agen van ‫܅‬iner grozer wi‫܅‬heide, BuMi, 98v,5). Zu ‚Ersatzinfinitiv‘ vgl. Paul, Mhd.Gr., § S 34.3 mit Angabe weiterer Literatur sowie Dal (1956). Anm. 9:  Erweiterung der Endung durch i ist in Einzelfällen im Wmd. belegt: ‹eit› (geloueit hayn, UKöln2, 12,2; ‫܅‬o i‫܅‬t un‫ ܅‬ge‫܅‬ageit, RhTun, 1r,15; 25). Vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 40. Anm. 10:  Singulär und als Verschreibungen anzusehen sind die Endungen ‹ec› (ge‫܅‬tillec werde‫ ܅‬du, TrPs, 41v,1), ‹ic› (vࠁ als dz iruullic i‫܅‬t < ‚erfüllt ist‘ OxBR, 11v,12), ‹iph› (vor kofiph w’t < verkoufen, MüRB, 11r,23; evtl. als Verschreibung zu ‹ith› zu werten, s. Anm. 5), ‹est› (gevbe‫܅‬t ha‫܅‬t, Baum, 20v,21; da wart ecclesia erlo‫܅‬e‫܅‬t, TrHL, 102r,20) und ‹ist› (Gemichi‫܅‬t, Lupo, 228vb,27; 2,089); ‹iet› (hie bin och ich veririet, Tris, 98ra,37; 19020: vermutlich ursprünglich Vertauschung von i und r, denn Stammvokal i ist erst nachträglich ergänzt worden); ‹ten› (geredten haben, PrMi, 25v,7f). Lit.: Dal (1956); Frnhd.Gr., § M 87; Gr.d.Frnhd.IV, § 83.1; Paul, Mhd.Gr., § E 40, L 53, L 57, S 34.3; Weinhold Bair.Gr., § 317; Weinhold Mhd.Gr., § 405.

2.2.3.3. 1. Singular Indikativ Präsens und 1./ ​3. Singular Konjunktiv Präsens (1) Allgemeines V 43

Die 1.Sg.Ind.Präs. und der Konj. der 1. und 3.Sg.Präs. enden regelmäßig auf -e (ich/ ​ ęr bite, mache), die Endung unterliegt z. T. der Apokope (ausführlicher zur Apokope in den einzelnen paradigmatischen Positionen s. u.). Konsonantische Endung (dez biden ich, SalH, 32,4; ich beuelhen dir, VatG, 112r,9) kommt im Ind. der 1.Sg.Präs. (im Konj. nur vereinzelt) im Md., insbes. im Mfrk., vor, in anderen Landschaften ist diese Endung marginal (relative Verteilung s. Abb. V 5). Das Auftreten der endungslosen Form (-ø) ist in der 1.Sg.Ind.Präs. z. T. lautlich geregelt, z. T. abhängig von der Verbklasse: Die st. Verben weisen mit gut 30% (360 v. 1193 B.) einen erheblich höheren Anteil auf als die sw. Verben (gut 19%, 284 v. 1477 B.); bei den st. Verben mit Wechselflexion e–i (st. Verben IIIb, IV, V, bspw. węrden – ich wird(e)) ist der Anteil der Belege mit -ø noch höher (35%, 171 v. 469 B.) Im Konj. (1./ ​3.Sg.Präs.) sind endungslose Formen erheblich seltener als im Ind. (in der 3.Sg. unter 14%: 487 v. 3493 B., in der 1.Sg. unter 9%, 11 v. 129 B.), hier können im Gegensatz zum Ind. keine Unterschiede zwischen den st. und sw. Verben ausgemacht werden. Zu Enklise mit Pronomen (lebich, RWh, 53va,35; 7052) s. a. § V 32, Anm. 2.

745

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

(2) 1. Singular Indikativ Präsens

-(e) ~ -en

V 44

Belegt sind: -e

obd., omd. und ofrk. regelmäßig, seltener wmd.



diachron zunehmend, häufig bair., alem.-bair. u. ofrk., selten wmd.

-en

wmd., insbes. frk. (Will) u. mfrk., obd. u. omd. vereinzelt, ofrk. nie

‹e›, ‹o›, ‹i›, ‹a›

‹en›, ‹on›, ‹n›, ‹in›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Synkope des Endungsvokals s. § V 33 u. Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Die 1.Sg.Ind.Präs. endet überall außer wmd. ab 113 regelmäßig auf -e (ich bite, mache). Die Endung -e unterliegt abhängig von mehreren Faktoren der Apokope (ich bit). Im Wmd., insbes. im Mfrk., erscheint das Flexiv -en, das in anderen Landschaften nur selten belegt ist. obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

77

omd.

wmd.

bair.

ofrk.

²12,  ¹13 hess.-thür.

92

95



100

91

67

84



95

213

78

25

46



93

81

93

114

75

45

33

60

96

92

87

211/ ​112

93

212 113

72

rhfrk.hess.

mfrk.

– 93 95

Abb. V 5: Anteil von -e in der 1.Sg.Ind.Präs. (gerundet in %)

Der Ausfall des Endungs-e ist überwiegend regional bedingt: Apokope ist insbes. ab 113 häufiger, anfangs überwiegend im Alem. (212), dann sehr häufig im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum. Im Md. ist der Anteil der Apokope immer sehr gering, im Ofrk. liegt er bei etwa 40%. Teilweise kann der e-Ausfall auch klassen- und lexemspezifisch vorkommen: So unterliegen die st. Verben allgemein stärker der Apokope als die sw. Verben, besonders hoch ist der Anteil mit e-Ausfall bei den st. Verben mit Wechselflexion i–e (knapp 35%), demgegenüber ist -e im Konj. funktional gestützt (e-Abfall nur ca. 14%, s. § V 45). Verben auf Liquid weisen ebenfalls häufiger Apokope auf als andere Verben. Teilweise ist die Tilgung des -e vom Anlaut des Folgewortes abhängig: Vor folgendem Vokal fehlt e häufiger als vor Konsonant (s. Anm. 1). Anm. 1:  Neben der regionalen Bindung scheint Apokope zudem an die Textform und das Folgewort gebunden: Apokope kann in Verstexten (ca. 25% aller Versbelege) etwas häufiger als in Prosatexten und Urkunden (ca. 20% aller Prosa-/ ​Urkundenbelege) belegt werden.

746

VII. Verben

Hinzu kommen endungslose Versbelege (74x), die im Reim stehen, in Einzelfällen kann das endungslose Verb auf ein Wort mit auslautendem e reimen, bspw. gedenk  : krenke (Hartw, 21r,10; M 505f), erwerb  : ersterbe (Hartw, 23v,25; M 795f). Vor vokalischem Anlaut erfolgt die Tilgung des auslautenden e häufiger (67,2%) als vor konsonantischem Anlaut (32,8%). Wenn das Folgewort vokalisch anlautet, handelt es sich häufig um ein Personalpronomen (gib ich): In 78,5% aller Apokope-Fälle vor Vokal handelt es sich bei dem Folgewort um ein Personalpronomen. Bei konsonantischem Anlaut handelt es sich nur in 27,7% um ein Pronomen. Folgt ein vokalisch anlautendes Pronomen, wird der Endungsvokal selten erhalten (Verse: 10,4%; Prosa: 21,5%). Zu Apokope vgl. Herbers (2011).

Die Endung -en (ich gęben, ich sagen) hat einen Anteil von unter 15% am Gesamt aller Belege; es liegt eine regionale Verteilung vor: -en erscheint regelmäßig im Wmd. (knapp 57% der wmd. Belege enden auf -en, 236 v. 416 B.). Im Wmd. kann zudem ein Unterschied zwischen den mfrk. und rhfrk.-hess. Hss. aufgezeigt werden: Im Mfrk. ist konsonantische Endung in fast allen zugeordneten Hss. dominant (insges. 136x -en vs. 70x -(e), vgl. auch Th. Klein 2000b, 27), im Rhfrk.-Hess. kommt -en in allen Hss. vor, aber meist seltener als -(e), Dominanz von -en ist textspezifisch, so in ArnM (212, 8x -en vs. 2x -e), VatG (113, 14x -en vs. 0x -e), SalH (213, 16x -en vs. 5x -e) und PrRei (27x -en vs. 13x -e). Im Obd. ist -en selten, bis auf einen Beleg kommt diese Endung nur bei sw. Verben vor (bspw. ich gelaub vࠁ beten an, Hartw, 21r,12; M 509). Die rezente ‚Eifler Regel‘ (oder ‚n-Regel‘), nach der Endung auf -n vom Anlaut des Folgewortes abhängt (-n bleibt vor Vokal, Dental oder h, in allen anderen Fällen wird es getilgt), kann im Mhd. nicht erwiesen werden (zur ‚Eifler Regel‘ vgl. Wiesinger 1983, 848, 857; Gilles 2006). Ursprünglich war die Verwendung von -en (ahd. ~ -ōn ~ -ēn) nicht dialektspezifisch, sondern gebunden an die Klassen II und III der sw. Verben (vgl. Ahd.Gr.I, § 305 und Anm. 4; Franck 1971, § 199; Paul, Dt.Gr.II, § 193). Teilweise wurde diese Endung analogisch auf die st. Verben und die Klasse I der sw. Verben übertragen. Im Grammatik-Korpus ist die Gültigkeit dieser Regelung z. T. noch in 211/ ​112 erkennbar, so in WNot, hier stammen alle Belege mit konsonantischer Endung von sw. Verben der Klassen II und III. In Will hingegen kann die 1.Sg.Ind.Präs. in allen Verbklassen auf -n enden, hier scheint die analogische Übertragung bereits geschehen zu sein. Anm. 2:  Teilweise sind kontrahierte Formen mit -n belegt (‫܅‬in < sęhen, RhMl, 62,15; 2347; drayn < tragen, Göll, 2ra,4; A 178); diese Belege werden gesondert diskutiert (s. § V 220ff). Kontrahierte Formen sind bis auf zwei Ausnahmen im Wmd. nachgewiesen, meistens e stammen sie von sęhen ab, singulär sind kontrahierte Formen zu bejęhen (begın, BuMi, v 81 ,5) und tragen (s. o.). Aus dem Alem. stammen zwei kontrahierte Belege (lan < lāȥen, Mart, 1ra,18; 1,12; ‫܅‬ien < sęhen, Flor, 1a,4; 4976). Das swv. sagen weist singulär Kontraktion in PrRei auf: dit meinde er als ich vch ‫܅‬en, 168b,41; vgl. dazu Lenz-Kemper (2005, 343). Lit.: Ahd.Gr.I, § 305 u. Anm. 4; Franck (1971, § 199); Gilles (2006); Th. Klein (2000b, 27); Lenz-Kemper (2005, 343); Paul, Dt.Gr.II, § 193; Paul, Mhd.Gr., § L 53, L 57; Wiesinger (1983, 848 u. 857).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

747

(3) 1./ ​3. Singular Konjunktiv Präsens

-(e)

V 45

Belegt sind: -e

überall regelmäßig



selten, meist ab 213 bair. und alem.-bair. Übergangsraum

‹e›, ‹o›, ‹i›, ‹a›, ‹æ›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57.

Die 1./ ​3.Sg.Konj.Präs. endet regelmäßig auf -e; Apokope ist möglich, der Anteil ist jedoch geringer als im Ind. der 1.Sg., er liegt im Konj. bei etwa 14% am Gesamt der Belege (497 v. 3614  Belegen; so auch Lindgren 1953, 194). Tilgung des -e erscheint überwiegend regional gebunden und kommt ab 213 insbes. im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum vor, bis 213 ist Apokope nur sehr selten belegt. Beeinflussung durch den Anlaut des folgenden Wortes oder durch ein direkt folgendes vokalisch anlautendes Pronomen wie im Ind. kann im Konj. nicht nachgewiesen werden: Apokope erscheint etwas häufiger vor konsonantischem Anlaut (58,5%) als vor vokalischem Anlaut (41,5%). In Verstexten stehen apokopierte Belege häufig im Reim (46,7%; 78 v. 167 Versbelegen); vereinzelt auch auf -e (nere  : wer, Türh, 63va,42; 687f). Anm. 1:  Vereinzelt können bei den sw. Verben im Alem. und alem.-bair. Übergangsraum erweiterte Formen des Konj. belegt werden, häufiger kommt dies nur in ZwBR vor, hier erscheinen etwa 8% der Belege mit ‹ei› (sowie einmal ‹eih›), ‫܅‬egenei (17 v,1), volgei (7r,9). Singulär ist irchennei in TrHL (54v,4f). Darüber hinaus erscheint -ege in zwei Belegen aus PrSch (machege, 131v,10 und 131v,14). Vgl. dazu auch Weinhold, Alem.Gr., § 364 sowie § V 10, Anm. 3 u. § V 54, Anm. 1. Anm. 2:  Vereinzelt kommt in LEnt Endung auf ‹æ› vor: gelovbæ (174r,3), lebæ (177r,18). Lit.: Lindgren (1953, 194); Weinhold, Alem.Gr., § 364. 2.2.3.4. 2. Singular Indikativ/ ​Konjunktiv Präsens

-(e)st ~ -(e)s

V 46

Belegt sind: -(e)st

regelmäßig obd. und ofrk. (Ausnahme 212, bair.: ‹est›, ‹st›, ‹ist›, ‹t›, ‹ost›, 1x ‹yst› Wind); selten md., außer rhfrk.-hess., dort häufiger

-(e)s

regelmäßig md.; selten obd. (Ausnahme 212, bair.: Wind)

‹es›, ‹is›, ‹s›, ‹ez›, ‹z›, ‹s›, ‹os›, je 1x ‹iz›, ‹js›, ‹ês›, ‹ies›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Synkope des Endungsvokals s. § V 33 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Die 2.Sg.Ind.Präs. endet in zwei Dritteln aller Fälle auf -(e)st (du nimest, du lobest), sonst auf -(e)s (du nimes, du lobes). Für die meisten Hss. kann ein landschaftstypi-

748

VII. Verben

scher Textusus, der eins der beiden Flexive bevorzugt, ermittelt werden, das jeweils andere Flexiv erscheint höchstens singulär. Manche Hss. weisen in etwa gleicher Häufigkeit beide Flexive auf, das sind überwiegend Hss. aus 114, insbes. aus dem Omd., Rhfrk.-Hess. und dem alem.-bair. Übergangsraum; darüber hinaus können auch in Will (211/ ​112), Wind, TrPs (beide 212), ZwBR (113), SalH und PrSch (beide 213) beide Endungen parallel belegt werden. Die Endung -(e)st steht regelmäßig im Obd. und Ofrk. Im zeitlichen Verlauf nimmt dort die Dominanz dieser Endung weiter zu. Die Endung -(e)s ist überwiegend im Md. nachgewiesen; im Wmd. dominiert sie ab 113 und kann sich hier noch bis ins 16. Jh. halten (vgl. Frnhd.Gr., § M 92 sowie Weinhold, Mhd.Gr., § 368: im Kölnischen noch im 15. Jh. Belege für -es). Im Rhfrk.-Hess. und im Omd. können in 114 alle Hss. mit schwankendem Gebrauch belegt werden. Anm. 1:  Vom oben dargestellten Befund gibt es zwei Abweichungen: 1. Im Bair. in 212 ist eine hohe Anzahl von Belegen mit -(e)s vorhanden. Diese stammen überwiegend aus Wind, hier können beide Endungsvarianten belegt werden, -(e)s ist zahlreicher. 2. Im Wmd. in 212 kann eine hohe Belegung von -(e)st ermittelt werden: Die Belege stammen ausschließlich aus der rhfrk. Hs. TrPs. Das Rhfrk.-Hess. zeigt allgemein eine unentschiedene Verwendung von -(e)s und -(e)st in allen Handschriften, insgesamt liegt der Anteil von -(e)s im Rhfrk.Hess. bei ca. zwei Dritteln aller Belege.

Ind. und Konj. sind in der 2.Sg.Präs. ausdrucksseitig nicht unterschieden. Die Verwendung von -(e)st und -(e)s bei den syntaktisch eindeutig bestimmbaren Konj.Belegen weist eine vergleichbare Distribution wie im Ind. auf. Der Umlaut in der Stammsilbe hat keinen erkennbaren Einfluss auf die Wahl des Flexivs sowie auf Tilgung oder Vorhandensein des vokalischen Elements der Flexive. Zur Synkope s. § V 33. Das Flexiv -es ist die ältere Endung, im Ahd. ist -is (-ēs, -ōs) regelmäßig, ab dem 9. Jh. wird zunächst im Frk., später auch im (Ahd.-)Obd. die Endung -est üblich (-ist ~ -ēst ~ -ōst); möglicherweise ist der Dental durch falsche Auflösung von Formen mit enklitischem Pronomen auf das Flexiv übertragen worden oder durch Anlehnung an die Prät.-Präs. entstanden (vgl. Ahd.Gr.I, § 306, Anm. 5, zur Diskussion der möglichen Gründe für das Anfügen des Dentals vgl. Paraschkewow 2003); -es bleibt im Frk.-Md. weiterhin die regelmäßige Endung (vgl. Ahd.Gr.I, § 306b). Im Mhd. setzt sich diese Entwicklung fort: Der Anteil von -est verdrängt insbes. im Obd. und Omd. immer stärker das Flexiv -es, im Mfrk. bleibt -es dominant. Diese landschaftliche Verteilung bleibt z. T. noch im Frnhd. erhalten, das Flexiv ohne Dental kann im Omd. bis zum 14./ ​15. Jh. und insbes. im Wmd. bis in das 16. Jh. belegt werden (vgl. Frnhd.Gr., § M 92.2.). Anm. 2:  Belege mit enklitischem Pronomen (Ge‫܅‬chêide‫܅‬tv, Iw, 12r,23; 597; kvmi‫܅‬tv, RWchr, 233vb,24; 31875) erscheinen im Grammatik-Korpus erst ab 113 (Ausnahme zwei singuläre Belegungen in 212 in WMEv). Enklise tritt häufig auf bei vinden und węrden sowie textspezifisch in SalH (213, rhfrk.-hess.) und BeEv (114, omd.). Während im Ahd. Formen mit enklitischem Pronomen belegt sind (vgl. Ahd.Gr.I, § 306, Anm. 5) und diese als Grund für die Entstehung der Endung -est angeführt werden (s. o.), sind enklitische Verbindungen im Mhd. bis 213 nur vereinzelt bei den Prät.-Präs. nachzuweisen (‫܅‬holtu, RPaul, 1r,10; 32; chan‫܅‬tu

749

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

< kunnen, Kchr, 38rb,34f; 8832; zur 2.Sg.Präs. der Prät.-Präs. s. § V 179). Häufig (ein Fünftel aller Belege) folgt das Pronomen du, ohne mit dem vorhergehenden Verb enklitisch verbunden zu sein: In diesen Fällen folgt die Flexivendung der allgemeinen landschaftlichen Verteilung, das Pronomen hat keinen Einfluss auf Endung mit oder ohne t. Während im Frnhd. ein Zusammenhang zwischen Belegen mit enklitischem Pronomen und Vokalausfall hergestellt werden kann (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 57.1), begünstigt im Mhd. die enklitische Verbindung von Verb und Pronomen das vokallose Flexiv nicht signifikant, nur ca. 23% der Belege mit enklitischem Pronomen erscheinen vokallos. Zur Synkope s. § V 33 u. vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 53. Anm. 3:  In einigen Fällen ist überwiegend bei Verben auf Liquid oder Nasal der Vokal der Endung synkopiert. Bei hai‫܅‬t (< hėiȥen, GnaÜ, 109,11) handelt es sich möglicherweise um Verschmelzung und zeitgleiche Synkope von e. Lediglich zwei Belege zeigen neben dem Vokalausfall auch eine Tilgung des s: blift (Taul, 5r,12), daz du ‫܅‬precht (GnaÜ, 37,3). Anm. 4:  Die singuläre Endung auf ‹e› in HLit (212, bair.) steht möglicherweise aus Reimgründen: ‫܅‬itte  : inbitte (< enbîtest, 81v,11f; 307f). Die Endung fehlt in wærd (BKön, 7ra,26). Als Verschreibungen gewertet sind ‫܅‬paret du (WNot, 34rb,22) sowie behal‫܅‬tet (TrHL, 102v,3). Lit.: Ahd.Gr.I, § 306, Anm. 5, § 306b; Frnhd.Gr., § M 92; Gr.d.Frnhd.IV, § 57.1; Paraschkewow (2003); Paul, Mhd.Gr., § L 53, L 57; Weinhold, Mhd.Gr., § 368.

2.2.3.5. Imperativ Singular (1) Überblick

Der Sg.Imp. zeigt eine überwiegend klassenspezifische Verteilung, die zunächst keine signifikante diatopische Bindung aufweist: Die sw. Verben bilden den Sg.Imp. regelmäßig auf -e, die st. Verben mit Ausnahme der ehem. j-Präsentien regelmäßig endungslos (s. u.). Allerdings zeigt sich im Verlaufe des Mhd., dass die klassenspezifische Differenzierung im Obd. und Ofrk. zunehmend aufgegeben wird (z. T. bereits in 113, insbes. in 114): Obd. und ofrk. flektieren die st. Verben auch mit -e, die sw. Verben auch endungslos. obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

alem.bair.

211/ ​112

omd. bair.

ofrk.

²12, ¹13 hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

st. 4 sw. 100

212

mfrk.



5

100

11

83

16

96



0

100

 7  98

26

94

31

29

17

74



8

96

 3  100

213

9

83

3

46

10

58

17

100

2

97

2

100

114

31

75

5

50

31

47

10

84

0

96

8

98

113

3

92

– 24

56

Abb. V 6: Anteil von -e in der 2.Sg.Imp. der starken (linke Zahl) und schwachen Verben (rechte Zahl) (gerundet in %)

V 47

750

VII. Verben

Im Ahd. wird die 2.Sg.Imp. stets klassenspezifisch gebildet: Die st. Verben sind endungslos, die sw. Verben und die ehem. j-Präsentien der st. Verben gehen vokalisch aus (vgl. Ahd.Gr.I, § 312); endungslose Formen bei den sw. Verben stehen häufig vor anlautendem Vokal (s. § V 49). Im frühen Mhd. ist die Klassenspaltung gewahrt; ab 213 kann insbes. im Obd. ein Ausgleich beobachtet werden: Die st. Verben enden zunehmend auf -e, die sw. Verben zunehmend endungslos. Im Frnhd. setzt sich diese Entwicklung fort: Noch im 14./ ​15. Jh. sind die st. Verben überwiegend endungslos, gegen Ende der frnhd. Zeit liegt der Anteil von -e bereits bei der Hälfte aller Bildungen; der regionale Gegensatz zwischen Obd. und Md. bleibt bestehen (vgl. Frnhd.Gr., § M 89.3.). Anm. 1:  Vereinzelt kann Endung ‹en› (1x ‹n›) nachgewiesen werden. Bei den st. Verben stammen die Belege ausschließlich aus der wmd. Hs. TrPs (212: behalden du, 43v,4f u. 44r,14); bei den sw. Verben aus dem Mfrk. ab 213 ( Jn gelouen di‫܅‬en worden niet, PLilie, o o 24r,14; ‫܅‬o kneyn vur dat getruwe h’ze, Taul, 173r,5) sowie singulär aus dem alem.-bair. Übergangsraum in 114 (darumb leren du, Baum, 109v,4). Anm. 2:  Zur ‚Verstärkung‘ des Imperativs kann ein -ā-Suffix angehängt sein, bspw. ‫܅‬winc o a ‫܅‬winck wye vurich ougen blicke (Göll, 4va,15f; C 103f < swingen) (vgl. MWB 1, s. v. -â), typisch ist diesen Konstruktionen die Wiederholung des jeweiligen Verbs. Während im MWB die Interjektion ā und das Suffix -ā in zwei Ansätzen voneinander geschieden werden, ist im Grammatik-Korpus nicht immer eindeutig, ob ein Suffix oder noch Reste der Interjektion ā vorliegen; insbesondere die Fälle, in denen ein Spatium vorhanden ist, sind nicht o o entscheidbar (vgl. Hye zu vrunde drinc a drinc, Göll, 3rb,3; B 77 < dringen, aber hola vuter ra hola hol, HTri, 106 ,2; 586 < holn). Die meisten Belege stammen aus den md. Hss. Göll und HTri, in anderen Texten ist diese Besonderheit nur vereinzelt nachweisbar (Pass, RWh, Lieht). Dieses Verstärkungssuffix kann selten auch in Verbindung mit anderen Wortarten auftreten: Man hort da niht wan chracha chrach (Lieht, 108rb,26; 1547,5) oder er rief vil lvte her a her (RWh, 6vb,29; 780). Lit.: Ahd.Gr.I, § 312; Frnhd.Gr., §M 89.3; MWB 1.

(2) Starke Verben V 48

-ø ~ -e Belegt sind: -ø

überall dominant

-e

überall selten, diachron leichte Zunahme: ab 213 ‹e›, ‹i› häufiger obd.

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57.

Der Imp. der st. Verben ist regelmäßig endungslos (ergip, hilf), Abweichungen sind überwiegend klassenspezifisch bedingt: Die ehem. j-Präsentien enden überwiegend auf -e (bite; 38 v. 55  Belegen) und stimmen hier mit den sw. Verben überein. En-

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

751

dungslosigkeit kommt in dieser Verbgruppe ab 113 vereinzelt und ab 213 häufiger vor. Im Md. ist Endungslosigkeit bei den ehem. j-Präsentien äußerst selten, im Obd. wird ihr Anteil deutlich größer (vgl. dazu auch Weinhold, Alem.Gr., § 349; Weinhold, Bair. Gr., § 287). Als weitere klassenspezifische Besonderheit weisen Verben der Klasse VI häufiger Endung -e auf (ca. 30% aller Belege dieser Klasse ohne ehem. j-Präsentien, s. Anm. 3; vgl. dazu auch Weinhold, Mhd.Gr., § 371), paralleles Vorkommen beider Flexive ist möglich, bspw. vࠁ twahe daz hovbet da mit, Bart, 7ra,16f  – vࠁ twah daz hovbet da mit, Bart, 4rb,2. Allgemein geht der Anteil von endungslosen Formen im Obd., insbes. im Alem., Bair. und Ofrk., zurück, in 114 liegt er in diesen Landschaften noch bei etwa zwei Dritteln. Im Md. bleibt Endungslosigkeit im gesamten Mhd. dominant, der jeweilige Anteil liegt immer hoch, bei 83–90% im Omd. und bei über 92% im Wmd. Das Flexiv -e (bite, wasche) ist bei den st. Verben erheblich seltener als Endungslosigkeit (Ausnahmen j-Präsentien und einige Verben der stv. VI) (178x -e : 1665x -ø). Die Nutzung des Flexivs ist außerdem z. T. landschaftlich gebunden: Im Bair. und Ofrk. kommt -e häufiger vor als in anderen Landschaften. Der Befund für das Bair. ist auffällig, da er der allgemeinen Apokope-Tendenz in diesem Raum zuwiderläuft, er kann somit als Ausgleich der Klassenspaltung interpretiert werden (s. § V 34; zur e-Epithese im Frnhd. vgl. Imsiepen 1983). Anm. 1:  Der Gebrauch von -e bedingt durch Metrik und Reim in Verstexten ist möglich, scheint aber nicht signifikant durch diese verursacht (so auch Weinhold, Mhd.Gr., § 371). Im Grammatik-Korpus steht das Flexiv -e dreimal so häufig in Prosatexten wie in Verstexten (ohne Berücksichtigung ehem. j-Präsentien). Anm. 2:  Bei den st. Verben kann ausschließlich in Taul (mfrk., 114) Endung ‹t› erscheinen (3x): vnd blift by dir ‫܅‬eluer (< belīben, 5r,12f), ‫܅‬o lai‫܅‬t dich in ‫܅‬yne barmh’zicht (< lāȥen, 175r,16f), Svnder ‫܅‬pricht eyn wort vࠁ mine ‫܅‬ele w’t ge‫܅‬vnt (< spręchen, 176r,7f). Vom Editor Corin wird diese Endung -t durch Klammerung als verzichtbar gekennzeichnet (vgl. Corin 1924, 321). Möglicherweise handelt es sich um angehängtes, gekürztes Pronomen du (s. § V 49, Anm. 2; zur Nachstellung von Pronomen im Imp. vgl. Paul, Mhd.Gr., § S 110); es könnte sich auch um hyperkorrektes -t handeln (vgl. A. Bach 1930, 85). Anm. 3:  Bei einigen Verben mit Stammvokal a im Infinitiv (stv. VI) kann häufiger Flexiv -e auftreten (vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 371), zahlreich ist dies insbes. bei waschen der o Fall (nu wa‫܅‬che mich, HLit, 77 v,8; 200; vࠁ wa‫܅‬che dࠇne daz chrv t, Bart, 4ra,11); für dieses Verb kann eine Nebenform im Inf. mit Stammvokal e belegt werden (s. § V 148, Anm. 7), damit besteht eine ausdrucksseitige Übereinstimmung mit den ehem. j-Präsentien, die im Sg.Imp. mehrheitlich mit -e gebildet werden. Als lexematische Besonderheit endet schėiden (stv. VII) in der Hälfte der Imp.-Belege auf -e, möglicherweise ist dies darin begründet, dass schėiden stark und schwach gebildet werden kann (s. § V 174, vgl. auch Lexer, s. v.). Anm. 4:  Zwei Belege des ehem. j-Präsens siƶƶen enden auf ‹i›: ‫܅‬izzi (Kchr, 3ra,32f; 548); ‫܅‬itzi du (HTri, 105ra,16f; 388). Lit.: A. Bach (1930, 85); Corin (1924, 321); Imsiepen (1983); Paul, Mhd.Gr., § L 57, L 68, S 110; Weinhold, Alem.Gr., § 349; Weinhold, Bair.Gr., § 287; Weinhold, Mhd.Gr., § 371.

752

VII. Verben

(3) Schwache Verben V 49

-(e) Belegt sind: -e

md. regelmäßig; obd. zunehmend rückläufig, insbes. bair. u. alem.-bair.



häufig alem.-bair. Übergangsraum und ofrk. sowie bair. ab 113, alem. erst ab 213 häufiger, md. immer selten

‹e›, ‹i›, ‹a›, ‹o›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Apokope s.  § V 33 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Der Imp. der sw. Verben endet im Mhd. regelmäßig auf -e (erhore, hėile; über 80% aller Belege). Ab 113 kommt mit zunehmender Häufigkeit Endungslosigkeit vor (vrag, lėrn; vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 398, Weinhold, Bair.Gr., § 310), bis 213 ist Apokope nur vereinzelt oder selten belegt. Es liegt überwiegend regionale Bindung vor: Apokope erscheint häufig im alem.-bair. Übergangsraum ab 212 (ansteigend von 16% in 212 auf 50% in 114) und im Ofrk. (nur 114: 44%) sowie im Bair. ab 113 (ein Viertel in 113 bis über 50% in 114). Weniger häufig ist Apokope im Alem. belegt (häufiger erst ab 213: 17,5%, 114: 25%), selten im Omd. (insges. 13  Belege = 10,9%) und nur vereinzelt im Wmd. (insges. 10  Belege = 2%). Auch im Frnhd. kann Endungslosigkeit überwiegend im Obd. nachgewiesen werden, es zeigt sich ein von Osten nach Westen abnehmender Gebrauch (Frnhd.Gr., § M 89). Anm. 1:  Eine Bindung der Apokope an die lautliche Umgebung ist nicht signifikant: Während in anderen paradigmatischen Positionen (s. etwa 1./ ​3.Sg.Prät. der sw. Verben, § V 59, Anm. 1) eine deutliche Abhängigkeit der Endungslosigkeit von dem vokalischen Anlaut des Folgewortes besteht, erscheint in der 2.Sg.Imp. der sw. Verben Apokope häufiger vor konsonantischem Anlaut (67,9%); dies gilt sowohl für Prosatexte/ ​Urkunden (70,6% ApokopeBelege vor Konsonant) als auch für Verstexte (63,2% Apokope-Belege vor Konsonant). Diese Relationen sind denen bei Endung auf -e vergleichbar. Eine Bindung an den Stammausgang des Verbs wie im Nhd. (vgl. Duden-Grammatik, § 609) kann nur für Verben auf -l nachgewiesen werden: Bei 42,6% aller Verben auf -l liegt Apokope vor, diese Quote liegt somit deutlich höher als der allgemeine Durchschnitt (18,2%) in dieser Position. Anm. 2:  Als lexematische Eigenheit sind Formen auf ‹ide› ~ ‹ede› bei erbarmen zu werten; diese kommen in zwei geistlichen Texten in 212 (obd.) vor: er barmide dih un‫܅‬er (WMEv, 29,3); ‫܅‬un dauide‫ ܅‬irbarmide dih min (WMEv, 71,1); Erbarmede dich min herro (Wind, 13v,11a) und sind vermutlich als Zusammenschreibungen mit nachgestelltem Pronomen du zu werten (so auch Suolahti 1930, 42 u. Ganz 1962, 196). Vergleichbar ist dies in der 2.Sg.Präs.  – wenn auch nicht in reflexiver Verwendung – zu belegen: chomide statt chomi du (< komen: vrivnt wie chomide da her in ane brutlich gewant, WMEv, 11,9); auch hier ist Zusammenziehung von Verb und Pronomen sowie Abschwächung des Vokals vorhanden (zu abgeschwächten Pronomina in enklitischer Stellung vgl. auch Ahd.Gr.I, § 41, Anm. 1; zur Nachstellung von Pronomen im Imp. vgl. auch Paul, Mhd.Gr., § S 110). Die Annahme von Kriedte (1930, 29), dass es sich in den genannten Fällen in WMEv um eine „sonst nicht

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

753

belegte Bildung nach erbermde“ handelt, ist unwahrscheinlich; Rückbildungen auf -ide sind im Ahd. zwar mehrfach vorhanden, bspw. lustidōn zu lustida, *erbermidōn kann lexikographisch jedoch nicht nachgewiesen werden. Anm. 3:  Vereinzelt erscheint Endung ‹en› ~ ‹n›, zwei Belege stammen aus dem Mfrk.: ‫܅‬o o o kneyn vur dat getruwe h’ze (Taul, 173r,5f); Jn gelouen di‫܅‬en worden niet (PLilie, 24r,13f); ein Beleg aus dem Bair.: darumb leren du (Baum, 109v,4). Lit.: Ahd.Gr.I, § 41, Anm. 1; Duden-Grammatik, § 609; Frnhd.Gr., § M 89; Ganz (1962, 196); Kriedte (1930, 29); Paul, Mhd.Gr., § L 53, L 57, S 110; Suolahti (1930, 42); Weinhold, Bair.Gr., § 310; Weinhold, Mhd.Gr., § 398. 2.2.3.6. 3. Singular Indikativ Präsens

-(e)t

V 50

Belegt sind: -(e)t

‹et›, ‹t›, ‹it›, ‹ut›, ‹d›, je 1x ‹te›, ‹eit›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Synkope des Endungsvokals s. § V 33 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Die Endung der 3.Sg.Ind.Präs. der st. und sw. Verben lautet regelmäßig -(e)t (ęr bindet, singet, brėnnet, vlēht); kontrahierte Formen haben -t (ca. 12% aller Belege; entfeit < enpfāhet; erlat < erlāȥet; leit < lėget; seit < saget; zu kontrahierten Formen s. § V 220ff). In wenigen Fällen kommen auch Flexionsformen mit ‹e› ~ ‹ent› und -ø vor, die aufgrund ihrer Seltenheit (ihr Anteil am Gesamt aller Bildungen liegt jeweils unter 1%) nicht als variante Flexive gelten können (zu den einzelnen Formen s. Anm. 2–4).

In der Regel erscheint das Flexiv mit vokalischem Bestandteil; bei den sw. Verben sind etwa 80% aller Belege mit vokalischem Flexiv nachweisbar, bei den st. Verben etwa 50%. Die Verwendung des vokallosen Flexivs nimmt im Verlauf des Mhd. zu, der Ausfall des e wird zunehmend durch die lautliche Umgebung bedingt. Synkope des e erscheint bei den st. Verben unabhängig von einem Vokalwechsel in der Stammsilbe. Bei einigen Verben auf Dental sind Stammausgang und Flexiv miteinander verschmolzen (wirt, gilt). Hier kann nicht eindeutig entschieden werden, ob -t Stammausgang und das Flexiv somit -ø ist oder ob das Flexiv -t vorliegt (s. Anm. 1 u. 2). Anm. 1:  Bei den st. Verben liegt Ekthlipsis bei einem knappen Fünftel aller Belege vor. Es handelt sich hierbei überwiegend um Belege von węrden (knapp 84% dieser Fälle; wirt, PrMi, 15r,25) sowie einiger anderer Lexeme auf d oder t (hie bit er got, Wins, 65ra,21; a65; in des gewalt er is vint, Rupr, 67,19). Bis 212 ist nur węrden betroffen, ab 113 zeigen zunehmend auch andere Verben diesen Konsonantenzusammenfall auf. Bei den sw. Verben betrifft das o Phänomen insgesamt nur ca. 1% aller Belege (div da plv t, Bart, 10rb,15; ‫܅‬i git ‫܅‬vzze zaher vࠁ i v [...] bet, Baum, 179 ,12; D’ name tut [= ‚bedeutet‘] ein tube, Mart, 6ra,19; 6,19). Zu wird/ ​wirt vgl. auch G. Bech (1969, 114ff). Nicht eindeutig sind vergleichbare Belege von quęden (quit, PrRei, 15a,25), die auch als Kontraktion gewertet werden können, s. § 120, Anm. 1.

754

VII. Verben

Anm. 2:  Endungslosigkeit (-ø) kommt sehr selten vor (< 1%, 62 v. 14822 Belegen). Es handelt sich häufig um unsichere Belege (Verschmelzung mit dem folgenden Wort: damit bedûter die chraft, Mar, 82r,2; 4637 oder Verschreibung: noch wenich niht von cheiner ‫܅‬cham, Baum, 179r,17: Verschreibung für wenchit ‚wankt, weicht‘). In den meisten Fällen, in denen nicht von Verschreibung auszugehen ist, erscheint Endungslosigkeit text- und lexemgebunden: knapp zwei Drittel aller Belege stammen aus ZwBR (113, alem.-bair. Übergangsraum), hier kommen Belege von spręchen (vࠅ dem ‫܅‬prih ‫܅‬ant Paul, ZwBR, 14r,1), von węrden und singulär von vāhen vor (s. § V 41, Anm. 1: Auch im Part.Prät. kann spręchen in ZwBR endungslos erscheinen); Formen ohne Dental sind hier nicht ausschließlich, spricht und wirt sind parallel ebenfalls belegt. węrden erscheint zudem ohne stammauslautenden Dental (D’ bruod’. d’ [...] wirgi‫܅‬ant, ‚Der Bruder, der wird gesandt‘, ZwBR, 44r,13f) und steht ausschließlich in direkter Kontaktstellung mit dem folgenden Wort. Auch in anderen Hss. wird węrden endungslos gebraucht (knapp 44% aller Belege stammen von węrden), sämtliche Belege erscheinen ohne stammauslautenden Dental (daz dir di‫܅‬e kvnheit bewi‫܅‬et wir an drin dingen, SalH, 436,32). Neben spręchen und węrden stehen nur vereinzelt Lexeme ohne Endung in der 3.Sg.Ind.Präs.; Endungslosigkeit folgt hier auf s, m und ch (Der heilige gei‫܅‬t ‫܅‬prach er der kom ubir dich, Hoff, 32v,18). Anm. 3:  Selten (19x) kann Endung ‹ent› nachgewiesen werden (man vindent ‫܅‬i, Parz, v 281b,18; 804,18; Gei‫܅‬tlich liebe minnࠀt nıwan, DvATr, 27 v,13f). Die meisten Belege stammen aus dem Obd., vereinzelt aus dem Md. (vindent, OxBR, 13v,21). Anm. 4:  Vereinzelt (14x) sind obd. Belege mit ‹e› nachweisbar, die nicht eindeutig als Konj. interpretierbar sind (hie bitte er got, Wins, 65rb,33; a72; daz er gebivte ࠈ wil, Mar, 46v,6; 2656f; warvmb frage‫܅‬t dv waz ‫܅‬i chlage, MMag,17 v,9f; 600). Zum Konj. s. § V 45 u. § V 14. Anm. 5:  Vereinzelt (5x) kann ‹en› belegt werden (er [...] biten vn‫܅‬, PrPa, 145,18; dem da gote‫ ܅‬lob angeligen, Baum, 17 v,8f; der bivten vns, Parz,13b,4; 31,22). Bei Weinhold, Mhd.Gr., § 402 und in Gr.d.Frnhd.IV, § 66, Anm. 3 wird diese Endung vereinzelt für die 3.Sg.Ind. Prät. nachgewiesen. Anm. 6:  Als Verschreibungen gewertet sind die singulären Endungen ‹er› (z. B. Er ‫܅‬pricher, SalH, 425,21; daz tuter heilant < dǖten, Hoff, 10r,1 < evtl. daz tut der hėilant?), ‹ik› (der vyndik ‫܅‬y, BeEv, 120r,11), ‹æ› (ich vvez er die not liedæ, LEnt, 172v,5; 13,19), ‹eit› (ei‫܅‬cheit, Baum, 19r,6), ‹te› (der rvfte vࠁ ‫܅‬inget, PrPa, 149,12), ‹ilt› (So billilt man die ‫܅‬teine […] der obir‫܅‬te ‫܅‬teinmetze der billilt ‫܅‬ine ‫܅‬teine, PrMK, 6v,48f) und ‹n› (al‫ ܅‬vil ‫܅‬o ‫܅‬ich ein iegelich ࠃ‫܅‬ch m’ lvtern, DvATr, 91v,1). Lit.: G. Bech (1969, 114ff); Gr.d.Frnhd.IV, § 66, Anm. 3; Paul, Mhd.Gr., § L 57; Weinhold, Mhd.Gr., § 402. 2.2.3.7. Plural Präsens/ ​Imperativ Plural

(1) Allgemeines V 51

Die Flexion des Pl.Präs. erfolgt i. d. R. mit den Endungen -en, -(e)t, -ent ~ -en und ist somit nur in der 3.Pl. z. T. vom Nhd. geschieden. Im Alem. ist eine für alle drei Personen einheitliche Pluralform -ent möglich; dabei ist -ent in der 1.Pl. auch im Alem. erheblich seltener als in der 2. u. 3.Pl. Im Plural sind Ind. und Konj. in der

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

755

1.  und 2. Pers. zusammengefallen (in der 1.Pers. bereits ahd. häufig, vgl. Ahd.Gr.I, § 311), lediglich in der 3.Pl. ist teilweise eine Modusdifferenzierung vorhanden: Der Konj. wird hier fast ausschließlich mit -en gebildet, der Ind. mit -ent, später zunehmend auch mit -en (s. § V 54). Lit.: Ahd.Gr.I, § 311.

(2) 1. Plural Präsens

-en ~ -ent

V 52

Belegt sind: -en

überall regelmäßig

‹en›, ‹in›, ‹n›, ‹ࠁ›, ‹ein›, ‹on›, ‹–›, je 1x ‹eࠁ›, ‹yn›

-ent

alem. möglich

‹ent›

Zu Varianten des Endungsvokals s. § V 26–30 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 57. Zur Synkope des Endungsvokals s. § V 33 sowie Paul, Mhd.Gr., § L 53.

Die 1.Pl.Präs. endet regelmäßig auf -en (wir sęhen, wir dėnken), kontrahierte Formen gehen auf -n aus (wir lān < lāȥen; ca. 2% der Belege; zur Kontraktion s. § V 220ff). Im Alem. und singulär in anderen Landschaften ist vereinzelt auch -ent möglich (s.  Anm. 2). Steht das Verb unmittelbar vor dem Pronomen wir, kann der Nasal der Endung abfallen (bite wir, HLit, 92r,2; 587; merke wir, Renn, 156vb,26; 24014) oder seltener das Flexiv vollständig fehlen (laz wir, Diet, 100va,46; 9758; bit wir, HLit, 82r,10; 322); s. Anm. 3 sowie § V 62 zur 1.Pl.Prät. Anm. 1:  Die Endungen von Ind., Imp. und Konj. sind in der 1.Pl.Präs. überwiegend gleichlautend; die Interpretation von -ent als Indikativmarkierung wie in der 3.Pl.Präs. (s. Anm. 2 und § V 54) sowie -on und -ein als Konjunktivmarkierung (s. Anm. 4), wie in der Forschungsliteratur z. T. formuliert ist, kann am Korpusmaterial nicht verifiziert werden (so auch Weinhold, Mhd.Gr., § 397; Gr.d.Frnhd.IV, § 76, Anm. 5). Anm. 2:  Vereinzelt (5x) ist bei st. Verben im Ind. und Imp. ‹ent› belegt (Wir kࠈment dohin, Rapp, 285rb,30; 33109; Nu vernement vwir, OxBR, 1v,1); überwiegend stammen die Belege aus dem Alem. (3 Belege: TrHL, Rapp, NikP), singulär aus dem Rhfrk.-Hess. (OxBR) und dem Bair. (Mar). In allen Hss., in denen ‹ent› vorkommt, ist es eine Einzelbelegung neben mehrheitlichem ‹en›. Eindeutige Festlegung als indikativische Form ist hier nicht möglich; s. 3.Pl.Präs., § V 54. Anm. 3:  Der Anteil der Belege mit n-Abfall (oder Flexivausfall) bei nachfolgendem Pronomen wir liegt für die 1.Pl.Präs. bei knapp 10% am Gesamt aller Belege (145 v. 1831  Belegen) (so auch bei der 1.Pl.Prät.; s. § V 62, Anm. 1). Dieses Phänomen ist im gesamten Grammatik-Korpus nachgewiesen, es kann keine signifikante diachrone oder diatopische Verteilung ausgemacht werden. Die Tilgung des n oder des gesamten Flexivs ist nicht

756

VII. Verben

obligatorisch, in einigen Hss. werden bei nachgestelltem Pronomen beide Möglichkeiten verwendet (‫܅‬o uinde wir niht, Spec, 39r,12 – An der heiligin ‫܅‬chrift le‫܅‬in wir daz, Spec, 71r,2). Zum n-Abfall im Mhd. vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 369 u. 396; im Ahd. vgl. Ahd.Gr.I, § 307, Anm. 7; im Frnhd. vgl. Frnhd.Gr., § M 90, Anm. 1 u. Gr.d.Frnhd.IV, § 63.1; bei TrPs und Wind vgl. Graff 1839, 4; vgl. auch Lawson 1976, 91f, der einen vergleichbaren Prozess wie bei biste/ ​bistu (< bist du) sieht. Anm. 4:  Als textliche Besonderheit kann Endung ‹ein› gelten, diese tritt in der 1.Pl.Präs. v ausschließlich in der alem. Hs. PrZü auf (8x): bilibein (182va,19), ‫܅‬chinein (182va,6), frowein ( antwurte s. § V 59, Anm. 5; vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 54). Bei den ‚rückumlautenden‘ Verben (s.  § V 74) tritt zusätzlich zum Dentalsuffix eine Alternation des Stammvokals ein (nėnn-et, nann-te). Die mhd. Flexion eines sw. Verbs ist somit hinreichend bestimmt, wenn neben dem Inf. eine finite Prät.-Form vorliegt. Die an -t- antretenden Endungen stimmen nur im Pl.Prät. und Konj.Prät. mit denen der st. Verben überein. Da schwache Verben sekundäre Bildungen sind, konnten sie ursprünglich kein ablautendes oder reduplizierendes Vergangenheitstempus bilden. Das Vergangenheitstempus sekundärer Bildungen unterschied sich im Idg. nur durch andere Endungen (Sekundärendungen) vom Präs. Diese schwache Markierung wurde im Germ. durch eine periphrastische Neubildung, das sog. Dentalpräteritum, ersetzt (vgl. Lühr 1984, 41ff). Es ist im Germ. seit den frühesten Zeugnissen etabliert, entspricht jedoch nicht direkt einer idg. Kategorie. Es handelt sich um einen Sammelbegriff für Präteritalbildungen verschiedener verbaler Kategorien, die aufgrund der übereinstimmenden Bildung mittels Dentalsuffix zusammengefasst werden. Außer den sw. Verben bilden auch einige primäre Bildungen, Prät.-Präs. und einige einzelne Verben (z. B. wėllen), ein Dentalpräteritum (vgl. Bammesberger 1986, 68f). Das Dentalelement tritt in verschiedener Form auf: Es ist bei den sw. Verben stets germ. -d- (> ahd./ ​ mhd. -t-), bei den Prät.-Präs. sind darüber hinaus, je nach lautlicher Umgebung, germ. -t-,

V 69

776

VII. Verben

-þ- und -s- belegt, was einen gemeinsamen Ursprung aller dentalprät. Kategorien ausschließt und eine chronologische Schichtung nahelegt (vgl. Bammesberger 1986, 70f). Anm. 1:  Prät.-Präs. weisen innerhalb der sw. Dentalpräterita eine archaische Bildungsweise auf. Sie sind stets ohne Zwischenvokal gebildet und zeigen verschiedene Dentale im sw. Prät. (wis-se, mah-te, sol-de; zur Bildung s. § V 176ff), deren Ausgangspunkt nicht einheitlich *-d- (also keine Periphrase mit *dō- ‚tun‘, s. Anm. 2) sein kann. Bammesberger (1986, 74ff) geht von Analogiebildungen nach finiten Perfekt- oder Aoristformen aus. Auch einige primäre Bildungen, deren Prät. bereits germ. ohne Zwischenvokal gebildet wurde (dėnken – dāhte, dünken – dūhte, vürhten – vorhte, wirken/ ​würken – worhte, brūchen – brūhte, bringen – brāhte), schließen sich dieser Bildungsweise an (s. § V 71, Anm. 2). Sie weisen im Prät. den Suffixdental *-t- (also ebenfalls keine Paraphrase mit *dō- ‚tun‘, s. Anm. 2) und teilweise ‚Rückumlaut‘ (s.  § V 74) auf (vgl. Bammesberger 1986, 77ff). Das rezenteste System liegt bei der Präteritalbildung regulärer sw. Verben vor (vgl. Bammesberger 1986, 85ff), es kann durch Periphrase mit *dō- ‚tun‘ hinreichend erklärt werden (s.  Anm. 2). Anm. 2:  Die sprachhistorische Erklärung des Dentalprät. basiert auf zwei möglichen Deutungsversuchen: 1. Die Kompositionstheorie (oder *-d h-Theorie) sieht in -t- den Reflex des Anlauts der idg. Wurzel *d heh1- > wgerm. *dō- ‚tun‘. Das schwache Prät. ist demnach eine Periphrase mit dem Verb ‚tun‘. Dabei ist unerheblich, ob ursprünglich reduplizierende Formen des Verbs ‚tun‘ angesetzt werden (s.  § V 200), nach Schwund der Reduplikationssilbe entstand aus idg. *solpā (d he)d hōm  – germ. *salbōdōn. Der erste Bestandteil der Periphrase, der deskriptiv als Stamm in Erscheinung tritt, wurde im Lauf der Forschungsgeschichte verschieden gedeutet. Das Part.Prät., eine alte primäre Bildung auf idg. *-e‑tó- > germ. *-i‑da-, stellt nach communis opinio bei der Ausbreitung des Dentalpräteritums aufgrund der Homonymie der beiden ursprünglich verschiedenen Dentale eine Gelenkstelle dar. Die jüngste Schicht und größte Masse der schwachen Dentalpräterita lässt sich pro­ blemlos auf *dh- (germ. *d) zurückführen  – die Dentale z. B. der Prät.-Präs. sind jedoch hierdurch nicht hinreichend erklärbar oder nur dann, wenn Verbalnomina als Gelenkstelle angenommen werden. Hier setzt vor allem die Kritik der Gegner der *dh-Theorie an (s. u.). Die Endungen des sw. Prät. können dagegen durch die Kompositionstheorie gut erklärt werden. Die Kompositionstheorie wurde bereits von den Begründern der vergleichenden Sprachwissenschaft vertreten und gilt bis heute (z. T. modifiziert) als mögliche Erklärung des Dentalpräteritums (Bopp 1816 u. ö.; Grimm, Dt.Gr.I, 1819; Scherer 1868; Kluge 1879 u. ö., Loewe 1894, Sverdrup 1929; Wisniewski 1963; Mańczak 1984). Modernere Theorien gehen von einer Polygenese des schwachen Prät. aus, bei der nur ein Teil der schwachen Präterita durch die Komposition mit *dō- ‚tun‘ zu erklären ist (z. B. Birkhan 1979; Bammesberger 1986; so auch bereits Wilmanns, Dt.Gr.III.1 u. Sehrt 1961). 2. Die Anhänger der *-t-Theorie führen das Dentalsuffix auf idg. *-t- zurück, welches sie als Teil verschiedener idg. Personalendungen oder Ableitungsaffixe interpretieren. Einzelne Formen des Verbalparadigmas werden als analogischer Ausgangspunkt von t angenommen, v. a. auch das Part.Prät., wobei es dann z. T. zu Überschneidungen mit Thesen der Kompositionstheorie kommt (Begemann 1873 u. 1874; Paul 1880; Collitz 1912; Brugmann 1914; Must 1951 u. 1952; G. Bech 1963a; Hammerich 1922 u. 1964; Ball 1968; Meid 1971, 107ff; Rauch 1972; G. Schmidt 1977). Insgesamt scheint das Part.Prät. mit seinem durchgängig mit dem sw. Prät. identischen Dental ebenso bei der Entstehung des Dentalprät. eine Rolle gespielt zu haben wie das Verb ‚tun‘, mit welchem der Endungssatz des Dentalprät. auffallende Übereinstimmungen aufweist. Bei einem Erklärungsansatz des sw. Prät., der von verschiedenen Bildungsweisen schwacher Verben, primärer Verben und Prät.-Präs. zu verschiedenen Zeiten der Sprachgeschichte ausgeht, werden Komponenten beider Entstehungstheorien verschmolzen (so vor allem

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

777

Bammesberger 1986). Einen Überblick über den Forschungsstand bieten Ahd.Gr.I, § 302, Anm. 1; Paul, Mhd.Gr., § M 64, Anm. 1; Bammesberger (1986, 69ff); Hiersche (1968, 391– 404); zur älteren Forschung Collitz (1912, 1–26); Must (1951, 121–123); Sverdrup (1929, 5–36); G. Bech (1963a, 37ff). Anm. 3:  Während stv. im Sg.Prät. alte Perfektendungen aufweisen, erklären sich die von den stv. abweichenden Formen der swv. aus dem angetretenen Prät. des ehemals selbständigen Wortes tuen (s.  Anm. 2). Aus der rekonstruierten wgerm. o-Form der 2./ ​3.Sg. (*dedō-z > ahd. *te-tō-s, verdrängt durch tāti) lassen sich die Endungen des sw. Prät. erklären. Auch die Pluralendungen des sw. Prät. lassen sich bei Annahme des Schwundes der Reduplikationssilbe auf ‚tun‘ zurückführen (Lühr 1984, 46ff). 2.3.2.2. Vokalhaltiges vs. vokalloses Präteritalflexiv

Das Präteritalflexiv der sw. Verben erscheint im Mhd. in zwei Varianten: Es kann vokalhaltig (sag-ete) oder vokallos (sag-te) belegt sein. Beide Formen kommen häufig im selben Text und in Bildungen desselben Lexems vor. Aufgrund der jeweils vorwiegend belegten Verwendungsweise ergeben sich zwei Gruppen von Verben: –– 1. Verben mit vorwiegend vokalhaltigem Präteritalflexiv und –– 2. Verben mit vorwiegend vokallosem Präteritalflexiv. Es ist oft nicht möglich, ein Verb eindeutig einer der beiden Gruppen zuzuordnen. Die Unterscheidung in zwei Gruppen lässt sich weitgehend bis zum Ende des 13. Jh.s beschreiben, am Ende des Mhd. ist vorwiegende Vokallosigkeit für alle Verben usuell: Der Anteil vokalloser Endungen nimmt bei den finiten Formen von ca. 58% in 211/ ​ 112 auf 80% in 114 stetig zu. Bei den Part.Prät. ist der Ausgangswert wesentlich niedriger (unter 10%); auch hier nehmen vokallose Formen diachron markant (auf einen Anteil von ca. 50%) zu. Es kann eine leichte diatopische Varianz ausgemacht werden: Der Anteil vokalloser Endungen bei finiten Formen ist im Md. insgesamt niedriger als in den obd. Landschaften: Im Obd. liegt ihr Anteil immer bei ca. 80%, im Md. stets unter 70%. Bei den Part.Prät. unterliegt die Verteilung von vokalhaltigem und vokallosem Präteritalflexiv keinen landschaftsspezifischen Besonderheiten.

Das Auftreten von vokalhaltigen und vokallosen Formen des Präteritalflexivs lässt unterschiedliche Zusammenhänge erkennen: Es zeigt sich partiell eine Fortführung der ahd. klassenbezogenen Verteilung (Vokallosigkeit bei den Verben der lang- und mehrsilbigen Verben der Klasse Ib – Vokalhaltigkeit bei allen übrigen Klassen, s. (A)), des Weiteren eine unterschiedliche Verteilung bei finiten Formen und Part.Prät. (bei Part.Prät. überwiegen vokalhaltige Formen, s. (B) und schließlich eine partielle phono­ logische Steuerung, s. (C)). Während im Ahd. Vokalhaltigkeit/ ​Vokallosigkeit noch weitgehend durch die der alten Klasseneinteilung zugrunde liegenden Regularitäten gesteuert wird (A), werden

V 70

778

VII. Verben

im Mhd. die beiden anderen Zusammenhänge (B: finit vs. Part.Prät., C: Stammauslaut) deutlicher und überlagern jene: Die partielle ahd. Stammklassenbindung lässt im Verlauf des Mhd. nach. Die folgende Tendenz zur Vokallosigkeit besteht vor allem bei finiten Formen. Das Ineinandergreifen der unterschiedlichen Zusammenhänge macht eine analytische Trennung nahezu unmöglich. Es zeigt sich eine, wenn auch nicht systematische, einzellexematische und einzeltextliche Bindung. (A) Fortführung der ahd. klassenbezogenen Verteilung V 71

Lang- und mehrsilbige ehemalige jan-Verben unterliegen auch im Mhd. der schon der ahd. Klasseneinteilung zugrunde liegenden Synkopierungsregel (vgl. Sievers 1878, 70; Th. Klein 2004, 245; Krüer 1914, 180f). Im Prät. dieser Subklasse (Ib) fällt bereits vorahd. das stammbildende j/ ​i zwischen Verbwurzel und Präteritalflexiv aus. Die Vokalhaltigkeit/ ​Vokallosigkeit der ahd. Klassen I–III wird erklärt durch die Wirkung des wgerm. Synkope-Gesetzes: Synkope des Vokals nach langer Stammsilbe ist historisch bei lang- und mehrsilbigen Verben (Klasse Ib) zu erwarten (vgl. Ahd.Gr.I, § 66; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 41). Dagegen bewahren die kurzsilbigen Verben (Klasse Ia) das ableitende j im Prät. als Zwischenvokal i bzw. e, so dass Lexeme der Klasse I durch die Quantität der Wurzelsilbe geschieden werden. Auch die schwachen Verben der ehemaligen Klassen II und III (ōn- und ēn-Verben) bewahren das von der wgerm. Synkope nicht betroffene ō bzw. ē im gesamten Prät. Die wgerm. Synkope des Bindevokals bei lang- und mehrsilbigen swv. der Klasse Ib tritt im Ahd., abgesehen von einigen Abweichungen, konsequent zutage (vgl. Ahd.Gr.I, § 363; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 41.4; eine Gesamtdarstellung bis 1150 bietet Krüer 1914).

Die meisten sw. jan-Verben des Mhd. bilden ihr Präteritum ohne Zwischenvokal (regelhaft ursprünglich nur für langstämmige Verben der Subklasse Ib). Umlaut­ fähige Verben dieser ehemaligen Subklasse haben bei umgelautetem Präsensstamm keinen Umlaut in den Präteritalformen (zum ‚Rückumlaut‘ s. § V 79–85). Ohne Zwischenvokal flektieren ursprünglich lang- und mehrsilbige Verben (z. B. wǟnen, hȫren, vüeren, dǖten, vröuwen, antwürten, kündigen) ebenso wie solche, deren Stamm kurzen Vokal und Mehrfachkonsonanz aufweist (brėnnen, kėnnen, ƶücken, künden). Ein wichtiger Faktor ist das Vorkommen einer Form als Finitum oder als Part. (s.  § V 72): Während Finita der synkopierenden lang- und mehrsilbigen Verben der ehemaligen Klasse Ib regelhaft überwiegend vokallos gebildet sind, wird das Part.Prät. zu großen Teilen mit vokalhaltigem Flexiv gebildet (es findet sich etwa zu 100% gestȫret, gehėilet, zu 95% gehȫhet und zu 90% gevüllet, geƶieret in den Handschriften). Schon in frühen Handschriften des Grammatik-Korpus kann jedoch das Fehlen oder Vorhandensein des Vokals nicht mehr hinreichend durch diese Regularität erklärt werden. Im Verlauf des Mhd. kommt es zur immer stärker werdenden Überlagerung der alten Klassenbindung durch andere Faktoren: Grundsätzlich werden Formen mit erhaltenem präteri­ talem Zwischenvokal stark zurückgedrängt: Durch lautliche und analogische Prozesse tritt in immer stärkerem Maße Synkope ein.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

779

Anm. 1:  Nicht selten weisen auch langstämmige jan-Verben Zwischenvokal im finiten Prät. auf. Diese Formen sind über den gesamten mhd. Zeitraum hin, v. a. im Md. belegt, können aber insgesamt als randständig bezeichnet werden (z. B. horite, PrZü, 111vb,32; do ylete víncencíus, Hleb, 104v,13; merkete, PrM, c5ra,3; Hore wi he ‫܅‬ine iungere lerede, VLilie, 38r,7; 16,26). Zu den langsilbigen jan-Verben sind bereits im Ahd. auch die ehemals kurzstämmigen Verben auf ck, ƶƶ, pf zu rechnen, die durch die 2. Lautverschiebung lang geworden sind (z. B. mhd. sėƶƶen < germ. *satjan). Bei Verben dieser Klasse (mhd. dėcken, rėcken, ergėƶƶen, sėƶƶen, stėpfen etc.) entstehen im Präs. durch j geminierte Verschlusslaute, die zu Affrikaten verschoben werden (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 61). Die Langstämmigkeit gilt hier (anders als bei der Gemination) im Präs. ebenso wie im Prät., so dass der Zwischenvokal im finiten Prät. regelmäßig ausgestoßen wurde. Im Mhd. wie auch schon im Ahd. sind überwiegend zwischenvokallose finite Präterita belegt (dāhte, racte, ergaƶƶte, saƶƶte, stapfte; zum ‚Rückumlaut‘ s. § V 75, Anm. 2), Verbformen mit Zwischenvokal (rėckete, smėckete etc.) sind selten. Im Part.Prät. dagegen ist der Zwischenvokal (abgesehen von flektierten Part., s. § V 72) weitgehend bewahrt (gedėcket, gerėcket, ergėƶƶet, gesėƶƶet; nur bei sėƶƶen ist das vokallose Part. Prät. gesaƶƶt fast ebenso häufig wie die Langform). Verben dieser Gruppe fallen damit bereits im Vorahd. aus der den Zwischenvokal bewahrenden Gruppe der ahd. sw. Verben Ia heraus. Anm. 2:  Th. Klein (2004) betont die zeitliche Nachbarschaft von Lautverschiebung und Synkope. Im Voraltobd. (anders als im Afrk.) muss die Lautverschiebung der Synkope zeitlich vorausgegangen sein: Die Bedingungen (Langsilbigkeit/ ​Schwersilbigkeit und dadurch neue Silbenstruktur) für das Wirken der Synkope bei den kurzsilbigen jan-Verben auf *p, *t, *k wurden erst von der Tenuesverschiebung geschaffen (vgl. Th. Klein 2004, 253f; Vennemann 1987, 29–53). Innerhalb der lang- und mehrsilbigen jan-Verben behalten im gesamten Mhd. (wie auch schon im Ahd.) jene Verben ihre Vokallosigkeit konsequent bei, bei denen es aufgrund der Wirkung älterer Lautgesetze zu zusätzlichen Veränderungen des Präteritalstammes kam (vgl. Ahd.Gr.I, § 364; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 41.4): Bei dėnken und dünken sind das Prät. und das Part.Prät. schon urgerm. ohne Vokal gebildet worden, so dass sie von bestimmten vorgerm. und germ. Lautveränderungen betroffen waren: Die mhd. ausnahmslos vokal­ losen  Prät. dāhte zu dėnken und dūhte zu dünken erklären sich durch den Primärberührungseffekt (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 66; vgl. auch Bammesberger 1986, 81) und den germ. Nasalschwund mit Ersatzdehnung (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 11). Ebenfalls schon urgerm. vokallos gebildet sind die Prät. vorhte (vürhten) und worhte (wirken/ ​würken; vgl. dazu Ahd. Gr.I, § 364, Anm. 2; Bammesberger 1986, 78ff), deren abweichender Stammvokalismus sich durch germ. a-Umlaut (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 9) erklärt (während das Prät. von vürhten stets vokallos gebildet wird, sind von wirken/ ​würken einige vokalhaltige Part.Prät. belegt (gewurkit). Schließlich waren suechen und ruechen schon germ. (außer got. sokida) im Prät. vokallos (suehte, ruehte, aber auch selten suechete, ruechete und häufig gesuechet); ebenso ist primäres brūchen selten im Part.Prät. mit Vokal belegt (gebrūchet). Vokalhaltige Formen von diesen bereits germ. vokallosen Bildungen sind als Neubildungen zu werten. Hierher gehören auch die von den reduplizierenden Verben in die 1. schwache Klasse übergetretenen verba pura (z. B. bǟhen, drǟjen, nǟjen, sǟjen, wǟjen, bluejen, muejen), die ihr Prät. von Hause aus vokallos bilden und dadurch z. T. Rückumlaut aufweisen (s. § V 80). Anm. 3:  Zu beachten ist die Abweichung des Frk. im Ahd. und Mhd., dort werden die Präteritalformen auch der lang- und mehrsilbigen jan-Verben teilweise mit ‹i› gebildet (Ahd.Gr.I, § 363; Th. Klein 2004, 260ff; Krüer 1914, 181ff). In Will (ofrk.) finden sich doppelt so viele langsilbige vokalhaltige Präterita der I. Klasse wie vokallose.

780

VII. Verben

Kurzstämmige jan-Verben (Subklasse Ia) unterliegen der Synkope-Regelung ursprünglich nicht. Allerdings folgen nur noch wenige Verben tatsächlich dieser Regel und weisen im Prät. durchgängig Zwischenvokal und Umlaut auf. Anm. 4:  Fast vollständig mit erhaltenem Zwischenvokal sowohl im finiten Prät. als auch im Part.Prät. ist etwa mhd. hügen belegt, das demnach (ebenso wie ahd. huggen) nach der nichtsynkopierten ehemaligen Klasse Ia flektiert. Während sich auch ahd. lėggen ausschließlich diesem Konjugationsmuster anschließt, ist im Mhd. durch die bei diesem Verb (lėgen) dominanten Kontraktionsformen (lėite, gelėit) eine Zuordnung zur ehemaligen Klasse Ia nicht eindeutig zu erweisen (s.  § V 75, Anm. 3). Allerdings belegen die häufigen Formen mit erhaltenem Zwischenvokal, dass das Verb sich noch nicht vollständig dem synkopierenden Konjugationsmuster angeschlossen hat. Auch bei den hierher gehörenden Verben, die den Zwischenvokal noch im Ahd. regelmäßig bewahren, greift Synkope im Mhd. bei einigen Stammklassen (bes. bei Liquid- und Dentalstämmen) zunehmend. Jedoch bewahrt auch hier das Part.Prät. den Zwischenvokal häufiger als das Finitum (z. B. weist mhd. wėllen/ ​wėln noch ca. 15% finite vokalhaltige Formen auf (wėlete  – wėlte), das Part. bewahrt den Vokal in ca. 30% aller Belege (erwėlete  – erwėlte); das finite Prät. von ƶėllen/ ​ ƶėln und sėllen/ ​sėln lautet stets ƶalte und sėlte, die vokalhaltigen Formen geƶėllet und gesėllet sind aber selten noch belegt; zu finiten Formen vs. Part.Prät. s. § V 72).

Bei einem nicht geringen Teil dieser Klasse gelten schon im Ahd. lautlich bedingte Ausnahmen, bereits hier werden diese Verben nicht mehr ausnahmslos mit Vokal gebildet (vgl. Ahd.Gr.I, § 362). Für ehemals kurzstämmige Verben auf -t und -l existieren Doppelformen, d. h., eine Abhängigkeit vom Stammauslaut ist somit bereits im Ahd. zu konstatieren (s. § V 73). Im Mhd. kommen zu den schon ahd. vokallosen Präteritalbildungen weitere hinzu (s. u.). Ab 113 dominieren hier die vokallosen Formen z. T. mit über 80%. Anm. 5:  Viele kurzsilbige Verben der Klasse Ia sind im Präs. z. T. durch Gemination langsilbig geworden und verhalten sich analog zu den Verben der ehemaligen Subklasse Ib (über die Hälfte aller Präs.-Belege ist im Mhd. geminiert: ƶėllen/ ​ƶėln, twėllen/ ​twėln, sėllen/ ​ sėln; seltener wėllen/ ​wėln, lėmen, vrümen, hügen, lėgen, gar nicht quėln, nėrn, knüsen, dėnen) und bilden deshalb im Mhd. ihr Prät. regelmäßiger als im Ahd. vokallos. Im Prät. findet keine Gemination statt, jedoch wird der geminierte Stamm analogisch ins Prät. übertragen, so dass sich diese Verben aufgrund gleicher Stammgestalt ebenso verhalten wie ursprünglich langstämmige Verben (finites Prät. meist vokallos, selten Vokal im Part.Prät.). Liquidstämme werden im finiten Prät. fast ausnahmslos mit vokallosem Präteritalflexiv und bei umgelautetem Stamm mit ‚Rückumlaut‘ gebildet (s.  § V 74), im Part.Prät. treten auch zwischenvokalhaltige Formen auf. Das finite Prät. von ƶėllen/ ​ƶėln lautet stets ƶalte (vgl. aber ahd. zelita), das Part.Prät. überwiegend geƶalt, selten geƶėllet (weiterhin mit einem hohen Anteil an synkopierten Präteritalformen sind belegt: mit über 90% twalte; mit über 70% wėlte, salte, mit über 50% cholte). Im Mhd. sind, anders als im Ahd., auch Stämme auf -r überwiegend synkopiert belegt: Die Formen von nėrien/ ​nėrn, das noch im Ahd. in allen Formen mit Zwischenvokal belegt ist, lauten mhd. nėrte, ernėrt. Ebenfalls bereits im Ahd. häufig synkopiert sind Stämme auf -t: Im Mhd. lautet z. B. das finite Prät. von rėtten und schüten überwiegend ratte und schutte, das Part.Prät. stets gerėttet.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

781

Nasalstämme, die im Ahd. noch vollständig mit präteritalem Zwischenvokal flektieren (z. B. thennen, frummen), weisen im Mhd. bereits Doppelformen auf (z. B. ist mhd. frumte fast ebenso häufig belegt wie frumete). Auch nach -w setzt verstärkt Synkope ein: vröuwen weist in über 50% seiner Formen bereits Vokallosigkeit auf (vroute/ ​vreute – vrouwete; wobei die vokallose Form freuta bereits am Ende des Ahd. belegt ist).

Die Regulierung über die Stammklassenbindung der ahd. Klasse I hat demnach vom Ahd. zum Mhd. insofern keinen systemhaften gravierenden Umbruch erfahren, als die im Ahd. bereits durch lautliche Bedingungen angelegten Verschiebungen sich im Mhd. als verstärkte Tendenz zur Synkope fortsetzen. Bei Verben der ahd. Klassen II und III (im Ahd. mit Vokal gebildet) ist der Anteil der vokallosen Präteritalformen deutlich niedriger als bei den kurzsilbigen Verben der ahd. Klasse I: In 211/ ​112 liegt er unter 2%, in 114 bei knapp 50%: Die Fortsetzer der ahd. ōn- und ēn-Verben weisen im Mhd. länger und in stärkerem Ausmaß Vokal­ haltigkeit auf als kurzsilbige jan-Verben (prėdigete, geprėdiget; vgl. Weinhold, Mhd. Gr., § 382). Dabei wird das Prät. häufiger durch o markiert als das Präs. (zum Präs. s. § V 68). Anm. 6:  Übereinstimmend zum sonstigen Befund (s. § V 72) bleibt der Vokal des Flexivs im Part.Prät. in stärkerem Ausmaß bewahrt als in finiten Formen (überwiegend diente aber gedienet; häufig dankte, aber stets gedanket). Einzelne Verben variieren z. T. erheblich (häufig marterete, aber selten gėrete, überwiegend gevrāget, aber selten gesparet). Anm. 7:  Die Vokallosigkeit nach Liquid (s. § V 73) greift hier (gemäß dem ursprünglichen Wirken der Synkope nur nach kurzer Silbe) weniger stark als bei den kurzsilbigen Verben der ehemaligen Klasse I. Besonders im Part.Prät. bleibt das vokalhaltige Flexiv oft erhalten (gemēret, geopferet).

(B) Finite Formen – Partizip Präteritum

Regelhaftigkeit liegt v. a. in den Formen des finiten Prät. vor, während das Part.Prät. stärkeren Schwankungen unterworfen ist. Sowohl im Ahd. als auch im Mhd. wird das finite Prät. häufiger ohne Zwischenvokal gebildet. Das Part.Prät. jedoch weist in beiden Sprachstufen einen bedeutend größeren Anteil an zwischenvokalhaltigen Formen auf. Die Verwendung des vokalhaltigen/ ​vokallosen Präteritalflexivs korreliert demnach deutlich mit dem Vorkommen in finiten Formen und Part.Prät. als Teil einer Verbalform (vgl. auch Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 42).

V 72

782

VII. Verben

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

211/ ​112

omd. bair.

finit 58

212 113 89

alem.bair.

60

ofrk.

²12,  ¹13 hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

Part.Prät. 6

mfrk.



71

13

77

21

70

14



42

20

50

13

72

26

68

34

77

40



57

41

62

49

213

84

44

77

50

94

60



66

36

63

38

63

62

114

78

42

95

55

86

61

81

46

65

44

76

46

87

79

Abb. V 7: Relative Verteilung vokalloses Präteritalflexiv bei finiten Formen (linke Zahl) und unflektierten Part.Prät. (rechte Zahl) (gerundet in %)

Ca. 75% aller finiten Präteritalbelege schwacher Verben werden durchschnittlich mit vokallosem Präteritalflexiv gebildet, bei den Part.Prät. sind es nur 43%. Es zeigt sich diachron eine Angleichung der Verhältnisse, ohne dass die grundsätzliche Differenzierung bis zum Ende des Mhd. aufgehoben ist. Finite Formen sind in 211/ ​112 ca. zehnmal häufiger mit vokallosem Präteritalflexiv belegt als Part.Prät. Auch in 212 sind finite Formen noch ca. viermal so häufig belegt wie vokallose Part.Prät. Die relativen Werte nähern sich ab 113 im gesamten obd. Sprachraum an: Finite vokallose Formen haben in 114 einen Anteil von ca. 80%–90%, die Part.Prät. dagegen liegen zwischen ca. 60% im Bair. und ca. 40% im Alem. Im Ofrk. haben sie den höchsten Anteil (knapp 80%). Es zeigt sich eine diatopische Differenzierung insofern, als die Unterschiede im Md. weniger stark ausgeprägt sind als im Obd.: Der Anteil der vokallosen Part.Prät. in 212 gleicht den obd. Verhältnissen (ca. 15%–20%), finite Formen mit vokallosem Präteritalflexiv sind jedoch nur ungefähr halb so frequent wie im Obd.: Ihr Anteil liegt bei ca. 40%–50%. In 114 haben vokal­ lose finite Formen einen Anteil von 65%–80%, sind also weniger häufig als im Obd.; die Part. Prät. liegen relativ einheitlich bei ca. 45%. Dieses Ergebnis korreliert mit dem von Krüer ermittelten deutlich höheren Anteil vokalhaltiger Bildungen im Frk. (vgl. Krüer 1914, 181ff).

Im Gegensatz zu den Part.Prät., die Teil einer analytischen Verbform sind und das vokalhaltige Präteritalflexiv aufweisen, werden flektierte attributive Part.Prät. zu ca. 70% mit der vokallosen Variante des Präteritalflexivs gebildet (z. B. daz er ge‫܅‬tracter lac, Iw, 97 v,24; 5048 vs. ‫܅‬o ‫܅‬al ‫܅‬ie ligen niderge‫܅‬treket vor der dur, OxBR, 10r,30). Die unterschiedliche Formenbildung Finita – Part.Prät. liegt in der Silbenstruktur der jeweiligen Form begründet: Im Part.Prät. handelt es sich bei der schwa-haltigen Endsilbe um eine durch den Dental des Präteritalflexivs geschlossene Silbe (ge-saget). Hier bleibt der Mittelsilbenvokal tendenziell eher erhalten (auch die 3.Sg.Präs. wird überwiegend vokalhaltig gebildet: sa-get). Dagegen liegt beim finiten Prät. die Silbengrenze unmittelbar vor dem Dental des Präteritalflexivs – die schwa-haltige Mittelsilbe ist offen und Schwa wird häufig getilgt (sa-ge-te > sag-te). Dies gilt ebenfalls beim flektierten attributiven Part.Prät. (ge-sa-ge-ter > ge-sag-ter). Offensichtlich kann mittelsilbiges Schwa in offener Silbe leichter der Synkope anheimfallen (zu diesem Ergebnis kommt auch Th. Klein bezüglich anderer Synkopierungsprozesse

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

783

des Mhd., vgl. Th. Klein 2005b, 134, vgl. auch Wilmanns III.1, § 42.2). Möglicherweise deutet sich hier eine morphologische Profilierung der Pänultima (als der den Hauptton tragenden Silbe) bzw. das Herstellen der Zweisilbigkeit ab der Stammsilbe an. Anm. 1:  Auch im Ahd. weist das unflektierte Part.Prät. häufig die vokalhaltige Variante des Präteritalflexivs auf, auch wenn ein finites Prät. ohne i exisiert. Das flektierte Part.Prät. der Klasse I hingegen hat die synkopierte Form (Ahd.Gr.I, § 365). Anm. 2:  Auch innerhalb der finiten Formen können Unterschiede ausgemacht werden: Die 1.Sg.Prät. wird häufiger mit vokalhaltigem Präteritalflexiv gebildet als andere (auch als die 3.Sg.); die 2.Sg.Prät. weist deutlich weniger vokalhaltige Endungen auf als die übrigen Personen. Das Mittelfeld nehmen die 3.Sg./ ​1.Pl. und 3.Pl.Prät. ein. Anm. 3:  Krüer (1914, 183ff) sieht in den mit Vokal gebildeten Part.Prät. ausgeglichene Formen, die im Nd. bei Stämmen mit Konsonantenclustern entstanden sind und sich von dort ins gesamte hd. Gebiet ausbreiteten.

(C) Abhängigkeit vom Stammauslaut

Die Verwendung der vokallosen und vokalhaltigen Variante des Präteritalflexivs zeigt im Mhd. in Teilbereichen einen Zusammenhang mit dem jeweils vorliegenden Stammauslaut. Anm. 1:  Im Frnhd. bildet die Art des vorausgehenden Stammauslauts das eigentlich bestimmende Moment für die Verwendung der vokalhaltigen/ ​vokallosen Variante des Präteritalflexivs (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 35 u. 42).

Die Abhängigkeit der Verwendung des vokalhaltigen/ ​vokallosen Präteritalflexivs vom Stammauslaut zeigt sich signifikant bei den auf Liquid und Dental auslautenden Stämmen: Die auf Liquid auslautenden Stämme bilden ihre Finita zu über 90% aller Belege vokallos (z. B. wėlte, ƶalte, hōrte, vuerte). Der Anteil der vokallosen Variante des Präteritalflexivs bei Part.Prät. beträgt hier 56% (z. B. erwėlt, beƶalt, gehōrt, gevuert, aber auch häufig erwėlet, gehȫret, gevüeret). Es existiert kein Unterschied mehr zwischen lang- und kurzsilbigen Stämmen (zur Apokope und Synkope nach Liquid im Mhd. vgl. Th. Klein 2005b). Anm. 2:  Diachron verdoppelt sich der Anteil der finiten vokallosen Formen nahezu: Ist in 211/ ​112 das Verhältnis von vokalhaltigen und vokallosen Formen noch fast ausgeglichen, steigt der Anteil der vokallosen Belege schon in 212 auf ca. 85% und auf über 95% in 114. Bei den Part.Prät. ist der Anteil vokalloser Formen in jeder Zeitstufe deutlich niedriger. In 211/ ​112 machen sie ca. 5% aus. Ihr Anteil steigt kontinuierlich bis auf ca. 70% in den letzten Zeiträumen des Grammatik-Korpus. Noch im Frnhd. schwanken Formen mit und ohne Vokal (Abhängigkeit von der Stammsilbenzahl, vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 41, 50). Anm. 3:  Der Zusammenhang von Stammauslaut und Bildung der Endung mit oder ohne Vokal wird (als Folge der mhd. Synkope nach Kurzvokal und Liquid) besonders deutlich

V 73

784

VII. Verben

bei den kurzsilbigen Verben der ehemaligen Klasse I (s.  § V 71), weniger stark bei Verben der ehemaligen Klassen II und III.

Dentalstämme weisen bei finiten Formen einen sehr hohen Prozentsatz vokalloser Formen auf (ca. 85%). Dagegen werden Part.Prät. durchschnittlich nur zu ca. 30% mit der vokallosen Variante des Präteritalflexivs gebildet. Die finite Kurzform ist bei manchen Verben ausschließlich belegt (sante, wante, vorhte, huete), andere weisen sowohl Kurz- als auch Langform auf (rėdete, rėte). Das Part.Prät. dagegen scheint die Langform zu bevorzugen (gebildet, getȫtet, gesündet, geschėndet). Bei Verben, die morphologisch durch ‚Rückumlaut‘ markiert sind, ist die Kurzform usuell (gesant, gewant). Anm. 4:  Bereits in 211/ ​112 dominieren die vokallosen Belege finiter Formen mit über 70%; ihr Anteil steigt auf knapp 90% in 114. Die Part.Prät. dagegen werden in 211/ ​112 ausnahmslos mit vokalhaltigem Flexiv gebildet; in 114 werden bereits ca. 40% mit vokalloser Endung flektiert. Im Frnhd. steigt der Anteil vokalhaltiger Formen wieder deutlich an. Am Ende des frnhd. Zeitraumes werden 93% dentaler Belege mit Vokal gebildet (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 49); zum Nhd. hin setzt sich diese Regel, abgesehen von den unter § 77 Anm. 1 genannten Formen, ausnahmslos durch.

Nasalstämme weisen im Verlauf des Mhd. zu einem immer größeren Anteil vokallose Formen auf: Während Finita zu ca. 74% mit dem vokallosen Flexiv (diente) gebildet werden, haben Part.Prät. hier den höchsten Anteil vokalloser Formen überhaupt (durchschnittlich knapp 60%, z. B. häufig gedient). Der Anteil finiter vokalloser Formen erhöht sich allmählich von ca. 60% in 211/ ​112 auf 80% in 114. Haben vokalhaltige partizipiale Formen noch in 211/ ​112 einen Anteil von knapp 100%, halbiert sich der Anteil der Belege bereits in 113 und macht in 114 nur noch 30% aus. Auch im Frnhd. dominieren die Formen ohne Vokal (70%, vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 44). Frnhd. Formen auf Konsonant + Nasal werden im Mhd. (wo sie häufig noch einen Vokal zwischen Konsonant und Nasal aufweisen) sowohl mit als auch ohne Vokal gebildet (geėigent, gerėgenet); im Frnhd. dagegen ausnahmslos syllabisch (d. h. mit Vokal, z. B. eignete, vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 44). Im Nhd. setzen sich hier vokalhaltige Formen fort (rechnete, atmete). Die Besonderheiten bei allen übrigen Stammauslauten sind nicht signifikant. Anm. 5:  Den durchschnittlich niedrigsten Wert an vokallosen Formen bei Finita haben Stämme auf p, b, f, v und w (ca. 55%), bei Part.Prät. liegt er im mittleren Bereich (ca. 30%), z. B. lobete, hoffete, verdėrbet, gegarwet. Bei den finiten Formen ist das Verhältnis zwischen beiden Varianten in 211/ ​112 relativ ausgeglichen. Die Menge an vokalhaltigen Formen steigt sogar an, fällt jedoch in 114 auf 30% ab. Das Part.Prät. wird in 211/ ​112 ausschließlich vokal­ haltig gebildet, in 114 umfasst die vokalhaltige Form noch ca. 60% aller Belege. Anm. 6:  Gutturalstämme haben in beiden Kategorien einen durchschnittlichen Anteil des vokallosen Flexivs (finite Formen ca. 63%, Part.Prät. ca. 42%), z. B. nėicte, vüėcte, gestėrkete, volgete. Vokallose Formen nehmen geringfügig zu: von knapp 60% in 211/ ​112 auf 67% in 114 bei Finita und etwas sprunghafter von 15% auf 50% bei Part.Prät.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

785

Anm. 7:  Stämme auf h und ch unterliegen starken Schwankungen. Der Anteil vokalloser Formen beim Part.Prät. ist hier vergleichsweise gering. Im Frnhd. werden sie zu über 90% ohne Vokal gebildet (Gr.d.Frnhd.IV, § 48). Anm. 8:  Ebenfalls stark schwankend bei den Finita verhalten sich Stämme, die auf z, s oder sch enden. Der Anteil vokalhaltiger Formen liegt im ersten und letzten Zeitraum bei ca. 20%. Die Part.Prät. bilden in 211/ ​112 noch ausnahmslos vokalhaltige Formen, deren Anteil bis 114 auf ca. 70% abfällt. Anm. 9:  Einen sehr hohen Anteil von Belegen mit Vokal weisen vokalische und sonantische Stämme auf: In 211/ ​112 dominieren sie mit knapp 80% und werden auch in 114 noch zu über 50% mit Vokal gebildet (vgl. auch Gr.d.Frnhd.IV, § 38). Lit.: Ahd.Gr.I, § 66, 302, Anm. 1, § 355–369; Ball (1986); Bammesberger (1986, 68ff, 74–81, 85); G. Bech (1963a, 37ff); Begemann (1873); Begemann (1874); Birkhan (1979); Bopp (1816); Brugmann (1914); Collitz (1912, 1–26); Gr.d.Frnhd.IV, § 35–50; Grimm, Dt.Gr.I, 1819; Hammerich (1922); Hammerich (1964); Henzen (1940); Henzen (1965, § 140–145); Hiersche (1968, 391–404); Th. Klein (2004); Kluge (1879); Krüer (1914, 180ff); Loewe (1894); Lühr (1984, 41ff, 46ff); Mańczak (1984); Meid (1971, 107ff); Must (1951, 121ff); Must (1952); Paul (1880); Paul, Mhd.Gr.; Rauch (1972); Scherer (1868); G. Schmidt (1977); Sehrt (1961); Sievers (1878); Sverdrup (1929, 5–36); Vennemann (1987, 29–53); Weinhold, Mhd.Gr., § 377–394; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 38–48; Wisniewski (1963).

2.3.3. Schwache Verben mit Vokalwechsel im Präteritum (‚Rückumlaut‘) 2.3.3.1. Allgemeines

Eine Reihe sw. Verben weist im Mhd. ‚Rückumlaut‘ auf, einen Wechsel von umgelautetem Vokal im Ind.Präs. und nicht umgelautetem Vokal im Ind.Prät. und z. T. im Part.Prät., z. B. ęr rėnnet  – ęr rante/ ​ist gerant, ich hȫre  – ich hōrte/ ​habe gehōrt (zum Umlaut s. § V 11f). Der Vokalwechsel wird traditionell als ‚Rückumlaut‘ bezeichnet: Grimm (Dt.Gr.I, 788) interpretierte fälschlicherweise die im Prät. vorhandenen nicht umgelauteten Formen als rückgängig gemachten Umlaut (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 384; Solms 2004, 1687). Zum Begriff und seiner Diskussion vgl. Stårck (1912, 6ff); Gr.d.Frnhd.IV, § 160.1.

Die Durchführung des Umlauts ist ursprünglich vom Vorhandensein von i/ ​j in der Folgesilbe eines umlautfähigen Vokals abhängig  – einem Charakteristikum der I.  Klasse sw. Verben (vgl. Ahd.Gr.I, § 26, 357ff). Im Prät. ist der daraus entstandene Vokal i des Präteritalflexivs unter bestimmten Bedingungen nicht vorhanden, und die Umlautung fand bei diesen Formen nicht statt. Im Ahd. ist das Fehlen des Vokals im Prät. v. a. vom Eintreten der Synkope bei Verben mit langer Stammsilbe oder mehrsilbigen Verben abhängig, bei denen bereits vorahd. das i/ ​j zwischen Stamm und Präteritalflexiv ausfällt (Sg.Prät. got. brannida  – ahd. branta, s. § V 71). Da im Präs. dieser Verben Umlaut auftritt, entsteht ein Vokalwechsel zwischen Präs. und umlautlosem Prät. (vgl. Ahd.Gr.I, § 361). Insofern kann der ‚Rückumlaut‘ im Ahd.

V 74

786

VII. Verben

als Subklassenmerkmal der (langsilbigen) umlautfähigen sw. Verben Ib bezeichnet werden. Im Mhd. ist das Fehlen des Vokals im Präteritalflexiv (mhd. e < ahd. i) nicht mehr hauptsächlich von diesem Zusammenhang bestimmt, sondern wird zunehmend von weiteren Faktoren determiniert. Es gelten die unter § V 70ff beschriebenen Regularitäten. Konstituierend für die Klasse der ‚rückumlautenden‘ Verben ist ihr zwischen­ vokalloses Präteritum: Synchron ergibt sich im Mhd. der erwartbare Zusammenhang zwischen Vorhandensein des Zwischenvokals und Umlaut: Präteritalformen ohne Nebensilbenvokal zwischen Stamm und Dentalsuffix sind zumeist auch folgerichtig umlautlos belegt (z. B. nante, Parz, 280a,2; 798,18). Es existieren jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Anm. 1:  Im Schriftbild unumgelautete Formen mit voller Endsilbe sind nur im Md. bei sėƶƶen etwas häufiger (ge‫܅‬atzit, OxBR, 5r,10; ge‫܅‬aczet, MBeh, 57r,7), ansonsten marginal (gevarwet, TrHL, 55r,15; ge‫܅‬tarket, TrPs, 90v,20; raf‫܅‬itin, Hoff, 20v,21).

Umgekehrt tritt der Umlaut im Prät. meist ebenfalls regelrecht mit Nebensilbenvokal auf. Allerdings haben bei Weitem nicht alle Formen ohne Zwischenvokal ‚Rückumlaut‘, da lautliche Prozesse sekundär Synkope bewirkt haben. Anm. 2:  Usuell ist etwa genennet (Parz, 11a,1; 22,18), während genࠀt (Hartw, 23r,5; M 704) nur singulär auftritt. V 75

Die durch die Synkope-Regel begründete Spaltung der sw. Klasse I und das damit verbundene Auftreten des ‚Rückumlauts‘ nur bei der ehemaligen Subklasse Ib ist bereits im Ahd. nur einer von mehreren Faktoren für das Fehlen des Vokals im Präteritalflexiv. Bereits vor und im Ahd. finden lautlich bedingte Verschiebungen von ursprünglich kurzvokalischen Stämmen zu langvokalischen statt (s.  § V 71), so dass sich diese Verben aufgrund ihrer gleichen Stammgestalt ebenso verhalten wie Verben, die der Synkope-Regelung unterworfen waren, welche unumgelautete (= ‚rückumgelautete‘) Formen nach sich zieht: Hier finden sich im Ahd. wie im Mhd. Doppelformen (z. B. bei Liquid- und Dentalstämmen), auch im Mhd. überwiegen hier noch die umlautlosen Formen. Der ‚Rückumlaut‘ wird später Richtung Präsens ausgeglichen. Anm. 1: Mhd. ƶėllen/ ​ƶėln etwa hat im finiten Prät. stets ‚Rückumlaut‘ (ƶalte). Im Part. Prät. überwiegen ebenfalls die ‚rückumlautenden‘ Formen (geƶalt), häufig ist aber auch die e-Form ohne Zwischenvokal (geƶėlt; marginal ist geƶėllet, bspw. di‫܅‬e warnunge. diu i‫܅‬t uor gezellet, Mar, 90v,4; 5029). Auch mhd. rėtten weist im Prät. überwiegend a-Formen auf (erratte), singulär ist errete‫܅‬t belegt (DvATr, 83r,17). Das Part.Prät. ist stets umgelautet (gerėttet). Bei mhd. wėllen/ ​wėln dagegen ist im Grammatik-Korpus kein ‚Rückumlaut‘ belegt (s. § V 71). Anm. 2:  Zu den langstämmigen Verben gehören ebenfalls die durch die Lautverschiebung entstandenen Stämme auf ck, ƶƶ, pf, bei denen regelmäßig Vokallosigkeit und damit ‚Rück­ umlaut‘ im finiten Präteritum auftritt (s.  § V 71). Die selteneren zwischenvokalhaltigen Formen (rėckete, smėckete etc.) zeigen regelgerecht Umlaut. Im Part.Prät. gilt die Synkope-

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

787

Regel nur beim flektierten Part. (s.  § V 72), ansonsten ist der Zwischenvokal bewahrt und Umlaut eingetreten (lediglich bei sėƶƶen ist das vokallose, unumgelautete Part.Prät. gesaƶƶt fast ebenso häufig belegt wie die Langform). In einigen wenigen jüngeren Formen ist der für die umgelautete Wurzelsilbe verantwortliche Zwischenvokal bereits wieder synkopiert bzw. analog nach dem Präs. ausgeglichen (dėckte, rėckte, sėƶƶte, gestrėckt).

Das bei kurzstämmigen Verben der Klasse Ia im Prät. im Ahd. noch bewahrte i hat regelmäßig (im Präs.) den Stammvokal a zu ė umgelautet. Dieser Umlaut ist im Mhd. erhalten. Die hier zugehörigen Verben weisen eine im Präs. wie im Prät. identische, nämlich umgelautete Stammgestalt, d. h. keinen ‚Rückumlaut‘, auf. Der Zwischen­ vokal des Präteritalflexivs wird in zunehmendem Maße synkopiert (s.  § V 71), ohne dass dadurch die Lautgestalt des Stammes verändert würde: Die immer häufiger belegten synkopierten Formen sind umgelautet. Anm. 3:  Sowohl bei ahd. lėggen als auch bei mhd. lėgen wird i bzw. e ursprünglich in allen Prät.-Formen bewahrt, nirgendwo (abgesehen von marginalen Formen im Wmd., bspw. He lachte allet dat heilichdum in dich, RhMl, 9r,14; 479; ‫܅‬ie lahten ‫܅‬ie ín eín nvwe grap, Himlf, 246,17; 1420) tritt ‚Rückumlaut‘ auf. Dominant sind im Mhd. kontrahierte Formen (s. § V 239), bei denen rein deskriptiv eine mögliche unumgelautete Form zum selben Kontraktionsergebnis führen würde wie die umgelautete (-aget oder -ėget > -ėit). Die nicht seltenen Langformen lėgete, gelėget usw. erweisen jedoch die ursprüngliche Umlautform. Auch bei nėrien/ ​ nėrn und dėnnen/ ​dėnen sind Präsens- wie Präteritalformen stets umgelautet.

Die Verwendung umgelauteter oder unumgelauteter Formen zeigt starke Unterschiede im Finitum oder Part.Prät. (s. § V 72), da hierdurch wesentlich das Vorhandensein des Zwischenvokals beeinflusst ist. Regelhaftigkeit liegt v. a. im finiten Prät. der langstämmigen umlautfähigen jan-Verben vor, das überwiegend ohne Zwischenvokal und ohne Umlaut des Stammvokals gebildet wird (wænen – wānde, brėnnen – brante). Auch im finiten Prät. existieren allerdings selten unumgelautete Formen mit Zwischen­ vokal (‫܅‬atcete, PrMK, 3r,31; ‫܅‬o ‫܅‬atzeten ín di apo‫܅‬teln zu eyme bi‫܅‬chofe, Hleb, 191r,11; Parzifal ‫܅‬taphete, Rapp 205rb, 2; 17785), meist sind zwischenvokalhaltige Formen jedoch auch umgelautet (mit den buchen bewæret er in daz. daz div rede war was, Kchr, 37 vb,21ff; 8714ff; reckite, MBeh, 144r,15).

Im Part.Prät. liegen deutlich größere Abweichungen vor, es existieren jeweils beide Formen: unumgelautete Part.Prät. ohne Zwischenvokal und umgelautete Part.Prät. mit Zwischenvokal, der Anteil letzterer ist deutlich größer als im finiten Prät. (s. § V 72). Bei den meisten Verben setzt sich zum Nhd. hin analog zum Präsens die Umlautform durch (gestellt, getrennt, gehört, gelöst, gegrüßt, erwähnt), bei anderen die ‚Rückumlautform‘ (gebrannt). Manche Verben weisen bis ins Gegenwartsdeutsche Doppelformen auf (gesendet  – gesandt). Im Mhd. wird das Part.Prät. zwar tendenziell häufiger als im Ahd. ohne Umlaut gebildet (noch z. B. ahd. 70% ginemnit/ ​ginennit; 90% ir-/ ​bi-kennet; mhd. bereits 88% genant, 90%

V 76

788

VII. Verben

er-/ ​bekant), die e-Formen sind aber weiterhin belegt (genėnnet, erkėnnet, gebrėnnet, erblėndet, gehėftet, gemēret, gehėnget) und z. T. sogar häufiger als die a-Formen (bedėcket, ergėƶƶet). S. hierzu § V 79–85. V 77

Wesentlichen Einfluss auf das Vorhandensein des Zwischenvokals hat die lautliche Umgebung (s.  § V 73) und damit auch auf das Erscheinen von umgelauteten oder unumgelauteten Formen: Beginnend im Ahd. und sich fortsetzend im Mhd. hat die lautliche Umgebung zur Synkope des Zwischenvokals bzw. zum Ausgleich nach der Präsensform geführt. Bei den überwiegend zwischenvokallosen Liquidastämmen sind umgelautete Formen ohne Zwischenvokal häufig (wėlte, erwėlt; nėrte, ernėrt etc.), hier ist von Synkope des Zwischenvokals nach der Umlautung auszugehen. Verben auf -nn- bilden ihr Part.Prät. im Ahd. häufiger mit i in der Endsilbe und Umlaut (s. § V 79). Im Mhd. haben sich Synkope und die unumgelautete Form des Part.Prät. durchgesetzt, die bis ins Nhd. erhalten bleibt. Anm. 1:  Im Nhd. ist der ‚Rückumlaut‘ durch Ausgleich beseitigt, nur wenige Verben weisen diesen Vokalwechsel noch auf: Während einige Verben mit -nn- noch regelmäßig das umlautlose Prät. bilden (brannte, kannte, nannte, rannte, aber bspw. trennte), existieren bei senden und wenden bereits Doppelformen mit semantischen Restriktionen und Unsicherheiten in der Verwendung (sandte  – sendete, wandte  – wendete).

2.3.3.2. Typen des Vokalwechsels V 78

Im Mhd. können folgende Vokalwechsel zwischen Präs. und Prät. auftreten: (1) ė – a (brėnnen  – brante); (2) ǟ  –  ā (wǟnen  – wānde); (3) ü  –  u (o) (drücken  – dructe; antwürten – antworte); (4) üe – ue (büėȥen – bueȥte); (5) ȫ – ō (hȫren – hōrte); (6) ǖ – ū (lǖtern  – lūterte), (7) öu  – ou (vröuwen  – vroute). Die Untersuchung des Vokalwechsels ist allein anhand der graphisch markierten Formen möglich (vgl. Frnhd.Gr., § M 96, Anm. 2; Stårck 1912, 5f; s. § V 12). Als konsequente Markierung des Umlauts können die Grapheme ‹e›, ‹æ›, md. ‹ē› gelten, die für die Vokalwechsel ė  –  a und ǟ  –  ā kennzeichnend sind. Verben mit möglichem Vokalwechsel ü  –  u (o), üe  – ue, ȫ  –  ō, ǖ  –  ū, öu  – ou weisen im Präs. deutlich seltener Umlautmarkierung auf, weswegen in diesen Fällen kaum Aussagen über vorliegenden Umlaut getätigt werden können. Da die j-Wirkung im Wgerm. (außer in Sonderfällen wie nhd. suchen etc.) als regelmäßiger Prozess beschrieben werden kann, ist bei den ‚rückumlautenden‘ Verben stets Umlautung des Präsensstammes anzunehmen, bei graphischer Indifferenz darf von mangelnder Umlautbezeichnung ausgegangen werden (insofern liegt hier ein Kriterium zur Beurteilung eines vorliegenden Umlautgebrauchs in anderen Konstellationen vor, so z. B. für den Pl.Konj.Prät. stv., s. § V 12). Anm. 1:  Im Frmhd. findet keine Unterscheidung von ō und ȫ statt, digraphische Schreie bungen (‹œ› ~ ‹o›) treten im Obd. ab 212 auf, können aber sowohl ȫ als auch ō bezeichnen.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

789

Im Md. bleibt die graphische Markierung des Umlauts weiterhin unüblich (vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 42, E 27.7). Mögliche Umlautmarkierungen für (kurzes) ü sind ab 213 nachgewiesen (Paul, Mhd.Gr., § L 36: im Obd. seit dem 13. Jh., im 14. Jh. im gesamten Obd. einschließlich i e Ofrk. belegt, aber nicht konsequent): ‹u› ~ ‹u› ~ ‹ui› ~ ‹ue›. Der Umlaut wird verhindert oder verzögert durch folgendes lt oder ld (dulten), im Obd. auch durch folgendes gg, ck, pf, ƶƶ, ferner durch Nasal + Konsonant (dunken – dünken). Der Umlaut von ū (= ‹iu›) wird ab i 212 als ‹iu›, ‹u› oder ‹eu› graphisch realisiert. Die Kennzeichnung erfolgt nicht konsequent (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 44: obd. nur zum Teil, md. nicht). Als Markierung für öu kann ‹eu› ~ ‹ev› ~ ‹ew› ab 113 im Bair. gelten (z. B. vrewet, PrMi, 17 v,18), im Alem. treten e o-Schreibungen auf (z. B. frowet, PrSch, 242v,26; vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 47). Im Md. werden ou und öu nicht graphisch geschieden, lediglich in 114 ist im Omd. vereinzelt ‹ev› ~ ‹eu› belegt (z. B. vreut, Pass, 76vb,38; 1,72). Umlaut von ou ist im Allgemeinen nicht vor w und im Obd. nicht vor Labialen und gg durchgedrungen. Wenn wie bei den Verben mit öu–ouWechsel (dröuwen, ströuwen, vröuwen) trotzdem Umlaut vor w auftreten kann, beruht dies auf einem im Ahd. vorliegenden Vokalwechsel (Wechsel von ew (umgelautet aus aw) und e ouw, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 47). Als Umlautbezeichnungen für üe sind ‹u›, seltener ‹ue› i oder ‹u›, ‹ui› in 212 und in 113 belegt (seit spätahd. Zeit (11. Jh.) ui, vgl. Ahd.Gr.I, § 40, Anm. 3). Umlautbezeichnung setzt sich im Obd. im 13. Jh. durch, im Md. bleibt der Umlaut i. d. R. unbezeichnet (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 50). Anm. 2:  Eine annähernd gleichfrequente Kennzeichnung des Umlauts im Präs. und im Prät. ist bei ü – u (o), ǖ – ū und öu – ou festzustellen; bei üe – ue ist die Umlautmarkierung im Präs. häufiger, bei ȫ  –  ō dagegen im Prät.

(1) ė – a

Im Präsens wird bei den rückumlautenden Verben mit Primärumlaut a > ė der Umlaut (Präsensstamm) im gesamten Mhd. überwiegend durch ‹e› bezeichnet wie etwa d’ sunne nvit brennet dich (TrPs, 82v,16). Im Präteritum und Part.Prät. weisen von 59 im Grammatik-Korpus ‚rückumlautend‘ belegten Lexemen (ausgewertet wurden auch alle Belege der jeweiligen Präfixbildungen) in 3928 Präteritalbildungen 2695 Belege tatsächlich ‚Rückumlaut‘ (‹a›) auf (ca. 70%). 1233  Belege bilden das Prät. mit Umlaut (‹e›): Angaben in Klammern: präteritale Belege ohne/ ​mit Umlautbezeichnung; relativer Anteil der a-Formen im finiten Prät. am Gesamt aller Prät.-Formen; relativer Anteil der a-Formen im Part.Prät. am Gesamt aller Prät.-Formen; Verben mit 10 oder weniger Belegen ohne relative Angabe. (-)‌blėnden (6/ ​9; 100%; 31%), (-)‌brėnnen (98/ ​11; 85%; 88%), (-)‌dėcken (33/ ​33; 83%; 33%), (-)‌dėnken (324/ ​27; 89%; 100%), verdėrben (1/ ​18; 14%; 0), ergėƶƶen (6/ ​14; 100%; 7%), gėrwen (6/ ​7; 100%; 30%), glėsten (1/ ​2), (-)‌grėmen (2/ ​2), (-)‌hėften (20/ ​7; 33%; 75%), hėlsen (2/ ​1), (-)‌hėngen (13/ ​6; 93%; 0), hėnken (1/ ​46; 100%; 0), (-)‌kėnnen (367/ ​35; 92%; 90%), (-)‌kēren (81/ ​ 298; 20%; 21%), krėnken (1/ ​11; 50%; 0), (-)‌lėnden (2/ ​2), lēren (27/ ​125; 21%; 13%), (-)‌lėschen (2/ ​8), mėrken (14/ ​18; 62%; 9%), (-)‌mėsten (1/ ​4), (-)‌nėnnen (324/ ​39; 100%; 88%), (-)‌pfėnden (4/ ​2), (-)‌quėln (1/ ​3), (-)‌rėcken (8/ ​8; 61%; 0), (-)‌rėfsen (8/ ​8; 89%; 0), (-)‌rėnnen (49/ ​4; 100%; 88%), (-)‌rėtten (5/ ​8; 83%; 0), er-schėllen (2/ ​1), schėnden (14/ ​30; 100%; 30%), schėnken (1/ ​2); er-schrėcken (2/ ​3), (-)‌sėllen/ ​sėln (5/ ​4), (-)‌sėnden (553/ ​32; 88%; 99%), be-sėngen (1/ ​1), (-)‌sėnken

V 79

790

VII. Verben

(5/ ​15; 56%; 0), (-)‌sėƶƶen (322/ ​203; 64%; 46%), (-)‌smėcken (5/ ​4), (-)‌spėrren (20/ ​15; 75%; 55%), (-)‌sprėngen (8/ ​11; 89%; 0), (-)‌stėcken (2/ ​18; 0; 13%), (-)‌stėllen (29/ ​9; 100%; 3%), (-)‌stėrken (4/ ​35; 21%; 4%), (-)‌strėcken (9/ ​10; 67%; 30%), swėchen (1/ ​1), swėllen (1/ ​0), (-)‌swėnden (5/ ​2; 100%; 50%), (-)‌trėnken (9/ ​18; 90%; 0), (-)‌trėnnen (5/ ​1), (-)‌twėllen/ ​twėln (6/ ​7; 56%; 25%), (-)‌vėllen (31/ ​4; 100%; 78%), vėrwen (2/ ​3), (-)‌wėcken (4/ ​9; 50%; 14%), (-)‌wėnden (72/ ​12; 97%; 80%), (-)‌wėnken (4/ ​0), (-)‌wėƶƶen (3/ ​1), (-)‌ƶėllen/ ​ƶėln (153/ ​13; 100%; 71%), ver-ƶėrn (1/ ​9), (-)‌ƶėrren (9/ ​4; 100%; 20%). Anm. 1:  Die Literatur weist für das Mhd. weiterhin aus (im Grammatik-Korpus ohne ‚Rückumlaut‘, nur im Präs. oder gar nicht belegt): bėnken, bėsten, blėcken, blėnken, dėmpfen, ėngen, ėrben, gėllen, gesėllen, hėmeren, hėrten, hėƶƶen, kėmpfen, klėngen, lėƶƶen, mėngen, mėrren, nėƶƶen, pfėhten, enpfėtten, rėsten, schėpfen, schėrten, schėƶƶen, schrėnken, schrėnƶen, swėnken, sėlwen, sėnften, sėrken, snėllen, spėngen, stėpfen, stėrben, swėnden, swėnƶen, swėrƶen, tėmmen, tėrken, twėngen, vėlschen, vėsten, wėlƶen, wėrmen, ƶėmen, ƶėtten (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 383; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 43f). Anm. 2:  Dialektal auftretende und lautlich nicht berechtigte Varianten des ė–a-Wechsels treten auf bei kēren (kārte) und lēren (lārte) im Md. und Südbair. (s. § V 12 und vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 101; Frnhd.Gr., § M 96, Anm. 3; Stårck 1912, 268f) sowie bei lėgen (lahte) (vgl. Zwierzina 1900c, 349, 358). Anm. 3:  ‚Rückumlautende‘ Verben sind im Konj.Prät. obd. umlautlos (dem gab der kvnic gewalt. ín allࠀ ‫܅‬inen landen. daz er rihter ‫܅‬atzet, BKön, 9va,14), im Md. dagegen tritt Umlaut ein (Da ‫܅‬prach der iude daz ime ein phant ‫܅‬ezte, PrFr, 9,22), s. § V 17. Anm. 4: Bei dėnken wurde das Prät./ ​Part.Prät. schon im Vorahd. ohne i/ ​j zw. Stamm und Dentalsuffix gebildet, die Durchführung des ahd. i-Umlauts unterblieb daher. Das Prät. dāhte resultiert aus dem Auftreten (vor)germ. Lautveränderungen (Primärberührungs­ effekt, germ. Nasalschwund mit Ersatzdehnung, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 11, L 66; ebenso: brāhte zu bringen). Im Mhd. liegt somit ebenfalls ein ė–a-Wechsel zw. Präs. und Prät. vor (vgl. Frnhd.Gr., § M 96, Anm. 1): Der Konj.Prät. weist Umlaut auf (ich rîete iv daz. daz ir ivch‫ ܅‬bedæhtet baz, Iw, 101v,22; 5254). Zum hier nicht einbezogenen bringen s. § V 172; Frnhd.Gr., § M 96, Anm. 4.

Ca. 60% aller mit Rückumlaut ė–a belegten Verben haben im finiten Prät. einen a-Anteil von über 80%. Der Stamm von ca. der Hälfte der hierher gehörenden Verben endet auf -nn oder -n + Kons. Im Part.Prät. ist der Anteil umgelauteter Formen deutlich höher als im finiten Präteritum: Nur ca. 20% aller mit ‚Rückumlaut‘ ė–a belegten Verben weisen einen a-Anteil von über 80% auf, der Stamm all dieser Verben endet auf -nn (1x -n + Kons.), 10 Verben haben im Part.Prät. keinen ‚Rückumlaut‘. Auch etliche Verben auf -n + Kons. haben im Part.Prät. niedrige ‚Rückumlaut‘-Werte. Der ‚Rückumlaut‘ ist signifikant gesteuert durch die Form (finit. oder Part.) (s. § V 72 u. V 77) sowie durch den Stammausgang des jeweiligen Verbs (s.  § V 73 u. V 77): Am häufigsten sind Prät.-Formen mit a bei Verben auf Doppelnasal (brėnnen, kėnnen, nėnnen, rėnnen, trėnnen), mit -n + Kons. (sėnden, wėnden) und mit -ll(stėllen, vėllen, ƶėllen) nachgewiesen, ihr Anteil liegt zwischen 80% und 95%; wobei jedes Lexem mit und ohne Umlaut vorkommen kann.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

791

Bei Verben mit anderen Stammausgängen sind unumgelautete Prät. mit a seltener nachgewiesen (max. 50% aller Präteritalbelege); umgelautete Belege mit ė überwiegen bei Verben mit -ƶƶ- (ergėƶƶen), -nk- (krėnken), -ck- (stėcken), -st- (mėsten) oder -rk(stėrken) (vgl. auch Stårck 1912, 12, 207, 265). Das Auftreten von umlautlosem Prät. mit a bezogen auf die gesamte Gruppe der Verben mit Vokalwechsel ė – a zeigt diachron weitgehende Stabilität: Bis 213 lässt sich eine leichte Zunahme nicht umgelauteter Prät. beobachten, danach erfolgt Stagnation oder leichter Rückgang. Hinsichtlich einer diatopischen Differenzierung kann nur im Part.Prät. eine regionale Verteilung ermittelt werden, die übrigen Prät.-Formen zeigen keinen entsprechenden Befund: Im Md. sind im Part.Prät. fast doppelt so häufig nicht umgelautete Formen belegt wie im Obd. (so auch Frnhd.Gr., § M 96; Habscheid 1997, 124; Hoffmann/ ​Solms (1987, 54); Stårck 1912, 169ff, 265). Anm. 5:  Die vier obd. Hss. aus 113 (Iw, Nib, Parz, Tris) zeigen mit 81,5% überdurchschnittlich häufig Umlautlosigkeit im Part.Prät. In Urkunden (ab 213) sind a-Formen deutlich seltener als in Prosa- und Verstexten belegt. Anm. 6:  Stårck, dessen Untersuchung erst um 1400 einsetzt, konstatiert für das Obd. im ‚klassischen Mhd.‘ einen konsequent durchgeführten ‚Rückumlaut‘ in den Präteritalformen (Stårck 1912, 162ff; anders Frnhd.Gr., § M 96: konsequente Stammvokalalternation im Ind. Prät. in beiden Sprachräumen); im Md. dagegen fehlten rückumgelautete Formen bereits im Ahd. Dieser weitgehend regelmäßige Zustand bleibe im Mhd. erhalten. Für das klassische Mhd. sind Stårck zufolge die obd. Verhältnisse, also das Überwiegen der a-Form, prägend. Das Eindringen md. umgelauteter Formen auch ins Obd. führt Stårck (1912, 3, 308) für das beginnende 14. Jh. an, wodurch am Ende des mhd. Zeitraumes eine dialektale Spaltung zutage tritt. Diese Annahme kann jedoch für die Texte des letzten Zeitraums des Grammatik-Korpus nicht bestätigt werden.

Das (unflektierte) Part.Prät. als Teil einer analytischen Verbform tritt im Mhd. wie auch schon im Ahd. mit Umlaut, die flektierte Form ohne Umlaut auf (s.  § V 72, Anm. 1), z. B. unflektiert gibrėnnit – flektiert gibranter. Ursache dieses Unterschiedes ist der Schwund des Nebensilbenvokals i/ ​j in der flektierten Form des Part.Prät., wodurch hier ebenfalls kein ahd. i-Umlaut auftritt. Anm. 7:  Die Erhaltung der umlautlosen Form ist offenbar durch die hohe Gebrauchshäufigkeit eines Verbs beeinflusst (Nübling u. a. 2013, 65ff). Ebenso trägt das Vorhandensein eines starken Verbs (mit a im Prät.), zu welchem das schwache Verb in einem kausativen Verhältnis steht, dazu bei (rėnnen  – rinnen; vgl. auch Frnhd.Gr., § M 96).

(2) ǟ – ā

Im Präsens zeigt sich bereits in 212 beim ‚Rückumlaut‘ ǟ  –  ā die bis zum Ende des Mhd. dann auch nahezu ausnahmslos erfolgende Umlautbezeichnung. Sie erfolgt im Bair. und Alem.-Bair. sowie in den vier hochhöfischen Texten aus 113 nahezu ausnahmslos durch ‹æ›, im Alem., Md. und auch Ofrk. ebenso dominierend durch ‹e›. Umlautunbezeichnete Formen zeigen sich nicht selten bis 113 im Bair. und Alem.-

V 80

792

VII. Verben

Bair. Die deutlich überwiegende bis ausschließliche Umlautbezeichnung ist nach 113 weitgehend fest. Im Prät. und Part.Prät. weisen von 17 ‚rückumlautenden‘ Lexemen (ausgewertet wurden auch alle Belege der jeweiligen Präfixbildungen) in 251 Präteritalbildungen 153  Belege ‚Rückumlaut‘ (‹a›) auf (ca. 60%). 98  Belege bilden das Prät. mit Umlaut (‹æ›/ ​‹e›): Angaben in Klammern: präteritale Belege ohne/ ​mit Umlautbezeichnung. (-)‌ǟhten (8/ ​5), ǟȥen (2/ ​2), (-)‌drǟjen (2/ ​0), ver-hǟlen (1/ ​0), (-)‌mǟren (1/ ​5), (-)‌nǟjen (3/ ​3), (-)‌offenbǟren (16/ ​6), (-)‌sǟjen (2/ ​7), (-)‌smǟhen (9/ ​14), be-swǟren (7/ ​26), (-)‌vǟlen (1/ ​1), vǟren (1/ ​5), wǟjen (2/ ​2), (-)‌wǟnen (91/ ​9), be-wǟren (3/ ​10), (-)‌wǟten (3/ ​3), verwǟȥen (1/ ​0).

Der Anteil ‚rückumgelauteter‘ Formen ā ~ a bei den Verben mit ǟ im Präs. ist geringer als bei den Verben mit ė-/ ​a-Wechsel. Eine deutliche Kennzeichnung des Vokal­wechsels ist vor allem beim frequentesten Verb (-)‌wǟnen festzustellen, das in 90% seiner Präteritalbelege ā ~ a aufweist (im Präs. steht überwiegend ‹æ› oder ‹e›). Bei allen anderen Verben liegt meist Umlautmarkierung im Prät. vor (‹e› ~ ‹æ›, z. B. v‘‫܅‬mæhten, DvATr, 82r,4), so dass der ursprüngliche Vokalwechsel ausgeglichen ist. Prät. mit ā sind häufiger im Obd. nachgewiesen. Auch hier ist der Anteil umgelauteter Formen im Part.Prät. höher als im finiten Prät. Anm. 1: In 114 ist ā ~ a zu ō ~ o in ca. 10% der Belege verdumpft, z. B. do wonte der íungeling daz di cleinoter zu cleíne weren, Hleb, 98v,19f (vgl. Stårck 1912, 5). Im Wmd. wird ab 213 ā graphisch z. T. als ‹ai› realisiert (dat die ‫܅‬vnden da mit [...] grois geaichtit w’den, Taul, 165r,7; zur Verdumpfung und zum rip. Dehnungszeichen vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 24, L 32).

Insgesamt ist für Verben mit ǟ-/ ​ā-Wechsel diachron tendenziell eine Abnahme der nicht umgelauteten Formen im Prät. charakteristisch. (3) ü – u (o) V 81

Im Präsens zeigt sich bei den Verben mit ‚Rückumlaut‘ ü  –  u eine Umlautbezeiche nung erst ab 213, insbesondere alem. und bair. (z. B. Wan daz ich furhte, Lieht, 10va,1; i r 158,2 oder vࠁ d’ [...] niht furhtet, PrSch, 242 ,9), nicht jedoch im alem.-bair. Übergangsraum. In 114 kommt Umlautbezeichnung im gesamten Obd. und Ofrk. schon häufig vor, jedoch bleibt die umlautunbezeichnete Verwendung vorwiegend. Im Präteritum und Part.Prät. weisen von 34 ‚rückumlautenden‘ Lexemen (ausgewertet wurden auch alle Belege der jeweiligen Präfixbildungen) in 1147 Präteritalbile dungen 63  Belege (ca. 5%) eine graphische Bezeichnung des Umlauts auf (‹ue› ~ ‹u› i ~ ‹u›), in 1084 Belegen findet sich keine Umlautbezeichnung (‹uo› ~ ‹u› ~ ‹o› ~ ‹ou›; ca. 95%). Da auch im Präs. der Umlaut erst vereinzelt bezeichnet ist, haben die nicht umgelauteten Belege keinen den im Präs. konsequent umgelauteten Verben vergleichbaren Aussagewert. Unbezeichnete Formen können ebenso für Umlaut wie für

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

793

‚Rück­umlaut‘ stehen. Im Part.Prät. ist der Anteil umgelauteter Formen höher als im finiten Prät.: Angaben in Klammern: präteritale Belege ohne/ ​mit Umlautbezeichnung. (-)‌antwürten (197/ ​15), bücken (2/ ​0), (-)‌drücken (43/ ​0), (-)‌dünken (101/ ​5), (-)‌dürsten (8/ ​0), er-gründen (2/ ​0), (-)‌gürten (26/ ​1), (-)‌knüpfen (3/ ​0), krümben (3/ ​0), (-)‌künden (67/ ​3), kürƶen (7/ ​2), (-)‌küssen (66/ ​0), ge-lüsten (13/ ​1), nüƶƶen (3/ ​0), pflücken (2/ ​0), (-)‌rücken (10/ ​0), (-)‌rüsten (3/ ​0), (-)‌schünden (4/ ​0), schürƶen (1/ ​0), (-)‌schüten (10/ ​2), (-)‌schüƶƶen (2/ ​0), smücken (3/ ​0), stürmen (2/ ​1), stürƶen (3/ ​0), trückenen (11/ ​0), urkünden (2/ ​1), (-)‌vrümen (3/ ​0), (-)‌vüllen (137/ ​15), (-)‌vürhten (110/ ​5), (-)‌wünschen (10/ ​0), (-)‌wirken/ ​würken (129/ ​1), (-)‌ƶücken (37/ ​0), (-)‌ƶünden (34/ ​5), (-)‌ƶürnen (30/ ​6). Anm. 1: Bei dünken, vürhten und wirken/ ​würken flektiert das Prät. bereits vorahd. ohne i/ ​j zw. Stamm und Dentalsuffix (Sg.Prät. ahd. dūhta, forhta, worhta), so dass auch hier alle Prät.-Formen ‚Rückumlaut‘ ausweisen sollten (vgl. Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 41; s. § V 71). e Die seltenen Umlautformen (bspw. Nv duht mich aín ríng díng, Hartw, 27r,10; M 1121; voe i ra rhte, Rapp, 118 ,46; 437; hat íeklich’ ‫܅‬ehs tage gewurket, NikP, 77ra,20) sind analogische Neubildungen.

(4) üe – ue

Im Präsens ist der Umlaut in ca. 30% der Belege graphisch bezeichnet (meist ‹ue› ~ e ‹u›). In 113 schlägt sich die Umlautbezeichnung vor allem in den hochhöfischen Texten nieder, danach im gesamten Obd. Auch in 114 wird der Umlaut noch eher sporadisch bezeichnet. Im Präteritum und Part.Prät. weisen von 24 ‚rückumlautenden‘ Lexemen (ausgewertet wurden auch alle Belege der jeweiligen Präfixbildungen) in 780 Präteritalbile dungen 74 Belege (ca. 10%) eine graphische Bezeichnung des Umlauts auf (‹ue› ~ ‹u›), in 706 Belegen findet sich keine Umlautbezeichnung (‹uo› ~ ‹u› ~ ‹o› ~ ‹ou›; ca. 90%). Da auch im Präs. der Umlaut erst vereinzelt bezeichnet ist, haben die nicht umgelauteten Belege keinen den im Präs. konsequent umgelauteten Verben vergleichbaren Aussagewert. Unbezeichnete Formen können ebenso für Umlaut wie für ‚Rückumlaut‘ stehen. Im Part. ist der Anteil umgelauteter Formen höher als im finiten Prät.:

V 82

Angaben in Klammern: präteritale Belege ohne/ ​mit Umlautbezeichnung. (-)‌blüejen (7/ ​1), blüemen (4/ ​1), (-)‌brüeten (2/ ​1), (-)‌büeȥen (24/ ​6), (-)‌diemüeten (13/ ​0), (-)‌diemüetigen (5/ ​0), grüeȥen (58/ ​4), küelen (1/ ​0), müeden (1/ ​0), müejen (21/ ​7), müeten (7/ ​0), (-)‌müeȥigen (2/ ​0), ōdmüetigen (5/ ​0), ge-/ ​bege-nüegen (8/ ​4), (-)‌rüegen (7/ ​3), (-)‌rüemen (17/ ​2), (-)‌süenen (20/ ​5), (-)‌trüeben (65/ ​5), ver-tüemen (6/ ​0), (-)‌vüegen (67/ ​7), (-)‌vüelen (2/ ​0), (-)‌vüeren (351/ ​26), wüelen (1/ ​0), (-)‌wüesten (8/ ​2), (-)‌wüeten (4/ ​0).

(5) ȫ – ō

Im Präsens zeigt sich bei den Verben mit ‚Rückumlaut‘ ȫ – ō bis zum Ende des Mhd. nur selten und erst ab 113 eine als Umlautbezeichnung zu wertende Graphie, so in

V 83

794

VII. Verben e

e

der 3.Sg.Konj.Präs.: gehone, Parz, 147a,30; 514,17, 1.Sg.Ind.Präs.: krone, Türh, 104va,53; e 16696, im Inf.: bekronࠀ, PrSch, 124v,2. Ohne Umlautkennzeichnung auch noch in 114 etwa in der 3.Pl.Präs.: cronen, PrRei, 22a,13, im Inf.: chronen, Elis, 213r,12; 10168, kronࠀ, GnaÜ, 19,15 u. 37,08, fronen, Elis, 213r,11; 10167. Im Präteritum und Part.Prät. weisen von 17 ‚rückumlautenden‘ Lexemen (ausgewertet wurden auch alle Belege der jeweiligen Präfixbildungen) in 990 Präteritalbile dungen 70 Belege (ca. 7%) eine graphische Bezeichnung des Umlauts auf (‹oe› ~ ‹o›), in 920 Belegen findet sich keine Umlautbezeichnung (‹o› ~ ‹ô›; ca. 93%). Da auch im Präs. der Umlaut erst vereinzelt bezeichnet ist, haben die nicht umgelauteten Belege keinen den im Präs. konsequent umgelauteten Verben vergleichbaren Aussagewert. Unbezeichnete Formen können ebenso für Umlaut wie für ‚Rückumlaut‘ stehen. Im Part. ist der Anteil umgelauteter Formen höher als im finiten Prät.: Angaben in Klammern: präteritale Belege ohne/ ​mit Umlautbezeichnung. bȫsern (0/ ​1), grȫȥen (4/ ​0), (-)‌hȫhen (56/ ​6), hȫnen (7/ ​1), (-)‌hȫren (452/ ​24), (-)‌krȫnen (30/ ​2), (-)‌lȫsen (211/ ​15), (-)‌nȫten (8/ ​1), rȫsten (1/ ​1), rȫten (1/ ​0), schȫnen (1/ ​0), (-)‌stȫren (24/ ​2), be-/ ​ er-/ ​ver-tȫren (3/ ​1), (-)‌tȫten (36/ ​9), (-)‌trȫsten (83/ ​7), vlȫȥen (2/ ​0), vrȫlīchen (1/ ​0).

(6) ǖ – ū V 84

Unter diese Gruppe fallen Lexeme unterschiedlicher Herkunft, die in den mhd. Hss. dieselbe Erscheinungsform haben: Verben auf alten Diphthong iu (dǖten, lǖhten, stǖren, ahd. thiuten, liuhten, stiuren) haben ebenso wie Verben auf ū (brǖten, lǖtern, trǖten, ahd. brūten, [h]lūtt(a)ren, triuten) im Lemmaansatz die umgelautete Form ǖ, die sich jedoch in den Hss. als ‹u› ~ ‹iu› ~ ‹eu› ~ ‹uo› niederschlägt. Die sehr häufige Schreibung ‹u›, mit der sowohl der Diphthong iu als auch der Umlaut ǖ bezeichnet ist, wäre als Interpretation eines ‚Rückumlautes‘ nur für die Verben auf -ū- lautlich berechtigt, die Verben auf -iu- hätten sich hier analog angeschlossen. Als Umlaut­ e bezeichnung können die Schreibungen ‹ui› ~ ‹u› ~ ‹ue› gewertet werden. Sie sind sowohl im Präs. als auch im Prät. gleich häufig und marginal (meist unter 10%), so dass ein eventueller ‚Rückumlaut‘ nicht zu erweisen ist, da unbezeichnete Vokale ebenso für den graphisch nicht realisierten Umlaut stehen können. (7) öu – ou

V 85

Da die Bezeichnung des Umlautes öu (eu, öi) nur in wenigen Verben (dröuwen, ströuwen, vröuwen) und meist nur im Md. (ge-/ ​er-löuben, ƶöubern, töufen, köufen, göukeln, löug(en)en) überhaupt zu erwarten ist und sich diese in den Hss. nur in sehr wenigen Fällen in der Schrift niederschlägt, kann aus der Überzahl der unbezeichv v neten Fälle (bei vröuwen z. B. ‹ou› ~ ‹o› ~ ‹ow› in 85% der Belege) nicht auf ‚Rückumlaut‘ geschlossen werden.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

795

Nur bei den Umlautbezeichnungen e – a und ǟ – ā, die im Prät. mit ca. 60%–70% in den Hss. graphisch markiert sind, kann für die Erscheinung ‚Rückumlaut‘ überhaupt eine Aussage getroffen werden. Alle anderen Umlautgraphien treten erst im Verlauf des Mhd. in Erscheinung, im Präsens ebenso wie im Präteritum, so dass unmarkierte präteritale Formen ebenso für unmarkierten Umlaut wie für lautlich bedingten ‚Rückumlaut‘ stehen können. Lit.: Ahd.Gr.I, § 26, 40, Anm. 3, § 357ff; Frnhd.Gr., § M 96; Gr.d.Frnhd.IV, § 160.1; Grimm, Dt.Gr.I, 788; Grosse (2000a, 1335); Habscheid (1997, 124); W. Hoffmann (1979); Hoffmann/ ​ Solms (1987, bes. 53ff); Nübling (2013, 65ff); Paul, Mhd.Gr., § M 89; v. Sobbe (1911); Solms (2004, 1687); Stårck (1912); Weinhold, Mhd.Gr., § 101, 383f; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 41, 43f; Zwierzina (1900c).

2.4. Stammflexivik starker Verben 2.4.1. Präsensflexion, Stammvokal

Der Präsensstamm starker Verben, der zugleich den lexischen Stamm ausdrucksseitig realisiert (s.  § E 3), kann aufgrund der Wirkung von z. T. bis weit in die vordt. Zeit zurückreichenden regelhaften modifikatorischen Lautwandelprozessen (u. a. germ. i-Umlaut) positionsgebunden verändert sein: In solchen Fällen morphologischer Varianz ist ein ‚sekundärer‘ Präsensstamm von dem den lexischen Stamm realisierenden ‚primären‘ Präsensstamm zu unterscheiden. Bei allen starken Verben mit invariantem Präsensstamm (z. B. stv. I) ist die Unterscheidung ‚primär‘/ ​‚sekundär‘ irrelevant. Von den Fällen morphologischer Varianz sind alle Fälle phonologisch bedingter Varianz (Kontraktion) analytisch zu trennen. Modifikatorische Prozesse, die in der mhd. Synchronie eine Varianz des Präsensstammes bewirken, verweisen einerseits in die Früh- und auch Vorzeit der deutschen Sprachgeschichte (u. a. germ. i-Umlaut), sie gehören andererseits dem Mhd. selbst an (so bei posi­ tionsgebundenen Kontraktionen). Eine solch unterschiedliche Varianz ist auch analytisch zu trennen. Denn die bereits aus dem Ahd. ererbte und im Mhd. schon grammatikalisierte oder im Prozess der Grammatikalisierung befindliche Varianz erweist für das Mhd. den synchronen Status einer morphologischen Varianz, wohingegen die mhd. auftretende und nurmehr phonologisch verursachte Varianz (Kontraktion) eine solche morphologische ­Varianz nicht begründet; insofern es sich in allen Fällen jedoch synchron um eine jeweils positionsgebundene Varianz handelt, die hinsichtlich ihrer Verursachung in unterschiedlicher Weise überlagert sein kann, müssen hier alle Fälle positionsgebundener Varianz thematisiert werden. Insofern sich in einzelnen Fällen positionsgebundener Kontraktionen auch Ansätze einer Morphologisierung zeigen, sind alle Fälle auch solch phonologischer Kontraktion mit zu berücksichtigen. Stammvokalische Varianz und Invarianz korrelieren nur z. T. mit der Klasseneinteilung der starken Verben, so dass innerhalb einer Klasse sowohl Verben mit invariantem Präsensstamm als auch Verben mit sekundärem Präsensstamm vorkommen können: Denn insofern die modifikatorischen Prozesse sowohl hinsichtlich ihres regelhaften Verlaufs als

V 86

796

VII. Verben

auch hinsichtlich etwaiger Ausnahmen historisch an bestimmte und nicht auf alle Verben einer Klasse zutreffende phonologische Bedingungen gebunden waren, kann es innerhalb einer Klasse zu einzellexematischen Sonderentwicklungen (z. B. innerhalb der Klasse IV komen) wie auch zu unterschiedlichen Gruppenbildungen kommen (z. B. stammvokalische Invarianz der Verben mit Stammvokal ū oder auch ǖ innerhalb der ansonsten zwischen primärem und sekundärem Präsensstamm unterscheidenden Verben der Klasse II; z. B. invariante j-Präsentien innerhalb der ansonsten zwischen primärem und sekundärem Präsensstamm unterscheidenden Verben der Klasse V). Anm. 1:  Bei einer Reihe von starken Verben ist das Präs. ursprünglich mit einem j-haltigen Suffix gebildet. Das j ist historisch geschwunden, hat aber Wirkungen auf den Stammvokal (Wandel germ. *e > *i, im frühen Ahd. Umlaut in e) und teilweise auch auf den auslautenden Konsonanten (Gemination) hinterlassen: got. hafja, ahd. heffu ,hebe‘ mit Umlaut (Paul, Mhd.Gr., § L 16) und Konsonantengemination (Paul, Mhd.Gr., § L 61), die mhd. durch Ausgleich beseitigt ist. Hierher gehören aus Klasse V biten (got. bidjan), siƶƶen (anord. sitja), ligen (anord. liggja); aus VI hėben (got. hafjan), entsėben ,wahrnehmen‘, schėpfen (got. ga-skapjan), swėrn (swėrigen; anord. sverja); aus VII ėrn (got. arjan). Die Flexion ist wie die eines sw. Präs. der ersten Klasse, also Imp. bite usw. Anm. 2:  Ursprünglich hatten weitere Verben die Erweiterung mit j. So stehen neben ruefen (s. § V 115) und wuefen ,schreien‘ die Präsentien rüefen (ahd. hruofen) und wüefen (ahd. wuofen, as. wo-pian), zu denen aber, nach Analogie der sw. jan-Verben, sw. Prät. gebildet wurden. V 87

Die bei Vorliegen bestimmter phonologischer Bedingungen synchron möglichen Kontraktionsformen treten in allen Klassen auf (zur Kontraktion s. besonders § V 220f). Sekundäre Tempusstämme ergeben sich aufgrund der folgenden und z. T. lange vor dem Mhd. vollzogenen modifikatorischen Lautwandelprozesse: –– Stammvokalalternation aufgrund des germ. i- und a-Umlauts: Bereits in germ. Zeit wurden *e > *i und *eu > *iu vor i, j (vorahd. dann auch vor u) der Folgesilbe gehoben (germ. i-Umlaut); andererseits wurden germ. *u > *o und *eu > *eo (> mhd. ie) vor a, e, o der Folgesilbe gesenkt (germ. a-Umlaut) (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 7f, L 10). Infolgedessen alternieren –– bei den starken Verben der Klasse II (z. B. ƶiehen) ǖ (Sg.Ind.Präs., 2.Sg.Imp.) und ie (alle übrigen Präs.-Formen, Inf.), –– bei den starken Verben der Klassen IIIb (z. B. węrfen), IV (z. B. nęmen) und V (z. B. gęben) i (Sg.Ind.Präs., 2.Sg.Imp.) und ę (alle übrigen Präs.-Formen, Inf.). Starke Verben mit Stammvokal ę (IIIb hęlfen, IV nęmen, V gęben) wechseln demgemäß im Sg.Ind.Präs. und 2.Sg.Imp. zu i (ich hilfe, du hilfest, ęr hilfet, hilf), alle anderen Präs.-Formen bewahren ę (wir hęlfen, Konj.Präs. ich hęlfe). Ebenso verhält es sich bei den starken Verben mit Stammvokal ie (II biegen), die im Sg.Ind.Präs. und 2.Sg.Imp. Stammvokal ǖ haben (ich bǖge, du bǖgest, ęr bǖget, bǖc), alle anderen Präs.-Formen bewahren ie (wir biegen, Konj. Präs. ich biege) (vgl. Joesten 1931, Teuchert 1931/ ​32, 117).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

797

–– Stammvokalalternation aufgrund des ahd. i-Umlauts: Bereits im Ahd. fand eine partielle Assimilation (‚Palatalisierung‘) der nicht-palatalen Vokale (a, o, u) an die palatalen Vokale i, ī, j der unbetonten Folgesilbe statt (Paul, Mhd.Gr., § L 16, Ahd. Gr.I, § 51). Infolgedessen können bei den starken Verben mit umlautfähigem Stammvokal die 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mit allen übrigen Präs.-Formen alternieren, so bei den stv. VI mit Primärumlaut a > ė: ich vare, du vėr(e)st, ęr vėr(e)t. Anm. 1:  Die in der Flexion zwischen 1.Sg.Ind.Präs. und 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. der stv. VI und VII vorliegende Alternation des Stammvokals gilt als ,Wechselflexion‘ (Nordström 1911, 103; der Begriff ist als Terminus zur Bezeichnung des Stammvokalwechsels im Präs. geläufig geworden), die im Md. möglicherweise als Muster einer analogen Regelung auch bei den stv. II–V (Wechsel ę – i oder ie – ǖ) gedient hat. Eine konsequente durch Umlaut geleistete Wechselflexion liegt jedoch im Mhd. noch nicht vor: Sie ist ,gewöhnlich‘ und noch ,nicht strenge Regel‘ (Weinhold, Mhd.Gr., § 351), es liegt eine große Anzahl von Ausnahmen und Schwankungen vor. Anm. 2:  Der Umlaut unterbleibt zuweilen  – auch abgesehen von den Fällen, in denen er durch die folgenden Konsonanten ‚gehemmt‘ wird  – in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. der stv. VII. Hier zeigt sich, dass der Umlaut noch nicht gänzlich grammatikalisiert ist, was dann eine auch eindeutige ausdrucksseitige Markierung erforderte. So ist der Umlaut bevorzugt bei stv. VI bezeichnet, bei denen der Primärumlaut ė im Ahd. eintreten konnte (s.  § V 106). Bei ausdrucksseitig umlautloser Form ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Umlautlosigkeit oder aber nur Unbezeichnetheit des Umlauts vorliegt (zum Umlaut und zur Umlautkennzeichnung s. § V 11f).

Die schließlich im Frnhd. (Frnhd.Gr., § M 97) vollständig herausgebildete und analog zum Präs.-Umlaut funktionierende ,Präs.-Wechselflexion‘ auch bei den stv. I–V (1.Sg. Ind.Präs. ich biete, hęlfe vs. 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. du bǖtest, hilfest; ęr bǖtet, hilfet) ist landschaftsbezogen bereits im Mhd. angelegt (mfrk. mit landschaftstypischer Flexions­ endung -en: ich beuėlen, spręchen, vliehen, zu mfrk. -en s. § V 44). –– Stammvokalvokalalternation aufgrund positionsgebundener Kontraktion: Bei einer Vielzahl starker Verben kommt es zu Kontraktionen (u. a. ige > ī, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 76), die oft positionsgebunden in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. auftreten, z. B. 3.Sg.Ind.Präs. lit (Nib, 52v,8; 1368,1) neben unkontrahiertem Inf. ligen (Nib, 5r,20; 114,1) oder unkontrahierter 3.Sg.Konj.Präs. gelige (Nib, 5r,24; 115,3), s. § V 220f (zum Vorkommen in hochfrequenten Paradigmenpositionen vgl. Nübling 1995, 130). Solche positionsgebunden auftretenden Kontraktionen führen ausdrucksseitig zu einem der ‚Wechselflexion‘ ähnlichen Verhalten. Anm. 3:  Bei Verben mit primärem und sekundärem Präsensstamm ist hinsichtlich einer Beurteilung der 1./ ​2.Sg. eine eindeutige Modus- und d. h. konkret die Identifizierung einer jeweiligen Konj.-Form unabdingbar. So ist die 1.Sg.-Form gebiete (Pass, 87 va,24; 14,126) nur insofern als frühes Indiz einer Wechselflexion auszuweisen, als es sich hier um eine Form des Ind. handelt (in der mhd. und landschaftskonform durchaus u erwartbar wäre, i. e. *gebute). Doch stellt sich das Problem der eindeutigen Modusidentifizierung besonders im abhängigen Nebensatz, in dem sowohl Ind. als auch Konj. möglich sein können; die jewei-

798

VII. Verben

lige Entscheidung berücksichtigt den Textusus sowie den für das Mhd. erkennbaren Zusammenhang zwischen Konjunktiv-Gebrauch und bestimmten Typen von Konjunktionalsätzen (vgl. Mihajlović 2017) sowie auch die Einsicht in den bei Konstruktionen mit futurischer Bedeutung häufigeren Konjunktiv-Gebrauch. Zur Stammvarianz aufgrund des Gramm. Wechsels s. § V 159, zur konsonantischen Varianz des Präsensstammes von backen/ ​bachen (Hinweis auf Vorhandensein eines früheren Präs.Suffixes -n; vgl. Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 4) und dem darin aufscheinenden Zusammenhang zur Ausbildung eines sekundären Präsensstammes s. § V 106 (backen mit Umlaut-Wechselflexion, bachen ohne Wechselflexion).

Der primäre Präsensstamm bildet den Inf., das gesamte Präs. (einschließlich Konj. Präs., Imp., Part.Präs.), sofern kein sekundärer Präsensstamm vorliegt. Ein sekundärer Präsensstamm liegt vor bei Alternationen des Präs.-Stammvokals (Sg.Ind. bzw. 2./ ​3.Sg.Ind. vs. alle anderen Positionen des Präs.-Paradigmas). 2.4.1.1. Starke Verben Klasse I V 88

Der Präsensstamm der stv. I hat Stammvokal ī (graphisch vorwiegend als ‹i›, daneben e auch ‹î›, in 213 selten ‹ı›, in Ausnahmen omd. auch ‹ie› sowie mfrk./ ​omd. ab 213 auch ‹y›, mfrk. ab 213 auch ‹ij›) bzw. nach erfolgter Diphthongierung (selten ab 213, bair./ ​ ofrk. häufig in 114) ae (vgl. Frnhd.Gr., § L 31; V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 77) (graphisch zumeist ‹ei›). Neben den nurmehr graphischen Varianten treten wenige Besonderheiten auf, die auf vorgängige mdal.-lautliche Verursachung oder auch graphische Unsicherheit hindeuten können: Seltene Digraphien ‹ei› oder ‹ey› im Rhfrk.-Hess./ ​Mfrk. ab 213 (2.Pl.Imp.: beident, Himlf, 229,9; 1139; 2.Sg.Imp.: ‫܅‬weych, Taul, 96r,4 und ‫܅‬weich, Taul, 165v,20) entsprechen Senkungs-ē (vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 40, L 18, L 48). Allein in Diet (bair., 213) treten mehrfach e e Schreibungen ‹ı› auf (u. a. 3.Pl.Präs. rıten an, Diet, 84ra,48; 6396; daneben vorwiegend ‹i› und auch bereits ‹ei›), die auf Unsicherheit in der Realisierung des neuen Diphthongs deuten. Eine solche Unsicherheit mag auch verantwortlich sein für umgekehrte Schreibung ‹ie› in Beliebe (1.Sg.Ind.Präs.: MMag, 13r,14; 470, daneben vielfach ‹ei› in der Hs.). Eine solch ‚umgekehrte Schreibung‘ zeigt ebenfalls die ofrk. Hs. Renn (114; 3.Sg.Ind.Präs.: ‫܅‬chriet, 155va,28; 24454 u. ö.). Für Unsicherheit spricht eine isolierte Schreibung waich (1.Sg.Präs.: MMag, 12r,7; 427), die nach V. Moser als ‚reines Schreibversehen‘ gewertet werden kann (V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 77). In 3.Pl.Ind.Präs. fliezint (TrHL, 5r,15) und ‫܅‬wiegin (TrHL, 5r,19) wird, gemessen am Graphiegebrauch der Hs. (‹ie› für ie), „vocalischer Nachschlag hinter î“ anzunehmen sein (Weinhold, Mhd.Gr., § 104). In verzeihe (3.Sg.Konj.Präs.: PrPa, 311,4) ist Verschreibung anzunehmen (in der Hs. ‹ei› neben auch ‹ai› für ėi, ansonsten handelte es sich um einen singulären Beleg für den neuen Diphthong).

2.4.1.2. Starke Verben Klasse II: Stammvokalalternation iu – ie V 89

Die starken Verben II haben im (primären) Präsensstamm ie (bieten), iu (kiuwen, landschaftlich auch ‹ui›/ ​‹oi› oder ‹û›) oder ū (sūfen); Stammvokalalternation (Sg.Ind.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

799

Präs. vs. Pl./ ​Konj.) und die noch seltene Wechselflexion (1.Sg.Ind.Präs. vs. 2./ ​3.Sg. Ind.Präs.) tritt allein bei den Verben mit primärem Präsensstamm-ie auf. Die bereits ahd. Stammvokalalternation erklärt sich durch phonemkombinatorisch bedingte lautliche Auseinanderentwicklung des germ. noch gemeinsamen Stammvokals *eu. Lexembezogene und d. h. in allen Paradigmenpositionen des Präs. auftretende Kontraktionen zeigen vliehen und ƶiehen. Anm. 1:  Bei germ. *eu findet vorahd. aufgrund unterschiedlicher phonemkombinatorischer Bedingungen eine Phonemspaltung statt: a) Vor i, j, u in der Folgesilbe (im Sg.Ind.Präs.) sowie auch vor w (z. B. wgerm. *keww-a-, vgl. Kluge/ ​Seebold, EWB, s. v. kauen) wird germ. *eu durch ‚Hebung‘ (Paul, Mhd.Gr., § L 10 sowie besonders § L 44) des ersten Bestandteils zu *iu entwickelt; nach Umlautung zu *iü (vor i, j) und ahd. Monophthongierung (ǖ) findet sich hier in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mhd. ǖ (bei Erhalt von Graphie ‹iu›), in der 1.Sg.Ind. Präs. ū. Eine besondere Entwicklung hatte sich jedoch vor w ergeben, hier blieb im Alem./ ​ Bair. der Diphthong „erheblich häufiger“ nicht-umgelautet und hat sich „als eigener Diphthong“ (ui, oi) weiterentwickelt (Paul, Mhd.Gr., § L 44). Zugleich wurde auch im nordwestl. Alem, im gesamten Wmd. und einem Großteil des Omd. der Umlaut des iu vor w verhindert, so dass die spätahd. Monophthongierung hier ū erbrachte. Insofern muss bei den Verben mit stammschließendem w (1) im nordwestl. Alem., im Wmd. und auch Omd. mit ū gerechnet werden und (2) im Alem./ ​Bair. im Inf. mit weiterentwickeltem Diphthong: (2a) z. B. Inf. trūwen, 1.Sg. trūwe, 2.Sg. trūwest, 3.Sg. trūwet; (2b) z. B. Inf. triuwen und truiwen, 1.Sg. triuwe und truiwe, 2.Sg. triuwest und truiwest, 3.Sg. triuwet und truiwet; b) Vor a, e, o der Folgesilbe (d. h. im gesamten Präs.) wird germ. *eu durch ‚Senkung‘ (Paul, Mhd.Gr., § L 10) des zweiten Bestandteils zu *eo entwickelt; nach ahd. Fortentwicklung (> io, ie) findet sich hier mhd. ie. Die ahd. Entwicklung zeigt jedoch, dass die Phonemspaltung nicht in allen hochdeutschen Sprachgebieten gleichermaßen erfolgte: „in frk. Dialekten durchweg (‚fränkische Regel‘)“ (auch Nordbair./ ​Oberrhein.), im Obd. (Alem./ ​Bair.) nur vor Dental oder germ. */χ/ (Paul, Mhd.Gr., § L 44). Damit wird die Differenzierung der stv. II (solche mit Ablaut biegen  – bouc, als stv. IIa und solche mit Ablaut bieten  – bōt, als stv. IIb, s. § V 125) im Ahd. zusätzlich qualifiziert: In IIa steht frk. z. B. liogan (‚lügen‘) neben obd. liugan, in IIb gilt z. B. siodan im gesamten Sprachraum (Ahd.Gr.I, § 333f).

(1) Verben mit ie

Stammvokal des primären Präsensstammes der stv. IIa/ ​IIb ist weit überwiegend Diphthong ie bzw. durch Monophthongierung entstandenes ī (graphisch als ‹ie› ~ ‹îe› e ~ ‹ı› ~ ‹i› ~ ‹y›); mfrk./ ​hess. ab 113 auch ē (graphisch als ‹ey› ~ ‹ei›; Senkung des aus der Monophthongierung entstandenen offenen ī, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 48). Die noch ahd. in IIa gegebene frk./ ​obd. Unterscheidung (frk. liogan zu obd. liugan, s. § V 89, Anm. 1) ist im Mhd. weitgehend aufgehoben, obd. ǖ erscheint nurmehr äußerst selten und zudem bei Lexemen sowohl aus IIa wie aus IIb. Es kann ǖ im Alem./ ​Bair. in relikthafter Fortsetzung ahd. bezeugter Verhältnisse bei stv. IIa handschriftenbezogen noch selten vorkommen, zudem kann ǖ bei stv. IIb gelegentlich aus dem Sg.Ind.Präs. übertragen sein, so dass eine eindeutige Erklärung kaum zu geben ist; allerdings erweist der jeweilige Usus einer Handschrift, dass die landschaftliche ahd.

V 90

800

VII. Verben

Differenzierung innerhalb der stv. IIa teilweise im Bair. lebendig geblieben ist. Solche Formen aus IIa kommen vor in Wind (3.Pl.Ind.Präs. betriugen, 91r,3 und riuchent, 199v,9; zu triegen s. Anm. 2, daneben bair. zeitgleich Inf. ‫܅‬lieffen, Phys, 135r,9) und Diet (Inf. trivgen, 63rb,18; 2384, dagegen u. a. Inf. vliegen, 84vb,14; 6506; zu triegen s. Anm. 2); auf vorgängiges ǖ mit erfolgter Diphthongierung verweist der Inf. zevhen (MMag, 33r,4; 1028). Solche Formen aus IIb kommen vor in DvATr (3.Pl.Ind.Präs. geflivzzent, 37r,5, dagegen u. a. zefliezzent, 68v,14) und Spec (3.Pl.Ind.Präs. chv‫܅‬int, 69r,16, dagegen 2.Pl.Imp. vliehit, Spec, 82r,8). Eine auffällige Besonderheit zeigt die alem. Hs. TrHL u. a. bei bieten, vliehen, ƶiehen (stammfinal -h und -t, stv. IIb), insofern ‹ê›, ‹e› oder auch häufig ‹ei› erscheinen: u. a. Inf. smêgin (5r,16), nephelehen (zu entvliehen, 101v,12), zehin (10r,16), 1.Pl.Ind.Präs. beitent (1r,19). Weinhold (Mhd.Gr., § 131) findet in bair. wie alem. Hss. statt erwartbaren ie „mitunter ei“ und sieht darin einen „Schwebelaut zwischen e und i“ (die alem. Hs. TrHL ist wohl nach bair. Vorlage entstanden, s. § E 16 zu TrHL). Anm. 1:  Bezüglich des stv. ƶiehen ist nicht immer eindeutig, ob eine Wortform evtl. dem swv. ƶęchen (‚befördern, schicken‘) zuzuordnen ist. Dies scheint im Inf. zechen (WüPo, 251va,2 u. 245rb,30 sowie zechin, LEnt, 164v,4; 44,14) gegeben. Anm. 2: In liegen, triegen ist eine durch mögliche Anlehnung an das Substantiv bzw. durch Reimwortbildung entstandene und ins Nhd. durchgesetzte Verbform lǖgen, trǖgen (Paul, Mhd.Gr., § L 48.4, Frnhd.Gr., § M 103) erst spät und in wenigen Ausnahmen angezeigt (3.Sg.Konj.Präs. luge, Lupo, 234rb,6; 4,31; Inf. trivgen, Diet, 63rb,18; 2384; 3.Pl.Ind.Präs. betriugen, Wind 91r,3).

Bei nur wenigen Ausnahmen besteht im gesamten Mhd. eine Stammvokalalternation zwischen einerseits den Formen des Sg.Ind.Präs./ ​Imp. (ǖ, seit der Mitte des 13. Jh.s bair./ ​ofrk. auch diphthongiert eu oder auch au) und andererseits den übrigen Paradigmenpositionen des Präs. (primärer Präsensstamm); vereinzelte obd. Belege zeigen eine erste Auflösung der Alternation und damit die Aufgabe des sekundären Präsensstamms seit der Mitte des 13. Jh.s (ie oder ī des primären Präsensstamms erscheint in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. oder auch im Sg.Imp.). Eine Wechselflexion der 1. vs. der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ist besonders im Omd. schon seit dem frühen 13. Jh. angelegt und dort im frühen 14. Jh. etabliert; eine sich ausbreitende Entwicklung setzt wesentlich erst im Frnhd. ein (Frnhd.Gr., § M 97). Sg.

Pl.

Ind.

Konj.

1.

ǖ, ū

ie, ī, ē

2.

ǖ, ū

ie, ī, ē

3.

ǖ, ū

ie, ī, ē

1.

ie, ī, ē

ie, ī, ē

2.

ie, ī, ē

ie, ī, ē

3.

ie, ī, ē

ie, ī, ē

Inf.

ie, ī, ē

Part.Präs.

ie, ī, ē

Imp. ǖ, ū

ie, ī, ē

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

801

Ausnahmen einer Verwendung von ie oder ī im Sg.Ind. zeigen sich in wenigen Hss. weit vorwiegend des Bair., des Alem. und des alem.-bair. Übergangsraums nach einem ersten Hinweis schon in 212 (3.Sg.Ind.Präs. inbietit, LEnt, 177 v,28; 54,4 zu 4  Belegen mit ‹iv›, ‹u›; o so auch ‫܅‬iechet, TrHL, 54va,2) häufiger ab 213: Bart (zu 61  Belegen mit ‹iv›, ‹iv›, ‹v› sowie auch Diphthong nevz, 3va,14 u. ö.) mit 2.Sg.Imp. gieze (10va,10), ‫܅‬ide (3ra,15 und 18r,19), ‫܅‬íede (6vb,22), StBA mit 3.Sg.Ind.Präs. biëtet (71va,15 zu 10  Belegen mit ‹iu›, ‹iv›), Baum mit 3.Sg.Ind.Präs. verziht (176v,8 zu 13  Belegen mit ‹iu›, ‹iv›); zum Sg.Imp. vgl. flík (< vliegen, *PrFrT35, 6v,24), uerli‫*( ܅‬Kchr V, 12484), ‫܅‬iede (*BvgSP, 156va,12; 157 vb,1; 163vb,11; 165rb,5). Außerhalb des Obd. zeigen die 2.Sg.Ind.Präs. (mit futurischer Bedeutung) inflies (OxBR, 4r,32) und die 3.Sg.Ind.Präs. flihet (AlxS, 1526; so auch liesit, *PrKöln, 48,39) die Möglichkeit schon auch im Md. an. Anm. 3:  Die mhd. Verhältnisse eines sekundären Präsensstammes bleiben in wenigen Verwendungen bis in das Nhd. hinein dokumentiert, in der älteren deutschen Dichtersprache haben sich noch Formen wie kreucht, fleugt, fleucht für ,kriecht‘, ‚fliegt‘, ‚flieht‘ erhalten (Grimm, DWB, s. v.). Erste Hinweise auf eine md. schon häufiger genutzte Möglichkeit der Wechselflexion zeigen Formen der 1.Sg.Ind.Präs. mit ie oder ī in 113 in VatG (flihen, 112v,2) sowie GRud (geníeze, 26,25; 26,54; vorlie‫܅‬e, 8,17); es sind die in beiden Hss. einzigen Formen der 1.Sg.Ind.Präs., daneben kennt RhMl jedoch nur u. a. ruchen (40r,17; 2265). Als variante und handschriftenbezogene Möglichkeit noch in 213 (zie, AthP, 1rb,38; 1,80; daneben gebivte in PrM, c2rb,2) wird die Wechselflexion dann im Omd. zu 114 hin fest (gebyte, BeEv, 118r,26; gebiete, Pass, 87 va,24; 14,126; weitere Formen der 1.Sg.Ind.Präs. sind nicht belegt).

(2) Verben mit iu

Für Verben mit Stammvokal iu (bliuwen, briuwen, kiuwen, niuwen, riuwen) ist eine Stammvokalalternation nicht belegt, in einer deutlichen Landschaftsdifferenzierung zeigt der Präsensstamm obd. vorwiegend iu (graphisch ‹iu›, ‹iv› und besonders ‹iw›) und md. ū; im (östl.) Ofrk. zeigt sich bereits Diphthongierung (3.Sg.Ind.Präs. gereue wet, Renn, 75rb,6; 11502) und somit vorgängig iu (so wohl im Inf. bruwen, WüPo, 240rb,14, im westl. Ofrk.). Anm. 1:  Der ahd. Umlaut iu > iü (s.  § V 89, Anm. 1) „wurde im nordwestl. Alem., im gesamten Wmd. und einem Großteil des Omd. durch folgendes w [...] verhindert“ (Paul, Mhd.Gr., § L 44). Die ahd. Monophthongierung führte bei der Gruppe der w-stammauslautenden Verben im Md. somit zu ū. Anm. 2:  Weinhold (Mhd.Gr., § 125) sieht bei den stv. mit thematischem w wechselnd die „schweren u-Laute d. i. û, iu, ou“ wie z. B. rūwen, riuwen, rouwen mit bair. Bevorzugung des -ouw- und alem. mit -ūw- oder -iuw-. Dies ist wohl nur in wenigen Ausnahmen anzunehmen.

Die obd. vorwiegende Realisierung mit vokalisch initialem ‹i› (in ‹iw›, u. a. auch in ‹iu›, ‹iv›) erweist vorwiegend iu; auf ū oder auch Diphthong ui (s.  § V 89, Anm. 1) weisende Ausnahmen zeigen sich (nur selten vor dem 13. Jh.) u. a. im Inf. ruwen (Mar, 48v,8; 2797) sowie der 2.Sg.Präs. ruw‫( ܅‬ZwBR, 7r,1), rvi‫܅‬t (MMag, 7r,3; 247) und

V 91

802

VII. Verben i

3.Sg.Präs. ruwet (NikP, 51va,11). Im Md. erscheint durchgehend ‹u› (seltener auch u. a. o als ‹v› ~ ‹ue› ~ ‹u›), in seltenen Fällen in 213 auch zum Obd. weisendes rívet (*Freid, 935) oder rívwet (*Freid, 1078 u. ö.); die hier  – gemessen an der üblicherweise sonst häufigen ‹v›-Graphie  – nur seltene Verwendung von ‹v› erklärt sich als graphische Disambiguierung zum stammvokalfolgenden ‹w›. (3) Verben mit ū V 92

Verben mit Stammvokal ū (lūchen, snūden, sūfen, sūgen, tūchen) zeigen keine Stammvokalalternation, der Präsensstamm hat ū, ab 213 mit möglicher Diphthongierung im o Bair. (Bart u. a. mit Inf. ‫܅‬ovgࠀ, 15vb,19, ‫܅‬ovfen, 5va,28 und ‫܅‬v fen, 15ra,22) und in 114 im Ofrk. (3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬navdet, Renn, 3vb,24; 366). Anm. 1:  Der Stammvokal ū erklärt sich als Dehnung der Schwundstufe (Ahd.Gr.I, § 333, Anm. 3); Weinhold (Mhd.Gr., § 130) sieht „frühe Vereinfachung von iu“, die „in alem. und bair. Hss. [...] nicht selten gefunden“ werde. Anm. 2:  Die Beurteilung vorgefundener Wortformen ist nicht in jedem Fall eindeutig möglich, da es sich statt einer Wortform der stv. sūfen und sūgen, bei der eine Stamm­ vokalalternation systemisch gegeben ist, auch um eine solche der swv. soufen, sougen handeln kann, die einen nur invarianten Präsensstamm kennen. Die ausdrucksseitige Uneindeutigkeit entsteht nach Diphthongierung von mhd. ū, insofern die neue Diphthonggraphie mit der für den alten Diphthong zusammenfallen kann.

(4) Verben mit Kontraktion V 93

Lexembezogene und d. h. in allen Paradigmenpositionen des Präs. auftretende Kontraktionen (-h-Schwund) zeigen vliehen und ƶiehen (zu positionsbezogenen Kontraktionen s. § V 99–104, V 106, V 144, Anm. 6). Solche Kontraktionsformen sind allein md. (mfrk. und omd., seltener rhfrk.-hess.) belegt, sie zeigen im primären Präsensstamm ī und selten in 114 auch ē (als ‹ey› in Taul); es herrscht Vokalalternation zum o Sg.Ind.Präs. mit sekundärem Tempusstamm-ū (als ‹u› ~ ‹u› ~ ‹ue› ~ ‹ve›). Im Obd. sowie Ofrk. erscheinen bei wenigen Ausnahmen stets Formen mit -h(-)‌. Anm. 1:  Der Schwund von h nach Langvokal mit folgender Kontraktion gilt neben den „gewöhnlichen“ Vollformen im gesamten Hd. (Paul, Mhd.Gr., § L 80), mfrk. auch Senkung des aus der Monophthongierung entstandenen offenen ī (Paul, Mhd.Gr., § L 48). Frühe wmd. Belege zeigen Vollform (Inf. flihࠀ, TrPs, 90r,18), die in 113 schon auch gänzlich fehlen kann (RhMl; daneben aber auch Inf. gezihen, RhTun, 6r,22; 464 oder 1.Sg.Ind.Präs. flihen, VatG, 112v,2). Ab 213 kennen mfrk. Hss. nahezu ausnahmslos die Kontraktionsform (Ausnahme 3.Sg.Ind.Präs. zuhet, VLilie, 68v,2; 35,25 zu 9 Kurzformen). Innerhalb des Rhfrk.-Hess. hat allein OxBR Kurzformen (eine Ausnahme: Inf. ziegࠀ, 11r,34). Seltene obd. Ausnahmeformen finden sich 212 und 113 in imphlie (1.Sg.Konj.Präs., Muri, 38r,16, neben v 1.Sg.Konj.Präs. enflihe, 41r,9 und 3.Pl.Konj.Präs. uliehen, 40v,2), zo (2.Sg.Imp., WMEv, 73,1 neben Inf. enphliehen 16,13), 2.Sg.Präs. ulie‫܅‬t und Part.Präs. vliende (ZwBR, 5r,4 und 4v,8 zu o 7 Belegen mit h u. a. 3.Sg.Konj.Präs. uliehe, 12r,5); so auch flive‫܅‬t (*Albert, 286).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

803

2.4.1.3. Starke Verben Klasse IIIa

Der invariante Präsensstamm der starken Verben IIIa hat Stammvokal i. Neben nurmehr graphischen Varianten (‹î› ~ ‹j›) kommen wenige mdal.-lautliche Abweichungen vor. Im Mfrk. erscheint handschriftenbezogen in 213 häufig ‹o› (Inf. bonden, VLilie, 72r,11; 30,8 oder 2.Pl.Imp. vondet, VLilie, 40v,9; 18,11; zu mfrk. i > o bes. vor Nasal vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 40).

V 94

Die Formen bernenden (flektierter Inf., VLilie, 40r,1; 17,31), verbernen (Inf., Erlös, 14va,2; 6668), wrempent (3.Pl.Ind.Präs. zu rimpfen, Göll, 3va,12; b133), ‫܅‬prengenden (flektierter Inf., BuMi, 94v,8), beduengen (PLilie, 9v,5) verweisen auf md. Nebenformen mit ę bzw. Über­ lagerung seitens des jeweils parallelen swv. In gewumnen (Inf., TrHL, 104r,9) liegt im Alem. i seltener Wandel i > u vor Nasal vor (Weinhold, Mhd.Gr., § 45). endrunnࠀt (3.Sg.Ind.Präs., vb NikP, 72 ,22 neben unmittelbar voranstehendem endrinnen, NikP, 72vb,21) zeigt die im Alem. häufige Rundung (Paul, Mhd.Gr., § L 24). 2.4.1.4. Starke Verben Klasse IIIb, IV, V: Stammvokalalternation ę – i

Sg.

Pl.

Ind.

Konj.

1.

ę, i

ę

2.

ę, i

ę

3.

ę, i

ę

1.

ę

ę

2.

ę

ę

3.

ę

ę

Inf.

ę

Part.Präs.

ę

Imp. ę, i

ę

Der primäre Präsensstamm der stv. IIIb, IV und V hat Stammvokal ę, in Ausnahmen auch i sowie o. Besondere Verhältnisse liegen vor bei den (insbesondere md.) Kontraktionsformen von sęhen (sien), geschęhen (geschien) und jęhen (ien), bei komen (s.  § V 102), bei quęden (s.  § V 103), bei den j-Präsentien der stv. V (s.  § V 104); posi­ tionsgebundene (2./ ​3.Sg.Ind.Präs.) Kontraktionsformen weisen gęben und pflęgen auf. Anm. 1:  Eine eindeutige Modusidentifizierung ist aufgrund des entsprechend eindeutigen und vom Konj. verschiedenen Flexivs (s.  § V 10) allein für die 3.Sg.Ind.Präs. möglich; die ę-Formen der 2.Sg.Ind.Präs. (werdes, PLilie, 8r,6; daneben eindeutige Ind.-Formen begiues, 11v,12 und ‫܅‬ies, 8r,2; neymes, Taul, 16r,19 oder nemes, 4v,15 neben ‫܅‬pricht, 176r,8; ‫܅‬precht, GnaÜ, 37,3) treten in syntaktischen Konstruktionen auf, in denen die Modusform uneindeutig bleibt. Anm. 2:  Das stv. ƶęmen bleibt analog stv. IV flektiert. Eine Veränderung zugunsten eines invarianten Stammvokals ī (graphisch als ‹i› oder ‹ie›, vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 149) ist im Mhd. noch nicht angezeigt, so u. a. Inf. gezemen (Hartw, 29r,10; M 1326) oder zemen (Nib, 2v,30; 48,3), 3.Pl.Ind.Präs. zement (SwSp, 44va,3 u. 44va,9) oder 3.Sg.Konj.Präs. zem (Renn, 5ra,35;

V 95

804

VII. Verben

563). Neben dem stv. ƶęmen ist schon mhd. auch ein swv. ƶimen ausgewiesen (Lexer, s. v.; o so auch MBeh, 145v,11: den iz nicht ࠄ zcimete zu ezzine), zu dessen Gunsten die starke Flexionsweise zum Nhd. hin aufgegeben wird. Anm. 3:  Das stv. węgen bleibt analog stv. V flektiert. Eine Veränderung zugunsten eines invarianten Stammvokals ī (graphisch als ‹i› oder ‹ie›, vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 149) ist im Mhd. nur ausnahmsweise schon angezeigt, so im Inf. wigࠀ (*Herb, 5293, st. Flexion ist belegt durch 3.Sg.Ind.Prät. wach, *Herb B, 13154), dagegen u. a. Inf. wegen (Wins, 63vb,21; a42,4), Part.Präs. weginde (ZwBR, 11r,5). Das sich ins Nhd. in zwei Lexemen fortsetzende węgen (in stv. wiegen und in dem mit an ‚Waage‘ angelehnten swv. wägen, vgl. Paul, Dt.Gr.II, § 168) zeigt Schreibung ‹æ› in StBA (6 Belege des Inf. wægen u. a. 15vb,1; hier jedoch wohl graphische Variante für ę).

Die, gemessen an der Häufigkeit der jeweiligen Leitgraphie ‹e› (auch ‹ê› in 211/ ​112), im primären Präsensstamm selten auftretenden Abweichungen erklären sich zumeist mdal.-lautlich (Veränderung von i > o und auch u bzw. Veränderung von ę > i oder auch ä). In sehr seltenen Fällen ist insbesondere obd. im primären Tempusstamm (ę) die Übernahme des im sekundären Tempusstamm üblichen i möglich. Im Inf./ ​Part.Präs., im Ind./ ​Pl.Präs./ ​Imp. sowie im Sg.Konj. können einige auf i (statt ę) verweisende Ausnahmebildungen (graphisch ‹i› ~ ‹y›) auftreten; auf lautliche „Berührungen“ von ę, ė und i verweisen entsprechende Reimbindungen „besonders vor r und l“ (Paul, Mhd.Gr., § L 31): begibint (3.Pl.Ind.Präs., LEnt, 178r,19; 57,2), dirbe (3.Sg.Konj.Präs., OxBR, 1r,13), hilf (3.Sg.Konj.Präs., Hartw, 22v,26; M 1104), Pfliget (2.Pl.Imp., Türh, 63vb,24; 345), ‫܅‬milzin (Inf., Flor, 12a,25; 7211; smilȥen ist Nebenform zu smęlȥen; Lexer, s. v.), ‫܅‬priche (1.Pl.Ind. Präs., HLit, 71r,11; 36), ‫܅‬tirbe (3.Sg.Konj.Präs., StBA, 74va,23), wirbe (3.Sg.Konj.Präs., TrHL, 111v,3), uirwirdin (Inf., TrPs, 38v,10), wirde (1./ ​3.Sg.Konj.Präs., Wind, 22v,10 u. ö.; WMEv, 20,5; ZwBR, 12v,8), wirt (2.Pl.Ind.Präs., BeEv, 118v,28); bezüglich der md. Formen (bes. im Mfrk.) findet Weinhold ‚zuweilen‘ i-Schreibung (Weinhold, Mhd.Gr., § 47). Ausnahmeschreibungen mit ‹i› liegen vor in wírt (2.Pl.Ind.Präs., Baum, 180r,14), wírde (3.Sg.Konj.Präs., ObEv, 54a,26). Variant dazu ist Schreibung nympt (2.Pl.Ind.Präs., Taul, 97r,2; so auch gyf, 2.Sg.Imp., Taul 95r,15). e Schreibungen ‹ei› oder ‹ey› (besonders vor Nasal) sowie auch ‹o› verweisen auf ę: In u. a. v r breiche (3.Sg.Konj.Präs., Taul, 1 ,11 neben gebreche, 162 ,18) sowie neyme (3.Sg.Konj.Präs., Taul, 14v,19; bei Taul stehen 6  Belege mit ‹ei› oder ‹ey› insgesamt 9  Belegen mit ‹e› gegenüber), beueilt (2.Pl.Imp., Taul, 9v,15), geyuen (Inf., Brig, 2r,21; mehrfach ‹ei›), pleygent (3.Pl. Ind.Präs., Brig, 4r,28) oder Leẏ‫܅‬en (Inf., UKöln2, 11,2) kann eine im Mfrk. nicht seltene Dehnungsanzeige vorliegen (Paul, Mhd.Gr., § E 40), es kann jedoch auch Hinweis für eine i im Mfrk. zwischen ę und i liegende Lautqualität sein (so auch Inf. beuelen, UKöln2, 5,9, r uerneimen, RhTun, 1 ,4; 5, in 10 Formen des Inf./ ​Pl.Präs u. a. neymen, Taul, 166r,6 u. ö., tzeymen, Taul 97r,14, in 6 Formen neymen, Brig, 3v,15 u. ö. oder 3.Sg.Ind.Präs. beveilt, Brig, 5v,21 bzw. 1.Sg.Ind.Präs. Beueyle, Göll, 3rb,28; B 102; der „Schwebelaut zwischen e und i“ (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 48) kann im gesamten Md. erscheinen (Inf. neimin, PrMK, 6v,47, neimíní, MüRB, 3r,19 sowie neimí, 10r,24 u. 12v,13); so auch irlei‫܅‬in (Inf., PrMK, 5v,15) und geibí (Inf., MüRB, 5r,21). Singulär sind obd. treitࠀ (Inf., Mart, 18ra,16; 18,16) sowie Graphie ‹ê› in vernêm (3.Sg.Konj.Präs., Spec, 5v,6) und uergêbin (Inf., Spec, 38r,13). Bei lęschen tritt Rundung (> ö, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 24) ein, sie zeigt sich alem. in 114 (3.Sg.Konj.Präs. e erlo‫܅‬che, NikP 38ra,27 u. ö., dagegen md. zeitgleich Inf. verle‫܅‬chen, PrRei, 24a,24 oder 3.Pl. Präs. uorle‫܅‬chen, BeEv, 122v,8).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

805

In den vorwiegend im alem.-bair. Übergangsraum und besonders in 213 sowie noch 114 e auftretenden Bildungen mit ‹æ› (‹‫‹ ~ ›ܓ‬a›) ist ein im Alem. vor r, l möglicher Wandel des ę „in einen nach a hin liegenden Laut“ (Weinhold, Mhd.Gr., § 49) möglich (V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 70 sieht einen im Schwäb. des 13. Jh.s „vorzüglich in geschlossener Silbe“ eingetretenen Wandel > ä; Paul, Mhd.Gr., § L 31 sieht „Umlautung“ ę > ė): bræche (3.Sg. Konj.Präs., StBA, 68ra,15 u. ö., insgesamt 9 Belege), begæben (Inf., StBA, 75rb,2 u. ö.; 20 Formen mit ‹æ› gegenüber 18 Formen mit ‹e›), gælten (Inf., StBA, 17 va,2 u. ö. neben 12 Inf.-/ ​ e Pl.Präs.-Formen (ver)gelten, 114vb,2 u. ö.), halfe (3.Sg.Konj.Präs., Hartw, 33r,3; M 1725), næm v v (DvATr, 77 ,4 neben etwa vehte, 43 ,9), n‫ܓ‬me (UAugsb1, 5,3 u. ö., insgesamt 4x), phlægen (Inf., StBA, 74vb,13), gi‫܅‬æhende (Part.Präs., Hoff, 26v,26), ubir‫܅‬æhen (Inf., Hoff, 30r,24), ge‫܅‬præchen (33  Belege des Inf., StBA, 70rb,14 u. ö.), ‫܅‬tærbe (3.Sg.Konj.Präs., StBA, 21ra,10), ir‫܅‬tærbin (Inf., Hoff, 30r,20), verdærben (3.Pl.Präs., StBA, 74vb,17 neben Inf. verderben, 74vb,10), wægen (Inf., StBA, 15vb,24 u. ö., insgesamt 6x), wærde (3.Sg.Konj.Präs., StBA, 117ra,14 u. ö., insgesamt 4x), wærden (Inf., StBA, 74ra,6 u. ö., insgesamt 4x; 3.Pl.Ind.Präs. 17ra,16 u. ö., insgesamt 4x; 116ra,7 neben 1x ‹e›, 120rb,1, das ebenfalls in stęrben vorkommt), w‫ܓ‬rden (Inf., e UAugsb1, 3,5 u. 9,7), gezamen (Inf., Hartw, 32r,11; M 1639). Singulär auch im Bair.: wærd (2.Sg.Konj.Präs., BKön, 7ra,26) sowie im Ofrk. (Inf. hælfࠀ, UNürnb, 37,20; die Ligatur erscheine „gelegentlich“, Pfanner (1954, 169) mit Hinweis auf veriæhen [3.Pl.Ind.Präs., Beleg von 1291], Urkunde Nr. 1476 des *UrkCorp). Schreibungen mit ‹o› (sowie auch ‹u› etwa in num, vgl. Nörrenberg 1884, 416) verweisen auf i oder auch ę (Inf. ‫܅‬prochin, Mart, 1rb,18; 1,38 und uernomen, TrHL, 51v,18), Weinhold (Mhd.Gr., § 50) sieht md. „Neigung“ zur Verdunkelung, wobei in o eine „mildere Bezeichnung der Verdunkelung als u“ vorliegt (zu i > o bes. vor Nasal vgl. auch Paul, Mhd.Gr., § E 40). Im Inf. wܰeࠐ (< węrden, Göll, 3rb,20; B 94) mag Assimilation vorliegen (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 189).

(1) 1. Singular Indikativ Präsens

In der 1.Sg.Ind.Präs. deuten erste wmd. Hinweise schon in 212 auf eine sich herausbildende Stammvokalalternation (Wechselflexion). Während im Obd. Stammvokal i im gesamten Mhd. stabil bleibt, zeigt das Md. bereits in 113 eine konsequente Vokalalternation der 1.Sg.Ind.Präs. mit ę (besonders mfrk. mit Bindung an die Endung -(e)n) vs. 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mit i, z. B. 1.Sg.Ind.Präs. werden (RhMl, 32r,7; 1810) vs. 3.Sg. Ind.Präs. wirt (RhMl, 32r,5; 1808) (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 349). Dieser Usus bleibt mfrk. und omd. bis zum Ende des Mhd. stabil, im Rhfrk.-Hess. kommt ab 213 das im Obd. übliche i nicht selten vor. In 212 erscheint ‹e› handschriftenbezogen bzw. vor stammvokalfolgendem l in beuelen (ArnM, 133r,19; 174 im Reim zu leuen) gegenüber 5 Formen mit ‹i› von węrden (TrPs, 2v,2 u. ö.). Schon in 113 weisen alle md. Belege nurmehr ‹e› auf, im Omd. nurmehr vereinzelt auch mit Endung -n (‫܅‬terben, AlxS, 3862). Zu 213 hin zeigt das Rhfrk.-Hess. mit häufigem ‹i› einen zum Obd. neigenden Gebrauch (Ausnahme werde, SalH, 437,31 und ‫܅‬prechen, Himlf, 240,10; 1318). Die mfrk. typische Endung -n in der 1.Sg.Ind.Präs. zeigt sich in 213 und 114 nicht durchgängig (113: ‫܅‬prehe, PLilie, 6r,12 neben 7  Belegen auf -n in PLilie und VLilie; 114 u. a. werdin, Taul, 9v,8 neben Beueܰle, Göll, 3rb,28; B 102). Zur konsonantischen Endung in der 1.Sg.Ind.Präs. s. § V 43f.

V 96

806

VII. Verben

Anm. 1:  Obd. Formen der 1.Sg.Ind.Präs., die einen möglichen Hinweis auf Verwendung des den primären Präsensstamm markierenden Vokals ę liefern, erweisen sich stets als modusunsicher und vor dem Hintergrund auch des jeweiligen handschriftlichen Usus als wahrscheinliche Konj.-Formen. Gänzlich eindeutig ist dies jedoch kaum zu bestimmen. So ist z. B. die Form ‫܅‬ehe ([die Jünger berichten Thomas, dass sie den Herrn gesehen haben, doch] Er ‫܅‬prach zv ín ich ‫܅‬ehe danne ‫܅‬ín hende [...] ich gelavbe ‫’܅‬n and’s niht, ObEv, 34b,9ff) als Teil eines formalsyntaktisch nicht weiter ausgewiesenen konditionalen/ ​konzessiven Gefüges als Konj. zu werten. So ist z. B. die Form e‫܅܅‬e (Er ‫܅‬prach ‫܅‬un brࠄch mir her dinez geiegedez. vࠁ mache mier dar ‫ܔ‬z ain ‫܅‬pî‫܅‬e die ich e‫܅܅‬e. wࠇ ‫܅‬o gib ich dier minࠀ ‫܅‬egࠀ vor got. ê. dc ich ‫܅‬t’be, PrSch, 127r,19ff) als Konjunktiv zu werten und auch formal gegenüber dem folgenden gib markiert (ähnlich unsicher: mir i‫܅‬t liebere daz ich er‫܅‬terbe, *Gen, 2455 oder bezzer i‫܅‬t daz ich aine re‫܅‬terbe, *Kchr V, 7838). In anderen Fällen von ‹e› ist jeweils swv. anzunehmen (so liegt in oder ich nim ív allen den lip. vࠁ verderb elliv ivrív chint, BKön, 8rb,20, das swv. verdėrben ‚zu Schaden bringen‘ statt des stv. dęrben ‚verderben‘ vor, vgl. Lexer, s. v.).

(2) 2./ ​3. Singular Indikativ Präsens V 97

Der Stammvokal der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ist i (‹i› ~ ‹y› ~ ‹ie› ~ ‹u›), selten auch ę (‹e› ~ ‹o›), im Mhd. ist ein sekundärer Präsensstamm regelmäßig; in der 1.Sg.Ind.Präs. kann im Mfrk. ab 212 bereits auch ę und damit Stammvokalalternation (Wechselflexion) erscheinen, sie ist im Md. seit 113 dominant. Im Obd. alternieren dagegen konsequent der Sg.Ind.Präs./ ​Sg.Imp. mit i zu allen anderen Formen des Präs. mit ę; im Rhfrk.Hess. bleibt nach 113 ę in der 1.Sg.Ind.Präs. möglich, hinsichtlich einer nicht seltenen Verwendung von i zeigt sich jedoch ein zum Obd. hin neigender Gebrauch. Graphie ‹i› in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. und Sg.Imp. erscheint obd. ab 212, ab 113 im gesamten Sprachraum und handschriftenbezogen außergewöhnlich häufig in SwSp, StBA und Bart. Graphie ‹y› kommt ausschließlich md. (besonders wmd.) ab 213 vor (Brig, Göll, Yol, Taul, BeEv), ebenso als Ausnahme ‹ie› (PrRei). Ebenfalls zumeist md. erscheint Digraphie ‹ie› in 113/ ​213 bei nęmen (JMar), stęln (SalH), węrden (wiert, GRud, 10,6; so auch 1x in MüRB); in e entsprechenden bair. Schreibungen ‹ie› oder auch ‹ı› (besonders vor r) zeigt sich mdal. Diphthongierung (Paul, Mhd.Gr., § E 27; Weinhold, Mhd.Gr., § 45), so etwa Wiert (häufig e in Rupr, 8,22 u. ö.), wırt (Diet, 64rb,38; 2596). Singuläres (mfrk.) gult (2.Sg.Imp., TrPs, 51r,5 r neben gilt, 39 ,10) ist mdal.-lautlich durch md. ‚Neigung‘ i > u zu erklären (Weinhold, Mhd. Gr., § 50). Auf eine vor r eintretende labialisierte Verdumpfung (i > ü, vgl. Weinhold, Mhd. Gr., § 45) bzw. eine nach w eintretende Veränderung i > u (Weinhold, Mhd.Gr., § 50) in i Rapp verweisen die Formen der 3.Sg.Ind.Präs. wurt (119ra,46; 632 u. 202ra,5; 17170a u. ö.) oder auch wurt (283ra,22; 32669a u. 283vb,33; 32822). Auf Stammvokal i sowie auch ę kann Graphie ‹o› im Mfrk. verweisen: holp (2.Sg.Imp., PLilie, 12r,2), nom (2.Sg.Imp., u. a. RhMl mit zwei Belegen 1v,11; 35 u. 33r,19; 1877, daneben auch zwei Belege Num, 2r,11; 59 u. 2r,15; 63 sowie ein e Beleg der 3.Sg.Ind.Präs. vernımet, 82v,12; 4440; so auch PLilie mit nur ‹o›, VLilie mit nur ‹o› in vernęmen und ‹i› in nęmen, so nimit, 93r,6; 50,13 u. ö.), Soch (2.Sg.Imp., PLilie, 11r,11 neben 8x ‫܅‬ich, 7 v,1 u. ö.; so auch BuMi mit ansonsten nur kontrahierten Formen, u. a. 3.Sg. Ind.Präs. ‫܅‬it, BuMi, 91r,4). Hier liegt eine mdal. Lautentwicklung vor (Paul, Mhd.Gr., § E 40), die Weinhold (Mhd.Gr., § 50) als ‚Verdunkelung‘ bezeichnet, wobei in o eine „mildere Bezeichnung der Verdunkelung als u“ vorliege.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

807

In der 3.Sg.Ind.Präs. treten vereinzelt ‹e›-Schreibungen auf, die auch in der jeweiligen Handschrift eine Ausnahme darstellen: Belegt ist dies bereits in 212 (virfeht, LEnt, 175r,27; 35a,7 im Reim zu ‫܅‬werth neben 14x ‫܅‬prichit, 174r,1; 25,3 u. ö.). Im Alem. in 113 (‫܅‬prekit, TrHL, 1r,20 und ‫܅‬prechit, 103v,3 neben 22x ‫܅‬prichet, 49r,8 u. ö. oder irfihtet, 110v,6; ‫܅‬weret, TriF, f1rb,24; 12188 u. f2ra,5; 12292 neben 5x ‫܅‬wirt, f1vb,4; 12250 u. ö. oder birt, f1vb,3; 12249). Etwas häufiger in 213 (en‫܅‬wellit, Bart, 16va,24 neben 127x ent‫܅‬willet, 10ra,22 u. ö. oder ‫܅‬tirbet, 5ra,9; werdit, PLilie, 15r,13 oder ‫܅‬prechet, VLilie, 44r,13; 20,21 neben 24x wirt, PLilie, 4r,3 u. ö., le‫܅܅‬it bzw. le‫܅܅‬et in PrM, b2ra,22 von lęschen: wande al‫܅‬e daz wazz’ daz fur le‫܅܅‬it mit handschriftlicher Graphie ‫ ܅܅‬für sch wie etwa a‫܅܅‬e von asche, b2rb,20, neben 8x ‫܅‬prichit b2ra,24 u. ö.; ‫܅‬terbit, ‫܅‬prechit oder neímit, MüRB, 12v,7, 6v,26 und 14r,13, neben 87x u. a. ‫܅‬tirbit, 13r,13, wirt, 1r,3, nimet, 15r,25 oder niemit, 15r,22; insofern bei den stv. IIIb im Erfurter Rechtsbuch aus der Mitte des 14. Jh.s Senkungsformen nicht auftreten, sieht Pfeffer (1992, 155) in z. B. 3.Sg.Ind. Präs. werfet oder bevelet Ausgleichsformen zugunsten des primären Präsensstammes). In 114 im Md., Alem. und auch Ofrk. (v’derbet, Rapp, 285ra,6; 33037, in der Handschrift auch als stv. belegt: 3.Sg.Ind.Prät. verdarp, 204va,3; 17641, daneben 10x hilfet, 285rb,23; 33102 u. ö. i oder wurt, 283ra,22; 32669 bzw. wurt, 282rb,29; 32536; nemet und beuelet, OxBR, 5v,11 und 8r,3 neben 58x u. a. wirt, 2v,5; nemet, getzeymt, neympt und queilt, Taul, 4v,3, 93r,8, 94r,5 und 161v,12 neben 25x u. a. ‫܅‬pricht, 3r,15; ervert, UKöln2, 3,3 zu erbęrn neben 2x u. a. ‫܅‬pricht, 3,14; wert, PrRei, 170b,9 neben 23x u. a. ‫܅‬tirbet, 18a,37 oder wirt, 16b,10; gebre‫܅‬t, Lupo, 231vb,22; 2,471 im Reim zu gewe‫܅‬t, neben 7x birt 228va,26; 2,54 u. ö.). In werdent (PrMi, 29v,19 neben 22x wirt) ist syntaktisch motivierte Verschreibung anzunehmen (So wirt aver daz hv‫܅‬e vn‫܅‬erm herren wider gezimbert vࠁ werdent ein (Jerusalem) vn‫܅‬ers herren da er inne rvwen vࠁ wonen ‫܅‬ol).

Die 2.Sg.Imp. hat i, im Md. ist neben wenigen mdal.-lautlichen Abweichungen (‹o› oder ‹u›) in Ausnahmen ‹e› möglich (nem, AlxS, 2573 u. ö.; werp, PLilie, 15v,33), bair. kann in 213 selten ę erscheinen (4x nem(e) in Bart, 8ra,22 u. ö. zu 149 Belegen mit ‹i›) (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 349).

V 98

Anm. 1:  Mfrk. ‹u›- oder ‹o›-Schreibungen, die in der 2.Sg.Imp. von nęmen in einigen Hss. üblich sind (u. a. nom, RhMl, 1v,11; 35; u. a. uernom, PLilie, 6v,3 oder VLilie, 43r,2; 19,25), erscheinen in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. nicht.

(3) Verben mit Kontraktion

In der 3.Sg.Ind.Präs. (sehr viel seltener in der 2.Sg.Ind.Präs.) von gęben können posi­ tionsbezogene Kontraktionsformen (ibe > ī, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 78) auftreten: gīst, gīt. Sie erscheinen selten schon in 211/ ​112, in 212 im gesamten Obd. (wmd. nur vereinzelt), ohne jedoch bereits in jeder Hs. verwendet zu sein. Ab 113 ist die Kontraktion im Obd. weit überwiegend bis ausnahmslos (als ‹i›, vereinzelt ‹î›; bair. in 114 zumeist als ‹ei›). Innerhalb des Wmd. sind Kontraktionsformen ab 213 als jeweils weniger häufig genutzte Variante möglich, wohingegen sie omd. erst zu 114 hin als die deutlich seltenere Möglichkeit erscheinen. Im Ofrk. können Kontraktionsformen handschriftenbezogen dominieren, insgesamt bleiben sie seltener.

V 99

808

VII. Verben

Seltene Kontraktionsformen in 211/ ​112 sind gegît (Will, 53r,6 neben 7 unkontrahierten Formen nur des Simplexverbs) und gît (Meri, 1v,29; 1,081, Einzelbeleg); in WNot, Ezzo und Mem sind nur unkontrahierte Formen belegt. Kontraktionsformen sind in 212 insbesondere im Obd. geläufig, können jedoch auch in manchen Hss. noch fehlen. So weisen im Bair. HLit (2 Belege, realisiert mit ‹î› ~ ‹i›, u. a. 71v,11; 49) und Phys (gi‫܅‬t, 146r,17), im Alem. Scop (Einzelbeleg git, 4r,19; 20,6) und Muri (Einzelbeleg uirgit, 22r,5) allein Kontraktionsformen auf, wohingegen Wind (18  Belege, gibit, 9v,1 u. ö.) und PrZü (4  Belege, gibit, 110vb,7 u. a.) solche Formen nicht kennen; im alem.-bair. Übergangsraum haben alle Hss. Kontraktionsformen, sei es ausschließlich (Mess, 2 Belege) oder als je seltenere Variante (WMEv, Spec). Im Wmd. bleibt Kontraktion bis 213 noch vereinzelt (git, TrPs, 88v,20 oder gi‫܅‬t, 39v,5 neben 5 unkontrahierten Belegen; gi‫܅‬t, RhTun, 3v,9; 235) oder ist nicht belegt (RhMl mit 12 Belegen, durchgehend konsonantisches ‹u›, u. a. giuet 6v,6; 327, als mfrk. Fortsetzung des wgerm. Frikativs nach Vokal, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 98). Ab nun zeigen nahezu alle obd. Hss. ausschließliche oder vorwiegende Kontraktion, kontraktionslose Hss. (Hoff, Lieht, PrSch) bleiben ebenso seltener wie variante kontraktionslose Formen innerhalb einer Hs. (TrHL mit 12 Kontraktionsformen zu 2 unkontrahierten Belegen, StBA mit 47 Kontraktionsformen zu 7 unkontrahierten Belegen, NikP mit 13 Kontraktionsformen zu 4 unkontrahierten Belegen); in 114 erscheint in den bair. Hss. der Stammvokal schon ausschließlich (Rupr, ULands, MMag) oder zumindest ausnahmsweise (geít, ObEv, 56va,44) in Diphthongschreibung, so als Ausnahme auch im Schwäb. (geit, Baum, 19v,1); dies verweist auf vorgängigen Langvokal ī. Innerhalb des Md. treten Kontraktionsformen im Omd. erst zu 114 hin auf (in MüRB nur unkontrahierte Belege, neben Graphien ‹i› und seltener ‹ie› auch seltenes ‹ei›, u. a. geibit, MüRB, 2r,20; ‹ie› und ‹ei› spiegeln offenbar Dehnung des Vokals in offener Tonsilbe, vgl. Gr.d.Frnhd.I.1, § 27, ‹ei› wohl zudem Senkung i > ē, vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 43.2); die Kontraktionsbildung bleibt omd. auch in 114 noch weitgehend fremd (nur unkontrahierte Belege in BeEv, LuKr, MBeh), wenige Kontraktionsbelege in HTri (gít, 119ra,11; 3035 neben gibe‫܅‬t, 139rb,41; 6621) und Pass (Einzelbelege Gibet, 81rb,24; 5,88 und gít, 86va,10; 13,34). Im Wmd. stehen Hss. mit alleiniger (Brig 2x mit ‹ye›, Himlf 2x mit ‹i›; Taul 9x mit ‹ey›, ‹ij›, ‹y›) neben solchen mit zumeist seltenerer Kontraktionsbildung (git, VLilie, 93v,14; 50,28 zu 8 unkontrahierten Formen; SalH mit 7 Kontraktionsformen zu 14 unkontrahierten Belegen; Erlös mit 4 Kontraktionsformen zu zwei unkontrahierten Belegen; PrRei mit 5 Kontraktionsformen zu 9 unkontrahierten Belegen); daneben ist häufig auch das Fehlen jeder Kontraktionsbildung (PrM kennt nur gibit, c4vb,14; Yol mit Einzelbeleg be­ gyues, 78v; 5572; BuMi nur u. a. giuet, 64r,15, insgesamt 14 Belege; OxBR mit 3 Belegen, u. a. gebet, 8r,23, daneben auch ‹y›; Hleb mit 7 Belegen, u. a. gibit, 187 v,11; UMainz mit 18 Belegen gibt, 28,12 u. ö.). Dem Omd. ähnlich zeigt sich das Ofrk., insofern neben kontraktionslosen oder vorwiegend kontraktionslosen Hss. (SBNü, GnaÜ; Renn mit zwei Kontraktionsbelegen zu auch hinsichtlich der Digraphie ‹ei› singulärem geit, 3va,7; 308d) solche mit ausschließlicher (Lupo, nur zwei Belege gít, 232rb,25; 2,537 und giet, 232vb,9; 2,584) oder vorwiegender Kontraktion stehen (WüPo mit 33 Kontraktionsformen zu 3 unkontrahierten Belegen). V 100

In der 3.Sg.Ind.Präs. (selten in der 2.Sg.Ind.Präs.) von pflęgen können positionsbezogene Kontraktionsformen (ige > ī, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 76) auftreten: pflīst, pflīt. Mit Ausnahme einer in 113 im Bair. belegten Verwendung (pfleit, Mar, 42r,15; 2355; daneben pflige‫܅‬t, BKön, 8ra,33) und 213 im Mfrk. (pliet, UKöln1, 1,25) erscheinen Kontraktionsformen ausschließlich omd. in 114 (LuKr, Pass), graphisch realisiert als ‹i› (u. a. pflít, Pass, 82rb,8; 7,10).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

809

pflęgen wird besonders erst ab 113 und vorwiegend unkontrahiert belegt. Nach einer frühen Form fligit (Ezzo, 74v,4; 12) erscheinen unkontrahierte Formen in 113 in Parz, PrMi (als pfleget, 19v,24), Hoff (als pfleget, 12r,20), Hchz, Luci, GRud, in 213 in Bart, BKön, Wins, StBA, PrSch, VLilie, in 114 in Baum, Türh, Mart, Göll (als pleygit, 3vb,29; B 182), Erlös, PrRei, Renn.

sien/ ​sēn < sęhen, geschien/ ​geschēn < geschęhen, jien/ ​jēn < jęhen: Innerhalb der Lexem­ gruppe sęhen, geschęhen, jęhen (anlautend oft g-) ist zwischen lexembezogener Kontraktion (aus -ęhe-), die sich im gesamten Präsensstamm zeigen kann, und einer nur positionsbezogenen Kontraktion der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. sowie der 2.Sg.Imp. (aus -ihe-) zu unterscheiden (Begründung eines primären und sekundären Präsensstammes). Lexembezogene Kontraktionen erscheinen insbesondere mfrk. und omd., insbesondere positionsbezogene Kontraktionen erscheinen obd./ ​ofrk. in nurmehr wenigen Fällen besonders zum Ende des Mhd. hin. Insofern md. Kontraktionsformen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. zumeist nur dort auf­ treten, wo auch im Inf./ ​Part.Präs. sowie in allen anderen Paradigmenpositionen des Präs. Kontraktion erscheint, liegt hier eine lexembezogene (aus -ęhe-) und keine positionsbezogene Kontraktion (aus -ihe-) vor; zur 2.Sg.Imp. s. Anm. 4. Solche Kontraktionsformen sind allein md. belegt, die lexembezogene Kontraktion führt landschaftsbezogen zu ī (mfrk., weiterentwickelt zu ē) oder ē (omd.). Anm. 1:  Nach Kurzvokal tritt Ausfall von intervokalischem h mit nachfolgender Kontraktion allein md. ein (Paul, Mhd.Gr., § L 80); Kontraktion nach Langvokal ist demgegenüber allgemein (z. B. vān/ ​vāhen). Kontraktion von -ęhe- führt zu Langvokal ē, im Mfrk. jedoch über ie zu ī und (wie altes ie), weiterentwickelt zu ē (Paul, Mhd.Gr., § E 39.7, L 80). In Ausnahmen mögliches ei (3.Sg.Konj.Präs. bi‫܅‬ei, MüRB, 7r,8 und ge‫܅‬chei, *StatDtOrd, 39r,5) ist im Sinne Weinholds (Mhd.Gr., § 53) als „uneigentlicher Diphthong“ zu werten. Mfrk. Kontraktion erscheint ab 212 (graphisch als ‹ie› ~ ‹îe› ~ ‹iê›, u. a. Inf. ge‫܅‬ien, RBib, A2v,6; 380), ohne jedoch bereits allgemein zu sein (TrPs weist drei h-lose Formen der 2.Sg. Imp. auf, u. a. ‫܅‬i, 87r,3b neben 24 unkontrahierten Formen des Präs., u. a. 3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬ihet, TrPs, 51r,18). Schon im 13. Jh. und fortgesetzt im 14. Jh. sind Kontraktionsformen (graphisch e als ‹i› ~ ‹ie› ~ ‹ye› nur Brig, ‹ı›, in Ausnahmen bis 213 auch 2.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬ei‫܅‬t, RhTun, 5r,8; e rb 367, 2.Pl.Imp. Seit, KuG, U1 ,32; 11340; in 114 ‹ey› üblich neben ‹ei› ~ ‹ie› ~ ‹ı› ~ ‹y› ~ ‹ij›) im Mfrk. durchgängig gebraucht (RhMl, RhTun, VatG, VLilie, PLilie, KuG, Brig, UKöln1, Taul, BuMi, Yol, UKöln2); zu Formen der 2.Sg.Imp. mit finalem ‹ch› s. Anm. 2, zu ‫܅‬och s.  Anm. 3. Außerhalb des Mfrk. kommen Kontraktionsformen ab 213 nun auch in einigen Hss. im Omd. vor (graphisch als ‹e› in JMar und in 114 als ‹ie› und einer Ausnahme auch ‹ei› in MüRB; ohne bzw. mit nur sehr wenigen Kontraktionsformen AthP, UJena, LuKr, HTri, Pass, MBeh), wobei in den Hss. mit Kontraktionsformen auch seltenere unkontrahierte Formen vorkommen (JMar mit 3.Sg.Konj.Präs. ‫܅‬ege, 13r,4, Part.Präs. ‫܅‬ehende, 13v,13, 2.Sg.Imp. ‫܅‬ich, 65v,8; BeEv u. a. mit 3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬ehet, 59r,13). Die Möglichkeit zur vorwiegenden Verwendung kontrahierter Formen wird ab 213 ebenfalls in einzelnen Hss. im Rhfrk. möglich (OxBR mit u. a. auch 1.Pl.Ind.Präs. ‫܅‬ehࠀ, 9r,35; 3.Sg.Ind.Präs. ge‫܅‬hit, SalH, 419,22; 3.Sg.Ind.Präs., ge‫܅‬chit, Himlf u. a. 182,15; 342); für die Mehrzahl aller Hss. verbleiben Kontraktionsformen die Ausnahme (PrRei, MBeh; ohne Kontraktionsformen Hleb, Erlös, Elis).

V 101

810

VII. Verben

Anm. 2:  Die 2.Sg.Imp. ist im Mfrk. auch mit finalem ch belegt (u. a. ‫܅‬ich, RhMl, 2r,4; 52 neben auch u. a. Si, 10r,19; 547; auch in PLilie, Taul, Yol); zu auslautendem Frikativ germ. */χ/ [x] im Mfrk. (so etwa auch in der 3.Sg.Ind.Prät. ane‫܅‬ach, RhMl, 83r,13; 4469, ‫܅‬ach, VLilie, 62v,2; 31,35), vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 109. Anm. 3: In ‫܅‬och (PLilie, 11r,11 sowie BuMi, 96v,5) liegt eine mdal. Lautentwicklung vor (Paul, Mhd.Gr., § E 40), die Weinhold (Mhd.Gr., § 50) als ‚Verdunkelung‘ bezeichnet, wobei in o eine „mildere Bezeichnung der Verdunkelung als u“ vorliege.

Im Obd. und auch Ofrk. zeigen sich insbesondere positionsbezogene Kontraktionen in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. (-ihe- > ī) zumeist bei geschęhen (2./ ​3.Sg.Konj.Präs. auch -ęhe- > ē). Bei sęhen und jęhen sind ab 213 wenige Kontraktionsformen nachgewiesen; in der 2.Sg.Imp. von jęhen liegt unkontrahierte Formenbildung vor (Iehe, RWchr, 233vb,3; 31855; uirgih, Muri, 22r,4). In den Ausnahmeformen ‫܅‬i der 2.Sg.Imp. (PrSch, 128v,14, Hartw, 30v,24; M 1514 u. 31r,6; M 1529) von sęhen liegt positionsbezogener h-Ausfall vor, insofern silbenauslautend germ. */χ/ [x] ansonsten erhalten ist (z. B. in der 3.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬ach, PrSch, 6r,26, Hartw, 18v,25; M 261, MMag, 4v,11; 157; z. B. 2.Sg.Imp. ‫܅‬ich, MMag, 10r,3; 353). Weitere Ausnahmen zeigen n im alem.-bair. Übergangsraum Hartw (Inf. g‫܅‬che von sęhen, 23r,13; M 720 sowie 2.Sg.Imp. v ‫܅‬i, Hartw, 30 ,24; M 1514 zu 18 unkontrahierten Formen wie Inf. ge‫܅‬ehen, Hartw, 24v,8; M 865) sowie im Alem. die Hss. PrZü (1.Sg.Ind. ‫܅‬i, 110rb,25 zu 9 unkontrahierten Belegen) und Flor (1.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬ien, 1a,4; 4976 zu 4 unkontrahierten Belegen). Anm. 4:  In bair. 2.Pl.Imp. ‫܅‬et (Lieht, 10va,23; 160,8, im Reim zu gepet) sowie 2.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬i‫܅‬t (MMag, 31v,5; 987) liegt jeweils ein nicht als Kontraktion zu wertender Ausfall des inlautenden h vor (daneben u. a. ‫܅‬eht, Lieht, 6rb,10; 90,3 oder ‫܅‬ihe‫܅‬t, MMag, 33r,2; 1027). Für jęhen zeigt sich im Obd. nur jeweils eine Ausnahmebildung positionsbezogener (3.Sg. Ind.Präs. git, Baum, 26r,4 zu 5 unkontrahierten Belegen) und lexembezogener Kontraktion (1.Pl.Ind.Präs. veríen < verjęhen, UFreib2, 3,18 zu 3 unkontrahierten Belegen). geschęhen zeigt Kontraktionsformen handschriftenbezogen in 113 (ZwBR mit 4 Kontraktionsformen zu einer unkontrahierten Form, Flor mit Einzelbeleg der 3.Sg.Ind.Präs. gi‫܅‬hiet, 4b,27; 5206), 213 (ge‫܅‬chît, RWh, 3vb,23; 394 zu 5 unkontrahierten Belegen) und etwas häufiger in 114 (MMag mit ausschließlichen Kontraktionsformen in der 3.Sg.Ind.Präs., Hartw mit 3.Sg. Konj.Präs. ge‫܅‬che, 20v,19; M 469 und ge‫܅‬chê, 27r,17; M 1135 gegenüber 3.Sg.Ind.Präs. ge‫܅‬chiht e 29v,4; M 1366 u. ö., WüPo mit Ausnahmebeleg ge‫܅‬chıt, 249vb,30 zu 12 unkontrahierten Belegen).

811

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

2.4.1.5. Starke Verben Klasse IV: komen bair./ ​alem.-bair. Sg.

Ind.

Konj.

1.

u, o

o

2.

u

alem.

Imp.

Ind.

Konj.

u

o

u

V 102

md./ ​ofrk. Imp.

Ind.

Konj.

u

u > u, o

u

Imp. u

3. Pl.

1.

o

o > o, u

o

o

2.

u > u, o

u > u, o

u > u, o

3. o

Inf.

u > u, o o

o

u > u, o

Part.Präs.

Schon in vormhd. Zeit. sind die Stammvokale ę bzw. i des primären/ ​sekundären Präsensstammes des stv. der Klasse IV ahd. quęman unter Einfluss des vorausliegenden w zu o bzw. u geändert, die „Präsensform quëman ist vom 11. Jh. ab völlig verschwunden“ (Ahd.Gr.I, § 340, Anm. 3.b) und im Grammatik-Korpus unbelegt. Anm. 1:  Weinhold (Mhd.Gr., § 44, 50) sieht ę im Bair. nach vorausgehendem w ‚gern‘ zu o verändert, daher komen (< quęmen) oder auch choden (< quęden, s. § V 103; i ‚verschmilzt‘ mit w obd. zu kum, kumt, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 44). Im Md. werden ę oder i „gern zu u“ (Weinhold, Mhd.Gr., § 50) verändert, daher kumen oder auch wurt (s.  § V 97). Die Veränderung zu ko-, ku- (oder co-, cu-) statt quę- oder qui- findet schon spätahd. statt (vgl. Ahd.Gr.I, § 107): „Vom 10. Jh. an nehmen die u-/ ​o-Präsensformen überhand“ (Ahd.Gr.I, § 340, Anm. 3.b, hier auch Lit.-Verweise zur Diskussion einer möglichen Herleitung der -u-/ ​ -o-Formen aus der alten Schwundstufe). Älteres ę kommt danach nur noch in Einzelfällen vor (so im Bair., vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 266), singulär ist chuim (2.Sg.Imp., WNot, 9vb,21).

Der Stammvokalgebrauch zeigt ab 212 eine landschaftliche Verteilung und Entwicklung der Varianz von o und u, die in ihrer spezifischen Charakteristik bereits in 211/ ​ 112 ausgeprägt ist: Will weicht mit numerus-/ ​modusinvarianter Graphie ‹ú› im Sg. wie Pl. (z. B. 3.Sg.Ind.Präs. cúmet, 12v,25 oder 3.Sg.Konj.Präs. cúme, 2v,5 oder 3.Pl.Ind. Präs. cúment, 22r,27) vom sonstigen Usus einer Numerus-/ ​Modusvarianz mit u (graphisch ‹u› ~ ‹v›) in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. und durchgehend o im Pl.Ind./ ​Konj.Präs. und Sg.Konj.Präs. ab (z. B. 3.Sg.Konj.Präs. chome, WNot, 9rb,4 oder 3.Pl.Ind.Präs. chomint, Meri, 1v,11; 1,46). So zeigt sich landschaftlich differenziert im Mhd. einerseits ein numerus- und z. T. auch modusdifferenter (Sg.Ind.Präs. mit u, Pl./ ​Konj.Präs. mit o) wie andererseits auch ein numerus- wie modusindifferenter Stammvokalgebrauch, wobei die Verhältnisse zu 114 hin partiell aufgelöst werden: Weitgehend fest ist die stammvokalische Distinktion (u im Sg., o im Pl.) im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum, im Alem. tritt neben vorwiegenden u-o-Wechsel insbesondere zum späten Mhd. hin auch jeweils o im Sg. und u im Pl. auf; weitgehend fest ist eine stamm­

812

VII. Verben

vokalische Indifferenz im Md. (besonders im Omd. und abgeschwächter im Rhfrk.Hess.) und auch im Ofrk., es herrscht in allen Positionen weitgehend u, zum späteren Mhd. hin kann im (besonders östl.) Ofrk. und handschriftenbezogen im Wmd. häufig o erscheinen. Insofern in den Fällen numerus- und modusdifferenten Gebrauchs partiell auch die 1.Sg.Ind. einen zum Konj. und zum Pl. übereinstimmenden Stammvokal aufweist (bei grundsätzlicher Schwierigkeit einer eindeutigen Modusidentifizierung), liegt dort ansatzweise auch eine Wechselflexion des Sg.Ind.Präs. vor (1.Sg.Ind.Präs. vs. 2./ ​3. Sg.Ind.Präs, so auch schon bei WNot mit 2  Belegen der 1.Sg. chom, 30va,7 u. 44rb,7 neben 6  Belegen mit u). Anm. 2:  Der jeweilige Gebrauch des Präs.-Stammvokals ist im Zusammenhang des jeweils vorliegenden Prät.-Stammvokals zu betrachten, insofern besonders im Bair., im alem.-bair. Übergangsraum und im Ofrk. eine Tempusdistinktion (bei o des Pl.Präs. wie auch des Prät.) nur teilweise (Sg.) vorliegt; eine solche ist für beide Numeri nur dort gegeben (md. sowie häufig auch alem.), wo a im Prät. (gegenüber u oder o) eine ausdrucksseitige Unterscheidung möglich macht (zum Prät. s. § V 141).

Im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum herrscht ein numerus- wie modusdifferenter Stammvokalgebrauch, es liegt die Unterscheidung eines primären und sekundären Präsensstammes vor: Der primäre Tempusstamm hat o (seltene graphische Variante e ‹ô› in Spec oder handschriftenbezogen ‹o› in 213/ ​114 im Bair. und über Einzelbelege hinausgehend auch im alem.-bair. Übergangsraum); weniger konsequent als der Pl./ ​ Konj.Präs. weist der sekundäre Präsensstamm des Sg.Ind.Präs./ ​Imp. demgegenüber o vorwiegend u aus (als ‹u› ~ ‹v› ~ ‹v› ~ ‹û› sowie evtl. in den Ind.-Formen als Umlaut e e zu wertendes ‹u› im alem.-bair. Übergangsraum in 213, ‹v› im Bair. in 114 bzw. in e Konj.-Formen als Umlaut zu wertendes ‹o› im alem.-bair. Übergangsraum). Handschriftenbezogen (WMEv) kann o mit möglicher Markierung besonders der 1.Sg.Ind. Präs. in 212/ ​113 auftreten (z. B. Ih chom ûz, 103,3; 2.Sg.Ind.Präs. chumi‫܅‬, 59,1 oder 3 Sg. Ind.Präs. chumet, 9,9). Eine Ausnahme zur durchgehenden Verwendung von o (Pl.Ind.Präs. und gesamter Konj. Präs.) im Bair. liegt vor in chumt (2.Pl.Präs., Lieht, 6ra,29; 88,3; daneben 3 usuelle Bildungen e sowie auch 3.Pl.Konj.Präs. chomen, 109ra,8; 1558,7). Ausnahmen im Sg. sind häufiger und zeigen, dass bereits frühzeitig auch o über Einzelbelegung hinaus erscheinen kann (WMEv: 2 von 5 Bildungen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. hat ‹o›, so etwa chomi‫܅‬t, 91,22 neben chumi‫܅‬, 59,1; PrMi weist gegenüber 5 landschaftlich usuellen Belegen 9x ‹o› auf, z. B. 3.Sg.Ind.Präs. komet, e e 16r,10). Die Digraphie ‹o› kommt bair. auch vor in der 3.Pl.Ind.Präs. chomen (Rupr, 93,38; e e insgesamt 4x ‹o› neben 4x ‹o›). Im alem.-bair. Übergangsraum erscheint ‹o› in StBA e e rb r (3.Pl.Präs. chomen, 75 ,7) sowie in DvATr (4x, u. a. 3.Pl.Ind.Präs. chomࠀt, 43 ,13 oder Inf. e ­chomen, 49r,17; den 4  Belegen stehen 3 mit ‹o› gegenüber); singuläres ‹u› erscheint im Inf. uberchumen (WMEv, 37b,26).

Ein numerus- wie modusdifferenter Stammvokalgebrauch liegt im Alem. weitaus überwiegend und damit nur tendenziell weniger konsequent ausgeprägt vor als im

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

813

Bair. und alem.-bair. Übergangsraum. Gegenüber vorwiegendem o erscheint ‹u› ~ ‹v› im Pl. im gesamten Zeitraum, jedoch in 212/ ​113 vorerst noch in Ausnahmen und ab 213 als zum Teil gleichberechtigte Variante: 2.Pl.Imp. chvmit (LEnt, 179r,22; 64,5, daneben 7x ‹o›), 3.Pl.Ind.Präs. chumࠀt (TrHL, 104r,19 zu 8x ‹o›), 3.Pl.Ind.Präs. kvment (Luci, b1r,37 zu 15x ‹o›), 3.Pl.Ind.Präs. kvment (SwSp, 55vb,12) und Inf. kvmen (SwSp, 56rb,8, insgesamt 7x neben 8x ‹o›), 2.Pl.Präs. kࠆment (Rapp, 116vb,8; 155) oder Inf. kvmen (Rapp, 285ra,12; 33043; insgesamt 7x zu 10x ‹o›). Im Sg.Ind.Präs./ ​Imp. herrscht u (‹u› ~ ‹v›) deutlicher, vor 114 kann ausnahmsweise (bei zudem nicht immer eindeutiger Moduszuweisung) auch ‹o› belegt sein (PrZü: 3.Sg.Ind.Präs. chomda, 114rb,30 zu 11x ‹v›, z. B. chvmit, 109rb,2; TrHL: 3 modusindifferente Formen der 2.Sg.Präs., z. B. chome‫܅‬t, 103r,11 zu 5x ‹u›, z. B. Imp. kum, 4v,14). Im Sg.Konj.Präs. steht vorwiegend o e v o (‹o› ~ ‹o› ~ ‹o›), daneben ist u (‹v› ~ ‹v›) in einzelnen Hss. stets möglich, wobei auch hier graphisch eine Modusdistinktion vorliegen kann. o

Eine graphische Disktinktion liegt vor in LEnt, hier erscheint die 3.Sg.Konj.Präs. 2x mit ‹v› o o (chvme, 172r,15; 11,2, kvm, 175r,3; 31,10) gegenüber 7x ‹u› ~ ‹v› in der 3.Sg.Ind.Präs. (z. B. r chumit, 171 ,23; 2,10). Weitere u-Formen in SwSp (z. B. 3.Sg.Konj.Präs. kvme, 55ra,7 neben 2x ‹o›). Anm. 3:  In den Hss. Iw, Parz, Tris, Nib, die in 113 allg. dem Obd. zugeordnet wurden, zeigt sich ein dem jeweiligen landschaftlichen Gebrauch in 113 identischer Usus: Es liegen je numerus-/ ​modusdifferenzierende Stammvokale vor. Iw, Parz und Tris stimmen mit selten möglichem Inf.-/ ​Pl.-u zum Alem. (Gerundium chumenne, Tris, 95rb,7; 18233; 2.Pl.Präs. o chvmt, Parz, 146b,18; 512,11; 2.Pl.Präs. chvmt, Iw, 150r,14; 7698 u. 152v,11; 7827), Nib (ostbair.österr. Hs.) zeigt einen dem Bair. identischen Gebrauch. Im Sg. kann als Ausnahme und auch als mögliche Markierung der 1.Sg. o vorkommen (1.Sg.Ind. chom, Tris, 50vb,12; 7454; o dagegen chvm in Iw, 4v,1; 183 u. ö. oder auch chvm in Parz, 284a,31; 814,1).

Das Ofrk. zeigt weitgehend einheitlich u, welches im Sg.Präs. fester verankert ist als e im Pl.Präs. Im Inf./ ​Pl.Präs. erscheint vorwiegend u (ausnahmsweise auch als ‹v› in e der 2.Pl.Imp. kv mt, Renn, 155vb,7; 24472); neben generell möglichem ‹o›, insbesondere in Nürnberg, kann dies handschriftenbezogen bereits auch allein auftreten (SBNü mit 2 Inf.-Formen chomࠀ, 12va,18/ ​27; UNürnb mit 3 Pl.-Formen, z. B. komen, 33,19); in Würzburg bleibt ‹u› demgegenüber konsequenter erhalten (WüPo, 9x). Der Sg. zeigt in allen Modi ‹u›, ‹o› ist auch dort unbelegt, wo es im Inf./ ​Pl.Präs. gebraucht sein kann; handschriftenbezogen (UNürnb, Renn) tritt konsequent als Umlaut zu e wertende Schreibung in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ein (z. B. kumt, UNürnb, 33,18 mit 2 Bee legen; kv mst, Renn, 6ra,30; 715 mit insgesamt 13  Belegen). Das Wmd. zeigt bis 113 weitgehend einheitlich ‹u›, im Sg.Konj.Präs. und im Inf./ ​ Pl.Präs. ist vereinzelt ‹o› möglich (3.Sg.Konj.Präs. kome, TrPs, 82v,9; 3.Pl.Ind.Präs. koment, TrPs, 84v,6 neben 5x ‹u›; 1.Pl.Präs. und Inf. komen, RhTun, 5r,22; 387 u. 5r,24; 390 neben 2x ‹u›). Seit 213 und in 114 verstärkend zeigt sich (mfrk. stärker als rhfrk.hess.) die Möglichkeit, in allen Positionen zunehmend ‹o› zu verwenden. In 213 kann ‹o› im Rhfrk.-Hess. selten im Sg.Konj.Präs. (3.Sg.Konj.Präs. bekome, Himlf, 225,4f;

814

VII. Verben

1069 neben 3x ‹v›) sowie im Inf./ ​Pl.Präs. auftreten (Inf. und 1.Pl.Präs. komin, SalH, 418,2, 1,17 u. ö. neben 9x ‹v›), wohingegen ‹o› im Mfrk. in Brig bereits im Sg.Präs. und Inf./ ​Pl.Präs. erscheint (3.Sg.Ind.Präs. z. B. comt, Brig, 2r,5, den 5 ‹o›-Belegen stehen 13  Belege mit ‹uo› gegenüber; Inf. comen, Brig, 2r,6 neben 8x ‹uo› im Inf./ ​Pl.Präs.). In 114 kann nurmehr ‹o› (Taul, Göll, Elis, UMainz) auftreten, während es in anderen Handschriften weiterhin konsequent gemieden ist (BuMi, Yol, PrRei). Seltenen ‹o›o Gebrauch zeigen UKöln2 (3.Sg.Ind.Präs. komet, 3,35 neben 17x ‹u› im Inf./ ​Sg./ ​Pl. r Präs.), Erlös (Inf. komen, 204 ,5; 2276 zu 37x ‹u› ~ ‹uo› im Inf./ ​Sg./ ​Pl.Präs.), OxBR (3.Sg.Ind.Präs. cࠅmet, 10r,25 zu 38x ‹u› im Inf./ ​Sg./ ​Pl.Präs.), Hleb (3.Pl. komen, 179v,7 zu 8x ‹u› im Inf./ ​Sg./ ​Pl.Präs.). Im Omd. ist ‹u› ausschließlich (Ausnahme: auch ‹o› in AlxS).

2.4.1.6. Starke Verben Klasse V

(1) quęden V 103

Bei quęden (‚sagen, sprechen‘) handelt es sich um ein nur selten belegtes Verb, die Belege des Inf./ ​Part.Präs./ ​Pl.Präs. zeigen mit Ausnahme von Will (Inf. enquédan 12v,13; auch 1.Pl.Ind.Präs. queden in *Vateruns, 161) Ausfall des w-Lautes, zum Teil und besonders seit 212 mit Rundung des folgenden Vokals (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 85): u. a. Inf. choden (WNot, 21ra,4; ein später Beleg liegt vor in der 3.Pl.Ind.Präs. chodent, TrHL, 49v,7) neben u. a. 1.Pl.Ind.Präs. cheden (WNot, 42rb,18). Anm. 1: Inf./ ​Pl.-Formen von quęden sind selten, zudem allein obd. und kaum über 113 hinaus belegt; demgegenüber ist seit dem frühen Mhd. eine nurmehr formelhafte Verwendung der 3.Sg.Ind.Präs. häufiger wie daz chuit (WNot, 8va,9), daz kit (PrZü, 108rb,32) oder mit unpersönlichem Agens mit der Bedeutung ‚das heißt‘ oder ‚etwas spricht, sagt aus‘. Nach der vorwiegend obd. Belegung im frühen Mhd. treten md. Belege (nur des Sg.Präs.) selten seit 113 auf, sie werden erst ab 213 häufiger.; im Obd. (einschließlich des Ofrk.) sind Formen von quęden innerhalb des Grammatik-Korpus nach 113 nicht mehr belegt. Anm. 2:  Ausfall des w im Cluster qu kommt öfter „bes. im Alem.“ vor (Paul, Mhd.Gr., § L 85). In Schreibungen qu-, chu- (bzw. auch qv-) werden u bzw. v, sofern eine weitere Vokalgraphie folgt (z. B. 3.Sg.Ind.Präs. chuit, WNot, 5ra,9), als zweiter Teil des Konsonantenclusters gewertet; fehlt eine weitere Vokalgraphie, so werden ‹u› ~ ‹o› ~ ‹v› als Graphien des Stammvokals gewertet (je 3.Sg.Ind.Präs. z. B. kut, Kchr, 2ra,39; 314, chût, Phys, 132r,16, kvt, PrMi, 14v,12).

Die 3.Sg.Ind.Präs. erscheint nahezu ausnahmslos kontrahiert, der Stammvokal ist landschaftsdifferenziert (md., alem.) ī (‹i› ~ ‹î› ~ ‹ie›) bzw. aufgrund mdal. Rundung (bair., alem.-bair. Übergangsraum) ǖ (‹iv› ~ ‹iu› ~ ‹v› ~ ‹u› ~ ‹û›); in dem Ausnahmebeleg chot (3.Sg.Ind.Präs., HLit, 99r,1; 784) ist o als Rundungsergebnis aus ę und somit als Übernahme des Stammvokals des primären Präsensstammes zu werten. Aufgrund vorliegender Kontraktion der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. besteht Wechselflexion zur (unkontrahierten) 1.Sg.Ind.Präs.: quído (Will, 46v,25), chido (WNot, 20vb,8).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

815

Anm. 3: Bei quęden tritt Kontraktion -ide- zu ī (Paul, Mhd.Gr., § L 32, 78) mit Ausfall des w und Rundung zu kiu- auf (Paul, Mhd.Gr., § L 85, i. e. ǖ), einfaches quidet erscheint nach Ausfall des w gerundet als küdet (Paul, Mhd.Gr., § L 85); Weinhold sieht die Rundung insbesondere österr. („chiut chût = quît = quidet“, Weinhold, Mhd.Gr., § 348). ein unkontrahierter Ausnahmebeleg kommt nur im frühen Mhd. vor: 2.Sg.Ind.Präs. quíde‫( ܅‬Will, 3r,27). Die im Md. seit 113 erscheinenden Formen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. haben ausnahmslos ‹i›, mfrk./ ​omd. stets mit anlautendem Konsonantencluster (quit, BuMi, 84r,8), rhfrk.-hess. in 213 handschriftenbezogen auch selten mit w-Ausfall (qit, PrM, b3ra,16). Die Formen des Alem. (belegt bis 113) zeigen in 212 noch häufiger Anlautcluster, in 113 stets w-Ausfall, als Stammvokal erscheint neben ‹i› in Ausnahmen auch ‹ie› (kiet, LEnt, 176v,16; 45a,11) und ‹iv› (kivt, TriF, f2vb,21; 16705). Die bair. Hss. sowie jene des alem.-bair. Übergangsraumes haben (gerundeten) Stammvokal ‹u› ~ ‹v› ~ ‹û› ~ ‹iu› ~ ‹iv›, als Ausnahme ‹o›; im Bair. erscheint genereller w-Ausfall, der alem.-bair. Übergangsraum hat in 212 noch ‹qu› ~ ‹ku› ~ ‹kv›.

(2) j-Präsentien

Von den ehemaligen j-Präsentien (biten, siƶƶen, ligen) haben biten und siƶƶen einen einheitlichen Präsensstamm mit weitaus überwiegend Stammvokal ‹i› (selten auch ‹î›, ~ ‹y› und mit möglichem Hinweis auf eingetretene Dehnung auch ‹ie› sowie als mögliches Ergebnis md. Senkung und Dehnung ‹e›), bei ligen tritt häufig eine positionsbezogene Kontraktion in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mit monophthongisch oder diphe thongisch zu wertendem Stammvokal auf (zumeist als ‹i›, auch ‹î› ~ ‹ı› ~ ‹ie› ~ ‹ij› ~ ‹ei›). Nur als Ausnahme treten die Schreibungen ‹y› (Yol, BeEv, Taul, OxBR, Hleb), ‹î› (Spec), und ‹ie› auf (nur bei biten oder ligen: MüRB, Erlös, Baum, UKöln1, GRud, Aegi; im Md. kann Markierung des gedehnten i vorliegen, vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 34). Graphie ‹e› kann auf „md. Dehnung und Senkung von /i/ > /ē/ ​“ (Paul, Mhd.Gr., § L 32) verweisen (3.Pl.Ind. Präs. legent, UKöln1, 15,11); durch Senkung entstandenes e für i erscheint nach Ausweis der Frnhd.Gr. in mfrk., rhfrk.-hess. und thür. Hss./ ​Urkunden „sehr ausgedehnt“ bis „ganz gewöhnlich“ (V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 72), so in OxBR (u. a. Inf. beden, 13r,31 neben einmaligem ‹y› in des zudune bydet in mit ‫܅‬tedeme gebede, 1r,9) und auch BeEv (u. a. Inf. beten, 62r,13); singulär verbleibt ‹e› außerhalb des Md. (3.Pl.Ind.Präs. vnd’legen, Baum, 103v,3). Zu rip. beden (für biten) vgl. Dornfeld (1912, 146). Anm. 1:  Bei Belegen mit Graphie ‹e› ist aufgrund der Kontextbedeutung nicht immer auszuschließen, dass eine partielle Lexemverschmelzung mit dem swv. bęten vorliegt (s. MWB 1, s. v. Bedeutungspositionen 3 und 4).

Kontraktionsformen in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. von ligen (-ige- > ī, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 76) erscheinen obd. ab 212 (als ‹i› ~ ‹î›) zuerst gleich häufig neben unkontrahierten Formen, sie werden jedoch schon in 113 dominant und bleiben bis 114 nahezu ausnahmslos (neben ‹i›, erst ab 213 bair. auch als ‹ei›). Seit 213 werden sie auch md. möglich (als ‹i› und selten ‹î› ~ ‹ie› ~ ‹y›; ‹ei› ~ ‹ij› nur ausnahmsweise in 114) und

V 104

816

VII. Verben

können handschriftenbezogen sogar ausschließlich (MüRB, Yol, Elis, Hleb, Pass) oder überwiegend sein (Göll, Erlös, PrRei); daneben können sie jedoch in Hss. auch gänzlich fehlen (BuMi, HTri, OxBR, UMainz, LuKr). Im Ofrk. (vorwiegend ‹i›, seltener ‹ei›, ausnahmsweise ‹ie›) ist Kontraktion überwiegend gebraucht (Renn, Lupo; nicht in GnaÜ). Noch in 212 stehen im Obd. neben Hss. mit kontrahierten Formen (HLit, Mess, Scop) solche mit ausschließlich unkontrahierter Formenbildung (Phys, PrZü, LEnt). Unkontrahierte Formen erscheinen ab 113 obd. nurmehr selten oder ausnahmsweise (Iw mit mehreren Belegen neben häufigeren Kontraktionsformen, Einzelbelege ZwBR, TriF, Lieht, Bart mit mehreren Belegen neben jedoch häufigeren Kontraktionsformen, Türh). Bei den noch vereinzelten bair. Formen mit ‹ei› in 213 (Diet, Lieht), die in 114 ausschließlich werden, liegen Diphthongformen vor (Paul, Mhd.Gr., § L 45); auf Schreiberunsicherheit verweist e Einzelbeleg lıt (Lieht, 9vb,15; 146,7; singuläre Graphieform in der gesamten Hs.), insofern die Hs. variant auch ligt (7 va,4; 110a,4), lít (7 vb,32; 114a,7) und auch leít (60vb,1; 882,8) ausweist. Die mfrk. Belege lijt (Göll, 4ra,34; C 34) und neder lí‫ݱ‬t (Göll 3rb,17; B 91; daneben auch liget, Göll, 1vb,1; A 132) verweisen auf ī (Paul, Mhd.Gr., § E 40.2.); so auch liet (Taul, 161v,15) neben geleit (Taul, 84r,5). 2.4.1.7. Starke Verben Klasse VI

(1) Allgemeines V 105

Die stv. VI haben Stammvokal a, in den Kurzformen slān (slahen), twān (twahen) auch ā; in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. kann Umlaut des Stammvokals eintreten. Neben den kontrahierten Verben kommt es zu Kontraktionsformen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. auch von tragen mit partiell diphthongischem Stammvokal. Die Verben mit ehemaligem j-Präs. (s.  § V 107) haben Umlaut ė im gesamten Präsens. Zu stān/ ​stēn s. § V 214ff. (2) Verben mit a, ā

V 106

Der primäre Präsensstamm ist nahezu ausnahmslos mit ‹a› realisiert, ebenso die Kurzformen slān (slahen) und twān (twahen); singuläre graphische Abweichungen liegen vor in ‹ai› ~ ‹ay› (Inf. ‫܅‬laín, UKöln1, 13,16; Inf. zo‫܅‬laine, Taul 94r,13; 3.Sg.Konj. Präs. draige, Taul, 85r,16; 3.Sg.Konj.Präs. vaire, Taul, 162r,20; 2.Pl.Imp. verdrayt, Taul, 162v,12), ‹â› (uârn, Mar, 82v,8; 4663), lautlich zu wertende Abweichungen zeigen 3.Sg. Konj.Präs. wæh‫܅‬e (HLit, 77r,5; 181, mit Umlaut zu Inf. wahsen) sowie 3  Belege zu waschen (Inf. we‫܅‬zࠀ, OxBR, 8v,5 sowie Inf. we‫܅‬ene, OxBR, 12v,2; 2.Sg.Imp. we‫܅܅‬che, Taul, 171v,15). Anm. 1:  Lexer (s. v.) nennt Nebenform wėschen neben waschen. Hier liegt ein besonders im Alem. vor sch häufig eintretender Umlaut vor (Paul, Mhd.Gr., § E 31; so auch Part.Prät. gewe‫܅‬chen, Rapp, 116va,18; 116), der sich auch „rhein- und mittelfränk.“ zeigt (Grimm, DWB, s. v.), so im Part.Prät. Gewe‫܅‬hen (Erlös, L2va,22; 2501).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

817

In der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. (einschließlich unkontrahierter Formen von tragen; zu slahen, twahen s. u., zu schaffen s. § V 107) erscheint mit wenigen lexemspezifischen Ausnahmen (backen, waschen, wahsen und selten auch bei tragen) weitaus überwiegend (bezeichneter) Umlaut (zumeist als ‹e›), so auch in ‫܅‬penit (Scop, 2v,7; 5,3), mele‫܅‬t (TrHL, 106v,22); der Umlaut (Primärumlaut) gilt bereits ahd. (Ahd.Gr.I, § 345, Anm. 1). Seltene und als umlautlos zu wertende Verwendungen kommen besonders im Obd. bis in das 13. Jh. hinein vor. Positionsgebundene Kontraktionsformen (bei tragen) sowie Formen der kontrahierten Verben sind gesondert zu betrachten (s.  § V 238). Ausnahmen liegen vor in 3.Sg.Ind.Präs. traget (Phys, 153v,4 zu 2 Umlautformen von tragen; TrHL, 103r,16 zu mehreren Kontraktions- und einer Umlautform von tragen; PrSch, 243v,12), dragit (Taul, 172v,4 zu einer Kontraktionsform von tragen). Ausnahmen sind ladet (DvATr, 80r,6) und ledet (OxBR, 1r,33 u. 1r,37). Anm. 2:  Der bereits ahd. eintretende Primärumlaut (ė) wurde bei Vorliegen bestimmter und in ahd. wahsan gegebener Bedingungen (Stammvokal a in der Lautverbindung vor hs) gehindert, hier trat im Mhd. sog. Sekundärumlaut (ä) ein, der „in den bair. Mundarten [...] seit dem 12. Jahrhundert zu offenem [a] gesenkt“ wurde (Ahd.Gr.I, § 27, Anm. 2); s. § V 12. Anm. 3:  Bei stv. laden (onerare ‚aufladen‘) „trat schon früh verwechslung“ (Lexer, s. v.) mit dem homonymen swv. laden (invitare ‚einladen‘) ein; hieraus mag sich einerseits umlautloses ladet (DvATr, 80r,6, onerare) bei in der Hs. ansonsten vorkommender Umlautung (z. B. widervert, DvATr, 51r,7 u. ö.) sowie auch umlautendes ledet (OxBR, 1r,33 u. 1r,37, invitare) bei in der Hs. belegtem sw. Part.Prät. geladet (3r,13) erklären.

Das früh nur selten belegte bachen (vgl. MWB 1, s. v. backen) erscheint insbesondere im Ofrk. in 114 (GnaÜ, SBNü, WüPo) als Inf. bachen (GnaÜ, 6,5; SBNü, 9ra,25) und auch backen (WüPo, 248ra,17 u. ö.). Die 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. von bachen ist umlautlos (bachet, SBNü, 9rb,2), jene von backen stets mit Umlaut flektiert (WüPo, becket, 248vb,13 u. ö.). Anm. 4:  Frühe Belegung von bachen ist bspw. in WNot (3.Sg.Ind.Präs. bachet, 34ra,9) nachgewiesen. Neben der ausschließlichen Schreibung ‹ch› in WNot, Bart, GnaÜ, SBNü erscheint das Verb in WüPo nahezu ausschließlich mit ‹ck› (Ausnahme Inf. bachen, 242ra,2, zu 23 Belegen mit ‹ck›); es handelt sich historisch um unterschiedliche Präsensformen (vgl. Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 4).

Bei wahsen ist in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. im Md. und Ofrk. Umlautung allgemein (213: SalH, VLilie; 114: PrRei, BuMi, GnaÜ, Renn; so schon auch bei Will), alem. tritt Umlaut nicht auf (TrHL, PrSch, RWchr, UFreib1, NikP). Das Alem. entspricht damit dem allgemein obd. Usus bis in 113 (Phys, WMEv, Tris, Luci), ab 213 können bair. (Bart) wie auch im alem.-bair. Übergangsraum (seltenere) Umlautformen neben unumgelauteten Formen erscheinen (DvATr mit Umlautgraphie ‹æ›, Baum, Türh). Neben den Vollformen slahen und twahen kommen auch die (kontrahierten) Kurzverben slān und twān vor, wobei die Kurzform von twahen nur als Ausnahme

818

VII. Verben

erscheint (allein rhfrk.-hess. in 114: OxBR, 8v,6 u. ö.); das Verb twahen ist in seinem Gebrauch zudem landschaftlich bevorzugt, es ist insbesondere bair. und im alem.bair. Übergangsraum belegt und zeigt in seinen wenigen Belegen sowohl Umlaut der 3.Sg.Ind.Präs. (twehet, PrMi, 30r,20) als auch Umlautlosigkeit (getwahet, Mess, 136v,22; 232). Die Kurzform slān kommt bei sehr wenigen Ausnahmen vor allem im Mfrk. und Omd. vor, im Obd. und auch im Ofrk. gilt die Vollform slahen mit Stammvokal a (in Ausnahmen auch als ‹â›). Kurzformen sind bis 114 im Mfrk. und Omd. usuell, jedoch sind in 114 sowohl Kurzformen im Rhfrk.-Hess. (Inf. ir‫܅‬lan, OxBR, 3r,33) wie auch Langformen im Omd. (Inf. ‫܅‬lahen, LuKr, 16v,13; 939) möglich. Der Stammvokal des Inf./ ​Pl.Präs. und Konj.Präs. der Kurzformen ist graphisch vorwiegend als ‹a› realisiert (seltener ‹ai› ~ ‹â›), in Ausnahmen ‹e›. Bei den Belegen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mit ‹ei› kann es sich um ein positionsgebundenes Kontraktionsergebnis (-ahe- > -ėibzw. mfrk. -ahe- > ē) und somit um eine unabhängig vom kontrahierten Präsensstamm entstandene Bildung handeln oder ein (als Langvokal markierter) Umlaut zum primären Präsensstamm-ā vorliegen, z. B. de er‫܅‬leit den duuel (PLilie, 20r,14), ‫܅‬leit (Taul, 83r,8), ir‫܅‬leit (MüRB, 3v,17); eindeutiger Umlaut liegt vor in ‫܅‬let (MBeh, 60r,19). Obd. Kurzformen zeigen sich ausnahmsweise in frühem ge‫܅‬lat (3.Sg.Ind.Präs., Mem, 154v,17; 6,6) und ‫܅‬la (3.Sg.Konj.Präs., LEnt, 177r,6; 48,3 u. ö.). Mfrk. Ausnahmen einer Verwendung von ‹e› auch außerhalb der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. kommen vor im Inf. aue‫܅‬len (RBib, A2v,16; 386 neben Belegen mit ‹a› ~ ‹â›), der 3.Pl.Ind.Präs. ‫܅‬lent (VLilie, 29r,6; 11,24) und ‫܅‬lee (Taul, 166v,18); hier ist mfrk. ē durch Kontraktion aus -ahe- anzunehmen (s.  § V 246; Weinhold, Mhd.Gr., § 33 zu vēn). In der 3.Sg.Konj.Präs. ‫܅‬lehe (PLilie, 11r,7) kann Übertragung des Umlauts vorliegen. Bei den Digraphien ‹ai›, selten ‹ay› ~ ‹âi› ~ ‹ei› liegt graphische Markierung der Vokallänge vor (vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 40.2).

Formen von slahen haben durchgehend Umlaut in 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. (gegenüber a in der 1.Sg.Ind.Präs. und im Sg.Imp., z. B. Türh: 1.Sg.Ind.Präs. ich ‫܅‬lahe den ‫܅‬herben, 105ra,28; 16870 neben 3.Sg.Ind.Präs. Der ‫܅‬leht Ros vnd man, 63va,17; 663). Anm. 5:  slahen zeigt vereinzelt stammfinal ‹g› (Slag dinen ‫܅‬on, OxBR, 2v,23; ‫܅‬i wænent daz o ih in ‫܅‬chvf er‫܅‬lagen, Parz, 12a,25; 26,30); zum Gramm. Wechsel bei slahen s. § V 165. Bei den kompositionellen Verben halsslagen, ōrslagen und wangeslagen mit stammfinalem ‹g› handelt es sich um swv. Verben (vgl. Lexer, s. v.).

Bei tragen kommen positionsgebundene Kontraktionsformen ab 212 zuerst im Obd. vor, ab 213 erscheinen sie häufig auch im Md. Während die Situation noch in 113 weitgehend landschaftlich differenziert erscheint (obd. Kontraktion, md. Vollformen), kommt es ab 213 insbesondere im Md. zu einer einzelhandschriftlichen und auch innerlandschaftlichen Varianz, die in 114 fortbesteht. Das Obd. und Omd. weisen einen einheitlichen Gebrauch kontrahierter Formen auf, die Verwendung im Wmd. und Ofrk. ist schwankend. Die Kontraktionsgraphie (obd.) – vorwiegend ‹ei› (selten

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

819

‹êi› und ausnahmsweise auch ‹ai›) – verweist auf Diphthong ėi, spätes bair. ‹æ› (Rupr) sowie wmd. ‹ai› ~ ‹ay› (vorwiegend auch ‹ei›) kann auf monophthongisches ā (bzw. Umlaut) hinweisen (s. o.). Noch in 211/ ​112 zeigt auch WNot die unkontrahierte Form (fertreget, 10rb,21). Bei wenigen handschriftenbezogenen Ausnahmen bleibt die Kontraktionsbildung mhd. im Obd. allgemein: Eine Ausnahme in 212 stellt Phys dar, insofern keine Kontraktionsform erscheint (z. B. tregit, 150r,16); TrHL zeigt für das Alem. in 113 ein variantes Nebeneinander kontrahierter (z. B. treit, 49r,14) und unkontrahierter Formen (z. B. treget, 107 v,6). Eine solche Varianz erweist sich für 213 allein in StBA, wohingegen die Mehrzahl aller obd. Handschriften nur Kontraktionsformen haben (Bart, Lieht, DvATr, UAugsb1, Wins, SwSp, RWchr; jedoch Einzelbeleg traget, PrSch, 243v,12); dies gilt auch in 114 (Rupr, MMag, ObEv, Baum, Türh, NikP, UFreib2, Rapp, Mart). Im Md. setzt schwankende Verwendung zu 213 hin ein, die md. Hss. (RhMl, AlxS) in 113 haben noch allein unkontrahierte Formen. Die Situation ist in 213 geändert, insofern zuerst rhfrk.-hess., späterhin auch mfrk. Handschriften Kontraktion aufweisen (213: unkontrahiert VLilie, Himlf mit einer Ausnahme, kontrahiert SalH, Himlf: Ausnahme dreget, 199,7; 627; 114: unkontrahiert BuMi, SalH, PrM, Erlös, Hleb, kontrahiert Taul mit Ausnahme dragit, 172v,4, Göll, PrRei); allein im Wmd. in 114 kommt es zudem zur Verwendung von Kontraktionsformen auch außerhalb der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs.: Inf. dr‫ݰ‬n (Göll, 4rb,2; C 46) und dren (PrRei, 167a,29), 2.Pl.Imp. verdrayt (Taul, 162v,12). Im Ofrk. stehen Texte mit konsequenter Verwendung von Kontraktionsformen (WüPo, Renn, Lupo) neben solchen, in denen sie konsequent gemieden sind (GnaÜ, SBNü).

(3) j-Präsentien

Die ehemaligen j-Präsentien (hėben, be-/ ​entsėben, swėrn) haben weitgehend Präs.Vokal ‹e› (Will selten ‹ê›), mfrk. auch ‹ey›, omd. auch ‹ei›; im Bair. in 114 neben hėben auch (Inf.) haben (Vermischung mit hėben, MWB 2, s. v.). Zu dem hierher gehörenden schėpfen existiert ein swv. schaffen (‚erschaffen‘), das den Inf. und die Präs.Formen des stv. schėpfen nahezu gänzlich verdrängt hat. Zur Gruppe der Verben mit Präs.-e zählt auch gewahen, insofern das Präs. auch Formen des swv. gewėhenen hat. Eine dem starken Verb schėpfen ausdrucksseitig zuzuordnende Form des Inf./ ​Präs. existiert nurmehr ausnahmsweise (3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬cheffit, PrMK, 6v,44). Das starke Verb bildet seine Präs.-Formen durch das schwache Verb schaffen (ahd. scaffōn), die Prät.-Formen stammen hingegen häufig vom st. Verb, so 3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬chaffet (BuMi, 66r,16, 2.Sg.Ind.Prät. o ge‫܅‬chufes, 67r,13), 3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬cafit (ZwBR, 15v,6, 3.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬cvof, 3v,2), 2.Sg.Präs. ‫܅‬caffe‫܅‬t o (TrHL, 109r,15, 3.Sg.Ind.Prät. ge‫܅‬chuf, 5v,10 u. ö.), 2.Sg.Präs. ‫܅‬chaffe‫܅‬t (Lieht, 8vb,6; 128,2, in der Hs. sowohl stark flektiertes Part.Prät. ge‫܅‬chaffen, 60va,30; 882,2 als auch schwach flektiertes Part.Prät. ge‫܅‬chaffet, Lieht, 110rb,21; 1583,1), 2.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬chaffes (Pass, 87rb,19; 14,79, 3.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬chuf 82va,36; 7,80 u. ö.). Anm. 1:  Zum stv. schėpfen (‚creare‘) gibt es ein (im Inf.) ausdrucksseitig ununterscheidbares swv. schėpfen (‚haurire‘; zu wgerm. *skap, mhd. Subst. schaf ‚Gefäß für Flüssigkeiten‘), zu dem zahlreiche Belege vorkommen. In der Forschungsliteratur ist nicht eindeutig geklärt, ob st. schaffen eine Bildung zu sw. schėpfen ist oder ob es sich ursprünglich um zwei homophone Wörter mit unterschiedlicher Klassenzugehörigkeit handelt (vgl. Grimm, DWB 15, 1535); schėpfen konnte urprünglich sowohl ‚schöpfen‘ (lat. haurire) als auch ‚(er)schaffen‘

V 107

820

VII. Verben

(lat. creare) bedeuten, schaffen ist nur in letzterer Bedeutung nachgewiesen, im Mhd. ist die Trennung von ‚schöpfen‘ und ‚schaffen‘ fortgeschritten (vgl. Grimm, DWB 15, 1536; zu ahd. skeffen vgl. Köbler, Ahd.Wb., skaffōn, zu skepfen vgl. Riecke 1994, 53). Zum stv. gewahen (‚sagen, erwähnen‘, MWB 2, s. v.; u. a. 3.Sg.Ind.Prät. mit Grammat. Wechsel gewuc, HTri, 136va,18; 6092) gehören schon im Ahd. die Präs.-Formen des swv. giwahanen (mhd. gewėhenen, vgl. Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 2). Im Mhd. zeigen sich Umlautformen (Nib, Tris, z. B. Inf. gewæhnen, Tris, 96ra,29; 18462) neben Formen, die umlautunbezeichnet sind (WNot, PrZü, z. B. Inf. gewahenen, PrZü, 111va,12f). Zum Vorkommen des Grammat. Wechsels auch im Inf./ ​Präs. s. § V 165.

hėben (mit ausgeglichenem Grammat. Wechsel, daneben auch mit Frikativ, graphisch als ‹v› ~ ‹u› ~ ‹f›) kennt neben vorwiegendem ‹e› im Mfrk. in 213/ ​114 auch ‹ey› (Brig, Taul, z. B. Inf. heyuen, Taul, 86v,10). Das neben hėben ausgewiesene haben (MWB 2, s. v.) erscheint allein im Bair. in 114 (MMag mit 2 Belegen des Inf., z. B. haben, 17 v,12; 602, neben 2.Sg.Ind.Präs. heb‫܅‬t, 7 v,1; 265 und Part.Prät. ovf erhaben, 19v,11; 664; Rupr mit ausschließlich ‹a› wie in 3.Sg.Ind.Präs. habt, 91,39 und sw. Part.Prät. gehabt, 92,15). Anm. 2: Bei hėben können Belege mit Frikativzeichen ‹v› ~ ‹u› ~ ‹f› im Inf./ ​Präs. bis 114 vorkommen. In solchen Formen können ein noch unausgeglichener Grammat. Wechsel, im Mfrk. Fortsetzung des wgerm. Frikativs nach Vokal (Paul, Mhd.Gr., § L 98) sowie im Bair. auch „umgekehrte Schreibungen, veranlasst durch den bair. Wandel /w/ > /b/ ​“ (Paul, Mhd.Gr., § L 98) vorkommen. Ein Hinweis auf einen noch nicht ausgeglichenen Grammat. Wechsel kann nur dort vermutet werden, wo entsprechende Formen im Pl.Prät., im Konj. Prät. und Part.Prät. nicht belegt sind; kommen solche Formen auch im Prät. vor, so ist lautliche Verursachung anzunehmen. Belege mit stammkonsonantisch ausgeglichen zu wertendem ‹b› erscheinen erst ab 212 (WNot hat nur ‹u›) im Alem. (PrZü, LEnt) und Wmd. (TrPs), wohingegen im Bair. (Wind, Mess) und im alem.-bair. Übergangsraum (Spec) ‹v› ~ ‹f› belegt sind (dort ‹b› bei den stark flektierten Formen des Prät. und Part.Prät.). Dieser landschaftlich eingegrenzte Gebrauch von ‹v› ~ ‹u› bleibt auch in 113 beibehalten (bair.: Mar, Hchz, PrPa, PrMi; alem.-bair. Übergangsraum: Hoff), wobei jedoch bereits auch ‹b› im Bair. (in Mar neben häufigerem ‹u›) und im alem.-bair. Übergangsraum (ZwBR) erscheint (in allen Fällen steht ‹b› ~ ‹p› im Prät. und Part.Prät.). Nurmehr in 213 kann ‹v› im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum in zudem wenigen Hss. vorkommen (Bart, DvATr), bis in 114 bleibt frikativische Realisierung allein im Mfrk. konsequent erhalten (vgl. dagegen Be‫܅‬ebit in Taul, 171r,18, s. Anm. 5).

swėrn kennt neben nahezu ausnahmslosem ‹e› im Omd. in 114 auch ‹ei› (MüRB, z. B. Inf. gi‫܅‬ueirí, 1v,6). Anm. 3:  In Fällen mit ‹ei›-Graphie kann durch postvokalisches ‹i› die geschlossene Qualität des ė angezeigt sein (vgl. V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 70, Anm. 6). Anm. 4: Neben swėrn mit einfachem r-Kons. (in der wgerm. Konsonantengemination wurde nur r durch folgendes j nicht geminiert, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 68, Anm. 1) kommt als Ausnahme der Inf. ‫܅‬werigen vor (Hchz, 147 v,10; 503); Lexer (s. v.) nennt Nebenformen swerigen, swergen (g für ursprüngliches j, Paul, Mhd.Gr., § L 87f).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

821

be-/ ​entsėben kennt ausnahmslos ‹e›. Anm. 5:  Zu Formen mit stammfinalem Frikativzeichen ‹u› ~ ‹v› im Mfrk. (BuMi, 3.Sg. Ind.Präs. ent‫܅‬euet, 93r,2; so aber nicht zeitgleich bei Taul, 2.Pl.Imp. Be‫܅‬ebit, 171r,18) s. Anm. 2.

2.4.1.8. Starke Verben Klasse VII

(1) Allgemeines

Zu den starken Verben der Klasse VII gehören neben den umlautfähigen Verben mit a (halten), ā (rāten), ō (stōȥen), ou (loufen) und ue (ruefen) auch Verben mit ėi (hėiȥen), das j-Präsens ėrn sowie gān/ ​gēn; zu gān/ ​gēn s. § V 208ff.

V 108

Anm. 1: Das j-Präsens ėrn (auch arn) ‚pflügen‘ (ahd. ėrien aus germ. *arjan, vgl. Ahd.Gr.I, § 350, Anm. 5) ist singulär als Part.Prät. belegt (gearn, RWchr, 152rb,33; 20659; Hinweise zu Belegen von u. a. Präs. er(e)t finden sich in MWB 1 sowie auch in DWB, s. v. eren).

(2) Verben mit a

Bei einer lexemspezifischen Ausnahme zeigt der Usus im primären Präsensstamm a: Eine große Variation zeigt allein vān (Kurzform zu vāhen, zur Zugehörigkeit zur Gruppe der Verben mit a s. Anm. 2), die besonders wmd. ab 113 mit ‹â› ~ ‹âi› ~ ‹ai› ~ ‹ay› ~ ‹ae› sowohl graphisch als auch lautlich zu werten ist; Reflexe lautlicher Veränderungen liegen vor in wmd. (insbesondere mfrk.) ‹e› ~ ‹ê› ~ ‹ee› ~ ‹ei› (‹ee›: möglicherweise liegt hier Hiatus aus Stamm- und Nebensilbenvokal vor) und ofrk. ‹o›. Anm. 1:  Bei den im Wmd. ab 113 häufigen Digraphien ‹ai›, selten ‹ay› ~ ‹âi› kann eine nur graphische Markierung der Vokallänge ohne spezifische phonische Korrespondenz vorliegen (vgl. Paul, Mhd.Gr., § E 40.2); in ‹ae› kann Hiatus aus Stamm- und Nebensilbenvokal nicht ausgeschlossen werden. Mfrk. erscheint in vāhen auch ē „für contrahiertes ahe“ (Weinhold, Mhd.Gr., § 33). Die Flexion der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. von vān/ ​vāhen sowie hāhen ist aufgrund des abweichend zur Subklasse vorliegenden Langvokals gesondert zu diskutieren. Anm. 2:  Der in vān/ ​vāhen (ahd. fāhan) vorliegende Langvokal im Inf./ ​Präs. weist synchron auf die Zugehörigkeit zur Gruppe der stv. mit Stammvokal ā. Die Zuordnung in die a aufweisende Subklasse (halten, vallen) erfolgt diachron aufgrund der ursprünglichen Form *fanhan mit urgerm. Nasalausfall vor h (vgl. Ahd.Gr.I, § 350, Anm. 4). Seit 212 kann beim Kurzverb vān handschriftenbezogen im Mfrk. (selten im Rhfrk.-Hess.) allein oder vorwiegend ē erscheinen (mfrk.: RBib mit 3 Inf.-Belegen unt fên, A3v,11; 420 u. ö. neben auch uan, A1v,14; 350; RhMl mit 2 Inf.-Belegen entfeen, 37r,4; 2082 u. ö. und 3 Belegen der 3.Pl.Ind.Präs. enfeínt, 84r,12; 4533 u. ö. neben Inf. entfan, 30r,7; 1703; UKöln2 mit Inf. infein, 6,21 neben intfaẏn, 5,34; BuMi mit ausschließlich ‹e› in 8 Belegen des primären Präsensstammes, z. B. Inf. uen, 89v,8; Taul mit 3.Pl.Ind.Präs. intfeint, 165r,15 neben 6 Inf.-Belegen mit ‹ai› wie intfain, 90r,11; VLilie mit 1.Pl.Ind.Präs. intfen, 82v,9; 44,5 und 2 Belegen der 3 Sg.

V 109

822

VII. Verben

Konj.Präs. wie entfe, 11r,8; 4,8 neben 2 Belegen des Inf.: intfain, 37r,5; 16,2 und intfan, 47 v,14; 22,30; rhfrk.-hess.: OxBR mit 3.Pl.Ind.Präs. intfen, 8v,17 neben 9 Belegen mit ‹ae›, entfaent, 12r,37 u. ö. sowie 2  Belegen mit ‹a›, intfan, 3v,30). Weinhold (Mhd.Gr., § 33) sieht dieses „vornehmlich“ mfrk. ē durch Kontraktion aus -ahe- entstanden und lehnt angenommene „Analogiebildung zu gên, stên“ ab; insofern jedoch ē ausschließlich oder überwiegend in allen paradigmatischen Positionen auch der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. auftritt (s.  auch slahen, § V 106), kann mit Michels (1979, 265) ein neuer und variant zu vān verwendeter Inf. vēn ebenfalls angenommen werden. Singuläres ‹o› (Inf. emphohࠀ, Lupo, 232va,32; 2,575 neben vahen, 233va,20; 3,94) wird in mdal. Wandel ā > ō begründet sein (Paul, Mhd.Gr., § L 37; vgl. auch Pfanner 1954, 172). Anm. 3:  Anders als bei vān/ ​vāhen kommen bei hāhen (ahd. hāhan, ursprünglich *hanhan, vgl. Ahd.Gr.I, § 350, Anm. 4) vom allgemeinen Usus mit a abweichende Ausnahmebildungen vor (graphisch zu wertende Ausnahme im Inf. haí, MüRB, 5v,1 mit thür. n-losem Inf. (zu n-losem Inf. s. § V 36, Anm. 1); wie in vāhen aufgrund von Kontraktion zu erklärende 3.Pl.Ind.Präs. heínt, UKöln1, 1,34).

vān/ ​vāhen, hān/ ​hāhen V 110

Im Wmd. ist seit 212 in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. bei vāhen und hāhen handschriftenbezogen häufig eine Übereinstimmung zur ausschließlichen oder varianten Formenbildung kontrahierter Formen des primären Präsensstammes mit Stammvokal ē (graphisch ‹ei› ~ ‹e›) belegt; so nachgewiesen in RhMl (auch mit 3.Sg.Ind.Präs. heit, 39r,20; 2215 von hāhen), UKöln1 (auch mit 3.Sg.Ind.Präs. heít, 11,36 von hāhen), VLilie, OxBR, BuMi und Taul. Eine zum Usus der stv. VI und VII (mit Stammvokal a oder ā) stimmende Wechselflexion der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. erweist sich für vān/ ​vāhen, hān/ ​hāhen vor allem in der Alternation unkontrahierter Formen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mit Umlaut-Stamm­ vokal æ oder ē zu unkontrahierten Formen der übrigen paradigmatischen Positionen mit Stammvokal ā (z. B. SalH mit Inf. inphahen, 433,1, zu 3.Sg.Ind.Präs. vehit, 420,33); möglich ist zudem die Alternation der umgelauteten unkontrahierten Form der 2./ ​ 3.Sg.Ind.Präs. zur unumgelauteten kontrahierten Form (z. B. des Inf. vmme wan < umbevāhen, PrRei, 22b,26 zur 3.Sg.Ind.Präs. enphehít, PrRei, 172a,2; so auch Erlös, GRud). Neben einem frühen bair. Ausnahmebeleg (enphæhet, Wind, 202v,4, daneben unkontrahierte 3.Pl.Konj.Präs. enphahen, 195r,1) zeigt sich Umlautungsbezeichnung der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ab 113 und verstärkend in 114 besonders im Rhfrk.-Hess. (SalH; Hleb, PrRei, Erlös) und Ofrk. (Renn, WüPo, Lupo), frühzeitiger schon auch im Omd. (PrM, GRud). Umlautmarkierung ist allerdings auch in 114 noch nicht in der Mehrheit der Belege der Fall. Anm. 1:  Graphie ‹æ› in Wind (3.Sg.Ind.Präs. enphæhet, 202v,4) kann aufgrund des Handschriftenusus als Umlautgraphie (s.  § V 12) gewertet werden (u. a. belegt in der stamm­ vokalischen Opposition der 3.Pl.Ind.Präs. waren, 82v,12 gegenüber Belegen des Konj.Prät. sowie der 2.Sg.Ind.Präs. mit æ beim stv. węsen).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

823

Weitere Möglichkeiten einer Wechselflexion ergeben sich aus den verschiedenen Konstellationen kontrahierter Formen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. zu kontrahierten/ ​unkontrahierten Formen des sonstigen Paradigmas. Folgende Konstellationen sind zu unterscheiden: (a) Alternation kontrahierter Formen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mit Stammvokal ē zu kontrahierten Formen der übrigen paradigmatischen Positionen mit Stammvokal ā (z. B. BeEv mit Inf. van, 60v,21 zu 3.Sg.Ind.Präs. enphet, 57 v,9; so auch Pass), (b) Alternation kontrahierter Formen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. mit Stammvokal æ zu unkontrahierten Formen der übrigen paradigmatischen Positionen mit Stammvokal ā (allein bair., z. B. Rupr mit Inf. enpfahen, 68,8 zu 3.Sg.Ind.Präs. væcht, 11,22). Anm. 2:  Die Ausnahmebildung infingit (OxBR, 3r,1, neben sonstiger Handschriftengraphie ‹ei›) ist in Anlehnung an Weinhold als Umlautbeleg zu werten (Mhd.Gr., § 22: ein von e ausgehender und dem i „sich nähernder Laut“).

halsen, halten, salzen, schalten, spalten, vallen, valten, walken, wallen, walten, walzen

Belegt sind Formen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. der starken Verben (-)‌halsen, (-)‌halten, schalten, (-)‌vallen, valten, wallen, walten. Als jeweilige Umlautgraphien treten weithin überwiegend ‹e›, in Ausnahmen ‹æ› (obd.) und ‹ei› (mfrk.) auf (singulär ‹ie› in PrZü, 107 va,4, evtl. als Schreibfehler zu werten). Anm. 1:  Der Status der Umlautkennzeichung in der Einzelbelegung von ‹ae› in WMEv (3.Sg.Ind.Präs. behaelt, 39,4) ist unklar (WMEv weist nur einen möglichen Umlaut von Langvokal ā auf, 3.Sg.Konj.Prät. were, 23,25 zum Inf. węsen).

Umlaut der 3.Sg.Ind.Präs. erscheint bei vallen bereits in 211/ ​112 (uellet, WNot, 11ra,3), ohne Umlaut erscheinen halten, walten. Schon in 212 kommen Umlautformen in allen Sprachlandschaften vor, wobei innerhalb des Obd. jeweils handschriftenbezogen durchgehende oder vorwiegende Umlautlosigkeit sowie auch durchgehende oder vorwiegende Umlautung vorliegen kann. Unter Berücksichtigung des sich in der Folge ausweisenden Usus scheint der Umlaut im Md. schon früh fest. In den bair. Hss. HLit und Wind fehlt der Umlaut, wohingegen in Phys und Kchr (mit Einmalbelegung 3.Sg.Ind.Präs. wellet, 37ra,36; 8569, zu stv. wallen) umlautlose Formen nicht belegt sind. Im alem.-bair. Übergangsraum zeigt Spec ausschließliche Umlautlosigkeit, während Mess ebenso einen varianten Gebrauch ausweist (zu WMEv s. Anm. 1) wie auch die alem. Hss. PrZü und LEnt. Die wenigen md. Belegungen (TrPs, Aegi mit seltener 3.Sg.Ind.Präs. wellit, 3vb,34; 1025, zu stv. wallen) zeigen Umlaut.

Das Md. bedient sich ab 113 konsequent des Umlauts und stimmt hierin mit dem wesentlich erst 114 in die Überlieferung eintretenden Ofrk. überein (so auch die seltenen Formen 3.Sg.Ind.Präs. weldit, PrRei, 167b,30 oder weltet, Renn, 154ra,31; 24213 zum stv. walten). Demgegenüber ist der Umlaut obd. auch in 114 noch nicht konsequent durchgesetzt bzw. markiert, die schon für 212 ausgewiesene Situation wird nur

V 111

824

VII. Verben

zögernd in Richtung eines zunehmend markierten Umlauts entwickelt und scheint sogar ab 213 partiell retardiert. Während in 113/ ​213 im Bair. einzelne Hss. noch gänzlich ohne Umlautformen bleiben (PrMi; dagegen mit Umlaut Hchz, PrPa, Mar, Bart), kommt der Umlaut in 114 stets vor (Rupr, in ObEv als Ausnahme). Im alem.-bair. Übergangsraum erscheint nach ausgewogener Verteilung in 113 (umlautlos ZwBR, umlautend Hoff) in 213 eine nurmehr seltenere Nutzung des Umlauts (umlautlos Wins, StBA, umlautender Einzelbeleg in DvATr), was auch in 114 beibehalten ist (Baum, Türh). Im Alem. zeigt sich der Umlaut in 113 über Einzelbelege hinaus möglich (Luci, aber auch 3.Sg.Ind.Präs. wallit, f2v,19 zu stv. wallen; dagegen TrHL), in 213 wird er nurmehr singulär belegt (SwSp, umlautlos auch PrSch, UFreib1) und in 114 schließlich wieder handschriftenübergreifend und weit über Einzelbelege hinaus­ gehend verwendet (Rapp, UFreib2, NikP, umlautlos Mart).

(3) Verben mit ā V 112

Der Usus im Inf., Pl.Präs. und Konj.Präs. zeigt ā (graphisch ‹a›, selten ‹ai› und vereinzelt ‹â› ~ ‹âi› ~ ‹au› ~ ‹o›), davon graphisch distinkt erscheint Umlaut in der 2./ ​ 3.Sg.Ind.Präs. als ‹e› ~ ‹æ›, seltener ‹ei› ~ ‹ey› ~ ‹ê›. Die Entwicklung zeigt eine von ersten wmd./ ​bair. Hinweisen ab 212 anwachsende und besonders ab 213 auch landschaftlich sich erweiternde Verwendung des Umlauts bzw. der Umlautkennzeichnung (s.  § V 12), die in 114 in großen Teilen des Sprachgebietes schon weitgehend usuell wird (Ausnahmen besonders bei lān); allein das Alem. weist keine Hinweise auf einen Umlaut der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. auf, der alem.-bair. Übergangsraum zeigt sich schwankend. Weinhold (Mhd.Gr., § 89) bezeichnet die umlautlosen Formen im Mhd. noch als die „gewöhnlicheren“. Die Umlautgraphie weist eine landschaftliche Verteilung auf: Umlautgraphie ‹æ› kommt allein obd. vor, wohingegen ‹e› md./ ​ofrk. wie auch (seltener) obd. erscheint; ‹ei› ~ ‹ey› erscheinen allein md., ‹ê› zeigt sich als sehr seltene md. Variante erst in 114, s. § V 106. Anm. 1:  Ungeachtet der in den auftretenden Graphien zum Teil gespiegelten einzelmundartlichen Veränderungen (z. B. bair. Senkung, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 38), handelt es sich in allen Fällen um Indizien eines in der paradigmatischen Position der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. auftretenden Umlauts.

Erste handschriftenbezogene wmd. und bair. Hinweise in 212 zeigen eine schon über Einzelbelegung hinaus gehende Umlautbildung in TrPs (2.Sg.Präs. ‫܅‬lefe‫܅‬, 6v,15 u. 3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬lefet, 4r,9 neben umlautlosem ‫܅‬lafet, 82v,13; 3.Sg.Ind.Präs. uirlezet, 84r,7 neben vier umlautlosen Belegen von lāȥen), und auch in Wind (2.Sg.Präs. uerlæzze‫܅‬, Wind, 25v,9, so auch 3.Sg.Präs. uerlaet, Wind, *36,28 und *36,33, neben drei Belegen der 3.Sg.Ind.Präs. lazzet, u. a. 203v,9, bla‫܅‬et 203v,16). Die landschaftliche Situation bleibt auch in 113 weitgehend unverändert: Manche bair. Hss. (PrMi, PrPa) haben nahezu ausschließlich Umlautformen, in anderen kommen sie zumindest vor (Mar mit umgelauteter 2.Sg.Ind.Präs. læ‫܅‬t, 14v,20; 727 neben 2 unumgelauteten Belegen der

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

825

3.Sg.Ind.Präs., z. B. lat, 91r,10; 5077; Hchz mit 2 Umlautformen der 3.Sg.Ind.Präs., z. B. læt, 142r,23; 37 neben 5 unumgelauteten Belegen); im Md. weisen die wenigen Formen der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. vorwiegend den Umlaut aus (wmd.: RhTun; omd.: GRud, PrMK). Anm. 2:  Die Graphie ‹æ› in Wind (2.Sg.Präs. uerlæzze‫܅‬, 25v,9) kann aufgrund des Textusus als Umlautgraphie gewertet werden (u. a. belegt in der stammvokalischen Opposition der 3.Pl.Ind.Prät. waren, 82v,12 gegenüber den Formen des Konj.Prät. sowie der 2.Sg.Ind.Präs. mit ‹æ› beim stv. węsen). Anm. 3:  Der für die obd. Hss. formulierte Befund zeigt sich auch für die vier Epen Iw, Nib, Parz und Tris, die keiner der Schreiblandschaften des Grammatik-Korpus zugeordnet, sondern allgemein unter Obd. verortet wurden: So weicht Parz ab (Hs. westbair.-ostalem.), insofern (dem Bair. ähnlich) umlautende und umlautlose Formen gleichgewichtig nebeneinander stehen (z. B. ræt, 149b,32; 523,20 neben lat, 145b,31; 509,6); umlautlos dagegen Iw (Hs. alem.), Tris (Hs. (west)alem.).

Ab 213 erweitert sich innerhalb des Obd. die Gültigkeit umlautmarkierter Formen auch in den alem.-bair. Übergangsraum hinein. Damit ergibt sich ein dem bair. Usus annähernder Gebrauch, wobei das Bair. die Verhältnisse aus 113 weitgehend perpetuiert: Unmarkierte Formen können seltener (Bart mit 5 umlautmarkierten Belegen zu einem unmarkierten Beleg), gleichberechtigt (BKön mit je einem Beleg, Diet mit je zwei Belegen) oder auch noch allein (Lieht mit 2 Belegen) vorkommen. Im alem.bair. Übergangsraum bleiben Umlautformen jeweils seltener oder können handschriftenbezogen auch gänzlich fehlen (DvATr mit 2 umlautenden zu 5 unmarkierten Belegen; Wins mit 6 umlautenden zu 11 unmarkierten Belegen; StBA mit einem umlautenden zu 10 unmarkierten Belegen; UAugsb1 ohne Umlautformen). Im Md. kommen bis auf wenige rhfrk.-hess. Ausnahmen nurmehr umlautende Formen vor (VLilie, KuG, SalH, UKöln1, MüRB), wobei die Situation in 114 erweist, dass der Gebrauch noch nicht ausnahmslos fest ist; Ausnahmen in PrM (3.Sg.Ind.Präs. lat, c4ra,30 neben 2 Umlautformen) und Himlf (3.Sg.Ind.Präs. lat, 263,5; 1697 neben 2  Umlautformen). Anm. 4:  Der im alem.-bair. Übergangsraum gegenüber DvATr/ ​Wins auffällige, weil Umlautformen gänzlich vermeidende Befund in StBA/ ​UAugsb1 (und auch UAugsb2), mag sich durch eine in Urkunden vorliegende enger lokal bezogene Schriftlichkeit erklären.

In 114 zeigt sich nurmehr eine Fortentwicklung der schon in 213 erwiesenen Verteilung. Die Umlautung der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. wird (mit gänzlicher Ausnahme des Alem. und handschriftenbezogenen Ausnahmen besonders des alem.-bair. Übergangsraumes sowie nun auch des Omd.) weitgehend allgemein, jeweils variante Ausnahmebildungen bleiben möglich. Solche Ausnahmen zur Umlautung zeigen bair. Texte allein bei lān (ObEv, in Rupr und MMag neben mehrheitlich umlautenden Formen); so auch im alem.-bair. Übergangsraum (Baum, Hartw), wobei der Umlaut hier jedoch handschriftenbezogen auch gänzlich fehlen kann (UAugsb2, Türh). Die neben aus-

826

VII. Verben

schließlichem Umlautgebrauch (wmd.: BuMi, Yol; omd.: BeEv, MBeh) ebenfalls und besonders bei lān belegte seltene Varianz umlautloser Formen auch im Wmd. (selten Taul, häufiger in den rhfrk.-hess. Hss. Hleb, Erlös, PrRei) sowie Omd. (Pass mit 2 umlautlosen zu 6 umlautenden Belegen) lässt ebenfalls für 213 auf eine noch nicht gefestigte Situation schließen; gänzlich ohne Umlaut wiederum bei allein belegtem lān zeigt sich der Gebrauch in HTri sowie LuKr (omd.-schles. Hs.). Das besonders erst in 114 in die Überlieferung eintretende Ofrk. kennt ausschließlich Umlaut (GnaÜ, SBNü, WüPo, Renn). (4) Verben mit ō V 113

e

Der Usus zeigt ō (graphisch ‹o›, vereinzelt ‹ô› ~ ‹o›) in allen Verwendungen, eine bis zum Ende des Mhd. selten verbleibende Umlautbezeichnung setzt erst ab 113 ein (s.  § V 11, Anm. 1), so dass Umlaut der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. in nur einigen Ausnahmen erkennbar ist. Die Möglichkeit der Umlautung im Ofrk. in 114 erweisen Renn (3.Sg. e Ind.Präs. ‫܅‬tozzet, 5vb,30; 676 zum Inf. Stozzen, 3rb,26; 291) sowie korpusexterne Quele len (‫܅‬tozet, *NüP, 15va,19 neben ‫܅‬tozet, 17ra,9 u. 17ra,11) und schon in 213 in *MU13 e (‫܅‬to‫܅‬zet, 531,21). e

Anm. 1:  In einem Einzelbeleg in WüPo erscheint der Umlaut auch im Inf. (‫܅‬tozzen, e 244rb,20 neben 3.Sg.Ind.Präs. ‫܅‬tozzet, 242va,2 u. 242ra,27), so dass ebenfalls stammvokalische e Konstanz vorliegt. Bei konjunktivisch verwendetem v’‫܅‬tozze (3.Sg.Konj.Präs., DvATr, 54v,1: ver‫܅‬toz den wirt niht vz ‫܅‬iner herberge. ob dv ger‫܅‬t. daz er dich de‫ ܅‬himeli‫܅‬chen heimode‫ ܅‬iht e v’‫܅‬tozze) kann eine ausdrucksseitige Bindung des Umlauts an den Konj. mitverursachend sein. Inwieweit die für die 2. Hälfte des 13. Jh.s im Obd. „gebietsweise“ (Paul, Mhd.Gr., e § E 27.7) beobachtete Verwendung der Graphie ‹o› für sowohl den unumgelauteten wie umgelauteten Stammvokal (Paul, Mhd.Gr., § L 42) zutrifft, muss offenbleiben, da Hinweise für eine generelle und somit nicht morphologisch bezogene Palatalisierung allein zum Mbair./ ​Südbair. gegeben sind.

(5) Verben mit ou V 114

v

Der Usus zeigt ou (graphisch ‹ou› ~ ‹ov›, ‹au›, ‹o›, ‹oi›, besonders in houwen auch ‹o› ~ ‹a›), ein Umlaut der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ist in nur einigen Ausnahmen anzunehmen. Umlautung erweist im Ofrk. in 114 Renn (3.Sg.Ind.Präs. levffet, 76rb,14; 11660 u. 156va,19; 24601 neben Lavffet, 74va,25; 11406 u. Inf. lauffen, 3rb,23; 288; daneben auch lovfft, SBNü, 11vb,23), im Hess.-Thür. in *Herb B (3.Sg.Ind.Präs. leuffet, 13167 neben louffet, 12116 und laufet, 13167). Anm. 1:  Mfrk. Belege mit ‹oi› können nicht zwingend als Umlautbelege interpretiert werden (‹oi› kann mfrk. für den aus mhd. ou entstandenen unumgelauteten wie umgelauteten Monophthong stehen, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 47). So ist in Taul der Stammvokal in der 2.Sg.Imp. loif (95r,14) ausdrucksseitig ungeschieden von jenem der in der Hs. belegten Pl.Formen loifet (2.Pl.Imp., 10v,7) und loiffent (3.Pl.Ind.Präs., 166v,20); so auch weitere Belege schwacher Verben in Taul (3.Sg.Ind.Präs. tzoyint, 4r,1 zu swv. ƶounen). Angesichts der Verb-

827

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

form loint (2,15; swv. loug(en)en) in UKöln1 gilt die Wertung auch für loíft (3.Sg.Ind.Präs., UKöln1, 2,19). Anm. 2:  Ausdrucksseitig markant erscheinende Formen anderer Verben können ofrk. nicht zwangsläufig als Belege eines (übertragenen) Umlauts der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. gewertet werden. So verweist 3.Sg.Ind.Präs. keuft (WüPo, 246vb,17) neben ebenfalls belegtem Inf. keuffen (WüPo, 244vb,7) auf die md. Nebenform des mhd. swv. koufen.

(6) Verben mit ue o

o

e

Der Usus zeigt ue (‹u› ~ ‹v› ~ ‹uo› ~ ‹u› ~ ‹v› ~ ‹oy›; die Graphien ‹u› ~ ‹ue› ~ ‹ü› können auf swv. rüefen verweisen); Umlaut der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ist nur ausnahmse weise anzunehmen, seltene Verwendungen von ‹u› im alem.-bair. Übergangsraum sowie im Alem. in 213 und 114 sind als Formen des swv. rüefen (statt des stv. ruefen) zu werten.

V 115

e

Das swv. rüefen ist in folgenden Hss. belegt: StBA (3.Sg.Ind.Präs. beruffet, 71va,4 sowie Inf. e e e beruffen, 71rb,15), Wins (1.Sg.Präs. ruffe, 65ra,35; a66,7), PrSch (3.Sg.Ind.Präs. rufet, 130r,18 e e e v ra sowie 3.Sg.Konj.Präs. rufe, 131 ,13), SwSp (Inf. ruffen, 120 ,18), NikP (3.Sg.Ind.Präs. rufet, e e ra rb vb 82 ,3 sowie Inf. rufen, 39 ,21) und Rapp (Inf. rufen, 284 ,49; 33030). Die Form rüfet in GnaÜ (26,9) kann als Ausnahme einer schon umgelauteten 3.Sg.Ind.Präs. gelten, da im unmittelbaren Kontext (26,20) die 3.Sg.Ind.Prät. rif auf das stv. verweist. Anm. 1:  Die mfrk. Graphie ‹oy› verweist auf Langvokal ō (md. Monophthongierung aus mhd ue, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 49), so in royfe (2.Sg.Imp. von ruefen, Taul, 5r,14) oder auch roýfent (3.Pl.Ind.Präs., Göll, 4a,31; C 31 u. ö.). Lit.: Ahd.Gr.I, § 27, 51, 333f, 346, 350; Frnhd.Gr., § M 97, M 103; Dornfeld (1912, 146); Gr.d.Frnhd.I.1., § 27, 70; Gr.d.Frnhd.IV; Grimm, DWB; Joesten (1931); Lexer; Mihajlović (2017); V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 70, 72; A. Müller (1907); MWB 1; Nordström (1911, 103); Nörrenberg (1884, 416); Paul, Dt.Gr.II, § 168; Paul, Mhd.Gr.; Pfanner (1954, 169, 172); Pfeffer (1972, 155); Teuchert (1931/ ​32, 117); Weinhold, Bair.Gr., § 266; Weinhold, Mhd.Gr.

2.4.2. Präteritum 2.4.2.1. 2. Singular Indikativ Präteritum

Die Flexion der 2.Sg.Ind.Prät. der st. Verben erfolgt (bei seltenen Ausnahmen in 114) regelmäßig auf der Grundlage des Pl.-Präteritalstammes, bei umlautfähigem Stammvokal mit Umlaut; die 2.Sg.Ind.Prät. hat somit auch Teil an einem bei manchen Klassen im Pl.Prät. vorliegenden Grammat. Wechsel. Als Endungsflexiv ist regelmäßig -e, im jüngeren Wmd. auch -es und -est, gebraucht (s.  § V 56). Aufgrund einer nur z. T. erfolgten graphischen Markierung erscheint der Umlaut seit 212 zumeist nur bei Stammvokal a der Verben aus Ablautreihe IV und V (vorwiegend als ‹e› und ‹æ›), nur vereinzelt erscheint ein markierter Umlaut auch bei Stammvokal u (Ablautreihe VI):

V 116

828

VII. Verben

Klasse

2.Sg.Ind.Prät.

Pl.Ind.Prät.

Inf.

Stammvokal in der 2.Sg.Ind.Prät. belegt als

Ia

snite

sniten

snīden

‹i›, je 1x ‹ie›, ‹ı›

e

Ib

verƶige

verƶigen

verƶīhen

1x ‹i›

IIa

büge

bugen

biegen

1x ‹u›

IIb

ƶüge

ƶugen

ƶiehen

‹u›, ‹v›, 1x ‹o›

IIIa

rünne

runnen

rinnen

‹u›

IIIb

würfe

wurfen

węrfen

‹u›, ‹o›, 1x ‹u›

IV

nęme

nāmen

nęmen

‹e›, ‹æ›, ‹a›

V

węre

wāren

węsen

‹e›, ‹æ›, ‹a›

VI

slüge

sluegen

slahen

‹u›, ‹u›, ‹uo›, ‹u›, ‹o›, ‹v›, je 1x ‹v›, ‹v›

brāten

e

VII

briete

brieten

v

o

o

e

v

o

e

‹ie›, ‹i›, ‹îe›, je 1x ‹ı›, ‹ei›, ‹e›

Abb. V 8: 2.Sg.Ind.Prät., stv. I–VII Anm. 1:  Die Flexion der 2.Sg.Ind.Prät. stellt sowohl hinsichtlich der Endungs- (vorwiegend -e) als auch hinsichtlich der Stammflexivik (umgelauteter Pl.-Präteritalstamm) synchron eine paradigmatische Ausnahme dar. Ursprünglich ist -e (< -i) „an den conjunktivischen Perfectstamm“ getreten, hier erfolgte unter Einfluss des -i der Nebensilbe „unter Umständen also [...] Umlautwirkung“ des Stammvokals (Weinhold, Mhd.Gr., § 374).

Die Flexion der 2.Sg.Ind.Prät. zeigt hinsichtlich der Umlautmarkierung des Stammvokals den innerhalb der jeweiligen Hs. auch im Konj.Prät. belegten Usus. Eine Markierung des Umlautes von a setzt ab 212 ein: In 211/ ​112 erscheint noch weitestgehend ‹a› (in WNot gabe, 32va,5; name, 5rb,1: aber schon auch: ge‫܅‬ehi, *PsBrieg, 107, gebære, *MarldM, 50, ‫܅‬préche, *PsRhfrk, 1r,7 und kede, 1r,8, were, *Roth, 5159), wohingegen der (durch Primärumlaut entstandene) Präsensumlaut von kurzvokalischem a in der 3.Sg.Ind.Präs. bei manchen Verben schon regelmäßig als ‹e› realisiert ist (ueret, WNot, 29ra,4). Nach einer im Obd. noch z. T. unentschiedenen Situation in 212 ist die Umlautung ab dem 13. Jh. mit wenigen Ausnahmen Usus. Sie deutet sich obd. seit e 213 auch bei den Verben der restlichen Klassen an (trvge, RWchr, 234vb,12; 31995) und e kann in obd. Texten in 114 schon häufiger vorkommen (in Türh ‫܅‬luge, 62vc,25; 411, e e e truge, 62vc,27; 413, wurde, 61vc,31; 27; twuge, ObEv, 42a,19; choeme, MMag, 3r,14; 105). Anm. 2: In 212 ist der Umlaut von a im Wmd. (durch ‹e› bezeichnet) konsequent und auch im Bair. (durch ‹æ› bezeichnet) vorwiegend durchgeführt; dagegen überwiegt im Alem. noch umlautunmarkiertes ‹a›, die Hss. des alem.-bair. Übergangsraums haben es ausnahmslos. Ab 113 wird Umlautlosigkeit zur völligen Ausnahme (insges. 3  Belege in AlxS und TrHL). Nach einer in 113 auch im Bair. möglichen Verwendung von ‹e›, bleibt ‹æ› in der Folge die allein im Bair. sowie im alem.-bair. Übergangsraum mögliche und charakteristische Graphieform. Ausschließlich in MMag (114, bair.) ist ‹ea› belegt (leage, 18v,1; 622; bei MMag auch im Konj., s. § V 144, Anm. 2). Anm. 3:  Hinsichtlich der Umlautung bei den starken Verben der Klassen II und III (Stammvokal des Pl.Prät. u) sowie VI (Stammvokal des Pl.Prät. ue) und obd. auch bei komen (obd. Prät.-Stammvokal o, s. § V 141) zeigt sich eine entsprechend als Umlautgraphie

829

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

zu interpretierende Verwendung besonders bei den Verben aus VI, selten aus III; die Verben aus II weisen stets umlautunmarkierendes ‹u› auf. Anm. 4:  Aufgrund der ausdrucksseitigen Übereinstimmung des Stammes von 2.Sg.Ind. Prät. und 2.Sg.Konj.Prät. erfolgt die Modusunterscheidung über die Endungsflexion, so etwa Ind. uuare gegenüber Konj. uuare‫܅‬t (WNot). Im Md. können die beiden Modi wegen Übereinstimmung der Endung (-es) nicht immer eindeutig voneinander getrennt werden. 2.4.2.2. Tempusbildung der starken Verben

(1) Starke Verben Klasse I

Zur Klasse I gehören Verben mit Stammvokal ī im Inf./ ​Präs. (grīfen, ƶīhen), sie gliedern sich nach dem Stammvokal der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. in stv. Ia mit ėi und in stv. Ib mit ē. Eine Sondergruppe bilden die Verben schrīen und spīwen, die den Sg.Ind. Prät. nach stv. Ia und stv. Ib bilden können (schrėi und schrē, spėi und spē), s. § V 124. Zur Präsensflexion s. § V 88. Ia Ib

grīfen, grīfe ƶīhen, ƶīhe

grėif ƶēch

griffen ƶigen

V 117

gegriffen geƶigen

Die für das Mhd. weitgehend gewahrte Klassenspaltung hat sich aufgrund der ahd. Monophthongierung von altem ai zu ē (vor germ. *h oder *w und im Auslaut) ergeben (vgl. Ahd.Gr.I, § 329). Bei Verben mit stammschließendem d und s sowie aus Ib mit stammschließendem h kann Grammat. Wechsel (d  –  t, s  –  r, h  –  g) auftreten, z. B. līden  – lėit  – liten  – geliten, rīsen  – rėis  – rirn  – gerirn, dīhen  – dēch  – digen  – gedigen (zum Grammat. Wechsel s. § V 120, V 123, V 162–V 167).

In stv. Ia sind 190 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 4989 Wortformen insgesamt, davon 2724 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌bīten (86/ ​40), (-)‌bīȥen (63/ ​25), (-)‌blīchen (7/ ​2), (-)‌brīden ‚flechten, weben‘ (1/ ​1), (-)‌glīten (2/ ​1), glīȥen (5/ ​2), (-)‌grīfen (288/ ​153), grīnen (6/ ​2), er-kīnen ‚keimen, ausschlagen‘ (1/ ​0), beklīben (9/ ​7), (-)‌krīgen (12/ ​0), (-)‌krīschen (3/ ​0), krīsten ‚stöhnen‘ (1/ ​0), (-)‌līben ‚verschonen‘ (588/ ​187, davon belīben 556/ ​173), (-)‌līden (492/ ​249), (-)‌mīden (118/ ​53), nīden (9/ ​5), (-)‌nīgen (41/ ​34), pfīfen (2/ ​1), (-)‌rīben (23/ ​5), rīchen (1/ ​1), rīsen (6/ ​2), (-)‌rīten (620/ ​444), (-)‌rīȥen (44/ ​ 29), schīben (3/ ​0), (-)‌schīnen (421/ ​232), (-)‌schrīben (843/ ​652), (-)‌schrīten (8/ ​7), (-)‌sīgen (24/ ​ 16), (-)‌slīchen (21/ ​11), (-)‌slīfen (14/ ​4), (-)‌slīȥen (5/ ​2), be-smīȥen ‚bewerfen‘ (1/ ​0), (-)‌snīden (171/ ​ 84), splīȥen ‚spalten, trennen‘ (1/ ​1), (-)‌stīgen (82/ ​33), (-)‌strīchen (67/ ​33), (-)‌strīten (181/ ​88), be-/ ​ge-swīchen (45/ ​22), be-swīfen ‚umfassen‘ (1/ ​1), (-)‌ swīgen (142/ ​55), (-)‌ swīnen (6/ ​4), (-)‌trīben (299/ ​146)‚ (-)‌vlīȥen (81/ ​32), (-)‌wīchen (127/ ​50), wīgen ‚streiten, kämpfen‘ (1/ ​0), (-)‌wīȥen (18/ ​9) Anm. 1:  Durch Korpuszusatzexzerption ermittelt sind außerdem entlīmen (Elis, SalH), glīmen (Erlös), umberīden ‚drehen, winden‘ (Kchr), sprīden ‚ausbreiten, zersplittern‘ (HTri,

V 118

830

VII. Verben

so auch korpusextern 3.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬praeit, *MarldM, 16), swīmen ‚sich hin- und herbewegen, schwanken‘ (Erlös), tīchen ‚schaffen, treiben‘ (Elis, so auch korpusextern 3.Pl.Prät. tiechin, *Herb S, 7900). Weiterhin als zu stv. Ia zugehörig ausgewiesen sind in Wörter­ büchern zum Mhd. und in korpusexternen Quellen: berīnen ‚berühren‘ (1.Sg.Ind.Prät. berein, *SchlBlutsegen, 380,11 und 3.Sg.Ind.Prät. in *Herb, 4410, 10049 u. 13674), krīsen ‚kriechen‘, krīȥen ‚scharf schreien, kreischen‘, rīden ‚rühren, bewegen‘ (3.Sg.Ind.Prät. reit, *BabGefang, 8,6 sowie Part.Prät. verriden, *NonGebBuch, 22r,10), schīten ‚spalten, hauen‘ (mehrfach sw. Formen des Sg.Prät. und Part.Prät. in *Herb S u. *Herb)‚ schīȥen, sīfen ‚tröpfeln, triefen‘, sprīȥen ‚in Stücken/ ​Splittern auseinanderfliegen‘ (bspw. 3.Sg.Ind.Prät. spreiz, *Anno O, 47,24; Lexer, s. v., MWB, s. v.). brīsen ‚einschnüren‘ und anebrīsen werden in den mhd. Wbb. als stark und schwach ausgewiesen, im Grammatik-Korpus ist lediglich eine sw. Partizipbildung belegt (hat gepri‫܅‬it, HTri, 106vb,11; 736). Anm. 2:  Die Wbb. zum Mhd. (MWB, BMZ, Lexer) weisen für gīgen neben sw. auch singuläre st. Bildungsweise des Präteritums aus (MWB 2, s. v.; vgl. dazu auch Grimm, DWB 5, 2568 u. 2575f; s. § V 175). Im Grammatik-Korpus kann durch Korpuszusatzexzerption ein sw. Part.Prät. belegt werden (swaz im wirt gegiget, Mart, [124v,100]). Starke Flexion von gīgen wird für das Frnhd. im Sfrk. angegeben (vgl. Schirmunski 2010, 572). Anm. 3:  Einige der Ablautreihe Ia zugeordneten Verben weisen auch sw. Formen im Prät. und/ ​oder Part.Prät. auf: schīnen (erschinete, HTri, [110vb,4]), schrīben, swīgen, vlīȥen, s. § V 174. Die sw. Formen sind jeweils seltener als die st. gebildeten belegt und erscheinen überwiegend im Obd. Für (ge)swīgen sind sw. Formen bis 113 nachweisbar (ver‫܅‬wigtin, Spec, 5r,22, Rother ‫܅‬wigete do, *Roth, 5141 sowie zwei weitere Belege; vgl. auch zum Rolandslied Wesle 1925, 138), s. § V 174; vereinzelt sw. belegt ist vlīȥen in Kchr (flizeten, 72va,42; 17020 u. ö., de‫ ܅‬flizten ‫܅‬ich di herren, *Rol P, 4476 sowie 7945) und Hchz (ulizzete, 144v,25; 251; ulizzet, 145r,3; 256; weitere Belege für sw. Flexion vgl. Lexer, s. v.) sowie schrīben (da ‫܅‬têt ge‫܅‬cribet, PrMi, 20v,19; als da ge‫܅‬cribet ‫܅‬tet, OxBR, 8r,2; 3.Sg.Konj.Prät. ‫܅‬i rait und ‫܅‬chribt biz an daz iunge‫܅‬t vrtail, Baum, 19ra,13). Jeweils nur in einer Form belegt ist st. ītleim (3.Sg.Ind.Prät., SalH, *154,4) neben sw. gelîmet (Part.Prät., Tris, 4vb,41; 710). Sw. Formen kommen ebenfalls vor bei grīfen (3.Sg.Ind. Prät. er grifte eine hepin, *ReinFu, 1706, daz ‫܅‬wert er begrifte, *Kchr V, 7747 sowie 3.Sg.Konj. Prät. dc ‫܅‬wert krifter mit der hand, *ReinFu, 794), bei wīchen (3.Sg.Prät. ‫܅‬o ‫܅‬prang ‫܅‬ie und ‫܅‬ang vnd wicht dergegen, GnaÜ, 34,6), nīgen (3.Sg.Prät. Den hal‫ ܅‬er niegote, *Roth, 18,77, Daz houbet nechte ‫܅‬i, *AvaLJ, 1874, 3.Sg.Ind.Prät. Da naigt ‫܅‬i ‫܅‬ich in da‫ ܅‬ven‫܅‬ter, GnaÜ, 101,17) und slīchen (3.Sg.Ind.Prät. der i‫܅‬t gelich der nateren dev uile ‫܅‬tille ‫܅‬hlichet, *VMos2, 2241). Die für das Oobd. des 17. und 18. Jh.s formulierte These, nach der die Verwendung der st. und sw. Flexion als Ausdrucksträger der modalen Opposition fungiere und demnach die sw. Formen im Konj. und die st. Formen im Ind. stehen (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 98, Anm. 1), kann für das Grammatik-Korpus nicht gestützt werden (vgl. dazu aber Weinhold für das Bair., Bair.Gr., § 323), im Grammatik-Korpus steht von den sw. Belegen nur eine eindeutige Form im Konj., die übrigen Belege sind als Ind. zu bestimmen oder modusindifferent. Anm. 4:  Das regelmäßig st. flektierte nīden ist selten sw. belegt (im Grammatik-Korpus singulär: nidote, PrZü, 105vb,10; weitere Belege vgl. Lexer, s. v.); möglicherweise ist der Beleg aus PrZü als eine Reliktform zum ahd. sw. Lexem nīdōn zu werten (vgl. Schützeichel, Ahd. WB u. Splett, Ahd.WB, s. v. nīdōn), s. § V 174. Anm. 5:  Der für das Frnhd. ausgewiesene Wechsel der Verben gelīchen, prīsen und wīsen zur st. Flexion (vgl. Frnhd.Gr., § M 108; Theobald 1992, 213ff) kann im Grammatik-Korpus noch nicht nachvollzogen werden; hier liegt regelmäßig sw. Bildung vor. Einzelne st. flek-

831

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

tierte Belege sind jedoch bei Lexer (s. v.) und im Findebuch (s. v.) nachgewiesen; die Belege stammen überwiegend aus dem Frnhd. Anm. 6:  Der für das Frnhd. (Frnhd.Gr., § M 108, M 111) beschriebene Übergang von schėiden und hėiȥen von Klasse VII zu Ia ist im Grammatik-Korpus nicht gesichert (die vereinzelten Belege mit ‹ei› im Sg.Ind.Prät. sind möglicherweise einem sw. flektierten schėiden zuzuordnen; die Dentalendung unterliegt dann der Verschmelzung: scheit, RBib, A4v,,12; 458; 2x schêit, Göll, 2rb,25; A 231 u. 4rb,39; C 83; vgl. auch Lexer, s. v.; zu ‹ei› in RBib vgl. auch Th. Klein 2003a, 216f; zu schėiden vgl. auch ausführlich Grimm, DWB 14, 2402f). Ebenso wie für schėiden sind die wenigen hėiȥen-Belege im Sg.Ind.Prät. mit ‹ei› (3.Sg.Ind. Prät. heiz in den md. Hss. SalH, Göll und Erlös) kaum als Formen der stv. Ia zu interpretieren: Auch hier gilt, dass die Schreibung ‹ei› möglicherweise landschaftlich bedingt ist, Lexer weist sie als md. aus (s. v.), evtl. steht die Graphie ‹ei› für mfrk.-hess. ē (< ī < ie), welches sich in ‹e› ~ ‹ei› ~ ‹ey›-Graphien äußert. heiȥ (‚hieß‘) findet sich auch gelegentlich bei hochdeutsch schreibenden Niederdeutschen, so in der Iwein-Hs. A (heiz, Vers 1216, 2421, 4978, 5220, 5584, 5893; geheiz  : liez, 1065, 6561). Auch Analogschreibung ist möglich, vgl. bspw. heiz (3.Sg.Prät. ‚hieß‘)  – heiz (Adj. ‚heiß‘)  – hiez (3.Sg.Prät. ‚hieß‘) in BKön: ‫܅‬i ‫܅‬prachen vn‫܅‬er got mag vn‫ ܅‬wol er lo‫܅‬en von dir. d’ chvnic/ wart zornic. vnd heiz den oven ‫܅‬iben‫܅‬tvnt al‫ ܅‬heiz machen. al‫ ܅‬vor vࠁ hiez div kint elliv driv werfࠀ dar in (8vb,13ff). Belegt sind: Ia

Ind.Prät. 1./ ​3.

Sg.

Konj.Prät.

ėi

Ia Sg.

i 2.

i

Part.Prät.

Pl. i

Konj.Prät. ‹i›, ‹e› je 1x ‹y›, ‹î›

1./ ​3. ‹ei›, ‹ai›, ‹êi›, ‹eî›, ‹ey›, ‹i›, ‹e›, ‹ie›, je 1x ‹æi›, ‹‫›ܓ‬, ‹a›, e i ‹a›, ‹e› 2.

i

Pl.

V 119

Ind.Prät.

e

‹i›, je 1x ‹ie›, ‹ı› ‹i›, ‹ie›, ‹e›, je 1x ‹î›, ‹ey›

– ‹i› i

e

Part.Prät. ‹i›, ‹e›, ‹ie›, ‹ey›, ‹î›, ‹y›, ‹e›, ‹ı›

Die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. hat regelmäßig Stammvokal ėi (ich/ ​er grėif, slėich); obd. (bair. und alem.-bair. Übergangsraum) und ofrk. kommt z. T. ‹ai› vor (belaib, MMag, 4v,8; 154; er‫܅‬chain, GnaÜ, 92,2); alle übrigen Positionen des Prät.-Paradigmas haben regelmäßig i (du strite, wir/ ​sie striten, zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116). Aufgrund der Ablautverschiedenheit ist die Modusmarkierung im Sg.Prät. gewährleistet. Das Part.Prät. hat regelmäßig i. Anm. 1:  Im Md. ist in 114 im Pl.Prät., Part.Prät. sowie Konj.Prät. selten ‹e› möglich: ge‫܅‬chrebyn (BeEv, 118v,21, blebyn, [81r,10], geleden, [68r,25], geschreben, [16v,10], slegen, [83r,24], treben, [24v,18]), ge‫܅‬chreven (UKöln2, 11,7), bleue (Göll, 2ra,10; A 184). Dies erklärt sich durch die md. Senkung und Dehnung von i > ē in offener Tonsilbe (s.  Anm. 2). Besonders im frühen Frnhd. kommt ‹e› (für i) in offener Tonsilbe in rip. und innerhalb des Omd., insbes. in thür. Texten bei den starken Verben der Ablautreihe I, vor (Gr.d.Frnhd.IV, § 103.7. u. 8.). Anm. 2:  Selten kommt es im Md. zu ‹e› statt ėi in der 3.Sg.Ind.Prät.: beleb (< belīben, RhTun, 3v,22; 257), ge‫܅‬wech (< geswīchen, Himlf, 245,7; 1395), ‫܅‬trech (< strīchen, Himlf, 245,6;

832

VII. Verben

1394) trep (neben treip < trīben, BeEv, [30r,13]). Dies kann lautlich begründet sein (‚Mono­ ph­thongierung‘, „Schreibfehler oder mangelhafte Orthographie“, Franck, Afrk.Gr., § 31.2), möglicherweise liegt eine (vor dem Hintergrund der erst im Frnhd. eintretenden Entwicklung) nur sehr selten anzunehmende Aufhebung der Klassenspaltung von Ia und Ib vor (‹e› als Stammvokal in Ib). Sofern ‹e› ebenfalls im Konj.Prät., Part.Prät. und Pl.Prät. (s. Anm. 1) auftritt, ist eine Interpretation als Numerusausgleich nicht ausgeschlossen. Anm. 3:  In Erlös können zwei Belege mit ‹i› in der 3.Sg.Ind.Prät. von erschīnen nachgewiesen werden (er‫܅‬hin, 2va,10; 1123 u. 8va,23; 5856); eine Interpretation als beginnender Numerusausgleich zwischen Pl. und Sg. ist zweifelhaft, da beide Belege auf ein reimen, zudem ist auch er‫܅‬hein in gleicher Position belegt: Des fur‫܅‬ten lob al‫܅‬us er‫܅‬hin/ ‫܅‬ie hullen alle glich in ein (2va,10; 1123f)  – Wa er ‫܅‬i wi‫܅‬te da bi ein/ der h’re fruntliche in er‫܅‬hein (8ra,14f; 5783f). Ein einziger auf einen vorliegenden Ablautausgleich verweisender Beleg liegt in der 3.Sg.Ind.Prät. umbeswif vor (Kchr, [50vb,32]). Der Beginn der Übernahme des Pl.-Vokals in den Sg. und somit Ausgleich des Numerusablauts wird allgemein in der 2. Hälfte des 15. Jh.s angesetzt (vgl. Frnhd.Gr., § M 109; Gr.d.Frnhd.IV, § 103, bes. 6.). Anm. 4:  Im Mfrk. können aufgrund mdal. „Velarisierung/ ​Senkung“ (Th. Klein 2000b, 21) i > o (vor n, ss) entsprechende Formen auftreten, bspw. Part.Prät. zerozen (< ƶerrīȥen, RhMl 18r, 2, vgl. auch A. Müller (1907, 27) mit Hinweis auch auf Reimbindung wizzen : gegozzen). V 120

Grammat. Wechsel kann in Ia bei allen in Frage kommenden Verben mit stammschließendem d und s vorkommen (snīden  – snėit  – sniten  – gesniten, rīsen  – rėis  – riren – geriren), die Annahme eines vorliegenden oder partiell/ ​gänzlich ausgeglichenen Grammat. Wechsels wird erschwert durch Überlagerung graphischer und/ ​oder lautlicher Prozesse (Auslautverhärtung oder unterschiedliche Lenisierungsprozesse). Zum Grammat. Wechsel d  –  t s. § V 162f, s  –  r s. § V 166f.

V 121

In stv. Ib sind 18 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 353 Wortformen insgesamt, davon 143 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌dīhen (14/ ​8), (-)‌līhen (188/ ​75), (-)‌rīhen (2/ ​2), (-)‌sīhen (5/ ​1), er-wīhen ‚erschöpfen, schwächen‘ (1/ ​1), (-)‌ƶīhen (143/ ​56) Anm. 1:  Weiterhin als zu Ib zugehörig ausgewiesen sind krīen ‚schreien‘ (daneben aber schwache Form des Part.Prät. Bekríet, HTri, 105va,21; 511) und glīen ‚schreien, bes. von Raubvögeln‘ (MWB 2, s. v.). In grammatikographischen Werken wird außerdem häufig snīwen als st. Verb aufgeführt, es sind im Mhd. jedoch keine st. Prät.-Belege (sw. Part.Prät. ge‫܅‬nit, RWh, 50va,12, 6648) nachweisbar (so auch Lexer, s. v.; vgl. auch Ahd.Gr.I, § 331, Anm. 1). Belegt sind:

V 122

Ib Sg.

Ind.Prät. 1./ ​3. 2.

Pl. Part.Prät.

Konj.Prät.

ē

Ib Sg.

i

i

i

2. Pl.

i

Ind.Prät. 1./ ​3. ‹e›, 2x ‹ê›

Konj.Prät. ‹i›, ‹e›

1x ‹i› ‹i›

– 1x ‹i›

Part.Prät. ‹i›, ‹ie›, je 1x ‹y›, ‹e›; i o līhen auch ‹ui›, ‹u›, ‹v›, ‹v›, je 1x ‹u›, i ‹î›, ‹u›, ‹vi›

833

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

Die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. hat regelmäßig Stammvokal ē (ich/ ​er dēch, lēch), in den übrigen Positionen des Prät.-Paradigmas steht i (wir/ ​sie digen, zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116); aufgrund der Ablautverschiedenheit ist die Modusmarkierung in der 1./ ​3.Sg.Prät. gewährleistet. Das Part.Prät. hat i. Ein erster Hinweis (113) auf Angleichung an stv. Ia liegt in leich vor (*Tobias, 143), noch in 114 bleiben Formen dieser Art sehr selten (zeich, *Herb, 17308). Anm. 1:  In den Hss. ist die Vokallänge in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. ausdrucksseitig nicht markiert. Anm. 2:  Die Bildung des Part.Prät. von līhen erfolgt z. T. abweichend: Neben regelmäßigem Stammvokal ‹i› ist im Alem. und Wmd. ‹u› möglich: uirluhin, Scop, 3r,4f; 10,4 (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 354; Boesch 1946, 199; WMU, s. v.; zu Pl.Prät. lúhen, Part.Prät. verlúhen vgl. Nebert 1901, 470, der ú als Umlautzeichen wertet, vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 333). Die Bildung des Part.Prät. mit ‹u› ist auch für schrīen und spīwen belegt (s.  § V 124). Die Formen mit ‹u› im Prät. von līhen beruhen auf einem Grammat. Wechsel h zu w (s. Ahd. Gr.I, § 331, Anm. 2), zudem sind im Inf./ ​Präs. (überwiegend im Alem.) Nebenformen mit inlautendem ‹u› und stammschließendem ‹w› belegt (verliuwen, verlûwen), so dass das w im Part.Prät. in diesen Fällen nicht auf einem Wechsel beruht. Singulär ist im Grammatiko o Korpus ‹u› belegt (geluwen, UMainz, 19,2), dies legt ebenfalls einen Inf. liuwen nahe. Anm. 3:  Im Pl.Prät. sowie Part.Prät. ist bair., im alem.-bair. Übergangsraum sowie omd. bei līhen und ƶīhen selten ‹ie› belegt (geliehen, UAugsb1, 2,4).

Grammat. Wechsel kann bei Verben mit stammschließendem h vorliegen (ƶīhen  – ƶēch – ƶigen – geƶigen). Bei dīhen, rīhen, sīhen und ƶīhen ist er regelmäßig vorhanden; bei līhen weitgehend ausgeglichen; neben zahlreichen Formen mit ‹h› kommen im Wmd./ ​Alem. auch Formen mit ‹w› vor, in denen sich der Grammat. Wechsel h  –  g fortsetzt (s.  § V 122, Anm. 2); dem w geht dann immer Stammvokal u (‹ui› ~ ‹vi› ~ ‹uo›) voraus; der Wechsel h  – g ist außerdem gelegentlich omd. belegt.

V 123

Zum Grammat. Wechsel h  –  g s. § V 164f.

(-)‌schrīen (98/ ​56), (-)‌spīwen (26/ ​10) Belegt sind: schrīen Sg.

Pl.

Ind.Prät.

Konj.Prät.

1./ ​3. ‹ei›, ‹e›, ‹ai›, ‹ey›, 1x ‹ê›



2.



– ‹u›, ‹i›, ‹iu›

Part.Prät.

Belegt sind:

1x ‹u›



spīwen Sg.

Pl. Part.Prät.

Ind.Prät.

V 124

Konj.Prät.

1./ ​3. ‹ei› (2x)



2.









je 1x ‹u›, ‹û›, ‹i›

Anm. 1: Bei schrīen kommen Formen mit hiatustilgendem g seit 212 insbesondere im Md. vor: (Inf.) ‫܅‬crigen (*Rol P, 4439), so auch bi‫܅‬crigit (MüRB, 3r,21), ‫܅‬criget (ZwBR, 11r,7) (vgl. WMU, s. v. aneschrîen, ûzschrîen; vgl. Ahd.Gr.I, § 117).

834

VII. Verben

Innerhalb der Ablautreihe I nehmen die Verben schrīen und spīwen einen Sonderstatus ein: Einerseits bilden sie starke und schwache Formen im Prät. und Part.Prät. (s.  Anm. 2), andererseits können die st. flektierten Belege der 3.Sg.Ind.Prät. sowohl nach stv. Ia (schrėi, spėi) als auch nach stv. Ib (schrē, spē) gebildet sein. Begründet ist dies in der wechselseitigen Beeinflussung beider Verben im Ahd. (Sg.Prät. spē(o)  – scrėi, vgl. Ahd.Gr.I, § 43), so dass das w von spīwen in das Prät. von schrīen eingedrungen ist und in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. ē und (ab 213) ėi bei beiden Verben vorkommen kann (v’‫܅‬pei, DvATr, 81r,18, ‫܅‬peí/ ​speí, ObEv, 52b,26, Hleb, *80v,9, *Herb, 5305 u. 17115; vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 354, der für das Mhd. den Zusammenhang mit altem w beschreibt). Besonders im Wmd. und Alem. ist wie bei līhen (s.  § V 122, Anm. 2) eine Annäherung an die u-Flexion der Ablautreihe II zu beobachten, dies gilt insbes. für den Pl.Prät. und das Part.Prät.: ‫܅‬chruwen (Elis, 99r,15; 4709), bespuen (PLilie, 2,32), schrivwen (Mart, [30ra,14]), (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 425; Weinhold, Alem.Gr, § 333; WMU, s. v. be-/ ​ûz-/ ​verschrîen; zum Alem. vgl. Strauch 1898, 223, sowie WallachFaller 1981, 203); Formen mit u sind bis ins 16./ ​17. Jh. belegt (vgl. Frnhd.Gr., § M 109). Für das Bair. ist ein Übertritt in die u-Klasse nicht nachweisbar (vgl. Weinhold, Bair. Gr., § 268). Außerhalb des Alem./ ​Wmd. kommen u-Formen im späten Mhd. selten auch in der Prager Kanzlei sowie im Omd. vor (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 102.2.; zu Pl. o Prät. vorspu win sowie Part.Prät. vorspuwit im Omd. vgl. Feudel 1961, 178); außerdem auch im Mnl., wo spīen, schrīen im Prät. teils ganz zur Klasse II übertreten (spau – spuwen/ ​spouwen, scrau  – scrouwen; vgl. Franck, Mnl.Gr., § 135; v. Loey 1976, § 56). Anm. 2:  Sw. Präteritalbildung von schrīen ist (nach vereinzeltem Part.Prät. ge‫܅‬criht, PrZü, 114rb,17 in 212 sowie 3.Sg.Prät. ‫܅‬chrîte, *Mar E, 1va,16 und Part.Prät. ver‫܅‬chrít, Parz, 144b,32; 505,20 aus 113; s. dazu auch § V 41, Anm. 6) ausschließlich im Md. in 114 belegt (‫܅‬chrieten, Pass, 86ra,24; 12,88 und v’‫܅‬chriet, 80ra,33; 3,263, ge‫܅‬chreit, HTri, 121rb,39; 3480); für spīwen können sw. Präteritalformen ab 113 nachgewiesen werden, ab 213 allein im Omd. (be‫܅‬pieten, PrMi, 32r,19; ‫܅‬piete, JMar, 1v,2 und ‫܅‬pietin, 59r,5; bespitten, SalH, [152,13]; zum Nebeneinander sw. und st. Bildungen im Omd. des frühen 14. Jh.s vgl. auch Feudel 1961, 178). Im Grammatik-Korpus sind ein Drittel aller Präteritalbelege von schrīen und die Hälfte aller Präteritalbelege von spīwen sw. flektiert (anders Weinhold, der spīwen seltener sw. flektiert nachweist als schrīen, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 425), s. § V 174. Schwankende Bildung ist noch im Frnhd. nachweisbar (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 154). Anm. 3:  Die 3.Sg.Ind.Prät. von schrīen ist im Grammatik-Korpus jeweils zur Hälfte mit ‹ei› und ‹e› nachweisbar; schre ist ab 213 vorherrschend im Mfrk. belegt (selten omd., vereinzelt obd.). (Zur Diskussion von schrē oder schrėi im Reim und in den verschiedenen Landschaften vgl. ausführlich Zwierzina 1901a, 30 und Schirokauer 1923, 13). spīwen ist im Grammatik-Korpus nur vereinzelt im Sg.Ind.Prät. belegt und weist neben sw. Prät. nur ‹ei› auf: v’‫܅‬pei (DvATr, 81r,18), spei (ObEv, 52b,26), so auch ‫܅‬pei (Hleb, *80v,10), spei (*Herb, 17115). Anm. 4:  Im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum sind für schrīen und spīwen im Prät. vereinzelt Formen mit stammschließendem r nachweisbar: ge‫܅‬pirn (Hoff, 19v,18); ‫܅‬chriren (ObEv, 41b,28), so auch ‫܅‬chrieren (*KlostEvang, 294ra,24) oder Part.Prät. bi‫܅‬chrirn (*Aneg, 3084). Für diese Formen können verschiedene Erklärungsmöglichkeiten herangezogen wer-

835

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

den: Weinhold geht von „euphonischem“, also den Hiatus beseitigendem r aus (Weinhold, Bair.Gr., § 268); Mottausch nimmt ein ehem. reduplizierendes Lexem an (Mottausch 1998a, 61ff; Ahd.Gr.I, § 330, Anm. 3, § 354, Anm. 3); Wilmanns sieht eine Beeinflussung von spīwen  – spiren durch schrīen  – geschrirn (Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 23; Ahd.Gr.I, § 331, Anm. 3). Anm. 5:  Formen im Part.Prät. mit stammschließendem b (als „Verhärtung“ des w, vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 268: „geschpibn“) sind im Grammatik-Korpus nicht belegt. Lit.: Ahd.Gr.I, § 100, 328f, 331; Boesch (1946); Feudel (1961); Franck, Mnl.Gr., § 135; Frnhd. Gr., § M 104–106, § M 108–112; Gr.d.Frnhd.IV; Th. Klein (2000b, 21); Th. Klein (2003a); v. Loey (1976); Nebert (1901, 470f); Schirmunski (2010, 572); Schirokauer (1923); Strauch (1898); Theobald (1992); Wallach-Faller (1981); Weinhold, Alem.Gr., § 333; Weinhold, Bair.Gr., § 268, 323; Weinhold, Mhd.Gr., § 354; Wesle (1925, 138); Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 23; Zwierzina (1901a).

(2) Starke Verben Klasse II

Zur Klasse II gehören Verben mit Stammvokal ie im Inf. (biegen, vlieȥen); im Sg.Ind. Präs. findet Stammvokalwechsel zu ǖ statt (s.  § V 90). Ebenfalls hierher gehören Verben mit (gedehnter) Schwundstufe ū im Präsensstamm (sūgen, sūfen) und mit (vor w) erhaltenem iu (bliuwen, riuwen). Nach dem Stammvokal der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. wird unterschieden in Ablautreihe IIa mit ou und Ablautreihe IIb mit ō. Zur Präsensflexion s. § V 89–93. IIa

IIb

biegen, biuge

bouc

bugen

gebogen

sūgen, sūge

souc

sugen

gesogen

bliuwen, bliuwe

blou

bluwen

geblowen

bieten, biute

bōt

buten

geboten

V 125

Die für das Mhd. weitgehend gewahrte Klassenspaltung hat sich im Ahd. aufgrund der ahd. Monophthongierung von altem au zu ō vor Dental oder germ. *h ergeben (vgl. Ahd. Gr.I, § 332). Bei Verben aus IIb mit stammschließendem d, h und s kann Grammat. Wechsel (d – t, h – g, s – r) auftreten, z. B. sieden – sōt – suten – gesoten, ƶiehen – ƶōch – ƶugen – geƶogen, verliesen – verlōs – verlur(e)n – verlor(e)n (zum Grammat. Wechsel s. § V 130, V 162–V 167).

In stv. IIa sind 59 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 510 Wortformen insgesamt, davon 245 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌biegen (13/ ​8), (-)‌bliuwen (4/ ​3), briuwen (5/ ​3), kiuwen ‚kauen‘ (1/ ​0), (-)‌klieben ‚spalten‘ (5/ ​4), (-)‌kriechen (13/ ​8), (-)‌liegen (67/ ​32), (-)‌lūchen ‚schließen; zupfen‘ (6/ ​6), ƶer-niuwen ‚zerschlagen‘ (1/ ​1), riechen (14/ ​1), (-)‌riuwen (79/ ​16), (-)‌schieben (19/ ​8), (-)‌sliefen (13/ ​7), (-)‌smiegen (3/ ​2), snūden ‚schnauben‘ (1/ ​0), (-)‌stieben (10/ ​6), (-)‌sūfen ‚schlürfen, saugen‘ (13/ ​3), sūgen ‚saugen, säugen‘ (11/ ​6), (-)‌triefen (5/ ​2), (-)‌triegen (127/ ​84), (-)‌vliegen (100/ ​45) Anm. 1:  Als zu stv. IIa zugehörig ausgewiesen ist weiterhin betūchen ‚mit Wasser bedeckt werden‘ (MWB 1, s. v.; betochen, *Rol P und betoken, *Rol A, 4650).

V 126

836

VII. Verben

V 127

Belegt sind: IIa

Ind.Prät.

Sg.

1./ ​3.

ou

2.

ü

Konj.Prät.

Sg.

ü

u

Pl. Part.Prät.

IIa

2. Pl.

o

Ind.Prät. v

Part.Prät.

Konj.Prät. e

1./ ​3. ‹o›, ‹ov›, ‹ou›, ‹u›, ‹u›, ‹v›, e ‹o›, ‹av›, ‹ôv›, je 1x ‹v›, ‹û› ‹au›, ‹ow›, je 1x e o ‹o›, ‹o‫›ܔ‬, ‹v›, ‹ôi›, ‹v›, ‹oi› 1x ‹u›

– o

‹u›, ‹v›, ‹u›, o je 1x ‹û›, ‹v›, e ‹u›



‹o›, ‹oi›, ‹u›, ‹au›, e o je 1x ‹o›, ‹ov›, ‹u›, ‹v›

Die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. weist regelmäßig Stammvokal ou auf (ich/ ​er vlouc, bouc; vereinzelt auch o, s. Anm. 2). Die übrigen Positionen des Prät.-Paradigmas haben weit überwiegend u (du flüge, wir/ ​sie flugen; zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116), in wenigen und v vorwiegend md. Fällen kann bereits o verwendet sein (s.  Anm. 2), so ulogen (*Kchr r va V, 15269), niderdroffen (TrPs, *24 ,15), gelogen (BKön, 20 ,21), vlogen (*Widerstr, 936 e sowie *Herb B, 14552 u. 14556). Markierung des Konj.-Umlauts (betruge, Türh, 151rb,28; 34972) erscheint in Einzelfällen in 114 (singulär auch in Iw, 147 v,23; 7573: vvaz tohte e ob ich mich ‫܅‬elben trv ge); aufgrund der Ablautverschiedenheit ist die Modusmarkierung im Sg.Prät. gewährleistet. Das Part.Prät. hat regelmäßig o (ist geflogen; wmd. e e z. T. ‹oi›: gevloigen, Taul, 19r,13; im alem.-bair. Übergangsraum z. T. ‹o›: v’‫܅‬choben, v DvATr, 66 ,10f), zu seltenem Stammvokal u s. Anm. 4. Verben mit iu im Inf. weisen auch Stammvokal u auf (Geblvwen, Mart, 15va,21f; 15,77f); im Ofrk. in 114 ist Diphthong au möglich (gerauwࠀ, Renn 6ra,35; 719). Anm. 1:  Die 2.Sg.Ind.Prät. ist mittels des Ablautvokals des Pl.Prät. mit u gebildet; der Umlaut ist graphisch nicht realisiert (zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116, Anm. 3): betruge (HTri, 139va,17; 6643 und *Gen, 2945). Anm. 2:  In der. 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. ist ab 212 vereinzelt o nachgewiesen (bog, Elis, 15r,24; 695; sof < sūfen, RhTun, 5v,9; 407; wloch < vliegen, RhTun, 2v,22; 172; loch < liegen, Flor, 2a,1; 5032; ufschob < ūfschieben, Wind, [114v,1], so auch vloh (*Rol A, 1904), clof (< klieben, *Rol A, 5096), floch (*Kchr V, 4059), betroch (*RBib C, 17), ‫܅‬chob (BKön, *20rb,29) und in 114 loig (*Merlin, 9), betroc (*Herb, 2327), floc (*Herb, 4329), geloc (*Herb, 11746). Dies lässt sich unterschiedlich erklären: Möglicherweise existieren hier – und dies gilt insbesondere auch für die Formen des Pl.Prät. mit o  – bereits Ansätze zur Aufhebung der Klassenspaltung, deren Beginn bisher im 14. Jh. im Wmd./ ​Thür. vermutet wird (vgl. Frnhd.Gr., § M 114; Gr.d.Frnhd.IV, § 109.3), dafür sprechen Belege aus Elis (hess.-thür., 114) und *Merlin sowie *Herb. Die Belege aus Wind (212), RhTun und Flor (beide 113) sind als Zeugen für einen Ausgleichsbeginn vermutlich zu früh, hier ist o eher lautlich zu erklären: Weinhold zufolge liegt md. Monophthongierung des ou vor (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 109), im Alem. (14.  Jh.) Monophthongierung ou > ō (vgl. V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 79, Anm. 13). Die Formen mit o können außerdem Hinweise auf einen beginnenden Ablautausgleich sein, welcher

837

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

sich im Frnhd. fortsetzt (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 107, 110). Weinhold weist für kriechen und riechen zudem Ablautausgleich zugunsten des Pl.-u im 16. Jh. nach: kruch, ruch (vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 269; Gr.d.Frnhd.IV, § 110, Anm. 6). Anm. 3:  Vereinzelt ist im Sg.Ind.Prät. ‹au› belegt, insbes. in 114 im Bair. (ObEv), alem.-bair. Übergangsraum (Türh) und Ofrk. (Renn): Ein früher singulärer Beleg stammt aus Kchr (den tieuel gerau ‫܅‬it der rath, 73vb,4; 17267); im Part.Prät. kann ‹au› in Renn belegt werden (gerauwࠀ, Renn, 6ra,35; 720; plauwࠀ, Renn, 6ra,34; 719); hier besteht ausdrucksseitige Identität mit dem Sg.Prät.; wahrscheinlich liegt Diphthongierung des vorgängig gedehnten u vor, da -auw- in Renn regelmäßig auch bei Formen von būwen und trūwen erscheint. Anm. 4:  Eine Sonderform liegt im Part.Prät. von liegen in TrPs vor, hier haben beide Belege ‹u› (gelugen, TrPs, 36v,9 u. 31r,2). Für das Md. ist die Verwendung von u für o öfter zu beobachten, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 33 (der Anteil entsprechender Formen liegt völlig identisch zu den stv. IIb im marginalen Bereich). Im Frnhd. ist u im Part.Prät. häufiger belegt, vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 107.

In stv. IIb sind 116 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 3255 Wortformen insgesamt, davon 1853 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt:

V 128

(-)‌bieten (920/ ​591), (-)‌dieȥen (21/ ​7), (-)‌drieȥen (38/ ​19), (-)‌gieȥen (162/ ​95), (-)‌kiesen (279/ ​194), er-niesen ‚niesen‘ (1/ ​0), (-)‌nieȥen (240/ ​38, davon genieȥen 111/ ​36), rieȥen ‚fließen, weinen‘ (4/ ​1), (-)‌schieȥen (49/ ​28), (-)‌sieden (76/ ​11), (-)‌slieȥen (155/ ​116), (-)‌sprieȥen (2/ ​0), verliesen (487/ ​355), (-)‌vliehen (256/ ​104), (-)‌vlieȥen (166/ ​81), (-)‌vriesen (14/ ​10), (-)‌ƶiehen (385/ ​203) Anm. 1:  Als zur Ablautreihe IIb zugehörig ausgewiesen ist außerdem brieȥen ‚anschwellen, Knospen treiben‘ (MWB 1, s. v.). Anm. 2:  Wohl Verschreibung (und kein Hinweis auf eine sw. Flexion) ist 3.Sg.Ind.Prät. zoht von ƶiehen (*Rol A, 5579). Belegt sind: IIb Sg.

Pl. Part.Prät.

Ind.Prät. 1./ ​3.

ō

2.

ü

Konj.Prät.

IIb Sg.

ü

u

2. Pl.

o

Ind.Prät. 1./ ​3. ‹o›, ‹ô›, ‹oi›, e ‹oy›, ‹ov›, ‹o›, v ‹ôi›, ‹o›, ‹ou›, 1x ‹oe›

Part.Prät.

v

‹u›, ‹v›, 1x ‹o›

V 129

Konj.Prät. e

o

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹u›, e ‹û›, ‹v›, ‹iv›, je i i v 1x ‹u›, ‹v›, ‹o›, o ‹v›, ‹‫›ܔ‬, ‹o› je 1x ‹u›, ‹v›, e ‹v›

o

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, 2x ‹u›, 1x ‹v› o v ‹v›, ‹o›, je 1x ‹û›, ‹oi› o

o

e

o

‹o›, ‹u›, ‹ui›, ‹o›, ‹oi›, ‹u›, ‹uy›, 1x ‹a›

Die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. hat regelmäßig ō (ich/ ​er bōt, mit mfrk. Markierung des Langvokals in vlois, Taul, 176va,6 oder auch floiz, *Göll2, 3,22), davon abweichend vereinzelt e e ‹o› (doz, Lupo, 228vb,6; 2,67) und in wenigen Ausnahmen auch ‹ue› (gepuet, *ArnoltSieb, 830) oder ‹u› (mit auch ausgeglichenem Grammat. Wechsel chur, *Aneg, 1995). Die übrigen Positionen des Prät.-Paradigmas haben vorwiegend u (du bute, wir/ ​sie

838

VII. Verben

buten, fluhen); jeweils seltener und zumeist wohl lautlich bedingt (s.  Anm. 3) kann (in 212 nur bair./ ​obd., in 113 auch hess.-thür. und ab 213 nurmehr md.) ‹uo›, ‹o› (seit 113 weitgehend nur wmd. und in 114 auch ofrk.) und (nur 212) auch ‹ou› im Pl.Ind. e e Prät. auftreten. Markierung des Konj.-Umlauts (bu te, Türh, 104va,36; 16679; genvzze, Renn 76rb,28; 11674) erscheint selten im alem.-bair. Übergangsraum und in 114 im Ofrk.; aufgrund der Ablautverschiedenheit ist die Modusmarkierung im Sg.Prät. gewährleistet. Das Part.Prät. hat o, ab 212 ist selten u möglich, so gezugin (LEnt, 171v,30; 8,12, geguzࠀ, TrPs, 39r,7, geflvzzin, SalH, 151,9, so auch befluzin, *Rol P, 8591 und uirfluzen, TrPs, *32v,18; s. Anm. 4). Anm. 1:  Die 2.Sg.Ind.Prät. ist mittels des Ablautvokals des Pl.Prät. mit u gebildet; eine e Umlautungsmarkierung ist in den Hss. nur vereinzelt vorhanden (but, Hartw, 35r,11; T 208; e v erkur, Hartw, 45 ,23; T 1186); zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116. Anm. 2:  Vereinzelt tritt (vorwiegend md.) ‹ou› in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. von ƶiehen auf, z. B. zovh (Himlf, 194,10; 547; PrMK, 3r,30). Als Ursache kann Aufhebung der Klassenspaltung oder ein landschaftsbezogener Wandel ō zu ou angenommen werden (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 109; V. Moser, Frnhd.Gr.I,1, § 78.3, § M 114). Anm. 3:  In jeweils seltenerem Pl.Ind.Prät.-‹o› (3.Pl.Ind.Prät. boten, BeEv [20v,12]; gebotin, JMar, 11r,5) ist insbesondere in den älteren Belegen lautliche Verursachung naheliegend: Ausgleich zu o belegt Weinhold (Bair.Gr., § 269) allein mit Belegen des Frnhd. (vgl. auch Frnhd.Gr., § M 115: Senkung u > o, der Lautwandel stützt den Ausgleich des Numerusablauts im Frnhd.). Doch auch für die jüngeren Belege wertet Feudel (1961, 176) die omd. Belege mit o in 114 als Lautwandel und nicht als Ausgleichsbelege. Anm. 4:  Part.Prät.-Formen mit ‹u› bleiben im Mhd. weitgehend singulär, allein in 212 kommen sie über Einzelformen hinausgehend im Obd. und Wmd. vor. V 130

Grammat. Wechsel kann in IIb bei Verben mit stammschließendem d, h und s vorliegen (kiesen – kōs – kurn – gekorn). Bei sieden, ƶiehen, kiesen, verliesen und vriesen gilt er nahezu ausschließlich; Ausgleich des Grammat. Wechsels kann obd. ab 213 vereinzelt in der 3.Sg.Ind.Prät. von verliesen belegt werden. Bei vliehen unterbleibt der Wechsel, vermutlich um eine Verwechslung mit vliegen zu vermeiden; der Grammat. Wechsel gilt für vliehen bereits im Ahd. als aufgegeben (vgl. Ahd.Gr.I, § 334, Anm. 2). Zum Grammat. Wechsel d  – t s. § V 162f, h  –  g s. § V 164f, s  –  r s. § V 166f. Lit.: Ahd.Gr.I, § 332, 334, Anm. 2; Feudel (1961, 176); Frnhd.Gr., § M 104–105, 113–115; Gr.d.Frnhd.IV, § 109; V. Moser, Frnhd.Gr.I.1, § 78.3; Paul, Mhd.Gr., § L 27–50; Schirokauer (1923); Weinhold, Bair.Gr., § 269; Weinhold, Mhd.Gr., § 112f, 355.

(3) Starke Verben Klasse III V 131

Zur Klasse III gehören die sich hinsichtlich ihrer Ablautung ursprünglich gleich verhaltenden Verben mit Nasal + Kons. (binden, Doppelnasal: rinnen) oder Liquid +

839

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

Kons. (hęlfen, Doppelliquid: quęllen) nach dem Stammvokal. Aufgrund der in vordt. Zeit vor Nasal oder Liquid + Kons. unterschiedlich entwickelten Stammvokale im Inf./ ​Präs. (zur Präsensflexion s. § V 94ff) sowie im Part.Prät. wird unterschieden in stv. IIIa (mit Inf./ ​Präs. Stammvokal i und Part.Prät.-Stammvokal u): binden, binde rinnen, rinne

bant rann

bunden runnen

gebunden gerunnen

und in stv. IIIb (mit Inf./ ​Präs. Stammvokal ę/ ​i (zur Vokalalternation e–i, s. § V 95) und Part. Prät.-Stammvokal o): hęlfen, hilfe quęllen, quille

half qual

hulfen quullen

geholfen gequollen

Die schon für das Ahd. gültige Klassenspaltung hat sich durch den vordt. kombinatorischen Lautwandel *e zu *i (u. a. vor Nasal + Kons.) bzw. *u zu *o (verhindert vor Nasal + Kons.) ergeben. Bei Verben mit stammschließendem d kann selten Grammat. Wechsel (d  –  t) auftreten: węrden  – wart  – wurten  – worten (zum Grammat. Wechsel s. § V 134 u. V 162f).

In stv. IIIa sind 172 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 6127 Wortformen insgesamt, davon 3559 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌binden (373/ ​228), brimmen (2/ ​1), (-)‌bringen (1213/ ​698), (-)‌brinnen (101/ ​30), dinsen (3/ ​3) ‚tragen, führen‘, drinden ‚anschwellen‘ (1/ ​1), (-)‌dringen (72/ ​51), be-ginnen (689/ ​583), entginnen ‚aufschneiden, öffnen‘ (1/ ​1), entpfinden (20/ ​10), glimmen (3/ ​0), grimmen (2/ ​1), hinken (8/ ​3), (-)‌klimmen ~ klimben (16/ ​2), klimpfen ‚zusammendrängen‘ (1/ ​1), (-)‌klingen (29/ ​ 20), er-krimmen ‚zerkratzen‘ (1/ ​1), limmen ‚brummen‘ (4/ ​1), ge-/ ​misse-lingen (31/ ​19), (-)‌rimpfen ‚schrumpfen, sich krümmen‘ (6/ ​2), (-)‌ringen (43/ ​21), (-)‌rinnen (154/ ​78), (-)‌schinden ‚(Haut) abziehen‘ (5/ ​3), schrinden ‚Risse bekommen‘ (2/ ​1), wider-sinden (2/ ​1), (-)‌singen (387/ ​178), (-)‌sinken (22/ ​9), (-)‌sinnen (60/ ​24), (-)‌slinden (29/ ​10), slingen (1/ ​1), spinnen (11/ ​7), (-)‌springen (119/ ​65), (-)‌stinken (25/ ​4), (-)‌swimmen (7/ ​4), (-)‌swinden (37/ ​24), (-)‌swingen (26/ ​17), (-)‌trinken (222/ ​82), (-)‌twingen (257/ ​145), (-)‌vinden (1035/ ​599), (-)‌winden (298/ ​150), winken (1/ ​1), (-)‌winnen (808/ ​479, davon gewinnen 712/ ​426) Anm. 1:  Als zu stv. IIIa zugehörig ausgewiesen sind weiterhin dimpfen ‚dampfen, rauchen‘, glinden ‚gleiten‘, glinzen ‚schimmern, glänzen‘, krimpfen ‚krumm od. krampfhaft zusammenziehen‘ (3.Pl.Prät. chrumphen, *Gen, 3089), trinnen ‚davongehen, sich absondern‘ (u. a. Part.Prät. intvrnin, *BrHoh, 1r,7) (Lexer, s. v., MWB, s. v.). Anm. 2:  Das im Frnhd. schon häufiger sw. belegte hinken (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 156) erscheint zum ausgehenden Mhd. singulär sw. flektiert in 114: daz ros hinkete ein wening gar (Rapp, 285rb,12; 33091) gegenüber bis dahin st. flektiertem bspw. hanc(h) in 113 (so u. a. auch

V 132

840

VII. Verben

3.Pl.Ind.Prät. hunchen in *PsM, 17r,7), s. § V 174. Das ahd. noch sw. Verb schinden wird erst seit dem Mhd. auch st. flektiert, wobei insbes. das Part.Prät. (seit 113) belegt ist (ge‫܅‬chunden, Mart, 12va,5; 12,61; ge‫܅‬chvnden, Iw, 9v,24; 468, so auch Zo‫܅‬chundin, *Roth, 2443); sw. Belegung in beschint (*Herb, 15742; zu sw. Formen vgl. Feudel 1961, 179: geschindit; so auch brimmeten), s. § V 174. Das Verb dingen, für das im Frnhd. st. Bildungen belegt sind (Frnhd.Gr., § M 121.3), erscheint mhd. ausschließlich sw. flektiert (vgl. auch MWB 1, s. v.), s. § V 174. Sw. Flexion kann ausnahmsweise auch für sinnen belegt werden (beide Belege im Reim: be‫܅‬inneten  : minneten, PrRei, 171a,25f; geun‫܅‬innet  : minnet, Tris, 98vb,5; 19149f), s. § V 174. Eine sw. Form von brinnen kommt nur ausnahmsweise vor (3.Sg.Ind.Prät. brinnet, *VMos2, 2274) s. § V 174. Anm. 3:  Die st. flektierten Formen im Prät. von bringen (branc) und beginnen (began) sind ebenfalls in stv. IIIa einzuordnen (zur Mischkonjugation von bringen und beginnen s. § V 170ff). Der Sg.Prät. und das Part.Prät. von bringen ist regelmäßig sw. flektiert (in 211/ ​ 112 noch vereinzelt st.: brunge, Mem, 154v,10; 4,4), im Pl.Prät. ist vereinzelt st. Bildung möglich (prungin, Meri, 1r,7; 1,10; brungen, Hchz, 151r,10; 802 u. 145v,4; 306). Bei beginnen liegt eine paradigmatische Verteilung vor: Das Part.Prät. ist regelmäßig st. flektiert (begonnen), sw. Bildungen sind singulär, der Pl.Prät. hat durchgängig sw. Flexion (begunnen). Im Sg.Prät. sind st. und sw. Formen parallel belegt, der Stammvokal kann bei den sw. Belegen zudem zwischen u (begunde) und o (begonde) variieren. Bereits im Ahd. ist eine variante st. und sw. Flexion des Sg.Prät. von beginnen belegt. Riecke (1994, 49) vermutet eine Bindung an die Verwendung als Voll- oder Hilfsverb (vergleichbar modalen Infinitivkonstruktionen). Dieser Zusammenhang kann für das Grammatik-Korpus nicht bestätigt werden, st. wie sw. flektierte Formen kommen als Teil von Infinitivkonstruktionen vor (bspw. vnz er mich fragen began, Iw, 148v,12; 7614; die rede begvnde her Iwêin clagen, Iw, 148r,8; 7636). Dabei ist die Verwendung von beginnen als im Sg.Prät. st. wie auch sw. flektiertes Vollverb äußerst selten. V 133

Belegt sind: IIIa Sg.

Pl. Part.Prät.

Ind.Prät. 1./ ​3.

a

2.

ü

Konj.Prät.

IIIa Sg.

ü

u

Pl. u

Ind.Prät.

Konj.Prät. o

e

1./ ​3. ‹a›, 2x ‹â›, 1x ‹v›

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹u›, i i ‹û›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, e je 1x ‹v›, ‹ui›

2.

1x ‹o›

‹u› o

v

o

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, ‹u›, ‹u›, je 1x e i e ‹o›, ‹u›, ‹û› ‹u›, ‹u›, ‹v› o

v

Part.Prät. ‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, ‹û›, ‹o›, 2x ‹i›, je 1x o ‹uo›, ‹v›, ‹e›

Die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. weist regelmäßig a auf (ich/ ​er bant, bran), alle übrigen Positionen des Prät.-Paradigmas haben weit überwiegend u (du bunde, wir/ ​sie bunden, gebunden; zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116). In den insbesondere im Bair. in 212 zahlreich o v vorkommenden Graphien ‹u› oder ‹o› kann eine lautliche Verursachung angenommen werden, Weinhold (Mhd.Gr., § 71 u. § 64) spricht von „Schwebelaut zwischen u und o“; zu o im Pl.Prät. s. Anm. 1. In seltenen Ausnahmen kann bereits auch das a der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. im Pl.Prät. vorkommen: tranchen (*Kchr W, 16738). Markierung

841

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben e

des Konj.-Umlauts ist nur vereinzelt (obd. im späten Mhd.) belegt (gewunne, ULands, e e 12,11; brunne, UNürnb, 6,5; trv nke, Renn, 152vb,18; 24006; zu alem. Einzelformen mit i ‹u› schon im 13. Jh. vgl. Leitzmann 1889, 19) und erweist sich aus einem jeweiligen Textusus heraus (s. Anm. 2); aufgrund der Ablautverschiedenheit ist die Modusmarkierung im Sg.Prät. gewährleistet. Das Part.Prät. hat u (zu lautlich verursachtem o s.  Anm. 1). Anm. 1:  Der für das Frnhd. beschriebene, lautlich und morphologisch verursachte Prozess einer zunehmenden und partiell bereits durchgesetzten Bildung des Part.Prät. (vgl. Frnhd. Gr., § M 123.2) analog zu den stv. IIIb durch o (insbes. Lexeme mit Doppelnasal: gewonnen, geronnen) ist im Mhd. noch nicht nachweisbar. Allerdings erscheint als lautlich verursacht erklärtes o selten im Pl.Ind.Prät. und Part.Prät. überwiegend ab 213, insbes. in wmd. Texten (virwonnen, Brig, 6v,2; twongen, SalH, 66,15; uberwonden, SalH, [156,14f]); hinzu kommt vereinzelt o-Flexion in Kchr (wonden, 4rb,41; 871, zeronnen, [41vb,31; 9589]). Die Bildung mit o wird in 114 häufiger und kann in manchen Hss. vor Doppelnasal alleinige Variante sein (gewonnen, UMainz, 1,6, 2,9, 20,36). In Kchr kann bei folgendem dentalem bzw. alveolarem v v Nasal statt u auch ‹o› erscheinen (en-/ ​gebonden neben auch Part.Prät. gebunden und Pl.Prät. bunden); bei velarem Nasal jedoch immer ‹u› (trunken, ‫܅‬ungen; so auch bei Verben aus IIIb mit stammvokalfolgendem dentalem bzw. alveolarem Liquid), s. § V 136, Anm. 5. Anm. 2:  Mögliche Umlautmarkierung zeigt sich als jeweiliger Handschriftenusus, so dass innerhalb des Obd./ ​Ofrk. Handschriften mit und solche ohne Umlautmarkierung parallel i i vorkommen: alem. vorwiegend in Rapp (‹v› ~ ‹u› (8x)  : ‹v› (1x) mit auch distinkter Form i i des Pl.Konj.Prät. fundent: Ich wene wir veltent niht gar Wír fundent ein rôs wol do die riht, o rb 282 ,26f; 32533f, jedoch nur ‹u› in NikP (bspw. dc in duchte dc er ࠄ d’ zit ‫܅‬olichs ge‫܅‬mackes e nie befunde, 43vb,11ff); alem.-bair. 2x ‹u› in Hartw gegenüber 2x ‹u› in der jedoch zeitlich älteren Hs. Türh; bair. ausnehmlich Formen mit ‹û› ~ ‹u› bei Rupr; ofrk. alleinige Formen e mit ‹u› in UNürnb und in Renn gegenüber ‹u› in GnaÜ, Lupo und WüPo. Anm. 3:  In Einzelfällen kommt bei Verben aus Ablautreihe IV eine Bildung des Part.Prät. mit u vor (benvmen, zebruchen), die als „analog zu den st. v. 3a“ ausgewiesen ist (WallachFaller 1981, 205; vgl. auch Nebert 1901, 470), s. § V 140, Anm. 5.

Bei einigen Verben der Ablautreihe IIIa liegt ein Konsonantenwechsel d zu t im Pl.Prät. und Part.Prät. vor. Dieser Wechsel beruht nur z. T. auf Gramm. Wechsel, bei einigen Verben ist der Konsonantenwechsel auf noch nicht erfolgte Lenisierung zurückzuführen. Der Grammat. Wechsel von d zu t wurde bereits im Ahd. durch Ausgleich oder Wirkung lautlicher Veränderung weitgehend aufgegeben (Ahd.Gr.I, § 336, Anm. 2).

V 134

Zum Grammat. Wechsel d  – t s. § V 162f.

In stv. IIIb sind 95 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 10574 Wortformen insgesamt, davon 5131 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌bęlgen ‚erzürnen‘ (11/ ​8), (-)‌bęllen (11/ ​3), (-)‌bęrgen (115/ ​89), bewęllen ‚beschmutzen, be­ flecken; einwickeln‘ (29/ ​17), (-)‌dęrben (87/ ​29), entpfęlhen (50/ ​33), gęllen (2/ ​0), (-)‌gęlten (444/ ​ 94), gręllen ‚vor Zorn schreien‘ (1/ ​0), (-)‌hęlfen (616/ ​159), (-)‌hęllen (26/ ​14), męlchen (2/ ​1),

V 135

842

VII. Verben

(-)‌schęllen (14/ ​10), (-)‌ schęlten (49/ ​28), (-)‌ schęrren (4/ ​4), sęrten (1/ ​0), (-)‌ smęlƶen (6/ ​0), smęrƶen (2/ ​0), spęrren (2/ ​0), (-)‌stęrben (530/ ​210), ver-swęlhen (8/ ​2), (-)‌swęllen (31/ ​12), bevęlhen (163/ ​112), (-)‌węrben (265/ ​122), (-)‌węrden (7707/ ​3980), (-)‌węrfen (334/ ​188), (-)‌węrren ‚stören, schaden, hindern‘ (64/ ​16) Anm. 1:  Als zu stv. IIIb zugehörig ausgewiesen sind weiterhin bedęlhen ‚verbergen‘, drillen ‚drehen‘ (drillen nach MWB 1, s. v.), gęlfen ‚schreien‘, kęrren ‚einen grellen Ton von sich geben, schreien‘, erknęllen ‚erhallen‘, quęllen ‚quellen, anschwellen‘ (aber 3.Sg.Ind.Prät. mit v schwacher Form erkolte, *Kchr V, 11669), sęlken ‚tröpfelnd niederfallen‘ (3.Pl.Prät. solke, *Herb, 17087 u. Part.Prät. gesolken, *Pilatus, 220), snęrfen ‚sich biegen, krümmen‘, swęlƶen ‚brennen, verbrennen‘, (be)tęlben ‚begraben‘, węllen (3.Sg.Prät. wal, *Gen, ,792 u. 802, Wal, *Daniel, 1023, 3.Pl.Prät. wullen, *Gen, 931), verwęllen ‚rund, gerundet‘ (nur Part.Prät.), węlgen ‚rollen, wälzen‘ (Lexer, s. v., MWB, s. v.). Anm. 2:  Das Prät. der zu Ablautreihe IV zugehörigen Lexeme vęhten und vlęhten wird z. T. nach Ablautreihe IIIb gebildet; s. dazu auch § V 138, Anm. 1, V 140, Anm. 4. Anm. 3:  Belege mit sw. Dentalendung erscheinen einzellexematisch; alle Belege weisen die für Ablautreihe IIIb typische Ablautung auf: bievolet < bevęlhen: daz den edilen gei‫܅‬tin bievolet wirt (PrZü, 106ra,32; weitere Belege für Mischung aus st. und sw. Flexion vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 323), uirgolti‫܅‬t < vergęlten: dc uirgolti‫܅‬t i‫܅‬t diu ‫܅‬chulde (TrHL, 4v,20) o o sowie Halpt (< hęlfen, Göll, 3va,24ff; B 145ff: Sulzger koueru nge macht Halpt up eýn ander ka‫܅‬telaýn Deme Romer, „Die Macht, die Kraft, der er durch solche Hülfe […] erlangte, half dem Römer auf ein anderes (kastilisches) Pferd“, A. Bach 1930, 217 App.); hęlfen kann auch im Frnhd. einmal mit Dentalendung nachgewiesen werden (hulft, vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 156). Durch Zusatzexzerption kann eine sw. Bildung des Sg.Prät. von hęlfen belegt werden: helfete (BeEv, [12r,26]). Im Frnhd. weisen einige weitere Lexeme der Reihe IIIb sw. Flexion auf (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 113, Anm. 1). Belegt sind:

V 136

IIIb Sg.

Pl. Part.Prät.

Ind.Prät. 1./ ​3.

a

2.

ü

Konj.Prät.

IIIb Sg.

u

u

Ind.Prät.

e

o

1./ ​3. ‹a›, ‹o›, ‹u›, i je 2x ‹â›, ‹u›, e 1x ‹a›

‹u›, ‹u›, ‹u›, ‹o›, i v ‹v›, ‹u›, ‹û›, ‹o›, i je 1x ‹uo›, ‹v›

2.

‹u›

e

‹u›, ‹o›, o 1x ‹u› o

Pl. o

Konj.Prät.

e

‹u›, ‹o›, ‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹u›, v e e o ‹o›, ‹u›, ‹uo›, je 1x ‹u›, ‹u› i je 1x ‹u›, ‹oi› e

o

Part.Prät. ‹o›, ‹o›, ‹u›, ‹a›, ‹u›, je 1x ‹uo›, ‹oi›

Die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. weist regelmäßig a auf (ich/ ​er barc, starp), alle übrigen Posi­ tionen des Prät.-Paradigmas haben u (du hülfe, ir/ ​sie burgen; zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116), wmd. seit dem 13. Jh. auch o, so dass unabhängig von einer möglicherweise nur lautlichen Verursachung graphisch eine Ausgleichung des Ablautunterschieds Pl.Prät. und Part.Prät. vorliegt (s.  Anm. 2). Vereinzelte Formen des Sg.Prät. mit Pl.Vokal-u (auch als ‹o›) kommen seit 212 vor; insbesondere frühe Belege sind lautlich zu werten (s.  Anm. 3). Markierung des Konj.-Umlauts ist nur vereinzelt und aus-

843

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben e

e

schließlich obd./ ​ofrk. in 114 belegt (hulfe‫܅‬t, Renn, 151va,36; 23829; gulte, UNürnb, 9,4); aufgrund der Ablautverschiedenheit ist die Modusmarkierung im Sg.Prät. gewährleistet (vgl. auch Habscheid 1997, 143). Das Part.Prät. wird nahezu ausnahmslos mit o gebildet (s.  Anm. 5). Anm. 1:  Die 2.Sg.Ind.Prät. ist mittels des Ablautvokals des Pl.Prät. mit u gebildet; Umlautung ist graphisch nicht realisiert (zur 2.Sg.Ind.Prät. s. § V 116). Anm. 2:  Im Md., bes. im Rhfrk.-Hess., kann der Stammvokal in der 2.Sg.Ind.Prät. und dem Pl.Ind.Prät. besonders bei Verben mit r + Kons. ‹o› realisiert sein (wordes, SalH, 27,3; ‫܅‬torbe, Hleb, 94v,5; zu worden bei Gottfried Hagen, Köln 13. Jh., vgl. Habscheid 1997, 144), singulär ist golden (< gęlten, PrRei, 26a,44) sowie auch holfen (Yol, [1849]), möglicherweise liegt Senkung von u > o vor (vgl. Frnhd.Gr., § L 33). In der 2.Sg.Ind.Prät. sind es ein Viertel, im Pl.Ind.Prät. ein Fünftel aller md. Belege. In einigen Hss. ist Stammvokal o ausschließliche Variante, so in SalH (213) und OxBR (114), überwiegend o steht in Himlf (213), Yol, UMainz und MBeh (alle 114). Außerhalb des Md. ist o nur in Kchr belegt (z. B. worfen, 3ra,30; 545), die Bildungen mit ‹o› haben hier einen Anteil von etwa einem Fünftel; in diev v ser Hs. ist im Pl. außerdem ‹o› häufig (ca. Hälfte aller Belege, holfen, 71vb,30; 16826). Anm. 3:  Belege für den Ausgleich zugunsten des Pl.-Vokals von wart zu wurde sind im Grammatik-Korpus nur vereinzelt nachweisbar (< 10x, wurde, HLit, 92v,12; 614; wurde, Mart, 1ra,22; 1,16); die Belege stammen überwiegend aus dem Obd. (ab 212; vgl. dazu auch Weinhold, Mhd.Gr., § 350 sowie Best/ ​Kohlhase 1983, bes. 92, die erste Ausgleichsformen erst später ansetzen), doch zeigt auch Pfeffer (1972, 153) für das Erfurter Buch der Willkür (omd., 14. Jh.) „in Einzelfällen bereits Angleichung an den Stammvokal des Plurals“. Der Ausgleich zu wurde vollzieht sich über einen langen Zeitraum, noch Ende des 19. Jh.s ist ward nachweisbar (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 128). Zum umgekehrten Ausgleich (a statt u im Pl.Prät., vgl. o Weinhold, Mhd.Gr., § 350) liegt ein Einzelbeleg vor: vnd wardࠀ dez die h’ren zu ‫܅‬ent Iohan be‫܅‬tedigit, UMainz, 23,14f; im Frnhd. ist a im Pl.Prät. häufiger zu beobachten (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 129). o

o

Anm. 4:  Im Konj.Prät. ist mfrk. und omd. ab 113 selten ‹u› belegt (ca. 2%, hulpin, UKöln1, o v v 4,13; wurfe, JMar, 8r,13). Als Handschriftenusus zu werten ist ‹o› in Kchr (2x: worde, 38ra,36; va 8782 u. 72 ,5; 16975). Anm. 5:  Varianz im Part.Prät. ist selten: Insbesondere im Bair. kann ‹a› ab 212 sehr selten vorkommen (ich pin warden, HLit, 85v,9; 414; i‫܅‬t er nicht ge‫܅‬ûnt wardࠀ, Rupr, 99,33; geware fen, *Kchr V, 5353; bewallen, *Rol P, 3288); ab 213 kann im alem.-bair. Übergangsraum ‹o› e e v ra stehen (bevolhe, DvATr, 56 ,1; worden, WüPo, 246 ,25). Insbesondere in 212 kann ‹u› obd. wie md. auftreten (gehulfen, TrPs, 47 v,11; uirwurden, TrPs, 82r,15; vgl. auch Weinhold, Mhd. Gr., § 350); ‹u› erscheint mfrk. 213 (mehrere Formen in *MU13, bspw. virgulden, N 160, 126,5) sowie omd. in 114 (sturbyn, [84v,21], sturben, [85r,23]; für das Md. ist ein Wechsel von o und u öfter zu beobachten).

Grammat. Wechsel f/ ​v  – b tritt nur in Ausnahmen bei węrben/ ​węrven im Bair. in 212–113 auf. Grammat. Wechsel d – t tritt nach dem 12. Jh. sehr selten bei węrden auf, wobei die Belege zumeist ins Obd. verweisen; noch weitgehend beibehalten scheint der Grammat. Wechsel in 211/ ​112 (insbes. WNot, bspw. pin uuorten, 35va,4), vereinzelt nurmehr in 212–113. Der Ausgleich des Grammat. Wechsels kann bei węrden bereits früh im Frk. beobachtet werden (vgl. Ahd.Gr.I, § 337, Anm. 2).

V 137

844

VII. Verben

Zum Grammat. Wechsel f/ ​v  – b s. § V 160f, d  –  t s. § V 162f. Lit.: Ahd.Gr.I, § 336f; Feudel (1961, 179); Frnhd.Gr., § L 33, L 47, M 122–124; Gr.d.Frnhd.IV, § 156; Habscheid (1997, 143–147); Leitzmann (1889, 19–21); Nebert (1901, 470); Paul, Mhd.Gr., § L 27–50; Pfeffer (1972, 153); Riecke (1994); Wallach-Faller (1981, 204f); Weinhold, Bair.Gr., § 323; Weinhold, Mhd.Gr., § 45, 47, 50, 350.

(4) Starke Verben Klasse IV V 138

Zur Klasse IV gehören Verben mit einfachem Nasal oder Liquid nach oder vor dem Stammvokal (nęmen, quęln; auch komen, ahd. quęman; bręchen, tręffen); hinzu treten einige Verben mit h, ch nach dem Stammvokal (z. B. stęchen, vęhten, s. Anm. 1). Außer bei komen lautet der Stammvokal im Inf. ę, im Präs. ę–i (zur Vokalalternation e–i, s. § V 95) und im Part.Prät o.

komen

nęmen, nime bręchen, briche obd.: komen, kume md.: kumen, kume

nam brach kom kam

nāmen brāchen komen kāmen

genomen gebrochen komen kumen

In den Hss. des Grammatik-Korpus ist eine Kennzeichnung der Vokalquantität bis auf wenige Ausnahmen nicht durchgeführt, Formen des Sg. und Pl. stimmen hinsichtlich ihres Stammvokals ausdrucksseitig zumeist überein. Belege mit Akut oder Zirkumflex und somit einer möglichen Längenmarkierung sind sowohl im Sg. als auch im Pl. vereinzelt möglich. Indizien auf vorliegende Vokalquantität ergeben sich ansonsten mittelbar durch graphisch nachvollziehbare lautliche Veränderungen, die jeweils nur bei Lang- oder Kurzvokal eintreten können (bspw. Belege mit ‹o› nur im Pl.Prät., lautlich interpretierbar nur bei vorausliegender Vokallänge ā, s. § V 140, Anm. 2 sowie § V 144, Anm. 1). Anm. 1:  Bei den Lexemen mit stammvokalfolgendem h oder ch liegt historisch keine einheitliche Klassenzugehörigkeit vor: Die Lexeme stęchen und vlęhten wurden im Got. und Ae. noch nach Ablautreihe V flektiert, lediglich bręchen bildete den Ablaut nach IV (dagegen Ahd.WB, s. v.: Zuweisung von bręchen zu stv. V). Möglicherweise ist bei stęchen und vlęhten ein analog zu bręchen erfolgender Übertritt nach stv. IV anzunehmen (so Ahd. Gr.I, § 341, Anm. 1; Weinhold, Mhd.Gr., § 349). Anders als bręchen, stęchen und vlęhten verhält sich vęhten, das sein Prät. z. T. nach stv. IIIb bildet (s.  § V 140, Anm. 4). Anm. 2:  Einige Verben mit Liquid vor Stammvokal (bspw. bręsten) werden im Ahd. nach stv. IIIb flektiert (Ahd.Gr.I, § 338), im Mhd. nach stv. IV. Anm. 3: Bei nęmen zeigt sich nicht selten Part.Prät.-Bildung mit u, was in Teilen der Forschungsliteratur als Indiz für eine Bildungsweise analog stv. IIIa gilt (s. § V 140, Anm. 5). Anm. 4:  Bei einer Reihe von Lexemen (u. a. stęmen, ƶęmen, dręschen s. § V 140, Anm. 6) wird aufgrund einer dem Inf.-Stamm identischen Flexion des Part.Prät. ein Übergang zu Kl. V konstatiert.

845

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

In stv. IV sind 153 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 14905 Wortformen insgesamt, davon 9205 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt:

V 139

(-)‌bęrn (550/ ​415), (-)‌bręchen (532/ ​286), (-)‌bręsten (82/ ​40), brętten ‚weben‘ (1/ ​1), dręschen (2/ ​1), (-)‌hęln (51/ ​28), (-)‌komen (4265/ ​2490, davon Simplex komen 3829/ ​2273), (-)‌lęschen (40/ ​22), (-)‌nęmen (2863/ ​1536), (-)‌quęln ‚Schmerzen leiden‘ (17/ ​5), (-)‌ręchen (149/ ​68), (-)‌schęrn (11/ ​6), (-)‌schręcken (46/ ​35), (-)‌spręchen (5614/ ​3922), (-)‌stęchen (148/ ​102), (-)‌stęln (88/ ​43), (-)‌swęrn ‚schmerzen‘ (16/ ​4), be-tręchen ‚bedecken‘ (1/ ​1), (-)‌tręffen (51/ ​22), (-)‌vęhten (187/ ​79), ver-męchen (2/ ​0), vlęhten (13/ ​8), (-)‌ƶęmen (176/ ​91) Anm. 1:  Als zu stv. IV zugehörig ausgewiesen sind weiterhin dęhsen ‚Flachs schwingen‘, dwęrn/ ​twęrn ‚drehen, bohren‘, ręspen ‚zupfen‘ und tręchen ‚schieben, scharren‘ (Lexer, s. v., MWB, s. v.; Mettke 1983, § 125; Weinhold, Mhd.Gr., § 349). Anm. 2:  In seltenen Ausnahmen können Formen vorkommen, die neben dem (st.) Stammvokal eine (sw.) Dentalendung aufweisen: Galie ‫܅‬pracht nichte hait gedolt (KuG, D2ra,16; 13848), Von ‫܅‬iner hern vr‫܅‬tende Braht maniger ‫܅‬ele gebende Da ‫܅‬in gewalt die helle ent‫܅‬loz (Türh, 103va,43; 16296; die Edition weist die Form bręchen zu, vgl. Hübner 1938, 233; auch gebirte, *AugustReg, 18b,30, er‫܅‬chrahten, BKön, *14vb,14 sowie *KlostEvang, 296v,31 u. 297r,4); da ein vergleichbarer Beleg für das Ahd. nachgewiesen wird (vgl. dazu Riecke 1994, 50), ist unklar, hier nurmehr eine Verschreibung anzunehmen; s. § V 55, Anm. 2. Anm. 3:  Das im Mhd. sw. flektierte Verb verƶėrn kommt im frühen Mhd. (WNot) st. flektiert vor: Sg.Prät. uerzari (5vb,1) und uerzare (5vb,2). Möglicherweise liegt Verwechslung mit dem ahd. st. Verb ƶęran (Kl. IV) vor (vgl. Ahd.Gr.I, § 340, Anm. 1; zum st. Verb ƶęrn vgl. Lexer, s. v.). Das stv. (-)‌ręchen kann (so auch noch im Frnhd., vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 156) in sehr seltenen Fällen sw. flektiert sein: Pl.Prät. gerehten (*Herb B, 14517), Sg.Prät. rechete (Hleb, *89r,9), Part.Prät. gerechet (*PsM, 18v,8), s. § V 174. Belegt sind: IV Sg.

Pl. Part.Prät.

Ind.Prät. 1./ ​3.

a

2.

æ

Konj.Prät.

IV Sg.

æ

ā

Pl. o

Ind.Prät.

V 140

Konj.Prät.

1./ ​3. ‹a›, ‹â› (< 1%)

‹e›, ‹æ›, ‹a›, ‹ei›, ‹â›, ‹ey›, je 1x ‹âe›, ‹ê›

2.

‹e›, ‹æ›, 1x ‹ey›

‹e›, ‹æ›, ‹a›

‹a›, ‹o›, ‹æ›, ‹â›, ‹e›, ‹æ›, ‹a›, 1x ‹u›, 1x ‹v› ‹ey› o

e

Part.Prät. ‹o›, ‹v›, ‹u›, ‹u›, ‹o›, ‹uo›, 1x ‹e›

Die 1./ ​3. Sg.Ind.Prät. zeigt regelmäßig Stammvokal a (ich/ ​er nam, sprach), im Pl.Prät. im späten Mhd. neben ā auch o oder u (wir/ ​sie nāmen, sprāchen sowie auch noment, sprochent) (s. Anm. 2–4). Die 2.Sg.Ind.Prät. zeigt jeweils den (umgelauteten) Stammvokal, der auch in der Flexion des Konj.Prät. erscheint: zumeist ‹e› (enberes, RhMl, 86r,4; 4651), daneben ab 212 insbesondere im Bair. ‹æ› (gibære, ginæme, HLit, vernæme, PrPa, næme, MMag); bis 212 ist noch selten ‹a› belegt (name, WNot und vernami, RPaul, name neben neme und gispreche in Muri). Im Konj.Prät. dominiert ‹e›, im Obd. ab 212 z. T. ‹æ› (benæme, Parz, 283a,35; 810,17; bræches, Türh, 151rc,43;

846

VII. Verben

35052); im Mfrk. erscheint selten ‹ei› ~ ‹ey› (spreyge, Brig, 6r,3; neymis, Taul, 96r,20). Bis 113 ist im Obd. vereinzelt auch im Konj. (umlautunmarkiertes) ‹a› möglich: name, WMEv, 12,8). Das Part.Prät. hat regelmäßig ‹o›, besonders bei nęmen (ähnlich komen, s. § V 141) auch ‹u› (s.  Anm. 5); dabei zeigt sich ‹u› (und deutlich seltener auch ‹uo›) bei nur wenigen obd. Ausnahmen nahezu ausschließlich im Md. (selten Ofrk.) gebraucht. Zu komen s. § V 141. Anm. 1:  Die eindeutige Umlautmarkierung des Stammvokals der 2.Sg.Ind.Prät. erweist die Gültigkeit der hier in Abgrenzung zur 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. vorliegenden besonderen Bildungsweise (umgelauteter Ablautvokal des Pl.Prät., s. § V 116): Bei den Verben der Ablautreihen II und III scheint die Umlautung bzw. seine graphische Markierung redundant, da der Pl.-Ablaut auch graphisch qualitativ eindeutig vom Ablaut der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. geschieden ist. Anm. 2:  Im Pl.Ind.Prät. kann in 114 im Alem. und Omd. (s.  auch § V 144, Anm. 1) ‹o› vorkommen bei nęmen, spręchen und stęchen (noment, Rapp, 204rb,6; 17595; sprochent, Rapp, 203rb,21, 17421; vernomen, BeEv, 8r,8; uornomen, BeEv, [13r,15]; durchstochࠀ, MBeh, 234r,15). Für die Bildung des Pl.Prät. mit ‹o› werden sowohl lautliche als auch analogische Gründe angenommen (vgl. dazu Gr.d.Frnhd.IV, § 127.4; Frnhd.Gr., § M 125.3); Weinhold stellt eine (lautlich zu wertende) Neigung für die Verwendung von ‹o› für ‹a› im Alem. insbes. vor Liquiden fest (Weinhold, Alem.Gr., § 25). Anm. 3:  Selten kann im Pl.Prät. regional begrenzt im Md. (RBib, 212; AthP, 213; JMar, 114 sowie in Will, 211/ ​112) Flexion mit ‹u› auftreten; betroffen sind lęschen, swęrn und vęhten (lu‫܅‬chin, JMar, 58r,18f). Anm. 4:  Es bestätigt sich grundsätzlich für das Mhd. der an verschiedenen Stellen beschriebene Befund für vęhten und vlęhten (Weinhold, Mhd.Gr., § 349, Frnhd.Gr., § M 117, Anm. 2 u. 4), nach dem der Pl.Prät. bis ins 16. Jh. im Md. wie stv. IIIb (vuhten, vluhten) und im Obd. wie stv. IV (vāhten, vlāhten) flektiert wird. Allerdings zeigt sich mhd. auch im Md. neben Stammvokal ‹o› bzw. ‹u› ~ ‹v› (in TrPs, PrMK; vgl. auch Schirokauer 1923, 11) ebenso textbezogen gleichgewichtig ‹a› (AlxS mit 8 bzw. 9 Formen); Flexion mit ‹u› erscheint in RBib (fuhton, A6v,20; 636), AthP (uuchtin, 4rb,20; 4,62) sowie in Will (graphisch unklarer Beleg uhton, 4r,10), ‹o› tritt in KuG (unklarer Beleg wochten, U1vb,28; 11406), PrM (fohten, b1ra,26) und MBeh (vlochtࠀ, 231r,20) auf. Der Übergang zu einer (im Nhd.) durchgehenden o-Flexion erfolgt erst in der 1. Hälfte des 17. Jh.s (vgl. Frnhd.Gr., § M 117; zu vęhten und vlęhten vgl. auch Bammesberger 1986, 36, zum Ahd. Riecke 1997, 211ff). Anm. 5:  Das Part.Prät. bleibt auch im Md. (sowie Ofrk.) vorwiegend mit ‹o› gebildet, Formen mit ‹u› (oder ‹uo›) treten jedoch häufig auf, bspw. ginumins (MüRB, 7 v,25f), o vernࠈmen (PrRei, 18b,7), benumen (VLilie, 98r,13; 53,14), genuomin (AthP, 3ra,9; 3,9; vgl. dazu auch Weinhold, Mhd.Gr., § 63); Weinhold weist u auch für das Bair. und das Alem. aus (vgl. Bair.Gr., § 266, Alem.Gr., § 331); dies betrifft nęmen (zum Alem. vgl. auch Nebert 1901, 470; Wallach-Faller 1981, 205) sowie ausnahmsweise auch spręchen (gespruchin, PrM, b2ra,26; ge‫܅‬pruchen, TrPs, 4v,7 u. *15r,10). Im Frnhd. kommt ‹u› im Part.Prät. bei nęmen mit Ausnahme des Hochalem. im gesamten Sprachgebiet vor (vgl. Frnhd.Gr., § M 125.2 sowie Gr.d.Frnhd.IV, § 127.3 mit Angabe weiterer Literatur). Wallach-Faller (1981, 205) sieht in Part.Prät. u eine Bildung „analog zu den st. v. 3a“ (so auch Nebert 1901, 470). Weitere e e Ausnahmebildungen liegen vor in benomen (DvATr, 68r,10), erloschen (NikP, 82va,7), be-/ ​ u v unverno men, Kchr, [54va,38; 12649]), genomen (*Rol P, 375), ge‫܅‬prachin (*MU13, 3374, 492,29).

847

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

Anm. 6:  Weinhold (Mhd.Gr., § 349) weist (ohne weitergehende diachrone Differenzierung) bei stęmen, ƶęmen, quęmen, vęhten, vlęhten und dręschen Belege des Part.Prät. mit ‹e› aus und nimmt Übergang in stv. V an; allerdings können bei den genannten Verben Belege dieser Art im Grammatik-Korpus nicht nachgewiesen werden. Vereinzelt mit ‹e› belegt sind ge‫܅‬prechen (Hoff, 30r,26) und uerle‫܅܅‬chen (RhMl, 90,15; 3435; daneben sw. Form gele‫܅܅‬et, PrM, c3rb,6). Eine solche Bildung des Part.Prät. mit ‹e› ist im Ahd. für Verben mit r vor dem Stammvokal nachgewiesen (vgl. Ahd.Gr.I, § 341, Anm. 1) sowie für das Frnhd. insbes. im Obd. vereinzelt für Ende des 15./ ​Beginn des 16. Jh.s belegt (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 127.5).

Einen Sonderfall in Ablautreihe IV stellt komen sowohl hinsichtlich eines numerusunterschiedenen Stammvokalgebrauchs im Präs. als auch hinsichtlich einer klar landschaftlich verteilten Flexion des Prät. durch o oder a dar. Das den Ablaut-Grundstufenvokal e der Verben der Kl. IV noch ausweisende ahd. quęman ist in seinen Präsensformen bis zum 11. Jh. mit e belegt (vgl. Ahd.Gr.I, § 340, Anm. 3); danach nur noch in Einzelfällen (so im Bair., vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 266). Hinsichtlich des unterschiedlichen Stammvokals sowohl im Pl.Präs./ ​Inf. als auch im Prät./ ​Part.Prät. ergibt sich eine deutliche Differenzierung in einen md. und einen obd. Typ, ofrk. Hss. zeigen schwankenden Gebrauch. Der landschaftlich differenzierte Usus sowohl im Inf./ ​Präs. als auch im Prät. und Part.Prät. profiliert tendenziell zwei groblandschaftliche Muster: eine md. Flexion kumen, kume  – kam  – kamen  – kumen (mit struktureller Identität Inf./ ​Präs. = Part.Prät.) und eine obd. Flexion komen, kume – kom  – komen  – komen (ohne ausdrucksseitig stammvokalische Tempusdistinktion, jedoch mit Numerus-Distinktion im Präs.). Zum Präs. s. § V 102. Belegt sind: komen Sg.

Ind.Prät. 1./ ​3. o (obd.) a (md.) 2.

Pl. Part.Prät.

Konj.Prät.

o (obd.) e (md.)

Sg. o (obd.) æ (md.)

o (obd.) a (md.) o (obd.)

komen

2. Pl.

u (md.)

Ind.Prät.

Konj.Prät. e

1./ ​3. ‹a›, ‹o›

‹e›, ‹æ›, ‹o›, ‹o›, v ‹a›, ‹o›

‹e›, ‹o›, 1x ‹oe› 1x ‹e› e

‹a›, ‹o›, ‹o›, 1x ‹v› o

e

‹e›, ‹æ›, ‹o›, ‹o›, ‹a›

e

Part.Prät. ‹o›, ‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›

In der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. und dem Pl.Prät. dominiert Stammvokal a im Md., im Alem. ab 213 und im alem.-bair. Übergangsraum in 114 (kam, kamen). Im gesamten Obd. dominiert o bis 113, ab 213 nurmehr im Bair. sowie auch im Ofrk., kann jedoch auch in Texten anderer Sprachlandschaften vorkommen (kom, komen). Es wird a allmählich auch im Bair. und Ofrk. durchgesetzt, so dass frnhd. bereits in 214 a im Bair. parallel neben o nachgewiesen wird; im 16. Jh. kommen Formen mit o nur noch als Ausnahme vor (vgl. Frnhd.Gr., § M 125.4 u. Gr.d.Frnhd.IV, § 127.6).

V 141

848

VII. Verben

kam/ kāmen

obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

211/ ​112

bair.

45

212 113

alem.bair.

32

21

10

0 6

44

8

213

75

0

7

114

89

85

15

Abb. V 9: Anteil der a-/ ​ā-Formen (gerundet in %) im Sg./ ​Pl.Ind.Prät. von komen im Obd. Anm. 1:  Gegen die Befunde besonders der älteren Forschungsliteratur, in denen die landschaftsdifferenzierte Flexion bei komen vergleichbar konstatiert wird (vgl. etwa Weinhold, Mhd.Gr., § 349; Frnhd.Gr., § M 125.4; Gr.d.Frnhd.IV, § 127.6; Schirokauer 1923, 13–16), zeigt der Korpusbefund eine dominante Flexion mit a für das Alem. erst ab 213: Bis in die erste Hälfte des 13. Jh.s ist auch dort der allgemein obd. Usus belegt. Allerdings bleibt die Forschungsliteratur z. T. auch ungenau hinsichtlich einer diachronen Differenzierung des Befundes: So stellt Weinhold (Alem.Gr., § 331) allein die Existenz der Variation fest, über eine Entwicklung in mhd. Zeit gibt es keine nähere Aussage. Der Korpusbefund stützt die Einschätzung bei Boesch zur alem. Urkundensprache im 13. Jh.: Er sieht im Sg./ ​Pl.Prät. neben a auch o „recht häufig belegt. Diese Formen als nur bairisch zu erklären, geht nicht an: wie die hs.lichen Formen beweisen, sind ‚kom‘, ‚komen‘ im Alem. schon alt“ (Boesch 1946, 202). Th. Klein (1992, 41) bewertet o-Formen im Alem.-Bair. als Beispiel für ein „konservatives Zentraloberdeutsch“, eine konservative Schreibsprache, die in vielen Hss. des 12. und 13. Jh.s begegnet (39). Anm. 2:  Neben dem jeweils als dominant oder vorwiegend herausgearbeiteten Usus kann immer auch die entsprechend variante Bildung selten erscheinen, so bspw. Pl.Prät. quomen in BeEv ([13r,17]). Anm. 3:  Im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum ist in 213 im Sg./ ​Pl.Ind.Prät. vereinzelt e e ‹o› belegt (chomen, Lieht 64rb,4; 944,5; DvATr, 44v,5; UAugsb1, 6,5). Anm. 4:  Neben der überwiegend st. Flexionsweise kommt vereinzelt sw. Bildung im Konj. vor (s.  Anm. 5). Sw. Präteritumbildung im Alem. (komete), wie in den Grammatiken von Weinhold für das 14./ ​15. Jh. ausgewiesen (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 424, Alem.Gr., § 376.2 sowie Gr.d.Frnhd.IV, § 127, Anm. 6), kann im Grammatik-Korpus für das Mhd. nicht belegt werden.

Analog zum Usus der Verben aus Ablautreihe IV wird auch die 2.Sg.Ind.Prät. von komen bei Gültigkeit von Prät.-Stammvokal-a (im Md. und Alem.) regelmäßig mit Umlaut gebildet (keme, RWh, 53va,34; 7051); im Bair. erscheint ‹o› (chom, PrPa, 304,7), e e in späteren Texten (chome, MMag, 6v,13; 238) neben ‹o› (chome, MMag, 3r,15; 105). Bis 113 ist der formal unbezeichnete Konj. häufiger (es steht auch im Konj. ‹a› oder ‹o›), ab 213 nimmt die eindeutigere Markierung zu, dabei überwiegt ‹e› im Md., ‹œ› e und ‹o› im Obd.; z. T. weisen bereits frühere Handschriften Umlautmarkierung auf

849

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

(queme, RhMl, 37r,15; 2095; Habscheid 1997, 144, belegt über 40x queme in Kölner Urkk. des 13. Jh.s). Bei a wird der Umlaut häufiger markiert (durch ‹e›, vereinzelt ‹æ›: queme, PrM, b1va,25; kæme, Türh, 103va,14; 16267); bei o ist dies erheblich seltener der Fall, hier steht auch im Konj. häufig ‹o› (chome, BKön, 4rb,19). Die Bildung des Part.Prät. zeigt eine klare landschaftliche Bindung, so dass ab 212 ebenfalls ein obd. von einem md. Bildungstyp geschieden werden kann: Im Obd. ist ‹o› verwendet (chomen, ObEv, 25a,40; bechomen, Diet, 100va,31; 9743; zum Alem. des 14. Jh.s vgl. auch Wallach-Faller 1981, 205; ‹u› erscheint schon in 212 nurmehr als Ausnahme, kumen, *Kchr K, 1778), im Md. dominiert ‹u› (bekumen, Erlös, 5crb,13; 5415; kumen, BeEv, 60v,24). Während im Mfrk. und Omd. nur vereinzelt Belege mit ‹o› nachgewiesen sind, findet im Rhfrk.-Hess. in 114 ein Wechsel von ‹u› zu überwiee e gend ‹o› statt (handschriftenbezogen auch ‹o›: her komen, UMainz, 24,6). Im Ofrk. ist sowohl ‹u› als auch ‹o› belegt, Hss., die um Nürnberg lokalisiert sind, neigen eher zum obd. ‹o› (Renn, SBNü, UNürnb), Hss., die um Würzburg lokalisiert sind, neigen eher zum md. ‹u› (WüPo, Lupo; kumen auch bei GnaÜ, [40,20]). Im Md. sind ab 113 o o o zudem digraphische und superskribierte Varianten belegt (‹uo› ~ ‹u› ~ ‹v›; ku mࠀ, MBeh, 149r,23; anekuomin, AthP, 3vb,37; 3,163). Anm. 5:  In den Kölner Urkunden findet sich in der 3.Sg.Konj.Prät. quemit (UKöln2, 4,17 u. 4,23; vgl. zu diesem Beleg Habscheid 1997, 235; vgl. dazu auch WMU, s. v. komen: rip. quemet). Anm. 6:  Die Forschungsliteratur belegt Formen des Part.Prät mit ‹e› (kemen) (vgl. Lexer, s. v.; Weinhold, Bair.Gr., § 266). Solche Formen sind im Grammatik-Korpus unbelegt. Fore men mit ‹o› erscheinen in 114 insbesondere im Rhfrk.-Hess., in einer Ausnahme auch im e e Bair. (chomࠀ, Rupr, 76,3) sowie in 213 auch im Alem.-Bair. (chomࠀ, DvATr, 75v,17 sowie 77 v,9 r und *20 ,13). Lit.: Ahd.Gr.I, § 340, Anm. 3, § 341; Bammesberger (1986, 36); Boesch (1946, 202); Frnhd.Gr.; Gr.d.Frnhd.IV; Habscheid (1997, 144, 235); Th. Klein (1992, 39–41); Mettke (1983, § 125); Nebert (1901, 470); Riecke (1997); Schirokauer (1923, 11, 13–16); Wallach-Faller (1981, 205); Weinhold, Alem.Gr.; Weinhold, Bair.Gr., § 266; Weinhold, Mhd.Gr., § 349.

(5) Starke Verben Klasse V

Zur Klasse V gehören Verben mit einfachem oder geminiertem Konsonanten nach dem Stammvokal (außer Nasal und Liquid, s. stv. III, IV): gęben, genęsen; vergęȥȥen. Der Stammvokal des Inf. und Part.Prät. ist ę, im Präs. ę–i (zur Vokalalternation e–i s. § V 95–99). Die ehemaligen j-Präsentien biten, ligen, siƶƶen haben im Präs. durchgängig i, im Part.Prät. ę. Zur Präsensflexion s. § V 95–99, 103f. gęben, gibe siƶƶen, siƶƶe

gap saȥ

gāben sāȥen

gegęben gesęȥȥen

V 142

850

VII. Verben

In den Hss. des Grammatik-Korpus ist eine Kennzeichnung der Vokalquantität bis auf wenige Ausnahmen nicht durchgeführt, Formen des Sg. und Pl. stimmen hinsichtlich ihres Stammvokals ausdrucksseitig zumeist überein. Mit Ausnahme des Usus bei Will sind Belege mit Akut und somit einer möglichen Längenmarkierung sowohl im Sg. als auch im Pl. vereinzelt möglich; der Sg.Prät. von ęȥȥen und vręȥȥen ist dabei häufiger mit ‹â› belegt als bei anderen Verben (vgl. dazu Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 5:  Bei ęȥȥen und vręȥȥen ist schon im Ahd. der Sg. mit Längenzeichen nachweisbar). Bei Will erscheint weitgehend konsequent der Plural durch Zirkumflex, der Singular mit Akzent markiert: bspw. uuá‫ ܅‬zu uuâron, quádh zu quâdon. Indizien auf vorliegende Vokalquantität ergeben sich ansonsten mittelbar durch graphisch nachvollziehbare lautliche Veränderungen, die jeweils nur bei Lang- oder Kurzvokal eintreten können (bspw. Belege mit ‹o› nur im Pl.Prät., lautlich interpretierbar nur bei vorausliegender Vokallänge ā, s. § V 144, Anm. 1 u. § V 140, Anm. 2). Bei Verben mit stammschließendem h und s kann Grammat. Wechsel (h  –  g, s  –  r) auftreten, selten bei jęsen, genęsen, lęsen und sęhen (bspw. lęsen – las – lāren – gelęren) sowie regelmäßig im Pl.Prät. von węsen (zum Grammat. Wechsel s. § V 146, V 164–V 167). V 143

In stv. V sind 173 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 22570 Wortformen insgesamt, davon 14460 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌biten (925/ ​464), (-)‌ęȥȥen (437/ ​161), (-)‌gęben (3932/ ​1599), er-/ ​ver-gęȥȥen (175/ ​99), (-)‌jęhen (570/ ​154), jęsen ‚gären‘ (3/ ​2), (-)‌jęten (3/ ​1), knęten (1/ ​0), kręsen ‚kriechen‘ (3/ ​0), (-)‌lęsen ‚lesen; sammeln‘ (565/ ​227), (-)‌ligen (1233/ ​647), (-)‌męȥȥen (72/ ​44), ge-nęsen (217/ ​89), (-)‌pflęgen (422/ ​233), (-)‌quęden (338/ ​41), (-)‌schęhen (1069/ ​640, davon geschęhen 1026/ ​609), (-)‌sęhen (3190/ ​1490), (-)‌siƶƶen (809/ ​490), (-)‌tręten (146/ ​111), (-)‌węben (15/ ​10), (-)‌węgen (113/ ​61), węhen (1/ ​0), (-)‌węsen (8327/ ​7894, davon Simplex węsen 8274/ ​7863), węten (4/ ​3) ‚ein-, verbinden‘ Anm. 1:  Zusätzlich für das Mhd. werden die Lexeme ręden (‚sieben‘) und ręgen nachgewiesen (Lexer, s. v.; Weinhold, Mhd.Gr., § 349). Weinhold ordnet auf Grund der Part.Prät.Bildung mit e auch stęchen zu stv. V; da im Grammatik-Korpus eine Inflexion mit e im Part.Prät. nicht belegt ist, erfolgt hier Zuordnung zu stv. IV (sw. Formen des Part.Prät. ge‫܅‬techot, WNot, *49vb,12 u. *49vb,14). Anm. 2:  Die Lexeme geschęhen, pflęgen, węben und węsen können z. T. regional gebunden auch sw. flektiert sein (s.  § V 174). Anm. 3:  Zu st. flektiertem węgen existiert ein sw. flektiertes wėgen, welches ursprüngl. ein Kausativum zum st. Verb darstellt; im Mhd. können die beiden Verben nicht immer nach der Bedeutung geschieden werden. Zu sw. Formen von węsen s. § V 174. Anm. 4:  Ein Beleg aus Nib zu gęben kann mit Ablautvokal a und sw. Dentalendung nachgewiesen werden: do gabt div kuniginne. zwelf povge rot. d‘ Gotlinde tohter (Nib, 51v,21f; 1349,2f), hier ist mögliche Verschreibung anzunehmen wie in vࠁ ‫܅‬ich al‫܅‬o be‫܅‬ath zu sęhen (*Tobias, 266) oder eine Form zu swv. gaben (s.  § V 55, Anm. 2 sowie § V 138, Anm. 2). Anm. 5:  Das regelmäßig sw. flektierte spęhen ist im Grammatik-Korpus im Reim im Part. Prät. singulär st. belegt (ge‫܅‬ehn  : ge‫܅‬pehen, Diet, 83vb,35f; 6327f), s. § V 175. Anm. 6:  węgen kann im Prät. vereinzelt auch mit ū oder ue nach Klasse VI gebildet sein (wūc/ ​wuec). Während diese Formen bei Lexer (unter Einfluss von wahen) als md. ausgewiesen sind, kommen im Grammatik-Korpus md. ausschließlich Belege mit ‹a› vor (bspw. irwag, PrRei, 160b,20; wac, Elis, 211v,11; 10095; wac, Pass, 81vb, 28; 6,44).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

851

Belegt sind: V

Ind.Prät.

Sg.

1./ ​3.

a

2.

æ

Konj.Prät.

Sg. æ

ā

Pl. Part.Prät.

V

1./ ​3. ‹a›, ‹â›, 1x ‹æ› 2.

Pl. ę

Ind.Prät.

V 144

Konj.Prät. ‹e›, ‹æ›, ‹a›, ‹ei›, i ‹ey›, ‹e›, ‹ea›

‹e›, ‹æ›, ‹a›

‹e›, ‹æ›, 1x ‹ey›

‹a›, ‹o›, ‹â›

‹e›, ‹æ›, ‹a›, je 1x ‹ei›, ‹ey›

Part.Prät. ‹e›, ‹æ›, ‹ei›, pflęgen: ‹o›, kontr. ‹i›, ‹ie›

Die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. weist regelmäßig Stammvokal a auf (ich/ ​er gap, saȥ); quęden flektiert durchgängig mit o (chot, WNot, 21ra,3; kot, PrMi, 15v,8; zu quęden s. § V 145). Der Pl.Ind.Prät. hat regelmäßig ā (wir/ ​sie gāben, sāȥen, in den Hss. regelmäßig ohne Längenzeichen), daneben kann im späten Mhd. handschriftenbezogen auch ‹o› (­ gobent) erscheinen. Die 2.Sg.Ind.Prät. (s.  § V 116) zeigt jeweils in der Mehrheit den (umgelauteten) Stammvokal, der auch in der Flexion des Konj.Prät. steht: zumeist ‹e› (du gebe(s)), mfrk. selten ‹ey› (ou’geyues < übergęben, Taul, 169v,3), ab 212 im Obd. mehrheitlich ‹æ› (wære, MMag, 25r,6; 816; im Md. ist ‹æ› in nurmehr drei Ausnahmen belegt: wære, AlxS, 6, 3911 u. 4605); obd. erscheint bis 212 auch ohne Umlautmarkierung ‹a› (die du mir gabe, Spec, 5r,8). Der Sg./ ​Pl.Konj.Prät. weist zumeist markierten Umlaut auf (‹e› ~ ‹æ›; zur Verteilung s. Anm. 2). Das Part.Prät. hat bis in die erste Hälfte des 14. Jh.s hinein regelmäßig Stammvokal ‹e› (gegeben, gesezzen; zu Ausnahmen s. Anm. 5), bei pflęgen möglich werdende Part.Prät.-Formen (bspw. gepflogen) weisen bereits auf den im Frnhd. usuell werdenden Wechsel der Flexionsweise (s.  Anm. 4). Anm. 1:  Im Pl.Ind.Prät. erscheint in 114 in einzelnen und insbesondere alem. und omd. Hss. (s.  auch § V 140, Anm. 2) häufig ‹o›, so in Rapp (alem., gobent, 118va,10; 499; sohent, 203rb,14; 17414; worent; 201va,13; 17081), in BeEv (omd., gobyn, [68r,19]; sohen, [7r,25], sohe, [17r,20]; zu sogen, geschogin vgl. auch Feudel 1961, 175) sowie je einmal in Hleb (rhfrk.-hess., worࠀ, 6v,13) und Lupo (ofrk., woren, 228rb,8; 2,3). Zu Rundungs-o für a (ā) besonders oberrhein. und omd. vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 25. Anm. 2:  Der Sg./ ​Pl.Konj.Prät zeigt eine vergleichbare Verteilung von ‹e›, ‹a› und ‹æ› wie der 2.Sg.Ind.Prät.: Im Obd. ist bis 113 umlautunbezeichnetes ‹a› möglich. Noch in 211/ ​112 ausschließlich (ge‫܅‬ahe, WNot, 39va,13; uergabe, RPaul, 1r,31; 101) bleibt die umlautunmarkierte Form in 212 gleichberechtigte Variante (‫܅‬ahe, Muri, 14r,10; gabe, Spec, 5r,8) und ist schließlich in 113 nurmehr vereinzelt belegt (ge‫܅‬ahe, Tris, 4va,11; 635). Ab 213 dominiert ‹æ› im Bair. sowie im alem.-bair. Übergangsraum (in MMag vereinzelt Vertauschung der ­Vokale der Digraphie: owe wear ich verirret ‫܅‬o, 23v,7; 773, s. § V 116, Anm. 2), ‹e› ist hier i selten; alem., md. und ofrk. ist ‹e› häufig belegt (mfrk. und omd. z. T. auch ‹ei› ~ ‹e› ~ ‹ey›). Anm. 3:  Im Part.Prät. ist z. T. Ligatur ‹æ› in Hss. des Ausgsburger Raums (ge‫܅‬chæhen, StBA, 86ra,11f; ge‫܅‬æzzen, UAugsb1, 9,2) sowie vereinzelt in Hoff (alem., gigæbin, 39v,22) bei legt. Im Mfrk. und Md. kann ‹ei› ~ ‹e› ~ ‹ey› stehen. Weitere Varianz ist aufgrund kontrahierter Formenbildung möglich (gi‫܅‬ien < gesęhen, MüRB, 4r,20; ge‫܅‬in < gesęhen, NikP, 83rb,9f); zu Kontraktion s. § V 245, V 249.

852

VII. Verben

Anm. 4:  Im Md. und Ofrk. in 114 ist für pflęgen im Part.Prät. analog zu Ablautreihe IV Flexion mit ‹o› belegt: Geplogen, Yol, 78v; 5065 u. 5070; gepflogen, HTri, 103va,20; 113; gephlogen, Renn, 151vb,17; 23849 u. 154vb,19d; 24322 (vgl. dazu auch Weinhold, Mhd.Gr., § 348; Schirokauer 1923, 10; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 17). Anm. 5:  Nur ausnahmsweise belegt und als handschriftliche Besonderheit zu werten ist Part.Prät.-Stammvokalgraphie ‹æ› (gegæben in StBA; gigæbin, gi‫܅‬æhin in Hoff). Singulär erscheint Part.Prät. gôz (< ęȥȥen, GnaÜ). Zum Part.Prät. begigen zu bejęhen vgl. Weinhold (1876, 481). Anm. 6:  Einige Verben mit stammschließendem h, b, d und g weisen z. T. Kontraktion auf (s. dazu ausführlicher § V 245ff): geschęhen (vgl. dazu auch WMU, s. v.), sęhen, jęhen, gęben, quęden, pflęgen, ligen. Vorkommen und Häufigkeit sind dabei überwiegend lexembezogen differenziert. Die kontrahierten Formen kommen im gesamten Präs. sowie im Part.Prät. vor (giscein is, MüRB, 4v,20; han ge‫܅‬en, BeEv, 5r,9), vereinzelt auch im Sg.Konj.Prät. (gi‫܅‬ce < geschęhen, MüRB, 24r,2f). Anm. 7:  Das zu stv. V zählende Verb węsen ist im Mhd. noch in allen Positionen des Flexionsparadigmas belegt (zu einer sw. Form im Part.Prät. s. § V 41, Anm. 6); seine Formen sind Teil des Suppletivparadigmas des verbum substantivum (vgl. LIV, 98ff; 241f; s. ausführlicher dazu § V 205ff; zur Formenbildung vgl. auch Grimm, DWB 16, 228f u. Bammesberger 1986, 32f). Das Präs. wird überwiegend durch Formen von sīn gebildet, Belege mit węsen sind sehr selten (lediglich 2,4% aller Präsensbelege von ‚sein‘), können aber in jeder paradigmatischen Position auftreten (węse, wisis, wisit, węsen, węset, węsen). Frequenter ist nur der Sg.Imp. (wis), der zu 90% durch die węsen-Form gebildet wird. Seltener (ca. 20%) weisen der Inf. (węsen), das Part.Präs. (węsende) und vereinzelt der Pl. Imp. (węset) Formen von węsen auf. In der Forschungsliteratur werden für die von węsen gebildeten Präsensformen die spezifische Bedeutungen ‚bleiben‘, ‚werden‘ (vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 353) oder ‚existieren‘, ‚geschehen‘ (vgl. Ahd.Gr.I, § 378, Anm. 1) angenommen. Die Formen des Prät. werden allein durch węsen gebildet (was – wāren); im Part.Prät. sind selten (10%) auch Formen mit sīn möglich (s. § V 207). Zum Grammat. Wechsel bei węsen s. § V 167. V 145

quęden (‚sagen, sprechen‘) weicht im Prät. und z. T. im Präs. von der sonst üblichen Flexion in stv. V ab. Zur Präs.-Flexion s. § V 103; zur Entwicklung qu- zu k- vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 85, Ahd.Gr.I, § 107. Anm. 1:  Der Gebrauch von quęden ist ab 212 stark rückläufig; ab 213 ist ausschließlich formelhafte Verwendung nachweisbar: 3.Sg.Präs. daz chuit (WNot, 8va,9) oder daz kit (PrZü, 108rb,32) mit der Bedeutung ‚das heißt‘. Die funktionale Verwendung ist an bestimmte Textbereiche (religiöse Texte) gebunden. Es entspricht der formelhaften Verwendung, dass vorwiegend Formen der 3.Sg.Präs. und 3.Sg.Prät. belegt sind. Belegt sind: quęden Sg.

Ind.Prät. 1./ ​3. 2.

Pl.

o~a

quęden Sg.

o o

Ind.Prät. 1./ ​3. ‹o›, ‹a›, ‹ô›, 1x ‹uo› 2.

Pl.

1x ‹o› ‹o›, 1x ‹a›

853

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

Im Sg./ ​Pl.Ind.Prät. ist Stammvokal ‹o› regelmäßig (chot, kot, chod: Rundung des Folgevokals nach Ausfall des w-Lauts; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 348; Ahd.Gr.I, § 107, Anm. 2); Will (211/ ​112) weist noch ausschließlich klassenanalogen Stammvokal ‹a› und ‹â› auf (quadh, 32v,15; quâdon, 51v,32); nach 211/ ​112 ist ‹a› noch vereinzelt möglich (chat, Muri, 6r,4 u. 20v,1). Zur Kontraktion bei quęden von -ide- > ī s. § V 242; zum Grammat. Wechsel s.§ V 162, Anm. 3.

Grammat. Wechsel kommt bei Verben mit stammschließendem h und s vor, bei h nurmehr als charakteristisches Merkmal einer md. Prät.-Bildung bei geschęhen und sęhen, selten bei jęsen, genęsen und lęsen sowie regelmäßig im Pl.Prät. von węsen.

V 146

Anm. 1:  Der Grammat. Wechsel ist bei dem einzigen Verb mit stammschließendem d (quęden) ausgeglichen, so dass der bereits im Ahd. weit fortgeschrittene Ausgleich (vgl. Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 3) für das Mhd. als abgeschlossen gelten kann. Häufiges t in der 3.Sg. Prät. (chot) entsteht aufgrund von Auslautverhärtung. Zum Grammat. Wechsel h  –  g s. § V 164f, s  –  r s. § V 166f. Lit.: Ahd.Gr.I, § 107, § 343, Anm. 3 u. 5, § 378, Anm. 1; A. Bach (1934, 211–213); Bammesberger (1986, 32f); Feudel (1961, 175); Grimm, DWB 16, 228f; LIV, 98ff, 241f; Paul, Mhd.Gr., § L 27–50, L 85; Schirokauer (1923); Weinhold, Alem.Gr., § 25, 353; Weinhold, Bair.Gr., § 161; Weinhold, Mhd.Gr., § 348f; Weinhold (1876, 481).

(6) Starke Verben Klasse VI

Zur Klasse VI gehören Verben mit einheitlichem Stammvokal ue im Prät. und Übereinstimmung des Stammvokals im Inf./ ​Präs. und Part.Prät. (graben  – gegraben, tragen  – getragen); die 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ist durch Umlaut markiert (grėbest/ ​grėbet, trėgest/ ​trėget). Die Verben mit ehemaligem j-Präsens haben Umlaut-ė im gesamten Inf./ ​Präs. (hėben). graben, grabe (grėbest) hėben, hėbe (hėbest)

gruep huep

grueben hueben

V 147

gegraben erhaben

Im Unterschied zu stv. I–V ist Klasse VI eine Neuerung des Germ., die auf verschiedenen idg. Vorgaben beruht (Vokalalternation germ. *a  – *o  – *a, ahd./ ​mhd. a  – ue  – a). Zur Entstehung der Reihe vgl. auch Ahd.Gr.I, § 325; Bammesberger (1986, 42f); Matzel (1970/ ​ 1990, 2f). Bei Verben mit stammschließendem h und f kann Grammat. Wechsel (h  –  g, f  –  b) auftreten, z. B. slahen – slue(c)h – sluegen – geslagen, entsėben (md. entsėfen, ahd. intseffan; Splett, Ahd.WB, s. v.) – entsaben (zum Grammat. Wechsel s. § V 150, V 160f u. V 164f).

In stv. VI sind 164 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 7188 Wortformen insgesamt, davon 3399 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt:

V 148

854

VII. Verben

(-)‌bachen ‚backen‘ (32/ ​3), (-)‌graben (159/ ​109), (-)‌hėben (543/ ​319), (-)‌laden (125/ ​94), er-laffen (1/ ​0), (-)‌maln (11/ ​7), nagen (3/ ​0), (-)‌schaben (3/ ​1), (-)‌schaffen (346/ ​264), be-/ ​ent-sėben ‚wahrnehmen, bemerken‘ (31/ ​22), (-)‌slahen (871/ ​603), spanen (2/ ​0), (-)‌stān (2291/ ​689, davon Simplex stān 1303/ ​375), swėrn (245/ ​106), (-)‌tragen (1053/ ​504), (-)‌twahen (48/ ​27), (-)‌varn (1143/ ​ 532), ge-wahen ~ ge-wėhenen (17/ ​13), (-)‌wahsen (181/ ​81), (-)‌waschen (73/ ​29), waten (10/ ​6) Anm. 1:  Als zu stv. VI zugehörig ausgewiesen sind weiterhin betėben ‚zerquetschen, zerdrücken‘ (MWB 1, s. v.) und kragen ‚kratzen‘ (Lexer, s. v.). Anm. 2:  bachen (‚backen‘) ist im Grammatik-Korpus durchgängig mit st. gebildetem Part. Prät. belegt (finite Prät.-Belege kommen nicht vor), zum Prät. s. § V 174. Eine sw. Prät.Bildung ist selten erst für das Frnhd. nachweisbar (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 158); allerdings spricht der Usus in WNot für eine in 3.Sg.Ind.Präs. bachet vorliegende sw. Verbform, da WNot bei den stv. VI durchgängig einen markierten Präsensumlaut ė hat. Anm. 3:  Das mhd. sw. Verb schėpfen kann (Anlehnung an stv. schaffen) vereinzelt analog o o stv. VI st. flektiert sein (Da schuf di reine vrouwe cluc Ein Wazzer mit ir selbes hant, Elis, r [153 ,22; 7304]; so auch im Omd. im 14. Jh., vgl. bei Feudel 1961, 178); aufgrund regelmäßiger sw. Flexion wird das Verb hier den sw. Verben zugeordnet. Starke Flexion eines homonymen sw. Verbs ist belegt auch für sw. laden (lat. invitare), vgl. Feudel (1961, 178), umgekehrt wird auch sw. Flexion (ladeten) des st. Verbs belegt (bspw. in Hs. W des Tristan, vgl. Marold 2004, XLI). Anm. 4: Bei hėben kann neben regelmäßigem st. Part.Prät. auch sw. Flexion erfolgen e (erheuet werden, Wind, 188r,6; auf wırt gehabt, Rupr, 92,15; s. auch § V 41, Anm. 6). Sw. Flexion kann auch im Sg./ ​Pl.Ind.Prät. auftreten, bleibt dort jedoch vereinzelt, so in PrSch: hebton (239r,29), hebt (245r,18). Anm. 5:  In mhd. gewėhenen liegt eine ursprünglich sw. Präs.-Form zum st. Verb gewahen vor (vgl. Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 2), das Verb wird in der Lexikographie des Mhd. zumeist auch als sw. Verb ausgewiesen (vgl. MWB 2, s. v.). Die Prät.-Formen werden ausschließlich von gewahen gebildet. Anm. 6:  Das aufgrund seiner Inf.-/ ​Präs.-Formen einerseits zu den besonderen Verben zählende stān/ ​stēn zeigt im Prät. Ablaut ue und damit andererseits Zugehörigkeit zu stv. VI; die Prät.-Formen sind auf die mehrsilbige Langform standen (ahd. stantan) zurückzuführen, sie erscheinen immer mit stammschließendem dentalem Plosiv (der Nasal kann ausfallen, zu Formen ohne Nasal s. § V 217, Anm. 2). Das Part.Prät. kommt sowohl in der älteren Lang- (gestanden) als auch seltener in der jüngeren Kurzform (gestān) vor. Die Kurzform erscheint als Formvariante erst ab 113 rhfrk.-hess. und omd. ausschließlich in Verstexten. Das Präs. ist hingegen in der Mehrheit der Fälle mit der Form des Wurzelverbs gebildet (zur Präs.-Flexion s. § V 214f, V 218). Anm. 7:  Als Nebenform von waschen erscheint wėschen; im Korpus sind Belege mit e vereinzelt im Inf. und Part.Prät. nachweisbar, bspw. we‫܅‬zen (OxBR, 8v,5), Gewe‫܅‬hen werde (Erlös, L2va,22; 2501), gewe‫܅‬chin (Mart, [39rb,19]). Zu Umlaut vor sch vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 137, 152. Anm. 8:  In einem Einzelbeleg kann korpusextern für slahen neben dem st. Prät.-Vokal zugleich sw. Endung nachgewiesen werden: 3.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬locht (*Roth, 4265), so auch 3.Sg. Konj.Prät. furt zu varn (*BenedGlB I, 108r,1).

855

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

Belegt sind: VI

Ind./ ​Konj.Prät.

Sg./ ​Pl. Part.Prät.

ue a (swėrn: o)

VI

V 149

Ind./ ​Konj.Prät.

Sg./ ​Pl.

o

o

v

e

‹u›, ‹u›, ‹v›, ‹v›, ‹o›, ‹uo›, ‹o›, ‹vo›, ‹u›, e ‹v›, ‹û›, ‹oe›, ‹oi›, ‹ou›, ‹ue›, ‹a›, ‹oy›, ‹ov›, 1x ‹ûo›

Part.Prät. ‹a›, ‹ai›, ‹e›, ‹ay›, 1x ‹æ›; swėrn: ‹o›, ‹œ›, 1x ‹oi›

Der Stammvokal im Sg./ ​Pl.Ind.Prät. lautet mehrheitlich ‹u› oder ‹uo› (ich/ ​er truc/ ​ truec, wir/ ​sie gruben/ ​grueben) und spiegelt den Stand der Monophthongierung im Mhd. wider: ‹uo› überwiegt bis 212, ab 113 ist häufiger ‹u› belegt (häufiger im Pl. als im Sg.); diphthongisch zu wertende Schreibung (u. a. als Digraphie ‹uo› wie auch ‹ou›, o u daneben auch ‹u› oder ‹o›, s. Anm. 1) ist dominant im Wobd., Monophthong-Schreibung überwiegt im Md., Bair. und Ofrk. Von ‹u› oder ‹uo› abweichender Stamm­ vokalgebrauch betrifft nennenswert allein ‹o›, häufiger nur in 212/ ​113, in 114 nurmehr wmd.; partiell erkennbar wird eine für manche Lexeme eher mögliche Verwendung (twahen, wahsen), partiell erkennbar auch eine gewisse Handschriftenbindung (Parz, RBib). Die Bildung des Konj.Prät. verläuft weitgehend analog zum Ind.; zu einer Umlautmarkierung kommt es allein im Obd. und noch konsequenter im Ofrk. ab e e 113 (‹u› ~ ‹v› ~ ‹ue›); frühe Formen möglichen Umlauts in Nib, Parz und Iw. Das Part. Prät. hat regelmäßig Stammvokal ‹a› (gegraben, geladen, auch ge-/ ​erhaben); das ehemalige j-Präsens swėrn wird abweichend davon mit ‹o› gebildet (ge‫܅‬worn, SwSp, 118va,5) und somit analog zu den stv. IIIb oder IV mit r nach Stammvokal; s. Anm. 5. v

Anm. 1:  Formen im Ind.Prät. mit ‹ou› ~ ‹ov› ~ ‹o› erscheinen obd., bes. bair., 212–213 und v verweisen auf ,gestürzten‘ Diphthong. Besonders häufig erscheint ‹o› in Kchr (neben varian­ o ten ‹u› ~ ‹u› ~ ‹o›) sowie in Tris ausschließlich. Anm. 2:  Stammvokal ‹o› kann im gesamten Mhd. im Sg./ ​Pl.Ind.Prät. gebraucht sein (u. a. hop, Kchr, [7 va,35; 1683], wohs, Kchr, [3rb,17; 583]; boten, BeEv, [20v,12]), der Gebrauch kann handschriftenbezogen häufiger sein: In RBib ist ‹o› fast ausschließlich (9 von 10  Belegen, slog < slahen), in Göll und Taul gelegentlich, z. T. mit möglicher Längenmarkierung durch i (sloich < slahen, Göll; stoinde < stān, Taul), in Parz erscheint bei gewahenen (gewoch) und (ge)wahsen (gewohs) nur ‹o›. Zu ‹o› im Prät. von swėrn s. Anm. 5. Anm. 3:  Von ‹ou› (s. Anm. 1) und ‹o› (s. Anm. 2) abgesehen ist graphische/ ​lautliche Varia­ tion des Stammvokals im Sg./ ​Pl.Ind.Prät. selten: Ab 213 und mehrheitlich obd. erscheint e e e e ‹u› ~ ‹v› (fvr, Diet, 65vb,42f; 2888f; trug, Lupo, 229ra,31ff; erhuep, Lupo, 229vb,21f; 2,215). Die e e Graphie ‹u› ~ ‹v› ist mehrdeutig, sie kann als abgeschwächter Diphthong oder auch als Umlaut interpretiert werden. Anm. 4:  Im Part.Prät. ist im Mfrk. und Omd. auch ‹ai› ~ ‹ay› möglich; überwiegend tritt dies bei kontrahierten Formen auf. Bei unkontrahierten Langformen erscheinen ‹ai› ~ ‹ay› nur bei Taul (ge‫܅‬laigen < slahen, gewai‫܅܅‬en < wahsen); dem Stammvokal folgendes i oder y deuten auf Langvokal hin, so dass vorausliegende Dehnung bei offener Tonsilbe angenommen werden kann. Kontraktion im Part.Prät. ist selten und kommt insbes. bei slahen, o tragen und stān vor (ge‫܅‬lain < slahen, Göll; han vuirdran < vortragen, UKöln1, bestan, Lieht).

856

VII. Verben

Kontrahiertes Part.Prät. von stān ist bis ins 15. Jh. belegt (vgl. Gießmann 1981, § 33). Zur Kontraktion s. § V 220ff. Anm. 5:  swėrn  – swuer/ ​swor  – swueren/ ​sworen  – gesworn: Das Part.Prät. von swėrn ist schon ahd. abweichend zu den stv. VI mit o und damit analog den stv. IV gebildet (vgl. Ahd.Gr.I, § 347, Anm. 4), möglicherweise auch Lautwandel des a nach w. Der Gebrauch ist im gesamten Mhd. durchgehend, nur ausnahmsweise kann das Part.Prät. abweichend gebildet sein, so in Nib im Reim: ge‫܅‬warn : varn, Nib, [79v, 20f; 2207,1]); weitere einzelne Belege in der Forschungsliteratur, meist für das Bair. (geswarn, WMU, s. v.; Weinhold, Bair.Gr., e e § 351). Im Ofrk. kommt ‹o› vor (ge‫܅‬worn, WüPo, 249vb,28; Lupo, 227rb,4; 1,134); WMU weist e für swėrn im Part.Prät. selten ‹o› in Worms nach (WMU, s. v.), auch e analog stv. V (geswėrn, WMU, s. v.). Die seltene Verwendung von o auch im Prät. ist noch kein Indiz für einen Ausgleich zugunsten des dann im Frnhd. erreichten Zustandes durchgängiger o-Inflexion im Prät./ ​Part.Prät. Anm. 6:  Das st. flektierte Part.Prät. von hėben (Simplexverb) wird regelmäßig mit Präfix er- gebildet (erhaben) und überschneidet sich somit z. T. mit dem Part.Prät. von erhėben, da beide Lexeme im Mhd. noch vergleichbare Bedeutung haben können; eine ge-Präfigierung im Part.Prät. des Simplexverbs ist im Korpus nur singulär nachweisbar (‫܅‬ie wurdin gehabin an die‫܅‬eme tage, JMar, 62r,1f; auch lexikographisch sind nur selten Belege mit ge- ermittelbar); daneben jedoch zahlreiche Part.Prät.-Belege mit ge- bei den trennbaren Präfixverben ane-/ ​ūf-/ ​überhėben. Das sw. flektierte und häufig mit ge- präfigierte Part. Prät. von hėben hat Stammvokal e (erheuet, Wind, 188r,6; gehebt, StBA, 70rb,10; aufgehebt, ULands, 16,12; uberhebt, GnaÜ, 90,11); zu sw. Part.Prät.-Formen von hėben vgl. auch Gr.d.Frnhd.IV, § 117, s. § V 174. Anm. 7:  Das Part.Prät. von waschen kann selten mit ‹e› gebildet sein (gewe‫܅‬chen [...] Wurdent, Rapp, 116va,18f; 116f; Gewe‫܅‬hen werde, Erlös, L2va,22; 2501); s. dazu auch § V 148, Anm. 7. V 150

Grammat. Wechsel tritt bei allen in Frage kommenden Verben mit stammschließendem h auf (slahen, twahen); häufig ist Ausgleich zugunsten des stammschließenden g. Bei Verben mit stammschließendem f/ ​v ist der ursprüngl. Kons. nur noch landschaftlich nachweisbar. Zum Grammat. Wechsel f/ ​v  – b s. § V 160f, h  –  g s. § V 164f. Lit.: Ahd.Gr.I, § 325, 346f; Bammesberger (1986, 42f); Feudel (1961, 178); Gießmann (1981, § 33); Gr.d.Frnhd.IV, § 83.1, 117, 137, 152, 158; Marold (2004); Matzel (1970/ ​1990, 2f); Splett, Ahd.WB; Weinhold, Bair.Gr., § 351; WMU.

(7) Starke Verben Klasse VII V 151

Zur Klasse VII gehören ursprünglich reduplizierende Verben, d. h. Verben, die ihr Prät. durch Reduplikation bilden, dazu zählen Verben mit verschiedenen Stamm­ vokalen, die im Präs./ ​Inf. und Part.Prät. jeweils identisch sind (außer bei kontrahierten Verben, s. § V 220ff). Es sind dies die Stammvokale ā, a, ėi, ō, ou, ue. Im Sg. und Pl.Prät. steht ie.

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2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

Noch im Got. wurde das Prät. dieser Verben mittels Reduplikation gebildet, z. B. haita ‚(ich) heiße‘ – haíhait ‚(ich) hieß‘; lēta ‚(ich) lasse‘ – lailōt ‚(ich) ließ‘ (vgl. Got.Gr.2004, § 178–182). Im Ahd. ist anstelle der Reduplikation ein dem Ablaut formal entsprechender Stamm­ vokalwechsel getreten (heiȥu  – hiaȥ; vgl. Ahd.Gr.I, § 302; zur Reduplikation und zur Umbildung des reduplizierten Präteritums vgl. G. Bech 1969; Got.Gr.2004, § 179–182; Höfler 1970; Karstien 1921; Meid 1971, 67–106). Da der Stammvokal des Sg./ ​Pl.Prät. bei ā, a, ėi im Inf. ia und bei ō, ou, uo im Inf. io lautet, werden im Ahd. noch zwei Subklassen unterschieden (vgl. Ahd.Gr.I, § 349–354).

ahd. ahd.

halten, halte haltan, haltu loufen, loufe (h)loufan, (h)loufu

hielt hialt lief (h)liof

hielten hialtun liefen (h)liofum

gehalten gihaltan geloufen giloufan

In den Hss. des Grammatik-Korpus ist eine Kennzeichnung der Vokalquantität bis auf wenige Ausnahmen nicht durchgeführt, so dass Verben mit Inf.-Stammvokal ā hinsichtlich der Vokalquantität ausdrucksseitig nicht geschieden sind von Verben mit Inf.-Stammvokal a. Ein Indiz auf unterschiedlich vorliegende Vokalquantitäten ergeben sich zumeist nur mittelbar durch graphisch nachvollziehbare lautliche Veränderungen, die jeweils nur bei Lang- oder Kurzvokal eintreten können sowie durch Reimbelege. Je nach dem Stammvokal des Inf./ ​Präs. sowie des Part.Prät. ergibt sich bei stv. VII eine Differenzierung in fünf Verbgruppen: stv. VIIa mit Stammvokal ā oder a, stv. VIIb mit ėi, stv. VIIc mit ō, stv. VIId mit ou, stv. VIIe mit ue. Bei Verben mit stammschließendem h kann Grammat. Wechsel (h  –  g) auftreten: hāhen  – hienc  – hiengen  – gehangen (zum Grammat. Wechsel s. § V 164f). Starke Verben VIIa

In stv. VIIa mit Stammvokal a oder ā sind 160 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 9056 Wortformen insgesamt, davon 4207 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: arn (1/ ​1), (-)‌bannen (5/ ​2), (-)‌blanden ‚auferlegen‘ (5/ ​2), (-)‌blāsen (23/ ​10), brāten (16/ ​15), (-)‌gān (3167/ ​1372, davon Simplex gān 1816/ ​814), (-)‌hāhen (150/ ​131), (-)‌halsen (12/ ​6), (-)‌halten (852/ ​285), (-)‌lāȥen (2032/ ​759), (-)‌pfāhen (801/ ​457), (-)‌rāten (395/ ​239), salƶen (9/ ​5), (-)‌schalten ‚schieben, drängen‘ (10/ ​6), (-)‌slāfen (186/ ​63), (-)‌spalten (4/ ​4), (-)‌spannen (15/ ​13), (-)‌vāhen (650/ ​460), (-)‌ vallen (627/ ​344), (-)‌ valten (7/ ​4), (-)‌ walken (5/ ​2), wallen ‚sieden, kochen‘ (23/ ​9), (-)‌walten ‚beherrschen, richten‘ (49/ ​25), ver-wāȥen ‚verdammen, verfluchen‘ (13/ ​9) Anm. 1:  Die Verben mit Stammvokal ā und a werden – anders als für die Darstellung der Präsenswechselflexion  – hier zusammengefasst dargestellt. Anm. 2:  Als zu stv. VIIa zugehörig ausgewiesen sind weiterhin: bāgen ‚laut schreien, streiten‘ (*GvJudenb, 1494; so auch 3.Pl.Konj.Prät. piegen, *VMos2, 1530) und smalƶen (Lexer, s. v.). Anm. 3:  Das aufgrund seiner Inf.-/ ​Präs.-Formen einerseits zu den besonderen Verben zählende gān/ ​gēn zeigt im Prät. Stammvokal ie und damit andererseits Zugehörigkeit zu stv. VII; die Prät.-Formen sind auf die mehrsilbige Langform gangen (ahd. gangan) zurückzuführen, in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. ist mit obd. Präferenz auch die gekürzte Form gie nach-

V 152

858

VII. Verben

weisbar (zur Verteilung Lang- und Kurzform in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. s. § V 209). Das Part. Prät. kommt sowohl in der älteren Lang- (gegangen) als auch in der jüngeren Kurzform (gegān) vor. Das Präs. ist in der Mehrheit der Fälle mit der Form des Wurzelverbs gebildet (zur Präs.-Flexion s. § V 210, V 212). Anm. 4:  Das Verb halsen weist gleichermaßen st. wie ausnahmsweise sw. Formenbildung auf (s. § V 174), Part.Prät. gehal‫܅‬et (TrHL, 7 v,19) neben hîel‫( ܅‬WMEv, 32,6), hiels (Rapp, 205ra,1; 17737). walƶen ist im Grammatik-Korpus nur sw. belegt (Sg.Prät. uil dike walzit iz in umbe, Kchr, 3ra,38; 554), st. Belege Pl.Prät. wielzen, Part.Prät. gewalzen Lexer, s. v., s. § V 175. Anm. 5:  Das Verb salben ist im Mhd. mehrheitlich sw. gebildet, es können jedoch auch st. Prät. belegt werden (vࠁ ‫܅‬ielben in mit mẏrren vࠁ mit aloe, PrMi, 34r,10f; weitere Belege Lexer, s. v.), s. § V 175. Das sw. Verb abewalgen kann singulär st. belegt werden: den grozen stain wielg er ab (*GvJudenb, 2296), s. § V 175. Starke Verben VIIb V 153

In stv. VIIb mit Stammvokal ėi sind 23 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 2460 Wortformen insgesamt, davon 1496 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌(h)ėischen (56/ ​30), (-)‌hėiȥen (1771/ ​1129), mėiȥen (1/ ​1), (-)‌schėiden (621/ ​328), (-)‌swėifen (7/ ​6), ge-vrėischen (4/ ​2) Anm. 1:  Als zu stv. VIIb zugehörig ausgewiesen ist weiterhin: ƶėisen ‚zausen, zupfen‘ (so auch 3.Sg.Konj.Prät. zie‫܅‬e, *Kchr F, 13952) (Lexer, s. v.). Anm. 2: In (h)ėischen sind ėischen und hėischen zusammengefallen (ahd. ėiscōn). Mit h anlautende Formen sind erst seit 213 belegt (vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr. § 343), sie sind bereits in 114 vorwiegend. Anm. 3:  (h)ėischen weist im Prät. z. T. sw. Bildung auf (s.  § V 174); sw. Formen kommen überwiegend bis 213 vor (bspw. urei‫܅‬chot, Hchz, 144r,24; 206); im Part.Prät. (bspw. habo geei‫܅‬cot, WNot, 44rb,18) noch in 114 (gei‫܅‬chet, OxBR, 2v,26; geheischet, *Herb, 15710 und 15986); starke Formen des Prät. erscheinen vereinzelt seit 212 (2.Sg.Ind.Prät. i‫܅‬che, TrPs, 2v,20), dann besonders im Alem. und Wmd. (hie‫܅‬ch, Rapp, 282va,15; 32569a; ie‫܅‬ch, Parz, 10b,8; 21,1 u. 15a,36; 38,6; hei‫܅‬che(n), Taul, 159v,14 u. ö.). Anm. 4: Bei schėiden und hėiȥen erfolgt im Frnhd. ein Klassenwechsel zu stv. Ia; dies ist im Mhd. nur ansatzweise bei schėiden, nicht bei hėiȥen angezeigt (s.  § V 118, Anm. 6; zu Graphien ‹ei› oder ‹e› im Prät. s. § V 119, Anm. 1 u. 2 sowie unten § V 157, Anm. 3); zu einer sw. Form von schėiden s. § V 174. Vereinzelt ist auch in Klasse stv. VII ‹ei› für ie möglich, daher ist ‹ei› nicht zwingend ein Beleg für den Übergang in Ia (That ‫܅‬e uer‫܅‬cêithe ࠄ themo anderen jare, RBib, A4r,13f; 441; zu dieser Form vgl. auch Th. Klein, 2003b, 35), zu sw. Formen s. § V 174.

Starke Verben VIIc V 154

In stv. VIIc mit Stammvokal ō sind 23 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 206 Wortformen insgesamt, davon 123 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌schrōten ‚verwunden; schneiden‘ (9/ ​8), (-)‌stōȥen (197/ ​115)

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

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Anm. 1:  Als zu stv. VIIc zugehörig ausgewiesen ist weiterhin ūȥgebōȥen ‚ausdreschen‘ (*Helmbr, 317); das Simplex bōȥen (‚schlagen, klopfen, stoßen‘) ist nur mit sw. Prät. nachgewiesen (MWB 1, s. v.). Starke Verben VIId

In stv. VIId mit Stammvokal ou sind 28 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 499 Wortformen insgesamt, davon 249 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt:

V 155

bouwen/ ​būwen (196/ ​52, davon 10x stark flektiert), (-)‌houwen (74/ ​47), (-)‌loufen (229/ ​150) Anm. 1:  Das frequente Verb būwen (~ bouwen) kommt im Part.Prät. sowohl schwach als auch seltener stark gebildet vor (als erst ab 113 belegtes Präfixverb er-, ge-, verbūwen nur st.), das Prät. ist ausschließlich schwach nachgewiesen (s. § V 42, Anm. 7), s. § V 174. Belege für st. Part.Prät. kommen ab 212 vor (singulär in 212: gibuwen, *Gen, 4183, gebuwen, *VMos2, 729 und *Rol P, 981 und in 113: irbvwin : gitrvwin, Flor, 1a,23f; 4995f); im Grammatik-Korpus ist eine landschaftliche Bindung erkennbar: Fast alle st. flektierten Belege stammen aus dem Bair., dem Alem. und alem.-bair. Übergangsraum (singulär ofrk.), die sw. Belege sind überwiegend im Md. belegt (als Präfixverb st. auch in 114 im Omd. und Mfrk.). Es zeigt sich eine gewisse Bevorzugung in Urkk.-Texten (in 114 Einzelbeleg im Ofrk.: verbawen in UNürnb). Anm. 2:  Eine singuläre sw. Bildung lavfte erscheint im Ofrk. für stv. loufen (Renn, 74va,31; 11412), s. § V 174. Starke Verben VIIe

In stv. VIIe mit Stammvokal ue sind 13 Lexeme (Simplizia und Präfigierungen) in 313 Wortformen insgesamt, davon 200 Formen des Prät. und Part.Prät. belegt: (-)‌ruefen (310/ ​200), wuefen (3/ ​0) Anm. 1:  ruefen weist im Prät. z. T. sw. Bildung auf, evtl. sind diese Formen auf das sw. Verb rüefen zurückzuführen (s.  § V 174): Für das Obd. zeigt sich eine deutliche Tendenz zur sw. Bildungsweise im Sg./ ​Pl.Prät. (selten belegtes Part.Prät. ist sw. gebildet: han geruoffet, Wind, 196r,16, gervfet habent, PrMi, 29v,16), die ab 113 zu einer in etwa gleichhäufigen Verwendung st. und sw. Formen führt; demgegenüber ist im Md. (wie auch Ofrk.) wohl o nur in wenigen Ausnahmen sw. Flexion belegt (rufte, WMEv, 23,30; rvfte, BKön, 1vb,3; weitere Belege vgl. Lexer, BMZ). Meist ist die Verwendung von schwacher oder starker Form an die jeweilige Hs. gebunden, einige weisen beide Flexionen auf, so TrPs, PrMi, Mar, Diet, ObEv, Türh, Rapp und MBeh. Die md. st. Flexion gilt auch für das Part.Prät. (bspw. wart o gerufin, MBeh, 55v,18 oder gerufin, *PrKöln, 35,41). Im Obd. ist auch zu Beginn des Frnhd. die sw. Flexion von rufen üblich, die st. Formbildung setzt sich im 17. Jh. durch. Im Md. bleibt die st. Flexion bis ins 17. Jh. weitgehend unangetastet (vgl. Frnhd.Gr., § M 132; Gr.d.Frnhd.IV, § 139.4). o

Anm. 2:  Eine ungewöhnliche Prät.-Form zeigt beruefen in Diet, 65va,43; 2841: Do brvf er not vnd vngemach (‚rief hervor, erzeugte‘, 3.Sg.Ind.Prät.); möglicherweise liegt Verschreio o bung in Folge vorausliegenden w‫܅‬t (‚verwüsten‘) vor (Da w ‫܅‬t er rivt vnd lant er hiez werfen o an den brant Do brv f …).

V 156

860

VII. Verben

Anm. 3:  Für das insbesondere im Inf./ ​Präs. belegte wuefen können korpusextern seltene st. Bildungen des Prät. belegt werden: 3.Pl.Ind.Prät. weifen (*Roth, 379), daneben in der o Doppelform wovfte unde weinote (*VMos2, 1398) oder winote unde wufte (*VMos2, 2546). Belegt sind:

V 157

VII

Ind./ ​Konj.Prät.

Sg./ ​Pl. Part.Prät.

ie ~ i a, ā ėi ō ou ue

VII Sg./ ​Pl.

Ind./ ​Konj.Prät. e

‹ie›, ‹i›, ‹y›, ‹îe›, ‹ei›, ‹ı›, ‹ey›, ‹iê›, ‹e›, ‹o›, ‹æi›, ‹ê›, je 1x ‹ye›, ‹ai›, ‹je›, ‹êi› i VIId auch ‹v›, je 1x ‹iu›, ‹u›, ‹iv›

Part.Prät. ‹a›, ‹ai›, ‹â›, ‹o› ‹ei›, ‹ai›, ‹êi›, 1x ‹ey› e ‹o›, ‹ô›, ‹o› v o ‹ou›, ‹o›, ‹o›, ‹ov›, ‹a›, ‹oi›, je 1x ‹u›, i ‹ôi›, ‹o›, ‹au› ‹u›, je 1x ‹v›, ‹uo›

Im Ind.Prät. und Konj.Prät. erscheint regelmäßig und mit sprachlandschaftlicher Verteilung ‹ie› oder ‹i› (s.  Anm. 1–5). Das Part.Prät. weist regelmäßig den entsprechenden Vokal des Präs./ ​Inf. auf. Anm. 1:  Der Stammvokal im Prät. spiegelt die Entwicklung der Monophthongierung und ihrer graphischen Markierung (zu den jeweiligen lexembezogenen Besonderheiten, bspw. zu loufen, oder phonologischen Besonderheiten, bspw. vor w in houwen, s. Anm. 4). Stammvokal ‹ie› bleibt im Obd. durch alle Zeiträume hindurch dominant bis nahezu ausnahmslos: Nach einer Gültigkeit von ca. 80% in 211/ ​112 steigt diese auf ca. 85–90% in 212, es kommen in der Folge dann von ‹ie› abweichende Formenbildungen kaum mehr vor; dabei scheint ‹i› eher in den mehrsilbigen Formen des Pl.Prät. möglich. Nach einer in etwa ausgeglichenen Verwendung von ‹ie› und ‹i› in den wmd. Hss. noch in 212 steigt die Gültigkeit von ‹i› (in gewisser Weise komplementär zum Obd.) bis auf ca. 80–90% in 213; die in 114 mögliche weitere sprachlandschaftliche Ausdifferenzierung zeigt die Beibehaltung dieser hohen Gültigkeit im Mfrk., sie ist im Rhfrk.-Hess. auf ca. 50% reduziert und erscheint im angrenzenden Omd. in ca. 40% aller Belege (nachdem ‹i› hier in 113 in gut 20% aller Fälle, dann jedoch in 213 nur in Ausnahmen möglich ist, so vil, hing, hilt in JMar). Das Ofrk. zeigt eine Gültigkeit von ca. 15%. ‹y› erscheint erst 114 und bleibt md. begrenzt. Anm. 2:  gān zeigt in der Verwendung von ‹ie› oder ‹i› im Sg.Ind.Prät. z. T. eine Bindung an Kurz- oder Langform: Die Langform kann sowohl mit ‹ie› als auch ‹i› nachgewiesen werden. Die Kurzform ist mehrheitlich mit ‹ie› gebildet; Formen mit ‹i› sind selten, sie sind vor allem in ObEv (gi, 34a,31) belegt, vereinzelt auch in LEnt und BKön. Die Langform hat, wenn sie im Obd. auftritt, meist ‹ie› (bspw. begienc, Hoff, 28r,11). Im Omd. überwiegt bis 213 ‹ie›, in 114 ist ‹i› ~ ‹y› nachgewiesen; im Wmd. sowie im Ofrk. ist der Einfachvokal vorherrschend. Zu gān s. ausführlicher § V 208–213. Anm. 3:  Vereinzelt belegt ist ‹e› ~ ‹ê› besonders md. (vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 340– 344, mit Belegen zu Rother), daneben auch vereinzelt im Alem. (211/ ​112: hez, in RPaul; 212: fênge, heng(e), RBib; 113: e‫܅‬che, felen, Himlf; 114: behelt, UKöln2). In der besonders mfrk. in 114 nicht nur ausnahmsweise vorkommenden Digraphie ‹ei› (vgl. auch Weinhold, Mhd. Gr., § 343) kann umgekehrte Schreibung oder sekundäre Diphthongierung des zuvor monophthongierten Langvokals ī angenommen werden (Nebert 1901, 474, wertet angeinc in

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

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einer alem. Urk. aus 1262 als „Verschreibung“); ein (bei schėiden oder auch hėiȥen für das Frnhd. belegter) Klassenwechsel nach stv. I kann weitgehend ausgeschlossen werden. Singulär ist Sg.Konj.Prät. mit ‹u› (intluzze < īnlāȥen ‚einlassen‘, TrHL, 51v,2), hier ist Rundung anzunehmen (Weinhold, Mhd.Gr., § 343 wertet u in huz vergleichbar gung). Anm. 4:  In der Präteritalbildung von houwen wird Einfluss von w auf den Vokal deutlich (es wird „ie oft zu iu oder eu“, letzteres graphisch auch als ew, Weinhold, Mhd.Gr., § 344): Sg.Prät. im Grammatik-Korpus nur als hie, hiv/ ​hiu (Belege aus 213 und 114, bspw. Pass, 81vb,37; 6,53), im Pl.Prät. hiwen (Kchr, 70ra,30; 16418) und singulär hewen (Nib, 88r,10; 2418,3). Digraphische Realisierung bleibt seltener und erscheint erst in 114. Anm. 5:  Landschaftliche Varianz des Prät.-Stammvokals zeigt loufen: Neben den in allen Sprachlandschaften regelmäßigen Graphien ‹ie› und ‹i› kann im Obd. der ursprüngliche Ablautvokal ‹iu› auftreten (bspw. liufen, PrSch, 244r,22; livffen, PrPa, 167,15; livf, Hoff, 26r,11; vgl. auch Weinhold 1876, 481); analog Ablautreihe II kann im Pl.Prät. ‹u› (lvffen, ObEv, 34b,36) und im Part.Prät. ‹o› (geloffen, Rupr, 9,39; vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 139.2) erscheinen. Im Gegensatz zu den anderen Lexemen der ahd. stv. VII mit Stammvokal ou (im Prät. im frühen Ahd. eo > io > ie im späten Ahd.) entwickelte sich bei loufen im Obd. iu (vgl. Ahd. Gr.I, § 47; 354, Anm. 1; Frnhd.Gr., § 133, Anm. 1). Aufgrund der Veränderung iu > u (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 130) kann im Pl.Prät. u auftreten. Im Frnhd. ist weiterhin selten ein qualitativer Numerusablaut mit o im Sg.Prät. und ie im Pl.Prät. möglich (vgl. Frnhd.Gr., § M 133). Im Grammatik-Korpus kann vereinzelt ‹o› im Sg.Prät. nachgewiesen werden (lof, GnaÜ, 101,5). Singulär ist sw. Bildung lavfte (Renn, 74va,31; 11412), s. § V 174. Anm. 6:  Bei Verben mit ō im Inf. ist im Part.Prät. lautliche oder graphische Varianz e e vorhanden: ‹o› (ge‫܅‬tozzen, WüPo, 242ra,21). Verben mit ue im Inf. sind im Part.Prät. überwiegend mit ‹u› belegt (berufen, OxBR, 6v,31; gerufin, MBeh, 55v,18).

Grammat. Wechsel tritt bei Verben mit stammschließendem h (hāhen, vāhen) auf.

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Zum Grammat. Wechsel h  –  g s. § V 164f. Lit.: Ahd.Gr.I, § 47, 302, 349–354; G. Bech (1969); Frnhd.Gr., § M 132–133; Gießmann (1981, § 33f, 39); Got.Gr.2004, § 178; Gr.d.Frnhd.IV, § 139; Höfler (1970); Karstien (1921); Th. Klein (2003b, 35); Meid (1971, 67–106); Nebert (1901, 474); Paul, Mhd.Gr., § L 27–50; Weinhold (1876, 481); Weinhold, Mhd.Gr., § 130, 340–344.

2.4.2.3. Regelmäßiger Konsonantenwechsel: Grammatischer Wechsel

Zusätzlich zur Alternation des Stammvokals (Ablaut) weist eine historisch zu bestimmende Gruppe starker Verben einen an paradigmatische Positionen gebundenen Wechsel des stammschließenden Konsonanten auf, den sog. Grammat. Wechsel (zur Definition s. Anm. 1 sowie Braune 1874, 513; vgl. auch Ahd.Gr.I, § 100); es können mit dem Grammat. Wechsel ausdrucksseitig übereinstimmende Konsonantenalternationen auftreten, die jedoch nicht zum Grammat. Wechsel gehören (s. Anm. 2–4) und insofern analytisch zu trennen sind. Der Grammat. Wechsel hängt nicht mit der Tempusstammbildung zusammen (Ahd.Gr.I, § 328), wird aber im Mhd. aufgrund seiner lexematischen Bindung synchron zum Tempusstammmerkmal einzelner Le-

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VII. Verben

xeme; entstanden ist er im Zusammenhang der vordt. Lautentwicklung und betrifft den Wechsel von mhd.

h  – g (h  – w, h  – ng) d  – t f/ ​v  – b s  – r

Der Wechsel findet statt zwischen einerseits den Formen (1) des Präs. (einschließlich Inf. u. Part.Präs.) und der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. und d. h. „den vollstufigen Formen des Stammes“ (Ahd.Gr.I, § 328) und andererseits den Formen (2) des Pl.Ind./ ​Konj.Prät., des Sg.Konj.Prät., der 2.Sg.Ind.Prät. und des Part.Prät. und d. h. „den schwundstufigen“ Formen des Stammes (Ahd.Gr.I, § 328). In dieser lautgeschichtlich bedingten komplementären Formendistribution erscheint der Grammat. Wechsel u. a. noch bei dem mhd. starken Verb ƶiehen: (1) ƶiehen (Inf.), ƶǖhe (1.Sg.Ind.Präs.)  – ƶōh (1./ ​3.Sg.Ind.Prät.), (2) ƶüge (2.Sg.Ind.Prät.)  – ƶugen (1.Pl.Ind.Prät.)  – geƶogen (Part.Prät.). Aufgrund z. T. schon im Vordt. bzw. Ahd. vollzogener Ausgleichungen sowie überlagernder landschaftlicher Lautprozesse ist der Grammat. Wechsel schreibsprachlich bereits im Übergang zum Mhd. bei zahlreichen Lexemen insgesamt oder auch nur in einzelnen Sprachlandschaften aufgehoben oder in seiner Gültigkeit innerhalb des jeweiligen Verbparadigmas eingeschränkt (vgl. Ahd.Gr.I, § 328, Anm. 1, § 330–346). Partiell wohl gestützt durch überlagernde Lautwandelprozesse (bspw. Auslautverhärtung, s. Anm. 3) wird der Ausgleichsprozess im Verlauf des Mhd. weiter fortgesetzt. Zugleich treten mit dem Muster des Grammat. Wechsels ausdrucksseitig übereinstimmende Konsonantenalternationen in Lexemen auf (z. B. Part.Prät. gepûntࠀ zu binden), bei denen die ins Vordt. verweisende lautgeschichtliche Verursachung ausgeschlossen bzw. umstritten ist (s.  Anm. 2 u. 4). Aufgrund seiner Bindung an nurmehr wenige Lexeme wird der Grammat. Wechsel zu einer morpholexischen Erscheinung und somit zu einer nur einzelnen Lexemen eigenen Eigenschaft: Die mhd. Entwicklung des Grammat. Wechsels ist zumeist als Entwicklung einer lexembezogenen Alternation und nur sehr begrenzt als eine jeweilige Gruppenentwicklung zu beschreiben (z. B. als Entwicklung der stv. mit stammauslautendem h); ein kategorialer Einfluss aufgrund der konkreten Zugehörigkeit eines Lexems zu einer der definierten st. Verbklassen ist nicht nachweisbar.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

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Einzellexembezogen werden im Mhd. drei strukturell verschiedene Entwicklungen fortgesetzt, eingeschlagen und z. T. auch bereits abgeschlossen (wobei jedoch nur sehr selten alle einschlägigen paradigmatischen Positionen in einem Text belegt werden): Beibehaltung des Grammat. Wechsels in seiner ‚Reinform‘ (bspw. bei ƶiehen), vollständiger Ausgleich des Grammat. Wechsels insbesondere zugunsten des vorgängigen stammfinalen Konsonanten des Inf./ ​Präs./ ​Sg.Prät. (bspw. bei lęsen), nur teilweise Aufgabe des Grammat. Wechsels, „der Sg. des Prät. [wird] mit dem Pl. in Übereinstimmung gebracht“ (Paul, Dt.Gr.II, § 161), so schon im Ahd. bei den „Verben mit einheitlichem Vokal des Prät. (abl. VI und redV.)“ (Ahd.Gr.I, § 328). Bei dieser letztgenannten Möglichkeit entsteht eine die Tempusdistinktion unterstützende stammfinale konsonantische Alternanz zwischen einerseits den Formen des Präs. und andererseits allen paradigmatischen Positionen des Prät. sowie auch dem Part.Prät. (bspw. bei slahen). Die Entwicklung (bspw. von hėben/ ​hėven im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum) zeigt, dass vor einem gänzlichen Ausgleich die Vorstufe des par­ tiellen Ausgleichs liegen kann (‚implikative Paradigmenstruktur‘, vgl. Wurzel 2001, 116ff). Anm. 1:  Im Zusammenhang seiner systematischen Beschreibung der 1. Lautverschiebung (‚Grimm’s law‘) hatte Jacob Grimm (Dt.Gr.I, 784f) den Wechsel bestimmter Konsonanten im Rahmen seiner Darstellung der ahd. starken Konjugation beschrieben, ohne jedoch die Ursache erkannt und den „wech‫܅‬el“ begrifflich näher bestimmt zu haben (bezogen auf den wechsel s – r: „[...] ‫܅‬cheint durch den wech‫܅‬el der länge und kürze des vor‫܅‬tehenden vocals hervorgerufen [zu] werden“). Die oft irrtümlich Grimm zugeordnete Begriffsbildung als ‚grammatischer‘ Wechsel findet sich zuerst bei Holtzmann (1870, u. a. 270, 288, 342, 346), der den regelhaften Konsonantenwechsel hinsichtlich seiner Bindung an grammatische Paradigmen (besonders der stv.) ‚grammatisch‘ nannte. Der Grammat. Wechsel zeigt sich als ein noch in der Gegenwartssprache vorhandener Lautwechsel (Alternation bestimmter Konsonanten): So wirkt sich der Grammat. Wechsel entweder in Wörtern desselben Etymons oder einer Wortfamilie aus (bspw. in nhd. Hefe  – heben, dürfen  – darben, Frost  – frieren, Höhe  – Hügel) oder auch innerhalb der Flexion eines Verbs der starken Flexion (bspw. in nhd. wir schneiden – wir schnitten, wir ziehen – wir zogen, wir waren – wir sind gewesen). Die Gruppe der Lexeme mit Grammat. Wechsel ist historisch durch die Wirkung der 1. Lautverschiebung definiert, daneben können sich im Mhd. weitere Lexeme u. a. mit stammauslautendem Nasal + Dental (binden) aufgrund von Lautwandelprozessen identisch den Lexemen mit Grammat. Wechsel verhalten (s.  Anm. 2 u. 4). Anm. 2:  Der im Deutschen seit dem Ahd. in Texten belegte Grammat. Wechsel ist das Ergebnis eines vorgerm. kombinatorischen Lautwandels. Den jeweiligen Konsonantenpaaren h  –  g, d  –  t, f/ ​v  – b, s  –  r liegt ursprünglich (d. h. für das Idg. erschlossen) nur ein Konsonantenphonem zugrunde (z. B. */t/), das sich aufgrund der unterschiedlichen pro­ sodisch-phonologischen Bedingungen in den einzelnen Tempusstämmen (u. a. Lage des Wortakzents) zu dann unterschiedlichen Phonemen (z. B. */þ/ oder */đ/) im Germ. weiterentwickelt hat (zur 1. Lautverschiebung sowie dem ‚Verner’schen Gesetz‘ vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 64f). Noch im Vordt. wird aufgrund einer weitergehenden Frikativ-Plosiv-Veränderung von */ƀ/ > */b/ und */ǥ/ > */g/ als das wesentliche Distinktionsmerkmal die unterschiedliche Artikulationsart (Frikativ vs. Plosiv, bzw. bei */s/  – */r/ Frikativ vs. Liquid)

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VII. Verben

herausgebildet (z. B. */f/  – */b/); demgegenüber wird nicht nur germ */đ/ > */d/, sondern zum Ahd. hin auch germ. */þ/ zu Plosiv verändert, so dass sich die distinkte Alternation hier durch unterschiedliche Phonation bzw. unterschiedlichen Artikulationsdruck ergibt. Damit werden mhd. Alternationen d  –  t nurmehr historisch als Grammat. Wechsel identifizierbar, synchron können Wortformenveränderungen, wie sie bei den Verben mit Grammat. Wechsel typisch sind, aufgrund u. a. von Lautwandelprozessen auch bei weiteren Lexemen vorkommen, bei denen Grammat. Wechsel jedoch ausgeschlossen ist (vgl. synchron bei binden eine ausdrucksseitig dem den Grammat. Wechsel aufweisenden st. Verb vinden vergleichbare Form des Part.Prät. gepûntࠀ s. § V 163; vgl. auch Pl.Prät. níten, im Reim zu v’mítten, Hartw, 32v,1; M 1672; so auch bei PrMi, 26v,23; s. Anm. 4). Anm. 3:  Nicht in jedem Fall sind graphisch entsprechend ausgewiesene Belege von Lexemen, bei denen mit einem Grammat. Wechsel zu rechnen ist, als Beispiele eines noch vorliegenden oder bereits ausgeglichenen Grammat. Wechsels zu werten. So kann in der 3.Sg.Ind.Prät. leit Ausgleich zugunsten des dem Pl.Prät./ ​Part.Prät. eigenen t sowie aber auch Auslautverhärtung vorliegen; so kann in Pl.Prät. vunden Ausgleich zugunsten des dem Inf./ ​Präs. eigenen d oder auch Lenisierung nt > nd vorliegen. Anm. 4:  Trotz entsprechender Formen hier des Pl.Prät. ist die Annahme eines Grammat. Wechsels völlig ausgeschlossen bspw. bei nīden (dazu: Pl.Prät. níten, Hartw 32v,1; M 1672): Es handelt sich um ein erst mhd. stv., ahd. nīdōn ist ein denominatives ōn-Verb, so dass lautgeschichtliche Verursachung des Konsonantenwechsels nicht vorliegen kann. Unklare Etymologie liegt in brīden vor, da das ahd. brītan ohne Entsprechung in anderen germ. Sprachen ist; Grimm (DWB 2, 355) sieht brīden mit Grammat. Wechsel („es fällt in die reihe der ablautenden verba, welche das im praes. festgehaltene D ihrer wurzel im praet. zu T herabsinken lassen“).

(1) f/ ​v – b V 160

Von einem Grammat. Wechsel vollständig oder nurmehr partiell betroffen sind die Lexeme hėben/ ​hėven (stv. VI), węrben/ ​węrven (stv. IIIb), der Wechsel ist noch im 13. Jh. besonders im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum belegt, der Ausgleich ist zum ausgehenden Mhd. bis auf Ausnahmen erreicht. Beide Verben haben mfrk. statt b „in Fortsetzung des westgerm. Lautstandes Reibelaute: im  Inlaut sth. /v/, im Auslaut stl. /f/ ​“ (Paul, Mhd.Gr., § L 98); ein Grammat. Wechsel liegt hier aufgrund des Zusammenfalls in v nicht vor: mfrk. (1.Pl.Präs.) hėven ‚heben‘  – (1.Pl. Prät). hueven ‚hoben‘ (zu rip. v oder f für b vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 175c, 176). Das vor allem erst seit dem 13. Jh. (früher Einzelbeleg unt‫܅‬of, RBib, A1r,20; 332b aus 212) und weitgehend nur md. (sowie in zwei Ausnahmebelegen auch ofrk., 3.Sg.Ind.Prät. ent‫܅‬uep, Lupo, 229vb,23; 216 und alem.-bair. Part.Prät. ent‫܅‬ebet, *Albert, 625 aus 113) belegte Verb (ent/ ​be) sėben/ ​(ent/ ​be)sėven (stv. VI) zeigt keinerlei systematische Alternation, die frikative Lexemvariante erscheint nahezu allein im Mfrk. (auffällig jedoch ist zweifache Belegung mit ‹b› bei Taul, 2.Pl.Imp. be‫܅‬ebit, 171r,18 u. 3.Sg.Ind.Prät. be‫܅‬uob, 171v,19) sowie ent‫܅‬ebe (*StatDtOrd, 13ra,3).

V 161

hėben/ ​hėven (stv. VI): Das hochfrequente hėben zeigt hinsichtlich einer Beibehaltung/ ​Ausgleichung des Grammat. Wechsels eine zeitliche und regionale Verteilung:

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

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Aufgrund der spezifischen lautlichen Entwicklung erscheint im Mfrk. durchgehend Frikativ in allen Positionen, eine Alternation des stammschließenden Konsonanten o ist nicht erkennbar, Sg.Prät. hôf und gehu ue (RBib, A4v,1; 451 u. A6v,23; 638), erhuffes (VLilie, 40r,12; 18,2). Im Alem., Rhfrk.-Hess., Omd. und Ofrk. steht demgegenüber durchgehend in allen Positionen ‹b› ~ ‹p›, eine Alternation des stammschließenden Konsonanten liegt nicht vor. Eine hinsichtlich des Grammat. Wechsels zu interpretierende Entwicklung ist allein im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum angezeigt, insofern der Wechsel Inf./ ​Präs. (Frikativ) vs. Prät./ ​Part.Prät. (Plosiv) zugunsten des Prät.-/ ​Part.Prät.-Plosivs aufgegeben wird: Im Präs. und Inf. bleibt bis 212 ausschließlich der Frikativ belegt: 3.Sg.Ind.Präs. hevet (Spec, 6v,2) neben 3.Sg.Ind.Prät. huob (Spec, 36r,11), 3.Pl.Ind.Prät. huben (Kchr, 71va,11; 16742), Part.Prät. erhaben (Mess, 140r,20; 429); ab 113 treten zuerst noch selten Inf.-/ ​Präs.-Belege mit ‹b› ~ ‹p› hinzu, die ab 213 mehrheitlich und in 114 dann nahezu ausschließlich sind (dagegen noch 3.Sg.Ind.Präs. heft, Rupr, 9,50 u. 74,19 bzw. 3.Pl.Ind.Präs. hefent, Rupr, 10,13). węrben/ ​węrven (stv. IIIb): Als Grammat. Wechsel zu interpretierende Konsonanten­ alternation (aufgrund der Verteilung von v/ ​f und b) zeigt sich nurmehr als Ausnahme im Bair. in 212 und 113: Inf./ ​Präs. weruen (Hchz, 152r,5; 882) neben 3.Pl.Prät. wrben (2  Belege, Hchz, 143r,13; 102 u. 143v,25; 163); HLit hat neben den Präs.-Formen wiruit (97 v,9; 748), erwerue (104v,8f; 943) und dem Part.Prät. irworuen (90r,4; 533) auch einmal Part.Prät. erworben (90r,4; 533); der Grammat. Wechsel gilt bereits für das Ahd. als „zerrüttet“ (Ahd.Gr.I, § 337, Anm. 3, Annahme einer Kontamination von (h)werban ‚sich wenden‘ und werfan ‚werfen‘), insofern sowohl f im Prät. als auch b im Präs. auftreten. Die überwiegende Mehrheit aller mhd. Hss. weist keinen paradigmatisch gebundenen Konsonantenwechsel auf, gemäß der landschaftlichen Lautentwicklung werden insbesondere mfrk. alle Formen des Verbs noch in 114 mit Frikativ gebildet (Ausnahmen Inf./ ​Part.Prät. werbࠀ, *Göll2, 1,38 und geworben, 3,126), im Obd., besonders in bair. und alem.-bair. Hss., kann dies bis 213 hinein noch häufig erfolgen (späte Ausnahme in 114 Inf. werven, *NonGebBuch, 77ra,11). Ansonsten herrschen durchgehend die Formen mit Plosiv. (2) d – t

Von einem Grammat. Wechsel vollständig oder nurmehr partiell betroffen sind brīden, līden, mīden und snīden (alle stv. Ia), sieden (stv. IIa), vinden (stv. IIIa), węrden (stv. IIIb); nur im Part.Prät. belegt ist brīden, zu quęden s. Anm. 3 u. § V 146, Anm. 1. Der Grammat. Wechsel ist nur für jene Sprachlandschaften beobachtbar, in denen wgerm. */d/ infolge der Medienverschiebung zu /t/ verändert war: Unverschoben blieb wgerm. */d/ im Wmd. (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 113), so dass eine vorgängig anzunehmende konsonantische Alternation (wgerm. */þ/ – */d/) durch Lautwandel nur des */þ/ (> ahd. /d/) beseitigt ist; demgegenüber tritt im Obd./ ​Ofrk. und auch Omd. (lautverschobenes) /t/ im Pl.Prät./ ​ Part.Prät. auf, es liegt ausdrucksseitig ein Grammat. Wechsel vor. Die Beurteilung der

V 162

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VII. Verben

belegten Formen mit ‹t› wird jedoch dadurch erschwert, dass die Entwicklung des Grammat. Wechsels durch Lautwandelprozesse überlagert sein kann: In Sg.Prät. er lėit, er snėit kann entweder morphologischer Ausgleich oder sog. Auslautverhärtung vorliegen (s. Anm. 1); ebenso kann auf einen möglichen Ausgleich verweisendes ‹d› im Pl.Prät. oder Part.Prät. durch Lenisierung bedingt sein, so besonders bei stammvokalschließendem Cluster Nasal + d (vinden) im Alem., Bair. und Omd. (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 113; zur schon spätahd. Lenisierung nt > nd vgl. Ahd.Gr.I, § 163, Anm. 5).

Bei einer Reihe von Verben der Ablautreihe IIIa liegt aufgrund entsprechender Belege des Pl.Prät./ ​Part.Prät. (t statt erwartbar d) synchron eine ausdrucksseitige Übereinstimmung zu den Verben mit möglichem Grammat. Wechsel vor. Bei mangelnden Kontrollbelegen des Inf./ ​Präs./ ​Sg.Prät. und Konj.Prät. kann lautliche Veränderung (Lautverschiebung wgerm. */d/ > /t/, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 115 mit Hinweis auf sprachlandschaftliche Differenzierung) vorliegen, jedoch auch (möglicher) Konsonantenwechsel analog zu den Verben mit Grammat. Wechsel: drinden (singuläre Belege des Part.Prät. im Mfrk.: getruntene, BuMi, 75r,13 sowie in 213 auch VLilie, 37 v,8; 16,15), schrinden (singulärer Beleg des Pl.Prät. ‫܅‬chrvnten, PrMi, 31v,25), swinden (singulärer Beleg des Part.Prät. v’‫܅‬wun‫ݩ‬, GnaÜ, 100,14); bei einer jeweils innerhalb eines Textes belegten Alternation d  –  t liegt ausdrucksseitig eine identische Konstellation zu den Verben mit Grammat. Wechsel vor: binden: in Rupr (bair., 114) steht den Belegen des Part.Prät. gepûntࠀ (49,21), pûntࠀ (92,37) im Inf. ein Beleg mit d gegenüber (pindࠀ, 8,28). Anm. 1:  Da die Auslautverhärtung bei d – t „nahezu durchgängig für das gesamte Mhd.“ gilt (Paul, Mhd.Gr., § L 72.2.), ist in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. sowie auch im Sg.Imp. unabhängig vom Stand einer Ausgleichung des Grammat. Wechsels generell mit ‹t› zu rechnen (so bspw. auch 3.Sg.Ind.Prät. lut, BeEv, 116v,22 zu stv. laden, bei dem der Grammat. Wechsel bereits im 9. Jh. beseitigt ist, vgl. Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 3); in der 3.Sg.Ind.Präs. kann ‚Verschmelzung‘ (‚Ekthlipsis‘) des dentalen Wuzelausgangs mit dem dentalen Flexivausgang zu ausdrucksseitig ‹t› führen (bevint, Taul 93v,10; s. § V 50, Anm. 1), das somit nicht auf einen Ausgleich des Grammat. Wechsels verweist. Anm. 2:  Insbesondere die Formen des Sg.Imp. der starken Verben werden zum Gradmesser der konsequenten Realisierung der Auslautverhärtung (soweit der stammschließende Konsonant in die Auslautposition rückt, mit Ausnahme somit der analog zu den sw. Verben mit flexivischem -e gebildeten Formen): Von den insgesamt 89  Belegen weisen nur 5  Belege (in obd. Hss.) aus 213 und 114 finales ‹d› auf, bspw. sivd (< sieden, Bart, 17 v,11 u. 17 v,13) oder v’mid (< vermīden, Hartw, 28v,20; M 1295), weitere Hss. BKön, Wins.

Eine weitgehende Aufgabe des vorgängig vorhandenen Grammat. Wechsels durch Ausgleich oder Wirkung lautlicher Veränderung wird bereits für das Ahd. ausgewiesen (Ahd.Gr.I, § 336, Anm. 2). Eine hinsichtlich charakteristischer sprachlandschaftlicher Gebräuche profilierte Entwicklung ist im Mhd. nicht generell erkennbar, die Entwicklung ist aufgrund der vielfältig sich überlagernden lautlichen und wohl auch morphologischen Prozesse lexemspezifisch heterogen; gleichwohl zeigt sich der Grammat. Wechsel im Obd. häufiger erhalten (so etwa līden).

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

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Anm. 3:  Als Ausweis für den „in der Konjugation noch ziemlich gut erhalten[en]“ Grammat. Wechsel im Ahd. wird das stv. quędan ausgewiesen (Ahd.Gr.I, § 163, Anm. 6), so im Pl.Prät. quātun oder Part.Prät. giquetan (vgl. Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 3). Formen dieser Art sind nicht mehr belegt, so dass der Ausgleich wohl bereits vor dem Mhd. stattgefunden hat. Der Pl.Prät. zeigt ‹d› in vier Belegen aus 211/ ​112: chodan (WNot, 17 vb,15, 29ra,13, 19vb,13), quâdon (Will, 51v,32). In den zahlreichen Belegen mit ‹t› in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. (37x, belegt nur bis 113) liegt graphische Realisierung der Auslautverhärtung vor; daneben in Hss. bis 212 noch auch Belege mit ‹d› oder ‹dh›: 4x Will, 2x WNot zu 15x ‹t›, 5x Phys zu 2x ‹t› (das in der 3.Sg.Präs. zumeist ausschließliche oder zumeist dominante ‹t› erklärt sich durch jeweils vorliegende Kontraktion). Auslautverhärtung liegt ebenfalls vor in den seltenen Belegen des Sg.Ind.Prät./ ​Präs. zu laden, da der Grammat. Wechsel (z. B. Part.Prät. gilatan in ältesten obd. Quellen des Ahd.) hier bereits im 9. Jh. „beseitigt“ ist (Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 3). Die im Mhd. mit landschaftlicher Differenzierung belegten Doppelformen mit ‹d› oder ‹t› (halden/ ​halten) entsprechen dem Stand der Lautverschiebung wgerm. */d/ > /t/ bzw. der Lenisierung /lt/ > /ld/ (zu Part.Prät. geualdࠀ in MBeh, 142v,1 oder beualden in BuMi, 94r,16 vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 113).

brīden (stv. Ia): Ein singulärer Beleg des Part.Prät. gebrîten (Tris, 4va,43; 667) zeigt die zur Mitte des Mhd. noch gegebene Verwendung des zum Grammat. Wechsel stim­ menden Gebrauchs von ‹t› im Part.Prät.; weitere Belege nur des Part.Prät. s. MWB 1, s. v. līden (stv. Ia): Der Grammat. Wechsel erscheint ausgeglichen im Pl.Prät. (sowie auch in der 2.Sg.Ind.Prät. und im Konj.Prät.) sowie im Part.Prät. in md. Hss. ab 113 (zugunsten von ‹d›, z. T. auch ‹dd›, bzw. aufgrund von Lenisierung eingetreten; Ause nahme liten, Lukr, 26v,29; 1555 neben 5 Formen mit ‹d› in der Hs.): Part.Prät. gelıden, RhMl, 87r,2; 4713 oder geleden, Göll, 1rb,39; A 82; 3.Pl.Ind.Prät. liden, PrM, a1vb,24; lidden, RhMl, 87r,8; 4721; 2.Sg.Prät. lide‫܅‬, RhMl, 80v,14; 4320; zu „durchgehend“ beseitigt gefundenem Grammat. Wechsel bei līden vgl. Feudel (1961, 175). Beibehaltener Grammat. Wechsel im Obd. (bspw. het erliten, Lieht, 61vb,4; 900,7) und (in 114) auch im Ofrk.; seltene obd. Belege des Pl.Prät. und Part.Prät. mit ‹d›, die dem Usus entgegenlaufen (< 8% aller Belege) in Hoff (liden, 12v,10 u. 12v,14), in PrPa (liden, 290,16 gegenüber 4x ‹t›), in Spec (je 1x ‹d›/ ​‹t›), in DvATr (Part.Prät. erliden, 40v,16 zu 3x ‹t›) und auch im Ofrk. (hete erliden, Renn, 75vb,26; 11597). Inf. und Präs. (128  Belege des Obd./ ​Ofrk.) haben nahezu ausnahmslos und auch in Auslautposition ‹d›, Ausnahme lit (2.Pl.Ind.Präs. in Rapp, 285ra,11; 33042). nīden (stv. Ia): Vereinzelt sind Hinweise auf einen zumindest partiell vorhandenen Grammat. Wechsel (d. h. Gebrauch von ‹t› im Pl.Prät. und/ ​oder Part.Prät.) gegeben: Pl.Prät. níten (im Reim zu v’mítten, Hartw, 32v,1; M 1672; so auch bei PrMi, 26v,23). Part.Prät. geniden kann als Hinweis auf ausgeglichenen Grammat. Wechsel gewertet werden (HTri, 119ra,14; 3038; so auch geniden, GRud, 10,43).

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VII. Verben

sieden (stv. IIb): Die Belege des Part.Prät. (8x, alle mit ‹t›) zeigen ausnahmslos die bis zum ausgehenden Mhd. gegebene Verwendung des zum Grammat. Wechsel stimmenden Gebrauchs von ‹t›: Belege aus 113 (ZwBR), 213 (Bart, neben zahlreichen Präs.Formen mit ‹d›; PrM), 114 (Türh, OxBR, Renn). snīden (stv. Ia): Für das gesamte Prät. und Part.Prät. gilt sprachlandschaftsübergreifend ‹t› (Wa‫ ܅‬ge‫܅‬nitin, AthP, 6vb,33; 6,159), im Pl.Prät./ ​Part.Prät. erfolgt die graphische Realisierung in 114 z. T. mittels ‹tt›, Pl.Prät. ‫܅‬chníttent (Rapp, 118va,1; 490) oder Part. Prät. ge‫܅‬nítten (NikP, 82vb,20). Die Aufhebung des Grammat. Wechsels zugunsten des im gesamten Prät. schon gebräuchlichen ‹t› ist für 213 und 114 insbesondere im Omd. angezeigt (durchgängige Verwendung von ‹t› auch im Inf./ ​Präs. in MüRB, AthP, BeEv, MBeh), vereinzeltes ‫܅‬nit (Sg.Imp., neben auch ‫܅‬nid) kann auch im Alem. erscheinen (Wins, 64ra,25; a47,5 u. 62vb,8; a22,3); in der Auslautposition ist die graphische Realisierung der Auslautverhärtung anzunehmen. vinden (stv. IIIa): Der Grammat. Wechsel erscheint graphisch weitgehend zugunsten des Inf.-/ ​Präs.-‹d› ausgeglichen, wobei die lautliche Entwicklung nt > nd zweifellos vorrangig ist (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 74.4; Frnhd.Gr., § L 47.2). Alle Belege des Pl.Prät. (33x), des Konj.Prät. (20x), des Part.Prät. (67x) weisen ‹d› aus. Die Auslautposition der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. ist aufgrund von Auslautverhärtung zumeist als ‹t› realisiert (76 von 81  Belegen), vereinzelte Belege mit ‹d› kommen in 114 vor, bspw. (ich) vand in MMag (15v,14; 544). Der Ausgleich des Wechsels ist bereits im Ahd. zu beobachten (vgl. Ahd.Gr.I, § 336, Anm. 2 zu findan). węrden (stv. IIIb): Der Grammat. Wechsel, der im Frk. bereits früh ausgeglichen sein kann (vgl. Ahd.Gr.I, § 337, Anm. 2), scheint in 211/ ​112 noch weitgehend erhalten: WNot bildet sowohl das Part.Prät. (8x), den Pl.Prät. (7x) als auch die 2.Sg.Ind.Prät. (uurte, 14va,10, uurti, 32ra,24) mit ‹t› (so auch Meri, 2r,6; 2,13), die 3.Sg.Ind.Prät. dagegen auch mit ‹d›: uuard (WNot 1x uuard, 10x uuart, ebenso Will). Noch bis 113 kann zumindest die partielle Gültigkeit des Grammat. Wechsels handschriftenbezogen und besonders obd. angenommen werden: So verwendet Spec sowohl im Pl.Prät. (4x wurtin) als auch im Part.Prät. Formen mit ‹t› (3x wortin), auch wenn die Belege mit ‹d› deutlich überwiegen (Pl.Prät. 4  :  21); dies gilt gleichermaßen für PrPa mit worten (Part.Prät.) zu 4x ‹d›, Pl.Prät. 2x wurten zu 20x ‹d›; nurmehr im Pl.Prät. hat RBib 6x wrthen (Part.Prät. ist nicht belegt), nurmehr in der 2.Sg.Ind.Prät. hat es HLit in wurte. Eine spätere Verwendung von ‹t› in 213 im Part.Prät. zeigt sich als Einzelbeleg in DvATr. Gemessen an diesen relativ wenigen Hinweisen auf einen beibehaltenen Grammat. Wechsel zeigt der Befund insgesamt, dass der Grammat. Wechsel schon in 212 weitgehend aufgehoben ist: Den wenigen Belegen mit ‹t› stehen 227 Belege mit ‹d› im Part.Prät. und 623 Belege mit ‹d› im Pl.Prät. gegenüber. Wenn gegen zu erwartendes ‹d› in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. überwältigend oft ‹t› erscheint (2983  Belege), dann

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liegt hier wohl weniger ein Ausgleich zugunsten des ursprünglichen ‹t› des Pl.Ind./ ​ Konj.Prät. (und Sg.Konj.Prät. sowie der 2.Sg.Ind.Prät.) vor, sondern graphische Markierung der Auslautverhärtung. So kommen nur zwei Belege mit ‹t› bei folgendem Nebensilben-e vor (warte, Kchr, 4vb,13; 960; wurte, HLit, 101v,1; 854), wohingegen die 70 vorwiegend obd./ ​ofrk. Ausnahmeformen mit ‹d› zumeist silbenanlautend bleiben (bspw. wurde, HLit, wrde, WMEv, warde, Spec; daher auch überwiegend ‹d› in der 2.Sg.Ind.Prät.); es zeigt sich eine deutliche Zunahme zu 114 und Konzentration im Ofrk. (46 der 70 Belege). (3) h – g (h – w, h – ng)

Von einem Grammat. Wechsel vollständig oder nurmehr partiell betroffen sind dīhen (stv. Ib), gewahen (stv. VI), hāhen (stv. VII), jęhen (stv. V), līhen (stv. Ib), entpfāhen (stv. VII), rīhen (stv. Ib), (-)‌schęhen (stv. V), sęhen (stv. V), sīhen (stv. Ib), slahen (stv. VI), (ver)swęlhen (stv. III), twahen (stv. VI), vāhen (stv. VII), vliehen (stv. IIb), wīhen (stv. Ib), ƶiehen (stv. IIb), ƶīhen (stv. Ib). Die Entwicklung des Grammat. Wechsels von h  –  g ist aufgrund der vielfältig sich überlagernden lautlichen und wohl auch morphologischen Prozesse lexemspezifisch heterogen. Allerdings wird das Vorkommen von g besonders im Pl.Prät. von geschęhen und sęhen (und auch bei līhen) als charakteristisch für das Md. ausgewiesen (Feudel 1961, 175; zur lautlichen Problematik der Bewertung von g s. Anm. 4). Bei jęhen, entpfāhen, geschęhen, līhen und sęhen kommt es md. zu Ausgleichsbildungen mit ng oder g (des Prät./ ​Part.Prät.) auch im Inf./ ​Präs.; Weinhold (Mhd.Gr., § 224) verweist explizit auf das Md., was als Beobachtung einer md.-landschaftlichen Besonderheit und tendenziellen Ausgleichs zugunsten von ng/ ​g gewertet werden kann. Anm. 1:  Der Wechsel der germ. Labiovelare */hw/ – */g w/ kann aufgrund z. T. kombinatorisch bedingten Lautwandels (vgl. Ahd.Gr.I, § 100, Anm. 1) mhd. als h  –  w (Part.Prät. virluwen, RhTun, 4v,11; 329 zu līhen, got. leihvan) oder auch als h – g (3.Pl.Prät. ‫܅‬agen, RhTun, 3v,24; 259 zu sęhen, got. saihvan) erscheinen. Anm. 2:  Aufgrund schon urgerm. Ausfalls von */n/ vor */h/ mit anschließender Nasalierung und Ersatzdehnung erscheint der Wechsel der germ. Nasalvelare */nh/  – */ng/ im Ahd. als /h/  – /ng/ (z. B. Inf. fāhan < germ. *fanhan  – 3.Sg.Ind.Prät. fiang; vgl. Ahd.Gr.I, § 128, Anm. 1). Mhd. neben (-)‌pfāhen/ ​vāhen auch in hāhen; der Nasalvelar liegt vor in den mit dem Stamm des Pl.Prät. gebildeten Formen des Prät. sowie auch im Part.Prät. Eine bei zweisilbigem gehen im Frnhd. herausgebildete ausdrucksseitig übereinstimmende Alternation /h/  – /ng/ ist im Mhd. erst in wenigen Bildungen annehmbar, so in AthP (so Inf. begehn, 5rb,1; 5,43 oder 2.Pl.Ind.Präs. begeht, 8rb,35; 8,77 zu bspw. 3.Sg.Ind.Prät. begienc, 3vb,10; 3,136). Anm. 3:  Unterschiedliche Kontraktionsprozesse haben verschiedene Ergebnisse zur Folge, die jeweils unmittelbar interpretiert werden können. Im Mfrk. führt h-Schwund mit Vokalkontraktion (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 80) „zum Zusammenfall von ëhe mit ie, später monophthongiert und gesenkt zu /ê/, ‹ei›“ (Habscheid 1997, 145), im übrigen Md. gilt ęhe > ē

V 164

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(vgl. Feudel 1961, 90f); entsprechende Belege des Präs. und Part.Prät. verweisen somit auf vorgängiges h. Auch Belege des Sg.Konj.Prät. (z. B. bi‫܅‬e, MüRB, 8v,16) sind auf h-Schwund mit Vokalkontraktion zurückzuführen. Offen ist jedoch die Wertung von Pl.Ind.Prät. ‫܅‬an (< sęhen, Flor, 10b,19; 6877), da hier Kontraktion auch einer vorgängigen Form mit g möglich ist (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 77). Anm. 4:  Eine Wertung von Belegen mit ‹g› bleibt für das Md. grundsätzlich problematisch, da g „in Teilen des Md. sth. Frikativ im Inlaut zwischen Vokalen“ (und d. h. in den Formen des Sg.Konj.Prät., Pl.Prät. und Part.Prät.) sein kann (Paul, Mhd.Gr., § L 105), im Mfrk. ist dies auch im Auslaut (Sg.Ind.Prät.) möglich. V 165

dīhen (stv. Ib): Die (wenigen) Belege zeigen bis zum ausgehenden Mhd. hin beibehaltenen Grammat. Wechsel: Inf./ ​Präs. sowie 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. haben Spirans (gedech, Pass, 82r,1; 7,3; Himlf, 165,5; 38; PrMi, 25r,2; so auch bspw. dech in *Gen, 2745 und *VAlex, 188 aus 212), das Part.Prät. hat Plosiv (in den ausschließlich obd./ ​ofrk. Handschriften Will, Iw, Diet, Lupo, Türh, UNürnb); der Pl.Prät. ist nicht belegt. entpfāhen (stv. VII, s. a. vāhen): Durch Verallgemeinerung des stammschließenden Konsonantenclusters des Pl.Prät./ ​Part.Prät. in den Sg.Prät. hinein ergibt sich ein konsequenter Grammat. Wechsel zwischen Inf./ ​Präs. mit h und Prät./ ​Part.Prät. mit ng: Sofern keine Kontraktionsformen (zu den kontrahierten Bildungen s. § V 246) verwendet sind, weisen der Inf./ ​Präs. ‹h› bzw. auch ‹ch› auf: Sg.Imp. inphach (Muri, 1v,6) oder enphah (Wind, 26r,6), 3.Sg.Ind.Präs. enphæcht (Rupr, 48,2) oder enphahit (Hchz, 146v,24; 433) (128 Präs.-Belege). Daneben sind im Wmd. in Ausnahmen auch Bildungen mit ng möglich: 2x entfanc (RhMl, 93r,2; 5099), neben 8x entfeit (RhMl, 2r,6; 54) sowie ein Inf. intfangen (Taul, 170v,16); nach Weinhold (Mhd.Gr., § 224) liegt hier eine md. Entwicklung vor. Den durchgehend mit ng gebildeten Formen des Prät. und Part.Prät. steht eine nasallose Ausnahme enphfíegen (WMEv, 27,7) gegenüber (nasallose Prät.-Formen erscheinen „einige Male“ schon auch im Ahd., Ahd.Gr.I, § 350, Anm. 7). Anm. 1:  Kontrahierte Formen können einerseits als ‚regelmäßige‘ Bildungen des kontrahierten Verbs entpfān vorliegen als auch als jeweils paradigmatisch gebundene Formen mit Vokalkontraktion nach Schwund des h besonders der 3.Sg.Ind.Präs. -ei- < -ahe-, bspw. enphat (Erlös L1rb,24; 2334) oder entfeit (RhMl, 2r,6; 54).

geschęhen (stv. V): Das nur in wenigen paradigmatischen Positionen (neben Inf. und Part.Prät. nahezu ausschließlich in der 3.Sg.Präs./ ​Prät.) belegte hochfrequente Verb zeigt – mit Ausnahme des späten Rip. sowie der nicht weiter zu wertenden Kontraktionsformen  – Ausgleich des Grammat. Wechsels: Inf./ ​Präs., Part.Prät. und Pl.Prät. sind ebenso nurmehr mit ‹h› gebildet, wie auch 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. vorwiegenden spirantischen Stammausgang ‹ch› oder ‹h› zeigt; daneben singuläres ge‫܅‬cag in 212 ArnM, 131v,14; 61; s. jedoch Anm. 4; zu ‹g› als Charakteristikum des Md. vgl. Feudel 1961, 175). Im Rip. zeigen Urkunden noch möglichen Grammat. Wechsel: Sg.Konj.Prät.

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i

ge‫܅‬chege (UKöln2, 5,14f; vgl. auch WMU, s. v.; Gleißner/ ​Frings 1941, 121). Daneben jedoch die auf Ausgleich verweisenden Pl.-Belege ge‫܅‬chahen neben den (spirantischen) Sg.-Belegen ge‫܅‬chach in PrRei (159a,19 u. 159a,21); zu Verhältnissen im Mfrk. s. Anm. 4. Zur Kontraktion s. § V 249. gewahen (stv. VI): Andere als mit ‹g› (bzw. final ‹ch›) gebildete Formen kommen im e Prät. nicht vor, bspw. gewge (Parz, 147a,51; 515,8), gewoch (Parz, 148a,40; 518,16), gewag o o v (RBib, A2 ,29; 394), gewu g (RWchr, 234rb,35; 31948), gewu gen (Mart, 4rb,8; 4,36), Part. Prät. gewagen (RhMl, [53v,10]; vgl. auch A. Bach 1934, 212). Die obd. Belege des Inf. und Präs. haben ‹h›, 1.Sg.Ind.Präs. gewehen (Iw, [49v,3; 2529]), Inf. gewahenen (PrZü, 111va,12), mfrk. RhMl hat ‹g› (Inf. gewagen, [37 v,9] oder 1.Sg.Ind.Präs. gewage, [30v,13]; vgl. auch A. Bach 1934, 212). hāhen (stv. VII): Grammat. Wechsel bleibt im Mhd. erhalten, es wechseln einerseits die Formen des Inf./ ​Präs. mit andererseits einem ausgeglichenen Prät./ ​Part.Prät., so dass die Flexion des Sg.Prät. (sofern keine kontrahierten Formen verwendet werden) durchgängig an die Flexion des Pl.Prät. und Part.Prät. angeglichen ist (so schon im Ahd., vgl. Ahd.Gr.I, § 328); im Inf./ ​Präs. bleiben die ursprünglichen h-Formen erhalten. Im Inf. und Präs. erscheinen Kontraktions- neben Vollformen mit h, im Präs. allein Kontraktionsformen, im Inf. vorwiegend Vollformen (10x, bspw. hahin, PrMK, 2v,24 gegenüber 4 kontrahierten Formen). Im Part.Prät. wie auch im Sg. und Pl.Prät. herrscht Nasal + Plosiv (hienc, Spec, 80v,11), daneben selten auch Kontraktionsform hie (Diet, 63vb,10; 2472; Hartw, 28r,23; M 1252). jęhen (stv. V): Die bereits im Ahd. zugunsten von h ausgeglichene Formenbildung (Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 4) zeigt auch im Mhd. kaum von h (in finaler Position ‹ch›) abweichende Belegung; Ausnahmebildung des Part.Prät. mit ‹g› in begîgen, *PrFr­ Basel, 1ra,1. Auf Formen des Präs. mit g im Md. weist Weinhold (Mhd.Gr., § 224) hin. Zur Kontraktion s. § V 249. līhen (stv. Ib): Ein Grammat. Wechsel kommt kaum mehr vor. Inf./ ​Präs. zeigen silbenauslautend ‹h›, im Präs. wie im Sg.Prät. final bzw. in der Position vor Flexiv -t zumeist ‹ch› (Sg.Präs. leicht, Rupr, 69,12; Sg.Prät. lech, Scop, 3r,2; 10,1; leh, Kchr, 2va,43; 444); Pl.Prät. und Part.Prät. haben ebenfalls ‹h›, in nur wenigen Ausnahmebildungen auf Grammat. Wechsel weisendes ‹g›: hat virliegin (PrMK, 5v,25; ein weiterer Einzelbeleg in WMU, s. v. lîhen, sowie bei Feudel 1961, 175; so auch uirligen, *HLitS, 188 und uirlegin, *Sedulius, 1va,16 aus 113); Ausgleich nach h in der alem. Urk.-Sprache des 13. Jh.s findet Boesch (1946, 199) „häufig“, so dass ein zumindest seltenes Auftreten auch von g anzunehmen ist (vgl. auch Wallach-Faller 1981, 203). Daneben wmd. o (und alem., vgl. WMU, s. v. lîhen) im Part.Prät. auch ‹w› (gelu wen han, UMainz, 19,2; virluwen, RhTun, 4v,11; 329; vgl. auch Habscheid 1997, 143). Im Ahd. wechselt bei līhen

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VII. Verben

h mit w (līhan, lihu, lēh, liwum, giliwan; vgl. Ahd.Gr.I, § 102.3 u. 331, Anm. 2). Auf Formen des Präs. mit g im Md. weist Weinhold (Mhd.Gr., § 224) hin. Anm. 2:  Möglicherweise sind die md. Formen mit stammschließendem ‹w› (bi‫ ܅‬virluwen, RhTun, 4v,11; 329) als Fortführung des ahd. Wechsels zu betrachten (zu diesem Wechsel vgl. Ahd.Gr.I, § 328, Anm. 2, § 331, Anm. 2, § 100, Anm. 1; Paul, Dt.Gr.II, § 162, Anm. 4; Paul, Mhd.Gr., § L 65, Anm. 1). Eine solche Interpretation ist jedoch insofern zweifelhaft, als für das Mfrk. sowie das Alem. bereits auch im Präs./ ​Inf. die Nebenformen liuwen/ ​ lūwen nachgewiesen werden können (Lexer, s. v.), die allerdings im Grammatik-Korpus nicht belegt sind. S. § V 122, Anm. 2.

rīhen (stv. Ib): Belege des Pl.Prät. (rigen, Mar, 87r,6; 4883) sowie Part.Prät. (angerigen, Hartw, 17r,11; M 66; so auch in *PrLeys, 18vb,6 und *NonGebBuch, 23va,18, 27ra,12, 31ra,10 aus 113 und 114) zeigen bis in 114 hinein möglichen Grammat. Wechsel. sęhen (stv. V): Der schon für das Ahd. als weitgehend ausgeglichen ausgewiesene Grammat. Wechsel (vgl. Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 4) ist  – mit Ausnahme des Md. und dort besonders des Mfrk. – im Mhd. zugunsten des stammfinalen h aufgegeben, das in Auslautposition zumeist als ‹ch› realisiert ist: Sg.Imp. sich (239 von 286  Belegen), 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. sach (623 von 718  Belegen), Auslautrealisierung ‹h› erscheint obd. tendenziell häufiger. Im Md. zeigt sich in 212 und 113 eine textbezogen noch mögliche Beibehaltung des Grammat. Wechsels (so in RBib 3.Sg.Konj.Prät. ge‫܅‬ege, A4v,17; 461b, in AlxS mit bspw. 3.Pl.Ind.Prät. ge‫܅‬ahen, 2372, neben ge‫܅‬agen, 3407, oder ‫܅‬agen in o RhTun, 3v,24; 259, neben ‫܅‬ahen, 5v,3; 397, oder 2.Sg.Ind.Prät. du du ‫܅‬in blut uan ime ‫܅‬eges ulizen, RhMl, 38r,8; 2142); auch kann es zur Übernahme des g in die 3.Sg.Ind. Prät. kommen (ge‫܅‬ag, ArnM, 131v,15; 63). Unabhängig von der generellen Entwicklung und dem noch früheren Schwanken ist im Mfrk. seit 213 die Gültigkeit des Grammat. Wechsels fest, selten kann auch ein Ausgreifen von g auf die 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. vorliegen; im Part.Prät. kommen allein Kontraktionsformen vor (bspw. er‫܅‬in in RhMl, 40v,19; 2292; frühes h bspw. in ge‫܅‬ehࠀ in TrPs, 42v,5 ist nicht zu werten, da in der Handschrift der Ausgleich insgesamt vorliegt): Das Mfrk. weist in 213/ ​114 den Grammat. Wechsel durchgehend auf (s.  Anm. 3), ausnahmsweise kann g auch auf die 3.Sg.Ind.Prät. ausgreifen (‫܅‬ag, KuG, D1va,7; 13769; die Lesung des Belegs ist bei eindeutigem stammschließendem g ansonsten unsicher). Über das Mfrk. hinaus kann der Grammat. Wechsel handschriftenbezogen in 213 oder 114 auch im Hess.-Thür. und o Rhfrk.-Hess. noch vorliegen (Hess.-Thür.: JMar, bspw. do daz die hu tere ‫܅‬agin do r r wurdin ‫܅‬ie bekart, 108 ,19f, oder auch 3.Sg.Konj.Prät. ‫܅‬ege, 13 ,4, in 114 nurmehr Ausnahmebeleg do díz dy lute ‫܅‬ogen in BeEv, 123r,11, zu 8 Ausgleichsformen in der Hs.; Rhfrk.-Hess.: OxBR, bspw. 2.Pl.Ind.Prät. ‫܅‬aget, 7r,31, oder 2.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬ege, 2r,33). Ausgleichsbelege der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. sowie auch im Präs. kommen selten auch obd. in 113 vor: 3.Sg.Ind.Prät. ‫܅‬ag (Parz, 146b,35; 512,28), Pl.Präs. ‫܅‬egin, ‫܅‬egen (TrHL, 4r,13 neben ‫܅‬ehent, 101r,11). Zur Kontraktion s. § V 249.

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Anm. 3: Bei sęhen ist der Grammat. Wechsel im Mfrk. „wie im Mittelniederländischen Mittelniederdeutschen regelmäßig erhalten: sâgen, Konj. sægen“ (Th. Klein 2000b, 27). Entsprechend gibt A. Bach (1934, 213, mit Verweis auf 211f) für RhMl (13. Jh.) ein durch den Korpusbefund bestätigtes Beispielparadigma (bspw. du [...] aneseges, 26r,17), das den Grammat. Wechsel bei sęhen zeigt: Ind.Prät. mit ich sach, du seges, he sach, sie sagen, Konj. e e Prät. he gesege, Part.Prät. besı n, ersı n (zu saich, sagen, gesien in der ‚Reimchronik‘ des Gottfried Hagen, Köln 13. Jh., jedoch in einer Hs. des 15. Jh.s, vgl. Dornfeld 1912, 213; die Verhältnisse zeigen sich dort analog auch für geschęhen: Ind.Prät. geschaich, geschagen, Konj.Prät. geschege, vgl. Dornfeld 1912, 213).

sīhen (stv. Ib): Singuläres Part.Prät. be‫܅‬igen (PrMi, 17 v,22) zeigt gegenüber vorwiegend ‹h› im Präs. (außerhalb des Part.Prät. ist allein das unpräfigierte Verb belegt), dass Grammat. Wechsel bis in 113 hinein möglich ist (so auch in einem alem. Predigtfragment des 12. Jh.s, vgl. Strauch 1898, 223). Es kann ‹g› auch im Präs. vorkommen (Sg. Imp. sige, *Capsula, 2ra,13 aus 212). slahen (stv. VI): Es wechseln die Formen des Inf./ ​Präs. mit einem schon weit ausgeglichenen Prät./ ​Part.Prät.: Es findet ein Ausgleich im Sg.Prät. zugunsten des dem Pl.Prät./ ​Part.Prät. eigenen g statt (230 Belege), wobei die Entscheidung zugunsten der Ausgleichsvariante g schon im späten 12. Jh. weitgehend entschieden ist (stamm­ finale Digraphie ‹ch› wird als Frikativgraphie gewertet, s. Anm. 4) und in 114 durchgesetzt wird (der Anteil der Formen mit g liegt in 212 bei ca. 60%, in 113 bei ca. 67%, o e in 213 bei ca. 80% und in 114 bei ca. 78%), bspw. ‫܅‬lv g (Nib, 86r,5; 2366,1), Er ‫܅‬luge ࠄme v abe daz hobet (Rapp, 284ra,25; 32862), zv‫܅‬luk (Hleb, 93r,18). Die Verwendung einer ausgeglichenen Form im Sg.Ind.Prät. (sluog) ist „schon im 8./ ​9. Jh. durchaus Regel“ (Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 2; so auch bei dwuog, luog, giwuog). In (möglicherweise handschriftenbezogenen) Ausnahmebildungen kann sich g im späteren Mhd. bereits auch im Präs. (und möglicherweise Inf.) zeigen (Sg.Imp. Slag dinen ‫܅‬on, OxBR, 2v,23, wobei OxBR in einigen Fällen auch ‹g› für Frikativ kennt; syntaktisch unsicher als Inf. zu o werten ist daz ih in ‫܅‬chv f er‫܅‬lagen, Parz, 12a,25; 26,30); als eine ebensolche Ausnahme kann (bei 254 Belegen) rhfrk.-hess. auch ‹h› im Part.Prät. erscheinen: dar nach wart yme ‫܅‬in houbit abe ge‫܅‬lahen mit eyme ‫܅‬werte (Hleb, 183v,9ff; einziger Beleg des Part. Prät. in dieser Hs.). Anm. 4:  Die Wertung von ‹ch› als Frikativgraphie gilt auch für mfrk. Belege in 213 und 114, wobei hier spirantische Realisierung des auslautenden Plosivs (und d. h. Gültigkeit des Pl.Prät.-g) als auch des auslautenden h angenommen werden kann. Der als Variante zu Pl.Prät.-g in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. noch vorhandene und als ‹ch› realisierte stammfinale Konsonant h erscheint bis in 213 mit eindeutig obd. Präferenz belegt (dagegen ‫܅‬luc in TrPs, bspw. 87 v,16); ab 213 kommen Formen mit ‹ch› vorwiegend oder nahezu ausschließlich im Mfrk. vor (KuG, P/ ​VLilie; Yol, Göll). Solche mit ‹ch› realisierten Formen für stammfinales g zeigen sich im Wmd./ ​Mfrk. auch bei einer Reihe anderer Lexeme (jeweilige Belege der 3.Sg.Ind.Prät.): bspw. in RhMl druch (< tragen, 32v,12; 1842), erlach (< erligen, 91r,15; 4984) oder geplach (< pflęgen, 91v,2; 4999).

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VII. Verben

(ver)swęlhen (stv. III): Im Grammatik-Korpus kann kein Beleg mit Grammat. Wechsel nachgewiesen werden (jedoch 3.Sg.Ind.Prät. ujrswalc, *HLitS, 1201 aus 113), ein Part.Prät.-Einzelbeleg geswolgin im Deutschen Macer (gegenüber uer‫܅‬wolhen, HLit, 97 v,7; 746, verswolen, *HLitS, 1284; uer‫܅‬uolhen, Wind, *34,25) weist auf Möglichkeit des Grammat. Wechsels im Omd. im frühen 14. Jh. (vgl. Schnell/ ​Crossgrove 2003, 360). twahen (stv. VI): Der Grammat. Wechsel ist partiell ausgeglichen, insofern einerseits auch im Sg.Prät. der Plosiv des Pl.Prät./ ​Part.Prät. (so schon im Ahd., vgl. Ahd.Gr.I, § 346, Anm. 2) und andererseits in einem Einzelbeleg auch Ausgleich zugunsten des h im Part.Prät. erscheint (gizwahnē, ZwBR, 45v,8): Belege des Sg.Prät. im Md. mit ‹c› und ‹g› (bspw. twuc, PrM, c6va,202 neben 3.Sg.Konj.Prät. getwuge, PrM, c6vb,19, twug, PrRei, 160b,18); Belege im Obd. bis 113 auch mit ‹ch›, späterhin allein ‹g›. Die Belegung in Parz erweist, dass finales ‹ch› als komplementäre Variante zu silbeninitialem ‹g› o (s. Anm. 4) und somit als Ausgleichsform zu werten ist: Neben mehrfach twch (bspw. [67b,21; 228,2]) erscheint in der Zusammenschreibung mit folgendem Personalpronoo men twger ([37a,54; 118,13]). Alle (obd.) Belege des Inf./ ​Präs. weisen ‹h› aus, Kontraktionsformen twan (OxBR, 8v,6). vāhen (stv. VII): Inf./ ​Präs. haben (mit Ausnahme der kontrahierten Formen) im Stamm regelmäßig -h-, Part.Prät. und Pl.Prät. regelmäßig sowie bei nur sehr wenigen kontrahierten Bildungen stets Konsonantencluster -ng-; daneben in Ausnahmen und erst in 114 auch Ausgleichsformen zugunsten des -ng- im Inf./ ​Präs., bspw. vangen (Taul, 88v,3; 3.Pl.Ind.Präs. mih vmbvangen herzen ‫܅‬er, MMag, 13r,11; 466). Der Sg.Prät. wird im Md. nahezu ausnahmslos mit dem stammschließenden Konsonantencluster gebildet (Ausnahme 3.Sg.Ind.Prät. gevíe, HTri, 138vb,44; 6532), eine die Nasalform und die Kontraktionsformen parallel nutzende Konstellation zeigt das Obd. ab 212, zuerst nur im Reim zu gie (3.Sg.Ind.Prät. uie, Kchr, 70rb,41; 16491 und fie, Scop, 4v,23; 26,2); die Entwicklung zeigt eine die Kontraktionsform fest nutzende Verwendung. vliehen (stv. IIb): Der Grammat. Wechsel ist bereits im Ahd. aufgegeben, vermutet wird darin die Vermeidung einer Verwechslung mit vliegen (Ahd.Gr.I, § 334, Anm. 2). Im Grammatik-Korpus kommt lediglich eine singuläre Belegung mit ‹g› vor: Ob er mit vluchte wer gene‫܅‬en vࠁ gevlogen were dannoch (HTri, 137 va,2f; 6260f; daneben ist in floc in TrHL (8v,4) Verschreibung anzunehmen, da zugleich 4x floch (8r,17 u. ö.) belegt ist. wīhen (stv. Ib): Das Verb erscheint im Prät. nur sw. flektiert, ein singulärer Beleg des Part.Prät. (erwigen, Iw, 87 v,21; 2410) deutet gegenüber den Inf.-/ ​Präs.-Formen mit -h- auf vorhandenen Grammat. Wechsel.

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

875

ƶiehen (stv. IIb): Der Grammat. Wechsel ist im Mhd. nahezu ausnahmslos erhalten. Die Belege der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. zeigen stammfinal -‹ch›, besonders seit der ersten Hälfte des 13. Jh.s obd. auch -‹h›. Eine mfrk. Bildung der 3.Sg.Ind.Präs. zugit (VLilie, 86v,13; 46,21; daneben auch zuhet, VLilie, 68v,2; 35,25) bleibt singulär, ebenso vereinzelter Ausfall des stammfinalen -h: 1.Sg.Ind.Präs. zie (AthP, 1rb,38; 1,80), 3.Sg.Ind.Präs. zuet (BuMi, 90v,12) sowie auch in einigen Inf.-Formen. ƶīhen (stv. Ib): Der Grammat. Wechsel ist im Mhd. beibehalten: Inf./ ​Präs. mit -h-, 1./ ​3.Sg.Prät. zech (bspw. WüPo, 243vb,22) oder ze (PLilie, 7r,9), Pl.Prät. bspw. cigin (RPaul, 1r,26; 84; so auch 3.Sg.Konj.Prät. zige, GRud, 19,35), Part.Prät. gezigen (bspw. WNot, 27rb,21). Weinhold (Mhd.Gr., § 224) weist für das Md. auf Präsensformen mit ‹g› hin (zur alem. Urk.-Sprache des 13. Jh.s vgl. Boesch 1946, 199). (4) s – r

Von einem Grammat. Wechsel vollständig oder nurmehr partiell betroffen sind genęsen (stv. V), jęsen (stv. V), kiesen (stv. IIb), lęsen (stv. V), rīsen (stv. Ia), verliesen (stv. IIb), vriesen (stv. IIb), węsen (stv. V).

V 166

Im Mhd. haben nurmehr kiesen, verliesen den Grammat. Wechsel bewahrt, gänz­ lichen Ausgleich des Part.Prät. zugunsten des Inf.-/ ​Präs.-Stamms erfahren genęsen und węsen, als bereits weitestgehend ausgeglichen darf der Gebrauch bei lęsen gelten; Aussagen zu den verbleibenden Verben sind aufgrund der lückenhaften Belegung nur tendenziell möglich. Es scheint der Grammat. Wechsel eher im Obd./ ​Omd. gewahrt. genęsen (stv. V): Ein Grammat. Wechsel scheint in nurmehr wenigen Belegen des Pl.Prät. sowie des Konj.Prät. in 212 und 113 auf, im gesamten Mhd. nicht mehr im Part.Prät. (s. Anm. 1); schon im späten Ahd. tritt an die Stelle von ginārum (Pl.Prät.) und ginęran (Part.Prät.) „genâsen, genësen“ (Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 2): Insofern die wenigen mhd. Belege mit beibehaltenem Grammat. Wechsel sowie aber auch die Belege mit ausgeglichenem Grammat. Wechsel jeweils die einzigen Belege einer Hs. sind, ist z. T. unentscheidbar, ob dahinter ein verallgemeinerbarer Textusus liegt. Nimmt man dies an, dann liegt ein Grammat. Wechsel noch vor in Tris einerseits mit 3.Sg.Ind.Prät. gena‫( ܅‬51va,13; 5190) und andererseits 3.Sg.Konj.Prät. genare (50ra,14; 7314), in der 3.Pl.Ind.Prät. in AlxS (genaren, 2173) sowie in HLit mit Pl.Prät. gnaren (97r,8; 732; weitere Belege vgl. MWB 2, s. v.). Darüber hinaus sind Ausgleichsformen des Pl.Prät. mit ‹s› belegt schon in WNot (‫܅‬i gena‫܅‬en, 21rb,1, einziger Textbeleg), RhTun (2x) und Flor (3.Sg.Konj.Prät. gine‫܅‬e, 9a,7; 6773). Inf./ ​Präs. haben ebenso regelmäßig ‹s› (128x) wie das Part.Prät. (20x ab 212). Anm. 1:  Im Grammatik-Korpus nicht belegt ist ernęsen; ein Beleg mit Grammat. Wechsel (Part.Prät. irneren) kann in *SüKlV nachgewiesen werden (vgl. MWB 1, s. v.), der Beleg steht im Reim zu Part.Prät. geleren (< lęsen).

V 167

876

VII. Verben

jęsen (stv. V): Die Belegung von 3.Pl.Ind.Prät. iaren (Lupo, 227rb,2; 1,132) und 3.Sg.Ind. Prät. ias (Hartw, 17r,24; M 91) zeigt, dass der Grammat. Wechsel in 114 noch vorhanden sein kann. kiesen (stv. IIb): Grammat. Wechsel ist beibehalten, Pl.Prät., Sg.Konj.Prät. und Part. Prät. haben ‹r› (allein 130  Belege des Part.Prät. und 14  Belege des Pl.Prät., bspw. gekorn (JMar, 59v,9), kuren (PrM, c1ra,27), kvrn (Mart, 2vb,26; 2,110), Sg.Konj.Prät. bspw. e v’kur (Hartw, 18r,18; M 189); demgegenüber ausnahmslos ‹s› im Sg.Ind.Prät. (48x), bspw. kos (Rapp, 116ra,8; 8), sowie im Inf./ ​Präs. (67x), bspw. kiv‫܅‬et (Hartw, 29r,17; M 1340). lęsen (stv. V): Der Grammat. Wechsel kommt nurmehr in wenigen Belegen des Part. Prät. vor, schon im 9. Jh. sind Formen mit ‹s› „üblicher“ (Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 2): o Man hat gelêrn. an dem heiligem êwangelio (Spec, 8v,18f), di daz buch hant geleren (Kchr, 5ra,25f; 1044 neben auch gele‫܅‬en, 38rb,1; 8794) zu ansonsten durchgängig ‹s› (75x) (zur Erläuterung des Belegs aus Spec gibt Mellbourn (1944, 164) einige weitere zeitgenössische Belege des Prät. und Part.Prät. an). Alle Formen des Prät. sowie des Inf./ ​ Präs. haben ebenfalls nur ‹s› (454x, allerdings 3.Pl.Ind.Prät. laren, læren, *Kchr V, 242, 9023 und larin, *ÄJud, 6 aus 212); daneben belegt die Forschungsliteratur weitere Einzelformen: Marold (2004, XIV) weist für die Hs. M des Tristan die Prät.-Form laren (V. 2650) als Hinweis auf Grammat. Wechsel aus. (er)niesen (stv. IIb): Aufgrund einer nur einmaligen Korpusbelegung in der 3.Sg.Ind. Präs. (ernív‫܅‬et, Bart 5ra,19; daneben auch 3.Sg.Ind.Prät. nos in Parz, [165b,26; 581,4]) ist der Zustand eines beibehaltenen/ ​aufgegebenen Grammat. Wechsels nicht zu beurteilen, doch wird schon für das Ahd. der Grammat. Wechsel nurmehr vermutet (vgl. Ahd.Gr.I, § 334, Anm. 2). rīsen (stv. Ia): Belege aus 114 zeigen einerseits einen möglichen Ausgleich des Pl.Prät. (alem. ri‫܅‬en, NikP, 41ra,20), andererseits jedoch auch noch die Beibehaltung des Grammat. Wechsels im Part.Prät. (geriren, Hartw, 26r,8; M 1014; so auch Pl.Prät.mit ‹r› in der Hs. A des Wigalois (1. Hälfte 13. Jh., V. 10952, vgl. Kapteyn 1926, 464) sowie auch riren, *PrLeys, 11va,39 aus 113. verliesen (stv. IIb): Grammat. Wechsel ist beibehalten, Pl.Prät., 2.Sg.Ind.Prät./ ​Sg.Konj. Prät., Part.Prät. zeigen r, so allein 267 Belege des Part.Prät. und 21 Belege des Pl.Prät., bspw. fluren (WNot, 19vb,11 u. ö.), uerluren (Hoff, 13r,13), verloren, (KuG, U1ra,6; 11279); e 2.Sg.Ind.Prät. flure (WNot, 28vb,18), Sg.Konj.Prät. bspw. verlur (Hartw, 20vb,7; M 445); e e r zu 3.Sg.Konj.Prät. verlur (Hartw, 18 ,18; M 190) vs. 3.Sg.Ind.Prät. verlos (Hartw, 20r,20; M 418) vgl. Habscheid (1997, 143). Die jeweils einzigen Belege aus alem. 113 (v’lor, SwSp,

2. Die Flexion der schwachen und starken Verben

877

115va,14) und 114 (Uerlor, Mart, 3va,3; 3,59 u. verlor, 27rb,24; 27,52) erweisen einen im Sg.Ind.Prät. schon möglichen Ausgleich (daneben 44  Belege, bspw. uerlos, GnaÜ, [75,16]; vgl. auch v’lor bei Mechthild von Magdeburg (Einsiedler Cod. 277: 61va,3, 63va,7, 71ra,29; vgl. H. Neumann 1990, 124, 128, 142), im Inf./ ​Präs. (132x) bleibt auch in 114 ausnahmslos s in Gebrauch (bspw. (ih) verliez, BKön, 1vb,2). vriesen (stv. IIb): Grammat. Wechsel ist beibehalten, Belege einer Verwendung von r im Sg.Prät. bzw. Inf./ ​Präs. kommen nicht vor, alle Belege zeigen s, bspw. Inf./ ​Präs. Vru‫܅‬et (BuMi, 86r,4), Sg.Prät. fro‫( ܅‬PrMi, 33v,24), Pl.Prät. erfrurn (Hartw, 17r,20; M 84), Part.Prät. beuroren (RhTun, 5v,11; 410), ervroren, (PrMi, 17 v,20). węsen (stv. V): Grammat. Wechsel haben Pl.Prät. (1133x), Sg./ ​Pl.Konj.Prät. (1767x) und 2.Sg.Ind.Prät. (53x), in allen anderen Positionen (das im Ahd. nicht vorkommende Part.Prät. 208x, vgl. Ahd.Gr.I, § 343, Anm. 2, 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. 4665x) erscheinen ­nahezu ausnahmslos die mit s gebildeten Formen; nurmehr wenige Ausnahmebildungen war in der 3.Sg.Ind.Prät. zeigen sich in Diet (81vb,10; 5928), RWh (5va,9; 570), JMar (106v,16), HTri (119ra,21; 3045) und LuKr (13r,12; 728). Lit.: Ahd.Gr.I; A. Bach (1934, 212); Boesch (1946, 199); Braune (1874, 513); Dornfeld (1912, 213); Feudel (1961, 90f, 175); Frnhd.Gr., § L 47.2; Gleißner/ ​Frings (1941, 121); Grimm (1822, 866f); Grimm, DWB 2, 355; Habscheid (1997, 143, 145); Holtzmann (1870); Kapteyn (1926, 464); Th. Klein (2000b); Marold (2004, XIV); Mellbourn (1944, 164); H. Neumann (1990, 124, 128, 142); Paul, Dt.Gr.II, § 161, 162, Anm. 4; Paul, Mhd.Gr.; Schnell/ ​Crossgrove (2003); Strauch (1898, 223); Wallach-Faller (1981, 203); Weinhold, Mhd.Gr., § 175c, 176, 221, 224; WMU; Wurzel (2001, 116ff).

878

VII. Verben

3. Besondere Verben 3.1. Allgemeines V 168

Zur Gruppe der ‚besonderen‘ Verben gehören Verben mit vom Standardschema stark – schwach abweichender Flexion. Dazu gehören Mischverben (Verben, die eine Mischung von starker und schwacher Tempusbildung aufweisen, v. a. bringen, beginnen), Verben mit ursprünglich kategorieller Verschiebung (Präterito-Präsentien mit 11 Lexemen und wėllen) und Kurzverben (Wurzelverben tuen, sīn, gān und stān und kontrahierte Verben, insbes. haben/ ​hān und lāȥen/ ​lān). Die Flexionsbesonderheiten dieser Verben sind unterschiedlich alt, einige reichen zurück ins Germ. oder sogar Idg., andere dagegen sind auf jüngere Entwicklungen seit dem Ahd. zurückzuführen. Aus der Grundsprache ererbt ist die morphologische Besonderheit der Prät.-Präs., bei denen das aktional gefärbte Perfekt (Zustands- oder Resultativbedeutung, s. § V 176) im Germ. als Präsens fungiert und somit abweichend zu den germ. st. Verben Ablaut im Präs. aufweist. Dazu wird ein neues Prät. schwach gebildet (s. § V 176). Abweichend von der Bildung der st. und sw. Verben sind die Prät.-Präs. somit in der 1./ ​3.Sg.Ind.Präs. regelmäßig endungslos (analog zur 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. der stv.), in der 2.Sg.Ind.Präs. ist -t mehrheitlich. Vergleichbar zu den Prät.-Präs. flektiert das Verb wėllen, dessen unregelmäßige Flexion auf die Vermischung zweier Stämme zurückzuführen ist: Der 1.Sg.Präs. liegt ein ursprünglicher indikativisch gebrauchter Optativstamm zugrunde, die übrigen Formen werden auf der Basis des sw. Verbs wėllen gebildet. Ebenfalls archaisch in ihrer Formenbildung sind die beiden Wurzelverben sīn und tuen, die einzigen ererbten Vertreter der sog. ‚athematischen‘ oder ‚mi-Verben‘. Bei diesen Verben tritt das Endungsflexiv unmittelbar an die Wurzel, d. h., Wurzelverben haben kein ‚stammbildendes‘ Suffix (‚Themavokal‘). Die einzige flexivisch vom regelmäßigen Paradigma abweichende Position ist die 1.Sg.Präs., alle anderen Positionen differieren nur durch das Vorhandensein/ ​Fehlen des vokalischen Elements der Endung. Kennzeichen im Mhd. ist die Einsilbigkeit der Wurzel und die aus -*mi entstandene mhd. Endung -n der 1.Sg.Präs. (tuen < *dō-mi). Neben dieser Gemeinsamkeit sind beide Verben in ihrer charakteristischen Stammbildung sehr verschieden: sīn bildet seine Formen suppletiv aus drei verschiedenen Verbstämmen und deren Kontamination, tuen dagegen ist das einzige deutsche Verb, das seine Vergangenheitsformen mit Hilfe einer Reduplikationssilbe bildet, die Ursache verschiedener lautlicher Besonderheiten ist (s.  § V 199f). Das Kriterium der Einsilbigkeit im Präs. und die n-Endung der 1.Sg. erfüllen z. T. auch gān und stān. Die Paradigmen dieser beiden Verben werden suppletiv aus Lang- und Kurzform gebildet, wobei im Präs. die Kurzform wie ein Wurzelverb flektiert wird (s. § V 208, V 214), die Langform hingegen die Grundlage für den Imp. und das ablautende Prät. darstellt. Eine andere Möglichkeit der Kurzverbbildung ist die Kontraktion. Die Verben haben/ ​ hān und lāȥen/ ​lān, die in einem Großteil ihrer Formen im Mhd. durch Kontraktion kurzstämmig geworden sind, überschneiden sich z. T. mit Formen der Wurzelverben, so dass synchron ausdrucksseitig viele Übereinstimmungen in den paradigmatischen Positionen bestehen. Trotz synchroner Ähnlichkeiten sind beide Verbgruppen aufgrund ihrer historisch unterschiedlichen Genese auseinanderzuhalten (zu haben/ ​hān, lāȥen/ ​lān s. § V 222ff u. § V 230ff).

3. Besondere Verben

879

Die Mischverben können st. und sw. Flexionsformen aufweisen: Einige Verben bilden das Prät. neben dem Ablaut des Stammvokals auch mit Dentalsuffix (s. u. bringen, beginnen), andere Verben weisen überwiegend landschaftlich bedingt st. oder sw. Prät.-Flexion auf (ruefen: rief oder ruefte), s. § V 169ff.

3.2. Mischung starker und schwacher Konjugation 3.2.1. Allgemeines

Im Mhd. gibt es einige Verben, die eine Mischung von starker und schwacher Flexion aufweisen. Bei diesen Verben sind grundsätzlich zwei Gruppen zu unterscheiden:

V 169

(1) Mischverben, das sind Verben, die sowohl starke als auch schwache Flexionsweise aufweisen; überwiegend ist dies im Präteritum der Fall, vereinzelt können auch im Sg.Imp. starke und schwache Flexion belegt werden. Im Mhd. trifft dies auf beginnen und seltener auf bringen zu (Weinhold nennt dies „feste Mischung“, vgl. Mhd.Gr., § 406ff). In diese Gruppe gehören auch Verben, die im Prät. starke und schwache Flexion kombiniert haben können, d. h., die Präteritumbildung erfolgt sowohl mit Ablaut als auch mit Präteritalflexiv. (2) Verben, die sowohl starke als auch schwache Nebenformen bilden, d. h., starke Verben können auch schwache Präteritumformen haben und schwache Verben können auch starke Präteritumformen haben (Weinhold bezeichnet dies als „lose Mischung“, vgl. Mhd.Gr., § 424ff). Zu dieser Gruppe gehören auch Verben, die zum Nhd. hin die Flexionsklasse wechseln (bspw. bęllen, mhd. st. ball – bullen – gebollen, nhd. sw. bellte(n)  – gebellt). 3.2.2. Mischverben 3.2.2.1. Allgemeines

Lediglich die beiden Verben beginnen und bringen weisen im Mhd. ein regelmäßiges Präteritum-Mischparadigma auf (begunde/ ​began, brahte/ ​branc; vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 406ff). Im Präs.  – das nur im Sg.Imp. eindeutig stark und schwach geschieden ist  – können nur für bringen starke und schwache Flexion nachgewiesen werden (s. § V 172), beginnen ist nicht im Sg.Imp. belegt. Beide Verben weisen bereits im Ahd. Mischflexion auf, noch im Frnhd. hat dies Bestand (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 121, 156). Wenige weitere Verben sind im Grammatik-Korpus mit Mischflexion im Präteri­ tum nachweisbar; diese Fälle sind jeweils gegenüber der regelmäßigen Bildung ver-

V 170

880

VII. Verben

einzelt, bspw. bievolet < bevęlhen oder ‫܅‬pracht < spręchen. Eine Beurteilung dieser Fälle als Verschreibung, regionale Verwendung oder textliche/ ​handschriftliche Besonderheit ist aufgrund der sehr seltenen Belegung nicht möglich. Es handelt sich um starke Verben, die im Prät. gemischte Flexion (schwache Dentalendung sowie Ablautung des Wurzelvokals) aufweisen, die Verben stammen aus verschiedenen Ablautreihen (s.  § V 118, Anm. 3, § V 132, Anm. 2, § V 135, Anm. 3, § V 139, Anm. 2, § V 143, Anm. 4; weitere Beispiele für Verben mit Mischflexion im Bair. vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 323). Bei beginnen und bringen können starke und schwache Flexion regelmäßig nachgewiesen werden. Dabei erweisen die starken und schwachen Formen von beginnen und bringen eine deutliche paradigmatisch gebundene Verteilung; bei Vorliegen einer Varianz ist eine textfunktionale Regelung auszumachen. Die stark flektierten Formen im Prät. beider Verben können Ablautreihe IIIa zugeordnet werden (zur Beschreibung des Ablauts s. § V 132, Anm. 2). 3.2.2.2. beginnen V 171

Die Präsensformen von beginnen können hinsichtlich der Flexion nicht beurteilt werden, da kein Sg.Imp. belegt ist, der einzigen paradigmatischen Position, die bei st. und sw. Verben in der Regel geschieden ist (st. -ø, sw. -e, diese Unterscheidung befindet sich im Mhd. allerdings bereits in Auflösung, s. § V 47ff). Das Fehlen des Sg.Imp. bei beginnen ist möglicherweise im modalen Charakter des Verbs begründet (s.  Anm. 1). Im Prät. variiert st. mit sw. Flexion: Mehrheitlich stark gebildet ist das Part.Prät. (begonnen), regelmäßig schwach der Pl.Prät. (begunden), im Sg.Prät. sind beide Flexionsformen belegt (began  – begunde, ausführlicher s. u.); die flexivische Entwicklung wird als analog beeinflusst von gunnen erklärt (vgl. Ahd.Gr.I, § 336, Anm. 3). Anm. 1:  Bereits im Ahd. ist eine variante st. und sw. Flexion des Sg.Prät. von beginnen belegt. Riecke (1994, 49) vermutet eine Bindung an die Verwendung als Voll- oder Hilfsverb (vergleichbar modalen Infinitivkonstruktionen mit Prät.-Präs.). Dieser Zusammenhang kann für die Belege des Grammatik-Korpus nicht bestätigt werden, st. wie sw. flektierte Formen kommen in Hilfsverbfunktion als Teil von Infinitivkonstruktionen vor (vnz er mich fragen began, Iw, 148v,12; 7614; die rede begvnde her Iwêin clagen, Iw, 148r,8; 7636). Dabei ist die Verwendung von beginnen als im Sg.Prät. st. wie auch sw. flektiertes Vollverb äußerst selten (Der begvnde eines wingarten. daz was div Christenheit. div ‫܅‬ich began zaler‫܅‬t ex Judæis, PrMi, 24r,23f). Anm. 2:  Schwache Bildung im Part.Prät. von beginnen ist in 114 im Omd. singulär belegt: der men‫܅‬che hat begunt czu buwyn, BeEv, 121r,2f (in BeEv erscheint auch die „speziell thür. Form“ begunst(e), vgl. Feudel 1961, 177); begunt singulär auch bei Gottfried Hagen, Köln 13. Jh., vgl. Dornfeld (1912, 212f). Anm. 3:  Der Pl.Prät. hat durchgängig sw. Flexion mit Wurzelvokal ‹u› oder auch ‹o› (Sie begunden va‫܅‬te vliehen, Türh, 103vc,32; 16415, vࠁ begonden ‫܅‬ich hauwen als die ‫܅‬wein, Renn, 75rb,17; 11513).

3. Besondere Verben

881

Anm. 4:  Im Sg.Prät. erscheint lautliche Varianz st. und sw. Bildung: Die sw. Formen können mit ‹u› (begunde) und im Omd. mit ‹o› (begonde) realisiert sein; Weinhold belegt die o-Flexion für das Alem. (vgl. Mhd.Gr., § 406); im Grammatik-Korpus sind Belege mit ‹o› und ‹u› im Alem. etwa gleich häufig, z. T. können beide Formen in der gleichen Hs. nachgewiesen werden, bspw. begonde, Rapp, 202va,42; 17300 vs. begunde, Rapp, 282va,19; 32572 (so auch Hs. W des Tristan, vgl. Marold 2004, XL; zum Omd. des 14. Jh.s vgl. auch Feudel 1961, 177ff).

Eine diachrone oder diatopische Differenzierung der Varianz st. und sw. Formenbildung im Prät. von beginnen ist nicht ausgeprägt: Sowohl im Md. als auch im Obd. wird die sw. Flexion bevorzugt (anders im Frnhd., vgl. Frnhd.Gr., § M 123.4), es liegt vielmehr eine Bindung an die Überlieferungsform Vers oder Prosa sowie an die Stellung im Vers vor. Sowohl im Obd. als auch im Md. wird  – bezogen auf alle Überlieferungstypen im Grammatik-Korpus  – insgesamt die schwache Form bevorzugt, im Md. ist die sw. Form noch dominanter als im Obd.: Sg.Ind.Prät.

st. Flexion

sw. Flexion

obd.

33%

67%

md.

17%

83%

Eine nennenswerte Varianz der sw. wie auch der st. Flexion (Verwendung beider Formen im gleichen Text) kommt mehrheitlich nur in Verstexten vor, in Prosatexten überwiegt die sw. Flexion deutlich (vgl. auch Dollmayr 1903, 39): Sg.Ind.Prät.

st. Flexion

sw. Flexion

Prosa

6%

94%

Vers

30%

70%

Auch gibt es kaum Prosatexte, in denen allein nur st. flektierte Formen vorkommen, wohingegen es viele Prosatexte gibt, in denen allein nur sw. flektierte Formen erscheinen, in den Verstexten sind immer beide Formen belegt. Handschriftenbezogen scheinen unterschiedliche Handhabungen möglich: So zeigen alle Vershandschriften die starke Flexion (began) in der Regel im Reim (man : began, dan : began, Tristan : began), außerhalb des Reims wird die st. Form nur ausnahmsweise verwendet; demgegenüber kommt die sw. Form regelmäßig innerhalb des Verses vor, die Verwendung als Reimwort ist selten (enzunde  : begunde): Sg.Ind.Prät.

st. Flexion

sw. Flexion

Reim

85%

15%

Versinneres

15%

85%

882

VII. Verben

3.2.2.3. bringen V 172

Die Verhältnisse bei bringen weichen von denen bei beginnen ab: Für bringen können sowohl im Sg.Imp. (brinc  – bringe/ ​brėnge, s. Anm. 1) als auch im Prät. (branc  – brāhte) starke und schwache Flexion belegt werden, allerdings ist die starke Flexion im Sg./ ​Pl.Prät. nur sehr selten (< 1% aller Belege), im Part.Prät. ist sie nicht nachgewiesen. Im Sg.Prät. ist schwache Bildung regelmäßig, starke Flexion erscheint vereinzelt im frühen Mhd. (3.Sg.Konj.Prät. brunge, Mem, 154v,10; 4,4; vgl. dazu auch Scherer 1880, 431 u. Ahd.Gr.I, § 336, Anm. 4 zu brang bei Otfrid). Im Pl.Prät. kann starke Bildung ebenfalls nur selten nachgewiesen werden (prungin, Meri, 1r,7; 1,10; brungen, Hchz, 151r,10; 802 u. 145v,4; 306; s. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 407; zu prungen in der Wiener Genesis vgl. Dollmayr 1903, 42). Anm. 1:  Von den 23 Sg.Imp.-Belegen im Grammatik-Korpus sind 10 st. flektiert (brinc) und 13 sw., in der sw. Form sind sowohl bringe als auch brenge möglich: Während die Formen mit i aus dem Obd. stammen (TriF, ZwBR, Lieht, ObEv), sind die Formen mit e ausschließlich im Md. belegt (RhMl, JMar). Korpusexterne Belege bestätigen diesen Befund: So stammen etwa bringe-Belege aus dem bair. Rolandslied (*Rol A, *Rol P), ein brėnge-Beleg kommt in der mfrk. Hs. *WildM vor. Die Formen mit e verweisen auf ein schwaches Verb brėngen im Md., welches auch im Ahd. belegt ist (vgl. Ahd.Gr.I, § 336, Anm. 4) und noch bis zum 15. Jh. nachgewiesen werden kann (vgl. Besch 1967, 95; Gr.d.Frnhd.IV, § 156). Zum unpräfigierten Part.Prät. s. § V 40; zur Form des sw. Prät. mit Vokalwechsel s. § V 69, Anm. 1.

3.2.3. Verben mit Nebenformen 3.2.3.1. Allgemeines V 173

Im Mhd. weisen einige Verben auch Flexionsformen der jeweils anderen Verbklasse (stark, schwach) auf, diese Nebenformen können singulär oder auch häufiger auftreten. Die Gründe für Verwendung der jeweiligen Nebenformen sind nicht immer eindeutig zu bestimmen, es können verschiedene Aspekte eine Rolle spielen, so u. a. die jeweilige Schreiblandschaft oder Reimbindung in Verstexten. Manche Verben wechseln im Laufe der weiteren Sprachentwicklung die Flexionsklasse; da diese Entwicklung im Mhd. noch andauert oder z. T. auch erst beginnt, können diese Verben mit beiden Flexionsarten belegt werden. Dabei wechseln häufiger starke Verben in die Klasse der schwachen Verben als umgekehrt. Riecke (1994, 42) zufolge sind schwache Verben deutlicher markiert und systemangemessener, kommen also dem Streben nach typologischer Einheitlichkeit des Systems entgegen („Systemangemessenheit“, vgl. Wurzel 2010, 78ff; einem Flexionsklassenwechsel kann aber auch „Flexionsklassenstabilität“ entgegenstehen, Wurzel 2010, ebd.; vgl. auch Nübling 2000, 249ff); auch Koenraads (1953, 73) interpretiert häufiger auftretende schwache Formen zu starken Verben als ein Ergebnis von „Deutlichkeits-, Systema-

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tisierungs- und Bequemlichkeitstendenzen“. Als weitere mögliche Gründe für den Klassenwechsel werden „Homonymenflucht“ (Vermeidung von Verwechslung, bspw. Vermeidung von gleichlautendem Part.Prät. von rächen (gerochen) und riechen (gerochen) durch das schwach gebildete Part.Prät. gerächt zu rächen, vgl. Koenraads 1953, ebd.) oder die Nutzungsfrequenz einzelner Verben angeführt (Frequenzabnahme kann zu Abbau von Irregularität  – oder Untergang des starken Verbs  – führen, so etwa kiesen oder melken, Hochfrequenz hingegen erhält Irregularität, so etwa kommen, nehmen, sitzen, liegen u. a., vgl. Nübling 2000, 263f; Dammel 2011, 149ff). Ebenfalls besteht die Möglichkeit von parallelem Vorkommen von starken Verben und regelmäßig gebildeten denominalen schwachen Verben (vgl. Riecke 1994, 43). Schirmunski zeigt einen Zusammenhang zum Präteritumschwund in bestimmten Mundarten auf, „die das einfache Präteritum verloren haben und die starken und schwachen Verben nur nach der Bildung des Partizip II unterscheiden“ (Schirmunski 2010, 555); auch dadurch geschieht ihm zufolge eine Erweiterung der Gruppe der sw. Verben, erheblich seltener ist der Wechsel zur starken Flexionsweise (504). Eine weitere Rolle könnte die Vermischung von gleichlautenden/ ​ähnlichen starken und schwachen Verben sein, häufig gibt es zu einem starken Verb ein kausatives schwaches Verb, so etwa stv. węgen ‚bewegen‘ zu swv. wėgen ‚bewegen machen‘. Die für das Oobd. des 17. und 18. Jh.s formulierte These, nach der die Verwendung der st. und sw. Flexion als Ausdrucksträger der modalen Opposition fungiere und demnach die sw. Formen im Konj. und die st. Formen im Ind. stehen (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 98, Anm. 1), kann für das Grammatik-Korpus nicht gestützt werden (vgl. dazu aber Weinhold für das Bair., Bair.Gr., § 323), im Grammatik-Korpus steht von den sw. Belegen zu st. Verben nur eine Form eindeutig im Konj., die übrigen Belege sind als Ind. zu bestimmen oder modusindifferent.

3.2.3.2. Starke Verben mit schwachen Nebenformen

Im Mhd. weisen einige starke Verben schwach flektierte Prät.- oder Part.Prät.-Formen auf. Bei wenigen Verben zeigt sich hier ein beginnender oder fortgeschrittener Flexionsklassenwechsel (bachen, būwen, schinden, spīwen). Regionale Gebundenheit der schwachen Formen kann insbesondere bei geschęhen, hėben, pflęgen, ruefen und węsen belegt werden (schwache Formen mehrheitlich obd. bei hėben, pflęgen, ruefen, mehrheitlich md. bei geschęhen, węsen). Bei nur vereinzeltem Vorkommen von schwachen Formen ist eine Beurteilung nicht möglich, hier müssen auch Verschreibungen in Betracht gezogen werden (s. u. brinnen, halsen, hęlfen, hinken, loufen, nīden, schīnen, sinnen). Weitere starke Verben mit schwachen Nebenformen vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 424f; Weinhold, Alem.Gr., § 376; Weinhold, Bair.Gr., § 323; Schirmunski (2010, 570ff). Zu schwachen Formen in den einzelnen Ablautreihen im Frnhd. vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 154–159.

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bachen (stv. VI): bachen (‚backen‘) ist im Grammatik-Korpus durchgängig mit st. gebildetem Part.Prät. belegt; finite Prät.-Belege kommen nicht vor, können aber im o weiteren Textverlauf von Kchr belegt werden: buch, *3847, buch, *10683, beide Belege sind stark flektiert. Eine sw. Prät.-Bildung ist selten erst für das Frnhd. nachweisbar (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 158). brinnen (stv. III): Eine sw. Form von brinnen kann singulär korpusextern belegt werden: 3.Sg.Ind.Prät. brinnet, *VMos2, 2274. (-)‌būwen (stv. VII): Das ehem. reduplizierende Verb būwen weist im Mhd. (so auch bereits im Ahd., vgl. Ahd.Gr.I, § 353, Anm. 3) nur noch im Part.Prät. starke Flexion auf (knapp ein Drittel der Part.Prät.-Belege im Grammatik-Korpus), die Belege stammen ausschließlich aus dem Obd. (bspw. alem.: gebvwin, RWchr, 15rb,30; 1961, alem.bair.: gebuwen, Türh, 63vb,22; 733) und singulär aus dem Ofrk. (verbawen, UNürnb, 4,9), korpusexterne Belege bestätigen diesen Befund (st. Part.Prät. auch in *Gen, *VMos2, *Rol P). Die finiten Prät.-Formen sind ausschließlich schwach flektiert. (ge)ręchen (stv. IV): Schwache Flexion kann korpusextern in seltenen Fällen nachgewiesen werden: Pl.Prät. gerehten (*Herb B, 14517), Sg.Prät. rechete (Hleb, *89r,9), Part. Prät. gerechet (*PsM, 18v,8). geschęhen (stv. V): In mfrk. Hss. des Grammatik-Korpus (RhTun, BuMi, Yol, Göll, VLilie, KuG, UKöln1/ ​2) wird das Part.Prät. von geschęhen schwach flektiert (Dit is ge‫܅‬chiet na godes geburde, UKöln1, 4,29; ge‫܅‬chiet, BuMi, 67 v,5), starke Flexion kann in diesen Hss. nicht nachgewiesen werden. Außerdem ist schwache Flexion in der omd. Hs. AlxS belegt (ge‫܅‬chit, 3597, 3278, ge‫܅‬chiet, 3139), st. Bildung ist hier ebenfalls möglich (ge‫܅‬ihen, 3383), alle Belege stehen in AlxS im Reim. Die finiten Prät.-Formen sind mit Ausnahme von RhMl stark flektiert, nur in RhMl erscheinen die Prät.Formen schwach: ‫܅‬owat dir leides ge‫܅‬chide up erden, RhMl, 31v,3; 1779 (ebenso 34v,20; 1967 u. 36v,7; 2058; vgl. dazu auch A. Bach 1934, 213 sowie Nörrenberg 1884, 416). Belege aus korpusexternen Quellen bestätigen den Korpusbefund: Das Part.Prät. ist in md.(-nd.) Texten häufig sw. flektiert (so etwa in *Albanus, *Eilh M, *MarKlage, *Roth, *WernhvN), finite Verbformen hingegen nur vereinzelt (bspw. 3.Pl.Prät. ge‫܅‬chieden, *Christi Geburt, 46). Anm. 1:  Nörrenberg sieht in der starken und schwachen Flexion von geschęhen eine Markerform zur genaueren sprachlichen Lokalisierung im Wmd.: sw. Prät. geschiede und sw. Part.Prät. geschiet verweisen ins Ndfrk., ins Rip. sw. und st. Prät. (geschiede, geschach; genauer bei Th. Klein 2000b, 28: im Mfrk. „selten“ geschiede neben „gewöhnlich“ geschach) sowie sw. Part.Prät. geschiet, ins Moselfrk. st. Prät. geschach und sw./ ​st. Part.Prät. geschiet/ ​ geschên und ins Rhfrk. st. Prät. u. Part.Prät. geschach, geschên (vgl. auch WMU, s. v., Weinhold, Mhd.Gr., § 424).

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halsen (stv. VII): halsen ist regelmäßig stark flektiert (bspw. hîel‫܅‬, WMEv, 32,6), ledig­ lich im Part.Prät. ist eine schwache Form belegt: gehal‫܅‬et (TrHL, 7 v,19), die übrigen Part.Prät.-Belege in TrHL sind stark flektiert. (-)‌hėben (stv. VI): Neben regelmäßigem st. Part.Prät. ist auch schwache Flexion im e Obd. und Ofrk. belegt (bspw. erheuet, Wind, 188r,6; auf wı rt gehabt, Rupr, 92,15, daz er mich eín ‫܅‬tund níe uberhebt hat dez leidens, GnaÜ, 90,11, ûferhêuet wart, Spec, *53v,11; außerdem sw. flektiert nachgewiesen in PrZü, StBA, ULands, WüPo). Finite Prät.-Formen kommen nur vereinzelt sw. flektiert vor, bspw. hebton (PrSch, 239r,29), hebenote (*Gen, 2557), uberheueten (*Gen, 4991). (-)‌(h)ėischen (stv. VII): Bereits im Ahd. weist (h)ėischen schwache und starke Formen auf, wobei die schwachen Formen häufiger sind (vgl. Ahd.WB, s. v. eiscôn). Im Grammatikkorpus ist das selten belegte Part.Prät. stets schwach flektiert (geei‫܅‬cot, WNot, 44rb,18, gei‫܅‬chet, OxBR, 2v,26; gevrei‫܅‬cht, Diet, 67ra,7; 3085; uerei‫܅‬chet, AlxS, 5670), eine landschaftliche oder zeitliche Bindung ist nicht feststellbar; auch korpusextern ist schwache Belegung nachweisbar (geheischet, *Herb, 15710 u. 15986). Die finiten Prät.Formen sind in der Mehrheit stark flektiert (bspw. hie‫܅‬ch, Rapp, 282va,15; 32569a; i‫܅‬che, TrPs, 2v,20; ie‫܅‬ch, Parz, 10b,8; 21,1), ca. ein Drittel der Belege ist schwach und stammt mehrheitlich aus dem Bair. bis 213 (bspw. frai‫܅‬cten, Kchr, 71ra,26; 16640, urei‫܅‬chot, Hchz, 144r,24; 206, ferei‫܅‬ten, Mar, 81r,8; 4589); korpusextern kann schwache Flexion ebenfalls überwiegend im Bair. nachgewiesen werden (bspw. *Gen, *Rol P). Zu (-)‌(h)ėischen vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 360 sowie Gr.d.Frnhd.IV, § 159. hęlfen (stv. III): Singulär ist sw. Flexion für hęlfen nachgewiesen: helfete, BeEv, [12r,26]. hinken (stv. III): Im Grammatik-Korpus ist hinken in 114 singulär sw. belegt: hinkete (Rapp, 285rb,12; 33091), im Frnhd. wird die schwache Flexion häufiger (vgl. Gr.d.Frnhd. IV, § 156). loufen (stv. VII): Eine singuläre sw. flektierte Bildung in der 3.Sg.Prät. lavfte ist in der ofrk. Hs. Renn belegt (74va,31; 11412). nīden (stv. I): Schwache Flexion ist vereinzelt belegt (singulär im Grammatik-Korpus: 3.Sg.Prät. nidote, PrZü, 105vb,10; weitere Belege siehe Lexer, s. v.); möglicherweise ist der Beleg aus PrZü als eine Reliktform zum ahd. sw. Lexem nīdōn zu werten (vgl. Schützeichel, Ahd.WB u. Splett, Ahd.WB, s. v. nīdōn). pflęgen (stv. V): Sw. flektierte Formen von pflęgen erscheinen im Grammatik-Korpus v o nur bair.: ‫܅‬i giengen barvoze. gu ter ‫܅‬inne ‫܅‬i pflegeten (Kchr, 73ra,31f; 17123f, so auch

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HLit, 96v,12; 724), daz er der ‫܅‬wine pflegete (PrMi, 30v,23 u. ö.), 2.Sg.Konj.Prät. phleite‫܅‬t (HLit, 88r,11; 486), Part.Prät. giphleget (HLit, 84r,5; 368; zu gepflëget – gepflëgen – gepflogen vgl. Schirokauer 1923, 10; Weinhold, Mhd.Gr., § 348; WMU, s. v.); die sw. Flexion kann lexikographisch bereits früher belegt werden (Lexer, s. v.); im späten Frnhd. wird die sw. Bildung häufiger (Frnhd.WB, s. v.). (-)‌ruefen (stv. VII): Im Mhd. existieren ein st. Verb ruefen und ein schwaches Verb rüefen, die semantisch nicht voneinander zu trennen sind. Die schwach gebildeten Prät. (ruefte, rufte: ein Viertel der Belege) sind seltener als die stark gebildeten (rief). Die sw. Bildung ist mehrheitlich obd. belegt (so auch im Frnhd., vgl. Frnhd.Gr., § M 132), nur selten kommt diese auch im Md. vor (bspw. rufte in TrPs oder MBeh). o Korpusexterne Belege bestätigen diesen Befund, so ist im Obd. schwache (bspw. rufte, r *Gen, 2118, rvften, *PrFrT35, 5 ,20) und starke Flexion belegt (bspw. rieffen, *Exod, 454, rîf, *VMos2, 363), im Md. ist die starke Flexion hingegen ausschließlich (bspw. rieffen, *Christus und Pilatus, 454, rief, *PsSchleiz, 6r,12). Das Part.Prät. ist im GrammatikKorpus nur äußerst selten belegt, auch hier kann eine regionale Bindung ausgemacht werden: Die schwachen Belege sind bair. (geruoffet, Wind, 196r,16, gervfet, PrMi, 29v,16), die starken md. (berufen, OxBR, 6v,31 u. HTri, 105va,20; 510, gerufin, MBeh, 55v,18); ein korpusexterner Beleg stammt aus einer bair. Hs. (ger‫ܔ‬efen, *PrFrT35, 1v,5). (-)‌schėiden (stv. VII): Für das starke Verb schėiden kommt im Grammatik-Korpus singulär ein schwach flektiertes Part.Prät. vor (So daz ge‫܅‬heidit i‫܅‬t uon gode, RhTun, 5r,6; 363), die finiten Formen flektieren ausnahmslos stark. In den Wörterbüchern zum Mhd. wird sowohl ein starkes als auch ein schwaches Verb angesetzt (vgl. Lexer, s. v., BMZ, s. v.). Der Sg.Imp. kann im Grammatik-Korpus etwa gleich häufig schwach (schėide) wie stark (schėit) gebildet sein (zum Sg.Imp. s. § V 47ff), für diese Formen kann keine zeitliche oder regionale Präferenz ausgemacht werden (frühe Belegung bspw. stark ‫܅‬keit, WNot, 23vb,17 u. ö. und schwach ‫܅‬kêide, Will, 5r,7 u. ö.; obd. bspw. stark ‫܅‬cait, TrHL, 108v,11 u. ö. und schwach ‫܅‬cheide, Wind, 27r,5 u. ö.). (-)‌schinden (stv. III): Das ahd. noch sw. Verb schinden wird erst seit dem Mhd. auch st. flektiert, wobei insbes. das Part.Prät. (seit 113) belegt ist (ge‫܅‬chunden, Mart, 12va,5; 12,61; ge‫܅‬chvnden, Iw, 9v,24; 468, so auch Zo‫܅‬chundin, *Roth, 2443), sw. Belege sind im Grammatik-Korpus nicht nachweisbar, korpusextern etwa beschint (*Herb, 15742; zu sw. Formen vgl. Feudel 1961, 179: geschindit). (-)‌schīnen (stv. I): Schwache Bildung im Sg.Prät. ist vereinzelt nachweisbar: 3.Sg.Prät. erschinete, HTri, [110vb,4] u. be‫܅‬chinete, *Roth, 1301. S. § V 118, Anm. 3.

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schrīben (stv. I): Im Grammatik-Korpus ist zweifache Belegung des schwach gebildeten Part.Prät. nachgewiesen: ge‫܅‬cribet (PrMi, 20v,19 u. OxBR, 8r,2). (-)‌schrīen (stv. I): Sw. Präteritalbildung von schrīen ist häufiger im Md. in 114 belegt (‫܅‬chrieten, Pass, 86ra,24; 12,88 und v’‫܅‬chriet, 80ra,33; 3,263, ge‫܅‬chreit, HTri, 121rb,39; 3480), früher selten (in 212 Part.Prät. ge‫܅‬criht, PrZü, 114rb,17; in 113 3.Sg.Prät. ‫܅‬chrîte, *Mar E, 1va,16 u. Part.Prät. ver‫܅‬chrít, Parz, 144b,32; 505,20). Zu schrīen s. § V 124. (-)‌sinnen (stv. III): Sw. Flexion kann vereinzelt belegt werden; beide Belege stehen im Reim: be‫܅‬inneten  : minneten, PrRei, 171a,25f; geun‫܅‬innet  : minnet, Tris, 98vb,5; 19149f. (-)‌spīwen (stv. I): Schwache Präteritalformen können ab 113 nachgewiesen werden, ab 213 allein im Omd. (be‫܅‬pieten, PrMi, 32r,19; ‫܅‬piete, JMar, 1v,2 und ‫܅‬pietin, 59r,5; bespitten, SalH, [152,13]). Im Grammatik-Korpus sind ein Drittel aller Präteritalbelege von schrīen und die Hälfte aller Präteritalbelege von spīwen sw. flektiert (anders Weinhold, der spīwen seltener sw. flektiert nachweist als schrīen, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 425). Schwankende Bildung ist noch im Frnhd. nachweisbar (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 154). Zu spīwen s. § V 124. swīgen (stv. I): Für swīgen sind bis 113 sw. Formen im Grammatik-Korpus selten nachweisbar (‫܅‬uictun, WNot, 8ra,2; ver‫܅‬wigtin, Spec, 5r,22; Part.Prät. ge‫܅‬viget, ZwBR, 10v,7), korpusextern können einige weitere Belege in bair. Handschriften des 13. Jh.s nachgewiesen werden (bspw. ‫܅‬wigote, *JohBapt, 8; ‫܅‬wigte, *AvaLJ, 1522; ‫܅‬uwicta, *PsBrieg, 119; ‫܅‬uichte, *Gen, 3207; ge‫܅‬uicte, *VMos2, 16; ‫܅‬wicte, *Rol P, 731), weitere Belege stammen aus der frühen md.-nd. Hs. des König Rother (‫܅‬wigitin, *Roth, 1766 u. ö.). vlīȥen (stv. I): Schwache Formen erscheinen in den bair. Hss. Kchr (flizeten, 72va,42; 17020) und Hchz (ulizzete, 144v,25; 251; ulizzet, 145r,3; 256) sowie korpusextern in *Rol P (flizten, 4476 u. 7945); weitere Belege für sw. Flexion siehe Lexer, s. v. węben (stv. V): Singulär sw. flektiert ist das Part.Prät. belegt: der roch waz [...] gewebt (ObEv, 32a,5); regelmäßig ist st. Flexion. węsen (stv. V): Knapp 15% aller Part.Prät.-Belege von węsen zeigen sw. Flexion auf (were gewe‫܅‬t, Hleb, 102r,6), die Belege stammen sämtlich aus dem Md. oder Ofrk., in manchen Hss. können nur sw. Formen nachgewiesen werden (mfrk.: UKöln1, PLilie, Taul, Brig; omd.: MüRB, MBeh, UJena; ofrk.: UNürnb, Lupo), in anderen Hss. ist sowohl starke als auch schwache Flexion möglich (rhfrk.-hess.: Hleb; omd.: BeEv, Pass; ofrk.: GnaÜ). Die finiten Prät.-Formen sind durchgängig stark flektiert. Zur Flexion von węsen vgl. auch Schirokauer (1923, 28ff), Stopp (1977), 1–34; Habscheid (1997, 145); Grimm, DWB 16, 248; Feudel (1961, 188).

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VII. Verben

3.2.3.3. Schwache Verben mit starken Nebenformen V 175

Starke Nebenformen zu schwachen Verben sind deutlich seltener als schwache Nebenformen zu starken Verben; die starken Formen treten zudem immer nur vereinzelt auf. Anm. 1:  Der für das Frnhd. ausgewiesene Wechsel der Verben gelīchen, prīsen und wīsen zur starken Flexion (vgl. Gr.d.Frnhd.IV, § 106), kann für das Mhd. noch nicht nachvollzogen werden, Belege für starke Flexion in den mhd. Wörterbüchern (Lexer, s. v., Findebuch, s. v.) stammen zumeist aus Texten, deren Überlieferung erst im Frnhd erfolgt ist. Weitere schwache Verben mit starken Nebenformen vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 426; Weinhold, Alem.Gr., § 376.

abewalgen (swv.): Eine singuläre Belegung für starke Flexion ist korpusextern nachweisbar: den grozen stain wielg er ab (*GvJudenb, 2296). gīgen (swv.): Die Wbb. zum Mhd. (MWB, BMZ, Lexer) weisen für gīgen neben sw. auch singuläre st. Bildungsweise des Präteritums aus (MWB 2, s. v.; vgl. dazu auch Grimm, DWB 5, 2568 u. 2575f). Im Grammatik-Korpus kann durch Zusatzexzerption ein sw. Part.Prät. belegt werden (swaz im wirt gegiget, Mart, [124v,100]). Starke Flexion von gīgen wird für das Frnhd. im Sfrk. angegeben (vgl. Schirmunski 2010, 572). salben (swv.): Singulär ist im Grammatik-Korpus starke Flexion von salben nach Klasse VII belegt: ‫܅‬ielben in mit mẏrren (PrMi, 34r,10f); korpusextern kann die starke Flexion ebenfalls vereinzelt nachgewiesen werden: ‫܅‬ielbe (*PsM, 41r,11), ‫܅‬ilbe (*GvJudenb, 754). spęhen (swv.): Das regelmäßig sw. flektierte spęhen ist im Reim im Part.Prät. singulär st. belegt: ge‫܅‬ehn  : ge‫܅‬pehen (Diet, 83vb,35f; 6327f). verƶėrn (swv.): Im frühen Mhd. sind stark flektierte Sg.Prät.-Belege in WNot belegt (uerzari, 5vb,1 und uerzare, 5vb,2), evtl. liegt eine Verwechslung mit dem ahd. st. Verb ƶęran (Kl. IV) vor (vgl. Ahd.Gr.I, § 340, Anm. 1, s. § V 139, Anm. 3). walƶen (swv.): walƶen ist im Grammatik-Korpus nur sw. belegt, starke Flexion im Pl.Prät. (wielƶen) und im Part.Prät. (gewalƶen) vgl. Lexer, s. v., BMZ, s. v. Lit.: Ahd.Gr.I; Ahd.WB; A. Bach (1930, 217 App.); A. Bach (1934, 213); Besch (1697, 95); BMZ; A. Bittner (1985); A. Bittner (1996); Dammel (2011, 149ff); Dollmayr (1903, 39, 42); Dornfeld (1912, 212f); Feudel (1961); Findebuch; Frnhd.Gr., § M 123.4; FrnhdWB; Gr.d.Frnhd.IV; Grimm, DWB 5, 2568, 2575f; Grimm, DWB 16, 248; Habscheid (1997, 145); Hempen (1986); Hübner (1938, 233); Koenraads (1953); Lexer; Marold (2004, XL); MWB 2; Nörrenberg (1884, 416); Nübling (2000, 249ff, 263f); Riecke (1994, 40ff); Scherer (1880, 431); Schirmunski (2010); Schirokauer (1962); Schützeichel, Ahd.WB; Splett, Ahd.WB; Stopp (1977, 1–34); Theobald (1992); Weinhold, Alem.Gr., § 376; Weinhold, Bair.Gr., § 323; Weinhold, Mhd.Gr.; WMU.

3. Besondere Verben

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3.3. Präterito-Präsentien 3.3.1. Übersicht

Präterito-Präsentien (Perfekto-Präsentien, vgl. Birkmann 1987, 2) haben bereits im Germ. eine kategorielle Verschiebung, d. h. eine Verlagerung von Formen einer in eine andere grammatische Kategorie erfahren: Es handelt sich um idg. Perfektformen, die im Germ. bereits als Präsens fungieren. Die Gruppe der Präterito-Präsentien umfasst im Mittelhochdeutschen elf Verben (bunnen, ėigen, durfen, gunnen, kunnen, mügen, müeȥen, soln, tugen, turren, wiȥȥen). Es sind ursprüngl. ablautende Verben, deren Präsensformen im Germ. als „direkte Fortsetzer des grundsprachlichen Perfekts“ (Bammesberger 1986, 72) zu betrachten sind und die seit dem Urgerm. ein sw. Prät. mit Dentalsuffix neu bilden. Im Vergleich zu den starken und schwachen Verben gibt es Besonderheiten in der Bildungsweise: –– Präterito-Präsentien bilden die 1./ ​3.Sg.Ind.Präs. in Übereinstimmung zur 1./ ​ 3.Sg.Ind.Prät. der st. Verben endungslos (ich kan, er darf statt bspw. ich sing-e, er sing-t), die 2.Sg.Ind.Präs. hat überwiegend Endung -t (du solt statt bspw. du sing-st), aber auch Endungslosigkeit (du darf) und -(e)s(t) sind möglich (du kanst, du mueȥes). Der Stammvokal ist, anders als bei einer Vielzahl st. Verben, für alle drei Personen im Ind.Präs. übereinstimmend. Im Präs. tritt ein numerusbezogener Vokalwechsel auf, der dem Präteritum-Ablaut der starken Verben entspricht (Präs. ich darf  – wir durfen wie st. Prät. ich warf  – wir wurfen). –– Entsprechend den Regelungen des Präteritum-Ablauts beim st. Verb findet auch bei den Präterito-Präsentien zwischen dem Sg.Ind.Präs. und dem Sg.Konj.Präs./ ​ Pl.Präs./ ​Inf. ein Vokalwechsel statt (ich weiȥ – ich wiȥȥe, wir wiȥȥen, ich kan – ich kunne, wir kunnen). Der Sg.Konj.Präs. weist regelmäßig den Stammvokal des Pl.Ind.Präs./ ​Inf. auf, wodurch im Sg. eine deutliche Modusunterscheidung vorliegt (Ind. gan  – Konj. gunne). –– Gegenüber einer durch Umlaut möglichen Konj.-Markierung (im Vergleich zu umlautlosem Ind., z. B. Pl.Prät. stürben neben sturben) kann der Umlaut bei den Prät.-Präs. sowohl im Ind. als auch im Konj. vorliegen (vgl. auch Birkmann 1987, 193). Einige Präterito-Präsentien haben zudem Umlaut im Inf. –– Die Verben durfen, mügen, soln, tugen und turren haben zusätzlich einen Vokalwechsel zwischen Pl.Präs. und Pl.Prät. (wir durfen – wir dorften, wir turren – wir torsten), die übrigen Vertreter der Gruppe bilden den Pl.Präs. und Pl.Prät. mehrheitlich mit dem gleichen Vokal (wir kunnen, wir kunten, wir mu(e)ȥen, wir mu(e)ȥten); bunnen, gunnen und kunnen bilden jedoch tendenziell bereits auch Prät. mit -oaus. –– Das Prät. wird analog den sw. Verben mit Dentalsuffix gebildet, ausschließlich ohne Vokal vor der Endung (dāhte, solte, s. § V 69, Anm. 1).

V 176

890

VII. Verben

Die Präterito-Präsentien sind ererbte starke Verben, deren Präsensformen im Germ. als „direkte Fortsetzung des grundsprachlichen Perfekts“ (Bammesberger 1986, 72) zu betrachten sind. Das idg. Perfekt als primär nicht-temporale Kategorie konnte im Zuge der Herausbildung der Tempora im Germ. verschieden weiterentwickelt werden. Beim Prät. der st. Verben erfolgte eine Schwerpunktverlagerung auf das temporale Merkmal des Vergangenheitsbezuges; die Präterito-Präsentien fokussieren dagegen die ursprüngliche Zustandsoder Resultativbedeutung des idg. Perfekts und entwickeln daraus Präsens-Bedeutung. Als Gruppe reflektieren sie die „älteste Bedeutung des indogermanischen Perfekts, die des Zustandes am Subjekt“ (Meid 1971, 18). Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Zuordnung nicht uneingeschränkt auf alle Präterito-Präsentien übertragen werden kann. Wahrscheinlich ist, dass nur wenige prototypische Verben im Vorgerm. diese Kategorie bildeten, der sich andere Verben vor allem aufgrund ähnlicher semantischer Eigenschaften anschlossen. Für eine inhaltliche Herleitung ist somit eine vom Idg. ausgehende Einzelbetrachtung nötig (vgl. Meid 1971, 18f; 32ff; Birkmann 1987, 63ff). Da bei den Präterito-Präsentien das Perfekt zum Präs. geworden war, wurde bei ihnen im Urgerm. eine neue (sw.) Formenreihe für das Prät. gebildet (s.  § V 69). Sofern die Perfektform des jeweiligen st. Verbs einen Numerusablaut aufwies, tritt dieser bei den Präterito-Präsentien entsprechend im Präs. auf. Auf der Ablautstufe nun des Pl.Präs. (eigentlich Pl.Prät. ‚Schwundstufe‘) sind der Inf., das Part.Präs. sowie das neue sw. Prät. gebildet worden. Daraus erklärt sich der aufgrund wgerm. Senkung entstandene Vokalwechsel zwischen dem Stammvokal des Pl.Ind.Präs. und den Formen des Prät. bei durfen, mügen, suln, turren (Prät. o, unterbliebene Senkung bei kunnen). Als ältester Vertreter der Präterito-Präsentien gilt wiȥȥen, dessen Bedeutungsentwicklung als „Transformation der Handlungsqualität“ (Meid 1971, 19) von der Aktion (‚Gesehenhaben‘ = Perfekt) zum resultierenden Zustand (‚Vorhandensein von Wissen‘ = Präsens) beschrieben werden kann. Häufige Verwendung verschob den Schwerpunkt der Aussage von der Handlung zum Ergebnis: Aus ‚ich habe erblickt‘ wurde ‚ich habe erblickt und weiß nun‘ = ‚ich weiß‘ (vergleichbar lat. video ‚ich sehe, erblicke‘). Die perfektivische Form des Verbs blieb bestehen, die Bedeutung wurde präsentisch. Diese semantische Perfektbedeutung im Präs. (im Sinne einer abgeschlossenen Handlung) kann nicht sicher für alle Präterito-Präsentien nachgewiesen werden, vorhanden ist diese bei wiȥȥen, soln, kunnen und ėigen (vgl. Meid 1971, 32f). Bei den anderen Präterito-Präsentien ist das Perfektive inhärent: „Charakteristisch an all diesen Wurzeln ist, daß die Handlung, die die Voraussetzung des Übergangs in einen Zustand ist, eine einmalige, abgeschlossene oder so vorstellbare ist, d. h. es liegt eine perfektive Aktion zugrunde, die einen in seiner semantischen Qualität ganz andersartigen Zustand auslöst“ (Meid 1971, 33). Anm. 1:  Die verbreitete Annahme, bei den Präterito-Präsentien sei ein ursprüngl. Präs. „verloren gegangen“, ist Birkmann zufolge „völlig falsch [...]; allenfalls kann man konstatieren, daß zu den Prät.präs. ein ursprüngliches Handlungspräsens (wie im Präs. der starken Verben) nicht belegt ist […]“ (1987, 64). Anm. 2:  Die Formengeschichte der Präterito-Präsentien steht im Zusammenhang der im Germ. vollzogenen Ausbildung eines reinen Tempussystems (Präs. und Prät.): Aus den idg. Kategorien Perfekt, Aorist und Präsens werden im Germ. die synthetischen Zeitformen Präsens und Präteritum ausgebildet. Gerade am Gebrauch der Präterito-Präsentien ist möglicherweise nachweisbar, dass aspektuelle Markierungen genutzt werden, um eine ausdrucksseitige Unterscheidung temporaler von modalen Informationen zu leisten. Zum Gebrauch der Präterito-Präsentien s. auch KSW IV.

3. Besondere Verben

891

Die Präterito-Präsentien unterliegen in ihrer Entwicklung einer semantisch-syntaktischen Ausdifferenzierung in Modalverben (sollen, dürfen, müssen, mögen, können) und Vollverben (gönnen, wissen, taugen); bunnen, ėigen und turren sind bis zum Nhd. untergegangen. Die zu den Präterito-Präsentien präfigierten Verben bedurfen, vermügen, übermügen und erkunnen zeigen eine Sonderentwicklung: Sie besitzen zwar die gleichen Flexionseigenschaften wie die Simplizia, werden aber im Allgemeinen als Vollverben verwendet. Anm. 3:  Die Formenentwicklung ist im Zusammenhang der funktionalen Profilierung der Prät.-Präs. einerseits zu ‚Modalverben‘, und d. h. ‚Hilfsverben‘ und andererseits zu ‚Vollverben‘ zu betrachten. So lässt die z. T. schon im Ahd. ausschließliche Verwendung u. a. von unnan als Vollverb erwarten, „daß die Sonderformen des Prät.präs. zugunsten von regulären Formen aufgegeben würde. Tatsächlich [... wird] dieses dann allmählich zu einem schwachen Verb umgeformt [...]“ (Birkmann 1987, 143). Für das Mhd. zeigt sich, dass bei den als Vollverben genutzten bzw. sich zu Vollverben entwickelnden Prät.-Präs. systematisch erwartbar nicht nur Angleichung an die sw., sondern auch an die st. Flexion belegt ist. Hinweise auf eine st. oder sw. Flexion ergeben sich erststellig durch einschlägige Part. Prät.-Formen (z. B. erbunnen oder gegunnet).

Den Präterito-Präsentien vergleichbar ist wėllen, auch dieses unregelmäßige Verb wird überwiegend als Hilfsverb in der Funktion als Modalverb verwendet und passt sich im sprachgeschichtlichen Verlauf morphologisch zunehmend an diese Verbgruppe an (vgl. dazu ausführlich Birkmann 1987 sowie § V 193ff): wėllen bildet ebenfalls ein einsilbiges Präs. in der 1./ ​3.Sg.Ind.Präs. (ich/ ​er wil) und weist einen Vokalwechsel zwischen Sg.Ind.Präs. und Pl.Präs./ ​Inf. (wil  – wėllen) sowie zwischen Präs. und Prät. auf (wil  – wėllen  – wollte). Zur semantischen, syntaktischen sowie morphologischen Entwicklung der Modalverben vgl. Hammerich (1960, 47ff) und Birkmann (1987).

Die meisten Präterito-Präsentien sind hochfrequent, Ausnahmen sind ėigen und bunnen, welche nur in wenigen paradigmatischen Positionen belegt sind (zu weiteren Belegen s. Weinhold, Alem.Gr., § 386; Bair.Gr., § 334), sowie gunnen, tugen und turren, deren Frequenz im Grammatik-Korpus jeweils erheblich geringer als die der übrigen Präterito-Präsentien ist. Diese Verben werden z. T. zu regelmäßigen sw. Verben umgebildet: tugen und gunnen leben als taugen und gönnen fort und werden wie sw. Verben flektiert, bunnen, ėigen und turren gehen im Verlaufe des Frnhd. unter. Die übrigen Verben passen sich an die Flexion der sw. Verben an: Das im Mhd. noch regelmäßige Flexiv -t der 2.Sg.Ind.Präs. (du maht, du solt) wird durch -(e)st verdrängt (nhd. du magst, du sollst). Die seit dem späten Ahd. neu entwickelten Part.Prät. (vorher gab es das Part.Prät. nur von wiȥȥen) werden sw. gebildet (nhd. gekonnt, gegönnt) (vgl. Ahd.Gr.I, § 370, Anm. 2). Typisch für die Präterito-Präsentien sind im Mhd. umgelautete Formen im Pl.Ind. Präs. und später auch im Inf. (vgl. Birkmann 1987, 194ff; Nübling 2009). Im Gram-

892

VII. Verben

matik-Korpus ist ausdrucksseitige Markierung des Umlauts nur selten belegt (insges. etwas häufiger im Pl.Ind.Präs. als im Inf.), so dass die angenommene Übernahme des Umlauts in den Inf. für das Mhd. anhand des Schriftbildes nicht sicher festgestellt werden kann (evtl. als Umlautgraphie zu werten sind Formen mit übergeschriei i i i benem i (‹u› ~ ‹v›: 4x wuzzen, 2x kvnnen in Rapp und SwSp, alem.), s. § V 181). Im Verlauf des Frnhd. entwickeln die Präterito-Präsentien außer soln regelmäßig Umlaut im gesamten Paradigma (können, dürfen, mögen, müssen). Zu den Anteilen der markierten Umlaute am jeweiligen Gesamt der Belege s. die Ausführungen zu einzelnen Verben § V 184f, V 187f, V 191f. Zum Umlaut s. § V 11f; Plural-Umlaut bei den Substantiven § S 75–77; sowie vgl. Wegera (1993, 97f). Anm. 4:  Im Verlaufe des Frnhd. wird der Umlaut auch in den Inf. übernommen. Ungeklärt ist jedoch die Herkunft des Umlauts im Pl.Ind. Möglicherweise – und viele Beobachtungen (besonders im Prät. der st. und auch der rückumlautenden Verben) sprechen dafür  – kann der Umlaut als Modalitätsmarker (analog zu Ablaut als Tempusmarker) ansgesehen werden. In der Forschungsliteratur werden verschiedene Gründe angeführt (eine zusammenfassende Diskussion auch der Kritik dieser Ansätze bei Birkmann 1987, 194ff sowie Nübling 2009), so wird etwa Einfluss durch die dem Verb folgenden Pron. wir, ir, sie angenommen (umlautbewirkendes i der Folgesilbe, z. B. Brenner 1895, 84: „das pronomen vermochte sich wol so eng im bewusstsein mit dem verbum verbinden, dass es auf den stammvocal des verbums wirken musste.“). Eine Übertragung aus dem Konj. vermutet z. B. Weinhold (Mhd.Gr., § 409ff: Verwendung von Konj.-Formen an der Stelle von Ind.Formen), eine Analogie nach den rückumlautenden Verben nimmt z. B. Fiedler an (1928, 188; vürhten  : vorhte > dürfen  : dorfte). Eine Erklärung, die mehrere bisherige Ansätze miteinander verbindet, liefert Birkmann (1987, 196ff) über eine Berücksichtigung des Gesamtsystems der mhd. Verben. Der im Gang befindliche Verlust einer ausdrucksseitigen Modusopposition bei den sw. und einer Vielzahl st. Verben (im Präs.) werde durch eine periphrastische Konj.-Umschreibung mit Hilfe der als Modalverben funktionierenden Präterito-Präsentien ausgeglichen. Dass zunehmend der Konj.Prät. statt des Konj.Präs. erscheine, hänge damit zusammen, dass dieser schon früh (inbesondere in Nebensätzen mit einer indirekten Aussage) unter Aufgabe seines Tempuscharakters nurmehr „eine größere Entfernung von der Wirklichkeit als die Präs.-Form“ signalisieren könne (Dal 1966, 137). Somit verdrängten die ursprüngl. Prät.-Formen die ursprüngl. Präs.-Formen in der Konj.-Funktion, so dass die entsprechenden Konj.-Formen als „Ind.-Formen interpretiert werden  – und dabei könnte das Muster der rückumlautenden Verben eine Rolle gespielt haben“ (Birkmann 1987, 198; vgl. auch Osthoff 1891, 212f; McLintock 1961; Lühr 1987). Ein aktueller Erklärungsversuch stammt von Nübling (2009, insbes. 219ff), die an allen bis­ herigen Thesen (mit Ausnahme von Lühr 1987) die Nichtbeachtung der ‚klaren Numeruszäsur‘ (219) kritisiert; sie verweist auf den nominalen Bereich und macht den Umlaut als „transkategoriellen Marker“ für den Plural aus (220). Anm. 5:  In der Tatsache, dass einige Prät.-Präs. Stammvokalwechsel zwischen den Formen des Pl.Präs. und Pl.Prät. aufweisen (z. B. wir durfen  – wir dorften) und andere nicht (z. B. wir gunnen  – wir gunnten), scheinen z. T. bis ins Germ. zurückreichende Ergebnisse des kombinatorischen Lautwandels ‚Senkung‘ auf: Die Prät.-Formen der Prät.-Präs. werden auf der Grundlage des ursprüngl. Schwundstufenvokals (u) des entsprechenden ablautenden Verbs gebildet, der jedoch vor a, e und o zu o gesenkt ist; Senkung unterblieb vor Nasal-

3. Besondere Verben

893

verbindung (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 26). Diese ursprüngl. Verhältnisse sind bereits im Ahd. nurmehr z. T. erkennbar, insofern „trotz der Nasalverbindung im Prät. o (onda, konda)“ vorkommen kann (Ahd.Gr.I, § 32, Anm. 1); schon für das Ahd. wird Analogie nach dorfta, torsta angenommen. Lit.: Ahd.Gr.I, § 32, Anm. 1, § 370, Anm. 2; Bammesberger (1986, 72); Birkmann (1987); Brenner (1895, 84); Dal (1966, 137); Fiedler (1928, 188); Hammerich (1960, 47ff); Lühr (1987); McLintock (1961); Meid (1971, 32ff); Nübling (2009); Osthoff (1891, 212f); Paul, Mhd.Gr., § L 26; Wegera (1993, 97f); Weinhold, Alem.Gr., § 386; Weinhold, Bair.Gr., § 334; Weinhold, Mhd.Gr., § 409ff.

Gemäß der Stammvokalalternation im Präs. und d. h. der ursprüngl. Alternation zwischen abgetönter Grundstufe (die Ablautstufe der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. der st. Verben im Ahd./ ​Mhd. entspricht dem Sg. des idg. Perfekts) und Schwund- oder Dehnstufe (idg. entspricht der Pl. des Perfekts der Ablautstufe u. a. des Pl.Prät. im Ahd./ ​Mhd.) lassen sich die Präterito-Präsentien den einzelnen Ablautklassen zuordnen: Ablautreihe I: wiȥȥen, ėigen; Ablautreihe II: tugen; Ablautreihe III: bunnen, gunnen, kunnen, durfen, turren; Ablautreihe IV: soln (jedoch mit der Schwundstufe soln statt des dehnstufigen ā im Pl.Prät. der st. Verben IV wie quālen, stālen); Ablautreihe V: mügen; Ablautreihe VI: müeȥen.

V 177

Anm. 1:  Abweichend von der Flexion des Prät. der st. Verben wird die 2.Sg.Ind.Präs. der Präterito-Präsentien nicht mit -e und dem (umgelauteten) Pl.-Ablaut gebildet (s. zur Bildung der 2.Sg.Prät. der st. Verben § V 116), sondern mit der Ablautstufe der 1./ ​3.Sg.Ind. und (mehrheitlich) mit dem ursprüngl. Perfektflexiv der 2.Sg.Ind. -t (du darf-t), das im Got. und Nordgerm. auch im Prät. der st. Verben erhalten ist, bspw. got. nam-t ‚(du) nahmst‘. Anm. 2:  Nur für das Verb wiȥȥen, welches auch als Vollverb verwendet wird, können sämtliche paradigmatische Positionen belegt werden. Die übrigen Präterito-Präsentien, die mehrheitlich als Hilfsverben verwendet werden, können nur selten oder vereinzelt im Inf., Imp. oder Part. (Präs. u. Prät.) nachgewiesen werden. Defektiv ist das Paradigma von ėigen, im Grammatik-Korpus können lediglich zwei Positionen (1./ ​3.Pl.Ind.Präs.) belegt werden (zusätzlich sind korpusexterne Belege für die 2.Sg.Ind.Präs. nachweisbar, bspw. in *VRechte), und von bunnen, welches nur in sechs präfigierten Formen belegt ist.

Im folgenden Übersichtsparadigma sind die sehr selten belegten Formen des Imp. (Sg. u. Pl.) sowie des Part.Präs. nicht aufgeführt (s. dazu unter den einzelnen Verben). Der Sg.Imp. flektiert überwiegend sw. (insges. 28  Belege; s. Anm. 1), der Pl.Imp. (127  Belege) wie der Pl.Präs., das Part.Präs. endet auf -ende (4x). Anm. 1:  Der Sg.Imp. ist mehrheitlich sw. flektiert und endet auf -e, lediglich 4x (von inse ges. 28 B.) ist Endungslosigkeit nachweisbar (vnd gunn mir, Hartw, 26r,6; M 1009; wiz, Lieht, ra ra r 6 ,12; 86,2 u. 6 ,20; 87,2; Hartw, 31 ,9; M 1535). Der Sg.Imp. ist überwiegend ab 213 belegt, vorher singulär im Bair., beide Belege mit -e (wizze, Wind, 195r,5a; wîzze, Mar, 89v,10; 5001) (anders Frnhd.Gr., § M 136, die von frühen wisse-Formen erst im 14. Jh. im Md. ausgeht). Anm. 2:  Das ehemalige Part.Prät. ėigen gilt als Adjektiv, es hat bereits im Ahd. keine Verbindung mehr zum Verbalsystem (vgl. Ahd.Gr.I, § 370, Anm. 2).

V 178

mueȥ, muȥ

VI

muest, must

maht, machs

Präsens

mueȥe, muȥe

muge, moge, mege

sul(l)e sol(l)e

turre

durfe

kunne

gunne



tuge



wiȥȥe

1./ ​3.Sg.Konj.

Abb. V 10: Flexionsübersicht Präterito-Präsentien

mac

tarst

tar

V

darf(s)t

darf

solt, salt

kans(t)

kann

sol, sal

gans(t)

gan

IV



enban

III







touc

wėist

wėiȥ

2.Sg.Ind.

II

I

1./ ​3.Sg.Ind.

mueȥes(t) muȥes(t)

mugest moges(t)

sules(t)

turrest

durfes

kunnes(t)

gunnes(t)







wiȥȥes(t)

2.Sg.Konj.

mueȥen muȥen

mugen mogen

suln, soln 3.Pl. sul(l)en(t) sol(l)en(t)

turren

durfen

kunnen 3.Pl. kunnen(t)

gunnen 3.Pl. gunnen(t)

en/ ​erbunnen

tugen

ėigen

wiȥȥen 3.Pl. wiȥȥen(t)

1./ ​3.Pl., Inf.

mues(t)e mus(t)e

mohte, mahte

solde, solte sulde, sulte

torste

dorfte

kunde (konde)

gunde (gonde)



tohte



wiste, wėste, wėsse wuste, woste

1./ ​3.Sg.

mues(t)en mus(t)en

mohten, mahten

solden, solten (sulden, sulten)

torsten

dorften

kunden (konden)

gunden



tohten



wisten, wėsten, wėssen

1./ ​3.Pl.

Präteritum Part.









bedurft

gekunt



erbunnen





gewėst

894 VII. Verben

895

3. Besondere Verben

3.3.2. Endungsflexivik 3.3.2.1. Präsens

Präs.

Belegt sind: Ind.

1./ ​3. -ø

Sg.

2.

Ind. Sg.

-(e)st ~ -(e)s (md.)

1./ ​3. ø, ‹e›, je 1x ‹en›, ‹t› 2.

-(e)

2.Sg.Imp.

1.

-(e)n

Pl.

2. 3.

2.Sg.Imp. Pl.

-t ~ -ø ~ -(e)s(t)

Konj. -(e)

V 179

Konj. ‹e›, ø, ‹i›, ‹en›

‹t›, ø, ‹s›, ‹st›, ‹es›, ø, ‹est›, ‹es›, ‹te›, ‹d›, je ‹ist›, ‹st›, ‹is›, 1x ‹e› 1x ‹th›, ‹est›, ‹ist› ‹e›, ø

1.

‹en›, ‹n›, ‹in›, ‹e›, ø, je 1x ‹on›, ‹ein›, ‹ne›, ‹ent›

-(e)t ~ -(e)nt (alem.)

2.

‹t›, ‹et›, ‹it›, ‹ent›, ‹int›, ‹d›, ‹nt›, ‹en›, 1x ø

-(e)n ~ -(e)nt

3.

‹en›, ‹n›, ‹in›, ‹ent›, ‹on›, ‹int›, ‹nt›, ø, je 1x ‹jn›, ‹ne›, ‹et›, ‹e›, ‹i›

Inf.

-en

Inf.

‹en›, ‹in›

Part.Prät.

-ende

Part.Prät.

‹ende›

Die Präterito-Präsentien sind in der 1./ ​3.Sg.Ind.Präs. endungslos (ich sal, er darf; zu vereinzelten Ausnahmen s. Anm. 1). In der 2.Sg.Ind.Präs. enden sie überwiegend (knapp 93% aller Belege) auf die alte Perfektendung -t (du salt, du wėist) (vgl. Ahd. Gr.I, § 370). Selten kann Endungslosigkeit (du darf, 2,6%, s. Anm. 2) sowie Endung auf -(e)st (du kanst, 1,6%) oder -(e)s (du mueȥes, 2,6%) belegt werden (s. Anm. 3). Zwei Drittel der Belege mit -ø, -(e)st und -(e)s stammen aus dem Md., insbes. dem Mfrk., möglicherweise liegt hier eine morphologische Anpassung an das Flexionsparadigma der sw. Verben vor. Im Nhd. ist Endung -st in der 2.Sg.Präs. regelmäßig (darfst, sollst, willst). Anm. 1:  In der 1./ ​3.Sg.Ind.Präs. ist in Einzelfällen auch Endung auf -e möglich (3 v. v 6937 Belegen): mage ih (Wind, 194r,7), Div ‫܅‬orge mage vn‫ ܅‬och niderdrvchen (DvATr, 62r,1f), v Dirre ‫܅‬ache bedarfe man wol (Baum, 23 ,19). Singulär sind -en in der 1.Sg. (‫܅‬olen ich, TrPs, e 89v,7) und -t in der 3.Sg. (min herce en‫܅‬alt nıt uortࠀ [= vürhten], BuMi, 68v,4). Die Übernahme der wmd. beliebten Endungen auf Nasal zeigt sich auch in der 1.Sg.Konj.Präs., hier o ist singulär -en belegt (ich [...] mugen, BuMi, 97 v,11). Bei den st. und sw. Verben ist Endung -en im Wmd. hingegen häufig (s.  § V 44). Anm. 2:  Die Bildung der 2.Sg.Ind.Präs. ohne t (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 416, 421) tritt vereinzelt auf bei soln (‫܅‬ol, TrPs, 12v,11), kunnen (vor allem mfrk., cans, BuMi, 67r,16), gunnen (gans, Parz, 150a,8; 524,20) und durfen (darf dv, Bart, 8vb,13).

896

VII. Verben

Anm. 3: Das s der Endung -st wird von der Forschung als sekundär eingefügt bewertet (‚euphonisches s‘ bei ganst, kanst; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 412f). Bei tarst (2.Sg.Ind.Präs.) ist das s als zum Stamm gehörig anzusehen (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 415): rs ist zu rr assimiliert (turren), rs bleibt jedoch vor t erhalten (tarst). Anm. 4:  Die 2.Sg.Ind.Präs. kann vereinzelt epithetisches e aufweisen (insges. 4x): die e mahte du wol (HLit, 89v,7; 522), mahte (DvATr, 75r,8 u. Bart, 9vb,4), ‫܅‬olte (DvATr, 78r,14).

Das Endungsparadigma des Konj.Präs., Sg./ ​Pl.Imp. und Pl.Präs. stimmt bis auf die 3.Pl.Präs. (s. u.) mit dem der st. und sw. Verben überein (Ausnahme: Sg.Imp.: Flexion analog zu den sw. Verben). Abweichungen und Besonderheiten sind meist landschaftlich bedingt. Der vokalische Bestandteil der Endung kann durch Apokope oder Synkope ausfallen. Der Imp. geht wie der der sw. Verben auf -e aus (wiȥȥe), im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum kann der Vokal apokopiert sein (wiȥ). Die 1./ ​3.Sg.Konj. Präs. endet vokalisch (ich/ ​er kunne; zu den verschiedenen Vokalen s. § V 26–30), die 2.Sg.Konj.Präs. auf -est (du kunnest) oder -es (du kunnes). Die Formen mit Endungsdental sind häufiger im Obd. und Ofrk., die ohne Dental häufiger im Md. Die 1.Pl.Präs. endet regelmäßig auf -en, bei folgendem Personalpronomen wir kann das n der Endung oder das gesamte Flexiv fehlen (s. Anm. 5). Synkope des Vokals kommt häufig (knapp 40% aller Belege) bei soln vor (wir soln). In der 2.Pl.Präs. ist -(e)t regelmäßig; überwiegend im Alem. kommt auch -ent vor, in allen anderen Landschaften ist diese Endung selten. Synkope des Vokals ist bei -et häufig (knapp die Hälfte der Belege; nach Nasal oder Liquid ist zudem selten Lenisierung möglich: sold, kund), bei -ent selten (ca. 5% der Belege: nur sulnt). In der 3.Pl.Präs. dominiert -en mit knapp 96% aller Belege, bei soln häufig mit Synkope des Vokals (soln). Hier liegt ein Unterschied zu den st. und sw. Verben vor, die in der 3.Pl.Präs. mehrheitlich -ent aufweisen (s.  § V 54); diese Endung ist bei den Präterito-Präsentien nur selten im Alem. und Rhfrk.-Hess. belegt. Zu den verschiedenen Vokalen im Endungsflexiv s. § V 26–30. Anm. 5:  Vor folgendem Personalpronomen wir ist in der 1.Pl.Präs. z. T. n-Abfall oder vollständiger Endungsabfall belegt (154 v. 1291 Belegen = 11,9%), bspw. waz bedurfe wir (MBeh, 227 v,26), da ‫܅‬vl wir (BKön, 11rb,23). Analog zu den st. und sw. Verben kann für dieses Phänomen keine signifikante regionale oder zeitliche Verteilung ermittelt werden (s.  § V 52, Anm. 3). Anm. 6:  Im gesamten Pl. können im Alem. kontrahierte Formen von soln und seltener von mügen vorkommen (ca. 1% der Belege): So mun [= mügen] wir gerne ‫܅‬triten (Mart, 21ra,23; 21,23); wࠇ ir ‫܅‬ont wi‫( ࠀ܅܅‬NikP, 74vb,15f); Dc ‫܅‬i die vattir eren ‫܅‬unt (Mart, 23ra,17; 23,17). Vgl. dazu auch Weinhold, Alem.Gr., § 379 sowie Boesch (1946, 203), demzufolge in der alem. Urkundensprache des 13. Jh.s. Kontraktionsformen von soln üblich sind: Im Grammatik-Korpus ist in UFreib1 knapp ein Drittel der Pl.-Formen kontrahiert (31 v. 86 Belegen), in UFreib2 gibt es hingegen keine kontrahierten Belege (0 v. 22 Belegen). Vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 409, 411. S. dazu auch § V 241, V 253. Anm. 7:  In der 1./ ​3.Pl.Präs. ist Vertauschung von -en zu -ne nach Liquid jeweils singulär (‫܅‬vlne, PrPa, 35,11; ‫܅‬ulne, ZwBR, 4r,10).

897

3. Besondere Verben

Anm. 8:  Singulär sind in der 1.Pl.Präs. -ent in BuMi (wir enwizzent niet, 60r,3) und -ein in PrZü (chࠈdein, 182vb,20), möglicherweise erweiterte Konj.-Endung; zu -ein in PrZü s. § V 52, Anm. 4, § V 10, Anm. 3 und § V 194, Anm. 8. Anm. 9:  In der 2.Pl.Präs. kann wie bei den st. und sw. Verben vereinzelt -en vorkommen e (uon diu ‫܅‬one mugen ir gen drin, Mem, 154v,28f; 11,6; get vnd hvtet. ‫܅‬in alz ir wol wizzen, a va ObEv, 25 ,16; Ir ‫܅‬vn [= sult] dc von ir merken, Mart, 19 ,13; 19,69). S. dazu auch § V 53, Anm. 2. o

Anm. 10:  Vereinzelt fehlt in der 3.Pl.Präs. das Endungsflexiv (uuiz, WNot, 6va,5; ‫܅‬cul, Hoff, 19v,20); möglicherweise handelt es sich um Schreibfehler oder wiederum Beeinflussung durch nachfolgendes Pronomen (in Hoff folgt Pers.-Pron.). In zwei Fällen fehlt das n der Endung, hier handelt es sich wohl um Verschreibungen (moge, OxBR, 8v,11; bedurfet, OxBR, 12r,27: in beiden Fällen ergänzt Sievers in seiner Edition n, 1887, 20 u. 30). 3.3.2.2. Präteritum

Prät.

Belegt sind:

Ind./ ​Konj. 1./ ​3. -(e)

Sg.

2.

-est ~ -es

1./ ​3. -en ~ -ent (alem.)

Pl.

2. Part.Prät.

Ind./ ​Konj. Sg.

2. Pl.

-et ~ -ent (alem.) -t (~ -en)

1./ ​3. ‹e›, ø, ‹i›, ‹a›, 1x ‹o›

1./ ​3. ‹en›, ‹in›, ‹e›, ‹on›, ‹ent›, ø, 1x ‹ent› 2.

Part.Prät.

‹es›, ‹est›, ‹is›, ‹ist›, ‹st›, je 1x ‹os›, ‹ost›

‹et›, ‹t›, ‹int›, ‹it›, ‹id›, ‹e› ‹t›, ‹en›

Zu den verschiedenen Vokalen im Endungsflexiv s. § V 26–30.

Die Präterito-Präsentien bilden das Prät. analog zu den sw. Verben mit Präteritalsuffix (s. Anm. 1; zu Ausnahmen s. Anm. 2 u. 3); Ind. und Konj. sind hinsichtlich der Endung nicht geschieden. Die 1./ ​3.Sg.Prät. hat -e (ich/ ​er dorfte, mohte); z. T. ist Apokope möglich (ich/ ​er solt, s. Anm. 5). In der 2.Sg.Prät. steht -es (du soltes) oder -est (du soltest). Die Verwendung der Endungen entspricht einem landschaftlichen Usus: -es kommt häufig im Md., insbes. im Mfrk., vor, -est überwiegt im Obd. Der Pl.Prät. endet in der 1./ ​3.Pers. -en (wir solten), in der 2.Pers. -et (ir soltet) oder -t (ir moht; durch Verschmelzung von tet zu t: Ekthlipsis). Im Alem. (sowie singulär in anderen Landschaften) ist im gesamten Plural -ent möglich, diese Endung bleibt aber sehr selten (ca. 1% am Gesamt aller Belege aus dem Alem.). Das Part.Prät. ist für das Mhd. nur selten belegt (9x), am häufigsten ist das Part.Prät. für das nicht modale wiȥȥen nachgewiesen. ­Mehrheitlich wird sw. flektiert: wirt bidurft (ZwBR, 47r,6), hette gekunt (Hleb, 16r,20), gewe‫܅‬t hab (Rupr, 95,7), st. flektiert ist erbunnen (ir habt vn‫ ܅‬hinne erbvnnen, Nib, 86r,1; 2364,4).

V 180

898

VII. Verben

Zum Part.Prät. der Präterito-Präsentien vgl. auch Ahd.Gr.I, § 370, Anm. 2. Auch außerhalb des Grammatik-Korpus können nur vereinzelt Belege für das Part.Prät. nachgewiesen werden (Ausnahme wiȥȥen, s. o.). Durch Zusatzexzerption kann het [...] gegvnnen (Nib, [1873,4]) ermittelt werden, in Wörterbüchern des Mhd. sind außerdem het gegunnen (*Eracl, 4808) sowie het(t) gemöcht (*Lanc, 489,15 u. 496,24) belegt. Anm. 1:  Das Präteritalsuffix wird bei den Präterito-Präsentien ohne Vokal dem Stamm angefügt (Weinhold, Mhd.Gr., § 408, nennt als Ausnahme mügen, führt jedoch keine Belege an). Häufig (je nach Paradigmaposition 25–30% der Belege) wird t zu d lenisiert (gunde, solden), diese Belege stammen überwiegend aus dem Md. Zu d für t vgl. auch Paul, Mhd. Gr., § L 73). o

Anm. 2:  Im gesamtem Prät. kann der Dental fehlen (Seht do mv‫܅‬e ich von ir, Iw, 8r,26; 39); dies kann mehrheitlich bei Formen von müeȥen (gut ein Viertel aller müeȥen-Belege) sowie vereinzelt bei anderen Präterito-Präsentien belegt werden. Das Vorkommen ist auf den obd. Raum bis 213 konzentriert, in anderen Landschaften sowie in 114 gibt es nur vereinzelte Belegungen (bspw. ‫܅‬i mo‫܅‬en, AlxS, 2272; 3 v. 6 müeȥen-Belegen in AlxS). Anm. 3:  Formen ohne t bei wiȥȥen: wisse/ ​wėsse (daz erne we‫܅܅‬e waz er tet, PrMi, 24r,15; insges. knapp 12% aller wiȥȥen -Belege) sind auf Assimilation zurückzuführen, im Laufe der Sprachgeschichte wurde t durch die Angleichung an die regelmäßige Personalendung eingefügt: wiste/ ​weste (vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 418f). Befunde des ‚Referenzkorpus Mittelhochdeutsch‘ bestätigen diese Entwicklung, so sind Formen ohne t im 12. Jh. noch regelmäßig, im 14. Jh. bereits die Ausnahmen, s. https://www.linguistics.rub.de/rem/index. html. Anm. 4:  turren bildet das Prät. durchgehend mit stammschließendem s (torste). Das -sgehört bei turren zum ursprünglichen Stammausgang -rs-: Hier erfolgte Assimilation -rszu -rr- (turren), außer vor t, hier blieb -rs- erhalten (torste). Anm. 5:  In der 1.Sg.Prät. fällt der Endungsvokal mit knapp 30% aller Belege (74 v. 254 Belegen) deutlich häufiger aus als in der 3.Sg.Prät. mit 18,4% aller Belege (401 v. 2186 Belegen). Endungslosigkeit überwiegt im Obd. und Ofrk., im Md. ist sie nur selten belegt, diachron ist eine Zunahme zu beobachten. Für die 1.Sg.Prät. kann eine Bindung an ein vokalisch anlautendes Pronomen nachgewiesen werden (Solt ich, Parz, 149b,47; 524,5; moht ich, GnaÜ, 79,9), zwei Drittel aller apokopierten Belege stehen vor ich (s. 1.Sg.Prät. swv. § V 59, Anm. 1). Anm. 6:  Belege mit -en in der 3.Sg.Prät. sind als Verschreibungen zu werten (insges. 3x: e ‫܅‬tunde  : kvnden, Yol, 78v; 4979f; daz wazzer [...] mo hten, Baum, 173r,1; da mohten man ‫܅‬cowen, AlxS, 3293). Anm. 7:  In der 1.Pl.Prät. kann der Nasal der Endung oder das gesamte Flexiv fehlen, wenn das Personalpronomen wir folgt (16 von 95 Belegen; mohte wir, Hoff, 12v,16f; mv‫܅‬t wir, BKön, 2vb,6f). Anm. 8:  Die 3.Pl.Prät. ist vereinzelt (4 v. 645  Belegen) mit Endung ‹e› belegt, hier liegen vermutlich sämtlich Fehler vor (Verwechslungen von Sg. und Pl., bspw. daz peter vࠁ paulvs. die baren tragen ‫܅‬olde, Himlf, 232,10f; 1190f). Vergleichbare Fälle kommen auch bei den st. und sw. Verben vor, bspw. im Pl.Präs., s. § V 54, Anm. 3. Lit.: Ahd.Gr.I, § 370, Anm. 2; Boesch (1946, 203); Frnhd.Gr., § M 136; Paul, Mhd.Gr., § L 73; Weinhold, Alem.Gr., § 379; Weinhold, Mhd.Gr., § 409–421.

899

3. Besondere Verben

3.3.3. Stammflexivik 3.3.3.1. Ablautreihe I

(1) wiȥȥen

(-)‌wiȥȥen (1205)

V 181

Belegt sind:

wiȥȥen

Ind.

Konj.

wiȥȥen

Sg.Präs.

ei

i

Sg.Präs.

‹ei›, ‹ai›, ‹êi›, ‹ey›, ‹æi›, ‹e›

Pl.Präs., Inf., Imp.

‹i›, ‹u›, ‹y›, je 1x ‹o›, ‹e›

Prät.

‹e›, ‹i›, ‹u›, ‹u›, ‹o›, ‹y›, 1x ‹o›

Pl.Präs., Inf., Imp. Prät.

i e (obd.) ~ i (md.) ~u~o

Ind.

Konj. ‹i›

i

i

e

Das Verb wiȥȥen weist im Sg.Ind.Präs. Stammvokal ėi (ich wėiȥ) auf, alle übrigen paradigmatischen Positionen des Präs. weisen einen Vokalwechsel auf und flektieren regelmäßig i (ich wiȥȥe, wir wiȥȥen, wiȥȥende), landschaftliche Abweichungen sind möglich (s.  Anm. 1–3). Anm. 1:  Im Sg.Ind.Präs. können neben ‹ei› auch die lautlichen/ ​graphischen Varianten ‹êi› ~ ‹ai› ~ ‹æi› ~ ‹ey› stehen, ‹ai› und ‹æi› erscheinen obd., insbes. bair. und alem.-bair., ‹ey› stammt ausschließlich aus der mfrk. Hs. Taul. In zwei Einzelbelegen steht ‹e› (wez, RhMl, 89v,15; 4896; vvez, LEnt, 172v,5; 13,19: In LEnt ist auch in anderen Wortarten häufiger ‹e› für ėi möglich, bspw. enir < ėin (Art.), 171v,1; 4,5 oder heligi < hėilic (Adj.), 172v,2; 13,11. Anm. 2:  In der alem. Hs. Rapp steht in 8 von 22 Pl.Präs.-/ ​Pl.Imp.-Belegen und in allen i i i Inf.-Belegen ‹u› (wu‫܅܅‬ent, wu‫܅܅‬en); zur Wertung als Umlaut s. § V 12. Anm. 3:  Singulär steht im Inf. ‹e› in PrRei (1 v. 11 Belegen in PrRei) möglicherweise durch Reim bedingt (gezzen  : wezzen, 18a,41f). In VLilie gibt es einen Einzelbeleg mit ‹o› im Pl.Präs. (Si in wozen des niet, 35v,7f; 15,13; 1 v. 6  Belegen in VLilie); dies entspricht dem allgemeinen Befund für das Mfrk., nach dem dort ‹o› für i eintreten kann (vgl. Paul, Mhd. Gr., § E 40.4).

Das Prät. (zu Assimilationsformen -st- zu -ss- s. § V 180, Anm. 3) flektiert mehrheitlich im Obd. und selten im Omd. e (wėste, wėsse), im Md. und seltener im Obd. i (wiste, wisse; mfrk. auch ‹y›). In 114 (singulär auch früher) kann im Alem. und Md. i i der Stammvokal ‹u› oder ‹u› sein (wu‫܅‬te, BeEv, 8r,26; wu‫܅‬te, RWchr, 234va,17; 31965); im Md., insbes. Omd., ist auch ‹o› belegt (wo‫܅‬te, BeEv, 9r,4; wo‫܅‬te, JMar, 102v,10), e e singulär in LuKr ‹o› (Al da ‫܅‬ie wo ‫܅‬ten ‫܅‬alatin, 36r,15; 2111). Das Part.Prät. wird sw. gebildet (gewėst; zu st. Flexion s. Weinhold, Mhd.Gr., § 419), die Belege stammen aus dem späten Mhd. (5x). Diese sw. Bildung des Part.Prät. als Teil des Verbparadigmas scheint erst seit dem 13. Jh. herausgebildet zu werden, möglicherweise kommt die Verwendung des Part.Prät. als Teil des Verbparadigmas erst spät auf. Für das Ahd.

900

VII. Verben

wird st. Bildung ausgewiesen (giwiȥȥan, Ahd.Gr.I, § 371, vgl. auch Birkmann 1987, 137), die mhd. nurmehr adjektivisch belegt bleibt (do warn ‫܅‬umeliche engile da ze himile. die de‫ ܅‬nie gewizzin wrdin. daz got menni‫܅‬che wa‫ ܅‬wortin, Spec, 64r,11, Iohannes der wí‫܅܅‬e Suter, UFreib2, 5,17). Anm. 4:  Die Entstehung des Prät. mit -u- ist nicht eindeutig geklärt, Paul (Dt.Gr.II, § 190) nimmt Einfluss von Seiten des Konj. an, indem -i- als Umlaut von u aufgefasst wird, zu dem ein Ind. u gebildet wird. Fiedler (1928, 188) nimmt Beeinflussung durch ,Rückumlaut‘ an: wiȥȥen  : wusste wie küssen  : kuste. S. Anm. 2.

(2) ėigen V 182

ėigen (3) ‚haben, besitzen‘ Das Verb ėigen ist im Mhd. nur vereinzelt belegt, im Grammatik-Korpus gibt es zwei Belege aus 211/ ​112 (WNot: eigen) sowie einen aus 113 (eigen als Reimwort zu zeigen, Hchz, 142v,12f; 61f). Es handelt sich bei diesen Belegen um die 1. und 3.Pl.Präs., der Stammvokal ist ėi; alle übrigen Paradigmapositionen sind nicht belegt (zu weiteren Belegen siehe MWB 1, s. v.), s. § V 177, Anm. 2. Anm. 1:  Traditionell wird ėigen zur Ablautreihe I zugeordnet; da ėigen jedoch nicht den zu erwartenden Vokal i aufweist, ist die Zuordnung unsicher (vgl. Ahd.Gr.I, § 371, Anm. 5; zur Erklärung des fehlenden Ablauts vgl. LIV, 223). 3.3.3.2. Ablautreihe II, tugen

V 183

(-)‌tugen (66) Belegt sind: tugen Sg.Präs.

Ind.

Konj.

ou

u

tugen

Ind.

Sg.Präs.

v

‹ou›, ‹o›, je 1x ‹u›, ‹u›, ‹oi›, ‹u›, o ‹o›, ‹av›, ‹u›, ‹o›, je 1x ‹v›, ‹o›, ‹û› ‹ôv›, ‹ôu› o

Konj. e

e

o

o

e

Pl.Präs., Inf.

u

Pl.Präs., Inf.

‹u›, ‹u›, ‹u›, je 1x ‹v›, ‹v›, ‹v›, ‹oi›

Prät.

o

Prät.

‹o›, je 1x ‹oi›, ‹o›

e

Anm. 1:  Die Umbildung von tugen zum sw. Verb erfolgt erst nach dem Mhd. (erkennbar an g-Form im Prät. (Rückgängigmachen des Primärberührungseffekts, mhd. nur als Ausnahme belegt: entog, *HeimlBote, 90), Diphthongform ou im Prät., u-Formen im Sg.Präs., Endung der 2.Sg.Ind.Präs. auf -t und der 1.Sg. auf -e). Der in der Forschungsliteratur angegebene frühere Zeitpunkt „bereits im 12. Jh.“ (Paul, Mhd.Gr., § M 96; vgl. Frnhd.Gr., § M 138) kann weder durch das Grammatik-Korpus noch durch sekundär ermittelte Belege bestätigt werden. Bei in der Forschungsliteratur angegebenen Belegen für sw. Verwendung handelt es sich z. T. um Verwechslungen mit den sw. Verben dougen und toug(en)en.

901

3. Besondere Verben

Das Verb tugen ist nur in wenigen paradigmatischen Positionen nachgewiesen, weil es meist unpersönlich verwendet wird, was es als Modalverb untauglich macht: Öfter kommt es in der 3.Sg.Ind.Präs. (12x), 3.Sg.Konj.Präs. (13x) und 3.Sg.Prät. (29x) vor; die 1.Sg.Konj.Präs., 1./ ​3.Pl.Präs., 3.Pl.Prät. und der Inf. sind vereinzelt belegt (jeweils < 5x). Zwischen dem Sg.Ind.Präs. und dem Sg.Konj.Präs./ ​Pl.Präs. liegt ein Vokalwechsel vor: Der Sg.Ind.Präs. flektiert regelmäßig ou (er touc, zu Ausnahmen s. Anm. 2), die übrigen Präsensformen flektieren mehrheitlich u (er tuge, sie tugen), im o Mfrk. (VLilie, RhMl) sowie selten im Alem. und alem.-bair. Übergangsraum ist ‹u› o belegt (dugen, RhMl, 38v,2; 2163; tuogen, ZwBR, 52r,2). Formen mit übergeschriebenem e e ‹e› (‹u› ~ ‹v›; 6 v. 22 Belegen) sind im Sg.Konj., im Pl.Präs. und singulär im Inf. belegt und stammen überwiegend aus dem Alem. und dem alem.-bair. Übergangsraum; nicht alle Belege sind eindeutig dem Konj. zuzuordnen. Zwischen Präs. und Prät. liegt ein Vokalwechsel u > o vor: Das Prät. flektiert durchgängig mit o (tohte, mfrk: e ‹oi›, alem.-bair.: ‹o›). Zum Wechsel von g und h (tuge vs. tohte) vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 66. Anm. 2:  Im Sg.Ind.Präs. singulär ist ‹av› (tavg, Wins, 63vb,21, a42,5), der Diphthongwandel (ou > au) ist in dieser Hs. durchgängig auch in anderen Wortarten belegt, bspw. augen, o o haubet). Weitere Einzelbelegungen sind ‹ow›, ‹ôv›, ‹ôu› und ‹u› (duch, PLilie, 14r,12). Im Rhfrk.-Hess. kann im gesamten Präs. der Stammvokal ‹o› sein (3.Sg.Ind.Präs.: doc, Himlf, 245,1; 1390; 3.Sg.Konj.Präs.: doge, Erlös, L2va,25; 2504). 3.3.3.3. Ablautreihe III

(1) Überblick Belegt sind: b/ ​g/ ​kunnen Sg.Präs. Pl.Präs., Inf., Imp. Prät.

Ind.

Konj.

a

u u

u ~ o (insbes. ofrk.)

b/ ​g/ ​kunnen

V 184

Ind.

Konj. e

Sg.Präs.

‹a›

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, e i je 1x ‹v›, ‹v›

Pl.Präs., Inf., Imp.

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹u›, ‹o›, ‹v›, ‹v›, 1x ‹o›

Prät.

‹u›, ‹v›, ‹o›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, ‹u›, je 1x ‹iv›, ‹ui›

o

e

o

o

e

i

e

e

v

Die Verben bunnen, gunnen und kunnen flektieren analog zur Ablautreihe IIIa, im Prät. kann insbes. ab 213 und vor allem im Ofrk., Omd., aber auch im Alem. Stammvokal o vorkommen (konden, GnaÜ, 4,12); s. § V 133, Anm. 1. Die Bildung des Prät. mit o kommt bereits im Ahd. vor, vermutet wird eine Analogie zu dorfta und torsta (Ahd.Gr.I, § 32, Anm. 1). gunnen ist durch Verschmelzung des Präfixes gi mit dem Simplex unnen entstanden (gan) (noch präfixlos im Ahd., vgl. Ahd.Gr.I, § 373 sowie bei Notker, Ahd.WB, s. v., vgl. Sehrt 1962, 251), vgl. auch das mhd. noch selten belegte, präfixlose Substantiv anst ‚Wohlwollen‘

902

VII. Verben

(en‫܅‬te, TrHL, 9v,16) neben dem häufigeren gunst. Das ahd. Simplex an, unnun, Prät. onda ist durch das Präfixverb verdrängt worden. Ob die Verben mit bunnen auf bi-unnen zurückzuführen sind (so Ahd.WB 1, 1490; Wilmanns, Dt.Gr.I, § 330), wird kontrovers diskutiert (Ahd.Gr.I, § 77, Anm. 3; vgl. auch Kluge 1909, 149; Kluge/ ​Seebold, EWB s. v. erbarmen; EWA I, 478ff, s. v. irbarmen). Belegt sind: durfen/ ​turren

Ind.

Konj.

a

u

Sg.Präs. Pl.Präs., Inf., Imp. Prät.

u o ~ u (selten md.)

durfen/ ​turren

Ind.

Konj.

Sg.Präs.

‹a›, ‹ai› 1x ‹o›

Pl.Präs., Inf., Imp.

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹u›, ‹o›, ‹v›, ‹v›, 1x ‹o›

Prät.

‹o›, ‹o›, ‹u›, ‹v›, ‹oi›, 1x ‹ô›

o

e

‹u›, ‹v›, je 1x e ‹iu›, ‹o› e

i

v

e

Die beiden Präterito-Präsentien mit Liquid + Kons. nach Stammvokal durfen und turren flektieren analog den st. Verben der Ablautreihe IIIb, abweichend zu kunnen/ ​ gunnen/ ​bunnen ist der Stammvokal im Prät. regelmäßig o (zu Stammvokal o und u im Prät. s. § V 136). (2) bunnen V 185

en-/ ​er-bunnen (8) Anm. 1:  Durch Zusatzexzerption nachgewiesen ist verbunnen [verbvnde, Parz, 138a,12; 481,18].

Das Verb (-)‌bunnen ist nur vereinzelt im Sg.Ind.Präs. (3x), Pl.Präs. (1x), im Inf. (2x) und Part.Prät. (2x) belegt. Der Sg.Ind.Präs. flektiert ausnahmslos a (en/ ​erban), im Pl.Präs. erscheint singulär eine möglicherweise umgelautete Form im alem.-bair. e Übergangsraum (enbunnen, Hartw, 21v,20; M 582). Der Inf. ist ohne Umlautmarkierung belegt (erbunnen). Das Prät. ist nicht nachgewiesen, die beiden Part.Prät.-Belege flektieren stark (erbunnen, Nib, 86r,1f; 2364,4 u. 87r,2; 2389,3). (3) gunnen V 186

gunnen (ver- ‚missgönnen‘) (67) Das Verb gunnen flektiert im Sg.Ind.Präs. ausnahmslos a (gan), alle übrigen paradigmatischen Positionen mehrheitlich u (‹u› ~ ‹v›) (ich gunne, wir gunnen, ich gunde, si gunden; Ausnahmen s. Anm. 1). Möglicherweise umgelautete Präs.-Formen sind e nur selten im alem.-bair. Übergangsraum belegt (2 v. 27 Belegen: gunn, Hartw, 26r,6; e ra M 1009; gunne, Türh, 105 ,50; 16892); Belege im Inf. sind nicht nachgewiesen.

903

3. Besondere Verben o

o

o

Anm. 1:  Im Prät. treten vereinzelt Formen mit ‹u› auf (gunden, Kchr, 70va,34; 16537; gunde, Göll, 2va,22; A 260). Im Rhfrk.-Hess. und Omd. kann Stammvokal ‹o› vorkommen (Inf: gonnin, SalH, 137,9; 3. Sg.Prät.: gond(e), AthP, 6va,1; 6,85). Anm. 2:  Birkmann (1987, 207) und v. Kienle (1969, 275) zufolge beginnt im Mhd. die Umbildung von gunnen zum sw. Verb; beobachtbar zunächst im Part.Prät. (gegunnet, gegunst). Dies wird erst spät und vereinzelt anzunehmen sein, da für gunnen allein außerhalb des o Grammatik-Korpus ein Einzelbeleg in 114 (gegunnit, *Klagschrift, 1r,13) gefunden werden kann. Die Partizip-Belege in MWB 2 (s. v.) sind st. flektiert (gegunnen).

(4) kunnen

(-)‌kunnen (830)

V 187

Das Verb kunnen flektiert im Sg.Ind.Präs. ausnahmslos a (kan), alle übrigen paradigmatischen Positionen haben mehrheitlich u (ich kunne, wir kunnen, ich kunde), die vor Nasal häufige Senkung zu o ist im Präs. selten (< 10%), im Prät. häufiger belegt (gut ein Fünftel der Belege: wir konnen, er konde). Die Belege mit o im Präs. stammen ausschließlich aus dem Rhfrk.-Hess. (RhTun, SalH), im Prät. nimmt die Menge der Belege mit o von 213 auf 114 erheblich zu und stammt mehrheitlich aus dem Omd., Ofrk. und Alem. Mögliche Umlautmarkierung durch übergeschriebenes e e ‹e› (‹u› ~ ‹v›) kommt im Sg.Konj.Präs. (13,4% aller Konj.-Belege) und Pl.Präs. (7,5% aller Pl.-Belege) vor. Sämtliche Belege stammen aus dem alem.-bair. Übergangsraum (Türh, Hartw) und dem Ofrk. (Renn, Lupo). Im Prät. kann in den genannten Hss. e e e des alem.-bair. Übergangsraums ebenfalls ‹u› ~ ‹v› nachgewiesen werden (So ku nde rc ez niht ge‫܅‬hehen ‫܅‬in, Türh, 151 ,4; 35013; insges. knapp 17% aller Belege dieser Lande schaft), nicht alle Belege sind eindeutig dem Konj. zuzuordnen. ‹o› ist ausschließlich e e in 114 im Ofrk. und Alem. belegt (konde‫܅‬t, NikP, 47ra,12f; konde, Renn, 156ra,18; 23889), alle Belege stammen aus dem Prät. (zu o im Präs. und Prät. vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 413). Anm. 1:  Im Pl.Präs. sowie im Prät. kann insbes. im Mfrk., singulär auch im Omd. und o o o Ofrk. ‹u› vorkommen (kunde, Göll, 2rb,6; A 212; kundࠀ, Lupo, 229rb,4; 2,132), in Kchr tritt v v i i singulär auch ‹o› auf (chonnen, Kchr, 73vb,2; 17265). Im Alem. sind ‹u› ~ ‹ui› ~ ‹v› belegt (RWchr, Rapp, SwSp).

(5) durfen

(-)‌durfen (226) Das Verb durfen flektiert im Sg.Ind.Präs. a (darf, mfrk. auch ‹ai›), im Bair. singulär ‹o› (dorf, Bart, 15vb,3). Im Sg.Konj.Präs. ist Stammvokal u (‹u› ~ ‹v›) ausschließlich, im i o Inf. und Pl.Präs. mehrheitlich belegt (im Alem. auch ‹u›, im Mfrk. auch ‹u›). Selten (4 v. 71  Belegen) können ab 213 im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum Belege mit e e möglicher Umlautmarkierung auftreten (dvrfen, ObEv, 54b,33; durft, Türh, 63va,55; 701).

V 188

904

VII. Verben

Alem. und md. ist selten (4 v. 71 Belegen) ‹o› möglich (dorfint, Flor, 5a,1; 5210; bedori fen, OxBR, 8v,29). Im Prät. ist Stammvokal o regelmäßig (dorfte, im Mfrk. auch ‹o›), im Alem. und alem.-bair. Übergangsraum selten mit möglichem Umlaut (2 v. 47 Bee legen, bedorfte, NikP, 39vb,4); singulär ist im Rhfrk.-Hess. und Alem. auch ‹v› möglich, der einzige Beleg für das Part.Prät. flektiert sw. mit Stammvokal ‹u› (bidurft, ZwBR, 47r,6). Anm. 1:  Im Mfrk. können r oder f im Stamm ausfallen, in P/ ​VLilie erscheinen sämtliche Belege verkürzt (4x: dart, 47 v,7; 22,24; daf, 57 v,14; 29,4; dorte, 62v,8; 32,2; dorten, 54r,7; 26,25; vgl. dazu auch Wüst 1909, XXIV: „Die Fälle dorte, vorte, vorten enthalten neues rt, das erst niederrheinisch durch Ausfall des dazwischen liegenden Konsonanten entstanden ist“; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 416); in Taul gibt es eine singuläre Belegung (bedoirte, 4r,11). Vergleichbar kommt dies bei Formen von vürhten im Mfrk. vor (vortit, Taul, 3r,8).

(6) turren V 189

(-)‌turren (158) Das Verb turren flektiert im Sg.Ind.Präs. ausnahmslos a (tar). Im übrigen Paradigma des Präs. und im Inf. steht mehrheitlich u (‹u› ~ ‹v›), singulär sind ‹iu› in Hartw e e (getiure‫܅‬t, 26r,12; M 1021) und ‹o› in Rapp (ich getorre, 203ra,37; 17390). Im Prät. ist ‹o› i regelmäßig (90%; torste, zu -st- s. o. § V 180, Anm. 4, mfrk. auch ‹o›). Im Rhfrk.-Hess. und Omd. ist ‹u› möglich (getur‫܅‬tin, AthP, 2vb,18; 2,144; dur‫܅‬te, OxBR, 4r,36) (Weinhold nennt seltenes u außer für das Md. auch für das Bair., vgl. Weinhold, Mhd.Gr., e § 415). Umlaut ist im Konj. im Obd. und Ofrk. belegt (4 v. 74  Belegen; tor‫܅‬t, Nib, e r v 84 ,32; 2326,3; getor‫܅‬t, DvATr, 64 ,4). 3.3.3.4. Ablautreihe IV, soln

V 190

soln (8206) soln Sg.Präs.

Belegt sind: Ind.

Konj.

o (obd.) ~ a (md.) ~ u

u~ o (wmd.)

soln

Ind.

Sg.Präs.

‹o›, ‹a›, ‹u›, ‹v› o

Konj. o

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, e e i ‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹oi›, e o je 1x ‹o›, ‹v› e

e

i

Pl.Präs., Inf., Imp.

u ~ o (alem., wmd.)

Pl.Präs., Inf., Imp.

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, ‹u›, ‹vi›, ‹v›, ‹u›, e o i ‹uo›, ‹oi›, ‹o›, ‹v›, 1x ‹v›

Prät.

o ~ u (rhfrk.-hess.)

Prät.

‹o›, ‹o›, ‹oe›, ‹oi›, ‹u›, ‹u›, je 1x ‹u›, i ‹o›

e

o

e

Die Flexion von soln zeigt starke regionale Unterschiede, in fast allen paradigmatischen Positionen können solche landschaftlich distribuierten, konkurrenten Verwendungen ausgemacht werden. Im Sg.Ind.Präs. flektiert soln im Obd. regelmäßig (98,7%) und Ofrk. ausschließlich o (ich sol); vereinzelt ist u belegt (< 1%; ‫܅‬vlt, PrPa,

905

3. Besondere Verben

31,14; ‫܅‬ull, GnaÜ, 108,10). Im Md. liegt mehrheitlich Stammvokal a (ich sal) vor (zur Varianz ‹o› ~ ‹a› in TrPs s. Anm. 1). Im Sg.Konj.Präs. sowie Pl.Präs. (Imp., Inf.) dominiert Stammvokal u (‹u› ~ ‹v›), im Wmd., insbes. im Rhfrk.-Hess., kommt häufig ‹o› vor (s. Anm. 1). Im Prät. ist o überall regelmäßig (mfrk. in 114, Yol, Taul auch i e ‹oi› ~ ‹o›). Mögliche Umlautmarkierung (‹oe› ~ ‹o›) kann ab 213 im alem.-bair. Übere e gangsraum sowie im Alem. und Ofrk. belegt werden (< 5%; ‫܅‬olt, UAugsb1, 6,23; ‫܅‬olten, o ra Renn, 8 ,25; 407). Im Rhfrk.-Hess. ist in 114 (singulär auch in 213) ‹u› oder ‹u› mögo lich (‫܅‬ulte, Erlös, 2va,38; 1151; ‫܅‬u lde, Elis, 14r,4; 626). Anm. 1:  Die rhfrk. Hs. TrPs (112) weist im Sg.Konj.Präs. sowie Pl.Präs. ein paralleles Vorkommen von ‹o› und ‹a› auf. Die Formen mit ‹a› sind möglicherweise auf alem. Einflüsse in dieser Hs. zurückzuführen (vgl. Kirchert 1979, 240). Anm. 2:  Im Sg.Konj.Präs. wird ‹u› in knapp 15% der Fälle (371x) durch übergeschriebenes o o ‹o› ergänzt (‹u› ~ ‹v›), die Belege stammen zum großen Teil (knapp 84%) aus dem Mfrk. e Ab 213 kommt im Bair., Alem.-Bair. und Ofrk. vermehrt Überschreibung durch ‹e› auf (‹u› e ~ ‹v›), in 114 betrifft es knapp die Hälfte der Belege in diesen Landschaften; nicht alle e Belege sind als Konj. zu werten (Ir ‫܅‬ult mir willechomen ‫܅‬in, Lieht, 63va,26; 934,2). Im Alem. i i tritt ab 213 häufig ‹u› (~ ‹v› ~ ‹ui›) auf (ab 213 mehr als die Hälfte aller alem. Belege). Das Vorkommen von ‹o› im Wmd. ist meist auf bestimmte Hss. beschränkt: So haben SalH, OxBR und UMainz überwiegend ‹o›; PrM und Hleb ausschließlich ‹u›; Erlös und PrRei e verwenden beide Vokale), in der mfrk. Hs. Taul steht auch ‹oi›, im Alem. vereinzelt ‹o›. Zu anlautend ‹‫܅‬c›, ‹‫܅‬ch›, ‹sc› oder ‹sch› (überwiegend bis 213) statt einfachen s vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 120. 3.3.3.5. Ablautreihe V, mügen

(-)‌mügen (3704)

V 191

Belegt sind:

mügen

Ind.

Konj.

mügen

Sg.Präs.

a

u ~ o (wmd.)

Sg.Präs.

‹a›, ‹u›, ‹o›, 1x ‹e›

Pl.Präs., Inf., Imp.

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, ‹e›, ‹u›, ‹v›, ‹oi›, ‹a›, e o ‹uo›, ‹o›, ‹ui›, ‹ve›, 1x ‹v›

Prät.

‹o›, ‹o›, ‹oe›, ‹oi›, ‹a›, ‹ae›, ‹e›, 1x ‹v›

Pl.Präs., Inf., Imp. Prät.

u ~ o (wmd.) ~ a o~a

Ind.

o

Konj. o

‹u›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, e e i ‹e›, ‹u›, ‹v›, ‹v›, ‹oi›, ‹a›, 1x ‹ue› e

e

e

Die Zuordnung von mügen zu Ablautreihe V ist fraglich (vgl. Ahd.Gr.I, § 375, Anm. 3), da der Pl.Präs. nicht die zu erwartende Dehnstufe (vgl. gāben) aufweist, sondern ursprüngl. a ohne Ablaut (ahd. 1.Sg.Ind.Präs. mag, 1.Pl.Ind.Präs. magum, Inf. magan, Prät. mahta). Braune/ ​Heidermanns (Got.Gr.2004, § 203) klassifizieren das Verb daher als außerhalb der Ablautreihen stehend. In Angleichung an die Verben der III. und IV. Ablautreihe entstehen schon im ahd. Frk. Bildungen mit u (Pl.Präs. mugen) (vgl. Ahd.Gr.I, § 375, Anm. 1). Im Mhd. sind die a-Formen im Pl.Präs. noch bis 212 im Obd., insbes. Bair., nachweisbar (s. u.).

906

VII. Verben

Das Verb mügen flektiert im Sg.Ind.Präs. regelmäßig a, Ausnahmen sind singulär ( ich wil wie ich kan, ich darf. Im Mhd. wird dieser Prozess noch an anderen Stellen des Paradigmas fortgesetzt, so ist die zunehmende Verwendung von -t in der 2.Sg.Ind.Präs. (du wil > du wilt) möglicherweise als weitere Angleichung zu interpretieren (zu anderen Erklärungsmöglichkeiten für -t s. § V 194, Anm. 3).

Im Mhd. zeigt wėllen zusätzlich zur besonderen Flexion eine landschaftliche Differenzierung des Stammvokals, die im Sg.Konj.Präs., im gesamten Plural sowie im Inf. gilt: obd. wėllen, mfrk. willen, sonst md. und ofrk. wollen. Regionale Varianz im Endungsparadigma betrifft zum einen die 2.Sg.Ind.Präs. (s. u.) sowie die Paradigmapositionen, die auf Basis des sw. Verbs wėllen gebildet sind und hier mit den landschaftlichen Besonderheiten übereinstimmen, die auch für die regelmäßigen sw. Verben gelten. wėllen wird überwiegend als Hilfsverb in der Funktion als Modalverb verwendet und steht so den Präterito-Präsentien nahe; im sprachgeschichtlichen Verlauf passt sich wėllen zunehmend morphologisch an diese Verbgruppe an (vgl. dazu ausführlich Birkmann 1987).

909

3. Besondere Verben

Die einsilbigen Formen von wėllen haben durchgängig Einfachliquid (wil, wilt), die mehrsilbigen Formen Doppelkonsonanz. Wenn die zweite Silbe nicht mit Konsonant beginnt, dann steht Doppelliquid (wolte, wėllet). Vgl. dazu auch Paul, Mhd.Gr., § L 93. Zu wėllen in der Funktion als Modalverb sowie als Mittel zur Futurumschreibung s.  KSW IV. Präsens Indikativ Sg.

Pl.

Konjunktiv

1.

wil ~ willen (mfrk.)

wėlle/ ​wolle/ ​wille (mfrk.)

2.

wil (obd. außer alem.) ~ wilt (alem./ ​md./ ​ wėllest/ ​wollest ~ wolles/ ​willes ofrk.) ~ (wolt)

3.

wil ~ wille ~ wil(le)t (mfrk.)

wėlle/ ​wolle/ ​wille

1.

wėllen/ ​wollen/ ​willen

2.

wėl(le)t/ ​wil(let) ~ wėllent (überwiegend alem.)

3.

wėllent/ ​wollent/ ​willent ~ wėllen/ ​wollen/ ​willen wėllen/ ​wollen/ ​willen

Inf.

wėllende/ ​wollende/ ​willende

Part.Präs. Präteritum Sg.

1./ ​3. wolt(e)

Pl.

1./ ​3. wolten

2. 2.

woltest ~ woltes woltet ~ woltent (alem.) wolt(e)t

Part.Prät.

3.4.2. Endungsflexivik

wėllen (ane-) (4416)

V 194

3.4.2.1. Präsens

Belegt sind: Ind. Sg.

Pl.

Konj.

1.

ø, ‹en›, ‹e›, ‹o›

2.

‹t›, ø, ‹d›

‹est›, ‹es›, ‹ist›, ‹is›

3.

ø, ‹t›, ‹e›, ‹et›, je 1x ‹i›, ‹o›, ‹it›

‹e›, ‹i›, ø, ‹a›

1.

‹en›, ‹in›, ‹e›, ø, je 1x ‹ein›, ‹ent›

2.

‹t›, ‹et›, ‹ent›, ‹int›, ‹it›

3.

‹ent›, ‹en›, ‹in›, ‹int›, ‹n›, ‹nt›

Inf.

‹en›, ‹in›

Part.Präs.

‹ende›

‹e›

910

VII. Verben

Im Sg.Ind.Präs. stimmt das Endungsparadimga von wėllen weitgehend mit dem der Präterito-Präsentien überein: Die 1. u. 3.Sg.Ind.Präs. ist überall mehrheitlich endungslos (ich/ ​er wil), selten (< 2%, 20 v. 1690 Belegen) ist Endung auf -e belegt (s. Anm. 1, zum abweichenden Mfrk. s. u.). Die 2.Sg. endet auf -t (du wilt; 58,4%) oder -ø (du wil; 40,4%); die Präterito-Präsentien weisen hingegen fast ausschließlich Endung -t auf (knapp 93%, s. § V 179). Zu -t und -ø bei wėllen s. Anm. 2 u. 3. Im Sg.Konj.Präs. und Pl.Präs. entsprechen die Endungen von wėllen denen der sw. Verben. Abweichend vom beschriebenen Usus kann die 1./ ​3.Sg. im Mfrk. analog zu den sw. Verben flektiert sein: In der 1.Sg.Ind.Präs. ist -en häufig (knapp 40% aller mfrk. Belege; bspw. ich willen, RhMl, 33v,18; 1906), in der 3.Sg.Ind.Präs. überwiegt -t (gut 95% aller mfrk. Belege; bspw. got wilt, RhMl, 35v,11; 2009; He wilt, VLilie, 41v,8; 18,33), vereinzelt (4x) kommt Zweisilbigkeit vor (bspw. willet, BuMi, 96r,08; willit, UKöln2, 12,3). In anderen Landschaften kommt -t nur vereinzelt vor (alem.-bair. Übergangsraum: ZwBR 1x wilt vs. 6x wil; rhfrk.-hess.: SalH 9x wilt vs. 8x wil, OxBR 3x wilt vs. 15x wil). Anm. 1:  In der 1. u. 3.Sg.Ind.Präs. stammen Belege mit ‹o› und ‹i› sämtlich aus 211/ ​112 (WNot und Will; in Will außerdem paralleles Vorkommen von Endungslosigkeit). Endung auf ‹e› ist selten (20x) und häufiger nur in WNot belegt; in späteren Zeiträumen sind es Einzelbelege in verschiedenen Hss. (in AlxS, 113, omd., sämtliche Belege im Reim: wile  : spile, vile  : wile). Anm. 2:  Die Bildung der 2.Sg.Ind.Präs. weist eine deutlich regionale Verteilung auf: Bair. und alem.-bair. Hss. zeigen überwiegend Endungslosigkeit, alem., md. und ofrk. Hss. haben mehrheitlich ‹t›. Im zeitlichen Verlauf wird auch im Bair. und Alem.-Bair. die Endung auf ‹t› häufiger, diese Form bleibt bis in das 19. Jh. belegt (vgl. Frnhd.Gr., § M 146). Die nhd. Endung -st (du willst) ist im Grammatik-Korpus im Ind. nicht belegt, sondern auf den Konj. beschränkt. In 114 erscheint die Endung vor anlautendem d vereinzelt assimiliert: woild dat, Taul, 16v,19; wild dv, Baum, 21r,13). Anm. 3:  Endung ‹t› in der 2.Sg.Ind.Präs. wird auch als Analogiebildung zur 2.Sg.Ind.Präs. der Präterito-Präsentien gewertet (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 421, Grimm, DWB 30, 1328): wil  – wilt  – wil wie sol  – solt  – sol sowie auf den möglichen Zusammenhang mit direkt folgendem Personalpronomen du verwiesen; zu weiteren Erklärungsmöglichkeiten vgl. Paraschkewow (2003, 385) und s. § V 46, Anm. 2. Im Grammatik-Korpus ist Endungslosigkeit häufiger, wenn du direkt folgt (knapp drei Viertel der Belege; Endung auf -t steht genauso häufig vor du wie vor anderen Wörtern). Zusammenschreibung mit du (Enklise: wiltu; hier 14,1% aller Belege) sind hinsichtlich der Endungen nicht zuzuordnen. Anm. 4:  In den Hss. des Korpus ist in der 2.Sg.Ind.Präs. parallele Belegung von wilt und wil in der gleichen Hs. nur vereinzelt belegt, lediglich in Hartw kommen beide Formen parallel vor (ob dv ír wílt, 21r,5; M 496 vs. vnd dich denn wil gezemࠀ, 21r,19; M 523). Die von der Forschungsliteratur festgestellte Reimbindung für wil (Weinhold, Mhd.Gr., § 421; Schieb 1957, 135f) kann im Grammatik-Korpus nicht bestätigt werden. Im Reim steht 7x wil (von insges. 57  Belegen) 5x wilt (von insges. 66  Belegen) gegenüber. Anm. 5:  Für das Alem. verweisen Weinhold (Alem.Gr., § 387) und Michels (1921, § 281, Anm. 4) auf eine Form ohne Liquid wit < wilt in der 2.Sg.Ind.Präs., diese kann im Grammatik-Korpus nicht belegt werden.

3. Besondere Verben

911

Im Sg.Konj.Präs. und gesamten Pl.Präs. stimmen die Endungen von wėllen mit denen der sw. Verben überein, Abweichungen und Besonderheiten sind meist landschaftlich bedingt. Die 1. u. 3.Sg.Konj.Präs. endet vokalisch (zu den verschiedenen Vokalen s. § V 26–30), die 2.Sg.Konj.Präs. auf -est oder -es. Die Formen ohne Endungsdental sind häufiger im Md., mit Dental häufiger im Obd. und Ofrk. nachgewiesen. Anm. 6:  In der 3.Sg.Konj.Präs. ist vereinzelt Endungslosigkeit belegt (3 v. 188  Belegen = 1,6%), in allen Fällen folgt vokalischer Anlaut (bspw. er well im zaigࠀ, Rupr, 8,4).

Die 1.Pl.Präs. endet regelmäßig auf -en, singulär im Alem. auf -ent (TriF). Die 2.Pl.Präs. (Ind./ ​Imp.) weist in 85,5% der Belege -(e)t auf, mit Vokal ist etwa ein Viertel dieser Belege gebildet, insbes. im Omd. und Ofrk. ist die vokalhaltige Form dominant. Im Alem. dominiert in der 2.Pl. Endung mit Nasal (-ent; 56,7% aller alem. Belege), in anderen Landschaften ist diese Endung selten. In der 3.Pl.Präs. enden etwa zwei Drittel aller Belege auf -ent, ein Drittel auf -en; die Endung ohne Dental ist dominant im Ofrk. sowie häufig im Alem. und Rhfrk.-Hess. (so auch Weinhold, Mhd.Gr., § 421). Anm. 7:  Vor folgendem Personalpronomen wir ist in der 1.Pl.Präs. z. T. n-Abfall oder vollständiger Endungsabfall belegt (17 v. 142 Belegen = 12%), bspw. de‫ ܅‬welle wir (HLit, 93v,5; 634), des well wir (Rupr, 10,52). Analog zu den sw. Verben kann für dieses Phänomen keine signifikante regionale oder zeitliche Verteilung ermittelt werden (s.  § V 52, Anm. 3). S.  § V 195, Anm. 2. Anm. 8:  Singulär ist in der alem. Hs. PrZü in der 1.Pl.Präs. die ‚erweiterte Endung‘ -ein (wellein, 182va,14), die von Weinhold als Konj. gewertet wird (Alem.Gr., § 387). Zu -ein in PrZü s. § V 10, Anm. 3, § V 52, Anm. 4 und § V 179, Anm. 8. Anm. 9:  In der 2.Pl.Präs. kann bei -et der vokalische Bestandteil der Endung synkopiert sein. Die Form mit Vokal ist überwiegend md. und ofrk. belegt. Die meisten Hss. verwenden ausschließlich eine der beiden Varianten, nur in wenigen Fällen enthalten Hss. Doppelformen (ir wėlt und ir wėllet), es handelt sich hierbei sowohl um Prosa- als auch VersHss. Die Gründe für die Verwendung beider Formen in der gleichen Hs. sind nicht eindeutig zu bestimmen, häufig steht die vokalische Variante nur dann, wenn das Pronomen ir nicht folgt (so in PrMK, Mar, PrRei): de‫ ܅‬in wolt ir alli‫ ܅‬nicht gelovbin (PrMK, 7r,39f) vs. vࠁ wollit got niht irkennin (PrMK, 7r,42f). In AthP wird dieser Zusammenhang verdeutlicht, indem der vokallosen Form das Pronomen durch Zusammenschreibung angebunden wird: Vࠁ wartit war irwellit (4vb,3; 4,129) vs. Vࠁ woldiz dar nach handiln (4vb,37; 4,163). Nicht in allen Hss. mit Doppelformen ist dieses Prinzip stringent durchgeführt (welt ir, Hoff, 14v,4 vs. daz ir [...] welt, Hoff, 30v,21). Zwierzina wertet diese Doppelform bei Wolfram als Form­ unsicherheit, bedingt durch Wolframs Dialekt (1898, 490). Anm. 10:  In der 3.Pl.Präs. ist selten Synkope des vokalischen Endungsbestandteils nachgewiesen (13 v. 224 Belegen = 5,8%): wėln. Häufig fehlt zugleich der Liquid: dc ‫܅‬i in reht wen e totࠀ vࠁ mart’on (PrSch, 244r,24), ‫܅‬o koment winde vࠁ went den fuhs vahࠀ (NikP, 72va,8). Diese kontrahierten Formen sind ab 212 belegt und stammen aus dem Alem. sowie seltener aus dem alem.-bair. Übergangsraum (PrZü, PrSch, RWchr, NikP, Mart) (vgl. auch Weinhold, Alem.Gr., § 387).

912

VII. Verben

Anm. 11:  Auch bei den st. und sw. Verben sind -ent und -en in der 3.Pl.Präs. Endungs­ varianten, dort dominiert -ent im Alem. mit 84,5% aller Belege (810 v. 958 Belegen) deutlich; bei wėllen enden nur knapp 60% aller Belege auf -ent (16 v. 27  Belegen). Dies kann mög­ licherweise als weiterer Schritt im Angleichungsprozess an die Präterito-Präsentien gelten, die auch im Alem. regelmäßig auf -en enden. Zu den verschiedenen Vokalen im Endungsflexiv s. § V 26–30.

3.4.2.2. Präteritum Belegt sind:

V 195

Ind./ ​Konj. Sg.

1./ ​3. ‹e›, ø, ‹i›, ‹a›, 1x ‹o›

Pl.

1./ ​3. ‹en›, ‹in›, ‹on›, ‹ent›, ø, je 1x ‹un›, ‹an›, ‹e›

2. 2. Part.Prät.

‹est›, ‹es›, ‹ist›, ‹is›, ‹e›, je 1x ‹ost›, ‹st› ‹et›, ‹int›, je 1x ‹int›, ‹ont› ‹it›, ‹t›

Das Prät. ist auf der Basis des sw. Verbs wėllen gebildet (germ. *wal-d-), das Endungsparadigma entspricht daher dem der sw. Verben (zum Dentalsuffix s. Anm. 1): Die 1./ ​3.Sg.Prät. hat -e; z. T. ist Apokope möglich (s.  Anm. 2). Die 2.Sg. endet auf -est ~ -es; die Formen ohne Dental der Endung stammen aus dem Md. (im Mfrk. immer -es), mit Endungsdental überwiegend aus dem Obd. Der Pl. endet auf -en, -et, -en; im Alem. -ent. Das Part.Prät. kann im Grammatik-Korpus erst ab 213 und dann nur vereinzelt belegt werden: Beide Belege sind schwach flektiert (Weinhold, Alem.Gr., § 387 nennt ein stark flektiertes Part.Prät.: schweiz. wellen; zu starker und schwacher Flexion des Part.Prät. im Frnhd. vgl. auch Grimm, DWB 30, 1330). Konj. und Ind. werden jeweils übereinstimmend flektiert, Umlaut ist in beiden Modi selten vorhanden (zu Umlaut s. § V 11f). Anm. 1:  Das Dentalsuffix wird bei wėllen ohne Vokal dem Stamm angefügt. Mehr als die Hälfte der Prät.-Belege weist Lenisierung des Dentalsuffixes auf (t > d, wolde). Im Md. dominiert d deutlich vor t: In knapp 92% aller md. Belege steht lenisiertes d. Im Obd. erscheint nur gut ein Viertel aller Belege mit d; im Ofrk. sind es weniger als 6%. Zu d für t vgl. auch Paul, Mhd.Gr., § L 115. Anm. 2:  In der 1.Sg.Prät. sind gut 30% aller Belege (31 v. 103  Belegen) apokopiert, in der 3.Sg.Prät. sind es gut 18% (195 v. 1077  Belegen). Endungslosigkeit überwiegt im Obd. und Ofrk., im Md. ist sie nur selten belegt. In der 1.Sg. folgt häufig (14 v. 19 Belegen) ein vokalisch anlautendes Pronomen, bspw. von in wolt ich (Iw, 8v,25; 417), ich wolt euch ‫܅‬agen (GnaÜ, 79,10) (s.  § V 59, Anm. 1). In der 3.Sg. besteht hingegen kein signifikanter Zusammenhang mit einem direkt folgenden und vokalisch anlautenden Personalpronomen, Endungslosigkeit ist etwa gleich häufig auch vor Konsonant möglich.

913

3. Besondere Verben

Anm. 3:  Vereinzelt kommt in TrPs in der 2.Sg.Prät. Endung auf ‹e› vor (2x: daz oblei [= Opfer] dune wolte, 2v,18; wande du wolde mich, 4r,15). Diese Endung kann auch für die sw. Verben im Rhfrk. im Allgemeinen und TrPs im Besonderen ermittelt werden (s. § V 60, insbes. Anm. 3). Anm. 4:  n-Abfall vor folgendem Personalpronomen wir in der 1.Pl.Prät. kommt im Grammatik-Korpus lediglich zweimal vor (wolle wir, Renn, 79rb,15; 11511 u. 157ra,13; 24040). S.  § V 62, Anm. 1. Zu abweichenden Vokalgraphien in den Endungen s. § V 26–30.

3.4.3. Stammflexivik 3.4.3.1. Präsens

Präsens Ind. Sg.

Belegt sind: Konj.

1.

i

e (~ o) ~ i (mfrk.)

2.

i ~ o (selten mfrk.)

3.

i

Ind. Sg.

V 196

Konj. e

1.

‹i›

‹e›, ‹o›, ‹o›

e (obd.) ~ o (rhfrk.-hess., omd., ofrk.) ~ i (mfrk.)

2.

‹i›, ‹o›, ‹e›, ‹oi› ‹e›, ‹o›, ‹i›, ‹oe›, e ‹o›

e (obd.) ~ o (rhfrk.-hess., omd., ofrk.) ~ i (mfrk.)

3.

‹i›, ‹ie›, je 1x ‹y›, ‹e› e

e

‹e›, ‹o›, ‹i›, ‹o›, je 1x ‹y›, ‹u› i

Plural

e (obd.) ~ o (rhfrk.-hess., omd., ofrk.) ~ i (mfrk.)

Plural

‹e›, ‹o›, ‹i›, ‹o›, je 1x ‹o›, ‹u›

Inf.

e (obd.) ~ o (rhfrk.-hess., omd., ofrk.) ~ i (mfrk.)

Inf.

‹i›, ‹e›

Part.Präs.

e

Part.Präs.

‹e›

Das Verb wėllen weist mit Ausnahme des Mfrk. einen Stammvokalwechsel zwischen Sg.Ind.Präs. und Sg.Konj.Präs./ ​Pl.Präs. auf: Der Sg.Ind.Präs. hat Stammvokal i, der Sg.Konj.Präs. sowie der Pl.Präs. haben e oder o; im Mfrk. steht auch im Sg.Konj. und im Pl. i. Hier stimmt wėllen (bis auf das Mfrk.) mit den Präterito-Präsentien überein, für die ein Vokalwechsel zwischen Sg. und Pl.Präs. charakteristisch ist (s.  § V 176). Bedingt ist diese Stammvokalalternation bei wėllen durch die beiden verschiedenen Verben, aus denen sich das Paradigma zusammensetzt: Im Sg.Präs. liegt ursprüngl. Stammvokal ė vor (germ. *wėl-), der durch i der alten Konj.-Endung zu i gehoben wird, im Pl.Präs. liegt ursprüngl. Stammvokal a vor (germ. *wal-jan), welcher durch das ehemalige j der Endung zu ė umgelautet wird.

914

VII. Verben

Im Mfrk. ist in allen Positionen des Präs. durchgängig Stammvokal i belegt, in der 2.Sg.Ind.Präs. kommt selten (7 v. 64  Belegen) auch o vor (bspw. RhMl Wilt du vs. wat du wolt; PLilie Wilt du vs. wolt du; in Taul 2x ‹oi›. Der Sg.Konj.Präs. und der Pl.Präs. zeigen landschaftlich unterschiedliche Bildungsweise: Im Obd. herrscht Stammvokal e vor, im Mfrk. i (vgl. dazu Habscheid 1997, 149, der diesbezüglich auf die entsprechende niederländische und niederdeutsche Regelflexion verweist), im übrigen Md. sowie im Ofrk. o; in diesen Landschaften ist im Sg.Konj.Präs., Pl.Präs. und Prät. übereinstimmend Stammvokal o nachgewiesen (Weinhold, Mhd.Gr., § 421; o tritt im Frk. im Präs. bereits in ahd. Zeit auf, vgl. Ahd. Gr.I, § 385, Anm. 4; Franck, Afrk.Gr., § 213). Für das Auftreten von o im Sg.Konj.Präs./ ​Pl.Präs. sind verschiedene Erklärungen möglich: So kann eine ‚Verdunklung‘ des Stammvokals durch w vorliegen (so Weinhold, Mhd.Gr., § 421), Einfluss durch folgendes l (vgl. Schieb 1957, 136) oder eine analogische Übertragung aus dem Prät. (so Birkmann 1987, 217) angenommen werden. Eine mundartliche Beeinflussung ist ebenfalls denkbar, so kann auch für andere Lexeme eine Senkung von i zu o in mfrk. Hss. festgestellt werden (bspw. wont für wint ‚Wind‘ in VLilie). In der 1. u. 3.Sg.Ind. Präs. kann Stammvokal o nicht belegt werden (so auch Schieb 1957, 137 für weitere Texte). Seit dem 14. Jh. dringt o auch in obd. Quellen ein (vgl. Frnhd.Gr., § M 146). Anm. 1:  Im Sg.Konj.Präs. (11 v. 219  Belegen = 5%) sowie im Pl.Präs. (12 v. 552  Belegen = e 0,9%) ist ab 113 ‹oe› ~ ‹o› nachgewiesen. Die Belege stammen überwiegend aus ofrk. Hss. (WüPo, UNürnb, Renn), die in diesen paradigmatischen Positionen regelmäßig o aufweie sen, sowie selten aus PrSch (alem., hier ausschließlich ‹oe› ~ ‹o› im Sg.Konj.Präs.) und Türh e (alem.-bair. Übergangsraum, hier ‹e› und ‹o› belegt: In enmag Mahmet noch Teruigant Niht e gehelfen ich enwelle Sie frumen in die helle, 104ra,50ff; 16498ff vs. Swes ich dich wolle vragen va Des ‫܅‬ol dich nit betragen, 103 ,58f; 16312f). Anm. 2:  Die Formen mit i im Konj. wertet Schieb (1957, 161) als einen Versuch, den Konj. zum Ind.-Stamm zu bilden. Anm. 3:  Abweichungen im Pl.: Lupo (ofrk.) hat ‹e› (wellen, 227ra,27; 1,124 u. 227 vb,27; 1,223); AlxS (omd.) hat ‹e›-, ‹i›- und ‹o›-Formen (daz ir mih willet irslan, 3711; waz wollet ir ane mich rechen, 3728; wellent irs gelouben, 4366). In der 2.Pl. sind im Mfrk. und Bair. vereinzelt auch Belege mit ‹o› nachweisbar (2x mfrk., bspw. wolt, Göll, 2vb,21; A 291, 2x bair. PrPa), im Omd. und Ofrk. vereinzelt auch Belege mit ‹e› (5x, bspw. LuKr: welt, 32r,26; 1882).

3.4.3.2. Präteritum V 197

Im gesamten Präteritum ist Stammvokal o regelmäßig (er wolte, si wolten), landschaftliche Abweichungen sind selten (s. Anm. 4; zu vereinzeltem ‹u› in Erlös s. Anm. 2). Das Part.Prät. ist nur vereinzelt belegt (2x: hette gewollit, Hleb, 181r,18f; hedde he gewolt, VLilie, 63v,12f; 32,28). Stammvokal o im gesamten Paradigma beruht auf dem Pluralstamm des sw. Verbs *waljan (Prät.: germ. *walda > ahd. wolta > mhd. wolte), vgl. Bammesberger (1986, 117ff); Birkmann (1987, 157ff).

915

3. Besondere Verben e

Anm. 1:  Selten (knapp 5% aller Prät.-Belege) erscheint ‹o›; nachgewiesen ist diese Form ab 213 überwiegend im alem.-bair. Übergangsraum (DvATr, Hartw, UAugsb2, Türh), im Ofrk. (WüPo, Renn, Lupo, UNürnb) und selten im Alem. (PrSch, RWchr, NikP, UFreib2), jeweils e v sowohl im Ind. als auch im Konj.: Dv wolte‫܅‬t vn‫ ܅‬och zeigen din chraft dar an. do dv grozo e e ziv dinch tvn wolte‫܅‬t, DvATr, 72r,13ff). ‹o› ist möglicherweise als Rundungsform zu wėllen zu werten (vgl. Frnhd.Gr., § M 146). o

Anm. 2:  In der rhfrk.-hess. Hs. Erlös (114) kann neben ‹o› selten auch ‹u› (wulde) oder ‹u› o (wulte) auftreten; die Form mit übergeschriebenem ‹o› steht außerdem vereinzelt in UKöln2 (2x). Vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 421, 423; Frnhd.Gr., § M 146. Anm. 3:  In den mfrk. Hss. Taul und Yol (sowie ein Einzelbeleg in MüRB, omd.) kann vereinzelt ‹oi› stehen (woilde); in Taul ist es die alleinige Variante, in Yol tritt parallel auch einfaches ‹o› auf. Anm. 4:  Singulär ist in der 3.Sg.Konj.Prät. ‹e›: vࠁ d’ welt in is. nicht enleihen (Rupr, 74,25); Weinhold wertet e als „Entstellung von wölte wölten“ (Weinhold, Mhd.Gr., § 423). Lit.: Ahd.Gr.I, § 301, 384f; Bammesberger (1986, 117ff); Birkmann (1987, 157–159, 216–218); Franck, Afrk.Gr., § 213; Frnhd.Gr., § M 146; Got.Gr.2004, § 205; Grimm, DWB 30, 1328ff; Michels (1921, § 281); Paraschkewow (2003, 385); Paul, Mhd.Gr., § L 93, L 115; Schieb (1957, 135ff, 161); Weinhold, Alem.Gr., § 387; Weinhold, Mhd.Gr., § 421–423; Zwierzina (1898, 490).

3.5. Kurzverben 3.5.1. Allgemeines

Zu den Kurzverben gehören Wurzelverben und kontrahierte Verben. Trotz unterschiedlicher Genese sind sie ausdrucksseitig ähnlich: Sie sind im Präsens einsilbig und haben zwischen Wurzel und Endung keinen Vokal. Die 1.Sg.Präs. endet überwiegend auf -n. Kurzverben sind keine in sich geschlossene, historisch gewachsene Klasse, sondern sind v. a. durch lautliche Ähnlichkeiten kategoriell verbunden: Kurzverben sind entweder genetisch athematisch (sīn, tuen), durch Analogiebildung einsilbig (gān, stān) oder entstehen durch lautliche Prozesse (kontrahierte Verben). In manchen Paradigmen erscheinen verschiedene Kürzungsstrategien (z. B. vāhen  – vėit  – vie). Kurzverben gehören sowohl den st. als auch den sw. Verben an, haben als Klasse keine spezifische Bedeutung und zeichnen sich durch hohe Gebrauchsfrequenz aus (zum Begriff der Kurzverben vgl. Nübling 1995, 130). Während Wurzelverben in allen Präs.-Positionen kurz sind (nicht gekürzt!), sind kontrahierte Verben sekundär gekürzt. Die Entwicklung der Kurzverben zum Nhd. hin verläuft unterschiedlich: gān und stān und viele andere im Mhd. temporär kontrahierte Formen werden dauerhaft zweisilbig, haben/ ​hān bildet ein Mischparadigma, während sīn einsilbig bleibt.

V 198

916

VII. Verben

3.5.2. Wurzelverben 3.5.2.1. Allgemeines V 199

Die als Wurzelverben bezeichneten Verben sīn, tuen, gān und stān unterscheiden sich flexivisch von den st. und sw. Verben nur in der Bildung der 1.Sg.Präs.; alle übrigen paradigmatischen Positionen differieren durch das Vorhandensein/ ​Fehlen des vokalischen Elements. Nach der ‚athematischen‘ Endung der 1.Sg.Präs. auf *-mi im Idg. werden diese Verben auch ‚mi-Verben‘ genannt. Ins Germ. sind nur wenige dieser ursprünglich zahlreichen Athematica ererbt, die meisten wurden umgebildet und ‚thematisiert‘. Nur zwei Verben können mit einiger Sicherheit genetisch als athematische Wurzelpräsentien gelten, das Wurzelverb tuen und das verbum substantivum sīn (vgl. Lühr 1984, 26f, Bammesberger 1986, 32ff: tuen unsicher). Kennzeichen im Mhd. ist die Einsilbigkeit des Stamms und die aus *-mi entstandene mhd. Endung -n der 1.Sg.Präs. (tuen < tuon < *dô-mi). Die Verben gān und stān sind durch jüngere Lautentwicklungen der Klasse der ursprünglichen Wurzelverben deskriptiv vergleichbar geworden und haben sich deshalb dieser Klasse angeschlossen. Sie bilden ebenfalls die 1.Sg.Präs. auf -n, die übrigen Paradigmapositionen werden suppletiv aus Kurz- (< gān) und Langform (< gangen) gebildet, wobei die Kurzform wie ein Wurzelverb flektiert, die Langform analog zu den st. und sw. Verben. 3.5.2.2. tuen

(1) Überblick V 200

Das mhd. Verb tuen zeichnet sich durch einen Stammvokalwechsel im Sg. und Pl. Prät. aus, der synchron den starken Verben gleichkommt; der Einschub eines Dentals im Prät. erinnert an die Flexion der schwachen Verben. Diese Unregelmäßigkeiten entstehen durch die besondere Tempusbildung dieses Verbs: Der Ausdruck der Vergangenheit von tuen erfolgt (singulär im gesamten deutschen Verbalparadigma) durch Reduplikation, da hier, anders als im Präs., die historische Reduplikationssilbe beibehalten wurde (vgl. Lühr 1984, 39f). Das synchron mhd. als Wurzelsilbe erscheinende tet-/ ​tat- besteht diachron aus der Reduplikationssilbe (te-/ ​tē-) und dem wurzelanlautenden Dental t- von wgerm. *dô-. Das Wurzelverb tuen (< tuon) geht auf wgerm. *dô- (< idg. *dheh1- ‚setzen, stellen, legen‘ mit starker Bedeutungsausweitung im Germ.) zurück, einen ursprünglich reduplizierenden, athematischen Präsensstamm. Die Reduplikationssilbe wurde im Präs. jedoch aufgegeben (zur Präsensbildung *dô-mi usw. im Wgerm. vgl. Bammesberger 1986, 112; Lühr 1984, 48ff; Seebold 1970, 158; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 33.5). Als Wurzelverb gilt ein einsilbiges Verb, wenn ein vokalisches Element (‚Themavokal‘ oder ‚stammbildendes Suffix‘) zwischen Wurzel und Endungsflexiv in jeder paradigmatischen Position fehlt und die 1.Sg.Präs. eine

917

3. Besondere Verben

nasalhaltige Endung aufweist (*dô-mi > tuo-n > tuen, *dô-si > tuo-s(t) > tuest usw.). In der Forschung gilt tuen zumeist als Wurzelverb (zum Zweifel an der Zuordnung zu den Wurzelverben vgl. Bammesberger 1986, 34). Die Reduplikationssilbe erscheint im wgerm. Pl.Prät. gedehnt, z. B. 3.Pl. urgerm. *de-d‑und > wgerm. *dē-d‑und > ahd. tātun; der Sg. dagegen bewahrt die Kürze, z. B. 1.Sg. urgerm./ ​germ. *de-do-m > ahd. teta). Der gedehnte Reduplikationsvokal des Pl.-ē ent­ wickelt sich im Wgerm. zu ā, das im Ahd. (tātum, tātut, tātun) noch erhalten ist. Im Mhd. ist die Länge in der Regel unbezeichnet. Der Langvokal in der Reduplikationssilbe im Pl.Prät. (und der 2.Sg.Prät.) entstammt einer sekundären Entwicklung (die Runeninschrift auf der Bronzekapsel von Schretzheim dedun erweist kurzes e, vgl. Lühr 1984, 49f; mög­ licherweise Analogie zu den stv. V vgl. Ahd.Gr., § 381, anders Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 33.6 und Knapp 1968). Das urgerm. Prät. basiert wahrscheinlich auf Imperfekt- oder Injunktivformen (vgl. Bammesberger 1986, 112ff; Lühr 1984, 40f; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 33.6).

Die finiten Präteritalformen von tuen werden abweichend von starken und schwachen Verben gebildet. Synchron erscheinen jedoch einige vergleichbare Formen: Zwischen Singular- und Pluralformen tritt ein Wechsel des Stammvokals auf, der diachron weder als Ablaut noch als Umlaut zu beschreiben ist, synchron aber der Vokalalternation der stv. ähnelt. Der Stammauslaut -t- weist ausdrucksseitig Nähe zum Dentalsuffix der sw. Verben auf. Zum Anteil des selbständigen Wortes für ‚tun‘ bei der Bildung des schwachen Prät. s. § V 69, Anm. 2.

(-)‌tuen (27 Lexeme in 4296 Wortformen, Simplex 3888 Wortformen) Präsens Indikativ Sg.

Pl.

Part.Präs. Inf.

Konjunktiv

1.

tuen ~ tue

(tue)

2.

tuest ~ (tues)

(tuest) tue ~ tuege

3.

tuet

1.

tuen

(tue)

2.

tuet

[tuet]

3.

tuent ~ (tuen)

(tuen) tuende tuen ~ (tue ~ tuende)

Sg.Imp.

tue

Pl.Imp.

tuet

918

VII. Verben

Präteritum Indikativ Sg.

Pl.

Konjunktiv

1.

tęt ~ tęte

tęte ~ tǟte

2.

tate ~ tęte ~ (tętes)

tętes ~ tǟtest

3.

tęt ~ tęte

tęte ~ tǟte tǟten ~ tęten

1.

taten

2.

tatet ~ (tatent)

(tętent)

3.

taten

tęten ~ tǟten getan

Part.Prät.

(2) Endungsflexivik Präsens Belegt sind:

V 201

Ind. Sg.

‹n›, ø

2.

‹‫܅‬t›, ‹‫›܅‬, ‹s›, je 1x ‹z›, ‹hi‫›܅‬

1x ‹‫܅‬t›

3.

‹t›, ‹nt›, je 1x ø, ‹et›, ‹oth›, ‹yt›

ø, ‹ge›, ‹e›, je 1x ‹n›, ‹he›

1.

‹n›, ‹en›, ‹gen›, ø

2.

‹t›, ‹nt›, je 1x ‹ent›, ‹nd›, ‹it›

3.

‹nt›, ‹n›, je 1x ø, ‹ne›

2.Sg.Imp. Pl.

Konj.

1.

ø, 1x ‹ge›

ø, 1x ‹it›

2.Pl.Imp.

‹t›, ‹nt›, 1x ‹n›

Inf.

‹n›, ø, je 1x ‹m›, ‹nn›, ‹en›, ‹nt›

Part.Präs.

‹nde›, ‹nt›, je 1x ‹ngen›, ‹nd›

1x ø – ‹n›, ‹gen›, je 1x ‹gin›, ‹en›

Die 1.Sg.Ind.Präs. endet regelmäßig auf -n, Belege ohne Nasal (z. B. dy werk dy ich tu dy ‫܅‬al her tun, BeEv, 58v,25) sind selten (17%) und ohne diachrone/ ​diatopische Signifikanz (zu ‚tuo‘ vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 362; zur z. T. schwierigen Modusabgrenzung v. a. in abhängigen Nebensätzen vgl. Weinhold, Mhd.Gr., ebd. sowie Mihajlović 2017). Anm. 1:  Für den n-Abfall können weniger lautlich-morphologische (n-lose Formen werden weder von Pronomina noch von vokalisch anlautenden Bildungen gefolgt) als vielmehr analogische Ursachen (Einfluss der thematischen Konjugation) wahrscheinlich gemacht werden, s. Anm. 4. Des Weiteren stehen n-lose Formen gehäuft am Satz- oder Teilsatzende. Anm. 2:  Ansätze zur Überführung in die thematische Flexion sind in der (seltenen) Aufgabe des -n in der 1.Sg.Ind. sowie im Eindringen vokalhaltiger Endungen zu sehen. Welche Formen letztlich als ‚thematisch‘ bezeichnet werden können, ist jedoch unklar (zum Eindringen von Formen mit Flexionsvokal vgl. Ahd.Gr.I, § 380; Weinhold, Mhd.Gr., § 362; Paul, Dt.Gr.II, § 197; Wilmanns 1889, 24ff u. Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 33.8; v. Kraus 1898, 155: Übertragung aus dem Konj.). Im Frnhd. wird die 1.Sg.Präs. an das Normalparadigma

919

3. Besondere Verben

angeglichen, spätestens im 17. Jh. ist die Form tu-e fest (vgl. Frnhd.Gr., § M 147). Formen mit Diphthong und nachfolgendem Vokal, der als Bestandteil der Endung interpretiert werden kann, haben einen Anteil von unter 2% aller präsentischen Belege. Besonders häuo o o o fig ist ‹ue› in Kölner Urkunden (WíR [...] Duen kunt, UKöln1, 9,1; duen gelouen, UKöln1, o o 4,27), vereinzelt obd. (getvoent, ZwBR, 2v,13), in mfrk. Hss. ist vereinzelt auch ‹uy› (du ܰt, va Göll, 3 ,28; B 149) belegt.

Die 2.Sg.Präs. ist nur vereinzelt ohne Endung auf -t belegt. Formen der 3.Pl.Präs. ohne Endung -t sind nicht immer gesichert dem Konj. zuzuordnen (s. § V 54). Indikativische Formen der 3.Pl.Präs. ohne schließenden Dental treten ab 213 vor allem im Md. auf, im Omd. ist die t-lose Form dominant (z. B. ‫܅‬vndir dis tun ‫܅‬y ouch allis durch mynen namen, BeEv, 118v,9f). Die 1.Pl.Präs. endet mehrheitlich auf Nasal (-n), nur selten ist Endungslosigkeit o belegt. Die 2. und 3.Pl.Präs. flektiert -nt oder nasallos -t, die Belege mit Nasal (tv nt ir des niht, RWchr, 152ra,24; 20616) stammen überwiegend aus dem Alem. (s. § V 53). Anm. 3:  Die seltene n-lose Form der 1.Pl.Präs. findet sich stets vor dem Personalpronomen (tuo wir, Wind, 89r,14), welches aber diese Form nicht erzwingt (Tuon wir, Spec, 71v,12). Anm. 4: Der n-lose Inf. tu ist typisch für MüRB, wo er ausnahmlslos vorkommt; vereinzelte Belege auch im sonstigen Hess.-Thür. oder Omd. (s.  § V 36, Anm. 1).

Abweichend vom Ind. sind die Endungen der 1./ ​3.Sg.Konj. sowie der 3.Pl.Konj. belegt: Die 3.Sg.Konj. lautet regelmäßig tuo oder tu. In der 1.Sg.Konj. sind nur n-lose Formen belegt; in der 3.Pl.Konj. erscheint tuon, in ZwBR tritt tuogen auf (zum erweiterten Konj. mit -g- s. § V 52, Anm. 4). (3) Endungsflexivik Präteritum Belegt sind:

V 202

Ind. Sg. Pl. Part.Prät.

Konj.

1./ ​3. ø, ‹e›, ‹a›, ‹de›, ‹i›

‹e›, ø, ‹i›, je 1x ‹iv›, ‹de›

2.

‹i‫›܅‬, ‹es›, je 1x ‹is›, ‹e‫܅‬t›, ‹z›

‹e›, ‹e‫›܅‬, ‹i›, ‹i‫›܅‬, ‹es›

1./ ​3. ‹en›, ‹in›, ‹an›, je 1x ‹hen›, ‹ent›

‹en›, ‹e›, ø, ‹in›

2.

1x ‹ent›

‹et›, ‹int›, ø, je 1x ‹e›, ‹it›

‹an›, ‹ân›, ‹on›, ‹ain›, ‹âin›, ‹æn›, ‹ayn›, je 1x ‹am›, ‹ne›, ‹n›, ‹etet›

In der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. überwiegt Endungslosigkeit; vokalisch auslautende Endungen tete oder teta (WNot, Will), die im gesamten Mittelhochdeutschen, vorwiegend aber in 211/ ​112 (knapp 90%) nachgewiesen sind, werden kontinuierlich seltener. Insgesamt haben sie einen Anteil von ca. einem Viertel aller Belege. Dabei zeigt sich eine Dominanz der vokalisch auslautenden Form im Wmd. (ausschließlich tete z. B. in Yol).

920

VII. Verben

Anm. 1:  Analogie zu den st. Verben liegt demnach nicht nur im Vokalismus (s. u.) vor, sondern auch im Bereich der Endungen, da die endungslose Form der 1./ ​3.Sg.Prät. als eine Angleichung an die starke Flexion interpretiert werden kann (so Zwierzina 1900a, 102; zu tet/ ​tete im Reim vgl. ebd. sowie Grimm, Dt.Gr.I, 879).

Die 2.Sg.Ind.Prät. endet regelmäßig auf Vokal (tate), Endung auf -s kommt nur vereinzelt in 113 im Wmd. vor. Anm. 2:  In der 2.Sg.Ind.Prät. ist Endungslosigkeit nur singulär belegt (tath, ZwBR, 13v,6). Im Konj. ist auch -es(t) nachgewiesen.

Der Pl.Prät. flektiert analog den st. und sw. Verben -en, -et, -en, andere Formen (1.Pl. Prät. -ø, 2.Pl.Prät. -ent, -ø, 3.Pl.Prät. -ent) sind vereinzelt möglich. Anm. 3:  Folgt das Personalpronomen wir, kann die 1.Pl. (Konj.) auch ohne Nasal stehen (Dede wir des neít, UKöln2, 3,15; tet wír dez níht, UNürnb, 1,14). n-lose Formen sind jedoch selten (15%). Anm. 4:  Die 2.Pl.Ind. weist neben tatet auch Belege für tat (getât ab ir, Parz, 147a,17; 514,4; do tat ir niwan ‫܅‬pottens, Nib, 87r,12; 2393,4), tate (‫܅‬o ír vil vnrehte‫ ܅‬tate, PrPa, 302,1) und tatint (ir tatint, ZwBR, 33v,4) auf.

(4) Stammflexivik Präsens Belegt sind:

V 203

Ind. Sg.

2.Pl.Imp.

o

Konj.

v

v

1.

‹v›, ‹u›, ‹uo›, ‹v›, ‹u›, ‹o›, ‹vo›, ‹û›

2.

‹u›, ‹u›, ‹v›, ‹uo›, ‹ûo›, ‹v›, ‹ei›, je 1x ‹o›, e ‹vo›, ‹ey›, ‹v›

3.

‹u›, ‹v›, ‹v›, ‹uo›, ‹u›, ‹ei›, ‹ui›, ‹ey›, ‹vo›, v e i ‹o›, ‹‫›ܔ‬, ‹û›, ‹u›, ‹u›, ‹ûo›, ‹ue›, je 1x ‹ü›, e ‹v›, ‹ve›, ‹oi›, ‹ei›

2.Sg.Imp. Pl.

o

o

o

‹o›, ‹u›, 1x ‹u›

o

1x ‹v›

o

o

o

o

o

o

o

e

v

o

o

‹v›, ‹uo›, ‹u›, ‹v›, ‹vo›, ‹u›, ‹vo›, ‹oy›, ‹ue›, e o e ‹v›, ‹ue›, je 1x ‹u›, ‹o›

o

‹u›, ‹v›, ‹uo›, ‹u›, ‹v›, ‹vo›, ‹o›, ‹ûo›, ‹ui› je 1x ‹o›, ‹oy›, ‹vu› o

1.

‹u›, ‹v›, ‹v›, ‹uo›, ‹ve›, ‹ue›, ‹u›, ‹ue›, ‹vo›, v e je 1x ‹o›, ‹ûo›, ‹o›, ‹v›

2.

‹v›, ‹u›, ‹u›, ‹uo›, ‹v›, ‹û›, ‹o›, ‹vo›, ‹v›, je v o e 1x ‹o›, ‹o›, ‹‫›ܔ‬, ‹voe›, ‹ui›, ‹u›, ‹oi›

3.

‹u›, ‹uo›, ‹v›, ‹v›, ‹u›, ‹ûo›, ‹oy›, ‹oi›, ‹vo›, v ‹ue›, ‹ou›, ‹ui›, je 1x ‹o›, ‹o›

o

o

o

v

1x ‹uo›

e



o

o

o

‹uo›, ‹vo›, 1x ‹ue›

v

‹v›, ‹u›, ‹u›, ‹uo›, ‹ûo›, ‹vo›, ‹v›, je 1x ‹o›, ‹o›, o

o

v

e

e

o

Inf.

‹u›, ‹v›, ‹v›, ‹u›, ‹uo›, ‹vo›, ‹oy›, ‹ü›, ‹o›, ‹o›, ‹oi›, ‹u›, ‹ui›, ‹û›, ‹ûo›, je 1x ‹v›, ‹ve›, ‹ô›, ‹æ›

Part.Präs.

‹uo›, ‹u›, ‹v›, je 1x ‹v›, ‹u›, ‹u›

o

e

o

921

3. Besondere Verben o

o

Der Stammvokal im Ind.Präs. ist regelmäßig ue (‹uo› ~ ‹u› ~ ‹v›), welcher im Ahd. aus ō diphthongiert wurde, im Mhd. aber vermutlich schon zu ue abgeschwächt war. Deutlich seltener tritt u (‹u› ~ ‹v›), welches Indiz der durchgeführten md. Monophthongierung sein kann, auf. Der Anteil von u-Formen beträgt in allen finiten Paradigmapositionen 15%–30%. Diachron ist ein Anstieg der Belege mit u-Vokalismus zu verzeichnen: Während diese Formen in 211/ ​112 nicht nachgewiesen sind, haben sie in 114 einen Anteil von ca. 30%. Weinhold zufolge (Mhd.Gr., § 362) dominiert ue im Obd., im Md. dagegen tritt u auf; im Grammatik-Korpus ist ein deutliches Überwiegen von u nur im Rhfrk.-Hess. festzustellen, im Omd. ist u etwa gleich häufig wie ue nachgewiesen (vgl. auch Paul, Mhd.Gr., § L 49). Anm. 1:  Im Wmd., besonders im Mfrk., tritt in der 2./ ​3.Sg.Präs. häufig ‹ei› ~ ‹ey› auf (deis, deit, ca. 30% aller md. Belege, besonders häufig in 114 im Mfrk.; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 362: analoge Bildung zu steit (< stān), geit (< gān); Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 33.4. und Dornfeld 1912, 216; ‹ei›-Formen belegen auch Th. Klein 2000b, 29 u. a.). Der steigende Di­ v v ph­thong ou (‹o›) erscheint in ca. 2% aller Belege, vornehmlich obd., stets in Tris (Ich en tone‫܅‬ vb niht, 1 ,21; 140) und Mess. Formen mit e als Zweitglied des Diphthongs/ ​Graphems ‹ue› ~ e e ‹ve› ~ ‹u› ~ ‹v› machen ca. 1% aller präsentischen Bildungen aus. Sie kommen nur im obd. e e Raum vor: tun, StBA, 16rb,17; tut, WüPo, 248vb,10. Im Ahd. sind solche Formen zeitig belegt und werden als scheinbare Diphthonge mit aufgegebenem Zweitglied + Endungsvokal interpretiert (Ahd.Gr.I, § 380, Anm. 1 u. § 40, Anm. 4; Franck, Afrk.Gr., § 211). Ob e hier im Sinne eines Themavokals (‚stammbildenden Suffixes‘) in den mhd. zumeist später belegten Formen zu interpretieren ist, bleibt jedoch fraglich. Im Alem. vereinzelt sowie gehäuft in i i MüRB ist ‹ui› ~ ‹u› (tut, LEnt, 171v,7; 5,5; tuin, MüRB, 24r,26) nachgewiesen. Stammvokal o weisen weniger als 1% aller Belege auf. Diese Formen sind im Wmd. frequent, hier bes. RBib (don, A1r,6; 323b). Anm. 2:  Einzelne Vokalvarianten treten handschriftenspezifisch auf, z. T. dem landschaftlichen Usus entsprechend: ‹oi› ~ ‹oy› in Taul (sonst singulär, so auch Th. Klein 2000b, 29, v o Anm. 69), ‹ui› in MüRB (s. o.), ‹o› in Tris und Mess (s. o.), ‹ue› in Kölner Urkunden (s. o.).

Der Stammvokalismus des Konjunktivs stimmt grundsätzlich mit dem Indikativ überein. Einzige Besonderheit der Stammbildung ist der erweiterte alem. Konj. tuege. Anm. 3:  In ZwBR ist nur tuoge belegt (singulär auch tuohe, ZwBR, 6r,8). Diese Formenere weiterung ist im Alem. bis ins 16. Jh. möglich (so auch tuge, PrSch, 131v,3; zum erweiterten alem. Konj. s. § V 10, Anm. 3, § V 45, Anm. 1 und § V 54, Anm. 1; vgl. auch Weinhold, Mhd. Gr., § 362; Grimm, DWB 21, 435; Gleißner/ ​Frings (1941, 153: Belege auch für den Ind.) und Frnhd.Gr., § M 147). Weiterhin selten oder vereinzelt (zum Großteil für dieselben Hss. o v charakteristisch wie im Ind.) treten auf due, UKöln1, 13,5; doy, Taul, 82v,17; to , Tris, 51rb,2; ra 7535 und tue, WNot, 32 ,20 (zu Letzterem vgl. Ahd.Gr.I, § 380, Anm. 1 u. 2; vgl. auch Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 33.2; zu Konj.-Formen Kögel 1884, 509).

922

VII. Verben

(5) Stammflexivik Präteritum Belegt sind:

V 204

Ind. Sg.

Pl.

Part.Prät.

Konj. e

1.

‹e›

‹e›, ‹â›, ‹æ›, je 1x ‹a›, ‹a›

2.

‹a›, ‹e›, ‹æ›, 1x ‹ê›

‹e›, je 1x ‹æ›, ‹a›, ‹ey›

3.

‹e›, ‹æ›, ‹ê›, ‹ey›, ‹ei›, je 1x ‹a›, ‹o›

‹e›, ‹æ›, ‹a›, ‹ê›, ‹ei›, ‹‫›ܓ‬

1.

‹a›

‹æ›, ‹e›, ‹a›

2.

‹a›, ‹â›

3.

‹a›, ‹â›, ‹e›, ‹o›, ‹âe›, ‹æ›, 1x ‹e›

e

1x ‹e› i

‹e›, ‹æ›, ‹ei›, je 1x ‹a›, ‹‫›ܓ‬

‹e›, ‹i›, ø

Die 1./ ​3.Sg.Prät. hat regelmäßig e-Vokalismus (tete). Die 2.Sg.Prät. hingegen wird analog zu den stv. gemäß der Ablautstufe des Plurals überwiegend mit a gebildet (tate). Allerdings finden sich hier größere Abweichungen. Anm. 1:  Mit über 50% dominiert in der 2.Sg.Prät. zwar die a-Graphie (bes. WNot, außerdem Muri, RPaul, ZwBR, AlxS), jedoch ist e mit ca. 35% besonders im Wmd. frequent; ǟ (ca. 15%) tritt meist im Bair. auf (Wind, HLit, MMag, außerdem Türh). In der 3.Sg. ist selten abweichender Stammvokalismus belegt: ‹a›, ‹o› und md. ‹ei› ~ ‹ey› (vgl. Feudel 1961, 185).

Im Pl.Ind.Prät. sowie Part.Prät. dominiert a-Vokalismus mit über 90%. Anm. 2:  Die Übernahme des Pl.-Vokals a in den Sg. (hier neben der 2.Sg. nur für die 3.Sg. belegt) und damit Numerusausgleich (vgl. Paul, Dt.Gr.II, § 197) ist im Grammatik-Korpus nur selten (unter 2%) zu belegen (dur die gna‫ ݲ‬die got ubir dich tate, Muri, 5v,2f). Bei eini­ gen tǟte-Belegen ist die Moduszuordnung unsicher oder es handelt sich um Reimformen (zum Reimgebrauch bes. Schirokauer 1923, 37ff u. Zwierzina 1900a, 101–116, auch Wesle 1925, 143). Für das Thür. liegen Alm (1936, 406, 410, 412) zufolge die frühesten Belege Anfang des 15. Jh.s vor, im Schles. vereinzelt früher (Trebnitzer Psalmen). Im Frnhd. ist die Stammvokalalternation weitgehend zugunsten von a ausgeglichen (vgl. Frnhd.Gr., § M 147). Anm. 3:  Im Pl.Prät. und Part.Prät. könnte ein Superskript in ca. 4% der Belege als Längenmarkierung des a interpretiert werden (Ir ‫܅‬ult buozze nemin alli‫ ܅‬de‫ ܅‬ir îe zeûbili getâtit, Spec, 41r,18f; getân, Spec, 81r,17). Im Mfrk. (Taul, Yol, UKöln1, Göll) wird die Länge des Vokals häufig durch nachfolgendes ‹i› oder ‹y› markiert, z. B. gedaín, Göll, 1rb,43; A 86 (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 37). Vereinzelt sind ǟ, o und e nachgewiesen (z. B. tæten, Tris, 97 va,11; 18876; geton, Rapp, 282va,28; 32581; tetin, MBeh, 233v,5; zum Ausgleich nach dem Sg.-Vokal vgl. Alm 1936, 409). Anm. 4:  Bildung des Part.Prät. ohne ge- erfolgt nur vereinzelt, z. B. Richtࠀ ‫܅‬ol man. vb’ den. d’ den. tot‫܅‬lach tan hat, Rupr, 8,13f. Vgl. auch Grimm, DWB 21, 435; Feudel (1961, 185). Anm. 5:  Im Mfrk. sowie in MüRB (omd.) ist sowohl im Ind. als auch im Konj. die Stammvokalvariante ‹ei› ~ ‹ey› nachgewiesen (z. B. deܰde, Göll, 2rb,31; A 237).

3. Besondere Verben

923

Im Konj.Prät. ist vorwiegend e ~ ǟ belegt, wobei Ligaturschreibung nur im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum sowie in den obd. Texten in 113 (Iw, Nib, Parz, Tris) auftritt (tæten, BKön, 1rb,35; tæte, Tris, 98ra,7; 18990). Selten im Sg. und vereinzelt im Pl. ist a belegt (vor allem in den obd. Texten in 211/ ​112 und im Alem.). Lit.: Ahd.Gr.I, § 380; Alm (1936, 406, 409f, 412); Bammesberger (1986, 32ff, 112ff); Dornfeld (1912, 216); Feudel (1961, 185); Franck, Afrk.Gr., § 211; Frnhd.Gr., § M 147; Gleißner/ ​Frings (1941, 153); Grimm, Dt.Gr.I, 879; Grimm, DWB 21, 435; Th. Klein (2000b, 29); Knapp (1968); Kögel (1884); v. Kraus (1898); Lühr (1984, 26f, 39ff, 48ff); Mihajlović (2017); Nübling (1995, 130); Paul, Dt.Gr.II, § 197; Schirokauer (1923, 37ff); Seebold (1970, 158); Weinhold, Mhd.Gr., § 362; Wesle (1925, 143); Wilmanns (1889); Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 33; Zwierzina (1900a, 101–116).

3.5.2.3. sīn

(1) Überblick

Das verbum substantivum sīn ,sein‘ ist ein aus dem Idg. ererbtes Verb, das bis in die Gegenwartssprache Archaismen und flexivische Besonderheiten aufweist (wie auch die Verben gān/ ​gēn, stān/ ​stēn gehört sīn zu den Wurzelverben mit Suppletivparadigma). Die Flexionsformen von sīn werden im Mhd. wie auch bereits im Germ. suppletiv aus drei verschiedenen idg. Stämmen gebildet: 1. aus idg. *h1es- ‚da sein, sein‘ (vgl. LIV, 241f > wgerm. *is-; lat. es-t; mit Schwundstufe *s-, lat. s-unt). Auf die vollstufige Form *is- geht im Mhd. die 3.Sg.Ind.Präs. ist zurück. Die mit s- anlautenden Formen (Pl.Präs.; Konj.Präs.; Pl.Imp.) entsprechen der schwundstufigen Form germ. *s- (sīn, sīt, sīnt; sī, sīst etc.; sīt). 2. einer Ableitung von idg. *bhṷeh2- ,wachsen, entstehen, werden‘ (vgl. LIV, 98ff; vgl. lat. fui, futurus; ahd. bū(uu)an ‚wohnen, sich aufhalten‘). Unter dem Einfluss dieser Form sind im Hd. die mit b anlautenden Formen (1./ ​2.Sg.Ind.Präs. bin und bist) umgebildet worden. Auch in der 1./ ​2.Pl.Ind.Präs. und im Imp. sind im Mhd. noch solche Mischformen belegt (birn, birt; bis, birt). Die 3.Sg. und Pl. werden, möglicherweise durch ihre hohe Frequenz, nicht von der Kontamination berührt. Die beiden erstgenannten idg. Wurzeln *h1es- und *bhṷeh2- und deren Mischung kommen im Germ. nur im Präsensparadigma vor.

3. idg. *ṷes- ‚verweilen, wohnen, übernachten‘ (vgl. Pokorny 2005, 1171: germ. *wesan, ahd. uuęsan ‚sein, werden‘): Durch das st. Verb mhd. węsen werden alle Präteritalformen gebildet (was, wǟre, was, wāren, wāret, wāren). Der Sg.Imp. (wis) und das Part.Prät. (gewęsen) des verbum substantivum weisen zu 90% diesen Suppletivstamm auf, der Inf. (węsen), Pl.Imp. (węs(e)t) und das Part.Präs. (węsende) wesentlich seltener.

V 205

924

VII. Verben

Diese paradigmatischen Positionen können aber auch mit s- oder b- anlauten (bis, ge-sīn, sīn, sīt, sīnde). Das Präteritalparadigma konstituiert sich aus der 3. Wurzel idg. *ṷes-, da die dominant durative Bedeutung des verbum substantivum wohl schon grundsprachlich keine Perfektbildungen aus der Wurzel *h1es- zuließ (vgl. Delbrück 1897, 256; Bammesberger 1986, 119). Das verbum substantivum ist eines der wenigen mit Sicherheit ererbten germ. athematischen Wurzelverben (oder ‚mi-Verben‘). Als Wurzelverb gilt ein einsilbiges Verb, wenn ein vokalisches Element (‚Themavokal‘ oder ‚stammbildendes Suffix‘) zwischen Wurzel und Endungsflexiv in jeder paradigmatischen Position fehlt und die 1.Sg.Präs. eine nasalhaltige Endung aufweist (*dô-mi > tue-n, *dô-si > tue-s(t) usw.; vgl. Bammesberger 1986, 32; Lühr 1984, 27; Kuntze 1896, 320). Im Nhd. ist die Endung von bi-n das einzige Relikt der ‚miVerben‘. Näheres zum wgerm. Paradigma des verbum substantivum bei Bammesberger (1986, 32f, 119–122); Lühr (1984, 27–39); Kuntze (1896, 314–331); zu mdal. Formen bes. Grimm, DWB 16, 228–250.

(-)‌sīn (19 Lexeme in 16628 Wortformen, Simplex 16532 Wortformen) Präsens Indikativ Sg.

1.

bin

2.

bist ~ bis

sīst ~ sīs

3.

ist ~ is



1.

sīn ~ birn ~ sint

sīn

2.

sīt ~ sint ~ birt

sīt

3.

sint ~ sīn

[wis] ~ bis

Sg.Imp. Pl.

Konjunktiv sī

sīn ~ sint sīt ~ [węs(e)t]

Pl.Imp.

sīn, [węsen] ~ sint ~ si(e)

Inf.

[węsende] ~ sīnde

Part.Präs.

(2) Präsens Belegt sind:*

V 206

Indikativ Sg.

Sg.Imp.

Konjunktiv

1.

bin, pin, byn, bon

‫܅‬i, ‫܅‬î, ‫܅‬y, je 1x ‫܅‬ige, ‫܅‬ie, ‫܅‬ei, ‫܅‬e

2.

bi‫܅‬t, bi‫܅‬, pi‫܅‬t, by‫܅‬, biz

‫܅‬i‫܅‬t, ‫܅‬i‫܅‬, ‫܅‬ige‫܅‬t, ‫܅‬ei‫܅‬t, je 1x ‫܅‬ie‫܅‬, ‫܅‬ie‫܅‬t, sî‫܅‬t, ‫܅‬î‫܅‬, ‫܅‬îge‫܅‬t

3.

i‫܅‬t, i‫܅‬, iz, je 1x it, ez, e‫܅‬

‫܅‬i, ‫܅‬ei, ‫܅‬ie, ‫܅‬î, ‫܅‬y, ‫܅‬ij, ‫܅‬ey, ‫܅‬ige, ‫܅‬j, ‫܅‬ein, je 1x e ‫܅‬u, ‫܅‬iu, ‫܅‬in, ‫܅‬y bis, biz, 1x bys

925

3. Besondere Verben

Pl.

Pl.Imp. Inf.

1.

sin, birn, ‫܅‬ein, ‫܅‬ien, ‫܅‬int, ‫܅‬i, bir, biren, ‫܅‬ijn, ‫܅‬in, ‫܅‬igen, ‫܅‬ihen, je 1x ‫܅‬ei, ‫܅‬în ‫܅‬ie, pirn, je 1x ‫܅‬igen, ‫܅‬ei, birin, bin, ‫܅‬yn, ‫܅‬în, pîrn

2.

‫܅‬it, ‫܅‬yt, ‫܅‬int, birt, ‫܅‬eit, bint, ‫܅‬ît, je 1x ‫܅‬iet, ‫܅‬id, ‫܅‬ijt, pirt, bîrt

3.

‫܅‬int, ‫܅‬in, ‫܅‬ynt, ‫܅‬yn, ‫܅‬ien, ‫܅‬ein, ‫܅‬ient, ‫܅‬în, ‫܅‬ijn, ‫܅‬unt, ‫܅‬ont, ‫܅‬ijnt, ‫܅‬ihen

– ‫܅‬in, ‫܅‬ien, ‫܅‬ein, ‫܅‬ihen, ‫܅‬igen, ‫܅‬în, 1x ‫܅‬int

‫܅‬it, ‫܅‬yt, ‫܅‬int ‫܅‬in, ‫܅‬ein, ‫܅‬yn, ‫܅‬în, ‫܅‬i, ‫܅‬ie, ‫܅‬ijn, ‫܅‬ien, ‫܅‬int, 1x ‫܅‬jn

Part.Präs.

‫܅‬inde, ‫܅‬înde

* Neben anlautendem ‹‫ ›܅‬ist in allen Positionen selten auch ‹s› belegt.

Das Präsensparadigma des verbum substantivum weist vier verschiedene Stammformen auf (is-, sī-/ ​si, bi-, we-/ ​wi-); die Endungen entsprechen mit Ausnahme der 1.Sg. den usuellen Verbendungen, enthalten jedoch kein vokalisches Element. Alle paradigmatischen Positionen können im Präs. auch von Formen des Verbs węsen übernommen werden, allerdings sind Präsensformen von węsen bis auf den Sg.Imp. wis und den Inf. węsen relativ selten (węse, wisis, wisit, węsen, węset, węsen, węsende: im Grammatik-Korpus insgesamt ca. 100 Präs.-Belege von węsen gegenüber mehr als 15.000 sīn-Belegen). Die 1. und 2.Sg.Präs. lauten mit b- an (bin, bist). Die 1.Sg. hat die vom Usus der stv. und swv. abweichende Endung -n (< *-mi, s. § V 199). Anm. 1: Der b-Anlaut der hochdeutschen Formen der 1. u. 2.Sg.Präs. (ahd. bim/ ​bist, mhd. bin/ ​bist) ist ein Reflex der Wurzel idg. *bhṷeh2-, die mit germ. *is- (< idg.*h1es-) eine Mischform bildet. Das Fehlen eines wurzelschließenden -s bzw. -ȥ (-ȥ: alle Formen konnten auch unbetont vorkommen, so dass hier das Verner’sche Gesetz wirksam wurde: *esmi > *eȥmi) erklärt sich durch die Assimilation des Wurzelauslauts mit der mi-Endung der Wurzelverben (wgerm. *b-im-mi < germ. *eȥ-mi < idg. *h1es-mi mit Hebung *e > *i des Wurzelvokals). In der 2.Sg.Präs. wurde die durch die Endung entstandene Gemination vereinfacht (germ. *esi/ *​isi < idg. *h1es-si, vgl. Bammesberger 1986, 29, 32f). Anm. 2: Der b-Anlaut hat möglicherweise seinen Ausgangspunkt in der 2.Sg.Präs., von wo aus er auf die 1.Sg.Präs. übertragen wurde. Nur durch Anfügen des b war nach Antritt der t-Endung der Präterito-Präsentien die 2. von der 3.Sg. zu unterscheiden (vgl. Lühr 1984, 30).

Die 2.Sg.Ind.Präs. lautet in 67% aller Belege bist. Die Form ohne Dentalendung bis (33%) schließt sich dem landschaftstypischen Usus der dentallosen 2.Sg.Präs. an (s.  § V 46) und dominiert im Wmd./ ​Mfrk. (ausschließlich in ArnM, RhMl, PLilie, VLilie, BuMi, überwiegend in Taul), z. B. Du bis ‫܅‬cone mine vrundine (BuMi, 72v,17f). Vereinzelt treten Formen in Omd. (PrMK, MBeh, JMar) und in der ostalem.-bair. Hs. ZwBR auf. Als Handschriftenbesonderheit findet sich die 2.Sg. ohne -t auch in Wind (s. § V 46, Anm. 1).

926

VII. Verben

Anm. 3:  Bereits seit dem frühen Ahd. und auch in Texten, in denen bei den st./ ​sw. Verben die Endung der 2.Sg. gewöhnlich -s ist, ist in bist die Verwendung einer dentalhaltigen Form allgemein; hier liegt möglicherweise eine Angleichung an die Formbildung der Präterito-Präsentien (z. B. wėist, muest) vor, die im Ahd. seltene Form bis ist möglicherweise erst durch falsche Auflösung von bistu entstanden (vgl. Ahd.Gr.I, § 379, Anm. 1; Franck, Afrk.Gr., § 210; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 28.3; Lühr 1984, 29f; Grimm, DWB 16, 231; Rösel 1962, 72f u. 131f). Aufgrund der zum Mhd. hin auch für die st./ ​sw. Verben allgemein werdenden Verwendung des dentalhaltigen Flexivs (du wirf(e)st, du sag(e)st) verhält sich sīn analog zu diesen Verben. Die bei sīn seit 113 und regional gebunden häufige Verwendung des dentallosen Flexivs (bis) tritt ebenso auch bei den st./ ​sw. Verben auf und stellt somit keine Besonderheit dar.

Die 3.Sg.Ind.Präs. weist eine von allen anderen paradigmatischen Positionen abweichende Form auf, sie lautet reglmäßig ist. Anm. 4:  Die 3.Sg.Ind.Präs. ist (< idg. *h1es-ti mit Hebung *e > *i) stellt die einzige vollstufige Form der Wurzel *h1es- ohne b-Anlaut dar.

Neben ist kommt – weitestgehend auf den wmd. Sprachraum beschränkt – die dentallose Variante is vor. Sie umfasst weniger als 15% aller Belege (Dar na is de wrm undotlich, VLilie, 29r,2; 11,21). Kerngebiet ist das Mfrk., in dem jede Handschrift fast ausschließlich is belegt (Ausnahme RBib). Dagegen ist im Rhfrk.-Hess. (Ausnahme ArnM) die dentallose Form nur randständig nachgewiesen (hier als weniger häufige Parallelform bes. in OxBR). Vereinzelt findet sich is auch im Hess.-Thür. und Omd. (Ausnahme MüRB: stets is). Anm. 5:  Die dentallose Form is wird erst in der 2. Hälfte des 12. Jh.s geläufig (vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 364; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 32: „jüngere Entartung“), ist aber bereits im Ahd. nachgewiesen (vgl. Ahd.Gr.I, § 379; Franck, Afrk.Gr., § 210). Diese Formbildung kann im Wmd. bis ins 15. Jh. auftreten (vgl. Frnhd.Gr., § M 149). Anm. 6:  Es kann zu Wortverschmelzungen (Krasis) kommen, wobei Formen von sīn z. T. noch erkennbar sind, z. T. aber auch bereits lexikalisierte Formen vorliegen. Dabei fällt entweder der Stammvokal der 3.Sg.Präs. i (de|‫܅‬t, Wins, 63ra,39; a30,4; So|‫܅‬t, Mart, 2rb,8; 2,36) oder der Dental (dê|i‫|܅‬war, Iw, 1v,12; 38) aus, oder das Finitum wird auf ein Graphem reduziert (deswar: De|s|war, Lieht, 6va,19; 95,7; da‫|܅‬t, RWchr, 153va,17; 20814).

In den pluralischen Paradigmapositionen gelten weitgehend regelmäßig  – mit Ausnahme insbesondere des Alem. und des Bair. – die s-anlautenden Formen (schwundstufige Form von is-); in der 1./ ​2.Pl. insbesondere alem. und bair. auch die älteren b-Formen (bint, PrSchw, 8r,25, Türh, 151vb,57; 35196; s. Anm. 7); vereinzelt sind auch in der 3.Pl.Ind.Präs. b-Formen nachgewiesen: Die noch im Ahd. allein im Konjunktiv (dem historischen ‚Optativ‘) vorkommenden s-anlautenden Flexionsformen mit langvokalischem Stamm (1.Pl. sīn, 2.Pl. sīt) treten im Mhd. auch im Ind. auf (s. Anm. 8); daneben kann besonders im Alem. die Form der 3.Pl.Ind. sint selten auch in der 1./ ​2.Pl.Ind. übernommen sein (Tendenz zum Einheitsplural).

3. Besondere Verben

927

Anm. 7: Die b-Formen der 1./ ​2.Pl.Präs. sind wie die 1./ ​2.Sg.Präs. aus einer Kombination der Wurzeln idg.*h1es- und *bhṷeh2- entstanden. Dabei erscheint im Germ. Ersteres in vollstufiger Wurzelform mit Antritt von Sekundärendungen, so dass diese Formen ausdrucksseitig als Präteritalformen erscheinen: *eȥum, *eȥuþ; vgl. Ahd.Gr.I, § 379, Anm. 3; Bammesberger (1986, 33); Weinhold, Mhd.Gr., § 363; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 32.6; J.  Schmidt (1881, 592–600); Rösel (1962, 44). Zur historischen Erklärung der 1./ ​2.Pl.Präs. vgl. Bammesberger (1986, 33) und Lühr (1984, 28f); zur Formenbildung vgl. auch Kuntze (1896); J. Schmidt (1881) und Grimm, DWB 16, 232. Anm. 8:  Die Neubildungen sīn und sīt sind vom Anfang des Mhd. an belegt. Hier zeigt sich der Einfluss des Konj. auf das Ind.-Paradigma: 1./ ​2.Pl.Präs. sīn und sīt sind aus dem Konjunktiv übertragene Ersatzformen für birn und birt (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 364; Kuntze 1896, 324). Im Zuge des Wegfalls der b-Formen kommt es bereits im Mhd. zu einer Vermischung der Formen im Pluralparadigma: Die Form der 1.Pl. dringt in die 3.Pl. ein, die 3.Pl. kann auch für die 1. und 2.Pl. stehen. Die Übertragung der 3.Pl. sint in die 1.Pl. betrachtet Weinhold (Mhd.Gr., § 364) als Gegenbewegung zum Vordringen des Konj. in den Ind. (s. u.). Besonders im Md. gehen 1. und 3.Pl. vielfach ineinander über (Feudel 1961, 187). Der Zusammenfall der 2. und 3.Pl. wurde wohl durch die höfische Sitte des ‚Ihrzens‘ verhindert (vgl. Kuntze 1896, 323; Besch 2003, 2606). Ein Nebeneinander von sīn und sint in der 1.Pl.Ind. tritt z. T. noch im 17. Jh. auf, wobei sīn vor allem im Oobd. deutlicher erhalten zu sein scheint (vgl. Frnhd.Gr., § M 149).

In der 1.Pl.Ind.Präs. gilt (Ausnahme bair. und alem.-bair. Übergangsraum bis 113) dominant sīn. Bei nachfolgendem Pronomen kann selten (< 3%) und in Übereinstimmung zum Verhalten aller anderen Verben der Nasal fehlen (‫܅‬o ‫܅‬i wir wunt worden, DvATr, 50v,1f). Zu n-Abfall vor Pron. s. § V 52.

Die für das Ahd. (vgl. Ahd.Gr.I, § 379) als ausschließlich ausgewiesene b-anlautende Form der 1.Pl.Präs. (mhd. bir(e)n) kommt  – mit Ausnahme des Alem.  – allein obd. bis 113 vor (seltenes biren bis 212, später birn/ ​pirn, vor folgendem Pron. selten bir); im Bair. sowie im alem.-bair. Übergangsraum stellt sie bis 212 die dominante (nu birn wir ge‫܅‬egenet und gerainet, Kchr, 38vb,25f; 8929), in 113 eine noch häufig verwendete Form dar (ca. 40 %). Ab 213 ist bir(e)n nicht mehr belegt; auch Weinhold (Mhd.Gr., § 363) verzeichnet (Reim-)Belege bis ins 13. Jh. Anm. 9:  Eine Nebenform ohne r bin (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 363) kommt bei Will vor (16v,12).

Die der 3.Pl.Präs. eigene Form sint ist sehr selten auch in der 1.Pl.Präs. verwendet, erste Belege erscheinen im Alem. schon in 113 (vࠁ dez wir alle ‫܅‬int entwert, TriF, f1vb,26; 12272) und 213, in 114 dann auch im Bair., Ofrk. und Omd. Vereinzelt können korpusextern für die 3.Pl.Präs. auch b-Formen belegt werden (birn, *BvgSp, 157rb,32 und 165ra,31).

928

VII. Verben

Anm. 10:  Von den vier belegten sint-Formen stammen drei aus alem. Verstexten, zwei e stehen im Reim mit kint. Eine t-Form findet sich in einer Urkunde: Das wir [...] gutlich mit i einander vberein ‫܅‬int komen, UFreib2, 12,4. Entgegen dem Korpusbefund scheint Weinhold (Mhd.Gr., § 364) sint zuerst im Md. und im 14. Jh. auch im Obd. belegt zu finden (unklar bei Grimm, Dt.Gr.I, 881). Im Frnhd. setzt sich sint zunehmend durch, parallel dazu kann sīn noch im 17. Jh. erscheinen (Frnhd.Gr., § M 149).

In der 2.Pl.Ind.Präs. und im Pl.Imp. gilt mit Ausnahme des Alem. sīt (ab 213 obd. selten auch diphthongiert ‫܅‬eit), im Alem. ist bis 114 sint vorwiegend (z. B. Ir ‫܅‬int ze lange hinne ge‫܅‬in, Rapp, 203rb,37; 17437; zu seltenen Belegen außerhalb des Alem. s.  Anm. 11); die für das Ahd. als ausschließlich ausgewiesene b-anlautende Form der 2.Pl.Ind. (mhd. birt) erscheint selten in WNot, Will sowie selten im Alem., Bair. und alem.-bair. Übergangsraum (‫܅‬o birt ir in der æhte de‫ ܅‬himeli‫܅‬chen kunige‫܅‬, Hoff, 14v,1f); Weinhold, Mhd.Gr., § 363 sieht Reimbindung. Zur seltenen Nebenform bint s.  Anm. 12. Anm. 11: Seltene sint-Formen kommen seit 213 im Rhfrk.-Hess. sowie alem.-bair. Übergangsraum vor, z. B. I‫܅‬t got vwer vader. ‫܅‬o ‫܅‬int ir brvdere vn‫܅‬eres herrࠀ. ihࠈ xࠉi, SalH, 140,15 u. 450,25. Anm. 12: Seltene b-anlautende Nebenformen ohne r bint (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 363) kommen einerseits sehr früh (ir bint etewaz hie vertuelit, Mem, 155r,4; 17,4), andererseits ab 212 im Alem. und alem.-bair. Übergangsraum vor (z. B. wan ir bint der eine d’ mir hie gihelfin mag, Flor, 7b,10; 5368); zur 1.Pl.Ind.Präs. s. Anm. 10. Hier kann einerseits Fortführung einer älteren Möglichkeit (vgl. Ahd.Gr.I, § 379, Anm. 3) vorliegen, in den jüngeren Formen kann andererseits Kontamination aus b-anlautenden Formen und alem. dominant verwendetem sint vorliegen.

Die 3.Pl.Ind.Präs. lautet regelmäßig sint; daneben bis zum ausgehenden 12. Jh. selten bereits auch das ursprüngl. optativische dentallose sīn (s.  Anm. 8); Weinhold sieht ein „vordringen von optativem sîn in den Indicativ“ (Weinhold, Mhd.Gr., § 364). Nur die 3.Pl.Präs. sint ist eine ursprünglich indikativische Form. Sie ist lautgesetzlich aus der schwundstufigen Form germ. *s- der Wurzel germ. *is- gebildet: mhd. sint < germ. *s-indi < idg. *h1s-enti.

Die Form sīn in der 3.Pl.Ind.Präs. bleibt im Obd. bis zum späten Mhd. hin selten, wird jedoch im Md. ab 113 häufiger (ca. 15%): Im Mfrk./ ​R hfrk.-Hess. bleibt dieser Usus im 13. Jh. beibehalten, wohingegen im Omd. in 213 ein textbezogen z. T. überwiegender Gebrauch eintreten kann. Die Entwicklung setzt sich in 114 fort, insofern im Wmd. ein durchschnittlicher Anteil von ca. 20%, im Omd. von bis zu 40% erreicht sein kann. Im Ofrk. zeigt sich z. T. handschriftenbezogen eine zwischen dem Omd. und Wmd. liegende Verwendung. Noch im Frnhd. steht sīn/ ​sein neben sint (Frnhd.Gr., § M 149).

3. Besondere Verben

929

Die 1./ ​3.Sg.Konj.Präs. lautet sī, die 2.Sg.Konj.Präs. überwiegend sīst, Bildung ohne Endung t ist vorherrschend im Mfrk. (s. § V 46). In der 3.Pl.Konj.Präs. ist vorwiegend sīn nachgewiesen. Das Konjunktivparadigma wird von der schwundstufigen Form germ. *s- der Wurzel germ. *is- unter Antritt des Optativzeichens ī gebildet (vgl. Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 32.3; Bammesberger 1986, 120). Anm. 13:  Selten (unter 1%) wird der Konjunktiv ab 212 vom Suppletivverb węsen gebildet (de‫ ܅‬we‫܅‬e din uollei‫܅‬t, HLit, 94v,6; 661). Anm. 14:  Diphthongierte Belege (er ‫܅‬ei jûnch od’ alt, Rupr, 69,15f) finden sich v. a. bair. und ofrk. in 114. Anm. 15:  Erweiterte Konj.-Formen mit -g- (sige, sigest, sigen, z. B. wez du wert ‫܅‬ige‫܅‬t, PrSch, 126r,18f) sind häufiger in PrSch belegt, in ZwBR treten sigen und sihen auf (zu den Konj.Formen mit -ig- im Alem. vgl. auch Weinhold, Alem.Gr., § 353 u. Grimm, DWB 16, 239). S. § V 10, Anm. 3, § V 45, Anm. 1, § V 54, Anm. 1 und § V 203, Anm. 3.

Sg.Imp. und Pl.Imp. unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Stammbildung: Es dominieren im Sg.Imp. Bildungen des Suppletivverbs węsen, Formen von sīn sind im Grammatik-Korpus nur vereinzelt belegt (‫܅‬i, Göll, 2ra,11; A 185; korpusextern ‫܅‬i, *LambGeb A, 108v,2; vgl. auch Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 32.4); im Pl.Imp. sind Formen von sīn dominant, während węsen-Formen seltener belegt sind. Der Sg.Imp. wird in nahezu 90% aller Belege suppletiv vom Verb węsen gebildet (wis), bes. häufig im Bair., alem.-bair. Übergangsraum und Alem., seltener im Wmd. und Rhfrk.-Hess. Die seltene Form bis (eine Nachbildung von wis, s. Anm. 17) ist auf die erste Hälfte des 14. Jh.s beschränkt und tritt vornehmlich im Ofrk., Omd. und Mfrk., selten im Alem. auf (biz gedultig, GnaÜ, 33,6). Obd. bleibt die Form mit b-Anlaut bis ins 16. Jh. erhalten (vgl. Frnhd.Gr., § M 149; Besch 1967, 309f). Der Pl.Imp. wird zu 80% mit s-Anlaut gebildet (sīt, s. o.), nur selten von dem Verb węsen (węs(e)t). Anm. 16:  Bereits im Ahd. tritt neben węset die 2.Pl.Opt. sīt (vgl. Ahd.Gr.I, § 378, Anm. 3). Formen mit b-Anlaut sind selten. Anm. 17:  Weinhold (Mhd.Gr., § 363, so auch Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 32.4., Anm. 3 u. Grimm, DWB 16, 242) bezeichnet bis als analoge Bildung zu wis. Diese Form trete besonders im Obd., namentlich im Alem., und im Md. auf (vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 353). Der Korpusbefund erbringt dagegen nur singuläre obd. Belege (s. o.). Weinhold listet Belege bereits aus dem Bair. des 13. Jh.s (Weinhold, Bair.Gr., § 298). Diese Form ist schon im Ahd. einmal belegt (Ahd.Gr.I, § 378, Anm. 3). Sie wird im 15. Jh. von der optativischen Neubildung sī verdrängt (Grimm, DWB 16, 242; Kuntze 1896, 325). Die nhd. Form des Sg.Imp. sei kommt erst seit dem 16. Jh. auf (vgl. Frnhd.Gr., § M 149 u. Anm. 1).

Der Inf. lautet überwiegend sīn (ia wil ich ane ‫܅‬orge [...] ‫܅‬in, Nib, 3r,27; 61,4); der Anteil der węsen-Formen sinkt von 35% in 211/ ​112 auf 16% in 114 (s. § V 144, Anm. 7). Das im frühen Ahd. noch vorherrschende węsan wird bereits im Ahd. durch sīn verdrängt (Ahd.Gr.I, § 378, Anm. 2). Seit der 1. Hälfte des 13. Jh.s ist zudem sowohl

930

VII. Verben

bei sīn als auch bei węsen die Präfigierung mit ge- belegt (vgl. Grimm, DWB 16, 244). Anm. 18:  Diphthongierte Belege finden sich ab 213, meist aber in 114 im Bair. und Ofrk. Anm. 19:  Die nasallose Variante des Inf. (si/ ​sie) ist in MüRB belegt (hier stets, z. B. ‫܅‬i, 16r,15; ‫܅‬ie, 19v,23), selten in PrMK und Muri (zum n-Abfall im Inf. s. § V 36, Anm. 1). Anm. 20:  Der flektierte Inf. (Gerundium, s. § V 37) sine ist im Wmd., sinde in UFreib1 belegt; als Analogiebildung ist sint zu werten (vint ‫܅‬int, Baum, 109v,5; ‫܅‬oltint ‫܅‬int, Mem, 154v,28; 11,4).

Das Part.Präs. von sīn, die optativische Neubildung sīnde, ist singulär belegt (dc du hiute mit mir wir‫܅‬t ‫܅‬înde ࠄ dࠀ paradi‫܅‬e, PrSch, 245v,20), häufiger wird das Part.Präs. von węsen gebildet (Do er al‫܅‬o kint we‫܅‬ente ‫܅‬ine‫ ܅‬hv‫܅‬e‫ ܅‬phlegete, PrMi, 14v,17). Die verhältnismäßig junge schriftsprachliche Form sīnde („papierne Form“: Kuntze 1896, 327) ist ebensowenig frequent wie węsende und wird meist zur Übersetzung des lat. Part. gebraucht. Anm. 21:  Die Länge des ī im Pl.Präs., Konj.Präs. und Inf. ist in der überwiegenden Zahl der Belege nicht markiert. Lediglich 1,4% aller Belege, in denen ī vorkommen kann, sind mit Zirkumflex ‹î› bezeichnet, andere diakritische Zeichen (‹í›) sind häufiger. Es ist fraglich, ob diese in gleicher Funktion benutzt wurden. Insofern Graphie ‹ie› als Längenmarkierung (bes. im Omd., s. u.) interpretiert werden darf, ist diese Auszeichnung häufiger (über 2%) belegt. Den diphthongierten Vokal ‹ei› als Nachfolgegraphem des ī weisen knapp 4% aller in Frage kommenden Belege auf (s. u.). Stammvokal ‹ei› ist ab 213 im Bair. im Pl.Ind.Präs., Konj.Präs. und Inf. belegt (vgl. Weinhold, Bair.Gr., § 297), in 114 dominiert ‹ei› im Bair. und tritt auch im Ofrk. häufig auf. Anm. 22:  Als lautliche oder dialektale Besonderheiten treten in mehreren paradigmatischen Positionen folgende Erscheinungen auf: In der 1./ ​2.Sg.Ind.Präs., im Pl.Ind.Präs., im Sg.Konj.Präs. und Inf. ist z. T. ‹y› belegt, vorwiegend in BeEv (ca. 40% aller Belege) und Taul (ca. 20%), vereinzelte Belege liegen vor in OxBR, Lupo und Brig. Im Pl.Ind.Präs. sowie Konj.Präs. und Inf. ist in einigen Hss. z. T. ‹ie› nachgewiesen (häufig nur im Omd. (MüRB, UJena); vereinzelt im Alem. (Muri, NikP) und ZwBR, OxBR, Lupo); ‹ie› wird z. T. als Merkmal von Zweisilbigkeit angesehen (vgl. Grimm, DWB 16, 232). Im Wmd. ab 213 ist im Pl.Ind.Präs., Sg.Konj.Präs. und Inf. z. T. ‹ij› belegt: Überwiegend erscheint ‹ij› in OxBR im Sg.Konj. und in Brig im Inf., vereinzelt in UKöln1. Im Mfrk. kommt in der 1.Sg. und 3.Pl.Ind.Präs. selten ‹o› oder ‹u› vor: 1.Sg. bon, überwiegend in RhMl, hier in 6 von 9  Belegen, z. B. 1r,1 (vgl. auch A. Müller 1907, 34 u. Grimm, DWB 16, 230f); 3.Pl.: seltenes sunt, sont ausschließlich in RhMl (‫܅‬unt, 4v,22; 222; ‫܅‬ont, 36v,12; 2064), in der Hs. überwiegt jedoch i in der 3.Pl.; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 363: Verdunkelung durch Einfluss des n zumindest für die 1.Sg. Selten steht in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. sowie im Sg.Imp. auslautend ‹z› für s (iz, biz), bes. in BeEv und GnaÜ.

(3) Präteritum V 207

Das Prät. des verbum substantivum wird allgemein vom stv. węsen gebildet (s. § V 144, Anm. 7), lediglich im Part.Prät. sind Formen von sīn nachweisbar (d’ lange ín grozࠀ

3. Besondere Verben

931

i

‫܅‬unden i‫܅‬t ge‫܅‬ín, NikP, 78ra,19f; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 364: alem. beliebt, auch md. im Reim). Das Part.Prät. wird zu über 90% von węsen gebildet. Die nach dem Konjunktiv neugebildete Form gesīn tritt vereinzelt in 213 (Lieht, RWh) und mehrfach in 114 auf (überwiegend in den alem. Hss. Rapp und NikP, gleiche Häufigkeit von gesīn und gewęsen in der omd. Hs. LuKr); gesīn kann aber gewęsen, welches die Normalform im Obd. bleibt, nicht verdrängen (vgl. Stopp 1977, 17f; Schirokauer 1923, 28ff; Grimm, DWB 16, 248). Wegen der leichteren Reimbarkeit steht gesīn häufig in Verstexten (ca. die Hälfte der gesīn-Belege ist im Reim belegt). Im Frnhd. scheint die Beleghäufigkeit von gesīn leicht zuzunehmen (Frnhd.Gr., § M 149). Eine weitere und erst ab 213 auftretende Neubildung ist die schwache Partizipialform von węsen, die v. a. mfrk. in 114, auch omd. und ofrk. belegt ist. Im Frnhd. werden die Varianten gesīn und gewęst zugunsten von gewęsen beseitigt (Frnhd.Gr., § M 149; zum Vorkommen der drei Typen des Part.Prät. in frnhd. Texten vgl. Stopp 1977; zur landschaftlichen Verteilung im 15. Jh. vgl. Besch 1967, 324ff). Anm. 1:  Die Verwendung von gesīn vs. gewęsen wertet Zwierzina als wichtiges Kriterium zur Gliederung des alem. Sprachraumes: gesīn ist gegenüber gewęsen die dialektal markierte Form, die z. B. Hartmann von Aue in seinen frühen Werken meidet (vgl. Zwierzina 1903, 434; Wiesotzky 1911, 29). Lit.: Ahd.Gr.I, § 378f; Bammesberger (1986, 29, 32f, 119–122); Besch (1967, 309f, 324ff); Besch (2003); Delbrück (1897, 256); Feudel (1961, 187); Grimm, Dt.Gr.I, 881; Grimm, DWB 16, 228–250; Franck (Afrk.Gr., § 210); Frnhd.Gr., § M 149; Kluge (1879, 377–399); Krahe/ ​Meid (1969b, § 98); Kuntze (1896, 314–331); LIV, 98ff, 241f; Lühr (1984, 27–39); A. Müller (1907); Nübling (1995, 127–154); Paul, Dt.Gr.II, § 196; Pokorny (2005, 1171); Rösel (1962, 13f, 44ff, 72ff, 95, 131f); Schirokauer (1923, 28–30); J. Schmidt (1881, 592–600); Seebold (1970, 176ff); Stopp (1977, 1–34); Weinhold, Alem.Gr., § 352f; Weinhold, Bair.Gr., § 296–299; Weinhold, Mhd. Gr., § 363; Wiesotzky (1911, 29f); Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 32; Zwierzina (1903, 425–453). 3.5.2.4. gān/ ​gēn

(1) Überblick

Das Verb gān bildet wie auch stān (s.  § V 214ff) seine Flexionsformen von zwei verschiedenen Stämmen: 1. Wurzelpräsens gān/ ​gēn, 2. Langform ahd. gangan (mhd. gangen). Die Verwendung der beiden Stämme ist überwiegend an einzelne paradigmatische Positionen gebunden (ausführlich dazu s. u.), selten kommen Wurzelpräsens und Langform in gleicher paradigmatischer Position parallel vor (im Prät. nur bei gān: gie  – gienc). Die Bildung des Prät. erfolgt jeweils durch die Langform, das st. Verb gangen (stv. VII: gie/ ​gienc – giengen, s. § V 151f), im Part.Prät. sind auch Formen auf Basis des Wurzelverbs möglich (gegangen/ ​gegān). Im Präs. und Inf. ist Stamm­vokal ā (gān) oder ē (gēn) belegt; die Verwendung erfolgt mehrheitlich nach Schreibland-

V 208

932

VII. Verben

schaft, aber auch die jeweilige paradigmatische Position oder die Verwendung in Verstexten als Reimwort spielen eine Rolle. Das Verb gān wird zu den Wurzelverben gezählt, da es wie sīn und tuen Einsilbigkeit im Präs. aufweist und die 1.Sg.Ind.Präs. mehrheitlich auf -n endet. Das st. Verb gangen ist im Mhd. im Inf. nur vereinzelt belegt (korpusexterner Nachweis in der Vorauer Hs. (Vorau 276): do hiz ‫܅‬i ilen gengen. eine ammen gewan man der chuneginnen, *VMos3, 87 vb,44f). Die Flexion von gān/ ​gēn und stān/ ​stēn erfolgt weitgehend übereinstimmend, es können nur wenige Unterschiede belegt werden: So sind in der 1./ ​3.Prät. von gān/ ​gēn Kurz- und Langformen belegt (gie, gienc), stān/ ​stēn bildet das Prät. ausschließlich auf Basis von standen. Weitere Abweichungen in der Verwendung des Stammvokals (ā oder ē) oder der Kurz- und Langform sind gering und vermutlich der Beleglage geschuldet. Anm. 1:  Die Kurzform mit ā wird von Weinhold als die ursprüngliche angesehen (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 352); der Wechsel zu ē ist bisher nicht abschließend geklärt (vgl. zur Diskussion des zweifachen Stammvokals Ahd.Gr.I, § 382, Anm. 1).

Die Flexionsformen von gān/ ​gēn (‚gehen‘) setzen sich aus zwei verschiedenen Stämmen zusammen: Sie werden von dem Stamm des ahd. noch belegten n-infigierten starken Verbs gangan (vgl. Ahd.Gr.I, § 382) und dem bereits ahd. belegten, aber erst mhd. deutlich frequenten Wurzelpräsens gān/ ​gēn gebildet. –– Im Mhd. werden der Ind.Präs., der Inf., der Pl.Imp. sowie das Part.Präs. mehrheitlich auf Basis des Wurzelpräs. gān/ ​gēn gebildet. Die Langform (auf Basis von ahd. gangan) wird bevorzugt im Konj. in alem. und alem.-bair. Handschriften sowie im Sg.Imp. verwendet. Im Prät. stehen in der 1./ ​3.Sg.Ind. dagegen Kurzund Langformen weitgehend parallel (gie – gienc, s. § V 211), hier kann eine Bindung an die Sprachlandschaften und an die Überlieferungsform (Vers) ermittelt werden. Im übrigen Prät. dominiert die Langform (giengen). Zur Kurzform gie und deren Herleitung (Neubildung nach dem Präs. oder Analogie zu lie, vie, hie) s. § V 221, Anm. 1. –– Die Verwendung des Stammvokals a oder e im Präs./ ​Inf. ist von mehreren Faktoren beeinflusst, am wichtigsten ist die landschaftliche Bindung: a steht bevorzugt im Alem. (86,6% aller alem. Belege). In Verstexten ist a häufiger als e, auch außerhalb des Alem. (55,2% aller Verstexte) (s.  § V 212). Im Mfrk. hängt die Verwendung von a und e von der paradigmatischen Position ab: Inf., 1.Sg.Ind.Präs., 2.Sg.Imp., Part.Präs. haben mehrheitlich a (‹a› ~ ‹ai› ~ ‹ay›), 2./ ​3.Sg.Ind.Präs., Pl.Präs., Konj.Präs. mehrheitlich e (‹e› ~ ‹ei› ~ ‹ey›). Diese landschaftliche Verteilung stimmt mit der bei stān weitgehend überein. Die Zweisilbigkeit des Verbs (gehen) und damit möglichen Übergang in die thematische Flexion entwickelt sich signifikant erst im Frnhd. aus der gēn-Form (Frnhd.Gr., § M 148.3); frühe zweisilbige Formen (gehen, gehet) stammen aus Urkk. (Gießmann belegt zweisilbige Inf.- und Präs.-Formen in einer Würzburger Urk. von 1282; vgl. Gießmann (1981, § 32); *UrkCorp, Nr. 516; noch frühere zweisilbige Formen finden sich in einer hess. Urk. von 1275, vgl. *UrkCorp, Nr. 239). Kolb (1972, 140) sieht die Entwicklung der Zweisilbigkeit bei gehen

933

3. Besondere Verben

in einem Zusammenhang mit der Restituierung der Zweisilbigkeit bei sęhen und geschęhen. Einfügung des h bei beibehaltener Einsilbigkeit ist vereinzelt in AthP (213, omd.) belegt (begehn, 5rb,1; 5,43, begeht, 8rb,35; 8,77, ‫܅‬tehn, 5rb,2, 5,44). Seltene Belege mit Doppelvokal (‹ee›) können möglicherweise als zweisilbige Formen interpretiert werden (s. § V 212, Anm. 2). Die Deutung der im Mfrk. häufig belegten Formen mit ‹ei› ~ ‹ey› (geist, geit) in der 2. u. 3.Sg. Ind.Präs. als Überführung in die thematische Flexion ist nicht gesichert. (s. § V 212, Anm. 3).

Die Langform gangen ist ein st. Verb der Klasse VII, die Beschreibung des Vokalwechsels im Prät. erfolgt unter § V 151 und V 157. (-)‌gān/ ​gēn (34 Lexeme in 3167 Wortformen, Simplex 1816 Wortformen) Präsens Ind. Sg.

Konj.

1.

gēn, gē

gān, gā

gē, genge (alem.)

gā, gange (alem.)

2.

gēst, gēs

gāst, gās

gēst

gāst, ganges(t) (alem.)

3.

gēt

gāt



gā, gange (alem., alem.-bair.)

genc

ganc

1.

gēn, gē

gān, gā

gēn

gān, gangen (alem.)

2.

gēt, gēnt

gāt, gānt

gēt

gāt, ganget (alem.)

3.

gēn, gēnt

gān, gānt

gēn

gān, gangen (alem.)

2.Pl.Imp.

gēt, gēnt

gāt, gānt

Inf.

gēn, gē

gān

Part.Präs.

gēnde

gānde

2.Sg.Imp. Pl.

Präteritum Ind. Sg.

1./ ​3. gi(e)nc, gie 2.

Pl.

gi(e)ngest

1./ ​3. gi(e)ngen, gi(e)ngent 2.

Part.Prät.

gi(e)nge

Konj. gi(e)nge (gie)

gi(e)nget gegangen, gegān, gegēn

Im Ind.Präs., Inf. und Part.Präs. ist die Kurzform ausschließlich (gē, gēst, gēt, gēn, gēt, gēnt), im Konj.Präs. steht in alem. und alem.-bair. Handschriften häufig die Langform (gange, gangest, gangen). Die im Konj. belegten Kurzformen (gē) stehen insbesondere in Verstexten im Reim (bege  : ‫܅‬te, Tris, 52vb,15f; 7785f; me  : erge, Lieht, 7ra,25f; 105,3f). Im Sg.Imp. überwiegt die Langform (ganc) mit drei Vierteln aller Belege auch außerhalb des Alem., im Pl.Imp. wird bis auf vereinzelte Belegungen im Alem. (nv gant gerne ze bihte, PrZü, 110vb,14) nur die Kurzform verwendet (gēt, gāt).

V 209

934

VII. Verben

Im Prät. stehen Lang- und Kurzformen in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. häufig parallel, hier werden eine landschaftliche Bindung sowie eine Bevorzgung der kurzen Form in Verstexten ersichtlich: In der 1.Sg.Ind.Prät. ist die Kurzform (gie) häufiger, sie steht insbes. im Reim. In der 3.Sg.Ind.Prät. bevorzugen Hss. aus dem Ofrk. und Md. die Langform (über 90% der Belege), in Hss. aus dem Obd. ist mehrheitlich die Kurzform nachgewiesen (knapp drei Viertel der Belege). Die Langform wird im Obd. besonders in Verstexten verwendet (knapp 63% der Belege stammen aus Verstexten), davon steht ein Drittel der Belege im Reim (s.  Anm. 1). Die 2.Sg.Ind.Prät. wird ausschließlich anhand von gangen gebildet (ginge). Im Sg.Konj.Prät., im gesamten Pl. sowie im Part. Prät. dominiert die Langform, die wenigen Kurzformen in der 3.Sg.Konj.Prät. (7 Belege, 13,2%) und des Part.Prät. (40  Belege, 14,7%) stammen mehrheitlich aus Vers­ texten und stehen im Reim (ergie : hie, RWh, 3ra,36f; 293f; man : bigan, LuKr, 34v,13f; 2019f). (Vgl. zu Kurz- und Langform auch Mottausch 1998b, 136 sowie Collitz 1917). Die Belegverteilung innerhalb des Grammatik-Korpus (Annäherungswerte, jeweils auf 5%-Schritte hin gerundet) erweist eine im Md. und Ofrk. vorkommende Verwendung der Kurzform erst für 114, sie liegt in einer Bandbreite von ca. 5–10% (im Rhfrk.-Hess. bei ca. 5%, im Omd. sowie Ofrk. bei ca. 10%). Eine häufige Verwendung findet die Kurzform im Obd. und hier insbesondere im Bair., das die Langform z. T. nurmehr als Ausnahmebildung kennt: obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

211/ ​112

alem.bair.

bair.

35

212

45

50

80

50

85

213

95

80

100

114

30

60

95

113

55

80

Abb. V 11: Verwendungshäufigkeit der Kurzform gie (in % gerundet) Auffällig ist die zur zweiten Hälfte des 13. Jh.s zunehmende Verwendungshäufigkeit der Kurzform, die sich erst in der Folge und nun insbesondere im Alem. dem Usus des Md. anzunähern beginnt. Einen ähnlichen Befund für das Obd. (Bair. und Alem.) liefert ­McCobb (1936, 58ff): starke Dominanz von gie gegenüber gieng, wobei die Vorherrschaft der Kurzform im Bair. noch stärker ausgeprägt ist (bezogen auf 1000 untersuchte Text­ zeilen: im Bair. 8x gie, 0x gieng, im Alem. 5x gie, 2x gieng); für das Md. zeigt seine Untersuchung ein ausgeglichenes Verhältnis (auf 1000 Zeilen je 4x gie und gieng). Anm. 1:  Für die Wiener Genesis haben Collitz (1917) und McCobb (1936) die Beobachtung formuliert, dass die Langform signifikant häufiger vor anlautendem Vokal, die Kurzform häufiger vor anlautendem Kons. vorkommt, hier folglich ein Hiat vermieden wird. Diese Beobachtung trifft auf die Verstexte des Grammatik-Korpus nur teilweise zu: Steht die Lang- oder Kurzform im Versinneren, so folgt in beiden Fällen häufiger ein konsonantisch

935

3. Besondere Verben

anlautendes Wort, häufiger allerdings nach der Kurzform (bei knapp 74% aller Kurzformen im Versinneren; nach der Langform sind es knapp 60%). Folgt im Versinneren ein Vokal auf die Kurzform, handelt es sich fast ausschließlich um obd. Hss. Die Kurzform kommt insbes. am Versende vor (ca. 80% aller Reimwörter sind Kurzformen). Vergleichbar sind die Verhältnisse für lie (< lāȥen) (s.  § V 234, Anm. 1). Anm. 2:  Wilmanns (Dt.Gr.III.1, § 35) erklärt die Präteritalform gie durch die Präs.-Form gān; Weinhold (Mhd.Gr., § 357) sieht darin eine jüngere, d. h. mhd. Bildung nach dem Vorbild von vie (vāhen), hie (hāhen). Die Kurzform tritt zuerst in der Übergangsperiode vom Ahd. zum Mhd. auf (vgl. Collitz 1917, 208); sie ist nur vereinzelt über das 15. Jh. hinaus belegt (Gießmann 1981, § 39). Zu gie vgl. auch Zwierzina (1896, 240); Zwierzina (1901a, 47); Schirokauer (1923, 32); McCobb (1936). Anm. 3:  Die Verwendung der Langform für die mit dem Stamm des Pl.Prät. gebildeten Formen der 2.Sg.Ind.Prät. sowie der Formen des Konj.Prät. ist auch im Bair. regelhaft: bspw. 2.Sg.Ind.Prät. gienge (PrPa), Konj.Prät. gienge (BKön, Lieht).

(2) Endungsflexivik Präsens Belegt sind:

V 210

Langform Indikativ Sg.

1.

ø



‹es›

‹st›, ‹s›



‹e›

‹t›, ‹et›

ø, ‹e› – ‹t›

– ø, ‹e›

‹n›, ø (vor Pron.) ‹t›, ‹nt›



Pl.Imp.

Konjunktiv 1x ø

ø, ‹n›

1. 3.

Part.Präs.

‹e›

3.

2.

Inf.

Indikativ

2. 2.Sg.Imp. Pl.

‹n›, ø

Kurzform Konjunktiv

‹en› –

‹en›

‹nt›, ‹n›, 1x ‹nd›, ‹en› ‹t›, ‹nt›, 1x ‹et› ‹n›, ø (thür.)



‹nde›, je 1x ‹nt›, ‹nd›, ‹ne›

Das Wurzelverb gān/ ​gēn endet in der 1.Sg.Ind.Präs. mehrheitlich auf -n (ich gēn), welches im Md. (selten in anderen Landschaften) wegfallen kann (ich gē). In allen anderen Positionen weist gān/ ​gēn die gleichen Flexionsendungen wie die starken Verben auf. In der 3.Sg.Ind.Präs. ist -t ausschließlich (er gēt). Die 2.Sg.Ind.Präs. flektiert -st (du gēst), im Md. häufiger ohne Dental (du gēs). Der Imp. ist endungslos (ganc, gē), zu Ausnahmen s. Anm. 1. Die 1./ ​3.Sg.Konj. endet in der Langform auf -e (gange, 2.Sg. auf -es), die Kurzform ist endungslos (gē). Im Pl. stimmen die Endungen von Ind., Konj. und Imp. überein, lediglich in der 3.Pl. ist -nt auf den Ind. beschränkt. Die

936

VII. Verben

1.Pl.Präs. flektiert -n, wie bei den st. und sw. Verben kann vor folgendem Personalpronomen wir das Endungs-n fehlen (gē wir; s. § V 62). Regelmäßige Endung der 2.Pl. Präs. ist -t (ir gēt), im Alem. und selten im alem.-bair. Übergangsraum ist -nt möglich (ir gēnt). In der 3.Pl.Ind.Präs. enden drei Viertel aller Belege auf -nt (si gēnt), im Omd. und Ofrk. ist mehrheitlich -n belegt; die 3.Pl.Konj.Präs. hat Endung -en (si gangen), singulär -n (Muri, 43r,14f: damite ‫܅‬iv gien odir ‫܅‬tein). Der Inf. lautet regelmäßig gān oder gēn, n-Losigkeit ist im Omd. (insbes. MüRB) möglich; die Langform ist singulär belegt (Uࠁ gangࠀ danne, Mart, 6vb,1; 6,85). Das Part.Präs. endet regelmäßig auf -nde. Anm. 1:  Im Sg.Imp. sind vereinzelt -‹e› (Gange, ObEv, 34a,9; gange, ZwBR, 49v,13) und -‹n› nachgewiesen (gain, Taul, 175r,18; gan zu dem bilde ‫܅‬ante agneten vࠁ gip ir daz vingerlin, Hleb, 102r,21ff).

(3) Endungsflexivik Präteritum Belegt sind:

V 211

Langform Indikativ

Konjunktiv

1./ ​3. ø, ‹e›

Sg.

2. Pl.

Kurzform

‹e›, ‹i›, ø

‹e›



1./ ​3. ‹en›, ‹in›, ‹ent›, je 1x ‹nt›, ‹e› (vor Pron.) 2.

Part.Prät.

Indikativ ø –



ø

– ‹en›, ‹in›, ‹ࠁ›, 1x ‹an›

Konjunktiv ø

– ‹n›

Das Endungsparadigma im Prät. von gān/ ​gēn entspricht dem der starken Verben: im Sg. -ø  – -e  – -ø, im Pl. -en. Die 1./ ​3.Sg.Prät. ist endungslos (ginc, gie), die 2.Sg. endet auf -e (ginge). Der Konj. flektiert -e, vereinzelt ist Apokope möglich (im Reim gieng  : entphieng oder vor anlautendem Vokal). Die Langform (gi(e)nge) überwiegt deutlich vor der Kurzform (gie), welche ausschließlich in Verstexten im Reim belegt ist. In der 1./ ​3.Pl. dominiert Endung -en (gingen), im Alem. (insbes. Rapp) ist in der 3.Pl. auch -ent möglich. Vor dem Personalpronomen wir kann das n der Endung fehlen (gi(e)nge wir). Im Pl.Prät. ist die Langform ausschließlich. Das Part.Prät. ist überwiegend in der Langform belegt (gegangen). Die Kurzform (gegān, gegēn) ist erheblich seltener (knapp 15% aller Belege) und erscheint überwiegend in Verstexten (34 v. 40  Belegen) und hier fast immer im Reim (32 v. 34  Belegen: gevangen werdent die Ermriches man ‫܅‬o i‫܅‬t iz vns wol ergan, Diet, 83vb,28f; 6320f vs. So ez vns wol ergangen i‫܅‬t, Diet 84ra,25; 6365). Anm. 1:  Vereinzelt (3x) ist Endung -e in der 1./ ​3.Sg.Ind.Prät. belegt: die ‫܅‬tund auf ir fuzz[e] vnd ginge (GnaÜ, 16,17), außerdem TrPs (86r,2) u. Lupo (228vb,12; 2,74).

937

3. Besondere Verben

(4) Stammflexivik Präsens

Präsens: ē ~ ā; 2.Sg.Imp. a ~ e

V 212

Belegt sind: Ind. Sg.

1.

‹e›, ‹a›

2.

‹e›, ‹a›, ‹â›, ‹ei›, ‹ey›

‹a›

3.

‹a›, ‹e›, ‹ei›, ‹ê›, ‹â›, ‹ey›, ‹i›, ‹o›, 1x ‹ee›

‹e›, ‹a›, ‹ee›

2.Sg.Imp. Pl.

Konj.

‹e›, ‹a›, 1x ‹ay›

‹a›, ‹e›, ‹i›, 1x ‹ai› 1.

‹e›, ‹a›, je 1x ‹ei›, ‹ê›, ‹â›

2.

‹e›, ‹a›, 1x ‹ee›

3.

‹e›, ‹a›, ‹ei›, ‹ê›, je 1x ‹ie›, ‹â›, ‹ee›

‹a›, ‹ie›

2.Pl.Imp.

‹e›, ‹a›, ‹ê›, je 1x ‹ei›, ‹o›

Inf.

‹a›, ‹e›, ‹ai›, ‹â›, ‹ê›, ‹o›, ‹ay›, ‹ei›, je 1x ‹ey›, ‹i›

Part.Präs.

‹e›, ‹a›, ‹ee›, je 1x ‹ê›, ‹ei›

Das Vorkommen von ē oder ā im Präs. ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Neben einer durchgängigen landschaftlichen Bindung (signifikante Bevorzugung von ā im Alem.; im Ahd. ist im Alem. ā ausschließlich, vgl. Ahd.Gr.I, § 382; vgl. dazu auch Bohnenberger 1935, 239) existiert ein Zusammenhang zwischen Kurz- oder Langform und Überlieferungsform (Prosa, Vers); in vielen Fällen kann eine Textgebundenheit ermittelt werden (s. Anm. 4). Des Weiteren ist die Verwendung abhängig von der jeweiligen paradigmatischen Position (Ind. oder Konj., Präs. oder Inf.): Formen, die auf Basis von gangen gebildet sind, werden fast ausschließlich mit a flektiert o (gange, ganc), Belege mit e kommen nur vereinzelt vor (bspw. Gench hin zv im, Iw, 156v,9; 8033; vࠁ dc ich dࠀne haࠄ gࠀge in mࠄ hûs, PrSch, 6r,25). Die Kurzformen im Präs. können mit ē oder ā vorkommen, hier spielt die landschaftliche Bindung eine entscheidende Rolle: Das Alem. bevorzugt im Ind.Präs. und Inf. ā (gut 80% aller alem. Belege haben ā), im Konj.Präs. steht ē in der Kurzform (gē), a in der Langform (gange). Im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum ist ā häufig, bleibt aber insges. seltener als ē. Für das Vorkommen von a ist hier eine Bindung an die Überlieferungsform Vers und an den Reim zu erkennen (s.  Anm. 5). Im gesamten Md. und Ofrk. dominiert ē deutlich (immer über die Hälfte aller Belege); im Mfrk. setzt sich die afrk. Verteilung (vgl. Franck, Afrk.Gr., § 212) fort: ā (‹a› ~ ‹ai› ~ ‹ay›) steht mehrheito lich im Inf., in der 1.Sg.Ind.Präs., in der 2.Sg.Imp. u. im Part.Präs. (dat ‫܅‬al allet zu nite gain, UKöln1, 3,4), ē (‹e› ~ ‹ei› ~ ‹ey›) in der 2./ ​3.Sg.Ind.Präs, im Pl.Präs. sowie i o im gesamten Konj. (an wen van vns dat geit ‫܅‬u nder argeli‫܅‬t, UKöln2, 6,6); vgl. dazu auch Th. Klein (2000b, 28). Im Rhfrk.-Hess. können im Inf., Ind.Präs. und Part.Präs. Formen mit ē und ā parallel vorkommen, z. T. auch in der gleichen Hs. (‫܅‬i ‫܅‬olen gen, TrPs, 42v,5  – ‫܅‬olen ‫܅‬i gan, TrPs, 46v,1).

938

VII. Verben

Im Sg.Imp. ist allgemein mehrheitlich a belegt, da hier fast ausschließlich die Langform verwendet wird. Nur im Alem. und alem.-bair. Übergangsraum tritt e auf (z. B. gench, Baum, 107r,1); im Bair. kommt auch ‹i› vor (handschriftengebunden, hauptsächlich in ObEv, z. B. So ging her ab dࠀ chrevtz, ObEv, 24b,18f; vgl. Frnhd.Gr., § M 148: bair. Nebenform bis 1450; Gießmann 1981, § 9; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 35: Eindringen des Prät.-Vokals ins Präs.). Im Inf. ist ā häufiger als ē, hier ist ein deutlicher Unterschied zwischen Vers- und Prosatexten erkennbar: In der Prosa steht in zwei Dritteln der Fälle ē, in Verstexten nur in 22% der Fälle; die ā-Belege erscheinen zu gut 94% im Reim. Bildungen mit ā werden im Laufe des Frnhd. zugunsten von ē verdrängt, abgeschlossen ist diese Entwicklung erst im Nhd. (in manchen Mdaa. ist a bis in die Gegenwartssprache erhalten, s. Grimm, DWB 5, 2385). In einigen Landschaften setzt sich ē früher (oobd., nobd., omd.) durch als in anderen (wobd.) (vgl. Frnhd.Gr., § M 148.4.). Anm. 1:  Markierung der Länge im Präs. und im Inf. durch Zirkumflex (‹â›, ‹ê›) ist in den Hss. selten, nur wenige haben diese Formen häufiger (Will, PrSch). In Verstexten kann ‹â› auf ‹â› und ‹a›, ‹ê› auf ‹ê› und ‹e› reimen (irgât : lat, LEnt, 177r,2f; 47a,7f; gê : mê, Iw, 106r,21f; 5487f). Anm. 2:  Vereinzelte Formen mit Vokalverdoppelung (‹ee›) stammen überwiegend aus dem Wmd. (3.Sg.Ind.Präs.: der in den garten geet, UMainz, 3,9; 3.Pl.Präs.: geen, RhMl, 87 v,23; 4775) sowie singulär aus dem Bair. (er ‫܅‬prach welle daz har vz geen, Bart, 9vb,22). Dies kann als Längenmarkierung interpretiert oder als Anzeichen der sich zum Nhd. hin entwickelnden Zweisilbigkeit einiger Präs.-Formen gewertet werden (eindeutig zweisilbige Formen im Frnhd. erscheinen zuerst im Md., vor allem omd., vgl. Gießmann 1981, § 3.14, Anm. 2 und Kolb 1972, 131). Anm. 3:  Im gesamten Mfrk. kann in der 2. u. 3.Sg.Ind.Präs. (geis, geit) sowie im Inf. ‹ei› ~ ‹ey› ~ ‹ai› ~ ‹ay› stehen (gain, gayn, gein, geyn), vereinzelt auch in anderen Landschaften (3.Sg.: geit, TrHL, 8r,3; vgl. auch Boesch (1946, 200); Weinhold weist ei auch im Bair. und Alem. nach, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 357; Alem.Gr., § 336; Bair.Gr., § 274). Das häufige Auftreten von ei im Omd. im Sg./ ​Pl.Ind.Präs. (seltener im Inf.: gein, geit) in 213 ist ausschließlich auf Belege aus MüRB zurückzuführen. Die Formen mit ‹ei› ~ ‹ey› im Mfrk. in der 2. u. 3.Sg.Ind.Präs. werden als Übergang in die thematische Flexion gewertet (geit

trėit, li-get > līt). Der Konsonant kann eine Media (b, d, g), z oder h sein. Die Intensität der Verschlusslaute mindert sich bis hin zu deren Schwund (vgl. Mausser, Mhd. Gr.III, § 234). Es bilden sich Gruppen häufig oder häufiger kontrahierter Verben heraus. Kontraktion ist eine von verschiedenen Möglichkeiten morphologischer Verkürzung, die aus der gesprochenen Sprache stammt (vgl. Grosse 2000, 1393 u. Reichmann 2003, 2553). Wie auch die Synkope des vokalischen Elements vor der Endung führt sie meist zur Zweioder sogar Einsilbigkeit der Verbform (vgl. Reichmann 2003, 2547 u. Sonderegger 1979, 245). Starke Komprimierung oder Reduktion führt jedoch zu irregulären, demotivierten morphologischen Strukturen (vgl. Werner 1998, 587f), die in der Standardsprache z. T. wieder zurückgenommen und dem Prinzip der Stammkonstanz unterworfen werden. Kontrahierte Formen kommen geringfügig häufiger in Vers- als in Prosatexten vor; signifikant häufiger sind kontrahierte Formen in Verstexten jedoch nur bei wenigen Verben (z. B. lāȥen/ ​lān, haben/ ​hān, lėgen, rėden, klėiden). Ein Großteil kontrahierter Verben weist ebenso viele (oder sogar mehr) Kontraktionsformen in Prosatexten auf. Besonders hoch ist der Anteil von kontrahierten Formen in Urkundentexten. Das Auftreten kontrahierter Formen kann demnach nicht auf das Vorkommen im Reim reduziert werden.

947

3. Besondere Verben

Anm. 1:  In der Forschungsliteratur werden unter Kontraktion verschiedene analytisch zu trennende Phänomene verstanden: Kontraktion bezeichnet allgemein die Verschmelzung zweier durch einen Konsonanten getrennter Vokale (Bußmann 2008, 371). Damit wird die Definition von ‚Ekthlipsis‘ berührt: Weinhold (Mhd.Gr., § 156) zielt in seiner Definition von „Ecthlipsis“ auf den innenliegenden Konsonanten, der seine Qualität verändert und schließlich aufgelöst wird. Wilmanns (Dt.Gr.I, § 158) versteht unter Ekthlipsis den Schwund eines Konsonanten v. a. infolge von Konsonantenhäufung, Frnhd.Gr., § L 39 u. Gr.d.Frnhd. IV, § 64 dagegen die Verschmelzung zweier homorganer Konsonanten unter Ausfall des dazwischenliegenden unbetonten Vokals (rėdete > rėt). Auch Synhärese beschreibt ein ähnliches Phänomen: Zusammenziehung zweier Vokale aus ursprünglich verschiedenen Silben, zwischen denen aufgrund von Stammsilbenbetonung ein konsonantisches Element ausgefallen ist (Bußmann 2008, 705). Kontraktion wird z. T. sogar noch weiter gefasst und auch auf die Monophthongierung zweier Vokale übertragen (vgl. Mausser, Mhd.Gr.III, § 30). Die Begriffe bezeichnen somit z. T. Identisches, jedoch mit unterschiedlicher Fokussierung. Unter Kontraktion werden z. T. auch syntaktische Kürzungsstrategien, Pro- und Enklisen, verstanden. Hier wird Kontraktion lediglich als ausdrucksseitige Änderung des Verbstammes verstanden.

Die durch Kontraktion entstandenen Vokale und Diphthonge können verschiedenste Ausgangspunkte haben, die Tabelle veranschaulicht die Kontraktionsergebnisse: Kontraktions­ ergebnis

ursprüngliche Lautfolge

-ėi-

-age-ėge-ėde-ige-āhe-ǟhe-ahe-

-ē-/ ​-ė-

-ėde-abe-ihe-ęhe-āhe-ǟhe-ahe-ębe-ēhe-

-ī-

-ige-ide-ibe-ihe-ęhe-

-ā-/ ​-a-

-abe-abe-āhe-ahe-āȥe-

Beispiel stv. traget trėget pfliget entpfāhet entpfǟhet slahet sihet gesęhen entpfāhet entpfǟhet slahet gęben

> > – > > > > – – > > > > > > –

pfliget quidet gibet sihet sęhen

> > > > >

entpfāhen slahen lāȥet

– – > > >

trėit trėit pflėit entpfėit entpfėit slėit sēt gesēn entpfēt entpfēt slēt gēn

Beispiel swv. gesaget gelėget rėdete

> > >

gesėit gelėit rėite

rėdete habete

> > – – – – – – >

rėt(te) hėt(te)

vlēhen

pflīt quīt gīt sīt sīn entpfān slān lāt

vlēn

– – – – – habet habete

> > – – –

hāt hat(te)

948

VII. Verben

Kontraktions­ ergebnis

ursprüngliche Lautfolge

-ie-

-ige-ihe-ęhe-iehe-īhe-

-ǟ-

-ǟȥe-ǟhe-

Beispiel stv. sihet sęhen vliehet ƶīhet lǟȥet

– > > > > > –

siet sien vliet ƶiet lǟt

Beispiel swv. prėdiget

wīhete

> – – – >

smǟhete

– >

prėdiet

wiete smǟte

Abb. V 12: Übersicht Kontraktionen Anm. 2:  Es wird davon ausgegangen, dass Kontraktion in allen Fällen zu vokalisch langen Formen (Diphthong oder Langvokal) führt. Dafür sprechen die Ergebnisse der Kontrak­ tionen über Mediae, die hier auch für die Kontraktion über h postuliert werden. Bei langem Stammvokal bleibt die Länge erhalten, bei kurzem Stammvokal entsteht sie neu. Eine Ausnahme sind die auch als Reduktion einer doppelten Silbe interpretierbaren Fälle (s. § V 243, bspw. rėdete > rėte). Da in den Hss. eine Längenbezeichnung häufig fehlt, wird die rekonstruierte Metaform mit Länge angesetzt. Morphologisch ist die Annahme von Länge oder Kürze ohne Relevanz. V 221

Das Auftreten kontrahierter Formen ist durch mehrere Faktoren bedingt: –– Kontraktion als lautliches Phänomen: Die betroffenen Silben müssen an ihrem Gelenk eine bestimmte lautliche Struktur aufweisen (Vokal – Konsonant – Vokal). Einfluss hat ebenso die konsonantische Struktur des Flexivs (Kontraktion häufig vor Dental und Sibilant, z. B. im sw. Prät.). Auch die Qualität des vokalischen Elements vor der Endung spielt eine Rolle (oft Kontraktion vor ahd. i, vgl. Kontraktion bei g). Bei einer allein lautlich u. a. aufgrund spezifischer Bedingungen verursachten Veränderung wären alle Fälle, in denen die Bedingung vorliegt, in ähnlicher Weise betroffen. Tatsächlich geschieht aber die Kontraktion bei bestimmten Verben bevorzugt, wohingegen sie in anderen Fällen nicht oder kaum erscheint. So zeigt sich auch bei Verben mit Gramm. Wechsel, dass je nach paradigmatischer Position unterschiedliche Kontraktionsvorgänge stattfinden müssten: So ist bei Inf. slahen Kontraktion über h zu erwarten (slān, s. § V 106), im Part. Prät. dagegen Kontraktion über g (geslėin); in diesen Fällen findet die Kontraktion über g jedoch deutlich seltener oder kaum statt, wohingegen sie bei Verben mit Stammkonsonant g (z. B. sagen) häufig erscheint. Es handelt sich somit um eine lexemspezifische Steuerung, die die eigentliche lautliche Veränderung hemmt. Insofern ist das Auftreten kontrahierter Formen eine Erscheinung, die nicht nur lautlich erklärt werden kann (vgl. auch Nübling 1995); im Sinne einer Unterscheidung von Mausser (Mhd.Gr.III, § 234: organisch vs. analogisch) ist eine lautliche Entstehung von einer analogischen Übertragung zu trennen.

3. Besondere Verben

949

–– Paradigmatische Position: Das bevorzugte Auftreten von Kontraktionsformen ist an bestimmte, besonders an frequente paradigmatische Positionen gebunden: So erscheint etwa die 3.Sg.Präs. kontraktionsfähiger Lexeme mit Mediae (einschließlich haben/ ​hān und lāȥen/ ​lān) in ca. 84% aller Belege kontrahiert, die 3.Pl.Präs. dagegen nur in 31% der Fälle. Kontraktionsformen erscheinen besonders in hochfrequenten paradigmatischen Positionen (vgl. auch Nübling 1995, 130): 3.Sg.Präs. aller Verben, bei sw. Verben 3.Sg.Prät. und Part.Prät.; auch die 3.Pl.Präs./ ​Prät. und z. T. der Inf. erscheinen häufig in der Kontraktionsform. Grundsätzlich können Kontraktionsformen aber in allen paradigmatischen Positionen vorkommen, sie sind z. T. jedoch nur selten belegt. –– Innerparadigmatischer Ausgleich: Das in allen paradigmatischen Positionen beobachtete Auftreten von Kontraktionsformen bei Verben mit z. B. hohem Anteil kontrahierter Formen in der 3.Sg.Ind.Präs. verweist auf einen innerparadigmatischen Ausgleich. –– Einzellexematische Steuerung: Das Auftreten von Kontraktionsformen zeigt sich als ein einzellexematisches Phänomen, insofern sie tendenziell bei bestimmten Verben des Grundwortschatzes (haben, lāȥen, sagen, ligen, geschęhen, tragen, gęben, sęhen) häufiger erscheinen. Im Präs. weisen quęden, haben, ligen und lāȥen die höchsten Kontraktionsraten auf (zu quęden s. § V 103, zu ligen s. § V 104), im Prät. sind es haben, lėgen, sagen und klėiden. Anm. 1:  Die Entwicklung des Gebrauchs kontrahierter Formen ist wohl durch das Vorbild der Wurzelverben begünstigt worden. Die Wurzelverben ähneln den kontrahierten Verben in der Lautgestalt, in der Präsensflexion stimmen z. B. hān < haben und lān < lāȥen vollständig mit gān und stān überein; trotz synchroner Ähnlichkeit sind beide Gruppen aufgrund ihrer unterschiedlichen Genese und ihrer unterschiedlichen Folgeentwicklung auseinanderzuhalten. Der von den Verben gān, stān, tuen und sīn ausgehende Analogieanreiz überträgt sich auf Verben wie lāȥen oder vāhen und wirkt von dort weiter als Formenmuster für neue Kontraktionen (vgl. Mausser, Mhd.Gr.III, § 234).

Kontraktionsformen erscheinen bereits im Spätahd., sie werden für das Mhd. charakteristisch. Die Gruppe der kontrahierten Verben enthält sowohl st. als auch sw. Verben, wobei sw. Verben die Kontraktionsform häufiger im Prät. aufweisen, st. Verben dagegen im Präs. Offenbar ist der abgelautete Stamm resistenter gegen Kontraktion, so dass sich Kontraktion als Phänomen der Stammkonstanz darstellt. Bei st. Verben sind kontrahierte Formen in der Regel nur bei Part.Prät. belegt, die einen dem Präs. gleichlautenden Stammvokal haben. Kontrahierte Formen kommen vereinzelt bereits in 211/ ​112 (häufiger nur bei quęden und haben), kontinuierlich ab 212 vor. Ihre Gebrauchsfrequenz steigt bis zum Ende des Mhd. an. Bis zum Nhd. sind die Kontraktionen z. T. wieder zurückgenommen. Als Kontraktionen gewertete Kurzverbformen verweisen in ganz unterschiedliche und analytisch kaum zu unterscheidende Zusammenhänge. Nicht in jedem Fall ändern die zusammenstoßenden Vokale (im Schriftbild sichtbar) Qualität oder Quantität, es kann sich auch

950

VII. Verben

um bloßen Ausfall des innenliegenden Konsonanten handeln: So erscheinen diphthongische (und langvokalische) Stämme auf Media selten ohne Konsonant (wenige Belege bei loug(en)en, oug(en)en und ƶėigen). Es handelt sich um singuläre und unsystematische Vero kürzungen, die z. T. nur im Ausfall des innenliegenden g bestehen, z. B. da man daz buch v of tete da zeiet er in (Parallelhss. zaiget er im) ge‫܅‬criben gewi‫܅‬, Kchr, 38va,40; 8888; Doch v e enlonen ich des nıt, BuMi, 83v,13. Auch der Wegfall einer doppelten Silbe besonders bei Dentalstämmen (rėdet > rėt) ist ein häufiges Phänomen, so dass hier fließende Übergänge zwischen eigentlicher Kontraktion und benachbarten Lautphänomenen vorliegen. So kann der Ausfall eines intervokalischen h nurmehr als Nachvollzug einer vorgängigen Lautveränderung gewertet werden, insofern sich die Qualität von h ändert: Im Md. verliert h seinen Lautwert und wird als Dehnungszeichen frei (vgl. Frnhd.Gr., § L 74, L 57). Daraus folgt, dass Fälle der Vereinfachung des Doppeldentals nach Synkope (rėdet > rėt) und z. T. von h-Ausfall eigentlich unabhängig von einer Kontraktion zu diskutieren sind (ebenso wie der Ausfall der Halbvokale j und w, vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 86ff). Da sie analytisch aber nicht in jedem Fall davon zu trennen sind, werden sie systematisch mitbehandelt.

Die beiden Bereiche der Kontraktion über Mediae und über h weisen große Unterschiede auf: Neben dem verschiedenen räumlichen Vorkommen (Mediae obd., h md.), der deutlich höheren Frequenz der Kontraktion über Mediae und dem deutlich häufigeren Vorkommen kontrahierter Inf. bei h, wird die Qualität der zusammenstoßenden Vokale bei der Kontraktion über h seltener geändert, insofern kann hier h-Ausfall vorliegen, ohne dass die benachbarten Vokale dadurch beeinträchtigt werden. Der Begriff ‚Kontraktionsform‘ wird hier synonym mit ‚Kurzform‘ verwendet; begrifflich abgegrenzt werden die präteritalen Kurzformen lie, vie, hie usw., die aufgrund ihrer Entstehung als ‚analoge Kurzformen‘ bezeichnet und von der lautlichen Kontraktion abgegrenzt werden. ‚Kurzform‘ wird ebenso als Überbegriff aller Kürzungsstrategien verwendet (vgl. Nübling 1995).

3.5.3.2. haben/ ​hān

(1) Allgemeines V 222

Die Präsens- und Präteritalformen des schwachen Verbs haben/ ​hān werden von zwei Stammformen gebildet: einer Langform haben und einer kontrahierten Form hān (Kurzform). Die Kontraktionsform entsteht durch den Ausfall des inlautenden b und der damit verbundenen Verschmelzung der beiden Vokale a und e zu einem Langvokal (habet > hāt). Außer haben/ ​hān ist im Mhd. nur noch gęben (s.  § V 244 und § V 99) mit Kontraktion über b nachgewiesen; Nübling (1995, 136) spricht deshalb von „irregulärer Kontraktion“.

Die Kontraktionsformen dominieren im Mhd. deutlich gegenüber den Langformen. haben/ ​hān gehört zu den ehemaligen swv. III (-ēn). Bereits im Ahd. existiert jedoch

3. Besondere Verben

951

neben dem ēn-Verb ein nach den swv. I flektierendes jan-Verb, so dass besonders im Prät. eine Vielzahl verschiedener Bildungsweisen nebeneinander belegt ist (Ahd.Gr.I, § 368, Anm. 2, zum Prät. im Mhd. s. § V 227–229). Die kontrahierten Formen gleichen ausdrucksseitig den Wurzelverben (Einsilbigkeit im Ind.Präs., Nasalendung der 1.Sg.; s. § V 199). Kontraktionsergebnis ist ursprünglich ein Langvokal, der jedoch (nach Ausweis der Reimgrammatik, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 394) im Präs. und Prät. auch (sekundär?) gekürzt vorkommt. Die Länge des Stammvokals in der kontrahierten Form bleibt in den Handschriften überwiegend unbezeichnet. Im Präs.-Paradigma wird das Flexionssystem der Kontraktionsformen mit Langvokal dargestellt (hāt), es ist jedoch mit Kürzung im Verlauf des Mhd. zu rechnen. Im Prät.-Paradigma korreliert die Kürzung des Langvokals mit der ab 213 ansteigenden Schreibung mit Doppelkonsonanz tt, so dass spätestens im 14. Jh. mit Kurzvokal zu rechnen ist. Kontrahierte Formen kommen im späten Ahd. auf (Ahd.Gr.I, § 368, Anm. 4) und sind bis zur Mitte des 12. Jh.s noch relativ selten belegt, danach steigt ihre Verwendung sprunghaft an. Die kontrahierten Formen sind im Prät. häufiger (ca. 95%) als im Präs. (ca. 70%) und im Sg.Präs. (93%) häufiger als im Pl.Präs. (40%). Dieser Numerusunterschied ist singulär. Es kann (wie auch bei anderen kontr. Verben) z. T. eine landschaftliche Konzentration von kontrahierten Formen im Md. ausgemacht werden. Während im Mhd. somit noch Lang- und Kurzform systematisch bildbar sind, sind im nhd. Paradigma von haben Langformen (habe, haben, habt) und kontrahierte Formen (hast, hat, hatte) gemischt und bilden ein Suppletivparadigma. Anm. 1:  Anders als z. B. das Alem. hat die nhd. Standardsprache einige mhd. Kontrak­ tionsformen in die Schriftsprache nicht tradiert (Nübling 1995, 146f). In der gesprochenen Sprache haben sich jedoch auch im Nhd. bereits einsilbige Formen eingebürgert. Nübling (1995, 151) sieht in dieser Mischung von Kurz- und Langform im Standardparadigma eine Differenzierungsstrategie der Kurzverben (zu denen haben/ ​hān wegen der fehlenden Kurzform im Inf. rein definitorisch nicht gehört), diese weisen ein hohes Maß an Irregularitäten auf, die auch mit Hilfe von Analogiebildungen kompensiert werden. Anm. 2:  Im Nhd. ist haben das zweithäufigste Verb überhaupt (Ruoff 1990, 440). Seine hohe Gebrauchsfrequenz, die im Mhd. durch das Aufkommen der haben-Periphrase (und der damit verbundenen Grammatikalisierung des Verbs als Auxiliar) erheblich zunimmt, wird als Ursache für die Kontraktion angesehen (vgl. Nübling 1995, 136).

Hinsichtlich der Verwendung von Langform und kontrahierter Form wird tempusunabhängig eine funktionale Differenzierung angenommen (Langform = Vollverb, Kontraktionsform = Hilfsverb; s. Anm. 3). Dies ist, zumindest im Präs. (nicht im Prät. s. u.), nicht (mehr) erkennbar: Hier ist die Langform kein Indiz für das Vollverb ‚innehaben, besitzen, halten, ergreifen‘, ebenso wenig erscheint die kontrahierte Form überwiegend als Hilfsverb.

952

VII. Verben

Bei der Bildung der hochfrequenten 3.Sg.Präs. zeigt sich keine klare funktionale Differenzierung von Langform und Kontraktionsform: Die Langform hat sogar bereits in 211/ ​112 häufiger Hilfsverbfunktion als Vollverbbedeutung: daz habet er ‫܅‬ie fure uundir geleret, WNot, 21ra,19. Auch durch kontrahierte Formen kann das Vollverb zum Ausdruck gebracht werden (ca. ein Viertel der kontrahierten Formen der 3.Sg.Präs. hat Vollverbbedeutung ‚innehaben, besitzen‘: ‫܅‬wer den burcfride danne hat/ der ‫܅‬ol dem vogte clagen, StBA, 19ra,5; daz i‫܅‬t div ‫܅‬in vil michel gvte [...] die er hat vber alle die, PrMi, 35r,21, ebenso 3.Pl.Präs.). Weitere Beispiele für kontrahierte Formen mit voller Eigenbedeutung und Langformen als Hilfsverb vgl. WMU 1, 780.

Im Prät. haben zumindest die wenigen, ab der Mitte des 13. Jh.s noch belegten Langformen eine deutlich vom Hilfsverb verschiedene Bedeutung; sie finden sich besonders im Sinne von ‚ergreifen, besitzen, (fest)halten‘: Do gíngen ‫܅‬í zv vnd víngen vnd habten ín, ObEv, 23a,43. Die Langform ist in den letzten Zeiträumen des Mhd. deutlich auf die Vollverbbedeutung festgelegt. Bis 213 kann eine Langform sowohl Hilfsals auch Vollverbfunktion haben. Anm. 3:  Bereits Grimm sah in der Verwendung von Lang- und Kurzform eine funktionale Differenzierung (Grimm, Dt.Gr.I, 885ff u. Grimm, DWB 10, 47; jetzt auch Habscheid 1997, 151f, allerdings nur 167 Belege für Pl.Präs.); de Boor (1976b, 121, 141f) kann dagegen keinen grundsätzlichen Unterschied in der Verwendung von Vollverb und Hilfsverb in den obd. Urkunden des 13. Jh.s feststellen, obgleich die Langform beim Vollverb in manchen Fällen häufiger sei, eine „spürbare Regel“ (ebd.) sei dies jedoch nicht. Anm. 4:  Die Präfigierungen behaben, gehaben, enthaben und ūfhaben haben Vollverb­ bedeutung und sind durchgängig oder überwiegend unkontrahiert belegt. Anm. 5:  Kontraktionsformen werden bspw. in der 3.Pl.Präs. doppelt so häufig in Vers­ texten wie in Prosatexten verwendet; in Urkunden ist der Anteil der Kurzformen sogar noch höher als in Verstexten. Anm. 6:  Im Verlauf des Frnhd. wird die Langform zunehmend auch in Hilfsverbfunktion und in im Mhd. stärker von der Kontraktionsform besetzten Positionen gebraucht (vgl. Frnhd.Gr., § M 151). Anm. 7:  Eine andere Möglichkeit, die Vollverbbedeutung ‚besitzen‘ auszudrücken, ist im Mhd. durch das Verb ėigen möglich, dieses Verb wird nur noch in frühen Texten selten genutzt (s.  § V 182).

953

3. Besondere Verben

(-)‌haben/ ​hān (22 Lexeme in 11469 Wortformen, Simplex 11151 Wortformen) (2) Überblick Präsens V 223

Präsens Langform

Kurzform

1.

habe, hab, haben

hān

2.

habest, habes

hāst, hās

3.

habet

hāt, [hān, hānt]

3.Sg.Konj.*

habe, hab



2.Sg.Imp.

habe, hab

Sg.Ind.



1.

haben

hān, hānt

2.

habet, habt, habent

hāt, hānt

3.

habent, haben

hānt, hān

2.Pl.Imp.

habet, habt, habent

hāt

Inf.

haben

hān

Part.Präs.

habende

hānde

Pl.Ind.

* Da der Konjunktiv ausdrucksseitig in allen Positionen außer der 3.Sg. mit dem Indikativ identisch ist, können Frequenzangaben mit einiger Sicherheit nur in der deskriptiv unterscheidbaren 3.Sg. erhoben werden.

Das Verb haben/ ​hān erscheint in durchschnittlich 70% seiner Präsensformen in der kontrahierten Form. Es lässt sich ein deutlicher Numerusunterschied im Präs. feststellen: Kontraktion betrifft vor allem singularische Präsensformen (ca. 93%), während sich im Plural häufiger die Langform findet (Kontraktion in ca. 40%; so bereits Grimm, Dt.Gr.I, 885). Auch der Inf. ist häufiger in der Langform belegt. Der Sg.Imp. ist stets unkontrahiert. Während in 211/ ​112 wenige oder keine Kontraktionsformen nachgewiesen sind, dominieren sie bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s im Sg. deutlich (meist zwischen 90% und 100%) und ihr Anteil steigt auch im Pl. an. Danach bleibt der Anteil kontrahierter Formen bis zum Ende des Mhd. relativ stabil. Kontraktionsformen finden sich allgemein häufiger im Md., wo es auch im Pl.Präs. hohe Anteile kontrahierter Formen gibt. Über 80% aller Belege der 1.Sg.Präs. (hān), über 90% der 2.Sg. (hāst) und 97% der 3.Sg. (hāt) sind in der Kurzform belegt. Die Pluralformen sind deutlich seltener kontrahiert: die 1.Pl.Präs. nur zu 36% (hān), die 2.Pl. (hāt, hānt) zu ca. 37% und die 3.Pl. zu ca. 44% (hānt, hān). Der Inf. kontrahiert in ca. 35% und verhält sich somit wie die Pluralformen. Das Part. Präs. habende ist überwiegend unkontrahiert belegt (singulär kontrahiert hande in ZwBR), es wird meist als Vollverb im Sinne von ‚an sich haben, besitzen, nehmen für‘ verwendet (neheina uuerltgiridi habenti, WNot, 41va,10), kommt aber auch in Periphrasen vor (er ‫܅‬y czu‫܅‬amene quemen. wart ‫܅‬y gefunden habende in dem lybe den heilegen gei‫܅‬t, BeEv, 3v,12).

954

VII. Verben

(3) Endungsflexivik Präsens V 224

Belegt sind: Präsens* Langform Sg.Ind.

Kurzform v

1.

habe, habo, hab, habon, haban, hauen, je han, hân, hain, hon, je 1x ham, ha n, 1x haben, habin, hauon, haue haܰn

2.

habest, habes, habist, habis, haues, heues

hast, has, hâst, hais, haist, hest, je 1x heis, haz

3.

habet, habit, habt, hauet, heuet, heft, je 1x hebit, hefvet

hat, heit, hait, hât, het, han, hot, hath, a e hayt, hant, ho t, ha t, je 1x had

3.Sg.Konj.

habe, hab, habi, haue, je 1x have, habbe, 1x ha hap

2.Sg.Imp.

habe, hab, je 1x haba, haue, haif

Pl.Ind.



1.

haben, habin, habe, hab, hauen, haue, je 1x habon, habn, hauon, havn, hebe

han, hayn, hain, haen, hant, je 1x hân, e ho n, hein

2.

habt, habet, habit, habent, habint, hapt, je 1x haift, hab

hat, hant, hait, hânt, je 1x hât, han, had

3.

habent, haben, habin, habint, habnt, habyn, hauent, hauen, hauint, havnd, havnt, je 1x hauon, habunt, habon, habont, habn, hefent

hant, han, haint, haent, hayn, haynt, hând, je 1x hânt, hân, hain, hauen, haen, hein

2.Pl.Imp.

habet, habt, habent, habit, je 1x habint

je 1x hat, hait

Inf.

haben, habin, habi, habn, habyn, haban, hauen, haven, 1x hauon

han, hain, hon, hân, je 1x hên, hayn

Part.Präs.

habende, habinde, habenti, habente, je 1x 1x hande habend, hande

* In Taul wurden die als rein graphische Markierung zu wertenden Diakritika über u, welches hier für v (mhd. /b/) steht, nicht transkribiert.

Die Langform flektiert regelmäßig wie die sw. Verben, die Kurzform analog den Wurzelverben (s.  § V 199). Die 1.Sg.Präs. ist in drei verschiedenen Formen belegt: 1. in der Langform mit vokalischem Auslaut, der selten apokopiert sein kann (habe, habo, hab), 2. in der auf Nasal auslautenden Langform (habon, haban, haben) und 3. in der auf Nasal auslautenden Kontraktionsform (hān). Die kontrahierte Form ist ab 212 dominant (82%). Anm. 1:  Die Langform habe/ ​habo ist für 211/ ​112 charakteristisch, hier liegt der Anteil dieser Belege bei knapp 70%. Bereits in 212 fällt er unter 20%, am Ende der mhd. Zeit haben die vokalisch auslautenden Langformen nur noch einen Anteil von unter 10%. Apokope (hab) liegt in ca. 14% aller habe-Belege vor, zumeist vor folgendem Vokal. Die älteren Langformen auf Nasal (habon/ ​haben) sind ebenfalls nur in 211/ ​112 häufiger belegt  – und haben hier noch einen Anteil von ca. 30%. Bereits in 212 fällt ihr Anteil auf ca. 3% ab. Nasalhaltige Langformen sind aber auch in 114 noch nachgewiesen (häufiger im Md. in BuMi, Hleb, BeEv, MBeh, im Obd. vereinzelt). De Boor (1976, 122) findet in den obd. Ur-

3. Besondere Verben

955

kunden des 13. Jh.s nur 2x haben (auch in WMU 1, 777 selten). Im gesamten md. Raum sind hier, abweichend vom sonstigen Befund, häufiger Langformen belegt als im Obd. (23–25%; so auch Grimm, DWB 10, 47). Im Obd. liegt ihr Anteil überall zwischen 6% und 8% (anders de Boor 1976b, 122: Langform nur im Alem.). Weinhold interpretiert die Nasal­ endung als analogische Übernahme von den Wurzelverben (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 394), Nasalendung ist jedoch auch typisch für die schwachen Verben der ehemaligen Klassen II und III. Anm. 2:  Die kontrahierte Form hān in der 1.Sg.Präs. wird im 15./ ​16. Jh. nicht zuletzt durch den Einfluss Luthers, der md. hab/ ​habe gebraucht, durch die Langform verdrängt (vgl. Grimm, DWB 10, 47, dort auch zur Verwendung der Kurzform in heutigen Mundarten; Frnhd.Gr., § M 151).

Auch in der 2. und 3.Sg.Präs. dominiert die Kontraktionsform. Anm. 3:  Sowohl bei den Kontraktions- (hāst) als auch bei den Langformen (habest) tritt in der 2.Sg.Präs. im Md. in ca. 20% aller Belege die dentallose Form hās/ ​habes auf (s. § V 46). Anm. 4:  Die 3.Sg.Präs. weist den höchsten Anteil an Kontraktionsformen auf (97%), so auch de Boor (1976b, 121), der nur ein sicheres habet in den Urkunden findet (ebenso Frnhd. Gr., § M 151). Nur im Bair. liegt der Anteil der Langformen geringfügig höher. Sehr selten kann in der 3.Sg.Präs. im Obd. in der Langform der Vokal vor der Endung ausfallen (habt; 6x, knapp 7%). Anm. 5:  In sechs Fällen ist in singularischem Kontext die Pluralform hān/ ​hānt belegt, z. B. wat vns den ‫܅‬chaden han gedaín, Göll, 1rb,43; A 86 (A. Bach 1930, 198 liest ‚hait‘). S.  § V 50, Anm. 3 u. 5)

Die Pluralformen des Präs. haben im Obd. (außer im Alem.) überwiegend die Langform, dagegen können bes. im Mfrk. und Rhfrk.-Hess. die Kontraktionsformen dominieren. Auch im Hess.-Thür. und Omd. sind häufiger Kontraktionsformen im Pl. belegt. Anm. 6:  Während im Bair. und Ofrk. die Langformen stets mit 80%–100% dominieren, liegen die Anteile derselben im alem.-bair. Übergangsraum, im Alem. und Hess.-Thür./ ​ Omd. niedriger (meist zwischen 50% und 80%). Am seltensten sind Langformen im Mfrk. und Rhfrk.-Hess. (meist zwischen 20% und 30%). Vgl. auch de Boor (1976b, 122): „Der bayrisch-österreichischen Einheitlichkeit steht das Nebeneinander beider Formentypen im Alem. gegenüber.“ Bis ins 16. Jh. sind pluralische Kurz- und Langform parallel belegt, bevor die Langformen sich zumindest in der Schriftsprache durchsetzen (vgl. Grimm, DWB 10, 48 u. Frnhd.Gr., § M 151). Anm. 7:  Vor nachfolgendem Personalpronomen kann in der 1.Pl.Präs. der Langform der Nasal oder das gesamte Endungsflexiv ausfallen (9%: habe, hab). Im Alem. (2x Rapp) findet sich wir hant (s.  § V 52, Anm. 2; de Boor 1976b, 125 u. WMU 1, 777). Zur 1.Pl.Präs. in obd. Urkunden des 13. Jh.s vgl. de Boor 1976b, 124; entgegen dem Befund de Boors (1976b, 124f) sind im alem.-bair. Übergangsraum durchaus auch kontrahierte Formen nachweisbar (Türh, ZwBR; ebenso für die 3.Pl.Präs.).

956

VII. Verben

Anm. 8:  Die 2.Pl.Präs. und der Pl.Imp. sind in zwei Varianten belegt: Neben der Normalform habet (ca. 84%) tritt im Alem. eine auch sonst nicht seltene Form mit nasalhaltigem Flexiv auf (habent, ca. 15%) (s.  § V 53, Anm. 1, Grimm, DWB 10, 48; Marold 2004, XVI). Die nasalhaltige Endung ist auch in anderen obd. Landschaften belegt, selten md. Beide Formen (habet, habent) können in der 2. Pl. jeweils kontrahiert vorkommen (hāt, hānt). Dabei haben die kontrahierten Formen häufiger Nasal (durchschnittlich 78%). Im Pl.Imp. sind nur zwei kontrahierte Formen belegt (hat, hait, ca. 6%). Der Vokal des Endungsflexivs ist in der 2.Pl. in über 50% aller habet-Belege synkopiert (habt), im Pl.Imp. in 20%. Endungslose Belege (waz ír mír leides hab getan, HTri, 121vb14; 3548 u. Ir han ez wol virnomen, Himlf, 186,6; 403) können als Verschreibungen gewertet werden. Anm. 9:  Die 3.Pl.Präs. ist von den pluralischen Positionen die am häufigsten kontrahierte. Auch de Boor (1976b, 123) findet die zweisilbige Form nur selten. Die 3.Pl.Präs. ist mit (habent) und ohne Dental (haben) belegt (s. § V 54). Die Verteilung weicht nicht vom allgemeinen Endungsbefund ab (-en nimmt diachron zu und ist im Omd. und Ofrk. dominant, hierzu auch de Boor 1976b, 126). Beide Varianten können wiederum kontrahiert vorkommen (hānt, hān), wobei die Formen mit Dentalendung zu über 50% kontrahiert belegt sind, die dentallosen nur zu knapp 30%. Die Belege mit -t haben einen Anteil von 75%. Selten (ca. 3%) sind synkopierte Formen belegt (habnt, habn). Wohl als Verschreibungen zu werten sind Singularformen im Plural, z. B. vࠁ hat ez Juden vࠁ crí‫܅‬ten ge‫܅‬ehen, SwSp, 122va,12. Anm. 10:  Die kontrahierte Form des Inf. (hān) ist noch bis ins 16. Jh. hinein belegt (Grimm, DWB 10, 48). MüRB zeigt den im Thür. nicht seltenen nasallosen Inf. (habi, s. § V 36, Anm. 1). Anm. 11:  Der Sg.Imp. endet überwiegend auf -e, z. T. erscheint er apokopiert. Anm. 12:  Andere Endsilbenvokale als e sind bei Langformen v. a. i und o; der dem Verb ursprünglich eigene Zwischenvokal ē, dessen Länge im Ahd. u. a. durch Doppelschreibung erwiesen ist (vgl. Ahd.Gr.I, § 368), geht in der graphisch als ‹e› realisierten Schwa-Form auf und ist von dieser nicht zu unterscheiden. Endsilben-i (habin, habis(t), habit, habin(t), habi) ist in allen Zeiträumen nachgewiesen (zur landschaftlichen Bindung s. § V 27), o ist fast ausschließlich in 211/ ​112 belegt (habo, habon(t)), wo es ca. ein Viertel aller Belege umfasst (analoge Endung zu den ehemaligen swv. I, vgl. Ahd.Gr.I, § 368, Anm. 2); selten sind ‹a› (haba, haban in Will, WNot, vgl. Ahd.Gr.I, § 368, Anm. 1 u. Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 48; habant in DvATr) und ‹u› (habunt, Will) nachgewiesen. Sehr selten kann der Endsilbenvokal fehlen (habn, hapt).

(4) Stammflexivik Präsens V 225

Der Stammvokal ist im Präs. überwiegend a, nur sehr selten ist ein anderer Vokal belegt. Vereinzelt (ca. 0,5%) findet sich in der Langform e (hebet, heues, heuet, hefet, hefent). Anm. 1:  Der umgelautete Stammvokal kann nach den sw. Verben I gebildet (vgl. Ahd.Gr.I, § 368, Anm. 2, Grimm, DWB 10, 47) oder aufgrund der Vermischung mit hėffen entstanden sein. Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 48 sieht darin Spuren des ‫ܡ‬o-Stammes. Zur Berührung von haben und hėben vgl. Grimm, DWB 10, 46, auch Laistner (1880, 555). Nübling (1995, 151) sieht in dieser Umlautung eine Differenzierungsstrategie der Kurzverben durch analogischen Anschluss an st. Verben.

3. Besondere Verben

957

In der Kontraktionsform kommen neben dominantem a sehr selten (ca. 1%) andere e e Vokale vor: ‹e›, ‹o›, ‹o›, ‹ae›, ‹a› (zu ‹ai›, ‹ay› und ‹ei› s. u.). Anm. 2:  Seltenes ‹e› ist v. a. im Alem., Mfrk., Rhfrk.-Hess. und Omd. belegt (vgl. de Boor 1976b, 127ff, dort auch zur verschiedenen Tempusgeltung von hėt im Alem. und Bair., seit dem 15. Jh. wird e von a verdrängt, vgl. Grimm, DWB 10, 47), ‹ae› nur in UKöln2, und ‹o› e a (‚Verdumpfung‘) in Lupo (dort auch auch hon und ho t), GnaÜ, Rapp (vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 394; de Boor 1976b, 139 und WMU 1, 777ff). Anm. 3:  Die Länge des ā in der Kontraktionsform ist in den Hss. zumeist unbezeichnet. Ein als Längenzeichen interpretierbarer Zirkumflex bleibt auf unter 2% aller kontrahierten Belege beschränkt, er erscheint bes. in Will, PrSch und Hartw (Handschriftenbesonderheiten). Als Längenmarkierung interpretierbares nachgestelltes ‹i› (~ ‹y›) erscheint typischerweise im Mfrk., bes. in Taul, UKöln, Brig und Göll (hain, hais(t), hait; hayn, hays(t), hayt etc.; vgl. auch Habscheid 1997, 151ff). Graphie ‹ei› (heit) ist für MüRB charakteristisch, selten im Alem. (vgl. auch Weinhold, Mhd.Gr., § 394; in den dt. Urkunden des 13. Jh.s ist ai-, ei-Schreibung, abgesehen von Längenmarkierung in Kölner Urkunden, eine rein alem. Erscheinung, vgl. de Boor 1976b, 130); ‹ai› ist in ca. 23% des Mfrk. belegt, ‹ay› in ca. 9%. Mögliche Dehnungsmarkierung durch ‹i› oder ‹y› ist in ca. 13% der kontrahierten Präsensformen des Md. belegt. Anm. 4:  Vorwiegend im Wmd./ ​Mfrk. können für b die Frikativgraphien ‹u› (z. B. hauen, 158x im Wmd. und Rhfrk.-Hess.: RhMl, RBib, UKöln1/ ​2, P/ ​VLilie, BuMi), ‹v› (z. B. havent, 24x in RhMl, UKöln2, UAugsb2) und seltener ‹f› (heft, v. a. Rupr) eintreten (vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 98).

Da der Konjunktiv ausdrucksseitig in den meisten Positionen mit dem Indikativ identisch ist, können Frequenzangaben mit einiger Sicherheit nur für die ausdrucksseitig unterscheidbare 3.Sg. gemacht werden: Die 3.Sg.Konj.Präs. lautet in 70% habe, in 30% ist das auslautende e apokopiert (hab). In wenigen Fällen erscheinen Kontraktionsformen (z. B. hat oder auch ha der 3.Sg., zu ha s. Anm. 1), die aber nicht eindeutig als konjunktivisch bestimmbar sind (Weinhold, Mhd.Gr., § 394: „Der Sg. Conj. [...] liebt nicht die Zusammenziehung [...].“). Anm. 1:  Die Interpretation von seltenem ha im Rhfrk.-Hess. (3x Erlös, 2x PrRei) als Konj. (so Grimm, Dt.Gr.I, 885; Grimm, DWB 10, 48 u. Weinhold, Mhd.Gr. § 394) ist fraglich (Got i‫܅‬t auch der heilege gei‫܅‬t wie he de‫ ܅‬willen ha der mei‫܅‬t, Erlös, 9vb,2; 6012; wie der blig ha o kvrzen ‫܅‬chín, ‫܅‬a i‫܅‬t er doch vil ‫܅‬chadelich, PrRei, 20a,2). S. § V 231 3.Sg.Konj.Präs. lā von lāȥen. Anm. 2:  Im Konj. können dieselben lautlichen Besonderheiten auftreten wie im Ind.; darüber hinaus in der 3.Sg.Konj. singulär habbe (OxBR) und hap (Auslautverhärtung, Bart). habࠀ (OxBR) ist als Fehler zu werten (Daz ga‫܅‬t hus ‫܅‬al man beuelࠀ einer ‫܅‬u‫܅‬t’ die got uochtࠀ. vࠁ irre ‫܅‬ele ‫܅‬orge habࠀ, OxBR, 12r,11). In der in der 1.Pl.Konj. belegten Form heigin (PrZü) sind Kontraktion und Erweiterung kombiniert (< hėbegen, zum erweiterten alem. Konj. s.  § V 45, Anm. 1 u. § V 54, Anm. 1 sowie Gleißner/ ​Frings 1941, 154).

V 226

958

VII. Verben

(5) Überblick Präteritum V 227

Präteritum Langform

Kurzform*

Indikativ Sg.

Pl.

Part.Prät.

Indikativ

Konjunktiv

1.

habete

hėt(e), hat(e), hiet(e), hǟt(e) hėt(e), hiet(e), hǟt(e)

2.

habetest, habetes

hėtest, hėtes, hatest, hates, hiete, hėt

3.

habete

hėt(e), hat(e), hiet(e), hǟt(e) hėt(e), hiet(e), hǟt(e)

1.

habeten

hėten, haten, hǟten, hieten

hėten, hieten, hǟten

2.

habetent, habetet Konj.: habetent

hėtet, hatet, hǟtet, hietet

hėt, hėtet, hėtent, hǟtent

3.

habeten

hėten, haten, hǟten, hieten

hėten, hieten, hǟten

hėtest, hėtes, hietest, hǟtest, hėte, hėst

gehab(e)t, gehaben, gehėb(e)t gehat

* Die Vokale in den Kurzformen können sowohl lang als auch kurz interpretiert werden; Schreibung mit Doppelkonsonanz tt tritt vermehrt ab 213 auf; in der Übersicht werden systematisch nur Kürze und Einfachkonsonanz abgebildet, zu den belegten Formen s. § V 228f.

Im Prät. sind kontrahierte Formen noch häufiger als im Präs. (so bereits Grimm, Dt.Gr.I, 885, de Boor 1976b, 131), anders als im Präs. zeigt sich zwischen Singular- und Pluralformen kein Unterschied. Allein in 211/ ​112 dominieren die Langformen mit ca. 70% aller Belege. Ab 212 überwiegen die kontrahierten Formen deutlich (knapp 90%). Nach der Mitte des 13. Jh.s liegt der Anteil der Langformen unter 1%. Bezüglich einer diatopischen Differenzierung zeigen sich Langformen nur selten im Wmd. (Ausnahme RBib). Der Konj.Prät. ist (bis auf eine Ausnahme, s. u.) stets kontrahiert; das Part.Prät. dagegen ist selten kontrahiert (s. u.).

959

3. Besondere Verben

(6) Endungsflexivik Präteritum Belegt sind:

V 228

Präteritum Langform

Kurzform

Indikativ Sg.

1.

Pl.

Konjunktiv

het, hete, hatte, hette, hate, het, hete, hette, hedde, hiet, e hat, je 1x hât, hâte, hadde, hiete, ha t, hæte, hede, je 1x hant hed, hedd, hêti, heti, hetti

2.



3.

habete, habet, habite, habt, hauodo, hauode, je 1x hebete, habte, habeta, habeti, habeten, hatten

het, hete, heti, hatte, hette, hate, hati, hat, hadde, hiet, hæte, hetti, hade, hête, hêt, hede, hedde, hedte, haete, je 1x hettet, heite, heide, hatti, hatt, hett, hiete, hit, hêti, hæt

1.

habeten, habeton, 1x habetin

hatten, heten, je 1x hetten, heten haden, hæten, hieten, hete

2.

– Konj.: habetint

3.

Part.Prät.*

habeta, 1x habete

Indikativ

habeten, habten, habiten, habtin, hauodon, je 1x habete, haptin, habiton

heddes, hettes, hettest, hetest, hates, hatis, hat, hatost, hiete, hattis, hattes, hettis, hedes, hetes, hettost, haddes, hatost, hatis, je 1x hette, hietest, hest het, heite, hedis, hetos, hettis, hades

hetet, hêtit

het, hete, hette, hetti, hedde, hiet, hiete, hæte, hæt, hêti, hête, hêt, heite, hede, hîette, heitte

het, hetet, hetint, hettet, hedd

heten, hetin, heton, hatten, heten, hetin, hetten, hettin, hedden, hieten, je 1x heton, hattin, hatte, hattent, heden, hæten, haten hetten, hettent, hettin, haten, hatin, hadden, hadde, haden, hieten, hæten, je 1x: hete, hêtin, hêten, hêton, hâton, hâtin, hætin, heiten, hant

gehat gehabt, gehabet, gehabit, gehabten, gehabtin, gehapt, je 1x gehabte, gehebit, gehebt, gihap

* Präfix ge- auch als gi- belegt

Die Endungen entsprechen weitgehend denen der sw. Verben. Die 1./ ​3.Sg.Prät. auf -te ist häufig apokopiert. Der Anteil apokopierter Formen der 1./ ​3.Sg. liegt mit 45%/ ​40% im Ind. und 47%/ ​30% im Konj. vergleichsweise hoch (s. § V 59, Anm. 1). In der 3.Sg. ist im Wmd. selten eine Endung auf -n belegt (habeten, TrPs, 11v,3; hatten, UMainz, 1,6; s. § V 59, Anm. 6) sowie eine auf Dental endende Form (hࠇt, PrSch, 241r,12).

960

VII. Verben

Die 2.Sg.Prät. endet regelmäßig auf -s oder -st. Die Verteilung der Endungsflexive -s und -st in der 2.Sg.Prät. ist landschaftlich geregelt. Seltene Belege auf -e finden sich in HLit, MMag und Himlf (-e verweist evtl. auf Analogie zu den st. Verben, s. § V 60, Anm. 3). Singulär ist in MMag die endungslose Form belegt (daz dv marthen het ge‫܅‬ait, MMag, 9r,3; 317); Kontraktion hest < hėtest erscheint selten im Konj. in GnaÜ.

Die Pluralformen weisen die auch sonst üblichen Flexive -en, -et, -en auf. In der 2.Pl.Konj. kann hėtet zu hėt verkürzt sein, im Alem. ist selten Dentalplural hėtent nachgewiesen; vereinzelter n-Abfall in der 3.Pl. (s.  § V 64, Anm. 2) und -ent im Alem. (Rapp). Volle Endsilbenvokale (hėtin, hėtost) sind selten. Anm. 1:  Im Wmd. ist der Dental des Präteritalflexivs z. T. als ‹d› (~ ‹dd›) belegt.

(7) Stammflexivik Präteritum V 229

Während die Langform bis auf singuläre Ausnahmen (s. u.) a aufweist (habete), finden sich im kontrahierten Prät. etliche Varianten des Stammvokals: Dominant sind Formen mit e (hėte, mit Apokope hėt, mit Doppelkonsonant hėtte); seltener sind ­a-Formen (hate/ ​hāte, mit Apokope hat/ ​hāt, mit Doppelkonsonant hatte) belegt, sie machen nur ca. ein Drittel aller Kontraktionsformen aus. Seltene, z. T. regional begrenzte (s. u.) Varianten des Stammvokals sind ‹ie›, ‹æ›, und ‹ei›. Eine mögliche Erklärung der dominanten präteritalen ė-Form ist, abgesehen von einer nach den umgelauteten Präs.-Formen analogen Bildung (so auch Grimm, DWB 10, 48), die Erhöhung der Tempusdistinktion durch einen deutlich vom regulären Präsens-a unterschiedenen Vokal, da sonst beide Formen große Ähnlichkeit miteinander aufweisen (hāt  – hāt(e)). Das Nebeneinander der schon ahd. verschiedenen Bildungsweisen des sw. Verbs haben verursacht im Mhd. eine Mannigfaltigkeit der Formenbildung im Präteritum (vgl. Ahd. Gr.I, § 368, Anm. 2 u. 4): Das regelmäßige Präteritum nach den ehemaligen sw. Verben III habēta ist in den Hss. nicht durch Längenmarkierung ausgezeichnet (habeta, habete, habeten) und wohl nur noch als abgeschwächte Schwa-Form ohne Klassenbindung zu interpretieren. Die kontrahierte Form nach den sw. Verben III lautet ahd. hāte (mhd. hat/ ​hāt/ ​ hat(t)e), nach Grimm (Dt.Gr.I, 885) die „beste und älteste form“. Bereits im Ahd. schließt sich haben z. T. an parallel belegte Formen der ehemaligen sw. Verben I an (ahd. umgelautetes Präs. hebis, hebit, Prät. hebita, gehebit). Die im Mhd. entsprechende Langform ist im Korpus nur vereinzelt belegt (s. Anm. 10), die kontrahierte Form ahd. hēte ist dagegen im Mhd. dominant (mhd. hėt(e)/ ​hėtte). Anm. 1:  Das Prät. von haben/ ​hān erscheint lang- oder kurzvokalisch. Während bei hāt(e) die Länge durch den Zusammenfall zweier Vokale nach Ausfall der innenliegenden Media erklärbar ist, kann hēt(e) nur als Analogiebildung erklärt werden. Der Einfluss der Doppelkonsonanz auf Länge oder Kürze ist nicht sicher. Anm. 2:  Bei den kontrahierten Formen spielte Analogiewirkung bes. von tuen, aber auch den st. Verben eine Rolle: Zwierzina (1900a, 102) sieht in der einsilbigen Form hėt/ ​hēt eine flexionslose Analogieform zu den starken Verben, die durch das zeitig apokopiert belegte

961

3. Besondere Verben

tęt vermittelt wurde, de Boor dagegen Apokope (de Boor 1976b, 129). Das zweisilbige hėte sei nach tęte entstanden, hǟte nach den verba pura (Zwierzina 1900a, 102, 114). Die einsilbigen Formen hėt, hēt, hiet finden sich auch bei Dichtern, die sonst das e bewahren. Anm. 3:  Doppeldental (tt, md. dd) tritt vereinzelt in 212, häufig in 213, 114 v. a. im Alem. und Md. auf (vgl. auch de Boor 1976b, 132; Zwierzina 1900a, 109, Anm. 1:  md./ ​rhein.). Doppelgraphie findet sich hier in ca. der Hälfte aller Belege. Ob Doppelkonsonanz als Indiz für Kürze oder zur graphischen Markierung des Silbengelenks, Einfachschreibung hingegen für Länge zu werten ist, ist fraglich. Die Formen mit Doppelkonsonant können als Assimilation aus einem bereits vorahd. ausgeglichenen synkopierten Prät. vorahd. *habda > mhd. hatte, aber auch hėtte interpretiert werden (vgl. Ahd.Gr.I, § 368, Anm. 2, so auch Grimm, DWB 10, 49). Die Form hėite < ahd. hebita ist nur selten nachgewiesen. obd. Iw, Nib, Parz, Tris

alem.

omd.

alem.bair. e 50

211/ ​112 212

bair.

ofrk.

²12,  ¹13 hess.-thür.

wmd. rhfrk.hess.

a 50*

mfrk.



61

39

76

24

89





89

11

67

33

74

26

92

4

83

7



76

24



100

213

44

56

100



99



49

51

38

57

3

97

114

54

46

87

6

76



68

32

10

90

16

84

113 98



– 100

0

Abb. V 13: Relativer Anteil von Stammvokal e und a am Gesamt aller kontrahierten Formen im Ind.Prät. (*hier jeweils nur 1  Beleg); Übersicht ohne seltenere Varianten Neben e und a sind folgende seltenere Varianten belegt: in 211/ ​112 ‹æ› (2%), in 212 bair.: ‹ie› (11%), in 113 alem.-bair. ‹æ› (4%), bair. ‹æ› (8%), ‹ie› (1%), ‹ei› (1%), 213 bair. ‹æ› (1%), rhfrk.hess. ‹ei› (5%), 114 alem.-bair. ‹æ› (7%), bair. ‹ie› (24%), hess.-thür. ‹æ› (< 1%).

Das Prät. von haben/ ​hān lautet regelmäßig hėt(e), hėtte, hėtes(t) usw. (‫܅‬waz ich frevden hete. div lit von iv er‫܅‬lagen, Nib, 87r,6; 2391,3). Ind. und Konj. sind ausdrucksseitig übereinstimmend gebildet. Die e-Formen dominieren von 212 bis 113 (die geringe Zahl an kontrahierten Belegen in 211/ ​112 ist nicht aussagekräftig); a erscheint hier nicht selten im Alem., Wmd. (in 113 stets a) und Hess.-Thür., selten im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum. In 213 verstärkt sich die Tendenz: a wird im Mfrk. und Rhfrk.-Hess. dominant, ist häufig im Omd. und Alem. (ausgeglichene e-/ ​a-Verteilung); im Md. und Alem. umfassen die a-Präterita ca. 93% aller Belege. Die Tendenz zu e dagegen verstärkt sich von 113 auf 213 im Bair., alem.-bair. Übergangsraum und im Ofrk. (zur e-/ ​a-Verteilung siehe auch de Boor 1976b, 133). In 211/ ​112 sind neben den dort dominanten Langformen nur singulär Kontraktionsformen belegt (uuant vuir zuene pi‫܅‬koffe hetan, Meri, 1v,14; 1,51, íh [...] mít ca‫܅‬tigatione corpori‫ ܅‬míh ímo hâte genâhet, Will, 29r,19f). Anm. 4:  Tempusunterscheidend kann auch erfolgte oder nicht erfolgte Apokope sein: Während hėt im Bair. aufgrund bestehender Apokope-Neigung des Bair. präterital zu interpretieren ist, lautet die alem. Präteritalform überwiegend hėt(t)e (vgl. de Boor 1976b, 128f).

962

VII. Verben

Die seltenen präteritalen ie-Formen wie hiet(e) kommen ausschließlich im Bair. im Ind. und Konj. vor, sie haben hier einen Anteil von ca. 10% (z. B. Vࠁ bedivtet mit der vin‫܅‬ter [...] die vnfrevde [...] den die xii apostoli hieten nach deme warn liehte. vn‫܅‬erm herren gote, PrMi, 32r,6). Belege mit ie sind seit der 2. Hälfte des 12. Jh.s nachgewiesen. In manchen Texten (z. B. Rupr) sind sie ausschließliche Variante des finiten Prät., ansonsten z. T. marginal neben e-Formen belegt (HLit, PrMi, ObEv, ULands), vgl. auch de Boor (1976b, 139). Anm. 5:  Formen mit ie sind analog den st. Verben VII gebildet (s.  § V 151ff).

Die ebenfalls seltenen umgelauteten ǟ-Formen im Ind.Prät. sind ab 113 im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum bezeugt (hier unter 5%, z. B. Daz wizze gewæte daz div brovt an ir hæte. daz bezeichent daz, Hchz, 150v,19; 778), auch Tris weist einige Formen auf (zu Parz vgl. Zwierzina 1898, 491f und 1900a, 101). Nach Weinhold (Mhd. Gr., § 394) ist der Umlaut konjunktivischen Ursprungs: „Überhaupt dringt im Obd. der conjunctiv. Umlaut seit 12. Jh. nicht selten in den Indicativ“, die Form hǟt(e) sei analog zu tǟt(e) gebildet. Anm. 6:  Der Korpusbefund zeigt umgelautete Belege im Bair. (vgl. auch Weinhold, Mhd. Gr., § 394 u. WMU 1, 778), nicht jedoch im Frk. und Alem. (z. T. anders de Boor 1976b, 132); der Befund Schirokauers (1923, 41f), der Ind. hǟte(n) komme im Bair. nicht vor, beruht auf der von ihm vorgenommenen Verortung von Hchz im Schwäb.

Die wenigen im Korpus ab 113 nachgewiesenen präteritalen ėi-Belege (daz dv zv mvter heite irkorn, Himlf, 251,1; 1488) zeigen keine landschaftliche Spezifik, sie erscheinen im Rhfrk.-Hess., Bair., Omd. und Alem. (entgegen diesem Befund verortet die Literatur ėi nur im Alem.-Schwäb.: Weinhold, Mhd.Gr. § 394, de Boor 1976b, 131, Schiro­ kauer 1923, 47  – zur Wertung der Aussage Schirokauers s. Anm. 8). Anm. 7:  Nach Zwierzina (1900a, 113) ist hėite aus ahd. hebita entstanden. Anm. 8:  Hinsichtlich der Wertung der verschiedenen lautlichen Varianten, der Qualität und Quantität des präteritalen Stammvokals wird in der Forschung besonders auch der Reimgebrauch dieser Formen bei den verschiedenen Autoren diskutiert. Für die morphologische Beschreibung der mhd. Verhältnisse ist die Klärung dieser Frage nachgeordnet. Bereits Grimm (Dt.Gr.I, 886f) und Lachmann (1876, 161) analysieren den Reimgebrauch. Zwierzina (1898, 491–500 und 1900a, 101) stellt nach der Reimanalyse bei Wolfram und Hartmann fest, dass diese (ebenso wie der Dichter des Nib) die schwankenden und unsicheren Formen im Prät. von haben/ ​hān meiden. Es handele sich um „unsichere und zweifelhafte Formen [... , deren] Geltung dialektisch begrenzt war“ (498), weshalb sie aus der Reimstellung verbannt und ins Versinnere versetzt werden. Schirokauer (1923, 37–51) analysiert präteritale Reimbelege in verschiedenen Denkmälern und schließt auf deren Beschaffenheit zurück. Weiter zum Reim Blauärmel (1937, 18), Wesle (1925, 126f u. 139f); zu der im Zusammenhang mit Editionsproblemen diskutierten Frage der Qualität und Quantität des Stammvokals im Prät. bei Hartmann, bes. im Armen Heinrich, vgl. Gierach (1917, 520f). De Boor (1976b, 135f) erweist für die obd. Urkunden des 13. Jh.s geschlossene Länge im Bair., für das Alem. ist keine sichere Aussage möglich (evtl. offene Qualität).

3. Besondere Verben

963

Das Part.Prät. lautet regelmäßig gehabt (~ gehabet). Die kontrahierte Form gehat/ ​ gehāt findet sich ab 113, meist im Mfrk. und Omd. (vgl. Frnhd.Gr., § M 151, Belege für BeEv auch bei Feudel 1961, 189). In vier Fällen ist ab 113 die starke Bildung gehao o ben nachgewiesen (vnde hat er daz gu t baz ín ‫܅‬íner hu te gehaben danne ‫܅‬ín ‫܅‬elbes o gu t, SwSp, 121rb,6). Anm. 9:  Das starke Part.Prät. ist eine Neubildung (vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 373), die noch heute im Schweizerischen fortlebt. Nach Grimm (DWB 10, 50) stammt das starke Part.Prät. vom stv. hėben; auch Analogiebildung nach den st. Verben VII ist denkbar (s.  Prät.-Form hiete, Anm. 5). Die starke Kontraktionsform gehān (vgl. de Boor 1976b, 136 u. WMU 1, 780) ist im Grammatik-Korpus nicht nachgewiesen. Anm. 10:  Selten ist e (geheb(e)t) belegt (die mi‫܅܅‬ehelle die wir mit einander gehebit han, UFreib1, 42,2; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 394 u. de Boor 1976b, 135, der Stammvokal e im Alem. häufiger findet). Anm. 11:  Ein Part.Prät. auf -te ist singulär belegt: Swer vf gehabte wirt vf der ‫܅‬traze, SBNü, 15va,14. Diese Endung ist möglicherweise als Rest des flektierten Partizips („wer ein auf der Straße Aufgegriffener wird“) zu interpretieren (zum flektierten Part. s. § V 39, Anm. 6 und § V 40, Anm. 8).

Der Konj.Prät. erscheint mhd. kontrahiert und mit ė (so auch de Boor 1976b, 133). Auch im Konj. sind wie im Ind. Belege mit ‹e›, ‹ie›, ‹ae› und ‹ei› nachgewiesen, so dass Konj. und Ind.Prät. in großen Teilen formgleich sind. Die kontrahierte Form mit ė (hėt, hėte, hėtte) ist im Konj.Prät. etwas häufiger (80%–90%, Ind. ca. 50%–70%). ie-Formen sind im Bair. sowie singulär im Alem.-Bair. ab 212 belegt, æ-Formen im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum (sowie selten in Tris und Iw) ab 113. Die präteritalen ie- und æ-Formen haben im Konj. einen höheren relativen Anteil am Gesamt aller Konj.-Formen (7% und 5%) als das im Ind. der Fall ist. Anm. 12:  Die seltene Langform (habete) und die kontrahierte a-Form (hat/ ​hāt, hatte/ ​ hātte) sind weitestgehend auf den Ind.Prät. beschränkt, in Ausnahmen kann auch Konjunktiv vorliegen (habetint ir ander‫ ܅‬niewit getan. muo‫܅‬int i‫ ܅‬iemer ‫܅‬caden han, Mem, 154v,20; 7,7; ‫܅‬am ‫܅‬ie mit einem hére. wichlich haten ge‫܅‬triten, Mar, 87 v,5; 4901). Weitere Beispiele für konjunktivische Lang- und a-Form in WMU 1, 779. Lit.: Ahd.Gr.I, § 368; A. Bach (1930, 198); Blauärmel (1937, 18); de Boor (1976b, 119–143); Bußmann (2008, 371, 705); Feudel (1961, 189); Frnhd.Gr, § L 39, L 57, L 74, M 151; Gierach (1917, 520f); Gleißner/ ​Frings (1941, 154); Gr.d.Frnhd.IV, § 64; Grimm, Dt.Gr.I, 885ff; Grimm, DWB 10, 46–50; Grosse (2000, 1393); Habscheid (1997, 151ff); Lachmann (1876, 161); Laistner (1880, 555); Marold (2004, XVI); Mausser, Mhd.Gr.III, § 30, 234; Nübling (1995, 130, 137, 146f, 151); Paul, Mhd.Gr., § L 86, L 98; Reichmann (2003, 2547, 2553); Ruoff (1990, 440); Schirokauer (1923, 37–51); Sonderegger (1979, 245); Weinhold, Alem.Gr. § 373; Weinhold, Mhd.Gr., § 156, 394; Werner (1998, 587f); Wilmanns, Dt.Gr.I, § 158; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 48; WMU 1, 777–780; Wesle (1925, 126f, 139f); Zwierzina (1898, 491–500); Zwierzina (1900a, 101f, 109, Anm. 1, 113f).

964

VII. Verben

3.5.3.3. lāȥen/ ​lān

(1) Allgemeines V 230

Das Verb lāȥen/ ​lān ist ein stv. der Klasse VII, das häufig in einer Kurzform belegt ist. Dabei handelt es sich nur im Präs. um die lautlich zu beschreibende Kontraktion bei intervokalischen Mediae (Ausfall des inneliegenden ȥ mit Verschmelzung der benachbarten Vokale), bei der präteritalen Kurzform lie dagegen um eine Analogiebildung zu gān/ ​stān (im Folgenden als ‚analoge Kurzform‘ bezeichnet). Allein die Präsensformen und das Part.Prät. können somit als Kontraktion interpretiert werden, jedoch handelt es sich hier um die einzige Kontraktion mit ȥ als intervokalischer Media, die deshalb z. B. von Nübling (1995, 136) als „irregulär“ bezeichnet wird. Trotz dieser Besonderheit konstituieren lāȥen/ ​lān und haben/ ​hān (welches ebenfalls als unregelmäßig gilt) im Mhd. die Klasse der kontrahierten Verben. Abgesehen von der Kurzformenbildung flektiert lāȥen/ ​lān wie ein regelmäßiges st. Verb. Kontraktionsformen und analoge Kurzformen sind im Mhd. parallel zu den Langformen belegt und gehen im Frnhd. wieder unter (vgl. Frnhd.Gr., § M 150). Im Paradigma wird das Flexionssystem mit langem Vokal (lāȥen) beschrieben, es ist jedoch mit einer Kürzung im Verlauf des Mhd. zu rechnen (Wilmanns, Dt.Gr.I, § 248ff). Dazu passt der Befund der ab 213 (v. a. im Obd.) ansteigenden Schreibung mit Doppelkonsonanz (laȥȥen; vgl. Grimm, Dt.Gr.I, 302), so dass spätestens im 14. Jh. mit Kurzvokal zu rechnen ist. Der Anteil der Kurzformen ist bei lāȥen/ ​lān deutlich geringer als bei haben/ ​hān. Nur ungefähr die Hälfte aller Präsensformen und weniger als ein Viertel der Präteritalformen sind nicht in der Langform belegt. Anders als bei haben/ ​hān gibt es keinen Numerusunterschied im Präs. und gerade im Md. sind hier die wenigsten Kontraktions- und Kurzformen belegt.

965

3. Besondere Verben

(-)‌lāȥen/ ​lān (15 Lexeme in 2033 Wortformen, Simplex 1747 Wortformen) (2) Überblick Präsens V 231

Indikativ* Langform

Kurzform

1.

lāȥe, lāȥ, lāȥen

lān, lā

2.

lāȥest, lāȥes

lāst, lās, lǟst, lǟs

3.

lāȥet

lāt, lǟt

3.Sg.Konj.*1

lāȥe, lāȥ



2.Sg.Imp.

lāȥe, lāȥ



1.

lāȥen

lān

2.

lāȥet, lāȥent

lāt, lānt

3.

Sg.

Pl.

lāȥent, lāȥen

lānt, lān

2.Pl.Imp.

lāȥet

lāt, lānt

Inf.

lāȥen, lāȥent

lān

Part.Präs.

lāȥende



* Der lange Stammvokal wird im Verlauf des Mhd. gekürzt, Schreibung mit ‹zz› tritt verstärkt ab 213 auf  – hier wird systematisch nur Einfachkonsonanz abgebildet, zu den belegten Formen s. § V 232f. *1 Der Konj. ist ausdrucksseitig nur in der 3.Sg. vom Ind. unterschieden.

In 211/ ​112 sind nur selten kontrahierte Formen zu finden, schon in 212 umfassen sie die Hälfte der Belege. Ihr Anteil bleibt bis zur Mitte des 14. Jh.s relativ stabil. Im Md. kommen Kontraktionsformen nur selten vor. Im Obd. ab 212 liegt der Anteil der Kontraktionsformen bei ca. 60% am Gesamt aller Präsensformen. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der paradigmatischen Position: Während die 3.Sg. und die 2.Pl.Präs./ ​Pl.Imp. in ca. drei Vierteln ihrer Belege kontrahiert erscheinen, weisen die 1.Sg. und die 1.Pl.Präs. nur singulär (< 5%) und erst in 114 kontrahierte Formen auf. Die 2.Sg., 3.Pl., der Sg.Imp. und der Inf. liegen mit einem Anteil zwischen 30% und 50% im mittleren Bereich. Demnach existiert, anders als bei haben/ ​ hān, bei lāȥen/ ​lān kein Numerusunterschied im Präs. Präsentische Kontraktionsformen sind doppelt so häufig in Verstexten wie in Prosatexten belegt, auch Urkunden weisen häufig Kontraktionsformen auf. Kurzformen wie lā (bes. Notker), lāt (und lie) sind bereits im Spätahd. belegt (vgl. Ahd. Gr.I, § 351, Anm. 2), werden aber erst im Übergang zum Mhd. frequenter (zur Verwendung von lā und lāȥ bei Notker vgl. Collitz 1917, 449ff). Im Frnhd. sind Kontraktionsformen nurmehr im Inf., in der 3.Sg.Präs., im Sg.Imp. sowie in einigen Pl.Präs.-Positionen belegt und werden rasch zurückgedrängt. Sie erscheinen nur ausnahmsweise über das 15. Jh. hinaus (Frnhd.Gr., § M 150) in obd. Mundarten (vgl. Grimm, DWB 12, 215). Anm. 1:  Die signifikante Verwendung der Kontraktionsformen in der 3.Sg./ ​2.Pl./ ​Pl.Imp. verweist auf eine eher phonemkombinatorische Bedingung der Kontraktion, nämlich die Vermeidung des Konsonantenclusters Sibilant + Dental nach Synkope (lāȥet > lāȥt), bzw. Sibilant + Sibilant + Dental (lāȥest > lāȥst). Davon zu unterscheiden sind eher lexemspezifische Kontraktionen, s. § V 221.

966

VII. Verben

Anm. 2:  Nübling (1995, 136 u. 148) zufolge ist Kontraktion bei intervokalischem ȥ irregulär, da sie bei keinem anderen Verb auftritt. Auch Grimm (Dt.Gr.I, 350f) findet keine Kontraktion bei analogen Verben wie verwāȥen, māȥen etc., alem. ȥ-lose Belege von müeȥen (vgl. Weino hold, Mhd.Gr., § 204) sind nur singulär nachgewiesen (Als mut gein gote hohvart ‫܅‬in, Mart, 9ra,4; 9,4). Die Kontraktionsformenbildung hängt bei ‚irregulär‘ kontrahierten Verben besonders deutlich mit der hohen Gebrauchsfrequenz und der Funktion als Auxiliar zusammen. Anm. 3:  V. Kraus sieht den Gebrauch von Kurz- oder Langformen bei Hartmann in spezifischen Konstellationen belegt (vgl. v. Kraus 1898, 156ff): So findet er Kurzformen dort, wo analoge Formen von gān/ ​stān zur Verfügung stehen, die Langformen dagegen dort, wo ē-Formen vorliegen. Des Weiteren kommt die Langform des Inf. nur in „prägnanter“ Bedeutung (also nicht auxiliar) vor. Allerdings weist Gierach (1913, 279) nach, dass die von Kraus erkannte Verwendung nur im Reim gilt, nicht aber im Versinneren, wo auch auxiliar die Langform bezeugt ist. Anm. 4:  In den Urkunden überwiegen unkontrahierte Formen (so auch WMU 2, 1095f u. Habscheid 1997, 146 zu Kölner Urkunden des 13. Jh.s, wo ausschließlich Langformen belegt sind).

(3) Endungsflexivik Präsens Belegt sind:

V 232

Indikativ Langform Sg.

Kurzform

1.

laze, laz, lazze, lazz, je 1x lâzz, lâzzen, lazin, lazen, lai‫܅܅‬en, lais

je 1x lan, la

2.

laze‫܅‬t, laze‫܅‬, lezi‫܅‬, lai‫܅‬es, je 1x lazze‫܅‬t, lazi‫܅‬t, lazzi‫܅‬t, lâze‫܅‬, lâze‫܅‬t, la‫܅܅‬e‫܅‬t, lezi‫܅‬t, le‫܅‬zes, leizi‫܅‬t, læzze‫܅‬

la‫܅‬t, læ‫܅‬t, lae‫܅‬t, je 1x lâ‫܅‬t, læi‫܅‬t, la ‫܅‬t, lau‫܅‬t, le‫܅‬t, le‫܅‬

3.

lezit, lezet, leizit, lazet, lazzet, lazzit, lezzet, je 1x lâzet, lâzzet, læzet, lei‫܅‬et, lei‫܅‬it, le‫܅‬it, ley‫܅‬

lat, læt, let, lât, leit, je 1x lâd, le t, la t

laze, lazi, laz, lazze, lai‫܅‬e, lai‫܅܅‬e, je 1x la‫܅܅‬e, laize

la

3.Sg.Konj. 2.Sg.Imp.

e

a

laz, laze, lâz, lazze, la‫܅܅‬e, je 1x las, laiz, lais

la, lâ

1.

lazen, laze, lazin, laz, lazzen, lazze, 1x lazzin

lan, 1x la

2.

lazet, lazit, je 1x lazt, lazent

lat, lant, je 1x lât, lࠅt

3.

lazent, lazen, lazint, lazin, lazzent, lazzen, lai‫܅܅‬ent, je 1x la‫܅‬zent, la‫܅‬zen, lai‫܅‬ent

lant, lan

2.Pl.Imp.

lazet, lazen, lazit, la‫܅‬it, je 1x lazzet, la‫܅‬chet, lai‫܅‬t, lizet

lat, lant, 1x lât

Inf.

lazen, lazin, lazi, laze, lazzen, lazzin, lazze, lâzen, lai‫܅܅‬en, lai‫܅‬zin, la‫܅‬zen, lai‫܅‬en, la‫܅܅‬en, je 1x lâzzen, lâzzan, la‫܅‬en, la‫܅‬zen, lo‫܅‬zen, laz‫܅‬en, laizen, lazent, lai‫܅܅‬ent

lan, lân, lain

Part.Präs.

lazzende

Pl.

e

3. Besondere Verben

967

Die Endungen der Langform entsprechen denen der st. Verben, die der Kontraktions­ form dem Kurzverbparadigma. Die 1.Sg.Präs. lāȥ(ȥ)e entspricht hinsichtlich der apokopierten Formen dem allgemein beobachteten Apokopierungsverhalten (lāȥ, s. § V 44). Im Mfrk. und Rhfrk.Hess. (und singulär in Will) ist in der Langform selten Nasalendung lāȥen belegt (s. § V 44, Anm. 2). Die seltene Kontraktionsform lautet lān oder lā (letztere singulär im Reim). In der 2.Sg.Präs. ist Endung auf -st (lāȥ(ȥ)est, lāst) im Obd. nahezu ausschließlich, im Md. zeigt sich eine parallele Verwendung von -st und -s (-s auch singulär in den obd. Hss. Wind und Türh) (s. § V 46). Die überwiegend kontrahierte 3.Sg.Präs. lautet lāt, die seltenere Langform endet auf -et (lāȥ(ȥ)et/ ​lėȥ(ȥ)et). Anm. 1:  Singulär ist in der Kontraktionsform der 3.Sg.Präs. auslautendes -d belegt (lâd, LEnt, 175v,7; 37,3).

In der 1.Pl.Präs. der Langform (lāȥ(ȥ)en) kann vor nachfolgendem Personalpronomen der Nasal oder das gesamte Endungsflexiv ausfallen (meist in 213/ ​114 lāȥ(ȥ)e, lāȥ wir; so auch in der Kurzform: singulär lā wir, s. § V 52, Anm. 3). Die überwiegend kontrahierte 2.Pl.Präs./ ​Pl.Imp. erscheint als lāt oder lāȥet, im Alem. (singulär md.) selten mit Nasalendung -nt (lānt, lāȥent). Die 3.Pl.Präs. erscheint mit (lānt, lāȥ(ȥ)ent) und ohne Dental (lān, lāȥ(ȥ)en: vor allem 213 und 114, bes. rhfrk.). Der Sg.Imp., der in ca. der Hälfte der Belege in der Kurzform lā erscheint, ist in der Langform weit überwiegend, bereits ab 211/ ​112, verstärkt ab 113 apokopiert (lāȥ). Anm. 2:  Zum Sg.Imp. lai‫܅‬t bei Taul (175r,17) s. § V 48, Anm. 2.

Der Inf. (lāȥ(ȥ)en, lān) kann im Hess.-Thür. (bes. MüRB) und im Ofrk. endungslos sein (lāȥ(ȥ)e), vereinzelt ist -nt nachgewiesen (TrHL, Taul; s. § V 36, Anm. 4). Im Konj.Präs. ist nur die 3.Sg. (lāȥ(ȥ)e) ausdrucksseitig vom Indikativ unterschieden, Apokope (lāȥ) und Kurzform (lā) sind selten belegt (vࠁ svlen dem ga‫܅‬t [...] weder ze ezzࠀ noch zetrinken geben. er la dࠇne ‫܅‬wert vࠁ mezzer in der herwerge, SBNü, 12rb,5). Anm. 3:  Andere Nebensilbenvokale als ‹e› sind in der Langform v. a. ‹i› in ca. 9% aller Präsens- und Infinitivbelege in allen Zeiträumen (zur landschaftlichen Bindung s. § V 27) und singulär ‹a› in 211/ ​112. Selten kann der Endungsvokal fehlen (3.Sg. oder 2.Pl. la‫܅‬t, lai‫܅‬t).

(4) Stammflexivik Präsens

Der Stammvokal ist sowohl in der Lang- als auch in der Kurzform regelmäßig ā. In der 2./ ​3.Sg.Präs. erscheint in Kurz- und Langform z. T. Umlaut (s.  § V 112); im Gegensatz zu den stv. VI, wo Umlaut in der 2./ ​3.Sg.Präs. regelmäßig auftritt, ist der Umlaut in Reihe VII nicht fest geregelt. Obd. (bair., alem.-bair. Übergangsraum und

V 233

968

VII. Verben e

Parz) erscheint zumeist ‹æ›, ‹ae› oder ‹a› (singulär ‹ea› in MMag; zu ‹ai› s. u.), ca. 20% der obd. Formen sind umgelautet. Häufiger ist die umgelautete Form lǟt (aber auch lǟȥet). Im Md. ist die Umlautgraphie stets ė (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 38; zu ‹ei› s. u.). Hier findet sich der Umlaut häufiger in der Langform (lėȥit, lėȥet, auch lėiȥit, aber auch lėt). Insgesamt erscheinen über 60% aller md. Belege mit Umlaut. Das Ofrk. schließt sich an das Md. an: Hier ist stets ė belegt. Singulär ist auch im Bair. und Alem. ė nachgewiesen (Weinhold, Mhd.Gr., § 358, sieht hierin Analogie nach den stv. VI). Länge des Stammvokals ist nur in knapp 3% aller Präsensformen mit Zirkumflex bezeichnet, es gibt keinen Unterschied zwischen Lang- und Kurzform. Im Mfrk., bes. für Taul, UKöln1/ ​2, Yol und Göll, ist die Schreibung mit ‹ai›, im Md. selten mit ‹ei› (singulär ‹ey›) belegt (häufiger in der Langform, seltener in der Kontraktionsform), was evtl. als Längenbezeichnung interpretiert werden kann. Zur Länge des Stammvokals vgl. auch Grimm, DWB 12, 213 u. 215; zum Stammvokal vgl. auch WMU 2, 1095ff. o

Anm. 1:  Im Alem. (bes. Rapp) sind Formen mit ‹o› belegt (dazu singulär lan in Lupo, 231rb,25; 2,410). Vgl. dazu auch Grimm, DWB 12, 213ff. Zu Formen mit ‹u› vgl. Grimm, DWB a 12, 214 (singulär lau‫܅‬t, Hartw, 20r,18; M 413 und lu ze, MBeh, 230v,9 – wohl als Verschreibung zu werten). Anm. 2:  Als Verschreibungen zu werten sind læi‫܅‬t, PrPa, 289,11 und Lizet, VLilie, 43r,9; 19,31.

Der Stammkonsonant ist regelmäßig ȥ, im Mfrk. (stets in Taul), Rhfrk.-Hess. und Alem. auch s. Anm. 3:  Doppelschreibung des stammauslautenden Konsonanten tritt ab 211/ ​112, deutlich ansteigend jedoch erst ab 213, vor allem im Bair., alem.-bair. Übergangsraum und im Ofrk. (hier ein ca. Viertel aller Belege), ansonsten singulär auf, ‹ss› und ‹sz› finden sich fast ausschließlich im Mfrk. und Rhfrk.-Hess. (hier unter 10% aller Belege); singulär ‹‫܅‬ch› in Yol; im Alem. ist Doppelkonsonanz selten belegt.

(5) Überblick Präteritum V 234

Präteritum Langform Indikativ Sg.

Pl.

Part.Prät.

Kurzform Konjunktiv

1.

li(e)

li(e)ȥe

2.

li(e)ȥes, li(e)ȥ(e)

li(e)ȥes(t)

3.

li(e)ȥ

li(e)ȥ(e)

1.

li(e)ȥen

li(e)ȥen

2.

li(e)ȥet, li(e)ȥent

li(e)ȥet

3.

li(e)ȥen, li(e)ȥent

li(e)ȥen

(ge)lāȥen

Indikativ lie – li(e) – – lient (ge)lān

3. Besondere Verben

969

Zur Kurzform lān wird ein entsprechendes Prät. lie (analoge Kurzform) gebildet (wie gie zu gān, vgl. auch Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 35), das neben lieȥ verwendet wird. Jedoch sind die Präteritalformen von lāȥen/ ​lān überwiegend (80%) in der Langform belegt. Kurzformen treten häufiger nur in der 3.Sg.Ind.Prät. (analoge Kurzform) und dem Part.Prät. auf (Kontraktionsform; hier jeweils ca. ein Viertel). Dagegen liegt z. B. in der ebenfalls frequenten 3.Pl.Prät. der Anteil der Kurzformen nur bei ca. 2%. Konjunktivformen sind unkontrahiert. Die Kurzformen treten ab 212 auf und werden ab 113 frequenter. Sie sind im Obd. am häufigsten, hier beträgt ihr Anteil stets ca. 30%. Im Md. sind überwiegend Langformen belegt, der Anteil der Kurzformen liegt hier stets unter 10%, im Mfrk. sind sie nicht belegt, im Rhfrk.-Hess. nur singulär (vgl. auch McCobb 1936, 64). Bei der analogen Kurzformenbildung kann es sich nicht um einen einfachen Lautwandel handeln, da auslautendes ȥ in dieser Position oft bewahrt ist (vgl. Collitz 1917, 207). Die Verwendung der Kurzform unterliegt zum Großteil Regeln des Satztones, des Reimes und der Anlautform des Folgewortes. Anm. 1:  Die vokalisch auslautende analoge Kurzform lie (1./ ​3.Sg., Gleiches gilt für den Sg.Imp. lā) erscheint überwiegend vor konsonantischem Anlaut (knapp 80%), nicht vor vokalischem, so dass ein Hiat vermieden wird (s.  § V 246 entpfie, gie, vie). Auf die Langform lieȥ folgen sowohl vokalisch als auch konsonantisch anlautende Formen. Die analoge Kurzform findet sich in den meisten Fällen (72%) in Verstexten und dabei in über der Hälfte aller Belege am Versende im Reim. Die Stellung vor Vokal wird in der Vers- oder Zeilenmitte in den allermeisten Fällen vermieden, häufiger ist lie + vokalisch anlautendes Folgewort nur am Versende belegt, wo intonatorisch ohnehin eine Pause entsteht. In Prosatexten ist die analoge Kurzform nahezu ausschließlich in der Satzmitte belegt, sehr selten vor Vokal. Kurzform vor Vokal tritt überwiegend im Obd., nur selten im Omd. auf. Somit bestätigt sich die von Collitz (1917) aufgestellte und von McCobb (1936) verifizierte Regel, wonach lie fast nie vor Vokal erscheint. Die landschaftliche Steuerung dieses an der Wiener Genesis aufgestellten Gesetzes, das im Alem. fast ausnahmslos gilt, im Bair. hingegen auch selten vokalischen Anlaut zulässt, lässt sich am Grammatik-Korpus nicht ausmachen, wo gerade im Alem. und alem.-bair. Übergangsraum analoge Kurzformen vor Vokal belegt sind. Die analoge Kurzform lie ist zeitiger belegt als gie, so dass Collitz (1917, 452ff) lie für originär hält, wonach gie analog gebildet sei. Er sieht den Ursprung der analogen Kurzform in der Anlehnung an tuen. Dass lie im Mhd. stärker etabliert sei als gie (Iw lie 39% aller Kurzformen, McCobb 1936, 63), ist am Grammatik-Korpus nicht zu erweisen (gie doppelt so häufig wie lie und zeitiger belegt). Zu lieȥ und lie im Reim vgl. auch Schirokauer (1923, 32ff: Hartmann hat in Frühwerken lie, in Spätwerken lieȥ), Zwierzina (1896, 240f), Zwierzina (1898, 468: bei Wolfram lieȥ, nicht lie).

970

VII. Verben

(6) Endungsflexivik Präteritum Belegt sind:

V 235

Präteritum Langform Indikativ Sg.

Pl.

Part.Prät.

Kurzform Konjunktiv

Indikativ

1.

liez, liz, je 1x lîez, leys

2.

je 1x lizes, lieze, liezi, liezze, je 1x liezi‫܅‬, lieze‫܅‬t, lizze‫܅‬, lizze, liez lizes

3.

liez, lies, lie‫܅‬, liz, lyz, lîez, lieze, liez, liezze, lyze, lie‫܅܅‬e, lie, lîe, je 1x lye, li, lî e leiz, je 1x lı z, liezz, lys, leys, lize, lîeze, lie‫܅‬ze, je 1x lizze, lieze lie‫܅‬e, luzze

1.

liezzen, je 1x liezin, lizen

2.

lyzet, je 1x liezet, lizint, liezzint

3.

liezen liezen, liezin, lizen, lizin, liezzen, lîezzen, lei‫܅܅‬en, lyzen, je 1x lizzen, liezzent, liezent, li‫܅‬en lazen, lazin, lazzen, lazzin, lai‫܅‬en, la‫܅܅‬en, lai‫܅܅‬en, je 1x e lai‫܅܅‬in, laizin, lazn, lai‫܅‬chen, la‫܅‬en, la‫܅‬zen

liezze, lieze, je 1x lîezze, lyze

lie –



je 1x liezen, liez –

– lient



lan, lon

Die 2.Sg.Prät. flektiert regelmäßig li(e)ȥ(ȥ)e, singulär tritt Apokope (PrPa) oder s-Endung (lizes, RhMl, 54,8; 2028 und lize‫܅‬, 67,27; 2553) auf. Die 3.Sg.Prät. lautet regel­ mäßig lieȥ, in ca. 25% lie. In der 2./ ​3.Pl.Prät. ist im Alem. Endung -ent belegt (s. § V 61, Anm. 1). Anm. 1:  Andere Nebensilbenvokale als ‹e› sind in der präteritalen Langform selten: ‹i› findet sich v. a. im Alem. und Omd. (MüRB).

(7) Stammflexivik Präteritum V 236

Der Stammvokal ist im gesamten finiten Prät. regelmäßig ie, im Md., bes. im Rhfrk.Hess. und Omd., ist auch ‹i› belegt, im Rhfrk.-Hess. mit einem Anteil über 30% (s.  § V 157). Die Graphie ‹y› ist typisch für Yol (mfrk.). Selten ist im Mfrk. (singulär im Alem.) ‹ei› ~ ‹ey› belegt (Taul, KuG; vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 18, Anm. 3). Zum Stammkonsonantismus vgl. Präs. (‹s›-, ‹ss›-, ‹sz›-Graphien im Prät. bes. auch in Rapp (Alem.).

Bis auf die 1./ ​3.Sg. sind Ind. und Konj.Prät. formengleich. Abweichend vom Ind. enden die 1./ ​3.Sg. vokalisch: li(e)ȥ(ȥ)e. Apokope ist in der 3.Sg.Konj.Prät. sehr selten.

3. Besondere Verben

971

Anm. 1:  Zu ‹u› im Alem. (singulär luzze, TrHL, 51v,3) vgl. Weinhold, Alem.Gr., § 336 u. Grimm, DWB 12, 214.

Das Part.Prät. lautet regelmäßig (ge)lāȥ(ȥ)en. In einem Viertel der Belege tritt die Kontraktionsform (ge)lān auf (s. o.). Die Länge des Stammvokals wird nur bei einigen wenigen ‹ai›-Formen im Md. (bes. Taul) graphisch markiert. Abweichende Schreie bung ‹a› findet sich singulär in Hartw, Verdumpfung lon in Rapp (116ra,45; 45 u. ö.). Lit.: Ahd.Gr.I, § 351, Anm. 2; Collitz (1917, 207, 449ff, 452ff); Frnhd.Gr., § M 150; Gierach (1913, 279); Grimm, Dt.Gr.I, 302, 350f; Grimm, DWB 12, 213ff; Habscheid (1997, 146); v. Kraus (1898, 156ff); McCobb (1936, 64); Nübling (1995, 136, 148); Paul, Mhd.Gr., § L 18, Anm 3, L 38; Schirokauer (1923, 32ff); Weinhold, Alem.Gr., § 336; Weinhold, Mhd.Gr., § 358; Wilmanns, Dt.Gr.I, § 248f; Wilmanns, Dt.Gr.III.1, § 35; WMU 2, 1095f; Zwierzina (1896, 240f); Zwierzina (1898, 468).

3.5.3.4. Sonstige Kontraktionen

(1) Kontraktion bei inlautenden Mediae: -g-, -d-, -b-

Das gesondert aufgeführte Verb haben/ ​hān (8324  Belege) gehört ebenfalls systematischerweise zur Kontraktion über Mediae und wird in die folgende Überblicksdarstellung einbezogen, jedoch ebenso wie lāȥen/ ​lān (615 Belege) gesondert ausführlich beschrieben (s. § V 223ff, V 230ff). haben/ ​hān ist das mit Abstand frequenteste und am häufigsten in der Kurzform belegte Verb überhaupt (knapp 80%). Kurzformen treten hier in fast allen Paradigmapositionen auf und haben sich hier bis in die nhd. Standardsprache erhalten. Deshalb und obwohl Kontraktion über b (und ȥ) als unregelmäßig gilt, hat haben/ ​hān einen Sonderstatus inne und wird ebenso wie lāȥen/ ​lān gesondert behandelt. Ausfall von intervokalischem -ȥ- ist nur bei lāȥen/ ​lān belegt, alem. ȥ-lose Belege von o müeȥen (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 204) sind nur singulär nachgewiesen (Als mut gein gote ra hohvart ‫܅‬in, Mart, 9 ,4; 9,4).

Kontraktionsformen bei Verben mit inlautenden Mediae erscheinen tendenziell häufiger im Obd., bei haben/ ​hān und pflęgen (s. § V 100) dagegen häufiger im Md. Für einige seltenere Verben sind Kontraktionsformen nur im Md. nachgewiesen (z. B. sęgenen, ręgenen, prėdigen). Von Kontraktion sind überwiegend die frequenten Paradigmapositionen betroffen: 3.Sg.Präs./ ​Prät., Part.Prät. (bei swv.) und seltener 3.Pl.Präs./ ​Prät., alle anderen Positionen sind nur randständig belegt (außer bei haben/ ​hān). Der Inf. ist eher selten kontrahiert belegt. Das Kontraktionsergebnis wird bestimmt durch die Kombination aus Stammvokal und Konsonant, d. h., es ist weder bei gleichem Konsonanten (tragen  – er trėit, aber ligen  – er līt) noch bei gleichem Stammvokal (lėgen  – er lėit, aber gęben  – er gīt)

V 237

972

VII. Verben

identisch. Bei langvokalischem Kontraktionsergebnis ist die Länge ausdrucksseitig meist nicht markiert. Für die Entstehung kontrahierter Formen wird ein Zusammenhang mit dem dem Konsonanten folgenden Vokal im Ahd. angenommen (z. B. Wilmanns, Dt.Gr.I, § 81): Der Lenisplosiv g wird zu palatalem Approximanten, welcher vor nachfolgendem ahd. i schwindet. Für das Mhd. ist ein solcher Zusammenhang nicht ersichtlich, da einerseits ahd. i regelhaft zu Schwa abgeschwächt wurde und andererseits nicht alle Positionen, in denen Kontraktion auftritt, ahd. i in der Endung aufweisen. Darüber hinaus sind Kontraktionen im Ahd. nur vereinzelt nachgewiesen (vgl. Ahd.Gr.I, § 15 u. § 149, Anm. 5a), so dass die mhd. Formen nur z. T. als Folge einer im Ahd. beginnenden Entwicklung erklärt werden können. Für einen möglichen Zusammenhang von Kontraktion und nachfolgendem i spricht, dass die frequenten Positionen, die von Kontraktion betroffen sind, ahd. häufig auf -it enden (3.Sg.Präs. stv., swv. I, Part.Prät. swv. I). Allerdings erscheinen Kurzformen auch in paradigmatischen Positionen, in denen nachfolgendes i im Ahd. nicht vorliegt (z. B. die nicht seltene 3.Pl., Prät. aller anderen sw. Klassen). Gälte die Bedingung, müssten auch andere -i‑haltige Positionen wie z. B. die 2.Sg.Prät. st. Verben oder der gesamte Konj.Prät. stets kontrahiert sein. Neben der Annahme, dass Kontraktion durch das dem Lenisplosiv folgende i verursacht sei, wird auch erklärt, dass z. B. -age nur vor Endung auf -s oder -t kontrahiert werde; doch erklärt auch dies nur einen Teil der kontrahiert vorliegenden Formen. Da die Kontraktion eher bei frequenten Paradigma-Positionen erscheint, kann die lautliche Verursachung nur als Ausgangspunkt dieser Entwicklung betrachtet werden. (Vgl. auch Wilmanns, Dt.Gr.I, § 81: „In anderer Umgebung erfolgte die Zusammenziehung nicht, oder wenigstens nicht in gleicher Ausbreitung. Sie galt also auch nicht für alle Formen des Verbums, und darum hat sie die nhd. Schriftsprache in ihrem Streben nach Vollständigkeit und Übereinstimmung wieder fallen lassen. Erhalten ist sie in Wörtern, wo kein Wechsel der Formen störte, namentlich in Nominibus“, und Grimm, Dt.Gr.I, 360f.) Anm. 1:  Zur Verbreitung der Formen und zum Reimgebrauch siehe Zwierzina (1900c, 345–406; 1901c, 414–419; Zwierzina untersucht die phonetische Qualität des neuen aus Kontraktion entstandenen ėi-Lautes anhand der Analyse des Reimgebrauches) und Gleißner/ ​ Frings (1941: Untersuchungen zum h-Schwund). Über g-Ausfall bereits im Ahd. vgl. Wilmanns, Dt.Gr.I, § 81, Anm. 1.

Frequenteste Kontraktionen über Mediae (vgl. auch Mausser, Mhd.Gr.III, § 234.2): Ausgangspunkt

Kontraktions­ ergebnis

Beispiel stv.

Beispiel swv.

-g-age-

-ėi-

traget

>

trėit

gesaget

>

gesėit

-ėge-

-ėi-

trėget

>

trėit

gelėget

>

gelėit

-ige-

-ī- (-ie-)

(prėdiget)

>

(prėdiet)

liget

>

līt

(pfliget)

>

(pflīt, pflėit)

quidet

>

quīt

-d-ide-

-ī-

-ęde-

(-ę-/ ​-ėi-)



– (rędete)

>

(ręte/ ​rėite)

973

3. Besondere Verben

Ausgangspunkt

Kontraktions­ ergebnis

Beispiel stv.

Beispiel swv.

-b-abe-

-ā-/ ​-a-/ ​-ė-

-ibe-

-ī-

gibet

>

gīt



(-ębe-)

(-ē-)

gęben

>

(gēn)





habet

>

hāt/ ​habete

>

hat, hėt

(a) Kontraktion von -age-

9 Lexeme in 526 kontrahierten Wortformen: behagen (5), betagen (1), (-)‌jagen (7), (-)‌klagen (11), sagen (489), tragen (10), verdagen (1), verƶagen (1), wagen (1)

Kontraktionsformen von Verben auf -age- zeigen sich stark lexemgebunden: Während das hochfrequente sagen zu knapp einem Viertel seiner Belege kontrahiert ist, liegt der Anteil der Kontraktionsformen z. B. bei klagen bei lediglich 3% (bei den meisten Verben unter 10%). Kontraktionsformen finden sich bei den sw. Verben deutlich häufiger im Prät., bei sagen ist der Anteil der Kurzformen im Prät. fast viermal so hoch wie im Präs., bei klagen doppelt so hoch. Beim einzigen st. Verb dieser Gruppe tragen erscheint Kontraktion fast ausschließlich im Präsens (s. § V 106) in der 3.Sg. (trėit, Ausgangsform trėget, s. § V 239); darüber hinaus sind nur wenige andere Präsenspositionen, der Inf. und einige kontrahierte Part.Prät. belegt (7x getran von insgesamt 93 Belegen). Anm. 1:  Der Stammvokal vor der Kontraktion ist nicht zu erweisen, da auch unumgelaue i tete Formen wie tragit (dc i‫܅‬t dc gotez lambeli. dc all’ d’ welte ‫܅‬unde ‫ܔ‬f im traget, PrSch, v 243 ,12) statt regelrechten trėget belegt sind: Es wird hier aber von der umgelauteten Stammform in der 2. u. 3.Sg.Präs. ausgegangen. Für die Kontraktion über -age- kommen also die 2.Pl.Präs., der Inf. und das Part.Prät. in Betracht, die 1.Sg./ ​Pl. und die 3.Pl.Präs. sind nur in der Langform belegt (zum Präsensumlaut s. § V 87).

Mit wenigen Ausnahmen ist im Präs. vor allem die frequente 3.Sg. kontrahiert belegt (sėit, trėit, klėit, jėit usw.). Bei sw. Verben weisen besonders das Part.Prät. (gesėit, geklėit, gejėit usw.), die 3.Sg.Prät. und seltener die 3.Pl.Prät. Kontraktion auf (sėite(n), klėite(n), jėite(n)). Im Inf. sind Kurzformen selten (v. a. mfrk. sayn, drayn, klayn). Kontrahierte Formen treten bei den frequenten Verben dieser Gruppe ab 212 kontinuierlich auf und sind häufiger im Obd., kommen aber auch im gesamten Md. vor. Das Kontraktionsergebnis ist überwiegend ‹ei› (tragen 90%, sagen 70%, klagen 58%), im Md. ‹ai› (im Mfrk. selten ‹ay›), im Obd. selten ‹ae›/‹æ›. Monographische Varianten sind im Md. selten -a- (meist mfrk.) und singulär -e- (rhfrk.-hess.). Anm. 2:  Das Mfrk. weist einige bes. vom Obd. abweichende Kontraktionsergebnisse auf (vgl. Th. Klein 2000b, 22), so die Kontraktion von -age- > ā und -ėge- > a, ai, ay. Singulär ist auch ėi belegt (dreit < traget, Göll).

V 238

974

VII. Verben

Anm. 3:  Zum Reimgebrauch von mhd. ėi < age vgl. Zwierzina (1900c, 345–396). Anm. 4:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigen im Korpus keine Kontraktion die z. T. geringfrequenten Verben slagen (hals- etc.), nagen, ragen. Für i. d. R. kontraktionslose Verben auf -ā- wird z. T. Analogiekontraktion angenommen, z. B. Mausser, Mhd.Gr.III, § 234.2 für vrāgen.

(b) Kontraktion von -ėge-/ ​-ęgeV 239

5 Lexeme in 524 kontrahierten Wortformen: lėgen (368), pflęgen (2) (zu pfliget § V 240), ręgenen (3), sęgenen (11), trėget (137, Inf. tragen s. § V 238), be-/ ​ūȥer-węgen (3)

Kontraktionsformen von Verben auf -ėge-/ ​-ęge- sind stark einzellexematisch gebunden: Während lėgen in knapp 50% seiner Belege kontrahiert ist (doppelt so häufig in Vers- wie in Prosatexten, sehr häufig in Urkunden), sind es die meisten anderen Verben nur in unter 10%. Das st. Verb tragen (s.  § V 106) weist in der 3.Sg.Ind.Präs. (Ausgangsform trėget) ca. 70% Kontraktionsformen auf, ist sonst aber nur selten kontrahiert. Die sw. Verben (lėgen, ręgenen, sęgenen und węgen) erscheinen vorwiegend im Part.Prät. (gelėit, gesėint) und in der 3.Sg.Prät. (lėite, sėinte, rėinte), seltener in der 3.Pl.Prät. (lėiten) in der Kurzform. Im Präs. ist v. a. die 3.Sg. kontrahiert belegt (lėit), jedoch seltener als die 3.Sg.Prät. und das Part.Prät. Der Inf. ist nur vereinzelt (2x rėinen im Md.) in der Kurzform belegt. Beim meist st. Verb pflęgen (s.  § V 100) erscheinen Kontraktionsformen häufiger nur in der 3.Sg.Präs. (s.  § V 240). Singulär sind auch andere Positionen kontrahiert (hier Kontraktionsergebnis ‹ei›): 1x Inf. phlein, im Prät. ein Beleg mit schwacher Bildungsweise (do du ouch de‫ ܅‬amptes [...] phleite‫܅‬t, HLit, 88r,11; 486; weitere sw. Belege vgl. Schirokauer 1923, 10 u. Mausser, Mhd.Gr.III, § 217.7, Anm. 1). Ab 212 sind Kurzformen kontinuierlich belegt, ein Beleg findet sich bereits in 211/ ​ v 112: Habit er ‫܅‬inin richtom ‫܅‬o geleit, Mem, 154v,35; 14,1 (Kontraktion von ahd. -egibereits im Alem. des 10./ ​11. Jh.s, vgl. Ahd.Gr., § 149, Anm. 5a). Das hochfrequente Verb lėgen weist im Obd. deutlich häufiger Kontraktionsformen auf (> 90%), ebenso finden sich Kontraktionsformen von tragen (trėit) zu ca. 80% im Obd., sęgenen und ręgenen haben nur md. Kurzformen. Im Mfrk. sind Kontraktionen von -ėge-/ ​-ęgenur singulär belegt. Das Kontraktionsergebnis ist überwiegend ‹ei› (z. B. lėgen 84%), im Bair., alem.bair. Übergangsraum, Alem. und Mfrk. selten ‹ai› (singulär ‹ay›), im Obd. selten ‹æ› (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 25). Singulär sind ‹oi› (TriF), ‹ey› (Göll) und ‹ie› (UKöln1) belegt. Monographische Varianten sind im Md. selten ‹e›, singulär ‹a› (RhMl) und im Bair. und alem.-bair. Übergangsraum selten ‹i›.

3. Besondere Verben

975

Zu den st. Verben mit Stammvokal ę, deren präsentische Singularpositionen Hebung des Stammvokals zu i aufweisen, s. § V 240. Positionen mit Wechselflexion werden überwiegend zu ī kontrahiert (-ige-, -ide-, -ibe- > -ī-). Anm. 1:  Zum Reimgebrauch von mhd. ėi < ege vgl. Zwierzina (1900c, 345–396). Anm. 2:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigen im Grammatik-Korpus die z. T. geringfrequenten Verben begėgenen, dėgen, hėgen, mėgenen, rėgen, sęgen, stęgen, vėgen, vręgen keine Kontraktion.

(c) Kontraktion von -ige-

2 Lexeme in 296 kontrahierten Wortformen: ligen (285), pflige, -es(t), -et (zum Inf. pflęgen s. § V 239) (11)

Das st. Verb ligen ist im Präs. sehr häufig und fast ausschließlich in der 3.Sg. (līt) kontrahiert (s.  § V 104). Der Inf. findet sich 3x in der Kurzform (līn). Kontrahierte ligen-Formen sind deutlich häufiger im Obd. belegt, hier sind über 80% der 3.Sg.Präs. kontrahiert, im Md. nur 57%. Der Kontraktionsvokal ist in 90% i/ ​ī (selten ‹ie›, ‹ij›, ‹ye›), die Länge ist nur vereinzelt markiert. Im Obd. tritt gelegentlich ‹ei› auf, was zumindest in den obd. Texten aus 114 bereits als Diphthongierung des vorgängigen Kontraktionsergebnisses ī (und nicht als Kontraktion -ige- > ėi) zu interpretieren ist. Anm. 1:  Das singulär in der Kurzform belegte Part.Prät. geleyn (Göll, 1ra,38; A 38) geht auf eine Langform mit -ėge- zurück.

Beim meist st. Verb pflęgen (s.  § V 100) dagegen erscheinen selten Kontraktionsformen, (anders als bei ligen) häufiger nur im Md. Die am häufigsten kontrahierte Position ist die 3.Sg.Präs., in welcher der Stammvokal durch Wechselflexion vom Inf. abweicht (pflīt, pflėit). Kontraktionsergebnis ist hier überwiegend ‹i›, selten ‹ei› oder ‹ie›. (Zu marginalen Kontraktionsformen mit Ausgangsform -ėge-/ ​-ęge- s. § V 239). In seltenen Fällen kann das Muster der Stammsilbenkontraktion von -ige- auch auf Suffixe übertragen werden, so bei den beiden sw. Verben prėdigen und lędigen (zum Basisbezug bzw. zur Beschreibung als -igen- oder -en-Verb s. KSW III, § V 279 u. V 287). Es handelt sich zwar um frequente Verben, jedoch tritt Kontraktion bei lędigen nur einmal auf und auch bei anderen frequenten Verben dieser Form wie vėrtigen, kriuƶigen oder stǟtigen sind Kurzformen nicht nachgewiesen. Das Kontraktionsergebnis ist hier stets ‹ie› (singulär ‹io›, ‹ye›). i/ ​y kann aber auch als spirantisiertes g interpretiert werden (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 105). Das sw. Verb prėdigen kontrahiert stärker im Prät. (prėdiete), lędigen nur im Inf. (Kond er mit ‫܅‬íner predyen Beíde inpínden vnd ledyen, Lupo, 231va,7; 2,424). Bereits in 211/ ​ 112 ist im Grammatik-Korpus ein kontrahierter Beleg nachgewiesen: toufente unde bredionte, BaGB, 104v,7 (vgl. auch Ahd.Gr.I, § 149, Anm. 5a); 10 von 12 Kurzformen von prėdigen finden sich im Md. Anm. 2:  Zum Reimgebrauch von mhd. ī < ige vgl. Zwierzina (1900c, 397–406).

V 240

976

VII. Verben

Anm. 3:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigen im Korpus die Verben digen, sigen, wigen sowie alle -igen-Verben außer prėdigen und lędigen keine Kontraktion.

(d) Kontraktion von -oge-, -ügeV 241

2 Lexeme in 13 kontrahierten Wortformen: mügen (12), ƶogen (1)

Das Prät.-Präs. mügen weist im Alem. in der 3.Pl.Präs. selten Kurzformen auf (mun(t), s. § V 179, Anm. 6). Von ƶogen stammt ein kontrahierter Beleg aus dem Omd.: do czoyte her czu galylea, BeEv, 6v,22 (zur Auflösung des palatalen g im Md. vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 76 u. Weinhold, Mhd.Gr., § 221). (e) Kontraktion von -ideV 242

1 Lexem in 281 kontrahierten Wortformen quides(t), -et (Inf. quęden)

Das Vorkommen kontrahierter Belege des frequenten st. Verbs quęden (s. § V 103) ist stark handschriftenabhängig und konzentriert sich auf das Alem., Bair. und Rhfrk.Hess., im Obd. ist quęden ab 213 nicht mehr belegt. Es ist nur im Präs. und dabei fast ausschließlich in der 3.Sg.Präs. (99,3% quīt) kontrahiert belegt, nur singulär in der 2.Sg. quî‫܅‬t, Will, 7r,3. Die Langform (quidet, quędent) findet sich vorwiegend in 211/ ​112 und sonst vereinzelt bis 113. Auffällig ist die große Anzahl kontrahierter Belege bereits in 211/ ​112 (bes. WNot, Will, s. § V 145). Im Md. ist das Verb stets kontrahiert, im Obd. zu knapp 95%; damit liegt die Frequenz kontrahierter Formen im Präs. sogar höher als bei haben/ ​hān, im Prät. kommen keine kontrahierten Formen vor, eine landschaftliche Präferenz kann nicht ermittelt werden. Die hohe Kontraktionsrate im Präs. und das Fehlen eines deut­ lichen landschaftlichen Schwerpunktes heben das Verb quęden von sonstigen kontrahierenden Verben ab. Der Kontraktionsvokal ist überwiegend i/ ​ī (Wechselflexion: ide > ī), im Obd. (mit Ausfall des w-Lautes und Vokalumfärbung vgl. Mausser, Mhd.Gr.III, § 217.9, Anm. 1) seltener u/ ​ū (‫܅‬o chût ouch dauid, Phys, 152r,2), z. T. iu (daz kivt, Mar, 7r,2; 275) und singulär ou (er chovt, Hchz, 149v,2; 662) und ie (daz kiet, LEnt, 176v,16; 45a,11). (f) Kontraktion von -ėde-/ ​-ade-/ ​-ide- (sonstige)/ ​-ėideV 243

7 Lexeme in 141 kontrahierten Wortformen: beschėiden (71), klėiden (25), laden (3), rėden (34), schaden (3), versmiden (1), vriden (4)

3. Besondere Verben

977

Kontraktionen bei Verben auf -ėde-/ ​-ade-/ ​-ide-/ ​-ėide- können auch als Vereinfachung der Doppelkonsonanz im Auslaut nach Synkope interpretiert werden. Sie werden hier als Kontraktionsformen beschrieben. Grimm führt das Phänomen unter Synkope: „inlautende t und d pflegen häufig auszufallen, wenn ein t der flexion nachfolgt; mit ihnen wird ‫܅‬odann jedesmahl das zwischenliegende tonlo‫܅‬e e ‫܅‬yncopiert [...] Hauptfall i‫܅‬t der des ‫܅‬chwachen praet. [...] Daß der vorausgehende kurze vocal dadurch nicht verlängert wird, zeigen die belege [...]“ (Grimm, Dt.Gr.I, 345); Weinhold (Mhd.Gr., § 25) und Mausser (Mhd.Gr.III, § 234) führen nur -ede- und -ade- auf. Wilmanns (Dt.Gr.I, § 81, 88) erwähnt keine Kontraktionen über d.

Das hochfrequente sw. Verb rėden erscheint überwiegend im Obd. kontrahiert, dabei sind vorwiegend Formen des Prät. (3.Sg. rėt(e), rėit(e), Part.Prät. gerėt, gerėit und die 3.Pl. rėten, rėiten) betroffen, die 3.Sg.Präs. (rėt, rėit) weist demgegenüber nur selten Kontraktionsformen auf. In Verstexten sind Kontraktionsformen doppelt so häufig wie in Prosatexten, noch höher ist ihr Anteil in Urkunden. Der Kontraktionsvokal ist überwiegend ė/ ​ē (rėt(e)/ ​rėd(e), seltener ‹ei› (al‫܅‬o reite Hagene, Nib, 86v,28; 2386,4) oder ‹ai› (dar zv het ‫܅‬i al‫܅‬o zv im gerait, MMag, 19v,10; 663; Weinhold weist ėi und ai als Hauptformen aus, vgl. Mhd.Gr., § 25). Anm. 1:  Allein Formen auf ėi können eindeutig als Kontraktionsformen interpretiert werden, wohingegen die Formen mit ė auch als Vereinfachung der beiden auf Dental endenden Silben angesehen werden können.

Die beiden sw. Verben laden und schaden weisen nur selten Kurzformen auf. Sie erscheinen meist im Obd (bair., alem., singulär alem.-bair. Übergangsraum und omd.). Dabei sind vorwiegend die 3. Personen (lat/ ​lāt, schat/ ​schāt) von Kontraktion betroffen. Der Kontraktionsvokal ist stets a/ ​ā. Anm. 2:  Korpusextern ist auch baden in der Kurzform belegt; die diphthongischen Formen bėit für badete und schėite für schadete sind im Grammatik-Korpus nicht nachgewiesen (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 25). Keine Kontraktion zeigt das st. Verb laden, welches die gleiche Stammstruktur aufweist.

Bei Verben auf -iden finden sich 5 kontrahierte Part.Prät.-Belege (versmit, gevrit), 4 davon in LuKr (omd.), der Kontraktionsvokal ist stets i. Anm. 3:  In zwei Fällen ist nicht zu entscheiden, welcher Stammvokal im Inf. vor der Kontraktion vorlag, ob es sich um die Kontraktion von -ide- im Präs. der st. Verben vermīden und ƶersnīden handelt oder ob vor der Kontraktion bereits Diphthongierung e eingesetzt hatte: wanne vn‫܅‬er herre den bí ím leít Der dube vnd vnku‫܅‬t niht v’meit, Renn, rb 6 ,33; 758; dem zer‫܅‬neit man des gemi‫܅‬chten dreizic brot, SBNü, 9va,18.

Bei klėiden ist der Anteil der Kurzformen relativ hoch, während vom hochfrequenten schėiden nur eine kontrahierte Form belegt ist. Besonders häufig ist im Obd. (selten

978

VII. Verben

im Md.) das Part.Prät. geklėit (< klėiden) belegt (überwiegend in Vershandschriften), alle anderen Positionen sind selten. Der Kontraktionsvokal ist stets ėi. Eine Abgrenzung zwischen Kontraktionsformen und Formen mit im Auslaut vereinfachter Doppelkonsonanz nach Synkope (z. B. rėdet > rėdt > rėt oder ladet > ladt > lāt und nicht -ėde- > ė/ ​ėi oder -ade- > ā) kann nicht getroffen werden. Belege mit Doppeldental (z. B. rėdte, rėtte) nach Synkope werden nicht als Kontraktion gewertet. Deshalb ist auch eine Aussage über die Länge des Vokals nicht möglich (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 24). Reimbelege für die Länge des ā führt Zwierzina (1900c, 367, Anm. 2) auf.

(g) Kontraktion bei -bV 244

2 Lexeme in 3676 kontrahierten Wortformen: gęben/ ​gib-e, -es(t), -et (511), (zu haben/ ​hān (3165) s. § V 222ff)

Die beiden Verben, deren Kurzform aus dem Ausfall des intervokalischen b resultiert, verhalten sich sehr verschieden: Das st. Verb gęben (s.  § V 99) ist fast ausschließlich im Obd. kontrahiert belegt (ca. 92% aller Kontraktionsformen sind obd.), bei haben dagegen erscheinen Kontraktionsformen eher im Md. Im Präs. ist die Anzahl kontrahierter Formen bei haben doppelt so hoch wie bei gęben. Bereits in 211/ ​112 sind zwei kontrahierte Belege von gęben (gīt) nachgewiesen, ab 212 finden sie sich kontinuierlich. Kontraktionsformen treten deutlich häufiger im Obd. auf, hier sind knapp 50% aller Präsensformen in der Kurzform belegt, im Md. nur 10%. Neben der 3.Sg. gīt sind nur wenige andere Positionen betroffen (selten 2.Sg., Pl., Part.Präs., Inf.). Der Kontraktionsvokal ist in der 2./ ​3.Sg. fast durchgängig i/ ​ī (die Länge ist in den Hss. selten markiert), in den anderen Positionen ę. Im Obd., vor allem im Bair., lautet die Kontraktionsform in mehr als einem Drittel der Belege gęit (Diphthongierung ab 213). Kurzformen mit ę (gęnt, gęn, gęnde) sind selten im Alem. und alem.-bair. Übergangsraum sowie auch sonst vereinzelt überliefert. Selten sind ‹ie› und ‹ye›, nur in Taul finden sich ‹ey›, ‹ij› und ‹y›. Anm. 1:  Nübling (1995, 136) zufolge bleibt intervokalisches b regulär erhalten, sie bezeichnet die Kontraktion bei haben und gęben als irregulär. Kontraktion bei b wird in der Forschungslit. für den durch Wechselflexion gekennzeichneten Stamm ahd. -ibi- > mhd. -ibә- angesetzt, bes. für die 2./ ​3.Sg.Präs. (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 43). Kontrahierte Formen im Plural und im Inf. müssten dann als Analogiefälle erklärt werden.

(2) Kontraktion bei -hV 245

Zwischen Vokalen ist der Hauchlaut h z. T. ausgefallen, was den Zusammenfall der beiden Vokale bewirken kann (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 241; Wilmanns, Dt.Gr.I, § 88; Michels 1921, § 150). Formen mit erhaltenem intervokalischem h sind jedoch die Regel. Kontraktionsformen über h sind wesentlich seltener als über Mediae, anders als diese sind sie fast ausschließlich im Md. belegt (ƶiehen > ƶien 98%, s. § V 93, sęhen

979

3. Besondere Verben

> sien 97%, s. § V 101, slahen > slān 95%, s. § V 106, geschęhen > geschēn 92%, s. § V 101; vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 243). Innerhalb des Md. zeigen sich deutliche landschaftliche Unterschiede: Während das Mfrk. häufiger Kontraktionsformen belegt, schließt sich das Rhfrk.-Hess. tendenziell eher dem oberdeutschen Usus an: Es weist deutlich seltener (auch seltener als das Hess.-Thür. und Omd.) Kontraktion über h auf (vgl. auch Gleißner/ ​Frings 1941, 118ff, die von der „rheinischen[n] Grenze zwischen h und h-Ausfall“ sprechen). Wie auch bei der Kontraktion über Mediae sind v. a. die 3. Personen in der Kurzform belegt, jedoch sind hier auch die anderen paradigmatischen Positionen häufiger kontrahiert belegt (z. B. formelhaftes wir ergien < jęhen in Kölner Urkunden): So ist auch der Anteil des Inf. hier vergleichsweise hoch (bis zu 40%), selbst Konjunktivformen sind von Kontraktion betroffen. Bei den Verben mit doppelter Stammgestalt (entpfāhen, vāhen und hāhen, s. u.) erscheint neben der Kontraktion über h im Obd. eine zweite Kürzungsstrategie im Prät.: Analogiebildungen zu gān/ ​stān (analoge Kurzform vie statt vienc, s. u.). Nur bei einem Teil der hierhergehörigen Kontraktionen ändert sich durch den h-Ausfall Qualität oder Quantität des Stammvokals (nur bei -āhe-/ ​-ahe- > ėi und -ėhe- > i/ ​ie), etliche Kurzformen können als h-Schwund (h kann zwischen Vokalen  und im Auslaut schwinden, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 156; Lautverlust im Md., s. § V 246–252) mit nurmehr zusammengerückten Stammvokalen beschrieben werden (z. B. -iehe- > ie, -ēhe- > ē). Anm. 1:  Auch im Auslaut nach Langvokal ist h häufig verhallt (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 242), so beim Sg.Imp., im Konj., bei. n-losen 1.Pl. und Inf. im Thür. und selten bei 1.Sg.Präs. u. in der 1./ ​3.Sg.Prät. st. Verben (geschęhen: gescha statt geschach; jęhen: ia; sęhen: sa; ƶīhen: ƶē; vliehen: vlō). Ausgangspunkt

Kontraktions­ergebnis

Beispiel stv.

Beispiel swv.

-ęhe- (-ihe-)

Präs. Part.Prät. Inf.

i (ie/ ​ē) ē (i/ ​ie) ie (i/ ​ē)

sihet gesęhen sęhen

> > >

sit gesēn sien



-āhe-

Präs. Inf.

ėi (ē/ ​ā) ā (ai/ ​ē)

entpfāhet entpfāhen

> >

entpfėit entpfān



vliehet

>

vliet



slahet slahen

> >

slėit slān



ƶīhet

>

ƶiet

-iehe-

ie

-ahe-

Präs. Inf.

ėi (ē/ ​a) ā

-īhe-

ie

-ǟhe-

ē ėi

-ēhe-

ē

entpfǟhet

Abb. V 14: Kontraktionen über h nach Frequenz

> –

entpfėit

wīhete

>

wiete

smǟhete

>

smēte

vlēhen

>

vlēn

980

VII. Verben

(a) Kontraktion von -āheV 246

3 Lexeme in 162 kontrahierten Wortformen: entpfāhen (111), hāhen (7), vāhen (44) Anm. 1:  Zu den 111 Kontraktionsformen von entpfāhen, 44 von vāhen und 7 von hāhen treten noch 57, 35 bzw. 3 präteritale (analoge) Kurzformen (s. u., entpfie, vie, hie), so dass insgesamt 168, 79 bzw. 10 B. in einer Kurzform nachgewiesen sind.

Das Simplex vāhen (s.  § V 110) und seine durch Assimilation im Stammanlaut veränderte Präfigierung entpfāhen werden hier zusammen betrachtet. Charakteristisch für beide Verben sowie hāhen (s.  § V 110) ist die doppelte Stammgestalt: Die Form auf -āhen ist typisch für den Präsensstamm, sie ist durch Nasalausfall vor frikativem h und Dehnung des Vokals entstanden. Die für das Prät. typische Stammform auf -angen weist Grammat. Wechsel mit entsprechend erhaltenem n auf (s.  § V 165). Im Mhd. sind bis auf wenige Ausnahmen Präsens- und Präteritalstamm geschieden (Präs. stets entpfāhet/ ​vāhet/ ​hāhet, Prät. entpfienc/ ​vienc/ ​hienc). In der Folge wurde die n-Form des Prät.-Stammes auf das Präs. übertragen. Anm. 2:  Nur singulär sind im Präs. Formen auf -angen (mih vmbvangen herzen ‫܅‬er, MMag, 13r,11; 466, do hie ‫܅‬ich leys vangen, Taul, 88v,3; entfanc mínes hercen andath, RhMl, v 93r,5; 5102) und im Part.Prät. umgekehrt Formen mit Präs.-Stamm (die heiligen tofe enphar hen, Hoff, 27 ,13) belegt. Anm. 3:  Parallel zum stv. hāhen ist das swv. hangen belegt, das im Präsensstamm -ng- und deshalb keine Kontraktion aufweist.

Nur bei Verben mit doppelter Stammgestalt (s. o.) treten parallel zum n-infigierten Prät. von gān Kurzformen auf -ie auf. Die Kurzformenbildung im Prät. (entpfie/ ​vie/ ​ hie) ist keine Kontraktion, sondern Analogie zu gān < gie (s.  § V 208), so dass bei diesen Verben zwei verschiedene Kürzungsstrategien, Kontraktion und Kurzformenbildung durch Analogie, zu beobachten sind. Basis der Kontraktion können nur Formen auf -āhen sein, der Kurzformenbildung dagegen nur -ieng-. Über 90% aller Kontraktionsformen sind md. (zur Kontraktion im Mfrk. vgl. Th. Klein 2000b, 27f u. Gleißner/ ​Frings 1941, 124f), wobei mfrk. Handschriften deutlich häufiger Kontraktionsformen aufweisen als rhfrk.-hess. Handschriften. Wie alle st. Verben erscheinen entpfāhen, vāhen und hāhen vornehmlich im Präs. kontrahiert (über 70% der md. Präs.- und Inf.-Formen von entpfāhen erscheinen ohne h, 60% von vāhen); der Anteil des Inf. (entpfān, vān) ist hier jeweils sehr hoch (knapp 40% aller Inf. von entpfāhen und 25% von vāhen und hāhen liegen kontrahiert vor). Vorrangig ist die 3.Sg. kontrahiert belegt (entpfėit, entpfēt, entpfāt), bei entpfāhen weist auch die 3.Pl. einen höheren Anteil an Kurzformen auf.

3. Besondere Verben

981

Anm. 4:  Der Stammvokal vor der Kontraktion ist nicht zu erweisen: Es kann sich um den unumgelauteten Stamm (entpfāhet) ebenso handeln wie um den umgelauteten (entpfǟhet). Anm. 5:  V. Kraus (1898, 162f) sieht in der alem. Form vervāt keine lautgesetzliche Kontraktion. Das Fehlen analoger Formen, z. B. bei versmān oder geschēn in der Sprache Hartmanns, legt Analogie zu gān nahe. Die parallele Bildung einsilbiger Kurzformen im Prät. (gie, vie) machte die Übernahme von Kurzformen auch im Präs. möglich. Ähnlich argumentiert Zwierzina (1901a, 47ff), der nur in md. vān eine Kontraktionsform sieht, in obd. vān dagegen eine Analogieform zum Prät. vie.

Im Part.Prät. sind nur selten Kontraktionen belegt (nur 5 Part.Prät. sind kontrahiert nachgewiesen, da Formen auf -āhen als Ausgangspunkt der Kontraktion nur vereinzelt vorkommen: entpfān/ ​gevān; bei entpfāhen sind drei weitere Part.Prät. auf -āhen in der Langform bezeugt). Die analoge Kurzform entpfie/ ​vie ist in mehr als einem Viertel der Belege (hie ist seltener) v. a. in der 3.Sg.Prät. und v. a. im Obd. nachgewiesen. Der Kontraktionsvokal ist im finiten Präs. meist ėi, seltener ē oder ā, im Inf. meist ā, seltener ai oder ē, im Part.Prät. ā (Taul auch ‹ai›, ‹ay›, ‹ey›; OxBR ‹ae›). ē findet sich häufig im Hess.-Thür. und Omd. Kurzformen sind kontinuierlich ab 212, Kontraktionsformen eher im Md., analoge Kurzformenbildung dagegen fast ausschließlich im Obd. belegt. Anm. 6:  Zu ripuarischen Kontraktionsformen vgl. Dornfeld (1912, 217). Anm. 7:  Zwierzina (1901a, 47–67) stellt die unterschiedliche Behandlung des Simplex vāhen (und entpfāhen) gegenüber den Präfigierungen bei Hartmann und anderen Dichtern fest. Hartmann verwendet stets die unkontrahierte Form vāhen, aber kontrahiertes vervān, entpfāhen in den frühen, entpfān in den späteren Werken. Anm. 8:  Zur Verwendung der Kurzformen vie und hie im Reim und zur regionalen Verteilung der Formen vgl. Schirokauer (1923, 32ff) und Zwierzina (1901a, 47–67). Anm. 9:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigen im Grammatik-Korpus smāhen, gāhen und nāhen keine Kontraktion. Es handelt sich hier um sw. Verben mit anderem Zwischenvokal als dem Stammvokal (ahd. smāhēn, gāhōn, nāhen), so dass hier der h-Ausfall verzögert stattfand (vgl. Paul, Mhd.Gr., § L 80). Der These v. Kraus’ zufolge (1898, 162f) können diese sw. Verben keine Kurzformen bilden, da keine Analogie zum st. Verb gān möglich war.

(b) Kontraktion von -ahe-

2 Lexeme in 67 kontrahierten Wortformen: slahen (63), twahen (4)

Das hochfrequente st. Verb slahen (s. § V 106) und das seltenere twahen kommen im Md., bes. im Mfrk., Hess.-Thür. und Omd., kontrahiert vor; im Obd. erscheinen Kontraktionsformen nur ausnahmsweise, singulär bereits in 211/ ​112: al‫܅‬o ‫܅‬kiero. ‫܅‬o div brawa ze‫܅‬amine ge‫܅‬lat, Mem, 154v,17; 6,6.

V 247

982

VII. Verben

Anm. 1:  Die Kontraktionsbedingungen liegen im Pl.Prät. und Part.Prät., bedingt durch Grammat. Wechsel, nicht vor (s. § V 165); vereinzelt belegte kontrahierte Part.Prät. (geslain, getwain etc.) stammen aus JMar, Göll und PrRei. Bei Verben mit Stammkonsonant g ist dagegen Kontraktion im Part.Prät. häufig (s. § V 237).

Im Präs. ist v. a. die 3.Sg. kontrahiert belegt (slėit, slēt, slat etc.). Wie bei entpfāhen, vāhen und hāhen ist auch hier der Anteil der Kontraktion im Inf. (slān, twān) hoch. Bei slahen betrifft Kontraktion knapp 80% aller mfrk., hess.-thür. und omd. Präs.und Inf.-Formen; im Rhfrk.-Hess. nur knapp 20%. Der Kontraktionsvokal ist im finiten Präs. meist ėi, seltener e oder a (auch ‹ai›, ‹ay›, ‹ei›, ‹ey›, vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 33), im Inf. überwiegend a (aufgrund der Graphie sind keine Aussagen über die Länge z. B. von ‹e› möglich). Anm. 2:  Zu ripuarischen Kontraktionsformen vgl. Dornfeld (1912, 217). Anm. 3:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigt das Verb gewahen/ ​gewėhenen/ ​gewǟhenen im Grammatik-Korpus keine Kontraktion.

(c) Kontraktion von -ēheV 248

2 Lexeme in 20 kontrahierten Wortformen: lēhenen (9), vlēhen (11)

Das seltene sw. Verb lēhenen ist im Mfrk. stets kontrahiert belegt. Die einzigen beiden nachgewiesenen Langformen stammen aus dem Alem. Auch das etwas häufigere sw. Verb vlēhen ist (außer 3 Belegen in ArnM) nur im Mfrk. kontrahiert belegt, hier sind die parallel belegten Langformen häufiger. Neben singulären finiten Belegen in Präs. (lene, VLilie, 87r,3; 46,24; flie, ArnM, r 134 ; 16241) und Prät. (vlêden, Yol, 78v; 3516) erscheinen bei beiden Verben überwiegend kontrahierte Inf.: (ver-)lēnen, vlēn. Kontraktionsformen von -ēhe- stammen selten aus 212 (ArnM), meist aus 213 und 114 und überwiegend aus dem Mfrk.; der Kontraktionsvokal ist meist ē/ ​e, singulär ‹ei›, in Taul ‹ey›, in ArnM ‹ie›. (d) Kontraktion von -ęhe- (mit Wechselflexion -ihe-) V 249

4 Lexeme in 571 kontrahierten Wortformen: jęhen (31), be-/ ​geschęhen (206), sęhen (334)

Die st. Verben jęhen, be-/ ​geschęhen und sęhen (s.  § V 101) sind fast ausschließlich im Md. kontrahiert belegt (vgl. hierzu Gleißner/ ​Frings 1941, 118ff): Im Mfrk., Hess.-Thür. und Omd. sind es bei jęhen knapp 40%, bei be-/ ​geschęhen knapp 90% (überwiegend in Prosatexten) und bei sęhen über 50% aller Präs.- und Inf.-Formen. Im Rhfrk.-Hess. kommen deutlich weniger Kontraktionsformen vor als im sonstigen Md. (5% bei jęhen, 62% bei be-/ ​geschęhen und 29% bei sęhen). Im Obd. ist die Kontraktionsform selten.

3. Besondere Verben

983

Darüber hinaus gibt es innerhalb der Gruppe von Kontraktionen auf -ęhe- deutliche einzellexematische Unterschiede: Das Verb jęhen erscheint seltener in einer Kontraktionsform als die beiden hochfrequenten st. Verben be-/ ​geschęhen und sęhen. Des Weiteren erscheinen paradigmatische Unterschiede: Bei allen drei Verben sind überwiegend präsentische Kurzformen belegt, bei jęhen jedoch überwiegend die 1.Pl. Es handelt sich hierbei um eine formelhafte Wendung, z. B. in Kölner Urkunden (wir ergien ‚wir bekennen‘, vgl. auch Gleißner/ ​Frings 1941, 122). Bei geschęhen erscheint fast ausschließlich die 3.Sg. (geschi(e)t) kontrahiert, bei sęhen auch die anderen paradigmatischen Positionen (er si(e)t, sie si(e)n(t)). Der Inf. ist im Md. bei geschęhen (geschēn, geschien) und sęhen (si(e)n, sēn) häufig kontrahiert. Das Part.Prät. weist bei geschęhen und sęhen jeweils einen großen Anteil an Kontraktionsformen auf (gesēn, gesin, gesien; hier Kontraktion über h, s. § V 165); bei geschęhen ist das Part.Prät. häufiger schwach (geschiet, geschėit) als stark (geschēn) gebildet. Der Kontraktionsvokal ist bei geschęhen und sęhen im finiten Präs. meist ‹i›, seltener ‹ie› (bei jęhen überwiegend) oder ‹e› (vgl. Weinhold, Mhd.Gr., § 52), im Part. Prät. meist ‹e›, seltener ‹i›, ‹ie› oder ‹ei›, im Inf. meist ‹ie›, seltener ‹i›, ‹e› oder ‹ei›. Im Hess.-Thür./ ​Omd. überwiegt ‹e› (v. a. BeEv); ‹ei›/ ​‹ey› beschränkt sich überwiegend auf Taul und UKöln2, ‹y› auf Yol. Anm. 1:  Zum Wechsel von anlautend j und g bei jęhen vgl. Mausser, Mhd.Gr.III, § 217, 8.I. Anm. 2:  Drei Belege in RhMl zeigen den kontrahierten Stamm mit einer dentalhaltigen Endung (z. B. ‫܅‬o wat dir leides ge‫܅‬chide up erden, RhMl, 31v,3; 1779), möglicherweise im Anschluss an sw. Verben (Th. Klein 2000b, 28; Mausser, Mhd.Gr.III, § 217, 8.I., Anm. 4). Anm. 3:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigen im Grammatik-Korpus spęhen, bręhen und węhen keine Kontraktion.

(e) Kontraktion von -īhe-

4 Lexeme in 34 kontrahierten Wortformen: gedīhen (2), līhen (11), wīhen (6), ƶīhen (15)

Kontraktionen von -īhe- sind nur im Md. nachgewiesen (ƶīhen überwiegend mfrk., līhen omd.). Der Kontraktionsvokal ist überwiegend ‹ie›, vereinzelt ‹ye› (UKöln2), ‹i› (Göll) oder ‹ei› (MüRB). Die drei st. Verben gedīhen, līhen und ƶīhen erscheinen überwiegend im Präs. (3.Sg.: gediet, liet, ƶiet) und Inf. (gedien, lien, ƶien) kontrahiert. Das sw. Verb wīhen dagegen erscheint nur im Prät. kontrahiert, hier sind die 3.Sg. (wiete) und das Part. Prät. (gewiet) kontrahiert belegt. Anm. 1:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigen im Grammatik-Korpus die seltenen Verben sīhen, drīhen und rīhen keine Kontraktion.

V 250

984

VII. Verben

(f) Kontraktion von -ǟhe-, -ȫhe-, -ǖheV 251

3 Lexeme in 25 kontrahierten Wortformen: versmǟhen (16), hȫhen (5), schǖhen (4)

Das sw. Verb versmǟhen kontrahiert nur im Md., vorrangig in der 3.Sg.Präs. und im Part.Prät. (versmet). Der Kontraktionsvokal ist e (Taul ‹ey›, Yol ‹ei›), nur ein unumgelauteter faktitiver Inf.-Beleg mit ‹a› ist nachgewiesen (uer‫܅‬man, VLilie, 62v,3; 31,35). Anm. 1:  Der umgelautete Stammvokal gilt als Normalform eines faktitiven Verbs (z. B. smǟhen ‚smāhe machen‘ oder hȫhen ‚hōh machen‘), da diese Verben auf ehemalige janVerben zurückgehen (s. § V 66); der graphische Befund zeigt allerdings nicht in jedem Fall Umlaut, die Zuordnung zu dieser Verbklasse erfolgt durch semantische Analyse.

Das sw. Verb hȫhen erscheint im Md. 5x im Part.Prät. (gehȫt) und 1x im Inf. (hȫn) ohne h, ebenso das wenig frequente sw. Verb schǖhen ,sich scheuen‘ (3.Sg. ‫܅‬chuet, RhMl, 4v,24; 225; Inf. z. B. ‫܅‬chuen, RhMl, 2v,14; 89). Anm. 2:  Von den Verben mit identischer oder ähnlicher Stammstruktur zeigen im Grammatik-Korpus drǟhen, spǟhen, wǟhen, dǖhen und rǖhen keine Kontraktion. Das von Lexer als bæhen angesetzte Verb (ahd. bāen) ist im Grammatik-Korpus in allen Formen ohne -h- belegt, die aber wegen der Zugehörigkeit zu den verba pura nicht als Kontraktionsformen beschrieben werden können.

(g) Kontraktion bei Verben auf Diphthong V 252

4 Lexeme in 79 kontrahierten Wortformen: schuehen, sėihen (2), vliehen (33), ƶiehen (43)

Ob die h-losen Belege dieser Verben als Kontraktion zu bezeichnen sind, ist fraglich (s.  § V 245). Das seltene sw. Verb schuehen ‚Schuhe anziehen‘ weist einen h-losen Beleg im Hess.-Thür. auf (ge‫܅‬cuot, AthP, 6va,22; 6,106). Alle drei h-losen Belege des sw. Verbs sėihen stammen dagegen aus Bart (bair.), in der gleichen Handschrift finden sich ebenso Formen mit h. Häufiger h-los sind die beiden st. Verben vliehen und ƶiehen (s. § V 93) belegt, die bis auf wenige Ausnahmen im Md. (über 90% aller Kurzformen sind md. (meist mfrk.), hier die Hälfte aller Präs.- und Inf.-Belege) im Präs. und Inf. ohne h erscheinen. Im Präs. sind alle paradigmatischen Positionen betroffen, die 3.Sg. jedoch am häufigsten (vliet), hier (ebenso wie im Sg.Imp.) findet sich auch u-Vokalismus (ƶuet, vluet; vlu, ƶu). Der Inf. weist bei beiden Verben einen hohen Anteil an Kurzformen auf (vlien, ƶien). Das Kontraktionsergebnis ist überwiegend ie oder i (in Taul auch ‹ey›, ‹ei›, in Yol ‹y›, in OxBR ‹iee›: flieen, 1v,30, zieࠀ, 12v,28). Stammvokal u oder ue ist v. a. im Mfrk. nachgewiesen.

3. Besondere Verben

985

(3) Kontraktion bei -l-

2 Lexeme in 91 kontrahierten Wortformen: soln (81), wėllen (10)

Selten treten im Mhd. auch Kontraktionen über l auf. Bei soln können sie als Vereinfachung des Konsonantenclusters -ln(t) > -n(t) beschrieben werden. Die Kontraktionsbelege über l sind landschaftlich und flexionsmorphologisch gebunden: Bei den Verben soln und wėllen erscheinen kontrahierte Formen fast ausschließlich im Alem. und im Pl.Präs. (sun(t), son(t), wen(t)). Bei soln umfassen diese Formen im Alem. ca. ein Viertel aller präsentischen Plural-Formen. Zu kontrahierten Formen im alem. Pl.Präs. bei soln und mügen s. § V 179, Anm. 6; zu wėllen s. § V 194, Anm. 10. Anm. 1:  l-Schwund ist im Alem. laut Michels (1921, § 136, Anm.) schon in ahd. Zeit eingetreten. Im Grammatik-Korpus nicht belegt ist Kontraktion über m (nęmen, komen) (vgl. Nübling 1995, 136; Michels 1921, § 187). Lit.: Ahd.Gr.I, § 15, 149; Ahd.WB 1, 774; Dornfeld (1912, 217); Gleißner/ ​Frings (1941, 188ff, 122, 124f); Grimm, Dt.Gr.I, 345, 360f; Th. Klein (2000b, 22 u. 27f); v. Kraus (1898, 162f); KSW III, § V 279, V 287; Mausser, Mhd.Gr.III, § 217.7, Anm. 1, § 217. 8.I, § 217.9, Anm. 1; Michels (1921, § 136, 150, 187); MWB 1; Nübling (1995, 136); Paul, Mhd.Gr., § L 76, 80, 105; Schirokauer (1923, 10 u. 32ff); Weinhold, Mhd.Gr.; Wilmanns, Dt.Gr.I, § 81, 88; Zwierzina (1900c, 345–406); Zwierzina (1901a, 47–67); Zwierzina (1901c, 414–419).

V 253

VIII. Anhang

1. Zeichentabelle Abweichend vom bisherigen Usus (s. Spalte „bisher“) werden in dieser Grammatik (s. Spalte „neu“) in einigen Fällen andere Zeichen verwendet, die fett hervorgehoben sind. Beabsichtigt ist damit eine einheitlichere und genauere Bezeichnung der Lautverhältnisse. Insbesondere gilt: –– Vokallänge wird durch den Längenstrich ˉ bezeichnet, nie durch Ligaturen (æ, œ) oder Digraphe (iu). –– Der Fortsetzer von nordwestgerm. *e wird durch ę bezeichnet (bei Grimm und Lexer: ë). –– Der Primärumlaut wird durch einen Punkt bezeichnet: ė. –– Die Sekundärumlaute werden durch zwei Punkte bezeichnet: ä, ǟ, ö, ȫ, ü, ǖ, öü, üe. –– Das nicht umgelautete iu wird von ǖ unterschieden, das aus älterem iu bzw. ū umgelautet ist und in weiten Teilen des Mhd. vom iu getrennt bleibt. –– Schwa wird durch e bezeichnet. So wird auch der herkömmlich uo geschriebene Diphthong durch ue bezeichnet als Glied der Reihe ie – üe – ue. –– Der Lautverschiebungsfrikativ wird als ȥ (wie bei Grimm und Lexer) von der Affrikate ƶ sowie von stimmhaftem [z] (germ. *z) unterschieden. –– Das Abwechseln zwischen pf, ph und v, f sowie c, k wird einheitlicher geregelt (s. die zu‑ gehörigen Zeilen in der Tabelle). Beispiele sowie knappe Hinweise in den Spalten zur Lautposition und zur sprachhistorischen Herkunft werden nur dort gegeben, wo sie zur Klarstellung nützlich sein können. bisher

neu

Lautposition oder Verwendungsbereich

Beispiele

phonemisch [allophonisch]

i

i

/i/

î

ī

/i:/

u

u

/u/

û

ū

/u:/

ü

ü

iu

ǖ

o

o

/o/

ô

ō

/o:/

ö

ö

/ø/

sprachhistorische Herkunft

/y/ mǖse, lǖte

/y:/

(Umlaut) < ahd. ū, iu

œ

ȫ

/ø:/

a

a

/a/

â

ā

/a:/

e

ė

/e/

ê

ē

/e:/

ä

ä

/æ/

(Sekundärumlaut) -er); P 57, P 108, P 145 (ime > im, węme > węm, dęme > dęm); P 85, P 87 (ire > ir); P 120 ((n)iemanne Dat.Sg. > (n)ieman); P 191 (disse Gen.Sg.Mask./ ​ Neutr. > dis); P 207 (sęlbe > sęlb); P 263 (ire > ir); N 21, N 50 (ahte > aht); V 13–V 14 (morphologische Steuerung); V 18 (1./ ​3. Sg.Konj.Prät. stv.); V 31–33; V 39 (Part. Präs.); V 43–V 45 (1./ ​3.Sg.); V 48–V 49 (Imp. swv.); V 57 A. 1 (1./ ​3.Sg.Konj.Prät. stv.); V 59 (1./ ​3.Sg.Prät. swv.); V 179–V 180 (Prät.-Präs.); V 195 (wėllen 1./ ​3.Sg.Prät.); V 211 (gān/ ​gēn 2.Sg.Prät.); V 217 (stān/ ​stēn Sg.Konj.Prät.); V 224 A. 2 (Sg. hab); V 229 (Prät. hėt). Artikel: S 2 (Ausbau d. Artikelsystems); P 135–P 179; P 3 (Verwendungshäufigkeit); P 4 (Wortart); P 5 (Flexion).  – Vgl. Ar­ti­kelwort, Definitartikel, Indefinitartikel. Artikelwort: A 1 (Abgrenzung zum Adj., ander); P 16, P 347–P 348, P 369, P 378, P 380–P 381 (Stellung in der NP); P 180, P 224 (Verwendung); P 224, P 232 (Poss.-Pron.).  – Vgl. Definitartikel, Indefinitartikel, Pronomen (im weiteren Sinne). aspektuell s. aktional/ ​aspektuell. Assimilation: S 20 (Stammvarianz); S 75 (Umlaut-Pl.); P 147, P 152, P 161, N 18–N 19, N 23 (assimilatorischer Schwund); P 149 (den > dem vor Labial); P 184, P 190 (disere > dirre); N 17 (sęhs: hs > ss); V 12 A. 1 (Umlaut); V 28 A. 1 (Flexionsformen mit ‹o›); V 29 A. 2 (Flexionsformen mit ‹a›); V 40 A. 4 (Part.Prät.-Präfix ge-); V 40 A. 7 (Flexionsformen mit ‹a›, ‹o›, ‹u›); V 180 A. 3 (wiste) u. A. 4 (torste); V 229 A. 3 (hatte). Athematische Flexion: V 199 (Wurzelver‑ ben); V 200 (tuen); V 205 (sīn).  – Vgl. Bindevokal. Attributive Verwendung des Adj.: A 13–A 19; A 29–A 30 (Nachstellung vs. prädikative vs. adverbielle Form). Ausfall von Lauten s. Apokope, Elision, Konsonantenschwund, Kontraktion, Synkope.

5. Sachregister

Ausgleich s. Analogie. Auslaut s. Apokope, Nebensilbenvokalis‑ mus. Badisch: P 124 (iut ‹ût, ‫ܔ‬t, ‫ݐ‬t, vt› = iht).  – Vgl. Alemannisch, Oberdeutsch, Oberrheinisch, Niederalemannisch, Rheinfränkisch. Bairisch: S 6, 23, S 36 (Apokope); S 7 (Nebensilbenvokalzeichen ‹i›); S 10 (Abweichung bei Substantivklassen); S 17 (Entwicklung Sg.-Paradigma: Aus‑ gleichsmuster bei Fem.); S 20 (epitheti‑ sches -e); S 46, S 48, S 50 (Fem.); S 61 (Gen.Pl.Neutr.); S 71–S 72, S 75–S 76 (Pl.); S 89 (Genusvariation); S 97 (Personenna‑ men); P 12, P 175, P 194, P 236, P 300, P 361 (früh -ere > -er, -eme > -em); P 21, P 88 (mier, dier, wier, ier); P 28 (iu ‚euch‘ e Akk.); P 31 (vns); P 34 (iwer ‚euer‘); P 36 (‹eu, ev› /iu/); P 37 (ęz, ęnk, ęnker ‚ihr (beide), euch (beiden), euer (beider)‘); P 40, P 58, P 89 (iem, ien ‚ihm, ihn(en)‘); P 45 (Reim ęr : (-)‌ēr); P 57 (im ‚ihm‘ > in); P 66 (frmhd. inan, inen ‚ihn‘); P 68 (iȥ ‚es‘ länger bewahrt); P 75 (sīn ersetzt früh ęs Gen.Sg.Neutr.); P 78, P 81 (sܷ ersetzt sie, siu); P 84 (sekundäre Distinktion si – sei  – seu); P 109 (wiu Instr.); P 116 ((n)iemen); P 117 ((n)iemant); P 120 ((n)ieman Dat. früh endungslos); P 124 (frmhd. ieht); P 154 (spätmhd. diu (deu) Instr.); P 167 (Formenersatz dėi Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. → diu → di); P 173 (ėin Nom./ ​Akk.Sg.Fem.); P 184, P 188–P 190 (frmhd. noch diser neben dirre, das spätmhd. wieder durch diser ersetzt wird); P 191 (dizes, ditzes, ditz, dits Gen.Sg.Mask./ ​Neutr., spätmhd. dises); P 195–P 196 (diƶe, diƶ (ditze, dizze, ditz) Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.); P 206 (Dat. Sg.Mask./ ​Neutr. stark flekt. -em nach e Definitartikel); P 215 (umgelaut. solch ‚solch‘); P 230, P 232, N 59 (Schwa-Apo‑ kope); P 277 (sw-Formen spätmhd. länger bewahrt); P 288 (dhėin < dehėin); P 334 (ieteslich ‚jeder‘); P 335 (ieslich, islich ‚jeder‘); P 357–P 360 (ėlliu ‚alle‘ Nom. Sg.Fem., Instr.Sg.Neutr., Nom./ ​Akk.Pl. Neutr.); N 16–N 17 (sechs, sex ‚6‘); N 20

1069

(suben ‚7‘); N 21–N 22 (oht(-)‌, æht(e) ‚8‘); N 29 (ein-, ainlef ‚11‘); N 51 (nicht lenisiertes -nt- in Ordinalia); N 61 (Multiplikativa auf -spilde); V 32 (Apokope im Ggs. zum Alem.); V 34 (e-Epithese); V 39 (Apokope Part.Präs.); V 44–V 45 (Apokope 1.Sg.Ind.Präs. u. 1./ ​ 3.Sg.Konj.Präs.); V 48–V 49 (Imp.Sg. stv. mit und swv. ohne -e); V 55 (1./ ​3.Sg.Ind. Prät. stv. mit -e); V 56 (Endungslosigkeit 2.Sg.Ind.Prät. stv.); V 59 A. 1 (Apokope 1./ ​ 3.Sg.Ind.Prät. swv.); V 81 (‚Rückumlaut‘ ü –  u); V 102 (Sg./ ​Pl.Präs. komen); V 106 (twahen); V 107 (hėben und haben); V 112 (Präs.-Umlaut); V 141 (o-Prät. komen); V 174 (sw. Flexion stv.); V 179 (Apokope Prät.-Präs.); V 194 A. 2 (Endungslosigkeit 2.Sg.Ind.Präs. wėllen); V 206 (sīn 1./ ​2. Pl.Präs. b-); V 208 (gēn statt gān); V 209 (Kurzform gie); V 214 (stēn statt stān); V 229 (Prät. hiete zu haben/ ​hān).  – Vgl. Alemannisch-Bairisch, Ostoberdeutsch. Betonung (Wort- und Satzakzent; lautliche Varianten bei starker oder schwacher Betonung): P 22, P 30, P 43, P 54, P 67–P 68, P 70–P 71, P 76 A. 1, P 79–P 80, P 86, P 88, P 139, P 343 (Pron.: Schwach‑ ton-, Reduktionsformen); P 21, P 30, P 39, P 44–P 45, P 59, P 64, P 66, P 79, P 84, P 86, P 88–P 89, P 141, P 144, P 185, P 187, P 202, P 266 (pron. Starktonformen mit Vokaldehnung); P 131 (Akzentumsprung); V 142 (Akzentmarkierung bei Williram); V 159 A. 2 (Grammat. Wechsel); V 220 A. 1 (Konsonantenausfall durch Stamm‑ silbenbetonung). – Vgl. Dehnung. Bindevokal (Ableitungsvokal, stammbilden‑ des Suffix/ ​Element, Themavokal, Zwischenvokal): V 2 (Zusammenfall von ahd. ē und ō in mhd. ‹e› bei swv.); V 5 A. 1 (Grimm: Ableitungsvokal bei swv.); V 67 (Bindevokal im Mhd.); V 71–V 72 (swv. ahd. I–III); V 74–V 76 (rückumlau‑ tende Verben, allgemein); V 224 A. 12 (Endungsflexivik haben/ ​hān); V 168 (Wurzelverben ohne Themavokal); V 200 (tuen); V 203 (tuen); V 205 (sīn). Dativ: S 1 (Pl. m > n); S 23–S 26 (Sg.Mask.); S 36–S 39 (Sg.Neutr.); S 43, S 47–S 48 (Sg.

1070

VIII. Anhang

Fem.); S 57 (Pl.); A 8, A 11; A 54–A 58 (Geltungsgrad der Formregel); A 62 (voll); A 65 (Mfrk.); A 80–A 83 (flexivlose Form); A 85 (-em + -eme > -eme); A 94 (Dat. Sg.Mask./ ​Neutr.); A 96 (Gen./ ​Dat.Sg.Fem. st.); A 99 (Nebensilbenvokal); P 8, P 10 (pronominale Dekl.); P 24 (Dat.-Akk.Synkretismus mich, dich); P 25 (Dat.Akk.-Synkretismus uns); P 27, P 35–P 36 (Dat.-Akk.-Synkretismus iuch, iu); P 35–P 37 (2.Pl., Dat.Pl.); P 56–P 63 (anaphorisches Pron., Dat.Sg.Mask./ ​ Neutr.); P 85–P 86 (anaphorisches Pron., Gen./ ​Dat.Sg.Fem.); P 89–P 91 (anaphori‑ sches Pron., Dat.Pl.); P 108 (Fragepron., Apokope im Dat.Sg.); P 120 (ieman – ­nieman, im Dat.Sg. flexivlos); P 141–145 (Definitart., Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 149–P 150 (Definitart., Dat.Pl.); P 159–P 161 (Definitart., Gen./ ​Dat.Sg. Fem.); P 175–P 177 (Indefinitart., Dat.Sg. Mask./ ​Neutr.); P 179 (Indefinitart., Dat. Sg.Fem.); P 190 (Dem.-Pron. dise, Gen./ ​ Dat.Sg.Fem.); P 194 (Dem.-Pron. dise, Dat. Sg.Mask./ ​Neutr.); P 236 (mīn, dīn, sīn, Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 237 (mīn, dīn, sīn, Dat.Sg.Fem.); P 252 (iuwer, Dat.Sg.Mask./ ​ Neutr.); P 253 (iuwer, Dat.Pl.); P 253 (iuwer, Gen./ ​Dat.Sg.Fem.); P 300 (Indefinitpron., Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 301 (Indefinit‑ pron., Dat.Pl.); P 302 (Indefinitpron., Gen./ ​Dat.Sg.Fem.); P 361–P 363 (all-); P 382 (ander, Gen./ ​Dat.Sg.Fem.); P 384 (ander, Dat.Pl.); N 5–N 6 (‚zwei‘, Gen./ ​Dat.); N 10 (‚drei‘, Dat.); N 57 (Ordinalzahlen, Dat. Sg.Mask./ ​Neutr.). Definitartikel: P 135–P 168; P 6 (Flexion); P 14 (Genusmarkierung); P 16 (Stellung in der NP); P 204 (dęr jėner); P 205–P 206 (dęr sęlbe); P 224, P 226–P 231, P 250, P 257 (vor Poss.-Pron.); P 237 (vor manic); P 284 (nach dehėin, nehėin); P 325, P 328 (vor und nach dem Numerale ėin); P 348, P 362 (nach all); P 367, P 371 (die bėide); P 369 (nach bėide); P 377, P 380 (vor ander); N 57–N 58 (vor Ordinalzahl).  – Vgl. Artikel, Demonstrativpronomen. Dehnung: P 20 (nordseegerm. mī ‚mir‘ < *miz); P 21 (md. mier, dier, ier, wier); P 21,

P 30, P 39, P 44–P 45, P 59, P 64, P 66, P 79, P 84, P 86, P 88–P 89, P 141, P 144, P 185, P 187, P 202, P 266 (gedehnte pron. Starktonformen); N 17 (Dehnung/ ​ Diphthongierung in mfrk. seis ‚6‘); N 20 (Tondehnung in siben ‚7‘ > sīben, sēben).  – Vgl. Geminata (Konsonanten‑ dehnung), Längenmarkierung. Demonstrativpronomen: P 16, P 108, P 323 (folgendes Pron. oder Adj. wird schwach flektiert); N 57–N 58 (folgendes Ordinal‑ zahlwort wird stark flektiert); P 3, P 6, P 14, P 135–P 168, P 181, P 349–P 350, P 352, P 360, P 367 (dęr); P 182–P 199 (dise); P 200–P 204 (jėner); P 205–P 213 (sęlp); P 214–P 221 (sol(i)ch); P 222 (suslich).  – Vgl. Definitartikel. Determinativ s. Artikel, Artikelwort, Demonstrativpronomen, Interrogativ‑ pronomen, Possessivpronomen. Distributiva: P 132–P 133 (gelīch); P 134 ((aller)manne(ge)līch); P 330 (Überblick; iegelich); P 331 (iegeslich); P 332 (ielich); P 333 (iewėl(i)ch); P 334 (ieteslich, iet(e)lich); P 335 (ieslich); P 336 (ie dęr, iedęr); P 337–P 339, P 344 (Flexion); P 340 (iegewęder); P 341 (iewęder); P 342 (ietwęder).  – Vgl. Quantifikativa. Doppelformen: V 68 (-ēn-/ ​-ōn-Verben); V 71 (ehemals kurzstämmige swv. auf -t und -l, Nasalstämme); V 75–V 77 (rückumlau‑ tende Verben); V 162 A. 3 (halden/ ​ halten). Doppelte Adjektivflexion: A 17–A 18 (Formregel attr.); A 23–A 24 (Formregel subst.); A 33, A 48–A 51 (Entstehung); A 53 (Formregel nominal-stark); A 54–A 56 (Formregel vs. ältere Regel); A 57–A 62 (Geltungsgrad Formregel); A 63–A 64 (Sonderfälle); A 65–A 66 (Mfrk.). Dualform: P 37 (ęz, ęnk, ęnker ‚ihr (beide), euch (beiden), euer (beider)‘). Eigennamen s. Namen. Ekthlipsis/ ​Elision: S 40 A. 1 (Gen.Sg.Neutr. -(e)s); V 32 (Apokope); V 33 (wirt < wirdit); V 36 A. 1 (Inf.); V 40 A. 2 (Part. Prät. gegolten > golten); V 42 A. 4 (endungsloses Part.Prät.); V 50 A. 1 (węrden 3.Sg.Ind.Präs.); V 53 A. 3 (2.Pl.

5. Sachregister

Präs.); V 59 A. 5 (1./ ​3.Sg.Ind.Prät. swv. mit dentalem Stammausgang); V 63 A. 4 (2.Pl.Prät. mit dentalem Stammausgang); V 162 A. 1 (Überlagerung Gramm. Wech‑ sel); V 180 (2.Sg.Prät., Prät.-Präs.); V 220 A. 1 (Abgrenzung Kontraktion). Elision: S 71 (in Verstexten); P 158 (Vokal­ elision im Definitartikel Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.); V 32 A. 1 (Abgrenzung Apokope). Elsässisch: P 46 (ęr  : -ǟr); P 115 (men ‚man‘); P 145 A. 2 (Präp. + -me Dat.Sg.Mask./ ​ Neutr.); P 179 (einre Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); P 194 (diseme, disen Dat.Sg. Mask./ ​Neutr.); P 198 (dise Nom.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.); P 200 (gin‚jener‘); P 287 (du-, dúkein = dehėin); P 359 A. 1 (alle Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.); P 366 (bėide Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.); N 4 (ƶwā Fem.); N 10 (drīen Dat.); N 28 (ėilf synkop. wie md.); N 49 (r-Metathese in dirte < drite); N 61 (Multiplikativa auch mit -warbe, -wėrbe).  – Vgl. Alemannisch, Oberdeutsch, Oberrheinisch, Rheinfrän‑ kisch. ēn-Verben (swv. III): V 22 A. 1 (Infinitiven‑ dung -an); V 44 (Übertragung 1.Sg.Präs. auf stv. u. swv. I); V 66–V 68 (allg.); V 71 (mhd. Fortsetzung ahd. Verhältnisse); V 73 A. 2 (Vokallosigkeit des Flexivs); V 222 (haben/ ​hān); V 229 (haben/ ​hān Prät. gemäß swv. III). Endsilbenkonsonantismus s. Flexionssilbe. Endsilbenvokalismus s. Nebensilbenab‑ schwächung, Nebensilbenvokalismus. Endungslose Form s. Flexivlosigkeit. Enklise, enklitisch: P 30 (du); P 44, P 48, P 55, P 63, P 74 (Pers.-Pron. der 3. Pers.); P 152, P 161 (Definitartikel); V 22 A. 1 (Verb + Pron.); V 31–V 32 (allg.); V 32 (Apokope); V 46 A. 2 (Verb + Pron. in 2.Sg.Präs.); V 49 (Imp. swv.); V 56 A. 1 (Verb + Pron. in 2.Sg.Ind.Prät.); V 194 A. 3 (wėllen 2.Sg.Ind.Präs. wiltu); V 220 (Kontraktion allg.). Epenthese: S 20 (t-Epenthese > Stamm­ varianz). Epithese: S 20, S 34–S 35; V 18 (Modusaus‑ zeichnung); V 26 (Vokalgraphien); V 34

1071

(bei regelmäßig endungslosen Positio‑ nen).  – Vgl. Sprosskonsonant. er-Stamm (ehem.): S 2, S 10, S 18, S 42. Faktitiva, faktitiv: V 66–V 67 (swv. I u. II); V 251 A. 1 (Umlaut). Flexionsendung (vs. Flexiv): E 4. Flexionsklassen: E 8, S 10–S 13; S 20 (Klassen‑ wechsel); A 34–A 47. Flexionssilbe, -endung: V 22 (Endungssatz Verben allg.); V 32 (Enklise); V 35 (Infinitiv -en Flexionsendung oder Wortbildungsmorphem); V 53 A. 3 (Ekth‑ lipsis 2.Pl.Präs.). Flexiv: E 4–E 5, E 7; S 4–S 7; S 9 (Konsonan‑ tenzeichen); S 10–S 13 (Substantivklassen); S 15, S 21 (-(e)n Sg.); S 16 (-(e)s); S 17 (Nivellierung); S 23–S 53 (Flexive der Sg.-Kasus); S 54–S 68 (Pl.-Kasus); S 69–S 75, S 78–S 86 (Numerusmarkie‑ rung); S 95–S 98 (Personennamen); S 99 (Toponyme); A 11 (Adjektivflexive in Übersicht); P 5–P 8 (Flexive der pron. Deklination). Flexivlosigkeit: A 15–A 16 (in attr. Verwen‑ dung, v. a. bei Nachstellung); A 22, A 75–A 76 (in subst. Gebrauch); A 27, A 69 (in prädikativem Gebrauch); A 67 (Entstehungsarten); A 70–A 72 (bei Nachstellung); A 73–A 74 (nominal-starke Form); A 77–A 79 (durch Apokope); A 80–A 84 (durch Haplologie oder Synkope); P 6, P 172, P 228, P 230, P 232, P 250, P 260, P 323, P 337, P 339 (ursprüng‑ lich nominale flexivlose Form des Nom. Sg.Mask./ ​Fem./ ​Neutr., Akk.Sg.Neutr.); P 120–P 121 ((n)ieman Dat./ ​A kk.Sg.); P 125 (iht, niht Dat.Sg.); P 133–P 134 (flexivlose Formen von gelīch); P 173 (Akk.Sg.Fem. obd. flexivlos); P 203 (mfrk. der gein, gin Nom.Sg.Mask. ‚der jenige‘); P 217, P 219–P 221 (sol(i)ch flektiert u. flexivlos); P 222 (suslich Nom.Sg.Mask., Nom./ ​A kk.Sg.Neutr./ ​ Fem.); P 230, P 232, P 254, P 302, P 315 (Akk.Sg.Fem., Nom./ ​A kk.Pl. bes. obd. vermehrt flexivlos); P 245 (unser Gen./ ​ Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); P 272 (wėl(i)ch ėin); P 273 (wėl(i)ch flektiert u. flexivlos); P 276, P 281 ((s)węder im Nom.Sg.Mask.,

1072

VIII. Anhang

Nom./ ​A kk.Sg.Neutr. flektiert und flexivlos); P 278 (swėl(i)ch im Nom.Sg. Mask. attributiv flexivlos, substantivisch meist flektiert); P 297–P 298 (-ėinPronomina im Nom.Sg.Mask. attributiv flexivlos, substantivisch obd. meist flektiert, md. meist flexivlos; ähnlich im Nom./ ​A kk.Sg.Neutr.); P 299 (-ėinPronomina im Nom.Sg.Fem. substan­ tivisch meist flektiert, attributiv obd. flexivlos, md. teils flektiert); P 301 (-ėin-Pronomina im Akk.Sg.Mask. selten flexivlos); P 304 (-ėin-Pronomina nachgestellt flektiert u. flexivlos); P 308 (-węder-Pronomina im Nom.Sg.Mask./ ​ Neutr. flektiert u. flexivlos); P 314 (ęte(s)-lich im Nom.Sg.Mask. attributiv flexivlos, substantivisch meist flektiert); P 323 (manic im Nom.Sg.Mask. attributiv flexivlos, substantivisch obd. flektiert, md. teils flexivlos); P 337–P 339 (‚jeder‘Pronomina im Nom.Sg.Mask. attributiv flexivlos, substantivisch obd. flektiert, md. meist flexivlos); P 344 (iegwęder, ie(t)węder im Nom.Sg.Mask. und Nom./ ​ Akk.Sg.Fem. meist flexivlos, im Nom. Sg.Mask. obd. auch flektiert; im Nom./ ​ Akk.Sg.Neutr. meist stark flektiert, seltener flexivlos); P 345–P 355 (stellungs‑ bedingte flexivlose Formen von all); P 355 (neben flexivlosem all auch indeklinables alle); P 380–P 385 (teils stel‑ lungsbedingte flexivlose Formen von ander); N 43 (flexivlose Einerzahl in ordinalen Zahlverbindungen); N 59 (flexivlose Formen von Ordinalzah‑ len).  – Vgl. Unflektierte (bzw. endungs‑ lose) Form. Formregel s. Doppelte Adjektivflexion. Fränkisch: V 89 A. 1 (Fränkische Regel).  – Vgl. Mittelfränkisch, Ostfränkisch, Rheinfränkisch. Frühneuhochdeutsch: S 1–S 3, S 4, S 18, S 20 (Entwicklung Substantivflexion); S 20 (Stammvarianz durch e-Apokope); S 43 (Fem.); S 45 (Übernahme von -n der obliquen Kasus in den Nom.Sg.); S 54 (Pl.-Kasus); S 88 (Genuswechsel); V 1 A. 1 (Tempusprofilierung); V 2 (zentrale

strukturelle Umorganisation zum Nhd. hin); V 3 A. 1 (Futurkonstruktion węrden + Infinitiv); V 6 A. 1 (Ablaut als morpholexische Erscheinung); V 10 (Ausbau des Umlauts als Konj.-Marker, würde + Inf.); V 12 (Durchsetzung Umlautmarkierung); V 55 (1./ ​3.Sg.Prät. stv. mit -e); V 61 (Übereinstimmung Flexion Pl.Prät.); V 87 (Präs.-Wechsel­ flexion bei stv.); V 118 A. 5 (st. Flexion von gelīchen, prīsen und wīsen); V 118 A. 6 (Klassenwechsel schėiden und hėiȥen); V 132 A. 2 (sw. Flexion von hinken); V 141 (Prät.-a bei komen); V 144 (Part.Prät. gepflogen); V 170 (Misch­ flexion von beginnen und bringen vom Ahd. an); V 176 (Prät.-Präs. bunnen, ėigen und turren); V 201 (1.Sg.Präs. tu-e); V 206 (Durchsetzung von sint); V 207 (Durchsetzung von Part.Prät. gewęsen); V 208 (Zweisilbigkeit gehen); V 230 (Aufgabe der Kontraktionsform lān). Fusionierender Sprachtypus: A 2, A 33 (Flexivgrenze; Flexivabbau, Syntax­ wandel). Futur: V 3 (allg.); V 87 A. 3 (Zusammenhang mit Konjunktivgebrauch); V 193 (Futu‑ rumschreibung mit wėllen). Geminata, Gemination: P 263 (irre Gen./ ​ Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. > ire); P 286 (dehėin, dechėin: deh- > dehh-); N 49 (dritte- < *þri-đj-a-); V 67–V 71 (Merkmal derivierter swv.); V 86 A. 1 (j-Präsentien); V 109 A. 5 (swėrn); V 142 (stv. V); V 206 A. 1 (2.Sg.Präs. sīn). Generalisierendes Pronomen: P 111–P 113 (swęr); P 277–P 278 (swėl(i)ch); P 279– P 281 (swęder).  – Vgl. Interrogativ­ pronomen. Genitiv: S 27–S 29 (Gen.Sg.Mask.); S 40–S 41 (Gen.Sg.Neutr.); S 43, S 49–S 50 (Sg.Fem. Dat.–Gen.); S 1, S 58 (Gen.Pl.); A 96 (Gen./ ​Dat.Sg.Fem. st.); A 98 (Gen.Sg. Mask./ ​Neutr. st.); A 99 (Nebensilben­ vokal); P 8, P 10 (pronominale Dekl.); P 11–P 12 (-(e)re < -ero); P 23 (Pers.-Pron. 1. u. 2. Pers., Zusatz von -es im Gen.Sg.); P 34 (Pers.-Pron. 2.Pl., Gen.Pl.); P 55 (anaphorisches Pron., Gen.Sg.Mask.);

5. Sachregister

P 72–P 74 (anaphorisches Pron., Gen.Sg. Neutr.); P 85–P 86 (anaphorisches Pron., Gen./ ​Dat.Sg.Fem.); P 87–P 88 (anaphori‑ sches Pron., Gen.Pl.); P 99 (sęlp); P 140 (Definitart., Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 148 (Definitart., Gen.Pl.); P 159–P 161 (Definitart., Gen./ ​Dat.Sg.Fem.); P 174 (Indefinitart., Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 179 (Indefinitart., Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); P 190 (Dem.-Pron. dise, Gen./ ​ Dat.Sg.Fem., Gen.Pl. dirre); P 191–P 193 (Dem.-Pron. dise, Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 235 (mīn, dīn, sīn, Gen.Sg.Mask./ ​ Neutr.); P 237 (mīn, dīn, sīn, Gen./ ​Dat. Sg.Fem., Gen.Pl.); P 251 (iuwer, Gen. Sg.Mask./ ​Neutr.); P 255 (iuwer, Gen./ ​Dat. Sg.Fem., Gen.Pl.); P 263 (Possessivum ir(e), Formentwicklung Gen./ ​Dat.Sg. Fem. und Gen.Pl.); P 303 (Indefinitpron., Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); P 363 (all-); P 382 (ander, Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); N 5–N 6 (‚zwei‘, Gen./ ​Dat.); N 9 (‚zwei‘, Gen.); N 45 (Kardinalzahlen, Flexive). Genus: S 87–S 88; S 3, S 89 (Genusprofilie‑ rung); S 87–S 88 (Genuswandel); S 89–S 94 (Genusvariation); A 32–A 33 (Entstehung); P 14, P 339 (Genusmarkie‑ rung); P 15, P 84, P 273 (generisches Neutrum); P 138 (generisches Masku­ linum); P 304, N 42–N 43 (Genuskon­ gruenz, -inkongruenz). Gerundium: V 4 (Verbalsubstantiv); V 35 (allg.); V 37; V 102 (komen); V 206 A. 20 (sin(d)e). Grammatikalisierung: S 75 (Umlaut-Pl.); S 89 (Genus). Grammatischer Wechsel: V 17 (Modusun‑ terscheidung stv.); V 56 (2.Sg.Ind.Prät. stv.); V 107 (3.Sg.Ind.Prät. gewahen); V 107 A. 2 (hėben); V 116 (2.Sg.Ind.Prät. stv.); V 117 (stv. I); V 120 (stv. Ia); V 122 A. 2 (‹u› im Prät. von līhen); V 123 (stv. Ib); V 125 (stv. IIb); V 129–V 130 (stv. IIb); V 131 (stv. III); V 134 (stv. IIIa); V 137 (stv. IIIb); V 142 (stv. V); V 146 (stv. V); V 147 (stv. VI); V 150 (stv. VI); V 151 (stv. VII); V 158 (stv. VII); V 159–167. Haplologie: A 80–A 84 (zur Flexivlosigkeit führend), A 85 (zur Mehrdeutigkeit

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führend), A 132–A 133 (beim Komparativ und Superlativ). Hessisch: P 20 (r-lose Formen: mī, dī, wī, ī); P 39 (ime > ēme); P 50 (er ~ her, he); P 108 (we, wi ‚wer‘); P 246 (uw-, uh‚euer‘); P 340 (iegewęder).  – Vgl. Hessisch-Thüringisch, RheinfränkischHessisch, Westmitteldeutsch. Hessisch-Thüringisch: P 26 A. 1 (unsich); P 27 (iu Dat. bewahrt); P 51 (er ~ selten her, he); P 74 (enklitisches -s Gen.Sg. Neutr. selten); P 137–P 139 (de, die, di ‚der‘); P 194 (disen Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 195, P 197 (dit neben diȥ Nom./ ​Akk. Sg.Neutr.); P 214 (sulch); P 291 (sihėin); P 361 (allen Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.); V 36 A. 1 (-n-Ausfall im Infinitiv); V 201 A. 4 (Inf. tu); V 224 (Kontraktionsformen des Pl.Präs. bei haben/ ​hān); V 246 (Kontrak‑ tionen -āhe- > ē); V 247 (Kontraktionen bei slahen u. twahen); V 249 (Kontrak­ tionen bei jęhen, be-/ ​geschęhen, sęhen). – Vgl. Hessisch, Ostmitteldeutsch, Thüringisch, Westmitteldeutsch. Hilfsverb: V 132 A. 3, V 171 A. 1 (beginnen als Hilfsverb); V 176 A. 2 (Prät.-Präs. und wėllen); V 193 (wėllen); V 222 (haben/ ​hān, Langform als Vollform, Hilfsverb als Kontraktionsform). Hyperkorrektur: P 149 (bair. dęm Dat.Pl.?). i-Stamm (ehem.): S 10, S 12, S 14, S 17–S 18, S 32, S 42 A. 1; S 7–S 8 (Nebensilbenab‑ schwächung); S 23 (-e als Dat.-Flexiv bei Mask. ehem. i-Stämme); S 27 (-(e)s als Gen.-Flexiv bei Mask. ehem. i-Stämme); S 45 (Stammvarianz); S 46–S 49 (Sg.Fem.); S 51 (besondere Fem.: brust, naht); S 54, 58, 65 (Pl.-Kasus); S 3, S 70–S 72, S 75, S 77, S 78, S 80, S 81 A. 7 (Pl.); S 87–S 88 (Genus); N 21, N 45 (Kardinalzahlen ahd. nach der i-Deklination flektiert). Imperativ: V 1 (synthetisch-flexivische Wortformenveränderungen); V 3 (Modus der 2.Sg./ ​Pl.Präs.); V 8 („semifinite“ Modusausprägung); V 8 A. 2 (Adhorta‑ tiv); V 14 (Apokope des auslautenden -e); V 19 A. 1 (Prädikat des Hauptsatzes); V 21 (Sg.Imp. stv./ ​swv.); V 29 A. 2 (Sg.Imp. mit -a); V 32 (Auswirkung der Apokope);

1074

VIII. Anhang

V 34 (e-Epithese bei stv.); V 47–V 48 (2.Sg.Imp.); V 52–V 53 (2.Pl.Imp.); V 86 A. 1 (j-Präsentien mit -e); V 98 (PräsensWechselflexion); V 144 A. 7 (Sg.Imp. wis und Pl.Imp. węset zu węsen); V 162 A. 2 (Pl.Imp. als Vergleichsform für Gram‑ mat. Wechsel bei stv. mit -d); V 168 (gān, stān); V 171 (st./ ​sw. Sg.Imp. bei beginnen); V 172 (st./ ​sw. Sg.Imp. bei bringen); V 178 (Prät.-Präs.); V 205–V 206 (Sg.Imp. wis und Pl.Imp. węset zu węsen); V 209 (Sg. Imp. mit Langform ganc, Pl.Prät. mit Kurzform gēt, gāt); V 215 (Sg.Imp. mit Langform stant, Pl.Imp. mit Kurzform stēt, stāt); V 223 (vorwiegend unkontra‑ hierter Sg./ ​Pl.Imp. habe, habet); V 232 (vorwiegend kontrahierte Pl.Imp. lāt). Imperfekt s. Präteritum. -ī(n)-Bildungen: S 42, S 45. Indefinitartikel: P 169–P 179; P 16 (Stellung in der NP); P 217, P 219 (ėin sol(i)ch); P 225, P 325 (vor Poss.-Pron.); P 272 (wėl(i)ch ėin); P 337 (ėin iegelich); P 324–P 329, N 1 (und Zahlwort ėin).  – Vgl. Indefinitpronomen, Numeralia. Indefinitpronomen: P 114–P 134 (Indefinit‑ pron. im engeren Sinne); P 282–P 385 (Indefinitpron. im weiteren Sinne); P 180, P 282 (Untergliederung).  – Vgl. Distribu‑ tiva, Quantifikativa. Indikativ: V 1 (synthetisch-flexivische Wortformenveränderungen); V 3 (voll-aktualisierter Modus mit Tempus‑ bedeutung); V 8 A. 1 (Sprecherorigo); V 10 (Ind.-/ ​Konj.-Unterscheidung in 3 Sg.Präs.); V 10 A. 1 (Auflösung von Modussynkretismus); V 13–V 16 (Präs.); V 15 (Präsens-Wechselflexion stv.); V 16 (Präsensumlaut stv.); V 14 (Ind.-/ ​Konj.Unterscheidung in 3.Sg./ ​Pl.Präs.); V 17–V 20 (Prät.); V 17 (Ind.Prät. als primärer Tempusstamm stv.); V 43 (kons. Endung der 1.Sg.Ind.Präs.); V 52 A. 1 (Flexiv -ent als Indikativmarkierung); V 58 (2.Sg.Ind.Prät. stv. als Modusmar‑ kierung); V 118 A. 3 (st. Flexion als Ind., sw. Flexion als Konj.-Markierung); V 168 (wėllen mit ind. gebrauchtem ursprüngl. Optativstamm in der 1.Sg.Präs.); V 173

(st. Flexion als Ind., sw. Flexion als Konj.-Markierung); V 176 A. 4 (Prät.Präs., Herkunft Umlaut im Ind.Prät.); V 193 (wėllen mit ind. gebrauchtem Optativstamm in der 1.Sg.Präs.); V 203 (übereinstimmender Stammvokal im Ind./ ​Konj.Prät. bei tuen); V 206 (3.Pl. Präs. sint als ursprüngl. indikativische Form, ursprüngl. optativ. sīn); V 206 A. 8 (Einfluss des Konj. auf das Ind.-Para‑ digma bei sīn). Indogermanisch: S 1 (freier Akzent); V 3 A. 5 (Konj. als Fortsetzung des Opt.); V 6 A. 1 (Ablaut); V 69 (Präs.  – Prät. Unterschied swv.); V 69 A. 2 (Erklärung Dentalprät. swv.); V 176–V 177 (Prät.-Präs. als idg. Perfektformen); V 193 (athemati‑ sche Optativformen des Sg.Ind.Präs. von wėllen); V 199 (idg. mi-Verben); V 205 (drei idg. Stämme bei sīn). Infinitiv: V 3 A. 1 (Futurumschreibung); V 3 A. 4 (ge-Präfigierung); V 4 (Verbal­ substantiv); V 10 A. 2 (Konjunktivperi‑ phrase); V 25 (n-Losigkeit); V 29 (-anEndung); V 35–V 36; V 67 (-en-Endung aller swv.). – Vgl. Gerundium. Instrumental: S 42 A. 6, P 109 (wiu); P 113 (swiu); P 126 (ihtiu, nihtiu); P 154, P 156, P 181 (diu); P 356–P 357, P 360 (allu, alliu, ėlliu); P 380 (andriu). Instrumentativa: V 5 A. 3 (instrumentative Verben); V 66 (swv. II). Intensiva: V 66–V 67 (swv. II). Interrogativpronomen: P 107–P 108 (węr); P 109 (Instr. wiu); P 110 (attribut. waȥ ‚was für ein, welch‘); P 268–P 273 (wėlich, wilich); P 274–P 276 (węder).  – Vgl. Generalisierendes Pronomen. Iterativa: V 66–V 67 (swv. II). -iz/ ​-az-Bildungen (ehem.): S 10, S 12, S 32; S 7 (Nebensilbenabschwächung); S 61 (Gen.Pl.); S 83 (-er-Plural). j-Präsentien: V 48 (Imp. stv.); V 86 A. 1 A. 2 (Gemination, rüefen u. wüefen). ja-Stamm (ehem.): S 10, S 12, S 18, S 32; S 7 (Nebensilbenabschwächung); S 71 A. 9, S 79 (Pl.). jan-Verben (swv. I): V 66–V 68 (allg., Stammbildung swv.); V 71 (ehem.

5. Sachregister

Klassen Ia u. Ib); V 74 (‚Rückumlaut‘, bes. ehem. Klasse Ib); V 222, V 225, V 229 (haben, Analogie). jō-Stamm (ehem.): S 14, S 17, S 42; S 7 (Nebensilbenabschwächung); S 45 (Stammvarianz); S 46, S 59 (Fem.); S 70, S 78–S 79 (Pl.); S 87–S 88 (Genus). Kardinalzahl: N 1–N 47.  – Vgl. Numeralia. Kasus: S 1–S 2 (Kasusmarkierung); S 14–S 53 (Sg.Paradigmen); S 54–S 68 (Pl.Paradig‑ men); A 32–A 33 (Entstehung).  – Vgl. Akkusativ, Dativ, Genitiv, Instrumental, Nominativ. Kasusnivellierung: S 1, S 2, S 10, S 14, S 17, S 18, S 42, S 43, S 45 (Sg.); S 54, S 57, S 83 (Pl.-Kasus); S 87 (Genus). Kausativa: V 66–V 67 (swv. I); V 79 A. 6 (‚Rückumlaut‘ ė  –  a); V 143 A. 3 (stv. węgen neben swv. wėgen); V 173 (sw. Nebenformen stv.).  – Vgl. jan-Verben. Klise s. Enklise, Proklise. Komparation, Komparativ: A 126 (Ent­ stehung); A 127–A 129 (lexikalisierte Komparative, Superlative); A 130–A 131 (Suppletion); A 132–A 133 (Mehrdeutig‑ keit); A 134 (Nebensilbenabschwächung); A 135–A 136 (Umlaut); A 137 (periphras‑ tisch); P 114, P 122, P 126, P 282–P 283 (negative Polaritätselemente wie ieman, iht, dehėin nach Komparativ); P 154, P 156 (Instr. diu vor Komparativ); P 317 (manic). Kompositionstheorie: V 69 A. 2 (Bildung sw. Prät.). Kompositum: P 123 (iht < io wiht); P 129 (ęte(s)węr); P 132 (gelīch als Komposi­ tions­glied); N 44 (von der Zahlverbin‑ dung zum Kompositum); N 62 (Bruch‑ zahlen mit tėil). Konditional: V 3 A. 1 (Entstehungstheorie der Konditonalperiphrase); V 96 A. 1 (Konj. im Konditional-/ ​Konzessiv-­ Gefüge). Konjunktion: P 275 (węder als Teil paariger disjunktiver Konjunktionen); P 306–P 307 (dewęder, ėin(t)węder ... oder); P 364–P 365, P 367, P 371–P 372 (bėide/ ​bēde ... unde). Konjunktiv: V 1 (synthetisch-flexivische Wortformenveränderungen); V 3 A. 5

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(idg. Konj. als Fortsetzung des Opt.); V 8 (Modus ohne Wahrheitswert); V 10 (Ind.-/ ​Konj.-Unterscheidung in 3.Sg. Präs.); V 10 A. 1 (Auflösung von Modussynkretismus); V 10 A. 3 (erwei‑ terte Konj.-Form, -ei-); V 13–V 16 (Präs.); V 14 (Konj.-/ ​Ind.-Unterscheidung in 3.Sg./ ​Pl.Präs.); V 15 (Präsens-Wechsel­ flexion stv.); V 16 (Präsensumlaut stv.); V 17–V 20 (Prät.); V 17 (Konj.Prät. als sekundärer Tempusstamm stv.); V 43 (häufigeres -e in 1./ ​3.Sg.Ind.Präs.); V 45 (erweiterter Konj.); V 52 A. 1 (Flexiv -ent als Indikativmarkierung); V 52 A. 4 (erweiterte Konj.-Form, -ei-); V 54 A. 1 (erweiterte Konj.-Form, -g-); V 118 A. 3 (st. Flexion als Ind., sw. Flexion als Konj.-Markierung); V 173 (st. Flexion als Ind., sw. Flexion als Konj.-Markierung); V 179 A. 8, V 194 A. 8 (erweiterte Konj.-Form, -ei-); V 201 (erweiterter Konj.); V 203 (übereinstimmender Stammvokal im Ind./ ​Konj.Prät. bei tuen); V 203 A. 3 (erweiterte Konj.-Form, -g- bei tuen); V 206 A. 15 (erweiterte Konj.-Form, -g- bei sīn); V 206 A. 8 (Einfluss auf das Ind.-Paradigma bei sīn); V 208–V 209 (landschaftliche Bevorzugung der Langform gange bei gān/ ​gēn); V 212 (landschaftliche Bevorzugung der Kurzform gē); V 214 (landschaftliche Bevorzugung der Langform stande bei stān/ ​stēn); V 215 (landschaftliche Bevorzugung der Kurzform stē); V 226 A. 2 (erweiterter Konj. bei haben/ ​hān). Konsonantendehnung s. Geminata. Konsonantenschwund: P 112 (Schwund des anlautenden s in sw-Formen); P 147, P 152, P 161 (Schwund des anlautenden d des klitisierten Definitartikels); P 271 (alem. wel < welh < welich); N 14 (vünf- > vün-); N 14, N 18 (Schwund des wurzelschließenden Kons. vor -ƶęhen, -ƶic, -te: vünƶic, sęhƶęhen, sęhte, ahƶic); V 25 (n-Schwund 1.Pl. vor Pron. wir); V 39 A. 3 (-n-Schwund im Part.Präs. als Konsonanzerleichterung); V 52 u. A. 3 (n-Schwund 1.Pl. vor Pron. wir); V 59

1076

VIII. Anhang

A. 5 (konsonantische Synkope); V 62 u. A.  1 (n-Schwund 1.Pl. vor Pron. wir); V 68 (j-Schwund swv. I); V 69 (Mittel­ silbenschwund bei Dentalstämmen swv.); V 89 (‚Rückumlaut‘ u. Schwund von i/ ​j); V 93 (-h-Schwund, Präs.-Flexion stv. II); V 164 A. 3 (Grammat. Wechsel h –  g, -h-Schwund und Vokalkontrak‑ tion); V 165 A. 1 (-h-Schwund und Vokal‑ kontraktion bei entpfāhen); V 179 u. A.  5 (n-Schwund 1.Pl.Präs. der Prät.-Präs. vor Pron. wir); V 180 A. 7 (n-Schwund 1.Pl. Prät. der Prät.-Präs. vor Pron. wir); V 194 A. 3 (t-Schwund 2.Sg. wil vor Pron. du); V 194 A. 7 (n-Schwund 1.Pl.Präs. wėllen vor Pron. wir); V 195 A. 4 (n-Schwund 1.Pl.Prät. wėllen vor Pron. wir); V 202 A. 3 (n-Schwund 1.Pl.Präs. von tuen vor Pron. wir); V 206 (n-Schwund 1.Pl.Prät. von tuen vor Pron. wir); V 210–V 211 (n-Schwund 1.Pl.Präs./ ​Prät. von gān/ ​gēn vor Pron. wir); V 220 A. 1 (Definition Kontraktion).  – Vgl. Kontraktion, Nasalschwund. Konsonantenwechsel s. Grammatischer Wechsel. Konsonantenzusammenfall s. Ekthlipsis. Konsonanzerleichterung s. Konsonanten‑ schwund. Kontraktion: S 20 (> Stammvarianz); P 203, P 175, P 236, P 300 (Kontraktionsformen); V 7 (Unterscheidung kontrahierter Verben und phonolog. bedingter Kontr.); V 86–V 87 (Varianz der Präs.-Flexion stv. durch phonolog. bedingte Kontr.); V 89 (lexembezogene vs. positionsbezogene Kontr. stv.); V 93 (Wechselflexion stv. II); V 95 (Wechselflexion stv. IIIb, IV, V); V 99 (gęben); V 100 (pflęgen); V 101 (sęhen, geschęhen, jęhen); V 103 (quęden); V 104 (ligen); V 106 (tragen, slahen); V 110 (vān/ ​vāhen, hān/ ​hāhen); V 144 A. 6 (stv. V); V 149 A. 4 (stv. VI); V 162–V 168 (Grammat. Wechsel); V 220–V 253. Konversion: S 3. Konzessiv: V 96 A. 1 (Konj. im Konditio‑ nal-/ ​Konzessiv-Gefüge). Krasis (Wortverschmelzung): V 206 A. 6 (sīn).  – Vgl. Kontraktion.

Kurzform s. Klise, Kontraktion. Kurzverben s. Wurzelverben. Längenmarkierung: V 104 (gedehntes i); V 109 A. 1 (wmd. ‹ai›); V 129 (mfrk. vlois); V 138 (Pl.Prät. stv. IV); V 142 (Pl.Prät. stv. V); V 149 A. 2 (Prät. stv. VI); V 204 A. 3 (Prät. tuen); V 206 A. 21 (Präs. sīn); V 212 A. 2 (Präs. gān); V 225 A. 3 (Präs. haben); V 229 (Prät. haben). Lenis, Lenisierung: P 70, P 151 (mfrk. id, dad); N 38, N 51 (-nt- > -nd-); V 39 A. 2 (Part.Präs.); V 42 A. 1 u. 6 (Part.Prät.Endung swv.); V 53 A. 4 (Endung 2.Pl. Präs.); V 120, V 134 (Grammat. Wechsel); V 159 A. 3 (Pl.Prät. vunden); V 162–V 163 (Grammat. Wechsel d–t); V 180 (Prät.Formen der Prät.-Präs.); V 195 A. 1 (Prät.-Formen von wėllen). Lexikalisierung: A 127–A 129 (Komparative und Superlative). Lokativ: S 37. Metathese: S 20–S 21 (Stammvarianz); A 86 (zur Mehrdeutigkeit führend); N 49 (dirde, dirte < dridde, dritte). mi-Verb: V 168 (sīn und tuen); V 199; V 205 (sīn).  – Vgl. Athematische Flexion. Mischform: V 14 (2.Sg.Präs.: Ind. -est u. Konj. -es); V 42 A. 7 (būwen); V 124 (st. u. sw. Konjugation bei schrīen und spīwen); V 132 A. 3 (bringen und beginnen); V 135 A. 3 (stv. IIIb); V 143 A. 2 (st. u. sw. Konjugation bei geschęhen, pflęgen, węben und węsen); V 153 A. 3 (st. u. sw. Konjugation hėischen); V 156 A. 1 (st. u. sw. Konjugation ruefen); V 168–V 172 (Mischverben); V 173–V 175 (st./ ​sw. Nebenformen swv./ ​stv); V 198, V 222 (Mischparadigma haben/ ​hān); V 205–V 206 (Mischformen sīn). –Vgl. Suppletivwesen. Mitteldeutsch: S 6 (Apokope); S 7 (Nebensil‑ benvokalzeichen ‹i›); S 17 (Kasusnivellie‑ rung); S 20, S 23, S 36, S 45 (e-Apokope); S 48 (Dat.Sg.Fem.); S 71–S 72, S 75, S 79 (Pl.); S 97–S 98 (Personennamen); A 10–A 11 (Flexivübersicht); A 36 (Entwicklung von gare, garwes); A 39 (Umlautschreibung, hart vs. hėrte); A 54 (unbestimmter Artikel vor Adj.);

5. Sachregister

A 73–A 74 (stark-nominale Form); A 77–A 79 (schwächere Apokopierung als im Md.); A 85, A 94–A 97 (Verwendung von ere, eme); A 87–A 90, A 99–A 122 (Schwa statt iu; Nebensilbenabschwä‑ chung); A 95 (eme, em, en im Dat.Sg. Mask. und Neutr.); A 123 (e- und i-Schreibungen für Schwa); A 124, A 134 (Komparation mit ęr, ęst); A 125 (die ‚desto‘ vor Komparativen); A 135–A 136 (Umlaut bei der Komparation); P 7, P 198, P 234, P 273, P 315, P 373 (md. -e gegen‑ über obd. -iu Nom.Sg.Fem., Nom./ ​Akk. Pl.Neutr.); P 8, P 57, P 143, P 176, P 194, P 236, P 245, P 252, P 361 (md. -en, -n Dat. Sg.Mask./ ​Neutr. < nordseegerm. -um, -m); P 9–P 10, P 142, P 145, P 175–P 176, P 236, P 252, P 361 (nicht apokopiertes -(e)me Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. länger bewahrt als im Obd.); P 14–P 15 (sie, die Nom./ ​Akk.Pl. aller Genera); P 23, P 55, P 211 (mīn, dīn, sīn Gen. erweitert zu mīnes, dīnes, sīnes, omd. auch sīner); P 27 (Ersatz von iu Dat. durch die Akk.Form iuch); P 34 (uwer); P 37, P 247, N 8, N 24 (‹u, v, ů› für iu); P 42, P 44–P 53 (anaphorisches Pron., Formen mit h-Anlaut); P 39, P 59, P 86, P 142, P 187, P 266, N 20 (Tondehnung i > ī/ ​ē); P 55, P 211 (sīn sęlbes → sīnes sęlbes); P 67, P 89 (in ‚ihn(en)‘ > en); P 72, P 75 (is Gen. Sg.Neutr.); P 81–P 82 (sie, sܷ Nom./ ​Akk. Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.); P 85 (ire Gen./ ​ Dat.Sg.Fem. erst spätmhd. > ir); P 112 (Schwund des anl. s in sw-Formen); P 115 (men, min ‚man‘); P 120–P 121 ((n)iemanne Dat./ ​Akk.); P 137–P 139 (dęr  – dē, die Nom.Sg.Mask.); P 150, P 161 (ƶ‫ܥ‬n, ƶ‫ܥ‬r < ƶue dęn, ƶue dęr); P 156 (einfaches diu, die ‚umso‘ vor Komparativ); P 164, P 166, P 168 (Zusammenfall von diu  – die Nom./ ​Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. in die, di); P 171 (eyn, en = ėin); P 175–P 176 (ėime < ėineme); P 200, P 202 (gin-, gen- ‚jener‘); P 203 (jėme, gėme, gime < jėneme, gėneme, gineme ‚jenem‘); P 212–P 213 (ir(es) sęlbes); P 214 (sulich); P 236 (mīme, dīme, sīme < mīneme, dīneme, sīneme); P 242–P 245 (unse, unses,

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unsen); P 258–P 265 (ir(e) Poss.-Pron. früh flektiert); P 268 (wėlich ~ wilich); P 272 (wėlich ersetzt spätmhd. swėlich); P 273, P 297, P 339 (Nom.Sg.Mask. flexivlos); P 286, P 293 (-ch- in dechein, nechein); P 286, P 293 (dih-, dich-, dik-, nih-, nichėin); P 322 (man(i)ch-); P 357– P 360 (alle Nom.Sg.Fem., Instr.Sg.Neutr., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.); N 4 (Nom./ ​Akk. Fem. ƶwā); N 5 (ėi > ē: zwe ‚2‘); N 10 (drin ‚3‘ Dat. > dren); N 17–N 18 (hs > ss in ses ‚6‘); N 26 (nicht umgelautetes iu > ou/ ​öu); N 28 (ėinlif > ėilif, ėilf); N 35 (ƶwėinƶic > ƶw‫ܣ‬nƶic).  – Vgl. HessischThüringisch, Mittelfränkisch, Ostmittel‑ deutsch, Rheinfänkisch-Hessisch, Westmitteldeutsch. Mittelfränkisch: S 10 (Substantivklassen); S 17 (Kasusnivellierung); S 23, S 36 (e-Apokope); S 46, S 48, S 50 (Sg.Fem.Kasus); S 43 (Ausgleichtendenzen zw. Dat. und Gen.Sg.Fem.); S 71, S 85 (Pl.); A 65–A 66 (doppelte Adjektivflexion); A 95 (-eme, -em, -en im Dat.Sg.Mask. und Neutr.); P 10, P 142, P 145, P 194, P 236, P 300, P 361 (-(e)me Dat.Sg.Mask./ ​ Neutr. bleibt noch in 114 die Regel); P 11, P 13, P 85, P 160, P 179, P 237, P 363, P 382 (-re Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); P 21 A. 2 (nur mir, dir, wir, ir, keine r-losen Formen); P 34 (ur ‚eurer‘ Gen.Pl.); P 44, P 62, P 65, P 88, P 90, P 266 (Formen mit h-Anlaut: him, hin, hir); P 47–P 48 (he ‚er‘ ‹he, hei, hey, hie, hye›, daneben frmhd. noch enklitisches er); P 59, N 20 (tongedehntes ī > ē ‹e, ei, ey›); P 70 (it, id ‚es‘); P 81 (sܷ Nom./ ​A kk.Sg.Fem., Nom./ ​ Akk.Pl.); P 85 (ire ‹ire, iere› Gen./ ​Dat. Sg.Fem. bis 213 Regelform); P 88 (ires selves); P 90 (anaphorisches Pron., gerun‑ dete Formen); P 106 (einfaches rezipro‑ kes ėin nach Präp.); P 108, P 113 (wē ‚wer‘); P 112, P 272, P 277 (ab 213 generalisieren‑ des sōwē > wē); P 124 (iet ‹iet, it, eit›, niet ‹niet, nit, neit› = iht, niht); P 131 (getzwē, -wat ‚irgendwer, -was‘); P 137–P 139, P 181 (r-lose Formen von dęr Nom.Sg.Mask.); P 151 (dat, dad); P 156 A. 1 ((dęs) ƶe ‚desto‘); P 163 (spätmhd. dē < dī < die); P 172–P 173

1078

VIII. Anhang

(ėine Nom.Sg.Mask./ ​Fem./ ​Neutr., Akk. Sg.Fem./ ​Neutr.); P 186 (Stammform auch dius- ‚dies‘); P 189, P 192 (dis Nom. Sg.Mask., Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 190 (dise, diser, kein dirre); P 197–P 198 (dit, did Nom./ ​A kk.Sg.Neutr.); P 211 (sīnes sęlbes, unses sęlbes); P 216, P 270 (Graphie ‹g› für ch); P 218 (sulch ‚irgendein, ein gewisser‘); P 234 (Poss.-Pron. Nom.Sg. Fem. -e); P 242, P 244–P 245 (Kurzform unse ‚unser‘, bes. Nom.Sg. aller Genera); P 249 (ur ‚euer‘); P 252 (Dat.Sg.Mask./ ​ Neutr. urme ~ uren); P 258–P 259, P 261 (Poss.-Pron. ir früh flektiert); P 268 (wilich ‚welch‘); P 292–P 295 (negein, engein, gein, egein ‚kein‘); P 314 (ętz(e)lich); P 330, P 332–P 333 (iewėl(i)ch, ielich ‚jeder‘); N 4 (ƶwā ‚2‘ Fem.); N 49 (dridde, dritde, dirde); N 61 (Multiplikativa mit warf, wėrf); V 22 (2.Sg.Ind.Präs., Unterschied Rhfrk.-Hess.); V 44 (1.Sg.Ind.Präs., Unterschied Obd./ ​ Omd.); V 46 (2.Sg.Ind./ ​Konj.Präs.); V 54 (3.Pl.Präs., Unterschied Rhfrk./ ​Omd.); V 56 (2.Sg.Ind.Prät.); V 60 (2.Sg.Ind.Prät. swv., Unterschied Rhfrk.-Hess.); V 94 (Präs. stv. IIIa mit ‹o›); V 96–V 97 (frühzeitige Wechselflexion); V 101 (lexembezogene Kontraktion bei sęhen, geschęhen, jęhen); V 106 (Kurzform slān); V 124 A. 3 (3.Sg.Ind.Prät. schrē); V 141 (Part.Prät. von komen, Unterschied Rhfrk.-Hess.); V 161 (hėben/ ​hėven); V 193–V 196 (Markerform willen); V 195 (2.Sg.Ind.Prät. wėllen); V 206 (2.Sg.Konj. Präs. sīn); V 218 (afrk. Verteilung bei stān/ ​ stēn); V 247 (Kontraktionen bei slahen u. twahen); V 249 (Kontraktionen bei jęhen, be-/ ​geschęhen, sęhen).  – Vgl. Mittel‑ deutsch, Moselfränkisch, Ripuarisch, Westmitteldeutsch. Mittelniederdeutsch: P 8 (pron. Deklination, Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. -eme ~ -en); P 24 (mī, ostfäl. mik ‚mir, mich‘); P 28 A. 1 (mnd. jū Dat. = Akk.); P 89 (im Dat.Pl.); P 92 A. 1 (sīn Gen.Sg., reflex. sik); P 20 A. 2, P 47 A. 2, P 52, P 59, P 66, P 75 A. 1, P 108, P 115, P 137 A. 1, P 138–P 139, P 143, P 160, P 164, P 171, P 185 A. 1, P 189 A. 1, P 193 A. 1, P 202 A. 1 A. 4, P 203, P 246

A. 1, P 258, P 285, P 291, P 293, P 320–P 321, P 334 A. 1, N 2 A. 1, N 7 A. 3, N 10 A. 1, N 14, N 18–N 20, N 24 A. 1, N 26, N 39, N 50 (hochdeutsch-niederdeutsch, hd. schreibende Niederdeutsche); P 132 (mnd. manlīk, mallik, allermalk ‚jeder‘); P 158 A. 1 (tô vor Komparativ); P 201–P 203 (gine, gēne ‚jener‘); P 210 (possessive Konstruktion sines selves); P 285 (êinich ‚irgendein‘); P 310 A. 2 (som); P 333 (iowel(ĩ)k); P 334 A. 1 (itlīk); N 62 (Bruchzahlen mit dê(i)l ‚Teil‘); V 165 A. 3 (Grammat. Wechsel bei sęhen). Mittelniederländisch: P 24 (maasländ.sndfrk. mich ‚mir, mich‘, dich ‚dir, dich‘); P 41 (maasländ.-sndfrk. gerundete Pron.-Formen); P 43, P 52, P 89 A. 1, P 258 (mnl. Einfluss; hochdeutsch-niederlän­ dische Sprachmischung); P 93 A. 1 (Entlehnung des Reflexivpron. sich, nnl. zich); P 131 (mfrk. getzwat = mnl. yetswat); P 138 (sndfrk. Definitartikel de ~ der); P 158 A. 1 (te vor Komparativ); P 192 (mfrk. dis Gen.Sg.Mask./ ​Neutr. = mnl. des); P 210, P 211 A. 1 (possessive Konstruktion sines selves); P 218 (mfrk. sulch ‚irgendein, ein gewisser‘ wie mnl. sulc); P 267 (reflex. sijn bezogen auf Fem. oder Pl.); P 285 (enig ‚irgendein‘); P 310 (som = mhd. sum); P 333 (mfrk. iewėlich = mnl. iewelc); N 62 (Bruchzahlen mit deel ‚Teil‘); V 165 A. 3 (Grammat. Wechsel bei sęhen).  – Vgl. Mittelnieder‑ deutsch. Modalität: V 8 (Modus, Modalverbkon­ struktion). Modalverb: V 3 A. 1 (Futurumschreibung, ge-präfigierter Inf.); V 10 (Ersetzung synthetischer Konj.-Formen durch Modalverbkonstruktionen); V 176 (Ausdifferenzierung der Prät.-Präs.); V 183 (tugen); V 191 (mügen); V 193 (wėllen). Modus: V 8–V 10 (vs. Modalität); V 10 A. 1 (Auflösung von Modussynkretismus); V 12 (Umlaut als Modusmarker); V 13 (Modusstämme); V 14–V 16 (Modusaus‑ zeichnung Präs. durch Umlaut, Wechse‑ flexion); V 17–V 20 (Modusauszeichnung

5. Sachregister

Prät.); V 24 (Modusunterscheidung u. Nebensilbenreduktion); V 25–V 27 (Modusgebundenheit der Endungsvokal‑ graphie); V 102 (Präs.-Modusvarianz bei komen); V 119, V 129, V 133, V 136 (Modus‑ markierung durch Ablaut im Sg.Prät. stv.); V 176 (Modusmarkierung durch Ablaut bei Prät.-Präs.).  – Vgl. Imperativ, Indikativ, Konjunktiv, Modalität. Modusstamm s. Modus. Moselfränkisch: P 42, P 44, P 62, P 65, P 88, P 90, P 266 (Formen mit h-Anlaut: him, hin, hir); P 47–P 49 (he ‚er‘, daneben her (enklitisch) er); P 203 (Pron.-Dekl., Nom. Sg.Mask. -er); P 262 (Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl. ir gegenüber rip. ire); P 289, P 292, P 305 (spätmhd. auch kėin); N 31 (zwolf); V 59 A. 6 (Endung -en in der 1./ ​3.Sg.Prät. swv.); V 174 A. 1 (sprach‑ liche Markerform bei geschęhen).  – Vgl. Westmitteldeutsch. Multiplikativa s. Numeralia. n-Ausfall, -Abfall, -Losigkeit: V 25 (allg.); V 36 (Inf.); V 41 A. 3 (Part.Prät. stv.); V 42 A. 2 (Part.Prät. swv.); V 52 A. 3 (1.Pl.Präs.); V 62 A. 1 (1.Pl.Prät.); V 64 A. 2 (3.Pl.Präs.); V 179 A. 5 (Prät.-Präs.); V 194–V 195 (wėllen); V 201 A. 1 (tuen); V 206 (sīn).  – Vgl. Nasalschwund. n-Stamm (ehem.): S 10, S 12, S 14, S 17–S 18, S 23, S 42 A. 1; S 8 (Nebensilbenabschwä‑ chung); S 22, S 46 (Akk.Sg.); S 26, S 48 (Dat.Sg.); S 28, S 41 (Gen.Sg.); S 45 (Stammvarianz); S 54, S 58 (Pl.-Kasus); S 70, S 78–S 79, S 81 (Pl.); S 87 (Genus).  – Vgl. Schwache Deklination. Namen: S 20 (e-Apokope); S 22 A. 2, S 26, S 27 (Titel vor Eigennamen); S 87 (Genus); S 95–S 98 (Personennamen); S 99 (Toponyme). Nasalschwund: P 32, P 175, P 236, P 241 (alem. n-Schwund vor s); N 14 (alem. n-Schwund vor f: vüf ‚5‘); V 71 (dėnken), V 79 (dėnken, bringen).  – Vgl. n-Ausfall. Nasalstrich: S 9 (diatopische Verteilung). Nebensilbenabschwächung, -reduktion: S 1, S 7, S 17; S 20, S 34 (Nom.Sg.); S 70 (-e-Plural vs. endungsloser Plural); S 75, S 78 (-(e)n- und Umlaut-Plural); S 94

1079

(Genusvariation); A 99–A 122 (beim Adjektiv); A 134–A 136 (beim Komparativ und Superlativ); A 158–A 159 (beim Adjektivadverb); P 9–P 14, P 43 (pron. Deklination); P 8, P 10, P 11, P 57, P 63 (-emo > -em (> -en)); P 11–P 13, P 161, 179, P 237, P 303, P 363, N 6, N 9 (-ero > -(e)re > -er/ ​-‫ ;)ܙ‬P 13, P 22, P 54, P 203, P 241, P 297, P 308 (-‫ܙ‬, -ܹ, -‫ < ܢ‬-er, -en, -em); P 184, P 251–P 255, P 281, P 375, N 21 (Synkope des Mittelsilbenvokals); N 41 (tūsunt > tūsent); N 45 (Flexion der Kardinalzahlwörter); V 10, V 24 (Modus); V 28 (Vokalgraphie ‹o›).  – Vgl. Apokope, Nebensilbenvokalismus, Reduktionsfor‑ men, Synkope. Nebensilbenvokalismus: S 7; A 99–A 123; P 7 (afrk. -u > md. -e gegenüber obd. -iu); P 54, P 72, P 140, P 144, P 146, P 149, P 161, P 294, P 374 (‹i› für Schwa); P 56, P 85, P 108, P 161, N 50 (volle Nebensilben­ vokale); P 319 (manig > maneg); V 2 A. 1 (allg.); V 2 A. 3 (System der Endsilben­ vokale -a, -e, -o); V 11 A. 2 (Abschwä‑ chung führt zu Umlautfunktionalisie‑ rung); V 26 (Vokalgraphien); V 67–V 68 (swv.); V 74 (‚Rückumlaut‘); V 224 A. 12 (haben/ ​hān).  – Vgl. Apokope, Nebensil‑ benabschwächung, Reduktionsformen, Synkope, Zwischenvokal. Negation: P 29, P 293 (Negationspartikel ne, en, n); P 114, P 122, P 126, P 130, P 274, P 282–P 283, P 289, P 291–P 292, P 306–P 307, P 316 (negativer Kontext); P 122, P 126, P 282–P 283, P 305–P 307, P 316 (nicht affirmativer Kontext); P 122, P 126, P 282–P 283, P 290, P 292, P 305–P 307 (NPI, negatives Polaritäts­element); P 122, P 126, P 282, P 306 (ieman, iht, dewęder in der Funktion von nieman, niht, newęder); P 127, P 282, P 289–P 290, P 292–P 295, P 307 (Nega­tionspron.); P 289–P 290, P 292 (dehėin, kėin werden zu Negationspron. u. ersetzen nehėin). Neuhochdeutsch: S 2–S 4, S 13, S 17; S 10 (Ent‑ wicklung der Substantivklassen); S 12 (e-Apokope); S 43 (Fem.); S 54 (Pl.-Kasus); S 87 (Genuswandel). – Vgl. Frühneuhoch‑ deutsch.

1080

VIII. Anhang

Niederalemannisch s. Alemannisch, Elsässisch, Oberrheinisch. Niederdeutsch s. Mittelniederdeutsch. Niederfränkisch s. Mittelniederländisch. Nominativ: S 20, S 34, S 45, S 55; A 49 (nominal-stark, flexivlos); A 56, A 87 (Flexiv -iu im Nom./ ​Akk.Pl.Neutr., Nom.Sg.Fem.); A 65 (Mfrk.); A 66 (Form des Nom./ ​Akk.Pl. bei Substantivierung); A 71, A 74 (flexivlos); A 84 (Nom./ ​Akk. Sg.Neutr. st., Stämme auf z(e) oder (s)e); A 88 (Nom./ ​Akk.Pl.Neutr. st.); A 89 (Nom.Sg.Fem.); A 98 (eȥ/ ​es im Nom./  Akk.Sg.Neutr. st.); A 102–A 104, A 111–A 113, A 115–A 117, A 121 (Nebensil‑ benvokal); P 6, P 29 (Pers.-Pron. Nom.Sg. ich); P 33 (Pers.-Pron. 2.Pl.Nom.); P 42 (Nom.Sg.Mask. her, he); P 44–P 54 (anaphorisches Pron. Nom.Sg.Mask.); P 68–P 71 (anaphorisches Pron. Nom./ ​ Akk.Sg.Neutr.); P 76–P 84 (anaphorisches Pron. Nom./ ​Akk.Pl.); P 108 (Fragepron. węr); P 113 (Fragepronomen swęr); P 133 (gelīch, flexivlos); P 137–P 139 (Definitart., Nom.Sg.Mask.); P 151–P 153 (Definitart., Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.); P 157–P 158 (Definitart., Nom.Sg.Fem.); P 164 (Definitart., Zusammenfall von Nom. und Akk.Sg.Fem.); P 165–P 168 (Definit‑ art., Nom./ ​Akk.Pl.); P 172 (Indefinitart., Nom.Sg.); P 188–P 189 (Dem.-Pron. dise, Nom.Sg.Mask.); P 195–P 197 (Dem.-Pron. dise, Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.); P 198 (Dem.-Pron. dise, Nom.Sg.Fem., Nom./ ​ Akk.Pl.Neutr.); P 199 (Dem.-Pron. dise, Nom./ ​Akk.Pl.Mask./ ​Fem.); P 232 (Possessiv nach Pron. flexivlos); P 242 (Possessiv, verkürzter Stamm uns-); P 250, P 254 (iuwer); P 302 (Indefinit‑ pron., Nom./ ​Akk.Pl.); N 3–N 5 (‚zwei‘); N 7–N 8 (‚drei‘). nt-Stamm (ehem.): S 18. Numeralia: P 169–P 179, P 324–P 329 (ėin: Numerale, Indefinitpron., Indefinitarti‑ kel); P 374–P 385, N 1–N 63; N 48 (ander, Indefinitpron. und Ordinalzahlwort); N 42–N 44 (Zahlverbindungen); N 39, N 61 (Zahladverbien).  – Vgl. Kardinal‑ zahl, Ordinalzahl.

Numerus: S 1–S 3 (Numerusprofilierung); S 69–S 86, V 1, V 2 (Verben allg.); V 15 (Numerusvarianz komen); V 17 (Nume‑ rus-Tempusstamm, Numerus-ModusTempusstamm); V 102 (numerus- u. modusdifferenter Gebrauch stv. IV komen); V 119 A. 2 A. 3 (Numerusaus‑ gleich stv. Ia); V 141 (Prät. komen); V 176 (Prät.-Präs., numerusbezogener Vokal‑ wechsel); V 223 (Kontr. haben/ ​hān).  – Vgl. Plural. Numerusausgleich: V 119 A. 2 A. 3 (Prät. stv. Ia); V 204 A. 2 (tuen). ō-Stamm (ehem.): S 10, S 12; S 7–S 8 (Nebensilbenabschwächung: Feminina); S 14, S 17, S 42 (Sg.-Paradigma); S 45 (Stammvarianz); S 46 (Akk.Sg.Fem.); S 54, S 59–S 60 (Pl.-Kasus); S 70, S 74, S 78–S 79 (Pl.); S 87–S 88 (Genus). Oberdeutsch: S 10 (Substantivklassen); S 15, S 57 (Synkope -(e)n); S 17 (Fem. Aus‑ gleichsmuster im Sg., bes. im Bair.); S 20, S 34, S 45 (Stammvarianz durch e-Apo‑ kope); S 23, S 36 (Apokope von Dativ-e); S 69 (Pluralflexive); S 70–S 72, S 75–S 76, S 79, S 82–S 83, 86 (Pl.); S 89 (Genusvaria‑ tion); S 97–S 98 (Personennamen); A 10–A 11 (Flexivübersicht); A 36 (Entwicklung von gare, garwes); A 39 (Umlautschreibung; Typ hėrte häufiger als im Md.); A 54 (ėin und Possessivpro‑ nomen im Nom.Sg.); A 73–A 74 (starknominale Form); A 77–A 79 (stärkere Apokopierung als im Md.); A 87–A 90, A 99–A 122 (iu, eu > e; Nebensilbenab‑ schwächung); A 91–A 92 (iu als Umlaut‑ auslöser); A 95 (eme, em, en im Dat.Sg. Mask. und Neutr.); A 123 (e- und i-Schreibungen für Schwa); A 125 (dęste statt diu); A 135–A 136 (Umlaut bei der Komparation); P 7, P 14–P 15, P 198, P 234, P 245, P 254, P 273, P 299, P 315, P 366, P 373, P 375 (obd. -iu gegenüber md. -e Nom.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.); P 8, P 10–P 12, P 141, P 145, P 175, P 236, P 252, P 300 (-emo > -eme > -em (> -en) Dat. Sg.Mask./ ​Neutr.); P 11–P 12, P 85, P 87, P 160, P 257 (früh -ero > -ere > -er; iro > ire > ir); P 21, P 40, P 58, P 64, P 86, P 88,

5. Sachregister

P 187 (ie > ie vor r, n, m in mir, dir, wir, ir, in, im); P 36 (nicht umgelautetes iu); P 81 (sܷ als Regelform des Nom./ ​Akk.Sg. Fem., Nom./ ​Akk.Pl.); P 105 (ėinander zunächst obd.); P 120 ((n)ieman, -men Dat.Sg.); P 129 (ęte(s)węr vornehmlich obd.); P 152 (Verschmelzungsformen dėist, dėiȥ, dėich); P 155 (Präp. + diu Instr., z. B. von diu, ze diu); P 164 (diu Nom.Sg.Fem. ≠ die Akk.Sg.Fem. bis 213 fest); P 173 (Tendenz zu ėin Nom.Sg. = Akk.Sg.Fem.); P 200–P 201 (ėner ‚jener‘); P 215 (solich, teils umgelautet sölich); P 258, P 265 (Poss.-Pron. ir erst spätmhd. flektiert); P 270 (ch > h in wėl(i)ch, swėl(i)ch, sol(i)ch); P 312 (Umlautbezeich‑ nung bei sümelich); P 331 (iegeslich); P 342 (ietwęder); P 357–P 360 (ėlliu, älliu, alliu Nom.Sg.Fem., Instr.Sg.Neutr., Nom./ ​ Akk.Pl.Neutr.); P 375 (ėndriu Nom. Sg.Fem.); N 8 (driu); N 61 (multiplikative Zahladverbien mit stunt); V 3 A. 3 (synthet. Prät. > analyt. Perf.); V 12 A. 2 (Theorie Umlautbezeichnung); V 21 (Flexionsanpassung stv./ ​swv.); V 32 (Apokope, allg.); V 33 (Synkope, allg.); V 40 A. 7 (Part.Prät. gi-); V 46 (häufige Endung -(e)st statt -(e)s der 2.Sg.Präs.); V 47 (Angleichung Sg.Imp. stv./ ​swv.); V 56 (-e in 2.Sg.Ind.Prät. stv.); V 57 A. 1 (Apokope 1.Sg.Konj.Prät. stv.); V 58 (2.Sg.Konj.Prät. stv. regelmäßig -est); V 59 A. 5 (Apokope 1./ ​3.Sg.Prät. swv.); V 60 (2.Sg.Prät. swv. regelmäßig -est); V 70 (Vokalhaltigkeit Präteritalflexiv swv.); V 79 (Part.Prät. ė rückuml. Verben ė  –  a); V 80 (Prät. ā rückuml. Verben ǟ  – ā); V 81 (häufige Umlautbezeichnung bei ‚Rückumlaut‘ ü  –  u); V 82 (Umlaut‑ bezeichnung bei ‚Rückumlaut‘ üe  – ue); V 89 A. 1 (fränkische Regel); V 90 (stv. II, Aufhebung Präs.-Stammvokalalternanz); V 96f (stv. IIIb–V, Sg.Ind.Präs. ohne Alternanz i); V 99 (Kontraktion 3.Sg.Ind. Präs. gęben); V 101 (positionsbezogene Kontraktion bei sęhen, geschęhen, jęhen); V 103 A. 1 (Inf./ ​Pl. quęden); V 104 (Kontraktion 2./ ​3.Sg.Ind.Präs. ligen); V 106 (Präsensumlaut/ ​Kontraktionsfor‑

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men stv. VI); V 110–V 114 (Präsensum‑ laut); V 116 (Umlaut 2.Sg.Ind.Prät. stv.); V 118 A. 3 (sw. Formen stv. I); V 136 A. 3 (Ablautausgleich stv. IIIb wurde); V 137 (Grammat. Wechsel węrden); V 140 A. 4 (Flexion Pl.Prät. vęhten und vlęhten analog stv. IV, md. IIIb); V 141 (obd. Flexionstyp komen, kume – kom  – komen – komen); V 141 A. 1 (Prät.-o bei komen als ‚konservatives Zentralobd.‘); V 149 (Umlautmarkierung Konj.Prät. stv. VI); V 152 A. 3 (Prät.-Form gie); V 156 A. 1 (sw. Flexion bei ruefen); V 162–V 167 (Grammat. Wechsel); V 174 (sw. Formen stv.); V 179 (häufige Endung -(e)st statt -(e)s der 2.Sg.Präs. bei Prät.-Präs.); V 180 (häufige Endung -(e)st statt -(e)s der 2.Sg.Prät. bei Prät.-Präs.); V 180 A. 5 (Apokope 1.Sg.Prät. bei Prät.-Präs.); V 181 (Prät. wėste, wėsse); V 190 (o-Präs. bei soln); V 191 (Umlautmarkierung bei mügen); V 193 (wėllen statt md. wollen); V 194 (Endung -(e)st statt -(e)s der 2.Sg. Präs. bei wėllen); V 195 A. 2 (Endungs­ losigkeit 1.Sg.Prät. bei wėllen); V 196 (Konj./ ​Pl.Präs. e bei bei wėllen); V 206 (1.Pl.Präs. bspw. birn, sīn in der 3.Pl.); V 207 (Part.Prät. gewęsen); V 209 (Kurz-/ ​ Langform im Prät. von gān/ ​gēn); V 224 (Langform im Präs. von haben/ ​hān); V 231 (Kontraktionsformen bei lāȥen/ ​ lān); V 232 (Endung -(e)st der 2.Sg.Präs. bei lāȥen/ ​lān); V 234 (Prät.-Kurzform lie bei lāȥen/ ​lān); V 239 (Kontraktion bei lėgen); V 240 (Kontraktion bei ligen); V 243 (Kontraktion bei rėden, klėiden); V 244 (Kontraktion bei gęben); V 246 (Kurzform entpfie/ ​vie).  – Vgl. Aleman‑ nisch, Bairisch, Ostfränkisch, Süd(rhein)­ fränkisch. Oberrheinisch: P 27 (iuch Dat.Pl.); P 60, P 108, P 142 (-mme Dat.Sg.Mask./ ​Neutr.: imme, wemme, demme); P 115 (men, mon ‚man‘); P 117 (iemande); P 121 ((n)ie­mannen Akk.); P 124 (iut ‹ût, ‫ܔ‬t, ‫ݐ‬t, vt› = iht); P 164, P 166 (die statt diu Nom.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.); P 145, P 175, P 194, P 252 (-(e)me Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. län­ger bewahrt); P 177 (ėim); P 200 (gin-,

1082

VIII. Anhang

gen- ‚jener‘); P 222 (suslich); P 287 (den-, dem-hein, -chein, -kein = dehėin); N 8 (dru, drv = driu); N 10 (drīen Dat.); N 16 (sehz); N 20 (suben, súben ‚7‘); N 21–N 22 (ėhtüwe, ėhtewe ‚8‘); N 31 (zwėilf, zwolf); N 41 (dūsunt, -ent).  – Vgl. Alemannisch, Elsässisch, Oberdeutsch, Rheinfränkisch. ōn-Verben (swv. II): V 28 (Vokalgraphie ‹o›); V 44 (Übertragung 1.Sg.Präs. auf stv. u. swv. I); V 66–V 68 (allg., Stammbildung swv.); V 159 A. 4 (Grammat. Wechsel, nīden). Optativ: V 3 A. 5 (Bezeichnung); V 193 (wėllen); V 206 (Konj. sīn).  – Vgl. Konjunktiv. Ordinalzahl (Ordnungszahl): N 48–N 49; P 138 (mfrk. dęr-Artikel vor Ordinal‑ zahl); P 376 (ander als Ordinalzahl); N 19 (sęhste); N 20 (sibende); N 43–N 44 (ordinale Zahlverbindungen).  – Vgl. Numeralia. Ostalemannisch: P 171 (an für ėin); P 215 e (sėlich ‚solch‘); P 357, P 359 (ælliu, alliu); P 364 (bēde).  – Vgl. Alemannisch, Alemannisch-Bairisch, Ostschwäbisch. Ostfränkisch: S 6, S 23, S 36 (Apokope); S 46, S 48, S 50 (Fem., Sg.-Kasus); S 71–S 72, S 76, S 79 (Pl.); P 82 (sie Nom./ ​Akk. Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.); P 112, P 277 (spätmhd. Schwund von s- in sw-For‑ men); P 166 (die Nom./ ​Akk.Pl.Neutr.); P 184, P 190 (wie bair. spätmhd. Ersatz von dirre durch diser); P 191 (dises Gen. Sg.Mask./ ​Neutr.); P 195–P 196 (wie bair. diƶ(e) Nom./ ​Akk.Sg.Neutr.); P 240 (unner ‚unser‘); P 334 (iet-, itlich); N 4 (ƶwuo ‚2‘ Fem.); N 10 (drīn); V 12 (Umlaut Konj.Prät. stv.); V 15 (einheitlicher Präs.-Stammvokal bei komen); V 21 (Flexionsanpassung stv./ ​swv.); V 32–V 33 (häufige Apokope u. Synkope); V 36 (n-Ausfall im Inf.); V 39 (Apokope Part. Präs.); V 44 (Apokope 1.Sg.Ind.Präs.); V 46 (häufige Endung -(e)st statt -(e)s der 2.Sg.Präs.); V 47 (Angleichung Sg. Imp. stv./ ​swv.); V 72 (vokalloses Präteritalflexiv swv.); V 81 (häufige Umlautbezeichnung bei ‚Rückumlaut‘ ü  – u); V 101 (positionsbezogene

Kontraktion bei sęhen, geschęhen, jęhen); V 102 (einheitlicher Präs.-Stammvokal bei komen); V 104 (positionsbezogene Kontraktion bei j-Präsentien); V 106 (bachen, Präsensumlaut bei wahsen, Vollform slahen); V 110–V 114 (häufiger Präsensumlaut); V 141 (schwankend obd./ ​md. Flexionstyp bei komen); V 144 A. 4 (Part.Prät. von pflęgen); V 149 (Umlautmarkierung Konj.Prät. stv. VI); V 163 (Grammat. Wechsel węrden); V 174 (sw. Flexion bei hėben); V 187 (o-Prät. bei kunnen); V 190 (o-Präs. bei soln); V 191 (Umlautmarkierung bei mügen); V 193 (wollen statt wėllen); V 194 (Endung -(e)st statt -(e)s der 2.Sg.Präs. bei wėllen); V 207 (sw. Part.Prät. von węsen); V 209 (Langform von gān/ ​gēn in 3.Sg.Prät.); V 212 (ē-Form im Inf./ ​Präs. von gān/ ​ gēn); V 218 (ē-Form im Inf./ ​Präs. von stān/ ​stēn); V 233 (Präsensumlaut bei lāȥen).  – Vgl. Oberdeutsch. Ostmitteldeutsch: S 6 A. 2 (Synkope); S 7 (Nebensilbenvokalzeichen ‹i›); S 20 (Stammvarianz); S 23, S 36 (e-Apokope); S 48, S 50 (Fem., Sg.-Kasus); S 71, S 76, S 79, S 85 (Pl.); S 89 (Genusvariation); P 29 (iche ‚ich‘); P 39 (Tondehnung u. Senkung i > ē); P 41, P 61, P 65 (gerun‑ dete Formen des anaphor. Pron.); P 43 (en < in ‚ihn(en)‘); P 51 (he, selten her, er, in 114 zunehmend); P 57, P 152, P 176, P 194 (-me Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. ab 213 zunehmend > -m); P 82 (sie Regelform im Nom./ ​Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.); P 117 ((n)iemant); P 127 (nicht); P 139 (die, di ‚der‘ Nom.Sg.Mask.); P 185 (spätmhd. dirre > diser); P 195, P 197 (diȥ ~ dit); P 214 (sul(i)ch); P 234 (Poss.-Pron. Nom. Sg. -e); P 236 (mīme, dīme, sīme); P 239, P 262–P 263, P 265 (flektiertes Pron.-Poss. ir(e)); P 242, P 245 (Kurzform unse ‚unser‘); P 322 (man(i)ch-); P 335 (ietslich); P 340– P 341 (iegewęder, iewęder); P 374 (andir mit ‹i› für Schwa); N 4 (zwuo, zwu ‚zwei‘ Fem.); N 6 (zweger = ƶwėier); N 9 (driger = drīer); N 10 (dren = drܷn); N 26 (ē < ęhe in ƶēn ‚10‘); N 61 (Multiplikativa auf -wėide; drīes ‚dreimal‘).  – Vgl. Hessisch-

5. Sachregister

Thüringisch, Mitteldeutsch, Thürin‑ gisch. Ostoberdeutsch: S 71 (-e-Plural vs. endungs‑ loser Plural), S 79 (-(e)n-Plural). – Vgl. Bairisch, Oberdeutsch. Ostschwäbisch: P 113, N 15, N 26 (‹æ› für /ę/); P 154 (wie bair. noch spätmhd. diu Inst. Sg.Neutr.); P 175 (ėime); P 190 (wie bair. spätmhd. Ersatz von dirre durch diser); P 195 (wie bair. diƶ(e) Nom./ ​Akk.Sg. e e Neutr.); P 215 (‫܅‬olh, ‫܅‬olch ‚solch‘); P 277 (sw-Formen wie bair. auch spätmhd. e bewahrt); N 5 (zwae, zwa, zwa = zwėi); N 22 (æhte, æht ‚8‘); N 32 (Ordinalzahl‑ wörter auf -zigust, -zigost).  – Vgl. Alemannisch, Alemannisch-Bairisch, Ostalemannisch. Partikel: P 103 (Reziprozitätspartikel ėinander); P 126–P 127 (niht, iht als Negationspartikel); P 208 (sęlber); P 209 (sęlb als Fokuspartikel); P 279 (sō als Relativpartikel). Partizip Präsens: V 39 (Bildung). Partizip Präteritum: V 40–V 42 (Bildung); V 69 A. 2 (Gelenkstelle beim Dental‑ prät.); V 72 (vokalhaltiges/ ​vokalloses Prät.-Flexiv swv.). Partizipialadjektiv: A 18 (in attributivem Gebrauch); A 24 (in substantiviertem Gebrauch); A 27 (in prädikativem Gebrauch). Passiv: V 1 (Bildung). Perfekt: V 40 (perfektive Verben); V 69 (Bildung Dentalprät.), A. 2 (Endungen); V 168 (Prät.-Präs.); V 176–V 178 (Prät.Präs.); V 205 (sīn). Perfekto-Präsentien s. Präterito-Präsentien. Periphrase, periphrastische Bildung: A 137 (Komparation); V 3 A. 1 (Futur), A. 2 (Plusquamperfekt); V 10 (Modus); V 35–V 36 (Inf.); V 69 (Dentalprät.); V 222 A. 2, V 223 (haben-Periphrase). Personalpronomen: P 18–P 91; P 3 (Verwen‑ dungshäufigkeit); P 92 (Dat. des anaphori‑ schen Pron. als Ersatz des Reflexivpron.); P 152 (Verschmelzung von Pers.-Pron. und enklitischem Definit­artikel); P 207, P 210 (Pers.-Pron. verstärkt durch sęlp); P 223 (Gen. des Pers.-Pron. der 1. u. 2. Pers.

1083

Grundlage des Poss.-Pron.); P 347–P 353 (Pers.-Pron. als Bezugs-NP von all: Kontakt- und Distanzstellung); P 367–P 368 (Pers.-Pron. als Bezugs-NP von bėide); V 25, V 49, V 52, V 54 (bei Verben, nachgestellt); V 25, V 179, V 224 A. 7, V 232 (Ausfall des Nasals 1.Pl.Präs.); V 32 (Apokope vor ich), V 32 A. 2 (Enklise); V 44, V 59 (Apokope); V 194 (wėllen, 2.Sg.Präs.); V 201–V 202 (tuen, Ausfall des Nasals 1.Pl.Präs.); V 210–V 211 (gān/ ​gēn, Ausfall des Nasals 1.Pl.Präs.); V 224 A. 7 (haben, Ausfall des Nasals 1. Pl.Präs.); V 232 (lāȥ(ȥ)en, lān, Ausfall des Nasals 1.Pl.Präs.). – Vgl. Pronomen. Plural: S 1, S 3, S 69–S 86 (-markierung); S 54–S 68 (Pl.-Kasus); V 1, V 3 (allg.); V 17 (Plural-Präteritalstamm); V 51–V 54 (Bildung Präs., Imp.); V 61–V 64 (Bildung Prät.); V 176 (Umlaut als Pluralmarker, Prät.-Präs.); V 206 (sīn, Einheitsplural). – Vgl. Numerus. Plusquamperfekt: V 3 A. 2 (allg.). Polaritätselement: P 130 (positives); P 126, P 182, P 282–P 283, P 290, P 292, P 295, P 305–P 307, P 316 (negatives (NPI)).  – Vgl. Negation. Portmanteau-Morphem: S 1–S 3, S 70. Possessivpronomen: P 223–P 267; P 308 (Poss.-Pron. statt des partitiven Gen. bei substantivischen -węder-Pronomina); P 313 (sümelich vor Poss.-Pron.); P 326 (ėin + Poss.-Pron.); P 347–P 348, P 350 (all vor/ ​nach Poss.-Pron.); P 367 (bėide vor/ ​ nach Poss.-Pron.); P 368 (ander vor Poss.-Pron.). Prädikative Verwendung des Adj.: A 25–A 27; A 29–A 30 (Nachstellung vs. prädikative vs. adverbielle Form). Präfix: P 286 (deh-); P 293 (neh-); V 40–V 42 (ge-, Part.Prät.); V 149 A. 6 (er- in erhaben). Präposition: P 100–P 101 (Dativ-Präp. + sich); P 106 (Präp. + ėin ‚einander‘); P 109, P 114, P 154–P 155, P 360, P 380 (Präp. + diu, wiu, swiu, ėlliu, anderiu Instr.Sg.Neutr.); P 145, P 147, P 150, P 152, P 161 (Verschmelzung von Präp. und enklitischem Definitartikel); P 356 (Präp.

1084

VIII. Anhang

+ alle, allem, al); N 60 (ƶwischen, en-, underƶwischen). Präsens: V 1, V 3 (allg.); V 13 (Konj.Präs.); V 39 (Part.Präs.); V 43–V 54 (Bildung); V 86–V 115 (Stammflexivik stv.); V 179 (Prät.-Präs.). Präteritalflexiv: V 59 A. 3 A. 5 (Synkope/ ​ Apokope/ ​Ekthlipsis 1./ ​3.Sg.Prät. swv.); V 67, V 69 (swv., allg.); V 70–V 73 (swv., vokalhaltig vs. vokallos); V 74–V 75 (‚Rückumlaut‘). Präterito-Präsentien: V 7 (allg.); V 168 (besondere Verben); V 176–192; V 193 (wėllen, Analogie); V 206 A. 2 A. 3 (sīn, 2.Sg.Präs., Analogie). Präteritum: V 1, V 3 (allg.); V 17 (Konj.Prät.); V 40 (Part.Prät.); V 55–V 64 (Bildung); V 65–V 85 (sw. Prät.); V 116–V 166 (Stammflexivik stv., Prät.); V 180 (Prät.-Präs., Prät.). Primärumlaut s. Umlaut. Proklise: P 152, P 158 (Definitartikel). Pronomen: P 2 (Wortart); P 3 (Verwen‑ dungshäufigkeit); P 4 (Pronomen im engeren und weiteren Sinne); V 22 A. 1, V 32 A. 2, V 46, V 49 A. 2, V 56 A. 1 (enklitisch).  – Vgl. anaphorisches Pronomen, Demonstrativ-, Generalisie‑ rendes, Indefinit-, Interrogativ-, Personal-, Possessiv-, Reflexiv-, Relativ‑ pronomen. Pronominale Deklination s. Starke Deklina‑ tion. Pronominaladjektiv: P 224, P 228, P 233 (Poss.-Pron.); P 205–P 213 (sęlp); P 376, P 380 (ander); P 317 (manic); P 345, P 350 (all).  – Vgl. Indefinitpronomen. Pronominalsubstantiv: P 115 (man); P 116–P 122 (ieman, nieman); P 123–P 128 (iht, niht); P 129, P 132, P 204, P 217, P 220–P 221, P 226, P 230, P 272–P 274, P 278–P 279, P 296–P 299, P 304, P 308, P 313, P 315–P 317, P 323, P 325–P 328, P 330, P 337–P 339, P 344, P 346, P 365, P 367–P 368, P 371–P 372, P 377, P 380 (substantivisch verwendete Pron. im weiteren Sinne). Quantifikativa: P 310 (sum); P 311–P 313 (sümelich, sumelich, simelich); P 314–P 316

(ęte(s)lich); P 317–P 323 (manic); P 324–P 329 (ėin: Zahlwort und Indefinit‑ pron.); P 345–P 363 (all); P 364–P 373 (bėide).  – Vgl. Distributiva. r-Umsprung s. Metathese. Reanalyse: S 54, S 75, S 78, S 83. Reduktionsformen: P 53–P 54 (von ęr ‚er‘); P 22 (mәr < mir); P 29 (ich > i); P 30 (du enklitisch > (d)ә); P 39 (‹em›, ‹er› für ēm, ēr oder әm, әr?); P 63 (im(e) enklitisch > em, in, en); P 71 (iȥ, ęȥ enklitisch > ȥ); P 76 (sie, si enklitisch > s); P 78–P 83 (si < sie, siu); P 85–P 86, P 88, P 256–P 257 (iro > ire > ir (> әr)); P 111 (sō w- > sw-); P 115 (man > men, min, mon, me, mi, m); P 116 ((n)ieman > (n)iemen > (n)iemܹ); P 140 (dęs en-/ ​proklitisch > s); P 145, P 152, P 161 (Verschmelzung); P 152 (daz > deȥ, diȥ, -ȥ); P 158 (diu, die > dә); P 181 (Reduktionsformen nur beim Definitar‑ tikel, nicht beim Dem.-Pron. dęr); P 216, P 269–P 271 (-līch > -lich > -lech, -lch, -l; ch > h); P 248–P 255 (iuwer > iur); P 294 (ne- > en- > e-); P 307 (ėint- > ent-, ant-); P 343 (-węder > -wędr-, -węr-); P 382 (ander Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); N 10 (drin > dren).  – Vgl. Nebensilben‑ abschwächung, Nebensilbenvokalismus. Reduktionsvokal: V 68 (swv.).  – Vgl. Zwischenvokal, Nebensilbenvokalismus. Reduplikation: V 6 A. 2 (Bildung Prät. allg.); V 79 (swv. allg.); V 151 (stv. VII); V 168 (besondere Verben allg.); V 200 (tuen). Reflexivpronomen: P 92–P 101; P 102 (reziproker und reflexiver Gebrauch); P 223 (sīn Gen. des Reflexivpron. und Poss.-Pron.); P 267 (reflexives Poss.Pron.). Reim, Reimbindung: S 22, S 27, S 30, S 34–S 35, S 45, S 51–S 52, S 66, S 72–V 74, S 81, S 89, S 97; P 20 (r-lose Formen mī, dī, wī, ī im Reim); P 26 (unsich); P 27 (iuch Dat.Pl.); P 28 (iu Akk.Pl.); P 29 (iche); P 30 (dū Vokallänge); P 45, P 48, P 50 (ęr, hē); P 78–P 80, P 84 (sī, sie); P 90 (in Dat.Pl.); P 133 (aller menglicher); P 195 (diȥ); P 201, P 203 (jėner, gine); P 230 (sīn Akk.Sg. Fem.); P 238 (nachgestelltes Poss.-Pron.

5. Sachregister

mīn, dīn, sīn); P 284, P 304 (nachgestelltes dehėin, nehėin, kėin); P 379 (nachgestell‑ tes ander); N 4 (ƶwuo ‚2‘ Nom./ ​Akk.Pl. Fem.); N 7 (drīe ‚3‘ Nom./ ​Akk.Pl.); N 10 (drܷn, drīen); N 39–N 40 (hundert, hunt); V 57 A. 1 u. 3 (Endungslosigkeit); V 90 A. 2 (ie – ǖ); V 124 A. 3 (schrīen); V 171 (began vs. begunde); V 194 A. 1 u. 4 (wėllen); V 204 A. 2 (tuen); V 206–V 207 (sīn); V 208–V 209, V 211–V 212 (gān/ ​gēn); V 214–V 215, V 217–V 218 (stān/ ​stēn); V 222, V 229 A. 8 (haben/ ​hān); V 231 A. 3, V 234 (lāȥen/ ​lān); V 237 A. 1 (Kontrak‑ tion bei -g-, -d-, -b-). Relativpronomen: P 111–P 113 (swęr); P 137–P 144, P 181 (dęr); P 272 (wėlich); P 279 (sō als Relativpartikel). Rheinfränkisch: P 49 (nur ęr, keine Formen mit h-Anlaut). – Vgl. Hessisch; Westmit‑ teldeutsch. Rheinfränkisch-Hessisch: S 7 (Nebensilben‑ vokalzeichen ‹i›); S 23, S 36 (Apokope von Dativ-e); S 46, S 48, S 50 (Fem., Sg.-Ka‑ sus); S 71 (-e-Plural vs. endungsloser Plural); P 10, P 236 (-(e)me ~ -(e)m Dat. Sg.Mask./ ​Neutr.); P 75 (sīn Gen.Sg.Neutr. selten); P 82 (sie Regelform im Nom./ ​ Akk.Sg.Fem., Nom./ ​Akk.Pl.); P 85, P 263 (ire > ir ähnlich früh wie obd.); P 127 (nit, niut, nūt ‚nicht‘); P 143 (den ‚dem‘); P 191 (disses Gen.Sg.Mask./ ​Neutr.); P 202 (hin- (hien-, hen-) ‚jener‘); P 236 (mīme, dīme, sīme); P 242 (neben Langform unser- nur selten unse-); P 271 (wel ‚welch‘); P 286, P 288, P 293 (kėin); P 312 (simelich); N 22 (ėht(e) ‚8‘); N 26 (ē < ęhe in zēn ‚10‘); N 31 (zwolf); N 33 (drīzęhen, -zēn); N 41 (neben dūsent auch obd. tūsent); N 61 (Multiplikativa auf -wėide); V 44 (1.Sg.Ind.Präs., Unterschied Mfrk.); V 46 (2.Sg.Ind.Präs. -(e)st vs. -(e)s); V 52 A. 1 (2.Pl.Präs. -ent); V 60 (2.Sg.Prät. swv. auf -e); V 63–V 64 (2./ ​3.Pl.Prät. -ent); V 93 (Kontraktionsformen bei vliehen u. ƶiehen); V 97 (Wechselflexion); V 110 (häufiger Präsensumlaut); V 141 (Part.Prät. von komen); V 187 (o-Präs. bei kunnen); V 190 (o-Formen im Pl.Präs./ ​ Konj.Präs. von soln); V 212 (ē- und

1085

ā-Form im Inf./ ​Präs. von gān/ ​gēn); V 218 (ē- und ā-Form im Inf./ ​Präs. von stān/ ​stēn); V 224 (Kontraktionsform hān); V 228 (a-Prät. bei hān); V 246 (Kontraktion).  – Vgl. Hessisch, Westmit‑ teldeutsch. Ripuarisch: P 24 (nordwestrip. mich ‚mir, mich‘, dich ‚dir, dich‘); P 41, P 61, P 266 (anaphorisches Pron. u. Poss.-Pron. ir: gerundete Formen ume, ome, un, on, ur); P 139, N 14 (ie > ‫ > ݔ‬ē); P 265–P 266 (Flexion des Poss.-Pron. ir); P 288–P 294, P 305 (ėinig, ne-, engėin statt dehėin, nehėin, kėin); N 17 (seis ‚6‘); N 26 (ęhe > ie > ‫ > ݔ‬ē in ƶęhen ‹zien, zin, zein›).  – Vgl. Mittelfränkisch, Moselfränkisch. ‚Rückumlaut‘: V 5 (Klassenbildung); V 11–V 12 (Umlaut); V 69, V 71, V 73 (swv. Prät. allg.); V 74–V 85. Rundung: P 41, P 61, P 65–P 66, P 68, P 76, P 90, P 266 (gerundete Formen des anaphor. Pron.); P 186 A. 1 (gerundete Formen von dise?); P 266 (gerundete Formen des Poss.-Pron. ir); N 20 (siben > süben); N 29 (-lif > -lüf); V 94 (stv. IIIa Präs.); V 95 (Präs. lęschen); V 103 (quęden); V 144–V 145 (quęden); V 157 A. 3 (stv. VII Prät.); V 197 A. 1 (Prät. wėllen). Satzklammer: A 33 (Entstehung). Schwäbisch s. Alemannisch, AlemannischBairisch, Ostalemannisch, Ostschwäbisch. Schwache Deklination: S 3, S 13–14, S 17; S 7 (Nebensilbenabschwächung); S 20 (Stammvarianz); S 54 (Pl.-Kasus); S 78 (Pl.); S 89 (Genus); A 17, A 23, A 52 (Formregel); A 51 (Entstehung); A 63 (Bevorzugung der schwachen Flexion, Sonderfälle); P 16 (bei Pron.); P 203–P 204 (dęr jėne); P 206–P 207, P 212 (sęlp: dęr sęlbe); P 217, P 219–P 221 (bei solich, bes. nach flektiertem ėin); P 224–P 232, P 234, P 265, P 348 (beim Poss.-Pron.); P 273, P 278 (vereinzelt bei wėlich, swėlich); P 297, P 302, P 304 (vereinzelt bei -ėinPronomina); P 323 (sehr selten bei manic); P 325, P 328 (ėin nach Definitar‑ tikel oder prädikativ); P 337–P 339 (selten bei iegelich); P 344 (selten bei iegewęder, ie(t)węder); P 365 (sehr selten bei bėide);

1086

VIII. Anhang

P 380–P 381 (ander); N 45 (selten bei Kardinalzahlen); N 56 (Ordinalia). Schwache Verben: V 21–V 24 (Endungsflexi‑ vik allg.); V 27–V 30 (Vokalgraphien Endung); V 32 (Apokope); V 33 (Syn‑ kope); V 40, V 42 (Part.Prät.); V 43–V 64 (Endungsflexivik); V 65–V 68 (Stammfle‑ xivik); V 69–V 73 (Präteritum, Präterital‑ flexiv); V 74–V 85 (‚Rückumlaut‘); V 148, V 152, V 156 (stv.  – swv.); V 170 (Misch‑ verben); V 171 (beginnen); V 172 (bringen); V 173 (Verben mit Nebenformen); V 174 (stv. mit sw. Nebenformen); V 175 (swv. mit st. Nebenformen); V 176 (Prät. der Prät.-Präs.); V 179–V 180 (Anpassung der Prät.-Präs. an swv.); V 183 A. 1 (tugen, Umbildung zum swv.); V 186 A. 2 (gunnen, Umbildung zum swv.); V 193–V 197 (wėllen); V 200 (tuen, Dentalsuffix); V 221, V 238 (Kontrak­ tionsformen 3.Sg.Prät., Part.Prät.); V 224–V 225, V 228 (haben, Flexion); V 243, V 246, V 248, V 250–V 253 (Kontraktionformen swv.).  – Vgl. ēn-Verben (swv. III), jan-Verben (swv. I), ōn-Verben (swv. II). Schwachtonige Sonderformen s. Betonung. Schwund s. Apokope, Assimilation, Konsonantenschwund, Kontraktion, Nasalschwund, Synkope. Sekundärumlaut s. Umlaut. Senkung: P 39, P 59, P 86, P 89, P 187, P 266, N 20 (md. tongedehntes ī > ē); P 139, N 13 (mfrk.-rip. (ie >) ‫ > ݔ‬ē); N 26 (mfrk.-rip. (ęhe > ie >) ‫ > ݔ‬ē); V 88 (ē stv. I); V 89 (eu stv. II); V 90, V 93 A. 1 (ī stv. II); V 99 (kontr. V.); V 104 (j-Präs.); V 112 (bair. Senkung); V 119 A. 1, V 136 A. 2 (md. Senkung); V 129 A. 3 (Pl.Prät.); V 176 (Prät.-Präs.); V 187 (u > o vor Nasal, kunnen); V 196 (mfrk. i > o). Singular s. Numerus. Sprosskonsonant: P 117 (iemant). Stamm: E 3–E 5, E 7; P 184–P 187 (Stamm­ bildung von dise); P 200–P 202 (Stamm‑ bildung von ‚jener‘ (jėn-, gin-, ėn-, hin-); P 240, P 242 (unser- u. der verkürzte Stamm unse-); P 246 (iuwer- u. der verkürzte Stamm iuw-).

Stammbildung: A 34–A 47. Stammvarianz: S 20, S 34–S 35; S 45 (durch Übernahme von Kasus-n). Stammvokalalternation s. Vokalalternation. Starke Deklination: S 13; A 8 (Einteilung); A 11 (Paradigmen); A 17, A 23 (Verwen‑ dung); A 48–A 50; A 52–62 (Formregel); A 62; A 73–A 74, A 77–A 79 (Flexivlosig‑ keit als nominal-starke Flexion); P 5–P 15, P 38ff passim (pronominale Deklination). Starke Verben: V 2–V 3 (allg.); V 5–V 6 (­K lassenbildung); V 21–V 64 (Flexion); V 86–V 166 (Stammflexivik); V 169–V 175 (Mischung st. u. sw. Flexion). Steigerung s. Komparation/ ​Komparativ, Superlativ. Stellung des Adjektivs: A 12–A 16, A 18–A 19 (Voran- und Nachstellung). Subjunktion: P 151 (daȥ: das, dad); P 152 (dėiȥ, dėich < daȥ ęȥ, daȥ ich); P 155 (mit diu, nāh diu (sō)); P 275 (węder als Teil paariger disjunktiver Subjunktionen); P 280 (swęder ... oder ‚ob‘). Substantivierte Verwendung des Adj.: A 20–A 24.  – Vgl. Konversion. Süd(rhein)fränkisch s. Rheinfränkisch, Oberrheinisch, Oberdeutsch. Suffix: S 20 (Stammvarianz bei -er(e)); S 78, S 83 (ehem. Stammbildungssuffix); S 81 A. 8 (Genus; Suffixkonkurrenz -e/ ​-er); S 89 (Genus); N 34–N 37 (Zahlwortsuffix -ƶig); N 48–N 53 (Suffix -t, -st, -ōst der Ordinalia); V 5 (Klassenbildung Verben, Dentalsuffix); V 22 (Flexion allg., Dentalsuffix); V 35 (Inf.-en als Ablei‑ tungssuffix swv.); V 47 A. 2 (Verstär‑ kungssuffix -ā im Imp.); V 65–V 66, V 69 (Ableitungssuffixe swv.); V 66–V 68 (Stammbildung swv.); V 69 (‚Rückum‑ laut‘); V 176 (Prät.-Präs.). Superlativ: A 51, A 124–A 126, A 129; A 133 (Suppletion). Suppletion, Suppletivwesen, -stamm, -paradigma: A 130–A 131 (Komparation); P 2, P 18, P 38 (suppletive Formenbildung der Pers.-Pron.); V 144 A. 7 (węsen); V 205 (sīn, węsen). Synhärese: V 220 A. 1 (Kontraktion). – Vgl. Kontraktion.

5. Sachregister

Synkope: S 4 A. 3, S 6 (-er); S 15, S 22 A. 1 (Wmd.), S 26 (-(e)n); S 16, S 27, S 28 A. 1, S 40 (-(e)s); S 20, S 40, S 45 (Stammvari‑ anz); S 57, S 69 (Pl.-Kasus, bes. Obd.); A 80–A 84 (zur Flexivlosigkeit führend); A 85 (zur Mehrdeutigkeit führend); A 132–A 133 (beim Komparativ und Superlativ); P 6, P 245, P 253 (Akk.Sg. Mask.); P 13, P 179, P 184, P 190, P 237, P 245, P 255, P 303, P 363, P 382 (-ere > -re); P 236, P 245, P 252, P 300, P 361 (-eme > -m(e)); P 175, P 236, P 300 (ėineme > ėime, mīneme > mīme u. ä.); P 194 (diseme > disme); P 119, P 125, P 174, P 235, P 251 (-es > -s); P 34 (iuwer > iur); P 129 (ętes-, ęte- > ęts-, ęt-); P 216 (solich > solch); P 184, P 190 (disere > dirre); P 240 (unser- > unsr-); P 269, P 277, P 333 (-lich > -lch); P 288 (dehėin > dhėin); P 308 (Synkope des Flexiv-Schwas nach (-)‌węder); P 318–P 319, P 322 (manig-, mėnig- > mang-, mėng-); P 330, P 333 (iegelich > ieglich); P 343 (-węder- > -wędr-); P 375, P 381–P 382 (ander-e- > andr-e-, ander-); N 20 (siben- > sibn-); N 26 (ƶęhen > ƶęhn); N 28, N 32 (ėilif > ėilf, ƶwėlif > ƶwėlf); N 37 (-ƶic > -ƶc); N 39 (nicht synkop. hunderet); N 52 (-ƶig-est > -ƶig-st, -ƶk-ist); N 63 (vünftehalp > vünfthalp u. ä.); V 31–V 33; V 40 (Part. Prät. allg.); V 42 (Part.Prät. swv.); V 50 (3.Sg.Ind.Präs.); V 53 (2.Pl.Präs.); V 59 A. 3 (1./ ​3.Sg.Prät. swv.); V 71–V 76 (Prät. swv.); V 243 (Synkope bei Kontrak‑ tion). – Vgl. Endsilbenvokalismus. Synkretismus: P 24–P 28 (Dat.-Akk.-Syn­ kretismus beim Pers.-Pron. der 1. u. 2.  Pers.); V 10 (Modus); V 17 (Konj.Prät.); V 19 (Tempus-Synkretismus Konj.Prät.). Synthetische Bildung: V 1, V 3 (Bildung); V 9–V 10 (Modus). Tempus: V 1–V 4 (allg.); V 5 (Dentalprät. swv. allg.); V 6 (ablautendes Prät. stv. allg.); V 8 (vs. Modus); V 69 (Dentalprät. swv.); V 117–V 166 (ablautendes Prät. stv.); V 176 (Prät.-Präs.). Tempusbildung: V 3 (allg.); V 5 (Dentalprät. swv. allg.); V 6 (ablautendes Prät. stv. allg.); V 69 (Dentalprät. swv.); V 117–V 166

1087

(ablautendes Prät. stv.); V 168 (besondere Verben allg.); V 200 (tuen); V 225, V 229 (haben). Tempusdistinktion: V 102, V 141 (komen); V 159 (Grammat. Wechsel); V 229 (haben). Tempusmarker: V 2, V 5–V 6, V 176 (Ablaut). Tempusstamm: V 15 (Wechselflexion); V 17 (Konj.Prät.); V 69 (Dentalprät. swv.); V 87, V 93, V 95, V 102 (Präs. stv.); V 117–V 166 (Prät. stv.); V 159 (Grammat. Wechsel). Tempussynkretismus: V 19 (Flexivik). – Vgl. Synkretismus. Textart, -sorte: A 12 (häufigere Nachstellung in Verstexten); A 12–A 27 (Interlinear‑ übersetzungen); P 52, P 95, P 238, P 262, P 330 (Besonderheiten von Prosatexten); P 50, P 76, P 142, P 152, P 219, P 238–P 239, P 259, P 284, P 304, P 318, P 330, P 350, P 352, P 370, P 372 (Besonderheiten von Verstexten). Themavokal: A 2 (Verschmelzung mit Flexiv beim Adj.); V 9 (-o-, Konj.); V 168 (besondere Verben allg.); V 200 (tuen); V 203 A. 1 (tuen, Präs.). Thüringisch: S 1 (Nebensilbenvokalzeichen ‹i›); P 20 (r-lose Formen: mī, dī, wī, ī); P 29 A. 1 (iche ‚ich‘); P 51 (he ‚er‘); P 41, P 61, P 65, P 68, P 76, P 90, P 266 (gerun‑ dete Formen des anaphor. Pron.); P 108, P 113 (we, wi ‚wer‘, swe, swie); P 138–P 139 (di, die ‚der‘); P 143 (dęme ‚dem‘); P 197 (dit ‚dies‘); P 202 (gin-, gien-, gen‚jener‘); P 331 (ixlich ‚jeder‘); N 49 (dirte ‚dritte‘); V 25, V 36, V 109 A. 3, V 224 (n-loser Inf.).  – Vgl. Ostmitteldeutsch, Hessisch-Thüringisch. u-Stamm (ehem.): S 18, S 32, S 42 (Sg.); S 66 (Pl.-Kasus). Umlaut: S 3, S 4 A. 5, S 12–S 13; S 42, S 47, S 49 (Sg.); S 64 (ehem. Wurzelnomen: Fem. naht: Pluralkasus); S 65, S 69 (Pl.-Kasus); S 70, S 75–S 77, S 83–S 84 (Pl.); S 88 (Genus); A 37 (in der Klasse 2, Bsp. süeȥe); A 39 (Umlautschreibung im Obd. und Md.); A 91–A 92 (ausgelöst vom Flexiv iu); A 157 (beim Adjektivadverb); P 31, P 240 (u > ü in obd. ünsich,

1088

VIII. Anhang

übetragen auf üns, ünser); P 8, P 36, P 127 u. A. 1, P 167, P 248, N 8, N 24–N 25 (nicht umgelautetes iu); P 132, P 215 (bewirkt durch ahd. -līh); P 200 (jėner mit Primärumlaut-ė); P 215, P 312, N 8 (Umlautbezeichnung); P 318 (bewirkt durch ahd. -īg); P 357 u. A. 1, P 359–P 360, P 374 (Primär- u. Sekundärumlaut bewirkt durch -iu in ėlliu, älliu, ėnd(e) riu); N 21–N 22 (Sekundärumlaut in ėhtewe, ėhtüwe, ėht(e), æht(e)); V 11–V 12 (Verb allg.); V 16 (Konj.Präs.); V 20 (Konj.Prät.).  – Vgl. ‚Rückumlaut‘. Umlautbezeichnung, -kennzeichnung, -markierung: V 12 (allg.); V 16 (Modus); V 19 (Sg.Konj.Prät.); V 78–V 85 (‚Rü‑ ckumlaut‘); V 176 (Prät.-Präs.); V 185 (bunnen); V 187 (kunnen); V 188 (durfen); V 190 (soln); V 191 (mügen); V 192 (müeȥen). Umlautlosigkeit, -nichtbezeichnung: V 10 (Konj.Präs.); V 24 (Endungsflexivik, allg.); V 74–V 75 (‚Rückumlaut‘); V 106–V 107, V 112 (stv. VI, VII Präs.); V 116 (2.Sg.Ind.Prät. stv.). Unflektierte (bzw. endungslose) Form: S 17, S 20–S 22, S 34–S 35, S 45–S 46 (Nom./ ​ Akk.); S 27, S 29 (Gen.Sg.); S 36–S 37 (Dat. Sg.); S 53 (besondere Fem., Sg.); S 30–31 (besondere Mask., Sg.); S 63, S 66–S 68 (Pl.-Kasus); S 70–S 74, S 82 A. 2 (Pl.); S 87–S 88 (Genus); S 96 (Personennamen); V 14 (Modusopposition durch Apokope); V 21 (Sg.Imp. j-Präsentien); V 35 (Inf., Verbalsubstantiv); V 39 A. 6 (Part.Präs.); V 41 A. 1 (Part.Prät. stv.); V 42 A. 4 (Part. Prät. swv.); V 43–V 44 (1.Sg.Ind.Präs.); V 47–V 49 (Sg.Imp.); V 50 (3.Sg.Ind.Präs.); V 55 (1./ ​3.Sg.Ind.Prät. stv.); V 56 (2.Sg. Ind.Prät.); V 57 (1./ ​3.Sg.Konj.Prät. stv.); V 59 (1./ ​3.Sg.Prät. swv.); V 72 (Part.Präs. swv.); V 79 (Part.Prät. bei ‚Rückumlaut‘ ė  – a); V 168 (Prät.-Präs. 1./ ​3.Sg.Ind. Präs.); V 176 (Prät.-Präs. allg.); V 178 (Prät.-Präs. Imp.); V 179 (Prät.-Präs. Präs.); V 180 (Prät.-Präs. Prät.); V 193–V 195 (wėllen); V 201–V 202 (tuen); V 210–V 211 (gān/ ​gēn); V 216–V 217 (stān/ ​ stēn); V 224 A. 8 (haben); V 232 (Inf. lāȥen).  – Vgl. Flexivlosigkeit.

verba pura: V 229 A. 2 (haben); V 251 A. 2 (bæhen). Vokalalternation: V 13, V 17 (Ind. vs. Konj. allg.); V 15 (Wechselflexion stv. II, IIIb, IV, V); V 87 (sekundäre Tempus‑ stämme); V 89–V 97 (stv. II iu  – ie); V 147 (stv. VI allg.); V 177 (Prät.-Präs.); V 196 (wėllen). Vokalassimilation: V 29 A. 2 (‹a›); V 28 A. 1 (‹o›); V 40 A. 7 (ge- beim Part.Prät.). Vokalwechsel: V 6 (ehem. reduplizierende Verben, stv. VII); V 22 (Verben allg.); V 74 (‚Rückumlaut‘); V 125 (stv. VII Sg. Ind.Präs.); V 176 (Prät.-Präs. allg.); V 181 (wiȥȥen); V 183 (tugen); V 193, V 196 (wėllen); V 200 (tuen). Wackernagelstellung: A 33. wa-Stamm (ehem.): S 18, S 32; S 7 (Neben­ silbenabschwächung); S 20, S 34 (Stamm‑ varianz); S 71 A. 11 (-e-Plural vs. endungsloser Plural). Wechselflexion: V 3 (allg.); V 15 (Def.); V 43–V 44 (Sg.Ind.Präs. u. 1./ ​3.Sg.Konj. Präs.); V 87 (Stammflexivik stv.); V 89–V 90 (stv. II); V 96–V 97 (stv. IIIb, IV, V, Sg.Präs.); V 102 (stv. V, komen); V 103 (stv. V, quęden); V 110 (stv. VII, vān/ ​vāhen, hān/ ​hāhen); V 152 (stv. VIIa); V 239 (kontrah. Verben, -ėge-/ ​-ęge-); V 240 (kontrah. Verben, pflęgen); V 242 (kontrah. Verben, quęden); V 244 (kontrah. Verben, gęben); V 249 (kon‑ trah. Verben, -ęhe-). Westmitteldeutsch: S 7 (Nebensilbenvokal‑ zeichen ‹i›); S 9 (Konsonantenzeichen in Flexiven); S 22 A. 1 (Synkope im Akk.Sg. Mask.); S 23, S 36 (Apokope von Dativ -e); S 48 (Dat.Sg.Fem.); S 50 (Gen.Sg. Fem.); S 59–S 60 (Gen.Pl.); S 71, S 79–S 82, S 85 (Pl.); S 89 (Genusvariation); S 98 (Personennamen); P 27 (früher Ersatz von iu Dat. durch iuch); P 88 (irre, irer Gen.Pl.); P 116, P 118 (nur (n)ieman, nicht -men); P 124 (iet = iht); P 179, P 237 (-re Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); P 222 (suslich); P 245 (unser Gen./ ​Dat.Sg.Fem., Gen.Pl.); P 269 (wielich ‚welch‘); P 330 (ielich ‚jeder‘); N 14 (vonf ‚5‘); N 17–N 19 (hs > ss in ses ‚6‘); N 22 (eht(e) ‚8‘); N 31

5. Sachregister

(zwolf ‚12‘); N 41 (dūsent ‚1000‘); N 57 (Ordinalzahlen nach Definitartikel im Dat.Sg.Mask./ ​Neutr. oft stark flektiert); N 61 (Multiplikativa mit warbe, wėrbe, węrf).  – Vgl. Rheinfränkisch-Hessisch, Mitteldeutsch, Mittelfränkisch. Westoberdeutsch: S 17 (Kasusnivellierung); S 20, S 45 (Stammvarianz).  – Vgl. Alemannisch, Oberdeutsch. wō-Stamm (ehem.): S 42; S 7 (Nebensilben‑ abschwächung); S 59 (Gen.Pl.); S 70, S 79 (Pl.). Wortbildung: S 81 A. 8 (Genus; Suffixkon‑ kurrenz -e/ ​-er); S 89 (Genus); P 47 A. 1 (hęr Kompromissbildung?); P 129 (ęte(s)węr); P 132 (Bildungen mit -(ge)līch ‚jeder‘); P 200, P 202 A. 4 (‚jener‘-Prono‑ mina); P 222 (suslich); P 268 (wielich);

1089

P 305 A. 1 (ėinic); P 334 (ieteslich, iet(e)lich, ieslich); P 342 (ietwęder); N 28, N 30, N 33–N 34, N 42–V 43, N 48–N 50, N 52 (Zahlwortbildungen). Wurzelnomen: S 10, S 14, S 18, S 42, S 51, S 62, S 64. Wurzelverb: V 7, V 168, V 198–V 199 (allg.); V 200–V 204 (tuen); V 205–V 207 (sīn); V 208–V 213 (gān/ ​gēn); V 214–V 219 (stān/ ​ stēn); V 221 (Vorbild für kontrah. Verben); V 222, V 224 (Analogie haben/ ​ hān). Zahl u. Zahlwort s. Numeralia. Zwischenvokal: V 66 (Stammbildung swv.); V 69 A. 1 (swv., Prät.); V 71–V 72 (swv., Klassen); V 74–V 77 (Verben mit ‚Rückumlaut‘).  – Vgl. Bindevokal, Nebensilbenvokalismus.

westmitteldeutsch

hessisch-thüringisch

2

12

ArnM, RBib

TrPs



2

12

Aegi

PrFr



1

13

RhMl, RhTun

VatG



1

13

GRud, AlxS

PrMK



rheinfränkisch-hessisch

2

13

AthP

mittelfränkisch

ostmitteldeutsch

2

13

Lilie, KuG

Lilie, Brig

Köln

Himlf

SalH, PrM



2

13



MüRB, JMar



1

14

Yol, Göll

Taul, BuMi

Köln

Elis, Erlös, PrRei

OxBR, Hleb

Mainz

1

14

LuKr, HTri, Pass

BeEv, MBeh

Jena

ostfränkisch 1

11/112

1

Vers

13

12

GnaÜ, SBNü, WüPo

LEnt, Scop

PrZü, Muri



Nürnb bairisch

Ezzo/Mem, Meri, RPaul

obd. 2

Renn, Lupo

ostalemannisch-westbairisch (alem.-bair. Übergangsraum)

alemannisch 2

14

Will, WNot, BaGB/HuH Mess

Spec, WMEv



Kchr, HLit

Phys, Wind



Iw, Nib, Parz, Tris

obd. 1

13

Flor, TriF

TrHL, Luci





ZwBR, Hoff



Mar, Hchz

PrMi, PrPa



2

13

RWchr, RWh

SwSp, PrSch

Freib

Wins

DvATr, StBA

Augsb

Diet, Lieht

BKön, Bart



1

14

Rapp, Mart

NikP

Freib

Türh

Baum, Hartw

Augsb

MMag

Rupr, ObEv

Lands

Prosa

Urkunde

V = Vers P = Prosa U = Urkunde Aegi AlxS ArnM AthP BaGB Bart Baum BeEv BKön Brig BuMi Diet DvATr Elis Erlös Ezzo Flor GnaÜ Göll GRud Hartw Hchz Himlf Hleb HLit Hoff HTri HuH Iw JMar Kchr KuG LEnt Lieht

Trierer Aegidius ²12, hess.-thür., V Straßburger Alexander ¹13, hess.-thür., V Arnsteiner Mariengebet ²12, wmd. (nrhfrk.), V Athis u. Prophilias ²13, omd. (hess.-thür.), V Bamberger Glaube u. Beichte ²11/¹12, obd. (ofrk.), P Bartholomäus ²13, bair., P Baumgarten geistl. Herzen ¹14, schwäb., P Berliner Evangelistar ¹14, omd., P Buch der Könige ²13, bair., P Amtleutebuch St. Brigiden ²13, mfrk., P Buch der Minne ¹14, mfrk., P Dietrichs Flucht ²13, bair., V David von Augsburg, Traktate ²13, alem.-bair., P Leben d. hl. Elisabeth ¹14, hess., V Die Erlösung ¹14, hess., V Ezzos Gesang ²11/¹12, obd., V Flore und Blancheflur ¹13, alem., V Christine Ebner: Von der Gnaden Überlast ¹14, ofrk., P Schlacht bei Göllheim ¹14, mfrk., V Graf Rudolf ¹13, hess.-thür., V Hartwig von dem Hage ¹14, schwäb., V Die Hochzeit ¹13, bair., V Rhfrk. Marienhimmelfahrt ²13, rhfrk.-hess., V Hermann von Fritzlar: Heiligenleben ¹14, hess., P Heinrich: Litanei ²12, bair., V Hoff mannsche Predigten ¹13, ostalem.-bair., P Heinrich v. Freiberg: Tristan ¹14, omd., V Himmel und Hölle ²11/¹12, obd. (ofrk.), P Iwein ¹13, obd., V Jenaer Martyrologium ²13, omd. (thür.), P Kaiserchronik ²12, bair., V Karl und Galie ²13, mfrk., V Linzer Entechrist ²12, alem., V U.v.Liechtenstein: Frauendienst ²13, bair., V

Luci LuKr Lupo Mar Mart MBeh Mem Meri Mess MMag MüRB Muri Nib NikP ObEv OxBR Parz Pass Phys PLilie PrFr PrM PrMi PrMK PrPa PrRei PrSch PrZü Rapp RBib Renn RhMl RhTun RPaul Rupr

Lucidarius ¹13, alem., P Landgraf Ludw. Kreuzfahrt ¹14, omd., V Lupold Hornburg: Reden ¹14, ofrk., V Priester Wernher: Marienleben ¹13, bair., V Hugo v. Langenstein: Martina ¹14, alem., V Matthias Beheim: Evang.buch ¹14, omd., P Memento mori ²11/¹12, obd. (alem.), V Merigarto ²11/¹12, obd. (bair.), V Deutung der Messgebräuche ²12, ostalem.-bair., V Maria Magdalena ¹14, bair., V Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ²13, omd. (nthür.), P Gebete aus Muri ²12, alem., P Nibelungenlied ¹13, obd., V Nikolaus v.Straßburg: Predigten ¹14, alem., P Oberaltaicher Evangelistar ¹14, bair., P Oxforder Benediktinerregel ¹14, rhfrk.-hess. (nrhfrk.), P Parzival ¹13, obd., V Passional ¹14, omd., V Physiologus ²12, bair., P Die Lilie ²13, mfrk., P Frankfurter Predigtfragmente ²12, hess.-thür., P Mitteldt. Predigten (Fr, G, H1) ²13, rhfrk.-hess., P Millstätter Predigten ¹13, bair., P Mitteldeutsche Predigten (K) ¹13, omd., P St. Pauler Predigten ¹13, bair., P Hess. Reimpredigten ¹14, hess., V Schwarzwälder Predigten ²13, alem., P Zürcher Predigten ²12, alem., P Rappoltsteiner Parzival ¹14, alem., V Mittelfrk. Reimbibel ²12, wmd. (mfrk.-nfrk.), V Hugo v. Trimberg: Der Renner ¹14, ofrk., V Rheinisches Marienlob ¹13, wmd. (mfrk.), V Niederrheinischer Tundalus ¹13, wmd. (mfrk.-hess.), V Rheinauer Paulus ²11/¹12, obd. (alem.), V Ruprecht von Freising: Rechtsbuch ¹14, bair., P

RWchr RWh SalH SBNü Scop Spec StBA SwSp Taul TrHL TriF Tris TrPs Türh UAugsb1 UAugsb2 UFreib1 UFreib2 UJena UKöln1 UKöln2 ULands UMainz UNürnb VatG VLilie Will Wind Wins WMEv WNot WüPo Yol ZwBR

Rudolf. von Ems: Weltchronik ²13, alem., V Rudolf von Ems: Wilhelm ²13, alem., V Salomons Haus ²13, rhfrk.-hess., P Satzungsbuch Nürnberg ¹14, ofrk., P Scoph von dem Lone ²12, alem., V Speculum ecclesiae ²12, ostalem.-bair., P Augsburger Stadtbuch ²13, schwäb., P Schwabenspiegel ²13, alem., P Tauler, Predigten ¹14, mfrk., P St. Trudperter Hohelied ¹13, alem., P Tristan-Fragmente ¹13, alem., V Tristan ¹13, obd., V Trierer Psalmen ²12, wmd. (rhfrk.), P Ulrich von Türheim: Rennewart ¹14, schwäb., V Urkunden Augsburg ²13, schwäb., U Urkunden Augsburg ¹14, schwäb., U Urkunden Freiburg ²13, alem., U Urkunden Freiburg ¹14, alem., U Urkunden Jena-Weida ¹14, omd., U Urkunden Köln ²13, mfrk., U Urkunden Köln ¹14, mfrk., U Urkunden Landshut ¹14, bair., U Urkunden Mainz ¹14, rhfrk., U Urkunden Nürnberg ¹14, ofrk., U Vatikanische Gebete ¹13, wmd. (rhfrk.), P Die Lilie ²13, mfrk., V Williram v.Ebersberg: Hohelied ²11/¹12, obd. (ofrk.), P Windberger Psalter ²12, bair., P Winsbecke und Winsbeckin ²13, schwäb., V Wien-Münchener Evangelienharmonie ²12, schwäb., P Wiener Notker ²11/¹12, obd. (bair.), P Würzburger Polizeisätze ¹14, ofrk., P Yolande von Vianden ¹14, mfrk., V Zwiefaltener Benediktinerregel ¹13, ostalem.-bair., P