Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [57]

Table of contents :
Helmut Rascher, Die Kleiderstiftung des Wolfgang Münzer von 1577 1
Rainer Stahlschmidt, Das Messinggewerbe im spätmittelalterliehen
Nürnberg.................................................................................. 124
Theodor Gustav Werner, Die große Fusion der Zechen um den Rappolt
in Schneeberg unter Führung der Nürnberger von 1514 (II. Teil) . 150
Kurt Pilz, Bernhard Walther und seine astronomischen Beobachtungsstände
..................................................................................................... 176
Joachim Telle, Medizinische und handwerkliche Aufzeichnungen von
Willibald Pirckheimer und Nürnberger Zeitgenossen . . . .189
Gottfried S e e b a ß , Zwei Briefe von Andreas Osiander .... 201
Fritz Schnelbögl, Leben und Werk des Nürnberger Kartographen
Erhard Etzlaub (f 1532)................................................................... 216
August O r t e g e 1, Zum Nürnberger Waldplan von 1516 . . . 232
Rudolf E n d r e s , Zur Einwohnerzahl und Bevölkerungsstruktur Nürnbergs
im 15./l6. Jahrhundert................................................................242
Lore S p o r h a n und Theodor Wohnhaas, Zur Geschichte der
Offizin Fuhrmann-Sartorius-Külßner in Nürnberg 1574—1648 . 272
Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Im Schatten des Größeren. Friedrich
Feuerbach, Bruder und Gesinnungsgefährte Ludwig Feuerbachs 281
Ernst Deuerlein, 150 Jahre kommunale Selbstverwaltung in Nürnberg
1818—1968 ...................................................................................... 307
Walter L e h n e r t, Der unterirdische Gang in der Bauvereinstraße
nördlich von Wöhrd............................................................................... 344
Nachrufe
Dr. Wilhelm Kraft (1891—1969).................................................... 354
Dr. Josef Pfänner (1912—1969).................................................... 355
Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rüdeseite) . . .356
Neue Aufsätze zur Nürnberger Geschichte................................................. 397
Jahresbericht über das 92. Vereinsjahr 1969 ............................................. 398
BUCHBESPRECHUNGEN
Germania Sacra: Das Bistum Würzburg, Teil 2, Die Bischofsreihe von 1254 bis 1455,
bearb. von Alfred Wendehorst, Berlin 1969. (Rudolf Endres) . . . . 356
Erich Freiherr von Guttenberg: Urbare und Wirtschaftsordnungen des Domstifts
zu Bamberg, 1. Teil, aus dem Nachlaß hrsg. von Alfred Wendehorst,
Würzburg 1969. (Horst Pohl)................................................................................................ 357
Amd Müller: Geschichte der Juden in Nürnberg 1146—1945, Nürnberg 1968.
(Rudolf Endres)...................................................................................................................... 358
Otto Götz : Der Nürnberger Löwenkönigspfennig, 1965. (Werner Schultheiß) . . 360
Dietrich D e e g : Die Herrschaft der Herren von Heideck, Neustadt/Aisch 1968. (Horst
Pohl).................................................................................................................................... 362
Richard Kölbel : Die Reichsstadt Nürnberg im Zeitalter Karls IV., Nürnberg 1969.
(Werner Schultheiß)...............................................................................................................363
Wolfgang Götz: Zentralbau und Zentralbautendenz in der gotischen Architektur,
Berlin 1968. (Günther Bräutigam).........................................................................................364
Johannes de Turrecremata : Meditationes, hrsg. von Heinz Zirnbauer,
Wiesbaden 1968. (Elisabeth Rücker)................................................................................. 366
Kurt Pilz, Fernlieferungen nümbergischer Kunstwerke und kunsthandwerklicher Erzeugnisse
(13 50—1580), München 1968. (Helmut Häußler)............................................ 368
Hans Schenk : Nürnberg und Prag, Gießen 1969. (Werner Schultheiß) . . . . 369
Lore Sporhan-Krempel : Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und
1700, Nürnberg 1968. (Manfred Rühl)................................................................................. 370
Klaus Matthäus : Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens, Erlangen-Nürnberg
1968. (Dieter Schug)....................................................................................................... 372
Hanns Hubert Ho f m ann : Eine Reise nach Padua 1585. Drei fränkische Junker „uff
der Reiß nach Italiam", Sigmaringen und München 1969. (Horst Pohl) . . . 373
Richard P i 11 i o n i : Studien zur Industrie-Archäologie II: Der Holzschuher-Petzold-
Pokal des Jahres 1626, Wien-Köln-Graz 1969. (Heinrich Kunnert) .... 374
Gesellschaft und Herrschaft, hrsg. von Richard van Dülmen, München 1969. (Fritz
Schnelbögl).............................................................................................................................376
Barbara G o y : Aufklärung und Volksfrömmigkeit in den Bistümern Würzburg und
Bamberg, Würzburg 1969. (Walter Lehnert).................................................................. 377
Ekkehard Wiest : Die Entwicklung des Nürnberger Gewerbes zwischen 1648 und
1806, Stuttgart 1968. (Wolfgang von Stromer).................................................................. 377
Georg Hetzelein : Goethe reist durch Franken, Nürnberg 1968. (Fritz Schnelbögl) 380
Hugo Eckert : Liberal- oder Sozialdemokratie. Frühgeschichte der Nürnberger Arbeiterbewegung,
Stuttgart 1968. (Gerhard Hirschmann)...............................................3 81
125 Jahre Industrie- und Handelskammer Nürnberg 1843—1968, hrsg. von der Industrie-
und Handelskammer Nürnberg, Nürnberg 1968. (Otto Nübel) . . . 383
Franz St eff an : Bayerische Vereinsbank 1869—1969, Würzburg 1969. (Leo Schuster) 384
Dietrich von Wurmb: Die städtebauliche Entwicklung Nürnbergs von 1806 bis
1914, München 1969. (Herbert Puchner)..................................................................... 386
Hermann Wilhelm : Erinnerungen I 1900—1931, Bilder 1916—1962, Nürnberg 1969.
(Wilhelm Schwemmer)...............................................................................................................387
Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Heft 14: Lauf-Hersbruck, bearb. von
Wilhelm Schwemmer und Gustav V o i t, München 1967. (Gerhard Hirschmann)
....................................................................................................................................389
VI
Georg Rusam : St.Jobst in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von der Evang.-luth.
Kirchengemeinde Nümberg-St. Jobst, Nürnberg 1969. (Wilhelm Schwemmer) . . 390
Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 29, hrsg. vom Institut für Fränkische Landesforschung
an der Universität Erlangen-Nürnberg, 1969. (Walter Lehnert) . . 391
Hugo S t e g e r : Sprachraumbildung und Landesgeschichte im östlichen Franken, Neustadt/
Aisch 1968. (Herbert Maas).........................................................................................392
Jutta S c h ö d e 1 : Die Mundart des Rezat-Altmühl-Raumes. Eine lautgeographischhist.
Untersuchung, Nürnberg 1967. (Fritz Schnelbögl)....................................................393
Herbert Maas: Mausgesees und Ochsenschenkel. Kleine nordbayerische Ortsnamenkunde,
Nürnberg 1969. (Fritz Schnelbögl)..........................................................................394
Hanns Hubert H o f m a n n : Kaiser Karls Kanalbau, Sigmaringen-München 1969.
(Gerhard Hirschmann)........................................................................................................395
Schweinfurter Heimatkundliches Wörterbuch, bearb. von Erich Saffert, Schweinfurt 1959.
(Walter Lehnert)...................................................................................................................... 395
Festschrift für Heinrich Kunnert, Burgenländische Forschungen, hrsg. vom Burgenländischen
Landesarchiv, Eisenstadt 1969. (Fritz Schnelbögl).............................................. 396

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

57. Band 1970

Nürnberg 1970 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Sdiriftleitung: Dr. Gerhard Hirschmann, Dr. Fritz Schnelbögl, Dr. Werner Schultheiß

Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich. Der Verein dankt für Drudezuschüsse der Stadt Nürnberg, der Stadtsparkasse Nürnberg und dem Bezirkstag von Mittelfranken. Gesamtherstellung Buchdruckerei Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch. Klischees: Firma Döss, Nürnberg Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: 85 Nürnberg, Egidienplatz 23—27)

INHALT Helmut Rascher, Die Kleiderstiftung des Wolfgang Münzer von 1577

1

Rainer Stahlschmidt, Das Messinggewerbe im spätmittelalterliehen Nürnberg.................................................................................. 124 Theodor Gustav Werner, Die große Fusion der Zechen um den Rappolt in Schneeberg unter Führung der Nürnberger von 1514 (II. Teil) .

150

Kurt Pilz, Bernhard Walther und seine astronomischen Beobachtungs­ stände ..................................................................................................... 176 Joachim Telle, Medizinische und handwerkliche Aufzeichnungen von Willibald Pirckheimer und Nürnberger Zeitgenossen . . . .189 Gottfried S e e b a ß , Zwei Briefe von Andreas Osiander ....

201

Fritz Schnelbögl, Leben und Werk des Nürnberger Kartographen Erhard Etzlaub (f 1532)................................................................... 216 August O r t e g e 1, Zum Nürnberger Waldplan von 1516

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232

Rudolf E n d r e s , Zur Einwohnerzahl und Bevölkerungsstruktur Nürn­ bergs im 15./l6. Jahrhundert................................................................242 Lore S p o r h a n und Theodor Wohnhaas, Zur Geschichte der Offizin Fuhrmann-Sartorius-Külßner in Nürnberg 1574—1648 . 272 Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Im Schatten des Größeren. Fried­ rich Feuerbach, Bruder und Gesinnungsgefährte Ludwig Feuerbachs

281

Ernst Deuerlein, 150 Jahre kommunale Selbstverwaltung in Nürn­ berg 1818—1968 ...................................................................................... 307 Walter L e h n e r t, Der unterirdische Gang in der Bauvereinstraße nördlich von Wöhrd............................................................................... 344 Nachrufe Dr. Wilhelm Kraft (1891—1969).................................................... Dr. Josef Pfänner (1912—1969).................................................... Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rüdeseite)

.

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354 355

.356

Neue Aufsätze zur Nürnberger Geschichte................................................. 397 Jahresbericht über das 92. Vereinsjahr 1969 .............................................

398

BUCHBESPRECHUNGEN Germania Sacra: Das Bistum Würzburg, Teil 2, Die Bischofsreihe von 1254 bis 1455, bearb. von Alfred Wendehorst, Berlin 1969. (Rudolf Endres) . . . .

356

Erich Freiherr von Guttenberg: Urbare und Wirtschaftsordnungen des Dom­ stifts zu Bamberg, 1. Teil, aus dem Nachlaß hrsg. von Alfred Wendehorst, Würzburg 1969. (Horst Pohl)................................................................................................ 357 Amd Müller: Geschichte der Juden in Nürnberg 1146—1945, Nürnberg 1968. (Rudolf Endres)...................................................................................................................... 358 Otto Götz : Der Nürnberger Löwenkönigspfennig, 1965. (Werner Schultheiß)

.

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360

Dietrich D e e g : Die Herrschaft der Herren von Heideck, Neustadt/Aisch 1968. (Horst Pohl)..................................................................................................................................... 362 Richard Kölbel : Die Reichsstadt Nürnberg im Zeitalter Karls IV., Nürnberg 1969. (Werner Schultheiß)...............................................................................................................363 Wolfgang Götz: Zentralbau und Zentralbautendenz in der gotischen Architektur, Berlin 1968. (Günther Bräutigam).........................................................................................364 Johannes de Turrecremata : Meditationes, hrsg. von Heinz Zirnbauer, Wiesbaden 1968. (Elisabeth Rücker)................................................................................. 366 Kurt Pilz, Fernlieferungen nümbergischer Kunstwerke und kunsthandwerklicher Er­ zeugnisse (13 50—1580), München 1968. (Helmut Häußler)............................................ 368 Hans Schenk : Nürnberg und Prag, Gießen 1969. (Werner Schultheiß) .

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369

Lore Sporhan-Krempel : Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und 1700, Nürnberg 1968. (Manfred Rühl)................................................................................. 370 Klaus Matthäus : Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens, Erlangen-Nürn­ berg 1968. (Dieter Schug)....................................................................................................... 372 Hanns Hubert Ho f m ann : Eine Reise nach Padua 1585. Drei fränkische Junker „uff der Reiß nach Italiam", Sigmaringen und München 1969. (Horst Pohl) . . .

373

Richard P i 11 i o n i : Studien zur Industrie-Archäologie II: Der Holzschuher-PetzoldPokal des Jahres 1626, Wien-Köln-Graz 1969. (Heinrich Kunnert) ....

374

Gesellschaft und Herrschaft, hrsg. von Richard van Dülmen, München 1969. (Fritz Schnelbögl)..............................................................................................................................376 Barbara G o y : Aufklärung und Volksfrömmigkeit in den Bistümern Würzburg und Bamberg, Würzburg 1969. (Walter Lehnert).................................................................. 377 Ekkehard Wiest : Die Entwicklung des Nürnberger Gewerbes zwischen 1648 und 1806, Stuttgart 1968. (Wolfgang von Stromer).................................................................. 377 Georg Hetzelein : Goethe reist durch Franken, Nürnberg 1968. (Fritz Schnelbögl)

380

Hugo Eckert : Liberal- oder Sozialdemokratie. Frühgeschichte der Nürnberger Ar­ beiterbewegung, Stuttgart 1968.(Gerhard Hirschmann)...............................................3 81 125 Jahre Industrie- und Handelskammer Nürnberg 1843—1968, hrsg. von der In­ dustrie- und Handelskammer Nürnberg, Nürnberg 1968. (Otto Nübel) . . .

383

Franz St eff an : Bayerische Vereinsbank 1869—1969, Würzburg 1969. (Leo Schuster)

384

Dietrich von Wurmb: Die städtebauliche Entwicklung Nürnbergs von 1806 bis 1914, München 1969. (Herbert Puchner)..................................................................... 386 Hermann Wilhelm : Erinnerungen I 1900—1931, Bilder 1916—1962, Nürnberg 1969. (Wilhelm Schwemmer)...............................................................................................................387 Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Heft 14: Lauf-Hersbruck, bearb. von Wilhelm Schwemmer und Gustav V o i t, München 1967. (Gerhard Hirsch­ mann) ..................................................................................................................................... 389

VI

Georg Rusam : St.Jobst in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von der Evang.-luth. Kirchengemeinde Nümberg-St. Jobst, Nürnberg 1969. (Wilhelm Schwemmer) . .

390

Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 29, hrsg. vom Institut für Fränkische Lan­ desforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg, 1969. (Walter Lehnert) . .

391

Hugo S t e g e r : Sprachraumbildung und Landesgeschichte im östlichen Franken, Neustadt/Aisch 1968. (Herbert Maas).........................................................................................392 Jutta S c h ö d e 1 : Die Mundart des Rezat-Altmühl-Raumes. Eine lautgeographischhist. Untersuchung, Nürnberg 1967. (Fritz Schnelbögl)....................................................393 Herbert Maas: Mausgesees und Ochsenschenkel. Kleine nordbayerische Ortsnamen­ kunde, Nürnberg 1969. (Fritz Schnelbögl)..........................................................................394 Hanns Hubert H o f m a n n : Kaiser Karls Kanalbau, Sigmaringen-München 1969. (Gerhard Hirschmann)........................................................................................................395 Schweinfurter Heimatkundliches Wörterbuch, bearb. von Erich Saffert, Schweinfurt 1959. (Walter Lehnert)...................................................................................................................... 395 Festschrift für Heinrich Kunnert, Burgenländische Forschungen, hrsg. vom Burgen­ ländischen Landesarchiv, Eisenstadt 1969. (FritzSchnelbögl).............................................. 396

VII

VERZEICHNIS DER MITARBEITER Bräutigam, Günther, Dr. Konservator, 85 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Deuerlein, Ernst, Dr. Hochschulprof., 8 München 55, Oberauerstraße 9 Endrcs, Rudolf, Dr., Studienrat, 852 Erlangen, Dechsendorfer Straße 2 Häußler, Helmut, Dr., 85 Nürnberg, Stadtarchiv, Egidienplatz 23 Hirschmann, Gerhard, Dr. Archivdirektor, 85 Nürnberg, Stadtarchiv, Egidienplatz 23 Kantzenbach, Friedrich Wilhelm, Dr. Hochschulprof., 8806 Neuendettelsau, Meisenweg 14 Kunnert, Heinrich, Dr., wirkl. Hofrat i. R., Leoben, Kärntner Straße 237/18 L e h n e r t, Walter, Dr., Archivrat, 8 5 Nürnberg, Stadtarchiv Maas, Herbert, Dr. Oberstudienrat, 85 Nürnberg, Kachletstraße 45 Nübel, Otto, Dr., Assistent, 85 Nürnberg, Westtorgraben 11 Ortegel, August, Oberforstmeister i. R., 85 Nürnberg, Jochensteinstraße 14 Pilz, Kurt, Dr. Konservator i. R., 85 Nürnberg, Gabrielistraße 9 Pohl, Horst, Dr., 85 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Puchner, Herbert, Dipl.-Ing., Baurat, 85 Nürnberg, Treitschkestraße 7 Pu ebner, Otto, Dr., Archivdirektor, 85 Nürnberg, Staatsarchiv, Archivstraße 17 Rascher, Helmut, Dipl.-Kfm., 85 Nürnberg, Neutorgraben 1 Rücker, Elisabeth, Dr., Bibl.-Dir., 85 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Rühl, Manfred, Dr., Assistent, 85 Nürnberg, Weiserstraße 69a Schnelbögl, Fritz, Dr. Archivdirektor i. R., 85 Nürnberg, Blumröderstraße 9 Schug, Dieter, Dr. Bibliotheksrat, 85 Nürnberg, Egidienplatz 23 Schultheiß, Werner, Dr. Archivdirektor i. R., 85 Nürnberg, Moosstraße 14 Schuster, Leo, Dr. Dipl.-Kfm., 85 Nürnberg, Klopstockstraße 12 Schwemmer, Wilhelm, Dr. Direktor der städt. Kunstsammlungen i. R., 85 Nürnberg, Lindenaststraße 63 Seebaß, Gottfried, Dr. theol., Pfarrer, 852 Erlangen, Jean-Paul-Straße 7 Sporhan-Krempel, Lore, Dt., 7 Stuttgart-Vaihingen, Stoßäckerstraße 14 v.

Stromer,

Wolfgang, Frhr., Dr., Univ.-Dozent, 85 Nürnberg, Roonstraße 13

Stahlschmidt, Rainer, Dr. phil., 463 Bochum, Laerholzstraße 40 Telle, Joachim, cand. phil., 69 Heidelberg-Schlierbach, Obere Rombach 3 Werner, Theodor Gustav, 8 München 13, Schellingstraße 100 Wohnhaas, Theodor, Dr. Oberkonservator, 852 Erlangen, Hartmannstraße 89

VIII

DIE KLEIDERSTIFTUNG DES WOLFGANG MÜNZER VON 1577*

Von Helmut Rascher Vorwort Der Altdorfer Professor der Rechte Dr. Johann Christian Siebenkees beginnt die Vorrede zum ersten Teil seiner „Nachrichten von Armenstiftungen in Nürnberg" *1 mit den Worten: „Wohlthätigkeit gegen Dürftige und Hang, seinen Namen durch Stiftungen zu verewigen, gehört unter die charakteristi­ schen Züge der Bewohner Nürnbergs. Vielleicht hat keine Teutsche Stadt so viele und so wichtige Stiftungen für Arme, für Kirchen, für Schulen und für Studirende, als Nürnberg. Wenn man den gesammelten Fonds derselben über­ sehen könnte, so würde man erstaunen." Aus dieser Vielzahl der Nürnberger Stiftungen wurde die Kleiderstiftung des Wolfgang Münzer herausgegriffen. In der Literatur fanden sich nur wenige dürftige Hinweise auf die Stiftung, deren Angaben zum Teil sogar falsch sind. Dagegen ließ schon die erste Sichtung des äußerst reichhaltigen Quellenmaterials eine Untersuchung als lohnend und wünschenswert erscheinen, und zwar ein­ mal im Hinblick auf die Originalität der Entstehung und des Gegenstandes der Stiftung, ferner in Anbetracht der Tatsache, daß die Stiftung über vier Jahrhunderte hinweg trotz vieler regionaler und überregionaler Ereignisse, die an ihrer Substanz zehrten, ihre Lebens- und Leistungsfähigkeit nahezu in vollem Umfang erhalten konnte, sowie schließlich auch in Würdigung ihrer bis in die Jetztzeit hineinreichenden sozialen Bedeutung und Aktualität. Es ergab sich darüber hinaus noch die Möglichkeit, nahezu absolute Preis- und Lohn­ vergleiche anstellen zu können, da die Stiftungskleidung nach dem Willen des Stifters weder in Zusammensetzung noch Qualität variiert werden durfte. Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit bestand darin, das Quellenmaterial syste­ matisch durchzuarbeiten und ein umfassendes Ergebnis dieser Untersuchung vorzulegen. Diese erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Jahrhunderten, und zwar vom Jahr 1555, in welchem Wolfgang Münzer sein Testament, das die Stiftung enthält, verfaßte, bis zum Ende der Stiftung im Jahre 1966. Als Stiftungsbeginn wird außer dem Jahr 1555 auch 1577 angegeben, was sich damit erklären läßt, daß Münzer am 29. Mai 1577 starb, sein Testament also erst zu dieser Zeit in Kraft trat. Das Quellenstudium ließ es sinnvoll erscheinen, die Stiftung mit 1577 zu datieren. Diese Arbeit wurde als Diplomarbeit bei der 6. Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg eingereicht. Referent: Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Frhr. Stromer von Reichenbach. 1 Siebenkees, Nachrichten von Armenstiftungen in Nürnberg, Nürnberg 1792.

1

MVGN 57 (1970) Münzersche Kleiderstiftung

In Dankbarkeit gedenke ich des von mir hochverehrten Herrn Prof. Dr. Götz Frhr. von Pölnitz, unter dem ich diese Arbeit begann. Zum Abschluß brachte ich sie unter der Leitung von Herrn Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Frhr. Stromer von Reichenbach, dem ich auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank für seine so wohlwollende Unterstützung aussprechen möchte. Danken möchte ich ferner den Herren Archivdirektoren Dr. Werner Schult­ heiß vom Stadtarchiv Nürnberg, Dr. Fritz Schnelbögl vom Staatsarchiv Nürn­ berg und Dr. August Stengel vom Staatsarchiv Bamberg für ihre freundliche Hilfe, die für mich sehr wertvoll war. Herrn Archivdirektor Dr. Gerhard Hirschmann und Herrn Archivamtmann Albert Bartelmeß vom Stadtarchiv Nürnberg fühle ich mich sehr zu Dank verpflichtet für die uneigennützige Beratung, die sie mir jederzeit zuteil wer­ den ließen. Ganz besonderen Dank spreche ich hiermit den leitenden Herren des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg aus, die die Aufnahme des Abdruckes in ihre Mitteilungen ermöglichten.

2

MVGN 57 (1970) Münzersche Kleiderstiftung

INHALTSVERZEICHNIS Seite Vorwort........................................................................................................................................

1

I. Der Stifter Wolfgang Münzer (1524—1577) und seine Familie..................................

4

II. Die Stiftung 1. Das Testament von 1555 als Stiftungsbrief............................................................ 2. Die Stiftung im Rahmen der Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen.....................

19 28

III. Die Stiftungsexecution 1. Die Testamentsvollstreckung..................................................................................... 2. Die Stiftungsordnung.................................................................................................. 3. Stiftungsverwaltung und Stiftungsausteilung............................................................

32 42 49

IV. VermögensgesChiChte der Stiftung von 1579 bis 1806 1. Das Rechnungswesen.................................................................................................. 2. Die Ausgaben der Stiftung.......................................................................................... 3. Kapitalanlage und Kapitalentwicklung....................................................................

58 59 67

V. Die Reform des Stiftungswesens in Nürnberg um die Wende des 19. Jahrhunderts

81

VI. Die Stiftung nadi 1806 1. Die Zeit der Extraditionen (1808—1818)................................................................ 2. Die Vermögensentwicklung von 1819 bis 1923 ........................................................ 3. Die Ausrichtung der Stiftung von 1808 bis 1923 ................................................... 4. Die letzte Phase der Stiftungsgeschichte von 1923 bis 1966 ..................................

86 102 104 110

VII. Schlußbetrachtung................................................................................................................

113

Abbildungen.......................................................................................................................

113

Beilagen: 1. Stammtafel der Familie Münzer 2. Auszug aus dem Verkaufsregister von 1577 3. Übersicht über die Zahl der Stiftungsgenossen von 1580 bis 1935

115 116 118

Quellen- und Literaturverzeichnis..........................................................................................

120

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen.............................................................................

123

Verzeichnis der Abbildungen..................................................................................................

123

3

MVGN 57 (1970) Münzersche Kleiderstiftung

I. Der Stifter Wolfgang Münzer (1524—1577) und seine Familie Bei den ersten Überlegungen und Erwägungen zum Thema drängen sich zu­ nächst die Fragen auf: Wer war eigentlich dieser Wolfgang Münzer \ dessen Kleiderstiftung Gegen­ stand der vorliegenden Abhandlung sein soll? Welche Zeitspanne des 16. Jahr­ hunderts umfaßte sein Leben, aus welcher Familie stammte er, wie verlief sein Leben? Die Antwort darauf war nicht leicht zu finden. Ein auf Forschung beruhen­ der, zusammenfassender Bericht ist weder in Nürnberg noch in Bamberg bei den einschlägigen Stellen1 2 bekannt. Es blieb also nur die eine Möglichkeit, die Ur­ kundenforschung auch auf die Person Münzers auszudehnen. Die Familie stammt aus Bamberg. Wie aus einer Inschrift auf dem Grabmal der Münzer auf dem Johannisfriedhof zu Nürnberg hervorgeht, war diese ein Geschlecht, „Quae per quingentos Bambergae floruit annos perpetuo claris nobilitata viris", „das durch fünf Jahrhunderte in Bamberg blühte, alle Zeit berühmt durch hervorragende Männer". Im deutschen Adelslexikon sind die „Münzer" als fränkisches Adelsge­ schlecht aufgeführt, „welches von seinem Wohnsitz zu Bamberg und Nürnberg die Beinamen Münzer zu Bamberg, Münzer zu Nürnberg erhielt und nicht zu verwechseln ist mit dem oberpfälzischen Adelsgeschlecht v. Münzer, Münzer von Babenberg, wie schon das Wappenschild ergibt" 3. Müllner berichtet in seinen Annalen: „Ist ein Bambergisch Geschlecht, deßen gar alte Gedächtnuße sein in Unser frauen Pfarrkirch zu Bamberg4." In dieser Kirche befand sich das Erbbegräbnis der Familie Münzer. „Völlig rätselhaft bleibt ... die Herkunft der Münzer. Sie sind kurz nach 1300 nachzuweisen" 5 6und nicht zu verwechseln mit dem Geschlecht der Bamberger Münzmeister. Diese führten zwar um 1300 meist den Namen Münzer oder Monetarii, in den Jahren 1300—1330 vollzog sich jedoch eine Namens­ festigung zu Gunsten von Münzmeister. Die Zugehörigkeit aller Sprossen die­ ses Geschlechtes bezeugt das einheitliche Siegel mit den Streitkolben*. Die Angehörigen dieser Familie zählten zu den Hausgenossen, denen die Beauf­ sichtigung der Münze oblag. Neben diesen Münzmeistem gab es in Bamberg noch die Familie der Mün­ zer. Ihnen war die handwerkliche Tätigkeit — das Prägen der Münzen, das 1 In Anbetracht der unterschiedlichen Schreibweise von Vor- und Familienname — Wolfgang, Wolffgang, Wolff; Müntzer, Münzer, Münzer, Müntzer — war es erforderlich, sich auf eine davon festzulegen. Es wurde die Form „Wolfgang Münzer" gewählt, die sich in späteren Urkunden vornehmlich durchsetzte. 2 Stadtarchiv Nürnberg, Staatsarchiv Nürnberg, Stadtarchiv Bamberg, Staatsarchiv Bamberg, Historischer Verein Bamberg. 8 Kneschke, Deutsches Adelslexikon, Leipzig 1864, Bd. 6, S. 421. 4 StadtAN, Annales Müllneri, Tom. 2, fol. 295. 5 Ameth, Die Familiennamen des ehemal. Hochstifts Bamberg in ihrer geschichtlichen Ent­ wicklung. In: Jahrbuch für frank. Landesforschung, hrsg. vom Institut f. fränk. Landes­ forschung an der Univ. Erlangen, Kallmünz 1956, Bd. 16, S. 250. 6 Vgl. ebenda, S. 250 ff.

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Einwechseln der fremden Münzsorten — zugewiesen. Das Münzerische Wappen7 zeigt einen Schild, dessen „aufwärtsgehende, eingebogene, oben abgekappte Spitze mit einer halben Lilie besteckt und unten mit einer vollblätterigen Rose belegt ist". Der Übergang vom Berufs- zum Familiennamen erfolgte 1336, als sich der Schöffe Brunward, der Sohn des Münzers, Brunward Münzer nennt8. Aus verschiedenen Quellen konnte eine Stammtafel der Familie Münzer 9 zusammengetragen werden10, die allerdings erst im zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts mit Albrecht Münzer beginnt. Soweit feststellbar, wurden in dieser Stammtafel die Ämter, die verschiedene Personen aus dem Geschlechte Münzer bekleideten, aufgeführt. Es ist daraus zu ersehen, daß der Passus „alle­ zeit berühmt durch hervorragende Männer" auf dem Epitaph des MünzerGrabmals durchaus zutrifft. Am Rande sei hier bemerkt, daß die beiden Nürn­ berger Bürger, Dr. Hieronymus Münzer und dessen Bruder Ludwig, die aus Feldkirch in Vorarlberg nach Nürnberg gekommen waren u, nicht mit dem Ge­ schlecht der Münzer von Bamberg verwandt waren. Die Frage nach dem Stand des Münzerschen Geschlechtes konnte nicht ab­ schließend geklärt werden. Verschiedentlich wird von einem fränkischen Adels­ geschlecht berichtet12, doch nur ein einziges Mitglied der Familie Münzer, nämlich Wolfgang Münzer selbst, schreibt in einer von ihm verfaßten Reise­ beschreibung, daß er geschworen habe, er sei adeligen Standes 13. Diesen Äuße­ rungen scheint jedoch entgegenzustehen, daß die Münzer um 1300 mit dem geringeren Amt der „Münzer" betraut waren, des öfteren das Prädikat „erbar und weiß", „erbar und vest", „emvest", „gestreng" führten, in dem umfang­ reichen Quellenmaterial, u. a. Testamenten, nie von einem adeligen Stand die Rede ist, und ferner, daß Arneth vom „Bamberger Bürgerwappen Mün7 Trechsel, Vemeuertes Gedächtnuß des Nürnberger Johannis Kirch-Hoffs, Franckfurt und Leipzig 1736, S. 285. 8 Arneth, Bamberger Bürgerwappen Münzer. In: Frank. Land, 1. Jahrgang (1953/54), 3.68 (Beilage zum Bamberger Volksblatt). 9 Vgl. Beilage 1, S. 115. 10 Vgl. hierzu: StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 25/28, 11/38/39; StadtAN, Rep. 80 B 259; StadtAN, Genealogische Papiere; StadtAB, UR 1425, III 16; StadtAB, UR 1448, V 24; StadtAB, UR 1448, VI 18; StadtAB, Rep. 4/34, fol. 15', 127', 136 mit 138, 202' mit 203', 214' mit 222; sowie folgende Veröffentlichungen: Haller von Hallerstein, Deutsche Kaufleute in Ofen zur Zeit der Jagellonen. In: MVGN 51 (1962), S. 469; Kubinyi, Andreas/Haller von Hallerstein, Frhr. Helmut, Die Nürnberger Haller in Ofen. Ein Beitrag zur Geschichte des Südosthandels im Spätmittelalter. In: MVGN 52 (1963/64), S. 87 und 89; Nordmann, Claus, Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck. Reihe: Nümberger Beiträge zu den Wirtschafte- und Sozialwissenschaften, Nürnberg 1933, S. 38 ff.; Kist, Johann, Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg (1400—1556), Würzburg 1965, Nr. 4496. 11 Haller von Hallerstein, Größe und Quellen des Vermögens von 100 Nürnberger Bürgern um 1500. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnberg. Hrsg, vom Stadtarchiv Nürnberg, Nürnberg 1967, Bd. I, S. 147. 12 StAB, Rep. G 12 ex G 21 v. Müntzer, Nr. 1; StAB, Rep. G 11 ex G 21 v. Müntzer, Nr. 2; Kneschke, a. a. O., S. 421. 13 Lochner, Reyßbeschreibung Deß Gestrengen und Vesten Herrn Wolffgang Müntzers von Babenberg, Nürnberg 1624, S. 26.

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zer“ 14 spricht. Im Hallerbuch 15, das im Auftrag des Rats der Stadt Nürnberg von Konrad Haller in den Jahren 1533 bis 1536 erstellt wurde und der Fixie­ rung der ständischen Qualifikation diente, findet sich das Wappen der Münzer, in diesem Fall von Alexius Münzer, in der Reihe der ehrbaren Geschlechter. Es kann vermutet werden, daß die Münzer Ministerialen gewesen waren und sich später als Bürger niederließen. Zu dem von Cuntz Münzer und seiner Frau Anna begründeten Zweig der Familie Münzer sei vermerkt, daß diese den ausgewerteten Quellen zufolge fünf Söhne hatten. Vier von diesen, nämlich Braun, Reymer, Claus (auch Clas) und Conradt, waren Kaufleute und betrieben gemeinsam das Geschäft nach Norden, insbesondere in den Lübecker Raum16. Dort nannten sie sich in niederdeutscher Schreibweise Münter oder Munter. Hanns Münzer, der fünfte Sohn von Cuntz und Anna Münzer17, lebte lange Zeit in Ofen in Ungarn18, wo er durch die Eheschließung mit Sophie Munich in die erste Reihe des Ofener Patriziats getreten war10. Von den dort lebenden Deutschen war er dann seit dem Jahre 1447 achtmal zum Stadtrichter von Ofen gewählt worden20. Er starb im Jahre 1475. Seine Tochter Anna, die aus der zweiten Ehe Hanns Mün­ zers mit Sophia Mühlstein(in) hervorgegangen war, ehelichte um das Jahr 1480 Rupprecht (II) Haller21. Wie aus der Stammtafel zu ersehen ist, geht von Peter Münzer der Zweig des Geschlechtes aus, der im Jahre 1577 mit Wolfgang Münzer ausstirbt. Der Vater Wolfgang Münzers, der „Erbar und Vest Alexius Münzer von Bamberg“ nahm Nürnberg zum Wohnsitz. Er schreibt von sich selbst in Fortführung einer vermutlich von seinem Bruder Johann, Chorherr zu St. Stephan in Bamberg, begonnenen Familienchronik: „Item 8. Octobris 1524 that ich Alexius Mün­ zer von Bamberg Bürgerpflicht zu Nurmberg, Herrn Jeronimus Ebner und Caspar Nützel beeden Losungem22.“ Was ihn veranlaßte, im Alter von 31 Jahren von Bamberg nach Nürnberg zu ziehen, steht nicht fest. Schon vor dem Erwerb des Bürgerrechts hatte Alexius Münzer sich im Januar 14 Ameth, Bamberger Bürgerwappen Münzer, a. a. O. 15 StAN, Rep. 52a, Nr. 211, Bl. 548. 16 Bezüglich des Verwandtschaftsbildes dieser Familie vgl.: Nordmann, Nürnberger Groß­ händler im spätmittelalterlichen Lübeck. Reihe: Nürnberger Beiträge zu den Wirtschafts­ und Sozialwissenschaften, Nürnberg 1933, S. 38 ff. Die von Nordmann gegebene Genealogie stimmt mit der von dem Verfasser dieser Abhandlung an Hand der angeführten Quellen entwickelten Stammtafel nicht völlig überein. 17 Quellen: StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 38 und 39; StadtAN, Genealogische Papiere — zufolge ist Hanns Münzer der Sohn von Contz und Anna Münzer. 18 Die Identität des Hanns Münzer von Bamberg mit jenem von Ofen kann als gesichert be­ zeichnet werden. Vgl. Haller von Hallerstein, Deutsche Kaufleute in Ofen zur Zeit der Jagellonen. In: MVGN 51 (1962), S. 469 und Anm. 14. 19 Vgl. Kubinyi/Haller, Die Nürnberger Haller in Ofen. Ein Beitrag zur Geschichte des Süd­ osthandels im Spätmittelalter. In: MVGN 52 (1963/64), S. 87. 20 Ebenda, S. 89. 21 Ebenda, S. 89 und Anm. 52. 22 StadtAN, Rep. 80 B 259. In den Bürgerbüchem der Stadt Nürnberg des StAN ist Alexius Münzer nicht aufgeführt.

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1523 mit „Katharina Stephan Eysen Tochter von Botzen23 auß Hungarn in Nurmberg" versprochen und „auff 21 aprill hatten wir miteinander Hochzeit in 1523 Jare in meines Schwägern Wolffgang Eysens Hauß an der Judengaß zu Nurmberg". Mit dieser Heirat fand Alexius Münzer Eingang in die vermögende und an­ gesehene Nürnberger Familie Eysen. Wolfgang Eysen24, von Geburt ein Deutsch-Ungar, stammte aus einer Familie von Kaufleuten und ist wohl im Zuge der Familienpolitik, derzufolge die Söhne an wichtigen Handels- und Umschlagplätzen, u. a. Ofen und Nürnberg ansässig werden mußten, nach Nürnberg gekommen, wo er 1495 das Bürgerrecht erwarb. Er war verheiratet mit Ottilia Behaim und bewohnte mit ihr und Katharina Eysen, der Tochter seines verstorbenen Bruders Stephan, ein Haus in der Judengasse. Dieses Haus25 erwarb er 1499 von Georg Koler, der Mitglied des Kleineren Rats war, um 850 fi., die er sofort bar bezahlte. Im Jahre 1507 kaufte Eysen noch das südlich anstoßende Haus des Bildschnitzers Veit Wirsberger um 310 fl. hinzu und verschmolz diese Anwesen, die beide von den Vorbesitzem aus jüdischem Besitz übernommen worden waren, zu einem Haus, dem späteren Anwesen Sebald Nr. 1105. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß Eysens Haus ein Steinhaus war, was damals noch nicht die Regel war. Aus dem Münzerischen Verkaufsregister von 157726 geht hervor, daß das Haus einstöckig war, einen Erker hatte und — was zu der damaligen Zeit sicherlich nicht häufig vor­ kam — über ein Bad verfügte. Schon bald übernimmt Wolfgang Eysen mehrere angesehene Ämter in Nürnberg. Von 1507 bis 1524 ist er Genannter des Größeren Rats. 1513 wurde ihm nach dem Tode Sebald Tuchers das Amt eines Hauptmanns übertragen, bis zu seinem Lebensende im Jahre 1524 war ihm die Leitung des Spitalbaus, der damals über die Pegnitz geführt wurde, anvertraut. Möglicherweise kamen Beziehungen zwischen den Familien Eysen und Mün­ zer nicht erst durch die Einheirat des Alexius Münzer im Jahre 1523 zustande, sondern gehen bereits auf Hanns Münzer zurück, der in Ofen Stadtrichter war und auf diese Weise der Familie Eysen, die in Waitzen, Ofen und Pest viele Freunde und Angehörige hatte, bekanntgeworden sein mag27. Über Alexius Münzer ist wenig bekannt. Er nannte sich „Alexius Münzer von Babenberg" 28, wie auch später sein Sohn Wolfgang. „Familienstolz auf

23 Die Orte Botzen und das weiter unten genannte Waitzen (ungarisch Vacz) sind lt. freund­ lichem Hinweis von Dr. Richard Klier identisch. Es handelt sich um eine kleine befestigte Stadt mit Schloß in Oberungam an der Donau unweit Ofen gelegen. Heutige Schreibweise Väc.

24 Schaper, Wolfgang Eysen und sein Bildnis. In: MVGN 45 (1954), S. 389. Lodiner, Wolf­ gang Eisen und Wolfgang Münzer. In: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 21. Jg., Nürnberg 1874, Sp. 266. 25 Vgl. im folgenden: Schaper, a. a. O., S. 390ff. 23 StadtAN, Rep. 80 B 254. 27 Lochner, a. a. O., Sp. 265. 28 StAN, Handakt Nr. 418 (Teileinsichtnahme).

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das Alter des Geschlechts ließ sie wohl lange an der alten Namensform Babenberg festhalten 29." Wie er den Lebensunterhalt seiner Familie bestritt, ist nicht bekannt. „Han­ del scheint er nicht getrieben zu haben" 30, „ob er . .. alhier ein bürgerlich Gewerb getrieben, davon findet sich eigentlich nichts: Vielmehr ist zu vermuthen, daß selbiger von seinen Renten, Zehenden und Land- oder FeldGüthern gelebt habe" 81. Das^erste der vier Kinder, die aus der Ehe des Alexius und der Katharina Münzer hervorgingen, war Wolfgang Münzer. Als Kind Nürnberger Bürger besaß er gemäß den geltenden Gesetzen von Geburt an das Bürgerrecht der Stadt. Sein Vater trug die Geburt des Sohnes mit folgenden Worten in die Familiengeschichte ein: „Ittem 14 May 1524 Am Sambstag des pfingst Abend umb siben auff der klain ore zu Nacht im Zaichen der Waag und die Sonn im Zwilling ist mein Sohn Wolffgang Müntzer zu Nürnberg geboren worden und auff 15 May in Teutsch getauft worden. Gott hab Lob 32." Die Bemerkung „in Teutsch getauft worden" läßt darauf schließen, daß Alexius Münzer mit der Reformation sympathisierte, ja sich ihr vielleicht schon angeschlossen hatte. Zwar vollzog der Rat den offiziellen Übertritt der Stadt Nürnberg zur Reformation erst im März 1525, doch hatte er bereits 1523 eine Vereinfachung der Kirchenbräuche angeordnet. In der Karwoche 1524 wurde zum ersten Mal in Nürnberg Tausenden von Gläubigen das Abendmahl unter beiden Gestalten gereicht, und ab 5. Juni 1524 wurde der Gottesdienst nach Wittenberger Weise gefeiert33. Die Taufe „in Teutsch" fügte sich in diese Linie ein. Den in der Stammtafel bis dahin nicht auftretenden Vornamen Wolfgang gaben die Eltern ihrem ersten Sohn im Gedenken an den am 15. Januar 1524 verstorbenen „Schwager" und Onkel Wolffgang Eysen, der seiner Nichte Katha­ rina sein Haus in der Judengasse vermachte34. Was Alexius Münzer bewog, in Nürnberg das Bürgerrecht zu erwerben, ist nicht bekannt. Es wäre aber denkbar, daß dieser Schritt in Zusammenhang mit der Erbschaft seiner Frau stand, da es, wie in anderen Städten, auch in Nürn­ berg allgemein geltendes Recht war, daß nur Bürger im Stadtgebiet Grund und Boden sowie grundstücksgleiche Rechte besitzen und erwerben konnten35. Bereits 1525 wurde Alexius Münzer als Genannter in den Größeren Rat auf genommen, dem er, wie aus dem „Verzeichnis aller Genannten des Größe­ ren Raths" 36 hervorgeht, bis zum Jahre 1533 angehörte. 29 30 31 32 33 34 35

Arneth, Bamberger Bürgerwappen Münzer, a. a. O., S. 68. Lochner, a. a. O., Sp. 267. StadtAN, Rep. 80 B 259. Ebenda. Schubert, Die Reichsstadt Nürnberg und die Reformation. In: Fränkische Wacht (1925), S. 18. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 29. Düll, Das Bürgerrecht der freien Reichsstadt Nürnberg vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Diss. Erlangen 1954, S. 91. 38 Roth, Verzeichnis aller Genannten des Größeren Raths. Nürnberg 1802, S. 66.

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Der Größere Rat stand dem sogenannten Kleinen oder Inneren Rat, dem eigentlichen regierenden Rat, gegenüber. Während diesem ausschließlich Patri­ zier angehören konnten, setzte sich der Größere Rat, dessen Mitglieder „ Ge­ nannteK hießen, aus Patriziern, angesehenen Bürgern nichtpatrizischer Her­ kunft und Vertretern der bedeutendsten Handwerke zusammen. Der Größere Rat war dem Kleinen Rat zum Gehorsam verpflichtet87. Zum „Genanntenkollegium" wurden, wie überhaupt zu städtischen Ämtern, nur Verheiratete zugelassen. Die Bezeichnung „erbar", die dem Alexius Münzer über das Prädikat „Vest“ hinaus gegeben wurde, bedeutet, daß er dem Stand der Ehrbaren zugerechnet wurde, zu welchem neben den Patriziern sonstige vermögende und hervor­ ragende Bürger zählten, nie aber z. B. Krämer oder andere kleine Leute88. Alexius Münzer starb am 25. Juni 1537. Mitvormünder des noch minder­ jährigen Wolfgang waren Sebaldt Schürstab und Sebaldt Lochner, die dem Inneren bzw. dem Größeren Rat zu Nürnberg angehörten89. Diese bevoll­ mächtigten am 13. Mai 1538 den Syndikus Johann Thein, beim Hochstift Bamberg um Belehnung des Wolfgang Münzer mit den Anteilen seines Vaters nachzusuchen und die Belehnung entgegenzunehmen, auch „gepurliche Lehens­ pflicht und aide in unßer vnd vnnsers pflegsones seien vnd gewissen zu leisten, lehensprieff darüber zu erfordern vnd zu nemen“ 40. Katharina Münzer blieb nach dem Tod ihres Mannes in Nürnberg in dem Haus in der Judengasse. Von den drei noch lebenden Kindern starb Sibilla 1541 in Bamberg und wurde im dortigen Erbgrab der Familie beigesetzt. Die Tochter Katharina heiratete 1550 den Nürnberger Bürger Georg Volckamer und starb nach kinderloser Ehe im Jahre 1556. Am 16. September 1552, während des zweiten Markgräflichen Krieges, ver­ starb Katharina Münzer. Ihr Testament vermittelt den Eindruck, daß der Sohn ihr weit mehr galt als die Tochter. So bestätigt sie ausdrücklich als ihren end­ gültigen Willen, daß alles, „so ich dem Erbem Wolff Münzer meinem ehelaipplichenn liebenn son donirt, geschennckt und ubergebenn“41, als Schenkung be­ stehen bleiben soll und von den Erben nicht angefochten werden kann. Auch setzt sie den Sohn, der mit ihr das Haus in der Judengasse bewohnte, für dieses Wohnhaus mit allem, was dazugehört, auch mit Hausrat, Silbergeschirr, ihren Kleidern und Kleinodien usw., zum Alleinerben ein. Es muß sich dabei um be­ trächtliche Vermögenswerte gehandelt haben, die zu einem sehr wesentlichen Teil auf ihren Onkel Wolfgang Eysen zurückgingen42. Erst für den verbleiben­ den Teil ihres Nachlasses, von dem noch einige Legate abgehen, ernennt sie außer dem Sohn auch die Tochter, „K. Jorg Volckambrin die Junger", die Frau Georg Volckamers ", zur Erbin. 37 Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1896, S. 96 ff. 38 Reicke, a. a. O., S. 99. 39 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 28 II. 40 StAB, Rep. A 102 L 427, Nr. 656. 41 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 29. 42 Sdiaper, a. a. O., S. 394. 43 Biedermann, Geschlechtsregister des Hochadeligen Patriziats zu Nürnberg, Bayreuth 1748, 2

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Es ist nicht verwunderlich, daß es wegen dieses Testaments zu einem Prozeß zwischen den Geschwistern kam. Wolfgang Münzer wäre sogar bereit gewesen, wegen dieser „Rechtfertigung“ bis zum Kaiserlichen Kammergericht zu gehen. In seinem Testament legt er fest, daß der Prozeß selbst nach seinem Tod weiterverfolgt werden solle 44. Über den Ausgang dieses Erbstreits ist nichts bekannt, doch scheint er noch zu Lebzeiten Münzers zum Abschluß gekommen zu sein, da der diesbezügliche Passus im Testament gestrichen wurde. Wenn auch nicht geklärt werden konnte, worauf das schlechte Verhältnis Wolfgang Münzers zu seiner Schwester und seinem Schwager zurückzuführen ist, so wirft doch die Hartnäckigkeit und Unnachgiebigkeit, die er in diesem Erbstreit zeigte und die ihn nicht hinderte, sich auf dem Prozeßwege indirekt mit einem Mit­ glied der Nürnberger Oberschicht, wie es Georg Volckamer war, anzulegen, ein bezeichnendes Licht auf ihn. Wolfgang Münzer war sehr vermögend. Ab 1546, nach dem Tod seines Onkels Leupold, war er als letzter männlicher Nachkomme der Familie der einzige Anwärter auf die Mannlehen, deren Wert auf 20 000 fl. geschätzt wurde45. Das Hochstift Bamberg hatte den Münzers Mannlehen verliehen, ferner waren sie mit Giecherischen, Schottischen und Aufsessischen Mannlehen belehnt worden 48. Aus dem Familienbesitz gehörten ihm Eigengüter im Barnberger Gebiet und in der Stadt Bamberg, und schließlich war, wie oben ange­ führt, aus dem Nachlaß seiner Mutter ein erheblicher Anteil auf ihn allein ge­ kommen. Auch verfügte er über die laufenden Einnahmen und Erträgnisse aus den Lehen und Eigengütern 47. „Er wohnte als Stadtjunker in Nürnberg.“ In Müllners Annalen findet sich ein Hinweis auf einen Gesellentanz auf dem Rathaus am 3. März 1546, bei welchem ein sogenanntes Gesellenstechen, ein Partikular- oder Privattumier, stattfand. Es stellte dies ein Äquivalent des Nürnberger Patriziates zum echten Turnier dar, zu dem es nicht zugelassen war. Bedingung für die Zulassung war die Bürtigkeit aus den zu Rate gehenden Geschlechtern. Einige Male scheint der Personenkreis auch auf die nicht ratsfähigen Geschlechter, auf Ehrbare, ausgedehnt worden zu sein48. Bei dem Gesellentanz 1546 ritt auch Wolf Mün­ zer auf die Bahn. Seine Farbe war „Leibfarb mit Silbernen Lilien und Rosen von welschem Gewächs“. Münzer „hat im Stechen nur ein ledigen Fall gemacht. Im ist uff der linken Seiten geritten Albrecht Scheurl“ 4®. Zur Abrundung des Bildes vom reichen, sorglos lebenden Herrn seien einige zur Hinterlassenschaft Münzers gehörige persönliche Dinge angeführt: „Ein schwarzer Atlas Gestaltroch 144 fl., ein Damast Gestaltroch 76 fl., Atlas Hosen

44 45 46 47 48 40

Tabula DXXXV: Georg Volckamer gehörte zur Oberschicht der Ratsherrn, war 1564 Älterer Bürgermeister, 1569 Septemvir und half den ersten Grund zur Universität in Altdorf legen. StadtAN, UR 1555, Sept. 30. StadtAN, Nürnberger Chroniken, Nr. 2 VI, fol. 555. StadtAN, Rep. 80 B 254; StAN Rep. 52a, Müllners Annalen, Bd. 4, Reinschrift, fol. 1958. Ebenda. Meyer, Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg. In: MVGN, Bd. 27 (1928), S. 51. StAN, Rep. 52a, Müllners Annalen, Bd. 4, Reinschrift, fol. 1958.

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44 fl., Birett 50 fl., Reitkappe 1 fl. 6 Pfd., ein Damast Gestalt Rock 100 fl., ein Dolch 75 fl., eine Wehr 47 fl. 4 Pfd. 6 Pfg.50.“ In die Zeit zwischen 1550 und 1556 fällt ein Studienaufenthalt Münzers in Ingolstadt, dessen Dauer nicht ermittelt werden konnte. Auch ist unbekannt, welche Disziplinen er gewählt hatte. In Ingolstadt verfaßte Münzer im Alter von 31 Jahren sein Testament, das Georg Pfösst von Biberach am 30. September 1555 notariell beglaubigte. Die Testamentserrichtung dürfte im Zusammenhang mit einer Fahrt ins Hl. Land stehen, die Wolfgang Münzer 1556 antrat. Über dieses Unternehmen liegt eine „Reyßbeschreibung Deß Gestrengen uild Vesten Herrn Wolffgang Müntzers von Babenberg, Ritters ... von Venedig auß nach Jerusalem, Damascum und Constantinopel, und dann wider nacher Venedig“ vor51. Diese Schrift wurde 1624 von dem Nürnberger Buchdrucker Ludwig Lochner heraus­ gegeben, der im Vorwort schreibt: „. .. hab ich auß seiner mit eigner Hand ge­ schriebene Verzeichnuß genommen, und treulich in Truck verfertigt. . .“ Am 31. Mai 1556, so berichtet Münzer, trat er zusammen mit anderen deut­ schen Pilgern in Venedig die Pilgerreise an. Nach teilweise sehr stürmischer und gefährlicher Fahrt kamen die Reisenden am 17. Juli „an dem Port Joppen“, dem heutigen Jaffa, an und ritten von da aus nach Jerusalem, wo sie die heili­ gen Stätten besuchten. In Jerusalem „wurde ich Wolff Münzer den 26. Julij zu Ritter geschlagen. Unter andern gewöhnlichen solennieteten muß einer, so zu Ritter geschlagen wird, schweren, daß er Adeliches Standes, welcher von sein eignen Renten leben kan, und von seinen Kosten wider die Ungläubigen streitten wolle: Würd ihme darauff ein Patent mit rohten anhangenden In­ sigel zugestellt, unter dieser Subscription: Hoc est Sigillum S. Sepulchri Equitum Hierosolymitanorum“. Dieser Ritterschlag am Heiligen Grab reihte Münzer ein in die „Goldene Ritterschaft“, die Militia aurea, und verlieh ihm das Recht, sich „Gegüldeter Ritter“, Eques auratus, zu nennen. Diese Bezeichnung findet sich auf dem im Anhang beigefügten Bild Münzers52. Auch der Titel Grabesritter oder Jerusalemischer Ritter 53 wurde den mit dieser Würde ausgezeichneten Persönlich­ keiten zugelegt. Bei der Bemerkung Münzers, daß „einer, so zu Ritter geschlagen wird“, schwören müßte, adeligen Standes zu sein und von seinen eigenen Renten leben zu können, muß man sich jedoch bewußt sein, daß es zu dieser Qualifikation genügte, daß man zu dem Stand der Ehrbaren zählte M, was z. B. die Geschichte der Nürnberger Familie Ketzel55 beweist. 50 51 52 53

StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stifhmgs-Redmun g 1583. Lochner, Reyßbeschreibung, a. a. O., S. 26. Siehe Abb. 1. Vgl. Aign, Die Ketzel. Ein Nürnberger Handelsherrn- und Jerusalempilger-Geschlecht. Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung, Bd. 12, Neustadt/Aisch 1961, S. 56 ff. 54 Freundlicher Hinweis von Dr. W. Frhr. Stromer v. Reichenbach. 55 Wie 53.

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In Nürnberg wurde den Grabesrittern nichts von dem Ansehen und der Ehrung zuteil, die anderwärts Jerusalempilger erfuhren. Der Rat war nicht positiv dazu eingestellt, die Leute sollten in der Stadt bleiben. Bestärkt wurde er in dieser Einstellung noch durch Luthers ablehnende Haltung gegen­ über Wallfahrten ins Heilige Land Nach Einführung der Reformation pilgerte zunächst kein Nürnberger Bürger mehr dorthin. Unter den von Nürn­ berger Jerusalempilgem insgesamt herausgegebenen 15 Reisebeschreibungen ist die des Wolfgang Münzer die erste aus dem 16. Jahrhundert57. Nach Aign58 gehörte aus dem Kreis der Nürnberger Grabesritter auch Wolf­ gang Münzer zu den Trägem der „Kanne mit drei Blumen“. Allgemeiner Auf­ fassung entsprechend, soll es sich dabei um das Zeichen des aragonesischen Kannenordens handeln, der von König Alfons IV. von Aragon zu Ehren der Jungfrau Maria gestiftet worden sein soll. Das Ordenszeichen besteht aus einer goldenen Kanne, aus der drei blaue Blumen oder drei weiße Lilien heraus­ wachsen. Manche Jerusalempilger statteten auf der Rückreise dem König von Aragon in Neapel, das seit 1412 neben Sizilien zum Königreich Aragon ge­ hörte, einen Besuch ab und wurden durch Verleihung des Kannenordens ge­ ehrt. Auf diese Weise mag auch Wolfgang Münzer die Auszeichnung erhalten haben, denn ein vom 27. Oktober 155959 datierter Erlaubnisschein zum Tragen einer Wehr in Neapel bezeugt seinen Aufenthalt dort. Zwischen dem Ritterschlag am Heiligen Grab und den Tagen in Neapel lagen schwerste Zeiten für Münzer und seine Pilgergefährten. Am 2. August 1556, als sie sich bereits auf der Heimreise befanden, gerieten sie — auf die falsche Anschuldigung hin, an einem Überfall von Malteserrittem auf Landesbewohner in der Gegend von Jaffa beteiligt gewesen zu sein — in türkische Gefangen­ schaft und wurden eingekerkert. Am 1. Mai 15 57 wurden sie nach langen Ver­ handlungen mit den Behörden zunächst nach Damaskus und dann auf dem Landweg nach Konstantinopel gebracht, wo sie am 5. August ankamen und in den Turm von Galata geworfen wurden. Zwei Jahre wurden sie dort fest­ gehalten und mußten als „Gefangene des Kaisers“ die Arbeiten von Galeeren­ sklaven verrichten. Über einen Mitgefangenen, der Beziehungen zum französischen Gesandten de la Vigne in Konstantinopel besaß, gelang es den Eingekerkerten, ihren Fall beim Sultan unmittelbar vortragen zu lassen. Münzer schreibt darüber: „A/s nun der Frantzösische Ambassator obgedachten Brieff (des Königs von Frankreich an den Sultan) dem türckischen Keyser zwischen zweyen Wascha wie gebräuchlich präsentirt, überreichte er auch dabey eine supplication unserthalben. Nach ablesung derselben fragte der Türckische Keyser den einen Wascha, ob wir der Sachen, darumb man uns bezüchtigt und anhero nach Constantinopel gebracht und gefänglich gehalten worden, unschuldig? weilen er 58 57 58 59

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Aign, a. a. O., S. 59. Ebenda, S. 140, Anm. 205. Ebenda, S. 88. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 40, Bl. 1.

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nun darauff zur Antwort geben, er wüste nickt daß wir verwürckt: hat er ihm wider mit zornigen Worten begegnet: warumb man uns dann als die unschuldi­ gen aufhielte? Daneben nit allein so balden befehl geben, der Ambassator sollte uns auß der Gefängnuß hinnemen, sondern auch die Verordnung gethanf daß wir mit Paßbrieff versehen würden, welches also geschehen 60." Am 11. Juni 1559 schlug für Münzer und seine überlebenden Leidensgefähr­ ten die Stunde der Befreiung. Am 22. Juni übergab der französische Botschafter einem jeden der Gefangenen den für ihn vom „türkischen Kaiser" ausgestellten Paßbrief, der allen erforderlichen behördlichen Schutz zusicherte. Der Original­ paßbrief Münzers sowie eine in der Türkei angefertigte Übersetzung ins Italie­ nische und Deutsche befinden sich im Stadtarchiv Nürnberg81. Die Heimreise wurde am 22. Juni angetreten. Am 24. Juli 1559 kamen die schwergeprüften Pilger in Porto bei Venedig an. Von dort aus begab Münzer sich, wie bereits erwähnt, noch nach Neapel, und auch in Rom soll er sich auf­ gehalten haben. Dies geht allerdings nicht aus seiner Reisebeschreibung hervor, die mit der Ankunft in Venedig endigt. Der Zeitpunkt der Rückkehr Münzers nach Nürnberg ist nicht bekannt, auch nichts darüber, wie sein Empfang nach der durch die türkische Gefangen­ schaft bedingten jahrelangen Abwesenheit sich gestaltete. Aus den Jahren 1561 bis 1567, das genaue Datum läßt sich nicht feststellen, stammt eine ganzfigürliche Darstellung Wolfgang Münzers. In dieser Zeit wirkte der niederländische Porträtmaler Nicolas Neufchatel in Nürnberg, der für die Nürnberger Kunstentwicklung große Bedeutung hatte. Er wurde zum bevor­ zugten Porträtisten des hiesigen Patriziats, porträtierte jedoch auch andere Bürger. Eines seiner Hauptwerke ist die oben erwähnte Darstellung Wolfgang Münzers62, die sich nunmehr im Bestand des Germanischen National-Museums68 befindet. Im Jahre 1564 kam es zu schweren Differenzen zwischen dem Domkapitel zu Bamberg und Wolfgang Münzer64. Er wurde — angeblich wegen refor­ mationsfreundlicher Gesinnung und Vernachlässigung seiner Lehensbeziehun­ gen zum Domkapitel — verhaftet und ein Großteil seiner Güter eingezogen. Ohne Verhör ließ man ihn, nachdem er aus seinem eigenen Haus in Bamberg abgeführt worden war, 8 Tage im Gefängnis, bis er auf die Intervention des Rats zu Nürnberg hin entlassen wurde. Vor seiner Entlassung mußte Münzer jedoch Urfehde schwören und beurkunden, daß er bei 1000 fl. Strafe „alle seine hinter dem Domkapitel und des Oberrichters liegenden Güter" binnen eines Jahres verkaufe. Sofort als Münzer wieder auf freiem Fuß war, erteilte der Rat der Stadt Nürnberg seinen Rechtsberatern den Auftrag, nach Mitteln und We60 61 62 68 64

Lochner, Reyßbesdireibung, a. a. O., S. 118 ff. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 50. Pilz, Nürnberg und die Niederlande. In: MVGN 43 (1952), S. 43 und 44. Siehe Abb. 4. Vgl. im folgenden StadtAN, WSt, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, „Gutachten vom 15. Juni 1931”.

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gen zu suchen, wie die Urfehde unschädlich zu machen sei. Diese rieten zu einer Klage beim Kaiserlichen Kammergericht oder zu einer Beschwerdeschrift an den Kaiser, die auf dem Reichstag überreicht werden sollte. Welcher Vor­ schlag zur Durchführung gelangte, ist nicht bekannt. Wolfgang Münzer ver­ suchte bis an sein Lebensende seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Die Verbitterung über das Bamberger Domkapitel und die Einbuße eines Teils seines Vermögens werden Münzer in diesen Jahren bewogen haben, ein­ schneidende Testamentsänderungen vorzunehmen, die an anderer Stelle aus­ führlich darzulegen sein werden. Am Rande sei hier vermerkt, daß er seinen Titel „Gegüldeter Ritter“, den er in Jerusalem erworben hatte, als nachträg­ lichen Zusatz in sein Testament eingehen ließ. Auf Bl. 9' des Testaments ist zu lesen: „Nachdem Von dem Vesten Wolffen Muntzern von Bamberg ritter zu einem jarlichen ewigen Almosen . . .“ Der Zusatz „Ritter“ ist zwischen den Zeilen eingefügt. In die Zeit von 1562 bis 15 73 fiel auch die Auseinandersetzung zwischen Georg Schenck und Wolfgang Münzer. Wolfgang Eysen brachte diesen Georg Schenck von einer seiner vielen Reisen nach Ungarn mit nach Nürnberg. Zu­ nächst scheint ein Verhältnis der Leibeigenschaft bestanden zu haben, das durch ein Dokument König Ferdinands vom 8. Februar 1544 vermutlich aufgehoben wurde. In diesem wird Schenck auf seine Angabe hin, „er sei in einem Ort un­ weit der schwarzen Berge (Montenegro) von einem Ungarischen Hauptmann, der den Ort überfallen, als Kind mit anderer Beute gewaltsam weggeführt, dann einem Bürger zu Pest, von diesem aber dem Wolf Eysen geschenkt wor­ den, der ihn habe taufen und wie seinen eigenen Sohn erziehen lassen“, im Besitz des bisher geführten Namens bestätigt und für ehelich geboren erklärt65. Georg Schenck heiratete 1547 und erhielt 1000 fl. von der Witwe Wolfgang Eysens, wie es letzterer testamentarisch festgesetzt hatte. Welcher Art die Beziehungen zwischen Wolfgang Münzer und Georg Schenck waren, läßt sich nicht eindeutig klären. Fest steht jedoch, daß Münzer aus un­ erfindlichen Gründen vor seiner Reise ins Heilige Land dem Georg Schenck sein Haus in der Judengasse mit allem Hausrat und Kleinodien als Schenkung „inter vivos“ vermachte und diese Donation in seinem Testament vom 30. Sep­ tember 1555 noch einmal bekräftigte. Während der Abwesenheit Wolfgang Münzers scheint Sehende sich mit großer Eigenmächtigkeit im Hause Münzers bewegt zu haben. Die unerwartete Rückkehr Wolfgang Münzers machte auf Schenck so großen Eindruck, daß er den Verstand verlor, worauf der Rat der Stadt Nürnberg am 4. Juli 1561 den Befehl erließ, Schenck auf dem Turm Lug­ insland verwahren zu lassen. Soviel bekannt ist, starb er im Gefängnis. In den Jahren 1562, 1568, 1573 widerruft Münzer wiederholt die Schenkung und schreibt 1573 eigenhändig auf die von ihm zerschnittene Urkunde: „Ein­ verleibte Donation ist allerdings wider abgethan und aufgehoben, wie ich dann solche widerruf, dieweil sich Georg Schenck untreu erweist und meine Hausbrief 65 Lochner, a. a. O., Sp. 268.

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und anders entfremdet hat68.“ Audi im Testament Wolfgang Münzers ist das entsprechende Legat gestrichen und durch Münzer „abgethan“. Die dreimalige Rücknahme der Donation verdeutlicht, daß Münzer die An­ sprüche Schencks doch nicht für völlig unbegründet hielt, was sich in einem nach dem Tod Wolfgang Münzers von Schencks Schwiegersohn, namens Zatzer, angestrengten Prozeß erweisen sollte. An anderer Stelle wird darauf näher eingegangen werden. Aus der Lebensgeschichte Münzers kann nur noch berichtet werden, daß er nie eine eigene Familie gründete, also wirklich „der Letzte seines Schilt und Helms“ war und blieb. Am 29. Mai 1577, im Alter von 53 Jahren ist Wolfgang Münzer „jählings Todts gestorben, also daß er in einer halben Stund gesund, krank und todt gewesen“ 67. In einigen Unterlagen ist der 19. Mai als Todestag angegeben, doch liegt hier ein Irrtum vor, denn für das Begräbnis wird der 1. Juni genannt. Bei Müllner findet sich sogar eine Korrektur des Datums von 19. auf 29. Mai. „Weil er zu Nürnberg keine Freundschaft gehabt“, gaben außer den Herren des Almosenamts „auch der ganze Rath, alle Handelsleuth, auch Kriegs- und Befehlichsleuth“68 dem Toten das Geleit und erwiesen ihm die letzte Ehre. Wolfgang Münzer wurde auf dem St. Johannisfriedhof zu Nürnberg in dem Grab seiner Eltern beigesetzt. Wie auf allen Gräbern im alten Teil des Fried­ hofes befindet sich auch auf diesem ein liegender Stein, der fast ganz von einem Epitaph bedeckt wird, auf welchem eine ganzfigürliche Darstellung eines Ritters in voller Rüstung und dessen Frau89 zu sehen ist. Das Modell zu diesem Epitaph stammt noch aus der Vischerhütte und stellt die leicht abgewandelte Wieder­ holung der Figuren des Grabmals von Hermann VIII. zu Henneberg und seiner 1507 gestorbenen Gattin Elisabeth von Brandenburg in der Stadtkirche zu Römhild dar70. Am Kopfende des Grabsteins ist eine Platte angebracht mit der Aufschrift71: Hic recubat viridi defunctus Alexius aevo Munzerus gentis splendor honorque suae, quae per quingentos Bambergae floruit avmos perpetuo claris nobilitata viris. Iste sed undecimam bims trieterida lustris jungens caelo animam reddidit ossa solo obiit anno MDXXXVII die XXV Junii. 88 67 88 88

Lochner, a. a. O., Sp. 270. Stadt AN, Annales Müllneri,Bd. VI, fol. 355. Ebenda. Vgl. Zahn, Beiträge zur Epigraphik des sechzehnten Jahrhunderts, Kallmünz/Opf. 1966, S. 69. „Das Original-Holzmodell des Münzer-Grabmals auf dem Nürnberger Johannis­ friedhof wurde erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts an den Grafen Stroganoff in Petersburg verkauft." 70 Vgl. Kunst und Volk, Bd. 5, 1937, S. 8—10. 71 Siehe Abb. 2.

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Zu deutsch 72: Hier liegt Alexius Müntzer, in bestem Alter verstorben. Die Zierde und Ehre seines Geschlechtes, das durch 5 Jahrhunderte in Bamberg blühte, allzeit bekannt durch berühmte und hervorragende Männer. Dieser hat im 43. Jahr seine Seele dem Himmel, der Erde seinen Leib zurückgegeben. Er starb am 25. Juni 1537. Auf der unteren Tafel steht geschrieben 73: Anno 1537 den 25. Juni verschied der Erbar und Nest Alexius Müntzer von Bamberg. Darnach im 1552. Jar den 16. Septembris verschied die Erbar und Erntugentreiche Fraw Katharina Alexius Muntzerin ein geborne Eisin von Botzen in Hungern Denen Gott gnedig sey Amen. Auf dieser Platte befindet sich u. a. in der linken unteren Ecke das Wappen der Familie Münzer. Unmittelbar neben dem Grab erhebt sich in alles überragender Größe die ca. 7 m hohe Grabsäule 74 der Familie Münzer, die Wolfgang Münzer 1560 errichten ließ 75. Auf dem Grabmal ist u. a. ein Ritter „in völligem Cüraß mit entblößtem Haupt" dargestellt sowie der „mit einem Feder Stutz geschmückte offene Helm". Auch das Münzersche Wappen ist auf dem Grabmal angebracht. In einer ovalen Einfassung steht die Inschrift: „D. O. M. Wolfgangus Münzer De Babenberg, Eques Auratus, sibi, suisque instauravit Anno MDLX. Obiit Noribergae A. D. 1579 29. Martii78." Das Grabmal scheint bei seiner Aufstellung erhebliches Aufsehen erregt zu haben. Dies klingt sogar noch nach in einem Bericht der Müllnerschen Annalen, 72 78 74 75

Trechsel, Johanniskirchhof, a. a. O., S. 288. Siche Abb. 2. Siehe Abb. 3. Fehring und Ress, Die Stadt Nürnberg, Reihe: Bayer. Kunstdenkmale, Bd. 10, München 1961, S. 294 ff. 78 Trechsel, a. a. O., S. 285. Die Schrift ist heute nicht mehr zu entziffern. Das von Trechsel angeführte Todesdatum ist falsch und muß in Übereinstimmung mit anderen Quellen „A. D. 1577, 29. Mai" lauten.

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in dem es heißt, daß die „Begräbnis Seulen ... nur von dreyen Stücken zusam­ mengesetzt und ist an dem obersten Stück eine große messene Tafel, so er alles mit großen Kosten machen lassen" 77. Nach einer anderen Unterlage, deren Verfasser nicht ermittelt werden konnte, kostete das „Epitaphium in die 1900 Thaler und die messene Tafel allein 500 Thaler" 78. Und noch im Jahre 1728 spricht Johann Christoph Imhoff von dem „Magnific und Splendid aufgerichten Monument" 79. Auf Veranlassung des Rats wurde 1584 80 an einer vorderen Chorsäule der Sebalduskirche ein sogenannter Totenschild angebracht mit der Aufschrift: „Alß man zahlt nach Christi Geburth MDLXXVII den XXIX. tag may ver­ schied der Gestreng und Vest Herr Wolffgang Müntzer von Babenberg Ritter, der Letzte seines Stammens und Nahmens, welcher alle sein hinderlaßene gütter armen Leuthen verschafft hat. Dem Gott genadt81." Rund 150 Jahre nach dem Tod Wolfgang Münzers, in den Jahren 1727 bis 1731, mußten sich in Nürnberg und Bamberg die zuständigen Stellen mit der Prüfung der Ritter- und Stiftsmäßigkeit Wolf gang Münzers und seiner Vor­ fahren befassen. Anlaß dazu war die Bewerbung eines Grafen Franz Ludwig von Schellard um ein Kanonikat in Eichstätt. Der Rat der Stadt Nürnberg wurde sowohl von der Seite des Bewerbers als auch vom Bischof zu Eichstätt um Auskunft über das Geschlecht der „Münzer von Babenberg" gebeten. Die Einzelheiten, nach denen angefragt wurde bzw. die bestätigt werden sollten, beziehen sich alle eindeutig auf Wolfgang Münzer und seine Familie, so daß eine Verwechslung mit dem oberpfälzischen Geschlecht der Münzer von Babenberg ausscheidet. Der Rat beauftragte die in Frage kommenden Ämter — Land- und Stadt­ almosenamt, Losungsamt — mit den Nachforschungen. Aus deren Ermittlungen82 an Hand vorliegenden Urkundenmaterials ergaben sich die oben angeführte Stammtafel und Hinweise auf Personen des Geschlechts der Münzer, die in Nürnberg das Bürgerrecht besessen hatten. Eine definitive Aussage bezüglich der Ritter- und Stiftsmäßigkeit kann zwar nicht entnommen werden. Sicher kann man j'edoch sein, daß das Nürnberger Patriziat den in der Sebalduskirche auf gehängten Totenschild als adeliges Qualifikationsmerkmal bezeichnete, da es doch selbst in dieser Kirche solche Schilde hängen hatte und, auch zu dieser Zeit, bestrebt war, die kaufmännische Vergangenheit zu verwischen und seine Herkunft auf irgendeine Weise vom Adel abzuleiten. Der zusammenfassende Bericht des Rates an die anfragenden Stellen ist leider nicht vorhanden. Große Schwierigkeiten bereitete bei den Schellardschen Nachforschungen, die so lange Zeit nach dem Aussterben der Münzer erfolgten, der Nachweis der adeligen Abkunft und der Zugehörigkeit zur Reichsritterschaft: in Franken. So77 78 79 80 81 82

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StadtAN, Annal. Müllneri, fol. 302 et 303. StadtAN, WSt, Rep. 80 B 259, Schreiben vom 20. Juli 1728. Ebenda. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1583. StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 315, Röthenbeck, fol. 37. StadtAN, Rep. 80 B 259, „Wurmbrand-Akte".

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wohl im Nürnberger Stadtarchiv83 als auch im Bamberger Staatsarchiv 84 fand sich hierzu die Kopie eines Attestes vom Jahre 1727, ausgestellt in Nürnberg gelegentlich eines allgemeinen Convents „Der Röm. Kayserlich würckliche Räthe, auch Director, Hauptmänner, Räthe und Gesandte des Heyligen Rö­ mischen Reichs unmittelbar — freyer Ritterschaft, Landes Francken, aller VI Orth". Darin bestätigen diese unter Bezugnahme auf das vorgelegte Wappen der „Münzer von Babenberg" sowie in Anbetracht der Aufhängung des ade­ ligen Totenschildes in St. Sebald und der Inschriften und Titulaturen auf Schild und Grabmal, daß „Niemand außer ächten freyen Adel, damahls sich solcher Titulatur und Führung des offen Helms . . . Aufhängung des Schilds in Locis sacris et publicis gebrauchen dörffen" 85. Um die Rittermäßigkeit der Münzer nachzuweisen, wurde von einer Ver­ wandten des Grafen Schellard auch die an anderer Stelle schon erwähnte Teil­ nahme Wolfgang Münzers an dem Gesellenstechen 1546 angeführt. Gerade darin wird ein „unfehlbares Zeichen" gesehen, daß er „von altem adelichen und rittermäßigem Herkommen in dem kein einziger gemeiner Man oder der nicht von Adel gewesen zu dergleichen Turniere zugelassen worden" 86. Der unanfechtbare Beweis für die Rittermäßigkeit der Münzer, nämlich die Bestätigung, daß das Geschlecht in der Matrikel der Reichsritterschaft „Ort Rhön und Werra" eingetragen war, konnte von Schellard und seinen Ver­ wandten nicht beigebracht werden, da in der zweiten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts die einschlägigen Unterlagen durch Brand vernichtet worden waren. In die neu angelegte Matrikel aber wären die Münzers, da mit Wolfgang Münzer 1577 das Geschlecht erloschen war, nicht mehr eingetragen worden87, selbst wenn ihre Zugehörigkeit zur Reichsritterschaft außer Frage gestanden wäre. Die Schellardschen Nachforschungen waren von vornherein geprägt durch die Tendenz, die Ritter- und Stiftsmäßigkeit Wolfgang Münzers und seiner Vor­ fahren nachzuweisen. Dem stehen jedoch die bereits erwähnten neuesten For­ schungen 88 entgegen, so daß der genealogische Ursprung der Münzer von Bamberg als ungeklärt betrachtet werden muß.

83 StadtAN, Rep. 80 B 259. 84 StAB, Rep. G 12 ex G 21, v. Müntzer, Nr. 2. 85 Zu dieser Frage vgl. auch: Pfeiffer, Nürnberger Patriziat und fränkische Reichsritterschaft. In: Norica-Beiträge zur Nürnberger Geschichte, Nürnberg 1961, S. 3 5—5 5. 88 Wie 83. 87 StadtAN, Rep. 80 B 259. 88 Ameth, Bamberger Bürgerwappen, a. a. O.

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II. Die Stiftung 1. Das Testament von 1555 als Stiftungsbrief Eine eigene Stiftungsurkunde, die sich lediglich auf die Stiftung selbst be­ zieht, ist nicht vorhanden, vielmehr ist das Testament1 des Wolfgang Münzer vom 30. September 15 5 5 als Stiftungsbrief zu betrachten. Das Originaltestament ist auf Pergament geschrieben, Blattgröße ca. 22 X 30 cm, und zwischen graue Pappdeckel eingelegt, die mit Bändern zum Knoten versehen sind. An zwei rot-weiß geflochtenen Kordeln hängen acht Blechkapseln, die das Münzersche Siegel sowie die der sieben Zeugen enthalten. Die Kapsel mit dem Siegel Wolfgang Münzers fällt durch ihre Größe auf. Die Namen der Zeugen sind: Michael Wagner, der Heiligen Schrift Doctor, Joachim Zasius, der Heiligen Schrift Doctor, Franciscus Zoanitus, J. V. Doctor Bonnoniensis, Niclas Surhard, der Rechten Doctor, Johannes Baptista Weber, Johannes Penili, der Artznei Doctor, Johannes Fischer von Wembding, der Artznei Doctor. Auf einem Deckblatt steht in Fraktur geschrieben: „Folgt hernach des Ernvesten Herren Wolffgangen Müntzers aufgerichts Testament.“ Das folgende Blatt zeigt eine Zeichnung mit dem Wappen der Münzers, um­ geben von Ornamenten. Am unteren Rand stehen die Worte: „Vita mancipio nulli datur omnibus usu“ und die Jahreszahl MDLV. Zu seinen „waren Testamentariern, Executoren und Trewhendem“ ernennt Wolfgang Münzer „die erwürdigen Johann Kropff, Prediger, und Georg Trai­ ner, beide Bürger zu Nürnberg, und dann emvesten Georgen Zöllner uf Sant Stephansberg zu Bamberg, meine insonderen Herren und Freund“. Da Münzer jedoch diese drei Herren überlebte 2, bestimmte er in einem Nachsatz Herrn Andres Imhoff und Herrn Sebold Haller aus Nürnberg zu Executoren. Die notarielle Beglaubigung des Testaments erfolgte „uff Montag den 30. September des laufenden 55. Jares der mindern Jareszahl Christi in der 13. Römerzinszahl, zu Latein indiction genannt, umb 9 Uhr vormittags in der Fürstlichen Statt Ingolstatt, daselbsten in des Erbaren Ludwigen Schwanden Behausung“ durch „Georgius Pfösst von Biberach, Konstanzer Bistumbs, dieser Zeit der Rechten Studiosus und offen Notarius zu Ingolstatt“. Zeugen der notariellen Beurkundung waren Wolfgang Gotthardt, der freien Kunst Magister und derselben Professor zu Ingolstatt, und Ludwig Schwandt zu Ingolstatt. Daß Münzer sein Testament von einem Notar in Ingolstadt beglaubigen ließ, läßt sich mit seinem Studienaufenthalt dort erklären. 1 StadtAN, UR 1555, Sept. 30. 2 StAN, Handakt Nr. 418,11. 6.1931, Georg Trainer, gest. 9. Sept. 1562; Johann Kropff, gest. 8. Juli 1568; Georg Zöllner, Todesjahr unbekannt (Teileinsichtnahme). 3

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Die nun folgende Auslegung des Testaments wurde ausschließlich an Hand des Originaltestaments vorgenommen. Sie stellte zunächst nur den überaus schwierigen Versuch einer selbständigen Deutung der Testamentsbestimmungen dar. Die Richtigkeit der Erklärung wurde im Laufe der weiteren Unter­ suchungen geprüft. Ein 1931 erstelltes Gutachten des Bayerischen Hauptstaats­ archivs München s, das sich eingehend mit dem Testament befaßte, war erst kurz vor Abschluß des Quellenstudiums zugänglich und konnte daher nur noch zur Kontrolle dienen. Nach ausführlichen allgemeinen Einleitungen, die zu einem großen Teil fast wörtlich im Testament der Katharina Münzer*4, der Mutter des Stifters, vom 31. August 1552 zu finden sind, und der Bestimmung, daß beim Tod des Wolf­ gang Münzer zunächst alle eventuell vorhandenen Schulden zu bezahlen seien, folgt nachstehender Passus über die bereits erwähnte Donation an Schenck5. „In Sonderlickkeit will ich hiebei von meinen Executoren und sonst menniglich unangefochten und unverrückt haben, sonder in bester Form stet und Yest bleiben lassen und gehalten werden die Donation und übergab unter den Lebendigen so ich hievor aus bewegenden guetten Ursachen dem Erbarn Georg Schenkhen Burgern zu Nurmberg und seinen Erben in Crafft meiner Bekanntnis zu Ingolstatt hierüber besdtehen getan habe. Gedachte Donation ist durch mich Wolfen Muntzerf Testator, allerdings widerruft und abgethan6." Es schließen sich nun im Testament sechs Legate an. Soweit es sich dabei um Geldvermächtnisse handelt, bewegen sich diese zwischen 14 und 300 fl. Seiner Schwester Katharina Georg Volkamerin der Jüngern setzte Münzer „ain Mark Silbernes oder Vierzehn Gulden in Müntz" aus. Doch erklärte er später — seine Schwester war 1556 gestorben — dieses Legat für „tot und ab" und ordnete an, daß sein Schwager „in ewig" nicht als sein Erbe zugelassen werden dürfe. Zwei weitere Legate wurden ebenfalls gestrichen mit der Bemerkung „Solch vorgeschrieben Legat ist auch durch mich Testator wie andere vor und nach abgethan und durchstrichen" bzw. „Durch mich Wolfgang Müntzer Testator abgethan und nichts zu geben schuldig". Es besteht also kein Zweifel, daß Münzer selbst die Streichung der Legate vollzogen hat. Wann dies geschah, läßt sich aus dem Testament nicht feststellen, da kein Datum angegeben ist. Auf die Festlegung der Legate folgt die eigentliche „Erbsatzung", d. h. die Einsetzung und Benennung der Haupterben, die „ein hauptstueck und grund ains zierlichen Testaments und letzten Willens ist". Wolfgang Münzer, der im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht verheiratet ist und keine „Noterben", d. h. Kinder oder Kindeskinder hat, setzt für den Fall, daß er auch später keine Ehe eingeht und bei seinem Tod 8 4 5 6

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StadtAN, WSt, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, Gutachten 1931. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 29. Vgl. oben S. 14. StadtAN, UR 1555, Sept. 30.

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für keine direkten Nachkommen, „die erlich natürlich pilligkeit tregt“, arme Menschen, die er des näheren bezeichnet, zu seinen Erben ein. Er motiviert diesen Entschluß damit, daß es 7 „auch von alter her / von hochlöblichen Altväteren / löblich bedacht und für nützlich erbar und bequemlich angesehen / und fürnemblidt geacht worden / die armen Leut und Menschen in bevelch zu haben / sollcher audt mit Hülfe des Almosen nit zu vergessen / Hierumb und dieweil idt mich dann one Rhon vnd ehrgenden zu reden / die Tag meines Lebens erbars Wesens wolbeflissen / vnd der letzte meines Schilt und Helms bin / also ernstlicher Meinung damit aus Gnaden des Herrn zu be­ schließen vnd nach mir ein erlich gedechtnis zu aller erbarkeit zu verlassen ganz geneigts willen bin / So hab Ich mit wolbedachten Muth / freiem vnd gutem Willen / auch aus vil gueten vrsachen mich dartzu bewegende / zu meinen Rechten wahren gewissen vnzweiffentlichen ainichen Erben lnstituirt gemacht, vnd gesetzt die armen Menschen vmb Nurmberg vnd Bamberg“8. (Die Worte „vnd Bamberg“ sind im Originaltestament nachträglich durchgestrichen.) In kurzen Worten sagt Wolfgang Münzer, daß schon seine Vorfahren stets darauf bedacht waren, „die armen Leut und Menschen“ — vielleicht sind damit die Münzerischen Zinsleute gemeint — nicht nur „in bevelch“ zu haben, d. h. deren Herrschaft zu sein, sondern ihnen auch in Zeiten der Not „mit Hülfe des Almosen“ beizustehen. Als der Letzte seines Schild und Helms kann Wolfgang Münzer diese Aufgabe an keine leiblichen Nachkommen mehr weitergeben und will sie daher offenbar in der Weise erfüllen, daß er den Kreis der Armen über jene hinaus, die er „in bevelch“ hat, erweitert und zu seinen Alleinerben „die armen Menschen vmb Nurmberg“ ernennt. Damit bekundet Münzer, daß alles, was er einmal bei seinem Tod hinterlassen wird, Almosen für die Armen sein soll. Besonders zu beachten ist, daß Münzer zu seinen Erben die Armen „vmb Nurmberg“, also die Armen des Nürnberger Landgebiets, einsetzt. Er weicht damit von der allgemeinen Gepflogenheit9 der Nürnberger ab, Wohltätigkeits­ stiftungen nur zum Nutzen von Bürgern oder Einwohnern der Stadt zu er­ richten. Der Schluß liegt nahe, daß Münzer, obwohl von Geburt an Bürger von Nürnberg, doch durch seine Herkunft aus dem alten bambergischen Geschlecht so geprägt war, daß er nicht ausschließlich als Bürger der Reichsstadt Nürnberg dachte und fühlte. Auch mag er durch die über die Lehensbeziehungen be­ stehenden Verbindungen seiner Familie zur Landbevölkerung besser als man­ cher Nürnberger Bürger gewußt haben, wieviel Not auf dem Land der Ab­ hilfe bedurfte. Die Form, in welcher Münzer die Ernennung der Armen zu seinen Erben motiviert, ist äußerst nüchtern. Selbst hier hält er sich zum Teil wieder an die 7 StadtAN, UR 1555, Sept. 30. 8 StadtAN, UR 1555, Sept. 30, Bl. 7'. 9 Siehe auch Kapitel II/2.

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Ausdrucksweise im Testament seiner Mutter. Nichts erinnert an die hoch­ mittelalterlichen Stiftungen, die im Armen Christus sahen und von ihrer Gabe für die Notleidenden Heil für die eigene Seele erwarteten. Ein religiöses Motiv klingt in keiner Weise an, auch nicht bei der an späterer Stelle erfolgten Fest legung der Stiftungsbestimmungen und Stiftungsverkündung. Von größter Bedeutung ist bei der obigen für die Erben gebrauchten Be­ zeichnung „die armen Menschen vmb Nürnberg vnd Bamberg" die Streichung der Worte „vnd Bamberg". Die Formulierung „die Armen vmb Nurmberg vnd Bamberg" findet sich noch einmal an anderer Stelle des Testaments. Auch hier wurden diese zwei Worte kräftig durchgestrichen. In beiden Fällen ist jedoch durch nichts kenntlich gemacht, daß die Außerkraftsetzung durch Münzer selbst erfolgte. Gerade bei diesen so überaus wichtigen Änderungen fehlt ein ent­ sprechender Hinweis. Die Tatsache der Annullierung der Bestimmung „vnd Bamberg" führte nach dem Tod des Stifters zu einem Testamentsstreit mit Bamberg. Dieser wird bei den Ausführungen über die Stiftungsexecution eingehend behandelt werden. In ausführlichster und umständlichster Weise erläutert Wolfgang Münzer, wie er sich die Testamentsvollstreckung denkt. Zunächst erklärt er, daß nach Erledigung der Legate, die einen verschwin­ dend kleinen Bruchteil des Erbes ausmachen, für den verbleibenden Teil seines Nachlasses seine Testamentarier „anstatt der armen deren eynemere undunderfachere in bester form rechtens sein". Wiederum benützt Münzer eine im Testament seiner Mutter vorkommende Formulierung, wenn er unter seinen „unverschafften verlassen haab und guetter" unter anderen „aigen und lehen" aufführt, obwohl seine Lehen nach dem Erlöschen des Münzerschen Mannes­ stammes an die Lehenherren zurückfallen mußten. Vielleicht führt er deshalb, um Irrtümern vorzubeugen, anschließend nochmals genauestens auf, daß nach seinem Tod „allßdann alle vnd jettliche mein uebrige ligende und vahrende haab und guetter nichts ausgenommen souil ich deren nach meinem absterben gestalt über bezalung meiner Gläubiger auch verschafften geltts vnd legate hinndter mir verlassen würdt sich die nachgemeldte meine Testamentarier vnd Executores an der armen statt als irs aigenthumblichen guth vnnderstehen vnderfachen regiren eynemen" 10. Dies soll, wie Münzer verfügt, geschehen „mit der beschwerde vnd rechtem fürgeding, das alle mehr bemeldte meine verlasne haab den Armen vmb Nurm­ berg vnd Bamberg (Die Worte „vnd Bamberg" sind im Originaltestament nach­ träglich durchgestrichen.) nachgesetzter maß volgen vnd pleiben dergestalt das meine hernachbenannten Testamentarier vnd Executores vnd Trewhender alle solche nachgelassene haab ligents vnd vahrends benandts als vnbenannts nichts ausgenommen so zuuor nit ablößliche oder beraithe heblich Parschafft ist zu beraiten heblichen geltts machen den Armen zu gut Alles vnd jedes insonder 10 StadtAN, UR 1555, Scpt. 30, Bl. 8/8'.

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zum besten vnd sdiirsten verkhauffen auch in dem hingeben oder Verkhauffen gar kein Ansehn ainidten oder mehr Person zu haben sunder allein der Armen nutz vnd wohlfart vor Augen zu haben und zu bedenkhen“ n. Nach dem Willen Münzers sollen also die Testamentsvollstrecker als Stell­ vertreter der Armen das Erbe antreten, und zwar mit der Maßgabe, daß die Erbmasse, soweit sie nicht schon in barem Geld besteht, schnellstens verkauft und zu Geld gemacht werden soll. Die Form, in welcher Münzer den Armen das Erbe zugute kommen lassen will, ist die einer „Ordnung und Schaffung der armen". Der damalige Sprach­ gebrauch verstand darunter eine Stiftung. Von der Stiftungsgabe, einer voll­ ständigen Bekleidung für Männer, erhielt die Stiftung im Laufe der Zeit den Namen „Wolfgang-Münzerische Kleiderstiftung". In dem nun folgenden Teil des Testaments legt Münzer seine Vorstellungen von der Stiftung sowie die Bestimmungen für deren Ausführung nieder. Aus dem Erlös, den der Verkauf des Nachlasses erbringt, sowie „dem so zuvor an heblich Parschafft ist", soll nach dem Willen Münzers eine Haupt­ summe von „ein 20000 fl. reinische guetter grober Müntz als 15 Patzen für ein gülden gerechnet" gebildet und „mit Wissen eines Erbarn vnd weisen Raths der Statt Nürnberg" auf jährliche ewige Verzinsung angelegt werden. Der Zinsertrag soll sich auf „zehenhundert gülden reinischer guetter grober Müntz" belaufen. Bei der Angabe „20 000 fl." läßt sich Verbesserung nach voraus­ gegangener Schabung erkennen, ebenso bei dem Zinsertrag von „zehen­ hundert". Diese Hauptsumme von 20 000 fl. stellt das Kapital dar, mit welchem Mün­ zer seine Kleiderstiftung errichtet. Für diese Stiftung erläßt er die nachstehen­ den genauen Vorschriften über Empfängerkreis, Stiftungsgabe und Wert der­ selben, Stiftungsexecutor, -verkündung und -tag. „Von sollidhem jerlichen Ewigen Zynnßen [soll] man entlieh und gentzlich und eins jeden jars besonder hundert arme menschen so nicht zu Nurmberg burger sein sych wol und erlich gehaltten und auch Erbars wesens und wandeis befleisigen järlidten volgender weiß begaben ein Jeden mit ein schwartzen wüllen gemadntten rockh, einem schwartzen Ehrlichen hutt auch mit einem weissen leinwathen hemdt vnd ein par schudt vnd noch ein halben gülden gellts In Jedes seine hennd geben und raidten auch solcher erst erzeiter meinung endlichen vnd järlichen zu Ewigen zeitten beclaidet werden, Welche arme leuth auch mans Personen sein sollen vnd kheineswegs burger zu Nurmberg oder herren Diener sein sollen, sunder armen dürfftigen vnd alten frembden Personen gereicht werden. 11 StadtAN, UR 155 5, Sept. 30, Bl. 8'.

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Welche Klaydung vnd gellt eins jeden menschen sunderlich am Werdt und Costen zehen fl. in Müntz thun solle. Dabey ich Testator ein Erbarn Rath der Statt Nurmberg bittendt solliche meine Ordnung und Schaffung der armen zu würkhlicher Yolziehung von meinen Testamentariern vnd Executoren zu handt zu nehmen vnd fürthin järlicher Ewiger Zeitt durch die iren verordneten Almußpfleger ob vnd nach erzellter Mainung verordnen lassen vnd jedes jars insonders auff der Cantzel zu Nurm­ berg in allen offen Kirchen an zwyen Sonntag 14 Tag vor allerheyligen tag sollche ausgab vnd almußen folgender Mainung verkhunden zu lassen vnd uff aller Heiligen abent wurcklichen zu raichen. Nachdem von dem Ernvesten Wolffen Muntzern von Bamberg Ritter zu einem järlichen Ewigen Almußen geordnet vnd geschafft 100 arme vnd frembden Mans Personnen so nicht alhie burger einem jeden ein rodkh vnd annders auff nächst aller Heiligen abendt zu raychen vnd auszugeben demnach diese so eins gleidien almußen bedürffen sich vor aller heyligen abendt bei den Yerordneten in der almuß Stuben anzuzeigen. Es ist auch mein begeren vnd sonderliche Meinung sollches Almußen vnuerzüglich eins jeden Jars auff aller Heyligen gen Abendt außzurichten vnd vorerzellter weiß entliehen zu geben 12.“ Zu Stiftungsempfängern bestimmt Münzer arme fremde Männer, die weder Nürnberger Bürger noch Herrendiener sein dürfen. Nicht Bürger von Nürnberg sein, das konnte einmal bedeuten, daß der Betreffende wohl in Nürnberg wohnte, aber das Bürgerrecht, das durch Nachweis von Vermögen, Leistung des Bürgereides und Zahlung einer Taxe erworben wurde, nicht besaß; zum anderen waren auch die Bewohner des Nürnberger Landgebietes keine Bürger, sondern galten als Untertanen und Hintersassen der freien Reichsstadt. Die Vorschrift, daß keine Herrendiener zur Stiftung zugelassen werden soll­ ten, läßt sich damit erklären, daß nach damaligen Begriffen Herrendiener Be­ dienstete des Nürnberger Rates waren, heute also städtischen und staatlichen Beamten und Angestellten entsprechen würden 13. Es wäre aber auch durchaus denkbar, daß Münzer dabei an solche Leute dachte, die als Privatdiener bei reichen Familien beschäftigt waren und gewiß keines Almosens aus einer Kleider­ stiftung bedurften. Münzer übergibt seine Stiftung dem Rat der Stadt Nürnberg zur Verwaltung und Ausrichtung durch dessen Almosenpfleger. Das „ewige Almußen" soll jähr­ lich neu verkündet und „auff allerheiligen abent" ausgeteilt werden. Unter „Allerheiligenabend" ist der Vortag von Allerheiligen, der 31. Oktober, zu verstehen, an dem die katholische Kirche das St.-Wolfgangs-Fest, den Namens­ tag Münzers, begeht. Im Anschluß an die Stiftungsbestimmungen fährt Münzer fort: „Und über soldt mein Legirn vnd Instituirn aller meiner Ordnung vnd ansehens so instituir und benenn idx audh zur Übermaß die Armen umb die Statt 12 StadtAN, UR 1555, Sept. 30, BL 9/9'/lO. 18 StadtAN, WSt, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, Gutachten 1931.

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Nurmberg zu reckten wahren Erben in alle mein vnuersckaffte anndere Raab vnd guetter, souil ick dero verlassen würde nicktzitt ausgenommen in aller vnd jeder maß vnd mainung wie dann zuuor und hinnack erclärtu.(t Mit dem bloßen Auge läßt sich erkennen, daß bei dem Wort „Nurmberg“ durch Schabung und Einfügung von Buchstaben eine Korrektur vorgenommen wurde, doch läßt sich nicht feststellen, worin die Änderung besteht. Nach dieser erneuten Benennung der „armen umb die statt Nurmberg“ zu seinen Erben erläßt Münzer folgende Bestimmungen: „Dem ist fürnemlick weitter also das man gedachte mein Ybrige noch vnuersckaffte nachgelassene kaabe so zuuor nit beraithe parsekafft ist vnuerzüglick zu gelltt vnd beraiten parsekafft zu macken und sollcke kaubtsummen aller Ybermaß einem Erbarn Rath der Statt Nurmberg den armen Leutken zugutt auff gebürlidke Verschreibung vnd järlick Ewige Verzinnßung von meinen Testamentarirn vnd Executorn zukannden zu nemen1*.“ Bei der Benennung des Rates der Stadt ist bei „Nurmberg“ wieder Aus­ schaben und Einsetzen von Buchstaben zu erkennen. „Vom welcher Jährlichen Ewigen nutzung man haußarme Menschen souil die järlicke nutzung geben vnd Raichen mag aller vorerzellter maß vnd weis beclaiden als die armen umb die Statt Nurmberg hieuor erclärt vnd namen haben. Es soll auch ein Erbarer Rath eegedackt Ewig Allmusen zu Nurmberg auff den tag verkkunden lassen auch volgendts ausgeben vnd Raichen lassen, daran man Herren Braunwart Müntzers geordnet almusen verkhundt und ausgeben wurdt one Verhinderungle“. Bei der obigen Bestimmung über die Verkündung des „ewig Allmusen zu Nurmberg“ wurde beim Ortsnamen wieder die gleiche Korrektur vorgenom­ men. Mit obigen Bestimmungen verfügt Münzer offenbar, was mit dem über 20 000 fl. hinausgehenden Teil des Erbes zu geschehen hat. Der in Frage kommende Betrag soll als Hauptsumme beim Rat der Stadt Nürnberg an­ gelegt werden. Von den jährlichen Zinsen sollen, soweit der Ertrag reicht, hausarme Menschen in der gleichen Weise bekleidet werden, wie dies bereits für die hundert armen Männer festgelegt wurde. Der Ausdruck „hausarme Menschen“, der an dieser Stelle auftaucht, ist nicht ohne weiteres zu verstehen. In der Literatur finden sich folgende Deu­ tungen: Nach Rüger galten als „Hausarme“ nur Bürger und Schutzverwandte, welche mindestens fünf Jahre lang das Bürgerrecht bzw. den „Schutz“ innehatten und dadurch das Recht auf Almosen — als Almosengenosse — erworben hatten 17. Dagegen läßt sich nach Fleischmann der Begriff „Hausarme“ nicht eindeutig 14 15 16 17

StadtAN, UR 1555, Sept. 30, Bl. 10. StadtAN, UR 1555, Sept. 30, Bl. lo/io'. StadtAN, UR 1555, Sept. 30, Bl. 10'. Rüger, Mittelalterliches Almosenwesen. Die Almosenordnungen der Stadt Nürnberg. Nürn berg 1932, S. 22.

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festlegen, weshalb es für richtig gehalten wird, „wenn man unter Hausarmen alle solchen Personen zusammenfaßt, welche im eigenen Haushalt in be­ dürftigen und bedrängten Verhältnissen leben“ 18. Diese letztere Definition ließe sich ohne weiteres auf die Münzerischen Stiftungsempfänger anwenden und würde bedeuten, daß Münzer seine Stiftung nur seßhaften Personen zu­ wenden will. Der Hinweis, daß das „ehgedacht ewig Allmusen“ an dem gleichen Tag „ver­ kündet und ausgeben“ werden soll, an dem „Herren Braunwart Müntzers ge­ ordnet Allmusen“ verkündet und ausgegeben wird, läßt jedoch an eine zu­ sätzliche Stiftung denken, die für hausarme Leute in der gleichen Weise aus­ gerichtet werden soll wie die Stiftung für die Armen um Nürnberg. Diese Auffassung wird dadurch bekräftigt, daß der Stifter im folgenden, als könnte er sich nicht genug tun mit der Ernennung der Armen zu seinen Erben, schreibt: „in welche obernanthe all mein Ybrige verlassen haab und guetter als vorsteet ich Testator Nemlichen die armen Christen vmb Nurmberg vnd in Nurmberg . . . zu meinen waren ordenlichen rechten vnzwei ff entliehen Erben instituir setz und mach . . . Welche obgemeldte arme leuth zu vnd vmb Nurmberg vnd in Nurmberg vorerzelter weiß ich auch jetzo mit Rechtem Wissen aller obgemelter meiner Verlassenen vnuerschafften haab und guetter als vorsteet jetzt als dann und dann als jetz zu meinen wahren Vehigen aynidten und rechten erben instituir setz erwähl nenn mach und nachsetz“ 19. An den Stellen „die armen Christen vmb Nurmberg vnd in Nurmberg“ sowie „obgemeldte arme leuth zu vnd vmb Nurmberg vnd in Nurmberg“ steht das Wort „in“ jeweils über der Zeile, hatte als ursprünglich gefehlt. Bei dem beide Male nadi „in“ folgenden Wort „Nurmberg“ ist wiederum die Rasur und Ergänzung festzustellen. Die Klarheit des Testaments leidet zweifellos sehr unter der so wenig prä­ zisen Ausdrucksweise Münzers. Die im Wortlaut jeweils voneinander ab­ weichenden Formulierungen „die armen vmb die Statt Nurmberg“, „die armen Christen vmb Nurmberg und in Nurmberg“ und „obgemeldte arme Leuth zu vnd vmb Nurmberg vnd in Nurmberg“ lassen sich so deuten, daß die Armen um und in Nürnberg Nutznießer der Stiftung sein sollten. Dabei wäre das Hauptgewicht wohl auf die Armen um Nürnberg zu legen, da Münzer bei der feierlichen „Erbsatzung“ zu seinen alleinigen Erben „die armen Menschen vmb Nurmberg“ ernennt, während die Armen in Nürnberg erst durch die nachträgliche Einfügung des Wörtchens „in“ in den Kreis der Almosenempfänger einbezogen wurden. Wie schließlich die Testamentsexecutoren und der Rat der Stadt den Stifter­ willen auslegten und ihm gerecht zu werden suchten, darauf wird im Zusam18 Fleischmann, Gutachten für eine Neuordnung der öffentlichen Nürnberger Wohltätigkeits­ stiftungen, Nürnberg 1921, S. 44. 19 StadtAN, UR 1555, Sept. 30, Bl. lo'/ll.

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mcnhang mit der vom Landalmosenamt ausgearbeiteten „Ordnung der Müntzerischen Stiftung“ ausführlich eingegangen werden. Für den Fall, daß der Rat der Stadt Nürnberg Schwierigkeiten bereiten würde in der Durchführung der „Ordnung mit den armen“ gemäß dem Stifterwillen, erklärt Münzer es für seinen „entliehen letzten will“, daß seine Executoren das Kapital von 20000 Gulden „sollen .. . überantworten, raichen und geben einem erbaren Rath der Statt Onoltzbach da der durchlauchtig hochgeborene Fürst und Herr Marggraf Georg Friderich zu Brandenburg m. g. H. sein ge­ wöhnlich hofhaltung dißmals hat“. Mit den Zinsen dieser 20000 Gulden sollte dann die Stiftung in Ansbach ausgeteilt werden. Diese Verfügung brauchte jedoch nicht wirksam zu werden. Der Rat der Stadt Nürnberg nahm die Stiftung an und war bereit, für eine dem Stifter­ willen entsprechende Execution zu sorgen. Bei der Finanzmisere20, in welcher die Stadt sich befand, und in Anbetracht der immer stärkeren Beanspruchung der städtischen Armenkasse hätte der Rat sich die Zurückweisung der so groß­ zügig dotierten Stiftung Münzers auch kaum leisten können. Die Frage, wem Münzer im Fall einer Ablehnung den über 20 000 fl. hinaus­ gehenden Teil seiner Stiftung zukommen lassen wollte, bleibt offen. Abschließend ist zu bemerken, daß das bereits erwähnte Gutachten von 193121 feststellt, daß sämtliche Änderungen des Testaments — seien es Strei­ chungen, Zusätze, Schabungen und Verbesserungen — von Münzer eigen­ händig vorgenommen wurden. Das geänderte Testament stellt also den rechtskräftigen letzten Willen des Stifters dar. Soweit sich im Lauf der Stiftungs­ geschichte die Notwendigkeit einer Überprüfung des Stifterwillens ergab, wurde sie jeweils an Hand dieser Fassung des Testaments durchgeführt. Auf die erheblichen Schwierigkeiten bei der Auslegung des Testaments wurde bereits hingewiesen. Daß die Ursache hierfür in den von Münzer vorgenomme­ nen Änderungen zu sehen ist, ergab sich eindeutig aus dem Gutachten des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, zu dessen Ergebnissen auch die Feststellung des ursprünglichen Textes des Testaments gehörte. Dieser berührt zwar die rechtliche Situation, d. h. die Gültigkeit des geänderten Testaments, in keiner Weise, doch scheint es wertvoll festzuhalten, daß Münzer tatsächlich im Jahre 15 55 testamentarisch zwei Kleiderstiftungen errichtete. Die eine Stiftung mit einem Kapital von 20 000 fl., ursprünglich 40 000 fl., war bestimmt für Arme um Nürnberg und Bamberg, zu verwalten vom Rat der Stadt Nürnberg. Die zweite Stiftung aus dem über 20 000 fl. hinausgehen­ den Teil der Hinterlassenschaft sollte den Armen um die Stadt Bamberg ge­ hören, zu verwalten vom Rat der Stadt Bamberg und zu verkündigen und an hausarme Menschen auszugeben am Tag des Almosens des Braunwart Müntzer. Aus den bereits bekannten Gründen strich Münzer bei der ersten Stiftung die Worte „und Bamberg“ an zwei Stellen kräftig durch, bei der zweiten 20 Als Folge des zweiten Markgräfl. Krieges von 1552/53 war die Schuldenlast Nürnbergs von 453 003 fl. auf die ungeheure Summe von 3,4 Millionen fl. angestiegen. Schultheiß, Kleine Geschichte Nürnbergs, Nürnberg 1966, S. 52. 21 StadtAN, WSt, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, Gutachten 1931.

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Stiftung änderte er das Wort „Bamberg“ an den entsprechenden Stellen durch Schabung und Korrektur in „Nürnberg“ und fügte das Wörtchen „in“ ein. Das Gutachten bestätigt, „wie sehr diese Änderungen das gedankliche Gefüge des ganzen Testaments stören, besonders in den Bestimmungen über die ursprüng­ lich Bamberg zugedachte Stiftung“ 22. 2. Die Stiftung im Rahmen der Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen Charakter, Bedeutung und Geschichte der Wolfgang-Münzer-Stiftung kön­ nen nur dann klar erkannt werden, wenn die Stiftung nicht isoliert betrachtet wird. Aus diesem Grund erscheint es notwendig, hier einen kurzen generellen Überblick über die Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen sowie über das Armenwesen der Stadt zu bringen, um schließlich die Stiftung Münzers in die­ sen Rahmen einzufügen. Mit dem Hochmittelalter begann in Nürnberg die Zeit der Stiftungen. Ent­ sprechend der tiefen Gläubigkeit des mittelalterlichen Menschen und seiner engen Verbundenheit mit der Kirche standen am Anfang Stiftungen an die Kirche in Form der aus dem frühen Mittelalter überkommenen Pfründen und sogenannter Kirchenstiftungen 2\ Diese blieben nicht auf die Stadt beschränkt, sondern erstreckten sich, vor allem im ausgehenden Mittelalter, auch auf das Umland der Stadt, wo zahlreiche Kirchen von Nürnberger Familien gebaut oder mit reichen Stiftungen bedacht wurden Der mildtätige Sinn der Bürger wandte sich frühzeitig auch der Linderung der leiblichen Nöte der Mitmenschen zu. So entstanden die zahlreichen und zum Teil sehr bedeutenden Wohltätigkeitsstiftungen der Stadt, deren Beginn ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Am Anfang der Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen stehen Spitäler und anstaltsähnliche Einrichtungen: das in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahr­ hunderts als Deutschordensspital gegründete St.-Elisabeth-Spital, das wegen der reichen Schenkungen und Stiftungen aus der Nürnberger Bevölkerung zu den Stiftungen der Stadt gezählt wird25; die vier Siechköbel26 — St. Johannis (1234), St. Jobst (1308), St. Leonhard (1317) sowie St. Peter und Paul (nachweisbar 1389); das Heilig-Geist-Spital von 1339; die Pilgrimsspitäler „zum heiligen Kreuz' und „St. Martha"27. Alle diese Stiftungen wurden unter die Oberaufsicht des Rates gestellt, der Pfleger für die Verwaltung bestellte. 22 StadtAN, WSt, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, Gutachten 1931. 23 Vgl. Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts, I. Bd., Geschichte des Stiftungsrechts. Tü­ bingen 1963, S. 78. 24 Schnelbögl, Die wirtschaftliche Bedeutung ihres Landgebietes für die Reichsstadt Nürnberg. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs. Hrsg, vom Stadtarchiv Nürnberg, Nürn­ berg 1967, Bd. 1, S. 311. 25 Hirschmann, Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen, Amtsblatt der Stadt Nürnberg, Nr. 27/ 1963, S. 2. 26 Reiche, a. a. O., S. 170ff. und Nümbergisches Zion, Nürnberg 1733, S. 75. 27 Hirschmann, a. a. O., S. 2.

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In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kamen zu den an einen bestimm­ ten Personenkreis gebundenen Spitalstiftungen die reinen Almosenstiftungen, und damit die eigentlichen Armenstiftungen, hinzu. Die bedeutendste und in ihren Auswirkungen sehr weit reichende Almosenstiftung jener Zeit war das „Fleisch- und Brotalmosen“ des Burckhard Sailer von 1388 28, auch „Reiches Almosen“ genannt. Es stellt eine Kapitalstiftung dar, die von Anfang an in die bürgerliche gemeindliche Verwaltung eingebaut wurde. Bei allen Stiftungen — seien es Spital- und Anstaltsstiftungen 29 oder Al­ mosenstiftungen 30 — handelte es sich um rechtlich selbständige Stiftungen, die aber noch kirchliche Stiftungen waren, d. h. noch dem kirchlichen Recht unter­ standen. Erst die Reformation verhalf der weltlichen Stiftung zum Durchbruch. Die laisierten Stiftungen wurden nun auch dem Rechtsstatus nach von der Kirche völlig unabhängig und stellten eine Institution des weltlichen Rechts dar31. Mit Beginn des reformatorischen Zeitalters ging die Periode der wirk­ lich großen und einheitlichen Stiftungen zu Ende, von wenigen Ausnahmen ab­ gesehen. Die Stiftung Wolfgang Münzers wird von Priem32 neben der Stiftung eines Wolf gang Kallinger von 1566 zu den bedeutendsten Stiftungen des 16. Jahr­ hunderts gezählt. Als nachreformatorische Stiftung stellt sie eine weltliche Stiftung dar. Zu­ gleich ist sie rechtlich selbständige Stiftung. Auf Wahrung dieser Selbständig­ keit wurde vom Rat der Stadt Nürnberg besonders geachtet, schon im Hinblick auf die testamentarische Verfügung Münzers, daß seine Stiftung an den Rat der Stadt Ansbach übergehen solle, falls Nürnberg nicht dem Stifterwillen ent­ spräche. Noch in einem Aktenstück des Jahres 1761 33 weist das Landalmosen­ amt ausdrücklich auf diese Bestimmung hin. In anderem Zusammenhang brin­ gen die Herren Oberalmospfleger zum Ausdruck, daß „von dieser Stifftung aber nichts in usum publicum verwendet werden soll, sondern als eine ganz separate Sache verbleibe, wenn man sich nicht dem Rath der Statt Anspach als der Substituten dieser Stifftung zur Verantwortung aussetzen will“34. Wolfgang Münzer hatte seine Stiftung als Hauptgeldstiftung95, d. h. als Kapitalstiftung, errichtet. Er hatte sich für die Form der reinen Geldstiftung entschieden und deshalb auch im Testament den Verkauf aller seiner Habe, soweit sie nicht schon in Geld bestand, verfügt. Da zur Münzerischen Erbmasse u. a. kostbarer Hausrat, Schmuck und dergleichen Vermögenswerte gehörten, diente diese Anordnung zweifellos zum Nutzen der Stiftung, für die solche Gegenstände nur totes Gut gewesen wären. 28 29 30 31 32 33 34 35

Rüger, a. a. O., S. 18 ff. Fries, Das Nürnberger Stiftungswesen. Diss. Erlangen 1963, S. 146 ff. Rüger, a. a. O., S. 19 und S. 30. Liermann, a. a. O., S. 124. Priem, a. a. O., S. 192. StadtAN, Rep. 80 B Nr. 260. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 15, Stiftungsrechnung 1776/77. Liermann, a. a. O., S. 161.

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Wie bereits an anderer Stelle 38 hervorgehoben, unterschied sich die Stiftung Wolfgang Münzers von den sonstigen Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen durch ihre Bestimmung für die Armen des Nürnberger Umlands. Im Gegensatz zu den Kirchenstiftungen war die Zahl der Wohltätigkeitsstiftungen, die neben bedürftigen Bürgern und Einwohnern der Stadt Nürnberg auch Arme des Land­ gebiets bedenken wollten, verschwindend gering. Es handelte sich dabei meist entweder um Grunduntertanen der Stifterfamilien oder in der Zeit nach der Reformation auch um arme Leute aus dem Heimatort eines in Nürnberg als Bürger ansässig gewordenen Stifters. Die Stiftung Münzers dagegen ist in ihrer Wirksamkeit nicht auf einen bestimmten Ort oder einen Teil des Umlands be­ grenzt, sondern umfaßt ohne Einschränkung das gesamte Nürnberger Land­ gebiet. Münzer hat seine Almosenstiftung auf einen einheitlichen Zweck, nämlich auf die vollständige Bekleidung von hundert armen Männern, ausgerichtet. Diese Stiftungsgabe trug der Stiftung den spezifischen Namen „WolfgangMünzerische Kleiderstiftung“ ein, unter dem sie populär wurde. Einheitlichkeit des Stiftungszweckes fällt, wie bereits erwähnt, unter den nachreformatorischen Stiftungen auf. In der Literatur findet sich vom 16. Jahrhundert bis zum Ende der Reichsstadt unter den Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen nur noch eine Stiftung mit einem auf den Stiftungsinhalt hinweisenden Namen, nämlich die „Seyfried-Pfinzingische Kleiderstiftung“ 37, die Seyfried Pfinzing von Henfenfeld auf Heuchling und Weigelshof im Jahre 1617 in bewußter Nachahmung der Münzerischen Kleiderstiftung errichtete. Als ausgesprochene Kleiderstiftung hebt sich die Stiftung Wolfgang Münzers ebenfalls unter den Nürnberger Wohl­ tätigkeitsstiftungen heraus, unter denen reine Kleiderstiftungen sehr selten sind. Wohl die früheste derartige Stiftung in Nürnberg dürfte die des Ulrich Stro­ mer von der goldenen Rose aus dem Jahr 137038 gewesen sein, deren Stiftungs­ gabe in „grauem Tuch zu einem Mantel oder Rock“ bestand. Für die Zeit­ spanne vom 16. Jahrhundert bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit kann als Kleiderstiftung außer der Münzer- und Pfinzing-Stiftung noch die Huterische Stiftung von 1592 38 bezeichnet werden, die aber neben der Bedeutung dieser beiden Stiftungen verschwindet. Im 19. Jahrhundert lassen sich drei Kleiderstiftungen für Nürnberg nachweisen. 1871 errichtete Johann August Barth eine Stiftung für „Kleidung für 36 Vgl. Kap. II/l. 87 Kreß, Die Seyfried-Pfinzingische Kleiderstiftung — Ein Beitrag zur Geschichte des Stif­ tungswesens in Nürnberg. In: MVGN 9 (1892), S. 196/197. 38 Stromer-Archiv, Schloß Grünsberg, UR 1370, Juli 31. „ ... die Erträgnisse der Güter zu Leuchendorf von Ulrich Stromer zur goldenen Rose gestiftet, um graues Tuch zu einem Mantel oder einem Rode für arme Leute zu kaufen, die jährlich am Allerheiligenabend bey St. Sebalds Sarg auszutheilen sind.“ 39 Siebenkees, Fortges. Nachrichten von Armenstiftungen in Nürnberg, Nürnberg 1794, S. 28. „Ursula Hüterin verschaffte 1592 in ihrem Testament, daß man von ihrer Verlassenschaft mit 500 fl. 25 fl. erkaufen, und diesselben zur Erkaufung wüllner Hofer oder dergleichen Tuchs verwenden, und dasselbe Gewand durch den ältesten ihres Geschlechts unter Arme dürftige Dorfpriester und hausarme Leute ausgetheilt werden solle.“

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arme Konfirmanden und Lehrlinge" 40. Therese Rohrmann wollte mit ihrer reichen Stiftung von 1840 „jährlich etwa 70 dürftige Frauen, Witwen und Dienstmägde"41 mit Kleidung für den Winter versehen, und Leonhard Dörfflers Stiftung von 1873 sollte zur „Anschaffung von Kleidern und Wäsche für die Pfründner des Sebastianspitals"42 dienen. Entsprechend dem testamentarisch festgelegten Willen Wolfgang Münzers wurde die Stiftung vom Rat der Stadt zur Verwaltung und Ausrichtung über­ nommen und demgemäß in die Armenfürsorge der Stadt eingegliedert. Die Sonderstellung der Münzerischen Kleiderstiftung innerhalb des städtischen Armenwesens ergibt sich aus nachstehenden Ausführungen. Unmittelbar vor der Reformation, im Jahre 1522, erfuhr das Almosenwesen der Stadt eine völlige Neugestaltung. Auf Grund eines Antrags im Rat der Stadt, die Bettelei abzuschaffen und für den Unterhalt der Armen von der Ge­ meinde aus zu sorgen, entstand die Almosenordnung von 1522. Nach der offi­ ziellen Einführung der Reformation in Nürnberg im Jahre 1525 wurde dem „Großen Almosen" das gesamte Vermögen der Kirchen und Klöster der Stadt mit allen geistlichen Stiftungen hinzugefügt43, ferner unter Wahrung der recht­ lichen Selbständigkeit eine Reihe zum Teil bedeutender mittelalterlicher Stif­ tungen wie das „Reiche Almosen", die Findelhäuser, Siechköbel44 usw. Der „Gemeine Kasten" war damit zum Vermögensträger für enorme Werte ge­ worden. Er hieß nun offiziell Almosenamt. Im Hinblick auf die Vielfalt und Verschiedenartigkeit seiner Aufgaben wurde das Amt in ein Stadt- und ein Landalmosenamt aufgeteilt45. Ganz von selbst hatte sich damit eine vom Standpunkt der städtischen Be­ lange aus gewiß sehr willkommene Zentralisation von Stiftungen ergeben. Der Einfluß des Rates auf das Stiftungswesen der Stadt verstärkte sich noch. Ent­ weder gaben die Stifter ihre Stiftungen unmittelbar an „das große Allmüsen" oder sie ordneten an, daß der Rat Pfleger bestellte, z. B. Mitglieder des Rates oder andere städtische Beamte, gegebenenfalls auch städtische Ämter. Für einen beträchtlichen Teil der Stiftungen waren zwar nach wie vor von den Stiftern selbst Privatleute zu Executoren ernannt worden, doch waren auch diese häufig Angehörige des Rates, Prediger an einer der Kirchen der Stadt oder standen sonst in städtischen Diensten, so daß der Einfluß des Rates hier indirekt vor­ handen war. Man findet auch die Bestimmung, daß zu Vollstreckern der Stif­ tung bestellte Privatpersonen dem Almosenamt Rechnung über die Verteilung und den Stand der Stiftung ablegen mußten. Bedenkt man noch, daß ein großer Teil der Stiftungskapitalien beim Losungsamt zur Verzinsung angelegt wurde, so kann gewiß mit Recht von einer engen Verquickung zwischen Wohltätig40 Siehe Stadt AN, „Alphabetisches Register zum Verzeichnis der unter magistratischer Ver­ waltung stehenden Wohltätigkeits-Stiftungen der Stadt Nürnberg", Stand vom 1. Januar 1897.

41 42 43 44 45

Ebenda. Ebenda. Hilpert, a. a. O., S. 34. Reicke, a. a. O., S. 824. Ebenda.

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keitsstiftungen und Stadt gesprochen werden. Für das Schicksal einer ewigen Stiftung schien ja auch bei Aufsicht des Rates der Stadt eine weit größere Sicherheit zu bestehen als bei der ausschließlichen Execution durch Privat­ personen. Auch für Wolfgang Münzer, den Letzten seines Stammes, mag der Gedanke an die Fortdauer seiner „Ordnung der armen“ ein Grund gewesen sein, die Stiftung dem Rat der Stadt zu übergeben. Vielleicht hat auch die praktische Erwägung eine Rolle gespielt, daß die Verwaltung einer so umfangreichen Stiftung mit ihrem erheblichen Arbeitsanfall und dem dadurch bedingten Per­ sonalbedarf am zweckmäßigsten von einer amtlichen Institution durchgeführt wurde. Als solche war für die Wolfgang-Münzerische Stiftung, die vornehmlich „den armen umb die statt Nurmberg“ zugute kommen sollte, das Landalmosenamt zuständig. Dieses Amt stand unter der Leitung eines Hauptpflegers, eines Pflegers oderCastners und eines Gegenschreibers, zu denen weitere Beamte hinzukamen. Es verwaltete sämtliches Kirchen- und Klostergut, ferner die Güter der beiden Findein, der Siechköbel St. Jobst und St. Leonhard sowie des Reichen Almosens, schließlich die Güter der Pfründen und alle nach der Reformation gestifteten Güter, ferner das Vermögen der Pfarreien Rüsselbach und Igensdorf48. Die Münzer-Stiftung wurde diesem bereits vorhandenen Ver­ mögenskomplex des Landalmosenamts jedoch nicht hinzugefügt, es bestand vielmehr lediglich Personalunion in der Verwaltung des Amtes und der Stiftung.

III. Die Stiftungsexecution 1. Die Testamentsvollstreckung

Nach dem Tod Wolfgang Münzers im Mai 1577 fungierten, wie aus dem „Müntzerischen Verkhauffregister anno 1577 1 hervorgeht, als Testaments­ vollstrecker Endres Imhoff d. Ä. und Sebold Haller von Hallerstein. Diese waren als „Andres Imhoff und Sebold Haller zu Nurmberg“ 2* nach 1 dem Ab­ leben der zunächst ernannten Testamentarier vom Erblasser zu Executoren be­ stimmt worden. Die beiden Patrizier gehörten als Mitglieder des „Gehaimen Raths“ und als Losungsherren, die für die Finanzverwaltung der Stadt ver­ antwortlich waren, zur obersten Führungsspitze im Rat. Ein Nachweis über die Vollziehung der im Testament auf geführten Legate war nicht zu finden, doch läßt sich dies damit erklären, daß im Verhältnis zur Haupterbmasse die nach den Streichungen durch Münzer noch verbliebenen Vermächtnisse verschwindend gering und im übrigen von der Stiftung unab“

48 Hilpert, a. a. O., S. 35. 1 StadtAN, Rep. 80 B 254 und Beilage 2, S. 116/117. 2 StadtAN, UR 1555, Sept. 30.

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hängig waren. Es ist daher wohl berechtigt, die Testamentsvollstreckung als den Beginn der Stiftungsexecution anzusehen. Diese Auffassung, wonach die Erbmasse bereits als Stiftungsgut behandelt wurde, wird durch die Tatsache bestätigt, daß die Inventaraufnahme sowie der von Münzer angeordnete Verkauf des Nachlasses nicht von den Testaments­ vollstreckern Imhoff und Haller durchgeführt wurden. Diese betrauten viel­ mehr damit, wie aus dem „Müntzerischen Verkhauffregister anno 1577“ her­ vorgeht, den „Ernvest fürsichtig und weiß Herr Bartelmeß Pömer des kleine­ ren und den Erbar und fest Sebastian Schlauderspacher des größeren Raths und der Zeitten verordneter Pfleger und Castner des Gemainen Allmosens allhie“. Der Patrizier Pömer, der dem Kleineren, d. h. dem eigentlichen regierenden Rat angehörte, dürfte dabei für den Rat die Oberaufsicht ausgeübt haben, während Schlauderspacher die praktische Durchführung übertragen war. Schlau­ derspacher war Mitglied des Größeren Rats. In seiner Eigenschaft als „Pfleger und Castner des Gemainen Allmosens“ wurde er zum ersten Verwalter der Münzerischen Stiftung bestellt, und zwar mit Wirkung ab 29. Mai 1577, dem Todestag des Stifters3. 4 Am 15. Juni 1577 4 wurde mit der Inventaraufnahme der Hinterlassenschaft Münzers begonnen. Bereits nach 8 Wochen, am 12. August5, konnte der Ver­ kauf des Nachlasses einsetzen, zunächst allerdings nur für die beweglichen Güter. Zeugen der Inventur und des Verkaufsregisters waren der Panzer­ macher Hanns Potzier und Caspar Weber6. Es ist anzunehmen, daß diese beiden als Hilfskräfte bei der Bestandsaufnahme und dem Verkauf tätig waren. Das Testament Münzers konnte nicht glatt abgewickelt werden, einmal wegen der Schwierigkeiten, die von seiten des Hochstifts Bamberg gemacht wurden und zu dem sogenannten Testamentsstreit mit Bamberg führten, dann aber auch wegen des Schenck-Zatzerschen Prozesses. Es ergaben sich daher im „Verkhauffregister anno 1577“ folgende ungeklärte Posten: Die Lehensnutzung 1577 für die Mannlehen; die liegenden Güter zu und um Bamberg mit Zins und Gült; das Wohnhaus in Nürnberg, Judengasse. Die Abwicklung dieser offenen Positionen zog sich zum Teil bis in das 17. Jahrhundert hinein. Auf das Ergebnis wird erst im Anschluß an die nun folgende Erläuterung des Verkaufsregisters eingegangen werden, um nicht das Bild des vorläufigen Vermögens, wie es sich aus dem Register ergibt, zu ver­ wischen. Als Bestand an fest angelegtem Geld waren laut Verkaufsregister 16 500 fl. vorhanden. Davon lagen 14 000 fl. „in guetter grober Muentz“ zu einem Zins­ satz von 5 % in der Losungsstube der Stadt Nürnberg. Weitere 2000 fl. „reinisch Gold“, entsprechend 2500 fl. „grober Muntz“, waren zum gleichen 8 4 5 • 4

StadtAN, Rep. 80 B 256. StadtAN, Rep. 80 B 254. Ebenda. Ebenda.

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Zinsfuß in „Marggraf Jörg Fridridis zu Brandenburg Statt Kitzingen“ angelegt. Die Zinszahlung erfolgte durch die „Rendei zu Onoltzbach“. An Bargeld wurden bei der Inventaraufnahme 584 fl. 4 Pf. 1 Pfg. festgestellt. Aus welch vermögendem Haus der Stifter stammte, zeigt besonders deutlich auch die „Vhamus“, deren Schätzwert sich auf 6600 fl. 5 Pf. 9V2 Pfg. belief. In dem „Extract aller in diesem Verkhauff Register specificirten Tittel der Müntzerischen Verlassenschaft“, der ein Bestandteil des Verkaufsregisters ist, wurden die beweglichen Güter wie folgt aufgezählt: Silberne Schaw und andere Grosdien, Audi haidnisdte Pfening, Item Cleinoten, Guide Ketten, Gevennd Ring etc., Item Silber Geschirr, Gürdl, Patternoster etc., Silber vergullt, Hafften und Knöpf etc., Getraid, Zin Geschirr, Messing Geschirr, Kupfer Geschirr, Eisen, Mansclaider, Frawenclaider, unverarbeit Gewandzeugk, Manns lehren, Püdhsen und Jegerhorn, Harnisch, Pantzer und Tartschen, Allerley Rüstung, zur Reutherey gehörig Buecher, Pirschen und ander Gehörn, Gemahlte Tafeln, Irde Schaln und Gleser, Deckh, Deppig, Polster etc., Petthgewandt und Allerley Federwaths, Leinen Dingladt, flades und Garn Sampt Holtzwerks, Allerley Yharnus und Hauß Rathe. Als Bücher im Besitz Münzers wurden u. a. genannt7: Biblia Teutsch getruckt, Inn zwen Thail Anno 42 Postilla Lutheri, Teutsch Inn Zwen Thail Ao 1530, zu Magdeburg getrudzx Die Reiß gen Jerusalem Teutsch Postilla Lutheri Ao 28 getruckt. Bei Abschluß des Verkaufsregisters waren von der „Vharnus“ noch Güter im Schätzwert von 2550 fl. 3 Pf. unverkauft. Mit diesem Betrag stehen sie auch an Lichtmeß 1579 noch zu Buch 8. Ein im Nachlaß befindliches Pferd wurde nicht geschätzt, sondern „aus Bevelch“ dem Pfleger zu Lichtenau, einem zur Stadt Nürnberg gehörigen, im Ansbacher Gebiet gelegenen Pflegamt, zugestellt. Von den gewissen Schulden außerhalb Giech, die mit 884 fl. 8 Pf. 71/2 Pfg. vorhanden waren, konnten 619 fl. 1 Pf. 1 V2Pfg. eingebracht werden. Davon erhielt „auß Bevelch“ der Diener Münzers, Hanns Pirkel, 600 fl., die für einen 7 StadtAN, Rep. 80 B 254. 8 StadtAN, Rep. 80 B 256.

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Mann von dessen Stand ein Vermögen bedeuten mußten. Die ungewissen Schulden sind mit 128 fl. 4 Pf. 24 Pfg. aufgeführt. Die in dem „Extract aller in diesem Verkhauff Register specificirten Tittel der Müntzerischen Verlassenschaft“ 9 vorgenommene Gegenüberstellung der Schätzwerte mit insgesamt 28 258 fl. 5 Pf. 18 Pfg. zum Stand des Nachlasses nach durchgeführtem Verkauf mit 28 338 fl. 4 Pf. 17 Pfg. weist gegenüber der Schätzung einen Mehrbetrag von 79 fl. 7 Pf. 11 Pfg. aus. Für die Ermittlung des Vermögens ist der mit „Erlös“ bezeichnete Teil des „Extracts“ jedoch insofern nicht aussagefähig, als dem Erlös auch Zuwendun­ gen, wie z. B. die an Pirkel, hinzugerechnet worden sind. Das gleiche gilt für die Kurzfassung des „Extracts“, mit der die Erläuterungen des Verkaufsregi­ sters abschließen. Nachstehend wird diese gedrängte Übersicht in anderer Auf­ machung gebracht, aus der ohne weiteres hervorgeht, was nach dem Testa­ mentsvollzug, soweit er überhaupt durchgeführt werden konnte, tatsächlich als vorläufiges Vermögen vorhanden war. Eine endgültige Vermögensaufstellung konnten Pömer und Schlauderspacher den Testamentsvollstreckern in Anbetracht der bestehenden Schwierigkeiten nicht vorlegen. Schon der vorläufige Stand des Vermögens mit rd. 27 600 fl. läßt jedoch er­ kennen, daß Wolfgang Münzer der Stadt Nürnberg eine außerordentlich reiche Stiftung für die Armen hinterlassen hatte. Das beweisen auch die folgenden Aussagen über die Höhe der Privatvermögen zur Zeit Münzers. Nach Kötzschke 10 zählten im 15. und 16. Jahrhundert Personen mit einem Vermögen von über 2000 fl. zu den Reichen; das durchschnittliche Vermögen eines Nürn­ berger Bürgers lag bei etwa 720 fl. Eine Schätzung Christof Scheurls d. Ä.*11 um 1500 gibt an, daß nur ausnehmend reiche Bürger ein Vermögen von 20 000 bis 30 000 fl. besaßen. Im Jahre 1568 wurde von Rats wegen eine Schätzung vorgenommen, die ergab, daß um jene Zeit in Nürnberg „416 Bürger mit einem Vermögen von mehr als 5 000 fl., darunter wieder 240 mit einem Vermögen von mindestens 10 000 fl. waren“ 12. Es folgt nun der Bericht über den Verlauf und das Ergebnis der Testaments­ vollstreckung, soweit diese erst nach Abschluß des Verkaufsregisters von 157713 möglich war. Ausstehende Schulden. Im „Büchlein über die Muntzerische Stiftung“ 14 wer­ den die Schulden für das Jahr 1579 mit 394 fl. 3 Pf. 18 Pfg. angeführt. 9 StadtAN, Rep. 80 B 254. 10 Vgl. Ahlbom, Die Familie Landauer, Festschrift zum lOOj. Bestehen des Realgymnasiums Nürnberg, 1964, S. 86. 11 Vgl. hierzu auch: Haller von Hallerstein, Größe tmd Quellen des Vermögens von hundert Nürnberger Bürgern um 1500, a. a. O., S. 117 f. 12 Müller, Die Finanzpolitik des Nürnberger Rates in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. ViertelJahresschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte VII, 1929, S. 36, Fußnote 2. 18 Es ist anzunehmen, daß die Jahreszahl 1577 des Verkaufsregisters sich auf die Inventur­ aufnahme bezieht, während der eigentliche Abschluß später zu datieren sein dürfte. Die Wertangaben für die beweglichen Güter und die ausstehenden Schulden stimmen nämlich überein mit dem „Müntzerischen Büchlein" für 1579. 14 StadtAN, Rep. 80 B 256. 4*

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Münzerischer Nachlaß nach dem Verkauf

Lehensnutzung Eigengüter zu und um Bamberg Behausung in Nürnberg geschätzt zu jährlichen Zinsen angelegtes Kapital vorhandenes Bargeld „Vharnus“: verkaufte bewegt. Güter noch unverkaufte bewegt. Güter Erlös aus nicht im Inventar enthaltenen Dingen auf Anweisung aus der „Vharnus“ verschenkt „Im Verkauften“ verloren worden, geschätzt Schulden außerhalb Giech: davon eingebracht davon auf An­ weisung an Hanns Pirkel davon noch offene Schulden ungewisse Schulden

„Erlöstes Geld“

Vermögensabgang

fl.

fl.

Pf-

Pfg-

128





4

3

9

600





+ 732

3

9

pf. offen

pfg•

offen '

3 500 16 500





584

4

1

4 242

6

23 V*

2 350

3



14

8

19

1

1 V2

265 128

7 4

24

27 606

1

8

6

Vorläufiges Vermögen = 28 338 fl.

=

4 Pf. 17 Pfg.

It. „Extract der Münzerisdten Verlassenschaft“ 36

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Davon wurden gemäß Verkaufsregister 265 fl. 7 Pf. 6 Pfg. als gewisse Schul­ den, der Rest von 128 fl. 4 Pf. 24 Pfg. als ungewiß angesehen. Bis zum Ende des Rechnungsjahres 1582/83 konnten die gewissen Schulden voll hereingebracht werden. Der Hauptanteil mit 250 fl. entfiel davon auf den Bamberger Bürger Heinrich Örtlein, der noch zu Lebzeiten Münzers von diesem Weinberge erworben hatte lfi. Die ungewissen Schulden in Höhe von 128 fl. 4 Pf. 24 Pfg. mußten als un­ einbringlich abgeschrieben werden. In einer Beilage zur Jahresrechnung 1582/8 3 16 wurde ausgeführt, daß die Schuldner — „Wolff Baierreuter, Spiegler und Burger zu Nürnberg“ mit 28 fl. 4 Pf. 24 Pfg. und Christoff Hörmel, Bürger zu Bamberg, mit 100 fl. — in großer Armut gestorben waren und keine Aus­ sicht auf Beibringung der Außenstände bestand. Im Fall Hörmel erkannten im übrigen die Hinterbliebenen die Schuld, die „von dem Alten Hörmel seligen wol vor 20 Jahren gemacht worden sein solle“, nicht an. Es ergibt sich die Frage, ob ein Zusammenhang besteht zwischen dieser Schuld von 100 fl. und dem Legat von „100 fl. reinisch in Müntz“ im Testament Wolff Münzers für einen gewissen Christoff Hörmel zu Bamberg „für die dienst und lieb, so er mir erwiesen“ 11. Das Legat war im Testament gestrichen worden mit der Be­ merkung „durch mich, Wolffen Müntzer, Testator, abgethan und nichts zu geben schuldig“. Bewegliche Güter. Der Verkauf der aus dem Nachlaß noch vorhandenen beweglichen Güter konnte nicht so schnell abgewickelt werden. 1579 stand die „Vhamus“ noch mit 2350 fl. 3 Pf.18 zu Buch. Erst im Verlauf von sieben Jahren gelang es, die Hauptmasse loszuschlagen, doch mußten dabei Verluste in Kauf genommen werden, da die Gegenstände zum Teil nicht mehr zum Schätzwert verkauft werden konnten. An Walburgi 15 86 ist der Bestand an beweglichen Gütern nur noch mit 123 fl. 4 Pf. 20 Pfg.19 bewertet. Ein mit 100 fl. geschätzter Pelz konnte, da er inzwischen schadhaft geworden war, 1600 nur noch mit 50 fl.20 an den Mann gebracht werden. Das Siegel Wolfgang Münzers sowie eine silberne Medaille befinden sich noch heute im Stadtarchiv Nürnberg 21. Im Hinblick auf die bereits erwähnten Ungenauigkeiten der Stiftungsrech­ nungen läßt sich nicht exakt ermitteln, was insgesamt für die im Verkaufs­ register mit 6600 fl. geschätzten beweglichen Güter eingenommen werden konnte, doch kann annähernd gesagt werden, daß gegenüber der Schätzung der Erlös um mindestens 800 fl. niedriger lag. Der Testamentsstreit mit Bamberg. Zu diesem sogenannten Testamentsstreit mit Bamberg kam es, als die Münzerschen Testamentsvollstrecker als Vertreter 15 16 17 18 19 20 21

StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsredinung 1582/83. Ebenda. StadtAN, UR 1555, Sept. 30. StadtAN, Rep. 80 B 256. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsredinung 1585/86. Ebenda, Stiftungsredinung 1599/1600. Siehe Abb. 5/6.

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der erbberechtigten Armen die Lehensnutzung des Jahres 1577 für die beim Erlöschen des Münzerschen Mannesstammes heimgefallenen Bambergischen, Giecherischen, Aufseßischen und Schottischen Mannlehen22 anforderten, und ferner beim Hochstift: Bamberg die Immission für die Münzerschen Güter zu und um Bamberg, „so frey lautter Aigen" 23, beantragten. Nach dem geltenden Römischen Recht war mit dem Tod Münzers dessen Grundbesitz zu und um Bamberg herrenlos geworden. Die Testamentsexecutoren mußten erst beim Hochstift Bamberg um Immission nachsuchen, damit den Erben der Grundbesitz zum Eigentum und damit zur Verfügung gegeben würde. Vorher konnten die fraglichen Güter weder geschätzt noch verkauft werden, auch durften Zins und Gült nicht angefordert oder eingebracht werden. Bamberg verweigerte zunächst die Immission und war auch nicht bereit, über die Lehensnutzung für 1577 zu verhandeln. Der Grund für diese ablehnende Haltung ist darin zu erblicken, daß das Stift Bamberg die Gültigkeit der im Testament Wolfgang Münzers vorgenommenen „Streichung" der instituirten Bambergischen armen leuth"24 bezweifelte. Bamberg lehnte es ab, die im Testament Münzers bei der Ernennung der Armen zu Erben an zwei Stellen vorgenommene Streichung25 der Worte „und Bamberg" als tatsächliche „Cancellation", d. h. Ungültigmachung, anzuerken­ nen. Man legte es so aus: „Vnd obwol Er vnder deß Wortt Bamberg ein kleines Strichlein gemacht, daher inferirt werden wolle, alß sollte solches Wortt gar durchgestrichen, ausgelöscht . . . worden sein, sey es doch nur ein notativ, vnd gar kein deletiv, cancellativ oder reductiv26." Ein Blick auf die betreffenden Stellen des Testaments läßt diese Auffassung völlig unverständlich erscheinen. Dagegen ist Bamberg im Recht mit dem Hinweis, daß „deß Müntzers Handschrifft vnd außtruckliche bezeugnuß (Innmassen bey andern durchgestrichenen legaten zu befinden) darbei nicht stund" 27. Die Testamentsvollstrecker hielten den Bamberger Herren entgegen, daß das Testament Wolfgang Münzers „Durch den Herren Bürgermeister vnd Zweyn Notarim vnd glaubhaffte Zeugen alhie bald vnd in der Stund da er plötzlich todt verschieden, befunden vnd eröffnet worden, darinnen er die erbeinsetzung der Bambergischen armen leut an zweyen Orten durchstrichen" 28. Ferner sei von der Universität Jena, als einer unparteiischen Stelle, an die das Testament zur Prüfung geschickt worden war, bestätigt worden, daß Wolfgang Münzer mit „fursetzliehern Willen cancellirt"29. Der Bischof und seine Räte sollten davon absehen, in dieser sie selbst betreffenden Angelegenheit „Ire aigene Richter" zu sein. 22 Stadt AN, Rep. 80 B 254. 28 „frey lautter Aigen" bedeutet zunächst nur, daß ein Gut nicht durch Hypothek oder dgl. belastet ist. 24 StadtAN, Rep. 80 B 254. 25 StadtAN, UR 1555, Sept. 30, BI. 7' und 8'. 28 StAN, Nürnberger Differentialakten Nr. 556, Protokoll 7, August 1602, fol. 97. 27 StadtAN, WSt, Ratskanzlei, vorl. Nr. 360, fol. 11'. 28 Ebenda, fol. 12 und 12'. 29 Ebenda, fol. 13.

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Die Verhandlungen wegen der Beteiligung von Armen aus bambergischem Gebiet zogen sich bis 1607 hin. Sie werden im Zusammenhang mit der „Stif­ tungsordnung" 30 näher behandelt werden. Die Verweigerung der Immission für die Eigengüter hatte Bamberg damit begründet, man wolle, so lange die Cancellation ungeklärt sei, die Berück­ sichtigung der bambergischen Armen bei der Stiftungsausteilung nicht gefähr­ den 31. Trotz aller Verhandlungsbereitschaft der Executoren und trotz des An­ gebotes, bis zu endgültiger Klärung eine Caution zu stellen, wurde auf Befehl des Bischofs von Bamberg bis auf weiteres ein Großteil der Münzerischen Güter eingezogen mit der Bestimmung, der Hofkastner solle die fälligen Zinsen und Gült eintreiben und gesondert verwahren. Schließlich kam es aber am 14. Februar 1579 doch zur Stellung einer Cau­ tion 32 durch Matthes Löffelholtz 33, Bürger und des Innern Raths zu Nürnberg, und Steffan Zeitloß, Bürger und des Raths zu Bamberg. Diese übernahmen für sich und ihre Erben die Verpflichtung, in selbstschuldnerischer Bürgschaft „bey Verpfendung unserer und sonderlich aller und jeder meiner Mathes Löffelholtz im Stifft Bamberg gelegenen Hab und Guttem" dafür einzustehen, falls den bambergischen armen Leuten „über kurtz oder lang, Von diesen und andern Muntzerischen Guttem, Rechtlich, Gütlich oder in ander weg etwas Zuerkannt und zugesprochen werden soll", der Rat zu Nürnberg aber seinen Verpflich­ tungen nicht nachkäme. Damit scheint der Weg für die Erteilung der Immission für die Güter, „so frey lautter Aigen", frei geworden zu sein. Nach dem Verkaufsregister von 157734 handelte es sich bei diesen um liegende Güter, Zins und Gült, auf dem Land und im Stift Bamberg, sowie um liegende Güter und jährliche Zins in der Stadt Bamberg. In einem dem Verkaufsregister beigefügten Inventariumsverzeichnis wird er­ läutert, daß die Güter auf dem Land „Herrn Wolffen Müntzers Ritters Hand­ lehen gewesen", und zwar in Buech zu Bamberg ein Hof, ein Weingarten und Baumfeld, 7 Seldengütlein, zwei Äcker, ein Haus, ferner nickt näher spezifizierte Güter zu Giedi, Itzing, Hohenheußling, Raßdorf, Burgkellern oder Wirga und Schweißdorf. Zins und Gült aus diesen Gütern wurden meist in Form von Naturalien geleistet. Als Eigentümer in Bamberg werden genannt: ein Garten zu Bamberg mit zwei Häusern darin, zur Zeit unverkauft, „aigentumblich den Müntzers“, ferner mehrere Häuser, insgesamt neun. Die Annahme, daß noch im Jahre 1579 die Immission erteilt wurde, beruht 30 31 32 33

Siehe Kapitel III/2. Vgl. Stadt AN, WSt, Ratskanzlei, vorl. Nr. 360. StAB, A 102 L 427, Nr. 657. StadtAB, Stadtrechnung 1577/78, Rep. B 7/83. — Ein Ausgabeposten für 8 Kandel Wein erinnert an die Bewirtung des Nürnberger Bürgermeisters Matthes Löffelholtz. 34 StadtAN, Rep. 80 B 254.

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auf einem Eintrag in der Stiftungsrechnung 1579/8035. Dort sind folgende Ein­ nahmen verzeichnet: „für zwei Aigenguetter gekaufft von Poggenbach zu und umb Bamberg — mit Bewilligung des E. Raths verkaufft 1475 fl. 8 Pf.“ und „ . . . Zins und Gült von aller Aigenguetter zu und umb Bamberg für 77l78 126 fl. 6 Pf. 25 Pfg“ Als Ausgabeposten ist in der gleichen Rechnung die Zahlung der „verfalle­ nen Losung für Wolf Müntzer für 78 Jar 199 fl." angeführt. Dem entspricht in der Stadtrechnung Bamberg für das Jahr 1580 86 die Einnahme „von Wolf Erber (Eber) Gegenschreiber zu Nürnberg von wegen Wolff Müntzers Nach­ steuer“. Aus diesen Einträgen darf auf die Freigabe Münzerschen Vermögens durch Bamberg geschlossen werden. Allerdings bezog sich diese nur auf die oben erwähnten zwei Güter. Die übrigen Eigengüter wurden eingezogen. Damit waren nicht nur die Lehensgüter, und zwar sowohl die verliehenen wie die auf­ getragenen, an die Lehenherren heimgefallen, sondern auch nahezu alle Eigengüter. Bezüglich des zweiten strittigen Objekts, nämlich der Lehensnutzung für das Jahr 1577, standen die Testamentsvollstrecker auf dem Standpunkt, daß der Ertrag der Lehen im Jahre 1577 noch zur Erbmasse gehöre. Sie begründeten dies damit, daß Wolfgang Münzer erst am 29. Mai, also „lang nach dem Martio“ 87, der das jeweilige Rechnungsjahr beendete, gestorben war. Dagegen hatten die Lehenherren unter dem Vorwand, im Stift Bamberg sei eine solche Auslegung nicht üblich, die fragliche Lehensnutzung für sich eingezogen. Die Testamentarier hielten den angeführten Brauch nicht für erwiesen, zumal von Bamberg — auch gegenüber Nürnberg — in ähnlichen Fällen die Lehensnutzung anerkannt worden war88. Auf Grund des Einspruchs der Nürnberger Herren und der mangelnden Kompromißbereitschaft der Gegenseite blieben die Lehens­ nutzung Bamberg auf Jahre hinaus ein offener Posten in den Stiftungs­ rechnungen. Wegen der Lehensnutzung Giech war es mit den Herren von Giech zu einem Prozeß beim Kaiserlichen Kammergericht zu Speyer gekommen, der zehn Jahre nach dem Tod Münzers zu einem Vergleich führte. Der Edel und Emvest Hans Gorg von Giech zum Rackenstein mußte an die Münzerischen Executoren als Vertreter der Stiftung 1500 fl. zahlen, von denen 1000 fl. im Jahre 1587, der Rest zu Cathedra Petri 1588 fällig waren89. Die umstrittene Lehensnutzung zu und um Bamberg 1577 scheint im Sand verlaufen zu sein. Von der ersten Stiftungsrechnung an bis zur Rechnung des Jahres 1617/18 40 wird sie „pro memoria" geführt, dann ist ab 1618/19 41 die85 86 87 88 89 40 41

StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung Lichtmeß 1579/Walburgis 1580. StadtAB, Stadtrechnung 1580/81. StadtAN, Rep. 80 B 254. StadtAN, WSt, Ratskanzlei, vorl. Nr. 360, fol. 12'. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1586/87. Ebenda, Stiftungsrechnung 1617/18. Ebenda, Stiftungsrechnung 1618/19.

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ser Posten völlig kommentarlos und ohne Einwirkung auf das Stiftungs­ vermögen verschwunden. Die Nachforschungen in Nürnberg und Bamberg brachten keine Erklärung dieses Vorgangs. Sckencksdte Rechtfertigung. Bei diesem Prozeß ging es um die bereits er­ wähnte Donation inter vivos vom 30. Juni 1555 des Wolfgang Münzer an Georg Schenck42, die das Münzersche Wohnhaus in der Judengasse zu Nürn­ berg sowie Hausrat und Schmuck umfaßte. Lorenz Zatzer, der Vormund und Schwiegersohn des geisteskranken Schenck, hatte nach dem Tod Münzers den testamentarischen Widerruf der Donation angefochten. Es kam zu einem Pro­ zeß beim Nürnberger Stadtgericht, der am 4. März 15 8045 zu Gunsten der Münzer-Stiftung entschieden wurde, doch legte der Kläger Berufung beim Reichskammergericht zu Speyer ein. Unter diesen Umständen mußten die Testamentsvollstrecker den Verkauf des Hauses zunächst zurückstellen. Es konnte lediglich geschätzt und mit 3500 fl. im Verkaufsregister zu Buch genommen werden. Die Höhe des Schätz­ betrages bestätigt den Wert des Anwesens. Zum Vergleich sei angeführt, daß das Wohnhaus der Familie Landauer am Weinmarkt in einem sogenannten „Teilerbrief" vom 2. 7. 1515 auf 1800 Gulden44 geschätzt wurde. Bis 1585 war das Haus in der Judengasse an Caspar König, Bürger zu Nürn­ berg, um 65 fl. Jährlichen Bestandzins vermietet45. Als aber kein Ende des Streitfalls abzusehen war, wurde die Stiftungsverwaltung von den Almosherren beauftragt, das Haus „conditionaliter“ an den Interessenten Hanns Schwingherlein, Vormundschreiber und Bürger zu Nürnberg, zu verkaufen. Der Verkauf wurde 1586 bei Gericht eingetragen. Gegenüber dem Schätzwert des Hauses von 3500 fl. betrug der Kaufpreis 2600 fl. Davon blieben 1000 fl. als „ Aigen­ schafft", also als Hypothek, und 600 fl. als Gatterzins, verzinslich mit 5 °/o, auf dem Anwesen stehen. Die restlichen 1000 fl. wurden in bar bezahlt. Die Ablösung des Gatterzinses erfolgte innerhalb von drei Jahren mit je 200 fl.48. Das Haus blieb bis Ende 1606 im Besitz der Familie Schwingherlein. Dann mußte es, da das Reichskammergericht bezüglich des Anwesens gegen die Stiftung entschieden hatte, an die Schenckschen Erben zurückgegeben werden. Die Stiftungsrechnung des Jahres 1606/0747 weist gegen Aufrechnung der Hypothek von 1000 fl. eine Zahlung von 2600 fl. an Hanns Görg Schwingher­ lein, den Sohn des seinerzeitigen Käufers, aus. Damit hatte das Stiftungsver­ mögen die beträchtliche Einbuße von 2600 fl. erlitten. Der Prozeß wegen Hausrat und Kleinodien ging weiter und führte erst 164048 zu einem Vergleich. Als Verlust für das Stiftungsvermögen sind auch die erheblichen Prozeß­ kosten zu betrachten. Diese können zwar, infolge der mangelhaften Angaben 42 48 44 45 46 47 48

Siehe Kapitel I. StadtAN, WSt, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, Gutachten 1931. Ahlbom, a. a. O., S. 85 f. StadtAN, WSt, Xlt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnungen 1579—1585. Ebenda, Stiftungsrechnung 1585/86. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsredinung 1606/07. StadtAN, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, Gutachten 1931.

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in den Stiftungsrechnungen, nicht genau erfaßt werden, doch betrugen sie bis zum Jahre 1620 mindestens 550 fl. 2. Die Stiftungsordnung Die Testamentsabwicklung sowie der Testamentsstreit mit Bamberg und auch der Schencksche Prozeß zogen sich in die Länge. Wollte man die eigentliche Stiftungsexecution, d. h. die Austeilung der Stiftungsgaben an die Armen, nicht auf unabsehbare Zeit hinauszögern, so gab es nur die eine Möglichkeit, zu­ nächst das vorläufige Vermögen als Grundlage der Stiftung zu betrachten. Da von diesem einstweiligen Vermögen 20 920 fl. fest angelegt waren, bestanden keinerlei Schwierigkeiten, von den Zinsen dieses Kapitals Kleidung für 100 Arme zu beschaffen. Bevor jedoch die erste Austeilung erfolgen konnte, mußte zu den von Mün­ zer in seinem Testament niedergelegten Stiftungsbestimmungen eine Durch­ führungsverordnung, wie man heute sagen würde, ausgearbeitet und erlassen werden. Diese sorgte für Einhaltung des Stifterwillens und regelte die Praxis der Stiftungsverwaltung und Stiftungsausteilung. Ein in braunes Leder gebundenes Buch49 trägt auf dem Titelblatt die In­ schrift: „Ordnung der Müntzerischen Stifftung, 1580, Müntzerische Stifftung Belangende." Daneben ist das Bild des Stifters50 eingefügt, das diesen als „eques auratus" zeigt. Blatt 2 der Ordnung, die auf Pergament geschrieben ist, beginnt mit dem Hinweis auf die von Wolfgang Münzer errichtete Stiftung und bringt dann eine gedrängte Zusammenfassung der im Testament enthaltenen Stiftungsbestim­ mungen. Eingangs wird von „weilland der gestreng und ehrenwert Herr Wolff Münt­ zer von Babenberg" gesprochen. Falsch ist die Angabe des Todestages von Münzer mit 29. März statt Mai. Dieser Fehler wurde 1583 berichtigt. Die angeführten Stiftungsbestimmungen gehen mit dem Testament sinngemäß überein. Offenbar vermißte aber der Verfasser der Ordnung bei dem von Mün­ zer geforderten „ehrbaren Wesen und Wandel" einen Hinweis auf Gottesfurcht und fügte deshalb noch das Wort „gottesfürchtig" hinzu. Immer noch zur Einleitung gehört die nun folgende Bemerkung, daß Münzer dem Rat der Stadt Nürnberg seine Stiftung übertrug und eine jährliche Ver­ kündigung in allen offenen Kirchen der Stadt vorschrieb. Auch wird festgehal­ ten, daß der Rat mit der Stiftungsverwaltung und -durchführung den Almosen­ pfleger Sebastian Schlauderspacher und seinen Gegenschreiber Wolff Eber be­ traute. Letzterer war an der Ausarbeitung der Stiftungsordnung zumindest maßgeblich beteiligt51, wenn sie nicht sogar auf ihn allein zurückgeht. 49 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 42. 50 Siehe Abb. 1. 51 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechmmg 1583/84.

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Es folgt nun die eigentliche „Ordnung", die erlassen wurde, „damit man . .. gründlidis Wissens haben möge wie es mit solldier Execution Beclaidung und Außthailung der Armen an itzo und hinfüro gehalten werden soll". Die Ordnung umfaßt sieben Punkte, für welche die Bestimmungen des Testa­ ments den Rahmen bilden. Punkt 1 bezieht sich auf die Stiftungsverkündigung. Es wird festgelegt, daß etwa vier oder fünf Wochen vor „allerheiligen abent" in den Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz sowie in St.Egidien, im Neuen Spital, das ist die HeiligGeist-Kirche, und in der Kirche Unser Frauen am Markt zwei Sonntage nach­ einander von der Kanzel herab die Stiftung verkündet werden soll. „Zu frue negst vor der Predigt, alspald man die Personen so zum Stand der heiligen Ehe greiffen wollen, verlassen hat", soll in allen Kirchen die folgende Bekannt­ machung verlesen werden: „Zu wissen: Sey Uiemit menniglich: Nachdem von Weilland dem Gestrengen und Ernvesten Herrn Wolffen Münzer von Babenberg Ritter seligen zu einem Jerlidten Ewigen Allmosen verordnet und geschafft worden, hundert Allte, Arme Dürftige und frembde Mannsper­ sonen, so nicht allhie zu Nurmberg Burger oder Herren Diener seyn, sich Jeder Zeit wol und ehrlich gehallten, und Audi Eins Gottförchtigen, Erbaren, Lebens, Wesens und Wandels bewlissen, einen Jeden Ein Rocks und Anders, uff Allerheiligen Abent, zu raichen und Außzugeben, Demnach so mögen sidt Dieß, so eins gleichen Allmosen bedürftig. Aintweder uff Mitwochs den . . . oder Negstes Mitwochs hernachen den . . . deß Monats Octobers sdhierstkünfftig vor Allerheiligen Abent Bey den darzu verordneten Pflegern Amptleuten Deß Gemainen Allmosens Im Augustiner Closter alhie Anzaigen. Won Iren Herrschaften fürschrifften insonderheit aber glaubwürdige Besigelte Urkhunden, Ires Vermögens, Lebens, Wesens und Wandels mitpringen, auflegen und darau ff solldien Allmosens halber Beschaids gewürtig sein/* Entsprechend dem Testament wird die Stiftungsgabe als „Ein Rock und An­ ders" bezeichnet. Bewerber um das Almosen sollen sich an einem von zwei genau angegebenen Tagen des Oktober im ehemaligen Augustinerkloster zu Nürnberg, in welchem die Amtsräume des „Gemeinen Almosens" untergebracht waren, bei den Almospflegern melden. Um zu vermeiden, daß Unwürdige das Almosen erhielten, mußten die Bittsteller Empfehlungsschreiben ihrer Herr­ schaften, nach Möglichkeit sogar amtliche Bestätigungen über ihre Vermögens­ verhältnisse und ihren Leumund, vorlegen. Punkt 2 legt fest, daß an den in den Verkündigungszetteln angegebenen beiden Tagen die obersten Almosenherren jeweils zur Mittagszeit in der Al­ mosenkanzlei sich zu einer Sitzung einfinden sollten „umb deres Willen, so sich dieses Allmoßens halber anzaigen". Punkt 3. In diesen Sitzungen sollen aus dem Bewerberkreis von jenen Per­ sonen, die des Almosens für würdig gehalten werden, im ersten Jahr 100 ge­ eignete Männer, im zweiten Jahr wieder 100 und im dritten Jahr abermals 100 ausgewählt und ein Verzeichnis angelegt werden. 43

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Bei der Auswahl der Stiftungsempfänger soll so vorgegangen werden, „(das man darinnen auff die Nurmbergischen Armen Underthanen inn den Amptern auff dem Land fümemblich sehen soll)/' Die Klammer wurde von dem Schreiber der Ordnung gesetzt. Dabei ist aber gerade dieser Satz außerordentlich bedeutsam, stellt er doch die Auslegung dar, welche die obersten Almosenherren als Vertreter des Rates den Testamentsbestimmungen hinsichtlich des Empfängerkreises gaben. Sie entschieden sich dafür, zur Stiftung vor allem die „armen umb die Statt Nurmberg", wie es im Testament heißt, zuzulassen. Es wird darauf verzichtet, die Armen „zu und in Nurmberg" zu erwähnen, doch behält man sich durch die obige Formulierung die Freiheit vor, auch armen Bewohnern der Stadt Nürnberg etwas aus der Stiftung zukommen zu lassen. Die Möglichkeit einer Abweichung von der Regel ist durch das Wort „fümemblich" von vornherein gegeben. Auch von Hausarmen ist nicht die Rede. Doch war durch die Forderung nach Empfehlungsschreiben oder amtlichen Zeugnissen ganz von selbst gewährleistet, daß nur fest ansässige Personen, aber keine Bettler, sidi um das Almosen bewerben konnten. Die Nachforschungen nach dem von Münzer in seinem Testament angeführ­ ten Almosen des Braunwart Müntzer ergaben, daß in Bamberg eine Stiftung „praun Müntzers" bestand, an die 1577/158052 noch ein Ewigzins auf 1000 fl. Kapital gezahlt wurde. In der Stiftungsordnung ist keinerlei Hinweis auf dieses Almosen zu finden. Es ist auch nicht anzunehmen, daß die Almosenpfleger außerhalb von Nürnberg nach der Stiftung des Braunwart Müntzer forschten. Aus der Außerachtlassung dieses Almosens sowie aus der Festlegung des Empfängerkreises kann der Schluß gezogen werden, daß die Almosenherren das den Armen hinterlassene Erbe zu einer einzigen großen Stiftung zusammen­ fassen wollten. Die Unklarheiten des Testaments berechtigten sie gewiß zu diesem Vorgehen. Zur Zeit der Abfassung der Stiftungsordnung war der Testamentsstreit mit Bamberg wegen Berücksichtigung von Armen aus dem bambergischen Gebiet noch ungeklärt. Um dem Bamberger Rat entgegenzukommen, wurden gegen Ende des 16. Jahrhunderts regelmäßig zwei von diesem empfohlene Arme berücksichtigt, meistens die beiden ältesten; die übrigen wurden mit Speisung und Geld­ spende entlassen w. Nach jahrelang sich hinziehenden Verhandlungen, in welchen die Bamberger zunächst Beteiligung mit 50, dann mit 25 Armen verlangten, kam es am 22. Februar 1607 im § 10 des „Silbernen Hauptrecess", der in Forchheim ge­ schlossen wurde, zu einer Einigung. Es sollten in Zukunft von den 100 Män­ nern, die mit Kleidung bedacht wurden, 88 aus nümbergischem, 12 aus bambergischem Gebiet stammen. Dabei stellte sich der Rat von Nürnberg von An52 StadtAB, Rep. B 7/83, Stadtredinungen 1577/1580. 53 StadtAN, WSt, Neu. Spez. Reg. M XII, Nr. 77a, Gutachten 1931.

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fang an auf den Standpunkt, daß die Beteiligung Bambergs an der Stiftung in keiner Weise auf einem Rechtsanspruch beruhe M. In den Unterhandlungen wurde von den Vertretern der Stiftung immer wie­ der auf den noch schwebenden Schenck-Zatzerschen Prozeß hingewiesen, der bei ungünstigem Ausgang der Stiftung eine Vermögenseinbuße von mehreren 1000 fl. bringen würde55. Ein Nachtrag zur Stiftungsordnung über den Vergleich mit Bamberg wurde nicht erstellt. Auch wurde in das Büchlein „Ordnung der Müntzerischen Stif­ tung" kein Auszug aus dem Vergleich zwischen Bamberg und Nürnberg ein­ gefügt. Nach der Stiftungsordnung sollten die ersten 100 Männer 1580 die Stiftungs­ gaben erhalten, 1581 wiederum 100 und 1582 weitere 100 Personen, denen das Almosen noch nicht gegeben worden war. Im vierten Jahr, also 1583, soll es wieder jenen zugeteilt werden, die 1580 an der Reihe waren, usw. Jeweils nach drei Jahren trifft das Almosen auf die gleichen Empfänger, sofern diese noch am Leben sind und der Gabe noch für würdig erachtet werden. Bei Weg­ fall eines oder mehrerer Stiftungsgenossen ist die Zahl 100 durch geeignete Männer aufzufüllen. Diese Vorschrift des dreijährigen Turnus ist eigenartig, einmal deshalb, weil sie aus den Testamentsbestimmungen nicht herausgelesen werden kann, dann aber auch, weil dadurch der Empfängerkreis unnötig eingeengt wurde. Der Gedanke an eine etwa beabsichtigte Arbeitsvereinfachung scheidet aus. In einem Erlaß vom 6. September 1583 58 heißt es nämlich, daß jeder, der sich wieder um das Almosen bewerben wollte, Empfehlungsbriefe seiner Herrschaft oder amtliche Bestätigungen über seinen Lebenswandel in den verflossenen drei Jahren mitzubringen hatte, damit j'eder Bittsteller aufs neue überprüft werden konnte. Punkt 4. Wer sich um das Almosen bewirbt, ist zu befragen nach Namen, Alter, Heimatort, Herrschaft, Einkommensverhältnissen, Beruf und nach seinem Fürsprecher. Alle Angaben sind schriftlich festzuhalten. Punkt 5. Es folgt die Aufzählung der Stiftungsgaben. Am Vorabend von Allerheiligen soll man jedem, der zum Almosen zugelassen wurde, geben: „ein schwarzen langen wüllen gemachten Rockh von Lindisem, Schonawer, Lamperten oder franckentaler Tuech Vier Siedler genannt mehr derweil die Stifftung soweit raicht noch darzur Ein schwarz wüllen Müzen oder Leibröcklein, von dergleichen Tuechf und ein bahr Strümpff, von sdhwarzem Ambsterdam, Item ein schwarzen Huet, ein weiß leinwates Hembd, ein pahr Schuech, und zu solldtem noch ein halben Gulden Gellts.u 54 StAN, Nürnberger Differentialakten, Nr. 566, fol. 44. 55 Ebenda, fol. 98. 58 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 42.

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Die Bemerkung „mehr derweil die Stifftung soweit raicht noch darzur“ läßt darauf schließen, daß der von Münzer pro Kopf angesetzte Betrag von 10 fl. einschließlich des Bargelds für die Beschaffung der Kleidung mehr als aus­ reichend erschien. In genauester Weise wird festgelegt, wieviel Stoff und welche Stoffart für Rock, Mütze und Strümpfe verwendet werden darf. „und soll zu einem Jeden Rockh, welcher lnnwendigst biß upf die Hüfften mit schwarzem Höffer Tuch, gefüttert werden soll, zum Überzug 3 SU Ein Schönawer Lamperter, oder frankentaler. Und zum Unterfutter 2 Ein Höfer Tuech, zu einem Müzen aber, welcher durchauß mit Höfer Tuech gefüttert werden soll Zum Überzug 1 V2 Ein Schönawer Lamperter oder franckentaller und zum Unterfutter 3 Ein höfer Tuech, Item zu ein bahr Strümpff, V2 Ein und V4 Ambsterdam, genommen, und gebraudit werden \ Nach kaufmännischer Gepflogenheit sollen vor Auftragserteilung von allen Kleidungsstücken Muster und Kostenvoranschlag eingeholt werden. Punkt 6. Die in diesem Punkt zusammengefaßten Anordnungen gehen nicht auf den Stifter selbst zurück, doch konnte dessen Einverständnis gewiß voraus­ gesetzt werden. Es handelt sich dabei um einen Vesperbesudi der Almosenempfänger in St. Sebald. Zwar hielt die nachreformatorische Zeit nichts mehr von der mittel­ alterlichen Einstellung, mit welcher ganz selbstverständlich der Stifter für seine Gabe das Gebet des Beschenkten für das Seelenheil und die Anliegen des Ge­ bers erwartete. Es gab jedoch noch immer Stiftungen, bei denen mit der Aus­ teilung des Almosens ein gemeinsamer Gottesdienstbesuch aller mit dem Al­ mosen bedachten Personen verbunden war. Eine solche Dankvesper wurde auch für die Münzerische Stiftung vorgeschrieben. Als besondere posthume Ehrung für den Stifter war gewiß von seiten des Rates die Anweisung gedacht, daß am Nachmittag des 31. Oktober die 100 Männer in ihrer soeben empfangenen Kleidung in gemeinsamer Prozession in Dreierreihen vom Augustinerkloster aus zur Kirche von St. Sebald ziehen sollten. Zum Vorbild für diesen Kirchgang mag vielleicht das gewohnte Bild des Zuges der Bewohner des Mendelschen bzw. Landauerschen Zwölfbrüder­ hauses gedient haben. Ein Bild des Zuges der Stiftungsgenossen57 befindet sich in dem Buch der Stiftungsordnung. Nach der Vesper zogen die Armen zum Augustinerkloster zurück, wo jeder noch einen halben Gulden Bargeld erhielt. Schließlich wurden die Leute, bevor sie heimwärts wanderten, noch davon unterrichtet, daß sie nach Ablauf von drei Jahren sich unter den gleichen Voraussetzungen wieder um das Almosen bewerben könnten. Von vornherein wurde aber klargestellt, daß jene nicht mehr mit dem Almosen rechnen dürften, die entweder die verlangten Zeugnisse nicht beibringen oder nicht in der Stiftungskleidung erscheinen würden. Aus­ schluß vom erneuten Empfang des Almosens wurde sogar für den Fall an57 Siehe Abb. 7.

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gedroht, daß ein Bittsteller an dem einen oder anderen Kleidungsstück auch nur die geringste Änderung vorgenommen hätte. Punkt 7. Hier sind Einzelvorschriften für Vesper und Kirchgang festgelegt. Am Ende der Vesperandacht, die wie an einem Apostelfest gehalten werden soll, wird das Te Deum Laudamus in deutscher Sprache gesungen. Vor der Verlesung des „Capittels", d. h. eines Abschnitts aus der Heiligen Schrift, soll kurz über die Stiftung gesprochen und die Armen zum Dank gegen Gott an­ gehalten werden. Auch hier ist von einem Gebet für den Stifter mit keinem Wort die Rede. Zum Kirchgang werden die 100 Männer vom Mesner von St. Sebald am Augustinerkloster abgeholt und dann über die Waaggasse zum Herrenmarkt, einem Teil des Hauptmarktes, von da aus zum Weinmarkt und schließlich zur Kirche an die sogenannte „Ehe Thür", das heutige Brauttor, geführt. Auf dem gleichen Weg ziehen sie nach der Vesper wieder zum Landalmosenamt zurück. Die Tatsache, daß „man dann Jedesmahls Einen Knecht oder Schützen haben und bestellen muß, welcher, deß Zuelauffens und Getrenngs halber, Platz und raum macht", zeigt, welche Anteilnahme und gewiß auch Neugierde der Aus­ teilung der Münzerischen Stiftung entgegengebracht wurde. Die „Ordnung der Müntzerischen Stifftung 1580" schließt ab mit den Worten „Und sollche Stifftung und Beclaidung soll obghörter Massen Alle Jar, an Jezo und Hinfüro, Jedesmahls an Allerheiligen Abent. Im Augustiner Closter Alhie Außgeraicht werden." Der bereits erwähnte Erlaß vom 6. September 1583 trägt die Überschrift „Verkhündung". Der einleitende Satz besagt, daß, nachdem in den Jahren 1580 mit 1582 die ersten dreihundert Männer die Stiftungskleidung erhielten, die öffentliche Bekanntmachung des Almosens ab 1583 in einer gegenüber dem ursprünglichen Text etwas veränderten Form erfolgen soll. Es handelt sich dabei aber lediglich um Ergänzungen. So wird der Empfänger­ kreis noch genauer festgelegt durch die Worte „ ... So nicht Aigen Haab und guet haben". Auch wird nun bereits von der Kanzel herab bekanntgemacht, daß jene, die 1580 das Almosen erhielten, sich „inn aigner Person, und inn iren negst empfangenen allten Claidungen unverendert derselben" wieder melden können unter Vorlage von Bestätigungen über ihren Lebenswandel in den abgelaufenen drei Jahren. Die nun folgende „Nota — Der andern Petenten halber, so ersetzt werden muessen" beruht auf den Erfahrungen der ersten drei Stiftungsausteilungen. Auf freigewordene Almosen soll in den Verkündigungen nicht hingewiesen werden, da ohnehin zu den beiden Almosensitzungen genügend zusätzliche Bittsteller erscheinen. Für diese kann dann gegebenenfalls eine dritte Sitzung abgehalten werden. Die Stiftungsverkündigung soll künftig bereits 5 oder 6 Wochen vor Aller­ heiligenabend erfolgen. Die Praxis wird wohl gezeigt haben, daß die ursprüng­ lich vorgesehene Zeitspanne von 4 oder 5 Wochen zu knapp war. Zu den bereits für die Bekanntmachung bestimmten Kirchen in Nürnberg kommt noch St. Clara hinzu. Bevor das Almosen von den Kanzeln verlesen 47

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wird, sollen der Text der Verkündigung sowie die Termine für die drei Sit­ zungen der Pflegstuben und dem Spitalamt mitgeteilt werden, zur Unterrichtung der Pflegämter auf dem Land. Unter dem Titel „Ordnung" schließt sich ein Auszug aus der Stiftungsord­ nung von 1580 an, der den Stiftungsgenossen vor dem gemeinsamen Zug zur St. Sebaldskirche vorgelesen werden soll. Wiederum werden die Leute eindringlich darauf hingewiesen, daß sie in drei Jahren mit einer erneuten Zulassung zum Almosen nur dann rechnen können, wenn sie die Stiftungskleidung tragen und diese unverändert ist. Wie streng darauf gesehen wurde, zeigt ein Posten in der Jahresrechnung 1585/86, der eine Zahlung von 2 Pfund 12 Pfennig an einen Caspar Dehmer (?) ausweist, „so ettliche angezaigt, welche die Muntzerische Claidung verkhaufft haben"58. Auf die Erfahrungen der vergangenen drei Jahre ist die „Nota" zurückzu­ führen, daß die Beichtvesper möglichst kurz gehalten werden soll, wenn der Wolffgangstag — an dieser Stelle ist zum erstenmal vom Wolffgangstag die Rede — auf einen Samstag trifft. Ganz entfallen aber soll die Vesper, wenn die Stiftungsexecution auf einen Sonntag oder Dienstag fällt. Dann soll es „nur bey der Ordnung in Lesen und Singen" bleiben, damit die Armen noch vor Schließung des Tores aus der Stadt hinauskommen. Es befremdet zunächst, in einer nachreformatorischen Stiftungsordnung die Bezeichnung Beichtvesper zu finden. Tatsächlich war auch die Privatbeichte 1527 in Nürnberg abgeschafft worden. Zur Zeit des Interims kam sie aber wieder in Gebrauch, allerdings in veränderter Form. Sie entsprach nicht mehr der in der katholischen Kirche üblichen Ohrenbeichte, sondern das Bekenntnis war zwar Einzelbeichte, bestand aber lediglich in einer allgemeinen Beicht­ formel. Erst 1790 wurde an Stelle dieser Art der Beichte die allgemeine Beichte mit Absolution eingeführt59. Die Stiftungsordnung von 1580 sowie die Ergänzungen von 1583 stellen eine Einheit dar, deren Abschluß eine Abschrift des Münzerischen Testaments bildet. Die Ausarbeitung einer solchen Ordnung, welche als Grundlage für die Ver­ waltung und Austeilung einer „ewigen Stiftung" dienen sollte, bedeutete eine Fülle von Arbeit. In welcher Weise der Rat seine Anerkennung dafür kundtat, geht aus der Jahresrechnung 1583/84 hervor. Dort ist als Ausgabeposten mit 11 fl. angeführt: „ist Wolffen Eber uff sein Bitten des Herrn Müntzers seligen gülden Kappen und Turckesring, so bede um 11 fl. angeschlagen gewesen, von wegen seines in Verfassung und machung der Müntzerischen Ordnung ange­ wandten Fleiß und dieweil er auch in den Müntzerischen Sachen, ehe wann ihm sein jerliche Besoldung von einem Erbarn Rath taxirt worden, mit schrei58 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1585/86. 59 Vgl. hierzu Pfeiffer, Die Einführung der Reformation in Nürnberg als kirchenrechtliches und bekenntniskundliches Problem. Aus: Blätter für deutsche Landesgeschichte, 89. Jg., Koblenz 1952, S. 112—133; Pfeiffer, Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte. Von der Duldung liturgischer Änderungen bis zur Ausübung des Kirchenregiments durch den Rat (Juni 1524 — Juni 1525). In: Verein für bayerische Kirchengeschichte, Bd. 45 (1968); Reiche, a. a. O., S. 582.

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ben und sonsten viel müh und Arbeit gehabt, verehrt doch das geschnittene Wappen aus dem Ring herausgethun und zu des Herrn Müntzers seligen sigell und conterfett gelegt werden sollt" ®°. Im Anschluß an die Testamentsabschrift wurden in späterer Zeit noch einige Blätter eingefügt mit einem „Vortrag welcher am Wolfgangstag vorher, ehe die Armen in die Kirche geführet werden, ihnen vorzulesen ist" und einer „Ord­ nung so den hundert Armen Mannspersonen . .. zuvor soll fürgelesen werden". Vortrag und Ordnung stimmen zwar nicht genau im Wortlaut, wohl aber im Sinn mit der Ordnung von 1580/83 überein. Ein Datum ist nicht angegeben, doch läßt sich aus dem letzten Satz des Vortrags — „Bittet indeßen Gott um langes Leben und eine gesegnete Regierung unsers allgeliebt Königs Maxi­ milian Josephs" — schließen, um welche Zeit etwa die beiden Schriftstücke ent­ standen sein dürften. Maximilian I. Joseph regierte als Kurfürst Maximilian IV. Joseph seit 1799 in Bayern, ab 1806 als König. Vortrag und Ordnung können also erst nach 1806 geschrieben worden sein. Die Vermutung liegt nahe, daß die Nieder­ schrift zwischen 1808 und 1818 entstanden ist, in jener Zwischenzeit, als im Zug der Reformen des bayerischen Ministers Montgelas die Nürnberger Stif­ tungen an den bayerischen Staat übergegangen waren. 3.

Stiftungsverwaltung und Stiftungsausteilung

Die Stiftungsordnung hatte den Weg für die praktische Durchführung der Stiftung freigemacht. Ein Blick auf die Karte des Landgebietes der ehemaligen Reichsstadt Nürn­ berg schließt von selbst jeden Zweifel daran aus, ob für eine Stiftung zu­ gunsten „der Armen umb die Statt Nürnberg" ein genügend großer Aktions­ radius gegeben war. Im bayerischen Erbfolgekrieg 1504/06, der nach dem Aussterben der Her­ zoge von Bayern-Landshut ausbrach, hatte Nürnberg sich gegen die Pfälzer Erben auf die Seite des Kaisers und der Münchener Wittelsbacher geschlagen. Es gelang den Nürnbergem, im Verlauf des Kriegsgeschehens die Städte und Ämter Lauf, Altdorf, Hersbruck, Hohenstein, Reicheneck und Velden einzu­ nehmen und damit zu dem bereits vorhandenen Umland noch ein ca. 1200 qkm großes Landgebiet östlich der Stadt zu gewinnen. In diesem übte der Rat sämtliche Hoheitsrechte einschließlich der Fraisch, d. h. der Blutgerichtsbarkeit, selbst aus. Allerdings strengte der Markgraf von Ansbach-Kulmbach im Jahre 1526 wegen dieser Rechte beim Reichskammergericht einen Prozeß gegen Nürnberg an, der 1583/87 insofern gegen die Reichsstadt entschieden wurde, als das Gericht ihr die Blutgerichtsbarkeit, den wichtigsten Bestandteil der Landeshoheit, für das Umland absprach 61. 60 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1583/84. 61 Schultheiß, a. a. O., S. 43. 5

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Mit dem in der Karte dargestellten Gebiet besaß Nürnberg ein eigenes Terri­ torium, das an Größe einem kleinen Fürstentum gleichkam und die Land­ gebiete der übrigen deutschen Reichsstädte weit übertraf. Die Verwaltung der Landbezirke erfolgte über die Pflegämter, die 1513 dem Landpflegamt als Oberbehörde unterstellt wurden62. Diese Pflegämter sind gemeint, wenn es 1583 in der Ergänzung zur Stiftungsordnung heißt: „damit von wegen der Armen Leuth in die Ambter geschrieben werden mög“. Zur Zeit, als Wolfgang Münzer sein Testament errichtete, herrschte unter der Bevölkerung des Nürnberger Territoriums große Not und Armut als Folge des zweiten Markgräflichen Krieges 1552/53. In diesem hatte Markgraf Albrecht Alcibiades nicht nur die Stadt Nürnberg belagert und bedroht, son­ dern auch das weite Nürnberger Gebiet war den Schrecken ausgesetzt, welche die Scharen des Markgrafen mit Brandlegung, Plünderung und Morden ver­ breiteten. Nach den Schilderungen Mummenhoffs63 müssen die Verwüstungen unvorstellbare Ausmaße gehabt haben. Dabei mögen bei der Bevölkerung die vorausgegangenen Schreckensjähre 1546/47 noch unvergessen und in ihren Auswirkungen noch spürbar gewesen sein; damals hatten im Schmalkaldischen Krieg trotz der Neutralität der Reichsstadt die kaiserlichen Truppen das nümbergische Umland durchzogen und behandelt, als wäre es feindliches Gebiet. Die Notlage der Landbevölkerung läßt sich jedoch nicht nur mit Kriegen und Kriegsfolgen erklären, auch nicht mit Pest und sonstigen Seuchen, die immer wieder in verheerender Weise auftraten. Allein im 16. Jahrhundert sind für Nürnberg vier Pestepidemien bezeugt84, die zweifellos auch das flache Land heimsuchten. Die Ursachen für Armut und Elend reichen zurück bis in das Hochmittelalter, in welchem sich nach und nach der Übergang von der Natural- zur Geldwirt­ schaft vollzog. Diese Entwicklung, die in wirtschaftlicher und sozialer Be­ ziehung von umwälzender Bedeutung war, brachte in ihrem Gefolge ein Massenelend von bis dahin nicht gekannter Art mit sich. Dieses traf weniger die Bewohner der aufblühenden Städte als die Landbevölkerung. Die große Bettelplage, von der zu Ausgang des Mittelalters, um 1500 65, auch Nürnberg heimgesucht wurde, gibt Zeugnis davon. Gewiß waren in der Schar der Bettler viele Gauner und arbeitsscheues Gesindel, was die vom Rat der Stadt erlasse­ nen Bettelordnungen — die erste von 1370, die folgende von 1478 68 — be­ weisen; doch war darunter sicherlich auch viel echte Not. Infolge der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse konnten viele Grund­ herren ihre Pflichten zur Versorgung und zum Unterhalt ihrer Grundhörigen nicht mehr im gewohnten Maß erfüllen. Die Leute waren arm und blieben es, selbst wenn keine außergewöhnlichen Notzeiten über sie hereinbrachen. 62 Schultheiß, a. a. O., S. 43. 83 Mummenhoff, Alt-Nürnberg in Krieg und Kriegsnot. I. Band: Der zweite markgräfliche Krieg. Nürnberg 1916. 84 Kusch, Lebensbild einer Stadt, Nürnberg 1966,4. Auflage, S. 94. 85 Rüger, a. a. O., S. 12. 88 Ebenda, Zeittafel.

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Wie groß das Elend gerade auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war, beweist die Tatsache, daß der Rat, der 1522 zusammen mit der AlmosenOrdnung ein generelles Bettelverbot erlassen hatte, sich gezwungen sah, eine Lockerung eintreten zu lassen. 1564 wurde das Betteln in der Stadt an Frei­ tagen erlaubt87. An zusätzlichen Belastungen fehlte es für die Bewohner der Landbezirke zu keiner Zeit. So hatte der 1583/87 für Nürnberg ungünstig ausgegangene Pro­ zeß um die Blutgerichtsbarkeit zur Folge, daß der Willkür der Markgrafen Tür und Tor geöffnet waren. Die Nürnberger Untertanen und Grundhörigen hatten deshalb in den nächsten zwei Jahrhunderten immer wieder unter Quälereien und Bedrückungen durch Brandenburg zu leiden. Der Dreißigjährige Krieg brachte auch über die Stadt Nürnberg und ihr Territorium schwerste Zeiten. Zwar versuchte der Rat, so lange wie möglich Neutralität zu wahren, was ihm auch bis 1631 gelang. Dann mußte er sich mit dem Schwedenkönig verbünden, schloß sich aber nach der völligen Nieder­ lage des schwedischen Heeres bei Nördlingen einem 1635 zwischen Sachsen und dem Kaiser geschlossenen Sonderfrieden an. Doch auch Neutralität und Sonderfrieden bedeuteten keine Schonung für die Stadt und ihr Landgebiet. Einquartierungen, Kontributionen an die kriegführenden Parteien, gleich ob Freund oder Feind, dazu große finanzielle Lasten beim Abschluß des Sonder­ friedens ließen die Schuldenlast der Stadt von 3,4 Millionen Gulden im Jahre 1600 auf 7,4 Millionen im Jahre 1636 anwachsen M. Trotz des Sonderfriedens wütete der Krieg mit allen seinen Greueln im nürnbergischen Gebiet fort. Bis zum Ende des Krieges im Westfälischen Frie­ den 1648 waren Dörfer verwüstet und leer, Fluren verlassen, die Bewohner durch Hunger und Krankheiten oder durch raubende und mordende Banden ums Leben gekommen. Aus den Reihen der eigenen Untertanen konnten die großen Lücken nicht mehr aufgefüllt werden. Der Rat bot daher protestan­ tischen Exulanten aus Österreich die Ansiedlung in den verödeten Land­ strichen an. Nach außen hin stand Nürnberg auch nach dem Dreißigjährigen Krieg in Ansehen und Größe da. Sein Besitzstand war ungeschmälert geblieben. Auf dem „ewigen“ Reichstag zu Regensburg war auf der Bank der Reichsstädte auch Nürnberg offiziell mit Sitz und Stimme vertreten. Doch trotz dieses äußeren Glanzes war der Keim des Niedergangs bereits vorhanden. Es gelang dem Rat nicht mehr, der ungeheuren Verschuldung Herr zu werden. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren die finanziellen Verhältnisse der Stadt völlig zerrüttet. Zur politischen Bedeutungslosigkeit, auf die Nürnberg wie auch die übrigen Reichsstädte herabgesunken war, kam der wirtschaftliche Abstieg, der für viele Bewohner der Stadt Verarmung und Not mit sich brachte und mit seinen Folge­ erscheinungen auch am Territorium nicht vorbeiging. Wie dieser kurze Überblick zeigt, fehlte es zu keiner Zeit an Armen, die der Wolfgang Münzerischen Kleiderstiftung bedürftig waren. 67 Ebenda, Zeittafel. 68 Schultheiß, a. a. O., S. 80. 5*

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Das vorhandene Quellenmaterial, vor allem die Jahresrechnungen, vermit­ teln ein anschauliches Bild von der Praxis der Stiftungsverwaltung und Stif­ tungsausteilung. Daß die Verwaltung einer Stiftung, bei der es galt, vollstän­ dige Kleidung für 100 Männer zu beschaffen und auszuteilen, wesentlich mehr Arbeit mit sich brachte als dies der Fall war bei Stiftungen, deren Gabe in Bar­ geld bestand, liegt auf der Hand. Da waren zunächst die verschiedenen Stoffe zu beschaffen. Das lindische Tuch für die Röcke ließ man auf der „Franckfortter Mittfastenmeß" einkaufen und nach Nürnberg transportieren. Bei der Auftragserteilung mußte beachtet werden, daß die Frankfurter Elle nicht der Nürnberger Elle entsprach. Nach einer Anmerkung in der Rechnung 1581/82 waren „ 16 Franckfortter Stück oder Tuchleng weniger 2 Ein" in Nürnberg gleich „16 Stuck und 23 V2 Ein, je 32 Ein für ein Nürnberger Stuck oder Tuchleng gerechnet". In heutigen Maßen ausgedrückt, betrug die Frankfurter Elle 54,73 cm, die Nürnberger 65,65 cm. In der Jahresrechnung 1582/83 ist der Kauf einer Probelänge Tuches in Nürnberg erwähnt. Vermutlich wollte man prüfen, ob die Bestellung künftig nicht auch am Ort untergebracht werden könnte. Das wäre nicht nur der Nürn­ berger Wirtschaft zugute gekommen, sondern hätte auch der Stiftung selbst die Ersparnis der Verpackungs- und Beförderungskosten von Frankfurt nach Nürnberg sowie den Wegfall des Transportrisikos gebracht, unter Umständen sogar noch einen Preisvorteil beim Einkauf der Tuche. Doch erst ab 1585/86 war es so weit, daß der Auftrag in Nürnberg blieb. Es wurde aber kein lindisches Tuch bestellt, sondern „schwarzer geschomer und genetzter Ambsterdam auff plob geferbt" 69. Bereits vom Jahre 1582/83 an hatte man Amsterdamer Tuch eingekauft, j(edoch nur für die Anfertigung der Strümpfe. Nun wurde der Auftrag erweitert auf Lieferung der Tuche zu den Röcken. Noch zwei Jahrzehnte vorher wäre es nicht möglich gewesen, in Nürnberg selbst gefertigtes Amsterdamer Tuch zu beziehen. Etwa um 1570 70 — Schultheiß spricht von 1567 71 — hatten jedoch niederländische Tuchmacher in Nürnberg Zuflucht gesucht, wo ihnen vom Rat jede Unterstützung gewährt wurde, da man sich davon eine Belebung der einheimischen Wirtschaft ver­ sprach. Diese Leute „bereiteten", d. h. stellten also nun in Nürnberg Amster­ damer sowie englische Tuche her und färbten die Gewebe auch ein. Ab 1585 blieb Amsterdamer Tuch, von den „Tuchmachern allhie" gefertigt und ge­ liefert, das Material für die Münzerischen Röcke, Mützen und Strümpfe. Das als Futterstoff für Röcke und Mützen verwendete Höfer Tuch sowie die Leinwand zu den Hemden wurden von Anfang an in Nürnberg bezogen. Bis zur Anlieferung der Stoffe mußten mit Schneidern und Hemdenmachem Abschlüsse auf Herstellung der Röcke, Mützen und Strümpfe sowie der Hem­ den getätigt werden. Auch die Aufträge auf Hüte und Schuhe wurden vergeben. Wo man es für nötig hielt, z. B. bei Strümpfen, wurden Muster verlangt. 69 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1585/86. 70 Reicke, a. a. O., S. 954. 71 Schultheiß, a. a. O., S. 82.

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Es scheint, als wären in den ersten beiden Stiftungsjahren keine Strümpfe ausgeteilt worden, da weder Tucheinkauf noch Ausgabe für Macherlohn ver­ zeichnet ist. Der Auftrag auf die Röcke und Mützen ging 1580 und 1581 an die Schnei­ der Wolff Hannstmann und Michel Conrad. Mit Hannstmann bekam die Stif­ tungsverwaltung Verdruß, da er versucht hatte, Höf er Tuch für sich beiseite zu schaffen 72. Diese schlechte Erfahrung führte wohl mit dazu, daß man 1585/86 gegen ein Entgelt von 2 Pfund 24 Pfg. „einen geschwornen Meister" 73 damit beauf­ tragte, zusammen mit dem Münzerischen Schneider die Tuche zu besichtigen und auszumessen. In späteren Jahren wurde es zur Regel, daß das Ausmessen und Zuschneiden der Stoffe durch die Schneider und deren Gesellen unter Oberaufsicht eines Geschworenen des Tuchmacherhandwerks stattfand. Diese Arbeit war sehr um­ ständlich und zeitraubend, handelte es sich doch um beträchtliche Tuchmengen. Bereits in der Stiftungsordnung war festgelegt worden, daß je Rode 3 3A Ellen und je Mütze 1 V2 Ellen, für 100 Röcke und Mützen also 525 Ellen lindischen bzw. Amsterdamer Tuches verbraucht werden durften. Für ein Paar Strümpfe wurden V2 und V4 (von V2), also 5/s Ellen Amsterdamer heraus­ gegeben, für 100 Paar dementsprechend 62,5 Ellen. An Höfer Futtertuch hielt man je Rock 2 Ellen und je Mütze 3 Ellen, das sind 500 Ellen für je 100 Stück, für ausreichend. An diesen maßlichen Angaben der Stiftungsordnung hielt man fest. Es ergab sich lediglich eine scheinbare Reduzierung, als ab 1696 doppelbreites Höfer Tuch verwendet wurde. In den ersten Jahren wurden dem Hemdenmacher ca. 500 Ellen Leinwand übergeben für Hemden, Krägen und „Krösten", eine Zugabe für unterschied­ liche Größen. Ab 1582/83 ist eine Reduzierung dieser Menge auf ca. 400 Ellen festzustellen, ein Zeichen, wie genau die Stiftungsverwalter es nahmen. Je Hemd wurden 34/s Ellen Leinwand zuzüglich der Zugaben festgesetzt. Es scheint sich aber herausgestellt zu haben, daß diese Stoffmenge doch unge­ nügend war, da später wieder eine Erhöhung auf 500 Ellen erfolgte, die dann auch bestehen blieb. Im Laufe der Zeit bürgerte es sich ein, daß alle mit dem Ausmessen und Zuschneiden der Tuche beschäftigten Personen auf Kosten der Stiftung be­ wirtet wurden. Zunächst handelte es sich nur um einen Trunk, ab 1654 bis 1805 kam dazu eine „Collation", eine Mahlzeit74. In einer „Beylage zu der Münzerischen Stiftungsrechnung Ao. 1765" wird eine „Auslage bey dem Tuchabmessen 1765" mit 29 fl. 54 kr. aufgeführt und im einzelnen wie folgt spezi­ fiziert 75:

72 78 74 75

StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1581/82. Ebenda, Stiftungsrechnung 1585/86. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 15 und 16, Stiftungsrechnungen. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 48.

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„Berechnung der Ausgabe bey dem Tudtaussdtneiden den 3. Sept. 1765 4 Gänß Bäuche a 1 fl. 4 große Hasen und zurichten Vor einen großen Gogelhopfen vor Wecklein vor unterschiedliche Salate vor braun und Weizenbier denen Mägden in Haußrangeld

Suma Zusatzrechnung ]e 36 Maaß wertheimer a 32 kr.

4 fl• 3 1 40 kr. 1 32 kr. 30 kr.

10 fl.

42 kr.

19 fl.

12 kr.

Es ging also keineswegs knauserig zu bei diesen Mahlzeiten! Die Almosherren pflegte man am dritten Sitzungstag sowie am Tag der Aus­ teilung mit Wein und einer Mahlzeit zu bewirten. Im Laufe des 17. Jahr­ hunderts bürgerte es sich ein, daß zusätzlich für die Almosherren und die Be­ amten des Landalmosenamts sowie in einigen Jahren auch für die beteiligten Handwerker eine Abendmahlzeit gegeben wurde. Ein Überblick über die Ent­ wicklung der Kosten zeigt, daß die zuständigen Stellen im Lauf der Zeit kein Maß und Ziel mehr kannten. Von 2 bzw. 4 fl. in den Anfangsjahren der Stif­ tungsausteilung waren die Ausgaben bis zum Jahre 1600 bereits auf 15 fl. an­ gestiegen und beliefen sich 1620 auf 20 fl. In der Jahresrechnung 1652 findet sich der Eintrag „Abendmahlzeit 14 Personen Wolffgangstag 102 fl.“ 76 und in der folgenden Rechnung sogar 114 fl. Diesem offenkundigen Mißbrauch wurde ab 1659 ein Riegel vorgeschoben. Die Abendmahlzeiten durften nicht mehr stattfinden, dafür wurde an die Beteiligten dieser „Costbaren Mahlzeit“ ein Betrag von insgesamt 30 fl. in bar ausgezahlt. Im 18. Jahrhundert erhöhte sich die Summe auf 44 fl. und wurde teils in bar gegeben, teils für eine Mahlzeit verwendet. In einer Beilage zur Stiftungsrechnung 1776/7777 rechtfertigen sich die Oberalmospfleger wegen der Ausgaben für die Mahlzeit damit, daß sie her­ kömmlicher Weise nach der Stiftungsausteilung noch zwei bis drei Stunden bei­ sammen säßen, um Stiftungsangelegenheiten zu besprechen. Sie geben auch zu bedenken, daß das Landalmosenamt ihnen für ihre oft „beschwerlichen Be­ sorgungen“ lediglich eine Jahrespauschale von 12 fl. vergüte. Im übrigen werde die Mahlzeit aus der Stiftungskasse und nicht aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Auch die Armen selbst erhielten am Wolfgangstag eine kleine Stärkung mit „Spitzweck und Trunk“. Aufwartung bei den Mahlzeiten sowie Hilfe bei der Ausgabe der Kleidung an die Almosenempfänger leisteten „Stadtknecht und Schutzen“, die auch zu­ sammen mit dem Mesner von St. Sebald den Zug der Armen vom Augustiner­ kloster zur Sebalduskirche und zurück geleiteten. Die Verständigung des Rek76 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1652/53. 77 Ebenda, Nr. 15, Stiftungsrechnung 1776/77.

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tors von St. Sebald wegen des Gesangs in der Vesper sowie des Organisten und Stadtpfeifers mußte von der Stiftungsverwaltung ebenso bedacht werden wie die Auszahlung einer Vergütung an alle diese Leute. Daß die Austeilung der Kleidungsstücke an die 100 Männer nicht immer reibungslos verlief, zeigen Eintragungen in den Jahresrechnungen 1583/84 78 und 1587/88 79. Darin heißt es: „ein Par bei anthung und anlegung verlorn und gestoln worden“ (Schuhe), bzw. „mehr außgeben (1 V2 Ellen Amsterdamer Tuch) zu anmachung eines anderen Mutzen, so in außtailung der claider ver­ lorn und gestolen worden“. Leider sind nur spärliche Unterlagen über die Stiftungsverkündigung80 vor­ handen. Sie stammen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Da jedoch die daraus ersichtliche Art der Verkündigung im Prinzip mit den Vorschriften der Stiftungsordnung übereinstimmt, kann wohl mit Recht gesagt werden, daß sich seit Erlaß der Ordnung an der Praxis der Bekanntmachung kaum etwas geändert hat. Die Verkündigungstermine waren gegenüber der Ergänzung zur Ordnung von 158 3 noch weiter vorverlegt worden. Zeitweilig fand die Verkündung schon Ende August/Anfang September statt, die Sitzungen waren für Mitte bis Ende September angesetzt. Die Praxis hatte demnach ergeben, daß die vorbe­ reitenden Arbeiten für die Almosenausteilung einen größeren Spielraum ver­ langten, als er nach der Ordnung vorgesehen war. Dürftig sind auch die Unterlagen, die über Alter, Beruf, Herkommen usw. der Almosenempfänger Aufschluß geben könnten. Aus einer flüchtigen Auf­ zeichnung aus dem Jahre 1715 81 gehen nur Familien- und Ortsnamen, Alter der Almosenempfänger sowie Art des Leumundszeugnisses hervor. Als einzige Berufsbezeichnung findet sich dazwischen „Hirt“. Die Ortsangaben, aus denen nur einige herausgegriffen werden: — Hersbruck, Obergrumbach, Alfeldt, Enzendorf, Ahlendorf, Altenfurt-Ambach, Affalter, Pezenstein, Hühl, Cazberg, Sachsen, Grefenberg, Kucha, Altdorf, Winckelhaid, Rickersdorf, Fischbach, Eltersdorf, Schwaig, Eybach usw. — zeigen, daß die Bittsteller wirklich aus allen Bezirken des Nürnberger Gebietes kamen. Speziell für das Pflegamt Hersbruck liegen Angaben82 vor, wonach aus des­ sen Bezirk von 1600 bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit jährlich im Durch­ schnitt anfangs 8—9, später 3—4 Personen das Münzerische Almosen erhielten. Die Armenlisten geben als Berufe an: Austrägler, Taglöhner, Mauerwächter, Hirt, Nachtwächter, Dorfschuster, Dorfschneider. Das Alter der Stiftungsgenos­ sen liegt zwischen 50 und 80 Jahren, wobei der Hauptanteil auf die Gruppe zwischen 50 und 65 Jahren entfällt. Dies deckt sich mit der erwähnten Auf­ zeichnung von 1715. Auch hier zeigt sich, daß die Bestimmung Münzers, wo78 79 80 81 88

StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stifhmgsrechmmg 1583/84. Ebenda, Stiftungsrechnung 1587/88. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 44. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 41. Schnelbögl, a. a. O., S. 315.

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nach seine Stiftung alten, betagten Männern zukommen sollte, offenbar so aus­ gelegt wurde, daß das 50. Lebensjahr als unterste Grenze betrachtet wurde. Ausnahmen von der Regel wurden gemacht, doch handelte es sich bei diesen jüngeren Leuten dann gewöhnlich um Personen, die an schweren körperlichen Gebrechen litten. Wenn man bedenkt, daß die Männer den oft sehr weiten Weg nach Nürnberg zweimal zurücklegen mußten, einmal zur Vorstellung bei der Almosensitzung und schließlich wieder zum Empfang des Almosens, dann kann man ermessen, welchen Wert die Kleidung für sie gehabt haben muß. Die angeführten Zeugnisse sind in der Hauptsache Amtsatteste, also von den Pflegämtern ausgestellt, dazwischen finden sich Bestätigungen der zustän­ digen Pfarrämter. Ein Attest83, das am 16. September 1789 (?) vom Pfarrer von Leerstetten ausgestellt wurde, hat folgenden Wortlaut: „Johann Leonhard Wulmann, ein . . . Taglöhner zu Groß Schwarzenlohe, wel­ cher sich aus allen Vermögen befindet und wegen zunehmenden Alter nicht mehr recht im Stande ist, sich und den seinigen den erforderlichen Unterhalt zu verschaffen, hat bei hiesiger hockfürstlicher Pfarr das Ansuchen gethan, Ihme ein Zeugniß wegen seines Wohlverhalten zu ertheilen, damit er von dem gewöhnlichen milden Stiftungen der löbl. freyen Reichs Stadt Nürnberg etwas erlangen mögte. Es wird ihme, Wid Mann, dehre Craft diß . . . daß er sich zur Zeit Christi, und ordenlick verhalten und allen Wohltätern und Menschenfreunden empfohlen werden kann In ähnlicher Aufmachung werden wohl alle Atteste ausgestellt worden sein. Bei der Austeilung des Jahres 1581 wurde über die 100 Männer hinaus noch „Michel Rainlein, Bruder uff Moritzperg“ auf „Fürbit Herrn Moritzen Fürers alhie“ mit einer vollständigen Bekleidung und V2 fl. Bargeld bedacht. Dies scheint jedoch ein Einzelfall gewesen zu sein. Die Stiftungsverwaltung be­ schränkte sich darauf, mit der Kleidung nicht mehr als 100 Personen zu be­ denken und darüber hinaus Zuwendungen in Bargeld zu geben. Auf Anweisung hin erhielten 1586 etliche Männer, deren Gesuch nicht be­ rücksichtigt werden konnte, ein Zehrgeld von insgesamt 6 fl. 3 Pf. 27 Pfg. Es wurde von da an zum Brauch, abgewiesene Bittsteller nicht mit leeren Händen wegzuschicken. Im Jahre 1600 wurden bereits 37 fl. 4 Pf. 6 Pfg. dafür aus­ gegeben. In der Stiftsrechnung findet sich dabei die Bemerkung „die sich von Jar zu Jar heuffen“. 1607 und 1611 wird ein gewisser Anthoni Müntzinger aus Steinach bei Würzburg mit einem Zehrgeld von 6 fl. bedacht. Dieser hatte sich als „Blutsfreund" des Stifters mit einem Empfehlungsschreiben des Bischofs von Würzburg um die Kleidung beworben. Er wurde aber abgewiesen und er­ hielt lediglich die Barspende, die immerhin über die Hälfte des Wertes der Stiftungsgabe ausmachte. Die Kontinuität der Stiftungsausteilung84 kann für die Zeitspanne 1580 bis 1630 und 1651 bis 1806 als sicher festgestellt werden, und zwar für jeweils 88 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 41. 84 Siehe Beilage 3, S. 118/119.

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100 Männer. Für den Zeitraum 1631 mit 1650 kann mangels Quellenmaterial die ununterbrochene jährliche Vergabe des Almosens nicht nachgewiesen wer­ den. Lediglich für die Jahre 1639 und 1640 steht die Ausgabe der Stiftungs­ kleidung fest, allerdings nur an 70 Personen. Erst aus dem Bericht der Münzerischen Stiftungsadministration85 vom 9. Mai 1807 an das Königlich Bayerische General-Land-Comissariat geht hervor, daß die von entfernten Orten herkommenden Stiftungsgenossen in den Pilgrimspitälem St. Martha und zum Heilig-Kreuz Nachtquartier und Abendbrot er­ hielten. Zwar findet sich in anderen Urkunden kein Hinweis darauf, doch darf — schon im Hinblick auf das Alter mancher dieser Leute — angenommen wer­ den, daß diese Gepflogenheit nicht neu war. Die beiden im 14. Jahrhundert ge­ stifteten Spitäler waren ja eigens für den Zweck, armen Pilgern und Wanderern eine kurzfristige Unterkunft zu gewähren, errichtet worden. Gänzlich aus dem Rahmen der üblichen Stiftungsexecution fiel die „200jährige Jubelfeyer dieser Stiftungs-Austheilung", die laut Verlaß der Herren Oberalmospfleger vom 12. September 178086 am Wolfgangstag 1780 stattfand. Leider ließ sich außer dem Hinweis in der Stiftungsrechnung, daß das Jubiläum mit einer Gedächtnisrede und — nach der Höhe der Ausgaben zu schließen — auch mit einem Festmahl begangen wurde, über die Gestaltung dieses Tages nichts ermitteln. Vorbereitung und Durchführung der Stiftungsausteilung waren die eine große Aufgabe der Stiftungsexecutoren, Verwaltung und gewinnbringende An­ lage des Stiftungsvermögens die andere. Eine schriftliche Festlegung über „Des Verwalters der Münzerischen Stifftung Pflicht" 87 gibt Auskunft, was der Rat der Stadt von den Verwaltern verlangte. Es seien hier nur einige Punkte her­ ausgegriffen: treue Verwaltung, Überwachung der Zinseingänge, Rechnungs­ legung, Kapitalanlage nur mit Genehmigung der Oberalmospfleger, sorgfältige Aufbewahrung der Stiftungskasse in der Kassenkammer des Landalmosenamts usw. Als Vergütung für ihre Tätigkeit bezogen aus Stiftungsmitteln der Verwalter 25 fl. im Jahr, der Gegenschreiber 16 fl. Von 1620/21 an erhielt der Verwalter 70 fl., der Gegenschreiber 17 fl. 2 Pfd. 24 Pfg. Bis etwa 1800 blieben diese Bezüge unverändert, dann entfielen sie und waren mit der Besoldung, die Ver­ walter und Gegenschreiber vom Landalmosenamt erhielten, abgegolten. Als Begründung für die enorme Erhöhung der Bezüge des Verwalters von 25 auf 70 fl. führt Burckhardt Löffelholtz im Journal des Jahres 1620/21 88 den „Auffwexel von grobem Gellt" an, womit die erhebliche Münzverschlech­ terung jener Jahre ausgeglichen werden sollte.

85 88 87 88

StadtAN, StadtAN, StadtAN, StadtAN,

WSt, WSt, Rep. WSt,

Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 8. Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 15, Stiftungsrechnung 1780/81. 80 B 260, Bl. 9. Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 11b.

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IV. Vermögensgesdiichte der Stiftung von 1579 bis 1806 1. Das Rechnungswesen In jährlichen Rechnungen, die entsprechend dem Rechnungsjahr der städti­ schen Ämter den Zeitraum von Walburgi, d. h. 1. Mai des einen Jahres, bis Walburgi des folgenden Jahres umfaßten, legten die Verwalter Rechenschaft über den Stand des Stiftungsvermögens ab. Die Jahresrechnungen wurden nach Erstellung jeweils von Losungsschreibern revidiert. In späteren Jahren wurden sie zusätzlich noch von den sogenannten „Rechenherren“, die der Rat ernannte, geprüft und „abgelöst“, d. h. in Ordnung befunden. Wie die Namen dieser Be­ auftragten, „Welser, Harsdörffer, Fürer, Nützel, Tücher“ usw., zeigen, hielt man diese Stiftungskontrolle für so wichtig, daß sie von Angehörigen des Patriziats ausgeübt wurde. Aus dem „Büchlein über die Muntzerische Stifftung“ 1, das von 1579—1602 geführt wurde, geht hervor, daß die erste der­ artige Prüfung 1591 erfolgte und sich auf die Zeitspanne von 1577 bis 1586 erstreckte. Es spielte sich jedoch nach und nach auf einen geringeren zeitlichen Abstand zwischen Rechnungslegung und Kontrolle durch die Rechenherren ein. Die Rechnungen 2 waren wie folgt auf gemacht: Einer ausführlichen detaillierten Aufzeichnung über den Eingang an lindischem, Amsterdamer und Höfer Tuch sowie an Leinwand unter Angabe der Bezugs­ quellen, ferner über die „Einnahm“ an Hüten und Schuhen wurde eine ebenso ins einzelne gehende Aufstellung über die Ausgabe an Tuchen, Hüten und Schuhen mit Vormerkung des verbleibenden Vorrats an Tuchen gegenüber­ gestellt. Nach dieser Aufzeichnung des „Warenbestands“ und seiner Veränderung folgte der eigentliche Rechnungsabschluß. Dieser war in die zwei Gruppen „Einnahm an Gellt“ und „Ausgab an Gellt“ gegliedert. Bei den Einnahmen wurde, so lange der Streit um die Lehensnutzung nicht abgeschlossen war, ein pro memoria als Erinnerungsposten gesetzt. Weiter wurden bis zum Verkaufsabschluß das Wohnhaus und die noch vorhandenen beweglichen Güter mit dem Schätzwert eingetragen, ferner auch die noch nicht erledigten gewissen und ungewissen Schulden. Zum Anfangsbestand einer jeden Jahresrechnung gehörte der Übertrag der angelegten „Hauptsummen“, d. h. Kapitalien, und die Angabe des Bargelds, entsprechend der vorausgegangenen Abrechnung. Es schloß sich jeweils die Verbuchung der Einnahmen von Beginn bis Schluß des laufenden Rechnungsjahres an. Die Geldzugänge aus dem Verkauf des Hauses und sonstiger nachgelassener Habe oder aus zurückgezahlten Schulden stellten keine echte Einnahme dar, sondern bewirkten lediglich eine Verschie­ bung des Vermögens nach der Kapitalseite hin. Die tatsächlichen Einnahmen der Stiftung bestanden ausschließlich in den Zinsen der angelegten Kapitalien. 1 StadtAN, Rep. 80 B 256. 2 StadtAN, WSt, Alt. Spcz. Reg. M XII, Nr. 15 und 16, Stifhmgsrechnungen.

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Schließlich wurden auf der Einnahmeseite noch eventuell rüdeständige Zins­ zahlungen vorgemerkt. Die Addition aller Posten einschließlich der offenen Zinsschulden wurde als „Summa Summarum aller Einnahm“ bezeichnet. Ihr wurden in gleicher Aufmachung die Ausgaben gegenübergestellt. Zu diesen zählte man die Auslagen für die Stiftung — Tucheinkäufe, Beschaffung von Hüten und Schuhen, Löhne, Bargeldspende usw. — sowie sonstige Aus­ gaben, wie z. B. die Besoldung des Verwalters und des Gegenschreibers. Ferner wurden als Ausgaben alle im Lauf des Jahres angelegten Kapitalien angeführt. Ausgabe war auch die Uneinbringlichkeit eines gewährten Darlehens bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Der Summe der oben aufgezählten Ausgaben wurden Zinsrückstände hinzug:ezählt sowie die zu Anfang des Rechnungsjahres bereits festgelegten Kapi­ talien und der Bargeldbestand am Ende des Jahres. Die „Summa Summarum aller Ausgaben an baaren Gellt“ mußte mit der Summe der Einnahmen über­ einstimmen. Stichproben zeigten allerdings, daß wohl die Endsummen gleich lauteten, daß aber Rechenfehler auf der Einnahmen- oder Ausgabenseite keine Seltenheit waren. In dieser für heutige Begriffe keineswegs übersichtlichen Weise wurden die Rechnungen vom Jahre 1579 an bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit er­ stellt. Irgendwelche Verbesserungen der Buchungsmethode wurden während dieses langen Zeitraums von über zweihundert Jahren nicht vorgenommen. 2. Die Ausgaben der Stiftung Es ist zu unterscheiden zwischen den Ausgaben allgemeiner Art, die teils einmalig waren, teils regelmäßig wiederkehrten, und jenen Ausgaben, die als reine Stiftungsausgaben betrachtet werden können, da sie ausschließlich in Zu­ sammenhang mit der Stiftungsausteilung stehen. Abgesehen von den Kosten für die verschiedenen Prozesse, welche die Stif­ tung zum Teil noch im 17. Jahrhundert belasteten, fielen die einmaligen Zah­ lungen nahezu alle im ersten Jahrzehnt der Stiftungsgeschichte an. Die nach Art oder Höhe auffallenden Ausgaben seien nachstehend angeführt. Ein großes Maß an Umsicht und auch an Kenntnis des Stiftungswesens war erforderlich, um eine Stiftung von der Bedeutung der Wolfgang-Münzer-Stiftung organisationsmäßig aufzubauen. Die damit beauftragten Personen mußten nicht nur den Stifterwillen durch Schaffung der „Ordnung“ in die Praxis der Austeilung umsetzen, ebenso wichtig und vordringlich war die Gestaltung des Rechnungswesens als Grundlage für die Sicherheit der „ewigen Stiftung“. „Für Verfertigung des Muntzerischen Journals, für alle Mühe bis anhero“ 3 erhielt Wolf Eber, der als Gegenschreiber des Landalmosenamts der MünzerStiftung in gleicher Funktion zugewiesen worden war, den erheblichen Betrag von 120 fl. Die „Mühe bis anhero“ dürfte die vielen Schreibarbeiten, die an8 StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1579/80.

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fielen, ebenso umfassen wie die Vorbereitung der Stiftungsordnung und den Einsatz Ebers bei der Einnahme von Zins und Gült für die Eigengüter zu und um Bamberg4. Dem Stiftungsverwalter Sebastian Schlauderspacher wurden „für Mühe bishero verehrt“ 70 fl. 4 Pf., der Erlös aus dem Verkauf eines Silber­ bechers 5. Eine regelmäßige Besoldung aus Stiftungsmitteln in der festen Höhe von 25 bzw. 16 fl. erhielten Verwalter und Gegenschreiber erst ab dem Rech­ nungsjahr 1580/81, in welchem die erste Austeilung der Stiftungsgaben stattfand. Wolf Eber stand bis zum Jahre 1612, also über 30 Jahre, in Diensten der Stiftung. In dieser langen Zeit, in welcher er unter vier Verwaltern 6 tätig war, läßt sich nur noch einmal eine Sondervergütung für ihn feststellen. Im An­ schluß an den Eintrag der Jahresbesoldung 1594/95 für Eber findet sich folgen­ der Posten: „Mehr zahlt ich auß Bevelch, so ime von den Herrn Elttern zu ainer Verehrung zu raichen bevohlen worden 50 fl.7.“ Es deutet jedoch nichts darauf hin, für welche besonderen Leistungen Eber dieser Betrag zugewendet wurde. Bei den Testamentsverhandlungen mit Bamberg hatte sich der Bamberger Bürger Steffan Zeittloß, der dem Rat zu Bamberg angehörte, sehr für die Be­ lange der Stiftung eingesetzt. Zusammen mit dem Nürnberger Ratsmitglied Matthes Löffelholtz hatte er 1579 die bereits erwähnte Caution 8 für das Bam­ berger Hochstift gestellt. Audi wird seine Beteiligung bei der Abwicklung der Angelegenheit Zins und Gült für die Eigengüter zu und um Bamberg erwähntö. Die Testamentsvollstrecker dankten Steffan Zeittloß für seine jahrelangen viel­ seitigen Bemühungen durch Übersendung eines silbernen, vergoldeten Bechers, der zum Preis von 20 fl. 2 Pf. 3 Pfg. bei Endres Schnitzer erstanden wor­ den war10. Bis zur Erledigung der ausstehenden Schulden zu und um Bamberg im Jahre 1582/83 fielen wiederholt kleinere Ausgaben an für Botenlohn „von und ghein Bamberg“, für „Ausgaben und Verzehr von Hanns Förster Überreiter wegen Einpringen ettlicher alter Schulden zu Bamberg“11. In den Jahren bis zum Verkauf des Hauses Judengasse an Hanns Schwingherlein mußten die Kosten anfallender Reparaturen aus Stiftungsmitteln getragen werden. Es handelte sich j’edoch nur um geringfügige Beträge. Mit dem Mieter Caspar König wurden vor dessen Auszug 7 fl. 2 Pf. 18 Pfg. verrechnet, „so er in die Muntzerische Behausung verbaut, ausweis seines conto“ 12. Man kannte 4 5 6

7 8 9 10 11 12

Ebenda. Ebenda. Sebastian Schlauderspacher 1577—1583, Willibald Haller 1583—1590, Georg Starck 1590— 1593, Burckhard Löffelholtz 1593—über 1621. (Die Amtszeit von B. Löffelholtz kann nur bis 1621 nachgewiesen werden, da die anschließenden Rechnungen der Stiftung nicht vor­ handen sind.) StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnungen. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1594/95. Siehe Kapitel III/l. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1579/80. Ebenda, Stiftungsrechnung 1580/81. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, vgl. Stiftungsrechnungen bis 1582/83. Ebenda, Stiftungsrechnung 1584/85.

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also auch damals schon Ablösung derartiger Ausgaben bei Beendigung des Mietverhältnisses. Zu Lasten der Stiftung gingen auch die Kosten für die vom Rat angeordnete Anfertigung eines Totenschildes für Wolfgang Münzer. Nach den Eintragungen in den Stiftungsrechnungen der Jahre 1583 und 1584 13 gehörte zu dem aus Stein gehauenen und bemalten Schild eine Schrifttafel. Der Bildhauer Meister Lienhart erhielt 18 fl. 4 Pf. 6 Pfg. „von dem Müntzerisdien Schilt und der Schrifttafel in St. Sebald hangend zu schneiden“. Dagegen wurden die Arbeiten des Malers Lucas Geinenberg — „von gemalten Müntzerischen Schilt und der Schrifttafel zu malen“ — mit 86 fl. einschließlich „Verzehr und Trinckgeld“ weit höher honoriert. Auch für das Anbringen des Schildes und der Tafel in der St. Sebalduskirche fielen Ausgaben an für Schlosser, Tüncher, Gerüstaufbau und -abbau. Als jährlicher Posten erschien ab 1584 eine Zuwendung zum neuen Jahr an den Mesner von St. Sebald „umb das er den Müntzerischen Schilt im Jar ettlichmal fleißig abkehren soll“. Das Rechnungsjahr 1586/87 brachte die große Ausgabe von insgesamt rd. 94 fl. für eine umfangreiche Renovierung des Münzerischen Grabmals. „Meister Lucas Brunenberger Maler“ erhielt davon 84 fl.14. Von einem sehr unerfreulichen Vorgang gleich in den ersten Jahren der Stiftungsgeschichte geben Buchungen aus den Jahren 1586 und 1588 Kunde. Sie betreffen den 1583 verstorbenen Sebastian Schlauderspacher, den ersten Verwalter der Stiftung. Die Eintragung des Jahres 1586 lautet: „Mehr außgeben, gib ick wider ist Sebastian Schlauderspachers Kinder Vor­ mündern auf ir unterthaniges suplizieren umb das sich bey gedachter irer Pflegekinder vattern seligen, ein zimblicher abgang eraignet und gefunden aus Gnaden nachgelassen worden thut 150 fl. 5 Pf. 5 Pfg.15/' Eine textlich gleiche Buchung erfolgte 1588 mit einem Betrag von 100 fl.16. Zunächst war unklar, ob der angeführte „zimbliche abgang“ von insgesamt 250 fl. sich auf eine persönliche Verschuldung des Schlauderspacher bezog oder ob das Defizit die Stiftung betraf. Gegen letztere Annahme schien zu sprechen, daß nach der Übernahme der Stiftungsverwaltung durch Willibald Haller in dessen erster Rechnung 1583/84 sich kein Hinweis auf eine Unregelmäßigkeit des Schlauderspacher findet, etwa in Form einer Berichtigung der früheren Rech­ nungen. Erst die Beilage zur Stiftungsrechnung 1589/90 17 brachte die Gewißheit, daß tatsächlich eine Unterschlagung von Stiftungsgeldem durch Schlauderspacher vorgekommen war. Unter Bezugnahme auf „den Abgang, so sich .. . vff des13 14 15 16 17

StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnungen 1582/83 und 1583/84. Ebenda, Stiftungsrechnung 1586/87. StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 16, Stiftungsrechnung 1585/86. Ebenda, Stiftungsrechnung 1587/88. Ebenda, Stiftungsrechnung 1589/90 mit Beilage.

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selben Absterben eraignet vnnd erfunden“ werden den Vormündern der Schlauderspacherschen Kinder nochmals 42 fl. 5 Pf. 2 Pfg. „auß gunsten nachgelaßen“. Mit dieser Abschreibung ist der veruntreute Betrag ausgeglichen. In welcher unkaufmännischen Weise dieser Vorfall buchhalterisch behandelt wurde, zeigt die Bemerkung in der betreffenden Rechnungsbeilage: „vnnd welcher Abgang (der nun mer richtig) Jedenmahls als ein bar Gellt, In der Einnam, vnder dem Vorrath, allein pro memorj gehalten worden18 “ Man hatte also bis zur Klärung der Angelegenheit die unterschlagene Summe kurzerhand als Bargeld betrachtet. Daß auf die gleiche Art auch eine Unterschlagung leicht vertuscht werden konnte, braucht nicht wunderzunehmen. Auch der Kleinkram der Verwaltungsarbeit spiegelt sich in den Stiftungs­ rechnungen wider. Da werden Ausgaben für Zahlungen an das Gericht, ent­ standen durch Anforderung gerichtlicher Abschriften und Beglaubigungen, eben­ so notiert wie die Anschaffung von zwei Schachteln für die Aufbewahrung von Schuldverschreibungen oder eines Kastens „für die Müntzerischen Urkhunden“. Zu den regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben gehörten außer den jährlichen Vergütungen für Verwalter, Gegenschreiber und Losungsschreiber nur noch die Kosten für das Binden der Stiftungsrechnungen. Alle übrigen Ausgaben sind der Stiftungsausteilung zuzurechnen. Es wurde der Versuch unternommen, einen Überblick 18 darüber zu gewinnen, in welcher Weise sich jene Ausgaben, die sich ausschließlich auf die Stiftung als solche beziehen, in der Zeit von der ersten Austeilung 1580 bis zum Jahre 1806 änderten. Dabei wurden erfaßt: a) die Kosten der Stiftungsgaben, d. h. für Tuche (Lindisches, Schonawer, Amsterdamer und Höfer Tuck), Leinwand, Hüte und Schuhe,* die Löhne für Schneider und Hemdenmacher, die Gabe von einem halben Gulden in bar für jeden Stiftungsgenossen,* b) die sonstigen Ausgaben, die sich im Zusammenhang mit der Austeilung er­ gaben, nämlich: Zehrgelder, d. h. Geldspenden an Bittsteller, die sich um das Almosen bewarben, aber abgewiesen werden mußten, ferner Zahlungen an Mesner und Stadtkneckte für Aufwartung bei der Austeilung des Al­ mosens und für Geleit vom Augustinerkloster zur St. Sebalduskircke; Vergütungen an den Stadtpfeifer, den Rektor und den Organisten von St. Sebald für Mitwirkung bei der Stiftungsvesper durch Gesang und Orgel­ spiel, und schließlich Auslagen für die Mahlzeit beim Tuchabmessen und -zusckneiden, Imbiß für die Stiftungsgenossen sowie Kosten der Mahlzeiten der Almosherren bei einer der Sitzungen und am Tag der Stiftungsaus­ teilung.

18 StadtAN, WSt, Alt. Spcz. Reg. M XII, Nr. 16, Beilage zur Stiftungsrechnung 1589/90. 18 Grundlage: StadtAN, WSt, Alt. Spez. Reg. M XII, Nr. 15 und 16, Stiftungsrechnungen.

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Es stellte sich folgende Entwicklung heraus:

1580 1581 1582 1583 1584 1585 1587 1588 1589 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596 1597 1598 1599

Kosten der Stiftungsgaben

sonstige Ausgaben

Gesamtsumme der Stiftungsausgaben

fl-

fl'

fl'

921 850 846 819 843 733 801 794 832 817 839 799 9 31 908 842 898 967 904 1026

2 11 5 5 5 6 15 15 17 29 36 36 46 43 44 48 45 51 55

923 861 851 824 848 739 816 809 849 846 875 835 977 951 886 946 1012 955 1081

Damit hatten im zwanzigsten Jahr der Stiftungsausteilung die Kosten der Stiftungsgaben zum erstenmal den vom Stifter festgesetzten Betrag von 10 fl. pro Person erreicht bzw. geringfügig überschritten. Die auffallende Zunahme der „sonstigen Ausgaben" erklärt sich dadurch, daß einmal die Zehrgelder laufend anstiegen und zum andern die Ausgaben für die Mahlzeiten der Almosherren höher wurden. In den folgenden zwei Jahrzehnten sieht das Bild der Ausgaben — stich­ probenweise angeführt — wie folgt aus: 1602 1610 1611 1618 1619

943 825 945 1133 1078

68 57 58 72 74

1011 882 1003 1205 1152

Die unterschiedliche Höhe der Beträge für die Stiftungsgaben ist auf sehr voneinander abweichende Kosten für Tuche und Leinen zurückzuführen. Es wäre denkbar, daß in manchen Jahren günstige Preisangebote zum Einkauf größerer Mengen veranlaßten. 63

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Als Durchschnittsausgabe der Jahre 1580 mit 1619 errechnen sich für Tuche für Leinwand

652 fl. 70 fl.

Die „sonstigen Ausgaben" sind weiter angewachsen, vor allem durch die Zehrgelder, die bis zu 48 fl. ausmachten. Kosten der Stiftungsgaben fl1651 1652 1653 1659

sonstige Ausgaben fl-

1287 1291 1287 1287

Gesamtsumme der Stiftungsausgaben fl-

1327

40 134 147 54

1425 1434 1341

Die Kosten der Stiftungsgaben betrugen als Folge der allgemeinen Preis­ steigerungen nach dem Dreißigjährigen Krieg rd. 2 fl. pro Almosenempfänger mehr als 1619. Zum Anstieg der „sonstigen Ausgaben" ist zu sagen, daß sie 1652 den enormen Betrag von 102 fl., 1653 sogar 114 fl. für die „Costbare Abentmahlzeit“ der Almosherren und der dazu geladenen Handwerker, die mit der An­ fertigung der Stiftungskleidung zu tun hatten, enthalten. Diesem Mißbrauch von Stiftungsmitteln wurde ab 1658 bzw. 1659 Einhalt geboten durch Aus­ zahlung eines festen Betrags von 36 fl. bzw. ab 1659 von 30 fl. 1695 1696 1697

1284 1456 1463

1351 1521 1538

67 65 75

Enormer Preisanstieg bei Wolle im Jahre 1696, Teuerung bei Leinen und Leder 1696 bzw. 1697. 1729 1730

1376 1376

149 160

1525 1536

Die Tuchpreise sind zurückgegangen. In den „sonstigen Ausgaben" sind statt 30 fl. für die Abendmahlzeit der Almosherren 44 fl. enthalten, ferner stiegen die Ausgaben für die Mahlzeit beim Tuchabmessen und -zuschneiden bis über 30 fl. 1765 1766

1500 1510

Preisanstieg bei Tuchen, Leinwand und Leder. 64

?

?

?

?

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1773 1776

Kosten der Stiftungsgaben

sonstige Ausgaben

Gesamtsumme der Stiftungsausgaben

ft.

fl-

fl