Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [56]

Table of contents :
Tafeln des Lautenbacher Altars und
Albrecht Dürer.........................................................................................251
Elisabeth Pfeiffer, Zur Ikonographie der Darbringung Christi im
Tempel.................................................................................................317
Albert Bartelmeß, Lebensbeschreibung des Hans Rieter von
Kornburg (1522—1584) und seine beiden Kopial- und Stammbücher
................................................................................................ 360
Erich M u 1 z e r , Giebelmännlein, Schlote, Hahnenkämme und andere
Einzelheiten der Nürnberger Dacharchitektur.....................................384
Fritz Gries, Die Freilegung der Stadtmauer beim Bau der Dresdner
Bank am Hans-Sachs-Platz.................................................................. 422
Wilhelm Schwemmer, Die Stadtmauer von Nürnberg. Verluste
und Erhaltung im 19. und 20. Jahrhundert.....................................424
Matthias M e n d e , Die Nürnberger Madonna. Zur Geschichte ihres
Nachruhmes im 19. Jahrhundert...........................................................445
Robert Herold, Bibliographie Archivdirektor Emil Reiche . . 482
Buchbesprechungen ............................................................................... 521
Jahresbericht über das 91. Vereinsjahr 1968 573
V
BUCHBESPRECHUNGEN
Deutsches Patriziat 3 430—1740, hrsg. von Hellmuth Rößler, Limburg/Lahn 1967.
(Werner Schultheiß)............................................................................................................... 521
Fritz Ramj oue : Die Eigentumsverhältnisse an den drei Aachener Reichskleinodien
Köln 1968. (Gerhard Hirschmann)................................................................................. 523
Herbert E. Lemmel : Herkunft und Schicksal der Bamberger Lemmel des 15. Jahrhunderts,
Bamberg 1965. (Gerd Wunder)...........................................................................524
Christoph Petz sch: Das Lochamer-Liederbuch. Studien, München 1967. (Franz
Krautwurst)..............................................................................................................................525
Fritz Zink: Die Handzeichnungen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Nürnberg
1968. (Wilhelm Schwemmer)................................................................................................ 529
Gottfried Frenzei : Die Farbverglasung von St Lorenz/Nürnberg, Augsburg 1968.
(Wilhelm Schwemmer).................................................................................................530
Hans Georg Gmelin : Georg Pencz als Maler, 1966. (Wilhelm Schwemmer) . . 5 32
Almut N e h 1 s : Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, Kassel und
Basel 1967. (Werner Schultheiß)..................................................................................5 34
Gerhard Pfeiffer: Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte 1968. (Gottfried
Seebaß).......................................................................................................................534
Luther for an Ecumenical Age. Essays in Commetnoration of the 450th. Anniversary
of the Reformation, ed. Carl S. Meyer, Saint Louis 1967. (Werner Schultheiß) 5 38
Gottfried S e e b a ß : Das reformatorische Werk des Andreas Osiander, Nürnberg
1967. (Klaus Leder)............................................................................................................... 538
Günther Bauer : Anfänge täuferischer Gemeindebildungen in Franken, Nürnberg
1966. (Herbert Reber)........................................................................................................540
Peter Zahn: Beiträge zur Epigraphik des 16. Jhs. Die Fraktur auf den Metallinschriften
der Friedhöfe St. Johannis und St. Rochus zu Nürnberg, Kallmünz
1966. (Rudolf M. Kloos)........................................................................................................ 541
Werner Lühmann : St. Urban. Beiträge zur Vita und Legende, Würzburg 1968.
(Walter Lehnert) ........................................................................................................ 543
Wilhelm Schwemmer : So war's einmal. Nürnberg im 17. Jh. Kupferstiche von
J. A. Boener, Nürnberg 1968. (Helmut Häußler)................................................................544
St. Egidien 1718—1968, hrsg. vom Ev.-luth. Pfarramt St. Egidien, Nürnberg 1968.
(Walter Lehnert)................................................................................................................545
Hartmut Schiele und Manfred R i c k e r : Betriebswirtschaftliche Aufschlüsse
aus der Fuggerzeit, Berlin 1967. (Leo Schuster).....................................................................546
Peter Koch: Pioniere des Versicherungsgedankens. 300 Jahre Versicherungsgeschichte
in Lebensbildern 15 50—1850, Wiesbaden 1968. (Leo Schuster) . . . 547
Erwin Riedenauer : Reichsverfassung und Revolution. Zur Persönlichkeit und
Politik des fränkischen Kreisgesandten Friedrich Adolph v. Zwanziger, München
1968. (Bernhard Sicken).................................................................................................548
Liselotte Blumenthal, Ein Notizheft Goethes von 1788, Weimar 1965, und
Günther Schiedlausky, Ein Preuning-Krug, von Goethe gezeichnet, 1965.
(Matthias Mende)............................................................................................................... 549
Georg Wenzel : Die Geschichte der Nürnberger Spielzeugindustrie, Erlangen-
Nürnberg 1967. (Leo Schuster)..................................................................................552
Wolfgang M ü c k : Deutschlands erste Eisenbahn mit Dampfkraft. Die Ludwigs-
Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth, Würzburg 1967. (Hugo Strößenreuther) 5 52
VI
Günther Witt: Die Entstehung des nordostbayerischen Eisenbahnnetzes, Erlangen-
Nürnberg 1968. (Hugo Strößenreuther)...................................................................555
Rudolf Kreutzer : Meine Ziele. Ein Unternehmerschicksal in bewegter Zeit,
München 1967. (Leo Schuster)..................................................................................556
Siegfried G o s 1 i c h : Willi Spilling. Leben und Werk eines fränkischen Komponisten
(1909—1965), Tutzing 1968. (Karl Foesel)...................................................................556
Walther Weidner : Begegnungen in Nürnberg, Nürnberg 1968. (Friedrich Bröger) 557
Helmut B a i e r : Die Deutschen Christen Bayerns im Rahmen des bayerischen Kirchenkampfes,
Nürnberg 1968. (Gerhard Hirschmann).............................................55 8
Fränkische Lebensbilder, Bd. 1, hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1967.
(Werner Schultheiß)........................................................................................................562
Fränkische Lebensbilder, Bd. 2, hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1968.
(Gerhard Hirschmann) .................................................................................................564
Otto Borst : Alte Städte in Württemberg, München 1968. (Albert Bartelmeß). . 567
Die Reichswälder bei Nürnberg. Aus der Geschichte des ältesten Kunstforstes, Nürnberg
1968. (Fritz Schnelbögl) .......................................................................... 568
Anton Zahn: Heimatkunde zwischen Erlenstegen und Stadtpark Nürnberg, Nürnberg
1968. (Gustav Voit).................................................................................................570
Bayerischer Geschichtsatlas, hrsg. von Max S p i n d 1 e r , Redaktion: Gertrud D i e -
pol der, München 1969. (Werner Schultheiß)....................................................570

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

56. Band 1969

N ürnberg 1 969 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Schriftleitung: Dr. Werner Schultheiß, Dr. Gerhard Hirschmann, Dr. Fritz Schnelbögl

Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich. Der Verein dankt für Drudezuschüsse der Stadt Nürnberg, der Stadtsparkasse Nürnberg und dem Bezirkstag von Mittelfranken.

Gesamtherstellung Buchdruckerei Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch Klischees: Firmen Döss und Reinhardt, Nürnberg Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: 85 Nürnberg, Egidienplatz 23—27)

INHALT Elisabeth Caesar, Sebald Schreyer, ein Lebensbild aus dem vorreformatorischen Nürnberg............................................................

1

Theodor Gustav Werner, Die große Fusion der Zechen um den Rappolt in Schneeberg unter Führung der Nürnberger von 1514 (1. Teil).................................................................................................214 Elisabeth Pfeiffer, Vier Tafeln des Lautenbacher Altars und Albrecht Dürer......................................................................................... 251 Elisabeth Pfeiffer, Zur Ikonographie der Darbringung Christi im Tempel.................................................................................................317 Albert Bartelmeß, Lebensbeschreibung des Hans Rieter von Kornburg (1522—1584) und seine beiden Kopial- und Stamm­ bücher ................................................................................................ 360 Erich M u 1 z e r , Giebelmännlein, Schlote, Hahnenkämme und andere Einzelheiten der Nürnberger Dacharchitektur..................................... 384 Fritz Gries, Die Freilegung der Stadtmauer beim Bau der Dresdner Bank am Hans-Sachs-Platz.................................................................. 422 Wilhelm Schwemmer, Die Stadtmauer von Nürnberg. Verluste und Erhaltung im 19. und 20. Jahrhundert.....................................424 Matthias M e n d e , Die Nürnberger Madonna. Zur Geschichte ihres Nachruhmes im 19. Jahrhundert........................................................... 445 Robert Herold, Bibliographie Archivdirektor Emil Reiche Buchbesprechungen

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Jahresbericht über das 91. Vereinsjahr 1968

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BUCHBESPRECHUNGEN

Deutsches Patriziat 3 430—1740, hrsg. von Hellmuth Rößler, Limburg/Lahn 1967. (Werner Schultheiß)............................................................................................................... 521 Fritz Ramj oue : Die Eigentumsverhältnisse an den drei Aachener Reichskleinodien Köln 1968. (Gerhard Hirschmann)................................................................................. 523 Herbert E. Lemmel : Herkunft und Schicksal der Bamberger Lemmel des 15. Jahr­ hunderts, Bamberg 1965. (GerdWunder)........................................................................... 524 Christoph Petz sch: Das Lochamer-Liederbuch. Studien, München 1967. (Franz Krautwurst)...............................................................................................................................525 Fritz Zink: Die Handzeichnungen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Nürnberg 1968. (Wilhelm Schwemmer)................................................................................................ 529 Gottfried Frenzei : Die Farbverglasung von St Lorenz/Nürnberg, Augsburg 1968. (Wilhelm Schwemmer).................................................................................................530 Hans Georg Gmelin : Georg Pencz als Maler, 1966. (Wilhelm Schwemmer) . . 5 32 Almut N e h 1 s : Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, Kassel und Basel 1967. (Werner Schultheiß)..................................................................................5 34 Gerhard Pfeiffer: Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte 1968. (Gott­ fried Seebaß).......................................................................................................................534 Luther for an Ecumenical Age. Essays in Commetnoration of the 450th. Anniversary of the Reformation, ed. Carl S. Meyer, Saint Louis 1967. (Werner Schultheiß) 5 38 Gottfried S e e b a ß : Das reformatorische Werk des Andreas Osiander, Nürnberg 1967. (Klaus Leder)............................................................................................................... 538 Günther Bauer : Anfänge täuferischer Gemeindebildungen in Franken, Nürnberg 1966. (Herbert Reber)........................................................................................................540 Peter Zahn: Beiträge zur Epigraphik des 16. Jhs. Die Fraktur auf den Metall­ inschriften der Friedhöfe St. Johannis und St. Rochus zu Nürnberg, Kallmünz 1966. (Rudolf M. Kloos)........................................................................................................ 541 Werner Lühmann : St. Urban. Beiträge zur Vita und Legende, Würzburg 1968. (Walter Lehnert) ........................................................................................................ 543 Wilhelm Schwemmer : So war's einmal. Nürnberg im 17. Jh. Kupferstiche von J. A. Boener, Nürnberg 1968. (Helmut Häußler)................................................................544 St. Egidien 1718—1968, hrsg. vom Ev.-luth. Pfarramt St. Egidien, Nürnberg 1968. (Walter Lehnert)................................................................................................................545 Hartmut Schiele und Manfred R i c k e r : Betriebswirtschaftliche Aufschlüsse aus der Fuggerzeit, Berlin 1967. (LeoSchuster)..................................................................... 546 Peter Koch: Pioniere des Versicherungsgedankens. 300 Jahre Versicherungsge­ schichte in Lebensbildern 15 50—1850, Wiesbaden 1968. (Leo Schuster) . . . 547 Erwin Riedenauer : Reichsverfassung und Revolution. Zur Persönlichkeit und Politik des fränkischen Kreisgesandten Friedrich Adolph v. Zwanziger, München 1968. (Bernhard Sicken).................................................................................................548 Liselotte Blumenthal, Ein Notizheft Goethes von 1788, Weimar 1965, und Günther Schiedlausky, Ein Preuning-Krug, von Goethe gezeichnet, 1965. (Matthias Mende)............................................................................................................... 549 Georg Wenzel : Die Geschichte der Nürnberger Spielzeugindustrie, ErlangenNürnberg 1967. (Leo Schuster)..................................................................................552 Wolfgang M ü c k : Deutschlands erste Eisenbahn mit Dampfkraft. Die LudwigsEisenbahn zwischen Nürnberg undFürth, Würzburg 1967. (Hugo Strößenreuther) 5 52

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Günther Witt: Die Entstehung des nordostbayerischen Eisenbahnnetzes, ErlangenNürnberg 1968. (Hugo Strößenreuther)................................................................... 555 Rudolf Kreutzer : Meine Ziele. Ein Unternehmerschicksal in bewegter Zeit, München 1967. (Leo Schuster)..................................................................................556 Siegfried G o s 1 i c h : Willi Spilling. Leben und Werk eines fränkischen Komponisten (1909—1965), Tutzing 1968. (Karl Foesel)................................................................... 556 Walther Weidner : Begegnungen in Nürnberg, Nürnberg 1968. (Friedrich Bröger) 557 Helmut B a i e r : Die Deutschen Christen Bayerns im Rahmen des bayerischen Kir­ chenkampfes, Nürnberg 1968. (Gerhard Hirschmann).............................................55 8 Fränkische Lebensbilder, Bd. 1, hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1967. (Werner Schultheiß)........................................................................................................ 562 Fränkische Lebensbilder, Bd. 2, hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1968. (Gerhard Hirschmann) ................................................................................................. 564 Otto Borst : Alte Städte in Württemberg, München 1968. (Albert Bartelmeß). . 567 Die Reichswälder bei Nürnberg. Aus der Geschichte des ältesten Kunstforstes, Nürn­ berg 1968. (Fritz Schnelbögl) .......................................................................... 568 Anton Zahn: Heimatkunde zwischen Erlenstegen und Stadtpark Nürnberg, Nürn­ berg 1968. (Gustav Voit).................................................................................................570 Bayerischer Geschichtsatlas, hrsg. von Max S p i n d 1 e r , Redaktion: Gertrud D i e pol der, München 1969. (Werner Schultheiß).................................................... 570

VII

VERZEICHNIS DER MITARBEITER Bartelmeß, Albert, Archivoberinspektor, 85 Nürnberg, Stadtarchiv Bröger, Friedrich, 85 Nürnberg, Stadtbibliothek Caesar, Elisabeth, Bibl.-Referandin, 6 Frankfurt/Main, Am Fischstein 5 8 Foesel, Karl, Dr., Oberstudienrat, 85 Nürnberg, Thoner Weg 20 Gries, Fritz, 8 5 Nürnberg, Löbleinstr. 60 Häußler, Helmut, Dr., 8 5 Nürnberg, Stadtarchiv Herold, Robert, Bibliothekar, 8 5 Nürnberg, Stadtbibliothek Hirschmann, Gerhard, Dr. Oberarchivrat, 8 5 Nürnberg, Stadtarchiv Kloos, Rudolf M., Dr. Oberregierungsarchivrat, 8 München, Hauptstaatsarchiv, Arcisstr. 13 Krautwurst, Franz, Dr. Univ.-Prof., 852 Erlangen-Buckenhof, Im Herrengarten 18 Leder, Klaus, Dr., Pfarrer, 8802 Elpersdorf 2 ü. Ansbach L e h n e r t, Walter, Dr., Archivrat, 8 5 Nürnberg, Stadtarchiv M e n d e , Matthias, cand. phil., 1 Berlin 30, Bülowstraße 10 Mulzer, Erich, Oberstudienrat, 85 Nürnberg, Viatisstraße 242 Pfeiffer, Elisabeth, 85 Nürnberg, Schnepfenreuther Weg 15 Reber, Herbert, Vikar, 8 5 Nürnberg, Benekestraße 19 Schnelbögl, Fritz, Dr., Archivdirektor i. R., 8 5 Nürnberg, Blumröderstraße 9 Schultheiß, Werner, Dr., Archivdirektor, 85 Nürnberg, Stadtarchiv Schuster, Leo, Dr. Dipl.-Kfm., 85 Nürnberg, Klopstockstr. 12 Schwemmer, Wilhelm, Dr. Direktor der städt. Kunstsammlungen i. R., 8 5 Nürnberg, Lindenaststraße 63 Seebaß, Gottfried, Dr. theol., 852 Erlangen, Jean-Paul-Straße 7 Sicken, Bernhard, Dr., Stipendiat, 5 8 Hagen-Selbecke, Zur Höhe 7 Strößenreuther, Hugo, Dr., Bundesbahnpräsident i. R., 8 5 Nürnberg, Neptunweg 13 oit, Gustav, Dr., Rektor, 85 Nürnberg, Äuß. Bayreuther Straße 71 erner, Theodor Gustav, 8 München 13, Schellingstraße 100 under, Gerd, Dr., Gymn.-Prof., 717 Schwäbisch Hall, Postfach 664

VIII

SEBALD SCHREYER Ein Lebensbild aus dem vorreformatorischen Nürnberg *)

Von Elisabeth Caesar

*) Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1967/68 von der Philosophischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg als Dissertation angenommen. Referent war Herr Prof. Dr. Otto Meyer, Korreferent Herr Prof. Dr. Hanns Hubert Hofmann. Das Manuskript wurde im November 1967 abgeschlossen. Seitherige Forschungsergebnisse konnten nicht mehr eingearbeitet werden.

INHALTSVERZEICHNIS Einleitung............................................................................................................................... I.

1

Civis Norimbergensis 1. Die Freie Reichsstadt Nürnberg um 1450............................................................ 5 2. Die Vorfahren Sebald Schreyers........................................................................... 8 3. Sebald Schreyer..................................................................................................................14 Jugend und Studium 14 — Erste Handelsgeschäfte und Dienst bei Hofe 15 — Bürger in Nürnberg 21

II.

Homo oeconomicus 1. Der Besitz in der Stadt................................................................................................. 27 Vorbemerkung 27 — Burgstraße Nr. 7 27 — Eigenherr und Erbmann 34 2. Der Besitz auf dem Land................................................................................................. 41 Eigenherr von Gütern und Höfen 41 — Ausübung der niederen Gerichts­ barkeit 47 3. Beteiligung am Silberbergbau und am Schmelzhandel.............................................. 49 4. Mitfinanzierung der Schedelschen Weltchronik............................................................. 53 5. Hinterlassenschaft und Testamentsvollstreckung............................................................. 56

III.

Exsecutor testamentorum 1. Zeuge und Vollstrecker bei Testamenten Nürnberger Bürger .... 62 2. Ausrichtung von Georg KeippersTestament............................................................... 65 Das Findelhaus 65 — Das große Almosen der „abkommen" Bürger 66 — Das Heilig-Geist-Spital 67 3. Nachlaßverwalter für KonradTopler...............................................................................70 Stiftung eines wöchentlichen Almosens 70 — Gründung des Sebastiansspitals 71

IV.

Vitricus Sancti Sebaldi 1. Die Kirche zu St. Sebald...................................................................................................79 2. Führung der Amtsgeschäfte...........................................................................................82 Festlegung von Zuständigkeiten und Aufgaben 82 — Verwaltung des Kirchen­ vermögens 86 — Aufsicht über die Pfarrschule 92 — Bauliche Veränderungen an der Kirche 94 — Vermehrung und Katalogisierung der Kirchenbibliothek 99

V. Homo litteratus Vorbemerkung 104 1. Familienaufzeichnungen................................................................................................ 107 2. Stemenglaube und Sterndeutung................................................................................. 109 3. Schreyer im NürnbergerHumanistenkreis.....................................................................114 Hartmann Schedel 115 — Sigismund Meisterlin 118 — Peter Danhauser 120 — Bekannte und Freunde 123 4. Schreyer und Celtis........................................................................................................126 Celtis’ Anteil an der künstlerischen Ausgestaltung des Schreyerschen Wohn­ hauses 126 — Briefwechsel 130 — Schreyer als Förderer seines Freundes 133

X

VI.

Homo christianus 1. Spätmittelalterliche Frömmigkeit................................................................................. 136 Andachten zu Hause und Eintritt in Bruderschaften 137 — Reliquienkult und Wundergläubigkeit 139 2. Sebaldus-Verehrung........................................................................................................ 142

Verbreitung des Kults in Nürnberg durch neue Legendenfassungen von Meisterlin, Schedel und Celtis 143 — Das Sebaldusgrab 146 — Begründung des Kults in Schwäbisch-Gmünd 149 3. Stiftungen.......................................................................................................................152 Das Schreyer-Landauersche Grabmal 152 — Stiftung von Kultgegenständen in Nürnberg und anderen Orten 156 — Sebald Schreyers Testament 160 Zusammenfassung.............................................................................................................................. 163 Anhänge I. Stammtafel der Familie Schreyer......................................................................................... 166 II. Inventar von Hanns Schreyers Hausrat.......................................................................... 167 III. Biographische Daten Sebald Schreyers................................................................................. 171 IV. Dienst-, Schutz- und Schirmbrief vonKaiser Friedrich III..................................................171 V. Wappenbrief von Kaiser Friedrich III....................................................................................172 VI. Öffnung des Sebaldusschreins......................................................................................... 173 Handschriftenkatalog....................................................................................................................... 180 Verzeichnis der benützten Archivalien......................................................................................... 202 Schrifttum......................................................................................................................................206 Abkürzungen...................................................................................................................................... 211 Verzeichnis der Abbildungen........................................................................................................ 212 Nachwort.....................................

213

XI

MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer

EINLEITUNG Das Lebensbild eines Menschen aus einem vergangenen Jahrhundert nach­ zuzeichnen, bedeutet immer ein Wagnis. Allzu leicht bringt es die Versuchung mit sich, subjektiven Auffassungen nachzugeben. Diese Gefahr erscheint mir umso größer bei einer Biographie aus dem ausgehenden Mittelalter, einer Zeit, die in unendlicher Vielfalt des Denkens und Empfindens die große Wende zur Neuzeit bringen sollte. Bedeutende Persönlichkeiten waren in den selbst­ bewußten Reichsstädten herangewachsen, vornehmlich in Nürnberg; das wohl am deutlichsten die hohe Blüte des wirtschaftlichen, geistigen und künst­ lerischen Lebens Deutschlands widerspiegelt *). Viel ist deshalb gerade über diese Stadt und ihre hochgesinnte Bürgerschaft geschrieben worden. Mit den ratsfähigen Familien hat man sich in der For­ schung wiederholt befaßt, so mit denjenigen der Pfinzing*2),3 Tücher8), Holzschuher4), Stromer5),* Kress8), Haller7), Muffel8), Groß9), Paumgartner10),* Pirckheimer u) und der Imhoff 12).* Von den nicht ratsfähigen Familien liegen Untersuchungen vor über die Ketzel18), Landauer14), Koeler15),* Gruber und Podmer18), sowie über die Behaim 17). D Alle künftig nur in Kurzform angeführten Titel erscheinen vollständig zitiert im Literatur­ verzeichnis, alle übrigen bei ihrer ersten Erwähnung. 2) G. Wunder, Pfinzing die Alten. Ein Beitrag zur Geschichte des Nürnberger Patriziats. In: MVGN, Bd. 49, 1959', S. 34—65. 3) L. Grote, Die Tücher. Bildnis einer Patrizierfamilie. München 1961; W. Schwem­ me r, Das Mäzenatentum der Nürnberger Patrizierfamilie Tücher vom 14. bis 18. Jahr­ hundert. In: MVGN, Bd. 51, 1962, S. 18—59. 4) J. C. v. G a 11 e r e r , Historia genealogica dominorum Holzschuherorum ab Aspach et Harlach in Thalheim. Norimbergae 1755. 3) W. Frhr. Stromer v. Reichenbach, Die Nürnberger Handelsgesellschaft Gruber-PodmerStromer im 15. Jahrhundert ( = Nürnberger Forschungen 7). Nürnberg 1963; W. E. Vock, lllman Stromeir (1329—1407) und sein Buch. In: MVGN, Bd. 29, 1928, S. 8 5—168. 6) K. F. v. Frank zu Döfering, Die Kressen. Eine Familiengeschichte. Senftenegg 1936; L. Grote, Anton Kress als Mäzen. In: Studies in the history of art. London 1959, S. 154—170. 7) H. Frhr. v. Haller, Die Haller zu Bamberg und Nürnberg (= 96. Bericht des Hist. Vereins Bamberg für 1957/58). 1959. 8)G. Hirschmann, Die Familie Muffel im Mittelalter. In: MVGN, Bd. 41, 1950, S. 1—392. Ö)A. Gemperlein, Konrad Groß, der Stifter des Nürnberger Heilig-Geist-Spitals und seine Beziehungen zu Kaiser Ludwig. Tn: MVGN, Bd. 39, 1944, S. 83—126. 10) W. Krag, Die Paumgartner von Nürnberg und Augsburg. Ein Beitrag zur Handels­ geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts (= Schwäbische Geschichtsquellen und Forschun­ gen 1). München 1919. 41) Zur Literatur über die Familie der Pirckheimer vgl. Kap. V, Anm. 139 f. 12) H. J a h n e 1 , Die Imhoff. Eine Nürnberger Patrizier- und Großkaufmannsfamilie. Ungedr. Diss. Würzburg 1950. 18) Aign, Die Ketzel. — 14) Ahlborn, Die Familie Landauer. 15) H. A m b u r g e r , Die Familiengeschichte der Koeler. Ein Beitrag zur Autobiographie des 16. Jahrhunderts. In: MVGN, Bd. 30, 1931, S. 153—288. 18) Vgl. oben Anm. 5. 17) C. S c h a p e r , Studien zur Geschichte der Baumeisterfamilie Behaim. In: MVGN, Bd. 48. 1958, S. 125—182.

1

MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer

Reizvoll mußte es deshalb erscheinen, sich mit der Gestalt aus einer ehr­ baren 18) Familie zu befassen. Sebald Schreyer war der Zugang zu den Ge­ schlechtern am Ausgang des 15. Jahrhunderts zwar verwehrt; sein steiler Aufstieg im Wirtschafts- und Geistesleben Nürnbergs ließ ihn jedoch zu einer einflußreichen Persönlichkeit werden. Die Erwähnung seines Namens in der Literatur über die Stadt ist relativ häufig. So tauchte er bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf, als Christian Erdtmann lö) einige kurze Nachrichten aus den Quellen veröffent­ lichte. Die Einführung zu einem Horoskop Schreyers, die über sein Leben berichtet, brachte Theophilus Sincerus20) im Jahre 1732 heraus. Darauf stützt sich vor allem eine erste Würdigung, die Georg Andreas Will21) 1757 in seinem Gelehrtenlexikon herausgegeben hat. Bis zum Ende des 19. Jahr­ hunderts blieb die Beschäftigung mit Schreyer auf einige Notizen aus den Quellen bei Andreas Würfel22), Georg Emst Waldau 23), Johann Christian Siebenkees24), B. Engelbert K 1 ü p f e 125) und Hans Bösch28) be­ schränkt. Auf seine Bedeutung im Nürnberger Humanistenkreis wies erstmals Bern­ hard Hartmann 27) 18 89 in seiner Studie über Konrad Celtis hin. Im beginnenden 20. Jahrhundert wurde das Interesse an Schreyer dann etwas reger. Größeres Gewicht kommt dabei der Abhandlung von Ernst Mummen­ hoff zu, der in der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ unter Benutzung der bisher erschienenen Literatur auf die wichtigsten Ereignisse in Schreyers Leben einging. Auf ihn stützen sich die Nachrichten der folgenden Jahre. Albert Gümbel28) hat bis 1929 zahlreiche Quellen herausgegeben, sie jedoch meist nur kurz gewürdigt. Mit seiner Tätigkeit als Kirchenmeister hat sich Theodor H a m p e 29) Ende der zwanziger Jahre eingehend befaßt. An den Anfang seiner Arbeit stellte er die bisher umfassendste Biographie, die sich auf Mummenhoff und auch auf eigenes Quellenstudium stützt. In neuerer Zeit edierte Paul Ruf30) 18) Zum Begriff der Ehrbarkeit vgl. Hofmann, Nobiles Norimbergenses, S. 76 19) Erdtmann, Norimberga in flore, S. 72 ff. 20) Sincerus, Nachrichten, Bd. 1, S. 332 ff.; weitere kurze Mitteilungen aus ebda., S. 3 52; der s., Bibliotheca historico-critica, S. 347 ff. 21) Will, Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, Bd. 3, S. 581 f.; Ergänzungen dazu Nopitsch, Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, Teil 8 ( = Supplementband 22) Würfel, Nachrichten zur Nürnberger Stadt- und Adelsgeschichte, S. 730 ff. 23) Waldau, Vermischte Beyträge, Bd. 4, S. 158 ff. 24) Siebenkees, Materialien, Bd. 2, S. 430 f.: S. 660 ff.; Bd. 3, S. 324 ff.

25) 26) 27) 28)

f., Anm. 8 5. den Quellen bei Will4), S. 133 f.

K1 ü p f e 1, De vita et scriptis Conradi Celtis. Bösch, Vertrag über die Verbesserung der Schedelschen Weltchronik. Hartmann, Konrad Celtis in Nürnberg. Gümbel, Notizen über das Adam Kraftsche Schreyergrab; d e r s., Verträge über die Schedelsche Weltchronik; d e r s., Schreyer und die Sebalduskapelle in Schwäbisch-Gmünd; d e r s., Kirchliche Stiftungen Sebald Schreyers; ders., Die Baurechnungen über die Erhöhung der Türme von St. Sebald; ders., Das Mesnerpflichtbuch von St. Sebald. 29) Hampe, Sebald Schreyer; Hampe hat im Jahre 1918 ebenfalls eine Quelle veröffentlicht: Der Anachoret Bruder Jakob. 30) Ruf, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. 3. Teil 3, S. 690 ff., 718 ff., 845 ff.

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MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer

das bibliotheksgeschichtlich interessante Material, Hans R u p p r i c h 31) ver­ öffentlichte zahlreiche Briefe Schreyers an Konrad Celtis. 1954 schließlich wür­ digte Ludwig Grote32) die künstlerisch gestaltete „Vorderstube“ in seinem Wohnhaus. Mag die Literatur zunächst recht umfangreich erscheinen, so wird bei näherer Betrachtung jedoch deutlich, daß neben den bloßen Quellenveröffent­ lichungen und trotz biographischer Versuche eine umfassende Würdigung Se­ bald Schreyers bisher fehlte. Meist wurde bei solchem Auswahlverfahren seine Bedeutung nur in einer Richtung aufgezeigt, so als Humanist, als Stifter oder als Kirchenmeister. Die Gestalt dieses Mannes mußte jedoch gerade in der Gesamtheit ihres vielseitigen Wirkens fesseln. Quellenlage Die Entwicklung seines sozialen Aufstiegs in einer eigenen Darstellung aufzuzeigen und zu erhellen, bot sich besonders durch den äußerst günstigen Quellenbestand an. Zahlreiche Akten und Manuskriptbände waren bisher noch nicht gründlich durchgesehen worden. Den Grundstock für die Arbeit bildeten Schreyers Papiercodices in Folio, von denen er sieben anlegen und in ihnen, zunächst aufeinanderfolgend, später zeitlich nebeneinander herlaufend, nach seinen Anweisungen auf das sorgfäl­ tigste aufzeichnen ließ, was ihm wichtig erschien. In den ersten Jahren seines Aufenthalts in Nürnberg führte er die Eintragungen noch selbst aus. Dann mag er den Text seinem Schreiber diktiert oder auf Zetteln vorgeschrieben haben. Noch heute finden sich zahlreiche Notizen von seiner Hand in den Codices. Er bezeichnete sie mit den Buchstaben „A“ bis „G“ und ließ jede nur erdenkliche Nachricht über sich und seine Familie so ausführlich eintragen, daß uns allein aus ihrer Durchsicht Schreyers Bild in seiner ganzen Vielschich­ tigkeit entgegentritt. Von den sieben Bänden sind allerdings nur noch vier erhalten. Die Codices „A“, „B" und „F“ befinden sich heute im Staatsarchiv zu Nürnberg 33). Codex „C“ gelangte an die Merkelsche Familienbibliothek, deren Bestände im Germanisdien Nationalmuseum aufbewahrt werden. Codex „D“, „E“ und „G“, deren Vorhandensein sich aus eindeutigen Verweisen in den vier erstgenannten Bänden ergibt, sind bis heute nicht wieder aufge­ taucht34). Einer der gesuchten könnte sich ebenfalls in der Sammlung Merkel 31) R u p p r i c h , Der Briefwechsel des Konrad Celtis. 32) Grote, Die „Vorder-Stube“ des Sebald Schreyer. 33) Codex A, B, F wurden zunächst in Nürnberg aufbewahrt und im Jahre 1813 oder 1815 bei einer Versteigerung in Nürnberg von Miklos Jankovich gekauft und nach Ungarn gebracht. Aus seinem Privatbesitz gelangten sie später in die Bestände des Ungarischen Nationalmuseums in Budapest. Auf Grund einer Anregung des Sekretärs der ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest, Dr. Wilhelm Fraknaj, kamen sie durch Tausch 1895 nach München, von wo aus sie nach Nürnberg gebracht wurden; vgl. dazu den Briefwechsel im Staatsarchiv zu Nürnberg, Handakt IV/49. 34) Einziger Hinweis auf einen späteren Besitzer findet sich für Codex G: St AN, Rep. 52 a, Nr. 249, fol. 360, wo es heißt: „vide Sebald Schreyers buch Lit. G pag. 26, so Herr J. J.

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befunden haben; auf ihn verweist im Germanischen Nationalmuseum noch eine alte Karteikarte35). Schreyers Besitz in Nürnberg und im Umland wird deutlich durch sein umfassendes Briefbuch. Über die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker ließ er ebenso zahlreiche Bücher anlegen, wie während seines Amtes als Kirchen­ meister von St. Sebald. Die Stadtbibliothek verwahrt einige Bände aus der Bibliothek des eifrigen Sammlers, so die „Norimberga" des Celtis, die beiden Druckmanuskripte der Schedelschen Weltchronik und zahlreiche von ihm ge­ stiftete Bücher. Im Landeskirchlichen Archiv zu Nürnberg befinden sich sieben Meßbücher in Folio, die teils aus Schreyers Besitz stammen, teils von ihm für die Sebalder Kirchenbibliothek angeschafft wurden. Alle Schreyeriana werden heute in den Nürnberger Archiven, nämlich im Archiv und der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums, im Landeskirchlichen Archiv, im Staatsarchiv und im Stadtarchiv, aufbewahrt. Nürnberger Chroniken, Wappenbücher, Ge­ schlechtsregister und Berichte über Nürnberger Familien wurden dort ebenso eingesehen wie die Ratsverlässe, Briefbücher, die Stadtgerichts- und Schuldverbriefungsbücher der Zeit, die die Lücken der verlorenen Codices schließen halfen. Die Zitate wurden nach den von Johannes S c h u 11 z e 38) zusammen­ gestellten Richtlinien für die Herausgabe von Quellen vereinfacht.

Nützel hat". Der Nachlaß der Familie Nützel kam jedoch nicht geschlossen an eines der Nürnberger Archive. Die Suche nach Codex D, E, G in den Nürnberger Privatarchiven verlief ergebnislos, so in der Scheurischen Bibliothek und im Volckamer-Archiv im Germanischen Nationalmuseum, in der Guido von Volckamerschen Norica-Sammlung im Stadtarchiv, im Frhr. von Tucherschen und Frhr. von Stromerschen Familienarchiv, in der Flallerschen Sammlung der Carl Heideloff-Bestände und derjenigen des Frhrn. Marschalk von Ostheim zu Bamberg, im Ebnerschen Archiv zu Eschenbach, im Frhr. Flaller von Hallersteinschen Archiv im Schloß zu Gründlach und in der Fürstlich Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek auf Schloß Harburg. Für letzteren Hinweis danke ich Herrn Dr. Volker von Volckamer. Auch in zahlreichen Katalogen von Norica-Sammlungen fand sich kein Hinweis; vgl. StadtAN, Rep. A 22, Nr. I—III; C. T. de Murr, Memorabilia Bibliothecarum publicarum Norimbergensium et universitatis Altdorfmae. 2 Bde. Nürnberg 1786; G. A. Will, Bibliotheca Norica Williana. 7 Bde. Altdorf 1772. Ebenfalls ergebnislos blieb die Suche in den staatlichen Archiven und Bibliotheken, so im Staatsarchiv und Stadtarchiv in Amberg, im Staatsarchiv und in der Staatlichen Bibliothek in Bamberg, in der Universitäts­ bibliothek zu Erlangen und im Hauptstaatsarchiv und der Staatsbibliothek zu München; ebenso im Britischen Museum in London, wo sich etliche Norimbergensia befinden (laut einer Antwort auf eine Anfrage vom 3. 12. 1965), in der Nationalbibliothek zu Wien und im Nationalmuseum in Budapest (laut einer Auskunft von der Leiterin der Handschriften­ sammlung, Frau Dr. Klara Csapodi-Gardonyi vom 6. 2. 1965). **) GNMN Bibi., Merkel-Handschriften, Nr. 1051; „Sebald Schreyer, Haus- und Urkunden­ buch", Papier-Handschrift des 15./16. Jahrhunderts. Mit einem Nachtrag vom 5. 10. 1909: „Wurde schon wiederholt gesucht und befindet sich wahrscheinlich in irgendeinem zu­ sammengebundenen Paket." Die Durchsicht der ungeordneten Bestände der Bibliothek brachte keinen Erfolg. 38) J. S c h u 11 z e , Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte. Zuletzt in: Blätter für deutsche Landesgeschichte. 102. Jg., 1966, S. 1—10.

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I. CIVIS NORIMBERGENSIS 1. Die Freie Reichsstadt Nürnberg um 1450 „Sebolt Sdireyer *) ist von Hannsen Sdireyer auß Genefe seiner elichen wirtin geborn worden, am pfintztag [Donnerstag] nach dem heiligen pfingstag, unter der engelmeß, und was der newnd tag des monats junii, als man zalt nach Cristi gebürt vierzehenhundert und in dem sechs und viertzigisten jar und in hat herr Peter Zugier, sunst genannt der kraws herr Peter, die zeit vicarier auf Sant Sebolts altar zu Sant Sebolt, auß der tauf gehaben.“ *2)

Als Sebald Schreyer am 9. Juni 1446 3) in Nürnberg in dem Haus seines Vaters „unter der Veste" 4) geboren wurde, zählte die Freie Reichsstadt etwa 23 000 5) Einwohner6). Der schon ziemlich dicht bebaute Innenteil der Stadt7) wurde — einst wie heute — durch den Flußlauf der Pegnitz in zwei annähernd gleiche Hälften geteilt; die nördliche, mit der Kirche Sankt Sebald und die südliche, mit Sankt Lorenz. Neben diesen beherrschenden Bauwerken zeugten zahlreiche Klöster8) und Spitäler 9) von der Frömmigkeit und StifterfreudigJ) „Schreyer" von mhd. schrier = Ausrufer, Herold; vgl. dazu C. Scheffler-Erhard, Alt-Nürnberger Namenbuch (= Nürnberger Forschungen 5). 1959, S. 277. Ich verwende im folgenden die heute übliche Schreibweise „Sebald Schreyer". Daneben findet sich in den Handschriften häufig auch „Schreier“ oder in späteren Jahren „Clamosus“. 2) St AN, Rep. 52 a, Nr. 301, Cod. A, fol. 23v. Die Codices A, B, F aus dem Staatsarchiv werden künftig Cod. A, B, F zitiert. 3) Seltsamerweise ist bei Schreyers Horoskopen der 8. Juni als Geburtstag angegeben; vgl. dazu Kap. V, S. 112. Dieses Datum übernahm auch Will/Nopitsch, Nümbergisches Gelehrtenlexikon, Bd. 8, S. 13 3; ihnen folgen Hartmann, Konrad Celtis in Nürnberg, S. 22; Mummenhoff, Sebald Schreyer, S. 492 und Ruf, Mittel­ alterliche Bibliothekskataloge, Bd. 3, Teil 3, S. 718. 4) Schreyers Geburtshaus lag schräg gegenüber dem Predigerkloster, Burgstraße Nr. 7; heute ist es zerstört. Vgl. dazu Kap. II, S. 27 ff. 5) Nach dem noch heute gültigen Werk von Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs, S. 7. *) Ein paar Jahre später, 1449, hat sich die Zahl allerdings auf minimal 17 700, maximal 18 500 Einwohner verringert. Ein Hauptmoment für diese radikale Abnahme ist wohl in dem beginnenden Markgrafenkrieg zu sehen, wo neben den Kriegsverlusten sicher auch zahlreiche Bürger aus Furcht vor den Kriegsfolgen die Stadt verließen. Sander kann sich auf drei wertvolle Quellen stützen: den Bericht Erhard Schürstabs über die Ergebnisse der im Jahre 1449 veranstalteten Volkszählung, das Grabenbuch von 1430 — zur Befestigung der Stadt mußte jeder Hauswirt mit seinen Kindern, soweit diese älter als 12 Jahre waren und dem Dienstpersonal einen Tag lang im Graben arbeiten — und die Losungbücher aus den Jahren 1430, 1433, 1438 und 1440. Vgl. Sander, a. a. O., S. 209 ff. 7) Zur Stadtgeographie vgl. H o f m a n n , Nürnberg-Fürth; E. Otremba, Die alte Reichsstadt in Franken auf dem Wege zur Industriestadt (= Forschungen zur deutschen Landeskunde 48). Landshut 1950; G. Pfeiffer, Der Aufstieg der Reichsstadt Nürn­ berg im 13. Jahrhundert. In: MVGN, Bd. 44, 1953, S. 14 ff; d e r s., Artikel: Nürnberg. In: Bayern ( — Handbuch der historischen Stätten 7). Hg. v. K. Bosl. 2. Aufl. Stuttgart 1965, S. 530 ff. 8) Im Pfarrsprengel St. Sebald: das Schottenkloster seit 1140 - dem heiligen Ägidius geweiht, das Predigerkloster seit 1248, das Augustinerkloster seit 1255; im Pfarrsprengel St. Lorenz: die Deutschordenskommende seit 1209, das Barfüßerkloster der Franziskaner seit 1228,

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keit ihrer Bürger. Dieser Stadtkern erweiterte sich nach außen zu einem locker bebauten, mit Gärten durchsetzten Gebiet, dessen Grenze eine äußere Befestigungslinie darstellte. Der Einfluß Nürnbergs erstreckte sich jedoch auf ein Umland von gut 60 Kilometern im Umkreis der Stadt, wo seit fast zwei Jahrhunderten überall Nürnberger Bürger Grundbesitz erworben und in reichem Maße auch wieder Kirchen, Klöstern und Sozialstiftungen übergeben hatten. Freilich war dadurch kein geschlossenes Territorium 10) entstanden; wie alle großen Reichsstädte aber hatte auch Nürnberg das personalbezogene Territorialprinzip solcher Streuläge geltend gemacht, wie es König Wenzels Privileg von 1392 mit derFreiung von den Landgerichten der umliegenden Dynasten und der daraus resultieren­ den Steuergewalt der Reichsstadt eindrucksvoll bestätigt hatte, für „unsere Burger von Nuremberg, ir Hintersassen und Untertanen und der iren leut und güter“ n). Seit 1439 hatte die Reichsstadt daraus auch militärpolitische Kon­ sequenzen gezogen und alle behausten und unmittelbaren Holden in Haupt­ mannschaften organisiert. Nicht nur diese territorial-politische Vermengung, auch die reichen Handelsverbindungen der Stadt brachten vielerlei Berührungen mit brandenburgischen, bayrischen und bambergischen Interessen 12). Nümbergische Händler gerieten im Norden, Westen und Süden unter brandenburgischen, im Osten und Südosten unter bayrischen, anschließend unter habsburgischen Einfluß. Im Westen schloß sich an das markgräfliche Gebiet das der Herzoge von Württemberg an, am Oberrhein herrschten die Markgrafen von Baden und die Pfalzgrafen von Heidelberg. Für den Weg nach Frankfurt galt brandenburgisches, würzburgisches, wertheimisches und Kur­ mainzer Geleit. Auch zur Erreichung des Niederrheins, Thüringens oder Böh­ mens gab es eine Unzahl von Territorien zu passieren. Die im gedoppelten Ring ihrer starken Mauern13) gute Verteidigungs­ möglichkeiten entfaltende Stadt, die schon um ihrer Wirtschaftsmacht und Steuerkraft willen des regen Interesses des Reichsoberhauptes gewiß sein durfte, hatte so nicht nur zur steten Auseinandersetzung mit den Nachbarn bereit zu sein, sie mußte auch ihr wohlverstandenes Interesse gegen den kaiserlichen Stadtherrn behaupten und sich vor Überforderungen schützen. Dessen unmittelbarer Einfluß war freilich gering gegenüber dem der kirch­ lichen Gewalten. Die geistliche Gerichtsbarkeit über die Einwohner lag in den Händen der beiden Pfarrer zu Sankt Sebald und Sankt Lorenz, über denen der Bischof von

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das Klarissenkloster seit 1277, dem 1278 die seit 1240 bestehenden Reuerinnen eingeglie­ dert wurden, das Katharinenkloster seit 1320, das Kartäuserkloster seit 1380, dem 1388 das Zwölfbrüderhaus angeschlossen wurde. Zu den Spitälern vgl. Kap. III, S. 71 f. Dannenbauer, Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg. Vgl. hierzu, auch für das Folgende, zusammenfassend H. H. Hofmann, Die Einrichtung des Nürnberger Landpflegamts. In: Mitteilungen der Altnümberger Landschaft, 3/1963, S. 57 ff. Vgl. hierzu H o f m a n n , Nürnberg-Fürth, S. 25—32; Gelegenhait der landschaft; vgl. auch Anm. 10. Vgl. dazu H. H. Hofmann, Die Nürnberger Stadtmauer. Nürnberg 1967.

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Bamberg stand; in letzter Instanz der Papst als Oberhaupt der Kirche. Ein Mitspracherecht auf die Besetzung der beiden Pfarrstellen war der Stadt zwar erlaubt, die geistliche Immunität dagegen hatte sie in ihrem gesamten Machtbereich zu respektieren. Die Bewohner geistlicher Besitzungen machten jedoch nur nicht ganz 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung aus14). Auch der Anspruch der Burggrafen lastete schwer auf der Stadt, wenn auch deren Burg mit allen Rechten 15) 1427 durch Verkauf in ihren Besitz über­ gegangen war. Um das Befestigungsrecht sollte es schon wenige Jahre später zum Krieg kommen 16). Im Umland rissen die Streitigkeiten wegen der von den Zollern bean­ spruchten „Herrlichkeit" über den Reichswald ebenso wenig ab wie die trotz kaiserlicher Privilegien über die Gerichtsbarkeit anhaltenden Auseinander­ setzungen mit dem „Kaiserlichen Landgericht" des Burggraftums Nürnberg und den in wittelsbachischer Hand liegenden Landgerichten Sulzbach und Graisbach und dem von den Edelvögten dem Eichstätter Hochstift zufallenden Landgericht Hirschberg. Mit dem Ziel, die fränkischen Besitzungen seines Hauses zu einem ge­ schlossenen Territorium auszubauen, begann Albrecht Achill 1449 den Kampf mit Nürnberg 17). Sein Vorhaben blieb ohne Erfolg — die Macht der Reichs­ stadt vermochte er nicht zu brechen. Bis ans Ende des Alten Reiches sollte diese territoriale Verflechtung bestehen bleiben, um immer wieder eine Quelle des Haders zwischen Stadt und Markgraf zu bilden. Auch im Reich stand es um diese Zeit nicht zum besten. 1442 war Friedrich III. in Aachen zum römischen König gekrönt worden und hatte sich sogleich der Zurückgewinnung des habsburgischen Stammlandes, des Aargaues, zuge­ wandt. Auf das Herbeirufen der sogenannten Armagnaken, der berüchtigten französischen Söldnerscharen hin, folgten Kämpfe mit dem französischen König. Elsaß und Lothringen widersetzten sich heftig den Franzosen, die denn auch 1445 abzogen. In der Schweiz gelang es den Eidgenossen im Jahre 1450, die Oberhand zu gewinnen. Ebenso erfolglos war Friedrich in der inneren Reichs­ politik. Ein Frankfurter Reichstag (1442) und zwei zu Nürnberg (1442 und 1444) 18) brachten keine Ergebnisse 19). Der Gedanke der Reichsreform trat ganz in den Hintergrund. In Nürnberg selbst war davon 2 Jahre später nicht viel zu spüren. Die Chronisten berichten über Schreyers Geburtsjahr von dem für sie bemerkens14) Nach Sander, a. a. O., S. 11. 15) Die Rechte der Burg bestanden in den ihr gehörigen Zinsen, Gülten und Gefällen in Nürnberg, Wöhrd, Buch, Schnepfenreuth, Höfles, Schniegling und im Sebalder Wald. 16) Hofmann, Nürnberg-Fürth, S. 34. 17) Vgl. dazu A. Werminghoff, Ludwig von Eyb der Ältere. Halle 19'19'. 18) Obwohl in den ersten Jahren der Regierung Friedrichs das Verhältnis zum Rat recht gespannt war, so wurde der hohe Gast dennoch mit allen Ehren und großer Feierlichkeit empfangen und bewirtet. Vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 3, S. 370 f., 374, 378. lft) K. Bosl, Staat, Gesellschaft, Wirtschaft im deutschen Mittelalter. In: Handbuch der deutschen Geschichte. Hg. v. B. Gebhardt, Bd. 1, S. 567.

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wertesten Ereignis in der Stadt, einem Gesellenstechen20) vom 28. Februar 1446 21), das aus Anlaß der Hochzeit des Wilhelm Löffelholz mit Kunigunde, der Tochter Konrad Paumgartners, stattfand. In den Jahrbüchern des 15. Jahr­ hunderts heißt es darüber: „Des jars adi [= anno domini] 28 februari da stach man zu Nürmberg unter den claineten der Wappen und da warn 39 heim auf der plan, die aigner zeug was; darnach sassen ir fünf ein, das was 44 gesellen, und all in hohen setein, und da plaib Wilhelm Hirßvogel ein pfert auf dem plan und der Ulstat rant einen man zu tot, und ein ieglicher Stecher het zwen kreigirer, und Sebolt Kreß kom auf die pan, da die gesellen all gestochen heten und wolt erst ein ere ergangen, da wolt niemant mit im stechen, da spott iedermann sein; den man nennet den edel Kreßen." 22)

Ein so prächtiges Ritterfest der Stadtgeschlechter sollte die Kluft zwischen den stolzen Bürgern und dem neidischen Landadel nur noch vergrößern. Die von Eugen Franz 23) wieder auf genommene Vermutung, daß das prunkvolle Gestech von 1446 den Adel verdrossen haben mußte und mit zu dem kom­ menden Krieg gegen Nürnberg beigetragen hat, ist durchaus einleuchtend. 2. Die Vorfahren Sebald Schreyers

In dieser so unruhigen Zeit wurde Hanns Schreyer der einzige Sohn aus seiner zweiten Ehe mit Genoveva, einer Tochter des Hans Fuchs aus Nördlingen, geboren. Als das Kind bei der Taufe den Namen des Nürnberger Stadt­ heiligen 24) erhielt, lief das Leben seiner Familie bereits in gesicherten Bahnen. Das war nicht immer so gewesen — unruhige Jahrzehnte waren vorangegangen. Sebald Schreyer hat viel Mühe auf die Zusammenstellung einer Ge­ nealogie 25) seines Hauses verwandt. 22 eng beschriebene Pergamentseiten in Folio widmete er in lateinischer Sprache seinen Vorfahren und begann damit seinen ersten Codex26). Albert Gümbels27) Vermutung, es könne sich dabei um eine unbeachtet gebliebene Arbeit des Nürnberger Chronisten Sigismund Meisterlin 28) handeln, ließ sich allerdings durch keine Quellenstelle belegen. 20) Das Gesellenstechen war eine besondere Art ritterlichen Kampfspiels. 21) Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 4, S. 389—394; A. Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 397 ff. 22) Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 4, S. 166 f. 44 Teilnehmer zählte demnach das Stechen, jeder trug Schild und Helm mit seinem Wappen verziert in hohem Sattel und hatte zwei „Kreigirer“, Herolde oder Ausrufer, hinter sich. Dabei wurde Wilhelm Hirsch­ vogel ein Pferd unter dem Leib erstochen und ein Ulstatt rannte einen Mann zu Tode. Reicke berichtet noch ergänzend, die Braut habe an die Sieger ein goldenes „Heftlein“, einen goldenen Ring und einen Kranz verteilt; vgl. Reicke, a. a. O., S. 401. 2S) Franz, Nümbeig, Kaiser und Reich, S. 31. 24) Borst, Die Sebalduslegenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs. **) Den Stammbaum der Familie vgl. im Anhang S. 166. G ü m b e 1 , Einige Notizen über das Adam Kraftsche Schreyergrab, S. 368, hat eine Ahnentafel der Familie, beginnend mit Sebalds Urgroßvater Friedrich Schreyer, zusammengestellt. 28) Cod. A, fol. 1-1 iv. 27) G ü m b e I, Das Mesnerpflichtbuch, S. 1, Anm. 1. 28) Über die von Meisterlin im Auftrag Schreyers durchgeführten Arbeiten vgl. Kap. IV, S. 102; Kap. V, S. 118 ff.

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Die Genealogie beginnt mit den kolorierten Wappen der angeheirateten Familien vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, wo sie mit der Generation von Schreyers Großvater abbricht. Sebald leitet die Herkunft seines Geschlechts auf Augsburg zurück. Er berichtet, nicht weit von dieser Stadt entfernt gebe es einen Besitz, „quod incole Schreyerum vocitant“ 29), der einst durch Erbrecht an Caspar Schreyer30) gefallen sein soll31). In dem Bestreben, die Anfänge des Familienwappens zu ergründen, erzählt er ausführlich von diesem Vorfahren, der mit seinen Brüdern Melchior, Bal­ thasar und Johannes in Kriegsdiensten bei Kaiser Friedrich Barbarossa ge­ standen haben soll. Schon damals habe es ein Wappen gegeben: „nam pridem quidem hec ipsa familia flavo et inverso cuneo in atro utebatur clipeo, ac eum galea binis ornata cornibus taurinis.“ 32) Zu diesem „gelben umgekehrten Keil in schwarzem Schild“ und dem „mit zwei Stierhörnern geschmückten Helm“ kommt nun noch jene sagenhafte Mohrin, die seit der Zerstörung Mailands von 1162 im Wappen getragen worden sein soll. Dazu läßt sich Schreyer in eine weitschweifige Erzählung ein33). Auf Intervention des Kölner Erzbischofs Rainald von Dassel habe der Kaiser von Caspar Schreyers Verdienst und sonstiger Tapferkeit erfahren und ihm erlaubt, die Mohrin zum Gedenken in sein Wappen aufzunehmen34). „Hec profecta arma per familiam domus Schreyerum postea semper in usu habita sunt.“ 35) Wie aus den Stierhörnern auf dem Helm plötzlich zwei Flügel wurden, dafür hat Schreyer ebenfalls eine Erklärung. Man muß ihm zugute halten, daß er dabei nun doch von einer „coniectatio“ spricht. Die Schreyer hätten es einst aus Taktgefühl heraus getan, „quoniam lenociniis vitam agentes in Gallia per calumniam cornuti appelantur.“ 36) 29) Cod. A, fol. l. so) f 1163; Caspar Schreyer wird in Meisterlins Chronik von Nürnberg erwähnt, wo es heißt: „Es was auch einer, genant Caspar Schreyer, der von Mailant bei kaiser Friderich mit dem ertzbischof Reinaldo von Cölen groß tat“; vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 3, S. 96. Vgl. auch die Erwähnung bei G. W. C. Lochner, Nürnberger Jahrbücher aus den bis jetzt bekannten ältesten Monumenten. Nürnberg 1833—1836, Hs. StadtAN, Heft 1, S. 58. 31) Die Mitteilung läßt sich allerdings durch keine Quelle belegen. Für diese Auskunft danke ich Herrn Stadtarchivdirektor Dr. F. Biendinger, Augsburg. Die älteste Nachricht über ein Mitglied des Namens Schreyer in Augsburg stammt vom 26. September 1341, wo eine „Adelheid diu Schrierin, burgerin ze Augspurg“ genannt ist, die offenbar einen Tuchhandel betrieb. Dies wiederum ließe auf eine begüterte, alte Familie schließen. Zu dieser Nachricht vgl. das Urkundenbuch der Stadt Augsburg. Hg. v. C. Meyer, Augsburg 1874, Bd. 1, S. 368 f. In den folgenden Jahrzehnten sind deren Nachfahren auch in den Steuerbüchern der Stadt feststellbar. Auch für diese Mitteilung habe ich Herrn Stadtarchivdirektor Dr. Biendinger zu danken. 32) Cod. A, fol. Ilr. 33) Als Caspar während des zweiten Italienfeldzugs des Kaisers eine schwere Krankheit befiel, wurde er durch das wunderbare Heilmittel einer Äthiopierin gesund. Die Kunde verbreitete sich, und ein Großteil des Heeres konnte auf diese Weise vor Tod und Krankheit bewahrt werden. „Erat enim omnibus germanis incognitum“; vgl. Cod. A, fol. 2V. 34) In goldener Spitze erscheint nun eine schwarze, wachsende, weibliche Figur ohne Arme, mit goldener Kette, goldenem Ohrring und abstehendem Zopf. 35) Cod. A, fol. 2V. 36) Ebda., fol. IR

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In späteren Jahren distanzierte er sich merklich von seiner Wappen­ deutung 37). „Item die Schreyer haben solche anderung der wappen mit den flugein auf dem heim für die zwey horn und morin dazwischen davor auch gefurt, aber unwissend der ytzigen Schreyer wielang, auß was Ursachen und durch wen das am ersten beschehen oder angefangen ist."

Alle männlichen Familienmitglieder sollen nach seiner Darstellung in Dien­ sten der Könige und Kaiser gestanden haben. Es ist durchaus denkbar, daß er ein Schreyersches Rittergeschlecht auferstehen lassen wollte. Die Glaubwürdig­ keit der Genealogie wird nicht gerade dadurch gestärkt, daß die ältesten Namen sich in Caspar, Melchior und Balthasar wiederholen, bis dann ein Udalricus (gest. 1345), ein Conradus (gest. 1347) und ein Fridericus (gest. 1360) genannt werden. Dieselben Angaben enthält auch eine silberne Ahnentafel, die Schreyer im Jahre 1518 der Kirche von St. Sebald übergab 38). Von einer wesentlichen Tat­ sache seines Vorfahren Friedrich weiß Schreyer nichts. Für den 15. Juni 1315 wird ins Achtbuch der Stadt Nürnberg folgender Vermerk eingetragen:39) „Isti sequentes viri et mulieres nominatim expresse exclusi et excluse sunt a civitate per quinque (annos) ad quinque miliaria, quicumque eorum arreptus extiterit infra idem tempus et locum, dabit quinque libras vel truncabitur manu pro pena: Schater, Friderich Schreyer, Rapot de Babenberch, Woluel ufträger [...]. Olerin et sub eadem forma et pena omnes ruffiani, kopperi et virharten. Cum hiis etiam excluduntur omnes exclusi a civitatibus ab Augusta, a Ratispona, ab Eistauia, ab Herbipoli et a Babenberg sub ea pena sicut exclusi in illis civitatibus sunt."

Friedrich Schreyer mußte also die Stadt für fünf Jahre nach Zahlung einer Strafe von fünf Pfund unter Androhung des Handabschlagens verlassen. Die Städte Augsburg, Regensburg, Eichstätt, Würzburg und Bamberg schlossen sich diesem Stadtverbot an. Leider erfahren wir nichts Genaues über das Vergehen des Schreyer. Aber soviel doch, daß er sich nicht gerade in bester Gesellschaft befand: Kuppler (oder Gelegenheitsverbrecher), Schwelger und Falschspieler sind darunter, und wir lesen so aufschlußreiche Namen wie „. . . Rotlin cum curvo pede, . . . schilent Wigelin, . . . Bemtriber, Crautwurm, . . . eynougit Koppe“ und von den Frauen „ . . . die mit der wurst, Katerie ante portam hospitalis“ und „Ger socia sua“, zwei Dirnen (mit dem Standplatz vor dem Hospital St. Elisabeth). Interessant ist nun, daß unter den 66 Betroffenen nur 4 mit ordentlichen Namen zu finden sind, alle anderen haben Herkunfts- oder 37) Ebda., fol. lll. 38) Nach den Schlußworten auf der Tafel: „Reliquias has Sebaldus Schreyer ob piam sui suorumque memoriam templo huic dono dedit anno Domini M. D. XVIII." Waldau, Vermischte Beyträge, Bd. 4, S. 15 8 ff. hat den Inhalt veröffentlicht. Er gibt als Quelle lediglich „aus einer alten Handschrift" an, die heute verloren ist. Über das weitere Schick­ sal der Ahnentafel ist nur bekannt, daß sie im Jahre 1616 Erzherzog Maximilian von Österreich auf dessen Bitte hin geschenkt wurde: vgl. St AN Rep. 52a, Nr. 249, fol. 9 ff.; Nr. 2 57, fol. 7 ff. 39) NAB, S. 10 f.

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Gaunernamen. Diese vier (Schreyer, Heinrich Zerer, uxor Eberlini Loner und uxor Richeri pistoris) könnten eigentlich ordentliche Bürger gewesen sein. Die Strafe des Stadtverbots wurde ja gerade zu der Zeit häufig verhängt. 1313 hatte der Rat die Handhabung der Friedenspolizei bestätigt erhalten. „Nun konnte Nürnberg ohne Behinderung aus eigener Machtvollkommenheit Vor­ gehen“ 40) und handhabte sein Recht ziemlich streng. In Schreyers Genealogie kommt zwar ein Fridericus Schreyer, dictus de Eybach — sein Urgroßvater — vor, der aber nach Sebalds Angaben erst am 13. November 1314 geboren wurde und am 17. Januar 1360 starb. Von dem Stadtverweis erwähnt der sonst so redselige Urenkel begreiflicherweise nichts. Ausführlich berichtet er dann von seinem Großvater Andreas 4l)> der in Kriegsdiensten Karls IV. stand. Als die Hochzeit von König Wenzel mit der Tochter Herzog Albrechts von Holland im Jahre 1370 in Nürnberg gefeiert wurde und zu Ehren des Brautpaares Turnierspiele stattfanden, war Andreas Schreyer einer der Teilnehmer. Dabei fiel er jedoch so unglücklich vom Pferd, daß er sich das Rückgrat verletzte und sich entschließen mußte, dem Kriegsdienst zu entsagen. Er ließ sich in Nürnberg nieder — welchem Gewerbe er nachging, wird nicht erzählt — und heiratete 1373 Walburga, die Tochter eines Johannes Tücher42) „de Feuchtwangen“ genannt43). Nach nur vierjähriger Ehe starb Andreas und hinterließ drei Söhne, Andreas, Konrad und Hanns, den Vater Sebalds. Walburga heiratete in zweiter Ehe einen Wolfgang von Seckendorf, der den ganzen Besitz des Andreas (Schreyer spricht reichlich vage von „omnes opes bonaque“) verschleuderte, so daß die drei Kinder mittellos waren. Mit dieser Generation endet Schreyers Genealogie. Kritisch betrachtet, scheint die Geschichte der Familie zum Großteil aus oft kühnen Vermutungen zu bestehen und darf sicher nicht für voll glaubwürdig gehalten werden 44). Die Familie gehörte keineswegs zu den bevorzugten Nürn­ bergs—die ritterbürtige Herkunft läßt sich nicht aufrechterhalten. Wahrschein­ licher ist ihr Aufstieg aus unteren Klassen, die einmal auf dem Weg über einen Schutz verwandten Bürger wurden45). Wann dies allerdings geschehen sein könnte, ist nicht festzustellen. In dem seit 1302 geführten Neubürgerbuch der Stadt findet sich kein Schreyer verzeichnet48). 40) Ebda., S. 98 f. 41) Geb. 10. 9. 1336; gest. 9. 5. 1377; über ihn vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 3, S. 16; 164; Meisterlin berichtet in der dort abgedruckten Chronik der Reichs­ stadt Nürnberg, Andreas Schreyer sei in der kaiserlichen Kammer gewesen und habe sich in Nürnberg niedergelassen. 42) Zur Familie der Tücher vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 4, Tuchersches Memorialbuch 13 86—1454. 43) Cod. A, fol. IV. 44) Schon Müllner bezweifelte die Glaubwürdigkeit; vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 1, S. 290; ebenso Waldau, Beyträge, Bd. 4, S. 158 ff. 45) Dü 11, Das Bürgerrecht der freien Reichsstadt Nürnberg; W. Ebel, Der Bürgereid. Weimar 1958. 46) Freundliche Auskunft von Herrn Archivrat Dr. L e h n e r t, Nürnberg, der die Neu­ bürgerbücher bearbeitet. Vgl. St AN, Rep. 52b, Amts- und Standbücher, Nr. 297 (1314— 13 31) und Nr. 298 (1 3 3 5—1448), wo der Name Schreyer nicht auftaucht.

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Der Vater Hanns jedenfalls war Bürger der Stadt48a). Nach dem frühen Tod seiner Mutter wurde er von Freunden zur Schule geschickt, da er aber „ungelimig und auch hart gehalten" 47) worden sei, habe er sie bald verlassen und bei einem Verwandten das Kürschnerhandwerk erlernt. Doch, so heißt es weiter, „bey welchem diser jung Hanns Schreyer auch nit lang geliben, sunder als er ein wenig erstarckt und erwachsen was, ist er auß einer kleynmutigkeit und leichtvertigen schäm als zu zeyten’ der jungen sytt ist, das er zu vorem bey den be­ kannten ein hantwerck lernen solt bewegt worden und von im geloffen und mit andern gezogen und kumen gen Bolen Gerade im Handel mit Polen hatte Nürnberg um 1400 eine Monopolstel­ lung inne. So ist es nicht verwunderlich, daß der ehrgeizige und geschickte junge Mann, der — wie sein Sohn schreibt — die „underweysung des hantwercks und erkantnuß rawher war und gefulds gütlich auf genommen" hatte, in der Fremde sein Glück machte. Er hielt sich auch in „Rewssen, Prewssen, Litten [Litauen] und vil andern enden etliche jar“ auf, trieb so erfolgreich Handel mit der „rawhen war", daß er „mancherley genyet und doch dabej umb handlung angenommen und etwas erobert hat". Mit diesem Besitz kehrte er nach Nürnberg zurück, führte von hier aus den Handel mit Pelzen weiter und heiratete 1409 mit 31 Jahren Elsbeth, eine Tochter Wolfgang Eybs, „die auch fremd" und von Coburg nach Nürnberg gekommen war. Nun berichtet der Sohn mit noch spürbarer Empörung, daß nach ein paar Jahren der Warenzug des Vaters unterwegs zum Markt nach Leipzig zweimal hintereinander aus­ geraubt wurde 48). Das zweite Mal hatte Hanns die Ware besonders sorgfältig verpackt und „den furleuten auf geladen und sich auch vor dem gut gen Leyptzk gefugt [. . .], in meynung, ob er vor und ee die furlewt kommen, etwas außrichten modit und er ir daselbst wartet, in hoffnung guten marckt zu haben, körnen dieselben furlewt und prachten nit anders dann etliche lere faß.“ 49) 46a) Sein Name findet sich im Nürnberger Neubürgerverzeichnis für das Jahr 1410: „Hans Schreier kursner dt 5 gülden“; vgl. StAN, Rep. 52b, Amts- und Standbücher Nr. 303, fol. 146v. Ebda., Nürnberger Meisterbücher von 1370—1429, fol. 3 5v, steht unter der Rubrik der Kürschner zum Jahre 1420: „Hans Schreier (urbani anno 1410)“. 47) Cod. A, fol. 11a. 48) Zu einem ähnlichen Vorfall vgl. W. G. N e u k a m , Ein Einbruch in das burggräfliche Geleite in der Nähe Egers durch den Landgrafen von Leuchtenberg und seine Helfer 1413. In: MVGN, Bd. 42, 1951, S. 9S—144. 49) Dieser Überfall wird durch eine andere Quelle aus dem Jahre 1423 bestätigt: „Auf dem Thüringer Wald sind etliche Nürnbergische Kauffleuth angegriffen und Seitz Teufel, H. Muggenhofer, Heinz Örtel, N. Schreyer [es kann sich nur um Hanns S. handeln] und N. Herbst gütter aufgehauen worden.“ Die Anführer waren 27 Edelleute, darunter fünf von Redwitz, ein von Gich, zwei von Truchseß, ein Aufseß. Der Nürnberger Rat schickte daraufhin zwei Herren mit einer Beschwerde zum König. Am Mittwoch nach Dorothea, am 8. Februar 1424, kam es zu Forchheim vor Bischof Friedrich von Bamberg zum Ver­ gleich; vgl. dazu Roth, Geschichte des Niimbergischen Handels. Bd. 1, S. 161 f.; den Vorfall erwähnt auch Haller von Hallerstein, Größe und Quellen des Vermögens von hundert Nürnberger Bürgern, S. 161.

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Seines ganzen Vermögens beraubt, sah er sich gezwungen, Geld zu leihen. Von nun an arbeitete er mit Peter Henicken, seinem früheren Diener, zusam­ men, und dank seiner Geschäftstüchtigkeit weitete sich der Pelzhandel auf Sachsen und Thüringen aus. Bald war er schuldenfrei, vergrößerte seinen Besitz immer mehr und wurde ein geachteter Nürnberger Bürger49a). Aus seiner Ehe mit Elsbeth gingen 13 Kinder hervor, von denen 9 bald starben. Nur 4, Margarethe d. Ä.50), Stephan51), Margarethe d. J.52) und Anna53), blieben am Leben. An Heiratsgeldern konnte er 1434 200 Gulden, 1438 300 Gulden, 1442 400 Gulden und 1443 ebenso 400 Gulden „ze zuschatze“ geben. 1442 kaufte er ein Haus in der Burgstraße54) in der Nähe des Predigerklosters, neben dem seines Schwiegersohnes Markus Landauer um 8 30 Gulden. Im selben Jahr starb seine Frau. Schon ein Jahr später entschloß sich der nun immerhin schon 66jährige zu einer zweiten Heirat55), „wiewohl im etwevil von geschlechtern und kauflewten angetragen waren, so trug in doch sein gemut und lieb zu keiner so ser, als zu einer iunckfrawen, genant Genofefa Heinrich Fuchs von Nordlingen tochter“. Wegen zunehmender Blindheit und „swachheit im houbt“ sah er sich im Jahr darauf gezwungen, den Pelzhandel aufzugeben. Er ließ sich von seinem Teilhaber auszahlen und erhielt die stattliche Summe von 4814 Gulden56) zugesichert, davon 1075 Gulden bar ausgezahlt, der Rest war „auf zeit und frist zu bezahlen“. Mit diesem Betrag war es ihm ohne weiteres möglich, sich zur Ruhe zu setzen und gleichzeitig — ohne jede Verpflichtung seinerseits — doch noch Kapital in seinem alten Geschäft zu haben. Mit 32, 10, 50 und 76 Gulden kaufte er nun Ewiggelder57) aus der Losungstube, erwarb einen Stuhl in der 49a) Das Vermögen der Schreyer betrug laut „Salzscheiben-Statistik" für: 1. Hanns Schreyer 1423 1 Scheibe (lt. StAN, Rep. 52b, Amts- und Standbücher Nr. 109, fol. 27v); 1443 3 Scheiben (lt. StAN, AStB 110, fol. 17); 1447/49 3 Scheiben (lt. StAN, AStB 111, fol. 32v);

50) 51) 52) 53)

2. Stephan Schreyer (Stiefbruder Sebalds) 1443 1 Scheibe (lt. StAN, AStB 110, fol. 34); 1447/49 1 Scheibe (lt. StAN, AStB 111, fol. 40). Bürger mit einem Besitz von drei Scheiben standen in der Vermögensgröße an 90.—260. Stelle, waren somit wohlhabend (geschätztes Vermögen 10 000 fl., + 3000 fl.). Für Nürn­ berg bedeutete dies jedoch keinen auffallenden Reichtum. Ein Spitzenvermögen bestand erst bei fünf bis sechs Scheiben. — Für diese Auskunft habe ich Herrn Dr. W. Frhr. Stromer v. Reichenbach zu danken. Vgl. auch d e r s., Die Nürnberger Handels­ gesellschaft Gruher-Podmer-Stromer, S. 21 ff. Geb. 11. 4. 1417; sie heiratete 1434 Konrad Marstaller und starb am . . 1459. Geb. 19. 3. 1421, heiratete 1443 Anna, eine Tochter Peter Lindes, in zweiter Ehe Helena, eine Tochter von Hans Krauss und starb am 18. 5. 1482. Geb. 12. 11. 1422, heiratete 1438 Markus Landauer und starb am 1. 3. 1457. Geb. 15. 4. 1426, heiratete 1442 Fritz Örtel, in zweiter Ehe Fritz Zipfler und starb am 1

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14. 4. 1487.

54) Vgl. dazu ausführlich Kap. II, S. 28. 55) Hanns machte seine zweite Heirat von einer kuriosen Entscheidung abhängig. Er warf einen Pfennig dreimal auf ein Schachbrett; sollte er auf ein weißes Feld fallen, würde er sich zu diesem Schritt entschließen. Wie könnte es anders sein — dreimal fiel die Münze auf das gewünschte Feld; vgl. Cod. A, fol. 19v. 59) Über die Vermögensverhältnisse der Zeit vgl. Kap. II, S. 60 f. 57) Über Ewig- und Eigengelder in Nürnberg vgl. Kap. II, Anm. 9.

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Kirche der Prediger58), trat mit seiner Familie in die Bruderschaften der Kar­ täuser 59), des St. Brigitta-Ordens60), der Eremiten61), des St. Franziskus- und St. Klara-Ordens62) und des Prediger-Ordens63) ein und regelte seine Geld­ angelegenheiten in zahlreichen Testamenten, die er alle paar Jahre erneuerte. Wie wohlhabend er gewesen sein muß, läßt sich aus dem Inventar seines Nach­ lasses ersehen, das sein Sohn nach dem Tode des Vaters aufzeichnen ließ 64). Hanns Schreyer lebte in seinen späteren Jahren in gesicherten Verhältnissen und war ein geachteter und ehrenwerter Mann. In diese Umgebung hinein wurde Sebald Schreyer am 9. Juni 1446 geboren. 3. Sebald Schreyer Jugend und Studium Über Schreyers früheste Jugend sind wir nur spärlich unterrichtet und fast ausschließlich auf seine eigenen Angaben angewiesen. Die ersten 12 Lebens­ jahre wuchs er im Elternhaus auf. Am 12. Juni 145 8 kam er auf Vermittlung seines Verwandten mütterlicherseits, Heinrich Fuchs65), eines Priesters des Barfüßer-Ordens, für zwei Jahre nach Amberg zu dem Priester und Magister der sieben freien Künste Jörg Urspringer66), einem Vikar in der Kapelle St. Ulrich in der Pfarrei St. Georg. Dieser Mann unterrichtete damals „vil erber lewt kind“, wie Schreyer schreibt, aus Nürnberg und aus Regensburg, und er zählt so klangvolle Namen auf wie Muffel, Sebold Rieter, Stephan Tetzel, Stephan Volckmeyer und Heinz Topler. In der Gemeinschaft solcher vor­ nehmen Patriziersöhne lebte Schreyer nun, bei einer jährlichen Zahlung von 16 Gulden. Nach Verlauf von zwei Jahren und 10 Wochen mußte er seinen Lehrmeister verlassen, da dieser „zihen must an den Rein zu dem jungen pfaltzgrafen und sein caplan werden, und auch zuchtmeister, wann er davor auch zu Heidelberg gewesen, und doselbest zu schul gestanden und magister worden was"67). Dies wird wohl Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche68) gewesen sein, an dessen Hof sich Urspringer begab. 58) 59) 60) 61) 62) 63) 64) 65)

Cod. A, fol. lgv. Ebda., fol. 11a. Ebda., fol. 15v. Ebda., fol. 23v. Ebda., fol. 28v. Ebda., fol. 30v. Vgl. im Anhang S. 167 ff. Ein Mann dieses Namens läßt sich aus den heute in Arnberg befindlichen Quellen nicht mehr feststellen. Die Nachrichten über den Barfüßerorden der Stadt in jener Zeit sind äußerst spärlich. m) Urspringer findet sich einige Male in Amberger Quellen: Im Urkundenbuch von 1452 wird er als Meister im Zusammenhang mit einem Meßstipendium genannt; im Ratsbuch Nr. 2 kommt sein Name 5 mal vor: fol. 22r, 39, 94r, 120, 128. Auskünfte über Amberg vom Stadtarchiv in Amberg. Im Staatsarchiv blieb die Suche in den einschlägigen Repertorien erfolglos. 67) Cod. A, fol. 32. 68) Vgl. K. Menzel, Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz (1454—1463). Diss. München 1861.

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So wurde der junge Schreyer nach kurzem Aufenthalt in Nürnberg am 2. Oktober 1460 mit 14 Jahren auf die Universität nach Leipzig geschickt. Gerade diese „hohe schul" gehörte damals zu den beliebtesten69). In den anderen norddeutschen Hochschulen waren im Sommersemester 1460 in Erfurt 175, in Rostock 102, in Greifswald 28, in Leipzig aber 218 Studenten ein­ geschrieben 70). Unter dem Rektorat des Nürnberger Magisters Heinrich Pernolt immatrikulierte sich Sebald im Sommersemester 146071) und mit ihm 56 „Misnensium de nacione", 52 „Saxonum", 81 „de nacione Bavarorum" und 28 „de nacione Polonorum". Nach Ableistung des üblichen Eides begann er mit dem Studium und schloß es nach zwei Jahren erfolgreich mit dem Bak­ kalaureat der sieben freien Künste ab. In den Matrikeln der Universität72) heißt es, man müßte mindestens 17 Jahre alt sein und wenigstens 1V2 Jahre studiert haben, wollte man sich um das Bakkalaureat bewerben. Die erste Bestimmung jedenfalls scheint nicht so streng gehandhabt worden zu sein, da Sebald damals erst 16 Jahre und 5 Monate zählte. Er beschreibt ausführlich die gehörten Vorlesungen und gelesenen Bücher, die Prüfung unter dem De­ kanat des Magisters Dionysius Fleck, zählt die ihn prüfenden Lehrer auf und spricht eingehend über die Prüfungsfragen selbst. Mit 52 Studenten wurde er als „baccalarius" in die Matrikel eingetragen. „Heinricus de Northeym", „Conradus Bäcker aus Bamberg" und „Sebaldus Schreyer de Nurenberga" waren die drei einzigen fränkischen Kandidaten an diesem 11. September 1462 7S). Wie viel Schreyer seinen Vater während dieser Zeit gekostet hat, gibt der gründliche Sohn auch an: „mit zerung, puchem, kleydungen und lernungen 61 gülden reinisch landßwerung" 74) und bis zum Verlassen der Universität noch einmal 25 Gulden. Zunächst studierte er noch etwa 1 Jahr weiter, um den Magistergrad zu erwerben 75). Doch als er sich einmal in Nürnberg zu Besuch aufhielt, beschloß er, das Studium aufzugeben. Er begründet es, „quia parentes sui volebant ut post magisterium theologiam studere et sacerdotari promitteret" und schließt lakonisch „quod facere noluit" 76). Warum er eine solche Abneigung gegen das Theologiestudium hegte, erklärt er freilich nicht. Erste Handelsgeschäfte und Dienst bei Hofe

Einige Monate hielt er sich nun bei seinen Eltern auf, um am 20. Juni 1464 — er war inzwischen 18 Jahre alt — bei seinem Halbbruder Stephan77) in 69) Vgl. dazu Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus. 70) Die Matrikel der Universität Leipzig. Hg. v. G. Erler, Leipzig 1895, Bd. 1, S. XCII. 71) „Sebaldus Schreier de Nurenberga"; ebda., S. 222. 72> Ebda., Bd. 2, S. LII. 73) Ebda., Bd. 2, S. 187. 74) Cod. A, Fol. 36. 75) Über den Magistergrad vgl. Die Matrikel der Universität Leipzig, Bd. 2, S. LVL 76) Cod. A, fol. 37. 77) Über ihn vgl. oben S. 13.

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Dienst zu treten. Eigenartig mutet der Bruch hier in Schreyers Leben an: war er so vom Geschäftsgeist durchdrungen, daß er sich plötzlich der Welt des Handels zuwandte? Es ist zum mindesten ungewöhnlich, daß er das Studium aufgab und Pelzhändler wurde. Damit begann ein reichlich unerfreuliches Ka­ pitel in der nun so wohlgeachteten Familie Schreyer. Nach einem gescheiterten Versuch, mit unlauteren Mitteln im Geschäft seines Schwiegervaters Fuß zu fassen 78), war es Stephan schließlich gelungen, mit finanzieller Unterstützung seines Vaters einen neuen Handel mit Pelzwerk in Österreich und Ungarn zu beginnen. In dieses Geschäft, das irgendwo außerhalb Nürnbergs entstand, trat Sebald einige Jahre später als „diener" ein, zweifellos, um nun nach Aufgabe des Studiums Handel und Gewerbe kennenzulemen. In einem Schuldbrief79) wurde festgesetzt, daß Sebald 400 Gulden rheinischer Währung aus dem Geschäft gehören sollten; außerdem jährlich 14 Gulden an Lohn, sowie Schuhe und Stiefel. Doch als Stephan bald wieder mit seinen unlauteren Händeln begann, sagte ihm Sebald nach 5 Jahren (1469) den Dienst auf und kehrte nach Nürnberg zurück „wiewol unbezalt seiner 400 gülden". Auch der Vater weigerte sich nun, den Mißratenen weiter zu unterstützen, und fortan lebte die Familie mit Stephan in Streit und Feindschaft. Hanns Schreyer hatte inzwischen die Schulden des Sohnes auf insgesamt 2400 Gulden mit dem Kostgeld für 5 Jahre von 200 Gulden berechnet. Um sich davon zu distanzieren, verfiel Stephan auf eine neue Idee. Er übergab seiner Frau 80) „alle gerechtigkeit, erbvell und anders, so im kunftiglichen an veterlichen, muterlichen und geswisterlichen erbvellen und sunst zusteen mochten" 81). Auf die erfolglose Intervention beim Rat übertrug nun der Vater seinem Sohn Sebald alle Vollmachten und schickte ihn zur Klärung des Streites an das kaiserliche Hof- und Kammergericht. Klugerweise beriet sich der vor­ sichtige Sohn erst einmal mit dem Lizentiaten Johann Glockengießer und mit Bernhard Dissinger, die beide „procuratores" des kaiserlichen Hofgerichts und „der recht verstendig" waren. Für diese Beratungen zahlte er 7 Gulden. Der väterliche Auftrag mag ihm nun willkommener Anlaß gewesen sein, nach 78) Stephan war nach der Schule zunächst einem Schreiber und Rechenmeister übergeben worden; da ihn der Vater jedoch für ein von der Mutter verzogenes und verzärteltes Kind und für Handelsgeschäfte untauglich hielt, schickte er ihn zu Freunden nach Wien und Breslau. 1442 war er bereits wieder in Nürnberg, heiratete Anna, die Tochter Peter Lincks und trat — „mit beden zuschetzen“, nämlich 1000 Gulden — in Handel und Gewerbe des Schwiegervaters ein. Schon 6 Jahre später mußte er aber zu seinem Vater zurück­ kehren, da er „mit schadkeufen, wechseln, purgschaften und verporgen" soviel Unheil angerichtet hatte, daß ihn Linde hinauswarf, ihm aber immerhin 400 Gulden auszahlte. Damit handelte er in gewohnter Weise und war schließlich so verschuldet, daß er nach 5 Jahren die Stadt verlassen mußte. Von seinen Gläubigern zur Rüdekehr gezwungen, lieh ihm sein Vater 1000 Gulden zur Tilgung seiner Schulden; vgl. dazu Schreyers Bericht in Cod. A, fol. 25v. 79) Ebda., fol. 40. 80) Er hatte inzwischen Helene Krauss geheiratet. 81) Am 14. 9. 1469; vgl. Cod. A, fol. 50.

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seinem so unglücklichen Start als Handelsmann die Stadt erst einmal für einige Zeit zu verlassen. Am Neujahrstag des Jahres 1471 brach er nach Österreich auf. In Wiener Neustadt mußte er jedoch erfahren, daß der Kaiser sich kurz zu Graz in der Steiermark aufhielt und das Kammergericht deshalb nicht tagte. „Damit er im land bekant wurd, und mercklicher kostung auf die gericht zu warten ver­ tragen wer, hat er sich alßbald zu dinst begeben." 82) Er kam nach „Landser" M) zu dem Freiherrn Ulrich zu Graveneck, der ihn „zu dyner und hofgesind" aufnahm. Die Freiherren und Grafen zu Graveneck84), ein altes schwäbisches Ritter­ geschlecht, hatten ihr Stammschloß Graveneck auf der Alp in der Nähe von Memmingen. Der Freiherr Ulrich war bald nach 1450 nach Österreich gekom­ men und hatte dort eine Nebenlinie begründet. Er wurde kaiserlicher Söldner­ führer und Geheimer Rat Friedrichs III., gelangte wegen seiner Treue und Tapferkeit zu großem Ansehen und durch Schenkung oder Kauf zu beträcht­ lichen Herrschaften und Gütern, etwa der Veste Trautmannsdorf und den Schlössern Fachsenstein, Wolfenreuth und Esperndorf85). Dieser Mann nun sollte zu gegebener Zeit Fürsprecher am Kaiserhof in Schreyers Angelegenheiten sein. So hoffte es Sebald wenigstens. Doch Gravenecks Stellung war nicht ganz eindeutig. Während der Streitigkeiten zwischen Ladislaus, dem nachgeborenen Sohn Albrechts V. von Österreich, und Friedrich schwankte er zwischen beiden hin und her. Seit 145 5 stand er zwar in Dien­ sten des ersteren, unterstützte aber dann bald darauf Friedrich III. in dessen Fehden mit den mächtigen Grafen von Cilli. Nach dem Tod des letzten Grafen dieses Geschlechts fielen die reichsunmittelbaren Herrschaftsgebiete und die Grafschaft Cilli an Friedrich. Ulrich erhielt cillische Pfandgüter in Kroatien und das Obergespan von Oedenburg, einer ungarischen Grenzstadt. Eine noch undurchsichtigere Rolle spielte der Krainer Andreas Baumkircher86) — seine Hauptherrschaft war Schlaning im heutigen Burgenland 87). Dieser Ritter wiederum war mit Graveneck Kriegsmann bei Ladislaus Postumus und Friedrich III. gewesen. Baumkircher hatte den Kaiser einst aus 82) Ebda., fol. 8 8v). 83) Damit könnte Landsehr gemeint sein, das in der Mitte des 12. Jahrhunderts Sitz des Erchinger I. von Landesere war; vgl. Alpenländer und Südtirol (— Handbuch der historischen Stätten, Österreich 2). Hg. v. F. Hutter, Stuttgart 1960, S. 80. 84) Auch Gravenegg oder Grafenegg. 85) Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexikon. Hg. v. E. H. Kneschke, Bd. 4, Leip­ zig 1930, S. 12—14. m) Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 2/1875, S. 169 f.; F. v. Krön es, Zur Quellen­ kunde und Literatur der Geschichte Baumkirchers und der Baumkircher-Fehde. In: MIÖG Ergänzungsband 6, 1901, S. 449—457; ders., Beiträge zur Geschichte der Baumkircherfehde (1469—70) und ihrer Nachwehen. In: Archiv für Österreichische Geschichte 89/1901, S. 369—450. J. Rothenberg, Andreas Baumkircher und seine Fehde mit Kaiser Friedrich III. (1469—1471). In: Zeitschrift des historischen Vereins für Steiermark 6/1909, S. 47—94; ders., Beiträge zur Geschichte der Baumkircherfehde, 1469—1471. In: MIÖG, Bd. 32, 1911, S. 330—334. 87) Geschichte der deutschen Länder, „Territorien—Ploetz". Hg. v. W. Sante, Bd. 1, Würzburg 1964, S. 683 ff. 2

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Wiener Neustadt (1453) befreit, fühlte sich in den folgenden Jahren wohl nicht genügend für seine Dienste belohnt, knüpfte deshalb mit Matthias Corvinus an und befehdete den Kaiser im Bund mit anderen Adligen. So kam es schließlich zur Baumkircherfehde 88). Ein Vermittlungsversuch der inneröster­ reichischen Stände führte zu einem Vergleich. Als aber Baumkircher zu Durch­ führungsverhandlungen nach Graz kam, wurden er und sein Bundesgenosse Andreas Greisenecker verhaftet und beide ohne Verfahren hingerichtet (23. 4. 1471) 89).

Doch hören wir dazu Sebald Schreyer, der bald „vermerckt die ungnad, darin er [d. h. sein derzeitiger Dienstherr Ulrich von Graveneck] gen keyser Fridrichen gestanden ist, in dem das derselb keyser Friderich herren Endresen Peymkircher [Andreas Baumkircher] seinen gesworen bruder mitsambt herren Endresen Greysenecken zu Gretz als sie auf sein einvorderung auf einen tag dahin kumen warn, fahen und enthaubten ließ,“ 90)

und weiter, „auf welchen tag der genant her Ulrich zu kummen auch erfordert was". Von einer direkten Teilnahme Gravenecks wird in der österreichischen Literatur nicht gesprochen. Krones91) behauptet sogar, daß Graveneck mit der Baumkircher-Fehde nichts zu tun gehabt hätte. Daß aber Unstimmigkeiten zwischen Kaiser und Graf bestanden haben müssen, beweist das Regest bei Chmel: 92) „Die Edlen von Graveneck, Pottendorf und Pucheim schließen nach der vor dem Erzbischöfe Johann von Gran gemachten Entscheidung Frieden mit dem Kaiser Friedrich.“

Nach Schreyers Darstellung, der als Augenzeuge doch glaubwürdig er­ scheint, war Graveneck von seinen Dienern aus Wien gewarnt worden. Er kam der Aufforderung, in Graz zu erscheinen, nicht nach, im Gegenteil, „mit dem jungen Pawmkircher und ander landßherren teget und [macht] er ein merckliche puntnuß wider den Römischen keyser/' Graveneck muß also gegen den Kaiser konspiriert haben. Ulrich nahm Söldner auf und führte sie dem Sohn Baumkirchers zur Unterstützung im Kampf gegen den Kaiser zu. Darunter befand sich auch unser Sebald Schreyer. Als nun aber Graveneck in Trautmannsdorf von „allen seinen dienern" Eid und Gelöbnis verlangte, ihm treu zu sein und in guten und schweren Tagen bei ihm zu bleiben, hielt es Schreyer an der Zeit, sich aus diesem gewagten Spiel zu entfernen. 88) Vgl. oben Anm. 86. 89) K. u. M. U h 1 i r z , Handbuch der Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer Böhmen und Ungarn. 2. Aufl. Graz 1963, Bd. 1, S. 439 und 442; E. Zöllner, Ge­ schichte Österreichs. München 1961, S. 148 ff. 90) Cod. A, fol. 8 8v. 91) Krones, Zeugenverhör über Andreas Baumkirchers Thatenleben und Ende. In: Zeit­ schrift für österreichische Gymnasien. Hefte 7, 8. Wien. 1871, S. 513—541. 92) J. Chmel, Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV Romanorum regis (imperatoris III.). Hildesheim 1962, S. 683, Nr. 7101; vom 17. 3. 1477. Vier Tage später verlangte der Kaiser vom Abt in Zwettl die Zahlung von 60 Gulden: er müsse „von der Landschaft" Geld aufnehmen, da er mit Ulrich v. Graveneck die Übereinkunft getroffen habe, daß jener alle seine Schlösser aufgebe und Österreich verlasse gegen Bezahlung einer gewissen Summe; vgl. Chmel, a. a. O., S. 683, Nr. 7102.

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Er erinnerte sich an seinen väterlichen Auftrag umso lieber, als bekannt wurde, daß Kaiser Friedrich ins Reich nach Regensburg zurückkehren wollte, um dort Gericht zu halten. Schreyer ist offensichtlich bemüht, seinen ehren­ vollen Abschied herauszustellen, denn er schreibt, Ulrich habe „im dabei erlich sach außzurichten bevolhen, und auch zugesagt, so sein sach zu end laufen und er wider hinab kumen wurd, das er Zuflucht zu im und den sein haben und sich furderung und hilf bei ihm versehen solt, wann im auch, so es sein fug sein wurd, alle sein sloß offen sein sollen, darauf er also abgeschieden ist.“ 93)

Dieser gute Abschied ist doch reichlich vage. sein, daß Schreyer einfach zu Friedrich überlief. Von Trautmannsdorf aus stieß er zum Kaiser gensburg — er muß ihn also, wenn nicht schon in Österreich angetroffen haben. Völlig überraschend

Wahrscheinlicher dürfte es und ritt mit ihm nach Re­ Graz, so jedenfalls noch in fährt nun Sdireyer fort:

„doselbst in Regensburg in [ihn] nachvolgend derselb keyser Friderich zu diner und in sein und des Reiches sonder gnad schütz und schirm genommen“ 94) hat. Schon am 5. Juli 1471 erhielt er vom Kaiser einen Dienst-, Schutz- und

Schirmbrief95). Schreyers Verlassen der Verschwörergruppe und seine sofortige Aufnahme in den kaiserlichen Dienst — bedeutet das nicht einen seltsamen Widerspruch? Wegen „seiner getrewen dienst, die er uns und dem Reiche bißher getan hat" 96) nimmt ihn der Kaiser in Schutz und Schirm. Worin könnten die Dienste in dieser kurzen Zeit bestanden haben? Ist dies bloße rhetorische Floskel? Schreyer konnte bis dahin noch nichts geleistet haben. Sehr wohl aber wäre denkbar, daß er einen Bericht von dem gab, was er von den Rebellen erfahren hatte. Verwunderlich ist auch, daß auf den folgenden Seiten in seinem Codex zwar der Familienstreit erwähnt ist, aber Schreyer mit keiner Silbe davon spricht, daß er etwas in der Sache unternommen hätte. Jedenfalls blieb er nun vier Jahre in des Kaisers Diensten. Diesen Auf­ enthalt erwähnt auch der Mathematiker Johannes Werner 97) in dem „judicium astronomicum“, das er Schreyer Ende der achtziger Jahre auf dessen Wunsch hin stellte: „Silentio pretereo que in divi Friderici tertii imperatoris curia, cum summa laude, tarn in bello quam in pace gesseras.“ 08)

Auf Grund dieser Quelle mag die Auffassung entstanden sein, Sebald habe an Friedrichs Romzug teilgenommen"). Zur Zeit der Kaiserkrönung war Schreyer jedoch noch ein Kind von sechs Jahren 10°). Da der Kaiser in der Zeit von 1471—1475 nicht in Italien weilte, wird wohl auch Schreyer immer im 93) Cod. A, fol. 88v. 94) Ebda., fol. 89. Chmel, a. a. O., S. 609, Nr. 6253; Der genaue Wortlaut findet sich bei Schreyer in Cod. A, fol. 89 f; vgl. dazu im Anhang S. 171. 96) Cod. A, fol. 89. 91) tlber Werner vgl. Kap. V, S. 163 ff. 98) GNMN Bibi., Merkel-Hs. Nr. 1122, Cod. C, fol. V. Künftig: Cod. C. °9) H a r t m a n n . a. a. O., S. 22; Mummenhoff, Sebald Schreyer, S. 492. 10°) Audi Hampe, a. a. O., S. 159, behandelt diese Überlieferung mit Skepsis. 2*

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Gefolge seines Dienstherm gestanden haben. Er selbst schweigt sich seltsamer­ weise über nähere Einzelheiten in diesen Jahren aus. Sollte ihm dieser Dienst später als angesehenem Nürnberger Bürger nicht mehr genehm gewesen sein? Gelohnt hat er sich jedenfalls: Am 9. November 1471 verlieh der Kaiser in Wien „dem Sewald Schreyer und seinen ehelichen Leibeserben von Neuem ein Wapen“ 101). Schon am 10. März des folgenden (1472) widerfuhr Schreyer eine noch größere Gunst. Friedrich „verleiht dem Sebald Schreyer und seinem Vater Hanns Schreyer von Neuem ein Wapen und macht sie lehenfähig“ 102). In Anbetracht der getreuen Dienste wurde in dem Brief zunächst das Familienwappen abermals „bestätigt“ 103). In seiner endgültigen Form stellt es sich nun wie folgt dar: in schwarzem Halbrund-Schild eine von zwei ge­ stielten goldenen „Meyeran“ 104)-Äpfeln begleitete aufsteigende goldene Spitze, belegt mit einem nach links gewendeten schwarzen Frauenrumpf mit goldenem Ohrring, goldener Kette und abstehendem schwarzen Zopf; auf dem Schild ein Stechhelm mit schwarz-goldener Helmdecke und einem Flug als Kleinod, auf dessen Teilen das Schildbild wiederholt wird 105). Darüber hinaus wurde dem Schreyer gestattet106), „mit embtern und lehen zu tragen, zu halten, lehen, gerichte und recht zu besitzen, urteiln zu sprechen, und darzu tuglich und schicklich zu sein in geistlichen und werntlichen stenden und Sachen als ander unser und des Reichs wappengenossen sollichs alles haben, gebrauchen und gemessen von recht oder gewonheit.“

Über das Jahr 1475 berichtet er lakonisch, er habe beschlossen, „der dinst abzuthun und in ru [Ruhe] zu setzen, wiewol im von unserm allergnedigisten herrn dem Römischen keyser soldt auf vier pferdt zugesagt was“ 107). Zweifel­ los hatte er als Akademiker und Gefolgsmann des Kaisers am Hof eine nicht unbedeutende Stelle inne. Die Zuweisung von Rationen für vier Pferde läßt diese Vermutung ohne weiteres zu. Diese selbst erworbene Dienststellung, die er aufgibt, der Schutzbrief, der ihn Fürsten, Grafen, Freiherren, Rittern, Knechten, Haupt- und Amtleuten und anderen Dignitäten empfahl, sicher auch nicht unbeträchtlidie Mittel, vielleicht auch sein Bakkalaureat, legten nun den Grund zu seiner Stellung in Nürnberg. Als kaiserlicher Agent bot er sich dem Rat besonders an.

101) Chmel, a. a. O., S. 632, Nr. 6497. Dabei bedeutet die Formel „von neuem“ beim fiktiven Festhalten am mittelalterlichen Ordo keineswegs eine Erneuerung; sie begründet auf übliche Weise einen Zustand und sollte historisch fundiert werden. 102) Chmel, a. a. O., S. 635, Nr. 6534. 103) Den Wortlaut des Wappenbriefs vgl. im Anhang S. 172. 104) „meyeran“, eine andere Schreibweise für Majoran; hier könnte wohl eini wohlriechender, duftender Apfel gemeint sein; vgl. J. u. W. Grimm, Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1885, Bd. 6, Spalte 1488. 105) Vgl. auch Abb. 2. Für Hilfen beim Blasonieren danke ich Herrn Prof. Dr. G. Z i m m er­ mann, Würzburg. 1M) Cod. A, fol. 111'. 107) Ebda., fol. 122.

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Bürger in Nürnberg Seine Verdienste waren jedenfalls bereits groß genug, um ihm die Ehe mit Margarethe, der Tochter des Heinz Kammermeister108), zu ermöglichen. Damit war ihm der Sprung in die großbürgerliche Gesellschaft Nürnbergs ge­ lungen — er heiratete die Tochter aus einer Familie der gehobenen Mittel­ schicht. Die Kammermeister gehörten zu einer Gruppe von Familien, die durchweg Unternehmer waren und über ein beachtliches Wirtschaftspotential verfüg­ ten 109). Meist errangen sie zunächst persönlich einen Ratssitz — die Camerarii das erste Mal von 1433 bis 1445 1I0). Spätestens in der Zeit um 1475 muß Sebald Schreyers Ableistung des Bürgereides erfolgt sein, wenn es nicht schon geschah, als er den Dienst bei seinem Bruder quittierte m). Hatte er den Zugang zur oberen Mittelschicht Nürnbergs noch ohne eigene Leistung gewonnen, so stieg er in den kommen­ den Jahren durch seine Tüchtigkeit so steil nach oben, daß er viele Bedin­ gungen erfüllt hätte, die im Jahre 1521 im Tanzstatut112) verlangt werden sollten11S). Am 14. Juli 1475 wurde Schreyers Heiratsbrief 114) bestätigt. Sebald erhielt 700 Gulden, seine Frau 500 Gulden Mitgift. Außerdem wurde festgesetzt, daß beide ein Jahr im Hause von Margarethes Bruder Sebastian Wohnung und Kost erhalten und danach in das Schreyersche Haus in der Burgstraße ziehen sollten. Am 21. August fand in Nürnberg die Hochzel_____ Daß dabei auch ^ für Unterhaltung gesorgt war, beweist ein Eintrag in den Ratsverlässen 115): „Item dem jungen Schreyer und der Heintz Kamermeisters tochter uf ir hochzeit, die auf montag schirst über 14 tag wirdet, pfeifer und hegelein116) ze leihen." 108) Zur Familie der Kammermeister vgl. J. G. Biedermann, Geschlechtsregister der reichsfrei unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken löblichen Orts Steigerwald. Nürnberg 1748, S. 193; Will, Der Nümbergischen Münzbelustigung 4 Theile, Bd. 4, S. 273; F. H. Schubert, Ludwig Camerarius. (= Münchener Hist. Studien, Abt. 2, l). Kallmünz 1955. G. Pfeiffer hat den nicht unwidersprochen gebliebenen Versuch unternommen, in einem der 1526 entstandenen „Vier Aposteln“ Albrecht Dürers Joachim Camerarius neben Melanchthon, Michael Roting und Hieronymus Baumgartner zu sehen; vgl. Die Vorbilder zu Albrecht Dürers „Vier Aposteln“. Wiss. Beilage zum Jahresbericht des MelanchthonGymnasiums. Nürnberg 1959/60. i°») Vgl. H o f m a n n , Nobiles Norimbergenses, S. 72. uo) Ebda., Anm. 74. U1) In den Bürgerbüchern der Jahre 1449—1620 findet sich zwar ein Eintrag für Stephan Schreyer von 1468, für Sebald fehlt er jedoch; vgl. StAN, Rep. 52 b, Amts- und Stand­ bücher Nr. 299, fol. 7V. 112) Vorgelegt bei Aign, Die Ketzel, S. 100—118. us) Vgl. dazu die Zusammenfassung S. 163 f« 114) Cod. A, fol. 122. 115) StAN, RV Nr. 5 3, fol. 9v. 1W> Spruchsprecher und Gelegenheitsdichter in Nürnberg, bis Anfang dieses Jahrhunderts auch „Hängelein“ oder „Schlenkerlein“ genannt nach den Schilden, mit denen ihre Amtstracht behängen war.

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Zwei Monate später ließ Hanns Schreyer sein Wohnhaus gegenüber dem Predigerkloster auf Sebald überschreiben, der es in den folgenden Jahren immer mehr ausbaute und vergrößerte m). Doch kaum war Schreyer in der Stadt seßhaft geworden, begannen wieder die Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Stephan. Sie zogen sich über Jahre hin und kamen zu keinem rechten Ergebnis. Zunächst hatte im März 1476 ein Kaspar Lubich aus Leipzig an den Rat geschrieben und von Schreyer die Zahlung einer angeblichen alten Schuld Sebalds und Stephans verlangt118). Briefe Sebalds an den Rat, an den Rektor der Universität nach Leipzig und Antworten von dort waren die Folge. Schreyer konnte sich vorläufig davon distanzieren. Im Oktober verklagte nun Stephan selbst seinen Bruder auf 750 Gulden, die er ihm angeblich während seines Dienstes bei ihm zu treuen Händen über­ geben hätte. In einem entrüsteten Brief119) wußte Sebald seine Unschuld dar­ zulegen und erhielt vom Rat recht. Erst mit dem Tod Stephans 1482 und dem Helenes 1493 sollte endlich Ruhe in diesen Streitigkeiten einkehren120). 1477 starb der alte Hanns Schreyer 121) — wenn sich der Sohn nicht geirrt hat, muß er 100 Jahre alt geworden sein. In seinem Testament122), zu dessen „Vormund“ er seine Frau Genoveva, seinen Sohn Sebald, Niclas Koler und Sebald Rothan bestimmte, erhielt seine Frau die Nutznießung seines Besitzes auf Lebenszeit zugesprochen. Nach ihrem Tod sollte alles auf Sebald übergehen. Der junge Schreyer kann aber schon zur Zeit seiner Heirat nicht mittellos gewesen sein — jedenfalls schreibt er nichts von der Ausübung irgendeines Handwerks oder Handels — mit dem Pelzgeschäft scheint er also gar nicht erst begonnen zu haben 123). Hatte er doch als Anfangskapital sein Heiratsgeld von insgesamt 1200 Gulden und das Vermögen, das er vom Dienst am Hofe noch besaß. Damit legte er den Grund für seine Geldgeschäfte in den späteren Jahren 124). Schon bald fand er auch Eingang in die Verwaltung der Stadt. Das Re­ giment übte in Nürnberg der Rat aus125). Er zerfiel in einen äußeren (großen) Rat, das Genanntenkollegium, und einen inneren (kleinen) Rat mit 42 Mit­ gliedern, von denen 34 Patrizier und 8 Handwerker waren. Die Patrizier teilten sich auf in 26 Bürgermeister (davon 13 ältere und 13 jüngere) und 8 alte Ge117> 118) 119) 12°) m)

122) 123) 124) 125)

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Über Schreyers Wohnhaus vgl. Kap. II, S. 27 ff. Cod. A, fol. 127 ff.; 1.42V ff. Cod. A, fol. 136. Cod. A, fol. 177. Er wurde in St. Sebald „hinder dem sacrament under seinem stein“ begraben, wo 1490/92 dann das berühmte Schreyergrab Adam Krafts entstehen sollte. Sebald ließ seinem Vater eine Gedenktafel anfertigen, die an einem Pfeiler gegenüber dem „predigstul“ angebracht wurde, „mit einer scheiben, daran Schreyer schilt und heim und seiner beder weyber nemlich Eyben und Fuchs schiitlein“; vgl. Cod. A, fol. 144v. Ebda., fol. 124. Dies beweist auch, daß sein Name in den Handwerkerbüchern der betreffenden Jahre nicht auftaucht; vgl. StAN, Rep. 52 b, Amts- und Standbücher Nr. 305. Vgl. dazu Kap. II, S. 34 ff. Das Folgende nach H o f m a n n , Nürnberg-Fürth, S. 52 f.

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nannte. Die eigentlichen Funktionen in Legislative, Exekutive und Jurisdiktion in Stadt und Land übte ausschließlich letzterer, also der innere Rat, aus. Der Größere Rat der Genannten, der aus dem alten Umstand der Gerichtsgemeinde hervorgegangen war, hatte das Recht, Urkunden, Verträge und Testamente zu siegeln, und zwar genügte es, wenn zwei Genannte diese Beurkundungen („Zeugschaft“) Vornahmen, damit das Geschäft rechtskräftig wurde 128). In diesem Größeren Rat wurde Schreyer am 12. April 1477 Genannter127). Stolz verzeichnete er die Artikel des Genannteneides128). In seiner neuen Funktion war er gleichzeitig Aufseher beim neuen Kornhaus auf der Veste 129). Am 6. April des nächsten Jahres wurde er Schöffe am Land" und Bauerngericht 13°). Als Herr seiner Bürger verlangte der Rat, daß diese ihre Hintersassen auf dem Lande seiner Gerichtsbarkeit unterstellten. Deshalb wurden alle Streitsachen aus dem Umland an diesem Gericht behandelt. Im 14. Jahr­ hundert war es als reichsstädtische Konkurrenz zum burggräflichen Landgericht entstanden und setzte sich aus 10 Schöffen zusammen, tagte jeden Samstag Nachmittag drei Stunden, konnte aber zur Erledigung „langer“ Gerichtshändel auch außerordentliche Sitzungen abhalten131). In seinem Amt konnte sich Schreyer auch bei den eigenen Hintersassen bewähren 132). In den 10 Jahren seiner Beschäftigung erhielt Schreyer vom Rat 134 Gulden. Eingebracht haben diese Ämter also nicht gerade viel. Schon 4 Tage nach seinem Eintritt ins Land- und Bauerngericht erhielt er ein neues, bedeutendes Ehrenamt: er wurde Geldzähler in der Losungstube, und zwar bis zum März 1479; dann noch einmal vom Dezember 1479 bis zum Februar 1486. Als Losung 133) wurde eine Vermögenssteuer bezeichnet, die auf der Losungstube einzuzahlen war. Aus den eingenommenen Geldern wurden nach Anweisung des Rats oder auf eigene Verantwortung der Losunger alle Ausgaben bestritten, die im Interesse der Stadt nötig wurden. Die beiden Losunger, auch „Vordere Losunger“ genannt, waren die Bürgermeister, ein dritter ein Genannter aus den Handwerkern, der jedoch nur eine Art Kontroll­ organ darstellte. Das eingegangene Geld wurde von vertrauenswürdigen Männern, den Geldzählern, innerhalb oder außerhalb der Losungstube gezählt. Schreyer wurde „der erst sack geschickt [. . .] am eritag [Dienstag] vor Walburgis“. In den 7V2 Jahren, die er dieses Amt ausübte, erhielt er 148 Säcke mit Münzen, die 89.445 lb neu, 15 Schillinge, 11 Heller an kleinen Münzen, 20 Gulden 1S8) Vgl. D ü 11 , a. a. O., S. 152. ,27) Cod. A, fol. 142; vgl. auch J. F. Roth, Verzeichnis aller Genannten des größeren Raths, S. 43. Schreyer war bis 1502 Genannter. 128) Cod. A, fol. 142. 129) Nach G. W. K. Lochner, Handschriftliche Geschichte Nürnbergs von 1050—15 30 in annalistischer Form. 6 Bde. Stadt AN, Bd. 5, S. 24. 13°) Cod. A, fol. 154. Mit Schreyer waren noch Niclas Koler, Jobst Topler, Anton Haller, Berchtold Deichsler, Martin Haller, Peter Groland, Endres von Watt, Hans Schönbach und Anton Muffel an diesem Gericht tätig. Vgl. E s p i g, Das Bauemgericht von Nürnberg. 181) Sander, a. a. O., S. 208 f. 132) Vgl. dazu Kap. II, S. 47 ff. 133) Sander, a. a. O., S. 98 ff.

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rheinischer Währung an Gold, 269 Kreuzer, 66 große und 568 kleine Nürn­ berger, 60 Würzburger, 4 Bambeger, 1 märkischen und 1 Kaiser-Schilling und etliche andere Groschen enthielten. Eine Riesensumme ging also durch Schreyers Hände; er muß großes Vertrauen genossen haben, wenn er zu diesem Amt ernannt wurde. Pro Jahr erhielt er als Lohn 20 lb neu 134). 1479 finden wir ihn in der Kommission, die die Revision des Nürnberger Zivilgesetzbuches, der Nürnberger Reformation, vorbereitete 135). 1480 fühlte er sich bereits so ausgelastet, daß er das Spitalmeisteramt im Neuen Spital zum Heiligen Geist ablehnen mußte. Obwohl ihm der Rat be­ scheinigte, er „het sich auch dermaß in erberkeit gehalten, das sie gevallen und guten willen zu im hetten“ 136) und ihm angeboten wurde, bei 18 Gulden jähr­ lich und freier Kost im Spital zu wohnen, begründete er seine Absage damit, er besäße nicht die nötigen Kenntnisse, die zur Führung eines solchen Amtes erforderlich seien. Er hätte sich auch „in seinem hauß, so von sein eitern auf in körnen wer, dermassen ausgericht, das im swer wer, das zu raumen und von hauß zu lassen, zusambt dem das sein muter auch bei im in seiner cost wer“. 1481 beschloß der Rat, von den zehn Schöffen des Land- und Bauerngerichts je die Hälfte mit dem Amt am Forstgericht, einem reinen Ehrenamt ohne Entgelt, für den Sebalder und den Lorenzer Wald zu betrauen, „damit dem wald sein gerechtigkeit nicht entzogen werd, [. . .] und des wald freyhayt, Satzung und Ordnung“ 137) erhalten würde; Schreyer vertrat dieses Amt im Sebalder Forst bis zum Jahre 148 8. Im gleichen Jahr verließ er auch das Landund Bauerngericht. Zwischendurch war er noch Anwalt seiner Schwester Anna geworden, die in allerlei Geldschwierigkeiten geraten war. Seine Stellung als angesehener Bürger der Stadt erfuhr einen Höhepunkt, als ihm 1482 das Amt des Kirchenmeisters von St. Sebald angetragen wurde. Über seine Verdienste, die er sich in den folgenden Jahren bis 1503 in dieser Stellung erwarb, wird unten ausführlich zu spechen sein 138). Das ganze Kirchen­ gut lag unter Aufsicht und Verwaltung eines Kirchenpflegers, der nur ein Pa­ trizier sein konnte und des Kirchenmeisters, der wiederum nur aus einer ehr­ baren Familie 139) stammen durfte. 184) Zur Geldwährung vgl. Kap. II, Anm. 10. 185) J. D. Koeler, Historia codicis iuris statutarii sive Reformationis Norimbergensis. Alt­ dorf 1721, S. 19—21, § 12, heißt es über die Mitglieder: „tres enim ex Senatu constituit Conradum Imhofium, Lazarum Holzschuerum, Nicolaum Hallerum, elegit simul tres ex judicio praetorio Scabinos: Sebaldum Schreyerum, Wilhelmum Dörrerum, Bartholomaeum Hallerum. Hisque prudentiissime addidit viros juris et imprimis Patriae peritissimos Consiliarios jam tot documentis probatos, D. Ulricum Nadlerum, D. Petrum Dölzerum, D. Johannem Prozerum, D. Christopherum Scheurelium, ac denique Massilium Plenningerum.“ Vgl. auch W a 1 d m a n n , Die Entstehung der Nürnberger Reformation* von 1479. 1M) Cod. A, fol. 175. 187) Ebda., fol. 176v. ,88) Vgl. Kap. IV, S. 79 ff. 189) Zum Begriff der Ehrbarkeit vgl. die Einleitung, Anm. 18.

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1483 kam für 5 Jahre noch das Amt des „Baumeisters" bei der Erhöhung der Türme von St. Sebald hinzu 140). Als Verwalter von Geldgeschäften hatte sich Schreyer inzwischen ja einen Namen gemacht. Oberster „Baumeister" wurde er 4 Jahre später auch beim Erweiterungsbau des Neuen Spitals zum Heiligen Geist141). In diesen Jahren richtete er zahlreiche Stiftungen aus, etwa die KeipperStiftungen des „grosen almosens der abkommen burger", der „erztlichen hilf der krancken im newen spital zum hl. geyst" und „der zucht beider fundel [= Findelhäuser]" 142). In den achtziger und neunziger Jahren war Schreyer ein vielbeschäftigter Mann. Er führte die Topler-Stiftung aus und wurde Pfleger und „Baumeister" beim Spital für Pestkranke, St. Sebastian; wegen Überlastung mußte er die ihm 1493 angetragene Aufsicht über das Bierbrauen ablehnen 143). 1496 hielt sich die Fürstin Anna, die Witwe des Markgrafen Albrecht Achilles, in Nürnberg auf. Schreyer wurde für diese Zeit zu ihrem Küchen­ meister ernannt und widmete sich mit größtem Eifer dieser Aufgabe 144) 1497 trat er auch noch in das neugeordnete Stadtgericht145) als Schöffe ein146). Den Eid, den er vorher ablegen mußte, trug er in seinen Codex ein: „Die urteiler, beysitzer und ratgeber, die ein erber rath zu der pflegknus des statgerichts geordnet und beselt hat, sollen ir trew geben und darauf zu Got und den heiligen sweren, das sie der pflegknus des gerichts getrewlich ob und vor sein, nach des Reichs gemeinen rechten. Auch nach erbern, redlichen und leidlichen Ordnungen, Statuten und gewonheiten der stat Nurmberg und des gerichts die für sie bracht werden. Dem armen und dem reichen nach irer pesten verstentnus gleich urteilen und richten und kein sach sich dargegen bewegen lassen. Auch von den partheyen oder yemand anderm keyner Sachen halben die er west, so in ge rieht hangt oder darein körnen mögen. Kein gab, schenk oder einichen nutz durch sich selbs oder yemand anders, wie das menschen syn erdendeen mocht, nit nemen oder nemen lassen. Audi von einicher partheyen in Sachen, so in recht hangen, ausserhalb gerichtlicher verhorung kein Unterrichtung aufnemen und keyner par­ theyen raten oder warnen, und was in ratschlegen und Sachen gehandelt wirt, den partheyen oder nyemand anders ofnen vor oder nach der urteil. Auch die Sachen auß poser meynung nit aufhalten oder verzihen, on alles gef erd."

Unter Leitung des Stadtrichters bildeten 12 Schöffen dreimal wöchentlich zwei Kollegien, denen das entscheidende Votum zukam. Es hatte vor allem vermögensrechtliche Streitigkeiten zu regeln. Erst in seinem Todesjahr, 1520, bat Schreyer, ihn wegen „swacheit seins leibs" von diesem Amt zu befreien. 140) 141> 142) 14S) 144)

Vgl. Kap. IV, S. 94 ff. Vgl. Kap. III, S. 68 ff. Zu Schreyers Funktion als Ausrichter von Stiftungen vgl. Kap. III, S. 65 ff. Cod. B, fol. 237. Cod. C, fol. 141 ff. Reicke, a. a. O., 5. 470 ff., bringt Auszüge daraus. Eine Schil­ derung eines ähnlichen Festes vgl. bei Lexer, Endres Tuchers Baumeisterbuch, S. 296 ff. 145) Über das Stadtgericht vgl. H o f m a n n , Nürnberg-Fürth, S. 5 5 f. 146) Cod. C, fol. 182 f.; Der Eid ist ebda., fol. 183v verzeichnet.; vgl. dazu auch StadtAN, Genealog. Papiere Schreyer.

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Als 1502 Kaiser Maximilian in Nürnberg weilte, gelang es ihm, sich seinen Schutzbrief 147) erneuern zu lassen. Der Kaiser nahm ihn nach Ablegung des Treueides148) in Schutz und Schirm. 1503 übergab Schreyer sein Kirchenmeisteramt an Lazarus Holzschuher. Zwei Jahre später floh der 59jährige mit seiner Frau vor der Pest nach Schwäbisch-Gmünd 149), wo er sich mehrere Monate aufhielt. Viele Bürger Nürnbergs verließen damals die Stadt und suchten der drohenden Gefahr zu entgehen 15U). Nach Nürnberg zurückgekehrt, wurde er häufig als Zeuge oder Vormund benannt 151)> widmete sich hauptsächlich seinen Geldgeschäften und wirkte eifrig im Humanistenkreis 152). Sein sozialer Aufstieg, seine Wohlhabenheit und sein allgemeines Ansehen wären geeignet gewesen, die Familie Schreyer in der nächsten Generation bei Bewährung ins Patriziat aufsteigen zu lassen; war Schreyer doch immerhin seit 1506 zum Tanz auf dem Rathaus zugelassen 153), wenn auch wohl nur als Mann der aus einer ehemaligen Ratsfamilie stammenden Kammermeisterin. Doch Sebald Schreyer starb kinderlos mit 74 Jahren am 22. Mai 1520 lo4). Im Familiengrab zu St.Sebald fand er seine letzte Ruhe. Er hinterließ ein beträchtliches Vermögen, das er in seinem Testament für die Kirchen, Klöster, Spitäler und Armenhäuser der Stadt bestimmte.

147) Cod. C, fol. 202 f. U8) Der Eid lautet: „Wir hulden und swern dem allerdurchleuchtigisten, großmechtigisten fürsten und herren herrn Maximilian Römischen konig etc. unserm allergnedigsten und rechten herrn, als Römischen konig getrew, gehorsam und gewertig zu sein seiner konigklichen gnaden und des heiligen Römischen Reichs fronten und bestes zu werben und schaden zu bewaren und alles das zu thun, das getrew und gehorsam underthanen seiner kunigklichen gnaden und des heiligen Reichs einem Römischen kunig unserm rechten herrn und dem heiligen Reich zu thun schuldig und pflichtig sind getrewlich und on alles geverde. Also helf uns Got und alle heiligen.“ Vgl. Cod. C, fol. 202r. 149) Vgl. dazu Kap. VI, S. 149 ff. 15°) Zahlreiche Ratsherren verließen die Stadt; vgl. Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 1, S. 276 f. 151) Vgl. Kap. III, S. 63 f. 152) Dazu ausführlich Kap. V, S. 114 If. 153) Lochner, a. a. O., Bd. 6, S. 706, berichtet von einem am 16. 1. 1506 für Schreyer erneuerten Ladezettel; ebda., S. 9 von einem für Schreyers Frau vom 2.7. 1508. Für das Jahr 1506 führt er 173, für 1508 175 Personen auf. Die Aufzählung der Namen erfolgte nach der Wohnung der Geladenen, um dem Hochzeitslader (Hegelein) den Weg zu er­ leichtern; vgl. ebda., S. 109. 154) Im Totengeläutbuch von St. Sebald ab 1517 findet sich Sebald Schreyers Name als vor­ letzter von 3 3 Personen, denen „vom mitboch in der goltfasten zu der fasten, bis auf mitboch in den goltfasten zu pfingsten“ mit dem großen Totengeläute geläutet wurde; vgl. GNMN Bibi. Hs. 6277, fol. 9V; es ist gedruckt bei G. v. Murr, Necrologium Norimbergense 1513—15 51. In: Nachrichten zur älteren und neueren Geschichte der freyen Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1803, Bd. 1, S. 150—158.

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II. HOMO OECONOMICUS 1. Der Besitz in der Stadt

Zeit seines Lebens widmete sich Sebald Schreyer mit größtem Eifer allen gewinnversprechenden Geldgeschäften. Mit einem nicht unerheblichen An­ fangskapital *) hatte er sich 1475 in Nürnberg niedergelassen. Die Ämter, die er in der Folgezeit in der Verwaltung der Stadt ausübte *2),3 waren 4 meist ehren­ amtlich und brachten wenig Geld ein. Sie konnten deshalb auch nur von wohl­ habenden Bürgern übernommen werden. Doch Einnahmen aus erfolgreichen Unternehmungen und Erbschaften von seinen Eltern und den Brüdern seiner Frau ermöglichten ihm in den kommenden Jahren die Verwirklichung immer neuer Pläne. Reges Interesse zeigte er zunächst am Kauf und Verkauf von Haus-, Hofund Grundstücksanteilen. Wir sind in der glücklichen Lage, Einnahmen und Ausgaben bis zu seinem Tod verfolgen zu können. Die vorhandenen Bände A, B und C berichten bis zum Jahre 1498, Codex F behandelt die Zeit von 1504 bis 1511. Schreyer verweist in seinen chronologischen Aufzeichnungen meist auf die Eintragungen in den vom Stadtgericht geführten „Libri Litterarum“ 8). Die Übereinstimmung der Schreyerschen Ausführungen mit diesen ist zugleich ein Beweis für seine Zuverlässigkeit. Die verschollenen Bände D, E und G, die die Jahre 1499 bis 1503 und 1512 bis 1520 behandeln müßten, vermissen wir in diesem Punkt nicht allzu schmerzlich, da sich die Lücken durch die vollständigen Eintragungen in den Libri Litterarum schließen lassen. Wir gewinnen somit einen wirtschaftsgeschichtlich interessanten und vielge­ staltigen Einblick in das Leben eines Nürnberger Bürgers vor der Reformation. Bergstraße Nr. 7 Schreyers erster Besitz war das Haus „unter der Veste" in der heutigen Burgstraße Nr. 7. Die detaillierte Schilderung, die er darüber in seinen Codices gab, liefert einen anschaulichen Beitrag zur Geschichte des Nürnberger Wohn­ hauses. *) Vgl. Kap. 1, S. 22. 2) Vgl. Kap. I. S. 22 ff. 3) Beispiel: Der Kauf einer Eigenschaft im Jahre 1491 an 1 Haus beim Kettenbrunnen ist in Cod. B, fol. 142v verzeichnet. Schreyer verweist auf LL, O, fol. 286. StadtAN, LL (künftig LL) wurden erst später nicht mehr nach Buchstaben, sondern nach Nummern gezählt; heute LL 7, fol. 286. 4)—8) fallen aus.

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1442 hatte der Vater Hanns Schreyer das Erbe an dem Haus um 800 GLw gekauft und der Frau Erhard Hallers, die die Eigenschaft daran besaß, 30 GLw „zu hantlangung oder schanckung“ *) bezahlt. Als Erbmann war er zu einem jährlichen Zins von 10 lb neu an den Eigenherrn verpflichtet10). Umgerechnet entsprach das einem Wert von knapp 5 GLwn). In den folgenden Jahren führte er für 60 Gulden Veränderungen aus: er errichtete eine steinerne „schidwant“ und erneuerte das „hindere gewelb“ im Hof und die Fenster der Wohn­ stube 12). 1475 ließ er das Erbe auf seinen Sohn überschreiben. Sebald Schreyers Geburtshaus war für den 29jährigen schon durch seine Lage wertvoll. Die Burgstraße führt von der Kaiserburg zum Markt, Schreyers Haus lag also in unmittelbarer Nähe von St. Sebald und dem Rathaus. Der verhältnismäßig hohe Kaufpreis läßt vermuten, daß es sich um ein aus Sand­ stein gebautes Haus gehandelt hat. Das war zu dieser Zeit noch keineswegs üblich, da meist in Fachwerk, in seltenen Fällen mit Backstein gebaut wurde13). Über die Ausdehnung gibt Schreyer an: „[. . .] vornen und hinden durch und durch von einer gassen zu der anderen“ 14).

Das Vorderhaus lag zur Burgstraße hin und das Hinterhaus an der parallel zu ihr verlaufenden Unteren Krämersgasse. Beide Teile verband ein Hof. „Das Wohnhaus gehörte zu einer Gruppe von drei Häusern gegenüber dem Prediger­ kloster mit nahezu gleicher Frontbreite von vier Fensterachsen.“ 15) Daß Schreyer von Anfang an der Gedanke an den fremden Eigenherrn un­ angenehm war, läßt sich denken. So setzte er alles daran, ganz in den Besitz des Hauses zu kommen. 1477 war ihm die Ablösung zugesagt worden. Doch durch den Tod der Eigenherrin im selben Jahr und die Weigerung ihrer Ver8) Cod. A, fol. 16. Zur Problematik der „freien Erbleihe" und des Rentenkaufs in Nürnberg vgl. G. Bückling, Die Wechselwirkung gewererechtlicher und fronungsrechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters (= Beyerles Beiträge 6, 2). Heidelberg 1911; J. Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit. München 1928, Bd. 1, S. 336; Mattausch, Nürnberger Eigen- und Gattergelder; G. Pfeiffer, Gutachten über das Nürnberger Eigengeld und das Münchner Ewiggeld. Nürnberg 1953. Masch. StadtAN; H. Planitz, Das deutsche Grundpfandrecht (= Forschungen zum deutschen Recht 1, 4). Weimar 1936; PlanitzEckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte. 2. Aufl. Graz 1961, S. 212 ff.; B. Baron v. S t e m p e 11, Die ewigen Renten und ihre Ablösung. Zur mittleren Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Diss. Leipzig 1910; Wölfel, Die rechtlichen Formen im Verkehr mit Liegenschaften in der Reichsstadt Nürnberg. l0) Um 1440 galt etwa die Umrechnungsformel; 1 lb neu = 4 lb alt = 16 Groschen = 20 Schillinge = 120 Pfennige = 240 Heller = 26.160 Gramm Feinsilber; 1 Gulden = 8 lb alt 12 Pfennige = 4 ort; lb alt war die allgemein übliche Zahlungsweise, während lb neu der amtlichen Rechnungsweise entsprach; vgl. dazu Sander, Die reichisstädtische Haus­ haltung Nürnbergs, S. 25. 1 Gulden Stadtwährung künftig: 1 GStw; 1 Gulden Lands­ währung künftig: 1 GLw. n) Schreyer rechnet im Jahre 1496 für 1 Gulden 8 lb alt und 12 dn, für 10 lb neue Heller (= 40 lb alte Heller) = 4 GLw 15 ß 3 Heller. Vgl. Cod. A, fol. 165V. 12) Cod. A, fol. 16. 13) Sander, a. a. O., S. 8. 14> Hausbrief bei der Übeischreibung; vgl. Cod. A, fol. 123. 15) Grote, Die „Vorder-Stube“ des Sebald Schreyer, S. 44. Für die Einrichtung und sämt­ lichen Hausrat Nürnberger Bürgerhäuser vgl. grundsätzlich W i 1 c k e n s , Tageslauf.

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wandten zog sich die Angelegenheit bis 1496 hin. In diesem Jahr heiratete Wilhelm Haller, der die Eigenschaft inzwischen geerbt hatte, Dorothea, die Tochter von Schreyers Neffen Matthäus Landauer. Nun erst kam es zur Einigung. Schreyer löste am 10. Oktober desselben Jahres die 5 Gulden Eigen­ zins mit 125 GLw ab und war endlich uneingeschränkter Besitzer des Hauses, das ohne die baulichen Veränderungen immerhin einen Wert von etwa 1000 Gulden darstellte. Mit welchem Eifer er sich nun diesen Umbauten zuwandte, zeigen die künf­ tigen Jahre. Das Vorderhaus bestand aus einem Keller, dem Erdgeschoß und einem Stockwerk, an das sich der Boden mit einem Gewölbe und dem Dach an­ schloß. Im Erdgeschoß befanden sich mindestens drei Räume, eine „untere" Stu­ be, eine Kammer „an der stiegen" und die Küche; im ersten Stock die „vordere" Stube, eine Kammer zum Hof und eine Kammer „ober der Stube" 16). 1476 wurden alle Zimmer frisch getüncht, die Fenster mit eisernen Pfosten, Gittern und neuen Eichenrahmen versehen und alle mit „venedischen scheiben" ver­ glast. Noch im gleichen Jahr wurden die Türen repariert und neue Schlösser angebracht; 1484 ließ Schreyer die Haustür zur Burgstraße hin erneuern. In die Kammern kamen neue „schubbetten", „spanbetten" 17), ein Ofen und ver­ schließbare Truhen und „kalter" 18). Mit besonderer Sorgfalt machte sich Schreyer im Jahre 1495 an die Um­ gestaltung der Vorderstube im ersten Stock, die die ganze Hausbreite nach der Burgstraße einnahm und die man von der Stiege aus betrat. In Codex C, fol. 71v—74 berichtet er ausführlich über den Umbau. Diese Quelle wurde zum ersten Mal in Auszügen von Th. Sincerus19) veröffentlicht, in neuerer Zeit vollständig von L. Grote 20), der in seinem Aufsatz jedoch vor allem die Wand­ malereien und die von Celtis stammenden Inschriften behandelt21). So können wir uns auf eine kurze Beschreibung beschränken 22). Holzdecke und Rückwand der Stube wurden abgehobelt, die übrigen drei Mauern bis zur halben Höhe getäfelt, der Rest getüncht. Ringsum reihten sich Sitztruhen an­ einander. Die beiden Seitenwände bargen „schwin- oder swingbogen", wow) Cod. B, fol. 81; Die folgenden Ausführungen stützen sich auf Schreyers Schilderungen in Cod. A, fol. 175v für die Jahre 1476 und 1480, in Cod. B, fol. 81—81v für 1484/85, in Cod C. fol. 71—74 für 1495 fol. 119v für 1497/98, fol. 120 für 1501/0-2 und fol. 120v für 1504. 17) Unter „schubbett" ist ein Bett mit niedrigen Füßen zu verstehen, das tagsüber unter ein anderes, mit hohen Füßen versehenes, geschoben werden konnte; vgl. J. u. W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1899, Bd. 9, Spalte 1814; in Nürnberg wird dagegen meist ein Bett mit Schubladen im Bettkasten so bezeichnet. Vgl. Wilckens, a. a. O., S. 19. Bei einem „spanbett", einem „Tragbett", lag der Pfuhl auf untergespannten Bändern; vgl. M. Lex er, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Leipzig 1876, Bd. 2, Spalte 1066. 18) Cod. B, fol. 81; „kalter", aus „gehalter"; ein Schrank oder Behälter; vgl. Lex er, a, a. O., Leipzig 1872, Bd. 1, Spalte 1500. Vgl. Wilckens, a. a. O., S. 15 und 26. 1#) Sincerus, Bibliotheca historico-critica, S. 360 f. Alle Celtis betreffenden Stellen sind dort wörtlich, die Angaben über den Umbau nur zusammenfassend wiedergegeben. 20) Grote, a. a. O., S. 57—65. 21) Vgl. dazu ausführlich Kap. V, S. 127 ff. 22) Das Folgende nach Cod. C, fol. 71v.

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runter wohl Nischen zu verstehen sind, in denen Wandkästen und ein „be­ ll alter“ mit einer davor stehenden Sitztruhe eingelassen und auf gestellt waren. Öffnete man die beiden letzteren, so entstand daraus ein „faul- oder lotterpettlein“, eine damals übliche Bezeichnung für ein Ruhebett. Die Fenster konnten mit Vorhängen verschlossen werden, die auf „eisen [Stangen] mit waltzen“ liefen. Ein großer Stahlspiegel vervollständigte die Einrichtung 23). Der künstliche Wandschmuck soll uns in einem späteren Kapitel beschäf­ tigen 24). In der Küche wurde der Herd vergrößert, der Schlot zum besseren Rauch­ abzug erhöht, ein neuer Abfluß mit Rinnen eingerichtet, und die Fenster wur­ den verglast. Daß sich Schreyer dies sogar hier leistete, läßt einmal mehr auf seine Wohlhabenheit schließen. Den Keller ließ er mit Ziegelsteinen ausmauern, das Dachgeschoß mit einem neuen Boden versehen, die Dachluken verglasen und das Gewölbe er­ höhen. Obwohl das Dach erst im Jahre 1501 mit 900 Ziegeln gedeckt worden war, mußte die Seite auf die Burgstraße hin schon zehn Jahre später erneuert werden, nun aber mit „flachem“ statt mit „holem werck“. Doch lassen wir Schreyer selbst zu Wort kommen: 25) „Item maister Ulrichen dachdecker 4V2 taglon zu 36 dn facit Mer dem dachknedit 3 taglon zu 32 dn facit........................................ Mer dem kercknecht 4 taglon zu 28 dn facit........................................ Mer den zwaien hantlangern 7 taglon zu 25 dn facit . Mer ainem tagloner 4 taglon zu 25 dn facit........................................ Mer ainem morter rurer 5 taglon zu 25 dn facit................................ Mer dem mayster für essen und trincken und den gesellen suppen, abentprot und pir................................................ Mer dem meyster und knechten zu padgelt........................................ Mer für 1 summer kalch dem Petter Imhoff zalt................................ Für 3 800 zigel das 100 umb 24 1b facit................................................ Für 100 latten zu 4 dn zalt facit................................................................. Für 1000 pinnagel ye für hundert zalt 1 lb facit................................ Für etlich halbnegel 13 dn und für rot 5 dn facit................................ Mer Gilgen Kospock anschicker für sein muhe................................ Summa, so das decken des halben dachs am vordem hauß gecost hat, tut 19 fl. Re 27 dn.“

fl. lb

dn

0 0 0 0 0 0

12 6 22 25 5 5

5 3 3 5 4 4

10

0 0 10 1 1 0

0

0 2 7 4 1 0

23 24 6 28 18 18

10

0

Vier bis sieben Tage arbeiteten also acht Männer, nämlich ein Dachdecker­ meister, ein Dachknecht, ein Kehrknecht, zwei Handlanger, ein Tagelöhner, ein Mörtelrührer und ein Anschicker an Schreyers Haus. Für Verköstigung und Badegeld des Meisters und der Gesellen wurden 1 Gulden und 23 dn berechnet. 23) Vgl. Grote, a. a. O., S. 66, Anm. 5. 24) Vgl. Anm. 21. 25) Cod. C, fol. 120v. Hier hat sich Schreyer um ein geringes verrechnet. Die Summe ergibt 14 fl. 3 8 lb 192 dn oder umgerechnet: 19 fl. 2 lb 12 dn.

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Bei den Gesamtkosten entfiel somit etwa ein Viertel auf die Arbeiter und drei Viertel auf das Material. Das ursprünglich nur ebenerdige Hinterhaus ließ Schreyer 1480 um ein steinernes Stockwerk erhöhen und die Fenster wie im Vorderhaus sichern. Es bestand aus zwei Kammern und der Küche im Erdgeschoß und zwei Kammern im ersten Stock zur Straße. Daran schloß sich zum Hof hin ein verschließbarer Stall, in dem Schreyer eine Ziege hielt, und daneben befand sich die durch eine Trennwand abgeteilte Tenne. Beide wurden 1489 mit einem Gewölbe ver­ sehen, zu dessen Bau Schreyer die acht „gehawen sewlstein, so Anthoni Koburger 2G) im geschenckt“ 27) hatte, verwendete. Gleichzeitig legte man vom Stall zum Ausguß im Hof eine Abflußrinne aus Stein. Auch die Einrichtungen im Hof verdienen Erwähnung. 1484 ließ Schreyer einen Brunnen von etwa 18 Meter Tiefe ausheben, wobei 5 Meter ausgemauert und 13 Meter in den Fels geschlagen wurden28). Er berichtet, das Wasser stünde „7 schuh hoh [ca. 2 Meter], und mag nit erschöpft werden, vor so großem und starcken zufluß desselben“ 29). Mit zwei 5 Pfund schweren, kupfer­ nen Eimern30) wurde das Wasser aus dem Brunnen in einen daneben stehenden Kupfertrog geschöpft, von dem aus es durch bleierne Rohre in die Badestube ganz in der Nähe geleitet wurde. Dieses „padstublein“, neben dem ein „abzuchstublein“ mit einem Schornstein stand, war aus Stein gebaut, hatte ein Fenster und war mit einem Kessel und einem Ofen mit dem beträchtlichen Gewicht von 86,5 Kilogramm ausgestattet. Doch schon 1504 mußten die schad­ haft gewordenen Bleirohre gegen beständigere Kupferrohre ausgetauscht wer­ den. Die neuen ließ Schreyer „für die maurn auf 20 hocken legen“ 31). Schon einige Jahre vorher war das „heimliche Gemach“ vor dem Bad mit Steinen ausgelegt, neu gewölbt32) und mit einer Tür versehen worden. Der Weg zum Haus wurde überdacht, Hof und Tenne pflasterte man mit „praiten halbschuhig dicken komperger schalen“ 33) und brachte am Vorder- und Hinter­ haus auf den Seiten zum Hof und über den Gängen, die vom Haus zum „heim­ lichen Gemach“ führten, Dachrinnen an, die auf eisernen Haken auflagen. 36) Über ihn vgl. Hase, Die Koberger, S. 17—30. 27) Cod. B, fol. 117v. 28) Schreyer gibt als Maße 62 Stadtschuh, bzw. 17 und 45 Stadtschuh an. Zur Länge eines Stadtschuhs vgl. Cod. C, fol. 180v die Zeichnung und die Erklärung: „Das ist die lenge des Statschuhs zu Nürnberg zu zwölf zol geteilt etc., damit alle gepew gemeßen werden.“ 1 Stadtschuh mißt 30,2 cm; vgl. dazu auch Kamann, Aus Nürnberger Haushaltrungs­ und Rechnungsbüchem I, S. 65. 29) Cod. B, fol. 81. 30) Schreyer gibt als Gewicht 11 Pfund an. 1 Pfund entspricht etwa 475 Gramm; die folgenden Gewichtsangaben sind — wo nicht anders vermerkt — auf die heutigen Einheiten um­ gerechnet. 31) Cod. C, fol. 120v. 32) Cod. A, fol. 175v. ^ 33) Cod. B, fol. 117v. Über Kornberger Schalen vgl. F. Schnelbögl, Die wirtschaftliche Bedeutung ihres Landgebietes für die Reichsstadt Nürnberg. In: Beiträge z. Wirtschaftsgesch. Nürnbergs 1, S. 275 u. Anm. 5 3.

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Für diese zahlreichen baulichen Veränderungen hat Schreyer im Laufe der Jahre eine stattliche Summe ausgegeben: fl. 1476 1480 1484/5 1489 1490 1495 1497 1498 1501/2 1504 1511

lb

dn

2

29

2 8

10 14

71 150 133

215 12 42 19 11 56 8 19 736 = 737 fl.

14 27 12 7 lb

94 22 dn

Damit war es ihm gelungen, den Wohnsitz seiner sozialen Stellung anzupassen. Mit den Jahren hatte er sich zwei Stuben, sieben Kammern und zwei Küchen ausgezeichnet eingerichtet. Allein für den Umbau seiner geliebten Vorderstube gab er 42 fl. aus. Beide Küchen waren mit Herdstellen und Schorn­ steinen versehen worden, mindestens drei weitere Öfen standen in den Wohnräumen. Ein eigener Brunnen in einem gepflasterten Hof mit einer heizbaren Badestube mit Abzug dürfte auch um das Jahr 1500 noch zu den Ausnahmen gezählt haben. Abflußrinnen von Stall und „heimlichem Gemach" sicherten ein für damalige Zeiten Höchstmaß an Sauberkeit. Doch Schreyer konnte sich nicht lange ungetrübt an seinem so prächtig ausgestatteten Wohnhaus erfreuen. Allerdings war er zu dieser Zeit nicht der einzige, der mit seinen Nachbarn Besitzstreitigkeiten bekam. Uns sind allein von ihm drei Fälle aus den Jahren 1487, 1495/6 und 1497 überliefert, wo er gezwungen war, deshalb vor Gericht zu erscheinen. Wohl am häufigsten kam es wegen der Aufführung einer „Schidmauer“ zwischen zwei Anwesen zum Zwist. Im Jahre 1487 hatte Schreyer zwischen seinem Hof und dem seiner Nachbarin Katharina Poltz eine knapp 1,50 Meter lange und etwa 20 Zentimeter dicke Trennwand errichten lassen, die nach Meinung der Frau Poltz ihr Anwesen verkleinerte. Als Möglichkeiten der Einigung machte sie drei Vorschläge: entweder Abriß der Mauer, Zahlung eines Ewigzinses oder eine einmalige Abfindung in Höhe von 100 fl. Schreyer schlug dies als Zumutung aus. Die geschworenen Werkleute besichtigten den Bau und fällten ihr gesetzliches Urteil: die Mauer gehöre entweder beiden Parteien oder, falls die Familie Poltz auf die Benützung verzichte, habe Schreyer eine Ablösung von 8 fl. zu zahlen 84). Der zweite Vorschlag wurde durch­ geführt. 34) Cod. B, fol. 19, fol. 148—150r. 32

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Zwei Jahre später bezahlte bei einer zweiten Mauer jeder Besitzer das Stück, das auf seinem Grund lag, Schreyer den ersten und dritten „swinpogen“, Poltz den zweiten und vierten35). 1497 verursachte eine an Hans Millas Haus angebrachte Dachrinne Wasser­ schäden an Schreyers Hinterhaus. Das Gerichtsurteil erkannte auf gemeinsames Anrecht der strittigen Mauer und Milla war gezwungen, die Rinnen „neben die mawern auf kragstein oder eisnen hocken“ zu legen, die Mauer zu erhöhen und darauf „ein abschweif, so das wasser von des Schreyers hawß und der mawern abtregt“ 36), anzubringen. Es nimmt nicht wunder, daß bei der engen Bebauung in der Altstadt zwischen Nachbarn immer wieder Reibereien Vor­ kommen mußten. In diesen beiden Fällen, wo Schreyer einmal beklagt wurde und einmal selbst klagte, bekam er recht. In dem dritten uns überlieferten Geschehnis ist sein Begehren zwar Anlaß zu einem neuen Gesetz, das ihn jedoch nicht mehr betraf, weil der Rat wohl die neue Mode von „altanae“ verbot, für die bereits bestehenden aber eine Übergangslösung schuf37). Neben Schreyers Vorderhaus wohnte in Richtung zur Veste der Gerichts­ schreiber Hans Graf. 1495 teilte er seinem Nachbarn mit, er wolle das Dach zum Hof hin erhöhen, um darunter für seine Frau einen Platz zum Wäsche­ trocknen zu schaffen. Schreyer berichtet38), „alßpald darauf hat der gemelt Graf ein altana in einer stillen und on wissen des Schreyers zymmern und dieselben umb Michaelis im 95. jar auf einen tag eylends auf der gemelten abseyten aufsetzen lassen.“

Als auch noch eine Säule, offenbar als Stütze, errichtet wurde, beschwerte sich Schreyer bitter. »Er sehe woll, das er [Graf] ein altana machen woll, die werde im am liecht und luft schaden thun“ und „auf solicher altana alles das, so in seynem hawß beschicht und sunderlich in der abseyten, auf den gengen und ausserhalb der vordem gemech gehört und der merteil auch gesehen wurd.“

Doch sein Nachbar baute weiter. Schreyer, dessen Aufregung von Tag zu Tag wuchs, der aber trotzdem wiederholt betonte, daß er sich „nachtperlich zu halten begert, und ine nit gern mit pawlewten überzogen oder vor gericht beclagt“ [hätte], ließ nun seine Beziehungen spielen. Erbat Dr. Johann Letscher, den er „seinen guten herrn, freund und schweger“ nennt, Gabriel Nützel und den Losunger Paul Volckamer um Vermittlung. Grafs Vorschläge: entweder könne er die Seite zum Nadibarhof mit mannshohen Brettern vernageln, Schreyer solle seinem Anbau so lange zustimmen, bis er von selbst schadhaft geworden sei oder man solle eine bestimmte Zeit der Nutzung genehmigen. Doch Schreyer befürchtete, die Bretter würden ihm noch mehr Licht neh­ men, und die Einsicht würde damit nicht verringert, „wann teglich locher dardurch gemacht wurden, so er nit sehen konnd [/]“. Aber damit man seinen 35) Vgl. Stadt AN, L Cons. E. fol. 160v. 36) Cod. C, fol. 184; die genaue Schilderung ebda., fol. 184—18 5v. 37) Cod. C, fol. 153—155r. Cod. C, fol. 153r. 3

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guten Willen erkenne, wolle er die Altane bis Weihnachten stehenlassen, ohne etwas zu unternehmen. Zu derselben Zeit hatten jedoch auch andere Bürger der Stadt Streit mit ihren Nachbarn wegen einer Altane bekommen und ein Bittgesuch an den Rat um gesetzliche Regelung gesandt. Am 30. Juli 1497 wurde vom Rathaus aus das neue Gesetz „von der gepewen der altanen“ promulgiert 383): 1. Das Errichten von „altanae“ in der Sadt wurde verboten. Bei Zuwider­ handlung sei der Bau abzureißen und eine Buße von 50 lb neu zu ent­ richten. 2. Alle „altanae", die vor diesem Zeitpunkt gebaut worden waren, dürften stehenbleiben, aber nicht ausgebessert werden. Widrigenfalls würde wie bei 1 verfahren. Gegen diese Bestimmung konnte nun Schreyer nichts mehr unternehmen. Lakonisch schließt er an diese Mitteilung den Zusatz, Hans Graf habe am 10. Mai 1512 [l] seine inzwischen schadhaft gewordene Altane abbrechen lassen. Daß Schreyer in diesen drei Fällen alles daran setzte, sein Recht zu bekommen, ist nur zu verständlich; daß es ihm nicht immer gelang, zeigt, wie unnachgiebig und fest er auf einem einmal bezogenen Standpunkt beharren konnte. Mit diesen Streitfällen sollten jedoch die Zwistigkeiten mit seinen Nachbarn endgültig beseitigt sein. Über das weitere Schicksal des Hauses in der Burgstraße ist nicht allzuviel bekannt. Nach Schreyers Tod wurde es um 1250 GLw an einen Georg Eisvogel verkauft3ö). Was mit der Ausstattung geschah, läßt sich nicht mehr feststellen. F. Schulz 40) beschreibt aus Schreyers Zeit nur noch einen Wandschrank im Hausflur des Erdgeschosses mit zwei durch Türen geschlossenen Fächern mit Bändern und spätgotischen Schutzblechen und einen Fries von Blättern in der Hofmauer des Lagerraumes im ersten Stock, von 16,5 Zentimetern Höhe und 1,50 Metern Länge. Zweifellos handelte es sich dabei um die Reste der be­ rühmten Ausstattung der Vorderstube. Das Haus war noch bis zum Zweiten Weltkrieg erhalten, nach 1945 standen nur noch die Umfassungsmauern 41), heute ist an seine Stelle ein modernes Privathaus getreten. Eigenherr und Erbmann Zu seinem Geburtshaus erhielt Schreyer nach Sebastian Kammermeisters Tod noch das Haus in der Unteren (heute Hinteren) Ledergasse am Eck zwi­ schen den Häusern von Sebald Hornung und Christoph Grunhofer. 38a) Cod. C, fol. 155r. 39) LL 3 5, fol. 109v. 40) F. T. Schulz, Nürnberger Bürgerhäuser und ihre Ausstattung. Wien [1932—1937], S. 144 f. 41) Nach Grote, a. a. O., S. 44; vgl. auch W. Schwemmer, Die Bürgerhäuser der Nürnberger Altstadt Sebalder Seite (^Nürnberger Forschungen 6). Nürnberg 1961.

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Er war im Laufe seines Lebens Eigenherr von 76 Häusern mit einer Zins­ beteiligung von 185 GStw, 60 GLw42), 10 Fastnachthühnern, 1 Lammsbauch und 6 Wecken. Für 1 fl. Eigenzins wurden zwischen 23 und 28 Gulden 43) gezahlt. An 12 Häusern besaß er das Erbe. Von 2 Häusern bekam er 2 GStw und 1 GLw Gatterzins und kaufte in der Losungstube 30 Gulden Ewiggeld für 750 fl. Zwei reiche Erbschaften gestal­ teten diesen Besitz mit: 1. 1487 nach dem Tode seiner Mutter, auf die der Besitz ihres Mannes über­ gegangen war, die Eigenschaften an 32 Häusern mit jährlichen Zinsen von 94 GStw und 1 GLw, 1 Lammsbauch und 3 Wecken; 2. 1503 erbte seine Frau von ihrem Bruder das Haus in der Ledergasse und die Eigenschaften an 9 Häusern mit jährlichen Zinsen von 22 GStw, 19 GLw und 1 Fastnachthuhn. Dies entsprach etwa einem Drittel seiner gesamten Beteiligungen. Diese Angaben vermitteln selbstverständlich nur einen Querschnitt durch Schreyers Besitz. Dank seiner Grundstücksspekulationen und anderer Kapitalbeteiligun­ gen änderten sich diese im einzelnen laufend. Im folgenden wird zu unter­ suchen sein, wie er in der Stadt wirtschaftete. Kaum in Nürnberg seßhaft geworden, begann er mit dem Einstieg ins Berg­ baugeschäft44). Als dieser Versuch nicht sehr erfolgreich zu werden versprach, wandte er sich den Liegenschaften in der Stadt zu. 1480 erwarb er seine erste Eigenschaft mit 4 fl. Zins an einem Haus beim Rosenbad hinter dem Prediger­ kloster 45). Noch im gleichen Jahr kaufte er für 3 Jahre in der Losungstube um 750 Gulden Ewiggeld 46). 1481 wurde er Eigenherr von einem Haus beim Katharinenkloster (heute Peter-Vischer-Straße) und von zwei Häusern hinter dem Deutschherrenhof (an der Ecke Schlehengasse—Ludwigstraße). Offensichtlich hatte Schreyer bis dahin noch keinen festen Plan, da er zwar ein Objekt in der Nähe seines Hauses, die anderen aber weit entfernt im Osten und Südwesten der Stadt erwarb. Ab 1482 konzentrierte er sich auf die an hervorragender Stelle lie­ genden acht Häuser seiner Mutter am Markt beim Tuchhaus. Er kaufte das Erbe von drei Häusern dazu und vererbte es binnen kurzem mit beträchtlichem Gewinn an Zinsen und Reinerlös47). Nach dem Tod seiner Mutter waren dem 41jährigen Eigenschaften an 32 Häusern zugefallen, von denen über die Hälfte 42) 1 GStw und 1 GLw unterscheiden sich nicht wesentlich. Der Stadtwährungsgulden war ungefähr 2—3 dn mehr wert als der Landwährungsgulden. 43) Vgl. Cod. B, fol. 24: für 1481 1 GStw zu 24 Gulden; LL 31, fol. 135v: für 1518 1 GStw zu 28 Gulden. 44) Vgl. unten S. 49 ff. 45) Cod. B, fol. 21. «) Cod. B, fol. 20. 47) Für 1482: Cod. B, fol. 27v, fol. 36r. Für 1484: Cod. B, fol. 62v; fol. 65, LL 2, fol. 142. Für 1491: Cod. B, fol. 41, LL 7, fol. 347V; Cod. B, fol. 146, LL 8, fol. 27v—28. 5*

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in Wohnlagen standen, die in der Soziographie der Stadt als erstklassig gelten durften: 8 Häuser beim Tuchhaus am Markt; 6 Häuser im Kappenzipfel (heute Kapadocia); 4 Häuser in der Neuen Gasse; 3 Häuser in der Unteren Ledergasse; 1 Haus hinter St. Jakob beim Spittlertor; 2 Häuser in der Irhergasse (heute Irrerstraße); 5 Häuser am Panerberg (heute Paniersplatz); 2 Häuser vor dem Inneren Läufer Tor (beim Läufer Schlagturm); 1 Haus in der Beckschlagergasse 48). Schon drei Jahre später, im Mai 1490, verkaufte er die Eigenschaften an den Häusern am Markt, im Kappenzipfel und an drei vor 1487 erworbenen an Hans Thumer um 2000 Gulden, sicherte sich aber das Recht auf Wiederkauf4ß). In diese Zeit fiel Schreyers Beteiligung am Schmelzhüttenhandel und an der Finanzierung der Schedelschen Weltchronik 50). Diese beiden Projekte mögen der Anlaß zu dem überraschenden Verkauf gewesen sein. Zwei Monate später erbte seine Frau nach ihrem Bruder Heinrich weitere 400 Gulden 51). In den kommenden Jahren richtete er sein ganzes Augenmerk auf die Häuser in der Neuen Gasse, in der Ledergasse und auf die am Paniersplatz. Er kaufte zur Eigenschaft jeweils das Erbe und verkaufte es nach einiger Zeit mit Gewinn an ihm genehme Erbleute 52). Der Verlauf eines solchen Rechtsgeschäftes stellte sich wie folgt dar:53) Schreyer besaß die Eigenschaft an einem Haus in der Neuen Gasse zwischen Werner Hallhofer (Herlhofer?) und Paul Grüner und erhielt an jährlichen Zinsen 6 GStw. Am 16. Februar 1504 kaufte er um 230 GLw das Erbe und löste damit die frühere Nutznießerin Dorothea Hentz ab. Das Geschäft wurde vor Zeugen abgeschlossen und in gekürzter Form in dem beim Stadtgericht geführten „Manual der Keuf“ oder in dem „Conceptionalia“ genannten Ge­ richtsbuch eingetragen. Der Käufer erschien nun mit zwei Zeugen vor Gericht und bewies an Hand dieses Eintrags oder durch Beeidigung der Zeugen den Abschluß des Rechtsgeschäfts. Der Inhalt des Vertrags wurde darauf in die 48) 4Ö) 50) 51) 52)

Cod. B, fol. 43, fol. 44v, f0l. 50 ff., fol. 54v. Cod. B, fol. 118. Vgl. dazu unten S. 53 ff. Cod. B, fol. 141V—142. Zu den Häusern in der Neuen Gasse vgl. Cod. B, fol. 24iv, fol. 244, LL 9, fol. 214, LL 10, fol. 110, LL 15, fol. 159 f.; Cod. F, fol. 96v, fol. 98v, LL 20, fol. 75, fol. 76; Zu den Häusern in der Ledergasse vgl. Cod. C, fol. 115, fol. 116; Cod. F, fol. 193, fol. 194, LL 25, fol. 34; Zu den Häusern am Panerberg vgl. Cod. C, fol. 121, LL 11, fol. 91; Cod. C, fol. 190, LL 14, fol. 55; LL 14, fol. 56; LL 14, fol. 56v—57; Cod. F, fol. 122, LL 14, fol. 57; LL 14, fol. 291 f. 53) Cod. F, fol. 96v; LL 20, fol. 75; Cod. F, fol. 98v; LL 20, fol. 76; vgl. Mattausch, a. a. O., S. 27.

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Libri Litterarum eingetragen, und auf Grund dessen wurde die Urkunde ge­ fertigt, mit dem Gerichtssiegel versehen und herausgegeben. Der Kaufbrief setzte sich aus den immer gleichbleibenden Formeln zusammen:54) „Ich [. . . N. N. . . .] schulthayß und wir die schöpfen der stat Nurenberg veriechen offenlich mit disem brief, das für uns kam in gericht Sebolt Schreyer burger zu Nuremberg und pracht mit unsers gerichtsbuch das die erbern [. . . N. N. . . .] vor gericht auf ir ayde gesagt hetten, das sie des geladen zeugen weren, das [. . . N. N. . . .] für sich selbs und sein erben [. . . am . . .] vor ine veriechen und bekannt, das sie die erbschaften der hewser, mit allen iren gerechtigkeiten zu und eingehorungen, am [. . . Lage . . .], daran die eigenschaft des vorgenannten Sebolten Schreyers wer, eins rechten, redlichen, steten und ewigen kaufs, recht und redlich verkauft und zu kaufen gegeben hetten ime demselben Sebolten Schreyer und seinen erben ze haben und zu messen und hinfuro mit erb und aigen mit sein ainshand ze thun und ze lassen wie und was er wollt, ungehindert ir und irer erben und menigklichs von iren wegen und globten in solicher erbschaften, für frey ledigs und unverkumtmers [!] erbe ze fertigen und ze weren, als erbs und der stat Nurenberg recht were. Wann er ine . . . guldin reinisch landßwerung also bar dafür außgericht und bezalt, darumbs sie in und sein erben für sich und ir aller erben gar und gentzlich quit ledig und losse gesagt mit nemlicher versprechnuß, ob ainich brief über bestimpte erbschaft solicher behawsungen oder irer gerechtikeit vorhanden weren oder hinfur über kurtz oder lang funden oder furpracht wurden, das sie dem gemelten Sebolt Schreyer und seinen erben ohne schaden sein und uberantwurt werden sollten on geverde. Mit urkund ditzs briefs, der mit urteil von gericht geben ist, versigelt mit des gerichts zu Nurenberg anhangendem insigel. Deses sein zeugen die erbern [. . . N. N. . . .] am [. . Noch am gleichen Tag verkaufte er das Erbe um dieselben 230 Gulden an den Rotschmied Fritz Nerel und fügte hinzu: „umb den alten zinß und 1 ierlidi vaßnachthennen, so er mer darauf geschlagen hat“ K). Auch die Vererbung vollzog sich in festgelegten Rechtsformeln:56) „Das für uns käme in gericht Sebolt Schreyer burger zu Nurmberg und bracht mit unsers gerichtsbuch, das die erbern [... N. N. ...] vor gericht auf ir aide gesagt hetten, das sie des geladen zewgen weren, das [. .. N. N. ...] am [...] vor inen für sich und ir erben veriehen und bekannt hetten, nachdem er der gemelt Schreyer inen das erbe an ainem seinem aigenhauß mit aller seiner gerechtigkeit, zu und eingehorung alhie am [. . . Lage . . .] zu rechtem erb vererbt und verkauft hett, mit der beschaidenhait, das sie soliches erb der vorgemelten behaußung mit irer zugehorung [. . .] wie erbs und diser stat recht were, pewlidi und weßenlich halten und dem obbenanten Schreyer und seinen erben zu rechten aigengelt jarlich davon zinsen und geben selten und wollten . .. gülden der statwerung zu Nurmberg halb auf sant Walburgentag und halb auf sant Michels tag, als jarlich aigenzinß und gelts auch diser stat Nurmberg recht were, furbas ewiglich und auch nemlich also, das er furo mit sein ainßhand mit solichem aigen und aigengelt thun und lassen möcht, wie und was er wollt, von meniglich ungehindert, alles getrewlich und on geverde, [. . .].“ 54) Zugrunde gelegt wurde der Kaufbrief in Cod. C, fol. 121. Cod. F, fol. 98v. 58) LL 14, fol. 57.

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Es ist auffallend, daß Schreyer bis kurz vor seinem Tod keine der erwor­ benen Erbschaften mehr besaß. Da das Erbe jedoch meist bedeutete, daß man das Haus auch bewohnte, kam diese Möglichkeit für Schreyer nicht in Betracht. Er hatte sich sein Wohnhaus bereits nach seinem Geschmack eingerichtet. 1503 konnte er seinen Besitz durch eine weitere Erbschaft vergrößern. Als Vormund von Sebastian Kammermeisters Hinterlassenschaft erhielt er 200 Gulden, seine Frau erbte das Haus in der Ledergasse im Wert von 1400 Gul­ den und die Eigenschaften an neun Häusern für 2540 Gulden: 1 Haus am Fischbach (heute Karolinenstraße); 1 Haus in der Kotgasse (heute Brunnengasse); 2 Häuser in der Jakobstraße; 2 Häuser auf dem Neuen Bau (heute Maxplatz); 1 Haus in der Schustergasse; 1 Haus vor dem Inneren Läufer Tor; 1 Haus in der Fischergasse. Die Erbschaft erstreckte sich noch auf Kleinodien, Hausrat, Kleider, Wein und Bier, im Gesamtwert von 420 Gulden und auf Anteile für 1040 Gulden am Schmelzhandel in der Hütte beim Judenbach 57). Schreyer war nun so sicher gestellt, daß er sich nicht nur selbst am Schmelzhüttenhandel beteiligen konnte58), sondern 1508 auch noch die Eigenschaften an den 17 Häusern für 2000 Gulden zurückkaufen konnte. Nun wird deutlich, daß er einzelne Besitzschwerpunkte anstrebte. 1505 kaufte er in der Neuen Gasse zu den Eigenschaften an 4 Häusern noch 4 wei­ tere 59), 1506 eine „Eckbehausung“ mit einer Gießhütte zu den 5 alten am Paniersplatz60) und 1507 zu den 4 in der Ledergasse noch eine fünfte81). In der Stertzeigasse (heute Stöpselgasse?), die quer zur Burgstraße verläuft, er­ warb er ganz in der Nähe seines Wohnhauses die Eigenschaft an fünf Häusern und einem Stall62). Zu diesen ausgezeichnet gelegenen Objekten traten noch 13 Eigenschaften in kleinbürgerlichen und handwerklichen Wohn- und Arbeitsbereichen. Auch hier ist eine Konzentration festzustellen: beim Tiergärtnertor werden es 3, um St. Jakob 6, im Bereich der Brunnengasse und um das Innere Läufer Tor je 4 Eigenschaften. Einzelne lagen hinter St. Lorenz beim Kettenbrunnen und in der Kühnertsgasse. Von den Bewohnern sind ein Schlosser, ein Messing­ schlager, ein Pfragner, ein Fingerhutmacher, ein Nadler und ein Färber nament­ lich genannt. In Schreyers Häusern am Paniersplatz wohnten und arbeiteten ein Messingschlager, ein Goldschmied, ein Maler und ein Zimmermann. Hier scheinen sich besonders gerne Handwerker niedergelassen zu haben63). 57) 58) ") ®°) “) *2) M) 38

Cod. Vgl. Cod. Cod. Cod. Cod. Vgl.

F, fol. 62; LL 20, fol. 11—15. Anm. 50. F, fol. 112. F, fol. 126; LL 19, fol. 177**. F, fol. 160; LL 22. fol. 87. F, fol. 109. Schulz, a. a. O., S. 424—426.

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Der Besitz in der Stadt brachte Schreyer erheblichen Gewinn an Zinsen und Weisat. Zum Vergleich seien einige Jahresquerschnitte angeführt, die jeweils am Jahresende errechnet wurden: Jahr

1486 1489 1496 1500 1506 1510 1516 1519

Geldabgaben GStw

GLw

Fastnacht­ hühner

10 104 26 26 62 157V2 166 179

4 5 5 1 34 43 43 43

1 4 4 4 8 9 9 9

Weisat Lamms­ Weihnachts­ bäuche wecken 1 1 1 1 1 1 1

3 3 3

5 4 4 4

Deutlich ist die Zinszunahme im Lauf der Jahre zu erkennen. Durchschnitt­ lich konnte er mit 100—120 Gulden jährlich und der Weisat rechnen. Fast­ nachthühner entsprachen einem Wert von 10 dn, Weihnachtswecken dem von 20 und 30 dn. Sie konnten auch mit Geld beglichen werden. Die Verwaltung des Besitzes brachte selbstverständlich viel Arbeit mit sich. Schreyer hat uns eine Anzahl von Briefen überliefert, von denen der von dem berühmten Erzgießer Peter Vischer64) herausgegriffen sei, der seine Gießhütte in der heute nach ihm benannten Peter-Vischer-Straße hatte. 1505 war Schreyer vor der Pest nach Schwäbisch-Gmünd geflohen und hatte in seiner Eigenschaft als Eigenherr einen Brief von dem Erbmann eines Hauses im Katharinengraben erhalten, der sein Erbe verkaufen wollte, und einen von dem Käufer Vischer. Dieser schreibt:65) „Mein freuntlichen grus und willigen dienst, lieber herr Schreier. Wist, lieber herre, ich hab euch auf zeit gepeten, von der hofstat wegen, die neben mir leit und meister Ludbich [ = Ludwig] gewesen ist, ob sie einem andern verkauft wurd, das ir mir sie zu grossem danck liest wider faren; wist, lieber herr, das ich die hofstat kauft hab umb hundert und zwen gülden, und sol euch alle jar zu erbe vier gülden re. Nun will ich euch biten als mein lieben herm, das ir mir die hofstat wolt leihen, in gestalt und weis als man pflicht zu den [tun], und bit euch ir wolt ein mant [= einem Mann] geben eurem gewalt, der mir ein Zusagen dut von eurem wegen, und was ich thun sol gegen euch, das will ich geren thone, wann ich der hofstat notdürftig pin, zu meiner hüten, als ir oft gesehen habt, wann ich wider ein groß werck verdinck hob, Gott hab lob und ere, Got und Maria helf uns mit liebe zusamen, ich will dan, was euch lieb ist, mit meinem armen dienst, an sant Barbaren tag 1505. Peter Vischer rotsmid Dem ersamen und weisen Sebolt Schreier sol der brieve.“ Zu Peter Vischer vgl. Kap. VI, S. 148 f. 65) Cod. F, fol. 128v. Lochner, Des Johann Neildörfer Nachrichten von Künstlern, S. 26, berichtet über den Kauf, gibt aber eine falsche Kaufsumme an, nämlich 120 Gulden. €4)

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Schreyer wies Vischer in seiner Antwort auf seine baldige Heimkehr hin, und am 26. Mai 1506 kam dann der Kauf zustande. Vischer erwarb die „behausung, so davor 4 gemache under dreyen dachungen gewesen sind und jetzt derselben 2, nemlich die hindern abgeprochen und 1 gießhutten an derselben stat gemacht und gepaut ist, mitsambt dem hofe dabei.“

Die Größe von Gießhütte und Hof betrug „an der weyten, vomen gen der gassen 30 statschuh, 4 zoll und hinten gen der reyen 30 statschuh an der lenge zu beider seiten hinder sich, schnurrecht zu messen 70 statschuh, 6 zoll.“ 66)

Bei der Vererbung konnte es natürlich auch Vorkommen, daß die fälligen Zinsen zu spät oder gar nicht bezahlt wurden. Dann mußte der Erbmann ge­ richtlich zur Zahlung gezwungen werden. Scheyer berichtet über einen solchen Fall bei seinem Haus in der Ledergasse, wo der Zinspflichtige außerdem noch für die Gerichtskosten in Höhe von 29 Gulden aufkommen mußte, er vergaß jedoch nicht hinzuzufügen, daß er auf dessen Bitte hin 9 Gulden des Betrages nachgelassen habe, „umb gottes willen . . . das er also gethan und gesagt hat, das er das, so in ein closter körnen sei, zu ern gern thun woll.“ 67) Schlimmer erging es dem Färber Hans Rieter (Reiter), der seit 1481 Schreyers Haus hinter dem Deutschherrenhof bewohnte und seit drei Jahren mit den Zinsen in Verzug geraten war68). Der Eigenherr klagte am Stadtgericht und erhielt 1495 Rieters Erbe und Gerechtigkeit an einem anderen Haus, näm­ lich hinter St. Jakob, mit einem Erbwert von 28 Gulden zugesprochen, „darumb im dann solich erbe nit allein laut der Reformacion, sonder auch den geschrieben rechten nach haymgefallen were.“ 69) Zwei Jahre später erhob Rieter vergeblich Einspruch und hatte somit auch noch die gesamten Gerichtskosten in Höhe von 14 fl. 5 lb und 14 dn zu ent­ richten. 1496 vererbte Schreyer seinen neuen Besitz bereits weiter an den Zimmermann Georg Stadelmann um den alten Preis und 4 GStw Eigenzinsen. Ein solcher ,,HeimfaH“ kam in Nürnberg nicht allzu häufig vor. Unter Titel 26, Gesetz 6 der Reformation von 1479 sind die Bestimmungen nieder­ gelegt: „Von rewmung der erbe durch den erbmann mit bezalung versessner zins und underwindung des aigenherren solchs erbs.“ 70) Als Schreyer 1492 auch noch mit dem Erbmann seines Hauses am Markt Streit wegen einer ohne seine Genehmigung aufgeführten Mauer bekam71), ließ er für seine 5 Häuser am Paniersplatz besondere Bestimmungen in die M) ®7) M) ®9) 70)

LL 19, fol. 187 f. LL 23, fol. 84v. Cod. B, fol. 23; Cod. C, fol. 13iv, fol. 162, fol. 165, fol. 194 f.; L Cons. L, fol. 56. Cod. C, fol. 162. StadtAN, Quellen zur Nürnberger Geschichte Nr. 120, Abschrift v. H. Petz, fol. 161. Über den Begriff des Heimfallsrechts vgl. J. A. Tomaschek, Das Heimfallsrecht. Mit einem Gutachten über die Heimfallsrechte der Städte Wien und Prag. Wien 1882. 71) Cod. B, fol. 182.

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Libri Litterarum eintragen72). Sie setzten den Nutzungsbereich jedes Erb­ mannes, Errichtung und Besitzverhältnisse einer neuen Mauer so peinlich genau fest, wie man es nur selten findet. Dies schien dem Eigenherrn wegen der engen Lage der Häuser nötig. Zwei davon standen nach vorne nebeneinander, die drei anderen schlossen sich nach rückwärts an. Offensichtlich hatte er aus den Zwistigkeiten mit seinen Nachbarn in der Burgstraße gelernt.

2. Der Besitz auf dem Land

Eigenherr von Gütern und Höfen

Dienten die Geschäfte in Nürnberg hauptsächlich der Kapitalvermehrung und der Spekulation, so sollten die Beteiligungen auf dem Land eine sichere Geldanlage darstellen. Schreyer kaufte sich in 14 Dörfern in einem Umkreis von etwa 50 Kilometern um Nürnberg herum an. Dazu kam etwas weiter ent­ fernt ein Weinberg in Rödelsee. Auch bei seinem Landbesitz ist uns dank der ausführlichen Aufzeichnungen in den Codices und den Eintragungen in den Libri Litterarum eine lückenlose Rekonstruktion möglich. Dabei wurde die Identifizierung und Festlegung der Orte nach den in den Archivalien gegebenen Hinweisen auf Nachbarorte, Leitwege und Meilenentfernungen in Verbindung mit historisch-topographischen Angaben vorgenommen 73). Schreyers Liegenschaften auf dem Land Landkreis E b e r m a n n s t a d t Lützelsdorf: 1 Eigenschaft an 1 Gut74); Zinsen: 4 GLw, 1 Fastnachthuhn; Oberweilersbach: 2 Eigenschaften an 1 Gehölz und 1 Acker; Zinsen: 2 Fastnachthühner; Pretzfeld: 10 Eigenschaften an 7 Gütern, 5 Äckern, 1 Gehölz, 1 Wiese und 1 Garten; Zinsen: 6 GLw, 24 dn, 11 Fastnachthühner, V2 Sümmer75) Korn; 72) LL 14, fol. 54—5 5r; Schulz, a. a. O., S. 422 f. gibt den Inhalt der Eintragung wieder. 73) Zu Schreyers Besitz auf dem Land vgl. auch die Karte S. 42. Gelegenhait der landschaft; Hofmann, Nürnberg-Fürth; d e r s ., Die „Pfaffen­ pfründen“ im Landalmosenamt zu Nürnberg 1540—1550. In MVGN, Bd. 42, 1951, S. 145—171. Zur Entfernung in Meilen: ebda., S. 184, Landalmosenamtsurbar 2003. 1 Meile beträgt ungefähr 7,420 km; Herrn Prof. Dr. H. H. Hofmann danke ich für wertvolle Hinweise bei der Identifizierung der Orte. 74) Ein Gut schließt Behausung und Äcker ein. Von Behausung spricht man, wenn das Grundstück größer als die Grundfläche des darauf stehenden Hauses ist. Sie umfaßt Haus, Stall und die „Hofrait“ oder Hofstatt, den unbebauten Teil des Grundstücks; vgl. Mat­ tausch, a. a. O., S. 23. 75) 1 Sümmer = 4 Zentner 5 3' Pfund 11 Lot ungemahlen; = 4 Zentner 40 Pfund 27 Lot gemahlen; 1 Pfund — 2 Mark = 16 Unzen = 32 Lot = 128 Quint = 512 dn = 475,046 Gramm; nach Sander, a. a. O., S. 753.

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MYGN 56 (1969) Sebald Sdireyer

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■ N6UMARKT

Schreyers grundherrlicher Besitz im Nürnberger Umland • Orte mit Besitz

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(■ Orte zur Orientierung)

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Rüssenbach:

Unterweilersbach:

2 Eigenschaften an 3 Gütern und 2 Äckern; Zinsen: 2 GLw, 5 lb alt, 5 Fastnachthühner, 4 Herbsthühner, 120 Eier, 16 Käse oder für jeden Käse 10 dn; 2 Eigenschaften an 2 Gütern und 1 Gehölz; Zinsen: 6 lb alt, 2 Fastnachthühner;

Landkreis Forchheitn Buckenhofen: 1 Eigenschaft an 1 Hof; Zinsen (nicht angegeben); Kirchehrenbach: 1 Eigenschaft an 3 Äckern und .1 Wiese; Zinsen: 3 GLw, 1 Fastnachthuhn; Hausen: 1 Eigenschaft an 1 Wiese; Zinsen: 10 lb alt, 1 Fastnachthuhn; Gattergeld: 4V2 GLw; Landkreis Fürth Höfen: 1 Eigenschaft an 2 Äckern; Zinsen: 1 Fastnachthuhn, XI\ Sümmer Korn; Landkreis Hilpoltstein Pierheim: 1 Eigenschaft an 1 Gut; Zinsen: 1 Fastnachthuhn, 2 Sümmer Hafer; Landkreis Kitzingen Rödelsee: 1 Weinberg; Landkreis Neumarkt/Oberpfalz Döllwang: 1 Eigenschaft an 1 Gut; Zinsen: 2 GLw, 3 Fastnachthühner, 2 Herbsthühner, 2 Weihnachtswecken zu je 21 dn, 2 Käse zu je 15 dn, 2 Sümmer Korn; Landkreis Nürnberg Pattenhofen: 1 Eigenschaft an 1 Gut; Zinsen: 2 GLw, 1 Fastnachthuhn; Landkreis S u 1 z b a c h / R o s e n b e r g Erkelsdorf: 1 Eigen- und Erbschaft an 1 Hof und Garten; Zinsen: 30 ß zu je 30 dn, 1 Fastnachthuhn, 2 Herbst­ hühner, 2 Gänse oder dafür 42 dn, 60 Eier, 28 Käse oder für jeden 7 dn, 3V2 Maß78) Korn, 3V2 Maß Hafer, 1 Maß Weizen. 1 Sümmer hartes Getreide (Korn, Weizen) — 2 Malter = 16 Metzen = 128 Diethäuflein = 256 Maß; 1 Sümmer rauhes Getreide (Gerste, Hafer) = 4 Malter =32 Metzen = 256 Diethäuflein = 512 Maß; vgl. Kamann, a. a. O., S. 63.

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Daraus ergibt sich eine Gesamtbeteiligung an 18 Gütern und Höfen, 18 Äckern, Wiesen und Gärten, 3 Gehölzen und der Besitz von 1 Weinberg von 1V2 Morgen77). Ein Schwerpunkt wird in der Fränkischen Schweiz um Eber­ mannstadt deutlich, wo sich Schreyer allein in 6 Dörfern ankaufte. Durchweg beteiligte er sich in Räumen, wo Nürnberger Bürger und Stiftungen breit­ streuenden Grundbesitz hatten. In Erkelsdorf etwa waren noch im Jahre 1603 zwei Güter im Besitz der Nürnberger Familie Peyr (Bayr), bis 1771 in dem der Löffelholz von Kolberg78). Um Altdorf, Neumarkt und Hilpoltstein finden sich abermals Zonen dichter grundherrlicher Ballung. Zum Kauf des Weinbergs bei Rödelsee entschloß sich Schreyer, als er von der günstigen Ge­ legenheit hörte, die sich 1508 nach dem Tod des Nürnberger Bürgers Heinrich Topler aus dessen Nachlaß ergab. Er entschloß sich recht zögernd zu einer Kapitalanlage auf dem Land. Seine Geldbeteiligung war im Vergleich zu der in Nürnberg meist viel niedriger, was sich jedoch auch aus der allgemeinen Lage der Bevölkerung und dem Zustand der Wirtschaft auf dem Land um 1500 erklären läßt79). Allerdings ergaben sich hier wiederum bessere Möglichkeiten der Naturaliengewinnung. Elf Jahre waren vergangen, seit Schreyer in Nürnberg seßhaft geworden war. Am 15. September 1486 kaufte er in Lützelsdorf südlich von Ebermannstadt die erste Eigenschaft an zwei Dritteln eines Gutes, dessen drittes Drittel Abt und Konvent von St. Egidien besaßen80). Doch dieser Auftakt war wenig ermutigend, da ihm schon im nächsten Jahr Beschwerden über seinen „Hintersassen“ Ul Paur zugingen, „wie er sich wider die gemain setzet und ir Ordnung nit halten wolt“ 81). Diese Eigenschaft sollte Schreyers einzige in Lützelsdorf bleiben. Er ließ nur noch das Gut „bereyten, besichtigen und mitsampt allen seinen zu und eingehorungen zu dorf und zu velde wesende in gegenwurtigkeit des schaffers zu sand Egidien und Conntzen Sewrleins beschreiben.“ 82)

Erst nachdem er hier die Besitzverhältnisse hatte klären lassen, erwarb er in dem etwa 15 Kilometer davon entfernten Hausen seine zweite Eigenschaft an einer Wiese und kurz darauf 4V2 GLw Gattergeld um 90 GLw an einem Hof in demselben Dorf. 77) Aus Schreyers verstreut erwähnten Flächenangaben läßt sich erschließen: 1 Tagwerk = 2 Morgen (die Fläche, die an einem Vormittag mit einem Gespann um­ gepflügt werden kann) = 10 Beete = 20 Bifang = 80 Furchen; „1 Morgen velts ist 320 Statschuh lang und 140 schuh ist ein morgen weit“; nach K a m a n n , a. a. O., S. 65; zu diesen Maßen vgl. auch Waas, Der Mensch im deutschen Mittelalter, S. 46. 78) Herzogtum Sulzbach, Landrichteramt Sulzbach (= Hist. Atlas von Bayern, Teil Alt­ bayern, H. 10). Hg. v. M. Piendl. München 1957, S. 76. 79) Vgl. dazu Andreas, Deutschland vor der Reformation; Bader, Bauemrecht und Bauemfreiheit im späten Mittelalter; G. Franz, Der deutsche Bauernkrieg. 4. Aufl. München 1963 ; H 0 f m a n n , Bauer und Herrschaft in Franken; T. Knapp, Gesammelte Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, vornehmlich des Bauernstandes. Tübingen 1902; Smirin, Deutschland vor der Reformation; Waas, a. a. O.; d e r s., Die Bauern im Kampf um Gerechtigkeit. 80) Cod. B, fol. 84v ff.; LL 4, fol. 99. 81) Cod. B, fol. 85v; StadtAN, LCons. E (3), fol. 104, 82) Cod. B, fol. 121 f.

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Hatte Schreyer zwischen den beiden großen Erbschaften von 1487 und 1503 die Eigenschaften von nur zwei Häusern in Nürnberg an sich gebracht, so gewann er im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts den Großteil seiner Güter auf dem Land. Allein im Jahre 1492 erwarb er 6 Eigenschaften für insgesamt 161 GLw: am 4. Juli an 1 Gut in Pattenhofen um 50 GLw; am 4. Juli an 1 Gut in Pretzfeld um 11 GLw; am 3. Oktober an 2 Äckern in Höfen um 10 GLw; am 8. Oktober an 1 Gut in Pretzfeld um 14 GLw; am 20. November an 1 Gut in Pretzfeld um 16 GLw; am 17. Dezember an 1 Gut in Döllwang um 60 GLw 83); 1493 waren es 4 Eigenschaften um etwa 300 GLw: am 15. März an 1 Gut in Döllwang um etwa 60 GLw; am 29. April an 1 Gut in Pretzfeld um 12 GLw; am 7. Juni an 1 Gut in Döllwang um 44 GLw; am 14. November Eigenschaft und Erbe an 1 Hof in Erkelsdorf um 190 GLw 84). 1494 bis 1501 kaufte er in Pretzfeld noch 5 Eigenschaften um etwa 200 GLw, erweiterte die 2 erstgekauften und verkaufte die am 8. Oktober er­ worbene 85). 1496 bis 1503 kamen noch 2 Eigenschaften in Oberweilersbach, je 1 in Kirchehrenbach und Buckenhofen, 2 in Rüssenbach, 2 in llnterweilersbach und 1 in Pierheim im Wert von annähernd 600 GLw dazu 86). 1508 er­ warb er zum Abschluß den Weinberg in Rödelsee87). Ein Überblick über diese Grundstücksgeschäfte im weiteren Umland Nürn­ bergs lehrt, daß Schreyer schätzungsweise 1300 GLw darin investiert hat. Die Anteile an einem Gut betrugen zwischen 11 und 40 GLw. Nur die beiden Güter in Erkelsdorf und Pierheim stellten sich auf 190 beziehungsweise 300 GLw 88) und brachten entsprechend hohe Abgaben. Abgesehen von drei unbe­ deutenden Eigenschaften in Pretzfeld und einer in Rüssenbach, die er für 7 Jahre verkaufte, veräußerte Schreyer nur den Besitz in Erkelsdorf, den er ein Jahr nach dem Kauf vererbte (1494) und dessen Eigenschaft er 1518, zwei Jahre vor seinem Tod, verkaufte. Vielleicht war ihm dieses Gut doch zu weit entfernt, um es genügend überblicken zu können. 83) Cod. B, fol. 174v; fol. 173V, LL 8, fol. 138; Cod. B, fol. 183v, LL 8, fol. 170; Cod. B, fol. 185v, LL 8, fol. 174; Cod. B, fol. 188v, LL 8, fol. 198v; Cod. B, fol. 190 f., LL 8, fol. 209. 84) Cod. B, fol. 207, LL 8, fol. 237 ff.; Cod. B, fol. 222, LL 10, fol. 16; Cod. B, fol. 20lv; Cod. C, fol. 88v; 85) LL 9, fol. 239 f.; Cod. C. fol. 96v, LL 11, fol. 57; Cod. C, fol. 102, LL 12, fol. 91 f.; Cod. C, fol. 102V; Cod. C, fol. 105, LL 12, fol. 123; Cod. C, fol. 135v; LL 13, fol. 64 f.; LL 8, fol. 174v; Cod. C, fol. 156; Cod. C, fol. 174 f. M) Cod. C, fol. 138, Cod. F, fol. 58; Cod. C, fol. 170 f.; LL 11, fol. 207; Cod.. C, «fol. 166v, fol. 186, fol. 188v, Cod. F, fol. 157, LL 22, fol. 34vf.; LL 15, fol. 230, LL 15, fol. 229vf.. Cod. F, fol. 42, LL 18, fol. 249V—252. 87) Cod. F, fol. 168v, LL 10, fol. 70. 88) Cod. C, fol. 88V; Cod. F, fol. 42, LL 18, fol. 249v—252.

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Vergleicht man seinen Grundbesitz in Stadt und Land, so wird man sagen können, daß er in der Stadt stärker spekulativ tätig geworden ist und auf den Verkauf von Grundstücken mit Gewinn bedacht war, während er auf dem Land langfristige Kapitalanlage betrieb. Seine jährlichen Einnahmen insgesamt ergaben hier eine beträchtliche Summe. Einige Querschnitte, jeweils am Jahresende berechnet, mögen die Höhe der Zinsen auf dem Land zeigen. Jahr

Geldabgaben

Weisat

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Ph

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Eier

in »-*-< cd

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Käse

Vh CJ

G G

Herbst hühnei

GLw 1b alt dn

nachtsweckei

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1 1 17

2

2

2

22

2

2

2

6

24

2

2

2

5

19

28

6

18

60

2

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5

19

28

6

18

60

2

25

5

19

28

6

18

60

2

1486 1489 1496

4 4 1 5V2

1500

17V2

1506

23

1510

25

1516

1519

6

24

Getreide

2V4 Sümmer Korn 23/4 Sümmer Korn 2V4 Sümmer Korn; 2 Sümmer Hafer 23/1 Sümmer Korn; 2 Sümmer Hafer 23/4 Sümmer Korn; 2 Sümmer Hafer 3/4 Sümmer Korn; 2 Sümmer Hafer

Wein

von Rödelsee von Rödelsee von Rödelsee

Daß Schreyer gelegentlich auch Sonderwünsche äußerte, zeigt ein Brief an seinen Erbmann in Pretzfeld: „Lieber Wunner, ich bit dich das abß [= Obst] der birn und apfel beyzeyt dieweil gut wetter ist, hereinzusicken und konstu begelpirn89) zwey oder dreyhundert ankumen, so sick mir die, auch wil ich dir alles gütlich bezalen.“ 90) 89) „pegcl" = mhd. pagella, eine Art Feld- und Weinbergmaß; vgl. J. u. W. Grimm, Deut­ sches Wörterbuch, Leipzig 1889, Bd. 7, Spalte 1523. Es könnte sich dabei um eine Art Feldbime handeln. ®°) StadtAN, Cod. man. 74 a, fol. 59v.

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Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit Waren die Erbleute in der Stadt der Gerichtsbarkeit des Rates unterworfen, so übte auf dem Land der Eigenherr die niedere und vogteiliche Gerichts­ barkeit ausöl). Er war für die Entscheidung in allen Fällen des Erbgutes zu­ ständig, wie etwa für Beurkundung von Testamenten, für Kauf- und Tausch­ verträge, Erteilung von Konsensen über Bürgschaftsleistungen, Bestätigung von Eheverträgen, Bestellung und Überwachung von Vormündern und die Vornahme von Erbteilungen. Alle Real- und Personalklagen mußten in der Regel hei den Eigenherren eingebracht werden. Diese durften selbst gegen den Erbmann vollstrecken 92), und nur auf ihr Ersuchen oder mit ihrer Zustimmung trat das Bauerngericht zusammen öS). Es war in diesem Fall für die gesamte Landbevölkerung zuständig, soweit sie Nürnberger Untertanen waren. Lim von Anfang an die Besitzverhältnisse an einem Gut festzulegen, ließ Schreyer so bald wie möglich von einem „geschworenen Landboten" mit amt­ lichen Vollmachten jede Neuerwerbung besichtigen und „mit aller seiner zugehorung beschreiben." Mit welcher Genauigkeit er dies vornehmen ließ, mag ein Beispiel von 1492 aus Döllwang zeigen: 94) „Item das gut zu Telbang 6 meyl von Nurmberg gelegen, daran das erb diß zeyt Endresen Holmeyr und Margrethen seiner wirtin ist, hat ein hofstat, so yetzo ist zwischen Ul Pecherleins garten und der gemeinen Strassen, die vom dorf gen dem Newenmarckt get gelegen, so etwen mit warhawß, stadel und hofgaden ee zymert gewesen ist, sol er wider bezumern in einem jar. Item ein acker, des ob anderthalben morgen ist, am Laberberg zwischen Cuntzen Zoschangers zu Talwang, Lienharten Tawners, Peter Vlein und Symen Rein­ warten zu Vallersprun egkem gelegen. Item ein acker, des bey zwaintzig petten ist, im Hagenach mit dem einen ort an dem weg, so gen Walckersperg geet und dem andern ort an Ul Kaferleins acker gelegen. Item ein acker, des 10 peth sind, auch im Hagenach, mit dem einen ort an den weg gen dem Wackersberg und dem andern ort an der Karnpetterin zu Telwang eckern gelegen. Item ein acker, das 10 peth sind, auch im Hagenach an dem weg, so gen der Heintzenmul geet und dem andern ort an des Tyl Seytzen zu Telwang ackern gelegen. 91) Vgl. oben Anm. 70: Nürnberger Reformation von 1479, Titel 1, Gesetz 9, fol. lr; vgl. auch J. Siebenkees, Von den Rechten der Nürnbergischen Eigenherrschaften, ein Beytrag zum Teutschen Rechte. Nürnberg 1798; Mattausch, a. a. O., S. 55. 92) Verneuerte Reformation, Titel 36, Gesetz 9, § 1; Siebenkees, a. a. O., S. 42; Mattausch, a. a. O., S. 55. 93) Vern. Reformation, Titel 1, Gesetz 3 und 5; zu den Aufgaben des Bauemgerichts vgl. Kap. I, S. 23. 94) Cod. B, fol. 191v—192r; Schreyer ließ darin den ersten, 1492 gekauften Teil eines Gutes aufzeichnen, dessen zweiter und dritter Teil Cod. B. fol. 212v—213r beschrieben wird.

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Item ein acker, des 5 pifang sind zwischen Hansen Pecken und der Kornpeterin eckern gelegen, mit dem dritten ort an Ul Koferlein und dem vierden an den weg, so gen Wangen get, stossende bey der Weydenwiesen. Item ein holtz und ein holtzmarck, das Junckhermholtz genant, so ob vier tagwercken weyt ist, gegen Weyerßdorf auf der Ewerwurtz gelegen, ist zu merholtz und prenholtz und ist vermarckt, verraint und verstaint nach notturft. Item das gut hat auch gerechtigkait mit den andern im dorf in der gemain holtzer enspan auch alle ander gemain wund, wayd und nutzung zu dorf und felde. Item das dorf hat selbst schaftreyb und wurd auch von niemand mit schafen ubertriben oder belestigt. Item über des vorgeschriben gut mit aller seiner zugehorung ist Sebolt Schreyer aigenherr und gehört mit dem gericht gen Nürnberg oder wohin ine Sebolt Schreyer weist, die freyß des dorfs gehört gen dem Newenmarckt, ligt in Eystetter Bistumb und hat sein eigne pfarr, gehört in Hirsperger landgericht und gibt kein klein zehenden, aber den grossen zehenden gibt es dem pfarrer zu Telwang, dem Michel Plancken und dem Fritzen Zöschen, metzler, bede zu dem Newenmarckt, davon ir yedem ein drittail zustet, und acht sein erb gutz also unbezimert auf hundert guldin reinisch.“

Worauf der Eigenherr auf dem Land Einfluß hatte und worum er sich küm­ mern mußte, zeigen die verschiedensten Streitfälle, die Schreyer alle in seinem Briefbuch 95) verzeichnet hat. Er mußte in seiner Eigenschaft als Grundherr mit allen Anschlüssen der niederen Gerichtsbarkeit auch bei Ehezwistigkeiten schlichtend eingreifen, wobei er drastische Äußerungen schildert98). Eine Ehefrau klagt über ihren Mann, der „nit arbeiten woll, sunder stetes bey den wirten spil, und der gesellschaft lig“. Auf ihre Vorhaltungen „schlach er sie, und dro ire arm und pein abzuhawen“. Nach einem erfolglosen Be­ gütigungsbrief Schreyers bestellte er den Bauern zuerst zu sich nach Nürnberg und ließ ihm dann durch den Landboten befehlen, bei Strafe von 50 GLw das Gut nicht weiter verkommen zu lassen und seine Frau und seine Kinder nicht mehr zu bedrohen. Häufig waren auch Streitigkeiten mit Nachbarn 97). Schreyer mußte seine „Hintersassen“ unterstützen und für sie Bittgesuche an das zuständige Gericht verfassen. Einer fühlte sich bedroht, einer hatte seine Wette nicht beglichen, wieder einem holzte ein Nachbar sein Grundstück ab. Dem letzteren riet der Eigenherr, einen Prokurator die Angelegenheit vor das Nürnberger Bauerngericht bringen und ein Verbot bei Strafe erteilen zu lassen. Um seine Erbleute vor leichtfertigen Bürgschaften zu schützen, erließ er eine Bestimmung, die ihnen untersagte, für irgend jemanden eine Summe Gel­ des zur Verfügung zu stellen oder auch für sich selbst stellen zu lassen98). Einen breiten Raum nahmen die Fälle ein, wo seine Hintersassen mit Zahlungen in Verzug geraten waren "). e5) M) g7) 98) ")

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StadtAN, Cod. man. 74 a. Für Pretzfeld: ebda., fol. 52v— 54r. Unterweilersbach: ebda., fol. 174—177v; Pretzfeld: fol. 41; Pattenhofen: fol. 160 f. Ebda., fol. 56v. Pretzfeld: ebda., fol. 54v, fol. 132v, fol. 170; Döllwang: fol. 83; Erkelsdorf: fol. 132.

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Energisch griff er jedoch dann ein, wenn er in seinen Rechten beschnitten werden sollte 100). 1493 klagte ihm sein Erbmann Michel Dors, der Ritter Eberhard von Streitberg zu Streitberg habe als sein Lehnsherr Anspruch auf seine Wiese erhoben und sie abmähen lassen. Schreyer veranlaßte eine Eingabe an den Rat und schrieb außerdem noch selbst an ihn. Auf Vermittlung der Ratsherren verzichtete der Ritter auf das heimgeführte Heu und sagte dem Dors die Nutzung der Wiese wieder zu. In schwierigen Fällen hat sich Schreyer in der Ausübung seines Rechts im Hintergrund gehalten und meist an das Bauerngericht verwiesen. Dies ist ihm freilich nicht zu verdenken, weil jeder Streitfall neue Belastungen mit sich brachte. Immer wieder betont er jedoch sein Verständnis und sein Bemühen um Gerechtigkeit bei allen Verfehlungen. „Zu strafen sey seins fugs nit, er mocht auch das gegen Got nit verantworten, wann er mit recht gen im nichtzit erstanden hab, so mag auch nymant in sein eigen Sachen richter sein." 101)

3. Beteiligung am Silberbergbau und am Schmelzhandel

Zum Jahre 1477 berichtet Schreyer über seine Beteiligung am Silberberg­ bau bei Zwickau in Sachsen. „Item Sebolt Schreyer hat sich unterstanden perckwerck zu pawen, wiewol im das zu merermaln nit allein durch sein eitern, sunder auch von allen seinen guten freun­ den widerraten ist, so ist er doch darzu bewegt worden durch ein groß mercklich geschrey und ruf, so ein perg, genant der Schneberg im land zu Meichsen bey Zwickaw gelegen, gewunnen hat, welches auch weyt und breit allenthalben er­ schollen was, wiewol das nachvolgend etwe gar vilen und dem mererteil, so daran haben, zu grossem schaden und verderben kommen ist." 102)

Schon seit der Mitte des 15. Jahrhunderts waren auf dem Schneeberg, der der auf seinem südöstlichen Hang entstehenden Stadt108) den Namen gab. zahlreiche Silberzechen entstanden. In großen Scharen waren die Menschen in dieses Gebiet geströmt, als 1470/71 gewaltige Silberfunde bekannt wurden 104). Da das gebrochene Erz vielfach bis zu 50% silberhaltig war, nimmt es nicht wunder, daß um 1478 allein im Stadtgebiet Schneeberg 57 Zechen in Betrieb waren.105). Es spricht für Schreyers wachen Sinn für Spekulation, daß er sich gegen den Rat seiner Freunde eifrig und mit Begeisterung auf diese seine erste Spekulation einließ. Im Laufe des Jahres 1477 erwarb er 15 Kuxe 106) für insi°°), 101) 102) 103) 104) t05)

pretzfeld: ebda., fol. 42—43v. Ebda., fol. 146*. Cod. A, fol. 154*. C. Lehmann, Chronik der freien Bergstadt Schneeberg. 3 Bde. Freiberg 1837—1840. O. Hoppe, Der Silberbergbau zu Schneeberg bis zum Jahre 1500. Diss. Freiberg 1908. Schneeberg. In: Sachsen (= Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 8). Hg. v. W. Schlesinger, Stuttgart 1965, S. 320—323; vgl. auch Geschichte Schlesiens. Hg. v. der Hist. Kommission für Schlesien. 3. Aufl. Stuttgart 1961, Bd. 1, S. 1475 ff. 106) „Bergwerksaktie“, alt „der 128. Teil an Besitz und Gewinn einer gewerkschaftlichen Grube.“ Frühnhd. kukes und kukus, noch früher £ech. kukus, kus, genauer „kus homi“ = Bergteil; nach F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 19. Aufl. Berlin 1963, S. 415. 4

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gesamt 272 Gulden. An Betriebskosten mußte er in den folgenden Jahren 96 Gulden 4 ort aufbringen. Interessant ist, daß er 14 Kuxe innerhalb von nur sechs Wochen an sich brachte. Die 15. — und teuerste — kaufte er vier Monate später um den beacht­ lichen Preis von 150 Gulden. Jedes dieser Gewerke war mehrere Jahre in Betrieb, die vier letzterworbenen sogar zwischen acht und elf Jahren. Schreyer scheint jedoch schlechte Berater gehabt zu haben. Er kaufte sich zwar an elf verschiedenen Stellen um den Schneeberg herum an, kein Stollen erwies sich jedoch als fündig. So schreibt er zum Beispiel über eine Neuerwerbung: „Item die vicesimo 1 gukus in Staudners lehen auf dem Schneberg umb 15 guldin und ist erstlich zu Sant Blasius und nadivolgend zu ostem im 82. iar zu des hei­ ligen crewtz Stollen geschlagen worden, und als er den 8 iar gebaut und 16 guldin darauf gelegt hat, ist solcher paw nemlich im 85. jar, auch von gewercken ligend bliben.“ 107)

Jede Notiz endet mit diesem Schlußsatz. Schreyers Anteile Gewerke

1477

Anlagekosten

Betriebs­ kosten

Betriebs­ dauer in Jahren

ort

fl.

fl.

2

22

8

4 1

6 12

1 5

2

9

6

2V2

1

14

4

2

1

1

15

16

1

8

1

28

21

1

16

18

3

11

1 150 15 272 Gesamtinvestition: 369 GLw 1 ort.

16 95

2 9

I0V2

12. 4. In der silbernen Birke auf dem Klaßberg 27. 4. Zu St. Ulrich im Kretzer­ berg 1.5. Im Haslach bei Zwickau 7. 5. Zu U. L. F. im Mulerb auf dem Kreilsberg 7. 5. Zu St. Kunigunden auf der Mulleiten 7. 5. Zu St. Wolfgang auf dem Presseisberg 10. 5. In St. Niclas auf dem Mulberg 20. 5. In Staudners Lehen auf dem Schneeberg 20. 5. Im Sperling auf dem Schneeberg 20. 5. In St. Niclas in der Ritter­ zeche auf dem Schneeberg 27. 9. In der Kinderschmelzer­ zeche auf dem Mulberg

107) Cod. A,

50

Kuxe

hl 154*.

2V2

1

1

1 1 1

11

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An seinen Eintragungen ist deutlich der Verlauf an einer Bergwerksbe­ teiligung zu erkennen: Durch den Kauf einer Kuxe erwarb man den Anteil an einem Gewerke. Neben den Anlagekosten waren in der Folgezeit Betriebskosten zu entrichten. Erwies sich der Stollen nach ein paar Jahren als nicht fündig, wurde er still­ gelegt, und die Beteiligten hatten ihr investiertes Geld verloren. Wie über den Bergwerksbetrieb Buch geführt wurde, zeigt ein Beispiel aus dem Bayreuthischen, das Gewerkenbuch von Goldkronach aus den Jahren 1481/83 i08) recht anschaulich. Schreyer ist bei diesem Unternehmen — wie er ja auch selbst erzählt — nicht allein ohne Erfolg geblieben. Es ist bekannt, daß auch bei fündigen Zechen nach wenigen Jahren vielfach Wasser in die Gruben drang und die Förderung so stark behindert wurde, daß man 148 5 einen Filzteich und ein kostspieliges System von Abflußstollen und Flößgräben anlegen mußte 109). Er weiß seine Fehlspekulation damit zu entschuldigen, daß er „durch ein groß mercklich geschrei und ruf" dazu bewogen worden sei. Man muß ihm jedoch zugute halten, daß er dennoch über dieses für ihn so erfolglose Geschäft berichtet hat. Bald darauf wandte er sich einem anderen Projekt zu. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war ein neues gewinnversprechendes Unternehmen entstanden, der Schmelz- und Saigerhüttenhandel uo). Ehe das Rohkupfer in der Fabrikation Verwendung finden konnte, mußte es einem Saigerprozeß unterworfen werden, das heißt, mit Hilfe von Blei wurde dem Schwarzkupfer Silber entzogen. Über die Handelsstraße Nürnberg — Bamberg — Coburg — Erfurt — Leipzig gewannen die Nürnberger Einfluß auf die an dieser Straße gelegenen reichen Kupferbergwerke der Grafen von Mansfeld. So entstand 1464 eine thürin­ gische Saigerhütte am Flüßchen Steinach unterhalb des Judenbaches, errichtet von den Nürnbergem Steinmetz, Preutigam und Hiltprant. Sie wurde durch einen Freibrief des Herzogs Wilhelm von Sachsen gesichert und war die erste einer Reihe von Schmelzhütten, die in den kommenden Jahren in Thüringen entstehen sollten. 1482 ging sie an die Nürnberger Bürger Christoph und Georg Roth (auch Rothan) und Hans Burckel über. An diesem neuen Wirtschaftszweig zeigte nun auch Schreyer größtes In­ teresse. Um sich Bargeld zu verschaffen, verkaufte er am 27. Mai 1490 die Eigenschaften an 17 Häusern in der Stadt111) um 2000 Gulden. Mit diesem lü8) W. G. N e u k a m , Ein Gewerkenbuch aus den Jahren 1481/82. In: MVGN, Bd. 44, 1953, S. 25—57. io«) Ygi Schneeberg, a. a. O., S. 322. 110) Das Folgende nach Möllenberg, Die Eroberung des Weltmarkts durch das mansfeldische Kupfer, S. 5 ff.; vgl. dazu auch Bechtel, Wirtschafts Stil des Spätmittelalters, S. 118 ff.; Dettling, Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jahrhundert; Lütge, Der Handel Nürnbergs nach dem Osten, S. 3 54 ff. 1U) Vgl. oben S. 36. 4*

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Kapital wurde er schon einen Tag später neben Rothan und Burckel Teilhaber an der Schmelzhütte, ließ sich aber die Möglichkeit offen, jederzeit wieder aus­ zuscheiden 112). 1498 wurde ein neuer Vertrag aufgesetzt, der fünf weitere Teilhaber nannte. Schreyer hat uns für 1499 eine eigenhändig geschriebene Aufstellung über die Beteiligung der einzelnen Gesellschafter überliefert: 113) Anschlag für die Hütte 1000 fl. 2000 fi. Hans Burckel Sebald Schreyer 2000 fl. Sebastian Kammermeister 114) 2000 fi. 2000 fl. Hans Starck 115) 800 fi. Hans Burckel und Christoph Rothan 1600 fi. Berthold Tücher Ein Jahr später erhöhte Kammermeister seinen Anteil auf 3655 fl. Daraus ergibt sich eine Gesamtbeteiligung der Gesellschaft von 13.05 5 fl. Nach Sebastian Kammermeisters Tod im Jahre 1503 stiegen Schreyers Anteile auf insgesamt 3040 fl. m). Doch 1507 kam es zu Differenzen. Rothan forderte für seinen Bruder und sich 410 fl. an verfallenem Gewinn der letzten sieben Jahre. Nachdem Georg Rothan nämlich in Acht und Bann geraten war (Schreyer läßt sich über den Grund nicht näher aus), hatte Burckel zwar Rothans vierten Teil an der Schmelzhütte „erlangt", den Gewinn aber diesem zugesprochen. Darüber begann in den folgenden Jahren ein heftiger Streit, bei dem Burckels Rolle reichlich undurchsichtig bleibt, da er versuchte, die Schuld auf die übrigen Teilhaber abzuschieben. Auf 70 Seiten schildert uns Schreyer diesen langwierigen Prozeß 117), der schließlich vor Gericht entschieden wurde. Die Gesellschafter hatten die fälligen Zinsen zu zahlen. Leider erfahren wir über die weitere Entwicklung von Schreyers Teilhaber­ schaft an der Schmelzhütte und über die Höhe der Gewinne nichts mehr. Es ist anzunehmen, daß er in dem verschollenen Band G mehr darüber berichtet hat. In seinen letzten Lebensjahren muß er sich aus dem Unternehmen zurück­ gezogen haben, da sich in seinem Testament keine Erwähnung darüber findet.

112) ,I3) 114) 115)

Cod. B, fol. I20v. Cod. F, Beilage. Sebastian Kammermeister war der Bruder von Schreyers Frau. W. G. N e u k a m , Ulrich Starck, ein Nürnberger Handelsherr und Unternehmer (f 1478). In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs 1. Nürnberg 1967, S. 177—220; über das Geschlecht der Stande vgl. besonders S. 179 ff. 118) Vgl. oben S. 3 8. 117) Cod. F, fol. 200—234r.

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4. Mitfinanzierung der Schedelschen Weltchronik

Schreyers drittes großes Projekt war seine Beteiligung am Drude von Hartmann Schedels118) Weltchronik, dem „Liber chronicarum“ 119). Der soeben in Mainz erfundene Buchdruck hatte 1470 seinen Einfluß auch in Nürnberg geltend gemacht. Rasch machten sich ihn die Humanisten nutzbar. Er sollte auch einem Unternehmen dienen, um das sich führende Männer der Stadt aus dem Geschichtsbewußtsein der Zeit heraus seit langem mühten. Eine umfas­ sende Weltgeschichte entstand 12°). Das so berühmt gewordene Werk wurde bereits häufig unter kunstgeschichtlichen und formalen Aspekten betrachtet. Hier seien einmal die finanziellen Gesichtspunkte eines solchen riesigen Unter­ nehmens aufgezeigt. Zur Fertigung der Holzschnitte erklärten sich Michel Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff121) bereit, den Druck übernahm Anton Koberger122), die Finanzierung wurde von Sdireyer und seinem Schwager Sebastian Kammer­ meister getragen. In einem ersten Vertrag vom 29. Dezember 1491 verpflichte­ ten sich die Illustratoren, das drudefertige Manuskript mit dem lateinischen und deutschen Text und sämtlichen Holzschnittmodeln Schreyer und Kammer­ meister sobald wie möglich auszuliefem, dafür zahlten ihnen die beiden 1000 GLw in bar, bestritten die Druckkosten und sorgten für den Vertrieb der Bücher. Ein zweiter Vertrag vom 16. März 1492 regelte die Druckkosten123). Ko­ berger war für die Schaffung des Materials verantwortlich, erhielt aber von Schreyer und Kammermeister für jedes „getruckts riß pappir so zu puchem gelegt und gemacht were“ 124) 4 GLw und für verdorbenes oder übrig geblie­ benes Papier und das Risiko bei der Papierbeschaffung 50 GLw dazu. Be­ zahlung sollte sofort erfolgen, „so ain antzal pappirs getruckt, und zu tritternen gelegt, oder zusammen gegattirt125) ist", nicht erst nach Vollendung des ganzen Druckes. Ein recht kostspieliges Unternehmen war somit in die Wege geleitet wor­ den 126). Schon am 12. Juli 1493 erschien die lateinische Ausgabe, eine deutsche 118) Über ihn vgl. Kap. V, S. 115 ff. n») Vgl. dazu M. H a i t z, Hartmann Schedels Weltchronik. Diss. München 1899; Meyer, Hartmann Schedel; J. Sprengler, Hartmann Schedels Weltchronik. Diss. Würzburg 1905. 120) Vgl. dazu auch Kap. V, S. 116 f. 121) Ebda., S. 155. 122) Ebda., S. 155. 12S) Cod. B, fol. 165V—168v. Schreyers Bericht über die beiden Verträge ist vollständig ge­ druckt bei G ü m b e 1, Die Verträge über die Illustrierung und den Drude der Schedel­ schen Weltchronik. 124) Cod. B, fol. 168v. 125) von gatern, getern = vereinigen; nach M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörter­ buch. Leipzig 1872, Bd. 1, Spalte 744. 126) Wie sehr Schreyer bei diesem Geschäft in Anspruch genommen wurde, zeigt die Be­ gründung, mit der er am 31. Oktober 1493 die Aufsicht über das Brauwesen in Nürnberg ablehnt. Er habe nicht den Mut, in Abwesenheit von Sebastian Kammermeister das Amt zu übernehmen, „wann er sich mit ime in einen handel eins trucks einer cronicken be­ geben, der sich darinnen zu handeln auf ine verlassen hab." Vgl. Cod. B, fol. 237r.

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Übersetzung durch den Stadtschreiber Georg Alt am 23. Dezember desselben Jahres. In Einleitung und Schluß wurden die Geldgeber namentlich genannt127). „Sebaldus Schreier et Sebastianus Cammermaister Neronburgi etiam in Germania clarissimi ac imperatorii oppidi cives honestissimi et spectabiles incole“ und „ad intuitum autem et preces providorum civium Sebaldi Schreyer et Sebastiani Kamermaister hunc librum dominus Anthonius Koberger Nurembergae impressit.“ Dieser erste Druck war jedoch ein Mißerfolg. In der Endabrechnung vom 22. Juni 1509 erhielt jede Vertragspartei 98 fl. in bar und übernahm an ausstehenden Schulden über 1200 fl. in Werten von in auswärtigen Lagern lie­ genden Büchern der Weltchronik. Schreyer und Kammermeister erhielten 236 Exemplare, Wohlgemut und Pleidenwurff 3 3 5, die soweit bereits bezahlt waren, daß für jede Partei ein Wert von 400 bis 500 fl. in Büchern bestehen blieb 128). Es läßt sich nicht eindeutig nachweisen, ob das der gesamte Erfolg dieses riesigen Unternehmens war, da Teilabrechnungen vorangegangen waren. Vor­ hergehende und nachfolgende sind uns nicht überliefert. Jedenfalls steht fest, daß nach 16 Jahren noch über 200 fl. Schulden ausstanden und der Umstand, daß 571 Exemplare der Auflage nicht abgesetzt waren, spricht für mäßigen Erfolg dieses großen Werkes. Aus der Abrechnungsurkunde geht weiter hervor, daß die gemalten Exem­ plare zu 6 fl. geringeren Absatz fanden als die nicht gemalten, ungebundenen oder rohen zu 2 fl. Sie gingen zu Hunderten auf alle Märkte, nach Ungarn, Frankreich, Italien und Spanien. Diese internationale Verbreitung reizte den Augsburger Drucker Hans Schönsperger zur Herstellung einer billigeren Ausgabe, von der er sich eine noch größere Verbreitung erhoffte. So kam 1496 eine deutsche und 1497 eine lateinische Fassung der Chronik heraus. Schon im Jahre 1500 konnte er einen zweiten Druck der deutschen Fassung vornehmen. Der Erfolg war groß, jedoch war das Werk ohne künstlerischen Wert: die Illustrationen waren nur Minia127) StadtBN, Cent II, 98. Dieses und ein deutsches Exemplar: ebda., Cent II, 99, sind die beiden Druckmanuskripte, nach denen Koberger den Abdruck genommen hat. H a i t z , a. a. O., deutet das Wappen auf der Innenseite der Deckel der Druckmanuskripte fälsch­ lich als das Schedelsche. Die Bände stammen aus Schreyers Besitz. Vgl. Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg. Bd. 1: Die mittelalterlichen Handschriften. Bearb. v. K. Schneider. Wiesbaden 1965, S. 432 f. Zur Beschreibung der Originalhandschriften vgl. Hain, Repertorium Bibliographicum. 4 Bde. Stuttgart 1826/38, Nr. 14508 für die lateinische, Nr. 14510 für die deutsche Ausgabe. Hase, a. a. O., S. 461, führt außer­ dem für die erste Ausgabe die lateinischen Exemplare in der Hofbibliothek Wien, der Hof- und Staatsbibliothek München, den Stadtbibliotheken Augsburg, Leipzig, Mainz und den Universitätsbibliotheken Jena und Würzburg an; für die deutsche Ausgabe die Exemplare in den oben erwähnten Bibliotheken in Wien und München, der Stadt- und Universitätsbibliothek Leipzig und 1 Exemplar aus dem Museum Klemm, das sich 188 5 im Deutschen Buchgewerbemuseum in Leipzig befand. 128) Die Urkunde findet sich in einer Abschrift im StadtAN, LL 11, fol. 306; vgl. auch Sprengler, a. a. O., S. 28. Das Folgende nach Sprengler, a. a. O., S. 29 f. vgl. dazu auch Hase, a. a. O., S. 177.

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turausgaben des Werkes aus der Kobergerschen Offizin, oft verschwommen oder gar nicht zu erkennen, der Text zeigte häufig Lücken. Sicher bewirkte gerade die große Verbreitung, daß Schreyer noch im Jahre 1514 eine ganze Anzahl von unverkauften Exemplaren des Nürnberger Druckes besaß. Dies zeigt eine Notiz in seinem ersten Testament vom 6. März dieses Jahres:129) „Item daß er Schreyer mitsampt Sebastian Cammermeister seinem liben Schwager selig, zum halben theil gereditigkeit an etlichen unverkauften büchern des handeis des druckes der newen cronicken mit figuren, so sie mit Michail Wolgemut und Wilhelm Pleidenwurff selig gehabt haben. “

In den letzten sechs Jahren seines Lebens wird er dann wohl damit auch keine großen Einnahmen mehr erzielt haben. Schon im Entstehungsjahr der Schedelschen Chronik, 1493, hatte er seinen Freund Peter Danhauser 13°) zu einem weiteren literarischen Unternehmen ver­ anlaßt, dem „Archetypus triumphantis Romae“ 131). Diesmal trug er das finan­ zielle Risiko allein — die Verträge zwischen beiden Männern sind uns er­ halten 132). Die Verhandlungen zogen sich drei Jahre hin; für bereits begonnene Ar­ beiten zahlte Schreyer immerhin 334 fl.133). Zur Vollendung des Werkes kam 129) 13°) 131) 132) 133)

StadtAN, Genealogische Papiere Schreyer, Nr. 56—58. Über ihn vgl. Kap. V, S. 120 ff. Vgl. dazu ebda., S. 121 f. Cod. C, fol. 58 f.; gedruckt bei Hartmann, Konrad Celtis in Nürnberg, S. 60 ft. Cod. C, fol. 59; bei H a r t m a n n , a. a. O., S. 61 f. ist die Rechnung über die Kosten des „Archetypus“ aufgezeichnet: „Item auf solche vorgemelten vertrege und Verschreibungen hat Sebolt Schreyer meister Peter Danhauser entricht, auch die exemplar lassen abschreiben, die figur entwerfen, auf pretter reisen und auch solche pretter schneiden lassen, derhalben auch für andern Un­ kosten er vom 93. iar bis in das 97. iar ausgegeben hat. wie hernach. Item erstlich meyster Peter Danhauser, das er der Schreyer ime laut der zweier vertrag gegeben, auch ine bei einem virtel iars in seiner cost gehalten und sunst gecost hat, tut fl. 93. Item vom buch archetipus abzuschreiben, etlichen Schreibern in seiner cost gehalten und für ire belonung, so gecost hat fl. 32 6 lb 18 dn. Item für zwei riss pappirs, so darzu ge­ braucht und vernutzt sind worden, 2 fl. 1 lb 20 dn. Item von den merern teil der figuren erstlich auf pappir zu entwerfen, nemlich von 192 figuren 8 gülden 2 lb, mer von 20 figuren 1 lb 2 dn und von 5 figuren 1 lb 20 dn. Tut in summa 9 fl. 3 lb 4 dn. Item für die pretter klein und gross, darauf die figur geschnitten sind worden, dem Schreiner zalt 9 fl. 4 lb 8 dn. Item von den figuren auf pretter zu reissen den malern zalt, nemlich von 23 3 grossen und 83 kleinen pretlein gegeben 37 fl. 1 lb 16 dn. Item von den figuren in die hulzen prettlein zu schneiden zalt Sebolten Gallensdorfer, nemlich von 23 3 grossen, ie von einem 4 lb 15 dn, und 83 kleinen, je von zweien 4 lb 15 dn, tut 123 5 lb 8 dn, facit an geld, den gülden zu 8 lb 10 dn gerechnet, 148 fl. 1 lb 28 dn. Item meister Sebolten, furmschneider, gegeben, das er das spil verreht hat, 1 guldin, mer für ein mess eichen prennholz und davon zu hauen und zu tragen 6 lb 28 dn, facit 1 fl. 6 lb 28 dn. Summa summarum, das das buch mitsambt den figuren und anderen, wie obengemelt, gecost hat, 3 34 fl. 1 lb 2 dn.

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es allerdings nicht — Sebald hatte sein Geld vergeblich investiert134). Später unterließ er merklich jedes geschäftliche Wagnis und widmete sich vornehmlich seinem Besitz in Nürnberg und dem Umland.

5. Hinterlassenschaft und Testamentsvollstreckung

Sebald Schreyer starb mit 74 Jahren, zu seinem großen Leidwesen kinder­ los. Vier Jahre vorher hatte er seine Frau verloren 135) und sah sich nun vor die Frage der Aufteilung seines Vermögens gestellt. Aus den Verbindungen seiner beiden Halbschwestern Margarethe der Älteren (f 1495) und Margarethe der Jüngeren (f 1457) mit Konrad Mar­ staller 136), beziehungsweise Markus Landauer137) waren zwar Nachkommen hervorgegangen, die in ihren Linien auch weiterbestehen sollten; im Mannes­ stamm jedoch starb die Nürnberger Linie der Schreyer mit Sebald aus 188). Die Erbverteilung des Vermögens und die Auflösung des Haushalts geben ein eindrucksvolles Bild von seinem Reichtum und damit von der sozialen Stellung, die Schreyer sich errungen hatte. Es kann als einzigartig angesehen werden, daß sich durch seine Schreibfreudigkeit ein so geschlossenes Wirt­ schaftsbild der Zeit erschließen läßt. Die Zusammenstellung seines Vermögens in seinem Todesjahr 1520 ge­ staltet sich äußerst schwierig, da das Original des Testaments verloren ist. Nach dem „Register über alle testamenta, welche vor zweyen genannten des grossem raths erzeugt, in die cantzley geliefert, hernach auf pergament transsumiert und in der wohl-löblichen losung-stuben mit anhängung des secretinsiegels beurkundet worden"139) sind, müßten sich die Testamente von Schreyers Frau und ihm selbst im Staatsarchiv befinden. Leider sind beide Urkunden nicht mehr vorhanden 14°). Trotzdem läßt sich seine letzte Verfügung aus folgenden Quellen an­ nähernd vollständig rekonstruieren: 134) Eine größere Ausgabe von 150 fl. bedeutete in späteren Jahren noch der Bau eines Altars in Schwäbisch-Gmünd. Vgl. dazu Kap. VI, S. 150 f. 135) Margarethe Schreyer starb am 14. November 1516. 13#) Aus der Ehe von Margarethe d. Ä. Schreyer mit Konrad Marstaller gingen die Kinder Heinrich, Kornad und Brigitta hervor. Brigitta heiratete 1454 Konrad Topler. 187) Margarethe d. J. Schreyer und Markus Landauer hatten 7 Söhne und 3 Töchter. Von den Söhnen heiratete als einziger Matthäus Landauer (f 1525) — die anderen müssen schon in jungen Jahren gestorben sein. Aus der Verbindung des Matthäus mit Helena Rothan ging die Tochter Dorothea (f 1528) hervor, die Wilhelm Haller heiratete. Vgl. zur Stammtafel der Familie Landauer: Ahl born, Die Familie Landauer, S. 60. 138) Vgl. dazu den Stammbaum der Familie Schreyer im Anhang S. 166. 139) StAN, Rep. 78, Nr. 1259, Einbanddeckel. 14°) Der kgl. Bezirksgerichts-Registrator Pedrazzi trägt am 30. 7. 18 59 ein: „Wahrscheinlich wurden dieselben ihres pergamentenen Gehalts wegen von einem allzusehr um deren sichere Aufbewahrung besorgt gewesenen Registraturbeflissenen aufgeräumt — d. h. ver­ silbert I“ Vgl. StAN, Rep. 78, Nr. 1258, Bündel Nr. 5 5, fol. 1, wo auch auf die Testa­ mente von Schreyer in Bündel 56, auf das seiner Frau in Bündel 43 verwiesen wird.

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1. Ein „Extract aus Schreyerischen briefen und urkunden, so mir Herr Schwa­ ger Seyfried Coler141) communicirt“ 142), enthält jeweils die wichtigsten Punkte aus Sebald Schreyers drei Testamenten (vom 6. März 1514, vom 22. Dezember 1516 und vom 11. Januar 1518). 2. Eine Handschrift des 18. Jahrhunderts bringt Auszüge aus nicht mehr vor­ handenen Testamenten Nürnberger Bürger143). 8. Das Stiftungsbuch des „Großen Almosens der abkomen Bürger“ 144) und der Band 41 der Libri Litterarum 145) enthalten Schreyers Beiträge zu dieser Stiftung. 4. Die Bände 3 8 bis 39 der Libri Litterarum beinhalten den Verkauf von Häusern und Eigenschaften 146) daraus durch die Exekutoren. 5. Ratsbücher147) und Ratsverlässe148) berichten über die Testamentsvoll­ streckung. 6. In einem Akt14fl) wird über die Durchführung einer Prädikatur—Stiftung gehandelt. Diese sechs Quellen bestätigen und ergänzen einander so gut, daß sich aus ihrer Gesamtheit Schreyers Besitz am Ende seines Lebens erschließen läßt: Das Haus in der Burgstraße 150) im Wert von 1250 Gulden. Das Haus in der Ledergasse im Wert von 1400 Gulden. Eigenschaften an 63 Häusern in Nürnberg mit 143V2 GStw, 47^2 GLw, 5 1b alt, 10 Groschen an jährlichen Zinsen; 8 Fastnacht­ hühnern, 1 Lammsbauch und 3 Weihnachtswecken an Weisat. Eigenschaften an 24 Gütern und einem Weinberg auf dem Land mit 25 GLw, 5 lb alt, 19 dn an jährlichen Zinsen; Sümmern Korn, 2 Sümmern Hafer, 18 Käsen, 28 Fastnachthühnern, 6 Herbsthühnern, 60 Eiern zu Ostern und 2 Weihnachtswecken an Weisat. Das Recht der Verleihung von zwei Pfründbetten im Neuen Spital zum Hei­ ligen Geist, von Ludwig Herdegen auf Schreyer gekommen. An Bargeld 95 Gulden, 6 lb alt, 4 dn (nach der Testamentsvollstreckung)1S1). An Sachwerten Ringe, vergoldete und silberne Becher, Schalen, zwei Gold­ waagen, eine Truhe mit Modeln, weiterer Hausrat, Bücher152) und Briefe 15S). 141)

142) 143) 144) 145) 146> 147) 148) 149) 15°) 151) 152) 153)

f

1531. Vgl. E. R ei c k c, Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 2, S. 404, Anm. 19. Seine Frau wird als „Seifried Kolerin des Martin Erkels Tochter“ erwähnt; vgl. StadtBN, Amb. 173.2°, fol. 100, e. Vgl. Anm. 129, Nr. 56. StadtAN, Amb. 173.2°, fol. 135, e. StadtAN, Cod. man. 27.2°. StadtAN, LL 41, fol. 27. Vgl. S. 34 ff. StAN, Rep. 61, RB 11 und 12. Ebda., Rep. 60 Hans Stromer (1467—1526); vgl. Biedermann, Geschlechtsregister des Hochadelichen Patriciats zu Nürnberg, S. 467; Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 1, S. 16 und Bd. 5, S. 806; über die Familie der Stromer: E. Frhr. Stromer v. Reichenbach, Unsere Ahnen in der Reichsstadt Nürnberg 1250—1806. Nürnberg 1951; W. Frhr. Stromer v. Reichenbach, Die Nürnberger Handelsgesellschaft GruberPodiner-Stromer im 15. Jahrhundert. 135) Hans Tücher (f 1527) war der Sohn Berthold Tuchers (1424—1494) und der Bruder Endres Tuchers (1453—1531). Dieser Endres Tücher war in zweiter Ehe mit Margarethe Topler (f 1557) verheiratet, die aus der Linie der Margarethe Konrad Marstallerin stammte, der Halbschwester Sebald Schreyers; vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 4, S. 27—34; Gümbel, Die Baurechnungen von St. Sebald I, S. 20, Anm. 1; Grote, Die Tücher. München 1961, S. 90, wo über den Stammbaum der Familie ge­ handelt wird. 156) Lazarus Holzschuher (f 1523) saß 1497 zuerst im Rat, löste Schreyer 1503 als Kirchen­ meister ab und ist Verfasser der „Beschreibung der 1511 lebenden Personen in den Nümbergischen Erbem Familien“. (GNMNBibl., Handschrift Nr. 16579); über ihn vgl. Biedermann, a. a. O., Ritterschaftstabellen 174; Städtechroniken, Nürn­ berg, Bd. 5, S. 806. 157) In den Quellen wechseln die Vornamen Ludwig und Hans. Ludwig ist als Besitzer in dem ehemals Schreyer gehörigen Band von Celtis’ Norimberga eingetragen. Zweifellos hat er ihn nach Schreyers Tod gekauft. Vgl. StadtBN, Cent IV, 89. Er ist Mitverwalter des „großen Almosens"; über ihn vgl. Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 891 f.; Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 4, S. 108 f. und Band 5, S. 664. 158) Zum Schreyer-Grab vgl. Kap. VI, S. 152 ff. 159) Vgl. Anm. 129, Nr. 58. 16°) Zu Ende des 15. Jahrhunderts hatte der Rat bestimmt, daß kein Bürger mehr sein eigenes Leichentuch verwenden durfte; es mußte von den Pfarreien gestellt werden und durfte nur aus grauer oder schwarzer Wolle sein. Ob Schreyer dieser Wunsch trotzdem erfüllt wurde, läßt sich nicht nachweisen. Vgl. Reicke, a. a. O., S. 676 f. 161) Unter „Seelbädern“ verstand man Bäder, die zum Heil der eigenen Seele für die Armen gestiftet werden konnten. 162) Auf wen sich diese „Pilgerfahrt“ bezieht, wird nicht deutlich. 183) Vgl. Anm. 129. 164) Vgl. dazu Kap. VI, S. 160. i«*5) *Vg] * * Anm. 15 5.

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Ihr Bruder erhielt 40 Gulden, die Testamentsvollstrecker bekamen zwischen 25 und 60 Gulden, teilweise in Wertsachen, Schreyers Schreiber und seine Dienerin „Legata". Seine Verwandte Ursula Grunhofer erbte den Nachlaß an beweglichen Gütern von Schreyers Frau. 3. Ausführung der Stiftungen

Neben kleineren Stiftungen an die Heiligkreuzkirche in Schwäbisch-Gmünd, St. Sebald, das Kartäuserkloster, die Spitäler, Findelhäuser und Siechköbel in Nürnberg verfügte Schreyer für St. Sebald die Einrichtung einer weiteren Kaplanstelle, über deren Finanzierung freilich nichts bekannt ist, und die einer Prädikatur, für die er 3000 Gulden zum Kauf von 100 Gulden jähr­ lichem Eigenzins bestimmte 166). Seine beiden Wohnhäuser und das nach Durchführung der vorhergehenden Bestimmungen noch übrige Vermögen sollte an das von Georg Keipper gestiftete „Große Almosen der abkommen Bürger" 167) kommen. Nachdem das Testament gesiegelt worden war168), beauftragte der Rat der Stadt am 16. Juni, knapp vier Wochen nach Schreyers Tod, die Vollstrecker „bede Schreyers seligen verlaßne hewser und alle seine aigenschaften und zins in der stadt zu verkaufen, darzu man inen ein jar lang zeit und frist geb und dann solich erlöst gelt sovil muglich umb aigne guter auf dem land anzulegen, wo sy aber der füglich in eyl nicht bekomen mögen, woll ain rat mitler zeyt das gelt in die losungstuben annemen und verzinsen von 30 gülden ainen, steur und losung frey." 169)

Auch mit dem Haus in der Burgstraße sollte so verfahren werden170). Schreyer hatte zwar gewünscht, daß einer „aus almuß ambtern" darin wohnen und die Nutznießung daraus haben sollte, „doch alles auf disposition der obrigkeit gestellt" 171).

Die gesetzte Jahresfrist erwies sich freilich als zu kurz — der Verkauf der Eigenschaften zog sich über vier Jahre hin, die endgültige Erledigung war gar erst 1527 abgeschlossen. Als letzter Vormund war nur noch Hans Schnöd am Leben l72). Auch der Ankauf von Eigengütern auf dem Land brachte keinen Erfolg. Das eingenommene Geld wurde deshalb in die Losungstube der Stadt ein­ gezahlt und dort mit 3V3 °/o verzinst. Daß der Rat nicht ohne Grund die Erledigung in so kurzer Zeit verlangte, läßt sich in Anbetracht der gespannten politischen Lage denken — er mußte an dem Geld selbst das größte Interesse haben. Wie stark er auch an privaten Geschäften und Beziehungen seiner Bürger Anteil nahm und wie gut er darüber informiert sein wollte, zeigt ein Eintrag in den Ratsverlässen. io«) ygi jazu ausführlich Kap. VI, S. 161 f. 167) StadtAN, Cod. man. 27.2° und Kap. III, S. 66. 168) StAN, RV von 1520/21, Nr. 651, fol. V. 169) StAN, Rep. 61, RB 11, fol. 291; dass, ebda., RV Nr. 651, fol. 8. 17°) StAN, Rep. 61, RB 11, fol. 294v und ebda., RV Nr. 651, fol. 15. 171) StadtAN, Genealog. Papiere Schreyer, Extrakt Nr. 58. 1T2) LL 41, fol. 27.

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„Des Schreyers brif und register in der truhen zun kartheusern soll man inventirn, und was darin funden wurd eym rat dinlich [f], soll man bey eynem rath anzeigen und eynen aus der cantzley auch darzu ordnen/' 173)

Nach Ausrichtung des Begräbnisses, der Stiftungen und den Auszahlungen an Verwandte und Bekannte verblieben 182 Gulden Ewiggeld an Zinsen im Wert von 5460 Gulden174), 9 GStw, 14 GLw und 9 lb an jährlichen Eigenzinsen und Sachwerte, wie Kleinodien, Hausrat, Schmuck und Bücher 175), die wertmäßig nicht zu erfassen sind. Dazu kamen noch 2 Gulden Ewiggeld um 60 Gulden aus der Losungstube gekauft, die der Älteste „am ambt für sein mue“ 17ß) erhielt. Dieses restliche Vermögen ging an die Keipper-Stiftung. Die Summe der durch die Testamentsvollstrecker verteilten Gelder belief sich somit auf etwa 8500 Gulden. Aus dem Vermögen in der Stadt lassen sich 7200 Gulden berechnen. Der Besitz auf dem Land stellte ungefähr einen Wert von 1300 Gulden dar. Leider wird aus keiner Quelle ersichtlich, an wen diese Eigenschaften nach Schreyers Tod verkauft wurden. Daß die Vermögens Ver­ walter aber mit diesem Geld das Testament durchgeführt haben, beweist die Tatsache, daß sich aus der Summe von Stadt- und Landbesitz genau der Betrag von 8 500 Gulden ergibt. Auch der Einwand, daß Schreyer seinen Landbesitz vor seinem Tod verkauft haben könnte, kann entkräftet werden. Jeder Kauf und Verkauf ist sowohl in Schreyers Codices als auch in den Libri Litterarum verzeichnet177). Schreyers vermögensrechtliche Stellung läßt sich dank einer jüngst er­ schienenen Arbeit des Freiherrn Haller von Hallerstein über das Vermögen von hundert Nürnberger Neubürgem um das Jahr 1500 aufzeigen178). Darin ist zwar sein Name nicht genannt, ein Vergleich mit den gegebenen Beispielen erhellt jedoch seine Position. Von den hundert Personen besaßen 62 weniger als 10.000 fl., davon 40 weniger als 5000 fl. Schließt man sich der Meinung R. Kötzschkes179) an, so zählte im 15. und 16. Jahrhundert jeder, der über 2000 fl. besaß, schon zu den reichen Bewohnern Nürnbergs. Die Zahl der nichtpatrizischen Bürger, die sich in der Blütezeit der Stadt ein beträchtliches Vermögen180) 17S) 174) 175) 17#) 177)

StAN, RV Nr. 744, fol. 21. StadtAN, Cod. man. 27, fol. 26v—27v und Stiftungsurkunde Nr. 545 und 546. LL 41, fol. 27 und LL 36, fol. 209v. StadtAN, Cod. man. 27, fol. 26. Beispiel: a) Der Kauf einer Eigenschaft an 1 Gut in Pierheim, am 26. 5. 1503, um 300 GLw ist in Cod. F, fol. 42 und LL 18, fol. 249v—252 verzeichnet; b) Der Verkauf eines Erbes an 1 Hof in Erkelsdorf, am 21. 2. 1494, um 145 Glw ist in Cod. C, fol. 87v—88r und LL 10, fol. 137 verzeichnet. 178) Frhr. Haller von Hallerstein, Größe und Quellen des Vermögens von hundert Nürn­ berger Bürgern um 1500. 179) R. Kötzschke, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters. Jena 1924, S. 5 37 f. ,8°) Ein Vergleich zwischen damaliger und heutiger Währung ist dabei nicht möglich. Es können nur Relationen angegeben werden. Das Folgende nach Frhr. Haller v. Haller­ stein, a. a. O., S. 170. 1461 betrug der Lohntarif für einen Meister des Stadtbauamtes ungefähr 65 lb im Jahr. Ein Handlanger erhielt 30 lb jährlich. Ein Vermögen von 100 fl. war demnach also schon beträchtlich.

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erwerben konnten, war dabei nicht gerade gering. Schreyer nahm unter ihnen einen bedeutenden Platz ein. Nach Haller181) erreichten nur ausnahmsweise reiche Bürger 20 30.000 Gulden. Neue, gewinnversprechende Objekte haben Sebald Schreyer zeit seines Lebens gereizt. Denkt man an seine Geldbeteiligungen am Silberbergbau, im Saigerhüttenhandel und am Druck der Schedelschen Weltchronik, so ergibt sich in der Tat das Bild eines wohlhabenden Bürgers, der trotz der leicht gegebenen Möglichkeit des Vermögensverlusts durch Fehlspekulation und erfolglose Ge­ schäfte am Ende seines Lebens eine beachtliche Summe hinterließ. —

1 Pfund Fleisch kostete um 1500 ungefähr 4 Pfennige, 1 Liter Bier etwa 2 Pfennige oder: der Jahreslohn eines Meisters entsprach einem Wert von noch nicht 2000 Pfund Fleisch oder 4000 Litern Bier; heute dagegen ist der Wert eines Jahresarbeitslohnes mindestens 2000 bis 3000 Pfund Fleisch oder mehr als 6000 Liter Bier; zu den Relationen vgl. auch Sander, a. a. O., S. 918 ff. 181) Frhr. Fl a 11 e r v. Flallerstein, a. a. O., S. 118 ff., berichtet von nur 3 Personen mit einem Vermögen von 100.000 fl., 1 Person mit 50.000 fl., 2 Personen mit 40.000 fl. und 3 Personen mit 30.000 fl.

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III. EXSECUTOR TESTAMENTORUM 1. Zeuge und Vollstrecker bei Testamenten Nürnberger Bürger

Bei dem Ansehen, das Sebald Schreyer in seiner sozialen und öffentlichen Stellung genoß, war es unausbleiblich, daß er von angesehenen Bürgern Nürn­ bergs mit der Vollstreckung ihres letzten Willens betraut wurde, zumal er als Genannter eine öffentlich-rechtliche Position innehatte, als Gerichtsbeisitzer seine juristischen und als Geldzähler in der Losungstube wie als Kirchenmeister seine finanzpolitischen Fähigkeiten gezeigt hatte. Sein Geschäftsgebaren war immer von einer nüchternen und real denkenden Veranlagung beherrscht. Mit kühl rechnendem Verstand handelte er nicht nur im Bereich seiner privaten Geschäfte — er kam ihm auch bei der Regelung von Nachlässen und der Aus­ führung von Testamentsbestimmungen zahlreicher Bürger der Stadt zugute. An der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert waren letztwillige Verfügun­ gen bereits allgemein üblich geworden. Die Testamente mußten vor dem Rat oder dem Stadtgericht in Anwesenheit von zwei Zeugen vorgetragen oder in einem Gerichtsbuch aufgezeichnet werden *). Häufig wurde Schreyer gebeten, sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Vom Jahre 1479 an bis zu seinem Tod sind uns 49 Fälle glaubwürdig überliefert*2).3 Darunter finden sich Fa­ milienmitglieder alter Geschlechter wie der Haller, Holzschuher, Muffel und Tücher, jüngerer, wie der Harsdörfer, Hirschvogel, Löffelholz, Pirckheimer, Topler und Zolner und die Namen seiner beiden Freunde Georg Keipper8) und Dr. Hermann Schedel4). Außerdem wurde in jedem Testament mindestens ein Exekutor oder Voll­ strecker ernannt, der Erbe zu treuer Hand war. Er hatte die Schulden und Ver­ mächtnisse zu erfüllen, den Nachlaß zu liquidieren, das Begräbnis zu besorgen und häufig auch die Vormundschaft über minderjährige Kinder zu übernehmen. Seine Befugnisse erweiterten sich im Laufe der Jahre immer mehr5).* Die * damals in Nürnberg übliche Bezeichnung „Vormund" trifft somit nach heutigem Sprachgebrauch nur einen Teil der Aufgaben eines Exekutors. *) Planitz-Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 204; vgl. auch O. Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters ( — Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte, Abt. 4, Bd. 4, Teil 3). München 1911. 2) StadtBN, Amb. 173.2°, fol. lc, 3e, 4c, 6c, 9a, 10a, 13c, 15c, 3lb, d, 32a, 35c, 36c, 47d, e, 48d, 49b, d, 51a, c, e, 52a, e, 54a, c, 55b, 56a, d, e, 57e, 58c, d, 64e, 67c, 68d, 78c, 79a, 81e, 82e, 109c, 112b, 128c, 129e, 133a; StAN, Rep. 313, Urkunden der Geuder-Archive, U 358. 3) Über ihn vgl. unten S. 65. 4) Vgl. Kap. V, S. 116. 5) Nach Planitz-Eckhardt, a. a. O., S. 204; vgl. auch Sander, Die reichs­ städtische Haushaltung Nürnbergs, S. 221 f. und W. der Verfügungen von Todes wegen. In: Zeitschrift schichte, Germ. Abt. Bd. 42, 1921, S. 240-379.

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Schönfeld, Die Vollstreckung der Savigny-Stiftung für Rechtsge­

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Sehr einträglich war ein solcher Auftrag allerdings nicht. Dem Vormund wurde entweder ein kleinerer Geldbetrag oder ein Kleinod zugesprochen 6). Wieviel Zeit und Mühe die Ausrichtung eines Testaments erforderte, wurde bereits bei Schreyers eigenem Nachlaß gezeigt7). Wir kennen die Namen von nicht weniger als 24 Nürnberger Bürgern 8), die Schreyer zu ihrem Haupt- oder Mitvormund bestimmten9). Wie stark er als Exekutor tätig geworden ist, zeigt die Führung von Testamentsbüchern. Er selbst berichtet, er habe außer dem Nachlaß seines Vaters 10) „andere und äussere Vormundschaft auf derselben beth und beger außzurichten angenomen" n). Darüber legte er fünf Bücher an, die er, ähnlich seinen Familien­ codices, mit den Buchstaben A—E bezeichnete. In jeden dieser Bände trug er vier bis fünf Namen und deren Testamentsausrichtungen ein12). Die Codices A—D dieser zweiten Zählung sind heute verloren; E, der letzte, wird im Stadt­ archiv aufbewahrt18). Schreyer ließ jeweils an den Beginn das kolorierte Wap­ pen des Verstorbenen setzen und sein Todesdatum, die Namen der Vormünder und ein Register über den Inhalt eintragen. Darauf folgen das Testament, das Inventar der verlassenen Habe, die Einnahmen und Ausgaben bei der Aus­ führung der Bestimmungen und etliche Vertragsbriefe. Oft klagte Schreyer über die Arbeit, die er mit diesen Ausrichtungen hatte. Es ist daher auch verständlich, wenn er vor der Annahme einer Vormundschaft 6) Sebastian Kammermeister verfügte in seinem Letzten Willen 20 Gulden für jeden Vormund ; Agnes, die Witwe Martin Behaims, hinterließ ihren drei Vormündern Niclas Groland, Sebald Schreyer und Bartholomäus von Eyh je einen Becher und für deren Frauen je ein vergoldetes Kreuz von 3 Gulden Wert; vgl. dazu StadtAN, Behaim-Archiv, Urkunden 1144 III, Nr. 7. Hans Gärtner vermachte jedem Vormund einen silbernen Becher im Wert von 5 Gulden, „wiewol wider iren willen, wann sie nichtzit von inen haben nemen wollen, sunder umb freuntschaft willen zu thun zugesagt haben"; vgl. StadtAN, Amb. 638, fol. 9V. 7) Vgl. Kap. II, S. 58 ff. 8) Hans Gärtner d. Ä.; KonradGlockengießer; Klara Gruber, die Frau Ludwig Grubers; Barbara Has, die Frau vonGeorg Has; Georg Has;MichelHofmann,Sebastian Kammer­ meister; Stephan Kauer; Georg Keipper; Barbara Kötzel, die Frau Wolf Kötzels; Anton Kufler, Ursula Löffelholz, die Frau von Hans Löffelholz; Hans Mayr; Gabriel Muffel; Endres Rech (?); Dietmar Roth; seine Frau Klara; Hans und Gabriel Roth; Konrad Topler. Schreyer zählt noch weitere 5 Namen auf: Margarethe Frankengruner; die Frau von Gerhard Seitz Mulfeld; Sigmund Örtel d. Ä.; Anna Pfinzing, die Frau Sebald Pfinzings; Konrad Watt; vgl. Cod. B, fol. 60v f. 9) StadtAN, LL 2, fol. 15—17, 38* f., 87, 149, 161, 162* f., 167, 183, 228, 230; LL 4, fol. 273; LL 6, fol. 27, 167; LL 8, fol. 66; LL 12, fol. 109 f.; LL 13, fol. 150*; LL 15, fol. 43*; LL 16, fol. 88, 163*; LL 20, fol. 53*; LL 22, fol. 15*, 75, 83, 109*. Ebda., L Cons. D, fol. 13, 94*; L Cons. E, fol. 120*. StadtBN, Amb. 173.2°, fol. 5d, 7d, 34e, 35b, 37c, 48c, 59c, 60c, 63a, 74d, 85a. 10) Cod. A, fol. 145. ”) Cod. B, fol. 60*. 12) Cod. B, fol. 60* f. Schreyer hat uns zwar an dieser Stelle nur 17 Namen überliefert, wir können jedoch mindestens 24 annehmen; vgl. oben Anm. 8; wo nicht anders vermerkt, handelt es sich bei den mit Buchstaben versehenen Bänden um Schreyers eigene Familien­ aufzeichnungen und nicht um die Vormundschaftsbücher. 13) StadtAN, Amb. 63 8.2°: „Vormundschafft Sebolt Schreyers". In Codex A seiner Familien­ aufzeichnungen bei fol. 150 befindet sich noch ein einzelnes Pergamentblatt mit dem Wappen Georg Keippers, das aus dem verlorengegangenen Band B der Vormundschafts­ bücher hierher geraten ist.

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besonders darauf achtete, daß er nicht auch noch die Verantwortung für un­ mündige Kinder übernehmen mußte 14). 1497 bat ihn darüber hinaus Gabriel Nützel als Vertreter des Rates, die Stiftung „der Pfaltznerin" auszurichten 15). 74 Gulden waren dazu verordnet worden, und nach dem Wunsche der Stifterin sollten die Armen im alten Spital16) an jedem Montag außer ihrer „teglichen und gewonlichen pfrund, wein, prot und darzu etwas anders nach gelegenheit der zeyt“ erhalten. Die Austeilung des Weins bereite keinerlei Schwierigkeiten, da im Spital ein be­ sonderer Keller mit Weinfässern vorhanden sei. Freilich müßte die Frau Schreyers jeden Montag für die Armen in ihrem Hause kochen und „das wurd durch besunder ehalten des spitals von irem hauß getragen". Dieses Geschäft war Schreyer und mehr noch seiner Ehefrau nun doch zu mühsam; er schlug das Anerbieten ab, weil „sein hauß weit von solichem spital gelegen" und „sein hausfrau numaln swer und verdrossen" sei. Er sah sich auch gezwungen, von einer bereits angenommenen Vormund­ schaft zurückzutreten. Nach dem Tode Anton Kuflers im Jahre 1484 hatten er und der Ratsschreiber Heinrich Vischer dessen Testament ausrichten wollen. Doch da der Mitvormund eigenmächtig und ohne Schreyers Wissen mit dem Verkauf des Nachlasses begann, fühlte sich Schreyer mit Recht übergangen und bat deshalb den Rat um Genehmigung seines Rücktritts17). Dazu berief er sich auf Titel 18, Gesetz 8 der Nürnberger Reformation: „Von beharrung der Vormünder oder versorger ir obgeschriben zeit und von peene ires mißprauchs." 18) Neben diesen mehr oder weniger bedeutenden Testamenten Nürnberger Bürger waren es vor allem die Nachlaßverwaltungen Georg Keippers lö) und Konrad Toplers 20), die Schreyer übernahm. Beide Männer stifteten ihr Ver­ mögen sozialen Einrichtungen der Stadt. Es ist hauptsächlich sein Verdienst, daß die allgemein gehaltenen Bestimmungen so geschickt und zum Nutzen Nürnbergs ausgeführt wurden. u) StadtAN, Amb. 63 8, fol. 7, bei der Vormundschaft Hans Gärtners. 15) Cod. C, fol. 18iv. Zweifellos handelt es sich dabei um ein Mitglied aus dem Geschlecht der Valzner, das schon 1423 im Mannesstamm erloschen war. Vgl. dazu W. Schult­ heiß, Geld- und Finanzgeschäfte Nürnberger Bürger vom 13.—17. Jahrhundert. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs I, S. 88 ff. 18) Vgl. dazu unten S. 72. 17) StadtAN, LL, 2, fol. 87, 149; Cod. B, fol. 69. 18) StadtAN, Quellen zur Nürnberger Geschichte, Nr. 120, fol. 128. Das Gesetz erlaubte den Rüdetritt aus der Vormundschaft, wenn die dazu Ernannten „mit redlichen Ursachen gen einem rat oder den Vormündern, wittiben und waisen furprechten, der halb sie solten geledigt werden". 19) Es findet sich auch die Schreibweise Keuper, Keiper oder Keyper. Über die Familie vgl. Städtechroniken , Nürnberg, Bd. 2, S. 91. Georg Keipper hatte in Leipzig studiert und im Wintersemester 143 5 das Bakkalaureat erworben; vgl. Die Matrikel der Universität Leipzig, Bd. 1, S. 121. Über sein weiteres Leben ist bisher nichts bekannt geworden. Stäuber, Die Schedelsche Bibliothek, S. 22, Anm. 3, erwähnt, daß er Patient des Stadtarztes Hartmann Schedel war ihm, wie auch dessen Onkel Hermann, nahe­ gestanden habe. Er starb am 13. August 1484. 20) Über Konrad Topler vgl. unten S. 70.

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2. Ausrichtung von Georg Keippers Testament

Als Georg Keipper im Jahre 1484 nach längerer Krankheit21) ohne Nach­ kommen starb, begannen die Testamentsvollstrecker Hans Gärtner d. Ä., Sebald Schreyer, Hans Ingram und der Bamberger Hans Münzmeister mit dem Ordnen des Nachlasses22). Schreyer sicherte sogleich etliche Bücher der Kirchenbibliothek von St. Sebald 2S). Bei der Aufteilung des Vermögens waren keineswegs schon festgesetzte Beträge für bestimmte Zwecke zu verteilen. Keipper hatte lediglich bestimmt24), „was ich laß über alle vorbegrifne verschickte hab und gut, es sey erb, eygen, zinß, rent, gult, parschaft, schuld, hawßrat, cleinot, liegend und varendt, wie das namen hat, nichtzit hindan gesetzt, das alles sollen mein vormundt verkaufen und die kaufsumma oder dasselb gelt durch Got geben hawßarmen und andern armen leuten oder ains teils zu gotzhewsern, armen clostern oder anderswo, do es notturftigklich und woll angelegt wirdet, nach iren trewen und pester verstentnus, I (J wie si dann alle versamentlich oder durch ein merers aus in zu rat werden.“

Dem Gutdünken der Exekutoren blieb somit die Verteilung der Gelder überlassen. Das Findelhaus

25)

So entschlossen sie sich zunächst, für die „Stiftung der erziehung oder zucht der fundelkind in beden fundelhewsern zw Nurmberg“ 26) aus Keippers Eigenbesitz 17 GStw, 36 GLw, 20 lb alt, 3 dn und zwei Fastnachthühner an jährlichen Zinsen festzusetzen. In jedem Findelhaus sollte eine des Lesens und Schreibens kundige „vernünftige und geschickte person“ mit einem jähr­ lichen Gehalt von 10 GLw die Aufsicht über die Kinder führen, über ihre Gesundheit und ihre Körperpflege wachen, daß sie „gepurst oder gekempt, getzwagen 27) und gebadt“ wären, sie in guter Zucht halten, in Gottesfurcht erziehen — morgens, mittags vor und nach dem Essen und abends hätten die Kinder je ein Paternoster, ein Ave-Maria und das Glaubensbekenntnis zu beten — und sich um ihre Ausbildung bemühen. Die Knaben sollten „gen schul, handtwercken oder anderm, die maidlein zu neterin oder ander frewlicher arbeyt“ herangebildet werden. 21) Schreyer und seine Mutter hatten Keipper bis zu seinem Tod gepflegt; „die muhe und costung, so die gemelt Schreyerin, ir sun und gesinde mit dem offgemelten Keyper seligen bey seinem leben und in seiner kranckheit gehabt haben“, wurde ihnen aus dem Nachlaß vergütet; vgl. Cod. B, fol. 59v. 22) Cod. B, fol. 70v—80. 23) Vgl. Kap. IV, S. 101. 24) StadtAN, Hl.-Geist-Spital, Amtsbücher Nr. 10, fol. 8. 25) Zur Geschichte vgl. Mummenhoff, Das Findel- und Waisenhaus zu Nürnberg, S. 40 ff. und S. R e i c k e , Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter. Bd. 1, S. 302 (mit Literaturangaben). ») Cod. C, fol. 210. 27) = gewaschen. 5

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Diese Bestimmungen enthält ein Stiftungsbrief, den Schreyer in ein eigens für das Findelhaus angelegtes Sal- oder Stiftungsbuch aus Pergament eintragen ließ 28), „auf das solichs alles zu ewigen gezeyten in dest pesser gedechtnus der menschen und unabgencklich beieiben möge“ 29). Er bezahlte von seinem eigenen Geld dafür 7 Gulden. Nach seinem Tod sollte es in den Besitz der Findelhäuser übergehen und dort weitergeführt werden 30). Das Große Almosen der „abkommen“ Bürger51) Den Großteil von Keippers Besitz legten seine Nachlaßverwalter in Ewig­ zinsen auf der Losungstube an. Allein 400 Gulden an jährlichen Zinsen be­ stimmten sie 1485 für die Gründung eines „großen almusens der abkomen burger“ 32). Diese Summe entsprach einem Kapital von mindestens 10.000 fl., da 1 Gulden Eigenzins zu dieser Zeit einen Wert von 20 bis 25 fl. darstellte. Obwohl „vil und mancherlay gemeiner almusen in diser löblichen stat Nurenberg gestift sind“83), erschien es ihnen dennoch dringlich, „etwas anders notturftigs und loblichs almusen zu stiften furzunemen“ 34). So riefen sie eine Stiftung für alle diejenigen ins Leben, die „von frumen, unverlewmunten eitern herkomen sein, auch sich frumklich, auf­ recht und redlich gehalten, in abnemen irer narung ins verderben komen [. . .] und zu der arbeit zuvoran der hantierung oder hantwercks nit geschickt sein, sich und auch die kinder deßhalben nicht neren und sunst das almusen 35) zu nemen nit gebrauchen, nachdem man sie als des almusens notturftig zu sein nit ansicht.“ **) StadtAN, Findel, Schublade 1, XI, „Stifftung der zucht beider fundel“. Der Stiftungsbrief ist fol. 7—10v verzeichnet. 29) Cod. C, fol. 210v. 80) Dieser Wunsch Schreyers erfüllte sich nicht. Auf der Innenseite des Stiftungsbuchdeckels findet sich der Vermerk: „Erfüllt werde die Bitte des sei. Mannes von nun an, möge er es vergeben, daß dies Buch — ihm sicher theuer — seit so vielen Jahrhunderten nicht gehandhabt d. i. fortgeführt wurde! Ich will das Meine thun, und von meinen Amtsnach­ folgern erwarte ich das Ihre. Anno 1823 Camper.“ 31) Unter „abkomen“ Bürgern verstand man Personen, die ohne eigenes Verschulden in Armut geraten waren. 82) Cod. B, fol. 72 und Cod. C, fol. 206 f. Vgl. dazu auch Rüger, Mittelalterliches Almosenwesen, S. 28. 38) Das „Reiche Almosen“, eine Stiftung des Nürnberger Bürgers Burkhard Seiler, bestand seit 1388. Mit diesem Almosen wurde das sogenannte Büchslein-Almosen vereinigt, das von Konrad Topler, Katharina Kauer und Katharina Reutvogel gestiftet worden war; nach Reick e, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 621. Außerdem gab es seit 1388 das von Konrad Mendel gestiftete Almosen der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung in der Pfarrei St. Lorenz, in der 12 alte, kranke, aber nicht bettlägerige Männer, die das Nürnberger Bürgerrecht besaßen, wohnen konnten; vgl. dazu: Das Hausbuch der Mendel­ schen Zwölfbrüderstiftung zu Nürnberg. Deutsche Handwerkerbilder des 15. und 16. Jahrhunderts. Hg. v. W. Treue u. a. 2 Bde., München 1965; darin besonders: K. Gold­ mann, Zur Geschichte der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung, S. 8 ff. Nach dem Muster dieser Stiftung entstand 1510 das von Matthäus Landauer (f 7. 1. 1515) ins Leben ge­ rufene Landauersche Zwölfbrüderhaus mit 14.500 Gulden, dazu eine allen Heiligen gestiftete Kapelle. Vgl. dazu A h 1 b o r n , Die Familie Landauer, S. 91 ff. 34) StadtAN, Cod. man. 27.2°. Der Stiftungsbrief ist fol. 4—llv verzeichnet. 35> Damit ist das Reiche Almosen gemeint; vgl. dazu oben Anm. 3 3.

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Audi hier ließ Schreyer ein Stiftungsbuch aus Pergament3*) für 3V2 Gul­ den, ähnlich dem des Findelhauses, anlegen. So wissen wir, daß die Pfleger der Stiftung die ohne eigenes Verschulden in Armut geratenen Bürger aus­ zuwählen hatten. Diese mußten jedoch aus Nürnberg stammen und von welt­ lichem Stand sein. Die Pfleger waren verpflichtet, die Namen der Almosen­ empfänger geheimzuhalten und einen Jahrtag für den Stifter Keipper aus­ zurichten. Für ihre Mühe erhielten sie im Jahr 21 GLw. Da Schreyer, Gärtner, Ingram und Münzmeister als erste Pfleger mit der Auswahl der Bedürftigen begannen, versicherten sie im Stiftungsbrief aus­ drücklich, daß sie „nit aus leiplicher oder gesippter gunst oder freuntschaft, sunder allein auf gewissen, als ain yeder das gegen Gott verantwurten sol und will“, gehandelt hätten. In späteren Jahren wurde diese Stiftung aus dem Nachlaß Peter Hallers37) mit 10 Gulden Ewiggeld und nach Schreyers Tod mit 180 Gulden an jähr­ lichen Eigenzinsen verbessert38). Nach Einführung der Reformation änderte der Rat der Stadt die Ordnung des Armenwesens gänzlich um. Alle Almosen, Kirchen- und Klosterstiftungen wurden zusammen mit Spenden zu einem neuen, dem Großen oder Gemeinen Almosen zusammengefaßt und in ein Stadt- und ein Landalmosen geteilt39). So wird wohl auch die aus Keippers Nachlaß finanzierte Stiftung von dieser Neuordnung betroffen worden sein.

Das Heilig-Geist-Spital Das restliche Vermögen in Höhe von 1675 Gulden mit jährlich 70 Gul­ den Ewiggeld stifteten die Nachlaßverwalter dem neuen40) Spital zum Hl. Geist41), „angesehen, das ain merckliche grosse antzal armer krancker und dürftiger menschen darin beherbergt, gespeyst, getrenckt und mit andern wercken der barmhertzigkeit, geystlich und leyplich versehen werden“ und „hilf, rat und ertzney1 leiplicher und verstandner erczt hetten. Also das sie kunftigklich sich und die iren durch ir arbeyt hinpringen und ernern mochten. Dardurch M) Vgl. oben Anm. 34. 37) Zur Familie der Haller vgl. Frhr. Haller v. Hallerstein, Die Haller zu Bamberg und zu Nürnberg. In: BHVB, Bd. 96, 1959, S. 100—148. 38) Vgl. Kap. II, S. 60. 39) E. R e i c k e , a. a. O., S. 823 ff.; vgl. auch H 0 f m a n n , Die „Pfaffenpfründen“ im Landalmosenamt zu Nürnberg. In: MVGN, Bd. 42, 1951, S. 145—171; Rüger, a. a. O.; J. Winkler, Der Güterbesitz der Nürnberger Kirchen Stiftungen unter der Verwaltung des Landalmoscnamtes im 16. Jahrhundert. In: MVGN, Bd. 47, 1956, S. 160—296. 40) Im Gegensatz zum „alten Spital“ St. Elisabeth des Deutschen Ordens; vgl. unten S. 72. 41) Vgl. dazu G. P. F e h r i ng — A. Ress , Die Stadt Nürnberg (= Bayer. Kunstdenkmale 10). München 1961, S. 161 f.; Festsch rift anläßlich des 600jährigen Bestehens der Hl.-Geist-Spitalstiftung. Nürnberg 1939; A. Gemperlein, Konrad Groß, der Stifter des Nürnberger Heiliggeist-Spitals und seine Beziehungen zu Kaiser Ludwig. In: MVGN, Bd. 39, 1944, S. 83—126; Mummenhoff, Die öffentliche Gesundheits- und Kranken­ pflege, S. 3 3—65; S. R e i c k e , a. a. O., Bd. 1, S. 259 f. 5*

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Got der almechtig, Maria die iunckfraw und alles hymlisch here gelobt und geert wurd.“ 42)

Deshalb setzten sie in dem Stiftungsbrief fest, daß das Geld für die Be­ zahlung eines Arztes zu verwenden sei, der nach seinem Gefallen entweder im Spital selbst oder in einem Haus in der Nähe wohnen sollte; ihm wurde ein „Wundarzt“ 43) zur Seite gestellt. Außerdem erhielten Pfleger und Spital­ meister den Auftrag, eine Apotheke einzurichten und von den jährlichen Zinsen einen Apotheker44) zu bezahlen, der die Arzneimittel für die Kranken anfertigen mußte. Auch hier ließ es sich Schreyer nicht nehmen, die 9 Gulden für das Stif­ tungsbuch aus Pergament45) selbst zu bezahlen. Mit dem Heilig-Geist-Spital war er schon früher befaßt worden. Am 1. Januar 1480 hatte man ihm den Beschluß des Rates mitgeteilt, das Spital­ meisteramt46) mit einem „von den erbaren“ zu besetzen. Da Schreyer „von sein eitern also herkommen“ und sich auch „dermaß in erberkeit gehalten het“, wurde ihm dieses Amt angetragen. Die Arbeit sei nicht allzu beschwer­ lich, da er nur die Aufsicht über einen „uberreytter“ 47), einen Komschreiber und mehrere Knechte und Mägde hätte, die Rechnungsbücher führen müßte und sonst jederzeit den Spitalpfleger als „Oberherrn“ um Rat fragen könnte. Dafür sollte er freie Kost und Wohnung und 18 Gulden jährlich erhalten. Schreyer wollte jedoch sein Haus in der Burgstraße48) nicht verlassen und schlug das Anerbieten mit der freilich wenig überzeugenden Begründung aus, er habe „der gelegenheit, Ordnung und gewonheit des spitals und der armen darin kein wissen“ und sei besorgt, „ee er die erlernet, mocht versaumbnuß an im solchs seins unwissens halb erscheinen, und wo solchs beschee, kond er das gen Got und der weit nit verantworten“ 49). Doch griff er auch tatsächlich in die Geschicke dieses Spitals ein. In den Jahren 1332 bis 1339 war es nach einer Stiftung des Nümbergers Konrad Groß entstanden und stellte mit einer Kirche und dem Kirchhof, Häusern und den übrigen Gebäuden einen stattlichen Komplex dar. 1487 entschloß sich der Rat zu einem Erweiterungsbau. Schreyer berichtet, daß er mit einigen Herren des Rates, dem damaligen Baumeister und etlichen Werkleuten im Spital zusammengekommen sei und sie über den Neubau beratschlagt hätten. Mit nur schlecht verhehltem Stolz fährt er fort:50) 42) StadtAN, Hl.-Geist-Spital, Amtsbücher Nr. 10, Stiftungsbrief, fol. 7 ff. Daraus auch das Folgende. 43) Ein nicht akademischer Bader. 44) Vgl. dazu K. Bohner, Nürnbergs Apotheker im Mittelalter. In: MVGN, Bd. 38, 1941, S. 15—91. 45) StadtAN, Hl.-Geist-Spital, Amtsbücher Nr. 10, „Stiftsbuch der ertzlichen hilff der krancken im newen spital“. Vgl. auch ebda., Amtsbücher Nr. 2. 46) Vgl. dazu S. R e i c k e , a. a. O., Bd. 1, S. 259 f.; Bd. 2, S. 97 ff. 47) Dieser hatte die Amtsgeschäfte bei den Spitaluntertanen auf dem Lande zu erledigen. 48) Vgl. Kap. II, S. 27 ff. 4») Cod. A, fol. 175. 50) Cod. B, fol. 93v.

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„ als nach allerlay der herren ratschlegen der gemelt Sebolt Schreyer sein maynung auch gesprochen hat, ist er alßpald gepetten worden, seiner maynung ain muster auf bappir reyssen zu lassen, das er getan“ und später „das muster, so er gemacht hett, in holtzwerck schneyden zu lassen.“

Der Rat entschloß sich schließlich zu der einzigen Ausweichmöglichkeit, nämlich zu zwei die Pegnitz überbrückenden Wasserbauten, wobei der west­ liche, die „Sutte“, den eigentlichen Krankenbau und der östliche die Wohn­ gebäude aufnehmen sollte. Nach Schreyers Darstellung gewinnt man den Eindruck, als ob dies sein Vorschlag gewesen sei; warum sollte er sonst auch den Auftrag erhalten haben, seinen Plan aufzeichnen zu lassen? Ob die übrigen Mitglieder der Kommission auch dazu aufgefordert wur­ den, erfahren wir freilich nicht. So übertrug man ihm am 4. November des gleichen Jahres das Amt des obersten Baumeisters 51), Einnehmers und Ausgebers mit einer jährlichen Be­ zahlung von 20 lb neu. Als Helfer wurden ihm Hans Thumer, Hans Starck und Hans Schönbach zur Seite gestellt. Zum eigentlichen Baumeister und Ausführer des Erweiterungsbaues wurde zunächst Sebald von Moren ernannt. Es muß ein feierlicher Augenblick gewesen sein, als am 8. Juni 1489 der Abt von St. Egidien 52) Johannes Radenecker den Grundstein legte, «mit aller solempnitet der procession mit der pristerschaft und schulem umb drey or auf den tag" 53). Selbstverständlich waren die Mitglieder des Rates versammelt und auch eine große Menge Volks. Als am 23. Juni des nächsten Jahres dieser erste Stein übermauert wurde, hatte Schreyer schon für den denkwürdigen Augenblick Vorsorge getroffen. „Sebolt Schreyer hat das loch solches Steins, so mytten in einem creutz gewesen ist, mit ol wol geoltrenckt und darein gesetzt ein ygelglas mit wein, oben vermacht mit seinem petschaft verzeichent, auch ein guß von zyn des angesichts Cristi, ein guß von zyn des pfennyngs, darumb Cristus verkauft ist worden. Auch ein puchs­ lein, darauf sein insigel getruckt, vol als darinnen ein grosser Nurmberger Schilling, dazumaln 10 dn wert, zwen klein Nurmberger Schilling, der ein mit einem kronlein und der ander on ein kronlein, yder fünf dn wert, ein alter und ein newer Nurm­ berger pfennyng, zwen alt und zwen new Nurmberger haller, und er hat auch das loch mit einer zynen scheiben drithalb pfund swer verdeckt.“

Doch der Bau schritt nur langsam voran. Immer wieder auftretender Geld­ mangel und widrige Umstände verzögerten das Vorhaben. Sebald von Moren mußte die Gebäude wegen des sumpfigen Untergrundes auf Pfähle stellen54). So ließ auch Schreyers Begeisterung an seiner Aufgabe immer mehr nach. 51) Der Baumeister wurde als Geschäftsführer eines Unternehmens jeweils vom Rat bestimmt. Er hatte die Geldangelegenheiten unter sich undi war zu regelmäßiger Abrechnung in der Losungstube verpflichtet. Vgl. Sander, a. a. O., S. 276 ff. und M. L e x e r (Hg.), Endres Tuchers Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg (1464—75) (= Bibliothek des li­ terarischen Vereins in Stuttgart 69). Stuttgart 1862, S. 2 ff. 52) G. Pfeiffer, Die Anfänge der Egidienkirche zu Nürnberg. Ein Beitrag zur ältesten Stadtgeschichte. In: MVGN, Bd. 37, 1940, S. 25 3—308. 53) Cod. C, fol. 181; auch das Folgende. Zur Grundsteinlegung vgl. ebda., fol. lSOr. 54) Mummenhoff, a. a. O., S. 36.

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Schon nach drei Jahren — 1490 — beklagte er sich, er hätte „kain hilf noch beystand“,55) die Arbeit sei ihm zu beschwerlich geworden. Auch hätte er das Amt gerne abgegeben, schon um bei drohender Pestgefahr die Stadt jeder­ zeit verlassen zu können. Obwohl ihn der Rat in langwierigen Verhand­ lungen zu bleiben bat, zog er sich 1491 nach der Jahresabrechnung in der Losungstube vom Amt des obersten Baumeisters zurück *6). Inzwischen hatten sich die Kosten für den Bau erheblich erhöht, und zudem drohte das Gewölbe einzustürzen. Nachdem man weitere Baufehler entdeckt hatte, wurde Sebald von Moren von Hans Behaim d. Ä.57) abgelöst. 1506 entschloß sich die Kommission — auch Schreyer war dabei — zu einer Bauänderung M). Der Neubau wurde teilweise wieder abgebrochen und im Jahre 1511 zu Ende geführt. Er konnte jedoch erst 1527 endgültig seiner Bestimmung über­ geben werden. 3. Nachlaßverwalter für Konrad Topler59) Drei Jahre nach Georg Keippers Tod wurde Schreyer mit einer neuen, umfassenden Aufgabe betraut. 1487 war sein Verwandter Konrad Topler gestorben und hatte Sebald Schreyer, Sigmund Peßler, Lienhart und Konrad Marstaller, den Vater seiner Frau, zu Testamentsvollstreckern ernannt. Stiftung eines wöchentlichen Almosens

Auch Topler hatte in seinem Letzten Willen nur allgemein bestimmt60), „was ich über dise vorgeschribne mein verschickte hab und gut hinder mir lasse, [. . .] soll man zu gelt machen, so man allererst mag und solichs gelt in Gottes ere wenden und keren. Solichs alles bevilch ich meinen Vormunden auf ir höchste gewissen.“

So stifteten sie zunächst 66 Gulden Ewigzinsen an das Reiche Almosen61). Von diesem Geld sollten jährlich dem1 Kirchenmeister von St. Sebald 12 Gul­ den gegeben werden, der dafür einen Jahrtag zu Ehren des Stifters auszu­ richten und 6 Gulden an die Keippersche Stiftung der ärztlichen Hilfe im Heilig-Geist-Spital zu zahlen hatte. 55) Cod. B, fol. 94. w) Cod. B, fol. 165. Mummenhoff, a. a. O., S. 36, nennt Schreyer fälschlicherweise noch für das Jahr 1493 Baumeister beim Hl.-Geist-Spital. 57) Vgl. zur Familie der Behaim C. Schaper, Studien zur Geschichte der Baumeister­ familie Behaim. Hans Behaim war der Erbauer des Kornhauses unter der Veste und des Kornhauses beim Zeughaus. ^ Cod. B, fol. 94. 59) Konrad Topler hatte die Tochter von Schreyers Schwester, Margarethe Marstaller, ge­ heiratet: vgl. dazu Kap. II, Anm. 136. 60) StadtAN, Cod. man. 116, fol. 5. 61) Vgl. oben Anm. 3 3.

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Leider ist das Stiftungsbuch, das Schreyer darüber hat anlegen lassen62), heute verloren. Über die einzelnen Bestimmungen der Exekutoren wissen wir jedoch aus einem Salbuch des Reichen Almosens63). Sie wählten 20 „hausarme Menschen“ 64) aus, die Nürnberger Bürger waren und weder betteln durften noch Spenden aus dem Reichen Almosen oder der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung65) erhielten. Jeder von diesen sollte an allen Feiertagen des Jahres nach der ersten Frühmesse 1 Schilling in Gold aus dem Almosenhaus auf dem Sebalder Kirchhof bekommen. Für den Ausgeber des Almosens wurden die restlichen 2 GLw festgesetzt. Mit äußerster Gewissenhaftigkeit führten die Vormünder die ihnen an­ vertrauten Geldgeschäfte durch. Zweifellos hatte Schreyer bei beiden Aus­ richtungen die leitende Funktion. Kranke zu heilen und Arme zu unter­ stützen — hier vereinigte sich das Mitgefühl für den Nächsten mit dem Be­ streben, „pro remedio animae“ zu sorgen. Die Bürgerschaft half sich selbst in einer Vielzahl privater Stiftungen. Schreyers eigentliches und unbestreitbares Verdienst bei der Ausrichtung des Toplerschen Testaments war die Gründung eines Hauses, „so zu der zeit der pestilenz gebraucht sol werden“ M). Gründung des Sebastiansspitals87)

Die Spitäler im Nürnberg des ausgehenden 15. Jahrhunderts waren bereits äußerst zahlreich. Im hohen Mittelalter hatte die Spitalpflege ausschließlich in den Händen der Kirchen gelegen68). Mit der Zeit war in den Städten jedoch „infolge des Zusammenströmens mittelloser und notleidender Massen das Bedürfnis nach Fürsorge- und Pflegestätten immer mehr gewachsen“ 69). Dazu kam der Wunsch vieler Bürger, bei Gebrechlichkeit, Krankheit und Alter in einem Spital oder Pfründhaus aufgenommen zu werden. Den erhöhten Anfor­ derungen der späteren Jahre war die Kirche allein nicht mehr gewachsen. So 62) Vgl. Cod. C, fol. 209. Schreyer ließ das Stiftungsbuch ähnlich wie die oben erwähnten auf Pergament für 5 Gulden von seinem Geld anlegen. Neben Register, Vorrede, Stiftern und Vermehrern des Almosens enthielt es ein „pildnuß unser lieben frawen in der sunnen, mit irem kind am arm“, daneben die Bilder des Stifterpaares und darunter die der Vor­ münder. 63) StadtAN, F. R. 97a, fol. 80 f. 64) „Hausarme“ Personen waren Hilfsbedürftige, die jedoch eigenen Haus- und Grundbesitz hatten. Fremde und Bettler blieben von diesem Almosen ausgeschlossen. 65) Im Jahr 1510 kam noch die Landauersche Zwölfbrüderstiftung dazu; vgl. oben Anm. 33. w) Cod. B, fol. 224. ö7) Vgl. dazu vor allem Mummenhoff, a. a. O., S. 97—103. ß8) J etter, Geschichte des Hospitals; W. Liese, Geschichte der Caritas (= Jubiläums­ werk des deutschen Caritasverbandes). 2 Bde., Freiburg 1922; G. Ratzinger, Ge­ schichte der kirchlichen Armenpflege. 2. Aufl., Freiburg 1884; S. Reicke, a. a. O.,; H. v. Schubert, Kurze Geschichte der christlichen Liebestätigkeit. Hamburg 1905; G. Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit. 3 Bde. 2. Aufl. Stuttgart 1895. 69) S. Reicke, a. a. O., Bd. 1, S. 196 (mit reichen Literaturangaben).

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finden sich seit dem 14. Jahrhundert immer mehr bürgerliche Neugründungen. Vor allem in Nürnberg läßt sich diese Entwicklung deutlich verfolgen. Innerhalb der Stadtmauern waren als allgemeine oder Hauptspitäler das älteste Spital, das des Deutschordens zu St. Elisabeth 70), das „Neue Spital" oder Heilig-Geist-Spital71) und das Sondersiechenhaus72) errichtet werden. Fremde und Pilger wurden in St. Martha und im Spital zum Hl. Kreuz aufgenommen 73). Letzteres diente auch als Leprosenhaus. Außerhalb der Stadt­ mauern lagen die vier Siechköbel St. Jobst74), St. Johannis75), St. Leonhard76) und St. Peter und Paul77). Notwendiger als die Pflege Gebrechlicher und Aussätziger wurde jedoch gegen Ende des 15. Jahrhunderts die der Pestkranken. Es nimmt wunder, daß das häufige Auftreten von Seuchen78) verschiedener Art, die alle mit dem Namen „Pest" bezeichnet werden, ohne eine genaue medizingeschichtliche Unterscheidung vorerst möglich ist, nie offizielle Stellen zur Errichtung be­ sonderer Häuser veranlaßte, sondern daß diese immer von privater Seite aus­ ging. Erst im Jahre 1486 hatte die Pest innerhalb eines halben Jahres 4000 Menschen hinweggerafft. Dies wird wohl mit den Ausschlag gegeben haben, daß sich Schreyer mit den anderen Vormündern entschloß, ein Haus für die von dieser Krankheit Befallenen zu errichten. 70) Es wurde vor 1209 gegründet. Vgl. M u m m e n h o f f , a. a. O., S. 31—33; G. Schrotter, Das Deutschordenshaus in Nürnberg 1209—1500. In: Festgabe für Hermann Grauert. Freiburg 1910, S. 56 ff.; J. Voigt, Geschichte des deutschen Ritterordens in seinen zwölf Balleien in Deutschland. 2 Bde. Berlin 1857—59. Bes. Bd. 1, S. 33 ff. und 260 ff.; K. Dumrath, Die Heiliggeist- und die Elisabeth-Spitalstiftung zu Nürnberg. Recht und Schicksal frommer Stiftungen in Bayern seit dem Ende des Alten Reichs. In: ZbKG, lg. 24, 195 5, S. 48—88; nunmehr vor allem Hof mann, Der Staat des Deutschmeisters (= Studien zur Bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte III). München 1964, S. 487 ff. 71) Vgl. oben S. 67 und Anm. 70. 7i) Es wurde 1446 bis 1448 errichtet und schon 1528 in ein Weinlager umgewandelt; vgl. F e h r i n g - R e s s , a. a. O., S. 173; Rüger, a. a. O., S. 22 fA 7S) Beide wurden 1360 gegründet, St. Martha innerhalb der Stadt durch Konrad Waldstromer, Hl. Kreuz außerhalb der Statdtmauem durch Berthold Haller. Vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 3, S. 154; F e h r i n g - R e s s , a. a. O., S. 334 f.; Mummenhoff, a. a. O., S. 66; S. R e i c k e , a. a. O., Bd. 1, S. 311 (mit Literaturangaben). 74) 1308 vom Pfarrer von St. Sebald, Hermann von Stein, füt Männer gestiftet. Vgl. Fehring-Ress, a. a. O., S. 283 und Mummenhoff, a. a. O., S. 88 ff. 75) Ältestes Siechenhaus Nürnbergs für Frauen, erstmals 1234 erwähnt. Vgl. F e h r i n g • Ress, a. a. O., S. 285 und S. R e i c k e , a. a. O., Bd. 1, S. 322. 7#) Ordnung von 1317, für Frauen gegründet. Vgl. L. Eisen, Vor den Toren Alt-Nürn­ bergs. Geschichte der Vorstadt Gostenhof und des Siechkobels St. Leonhard. Nürnberg 1923; Fehring-Ress, a. a. O., S. 339 f.; S. Reicke, a. a. O., Bd. 1, S. 222. 77) Erwähnt 1344; St. Peter und Paul wurde erst 1484 durch Ratsbeschluß von einem Frauenin einen Mannskobel umgewandelt. Vgl. Fehring-Ress, a. a. O., S. 341 und Mummenhoff, a. a. O., S. 88 ff. 78) Vgl. dazu J. K. F. H e c k e r, Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters. Berlin 1862; W. Jungkunz, Die> Sterblichkeit in Nürnberg 1714—1850 — zugleich ein Beitrag zur Seuchengeschichte der Stadt. In: MVGN, Bd. 42, 1951, S. 289—352; Mummenhoff, a. a. O.; G. Sticker, Abhandlungen aus der Seuchengeschichte und Seuchenlehre. 2 Bde. Gießen 1908/12; bes. Bd. 1: Die Pest.

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Wie es dazu kam, schildert die Stiftungsurkunde vom 22. November 1490 79): Sie „haben gedacht ain groß almusen zu sein, den menschen, vor dem Got der allmechtig in der vergenglichen weit am maisten als durch ein vernünftige creatur geeret wirdet, in leben zu enthalten und darauf zu herczen genommen, das zu den Zeiten, so auß der verhencknuß des allmechtigen Gottes durch die wurckung der cörper des himmels sich in disen landen Vergiftung des luftes und regirung der pestilenz begeben, als sich dann gemainklich in zehen oder zwelf jaren ungeverlich einmal erewget in diser löblichen stat Nurmberg.“

Wenn auch die Stadt mancherlei Almosen und Anstalten für Kranke be­ sitze, so heißt es weiter, hätten allein die von der Pest Befallenen keine Ord­ nung und keine Zuflucht an irgendeiner Stätte. Die allgemeinen Spitäler müßten diese Kranken in ihren Räumen dulden, und so seien schon viele Gesunde angesteckt worden. Um dies für die Zukunft zu verhindern, hielten sie es für „gut, löblich, nötig und heilsam", außerhalb der Stadt ein Spital zu errichten und es mit ewigen Zinsen auszustatten, wo Bürger und Bürgerinnen, deren Dienst­ boten und auch Fremde, die in Nürnberg von der Pest befallen wurden, auf­ genommen werden sollten. Zur Errichtung für dieses Seuchenkrankenhaus zu besonderer Verwendung waren 160 Gulden an Ewigzinsen eines auf der Lo­ sungstube angelegten Kapitals und andere Almosen vorgesehen. Das Haus sollte dem Patron für Pestkranke, dem heiligen Sebastian, ge­ weiht werden. Solange die Pest nicht auftrete, seien die Jahreszinsen den vom Rat zu ernennenden Pflegern und Amtleuten auszuzahlen, die diese zum Nutzen der Anstalt anzulegen hätten. Damit aber bei der Aufnahme keine Verzögerung eintrete, sollten die Pfleger und Amtleute Fuhrleute mit Pferden und ver­ deckten, mit besonderen Zeichen versehene Wagen an bestimmte Plätze bestellen, damit jeder sie finde. Für die Genesenen wurde ein besonderes Gemach, eine Art Isolierschleuse bestimmt, worin sie bleiben sollten, bis ihnen die Pfleger nach den Gutachten der Ärzte den Verkehr mit den Menschen wieder gestatteten. Die heiligen Handlungen, besonders das Austeilen der Sakramente sollten im Namen der beiden Pröpste von St. Sebald und St. Lorenz durch Ordens­ oder Weltpriester geschehen. Um der Ansteckung durch Kleider und andere Gegenstände vorzubeugen, wurde vorgeschrieben, daß alles, was an Gewändern oder Sonstigem in das Sebastiansspital gebracht würde oder was bei den Kran­ ken in irgendeiner Weise Verwendung fände, darin bleiben und nichts daraus verkauft oder verschenkt werden dürfte. Was nicht zu gebrauchen wäre oder nach dem Urteil der Ärzte verdächtig erschien, sollte auf dem Feld verbrannt werden. Dem Eigentümer der Kleider, der nach seiner Genesung keine anderen mehr besäße, würde dafür ein „ziemliches", einfaches und neues Kleid ge­ schenkt. 79) StadtAN, Cod. man. 116, fol. 5 ff. Sinngemäß auch bei S. 98 ff.

Mummenhoff,

a. a. O.,

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Die Behandlung der Kranken übernahm die von der Keipperschen Stiftung ins Leben gerufene ärztliche Hilfe im Heilig-Geist-Spital80). So gründlich, mit fast modern anmutenden Ideen zur Desinfektion, setzten sich die Vormünder mit den Einzelheiten auseinander. Diese Stiftungsurkunde ließ Schreyer wiederum in ein eigens dafür ange­ legtes Salbuch81) eintragen82). Aus den folgenden Jahren sind uns außerdem drei Bände erhalten, in die er für die Abrechnungen in der Losungstube alle Einnahmen und Ausgaben des Baues eintragen ließ 83). So wie der Rat im Jahre 1505 beschlossen hatte 84), die Toten der Sebalder Pfarrei nur noch auf dem Johannisfriedhof, die der Lorenzer Pfarrei nur noch auf dem Friedhof St. Rochus begraben zu lassen und nicht mehr in der Stadt; ebenso empfahl es sich aus hygienischen Gründen, das Spital außerhalb der Stadtmauern zu errichten. Für das riesige Unternehmen standen jährlich nur 160 Gulden an Zinsen aus der Losungstube zur Verfügung, freilich mit dem Rückhalt eines Kapitals von etwa 4000 Gulden. Schreyer muß also bei seinem Vorhaben fest mit der Unterstützung des Rates gerechnet haben, sonst hätte er sich wohl nicht mit einer so großen Zuversicht in die Arbeit vertiefen können. So wurde von Sebald Taucher für 200 Gulden eine Wiese gekauft85), „vor dem Irherthürlein zunächst underhalb der Weydenmül an der Pegnitz, an einem ort an der Starcken wisen und am andern ort an den sandpuhel stossende, der bey 3 tagwerck sind/'

Doch am 30. April 1493 bat der Rat Schreyer, Peßler und Lienhart Mar­ staller 88) als Pfleger87) und Amtleute des künftigen Spitals zu sich. Er fürchtete die neue Geldausgabe für die Stadt und suchte die Vormünder zu überreden, mit der für St. Sebastian vorgesehenen Summe doch lieber den Erweiterungs­ bau des Heilig-Geist-Spitals88) zu unterstützen. Die Pestkranken könnten in einem besonderen Gebäude dieses Spitals aufgenommen werden 89). Zwar zahl­ ten die Exekutoren 200 Gulden für den Erweiterungsbau 90), konnten sich je­ doch zu einer Aufgabe ihres Planes nicht mehr entschließen 91). Die beharrende 80) Vgl. oben S. 67 f. 81) StadtAN, Cod. man. 116, „Sal- oder Stifftbuch des hawß St. Sebastian“, ein PergamentCodex, der 7 Gulden kostete. Einen ähnlichen ließ Schreyer für sich selbst auf Papier anlegen; GNMNBibl., Hs. 6081a. 82) Cod. C, fol. 208 f. 83) StadtAN, Rep. 52, Nr. 20, die Jahre 1494—1507 betreffend; ebda., Cod. man. 75.2° von 1507—1515; für dieselbe Zeit ebda., Rep. 52, Nr. 22. StadtAN, Cod. man. 116, fol. 53, berichtet Schreyer über Anlage und Inhalt; auch Cod. F, fol. 18r. 84) Nach E. R e i c k e , a. a. O., S. 5 83. 85) StadtAN, Cod. man. 116, fol. 12. 86) Konrad Marstaller war inzwischen gestorben. 87) Vgl. dazu S. R e i c k e , a. a. O., Bd. 2, S. 70 ff. 88) Vgl. dazu oben S. 72. 89) Cod. B, fol. 224v ff. 90) Vgl. dazu oben S. 68 f. 91) Die Testamentsvollstrecker begründeten ihr Beharren: „auf das wir vor gott in unsern gewissen unbeschwert und bey der gemein als dem menschen onnachrede beleyben“; vgl. Cod. B, fol. 225v.

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Kraft scheint wieder Schreyer gewesen zu sein, denn zur selben Zeit zogen sich Peßler und Marstaller zurück und überließen ihm allein das Baumeister­ amt. Daß Schreyer nun das Unternehmen ohne ausdrückliche Billigung des Rates anging, sollte ihm in Zukunft viel Unannehmlichkeiten bringen. Ähnlich feierlich wie beim Erweiterungsbau des Neuen Spitals 92) hatte Schreyer auch hier den Grundstein durch den Abt von St. Egidien mit an­ schließender Messe legen lassen wollen. Doch der Rat teilte ihm mit, er habe „an irem furnemen ein Verdruß und mißvallen“ und da der Bau der Stadt gehöre, sei er dafür, „sulchen stein auf das stilst und schlechst on Verkündigung zu legen“ 93). Schreyer mußte sich der obersten Gewalt fügen, und nach langem Hin und Her und einem Erlaß ö4) des Bamberger Bischofs **) wurde der Stein endlich am 6. August des Jahres 1497 in aller Stille durch Sebald Lomeyr96), den Schaffer von St. Sebald, in Anwesenheit von Heinz Topler, Hans Berg­ meister und Sebald Schreyer gelegt. Mit ihm ließ Schreyer Öl, Wein und Mün­ zen und eine Tafel mit Datum, Namen und Wappen des Stifters und der Aus­ richter einmauern 97). Zu Werkleuten wurden Hans Behaim, Georg Stadelmann und zum Stein­ metz wurde Ulrich Kraft ernannt M). Man einigte sich auf eine Ausdehnung von etwa 67 m Länge, 27 m Breite und 9 m Höhe "). Doch schon als der Grund ausgehoben wurde, mußte Schreyer um ein Darlehen aus der Losungstube bitten. Der Rat widersetzte sich jedoch dem Ansinnen. Hatten doch die Werkleute 1501 einen Voranschlag allein für den Spitalbau in Höhe von 6825 Gulden gemacht; für das Steinwerk waren 4884 Gulden und für das Holzwerk mit Ziegeln und Nägeln 1941 Gulden errechnet worden. Die 160 Gulden an Eigenzinsen, die den Nachlaßverwaltem zur Verfügung standen, waren dafür natürlich völlig unzureichend. Der Rat erklärte sich schließlich zu einer vorläufigen Zahlung von 1000 Gulden bereit, falls es Schreyer gelänge, durch Almosen oder Lehen begüterter Nürnberger Bürger 2000 Gulden herbeizuschaffen. Dazu erhielt er zwar die Erlaubnis, diesen Entschluß von den Kanzeln verkünden und an den Kirchentüren an­ schlagen zu lassen, doch war es ein nicht sehr aussichtsreicher Vorschlag. Hinzu kam noch, daß er selbst das Spital in einem zusammenhängenden Bau ausführen lassen wollte, der Rat jedoch für zwei getrennte Gebäude war, ein größeres für die Kranken und ein kleineres für die Genesenen. Glaubte sich Schreyer als Ausrichter einer frommen Stiftung im Recht, so beanspruchte 92) 93) 94) 95)

M) 97) ") "}

Vgl. oben S. 69. Cod. C, fol. 181. Ebda., fol. 178v—180r; gedruckt bei Erdtmann, Norimberga in flore, S. 72—76. Heinrich III., Groß von Trockau, wurde am 1. 2. 1487 gewählt, am 15. 7. 1487 zum Bischof geweiht und starb am 30. 3. 1501; vgl. J. Kist, Fürst- und Erzbistum Bamberg. Leitfaden durch ihre Geschichte von 1007 bis 1943 (= BHVB, Bd. 92). 2. Aufl. Bamberg 1958, S. 71, Nr. 36. Über ihn vgl. Kap. IV, S. 101. Cod. C, fol. 180. Zur Grundsteinlegung vgl. auch Abb. 4. Das Folgende nach Cod. F, fol. 1—18V. Schreyer gibt 220, 90 und 30 Stadtschuh als Maße an. Vgl. zum Nürnberger Stadtschuh Kap. II, Anm. 28.

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der Rat als oberste Gewalt die Entscheidung für sich. Nur über die Anlage von zwei Stockwerken war man sich einig. So verzögerten Geldmangel und wachsende Meinungsverschiedenheiten den Bau. Der Plan des Rates schien schon deshalb gerechtfertigt, weil sich 1507 Markgraf Friedrich von Brandenburg beschwerte, er sehe den Bau des Spitals vor der Stadt als Eingriff in seine Rechte an, und er verlangte ihn „abzetreyben“, da er „zu einer bevestigung oder weer furgenomen sei“ 10°). Darauf wurde ihm geantwortet, daß das Gebäude keinesfalls eine Befestigung darstelle und somit auch keine Verletzung der fraischlichen Obrigkeit vorliegen könne. Es ist verständlich, wenn der Rat nach der Auseinandersetzung mit dem Mark' grafen von 1501 bis 1503 101) diesen nicht erneut verärgern wollte. Nur zö­ gernd lieh er somit Geld für dieses Unternehmen und versuchte immer wieder in zahlreichen Rats Verlässen Schreyer umzustimmen 102). Da eine mittelalterliche Sozialstiftung ohne Sorge um das Seelenheil dem Denken der Zeit unmöglich schien, entstand unmittelbar nach dem Bau der Gebäude auch eine Kapelle. 1509 wurde der Grundstein gelegt; über deren Höhe kam es ebenfalls zu Meinungsverschiedenheiten. Jedoch konnte wenig­ stens sie am 14. Juni 1513 geweiht werden 103). Drei Altäre wurden geweiht, und zwar einer Christus, Johannes dem Täufer, den Heiligen Peter und Paul und den Zwölfboten, einer dem heiligen Sebastian und der dritte Maria und den 14 Nothelfem, jeder mit genau verzeichnetem „heiltumb“. Zudem hatte Schreyer vom Bamberger Bischof Georg III. Schenk 10°) StadtAN, Cod. man. 1X6, foi. 53; E. Reicke, a. a. O., S. 53 8 f. Ein Ratsverlaß vom 16. Oktober 1509 vermerkt „mercklich beswerden, die auß solchem pau, wo der zum ende gebracht, gemainer statt konftiglich darauß ervolgen mag“, und „sonderlich, das solch gepeu zu endlicher seiner volfürung zu ainer befestigung wider gemaine stat dienen und ains rats veind und widerwertigen, wo die, das got verhüten wöll, gen Nürnberg belegerung furnemen, sich darinnen behelfen und der stat mercklichen schaden mit geschoß und anderm darauß fügen möchten; zudem, das das ains überschwencklichen costens walten und alls zuversichtlich noch in langer weyle nit ufgericht werden möcht Ist demnach bey ainem wolgesammeten rate ertailt, dem Schreier zu gepieten, noch zur zeit mit angezaigtem gepeu weiter nit furzufarn.“ Nach Hampe, Nürnberger Ratsverlässe über Kunst und Künstler, Bd. 1, S. 124, Nr. 825. i°i) Vgl. Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 5, S. 653 ff. 102) Hampe, a. a. O., S. 124 ff., 154, 164. Immer wieder verlangte der Rat, daß Schreyer den Bau „nach rate der werckleut und nit nach seinem Vorhaben und gefallen“ aus­ führen lasse. 10S) Cod. F, fol. 15; Siebenkees, Materialien, S. 600—605, hat eine die Kapelle betref­ fende Urkunde abgedruckt, gibt jedoch seine Quelle nicht an. Vielleicht stammt die Abschrift ausi einem der verlorenen Codices. Die Weihe nahm Weihbischof Kaspar vor; Kaspar Breyel war Dr. der Theologie, wurde 1490 Hofkaplan in Bamberg und war am 1. April 1504 als Bischof von Natura Weih­ bischof in Bamberg geworden. Er starb am 29.7.1517; über ihn vgl. F. Wächter, General-Personal-Schematismus der Erzdiözese Bamberg. Bamberg 1908, Nr. 1149. Über die Weihe selbst vgl. Dedicationes Bambergenses. Weihenotizen und -Ur­ kunden aus dem mittelalterlichen Bamberg. Mit einer geschichtlichen Einleitung hg. v. W. Deinhardt (= Beiträge zur Kirchengeschichte Deutschlands l). Freiburg/Br. 1936, S. 117 ff., Nr. 194.

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von Limburg104) einen 40tägigen Ablaß für alle diejenigen erwirkt, die am Tage der genannten Heiligen, zum Kirchweihfest und am Sonntag vor St. Veit die Kapelle besuchten, dem Spital Almosen spendeten oder seine Helfer waren, ebenso für alle, die hier eine Messe lasen, lesen ließen oder anhörten und dabei drei Vaterunser, drei Ave-Maria und ein Glaubensbekenntnis beteten. Im weiteren Verlauf des Spitalbaues kam es jedoch zu keiner Einigung. Ein Ratsverlaß vom 14. November 1515 macht dies nur zu deutlich. Die Herren hatten nun endgültig 105) „seins [Schreyers] harten andringens und aigenwilligen kopfs wider ains erbern rats furgenomen und beslossen enderung, wie sy auß oberkeit ze thun macht haben, ain mercklich mißfallen und beswerd, und sey noch ains rats maynung, daz er im solhs laß gefallen und dem zugegen kaine Verhinderung oder widerred mehr thue, damit er ain rat nicht zu merern mißfallen beweg und ursach geb, darumb mit gepiirlicher straf gegen im ze handeln, daz im nicht zu gutem körnen möcht.“

Da Schreyer auch auf diese scharfen Worte hin nicht von seiner Vorstellung eines einzigen Bauwerks abgehen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als am 23. Januar 1516 vom Amt des Baumeisters beim Sebastiansspital zurück­ zutreten. Er legte für die 25 Jahre, von 1490 bis 1515, in der Losungstube seine Rechnungen vor und vermerkte mit leisem Triumph, daß er während seiner Geschäfsführung mehr eingenommen als ausgegeben habe 106). Die gesamten Einnahmen beliefen sich auf 15.705 Gulden, 6 lb und 1V2 dn, die Ausgaben auf 15.554 Gulden, 7 lb und 1 dn. So war nicht nur der Kostenvoranschlag bei weitem überschritten worden; auch das Kapital des Stifters Topler war gänzlich aufgezehrt. Der Großteil der Summe war letztlich aus der Losungstube und Spenden Nürnberger Bürger auf­ gebracht worden. Trotz aller Widrigkeiten bestand das Gebäude schließlich aus zwei Stock­ werken und zerfiel in Länge und Breite, von einem Gang durchschnitten, in vier Abteilungen. Da Schreyer nichts über die Anzahl der Gebäude erwähnt, ist anzunehmen, daß es schließlich doch aus zwei Baukomplexen bestand. Nach Osten zu schloß sich die Kapelle an, die nach dem Plan des Gründers mit dem oberen wie mit dem unteren Stockwerk des Spitals durch einen Schwibbogen verbunden war. So war Schreyer zwar mit seinen hochfliegenden Plänen an der Macht des Rates gescheitert, die Einzelheiten wurden jedoch nach seinen Vorstellungen durchgeführt. Mit allen Details verzeichnete er seinen Bauplan in einem seiner Codices107). Zweifellos wollte Schreyer mit der Gründung dieses Spitals zum dauernden Gedächtnis an Konrad Topler beitragen, aber nicht weniger stark wird sein Verlangen gewesen sein, mit dieser Tat sein eigenes Andenken der Nachwelt 104) Georg III. war am 13. 2. 1505 gewählt, am 8. 9. 1505 geweiht worden und starb am 31. Mai 1522; vgl. J. K i s t, a. a. O., S. 71, Nr. 39. 105) Hampe, a. a. O., S. 164, Nr. 1061. 10#) Cod. F, fol. 18. 107) Cod. F, fol. 236-238.

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erhalten zu wissen. Daß er jedoch den Nachlaß sowohl Keippers als auch Toplers zum Wohle und Nutzen der Stadt angelegt hat, wird man ihm ohne weiteres zubilligen müssen. Erst im Jahre 1528, acht Jahre nach Schreyers Tod, war das Spital end­ gültig vollendet. Sein weiteres Schicksal war freilich nicht von langer Dauer. 1529 beschloß man eine Vergrößerung und brachte Männer und Frauen in getrennten Gebäuden unter. Bald jedoch fürchtete man, daß der Bau der Stadt zur Zeit einer Belagerung zum Nachteil gereichen könnte. So ließ der Rat das Spital im zweiten markgräflichen Krieg von 1552 aus Sicherheitsgründen niederbrennen und nach Kriegsende 1554 in kleinerem Umfange ohne die Kapelle wieder aufbauen. Im 17. Jahrhundert wurde es erweitert; aus diesem Bau entwickelte sich in der Folgezeit eine ganze Reihe von Anlagen. Die alten Gebäude in St. Johannis wurden im Zweiten Welt­ krieg zum großen Teil zerstört; heute befindet sich das Spital in veränderter Form in der Veilhofstraße J08).

108) Fehring-Ress, a. a. O., S. 33 5 und Mummenhoff, a. a. O., S. 101 ff. 78

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IV. VITRICUS SANCTI SEBALDI

Zahlreiche Ämter hatte Sebald Schreyer zu Beginn der achtziger Jahre in Nürnberg bereits inne *). Sein sozialer Aufstieg fand jedoch seinen Höhepunkt, als er zum Kirchenmeister von St. Sebald ernannt wurde. Hier sollte sich seine tiefstgreifende und erfolgreichste Tätigkeit entfalten. Th. Hampe hat sich in seinem Aufsatz *2) mit diesem Amt Schreyers befaßt, behandelt jedoch im wesentlichen kunsthistorische Fragen und läßt wirtschaftsgeschichtliche Momente und Probleme der alten Kirchenverwaltung außer acht. 1. Die Kirche zu St. Sebald

Die Kirche St. Sebald 3), deren Namenspatron 4) wie kein anderer Heiliger mit der Geschichte der Stadt verknüpft ist, zählt neben der Kirche zu St. Lorenz zu den bedeutendsten Gotteshäusern Nürnbergs. Im 12. Jahrhundert gegründet, war sie anfangs Filialkirche von St. Peter in Poppenreuth gewesen, 1387 zur Pfarrkirche, 1477 zur Propstei erhoben worden und war der St. Martinskirche 5) in Bamberg inkorporiert. Ihre Parochialrechte erstreckten sich auf die ganze, nördlich der Pegnitz gelegene Stadtseite und die sich daran anschließenden Gärten und Ortschaften, so daß Wöhrd, St. Jobst und St. Johannis Filiales von St. Sebald waren. Die Pfarreien Bruck, Eltersdorf, Tennenlohe, Poppenreuth und Kraftshof standen mit ihr in reger Verbindung6). Zu Beginn des 15. Jahrhunderts beschäftigte die Kirche eine große Anzahl von Geistlichen und Laien. Allen voran stand ein Propst, ihm folgten ein Prediger, 8—9 Kapläne („Gesellen") mit einem ältesten, dem Archidiakon (Prokurator oder Schaffer) und 12—19 Vikare (Altaristen). Das Kirchengut stand unter Aufsicht eines Kirchenpflegers und eines Kirchenmeisters, dem wiederum ein Komschreiber und der Schulmeister7) mit den Chorschülern und den Sakraments- oder Herrgottsknaben untergeordnet waren. Dem Kirchenmeister unterstand ferner ein Kirchner, der die Aufsicht x) Vgl. Kap. I, S. 22 ff. 2) Hampe, Sebald Schreyer. 3) W. Deinhardt, Frühmittelalterliche Kirchenpatrozinien in Franken. Studien zur Früh' geschichte der Diözesen Bamberg und Würzburg. Erlangen 1933, S. 59 ff.; W. Fries, Die Sebalduskirche in Nürnberg (= Deutsche Bauten 10). Burg bei Magdeburg 1928; E. Frhr. von Guttenberg, Das Bistum Bamberg I (= Germania sacra II, l). Berlin 1937, S. 34 ff.; F. W. Hoff mann, Die Sebalduskirche in Nürnberg. Ihre Baugeschichte und ihre Kunstdenkmale. Wien 1912; E. Lutze, Die Nürnberger Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz. Berlin 1939. 4) Zum Sebalduskult in Nürnberg vgl. Kap. VI, S. 143 ff. 5) N. Haas, Geschichte der Pfarrei St. Martin zu Bamberg und sämtlicher milden Stiftungen der Stadt. Bamberg 1845. 6) Nach H i 1 p e r t, Geschichte der Entstehung und Fortbildung des protestantischen Kirchen' Vermögens, S. 4. Vgl. auch E. Frhr. v. Guttenberg (f)u. A. Wendehorst, Das Bistum Bamberg II ( — Germania Sacra II, 2). Berlin 1966, S. 276 f. 7) Vgl. ausführlich unten S. 92 f. 79

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über die Gebäude und den Kirchhof führte und zwei „Kirchenknechte“ (Mesner) und zwei „Totengräberknechte“ hielt. Propst, Prediger, Kapläne, Kornschreiber und Schulmeister hatten ihre Wohnungen im Pfarrhof und spei­ sten gemeinsam auf einer Stube 8). Kirchenpfleger und Kirchenmeister hatten das beträchtliche Vermögen von St. Sebald zu verwalten 9). Neben der Kirche selbst und dem sie umgebenden Friedhof gehörten ihr an Liegenschaften der Pfarrhof mit einem Stadel im Taschental, ein Garten vor dem Tiergärtnertor, ein Haus auf der Füll, in dem der Kirchner mit den vier Herrgottsknaben wohnte, ein Eckhaus auf dem Friedhof für die Totengräber und ein weiteres mit verschiedenen Krämen 10), das mit einem Schwibbogen mit dem Schulhaus verbunden war, mehrere ge­ stiftete Häuser in der Zisselgasse, am Geiersberg, in der Stöpsel- und in der Katharinengasse, in denen Priester und Beginen u) wohnten und einige ver­ pachtete oder vererbte Äcker und Wiesen in entfernteren Gegenden. Auch der von den Burggrafen und Nürnberger Familien gestiftete Kirchen­ schatz, bestehend aus Gefäßen, Ornaten und weiteren Gerätschaften, stellte einen bedeutenden Wert dar. Die Haupteinnahmequelle von St. Sebald bestand in Renten an Geld, Ge­ treide und anderen Naturalien. Die Nutznießung der verschiedenen Altar­ pfründen 12) hatten die Vikare. Bargeld erhielt die Kirche an Zinsen von der Losungstube, aus Ewiggeldern von Häusern in der Stadt und Gütern auf dem Land. Zahlreiche Stiftungen von Jahrtagen, Spenden für Arme, für die Be­ leuchtung der Altäre und ewigen Lichter13), zur Bereitung von Oblaten, zur Beschaffung von Meßwein und bestimmten Gesängen vergrößerten die Ein­ nahmen. Es ist verständlich, wenn der Rat von Anfang an versuchte, auf die Ver­ waltung von St. Sebald und der übrigen Kirchen Einfluß zu gewinnen. Als Inhaber des Stadtregiments betrachtete er sich gleichwohl als Schutzherr der Kirchen und wollte sich auch bei der Besetzung der Pfarrstellen maßgeblich beteiligen 14). Diese wurden von jeher vom Bischof in Bamberg besetzt; seit 1448 hatte er sich jedoch mit dem Papst in dieses Recht zu teilen. In den un­ geraden Monaten des Jahres stand dem Papst, in den geraden dem Bischof das Recht der Besetzung zu. Erst in einer Bulle vom 31. Dezember 1474 15) erteilte Sixtus IV. dem Nürnberger Rat das erbetene Privileg, nach dem dieser in den päpstlichen Monaten (Januar, März, Mai, Juli, September, November) das „ius patronatus“ und die Lehenschaft der Sebaldus- und Lorenzkirche innehatte. 8) ö) 10) 11)

12) 13) 14) 15)

BO

H i 1 p e r t, a. a. O., S. 4 f. und Herold, Alt-Nürnberg in seinen Gottesdiensten, S. 35. Das Folgende nach Hilpert, a. a. O., S. 6 ff. Holzbuden auf freien Plätzen, die als Verkaufsstände verwendet wurden. Sie wohnten in den Seelhäusem; vgl. E. Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 198. Zur Literatur vgl. S. Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht, S. 308, Anm. 3. Hof mann, Die „Pfaffenpfründen“ im Landalmosenamt zu Nürnberg, S. 145 ff. Vgl. zum Beispiel beim Schreyergrab, Kap. VI, S. 155. Das Folgende nach Engelhardt, Der Kirchenpatronat zu Nürnberg, S. 2 ff. Vgl. dazu auch Anm. 16. Ebda., S. 77 ff.

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Die Präsentation erfolgte durch den Abt von St. Egidien, der die Neuemannten auch in ihr Amt einführte. Damit hatte der Papst seine eigenen Rechte zu­ gunsten des Rates abgetreten, sehr zur Mißstimmung des Bischofs, dem jedoch die Verleihung in den geraden Monaten verblieb. Seine Unzufriedenheit mußte sich noch steigern, als am 18. September 1477 wiederum auf Bitten des Rates16) die Pfarrer zu Pröpsten ernannt wurden und damit zur Jurisdiktion über die ihnen untergebenen Geistlichen berechtigt waren. Trotzdem legte 1513 ein Vertrag zwischen Bischof und Domkapitel einerseits und Bischof und Rat andererseits fest, daß in den einst päpstlichen Monaten dem Rat das Kolla­ tionsrecht in Form der Präsentation an den Diözesanherrn für ewige Zeiten zuerkannt wurde. Ein Jahr darauf bestätigte Papst Leo X. das Abkommen. Nicht aus ursprünglichem Eigenkirchenrecht, sondern aus einem päpstlichen Privileg und einem Vertrag mit den zuständigen kirchlichen Instanzen ist also der Patronat der Stadt hervorgegangen 17). War die Kirche darauf bedacht, die städtische Geistlichkeit trotz allem ihrem Machtbereich zu unterwerfen, so war der Rat bemüht, den Weltklerus in seine Hand zu bekommen. Aus dem privaten Rechtsgeschäft der Stiftung von „Seelgeräten" 18), das man dem kirchlichen Ämterrecht entziehen konnte, entwickelte sich bei den Pfründstiftungen das Recht des Rates auf die Verwal­ tung, später auf die Besetzung der Stellen. Bedeutsamer aber wurde der Einbruch der Stadtgemeinde in die kirchliche Sphäre durch Einrichtung des Pflegeramtes. „Pfleger, Kirchengeschworene, Altenleute, procuratores, vitrici und wie sie noch in zahllosen Bezeichnungen genannt wurden, erscheinen schon im 13. Jahrhundert in den Städten, und auch in Nürnberg taucht dieses Amt an der Hauptpfarrkirche schon im ersten Jahr­ zehnt des 14. Jahrhunderts auf, in der ersten die kirchliche Vermögensverwal­ tung berührenden Urkunde" lö). 1309 hatte dieses Amt in Nürnberg zum ersten Male der „Gotteshauspfleger" von St. Sebald, Friedrich Holzschuher, inne, „ein Amt, in dem sich die Stellung der Stadtgemeinde auf dem Gebiete der autonomen Erfassung kirchlicher Angelegenheiten konzentrieren sollte" 20). Der Kirchenpfleger wurde jeweils aus der Mitte des Rates gewählt, gehörte also ausschließlich den Geschlechtern an. Seine Tätigkeit erstredete sich vor­ nehmlich auf die Aufsicht bei baulichen Veränderungen und auf die Verwal­ tung der kirchlichen Angelegenheiten. Seit dem Jahre 1343 sind in der Sebalder Pfarrei zwei Pfleger festzustellen. In späterer Zeit wurde vom Kirchenpfleger deutlich der Kirchenmeister unterschieden, der nicht den Geschlechtern ent­ stammte, sondern meist aus ehrbaren Familien ausgewählt wurde. Der Kirchen­ meister leistete die eigentliche Verwaltungsarbeit, während der Kirchenpfleger 16) Kraus, Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Kurie, S. 73. 17) S. R e i c k e, Stadtgemeinde und Stadtpfarrkirche der Reichsstadt Nürnberg im 14. Jahr­ hundert. In: MVGN, Bd. 26, 1926, S. 50 f. 18) Schenkungen oder Stiftungen für das Seelenheil. Vgl. A. Schultze, Stadtgemeinde und Kirche im Mittelalter. München 1914, S. 111 ff. Vgl. auch H. Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts. Tübingen 1963. Bd. 1: Geschichte des Stiftungsrechts, S. 124 ff.; S. R e i c k e , Das deutsche Spital und sein Recht. lö) S. R e i c k e , Stadtgemeinde und Stadtpfarrkirche, S. 100 f. 20) Ebda., S. 100. 6

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nur noch die Oberaufsicht führte, aber bei allen Unternehmungen seine Zu­ stimmung geben mußte. Beide ernannte der Rat, und beide waren von seiner ausdrücklichen Zustimmung abhängig und seinen Weisungen unterworfen. Die kirchliche Verwaltungstätigkeit lag somit letztlich in Händen des Rates. 2. Führung der Amtsgeschäfte

Festlegung von Zuständigkeiten und Aufgaben 1474 war Ruprecht Haller Kirchenpfleger, 1478 Hans Haller Kirchenmeister von St. Sebald geworden. Am 24. September 1482 wurde nun Sebald Schreyer das verantwortungs­ volle Amt des Kirchenmeisters übertragen. Mit ganzer Kraft widmete er sich 21 Jahre lang dieser Aufgabe. Durch seine ausführlichen Aufzeichnungen sind wir genauestens über seine Tätigkeit unterrichtet. Schreyer schreibt über seine Ernennung:21)

„Item Sebolt Schreyer ist von herren Gabriel Nutzei die zeit obersten haubtman am pfintztag vor sand Matheus tag [. . .] erfordert und im alspald furgehalten worden, wi Hans Haller kirchenmeister zu sand Sebolt das kirdienmeisterambt seiner geprechenheit und kranckeit halb aufgesagt hab und er in einem erbern rat darfur angesehen sey, wo es anders seins fugs wer, ine darzu und an sein stat zu nemen, mit beger, in seiner meinung versten zu lassen. Darzu im Sebolt Schreyer ein bedencken genomen hat [. . .] und wiewol er, als er die muhe und arbeit, so zu solchem gehört, erfarn hat, in willen gewesen ist, solchs abzuschlahen und sich des eussern, so ist er doch durch rat des gemelten herrn Gabriel Nutzeis und etlichen ander des rats, auch sunst etlicher seiner guten freund, auch durch peet etlicher derselben darzu bewegt worden, solichs anzunemen [...], wiewohl solch ambt muesam und im anzunemen schwer sey, yedoch so sey er geneigt, sand Sebolt zu dienen und einem erbern rat zu willen zu werden, darzu er allzeit verflissen gewesen sey,[. . .] woll er auch solch ambt [. . .] annemen ein iar zu versuchen in getrauen, wo es nach ausgang des iars seins fugs nit sein wurd, in des gütlich zu erlassen. [. . .] [Am 24. September] ist solch sein erpeten angenomen und [. . .] Hansen Haller verfangen worden, damit im pucher, register und anders uberantwurt wurd, in massen dann des selben tags nach essens auch beschehen ist.“

Nachdem Schreyer in das Amt eingeführt worden war, machte er sich mit gewohnter Gründlichkeit an die Arbeit. Der bedeutende Grundbesitz der Kirche in Stadt und Land und die zahlreichen Stiftungen erforderten genaue Auf­ zeichnungen. 1450 hatte bereits der damalige Kirchenpfleger Sebald Pömer in Zusammenarbeit mit dem Kirchenmeister Hans Hübner ein Salbuch — das älteste von St. Sebald erhaltene — anlegen lassen 22). Es verzeichnet Güter und Zinsen der Kirche, Stiftungen, Jahrtage, die Aufgaben des Kirchenmeisters und Mesners, den Kirchenschatz und die Meßbücher. 21) Cod. B, fol. 32. 22) St AN, Rep. 59, Nr. 1. Auf fol. 89—97 ist die Mesnerordnung von St. Sebald verzeichnet, die G ü m b e 1 , Das Mesnerpflichtbuch von St. Sebald, S. 41—48 abgedruckt hat.

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Nach diesem Muster ließ Schreyer zunächst ein „Kopial-, Pflicht- und Leitbuch“ 23) anlegen, das von 1482 bis zum Ende seines Amtes im Jahre 1503 geführt wurde. Denn als er24) „gesehen hat, das in den salpuchern der kirchen davor kein Ordnung noch sunderung der zinsz in der stat, der gult auf dem land, der spend, beleuchtung, jahr­ tag, auch ander Stiftung und Ordnung des gotshaws gehalten gewesen, sunder das solichs und anderes darinnen durcheinander vermengt geschriben und gesetzt worden ist, hat mit wissen, willen und Verordnung des obgemelten herrn Ruprechten Hallers pflegers und ander herren der altern dits salpuch angefangen.“

Darin will er von Anfang an die Rechte und Pflichten der Bediensteten und die Zuständigkeiten der Kirche festgelegt wissen. Der Band beginnt mit einer chronologischen Aufzählung aller Kirchenpfleger und Kirchenmeister seit Anfang des 14. Jahrhunderts. Jeder Name wird mit Schild und Wappen ver­ sehen. Voll Stolz reiht sich Schreyer in diese Liste ein. Ausdrücklich wird be­ tont, daß Pfleger, Kirchenmeister und Kirchner ausschließlich vom Rat ernannt und abgesetzt werden dürfen 25). Die Verpflichtungen seiner Untergebenen setzte Schreyer genau fest. Die Gründlichkeit seiner Ausführungen wird verständlich, wenn man bedenkt, daß in St. Sebald täglich 4 Messen M) (Frühmesse, Unser Frauen Meß, Tagamt und Vesper) gesungen und 18 Messen gelesen wurden27). Der Kirchner hatte dabei zu Handreihungen zur Verfügung zu stehen oder einen „Kirchenknecht“ dazu abzuordnen, die Kerzenvorräte zu überwachen und für ausreihende Beleuchtung zu sorgen 28). Es folgen Angaben über die Besol­ dung des Kirhners und der ihm unterstehenden „Kirchenknechte“, der zwei „Grabknechte“ und des Totengräbers, die Shreyer auszuzahlen hatte. Über die Bezüge der an der Kirhe angestellten Personen hat bereits J. Hilpert ge­ handelt29). Shreyers eigene Besoldung belief sih im Jahr auf 128 lb alt oder umgerehnet etwa 15 Gulden30). Weiter wird das Läuten der Sturmglocken, die Überwachung der Glocken überhaupt, eine Begräbnisordnung für die Bestattung in der Kirhe und im 23) StAN, Rep. 59, Nr. 2. Neben dieser im Jahre 14S2 begonnenen Pergamenthandsdirift wurde eine gleichlautende für die Lo9ungstube (1498) und eine für den Kirchenpfleger Paulus Volckamer (1499) angelegt. Vgl. Cod. C, fol. 232. Während die Pergamenthandscbrift verlorengegangen ist, — vgl. die Eintragung im LKAN, Protestantisches Kirchenver­ mögen Nürnberg, Fach 8 5, Nr. 23 — befindet sich das dritte Exemplar — die Papierhand­ schrift — heute im LKAN unter der Nr. 184. Es ist jedoch über fol. 315 weitergeführt. 24) LKAN, Nr. 184, fol. 7. 25) Ebda., fol. 12. 26) Vgl. Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 3 ff. 27) Für das Jahr 1474 in der Bulle Papst Sixtus' IV. aufgeführt. Vgl. Anm. 14. M) LKAN, Nr. 184, fol. 14. 29) Hilpert, a. a. O., S. 12. 30) Zur Währung vgl. Kap. II, Anm. 10. H a m p e s Auffassung, a. a. O., S. 180, Schreyer habe die ersten zehn Jahre kein Gehalt bekommen, trifft nicht zu. Schreyer trägt in sein Ausgabenbuch für das Jahr 1487 ein: „Item mir zu einer libung auf bevelh der herm eitern die ersten 4 iar alle jar 20 lb novi und das itzig vergangen jar 32 lb novi, thut alt die 5 jar lb 448.“ Vgl. LKAN, Nr. 252, fol. 5 lv. Für die folgenden Jahre findet sich immer wieder eine ähnlich lautende Notiz. Vgl. ebda., fol. 62v, 75v, 100, 112^, 128v, 137v, 150. 6*

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Kirchhof 31), genaue Größenangabe von Leichen-, Toten- und Fensterschilden und die Regelung über den Erwerb von Kirchenstühlen festgelegt32). Für die Einhaltung dieser Anordnungen war Schreyer ebenso verantwortlich wie für die Beschaffung von Hostien und Meßwein 33), die Besoldung des Schulmei­ sters 34) und des Organisten und das Funktionieren der Orgel35). Aus dieser Anordnung wird ersichtlich, daß der Inhalt nicht ganz folgerichtig dargestellt wurde — auch bei den später angelegten Bänden ist dies nicht immer der Fall. Schreyers Hauptaufgabe war jedoch die Ausrichtung der zahlreichen Stif­ tungen. Jahrtage, Seelmessen, Spenden für die Armen, für Lampen und Ewig­ licht-Stiftungen 36) oder Schenkungen für die Ausschmückung der Kirche waren in den Verwaltungsapparat einzugliedem37). Hier konnten sich vor allem sein Organisationstalent und sein Ordnungs­ sinn entfalten. So stellte er etwa bald Unstimmigkeiten bei den gestifteten Lampen und deren Eintragungen in dem alten Salbuch fest. Da er „solchs über sein wissen und erfam bey ime nit behalten, noch sein gewissen damit beswern" 38) wollte, holte er sich beim Rat die Genehmigung zu einer neuen Aufzeichnung. Die Zuständigkeiten der Kirche hatten damit eine erste Ordnung erhalten. Doch Schreyer gab sich noch nicht zufrieden. Um einen geregelten Jahresablauf zu gewährleisten, ließ er eine ganze Reihe weiterer Codices anlegen. Von seiner eigenen Hand stammen meist nur die Vorreden und die ausführlichen Register. Besoldete Schreiber legten die Bücher unter seiner Aufsicht an. Namentlich sind besonders Peter Gagenhart (auch „Jagenhart"), „meister Niklas Fink" und für die kalligraphischen Ar­ beiten Balthasar Enkinger genannt39). 31) Erst im Jahre 1505 faßte der Rat den Entschluß, die Toten nicht mehr in der Stadt, sondern nur noch auf dem Johannis-Friedhof begraben zu lassen. Vgl. E. R e i c k e , a. a. O., S. 583. Ausnahmen dürften Angehörige von bereits bestehenden Familiengräbern gebildet haben, da Sebald Schreyer noch 1520 in St. Sebald begraben wurde. 32) LKAN, Nr. 184, fol. 19-31. 83> Seit Schreyers Amtsantritt wurde roter Meßwein verwendet, da sich „davor vil und mancberley grosser und schwerer negligentz und geverlicheit aus solcher verseumbtheit begeben hett“ und die Messe oft nur mit Wasser gehalten wurde. Vgl. ebda., fol. 36. M) Vgl. unten S. 92 f. 35) LKAN, Nr. 184, fol. 32-51. 38) Vgl. beim Schreyergrab, Kap. VI, S. 15 5. 37) LKAN, Nr. 184, fol. 52 ff. Die einzelnen Stiftungen sind aufgeführt bei Hilpert, a. a. O., S. 6—12. Wie langwierig es war, die bisher nicht vollständig verzeichneten Stiftungen und Güter der Kirche zusammenzustellen, darüber klagte Schreyer einmal dem Rat, als ihm dieser vorschlug, auch noch „die guter der geystlichen bereyten, besichtigen und beschreyben zu lassen“: „er het groß muhe und vleys mit sant Sebolts puch gehabt, und wer dannoch lenger dann vier jar damit umbgangen, also daß er west, was solichs für muhe bedorft, und das auch dieselb allein über ine geen wurde.“ Vgl. Cod. C, fol. 151. M) LKAN, Nr. 184, fol. 67. 39) Vgl. LKAN, Nr. 252, fol. 19v, 22v, 122v, 137. Ein Handschriften vergleich der unter Schreyer angelegten Kirchenbücher mit seinen eigenen Codices zeigt, daß er dieselben Schreiber auch für seine privaten Aufzeichnungen beschäftigte. In seinem Testament be­ stimmte er für seinen Schreiber „Legata“. Vgl. StadtAN, Genealogische Papiere Schreyer 444, Extrakt aus Schreyerischen Briefen, 56, 14.

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1. Ein Amtsbuch für den täglichen Gebrauch in der Kirche 40), in das die Jahr­ tage, Spenden und die zahlreichen Kleinodien eingetragen wurden; 2. Ein weiterer Band verzeichnet die einzelnen gottesdienstlichen Handlungen im Laufe eines Kirchenjahres41). Er birgt eine Fülle von Mitteilungen und reicht von einer Kalenderordnung und Mesnerpflichtordnungen über Pro­ zessionen, Empfänge von Königen und Fürsten bis zur Aufzählung von Ablässen42) und den Totenschilden in der Kirche; 3. Ähnlich wie die beiden erstgenannten Bände werden wohl drei andere Codices angelegt gewesen sein, die für die Kirchenfeierlichkeiten bestimmt waren, heute jedoch verschollen sind. Wir wissen von ihrer Existenz nur aus Schreyers AufZeichnungen 43) ; 4. Von drei Bänden, die Ablässe und Ablaßbriefe enthielten und mit Ketten in der Sakristei befestigt worden waren, sind zwei verlorengegangen44); 40) Vgl. Cod. C, fol. 241. Der Band befindet sich heute GNMN Bibi., Merkel-Handschriften Nr. 100. Ebda., Nr. 99, eine Handschrift des 18. Jahrhunderts, enthält einen Auszug aus dem Original von fol. 44v—80r. An das Amtsbuch schließt sich chronologisch an das „Manual eins kirchenmeisters Sebaldi“, GNMN Archiv, Reichsstadt Nürnberg Kirchensachen, Nr. XV. Es enthält weitere Ein­ tragungen Schreyers aus dem Jahr 1503 — dem letzten Jahr seines Kirchenmeiisteramtes — und wurde von seinem Nachfolger Lazarus Holzschuher fortgesetzt. 41) StadtAN, Cod. man. 169. Von dem Band existiert eine Abschrift des 18. Jahrhunderts, die fol. 8 3v—151 umfaßt. Vgl. GNMN Bibi., Merkel-Handschriften Nr. 208. Die Hand­ schrift ist beschrieben: G. A. Will, Bibliotheca Norica Williana. Altdorf 1772, Bd. 2, S. 306 und Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 3, S. 339 f. G. A. Will und C. N o p i t s c h bringen das Register; vgl. Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, Teil 8, S. 133 f. Hampe, a. a. O., S. 178, erwähnt sie. Gümbel hat die Mesnerpflichtordnung fol. 42—96 vorgelegt; vgl. Das Mesnerpflichtbuch von St. Sebald, S. 7—48. Ebda., S. 4, Anm. 5 sind die von Erdtmann, Norimberga in flore, S. 8 ff. gedruckten Stellen angegeben. 42) Vgl. dazu M. Weigel, Nürnberger Ablaßbriefe und Ablaßprediger, in: ZbKG, Jg. 3, 1928, S. 4. 43) Vgl. Cod. C, fol. 225v: „Item mer ain pergamene gedruckt puch in den sagerer der aagende und im anfang darein geschrieben wie hernach: Hic est is über agendarum vulgo appellatus, qui ceremonias religionis Christiane celebrare docet ac indicat, ope sancti Se­ baldi partus anno Domini millesimo quadringentesimo nonagesimo primo, domino Paulo Voldcmeyr tutore ac Sebaldo Schreyer curatore, quos deos felici numine tueri deprecamur. — Item mer zwey pergamene puchlein geschrieben in den sagrer der agend diei parasceves und im anfang eins yeden schreyben lassen wie hernach: Agende diei parasceves celebrande hoc libellulo continentur, quem Sebaldus Schreyer edituus divi Sebaldi ecclesie paravit anno Domini XIIB LXXXXIII.“ 44) Vgl. Cod. C, fol. 226 f. Eine Pergamenthandschrift enthielt die Ablässe, ihre Ordnungen und eine Geschichte des heiligen Sebald; eine weitere „auf das die briester so ye tzu Zeiten predigen, den aplaß der tag sehen und verkünden mugen“; eine alle Ablaßbriefe. Das Stadtarchiv zu Nürnberg verwahrt eine Pergamenthandschrift, bestehend, aus 20 Blättern, die einen Ablaßkalender für St. Sebald enthält. Sie dürfte jedoch älter als die von Schreyer beschriebene sein; vgl. StadtAN, Cod. man. 214. Die erste und letzte Handschrift erwähnt Sincerus, Nachrichten von lauter alten und raren Büchern, Bd. 2, S. 78. LKAN, Nr. 252, fol. 122v, hat Schreyer die Ausgaben zu diesen Bänden verzeichnet: „solche pucher haben cost on das pergamen nemlich vom kalender zu machen und des aplaß außzuzihen herrn Sigmunden Meisterlin, herrn Hansen Habenschaden und meister Peter Dannhauser 5 fl. 6 1b 5 dn, davon zu schreiben Peter Gagenhart 16 fl. 6 lb 8 dn, die einzubinden herrn Conraden Mennynger 1 fl. Summa fl. 23 lb 4 dn 3.“ Fol. 132v: „von dem ablaßbuch zu uberlesen und zu corrigiren meister Peter Dannhauser lb 2.“ Fol. 136: „Item für zwey ketten zu den aplaßpuchem, die im sagrer anzuhencken, zalt am pfintztag Joh. apostolici et evangelistae lb 2.“

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5. Das Großtotengeläutbuch “) verzeidinete „alle namen manß- und frawenpild, den zu sant Sebolt mit dem großen totengeleut geleutt ist“ von 1493 bis zum Jahre 1503;

6. Schließlich enthielt ein Buch über die Kirchenstühle 46) „manß und frawen stul Ordnung“, „alle vergebenen manns stul und wem“, „alle frawen stul, und einem yeden stul ein sunder halb blettlein gelassen, auf das, nach dem sich dieselben frawen stul verendern, soliche verendrung beschriben werden mug“.

Verwaltung des Kirdienvermögens Nach Ordnung der inneren Angelegenheiten wandte sich Schreyer der Kirchenvermögensverwaltung zu, war doch der „magister fabricae seu vitricus ecclesiae sancti Sebaldi“ 47) besonders für die Geldgeschäfte verantwortlich. So hat er während seiner Amtszeit sämtliche Einnahmen und Ausgaben auf das genaueste „mit seiner aigen hand beschriben und in zwei pucher einbinden lassen“ 48). Während nun die „Rechnung einnemens und ausgebens Sebald Schreyers von 1482. jar untz [= bis] in das 1494. jar“ erhalten geblieben ist und die Einnahmen in einem anderen genau übereinstimmenden Exemplar weiterführend bis 1503 verzeichnet sind, ist der zweite Band, die Jahre 1495 bis 1503 umfassend, bis heute nicht wieder aufgetaucht49). Die Eintragungen der uns erhaltenen Jahre gewähren aufschlußreichen Einblick in die Zuständigkeit der bedeutendsten Kirche Nürnbergs und zugleich in den Amtsbereich eines Kirchenmeisters vor 1500. Einmal im Jahr, am Abend vor St. Walburg(a) [= 30. April], erfolgte Abrechnung in der Losungstube. Wie hoch die Summen waren, die im Laufe 45) Vgl. Cod. C, fol. 24lv. Das Original ist heute verloren. Ein Sammelband von Norimbergensia aus dem Ende des 18. Jahrhunderts enthält jedoch — wohl in einer Abschrift — die Namen der Toten ab 1493 und 'führt bis 1517. Vgl. StßB, J. Heller Msc. hist. 62, fol. 300—311. Zu den Totengeläutbüchem vgl. A. Bauch, Über die ältesten Toten­ geläutbücher von St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg. In: Archivalische Zeitschrift. N. F. Bd. 8, 1899, S. 119—149; Hirschmann, Die Nürnberger Totengeläutbücher und Ratstotenbücher; Burger, Nürnberger Totengeläutbücher I, St. Sebald (1439—1517). 4ft) Vgl. Cod. C, fol. 238. 47) So bezeichnet Schreyer selbst sein Amt; vgl. Cod. C, fol. 224r und fol. 247r; auch „yconomus“; vgl. Cod. B, fol. 83r und „curator“; vgl. Cod. C, fol. 225r. «) Vgl. Cod. C, fol. 242. 49) Dias Original von Schreyers Hand wird heute im LKAN unter der Nr. 252 verwahrt. Auffallend ist die ungewöhnliche Anlage des Bandes. Die Einnahmen stehen fol. 1—85, die Ausgaben sind umgekehrt, vom Ende des Codex beginnend, mit neuer Zählung, auf fol. 1—161 verzeichnet. So waren gleichzeitig geführte Eintragungen möglich. Eigenartigerweise existiert ein völlig gleichlautendes Exemplar im Stadtarchiv, Cod. man. 74.2°, das jedoch die Einnahmen bis 1503 weiterführt. Die Ausgaben für das Jahr 1503 liegen hinten lose ein. Die Lücken werden teilweise durch einen weiteren Band im Stadtardiiv, Rep. 52, Nr. 21 gefüllt: „Einnahmen und Ausgaben St. Sebald von 1491—1515“, der bis fol. 103 die wichtigsten Einnahmen, fol. 110v—120v die Ausgaben verzeichnet. Hampe hat einen Teil der Einnahmen und Ausgaben aus LKAN, Nr. 252 abgedruckt; vgl. a. a. O., S. 191—207.

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der Jahre durch Schreyers Hände gingen, mag eine Aufstellung für jedes zweite Jahr aus der ersten Hälfte seiner Amtszeit zeigen50). Einnahmen: lb neu

ß

155 479 501 527 570 773

17 15 16 6

an „böser Münze“ 51) hlr lb neu ß hlr Mark Lot Quint

Jahr

GLw

1483/84 1485/86 1487/88 1489/90 1491/92 1493/94

1395 286 413 701 634,5 778,5

Ausgaben Jahr

GLw

lb neu

ß

hlr

1483/84 1485/86 1487/88 1489/90 1491/92 1493/94

1384 194 246 696 267 126

1415 623 667 566 650 1557

19 1

2 10 1 5 6 1

8 8 1 6 4

16

8 18 4 16

17

17

10 3 4 3 3 2

13 1 14

Die beträchtlichen Getreideeinnahmen wurden hierbei außer acht gelassen. Hinzu kommt noch, daß St. Sebald von Jahr zu Jahr einen gewissen Prozent­ satz an geschuldeten Abgaben besaß, die aus Stadt und Land zu entrichten gewesen wären. Für die folgenden Jahre ist eine ähnliche Gegenüberstellung leider nicht möglich. Daß Schreyer ein gewissenhafter Rechner war, hat er bei seinen privaten Unternehmungen gezeigt52). Wie sehr er zum Vorteil der Kirche wirtschaftete, zeigt dieser Vergleich. Nie schloß er ein Jahr mit einem Defizit ab. Diese Lei­ stung muß besonders erwähnt werden, da in jener Zeit bedeutende bauliche Veränderungen an der Kirche ausgeführt wurden58). Schreyers Angaben lassen den Einflußbereich der Kirchenverwaltung in wirtschaftsgeschichtlicher und kunsthistorischer54) Hinsicht deutlich werden. Zahlreiche Jahrtage, Ewiglicht-Stiftungen und solche kunstvoller Gegen­ stände waren regelmäßige Einnahmen. Für das Rechnungsjahr 1492/93 nahm 50) Aus LKAN, Nr. 252. Zur Geldwährung vgl. Kap. II, Anm. 10; zu Gewichts- und Maß­ angaben ebda., Anm. 75 f. 51) Minderwertige und schlecht geprägte Münzen, die einen geringeren Wert als die laufenden Zahlungsmittel darstellten. Über das Münzwesen vgl. Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs, S. 236 und 237 ff. 52) Vgl. Kap. II. 53) Vgl. unten S. 94 ff. 54) Dazu verweise ich auf H a m p e , a. a. O.* S. 182 ff.

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der Kirchenmeister dafür 74 Gulden 21 lb neu 17 ß ein, für gestiftete Wachs­ kerzen 27 lb neu 16 ß 20 hlr. Aber auch Altartücher, Behältnisse oder reine Geldspenden wurden gegeben, — so wie etwa der Hausierer („Refträger“) Hans Petz einen Teil einer gefundenen Summe spendete 55). Gebühren für Kirchen­ stühle und Grabsteine tauchen immer wieder auf. Die Kosten für das große Totengeläute betrugen jedesmal 1 Gulden. In diesem Jahr nahm Schreyer allein dafür 92 Gulden ein, für Leichentücher, die von der Kirche gestellt wurden 56), 39 lb neu 3 ß 18 hlr. Ließ man eine Messe lesen, so war ebenfalls 1 Gulden zu entrichten. Schwarzes, das heißt unreines Wachs aus den „wichsen heusern“ wurde an die Tafler verkauft, die es wohl zur Herstellung von Schreibtafeln verwendeten57). Der Opferstock bei St. Sebald und St. Moritz erbrachte in demselben Jahr 63 lb neu 19 ß 12 hlr, eine „Sammeltafel“ und der „Heiltumbsstul“ 58) 126 lb neu 16 ß 34 hlr. Die „knabenstiftung, so vor dem heiligen sacrament geen und sangen“ 59) nahm in ihrem Opferstock 9 ß 6 hlr ein. Für dasselbe Rechnungsjahr standen der Kirche 130 Sümmer und 2 Metzen Korn, 22 Sümmer und 4 Achtel Hafer und 3 Sümmer und 2 Viertel Weizen zu. Freilich wurden die Abgaben fast in keinem Jahr vollständig geliefert. Doch Schreyer verstand es immer wieder, den Großteil zu erhalten, den er dann bald verkaufte, um die Einnahmen der Kirche zu vermehren. Aufschlußreicher und reizvoller ist jedoch die Betrachtung der Ausgaben. Das komplette Bild des Unterhalts im Jahresaufwand der Hauptkirche einer Großstadt — und zwar der der sozial gewichtigeren Stadthälfte Nürnbergs — wird deutlich. Was hatte Schreyer etwa im Rechnungsjahr 148 3/84 auszu­ zahlen? Gld. lb alt dn 1. Besoldung: Losungschreiber für das Einträgen der jährlichen 2 Abrechnung Prediger 20 4 Gesellen für Singen am Hl. Grab von Karfreitag bis 17 Ostern 16 lb, Trinkgeld 1 lb 20 Schulmeister Kirchner 275 12 (Jahressold 240 lb, großes Totengeläut bei 39 Personen je 24 dn, zu Neujahr, Walburga, Michaelis je 16 dn, bei jeder Opferstocköffnung 16 dn) »)■ M) 57) M) 59> 80)

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LKAN, Nr. 252, fol. 75. Vgl. E. R e i c k e , a. a. O., S. 676 f. Nach Hampe, a. a. O., S. 178. LKAN, Nr. 252, fol. 74v Ebda., fol. 75v. Das Folgende nach LKAN, Nr. 252, fol. 11—20v. Schreyer gibt kleinere Beträge meist nach alter Rechnung an. Nur bei größeren Ausgaben steht links am Rand auch die neue Rechnungsweise. Unbedeutende Angaben wurden nicht in die Aufstellung übernommen.

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Gld. 2 Kirchenknechte (Jahressold 24 lb, zu Neujahr, Walburga, am Tag St. Sebalds, am Kirchweihtag, Michaelis, Allerseelen, je 16 dn, großes Totengeläut bei 39 Personen 6 lb, für „Weckspitz" 16 dn) 2 Grabknechte (Jahressold 120 lb, am Osterabend 12 dn) Stadtknechte zum Kirchtag Türmer (Jahressold 6 lb, für „Weckspitz“ 12 dn, Kirchweih 12 dn, für Gänse an Martini 24 dn) Glockenmacher für Nachsehen der Glocken Organist Blasbalgtreter (42 mal die große Orgel zu „blasen“, 65 mal die kleine Orgel zu „blasen“) Orgelmacher für Nachsehen und Reinigen der Orgel Tafel träger (Jahressold 2 fl., zu Neujahr 8 dn) Knabensingen vor dem Hl. Sakrament Singen des Salve Regina Aussendungen vor hohen Festtagen Kerzenmacherin ihrer Dienerin „Kerzenschurer“ 61) für Kerzenpflege Näherin für die Reparatur von Teppichen, Altartüchem und Ornaten Den Frauen zu St. Klara für ihre Hilfe im Haus des Kirchners Sendung eines Gehilfen aufs Land zu den Bauern, um Güter zu „bereiten“ Kauf von Naturalien Das bei der Kapelle St. Moritz liegende Getreide 2U wenden Holz für Kirche und Schule

lb alt 33

dn 22

120

12

7

16 18

10

20 6

1 5

2 2

4

6 8

160 9 102 40 4 1

2

32

17

5

7 32

26

3 37

14 3

70

Schreyers eigene Besoldung fehlt, da er erst 1487 für die vergangenen Jahre insgesamt ausgezahlt wurde62). Gld. lb alt dn 325 24 20 2. Ausrichten von Stiftungen und Jahrtagen: 3. Spenden: 48 Sümmer Korn, für Sondersieche und die Spitäler

63

18

61) Der „Kerzenschurer“ war mit der Pflege der Kerzen betraut; vgl. dazu auch Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Leipzig 1876, Bd. 2, Spalte 827. 62) Vgl. oben Anm. 30.

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Sebald Schreyer

Gld. 4. Baulicher Unterhalt der Kirche: Errichtung neuer Kirchentüren und Dachreparatur Reparatur der Türen in den Seelhäusem bei St. Katha­ rina, eines Pulpitums, von Truhen, Bänken und zer­ brochenen Fenstern in der Kirche; kleinere Reparaturen an der Schreibtafel und am Schulraum Seile für die Glocken Ausbesserung der 3 Öfen in Kirche, Schule und „Grab­ haus“ Goldschmied für Reparatur an der „10 tausend ritter himschal“, an einem Kreuz und einem Arm der Sebaldusfigur

3495

17

1

37 24

3 28

2

12

8

14

3 3

6

1

2

1

12

7 2

3

24

17 6 163 456 15

7. Kirchenschmuck: Gras, Kränze und Rosen für die Kirche bei hohen Festtagen (Fronleichnam, „Oktave Corporis Christi“, St. Sebald, Kirchweih) und für Prozessionen

8. Bücherei: Instandsetzung der „Liberey“ 1 Rechenbuch 2 Gebetbücher 1 Brief in die Kanzlei

dn

1113

5. Wartung der Geräte: Säubern des Zinns Ölberg und Hl. Grab zu Ostern zu „warten“, Aus­ reiben des Taufsteins und Tragen des Osterstocks Abstauben des Sarges des heiligen Sebald vor Ostern, Fronleichnam, vor dem Sebaldustag und vor Weih­ nachten je 8 dn Pflege der Lampe der Familien Schreyer und Landauer hinten am Chor je 14 dn

6. Kulthandlungen: Seelgeräte in die Spitäler Leinwand für Alben Kerzen, Läuterung von Wachs Weihrauch und „4 eymer zu dem weichbrunnen“ Meßwein und Oblatbrot und ein neues Backeisen Hanf- und Leinöl 2 Büchslein für die Letzte Ölung

lb alt

58 27

15 13 23 7 10 17

18

4

3 4 1 4

28 20 12 4

Die meisten, den Jahresablauf betreffenden Ausgaben kehrten natürlich immer wieder. Wechselnde Reparaturen, neue Stiftungen oder Spenden kamen hinzu. 90

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Über die verschiedenen Künstler, die Schreyer in St. Sebald beschäftigte, hat ausführlich Th. Hampe 63) gehandelt. Er berichtet über Maler, Bildschnitzer, Goldschmiede und Glockengießer. Neben der Sorge um die inneren Angelegenheiten war Schreyer eifrig um die zahlreichen Hintersassen der Kirche bemüht. Der Großteil der Naturalien von St. Sebald kam von den Bauern auf dem Land. Ergänzend zu den vorigen Büchern über Einnahmen und Ausgaben ließ er drei weitere Bände anlegen, die sich hauptsächlich mit dem Kirchenbesitz auf dem Lande befaßten. Ein „Kopial-, Pflicht- und Leitbuch"64), die Zeit von 1482—1503 um­ fassend, behandelt vor allem Erb-, Kauf- und Lehensbekenntnisse der Bauern, Verschreibungen, Geschenke, Sendbriefe, Supplikationen und Gerichtshand­ lungen. Zwei Bände in Schmalfolio, „Einnemen Sebald Schreyers der zins und gült“ 65), verzeichnen für denselben Zeitraum ähnlich minutiös alle Geld- und Naturalabgaben, die die Kirche als Eigenherr in Stadt und Land beanspruchen konnte66). Schreyer beginnt: „Item in dem puch stet geschrieben, was und wieviel Sebolt Schreyer von jaren zu jaren eingenommen hat, von zinsen und eigenschaften der hewser in der stat und auch gulten, zinsen, herrngelt und andern von den pawernerben auf dem land.“

Gleich in den ersten Jahren seiner Amtszeit informierte er die Hintersassen der Kirche über ihre Aufgaben und Verpflichtungen. Er stellte für sie „ayde und artickel" auf, „darauf sie geloben und schweren haben müssen". Denn, so klagt er, davor sei67) „kein Ordnung davon gewesen, sunder in eins yeden kirchenmeisters gewalt ge­ standen ist, einem yeden bawern den ayde zu geben nach seinem gevallen, dadurch yezuzeyten die armen lewt zu hart beschwert und oft aus ainer not oder zu Zeiten unwissend meyneidig worden sind.“

Schreyer unterschied dabei zwischen Bauern, die Güter zu Erbe besaßen, dann denjenigen, die nur ein Erbstück, etwa einen Acker, eine Wiese oder einen Weiher von der Kirche empfangen hatten und Köhlern oder Bauern, die nur Güter oder Höfe bewohnten. In allen drei Fällen war St. Sebald Eigenherr. e3) Hampe, a. a. O., S. 182—187. 64) LKAN, Nr. 183. 65) Vgl. Cod. C, fol. 242. LKAN, Nr. 25 3 enthält die Jahre 1482—1491, LKAN, Nr. 252 die Zeit von 1491—1503. StadtAN, Rep. A 23, F. R. 74 „Das Einnemen Lazarus Holzschuhers von wegen Sannd Sebalds pfarkirchen der zinß vnd gult vom 1503 Jar bis in das 1512 Jare“ enthält für das Jahr 1503 noch einige Einträge Schreyers und wurde dann chronologisch von seinem Nachfolger fortgesetzt. w) Zum Problem der „freien Erbleihe“ und dem Verhältnis von Eigenherr zu Erbmann vgl. Kap. II, Anm. 9. 67) StadtAN, Cod. man. 74a. 2°. Den Wortlaut der Eide vgl. ebda., fol. 10 f. Da Schreyer diese Artikel auch in seinem privaten Briefbuch aufgezeichnet hat, ist anzunehmen, daß er seine eigenen Hintersassen ebenfalls danach schwören ließ. Sie sind verzeichnet LKAN, Nr. 184, fol. 411 ff.

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Jeder dieser drei „Stände“, wie Schreyer sagt, hatte einen besonderen Eid zu leisten. Sie besagen in etwa, daß Güter, Erbstücke oder Wohnungen in gutem Zustand zu erhalten seien, bei eventuellen Veränderungen der Kirchenmeister zu verständigen sei und regelmäßige Zinszahlung und Gehorsam der Erbleute ihrem Eigenherrn gegenüber gewährleistet sein müßten. Sogar für diejenigen Bauern, die früher einmal eine Gefängnisstrafe ab­ gesessen hatten, verfaßte der Kirchenmeister besondere Eidleistungen: der Be­ strafte dürfe sich an niemandem rächen und müsse seinem Eigenherm treu dienen. Doch trotz dieser gesetzten Ordnung ging nicht immer alles glatt. Wie bei Schreyers eigenen Geschäften68), kam es auch hier nicht selten bei zu lange ausstehender Zinszahlung zu Ermahnungen, Forderungen oder gar zu Pfän­ dungen. Wer „die zinß, zent und gult, so das gotzhawß in der stat und auf dem lande hat, zu rechter zeit nicht gibt, [den] der kirchenmeister alsdann gepfenden mag mit einem frone oder landtpoten an alle clag“ 6Ö). Dazu sei aus dem Jahre 1486 ein Bauer aus Kemnath angeführt, dessen Güter aus diesem Grund „verpfendt“ wurden 70). Meist brachten die Bauern jedoch ihren Zins pünkt­ lich. Gaben sie ihn selbst bei St. Sebald ab, so war der Kirchenmeister ver­ pflichtet, sie zu beherbergen und zu verköstigen71). Ordnung und Verwaltung aller dieser Einnahmen und Ausgaben brachte erhebliche Arbeit und großen Aufwand an Zeit mit sich. Aufsicht über die Pfarrsckule

Bei den Ausgaben der Kirche war wiederholt von der Pfarrschule die Rede, einem weiteren Einflußbereich Schreyers. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts gab es in Nürnberg vier lateinische Schulen: die Pfarrschulen zu St. Sebald und St. Lorenz, die Schule beim Neuen Spital und diejenige im Schottenkloster St. Egidien 72). 1496 kam noch die Poetenschule hinzu, die jedoch nur bis 1509 existierte78). H. Heerwagen74) führt eine Aufzeichnung von spätestens 1485 an, nach der die Sebalder Schule 70 Schüler (in drei Klassen), die Lorenzer ebenfalls 70, die Spitalschule 60 und die zu St. Egidien 45 Schüler besuchten. Vormittags und nachmittags fanden je drei Stunden Unterricht statt, davon «**) •fl) 70) 71)

Vgl. Kap. II, S. 40. LKAN, Nr. 184, fol. 13v. Vgl. StadtAN, LCons. D (Nr. 2>, fol. 137. 'LKAN, Nr. 184, fol. 12v: „Item von: der pawem wegen auf dem land, so dem gotzhaws zugehoren, hat ein kirchenmeister alle weysat einzunehmen, dargegen er dieselben pawern so sie gult bringen, beherbergen und in zu essen geben soll.“ 72) Nach Siebenkees, Materialien, Bd. 1, S. 270—275; vgl. auch Sander, a. a. O., S. 223—225. 73) Vgl. dazu Bauch, Die Nürnberger Poetenschule, S. 1—64. 74) Heerwagen, Zur Geschichte der Nürnberger Gelehrtenschulen, S. 5 f.; ebenso das Folgende.

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diente je eine kirchlichen Verrichtungen, wie dem Chordienst, dem Singen von Vigilien, Vespern oder Completen. Die Kosten für den Unterricht hatten die beiden Pfarrkirchen übernommen, die Leitung des Schulwesens lag jedoch in den Händen des Rates. Der Vorstand war ein von ihm im Einverständnis mit der jeweiligen Kirche bestellter Schulmeister. Sein Einkommen setzte sich aus dem Schulgeld, das jedes Vierteljahr von den Zöglingen mit 15 dn erhoben wurde und dem Beitrag der Kirche zu­ sammen. Dazu kamen noch Remunerationen für Chordienst bei Vigilien oder Jahrtagen und gewisse Beiträge von den Schülern, wie Holz-, Licht- oder Neu­ jahrsgeld. Hiervon wurden teilweise auch die Beleuchtung und Beheizung be­ stritten. Kost und Wohnung hatte er frei im Pfarrhof. Seit 1482 erhielt der Sebalder Schulmeister ein festes Gehalt von jährlich 20 Gulden 75). Als Helfer standen ihm ein Kantor und ein oder mehrere Baccalaurei (Jungmeister) — bei St. Sebald waren es drei — zur Seite. Im Jahre 1475 war für die Kirche zwar ein neues Schulhaus errichtet wor­ den, das jedoch seit 1493 schon wieder baufällig war. Erst am 3. April 1510 wurde ein Neubau beschlossen 76). In Schreyers Amtsperiode erließ der Rat eine neue Ordnung für Nürnbergs Schulen 77), „wie es ein Schulmeister mit den knaben in dreyerley sort geteilt mit lernungen und andern, auch den collaboratoren und bedagogen halten soll laut derselben Ordnung, so zu der goltvasten Lucie 1486 angefengt ist, und auf das soliche Ordnung dest fleissiger und unabgencklich gehalten werde.“

Auch der Humanismus78) fand im neuen Lehrplan Eingang:79) „[. . .] an Sonntagen und feyrtagen frue vor der mesz und under der fruepredigt soll ein epistel Enee Silvii, Gasparini oder ander dergleichen dinstlich mit kreyden an ein tafel geschriben, den knaben im andern zirkel aine oder zwu zeil darausz und den im dritten zirkel gantz exponirt und verteutscht und sie irer fürgegeben lection am Werktag darnach [. . .] mit erforschung der declination oder conjugacion und partis oracionis der swersten und seltzsamsten nominum verborum und an­ derer diction verhört werden.“

Der Rat bestimmte einen „vleissigen aufmercker“, der täglich die Pfarrschule zu visitieren hatte und dafür ein Gehalt von 4 Gulden jährlich aus­ gezahlt bekam. Falls dieser „unfleis“ oder „mangel“ des Schulmeisters fest­ stelle, habe er den Kirchenmeister zu informieren. Wenn Schreyers Ermah­ nungen ohne Erfolg blieben, müsse er es dem Rat als höchster Instanz anzeigen. Neben dieser Aufsicht, der Besoldung und der Reparaturen des Schulge­ bäudes findet sich noch eine weitere Verbindung Schreyers mit der Pfarrschule. G. Bauch führt in seinem Aufsatz 80) den Schulmeister Johann Romming an, der 1509 für seine Schüler ein Büchlein herausgegeben hat. Es enthält eine Rede 75) 76) 77) 78) 79> 80)

LKAN, Nr. 184, fol. 39v und oben S. 88. Bauch, a. a. O., S. 45. Vgl. LKAN, Nr. 184, fol. 40. Zum Humanismus in Nürnberg vgl. Kap. V, S. 114 ff. Nach Herrmann, Die Reception des Humanismus in Nürnberg, S. 94. Bauch, a. a. O., S. 43 f.

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über die humanistische Bildung und eine sapphische Ode von Konrad Celtis auf den heiligen Sebald mit Noten 81). Schreyer hatte sie zuerst am 18. August und dann einen Tag später — am Tag des Heiligen — noch einmal in der Kirche singen lassen. Bei der engen Verbindung von Schule und Kirche waren dabei die älteren Schüler von St. Sebald die Chorsänger. Bauliche Veränderungen an der Kirche Bisher wurde über die Zuständigkeiten eines Kirchenmeisters gehandelt, mit denen sich jeder Inhaber dieses Amtes beschäftigen mußte. Doch in Schreyers Zeit fiel darüber hinaus noch das große Unternehmen der Erhöhung der beiden Kirchentürme. Die Baugeschichte von St. Sebald zerfällt in drei Abschnitte: 1. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden die Seitenschiffe bis auf die Breite der Querschiffe hinausgeschoben. 2. Im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts entstand der Ostchor. 3. In den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts wurden auf die romanischen Grundlagen die beiden gotischen Türme aufgesetzt82). Zwar war die Planung bei Schreyers Amtsantritt schon in die Wege geleitet, ohne seine unermüdliche Hingabe wäre der Bau jedoch wohl kaum so rasch durchgeführt worden. Nachdem der Rat beschlossen hatte, einen ,,große[n] merckliche[n] paw bei der gemelten sant Sebolts pfarrkirchen nemlich mit erhohung beder thum“ 83) durchzuführen, wurde dem Kirchenmeister zusätzlich das Amt eines „Bau­ meisters und Ausgebers“ 84) angetragen. Nur zögernd entschloß er sich am 15. April 1483 zur Übernahme, da er zwar „allweg geneygt gewest, einem erbern rat zu willfarn, aber er nit Wissens hab, was pflicht, Ordnung, beschwerd oder gebrauch solch ambt hab“. So schwor er mit den für andere Bauten der Stadt neu ernannten „pawlewt“ Hans Pregler, Martin Haller, Niklas Paumgartner, Hieronymus Hübner, Endres von Watt, Stephan Kolb, Erhärt Auer, Michel Paumgartner und Hans von Thyl85), „so sie von den partheyen der gebew halb miteinander irrig sein [. . .], getrewlich und ungeverlich pflegen und nach inhalt der statgesetz im statpuch auch auf verhorung der partheyen briefe, wort, gerichtshendel und andern, so sie gebracht wurdet, entscheiden und handeln wellen.“

81) Die Ode stimmt mit Schreyers Aufzeichnung Cod. C, fol. 70 überein. Inwieweit Schreyer für die Entstehung verantwortlich war, wird später zu zeigen sein. Vgl. Kap. V, S. 13 3 f. 82) Nach G ü m b e 1, Die Baurechnungen über die Erhöhung der Türme von St. Sebald in Nürnberg I, S. 10. 83) Cod. B, fol. 32. 84) Zum Baumeisteramt vgl. Kap. III, Anm. 51. 85) Cod. B, fol. 3 5.

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Mit der Ausführung wurde der Nördlinger Steinmetz Heinrich Kugler be­ auftragt M). Über die einzelnen Bauphasen und die Gesamtkosten sind wir dank Schreyers Aufzeichnungen in einem Rechnungsbuch87) informiert88). A. Gümbel hat diese Baurechnungen in den Jahren 1913 und 1915 herausgegeben 89). Die einzelnen Bauphasen stellen sich wie folgt dar ®°) : Südturm: 1482 März kurz darauf 12. Juli 23. Oktober 1483 Frühjahr Ende Mai 10. Juni und 7. Juli 1. Juli Bis Ende September Nordturm: 1483 7. April 16. Juni 24. September Anfang November 5. Dezember

Zuhauen der Steine in der Hütte Abbrucharbeiten Versetzen der Steine auf das alte Mauerwerk Bis auf das Geländer und die Auswechslung einiger Steine des alten Turmes ist der neue vollendet. Abscharrieren des Turmstumpfs Aufbringen des Dachstuhls Knopf und Fahne werden aufgesteckt Die mit einem Schlagwerk versehene „Orglogk“ wird wieder angebracht Verkleidung des Turminneren bei der Uhrglocke mit Bleitafeln und des Äußeren mit Zinn.

Abbruch Aufsetzen des neuen Steinwerks Vollendung Heben des „Zymmers“ Knopf und Fahne werden angebracht.

Im Mai 1484 waren sämtliche Steinmetzarbeiten vollendet. Bald jedoch mußte man feststellen, daß die „thurn am decken Ungleichheit halb des giessens der tafeln, auch arthalben des deckens zusampt dem mißprauch und untrew Cristoffen Lilgenweis deckers mißraten“ 91) waren. Lilgenweis bekannte darauf Über ihn vgl. Gümbel, a. a. O., S. 12 ff. 87) S-tAN, Rep. 44e, S. 1, Lade 131, Nr. 1. Gümbel, a. a. O., hat fol. 1—84v ini seinem ersten Teil und fol. 85v—149v in seinem zweiten Teil abgedruckt. 88) In seinem Ausgabenbuch LKAN, Nr. 252, fol. 113V findet sich für das Jahr 1491 die Notiz: „des baus rechnungen in der losungstuben getan und dieselben verschriben und in ein puch gepunden darinnen gelassen hab." In Cod. B, fol. 133v bemerkt er, er habe eine „gleichlautende copey für sich selbs behalten." Summarische Auszüge sind in Cod. B, fol. 133v—136v enthalten. 8ft) Gümbel, a. a. O., I, S. 10-94 und II, S. 1—56. ö0) Das Folgende nach Gümbel, a. a. O., S. 16 ff. n) Cod. B, fol. 13 3v.

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im Lochgefängnis, daß er dem Zinn einen zu hohen Prozentsatz an Blei bei­ gefügt und große Mengen Zinn entwendet hatte 92). So sah man sich gezwungen, 1489 den einen und im darauffolgenden Jahr den andern Turm neu zu decken. Daneben hatte es während der Bauzeit auch manch andere Aufregung gegeben. Schon 1483, gerade als der Kirchenpfleger Ruprecht Haller und Hans Tücher 93), ein Mitglied des Kleineren Rates, den Bau besichtigten 94), „ist einem Steinmetzen, der zu derselben zeyt an dem gleen desselben thurns in der hoch gesetzt hat, ein längs setzeysen empfallen und nachdem er sehr geschryen hat zu flihen, haben die zwen herrn nit gewist, wo vor oder wohin sie fliehen solten. Also ist Haller zu dem portal, dem er nahent gestanden ist, kumen. Aber Tücher hat sich zu dem kernter thun wollen und ein wenig geneigt, also ist im das gemelt eysen an dem haubt, achsein und huft abgefallen und in das ertrich ge­ schossen, und hat in an dem hut auf seinem haupt die har oder wollen, deßgleich an dem rock auf der schultern und huften die har abgestossen, als ob die mit eynem heyssen eysen abgeprant worden, und hat in doch an nicht versert, dann allein das er an den huften ein wenig pla was worden, davon er doch kein schmertzen empfunden hat.“

Einmal, „als etlich steynmetzen in etlichen hengwegen oder gerusten aussen an dem thurn gen der wag wartz an der gemelten kirchen zu sant Sebolt gehangen sind, den zu pecken und zu säubern, und zu derselben zeyt etlich zymmerleut auf dem thurn gearbeyt und das zymmer gehaben haben, ist einem derselben ein starcker eyßner hacken vornen mit eyner spitzen und an ain Stangen gemacht, damit er das zymmer zu im ziehen und von im hat leiten mugen, mitsambt der Stangen auß den henden empfallen, und herabgeschossen, und hat dem eynen steynmetzen in dem gemelten wagen, der nit hat fliehen mugen, begriffen und ist im durch sein kittel und gewant gefarn, und hat in damit also an dem poden des wagens gehaft und doch an seynem leyb in nichten versert noch verwundet.“

Die Gesamtkosten des Baues beliefen sich auf 6635 Gulden 15 Schillinge 6 Heller95). Sie wurden gedeckt aus: 1. Anleihen aus der Losungstube für 5651 fl. 1 ß 96). 2. Einnahmen von „allerley altem zeug, so ie czu Zeiten verkauft ist“ 97), aus letztwilligen Verfügungen und Almosen in Höhe von 590 fl. 32 ß 10 hlr. ö2) Da sich der Schaden zunächst nicht vollständig übersehen ließ, wurde Lilgenweis nach Zahlung von 56 Gulden aus der Haft entlassen. Als er aber hörte, daß ein anderer Meister die Türme neu decken sollte, fürchtete er, daß das ganze Ausmaß seiner Unterschlagungen bekannt würde und floh aus der Stadt. 93) Über Hans Tücher vgl. Kap. II, Anm. 15 5. 94) Beide Stellen aus Cod. C, fol 216v. Zu Schreyers Auslegung dieser wunderbaren Erret­ tungen vgl. Kap. VI, S. 141 f. 95) Das Folgende nach den Angaben von G ü m b e I, a. a. O., S. 22 f. 9Ä) Vgl. dazu für das Jahr 1483/84 LKAN, Nr. 252, fol. 12v, 17v. 97) Die beim Abbruch aus der Bauhütte gewonnenen Altmaterialien an Stein, Holz, Blei usw. wurden an Privatleute verkauft.

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Abb. 1 Sebald Schreyer, Kupferstich. Das angegebene Todesjahr ist falsch; Schreyer starb 1520. (Germ. Nationalmuseum;

Abb. 2

Wappen der Familie Schreyer. (Staatsarchiv Nbg., Cod. A, fol. IIV)

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Rechnung über die Kosten der Instandsetzung der „Liberey“ von St. Sebald, 1483. (Landeskirchl. Archiv Nbg., St. Sebald Nr. 252, fol. I9r)

Abb. 4

Abb. 5

Grundsteinlegung zum Sebastiansspital. (Germ. Nationalmuseum, Cod. C, fol. 180v)

Ausschnitt aus einem Horoskop für Sdvreyer von Johann Altenstein. (Germ. Nationalmuseum, Cod. C, fol. 10v)

r Eg»f ftirpis foboles Sebalde Nunca mul tu vencratus vrbe Da tuam nobis memo rare fanctam Carmine vitam. Te facns votis generant parentes: Cum diu lecto Itenli vacaiTent. Tecp fufeepto: Ifatuere ca ff am Ducere vitam. Natus his fanctis puerergo votis: GaJlif dar am properas m vrbem: Artibus facns / animücpcultis Monbus ornans. Hauferas fanctas vbi mente Ieges: Parnam doctor red iens in aulam: Regiam qufrunt tibi mox venuftam lungere fponfam. V t dies Iftis fuerat peracra Nuptu's: virgo verecunda vultu: Duciturcfllo ttbicopulanda Candida lecto. Cüqi um claufum fuerat cubile* Fr quies cunctts fore t al ta rebus. Tu tuf fponff loquehs pudicf Talia verba. Nata de magno mea fponfarege: Non tuü caltum violabo corpus: Si placet mccü pia votacafff lungere vitf. Annuit virgo tenero pudore: Ec deo magnas dedi t ore grates: lntegram leruans generofa caffco Corpore vitam. Ipfe mox celfam genitoris aulam: Spmru fancto monitusrehnquens: Horndasfiluas/ hcremüqj/vaftis Saltibus mtras. Etpercxeff cauafaxa rupis Stratus: orabas m anibus fupinis: Feruidum folem: boream: niuefqj Palfus 8i imbres. E: feras inter mediusquiefcens: Sf pe montanis faciatus herbis: Hauferas puram liquidis fluentem Fontibus vndam. His vbi corpus dapibus foueres: Mentis in puram tenuatus auram. Sf pe diuinos nttido videbas Pectore vultus. Sie tnbus luffns tacitoperactis. Inde Romanä properas ad vrbem. Qua dei verbü monuit per orbem Spargere paftor. Ipfe mandatü recipis paternü: Et vagus terras vanas pererras: Donecimenfum peregre venires Lftusad lurum.

Abb. 6

Sanctus Bcbalduo:

Is vbi cymbis tumiduscarerei Prfbuit tutam pater alnie nau PaJliü'.quo tunefueraspudic Corpore tectus. Moxqi per vaftas nemons lai Noricam lf tus vemens in vrb Hane doces facro monitu pr Linquerecultus. Et deum celfo relidere cflo Predicas: poenas vitiis datun Quiqi virtuti tnbuat beatf Prf mia vitf Ille de cadagenitricenatus; Corporis morte tuleratcruei Tercio phorbo rediens fepat Victor ab ons. Approbas mulns tua verba Scripta qufhbro repen fidel Nec minus claris hodie con Inclyte Hgnu». Cuntp iam longo fueras lab Feflfus: 8i fedes merirus bea Te fenem noftras deusimp Linquere cerras Spiritus fanctos vbi liquit a Mox boues corpus tulevät Qua ruas fanctas modo pc Carmine laudes Ergo iam cflo merito locao Hane velis vrbem medus a Conditam: fanctis pdbus ii Sedulus orans. Terra ffeundo madeat liqi Et falutares habear calores Spiee am geff ans cereris co • Fcenoremulro. Spumet & plenisrubicundi Bacchus: 8C frontes tetricai Et pecus Iftis nemorofacai Pafcuapratis. Profperos feruent radiofa Aff ra. nec morbos fubito« Paxqj pernoftras maneaf] Tempore terra Fata Germanis faueanttr Dum per« turcus: gladus Principis noflri luuenile r< Maxmihani. Hmc vbi noffras animas ( Corporum vinclis/ deus et Confer :vt rccum capiamu Claudia cf Ii. Hfc vbi nobis pater impei Ante fupremi faciem tona Hic tuas femper cumulen Thurebenig

Einblattdruck mit der Ode des Konrad Celtis auf den heiligen Sebald, Basel 1495. (Germ. Nationalmuseum, Cod. C, fol. 70)

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Abb. 7

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Stifterbild des Sebald Schreyer und seiner Frau Margarethe in einem Missale der Sebalduskirche. (Landeskirchl. Archiv Nbg., St. Sebald Nr. 459)

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3. Einnahmen aus laufenden Rechnungen von 1483 bis 1486 „von der kirchen gelt zum pau“ in Höhe von 393 fl. 1 ß 8 hlr. Zunächst ließ der Rat 634 Gulden an der Schuld nach, und eine Verrechnung mit der Kirche gehörigen, bei der Losungstube angelegten Kapitalien aus frü­ heren Jahren ergab 3275 lb neu 12 ß 9 hlr. Der Rest wurde teils bar, teils mit Getreide beglichen, das die Kirche auf den städtischen Kornböden liegen hatte. Dank Schreyers Bemühungen um rasche Bezahlung waren die Schulden schon im Jahre 1495 getilgt. Obwohl er erst nach dem Abschluß des Baues seine Rechnungen in der Losungstube vorlegte, hatte er schon 1488 um seine Entlassung gebeten, da er „mit andern amptern, sunderlich des paws zu dem newen spital beladen sey“ 98). Die neuerlich aufgetauchten Schwierigkeiten scheinen doch seine Kräfte überstiegen zu haben. Während dieser Jahre gingen aber nicht nur die laufenden Ausgaben weiter, sondern es kamen bald noch neue hinzu. In zehn Jahren seiner Amtszeit, von 148 8 bis 1498, machte sich Schreyer an eine gründliche Erneuerung des Kirchen­ inneren, des Inventars und der Kirchenschätze "). Er ließ die Kirche, den Chor, die Sakristei und die St. Moritzkapelle auf dem Friedhof decken, Chorumgang und Kirchenstiege erneuern, an der Turm­ uhr ein Viertelschlagwerk anbringen 10°) und das St. Sebald unterstellte Al­ mosenhaus und die drei Seelhäuser hinter St. Katharina ausbessern. Auch die Reparaturen an der großen (1490) und der kleinen Orgel (1498) schienen ihm dringlich. Der Orgelmeister erhielt für das Stimmen und das Erneuern der Bälge der großen Orgel 80 Gulden Lohn, seine Wirtin zu Trink­ geld 5 Gulden, der Besitzer des Kosthauses, in dem der Meister 39 Wochen (!) wohnte, 5 fl. 3 lb 24 dn; mit Ausgaben für Kohlen, Holz, Licht, Draht, Leim, Kreide zum Abwischen der Rohre, Nägel, Bretter und ähnlichem belief sich die Summe endlich auf 230 fl. Die Renovierung der kleinen Orgel kostete 181 fl. Diese Arbeiten hatte Schreyer einem Niklas Schalentzki „predigerordens auß schwartzen Rewssen“ l01) übertragen. Als der Kirchenmeister 1493 den Plan faßte, das Kircheninnere zu weißen, ließ er vorher alle Totenschilde von den Wänden nehmen und ein Verzeichnis ö8) Cod. B, fol. 3 5. Dort findet sich auch die Bemerkung: „und hat die zeit davon gehabt 6 gld re landßw.“ Zur Übernahme des Amtes im Neuen Spital vgl. Kap. III, S. 69. ") Das Folgende nach Cod. B, fol. 236 und Cod. C, fol. 211—219. Die Ausgaben sind LKAN, Nr. 252 verzeichnet; für 1493 vgl. fol. 141v f. i°°) Vgl. dazu £ Mummenhoff, Die Anbringung des Viertelschlagwerks an der Turm­ uhr bei St. Sebald. In: MVGN, Bd. 7, 1888, S. 270—271. Siebenkees, a. a. O., Bd. 3, S. 324—328, hat einen Vertrag von 1509 zwischen Jörg Heuß Schloß [er] und dem Kirchenmeister Peter Harsdorfer über die Uhr an der Frauenkirche vorgelegt. Fälschlicher­ weise gibt er als Heuß’ weiteren Vertragspartner Schreyer an, der zu dieser Zeit 9ein Kirchenmeisteramt jedoch bereits abgegeben hatte. Schreyer könnte vielleicht die Geld­ geschäfte abgewickelt haben: „des erbarn Sebolt Schreyer und meister Hansen Beheym und meister Jorg Stadelman eins erbarn rats werckmeister.“ 101) Cod. C, fol. 218v. 7

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darüber anfertigen 102). Anschließend wurden die Figuren der Heiligen erneuert und in Gold gefaßt; besonders erwähnt SchreyeT die Statuen des heiligen An­ dreas und des heiligen Thaddäus — kein Wunder, unter ihnen hatte er sein Familienwappen anbringen lassen. In demselben Jahr hat er auch 103) „einen alten hultzin sarch, darinnen etwen das gepein sant Seboltz gerut hat, so oben neben dem eingang des sagrers an der wendt aufgemacht gewesen ist, herab­ genommen, geöffnet und ein pleyin serchlein voll heylthumbs darinnen funden.“

Er ließ ein neues Behältnis anfertigen und legte „zu einer gedechtnus“ ein Bild des Heiligen mit der von Celtis verfaßten Hymne 104) bei. Ein ebenfalls hinzugefügtes Blatt verzeichnete die Verbesserungen der Kirche, die vorge­ nommen wurden — alles mit dem Schreyerwappen versehen. Diese kleine Eitel­ keit verrät einmal mehr Schreyers Stolz auf sein Amt und sein Verlangen, sich der Nachwelt erhalten zu wissen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatte der Rat beschlossen, ein neues „Gehäuse" für die Gebeine des heiligen Sebald anfertigen zu lassen 105). Die Ausführung übertrug man dem Erzgießer Peter Vischer. Mit großer Intensität begann Schreyer, Almosen und Ablaßgelder dafür zu sammeln 106). „Item in disem 99. jar ist bei meinen herren den eitern furgenommen und zugege­ ben, das geheus, darinnen sant Sebolts sarch steet, nach dem das ganz paufellig ist, zu verneuen und von messing zu gießen, wo anders durch almusen oder Zusagen frummer leut, so andacht oder neigung darzu hetten, ein vorradt vorhanden wer, domit man das statlich zu machen anfahen mocht. Darauf herr Paulus Volkmeier, pfleger, und Sebolt Schreyer, kirchenmaister, etrwevil leut von der erberkait, kaufleuten und anderen beschickt, inen solchs furgehalten und begert haben, ire al­ musen und Steuer dazu zu geben, und was ein jeder zu seinen Zeiten, das ange­ fangen und domit in der arbait wer, daran geben wolt, zu erkennen zu geben, domit man des ein wissen und sollich werk darnach oder dem gemeß dester statlicher zu machen anfahen möcht.“

Erst im Mai 1507 konnte mit der Ausführung des Sebaldusgrabes be­ gonnen werden. Im Jahre 1519 endlich war es fertiggestellt, und Schreyer konnte — am Ende seines Lebens — die Vollendung des Gehäuses für seinen so verehrten Heiligen noch erleben. 102) StadtAN, Cod. man. 169, fol. 57v ff. Eine Abschrift des 18. Jahrhunderts befindet sich LKAN, Acta der Verwaltung des vereinten protestantischen Kirchenvermögens Nürnberg, St. Sebald, Fach 85, Fasz. 18, Tom. 1, S. 95. Die Aufzeichnungen haben häufig Erwähnung gefunden; vgl. K. Pilz, Der Totenschild in Nürnberg und seine deutschen Vorstufen. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 1936—39, S. 57—112; Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 1, S. 394. 1492 waren Bestimmungen über Preis und Beschaffenheit der Leichenschilde getroffen worden. Danach durfte jeder Schild nur 3 Gulden kosten, eine gewisse Größe nicht überschreiten, damit er nicht von der Wand fallen konnte, und es mußte auf glatt gehobeltem Holz und ohne Helm gemalt sein; vgl. E. R e i c k e , a. a. O., S. 677. 10S) Cod. B, fol. 233. 104) Dazu und zu Schreyers Verhältnis zum heiligen Sebald vgl. Kap. VI, S. 141 ff. 105) Zum Sebaldusgrab vgl. ausführlich Kap. VI, S. 146 ff. 10e) StadtAN, Cod. man. 74. 2°, fol. 122.

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Vermehrung und Katalogisierung der Kirchenbibliothek Über seinen zahlreichen Beschäftigungen vergaß Schreyer nicht die Pflege seiner geistigen Neigungen. Seine Vorliebe für das Bücherwesen, Handschriften­ sammeln, Kommentieren und Katalogisieren nahm ihn im privaten Bereich 107) ebenso wie in seinem Kirchenmeisteramt immer wieder gefangen. Mit der Ge­ schichte der Bibliothek wird sein Name immer verbunden bleiben. Den Grund­ stock zu ihrem späteren Umfang hatte der Pfarrer Albrecht Fleischmann zu An­ fang des 15. Jahrhunderts durch eine reiche Schenkung gelegt108). Das Salbuch Nr. 1 von St. Sebald 109) enthält auf fol. 137r—147v die in der Kirche und. im Pfarrhof im Jahre 1446 liegenden Bücher110). Ein Vergleich mit dem späteren Bestand macht die Vergrößerung deutlich. Schreyer war noch nicht lange in seinem Amt, als er „die liberey sant Sebolts pfarrkirchen von des gotzhawß gelt zurichten und vernewen [läßt], anno domini 148 3“ ln). Die Bücherei, die im Pfarrhof lag, wurde zunächst frisch gestrichen, die Decke getäfelt, die Türe erneuert und mit einem Schloß ver­ sehen, die Fenster wurden verglast und die Lesepulte ausgebessert112). Diese Arbeiten kosteten 58 fl. 9 ß 6 hlr. Schreyer berichtet weiter, als er gesehen habe, daß die Kirche 113) „gepruch an etlichen puchern gehabt hat, und darumb auch, auf das dieselb von im und seiner costung auch gepessert und an puchern gemert wurd, hat er darnach im 86. iar etliche bucher darein gekauft, geordnet und gegeben, allwegen bey dem gemelten gotzhawß zu bleyben.“

In Codex B und C hat er uns ausführlich über seine Anschaffungen be­ richtet 114). Von 1483 bis 1502 wurde an Büchern angeschafft: 1. 12 Meßbücher aus Pergament in Folio;115) 1 Meßbuch aus Pergament; 1 Meßbuch aus Papier, „in die stat zu leihen“; 2. 4 Gebetbücher aus Pergament in Folio;11Ä) 1 Gebetbuch aus Pergament in 2 Teilen; 107) Vgl. Kap. V, S. 107 f. 108> Vgl. Ruf, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. 3, S. 676 und 680. i°9) Vgl 0ben Anm. 22. uo) Ruf, a. a. O., S. 680—690, bringt das Verzeichnis, die Schenkungen Fleischmanns und die Nachträge bis 1502, die mit den Angaben im Katalog Meisterlins üb er ein stimmen. Vgl. unten S. 102. in) Cod. C, fol. 22lr. Zur Instandsetzung der „Liberey" vgl. auch Abb. 3. 112) „24 groß puchstaben an die pulpitum zu machen", trägt Schreyer in sein Ausgabenbuch ein; vgl. LKAN, Nr. 252, fol. 19. Demnach standen 24 Pulte in der Bücherei. 113) Cod. B, fol. 83r. 114) Die folgende Zusammenstellung erfolgte nach diesen Angaben. Cod. B, fol. 83r—84r ist gedruckt bei Gümbel, Kirchliche Stiftungen Sebald Schreyers, S. 103—106; Ruf, a. a. O., S. 720 f. Cod. C, fol. 221'—227r, 236v—237v, 239'—241* ist gedrudct bei Ruf, a. a. O., S. 721—729. Die von Schreyer für die Kirchenverwaltung angelegten Bände seien hier außer acht gelassen. Vgl. dazu oben S. 23 f. 115) Davon sind heute nur noch zwei erhalten; LKAN, St. Sebald, Nr. 460 f. 116) Hiervon besitzen wir noch drei: ebda., Nr. 462—464. 7*

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3. Eine Sebalduslegende auf Pergament;117) 4. Ein Sammelband mit Traktaten und Kommentaren, enthaltend „Commentum in libros de causis; viginti quattuor diffiniciones de Deo; Boetius de trinitate; Richardus de Sancto Victore de archaNoe, opuscula divini Dionisii Ariopagite de celesti yerardiia et ecclesiastica“ etc; 5. Ein Sammelband, enthaltend „Hainricus de Hassia contra falsos prophetas; idem de nativitate mundi; Parisiensis contra concionistas futurorum; de scißmate ecclesie; Bernhardus ad Lugdoniensis, de concepcione beate virginis Marie“ etc; 6. Ein Sammelband, enthaltend „Sermones Bede, Orienis [Origenis], Petri Commestoris, Petri Manducatoris, Fulgencii episcopi, Ysidori episcopi, Severini, Faustini, Sedacti episcopi“ etc. In jeden dieser Bände ließ Schreyer meist den Namen des Kirchenpflegers, immer aber seinen eigenen — mit den Familienwappen — eintragen. Er gab für diese Anschaffungen beträchtliche Summen aus. Allein die 12 Meßbücher kosteten 282 Gulden118). Wegen der besseren Haltbarkeit wählte er meist Pergament; dazu kam die Bezahlung der Drucker und Buchbinder, der Gelehrten, die das Geschriebene durchzukorrigieren hatten und der Miniatur­ maler, die für die Ausschmückung der Codices sorgten119). Immer wieder stößt man in Schreyers Ausgabenbuch auf Einträge wie die folgenden: 12°) „Zu trucken meister Heinrich und dem Sensenschmid 6 gld. Item zu liniren und zu rubriciren oder außzustreichen herrn Niclas zu unser liben frauen 7 lb. Item von etlichen geflorisirten puchstaben darein zu machen herrn Lindtner 2 lb. Item für etlich vergult puchstaben einem illuministen gegeben 3 lb. Item von den zweien puchern einzubinden, für Spangen, heut und anders darzu gehörig herrn Heinrich Eyring 2 gld. 4 lb 6 dn. [. . .] die jarzal hinein zu schreiben, zu trinkgelt und zu furlon 24 dn.“

Mit viel Geschick hat es Schreyer „durch seinen vleiß zu wegen bracht“ 121), die Bibliothek weiter zu vergrößern. Er überredete Nürnberger Bürger entweder schon zu Lebzeiten Bücher aus ihrer Bibliothek der Kirche zu stiften oder ihr nach ihrem Tod zu vermachen, Auch die Testamentsvollstrecker bekannter Persönlichkeiten konnte er mit Erfolg für diesen Plan gewinnen. Aus dem Nachlaß des Priesters Hans Menger 1483: Ein Sammelband, enthaltend: „Franciscus Petrarcha de eventibus utriusque fortune; cronica Romanorum pontificum et imperatorum, reportata ex diversis in Studio humanitatis; Boecius de consolatione philosophica“ etc; 117) LKAN, Rep. 14, St. Sebald Nr. 465 enthält nur die Sebalduslegende und zwar die Paraphrase „Czu den Zeiten"; sie ist kurz nach 1451 entstanden; nach Borst, Die Sebaldusl egenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs, S. 91. Das Exemplar, das Schreyer anlegen ließ, muß auch noch „Regie stirpis" von Konrad Celtis enthalten haben; vgl. dazu Kap. V, S. 13 3 f. Es scheint heute verloren zu sein. Über weitere Handschriften dieser Legende vgl. Ruf, a. a. O., S. 676 f. 118) Zu den übrigen Ausgaben vgl. LKAN, Nr. 252, fol. 13v, 19v, 22 v, 36v 51v, 56v, 90v: 104r, 122v, 132V, 133V, 134V, i36r, 137r. 119) Über die Künstlernamen vgl. Hampe, a. a. O., S. 187 f. 12°) LKAN, Nr. 252, fol. 19v. l21) Cod. B, fol. 83r.

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Aus dem Nachlaß Georg Keippers 122) 1. Sanctus Thomas in secunda secunde a questione centesima usque in finem; 2. Excerpta ex utroque testamento et interpretacio Hebraycorum nominum; 3. Ysidorus de summo bono; Gwilhelmus Parisiensis de penitencia etc: 4. Excerpta de summa confessorum etc; 5. Ciromania vera; Stimulus amoris; super „Ave Maria“; quadragesimale Dinckelßpuhel etc; 6. Vitae sanctorum patrum; translacio sancti Nicolay etc; Aus dem Nachlaß Dr. Hermann Schedels 123) 1. Rationale divinorum; 2. Nicolaus de Lira super primam partem biblie usque ad psalterium inclusive cum addicionibus Pauli Burgensis episcopi ac replicacionibus; 3. Nicolaus de Lira super secundam partem biblie; Von Heinrich Pernolt, „licenciaten“ 1. 4 Bücher, enthaltend 4 partes Alexandri de Ales; nach seinem Tod 2. Marionale Alberti Magni de virgine gloriosa editum; 3. Sermones Leonhardi de Utino, ordinis fratrum predicatorum; 4. Augustinus, liber confessionum in XIII libros divisus; 5. Sermones diversi per circulum anni; 6. Tractatus Egidii de Roma de primo principio etc; 7. De apparicione animarum sanctarum etc; Von Anton Koberger 124) 4 partes Bonaventure super sentenciarum und ein Register darüber; Aus dem Nachlaß Konrad Örtels Fortalicium fidei et Rabanum de universo; Aus dem Nachlaß Hans Meichsners, „eines zugesells im hof" Zwei Bücher mit Sommer- und Winterteil, „darinnen sermones Meffreth, alias ortulus regine de tempore“; Von Linhart Grissel, Vikar von St. Lorenz Schriften des Seneca; Von Sebald Lomayr125), einem Schaffer des Hofs Summam predicantium fratris Joannis Bromyard, ordinis fratrum predicantium;

1484:

1485:

1495: 1496:

1495: 1495: 1497:

1497: 1500:

122) Schreyer war bei Keipper selbst Testamentsvollstrecker; vgl. Kap. III, S. 65 ff. 123) Über ihn vgl. Kap. V, S. 116; selbst der Rat kaufte nach Schedels Tod 69' Bücher; vgl. H. Petz, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Bücherei des Nürnberger Rates 1429—1538. In: MVGN, Bd. 6, 1886, S. 123—174. ia4) Über ihn vgl. Kap. II, S. 53. 125) Über ihn vgl. auch Kap. III, S. 75.

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Von Leonhard Mair, Vikar von St. Sebald am Altar St. Nicolai 1500/02: 1. 4 Teile der summa Anthonini von Florenz; (Schreyer ließ ein Register dazu anfertigen.) 2. P. Candidus de civilibus Romanorum bellis ex Apiano Alexandrino; 3. P. Candidus Romane historie ex Apiano Alexandrino sophista traducto; (Schreyer ließ beide Bücher zusammenbinden.) 4. Sermones doctoris Jacobi de Voragine de tempore et de sanctis; 5. Margarita poetica doctoris Alberti de Eib. Schreyer selbst wollte bei dieser Vielzahl von Stiftungen natürlich nicht zurückstehen. Er gab im Lauf der Jahre an die Bibliothek ab: 1. Zwei Pergamenthandschriften der Bibel; 2. Epistolae Jeronimi; 3. Glossa ordinaria in 4 Bänden; 4. Panthologia in zwei Bänden; 5. Auctoritates Arestotilis et aliorum philosophorum. Von der zu so beträchtlichem Umfang angewachsenen Bibliothek ist heute leider nur mehr wenig vorhanden 138). Da Schreyer immer neue Bände in den Kirchenbestand aufnahm, faßte er bald den Entschluß zu einer Katalogisierung. Mit der Abfassung beauftragte er den verdienten Sigismund Meisterlin 127). 1489/90 wurde der Band auf Pergament in zwei Teilen angelegt. Die erste Hälfte enthielt einen Standort­ katalog, „wie die pucher auf den pulpitumb ligen“, die zweite ein alpha­ betisches Register128). Das Original ist verlorengegangen; wir besitzen jedoch eine Abschrift auf Papier, die beide Teile in einem Band vereinigt129). Sie ent­ hält auch die Neuerwerbungen Schreyers bis 1502. Zweifellos hat er sich mit der Vergrößerung der Kirchenbibliothek große Verdienste erworben. Meisterlins Schlußwort in dem Katalog drückt dies aus: 13°) „Ecce, celeberrime vir Sebalde Schreyer, habes indicem tua prudencia ac fidelitate instaurate bibliothece, quam nedum edificiis, sed eciam de propriis bonis amicorum tuorum testamentis illustrem fecisti ac libris de novo ligatis preclaram. Qui presens index, quid utilitatis afferat tu iudices, poterit eciam quilibet advertere, qui antiqua viderit registra; fateor, quod sepius verecundia ac rubore perfusus sum, dum aliquis peritus intravit, adeo, quia sine ordine falsissimisque titulis ascripti essent libri. Nullus tarnen estimet aliquos libros deesse, qui aliam in antiquis repererit registris inscripcionem, nam industria tua id summe cavet. Meum est tandem super hac 12#) Den Bestand vor dem ersten Weltkrieg hat Hoffmann, a. a. O., S. 211 ff. veröffent­ licht. Der heutige Rest der einst so bedeutenden Bibliothekwird im Landeskirchlichen Archiv zu Nürnberg aufbewahrt; vgl. oben Anm. 115 ff. 127) Über ihn vgl. Kap. V, S. 118 ff. 128> Cod. C, fol. 221V; auch LKAN, Nr. 252, fol. 37*, 51v, 90v. 129) StadtBN, HbH II, 48: „Register der pucher ... Liberey zu S ...“; beschrieben und gedruckt bei Ruf, a. a. O., S. 690—718. 18°) Ebda., fol. 96v.

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fatiga parum quiescere, tuum vero, quam maxime operam dare, ut in preconium stirpis tue libri ipsi maneant custoditi, sucessorum vero officium erit sedulo pro nobis orare."

1498 hatte sich Schreyer eigentlich von seinem Kirchenmeisteramt zurück­ ziehen wollen. Die vielseitigen Aufgaben waren dem damals 52jährigen neben seinen anderen Verpflichtungen zu beschwerlich geworden. Auf Überreden der Älteren des Rates willigte er aber dann dennoch in eine Verlängerung bis 1500 ein, zumal für dieses Jahr eine Heiltumsbesichtigung der Gebeine des heiligen Sebald vorgesehen war131). Nur eine kleine, auserwählte Schar von hochgestellten Persönlichkeiten sollte bei dieser Festlichkeit zugelassen werden: die Älteren Herren des Rates mit dem Kirchenpfleger, die Obersten Hauptleute, der oberste Baumeister der Stadt, der Kirchenmeister, die beiden Pröpste von St. Sebald und St. Lorenz und der Schaffer von St. Sebald. Der Rat meinte, er wüßte wohl, „deß Schreyer ein sunder lib andacht und neigung darzu het“ 132). Als es dann noch nicht dazu kommen sollte, fühlte sich der Kirchenmeister um den Lohn seiner Mühe gebracht: „Dargegen Schreyer wo solchs nit beschehe und in der offnung beraubten, so teten sie im auß erzalten Ursachen iniury und unrecht, der hoffnung, das im Gott verleyhen wurd, ine seiner zeit, in der andern werlt und einer ander gestalt zu sehen."

So verpflichtete er sich für weitere drei Jahre dem Rat13S), „wann er umb zeitlich belonung bey der kirchen nit gewest sey, sunder verhoff, belonung darumb von Gott auf furpeth der lieben heiligen zu gewarten, daran im auch, wo er im anders recht getan und seinem ampt vleissig außgewart hett, nit zweyfelte."

Am 30. Juni 1503 endlich konnte er seinem Nachfolger Lazarus Holzschuher die Kirchenschlüssel und Rechnungsbücher übergeben und in der Losungstube seine letzte Jahresrechnung abschließen. Als dann am 20. Juli desselben Jahres der Sarg des Heiligen geöffnet wurde, war Schreyer unter den Anwesenden. Sein großer Wunsch war doch noch in Erfüllung gegangen.

131) Zur Heiltumsbesichtigung vgl. Kap. VI, S. 146 f. und im Anhang S. 173 ff. 182> Cod. F, fol. 21. 1S3) Ebda., fol. 23v. Er fügt hinzu: „den genieß, den er [Schreyer] auch davon gehabt, hab er wenig in sein nutz bracht, sunder mitsambt anderm in ander weg gewendt“.

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V. HOMO LITTERATUS Bei der Vermehrung der Bibliothek von St. Sebald hatte Schreyer seine Neigung zum Bücherwesen, Handschriftensammeln und Katalogisieren ge­ zeigt 1). In seinem Privatleben offenbarte er eine noch größere leidenschaft­ liche Vorliebe für die Wissenschaften, vor allem für Genealogie, Heraldik, Astrologie, für die Geschichtsforschung und die neulateinische Dichtkunst. Mit diesen Interessen stand er mitten im humanistischen Denken seiner Zeit2). Nachdem Handel und Gewerbefleiß einen Aufschwung der deutschen Städte gebracht hatten, wandte sich neben der gelehrten Welt auch die neu erstan­ dene städtisch-bürgerliche Gesellschaftsschicht einer höheren geistigen und künstlerischen Kultur zu. Die Renaissance hatte mit Hilfe der Philologie eine Wiedergeburt der antiken Philosophie, Dichtkunst und Historiographie er­ strebt und am Beispiel der Alten eine deutsche Geschichtsschreibung und die Erforschung der spezifisch deutschen literarischen Vergangenheit verlangt. Ihre Gedanken drangen in die Städte und machten dort eine Zusammenarbeit von Gelehrten, Künstlern und wohlhabenden Bürgern möglich. Nationales Selbst­ bewußtsein, der Drang nach neuen Erkenntnissen und der Wunsch eigenen Nachruhms kennzeichnen das beginnende 15. Jahrhundert und die Folgezeit. Neben Basel, Straßburg, Schlettstadt und Augsburg war es Nürnberg, das — schon wegen seiner engen Verbindung mit Venedig — die Wesenszüge dieser geistigen Strömung vor allen anderen Städten in sich aufnahm und verwirk­ lichte. „Omnium per Germaniam civitatum maxime bonis primum ingeniis exuberat ac perenniter scatet ac singulariter erga optimas quasque artes affecta semper fuit, et diu iam sola ac unice fuit“ 3), so schwärmte Hutten 1518 in einem Brief an Pirckheimer4) über die Stadt. In den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts hatte der Jurist und Diplomat Gregor Heimburg (f 1472) eine erste Gruppe dem Humanismus und den klas­ sischen Studien zugewandter Männer um sich versammelt. Heinrich Leubing aus Nordhausen, 1441/42 in Wiener Neustadt im kaiserlichen Kanzleidienst tätig und mit Aeneas Silvius bekannt, seit 1444 Pfarrer zu St. Sebald, der Jurist und Politiker Martin Mayr aus Heidelberg und der seit 1447 in Nürn­ berg als Stadtschreiber tätige Niklas von Wyle (f um 1478) waren die bedeu*) Vgl. Kap. IV, S. 99 ff. 2) Von der überaus zahlreichen Literatur über den Humanismus sei nur genannt: K. Burdach, Reformation, Renaissance, Humanismus. Zwei Abhandlungen über die Grundlage moderner Bildung und Sprachkunst. Darmstadt 1963; A. Chastel und R. Klein, Die Welt des Humanismus. Europa 1480—1530. München 1963; L. Geiger, Renaissance und Humanismus in Italien und Deutschland (= Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, II, 3). Berlin 1882; C. H. Haskins, Studies in the History of Mediaeval Science. Cambridge 1927; Joachimsen, Der Humanismus und die Ent­ wicklung des deutschen Geistes; Prang, Der Humanismus; Rupprich, Huma­ nismus und Renaissance in den deutschen Städten und an den Universitäten; Seidlm a y e r , Wege und Wandlungen des Humanismus. 3) Nach Herrmann, Die Reception des Humanismus in Nürnberg, S. 1. 4) Über ihn vgl. unten S. 124.

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tendsten unter ihnen 5). * * In * *Berührung mit diesem Kreis kam als einziger Nürn­ berger aus dem Volke der Rotschmied Hans Rosenplüt6), der seit 1444 als Büchsenmeister in städtischen Diensten stand. Er führte drei Jahre später mit seinem Lobspruch auf Nürnberg eine in Deutschland völlig neue Dichtungs­ gattung in deutscher Sprache ein7). Nachdem Heimburg im Jahre 1454 die Stadt verlassen hatte, löste sich sein Kreis jedoch überraschend schnell auf. In eine zweite, entscheidende Phase trat die Nürnberger humanistische Bewegung um 1465. An der Universität zu Padua hatte sich zunächst um Peter Luder8)* eine Gruppe studierender Patriziersöhne und reicher Bürger versammelt: Hartmann Schedelö), Konad Schütz 10),* Georg Pfinzing n), Georg Tetzel12), Johann Löffel­ holz 13) und Johann Pirckheimer14). Diese interessierten und wissensdurstigen Männer hätten die Voraussetzungen für den Eingang des norditalienischen Humanismus in Nürnberg schaffen können. Unter den Graduierten mehrte sich die Zahl derer, die in Italien studiert hatten. Doch nur zögernd traten sie in den Dienst der Stadt. Deren Geistesrichtung ging mehr aufs Praktische, man schätzte die Mathematik, auch die Geographie, während die neue Dichtkunst lange keinen Eingang fand. 5) Zu den Anfängen des Humanismus in Nürnberg vgl. Herrmann, a. a. O., S. 5 ft.; Joachimsen, Die humanistische Geschichtschreibung in Deutschland, H. 1, S. 15 5 ff. 6) H e r r m a n n , a. a. O., S. 16 ff.; H. Maschek, Lyrik des späten Mittelalters (=Deut­ sche Literatur. Sammlung literarischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Entwicklungsreihen. Reihe Realistik des späten Mittelalters, Bd. 6). Nachdruck; Darmstadt 1964, Sl 25 ff. und S. 220 ff. 7) Zum Städtelob in lateinischer Sprache vgl. E. G i e g 1 e r, Das Genos der Laudes urbium im lateinischen Mittelalter. Beiträge zur Topik des Städtelobes und der Stadtschilderung. Diss. Würzburg 195 3. 8) Luder wurde um 1410 geboren; über ihn vgl. G. Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus mit besonderer Rücksicht auf die Streitigkeiten zwischen Konrad Wimpina und Martin Mellerstadt. In: Beihefte zum Centralblatt für Bibliothekswesen, Bd. 22. Leipzig 1899, S. 2, 4 f., 73. 9) Über ihn vgl. unten S. 115 ff. 10) Konrad Schütz wurde in der Reichsstadt Weil in Schwaben geboren, studierte in Tübingen und Italien, kam als Jurist nach Nürnberg und war Genannter des größeren Rates; nach Will, Nümbergisches Gelehrtenlexikon, Teil 3, S. 599; Will-Nopitsch, a. a. O., Teil 8, S. 149. u) Georg Pfinzing wurde 1435 geboren, wurde Doktor der Rechte, Propst zu Unserer Lieben Frau in Nürnberg und Mainz »und schließlich erster Propst von St. Lorenz in Nürnberg. Er starb am 26. 6. 1478 in Rom, wohin er zur Klärung strittiger Fragen über die Stellung und Rechte der Nürnberger Pröpste mit dem Bamberger Bischof geschickt worden war; vgl. Will, a. a. O., Teil 3, S. 151 f.; Will-Nopitsch, a. a. O., Teil 7, S. 141 f. 12) Georg Tetzel studierte 1465 die Rechte zu Padua. des Würzburger Bischofs Johann von Grumbach, dann nach Erfurt; 1465 nach Padua, 1S) Johann Löffelholz, lat. Janus Codes, wurde am 1. 8. 1448 geboren, kam 1458 an den Hof des Würzburger Bischofs Johann von Grumbach, dann nach Erfurt; 1465 nach Padua, um die Rechte zu studieren. Er wurde Lizentiat und lebte ab 1476 als Ratskonsulent in Nürnberg. Er starb am 15.5.1509; vgl. Will, a. a. O., Teil 2, S. 499 f.; WillNopitsch, a. a. O., Teil 6, S. 327. 14) Johann Pirckheimer promovierte 1465 zu Padua zum Doktor der Rechte, wurde 1467 Konsulent in Nürnberg und Gesandter für Herzog Albrecht von Bayern und Erzherzog Siegmund den Frommen von Österreich; seit 1497 lebte er dann in seiner Vaterstadt.

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Zwar weilte Hartmann Schedel von 1466 an für zwei Jahre in seiner Ge­ burtsstadt, zog jedoch schon 1468 mit einer nümbergischen Gesandtschaft in die Welt und ließ sich später als Arzt in Nördlingen, dann in Amberg nieder. Auch die Juristen wurden erst spät in Nürnberg seßhaft. Georg Pfinzing war vorher Rat des Mainzer Kurfürsten und Kanzler seiner Universität. Johann Löffelholz trat in bambergische, dann ebenfalls in kurmainzische und 1475 in bayrische Dienste. Johann Pirckheimer war zwar schon 1465 in seine Vater­ stadt zurückgekehrt, übersiedelte jedoch 1469 nach Eichstätt. Nur Konrad Schütz begnügte sich in Nürnberg mit rechtsgutachtender Tätigkeit und klei­ neren politischen Aufträgen15). 1467 kam jedoch der Arzt Hermann Schedel16), der Vetter Hartmanns, in die Stadt; vier Jahre später der Mathematiker und Astronom Johannes Mül­ ler 17), der sich nach seiner Vaterstadt Königsberg in Preußen Regiomontan nannte. Allerdings bahnte sich in den siebziger Jahren der Umschwung in der Gesinnung leitender Kreise zuerst mit der Rechtsreformation an. Hier treffen wir auch erstmals auf Sebald Schreyer, der an der Ausarbeitung des Nürnberger Zivilgesetzbuches von 1479 maßgeblich beteiligt war 18). Erst in den folgenden Jahren durchdrang das humanistische Gedankengut endgültig das Geistesleben der Stadt. Gelehrte und Künstler erschlossen in Übersetzungen antikes und fremdes Geistesleben und erforschten die deutsche Vergangenheit in ihren Quellen. Damit verwirklichten sie die innere Loslösung vom Mittelalter. Inwieweit sich Schreyer von diesen Strömungen gefangen­ nehmen ließ und an ihnen teilhatte, wird im folgenden zu zeigen sein. Während seines Studiums in Leipzig seit dem Sommersemester 1460 lö) hatte er die damals übliche Ausbildung genossen. In der Beschreibung seiner Vorlesungen und Prüfungsfächer führt er außer Logik, Rhetorik und anderem immer wieder die „vetus ars“ 20) an, womit sicher eine noch in der Scholastik wurzelnde Disziplin gemeint ist. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatte an den Universitäten jedoch die Scholastik ihren Höhepunkt längst über­ schritten, und die Vertreter humanistischer Ideen traten nun auch hier für den radikalen Abbau alter Traditionen und für eine Vertiefung des Studiums an Stelle der Erörterung bloßer Begriffe ein 21). So wird wohl auch Schreyer wäh-

15) 17) 18) 20) 21)

Er war der Vater Willibald Pirckheimers; vgl. Will, a. a. O., Teil 3, S. 182 ff.; WillNopitsch, a. a. O., Teil 7, S. 163 f. Nach Herrmann, a. a. O., S. 3 3 ff. — 16) Ebda., S. 3 5 ff. Ebda., S. 41 ff.; E. Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 698 ff. Vgl. Kap. I, S. 24. - 19) Vgl. Kap. I, S. 15. Cod. A, fol. 36. Vgl. dazu G. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universität. Neudruck: Graz 1958, bes. Bd. 2: Entstehung und Geschichte der deutschen Universität bis zum Ausgang des Mittelalters; F. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Nachdruck: Berlin 1960, bes. Bd. 1; G. Ritter, Via antiqua und via modema auf den deutschen Universitäten des 15. Jahrhunderts. Nachdrude: Darmstadt 1963; ders., Die Idee der Universität und das öffentliche Leben. Freiburg/Br. 1946; E. Waschinski, An der Wende des gelehrten Unterrichts von der mittelalterlich-scholastischen zur humanistischen Lehrmethode. In: Gymnasium. Zeitschrift des deutschen Gymnasial Vereins, Bd. 51, 1940, S, 138—161.

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rend seines Leipziger Aufenthaltes erste Anstöße des neuen Zeitgeistes erhalten haben, zumal auch Peter Luder — freilich ohne jeden akademischen Grad — im Winter 1461 und Sommer 1462 dort lehrte22). Die lateinische Sprache be­ herrschte Schreyer zwar nicht gerade fehlerfrei, konnte sich jedoch mühelos in ihr verständigen. Nach dem Brauch der Zeit hatte er seinen Namen in „Clamosus“ latinisiert. Er, der seiner ganzen Wesensart nach eher nüchtern und auf das Praktische ausgerichtet war, widmete sich, seitdem er in Nürnberg seßhaft geworden war 23), mit glühendem Eifer allen neuen Ideen. 1. Familienaufzeichnungen

Bei seiner Neigung zum Bewahren und Sammeln von handschriftlichen Zeugnissen jeder Art ist es nicht verwunderlich, daß er zunächst seine ganze Kraft dafür einsetzte, alles über sich und seine Familie zusammenzutragen und aufzuzeichnen. Im Spätmittelalter waren Berichte von Bürgern über sich und ihre Familien keine Seltenheit mehr24). In dem von der Rivalität gegen den Adel getragenen Selbstbewußtsein der bürgerlichen Oberschicht wurde dies besonders in Nürn­ berg deutlich. Schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hatte Ulman Stromer ein „Püchel von meim geslechet und von abentewr“ 25) geschrieben. Im 15. Jahrhundert sollten dann Geschlechts- und Gedenkbücher zahlreicher werden: 1386—1454 entstand auf Berthold Tuchers Veranlassung das Tuchersche Memorialbuch 26), 1402 verfaßte Konrad Paumgartner eine Familien­ geschichte27), zwischen 1464 und 1467 schrieb Erasmus Schürstab von „meines geslechts und eitern erbergs herkummen“ 28), Nikolaus Muffel ein Jahr später sein „Gedenkbuch“ 29); 1481—1542 legte Christoph Scheurl ein Buch seiner Familie an30) und 1505—1511 Lazarus Holzschuher81). Die einzelnen Verfasser hatten natürlich verschiedene Ziele vor Augen. Sie reihten entweder die einzelnen Personen in der Generationenfolge anein22) Vgl. oben Anm. 8. 23) Vgl. Kap. I, S. 21. 24) Vgl. dazu Amburger, Die Familiengeschichte der Koeler, S. 161—171; Hirschmann, 600 Jahre Genealogie in Nürnberg. In: Blätter für fränkische Familienkunde, Bd. 8, 1965, S. 173—184; besonders S. 174 ff.; Schmidt, Die deutschen Städtechroniken als Spiegel des bürgerlichen Selbstverständnisses im Spätmittelalter. Exkurs I: Bürger­ liches Familienbewußtsein in Aufzeichnungen des 14. und 15. Jahrhunderts, S. 127—137. 25) Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 1, S. 3—110. 26) Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 4, S. 3—28. In Endres Tuchers Memorial (1421—1440) und der Tucherschen Fortsetzung der Nürnberger Jahrbücher bis 1469 tritt das genealogische Element zu sehr in den Hintergrund, als daß man beide Werke noch als Familiengeschichten bezeichnen könnte. Beide sind gedruckt Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 2, S. 3—32; ebda., Nürnberg, Bd. 5, S. 443—510. 27) Erhalten in einer Abschrift von Jakob Taucher aus dem Jahre 1536; StAN, Hs. 264. 28) Herausgegeben von F. v. Weech. In: 31. Jahresbericht des Historischen Vereins in Mittelfranken, 1863, S. 39 ff. 29) Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 5, S. 74'2 ff. 30) Im Scheurischen Familienarchiv; A. v. Scheurl hat daraus einige Mitteilungen ver­ öffentlicht. In: MVGN, Bd. 5, 1884, S. 13 ff. 91) StAN, Hs. 281.

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ander, berichteten kurz über deren Geburt, Heirat und Tod, schmückten sie mit biographischen Notizen oder erzählten in der Art einer Chronik über Er­ eignisse in Nürnberg. Eine reine Autobiographie hat Willibald Pirckheimer in den Jahren 1470—15 30 in lateinischer Sprache geschrieben32). Als sich Schreyer in den siebziger Jahren zu Familienaufzeichnungen ent­ schloß, war er sich der besonderen Schwierigkeiten als nicht den Geschlechtern zu­ gehörig, vollauf bewußt. Die nichtratsfähigen Familien hatten ja meist keine Tradition. Obwohl sich erst sein Großvater dauernd in Nürnberg niederließ, glaubte er, seine Vorfahren bis ins 12. Jahrhundert zurückführen zu können. Der Großteil der Anfänge des Schreyerschen Geschlechts beruht freilich auf Hypothesen33). Daß andererseits eine Familiengeschichte ohne weit zurück­ greifende Angaben begonnen werden konnte, erschien Schreyers Familien­ bewußtsein undenkbar. Um seine „Ehrbarkeit“ genügend zu festigen, verlegte er sich zunächst auf eine genaue Beschreibung seines Familienwappens. Dieses und die Wappen aller seiner Verwandten mit den erheirateten Linien verzeichnete er sorgfältig in seinem ersten Codex 34). Viel Mühe hat er für seine heraldischen Studien aufgewandt. Als Kaiser Friedrich 1471 das Wappen der Familie Schreyer offi­ ziell verlieh und bestätigte, mag dies für Sebald ein großer Triumph gewesen sein 35). Der Anfang der Genealogie zeigt erste Ansätze zu wissenschaftlichen Neigungen 38): „memorie scriptum relinquere, humane conditionis esse desiderare natura scire, et duci ad scientie cupiditatem, in qua excellere gloriamur pulcrumque putamus, ne vita transeatur nostra silentio.“

Die Idee des Beispielhaften und der Stolz des gebildeten Menschen, der sein Leben der Nachwelt erhalten wissen will, wird deutlich, wenn er schreibt, „vita enim, qua fruimur brevis est [...]. Idcirco memoriam nostri quam maxime contra brevitatem vite extendere et ab oblivionis iniuria tueri necesse est, imitemur naturam beate sempiterneque vite imaginem.“

Ehe er den Leser bittet, sein Werk mit Wohlwollen und Nachsicht aufzu­ nehmen, umreißt er noch einmal sein Ziel: „non historias sed vitas perscribere temptemus.“ So trug er denn in den folgenden Jahren nach der Geschichte seiner Vorfahren jede Nachricht über sich, seine Geschäfte und Ämter, seine Bekann­ ten und Freunde ein. Freilich kann er dabei nicht immer zwischen Wesentlichem und Bedeutungslosem unterscheiden — dies muß man ihm bei seinem beispiel­ losen Eifer nachsehen. Hatte er den Großteil des ersten Bandes noch selbst geschrieben, so fand er für die sich daran anschließenden sechs37) keine Zeit S2) Willibald Pirckheimers Schweizerkrieg. Hg. v. K. Rück, München 1895. Beigegeben ist die bisher unedierte Autobiographie Pirckheimers. London, Britisches Museum, Arundel Nr. 175. 33) Zur Geschichte von Schreyers Vorfahren vgl. Kap. I, S. 8 ff. 34) Cod. A, fol. lIv-IVv. 35) Vgl. Kap. I, S. 20. *•) Cod. A, fol. l. 37) Vgl. Einleitung, S. 3 f.

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mehr. Meist finden sich nur noch Nachträge oder Korrekturen von seiner Hand. Die eigentliche Schreibarbeit nahmen verschiedene Männer nach seinem Diktat oder von ihm vorgeschriebenen Notizen vor. Die Beschäftigten sind dabei mit jenen identisch, die ihm auch in seinem Amt als Kirchenmeister zur Verfügung standen. Noch intensiver sorgte er für chronologische und lückenlose Einträge, als er die Gewißheit hatte, daß seine Ehe ohne Nachkommen bleiben würde. Sein Drang, dem Gedächtnis der Nachwelt erhalten zu bleiben, muß sich seit dieser Zeit verstärkt haben. Um so bedauerlicher ist es bei der Vielfalt an interes­ santen Nachrichten für uns, daß von den sieben Codices immerhin drei ver­ loren sind. 2. Stemenglaube und Stemdeutung

So wie das erwachende Selbstbewußtsein der Einzelpersönlichkeit eine Be­ schäftigung mit dem eigenen Leben und dem der Vorfahren mit sich brachte, so war auch der Wunsch nach Enthüllung der undurchdringlichen Zukunft immer lebendiger geworden. Mathematik und Astronomie fanden mehr und mehr Anhänger, und mit der Zeit lief die Sternkunde Gefahr, von allzu kühner Deutung überwuchert zu werden38). Seit Jahrhunderten schon hatten Kalender mit ihren Berechnungen des Ver­ laufs von Sonne und Mond eine große Rolle gespielt. Je mehr der Mensch mit der Natur verknüpft war, desto interessierter zeigte er sich an den jährlichen Veränderungen der Gestirne. Die Nürnberger Instrumentenmacherei und die Herstellung von Astrolabien und Sonnenkompassen hatten die Entstehung des ersten Erdapfels ermöglicht; ein Martin Behaim reiste wiederholt aus den Dien­ sten des Königs von Portugal in seine Vaterstadt, um sich neueste Instrumente anfertigen zu lassen. Neben den rein wissenschaftlichen Forschungen, die vor allem durch Regiomontan in Nürnberg eingeleitet worden waren, begann man bald, aus der Beschaffenheit der Atmosphäre auf ein Anfüllen der Luft mit bestimmten Krankheitsstoffen zu schließen, deren Einfluß auf den menschlichen Organismus körperliche und seelische Zustände bedingen sollte. Wie hatte Schreyer im Jahre 1490 das Wüten der Pest erklärt? „Durch die wurckung der cörper des himmels [habe] sich in disen landen Vergiftung des luftes und regirung der pestilenz begeben" 39). 38) Zu dem vielschichtigen Problem von Astronomie und Astrologie in dieser Zeit vgl. J. Friedrich, Astrologie und Reformation oder Die Astrologen als Prediger der Reformation. München 1864; Thorndike, A history of magic and experimental Science, Bd. 5; darin besonders; Kap. X; Astrology of the early Century, S. 159—177 und Kap. XVI: The aftermath of Regiomontanus, S. 332—377; E. Z inner, Astronomie. Geschichte ihrer Probleme ( = Orbis academicus 2, 1). Freiburg 1951; der s., Die fränkische Sternkunde im 11.—16. Jahrhundert; ders., Geschichte der Sternkunde. Berlin 1931; ders., Geschichte und Bibliographie der astronomischen Literatur in Deutschland zur Zeit der Renaissance. 2. Aufl. Stuttgart 1964; ders. , Schicksalsscheiben, Tolederbriefe und Horoskope. 39) Vgl. Kap. III, S. 73.

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Die Beschäftigung mit den Gestirnen brachte, nach ihrer jeweiligen Stel­ lung, Vorhersagen über künftiges Wetter, über Erdbeben, Kometen oder Na­ turkatastrophen mit sich 40). Da die Astronomie, oder richtiger, ihre spekula­ tive Anwendung durch die Astrologie, eine enge Verbindung mit der Medizin eingegangen war, konnten sich in einer Person astrologische, medizinische und humanistische Neigungen vereinen. Bei wichtigen Ereignissen pflegte man die Stellung der Gestirne zu ver­ zeichnen. Schreyer hat sowohl bei der Grundsteinlegung zum Erweiterungsbau des Heilig-Geist-Spitals 41) als auch bei der des Sebastiansspitals 42) eine „figura celi" für die betreffenden Tage anfertigen lassen mit dem Zusatz 43) „hanc ego figuram propter solem almutec nobilem censeo. Et quia edificii est, erit structura spectabilis et regia propter solem. Item propter Jovem decora valde et venerabilis laudandaque.“

Gleichzeitig holte er sich jedoch den Abt von St. Egidien Johannes Ra­ denecker zur Weihe — der Widerspruch im vielfältigen Denken der Zeit wird nur zu deutlich. Von dem Einfluß der Gestirne auf das menschliche Leben war Schreyer überzeugt. Er sagt einmal: „vario enim sidere nascimur" 44). Dazu kam noch, daß man aus der Bestimmung der Empfängnis Schlüsse auf die Zukunft abzuleiten begann. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ließ man sich somit nur zu gern das Horoskop stellen und dies sicherheitshalber gleich von mehreren Gelehrten. Freilich hat die Kirche die Astrologie immer bekämpft, sobald sie aus den Himmelsvorgängen das Schicksal des Menschen Vorhersagen wollte 45). Hier zeigt sich der Zwiespalt in dem Menschen Schreyer. War er einerseits in seinem Innersten noch ganz gläubiger Christ des ausgehenden Mittelalters 46), so ließ er sich zum anderen doch von dieser neuen, verheißungsvollen „Wissen­ schaft" fesseln. Den Mittelpunkt dieses interessierten Kreises bildeten zwei gelehrte Männer: Dr. Lorenz Beheim in Bamberg47) und Johann Werner in Nürnberg 48). Beide widmeten sich eifrig mathematischen und astronomischen 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47)

Nach Zinner, Geschichte und Bibliographie, S. 22. Vgl. Kap. III, S, 69. Vgl. ebda., S. 75. Bei der Grundsteinlegung zum Erweiterungsbau des Hl. Geist-Spitals; vgl. Cod. C, fol. 181r. Cod. A, fol. 1. Vgl. dazu Zinner, Geschichte und Bibliographie, S. 24. Vgl. Kap. VI, S. 136 ff. Beheim wurde 1457 in Nürnberg geboren und starb 1521 in Bamberg. Er entstammte einer Nürnberger Familie, die jedoch mit der patrizischen Familie der Behaim nicht verwandt war. Er war zunächst Kanonikus am Kollegiatsstift St. Stephan in Bamberg, studierte seit 1473 an der Universität zu Ingolstadt und 1476 in Leipzig, wo er 1478 den Titel eines Magister artium erwarb. Nach einem langen Aufenthalt in Italien trat er die ihm 1496 verliehene Pfründe an. Über ihn vgl. E. R e i c k e, Der Bamberger Kanonikus Lorenz Beheim, Pirckheimers Freund (= Forschungen zur Geschichte Bayerns 14). München 1906, S. 1—40; ders. (Hg.), Willibald Pirckheimers Briefwechsel Bd. 1, S. 292 f., Anm. 1. 48) Werner wurde 1468 in Nürnberg geboren, ging mit 27 Jahren nach Rom und kehrte, von Maximilian I. mit dem Ehrentitel eines „kaiserlichen Kapellans“ ausgezeichnet, 1497 in

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Studien. Mit Beheim war vor allem Willibald Pirckheimer4#) eng befreundet; ein reger Briefwechsel florierte zwischen den beiden50). Zahlreiche wohlhabende Bürger Nürnbergs baten Werner, den Pfarrherm von St. Johannis, ihnen Horo­ skope zu stellen: Erasmus Topler51), Christoph Scheurl52), Willibald Pirckheimer53) und Schreyer sind die bekanntesten unter ihnen. Schreyer hat uns allein sechs Horoskope überliefert, die er von verschie­ denen Astrologen verfertigen ließ: 1. Auf Grund der Stellung der Gestirne bei seiner Geburt gab ihm in den siebziger Jahren Paul Eck54) eine Deutung und sagte ihm die Zukunft bis zum Jahre 1497 voraus55). Doch Schreyer fügt hinzu, „non quia omnia sic fieri crederet, quia omnia deo per consilia in eius potestate sunt". Aus der Zeit von 1488—1489 stammen vier Horoskope: 2. Von Johann Altenstein56); 3. Von Georg Konast57); 4. Von Peter Danhauser58),

49) 50) 51) 52) 53) 54)

55) 56)

57) »*)

seine Heimat zurück, wo er zunächst Pfarrer an der Kirche in der Vorstadt Wöhrd und später an der St. Johanniskirche in Nürnberg wurde, wo er 1522 starb. Über ihn vgl. S. Günther, Johann Werner von Nürnberg und seine Beziehungen zur mathematischen und physischen Erdkunde (= Studien zur Geschichte der mathematischen und physikali­ schen Geographie 5). Halle 1878, S. 277 ff.; K r e s s e 1, Hans Werner; K. Schotten­ loher, Der Mathematiker und Astronom Johann Werner aus Nürnberg. 1466—1522. In: Festgabe für H. Grauert zur Vollendung des 60. Lebensjahres. Freiburg 1910, S. 147—155. Vgl. auch unten Anm. 132. Vgl. Anm. 13 8 f. Über astrologische Fragen vgl. besonders R e i c k e , Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 1, S. 460 ff. und Bd. 2, S. 104 ff., 113 ff., 362 ff., 450 ff. Eine Abschrift ist enthalten: ÖNBW, Cod. 10650, fol. 87. Ebda., Cod. 5002, fol. 109. Ebda., Cod. 5002, fol. 104. Paul Eck stammte aus Sulzbach. Er veröffentlichte in Leipzig einen lateinischen Almanach für 1486 und 1487 und in Nürnberg einen lateinischen und deutschen für 1489. Zinncr , Geschichte und Bibliographie, führt auf den S. 109 und 111 zwei Einblattdrucke von Paul Eck an: 1. Vorhersage für 1488 „Practica“, Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts. Halle 1914, Nr. 923 5; 2. Tafel der Neu- und Vollmonde für 1489, a. a. O., Nr. 9232 ff. Über den Astrologen vgl. K. Haebler, Paulus Eck gegen Wenzel Faber. In: Zeitschrift für Bücherfreunde. N. F. Bd. 6, 1914/15, S. 200—204. Cdo. A, fol. 44—48. Cod. C, fol. 10—18. Vgl. auch die Abbildung Nr. 5. Schreyer nennt ihn nur „dominus“. Aus seiner Einleitung geht hervor, daß er das Horoskop in Bamberg gestellt hat. Einzel­ heiten über einen Mann dieses Namens waren nicht zu ermitteln. Er könnte mit Johann Altensteig identisch sein, der Humanist und Theologe in Mindelheim in Schwaben war, Poetik und Rhetorik studiert hatte und nach 1523 starb; Schreyer schreibt allerdings immer „Altenstein“. Über Altensteig vgl. Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 1, Leipzig 1875, S. 363; C. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexikon. 1. Teil. Nach­ druck: Hildesheim 1960, Spalte 306 und Jöcher-Adelung, a. a. O., Ergänzungsbd. 1, Spalte 652. Cod. C, fol. 19. Konast war Magister und stammte aus Freiburg im Breisgau. Vom 7. 1. 1489; ebda., fol. 20—24; über ihn selbst vgl. unten S. 120 ff.

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5. Von Peter Danhauser59); dieser gesteht ohne weiteres zu, daß seine erste

Fassung falsch gewesen sei und er es deshalb mit einer zweiten versuche. 6. Vor 1490 muß Johann Werner60) ihm ein Horoskop gestellt haben.

Außerdem ließ Schreyer je eines für seine Frau und deren vier Brüder61) anfertigen 62). Bei jedem Horoskop für ihn selbst wurde eine andere „figura nativitatis“ angenommen. Altenstein legte seinen Voraussagen als Geburtszeit den 8. Juni 1446, „hora 16 minuta 28 post meridiem“ zugrunde, Konast den 9. Juni, „hora 4 minuta 16“, Danhauser in der ersten Fassung den 8. Juni, „hora 16 minuta 40“, in der zweiten denselben Tag, aber „hora 17 minuta 40“ und Werner den 8. Juni, „hora 18 minuta 55 fere“. Merkwürdig sind dabei zwar einmal die übliche minutengenaue Festlegung, zum anderen jedoch die verschiedenen Zeiten. Entweder lieferte Schreyer ver­ schiedene Angaben oder, was wahrscheinlicher ist, änderten die Astrologen die Zeiten selbst, um günstigere Vorhersagen machen zu können. Außer dem Geburtstag gibt jedes Horoskop mit seiner viereckigen Figur und der Zwölfteilung den Himmelszustand, das heißt die Stellung der Planeten in den zwölf Himmelsteilen, für eine bestimmte Zeit an. Dabei wurde der Ort der Planeten einem Jahrbuch entnommen 63). War bereits der Entwurf der Nativität nicht leicht, so konnte die Berech­ nung der Empfängnis (figura conceptionis) nur willkürlich, wohl auf Grund antiker Vorschriften, vorgenommen werden. Altenstein legte sich auf den 27. August 1445, „hora 2 minuta 16 post meridiem, conceptus est in utero materno“ fest und Danhauser auf denselben Tag, „iste natus permansit in utero 40 septimanis 5 diebus 14 horis“. Bei Werner fehlt diese Angabe. An die „figura conceptionis“ und die „figura na­ tivitatis“ schlossen sich sodann ausführliche, jedoch meist allgemein gehaltene Voraussagen über Verwundungen, Krankheiten oder Todesfälle an. Am eingehendsten verbreitete sich Johann Werner, und zwar über die Zeit von 1490 bis 1506. Dabei ist für uns die Einleitung am wertvollsten, aus der wir wichtige Nachrichten über Schreyers Jugend erfahren64). Daran schließen sich lange Deutungen über kommende Krankheiten, die auf den Einfluß der Gestirne zurückgeführt werden. Nur ein Beispiel sei aus der Vielzahl herausgegriffen 65). „Anno 1490 die 21 July superiora firmissime dentium dolor roborare videtur; cuius causam deprehendo fuisse: translationem phebi ex undecimo geniture; in quartum 59) Vom 10. 5. 1489; ebda., fol. 27—32. 60) Ebda., fol. 1-9. 61) Heinrich Kammermeister (1439—1490); Leonhard Kammermeister (1441—1499); Hans Kammermeister (1442—1482) und Sebastian Kammermeister (1446—1503). 62) Cod. A, fol. 24v—26. ßS) Für wertvolle Hinweise zum Problem der Horoskope habe ich Herrn Prof. Dr. E. Z i n n e r , Bamberg, zu danken. 64) Cod. C, fol. lr—v. Erstmals gedruckt bei S i n c e r u s, Nachrichten von lauter alten und raren Büchern, Bd. 1, S. 332 ff. Ä5) Ebda., fol. 2V.

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revolutionis locum, qui in ordine suo undecimo collatus sextus erit. Phebus igitur hoc pactu vitiatus futuram egritudinem indicavit.“

Meist beschränkte sich Werner auf Warnungen allgemeiner Art; so schreibt er etwa für die Zeit vom Oktober 1502 bis zum Februar 1503 über den Einfluß des Mars:66) „In mense Octobri 3 et 10 mali [1] propter martis affectionem; In mense Novembri pene nulla dies adversa notatur; In mense Decembri 24 atque 30 mali propter martis affectionem; In mense January 1 atque 25 mali propter martis affectionem; In mense February 9 mala propter martis affectionem. In his ergo diebus tuam valitudinem acuratius curato.“

Schreyer scheint auch seine Lebenserfahrungen auf den Einfluß der Gestirne zurückgeführt zu haben, und er sparte seinen Freunden gegenüber nie mit wohlmeinenden Ratschlägen und Warnungen. So schrieb er einmal an Celtis: Ä7) „Sed coniecto te fuisse pudore confusum atque in animum revocasse fidelibus amici monitis non paruisse. Noscis enim, ut puto, quae retroacto tempore anno scilicet salutis nostrae 1496 die vero solis quarta Septembris te monebam, hortabar, rogabam, tibi, qui Apollini sacer es atque idcirco Cythareae exosus, de ipsa accuratius caveres. Non enim ignoras, quantum Phoebeam prolem Cypris ipsa olim insectata sit." 68)

Mit zu dieser Geisteshaltung zählt auch die Beobachtung auffälliger Him­ melserscheinungen, vor allem die der Kometen69). Die Erscheinung des Halleyschen Kometen im Jahre 1456 und die des großen Kometen von 1472 hatten erste Aufregungen gebracht. Als nun im Jahre 1500 abermals einer auftauchte, bat Sebald Schreyer seinen Freund Werner um eine Beschreibung 70). Am 1. Juni 1500 hatte dieser mit einem waagrechten Brett mit aufge­ zeichnetem Kreis und darüber gleitendem Viertelkreis Höhe und Azimut71) des Kometen gemessen und daraus seine Länge und Breite berechnet. Schreyer ließ nun anfragen: 1. Ob der Komet sich täglich um 1° gegen den Sinn der Tierkreiszeichen be­ wegt hätte? Dies werde durch die Beobachtungen Bernhard Walthers 7*) bestätigt. 2. Ob der Komet zuerst am 18. Mai gesehen worden sei? Ja, gemäß der Angabe zuverlässiger Leute. 3. Ob der Komet um den 24. Juni dem Blick entschwunden sei? Ja, gemäß Werners täglicher Beobachtung. w) Ebda., fol. 5V. 67) Über ihn vgl. ausführlich unten S. 126 ff. **) Am 23. 3. 1500. ÖNBW, Cod. 3448, X, 9, fol. 110; der Brief ist gedruckt bei R u p p r i c h , Der Briefwechsel des Konrad Celtis, S. 391 ff. ®0) Vgl. dazu Z i n n e r , Die fränkische Sternkunde, S. 66 ff. 70) Eine Abschrift Johann Schoners befindet sich ÖNBW, Cod. 4756; vgl. ebda., fol. 143r— 146v. 71) Richtungswinkel am Horizont. 72) Bernhard Walther aus Nürnberg (ca. 1430—1504), war ebenfalls Astronom und stand in engen Beziehungen zu Regiomontan. Auch er hatte den Kometen beobachtet.

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4. Ob der Komet zuerst völlig im Zeichen des Widders erschienen sei? Ja, nach Walthers Beobachtung. 5. Ob der Komet vor Werners Beobachtungen länger gewesen sei, so wie es einige Leute behaupteten? Dies sei wahrscheinlich, da der Komet aus irdischen Dünsten, die sich in der Höhe entzündeten, entstanden sei und deshalb zuerst der Erde näher war und größer erscheinen mußte 73). Darauf folgt eine kurze Schilderung der Wirkung des Kometen für die Zeit von 1501—1504. Werner scheint sich bei seinen Behauptungen nicht ganz wohl gefühlt zu haben, da er Schreyer eindringlich bat, seine Abhandlung auf keinen Fall zu verbreiten, zumal er sich damit — auch als Theologe — im Sinne der Kirche an der Grenze zur Häresie bewegte. Doch Schreyer konnte nicht umhin, die Be­ obachtung wenigstens an Celtis zu schicken, von dem er wußte, daß er als sein Freund die Nachricht geheimhalten würde 74). Er schreibt entschuldigend75): „Eam quidem hucusque diligenter occultavi, sed postquam cerno magnam illorum partem, quae vir ille praedixerat, ad effectum deduci, maxime circa summum nostrae religionis principem, qui in die divorum Petri et Pauli cum suis stipatoribus ac cubiculariis fulmine tactus fuerat76), iccirco volui et hanc cometae significationem tuam quoque praestantiam nullatenus latere/'

Wie interessiert und wißbegierig Schreyer allem Neuen gegenüberstand und wie sehr er sich für Unbekanntes einsetzte, wird damit nur zu deutlich.

3. Schreyer im Nürnberger Humanistenkreis

Zu Recht fand er Eingang in den Kreis der Gelehrtenwelt Nürnbergs. Zwar hat er nie eigene literarische Schöpfungen vollbracht, aber durch seine welt­ offenen Ansichten und oft auch durch finanzielle Unterstützung wurde er bei den Humanisten77) als Anreger und Förderer literarischer Werke und als Kenner der alten lateinischen Dichtung sehr geschätzt. 7S) Nach Z i n n c r , Die fränkische Sternkunde, S. 68. 74) „Nam et meus singularis es amicus et philosophus non vulgaris". In einem Brief vom 18. 10. 1500; ÖNBW, Cod. 4756, X, 31, fol. 128r ff.; gedruckt bei R u p p r i c h , a. a. O., S. 391 ff. 75) Nach R u p p r i c h , a. a. O., S. 428. 7ß) Tatsächlich war am Tage St. Peter und Paul, dem 29. Juni des Jahres 1500, Papst Alexander VI. in größte Lebensgefahr geraten. Sigismondo de ’ Conti erzählt: als der Papst im Begriff gewesen sei, eine Audienz zu erteilen, habe ein schwerer Gewittersturm das Dach des Papstsaales abgehoben. Hierbei sei ein Teil der Decke eingebrochen, so daß der Papst eine halbe Stunde verschüttet gewesen sei und einige Verletzungen davongetragen habe; vgl. dazu L. Frhr. v. Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance von der Wahl Innozenz1 VIII. bis zum Tode Julius' II. 1484—1513. Freiburg/Br. 1924, Bd. 3, 1, S. 539. 77) Zum Humanismus in Nürnberg vgl. Hartmann, Konrad Celtis in Nürnberg; darin vor allem Kap. 3 : Humanismus in Nürnberg, S. 10 ff.; H e r r m a n n , Die Reception des Humanismus in Nürnberg; Schottenloher, Die Entwicklung der Buchdruckerkunst in Franken, S. 55 ff.

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So hat ihn denn auch Werner einmal gepriesen:78) „Noricorum virorum decus ingens, pro tua in me benificentia, hoc exili super genitura tua commentariolo; magnificentie tue moram gessisse, atque tante tue in me benivolentie aliquatenus gratias reddere potuisse. Sed magnitudo tuorum in me beneficiorum mihi pene omnes referende gratie vires auffert. Cum enim tante tue munificentie incredibilem fere benignitatem atque meam tibi morem gerendi facultatem mente complector; in me comperio nihil, quo tibi gratificari queam.“ In seiner Begeisterung und um seinen Auftraggeber zu erfreuen, überschätzte er zwar die Bedeutung von Schreyers Vorfahren, wiederholte aber immer wieder, wie sehr sich sein Gönner von Jugend an literarischen und juri­ stischen Studien gewidmet habe, daß er noch in reiferen Jahren die griechische Sprache erlernte, — er vergleicht ihn mit Catol — und dies habe Schreyer nur deshalb getan, damit seine Bildung auch nicht den geringsten Mangel zeige. „Vir prestantissime, quorum clarissimum stema, [!] ex illa antiquissima Gallie seu Francie nobilitate deducitur, inhibita igitur parentum virtute, ab eis degenerare nequeas, illa etiam latinarum litterarum ceterarum quoque artium studia, quibus ab infantia pluribus annis te accomodasti, ut perperam agas non sinunt, ad tue denique virtutis cumulum accedunt, que in bello paceque tum private tum pu­ blice gessisti ea, si quis animadvertat, nihil profecto reperiet, quo non sis maxime laudandus. [. . .] Quis demum hominum non summopere adiuretur te inter tot occupationes 7Ö) constitutum litterarum iurisve civilis studia iam olim a te etiam adolescente intermissa nunc non mediocri labore repetentem. Facis igitur, que Catho ille Uticensis fecerat, qui in ea fere etate qua tu nunc es constitutus Grecas edidicit litteras, ne quid esset, quod sue sapientie defuisse putaretur.“ Abschließend hebt er Schreyers Bedeutung im Kreise der Gelehrten hervor: „Id tantum referam, quod studiosorum doctorumque virorum mirum in modum delecteris contubernio usque adeo. ut omnes ferme viri bonarum artium virtutibus prediti undecumque in vestram civitatem venerint. In tuam edem tanquam ad communem omnium musarum lucum divertunt confluuntque tecum de musis singulis disserentes.“ Hartmann Sdiedel Mit in den Humanistenkreis gehörte der Arzt und Polyhistor Hartmann Schedel80). Geboren zu Nürnberg im Jahre 1440, hatte er, vier Jahre vor Schreyer, 1456 an der Universität zu Leipzig sein Studium begonnen, war Baccalaureus und Magister geworden, hatte in Padua Medizin studiert, Latein und Griechisch gelernt und dort 1466 den Doktortitel erworben. 1470 war er bereits Physikus in Nördlingen, 1477 in Amberg und ließ sich 1484 endgültig in Nürnberg nieder, wo er im Jahre 1514 starb. 78) Aus der Einleitung zu Werners Horoskop in Cod. C, fol. lr—v. Ebenso das Folgende. 7Ö) Werner meint damit die zahlreichen Ämter, die er oben angeführt hatte. 80) Über ihn vgl. Hartmann, a. a. O., S. 11 ff.; Meyer, Hartmann Schedel; Ruf, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. 3, Teil 3, S. 802 ff.; Stäuber, Die Schedelsche Bibliothek, bes. S. 40 ff.; vgl. auch oben S. 105 f. 8*

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Von seinem Vetter, dem Gelehrten Dr. Hermann Schedel81), hatte er eine ansehnliche Bibliothek geerbt, die er bei seiner Leidenschaft für das Sammeln von Handschriften und Drucken zu einer der bedeutendsten in Nürnberg er­ weiterte. Einen Teil davon hatte Schreyer im Jahre 1485 für die Kirchenbiblio­ thek von St. Sebald angekauft82). Am bekanntesten wurde Hartmann Schedel durch sein Werk „Liber chronicarum“, die „Weltchronik“. Hier tritt seine Beziehung zu Schreyer am deutlichsten zutage. Deshalb sei sie als Beispiel für Schedels literarisches Schaffen eingehender behandelt. Die etwa 2000 Holzschnitte wurden in der Werkstatt Michel Wolgemuts83) und seines Schwiegersohns Wilhelm Pleydenwurff gefertigt, den Druck über­ nahm Anton Koberger 84). Die Veröffentlichung am 12. Juli 1493 war ein be­ deutsames Ereignis in der Geschichte des Buchdrucks 85), da bisher ein so um­ fangreiches Werk profanen Inhalts in so prächtiger Ausstattung noch nicht erschienen war86). Schon am 23. Dezember folgte eine deutsche Übersetzung, die der Losungschreiber Georg Alt87) vorgenommen hatte. Hier konnte sich Schreyer zum ersten Mal als Anreger und Förderer be­ tätigen. Er und sein Schwager Sebastian Kammermeister übernahmen das finanzielle Risiko dieses Werkes88). Schreyer hatte sich nämlich an dem Gedanken begeistert, an einer ersten Darstellung der Weltgeschichte in Deutschland beteiligt zu sein. Schedels Chro­ nik ist im wesentlichen eine Bearbeitung des „Supplementum chronicarum“ des Jakobus von Bergamo mit Ergänzungen aus Vinzenz von Beauvais und modernen Autoren wie Eneas Silvius. Im Geschichtlichen hing man in Nürnberg noch am alten. „Die Darstellung des Weltgeschehens ist eingerahmt von der Erschaffung der Welt und dem 81) Schedel war Stadtarzt in Nürnberg und starb am 4. 12. 148 5. Audi mit ihm war Schreyer befreundet. In seinem Testament bestimmte ihn Schedel als Zeugen; vgl. StadtBN, Amb. 173, fol. 56a; vgl. auch Joachimsen, Hermann Schedels Briefwechsel (1452—1478) (= Bibliothek des Literarischen Vereins Stuttgart 196, Publikation 5). Stuttgart 1898; Ruf, a. a. O., S. 298—802; Stäuber, a. a. O., S. 12 ff. 82) Vgl. Kap. IV, S. 101. 8S) Über ihn vgl. M. Thausing, Dürer. Geschichte seines Lebens und seiner Kunst. Leipzig 1876, S. 47 ff; eine eingehende Würdigung bei Thieme-Becker, Allgemeines Lexi­ kon der bildenden Künstler. Leipzig 1947, Bd. 36, S. 175—181 (mit zahlreichen Literatur­ angaben). M) Über ihn vgl. Hase, Die Koberger, S. 176 ff. 85) Als erstes Buch war in Nürnberg 1470 das theologisch-moralische Werk des Dominikaner­ mönchs Franziskus de Retza „Comestorium vitiorum" erschienen. Zur Entwicklung der Buchdruckerkunst in Franken vgl. Schottenloher, a. a. O. M) Nach Thausing, a. a. O., S. 51. 87) Georg Alt stammte aus Augsburg und kam nach einem Studium in Erfurt 1473 als Schrei­ ber nach Nürnberg, wo er zuerst als kaiserlicher Notar und Gerichtsprokurator, später als Kanzlei- und Losungschreiber tätig war. Er übertrug auch die „Norimberga" des Konrad Celtis ins Deutsche; vgl. unten S. 134. Frhr. Haller v. Hallerstein, Größe und Quellen des Vermögens von hundert Nürnberger Bürgern um 1500, S. 164; Neue deutsche Biographie, Bd. 1, 1953, S. 207 f.; E. R e i c k e, Konrad Celtis und die Ehrengabe für seine Norimberga. In: MVGN, Bd. 3 5, 1937, S. 92—102. Werminghoff, Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg, S. 31 und 70; Will, Nümbergisches Gelehrten­ lexikon, Bd. 1, S. 22. 88) Über die Finanzierung vgl. Kap. II, S. 5 3 ff. 116

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Geridit Gottes über seine Schöpfung am Jüngsten Tag; Krankheiten, Hungers­ nöte, Kuriosa, Monstra und dergleichen werden mit Vorliebe verzeichnet." 89) Auch die Humanistenbiographien sind fast alle wörtlich aus Jakobus ent­ lehnt. Geographische Gesichtspunkte zeigen deutlich Schedels Interesse. Ent­ sprach die deutsch-italienische Abhängigkeit der Zeit, so hat Schedel freilich den Anspruch auf geistiges Eigentum seiner Chronik verwirkt M). Die Städtebeschreibungen und ihre Ansichten sind es eigentlich, die die Chronik berühmt gemacht haben und auch heute noch von Wert sind. Das Bild, das Schedel von dem Nürnberger Stadtpatron, dem heiligen Sebald, zeichnete, hat vor kurzem A. Borst ausführlich behandelt91). Für die Zeitgenossen war die Weltchronik ein bedeutsames Ereignis. Der gelehrte Abt des Benediktinerklosters Sponheim, Johannes TrithemiusM), kennt zwar auch die Quelle, gibt jedoch trotzdem Schedels Bedeutung zu: ") „Comportavit et scripsit [. . .] ex Jacobo Pergomensi et aliis historiographis, addens nonnulla maxime de rebus Germanorum, opus grande et insigne, quod continet historias temporum.“

ln seinem „Catalogus Illustrium Virorum" schreibt er:94) „Hartmannus Schedel Nurenbergensis, artium et medicinae doctor, et divinarum scriptuarum non ignarus, ingens praestans et clarus eloquio, comportavit et scripsit inter alia ingenii sui opuscula (sumptus et impensas ministrantibus Sebaldo Schreyer et Sebastiano Kamermeyster civibus Nurenbergensibus) volumen magnum historiarum. [. . .]“

Ermutigt durch die frühe Vollendung des Werkes, beschloß Schreyer, aller­ lei abenteuerliche Vorstellungen und zu direkte Übernahmen aus Jakobus de Bergamo in einer Neufassung überarbeiten zu lassen. Schon am 30. November 1493 — also vier Monate nach dem Erscheinen der lateinischen Ausgabe — schloß er einen Vertrag95) mit Konrad Celtis. Darin verpflichtete sich dieser, die Chronik „von newem zu corigieren und in ainen andern form zu pringen, mitsampt ainer newen Europa, und anderm darczu gehörig und notturftig. [.. .J Das ich auch sollich corrigirt werck, niemand dann Sebolten Schreyer und seinen vorgemelten mitverwandten und gesellschafteren, behendigen und uberantwurten, und sust geen allermenigklich in gehaym halten sol und will, damit das in ander hende nicht körnen kunnd noch mog.“

Binnen eines halben Jahres wollte er die Überarbeitung vollendet haben. Schreyer setzte ihm dafür 216 Gulden rheinischer Währung aus und gestattete 89) R u p p r i c h , Humanismus und Renaissance in den deutschen Städten, S. 22. 90) Meyer, a. a. O., S. 187; vgl. auch Joachimsen, Geschichtsauffassung und Ge­ schichtschreibung in Deutschland, S. 88 ff. 91) Borst, Die Sebalduslegenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs, S. 131 ff. 92) Eine kurze Biographie bringt R u p p r i c h , Der Briefwechsel des Konrad Celtis, S. 144, Anm. 1. Er führt auch die wichtigste Literatur über Trithemius an. 93) J. Trithemius, De Scriptoribus ecclesiasticis. Basel 1494. Pars I, S. 401. ö4) Ders., Catalogus Illustrium Virorum. In: Opera omnia, ed. M. Freher, Frankfurt 1601. Nachdruck: ebda., 1966, S. 178. 95) Der Vertrag ist gedruckt bei Bösch, Eine projektiert gewesene zweite Ausgabe der sogenannten Schedel’schen Chronik.

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ihm, „sein herberg und seinen tisch bei ihm umbsust zu haben“. Celtis’ Bear­ beitung kam jedoch nicht zustande. Was die eigentliche Ursache dafür war, läßt sich nicht mehr nachweisen 96). Das Risiko wird Schreyer wohl doch zu groß geworden sein, nachdem der Absatz der Schedelschen Fassung nur zögernd vonstatten ging. Man kann wohl kaum annehmen, daß ihm Schedels Freundschaft so kostbar gewesen ist, daß dies ein Grund gewesen wäre, daran eine Verbesserung scheitern zu lassen. Schreyers Beteiligung an der Chronik muß sein Ansehen in der Stadt ge­ waltig gesteigert haben. Als sich Maximilian im November des Jahres 1500 in Nürnberg aufhielt, war ihm auf der Veste die Abbildung des Reichsadlers auf­ gefallen, der gelb auf schwarzem Grund gemalt war. Allgemein üblich war jedoch ein schwarzer Adler auf gelbem Grund. So ließ er beim Rat um eine Erklärung dieser Umkehrung bitten. Schreyer berichtet nun97), daß am 5. Dezember des gleichen Jahres der Rat bei ihm um eine Deutung gebeten habe, da er „das puch der newen kronick mit den figum zusamen bringen und trucken hett lassen, vil und mancherlai histori und cronicken oder geschieht gesehen und gelesen het“. Recht geheimnisvoll fährt er fort, „lang davor hab er das wissen gehapt und glaub auch das wenig wem, so wissen davon hetten, [f] er auch nymand davon gesagt hett“, und er kommt zu der etwas sonderbaren Erklärung, „dieweil das heilig land nemlich Iherusalem und grab Cristi in gewalt und handen der ungläubigen were, so furte ein römischer keyser oder kunig den swartzen adler in einer gelben feldung. So aber dasselb heylig land in gewalt und handen der cristen were, so furte ein römischer keyser oder kunig den gelben adler in einer swartzen feldung."

Wie er zu dieser Deutung kam, verrät Schreyer freilich nicht. Sigismund Meisterlin In den achtziger Jahren hatte ein weiterer Gelehrter Eingang in Nürnbergs Humanistenkreis gefunden und war somit in die Nähe Schreyers gelangt, Sigismund Meisterlin 98). Er war ursprünglich Mönch im Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra zu Augsburg gewesen, 1476 Prediger in Würzburg, zwei Jahre später zu St. Sebald in Nürnberg geworden. 1481 erhielt er die Pfarrei zu Gründlach in der Nähe der Stadt. Durch seine Tätigkeit als Kirchenmeister wird Schreyer seit 1482 mit Meisterlin näher in Berührung gekommen sein. Schon 1483 erhielt dieser den ersten Auftrag, eine Neufassung der Sebalds­ legende "). Ein Exemplar ließ Schreyer später für die Kirchenbibliothek an96) Der Vertrag wurde nie vollzogen. Die Schnitte, durch die die Bänder der anzuhängenden Siegel gezogen werden sollten, sind — nach Bösch — völlig unberührt. •*) Cod. C, fol. 202v. Siebenkees, Materialien, Bd. 2, S. 430 f., hat diese Nachricht Schreyers abgedruckt. Zum Reichsadler vgl. K. Fürst zu Schwarzenberg, Adler und Drache. Der Weltherrschaftsgedanke. Wien 1958. M) Zu Meisterlins Leben und Wirken vgl. Sieben kees, Materialien, Bd. 1, S. 125 ff; besonders aber J o a c h i m s e n , a. a. O.; d e r s., Die humanistische Geschichtschreibung in Deutschland, H. 1: Sigismund Meisterlin. ") Vgl. dazu Joachimsen, a. a. O., S. 143 ff.; Borst, a. a. O., S. 122 ff., berichtet ausführlich über Meisterlins Bearbeitung in zwei Fassungen. So sei hier eine bloße Er­ wähnung gestattet. Zur Verehrung des Heiligen Sebald vgl. Kap. VI, S. 142 ff.

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fertigen 10°), zusammen mit der Ode von Konrad Celtis 101). Ihre Bestände hatte er ja auch von Meisterlin ordnen und katalogisieren lassen102). Gegen Ende der siebziger Jahre war in Nürnberg der Wunsch erwacht, wie andere eine Stadtgeschichte in neuem Stil zu besitzen. Als Verfasser mußte sich Meisterlin anbieten, der sich bereits 1456 mit seiner „Chronographia Augustensium“ 108) ausgezeichnet hatte. So entstand denn 1488 die „Chronica Neronpergensium“ 104). Meisterlin schied darin zwischen einer „vetus Neronperga“, die er auch vollendete und einer „Neronperga modema", einer Be­ schreibung der Stadt mit ihren Gebäuden, ihrer Verwaltung und ihren Ge­ schlechtern, zu deren Abschluß es jedoch nicht kam. Der erste Teil wurde zwar schon 1485 fertiggestellt, doch Meisterlin arbeitete ihn in den folgenden Jahren um, da ihn Mißgünstige in allerlei An­ griffen dazu gezwungen hatten. Ähnlich sollte es Celtis ergehen! So unternahm er vor der Änderung in amtlichem Auftrag eine Studienreise. „Mihi tarnen hunc laborem fecerunt, ut rursus in diversis et antiquis monasteriis quererem rerum veritatem rursusque in ordinem redigerem.“ 105) Am 19. Dezember konnte er sein Werk Hartmann Schedel mit der Bitte um ein Urteil übersenden. Vorsichtig geworden, mochte er seine Arbeit von solchen Leuten einer Kritik unterzogen wissen, die frei von Neid waren und vor allem Kenntnisse in Geschichte besaßen 10Ä). Wie sehr er sich dabei auch Schreyer verpflichtet fühlte, zeigt sein Vor­ wort. Darin nennt er die Hauptinitiatoren der Chronik, den damaligen Kirchen­ pfleger von St. Sebald, Ruprecht Haller und Sebald Schreyer, denen er sein Werk auch widmete 107). „[. . .] sub illo [Haller] est magister fabrice providus vir Sebaldus Schreier; is simplicia curat negocia maiora ad suum superiorem referendo. Sub hiis constituitur edis tutor et companorum ordinator cum famulis, qui ornamenta proponunt.“

Meisterlin hatte seine Arbeit Schreyer während der Entstehungszeit stück­ weise vorgelegt108). 10°) Cod. C, fol. 224v: „Item mer von der kirchen gelt ertzeugt ein pergamenen, geschryben puch, darinnen die legend oder das leben sant Sebolts und auch dabei das ambt des gepets und der messen, so an seinem abent und tag gehalten et gesungen wirt, mit noten geschriben und genotirt und im anfang die getruckten carmina ,Regie stirpis’ etc.“ 101) Zur Ode des Celtis vgl. unten S. 133 f. 102) Vgl. Kap. IV, S. 102 f. los) Zur Stadtgeschichte Augsburgs vgl. Joachim sen, Geschichtsauffassung und Geschicht­ schreibung, S. 42 ff. 104) Sigmund Meisterlins Chronik der Reichsstadt Nürnberg, 1488; gedruckt Städte­ chroniken, Nürnberg, Bd. 3; die lateinische Fassung S. 181—256; die deutsche Übersetzung* S. 257—308. 105) Städtechroniken, Nürnberg, Bd. 3, S. 184, Zeile 25 ff. und S. 313, Zeile 12. 10#) In einem Brief an Schedel; gedruckt bei Joachimsen, S. Meisterlin, S. 278 f. 107) Ebda., S. 200, Zeile 7 ff. 108) Er schreibt in einem Brief an Hartmann Schedel: „Cronicam absolutam feci vulgaremque, eandem successive Sebaldo Schreyer destinavi. Vobis de sudore ac labore scribere opus non est, nostis enim." Joachimsen, S. Meisterlin, S. 277 f., hat den Brief abgedruit.

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Viel wurde um die deutsche Bearbeitung „Cronica der statt Nürnberg, geteilt in drei bücher“ gerätselt. Schreyer und Kammermeister109), Georg Alt110) und Meisterlin selbstm) wurden als Übersetzer angenommen. Es findet sich keine Quellenstelle darüber, aber warum sollte nicht auch Meisterlin sein Werk ins Deutsche übertragen haben? Daß Schreyer der Übersetzer war, ist mehr als unwahrscheinlich — er hätte es sicher in einem seiner Codices ver­ merkt. „Ain vorred N. [l] Schreyers, darin er zu spricht seinen kinden und sy zu tugenten ermant“ 112) zur Chronik ist uns als Blattfragment — in reichlich umständlichem Deutsch — von Meisterlins Hand erhalten. Vielleicht war sie für Schreyers eigenes Exemplar bestimmt. So hatte denn Meisterlin die erste Geschichte Nürnbergs von ihren An­ fängen her geschrieben, wenn auch eine Menge an unverdauter Gelehrsamkeit in ihr enthalten ist. Die Leistung Schreyers als Förderer des Werkes und sein Wille, zum Ruhme seiner Vaterstadt beizutragen, bleiben unbestreitbar. Auf Grund seiner sozialen Stellung brachte er es auch zuwege, den Rat für die Finanzierung dieses humanistischen Unternehmens zu gewinnen. Peter Danhauser Zu derselben Zeit gewann der „magister artium liberalium“ Peter Dan­ hauser 113) im Geistesleben Einfluß. 109) 110) m) 112)

Müllner, Annalen, Bd. 4, Anhang S. 3. Siebenkees, Materialien, Bd. 1, S. 132. Joachimsen, a. a. O., S. 229 ff. Ebda., S. 160, Anm. 5: „Aus göttlicher geschrift, so vil ich in offenlichen predigen gehört und mügen versteen, o mein guter hoffnung iungling, künder und encklin, wird ich underweyst, das ich euch; und allen unsern nachkumen soll kund thon, wie ir den steig der tugent, den ewer eitern haben getreten, solt mercken und darin geen. Also seyt ingedenck ewrer veter in irem geschlecht, wan ir werdet wirdig dardurch, das ir habent gunst der kay[ser] [k]onig, und fürsten, und auch lob von ewren geleichen, wen ir [wur]kend gepurlich ewrem stamme. Man mag auch z[ü euch] sprechen: Diser wandert in dem weg David seines [vate]rs. Seyt ir Abrahams kund, dient werde Abrahe, nicht [weich]ent zu der gerechten noch gelingen hand. Ist aber das anders [von] ewch beschicht, wirt zu ewch der haidnisch sprach gezogen: ,[Ich wol]t das dein vater wer gewesen ain treger mensch und du [behend] mer dan das du unertig und dein vater erensiech ist gebrieft. [Von] ewch wirt als mit recht gefodert frumkait, swerm[ütigkait der] sitten, fleyß zu gerechtigkait, fursichtikeit und fley[ß zu gem]ainem nucz. Wan (ir) das habt ererbt von ewren v[etern. Dar]umb solt ir mein alter in diser weit, noch die gayst e[wer vorfaren] nach irem tod in jener weit nit trauren.“ [ ] wurden mit Hilfe des Lateins ergänzt. Der in der Übersetzung nicht mehr erhaltene Schluß des lateinischen Textes lautet: „[. . .] in alio mundo contristare velitis, sed quod ad vos usque deductum est, id conservate vestrisque posteris presenti in libello tradere vestraque bona exempla adicere studeatis.“ 11S) Über DanhauseT vgl. Bauch, Die Anfänge des Humanismus in Ingolstadt; Hampe, Sebald Schreyer, S. 163 ff.; Hartmann, a. a. O., S. 23 ff.; Joachimsen, Ge­ schichtsauffassung und Geschichtschreibung, S. 156 ff.; A. Reimann, Die älteren Pirckheimer. Geschichte eines Nürnberger Patriziergeschlechtes im Zeitalter des Frühhumanismus (bis 1501). Leipzig 1944, S. 160 ff.; Rupprich, Der Briefwechsel des Konrad Celtis, S. 23 ff., 102 f., S. 431, hat den Briefwechsel zwischen Danhauser und Celtis abgedruckt.

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Der Jurist und Astrologe hatte im April 1479 in Ingolstadt sein Studium begonnen, 1481 das Bakkalaureat erworben, war dann nach Tübingen ge­ zogen und lebte bis zum Jahre 1500 in Nürnberg. Anschließend folgte er Konrad Celtis nach Wien, wo er als Lehrer des römischen Rechts und Pro­ kurator der medizinischen Fakultät wirkte. 1489 hatte sich Schreyer von ihm die „Nativität“ stellen lassen 114) und gab in der Folgezeit zu Danhausers zahl­ reichen Veröffentlichungen die Anregung, beziehungsweise förderte sie durch finanzielle Unterstützung. Deshalb widmete ihm dieser auch im Juli 1490 zunächst das „Repertorium seu tabulam generalem auctoritatum Aristotelis et aliorumPhilosophorum“ 115). Von diesem und den übrigen Büchern Danhausers kaufte Schreyer je drei Exem­ plare, versah sie mit seinem Schild und Wappen und „etlich metra“ 116) und stiftete je eines in die Kirchenbibliothek von St. Sebald, in das Heilig-GeistSpital zu Neumarkt in der Oberpfalz und in das Barfüßerkloster zu Riedfeld bei Neustadt an der Aisch 117). Schon 1493, im selben Jahr des Drucks der Schedelschen Weltchronik, ent­ schloß sich Danhauser auf Schreyers Drängen zu einem weiteren literarischen Unternehmen, dessen Finanzierung diesmal von Schreyer allein übernommen wurde, dem „Archetypus liberalium artium“ 118). Auch Celtis wurde zu diesem groß angelegten Werk als Berater hinzugezogen 119). „Item Sebolten Schreyer zu eren und zu gefallen hat Petrus Danhauser furgenommen ein puch, genannt artium libellum architipus zu neun teil geteilt, zu machen und im dem gemelten Schreyer zuzuschreiben. “ „Contractus inter me Petrum Danhauser ex una et me Sebaldum Schreyer ex altera parte factus est per egregium et doctissimum Conradum Celtis.“

So weit sich aus den beiden Verträgen ersehen läßt, sollte das Buch eine illustrierte Chrestomathie, also eine Auswahl aus Dichtem, Rednern und Ge­ schichtsschreibern, werden, eine Art humanistischer Realenzyklopädie. Drei Jahre später wurde beschlossen, das Werk von bisher neun auf zwanzig Ab114) Vgl. oben S. 111. 115) Cod. C, fol. 50 f. 116) Ebda., fol. 5lr: „Quisque leges istum, lector charissime, librum Et quis eum huc posuit, noscere forte rogas, Sebaldus Schreyer fecit, cui mente benigna Dicito perpetuo: chare Sebalde vale.“ 117) Ebenso stiftete er je ein Exemplar in die drei oben genannten Büchereien der Werke des Thomas von Kempis. die Danhauser herausgegeben hatte; vgl. Cod. C, fol. 51vff. und 53v; ebenso „Specula omnis Status humanae vitae venerabilis patris Dionisii prioris domus Carthusie in Ruremund“; vgl. ebda., fol. 54—5 5r. Über Schreyers Stiftungen vgl. ausführlich Kap. VI, S. 152 ff. 118) Zur finanziellen Seite des Unternehmens vgl. Kap. II, S. 55. 119) Cod. C, fol. 5 8 ff.; bei Hartmann, a. a. O., S. 59 ff. Mit der Anfertigung der Holzschnitte wurde der Nürnberger Formschneider Sebald Gallensdorfer betraut. Vgl. Sincerus, Nachrichten von lauter alten und raren Büchern, Bd. 1, S. 29. Nach Schreyers Aufzeichnungen über seine Ausgaben dürfte Gallensdorfer sämtliche 316 Holzschnitte bereits fertiggestellt haben.

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schnitte zu erweitern und mit einem Anhang „Apologeticon poetarum“, einer Verteidigung des Klassizismus gegenüber den von geistlicher Seite erhobenen Angriffen, zu versehen. Der neue Titel sollte nun endgültig „Archetypus triumphantis Romae“ sein. Nach Joachimsens Meinung 120) ist er eine Entlehnung von Flavio Biondos „Roma triumphans“. Schreyers hochfliegender Plan könnte es gewesen sein, eine „Germania illustrata“ an die Seite der „Italia illustrata“ zu stellen. Zur Vollendung des Werkes kam es allerdings nicht. Mehrere Jahre zogen sich die Verhandlungen hin, und seit Danhauser im Jahre 1500 nach Wien übersiedelte, hört man nichts mehr von dem Unternehmen. So hatte denn Schreyer — abgesehen von dem finanziellen Verlust — seine Idee nicht verwirklichen können. Immer wieder wird seine Liebe zur Historie deutlich. Für sie ging er gerne jedes Risiko ein, wenn es nur darum ging, zum Ruhm der Stadt, freilich auch zum eigenen, beizutragen. Danhauser zeigte sich seinem Gönner gegenüber in jeder Weise dankbar. Er rühmte ihn als „patronus philosophiae“ und schwärmte von seiner „magnitudo, liberalitas, pietas, integritas, constantia“. Er eignete ihm darüber hinaus etliche „carmina“ zu, die Schreyer alle sorgfältig aufzeichnete 121). Dazu kam noch eine Anzahl von Trostgedichten, die er seinem Freund „zu einer ergetzlicheit in seinen Widerwertigkeiten zugeschrieben“ hat. Auch Celtis versuchte, Schreyer auf diese Art zu trösten 122). Freilich ist der Text so allgemein gehalten, daß der Sachverhalt nicht deutlich wird. Danhauser dichtete „de virtute et de gloria Sebaldi Schreyer“ und „cur Sebaldus Schreyer a nonnullis iniuria afficiatur“. Er schreibt:12S) „Sponte malos homines et noxia gramina nutrit At melius semen ferre recusat humus Mitior est propriis alienaque pignora semper Tractat. Jn humana dura noverca manu Vir bonis est celi. Malus est telluris alumnus. Quos igitur celum diligit, odit humus.“ Die Gedichte stammen aus der Zeit um 1495 — damals hatte Schreyer einerseits mancherlei Aufregung wegen Geldforderungen der Frau seines in­ zwischen verstorbenen Stiefbruders Stephan 124), zum anderen hatte er bei seiner Beteiligung am Schmelz- und Saigerhüttenhandel beträchtliche Verluste hin­ nehmen müssen 125). Dies könnten die Anlässe zu den literarischen Abhand­ lungen gewesen sein. Danhauser versuchte seinen Gönner auf jede erdenkliche Weise zu erfreuen — konnte er doch immer auf dessen finanzielle Unterstützung und auf Verständnis für seine literarischen Schöpfungen zählen.

12°) J o a c h i m s e n , a. a. O., S. 156 f. 121) Cod. C, fol. 75 ff. 122) Vgl. unten S. 129. 12S) Cod. C, fol. 76r. 124) Zu den unlauteren Geldgeschäften Stephan Schreyers vgl. Kap. I, S. 16. 125) Vgl. Kap. II, S. 51.

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Bekannte und Freunde Johann Werner, der gelehrte Pfarrherr von St. Johannis, stand in enger Ver­ bindung mit Schreyer, seit er ihm Ende der achtziger Jahre die „Nativität“ gestellt hatte 126). Als sich Celtis 1503 bemühte, für das „Collegium poetarum et mathematicorum“ zu Wien m) einen tüchtigen Lehrer des Griechischen zu bekommen, lenkte Schreyer seine Aufmerksamkeit auf Werner. Doch dieser wollte seine sichere und ehrenvolle Stellung in Nürnberg nicht aufgeben. In einem Brief an Celtis128) begründete er seine Absage. Die Schülerzahl werde sicher nur gering sein, da er selbst in Rom im Auditorium seines öffentlich lesenden Lehrers meist kaum einen oder zwei Hörer gesehen habe. Wenn das schon in der Hauptstadt Latiums, ja der Hauptstadt der ganzen Welt, so ge­ wesen sei, so würde die Sache in Wien, „mitten in der deutschen Barbarei", noch schlimmer stehen, zumal den Deutschen das Griechische schwerfiele, sie deshalb leicht die Lust daran verlieren würden und häufig auch noch kein Geld hätten. Auch Schreyers Angebot, ihm in Wien eine bestimmte jährliche Beihilfe zu geben 129), konnte Werner nicht umstimmen. Für diese großmütige Geste zeigte er sich seinem Gönner einige Jahre darauf erkenntlich. Als er 1514 eine lateinische Übersetzung des ersten Buches der Geographie des Ptolemäus herausgab 13°), widmete er sein Werk Sebald Schreyer m). Als er an einer Chronik über die Jahre 1506 bis 1521 arbeitete132), ver­ sorgte ihn Schreyer eifrig mit Nachrichtenmaterial. Die Ereignisse, die er zu schildern wußte, waren jedoch nicht allzu bedeutend; trotzdem verzeichnet sie Werner dankbar. So berichtet er einmal133) über eine Aufregung bei St. Sebald, als sich ein Birkhuhn, „gallina silvestris, pirchen“, bis in den Katharinenchor geflüchtet habe. Die Eigentumsfrage wurde mit einer etwas wunderlichen Be­ gründung entschieden: da es sich um kein Leghuhn, sondern um eine Henne wie im Wappen der Grafen von Henneberg handle, gehöre das Tier dem Rat der Stadt. !26) yg} jazu 0ben s. 110 f. 127) Vgl. dazu Bauch, Die Reception des Humanismus in Wien. 128) Vom 7. 12. 1503; der Brief ist gedruckt bei Rupprich, a. a. O., S. 545 ff. Vgl. auch Schreyers Brief an Celtis vom 1. 12. 1503; ebda., S. 543 ff. 129) In dem Brief schreibt Werner: „. . . quamvis Clamosus noster quicquam subsidii quotannis offeret.“ 13°) Daneben enthält das Sammelwerk Fragen der Kartenprojektion, bringt und erläutert die Schrift von Amirucius und schließt mit der Abhandlung von Regiomontan über Herstellung und Verwendung eines astronomischen Beobachtungsinstrumentes. Über die Entstehung des Werkes vgl. Schott enloher, Der Mathematiker und Astronom Johann Werner, S. 151 ff. 131) „Sebaldo Schreyer civi Nurenbergensi viro optimo Johannes Verner salutem perpetuam.............. “, beginnt die Widmungsepistel. Schreyer hat sie in Codex C, fol. 60r auf­ gezeichnet; Sincerus, a. a. O., S. 33 5 f. hat sie veröffentlicht. 132) Über Entstehung und Inhalt der Chronik vgl. S. Bachmann, Johannes Werner, kaiser­ licher Hofkaplan, Mathematiker und Astronom zu Nürnberg, als Chronist der Jahre 1506 bis 1521. In: Festschrift O. Meyer, BHVB, Bd. 102, 1966, S. 315—337. 133) Am 22. 6. 1508. Vgl. das Autograph Werners: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 17. 6. Aug. 4°, foL 4r; zitiert bei B a c h m a n n , a. a. O., S. 326.

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Auch sonst sorgte Schreyer für Verbreitung von Neuigkeiten aller Art. So schrieb er etwa Andreas Schluder 134) nach München 135) über die Entstehung der Kreuzwegstationen, die der wohlhabende Nürnberger Handelsherr Martin Ketzel136) durch Adam Kraft hatte anfertigen lassen. Dieser habe auf einer Pilgerreise die Länge der sieben Stationen vom Haus des Pilatus bis zur Schädel­ stätte genau abgemessen, in Nürnberg den Verlust der Aufzeichnungen bemerkt und deshalb 1488 einen zweiten Zug unternommen und die Entfernungen neu verzeichnet. Nach diesen Angaben habe Kraft seine Stationen gesetzt137). Schreyers vielseitiges Interesse zwang ihn geradezu, jede Nachricht, jedes Ereignis festzuhalten. Im Mittelpunkt der Nürnberger Gelehrtenwelt stehend, konnte er sich rühmen, die bedeutendsten Männer zu seinen Freunden und Bekannten zählen zu dürfen. Dies wird am deutlichsten aus dem umfangreichen Briefwechsel138) des Konrad Celtis und des Willibald Pirckheimer. So wie er in seiner Vater­ stadt den Umgang mit dem Ratsherrn und Freund Albrecht Dürers139) und mit Georg Pirckheimer, dem gelehrten Prior der Nürnberger Kartause 14°), eifrig pflegte, wie er den Regensburger Domherrn Johannes Tolhopf141) näher kannte, 134) Über Andreas Schluder war keine Nachricht zu ermitteln. 135) Dies geht aus einem Brief Schluders von 1493 an einen Hans Weinmann, Kaufherrn zu Wien, hervor. Schluder beschreibt ausführlich, was ihm Schreyer brieflich mitgeteilt habe. Der Brief ist gedruckt bei F. Trautmann, Die Abenteuer Herzogs Christoph von Bayern, gen. der Kämpfer. Frankfurt 1856, S. 406 f. 136) Uber Martin Ketzel vgl. Aign, Die Ketzel, S. 27 ff. 137) Die Angaben Schreyers über die Entstehungszeit des Kraftschen Kunstwerks haben einige Verwirrung gestiftet. Nach ihm müßten die Stationen 1493 vollendet gewesen sein. Aign, a. a. O., S. 30 f., versucht jedoch nachzuweisen, daß sie erst 1505 in Arbeit gewesen seien. Danach dürften die Schreyerschen Angaben nicht stimmen. Warum er aber solche Nachrichten hätte verbreiten sollen, ist bei seiner sonstigen Gewissenhaftigkeit nicht einzusehen. Vielleicht hat Schluder den Inhalt ungenau wiedergegeben. Vgl. auch d e r s., Bamberger Plastik von 1470—1520. In: BHVB, Bd. 104, 1968, S. 1—3 52. 138) Besonders E. Reicke, Willibald Pirckheimers Briefwechsel; Rupprich, Der Brief­ wechsel des Konrad Celtis. 13») (1470—1530); als Jüngling begleitete Pirckheimer seinen Vater zunächst auf Reisen, studierte dann Jurisprudenz in Padua und Pavia. 1496 ist er für sechs Jahre, dann wieder von 1505—1523 Mitglied des Nürnberger Rates. 1499 Hauptmann im Schweizerkrieg, beteiligte er sich an der Schlacht im Walde am 19. Juni 1502, war Gesandter auf dem Kölner Reichstag und floh im selben Jahr vor der Pest nach Nördlingen; Gesandter in Forchheim (1506), Würzburg (1506), Landshut (1507), Augsburg (1507). Seine Bedeutung für den Humanismus zeigt eindringlich sein Briefwechsel. Über ihn vgl. C. J. Burckhardt, Willibald Pirckheimer. In: Gestalten und Mächte. 1941, S. 47—70. R. H a g e n, W. Pirckheimer und sein Verhältnis zur Reformation. In: MVGN, Bd. 4, 1882, S. 61—211; Joachimsen, Geschichtsauffassung und Ge­ schichtschreibung, S. 167 ff.; Reicke, W. Pirckheimers Briefwechsel; d e r s., W. Pirckheimers Leben, Form und Persönlichkeit. Jena o. J.; A. Reimann, PirckheimerStudien. 2 Bde. Diss. Berlin 1900; F. R o t h , W. Pirckheimer, ein Lebensbild aus dem Zeitalter des Humanismus und der Reformation. Halle 1887. 14°) Über Georg Pirckheimer vgl. A. Reimann, Die älteren Pirckheimer, S. 160—196. 141) Johannes Tolhopf (latinisiert: Janus Tolophus) aus Kemnath in der Oberpfalz (f 28.4. 1503), war Astronom, Mathematiker, Kosmograph und Dichter. Er hatte in Leipzig den Titel eines Magister artium erworben, war seit 1472 Professor in Ingolstadt, 1473 Rektor, 1475 Dekan. In späteren Jahren wurde er Propst in Forchheim und Kanonikus in Regensburg. Vgl. Bauch, a. a. O., S. 5 ff.; Rupprich, a. a. O., S. 41, Anm. 1,

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der als Gast in seinem Hause weilte 142) und in Briefwechsel mit ihm stand 143), so war er gleichermaßen Vertrauter und Freund der Astronomen, Mathematiker und Philosophen Johannes Stabius144), Andreas Stiborius145), Jakob Lateranus146) und der Poeten Dietrich Ulsenius147) und Matthäus Lupinus Calidomius 148).

142) 14S) 144)

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bringt, wie bei den folgenden Gelehrten, eine Kurzbiographie mit Literaturangaben und Tolhopfs Briefe an Celtis; J. Trithemius, Catalogus illustrium virorum. Pars I, S. 177 f.; ders., De scriptoribus ecclesiasticis, Pars I, S. 398. Im Jahre 1492. Vgl. Cod. B, fol. 23 8 f. Schreyer hat uns einen Brief Tolhopfs an ihn vom 20. 7. 1493 überliefert, „de nominum impositione et interpretatione“ und Schreyers Antwort vom 24. 8. 1493. Johannes Stabius (Stöberer) stammte aus Hueb in Ober-Österreich (f 1. 1. 1522), erwarb 1482 in Ingolstadt das Bakkalaureat, war 1494 in Nürnberg, 1496 und 1497 in Wien. 1498 bis 1503 hatte er eine Professur in Ingolstadt inne und später — auf Vermittlung Celtis* — am „Collegium poetarum et mathematicorum“ in Wien. 1502/03 wurde er zum Dichter gekrönt. In den folgenden Jahren war er Sekretär und Hofhistoriograph Maxi­ milians I. Über sein Werk vgl. Bauch, Die Anfänge des Humanismus in Ingolstadt, S. 28, 100; Joachimsen, Geschichtsauffassung, S. 21; Rupprich, a. a. O., S. 120 f., Anm. 4; Schottenloher, Die Entwicklung der Buchdruckerkunst in Franken, S. 26 f., 68 ff. Über seine Beziehung zu Schreyer vgl. Rupprich, a. a. O., S. 121. Andreas Stiborius (Stöberl) stammte aus Pleiskirchen bei Altötting in Oberbayern (f 3. 9. 1515). Er war Philosoph, Theologe, Astronom, Mathematiker und Hebraist; er erwarb 1484 den Titel eines Magister artium in Ingolstadt, ging nach Padua, war Pro­ fessor in Ingolstadt und wohnte seit 1496 in Wien, wo er eine Lehrstelle an der Universi­ tät und eine Professur für Mathematik am „Collegium poetarum et mathematicorum“ inne­ hatte. 1507 wurde er Domherr bei St. Stephan und Pfarrer von Stockerau, wo er auch be­ graben wurde. Über seine Werke vgl. Bauch, a. a. O., S. 106 f.; ders., Die Reception des Humanismus in Wien, S. 59; Rupprich, a. a. O., S. 173 f., Anm. 1. Über seine Beziehungen zu Schreyer vgl. ebda., S. 281 f., 28 5. Jakob Lateranus (Ziegler) stammte aus Landau in Niederbayern (f 1549). Er war Astronom und Geograph, einer der Begründer der historischen Länderkunde und wanderte durch ganz Deutschland und Italien. Er lehrte an der Wiener Universität Mathematik. Über seine Werke vgl. Bauch, Ingolstadt, S. 109 ff.; Rupprich, a. a. O., S. 544, Anm. 1; Schottenloher, J. Ziegler. Ein Gelehrtenleben aus der Zeit des Hu­ manismus und der Reformation. Münster 1910. Über seine Beziehungen zu Schreyer vgl. Rupprich, a. a. O., S. 572. Dietrich Ulsenius (Ulsen) stammte aus Krampen in Overijssel und war Arzt, Orator und Poeta laureatus. Er studierte in Heidelberg Humaniora und Medizin, war 1486 Stadtphysikus in Augsburg und lebte ca. 1493 bis 1502 in Nürnberg, wo er auch Schreyer kennenlernte. 1503 war er in Mainz, 1504/05 als Professor in Freiburg im Breisgau, 1505/08 Arzt in Lübeck. Später zog er nach den Niederlanden und starb in Herzogenbusch. Über Ulsens Werke vgl. Trithemius, De scriptoribus ecclesiasticis, Pars I, S. 398; Hartmann, a. a. O., S. 15 ff., 43 ff.; Rupprich, a. a. O., S. 90; Stäuber, Die Schedelsche Bibliothek, S. 87, 246. Über die Beziehungen zu Schreyer vgl. Rupp­ rich, a. a. O., S. 453. Matthäus1 Lupinus (f 1501) lehrte an der Universität zu Leipzig. Vielleicht ist er mit Matthäus Wulfart de Mörstadt identisch, der 1480 in Leipzig das Bakkalaureat er­ worben hatte und 1490/91 Magister geworden war; vgl. dazu Bauch, a. a. O., S. 29, 66; Rupprich, a. a. O., S. 413, Anm. 2. Zu Schreyer und Lupinus vgl. ebda., S. 413.

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4. Schreyer und Celtis

Einen Höhepunkt in Nürnbergs Geistesleben bedeutete es, als 1487 Kaiser Friedrich III. Konrad Celtis14ß) als ersten Deutschen zum „poeta laureatus“ krönte150). Eben in dem Jahr 1491, in dem sich Meisterlins Spuren verloren, kam diese Persönlichkeit von nahezu unerschöpflicher Vielseitigkeit zu einem längeren Aufenthalt nach Nürnberg und begann ihr Wirken. Mit Celtis wurde der Kreis hervorragender Gelehrter und Wissenschaftler, die alle der neuen Bildung zugewandt waren, erst recht sichtbar. Neben Johann Löffelholz151), Hieronymus Münzer152) und Dietrich Ulsen153) war es wiederum vor allem Sebald Schreyer, mit dem Celtis bis zu seinem Tod im Jahre 1508 ein enges freundschaftliches Verhältnis verband. Celtis Anteil an der künstlerischen Ausgestaltung des Schreyerschen Wohnhauses Wenn sich Celtis in Nürnberg aufhielt, pflegte er in Schreyers Haus zu wohnen. Dorthin schrieben ihm dann auch seine Bekannten, so etwa Johann Tolhopf: „Spectabili viro domino Conrado Celtis, poetae laureato Norim bergae in domo Sebaldi Schreier, fautori suo optimo.“ 154) 149) Zu den Werken des Konrad Celtis vgl. L. Förster, Selections from Conrad Celtis. 1459—1508. Edited with translation and commentary. Cambridge 1948; K. Hartf e 1 d e r (Hg.), Fünf Bücher Epigramme von Conrad Celtis. Nachdruck; Hildesheim 1963 ; F. Pindter (Hg.), Quattuor libri Amorum. Lispiae 1934; dies., Libri odarum quattuor. Lispiae 1937; Rupprich, a. a. O.; Sincerus, Bibliotheca historicocritica, S. 347—368, hat einige Briefe Schreyers an Celtis abgedruckt, die sich jedoch alle bei Rupprich, a. a. O. finden. Von der überaus zahlreichen Literatur sei für unseren Zusammenhang genannt; J. Aschbach, Die früheren Wanderjahre des Conrad Celtis und die Anfänge der von ihm errichteten gelehrten Sodalitäten. In; Sitzungsberichte der phil. hist. Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 60, 1869, S. 75—150; Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus; ders., Die Reception des Hu­ manismus in Wien; B e z o 1 d , Konrad Celtis; K. Hartfelder, Konrad Celtes und der Heidelberger Humanistenkreis. In; Historische Zeitschrift, Bd. 47, 1882, S. 15 ff.; H a r t m a n n , a. a. O.; K I ü p f e 1, De vita et scriptis Conradi Celtis; R e i c k e , Konrad Celtis und die Ehrengabe für seine Norimberga; M. Seidlmayer, Konrad Celtis. In: JfFL, Bd. 19, 1959, S. 395—416; L. W. Spitz, Conrad Celtis — The German Arch—Humanist. Cambridge 1957; Werminghoff, a. a. O.; (mit reichen Literatur­ angaben auf S. 21, Anm. 1.) 15°) Vgl. dazu K. Schottenloher, Kaiserliche Dichterkrönungen im heiligen römischen Reich deutscher Nation. In: Papsttum und Kaisertum. P. Kehr zum 60. Geburtstag. München 1926, S. 648—673 und R. Specht, Dichterkrönungen bis zum Ausgang des Mittelalters. Zerbst 1928, S. 44 ff. 151) Latinisiert Codes (1448—1509). Löffelholz war Jurist und Stadtrat und auch als Geograph bedeutend. 152) (1437—1508); Münzer stammte aus Feldkirch in Vorarlberg und lebte seit 1478 in Aus­ übung seiner ärztlichen Praxis in Nürnberg. 153) yg] oben Anm. 147. 154) Vgl. die Briefe Tolhopfs vom 30. 6. 1493, vom Juli 1493 und zwei weitere desselben Jahres; Rupprich, a. a. O., S. 103 ff., 107 f., 109 f.

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Schreyers Wohnhaus war ja zu dieser Zeit bereits aufs beste ausgestattet155) und konnte wohl einen so berühmten Gast beherbergen. 1495 entschloß er sich zu einer Umgestaltung seiner „Vorderstube“, dem größten und repräsen­ tativsten Raum des Hauses156). Da Schreyer die Bänke zu Truhen umbauen und acht Wandkästen für Bücher anbringen ließ, sollte er aller Wahrscheinlichkeit nach in eine Bibliothek umgewandelt werden. Überraschend mutet es übrigens an, daß der eifrige Sammler von Handschriften und Drucken über die eigenen Anschaffungen in keinem seiner Codices schreibt. Bei seiner Bücherleidenschaft ist es jedoch nicht verwunderlich, wenn er gerade mit diesem Raum große Pläne hatte — die Wände sollten einen künstlerischen Schmuck erhalten. In der Gestaltung fand Schreyers humanistisches Wollen im Zusammenklang von bildender und dichtender Kunst beredten Ausdruck. Auf der Rückwand rechts der Türe und auf der anstoßenden rechten Seitenwand waren die Bilder Apollos und die von neun Männern und links die der neun Musen angebracht. Über ihnen standen als Fries 33 Versgruppen. Vermutlich hat Michael Wohlgemut die Bilder angefertigt. Schreyer war gerade in dieser Zeit, kurz nach Entstehung der Schedelschen Weltchronik, mit dem Formschneider in enge Beziehungen getreten. Die Verse jedoch ver­ faßte Konrad Celtis für seinen Freund. Schreyer selbst hat den Wandschmuck ausführlich in einem seiner Codices beschrieben 157). Da sein Wohnhaus heute nicht mehr erhalten ist, sind diese Aufzeichnungen als Beispiel bürgerlicher Wohnkultur und humanistischen Stilempfindens besonders wertvoll. Im Zentrum stand Apollo, umgeben von den beiden Sängern und Dichtern Orpheus und Amphion und den Sieben Weisen Thaies, Solon, Chilo, Pittacus, Bias, Cleobulus und Periander. Ihnen entsprachen „newn prustpild der newn musarum“, nämlich Clio, Eutherpe, Melpomene, Thalia, Polyhymnia, Eratho, Terpsichore, Urania und Callyope. Apollo und die neun Musen gehören samt dem Parnaß zu den bevorzugten klassischen Patronen des Humanismus und insbesondere des Celtis. Immer wieder spricht er von dem Dichtergott, dem er sich wohl durch seine Krönung mit dem apollinischen Lorbeer geweiht fühlte. 1486 hatte er Apollo eine sapphische Ode gewidmet, in der der Gott mit seiner Leier von den Italienern zu den Deutschen kommt. In seiner „Norimberga“ 158) vermißt er Bildsäulen des Apoll und der Musen bei dem Brunnen auf der Hallerwiese. Ein Vergleich mit der Schedelschen Weltchronik zeigt, daß dort die Musen überhaupt nicht erwähnt sind und Apollo beiläufig als Erfinder der Harfe ge­ nannt ist. Die Sieben Weisen dagegen sind in ihr ausführlich behandelt, jeder von ihnen ist abgebildet, sein Leben und Aussprüche seiner Weisheit sind ver­ zeichnet. Schreyer scheint die Reihenfolge daraus übernommen zu haben. 155) Zu den Veränderungen an Schreyers Wohnhaus vgl. Kap. II, S. 28 ff. 156) Über Einrichtung und Kosten vgl. ebda., S. 29 f. 157) Cod. C, fol. 71—74. Der Umbau der „Vorderstube“ ist gedruckt bei „Vorderstube" des Sebald Schreyer, S. 57—65. 158) Yg] unten S. 134 f.

Grote, Die

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Orpheus galt als Sahn Apollos und der Muse Kalliope, er versinnbildlichte die Kunst des Saitenspiels und des Gesangs. Die Humanisten pflegten die Dichter mit ihm zu vergleichen, dessen Gesang Macht über Menschen, Tiere und Pflanzen besitzen sollte. Amphion wurde als ältester Sänger angesehen, der mit seiner Leier Steine zu bewegen vermochte 159). Die Auswahl zeigt Schreyers Vorliebe für die Musik, wie denn im Kreis der gelehrten Männer Nürnbergs überhaupt eine leidenschaftliche Begeisterung für Musik herrschte 16°). Celtis spielte Laute, Zither, Harfe und Violine, und auch Schreyer konnte die Harfe schlagen. Willibald Pirckheimer war sogar musikalisch ausgebildet und spielte Orgel und Laute. Schon 1491, als Anna, die Gemahlin eines gewissen Nicodemus, berühmt als Zithervirtuosin, gestorben war161), hatten ihr Schreyer und Celtis in schwärmerischer Verehrung ein Epitaph und „etliche carmina“ für ihren Grab­ stein auf dem Sebalder Kirchhof 162) gestiftet. Neben der Verherrlichung des Dichtergottes und seines Gefolges war auch noch das Bildnis des Horaz zu sehen, den Celtis als sein Vorbild bewunderte. Er hatte als erster der deutschen Humanisten dessen Odenform nachgeahmt und sich in seinen Ingolstädter Vorlesungen mit diesem Dichter befaßt. Außer den Brustbildern mythologischer Gestalten und solchen, die ohne Bezeichnung, wohl nur aus dekorativen Gründen hinzugefügt waren, ließ Schreyer in den Fensternischen Bilder von Celtis, Danhauser, sich selbst und „Petrus Schoberlein, magister“ 163) malen. Sie müssen Ähnlichkeitswert be­ sessen haben, da er ausdrücklich von „conterfeth“ spricht. Der Verlust ist darum um so schmerzlicher. Über die Auswahl der Figuren hat sich Schreyer sicherlich ausführlich mit Celtis beraten. Aus Ingolstadt erinnerte dieser seinen Gönner trotzdem, „laß von einem Maler Bilder in Philosophen- und Poetentracht malen; dann kann ich, 159) Nach Grote, a. a. O., S. 48 f. Vgl. r Wagner, Wilhelm Breitengraser und die Nürnberger Kirchen- und Schul­ musik seiner Zeit. In: Die Musikforschung, Jg. 11, 1949, S. 141—177. 161) Schreyer schreibt, sie sei „mit guten Sitten, züchten, lügenden und schon des leibs wol gezirt und zu der kunst, musica, auch mancherley seytenspil hochberumbt und geübt [gewesen], so daß weder in deutscher noch welscher nacion von nymant gehört noch erfaren ist“. Vgl. Cod. C, fol. 71. 182) „Hoc Epitaphion a Conrado Celte et Sebalde Schreyer pro Anna Nicodemi Cithareda Germana anno domini 1491 die VI May hoc saxo sub tumulata pientissime positum est: Jupiter ut coeli concentum surgere terris Vidit et archanos crescere in arte modos, Non tulit atque animam rapuit super aethera nostram, Ut canat, ambrosias dum capit ille dapes. Illius exuvias mons Noricus accipit, illa Evolat, et decimam se probat esse deam. Vixit annos XXII, menses VII." Vgl. ebda., fol. 71. Die Verse sind gedruckt bei Sincerus, Bibliotheca historicocritica, S. 348. 183) Warum Schreyer Petrus Schoberlein so auszeichnete und ihn neben seine engsten Freunde einreihte, ist nicht bekannt. Der Magister tritt an keiner Stelle in Schreyers Schriften auf und ist auch sonst nicht faßbar. 16°)

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wenn ich zu Dir komme, mein Urteil darüber abgeben, was an den Bildern etwa beizufügen oder zu beseitigen ist“ 164). Die Verse haben nun seltsamerweise keinen Bezug zu den Bildnissen. Es sind allgemeine humanistische Lebensweisheiten, die zu philosophischer Ge­ lassenheit und zur Verachtung des gemeinen Volkes mahnen. Celtis hoffte mit den Strophen die Wunden zu heilen, die man dem Freund geschlagen hatte. Die Verse zu Solon, Chilo und Pittacus scheinen Celtis* Ode gegen den geld­ gierigen Kaufmann entnommen zu sein, denn er schreibt in einem Brief aus Ingolstadt185): „Scripsi ante annos in avarum mercatorem carmen, cuius tibi particulam transscribo, ut ex illis et aliis tibi nuper missis ornare poteris imagines tuas et eligere, que consolationi tue servire possunt."

Schreyer muß bei der Auswahl des Themas ganz bestimmte Vorstellungen gehabt haben, denn ergänzend zu seinen Versen antwortet ihm Celtis 168), „ex quo spero omnia colligere poteris, quae per chartam tuam hic tibi redditam desiderabas. Pro virili enim dolorosum et avarorum et eiusmodi mores hominum quaestui deditorum expressi.“

So geißelte er den Irrsinn des Wuchers, die Habgier, die hohe Zinsen in sich hineinfräße und den Warenhandel, der die Völker verwirre und durch Verführung zu Luxus die Sitten verderbe. Er pries die alten Zeiten, als die Väter noch glücklich in ihren Hütten lebten und mahnte Schreyer, sich an frohe Anlässe zu halten und die Sorgen zu verscheuchen 167). „Mitte fallacem dubiis vagari passibus sortem, fueris beatus, Si potes cunctis animum quietum Addere rebus",

verhieß er ihm. In diesen privaten „Widerwertigkeiten“ hatte sich Schreyer auch schon von Danhauser trösten lassen188). Sie waren ihm und seinem Schwager Sebastian Kammermeister „von einem inen in linea affinitatis gefreundt, der sie in irem vertrawen, den sie zu ime geseczt haben, von seins eigen nutzs wegen mit vil guten worten, auch mancherlei versprechnuß und Zusagen, der er ine doch keins gehalten, sunder in allen seinen reden gefeit und sie damit in mercklichen uncosten gefurt und dadurch umb das ir zu bringen begert hat" 18®)

zugefügt worden. Celtis verfaßte noch zwei Jahre später zu deren Trost und Erleichterung „etliche carmina“ 17°) und vertiefte damit sein enges Verhältnis zu Schreyer. 164) Cod. C, fol. 74: „imaginesque habitu philosophico et poetico per pictorem exprimere facias, ut, cum ad te venerim, quid illis addendum subtrahendumve sit, iudicium feram.“ 1rdnung gehalten oder wie man es zugericht hab, wol hab er ein abschrift der verzeichnuß, wie doctor Lochner bey demi die nehem eroffnung, deßgleich doctor Leubing bey dem die ander eroffnung davor beschehen, durdi ir yden in lateinischer zungen eingeschriben weren, die er gern teutsdien und im überantworten wolt, als er dann auf sein begern desselben tags gethan hat, aber nichtzit von der Ordnung darinnen begriffen. Darauf Sdireyer solchs beden brobsten angesagt, auch dem Holtschuher zu wissen gethan und bestelt, das man auf solchen pfintztag, nemlich den 20. iuly dest eer abgesungen und die kirchen nach solchem absingen von stundenan allenthalben gespert und hat darauf zugericht machvolgender meinung. Zum ersten hat er den sarch im kor auf einem pret, darauf man in sust ierlich zu seiner iarzeit oder tag gen dem hohen altar warts heraußzuschiben pflidit, heraußschiben und darauf verreyden lassen, also das das thurlein gen mittemtag und sant Pangratzen capellen gestanden ist und nachvolgend den gemelten sarch aufheben, das ytzgemelt brett heraußnemen; und den mitsambt dem casten darinnen er stet auf ein sunder prett mit vier starcken Stollen auf drey statschuh und drey zol hoch (von der erden zu rechen) setzen lassen, also das der vornen für das gitter des gehewß nit gangen, sunder auf der andern seiten gegen mitternacht in den gang gestanden ist, den auch, gegen dem hohen altar warts so weit rucken lassen, das man frey umb solchen sarch gen hat mögen und hat solchen sarch in seinem casten auf zwen zoll erheben und undterlegen lassen, auf das das thurlein unverhindert aufgeen und die gülden, tucher ein wenig darunter rucken mocht und hat auch solchen casten und prett, darauf der sarch gestanden ist, mit gülden tuchern umbhencken lassen. Auch hat er das vorderteyl des gitters des gehewß, darin der sarch pfligt zu steen, gen sant Johannes altar warts mitsambt dem prett, so auf demselben stein vor dem gemelten gehewß ligt, abheben und solchen stein mit einem altar thuch bedecken, zwen messen leuchter mit prinnenden kertzen, auch ein klein weichkessel mit Weihwasser und weihwedel, ein silberen reuchfaß mit prinnenden koln und puchsen mit Weihrauch darauf setzen und verordnen lassen, auch vier lang prynnet kertzen auf die vier ort des gitters umb das gehewß sant Sebolts siarch- stecken lassen. Deßgleichen auch zwu prynnent pfundig kertzen auf zwen messen leuchter gesteckt, auf sant Sebolts altar im kor verordnet und auf solchen altar das hiaubt sant Sebolts mitsambt seinem arm und der monstrantzen mit seinem heiltumb setzen lassen. Mer hat er ein tisch an das under gestul im kor gegen mittem tag und gegen dem gehewß sant Sebolts sarch über setzen und mit schonen tuchern bedecken lassen. Darauf die kleinen serchlein mit dem heiltumb, so die auß dem grossen sarch genom­ men, wurden erstlich gesetzt und darauf gesawbert und außgestoben werden solten, vor und ee die auf den andern tisch so hernach volgt, zu dem offen verordent und zugericht gesetzet wurden. Auch hat er auf solchen tisch verordent ein messen gißpecken, ein messen gißkandel und ein handzwehel aller zu dem handwasser, ein Schreib­ zeug mit seiner zugehorung und schreibpappir ob etwas aufzuzeichnen oder zu schrei­ ben notturftig furfallen wurd, rot wachs zu dem1 sigeln, kleine wachslichtlein zu dem wichsen des zendels, ein eißnen hamer hinden am Stil mit einer eißnen zwiseln zu der hilf der offnung des thurleins, so das am aufsperren nit aufgeen wolt, ein kurtzen newen wisch von porstern zu dem abkeren und säubern der klein serchlein, zwen new lang wisch mit porstern an stecken zum außkeren und siaubem des grossen sarchs inwendig, ein weissen schonen sack mit kartertschten oder gemachter paumwollen zum einmachen des heiltumbs, auch ein scheermesser, nedseyden, faden und etlich nadeln. Mer hat er das unter pulpitum im kor hinweg setzen lassen und ein pretten starcken disch dreyer statschuh und dreyer zol hoch gleich einem altar oberhalb dem pfeyler 174

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und vor dem obern gestul des kors audi gegen mitten tag und underhalb des mitlern eingangs desselben doc1 auf etlidi schuh gehewß und sardi sant Sebolts und dem vorgemelten auf gemachten tisch gangen gestanden ist, der auch mit guten weissen altar tuchem bedeckt und mit gülden furtuchern und leistentuchern auf allen vier orten gleich einem altar umbgeben und umbhengkt worden ist, darauf dann das heiltumb solt geoffent werden. Auch hat er auf solchen altar zuvorderst vier eilen new schwartz zendeltort, so sein gewest ist, nach der leng aufspreiten lassen, ob ichzit vom heiltumb abreren wurd, das das dester sichtparlicher erfunden und wider aufgehaben werden mocht. Mer hat er auf solchen altar auf ein ort gelegt ein stuck rot cermesin zendel, davon man schneiden mocht stuck zum einbinden des heiltumbs, ein new gute scher zum schneiden des zendels, ein newen pfrymen zu dem aufthun der alten schnür, ein knollen neeseyden und eingefedent nadeln in einem klein schechtelein zu dem zuneen des heiltumbs, zweyerley rotter seyder schnür zum pinden des heiltumbs, ein new rnesser zu dem abschneiden der schnür, ein silberen puchsen mit newem pysem, dem pesten so man zu der zeit gehaben mocht und umb solchen aufgemachten disch oder altar hat er setzen lassen vier messen altar leuchter, die höchsten so bey der kirchen gewest sind, mit vier prynnenden langen kertzen, den einen zu unterst des obern gestuls1 im kor gen mittemtag, den andern oberhalb des eingangs deßselben gestuls, bede hart an dem gemelten gestul, den dritten und vierden mitten im kor gerichts gen den vorgemelten zweyen leuchtern über, also das man zwischen den ge­ melten vier leuchtern und unverhindert derselben umb den ytzgemelten tisch oder altar und auch umb den grossen sant Sebolts sarch hat frey geen mugen. Mer hat er bestelt und verordent zwey vergulte wintlicht, so neben dem heiltumb sollen gehalten werden. Auf obgemelten tag, nemlich den 20. iuly im gemelten dritten iar zu der sibenden or auf den tag, sind in gemelter sant Sebolts kirchen bey eintzig zusamen kumen die eitern herrn des rats, nemlich he;rr Paulus Volkmeyer, herr Iheronimus Schurstab, herr Anthony Tücher, oberste haubtlewt, auch herr Ulman Stromeyer, herr Anthoni Tetzel, herr Jacob Graland und herr Marquart Mendel, auch Michel Beham, der stat oberster paumeister, Sebolt Schreyer alter kirchenmeister und Lasarus Holtschuher angeender kirchenmeister und haben geschickt nach den beden brobsten, so dazumaln im pfarrhof beyeinander gewest sind, nemlich herm Erasmo Topler zu siant Sebolt und herrn Sixto Tücher zu sant Laurentzen, brobsten und pfarrem, auch herrn Hansen Mautzen, sdiaffer zu sant Sebolt. Und als die in die kirchen kumen sind, haben der gemelt herr Erasem Toplem brobst und sein schaffer corrock angelegt und kormentel umbgenomen und Schreyer und Holtschuher die windtlicht in die hend genommen und der probst ist erstlich mit dem rewchfaß und nachvolgend mit dem weyhwassern umb den sarch gegangen und hat nachvolgend den sarch geoffent. Darinnen erfunden zwey hultzene vergulte lenglete und oben zugespitzte auch an der groß gleiche serchlein, yedes bey oder ob 2 statschuch langk, bey 7 zolen weit und bey 11 zolen hoch, das ein am gold dunckler oder schwertzer dann das ander und bede zuvorderst im grossen sarch nebeneinander und mit den rucken hart aneinander steende. In der mitten mit hultzen keylen besteckt, damit sich die nit bewegen noch ver­ rücken mochten und ein ydes mit dem schloß die seiten des sarchs anrurende und hat alsidann den sarch mit ofner thur abermaln gereucht und geweicht, den mantel wider abgethon, das hiandwasser genommen, die keyl gewunnen, das ein serchlein zu der lincken hand ain hinein greifen steende hinder sich geruckt und das zu der rechten hand steende, so das schwertzer oder dunckeler erstlich und nachvolgend das ander, so ain gold lichter oder pleicher gewesen ist, heraußgenomen, auf den ersten disch darzu verordent gesetzt, mit dem einen kerwisch gesawbert und abgekert, nachvolgend auf den ander tisch gesetzt, besichtigt und ir yedes erfunden mit einem drifachen 175

MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer creutzpunt, mit roten dicken seiden schnüren umbpunden und verknüpft und an einem yden der stat secret mit rotem wachs an vier enden aufgetruckt, nemlich am vordem teyl an den dreyen creutzpunden, der dann einer über das schloß gangen ist und hinden an dem einen, nemlidi dem mittein creutzpunt, weliche sigel alle unversert gewest sind und als die abgenomen, die schnür aufgepunden und ydes mit seinem schlussel (so dann in der losungstuben behalten werden) durch den obgemelten herm Erasem Topler brobst aufgesperrt ist worden, hat der brobst das handwasser zu den henden wider genomen, die serchlein aufgethan, das heiltumb gereucht und heraußgelegt und in dem ersten, nemlich dem schwertzern oder tuncklem erfunden zwen puntel mit heiltumb in rot cermesin zendel geneet und mit roten seyden schnüren drifach umbgepunden und als er die geoffent, gereucht, besichtigt und gezalt, hat er darinnen erfunden, nemlich in dem einen 6 und dem andern 12 grosse und merckliche stuck, mitsambt zweyen zenden so dabey gelegen und ider für ein stuck gezelt ist und also in dem serchlein 18 grosse merckliche stuck in zwen pundel gepunden gewest sind. So hat er in dem andern, nemlich dem lichtem oder pleichem erfunden auch zwen pundel mit heiltumb in rot cermesin zendel genet und mit roten seyden schnüren drifach umbgepunden und als er die auch gereucht, geoffent, besichtigt und gezelt, hat er darinnen erfunden, nemlich dem einen 36 und dem andern 55 kleine und mettelmessige stuck, darunter ein zan gewest und auch für ein stuck gezalt ist und also sind in dem serchlein 91 stuck auch in zwen pundel gepunden gewesen und nach solcher besichtigung hat er solches heiltumb in aller dermassen wie es davor in vier puntel geteilt und ine die zwey serchlein wie obengemelt erfunden, gelegt gewesen ist, widerumb und in newen cermesinzendel gelegt, eingeneet, mit newen schnüren umbgepunden und ein yedes widerumb in sein serchlein verordent und als in einem yden serchlein zwey pundelein pisems in paumwollen gewickelt und rot seyden tuch­ lein gebunden erfunden worden, also sind widerumb zwey puntelein in ydes serchlein vom newem oder frischen pisem gemacht und gelegt, auch sust mit newer paumwollen außgefult worden. Auch sind in dem ein serchlein, darinnen dann die 18 stuck in zwen puntel gepunden ligen, erfunden worden zwen tewtsch pergamene zettel zweyer voriger eroffnung, fast der meinung gemeß so im latein geschrieben steen weliche pede zettel mitsambt noch zweyen pergamenen gleichlautenden zetteln der ytzigen eroffnung, der einer durch Hansen Tücher und der ander durch Jorgen Alten, bede diserzeit losungschreiber, geschrieben, in das gemelt serchlein widerumb gelegt sind. Nach solcher eroffnung und besichtigung sind die bede serchlein widerumb verspert, mit den alten grossen schnüren (nach dem auß Unwissenheit nit new vorhanden warn) widerumb mit trifachen creutzpunden umbgepunden und ein ydes serchlein an den vier enden wievor mit dem secretsigel besigelt, bereucht, geweicht und widerumb in den sarch an die alten stat gesetzt, mit den dreyen keylen in der mitten der serchlein besteckt und der sarch abermalen gereucht, geweicht und verspert und nach dem ver­ sperren widerumb mit dem reuchfaß und Weihwasser darumb gegangen worden. Darnach ist sant Sebolt haubt von seinem altar getragen und auf obgemelten tisch gesetzt, aufgespert, geoffent, bereucht und das heiltumb, so in cermesin roten zendel eingeneet, darauf ein alter roter zendel mit ettwevil silberen muscheln gelegt, mit rot seidnen schnüren creutzweiß umbgepunden und der Stadt secret auf gemelten creutz­ punt getruckt, unversert erfunden worden ist und als das secret abgenomen, die schnür eroffent und der zendel aufgeschnitten ward, ist das haubt an einem stuck, doch on den kinpacken und kifer, mit paumwollen außgefult und zweyen puntelein eingelegtes pisens erfunden worden. Sollichs heiltumb ist mit newer paumwollen und zweyen puntelein new eingelegtes pisems wider außgefult und in newem cermesin roten zendel eingeneet, der alt zendel

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mit den silberen muscheln wider darauf gelegt, mit newen seyden schnüren widerumb creutzweiß wievor umbgepunden, das secret darauf getruckt und widerumb in das silberen haubt wievor gelegt worden. Auch sind dabey erfunden worden zwen pappire Zettel der vorigen zweyer eroffnung, der meinung, wie in dem ein serchlein gemeß, so mitsambt noch einem der ytzigen eroffnung, der alspald durch die losungschreiber auf papir auch geschriben ward, widerumb darein gelegt sind und solch haubt ist alspald wider verspert und aufgehaben worden. So ist darnach der sarch durch die herm und bede kirchenmeister widerumb in die hoch gehaben, das alt prett darunter geschoben, der gemelt sarch darauf verryben und in das gehewß, wie es davor gewest ist, geschoben und versperrt worden. Darnach sind die bede brobst, auch die eitern herrn paumeister und losungschreiber wieder hinweg gangen. So haben Schreyer und Holtschuher alle ding wider aufheben und forderlich von weg setzen und die kirchen aufsperren und offnen lassen und solche offnung und handlung des heiltumbs hat gewert bey vier stunden, dabey dann nymant dann die obgemelten person gewest sind. Es ist auch undter anderm von den herm den eitern bevolhen und verlassen gewest, ob unter solcher handlung und offnung yemant begern wurde, die sacrament des fronleichnams unsers herrn Ihsum Cristi oder die olung in die stat zu tragen, alsdann beschehen ist, das der briester, der das tragen solt, vor der untern, das ist der thaufthur, anklopfen und sein begern hinein zu wissen thun und alsdann solt im der schaffer dasselb sacrament für die thur tragen, der das davor annemen, den krancken zutragen, reichen und so er wider kummen wurd, abermaln anklopfen, doselbst solt alsdann der vorgemelt schaffer das wider von im nemen und in sein beheltnuß tragen, also das dcßhalben nymand ausserhalb der obbestimbten person in die kirchen geen noch sehen solt. Item zu solchem newem einmachen und einpinden des heiltumbs ist kumen, von pisem V2 lot V2 q, von rot cermesin zendel 8 elln 1 drittel, von neeseiden ein halb q, von gemachter paumwollen 1 lb 8 lot, von rot portseiden schnüren 28 elln der grossem und 45 elln der kleinern. Item die obgemelten teutsche zettel, so der offnung halb auf den tag beschehen in gleichen laut in das ein serchlein gelegt sind, verlauten wie hernach: Anno domini 1503, am pfin-tztag den 20. tag des monats iuly, sind in samt Sebalds Pfarrkirchen alhie zu Nürnberg in der sibenden ore des tags zusamen körnen herr Paulus Volkmer, herr Iheronimus Schurstab, herr Anthoni Tücher, oberste haubtleut der stat Nurmberg, auch herr Ulman Stromer, herr Anthoni Tetzel, herr Jacob Graland und herr Marquart Mendel, alle die eitern des rats, mitsambt Micheln Behaym, der stat paumeister und Sebalden Schreyer altem und Lasaro Holtschuher yetzo angetretnem kirchenmeistem, daselbst zu sant Sebald, in gegenwurtigkeit beder brobst und pfarrer zu sant Sebald und zu sant Laurentzen nemlich doctoris Erasim Toplers und doctoris Sixti Tuchers, auch herr Hansen Mauntz, schaffers zu sant Sebald, und der pfarrer zu sant Sebald hat erstlich sant Sebalds sarch und darnach darin zwu klain laden mit der stat secret insigel besigelt, auf gesperrt, und sind in der einen laden des heiltumbs und des heiligen sant Sebalds unsers hochwirdigen patroms 18 stuck und in der andern 91 kleine und mittelmessige stuck gefunden und alspald alle gezelet und mit cermesin seyden umbunden, vemeet, gepunden und widerumb in die laden gelegt worden mit zweyen pirgamenen zetteln, einer durch Hannsen Tücher am milchmarkt und der andern durch Gorgen Alten losung­ schreiber, die alspald auch dabey waren, geschriben, und die laden sind auch alspald durch die eitern herren mit der stat secret insigel besigelt und verzeichent worden. Darnach ist alspald das gefaß, darein sant Sebalds hawbt gefasset ist, geoffent und das haubt besichtigt, darnach wider eingelegt und beschlossen, und die kirchenthur 12

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warn alle verschlossen und ausserhalb der obgenannten personen ist sunst nymant gewesen bey solcher besichtigung, die do weret bey dreyen um ungeverlich. Und der­ gleichen besichtigung ist in anno 1482 am pfintztag den 11. tag des monats iuly auch beschehen in beywesen der herm und personen in der Zettel, die in der einen laden im sarch bliben ist, bestymmet, P losungschreiber. Item so hat herr Erasem Topler brobst und pfarrer solcher eroffnung bey und durch in beschehen in sein buch in römischer zungen eingeschriben nachvolgender meynung. [Es folgt eine ähnliche, etwas ausführlicher gehaltene Schilderung der Sargöffnung in lateinischer Sprache.] Item so hat herr Iohannes Lochner etwen pfarrer gemelter kirchen die eroffnung bey im im 1482. iar beschehen, auch in römischer zungen eingeschriben, wie hernach: Anno domini 1482, feria quinta undecima mensis iulii, convenerunt in ecclesia mea sancti Sebaldi post prandium hora septima Rupertus Haller, Nicolaus Gross, Gabriel Nutzei, capitanei huius civitatis, Paulus Volkamer, Nicolaus Graland, Ulrich Gruntherr ac Anthonius Ebner, seniores consulatus cum filiis eorum Nicolao> Grossen ac Wilhelmo Haller, Iohanne Volkamer magistro fabrice civitatis ac Iohanne Haller magistro fabrice ecclesie sancti Sebaldi seu illius ecclesie vitrico, ubi aderamus et nos ambo plebani dominus Laurentius Tücher, iuris canonici doctor ecclesie sancti Laurentii et ego Iohannes Lochner utriusque iuris doctor canonicus Ratisponensis ecclesie sancti Sebaldi prepositi et plebani ac dominus Iohannes Trifelser procurator meus et ecclesie sancti Sebaldi vicarius perpetuus. Vidimus ossa et reliquias sancti Sebaldi et ego plebanus sancti Sebaldi manibus meis apperui cum clavibus primo sarchophagum, inde duas capsas parvas et inveni in una capsa XVIII pecias magnas, in altera capsa parvas et mediocres peciasi LXXXXI, quas omnes ego numeravi et iterum serico de cermesino involvi et colligavi et iterum capsis predictis imposui cum duabus cartis pergameneis de manu notariorum camere fisci scriptis Iohannis et Martini, qui eciam interfuerunt et post capse obsignate fuerunt maiori sigillo civitatis per dominos. Inde apperuimus et vidimus caput sancti Sebaldi, quod etiam reposuimus et observavimus ut alias reliquias et ianuis clausis semotis quibuscumque perdictis superimus nominatis demptis. Et tres fere horas in apperiendo, tractando, videndo, claudendo et reponendo consumpsimus. Cuius rei testimonium et ad perpetuam rei memoriam ego Iohannes Lochner plebanus hanc cedulam manu mea propria scripsi. Item so hat herr Heinrich Leubing, etwen pfarrer gemelter kirchen, die eroffnung davor bey im im 1463. iar beschehen, auch in römischer zungen eingeschriben, wie hernach: Anno domini 1463 feria quinta, que eirat octava ascensionis domini comparuerunt in ecclesia siancti Sebaldi post prandium dominus Nicolaus Muffel, Iohannes Coler, Jodocus Tetzel capitanei, dominus Anthonius Tücher, dominus Martinus Holtschiuher et Bertholdus Pfintzing, seniores consulatus cum filiis suis, ubi aderamus ego Henricus Leubing prothonotarius, doctor plebanus, doctor Fridericus Schonialli et pro­ curator meus. Vidimus statum et conditionem reliquiarum sancti Sebaldi ordinavimus et reposuimus. Et ego Henricus meis manibus immeritus contractavi pecias universas, quarum fuere in una cista XVIII et alia cista LXXXXI. Reperitur in cistis de hoc carta in pergameno consulatus conservavit alteram. Item es hat auch der vorgemelt Sebolt Schreyer wiewol mit mercklicher muhe und nachsuchen in einem alten Seitzen Pennyngers etwen kirchenmeister rechenpuch er­ funden die iarzal, in der der gemelt sant Sebolts grosser sarch gemacht ist worden. Auch die costung desselben, die er dann in sant Sebolts grüne pucher nach oder bey den cleinoten der kirchen hat einschreiben lassen nachvolgender meynung, wann davor 178

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derselben zeit nymant kein wissen davon gehabt hat und zu mermaln von den herm und andern darumb gefragt worden ist. Item der groß sant Sebolts sarch da sein gepain innen ligt und im cor stet, ist gemacht worden nach Cristi gepurd im 1397. iar, als herr Hans Graland pfleger und Seitz Penninger kirchenmeister gewesen sind und solcher sarch wigt am Silber, so dabei ist, 42 marck 9 lot. So ist auf das kupfer, so daran ist, vergult worden 88 gülden und hat mit allen dingen, als silber, kupferen blumen, windtpergen, crewtzen, vierpassen negeln, vergulden, machlon, holtzwerk, eysenbergk und anders, so darzu kummen ist, gecost auf oder pey 506 gülden reinisch landßwerung.

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HANDSCHRIFTENKATALOG 1. StAN. Rep. 44e, S 1, Lade 131, Nr. 1.

Baurecknungsbudt von St. Sebald. (Bei Gümbel, Die Baurechnungen über die Erhöhung der Türme von St. Sebald in Nürnberg, sind in Teil I fol. 1—84v, in Teil II fol. 8 5v—149v veröffentlicht.) Provenienz: Kirche St. Sebald. Handschrift in Folio, 325:215:45 mm. Einband alt, Holzdeckel mit breitem, hellem Lederrücken; von den zwei Metall­ schließen ist nur noch eine vorhanden. Am Buchrücken drei doppelte Wulste, oben und unten je ein einfacher. Aufschrift am Vorderdeckel (verblaßt): „Paw der thurn/ zu sand Sebolt/ de anno 1481. in annum 1490". Papier; erstes und letztes Blatt Pergament. 150 Blätter alter Zählung; vorne drei, am Schluß sechs ungezählte Blätter. Lagen: durchweg Septemionen. Blattgröße: 315:205 mm. Schriftspiegel: 260:185 mm. Unbeschriebene Blätter: fol. 2 f. der ungezählten Blätter; ab fol. 150r: bis zu 30 Zeilen auf jeder Seite. Hände: 1. fol. 1—148v; 2. fol. 149: Sebald Schreyer. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: „Erhöhung beder thürn Sebaldi / Kirchenmaister Sebolt Schreyer / Ange­ fangen Anno domini 1481 / Volbracht Anno domini 1490". Incipit: „1481. / Item nachdem alls man zallt von cristi vnnsers lieben herren gebürt vierzehen-/hundert vnnd im ainvndachtzigissten Jar In ainem Erbem Rat veriassenn ist, beide / Thum des gotzhauß der Pfarrkirchen zu sannd Sebolt zu erhöhen". Explicit: „ . . . damit ist die dargelihen / Summa der VIM VIIIC LIII lb novi XVII ß 4 hlr gantz bezalt." 2. StAN, Rep. 52a, Nr. 301.

Sebald Sckreyers Kopialbuck „A". Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. auf der Innenseite des Deckels das kolorierte Wappen; 2. 18. Jahrhundert: Hieronymus Wilhelm Ebner (1673—1752), Bürger in Nürn­ berg; vgl. ebda, den Eintrag: „Bibliotheca Ebneriana Norimberg. / Codex MSS. Saec. XV. Membran. = Vid. Cat. vol. p. n. 74." Vgl. StadtBN, Amb. 187—191. 8°: Katalog: Bibliotheca Ebneriana. 1812—1896, Bd. 5, S. 71, Nr. 74; 180

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3. Anfang 19. Jahrhundert: Nikolaus Jankovich, Ungarn; vgl. ebda, den Eintrag:

„Deductio Genealogica / Familia Schreyeriana, Augusta Vinde / licor., Norimbergam traducta, C. Sentis ejusdem, et ei junctarum / Familias, ac Diplomatibus iam Stirpem concementibus ab A° 1158—1487. Praemittitur Operi Germanico, Latina eaque / tersa Oratione Deducta Familia Genealogia et Biographica descrip/ tur ab A° 1158—1378. Foliis 11 in pergameno eleganter elarata. — Codex Sole, de Ligat. et Ope. Conserva. / NP. Auctor voluminis hujus et duo posterior est Sebaldus Schreyer / Noricus, vir Summe Litteratus, Sodalitatis Litteraria Conradi Celtis Commentium. Exstans ejus Epist. ad Conradem Celtem A° 1496 quinque — 1497 una — 1500 tres — 1501 duo — 1503. / nom. in MSS. Viennati Epistular. et Carminum Sodalitatis Litteraria ad Conradem Celtem. / a. CI. Deniisi detectum. Vid. Denis Nachtrag z. Buchdruckgeschichte Wiens 1793 4°, pag. 22. / Nicol. Jankovius. / Jankovich Miklos gyüjtem." [= aus der Sammlung des N. J.] 4. 19. Jahrhundert: Ungarisches Nationalmuseum Budapest; vgl. den Stempel fol. lr: „Ex Museo / Hungarico. Kiadatott / a Hunyady leveltärert / a. M. N. Muzeum könyvtäräböl.“ [= hrsg. für die Hunyady-Brief Sammlung aus der Bücherei des Ungarischen Nationalmuseums.] 5. 1895 durch Tausch an das Königliche allgemeine Reichsarchiv in München, an­ schließend an das Königliche Kreissarchiv in Nürnberg; vgl. StAN, Handakt IV/49. Handschrift in Großfolio, 420:300:90 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung, Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. E. Kyriss, Verzierte gotische Einbände im alten deutschen Sprachgebiet. 2 Bde. Stuttgart 1951/56, Bd. 1, S. 102; Tafelbd., S. 21 ff., Tafeln 245 f. Je vier Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel und zwei Schließen mit Lederbändern. Gut erhalten. Am Buchrücken in gleichen Abständen vier doppelte Wulste, oben und unten je ein einfacher. Am Vorderdeckel ein aufgeklebtes Pergamentblättchen: „A“ (rot). Papier. 251 Blätter alter Zählung; 11 Pergamentblätter vorne, 1 Pergamentblatt hinten. Lagen: V (10) + III (16) ~f durchweg Quinternionen. Blattgröße: 400:280 mm. Schriftspiegel: 310:200 mm. Durchlaufende Zeilen, schwankend zwischen 49 und 53 auf jeder Seite. Hände: fol. 1—177: Sebald Schreyer; ab fol. 178 verschiedene, häufig wechselnde Hände. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Bastarda. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Sebald Schreyers Band „A“ seiner Familienaufzeichnungen: das SchreyerWappen in den Phasen seiner Entstehung, Wappen der angeheirateten Familien des Schreyerschen Geschlechts, Genealogie (lat.), der übrige Text deutsch. Nach­ richten über sein Leben und seine Tätigkeiten bis zum Jahre 1487. Incipit: „Anno salutis nostre Millesimo centesimo sexagesimo secundo Imperante Friderico primo, illa fere tempestate, qua / mediolanum Gallie cisalpine civitatem Imperator ipse ceperat atque solo equaverat huius Clamosorum aut velut / germanice dicitur ipsorum Schreyer Sternatis arma imitata fuere.“ Explicit: „Execucio huius relaxacionem facta est per / me Leonardus Freisinger ipso / die Johannis / ante portam Latinam Insignum manu propria.“ 181

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3. StAN, Rep. 52a, Nr. 302.

Sebald Sdireyers Kopialbuck „B“. Provenienzen: 1. 18. Jahrhundert: H. W. Ebner; vgl. den Eintrag auf der Innenseite des Deckels: „Bibliotheca Ebneriana Norimberg. / Codex MSS. Sae. XV. Catalog. Tom. V, p. 71, n. 72, 73.“ Vgl. den Katalog: Bibliotheca Ebneriana, Bd. 5, S. 71, Nr. 72 f. 2. Anfang 19. Jahrhundert: Nikolaus Jankovich, Ungarn; vgl. ebda, den Eintrag: „Prothocollum Judiciale in urbanis libris et Judicialibus Urb. Imp. Norimbergensis, ab Anno 1480—1509. / Volum, duo / Sub Intoratu Sebaldi Schreyer, qui Univertsa Acta, [. . .], / Contractus, Emptiones, f. . .] et quavis producta Diplomatica per / extensum invenit, Volumina ambo nitide conscripta, et Summa Cura com / = pacta, bene conservata. / Jankovich Miklös gyüjtemenyeböl.“ 3. 19. Jahrhundert: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest; vgl. den Stempel: „Ex Museo / Hungarico. Kiadatott / a Hunyady leveltärert / a. M. N. Muzeum könyvtäräböl.“ 4. 1895 durch Tausch an das Königliche allgemeine Reichsarchiv München, an­ schließend an das Königliche Kreisarchiv Nürnberg; vgl. StAN, Handakt, IV/49. Handschrift in Großfolio, 430:300:80 mm. Einband alt, Holzdeckel mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung. Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Je vier Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, nur mehr eine Schließe mit Lederband vorhanden. Gut erhalten. Am Buchrücken in gleichen Abständen vier doppelte Wulste, oben und unten je ein einfacher. Am Vorderdeckel ein aufgeklebtes Pergamentblättchen: „B“ (rot). Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet. 247 Blätter alter Zählung. Lagen: durchweg Quintemionen. Blattgröße: 410:228 mm. Schriftspiegel: 310:200 mm. Durchlaufende Zeilen, zwischen 34 und 45 auf jeder Seite. Einliegende Zettel. Hände: Häufig wechselnd, mit eingeschobenen Notizen Sebald Scbreyers. Schrift: Ende 15., Anfang 16. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Sebald Schreyers Band „B“ seiner Familienaufzeichnungen: Nachrichten über sein Leben und seine Tätigkeiten von 1480—1509. Ine.: „Item Sebolt Schreyer ist von Katherina etwan Cristoffen Poltz vnd / die zeit Peter Mossdorffers elichen wirtin mit furpot vnd clag furgenomen / worden vmb abthun einer Schidmauem.“ Expl.: „Des sein zeugen die Ersamen manne Herr Ruprecht Haller vnnd Herr / Gabriel Nutze!. Geben am Monntag nach vnnß lieben frawen tag, pu- / rificacionis genannt, nach crists gebürt, vierzehenhundert vnd in dem fünf / vnndsechzigisten Jare.“

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4. StAN, Rep. 52a, Nr. 303.

Sebald Sckreyers Kopialbuck „F“. Provenienzen: 1. 18. Jahrhundert: H. W. Ebner; vgl. auf der Innenseite des Deckels: „Bibüotheca Ebneriana Norimberg / Cod. MSS. Sae: XV. Catalog vol. V n. 72 et 73, pag. 71.“ Vgl. den Katalog: Bibliotheca Ebneriana, Bd. 5, S. 71, Nr. 72 f. 2. Anfang 19. Jahrhundert: Nikolaus Jankovich, Ungarn; vgl. ebda, den Eintrag: „Jankovich Miklös gyüjtemenyeböl.“ 3. 19. Jahrhundert: Ungarisches Nationaltnuseum, Budapest; vgl. den Stempel: „Ex Museo / Hungarico. Kiadatott / a Hunyady leveltärert / a. M. N. Muzeum könyvtäräböl.“ 4. 1895 durch Tausch an das Königliche allgemeine Reichsarchiv München, an­ schließend an das Königliche Kreisarchiv Nürnberg; vgl. StAN, Handakt IV/49. Handschrift in Großfolio, 430:300:90 mm. Einband alt, Holzdeckel mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung. Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Je vier Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, zwei Schließen, die beiden Lederbänder fehlen. Gut erhalten. Am Buchrücken in gleichen Abständen 4 doppelte Wulste, oben und unten je ein einfacher. Oben (sehr verblaßt): „F“. Vorne fälschlich „H“ (rot) aufgetragen. Papier. 23 8 Blätter alter Zählung, die Blätter 31—40 fehlen; fol. 196v—199v unbeschrie­ ben. Einliegende Zettel. Lagen: durchweg Quinternionen. Blattgröße: 410:290 mm. Schriftspiegel: 330:220 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 46 auf einer Seite. Hände: Häufig wechselnd; mit Einträgen Sebald Schreyers. Schrift: Anfang 16. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Sebald Schreyers Band „F“ seiner Familienaufzeichnungen: Nachrichten über sein Leben und seine Tätigkeiten von 1510—1515. Inc.: „Item als Sebolt Schreyer paumeister des hauß Sancti Sebastiani, nach legung / des ersten Steins vt libro C folio CLXXVIII begriffen, mit schwerer costung gebawt/ vnnd die g rund zum meysten teyl auß dem ertrich bracht hat,..." Expl.: „Item in allen grossen oder gemeinen Camem solten Camyn zu dem fewer/ vnnd den Stuben offen, zu dem einheytzen gemacht sein worden.“ 5. StAN, Rep. 59, Nr. 2.

Salbuck von St. Sebald. (Identisch mit LKAN, Vereinigtes Kirchenvermögen Nürnberg, Nr. 184; vgl. unten Nr. 10.) Handschrift in Folio, 3 50:250:100 mm. Einband alt, brauner Lederband; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfel­ musterpressung. Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. 183

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Messingbeschläge an den Ecken des Vorder- und Rückendeckels, in den Mitten je ein Buckel, zwei Schließen mit Lederbändem. Gut erhalten. Am Buchrücken in gleichen Abständen sechs doppelte Wulste, oben ein auf geklebtes Papierblättchen: „Salpuch S. Sebalts / Gotshawß.“ Am vorderen Deckel findet sich ein aufgeklebtes Pergamentblättchen: „Salpuch Sant Sebalds". Pergament, mit Ledermerkzeichen am Rand. 315 Blätter alter, römischer Zählung; die Blätter 71, 183, 184 fehlen. Lagen: Vorne und hinten je ein Einzelblatt + durchweg Quaternionen. Blattgröße: 330:240 mm. Schriftspiegel: 210:150 mm; von doppelten, roten Stri­ chen begrenzt; 20 rot durchgezogene Zeilen pro Seite. Initialen (blau und rot); manche Wortanfänge mit rotem, senkrechtem Strich. Unbeschriebene Seiten: die Blätter 46—51, 62—65, 102—106, 113—114, 185—189, 202-207, 215-217, 252-257, 271-273. Hände: ein ungenannter Schreiber. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Textura. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Salbuch von St. Sebald (dt.): Namen und Wappen der Kirchenpfleger und Kirchenmeiisiter von St. Sebald von 1300—1489, Rechte und Pflichten der Pfleger und Kirchenmeister, Kirchner, Totengräber, Hintersassen; Kirchenordnungen; Jahr­ tage und Stiftungen der Kirche; Besitz, Zinsen und Eigenschaften von St. Sebald. Inc.: „Hernach sind beschribenn / vnnd verzeichent die Pfle-/ger vnnd Kirchen­ meister / des Gotshaws der Pfarrkir-/chen zu sant Sebolt dieser löblichen / stat Nurmberg." Expl. „Aber nach seim abgangk/ sol ein yeder kirchenmeister solch XVIII gülden / in der losungstuben selber einnemen / solches alles: dauon außzurichten." 6. GNMN Bibi., Merkel - Hs. Nr. 100. Amtsbudi von St. Sebald. (Ebda. Nr. 99: „Extract aus dem bei St. Sebald täglich gebrauchten Amtsbuche", eine Papier-Handschrift des 18. Jahrhunderts, enthält eine Abschrift der Blätter 44v—80r.) Provenienz: Paul Wolf gang Merkel (1756—1820), Kaufmann in Nürnberg; vgl. den Stempel fol. 1: „P. W. Merkelsches Familienstift Bibi." Handschrift in Folio, 340:225:50 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung. Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, zwei Metallschließen, die beiden Lederbänder fehlen. Gut erhalten. Am Buchrücken drei doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Spuren eines einstigen Schildes am Rücken. Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet; das erste und letzte Blatt aus Pergament; an den Rändern Ledermerkzeichen. 143 Blätter alter Zählung. Lagen: VI (11) + VII (24) + 3 VI (36) + 2 Einzelblätter (38) + II (42) + VI (54) + IV (62) + 2 Einzelblätter (64) + V (74) + IV (82) + (VI-l) 184

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(93) + VII (107) + V (117) + VII (131) + VI (143); durdi Kustoden gekenn­ zeichnet. Blattgröße: 325:220 mm. Schriftspiegel: 270:150 mm. Unbeschriebene Blätter: fol. 20v—23r, 59v-63r, 80v-81r. Durchlaufende Zeilen, bis zu 34 auf jeder Seite. Hände: fast durchweg von einer Hand; mit Zusätzen des Kirchenmeisters Lazarus Holzschuher ab 1503: fol. 12v, 13r, 36vf., 45r. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch.

Inhalt: Kirchenordnungen von St. Sebald von 1482—1503. Inc.: „Item dieses puch hat Sebolt Schreyer / kirchenmaister des Gotshaws zu sant / Sebolt machen lassen zu teglichem ge-/brauch seins ambts“. Expl.: „Auch hat sie alspald / bekannt das soldi gutt des gemelten scherleins / vnnterpfand sein vnnd beleihen soll vnntz / zu enntlicher bezalung der 20 fl. Actum vts.“ 7.

GNMN Bibi., Merkel-Hs. Nr. 1122. Sebald Sckreyers Kopialbuck „C“. (Ebda. Nr. 809: „Die Eröffnung und Besichtigung St. Sebalds Grab und Heiligthüm“, eine spätere Papier-Handschrift, enthält eine Abschrift der Blätter 243v—248r.)

Provenienz: P. W. Merkel; vgl. auf der Innenseite des Vorderdeckels den Stempel: „P. W. Merkelsches Familienstift Bibi." Handschrift in Großfolio, 420:300:80 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung. Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Je vier Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, mit zwei Metallschuließen, die beiden Lederbänder fehlen. Gut erhalten. Am Buchrücken vier doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Rückenaufschrift oben (verblaßt): „C“. Papier. 251 Blätter alter Zählung. Lagen: durchweg Quintemionen; fol. 70 ein einzelnes Pergamentblatt. Blattgröße: 400:280 mm. Schiriftspiegel: 300:200 mm. Durchlaufende Zeilen, zwischen 45 und 50 schwankend. Unbeschriebene Blätter: fol. 61—69r. Einliegende Zettel. Buchschmuck: fol. 70: Einblattdruck auf Pergament mit einem kolorierten Bild St. Sebalds und der Ode des Konrad Celtis auf den Heiligen (Basel 1495). Hände: 1. fol. 1—8: Sebald Schreyer; 2. es folgen zahlreiche, häufig wechselnde Hände, mit Ergänzungen Sebald Schreyers. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Sebald Schreyers Band „C“ seiner Familienaufzeichnungen: Nachrichten über sein Leben und seine Tätigkeiten von 1488—1504. Auf der Innenseite des Rückendeckels Teilregister von späterer Hand. 185

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Inc.: „Item Sebaldus Schreyer exquisivit a domino Johanne Verner artium liberalium magistro / vt sibi super nativitate sua iudiciumi astronomicum faceret.“ Expl.: „Interventen [...]/ in Cristo patris ac domini dominus Erasim Topler dei gratia sedis apostolice prothonotarii / ac ecclesie S. Sebaldi Neronbergensis propositi et praefati Jacobi Confessoris adeptus / ad perpetuam rei memoriam reponere hoc in loco diligenter curavit.“ 8. GNMN Bibi., Hs. 608la.

Stiftungsbuck des Sebastiansspitals. (vgl. unten Nr. 19.) Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. das kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorderdeckeis; 2. Benedikt Wilhelm Zahn; vgl. ebda, das eingeklebte Exlibris: „Ex Supellectili libraria Bened. Guil. Zahnii“. Handschrift in Folio, 310:220:50 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen, künstlich verzierte Messing­ beschläge und starke Buckel an den Ecken und in den Mitten, eine Messingschiließe. Gut erhalten. Am Buchrücken ein aufgeklebtes Pergamentblatt: „Stiftpuch des haws / Sancti Sebastiani“. Papier; je ein Pergamentblatt am Anfang und Ende herausgeschnitten. 80 Blätter alter Zählung, das erste Blatt ist unnumeriert. Lagen: (VI-l) (10) + IV (18) + VI (30) + V (40) + VI (52) + IV (60) + VI (72) + IV (80). Blattgröße: 300:215 mm. Schriftspiegel: 220:120 mm, von dünnen Strichen um­ rahmt. Durchlaufende Zeilen, bis zu 32 auf jeder Seite. Fol. 77v—80 unbeschrieben. Buchschmuck: fol. 1: koloriertes Bild des Stifterpaares Konrad Topler mit der Gestalt des heiligen Sebastian und den Testamentsvollstreckern Linhart und Kon­ rad Marstaller, Sigmund Peßler, Sebald Schreyer und deren Wappen. Hände: 1. fol. 1-28; 2. fol. 29-52; 3. fol. 53-64; 4. fol. 65-77. Schrift: Anfang 16. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Stiftungsbuch des Sebastiansspitals (Sebald Schreyers eigenes Exemplar): Register, Vorrede, Namen der Stifter, Pfleger und Amtleute, Stiftungsbrief, Kauf­ und Ablaßbriefe, Beschreibung des Baues. Inc.: „Nach Cristi vnnsers lieben herm geburd vierze= / henhundert vnnd in dem Neuntzigisten Jare, ha= / ben Sebolt Schreyer, Sigmund Peßler, Conrad vnnd Lienhard Marstaller, alle Burger zu Nurm / berg weylant Conrad Toplers seligenn / gethanen gescheffts geordnet vnd gesetzt vormundt [. . .]“ Expl.: „Item so solt in solchem hawß von wegen des wassers kein / keler gemacht sein worden. Sonder an der seytten gen sant / Johannis oder mittemacht solt ein gerawmer keler In / den Santberg gemacht sein worden.“

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MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer 9. LKAN, Vereinigtes Kirchenvermögen Nürnberg, Nr. 183. Kopial-, Pflicht- und Leitbuch von St. Sebald 1482—1503. Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. das kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorder­ deckels; 2. Kirche St. Sebald; vgl. das auf geklebte Schild am Buchrücken: „S. Allerlei Urkunden betreffend" ; 3. „Landalmosenamt"; vgl. die alte Signatur (sehr verblaßt): „Nr. 28". Handschrift in Folio, 33 5:225:80 mm. Einband alt, Holzdeckel mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung. Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, che Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss ai. a. O. Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, Reste zweier alter Schließen. Am Buchrücken fünf Wulste in gleichen Abständen. Papier; vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet, vorne ein Pergamentblatt. Sehr wurmstichig. Lederblättchen an den Rändern zur Kapitelkennzeichnung. 254 Blätter alter Zählung, zahlreiche Blätter unbeschrieben. Lagen: 1 Pergamentblatt + VII (14) + VI (26) + II (30) + 2V (50) + I (52) + V (62) + VI (74) + V (84) + VII (98) + VI (110) + VII (124) + V(l34) + VII (148) + V (158) + VII (172) + V (182) + VII (196) + V (206) + VI (218) 4- V (228) + 3 einzelne Blätter (231) + V (241) + (VII—1) (254). Blattgröße: 325:218 mm. Schriftspiegel: 240:160 mm. Die Zeilenzahl schwankt zwischen 9 und 37 auf jeder Seite. Einliegende Zettel. Initialen manchmal verziert (schwarz). Hände: 1. Register: Sebald Schreyer; 2. fol. 1—195 (außer fol. 98); 3. fol. 98; 4. fol. 196—202; 5. die zweite Hand fol. 208—249; dazwischen Bemerkungen Sebald Schreyers. Schrift: um 1500. Bastarda. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Kopial-, Pflicht- und Leitbuch von St. Sebald 1482—1503: Register, Erb-, Kauf- und Lehenbekenntnisse der Bauern, Verschreibungen, Geschenke, Sendbriefe, Supplikationen, Gerichtshandlungen. Inc.: „Register des Buchs. / Allerlay bekanntnuß der Pawrn, So sie yezuzeytten vor Sebolten / Schreyer alß kirchenmeister des Gotshaws zu Sant Sebolt / getan [. . .]" Expl.: „Nach Cristi / vnnsers liben herren gebürt vierzehenhundert / vnd in dem viervnd achtzigsten jare." 10. LKAN, Vereinigtes Kirchenvermögen Nürnberg, Nr. 184. Kopial-, Pflicht- und Leitbuch von St. Sebald 1482—1503.

(2. Exemplar von StAN, Rep. 59, Nr. 2; vgl. oben Nr. 5.) Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. das kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorder­ deckels; 2. Kirche St. Sebald; vgl. die verblaßte Rückenaufschrift: „Nr. 4 —D"; 3. Landalmosenamt; vgl. die alte Inventarnr.: „Landalmosenamt Nr. 4". 187

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Handschrift in Folio, 330:220:95 mm. Einband alt, Holzdeckel mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung. Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge fehlen, Reste der einstigen Metallschließen. Am Buchrücken sechs Wulste in gleichen Abständen. Sehr beschädigt und wurmstichig. Papier. Lederblättchen an den Rändern zur Kapitelkennzeichnung. 415 Blätter alter, römischer Zählung. Lagen: (VIII—6) (10) + VII (24) + (VI—l) (3 5) + durchweg Sextemionen. Blattgröße: 320:215 mm. Schriftspiegel: 220:115 mm. Bis zu 20 Zeilen auf jeder Seite, dünn vorgezeichnet. Initialen (rot). Großbuchstaben mit roten Querstrichen versehen. Hände: durchgehend eine Hand (vgl. StAN, Rep. 59, Nr. 2), jedoch kurze Notizen anderer Schreiber. Schrift: um 1500. Textura. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Kopial-, Pflicht- und Leitbuch von St. Sebald 1482—1503: Liste der Pfleger und Kirchenmeister bei St. Sebald von 1300—1718 mit den kolorierten Wappen; Rechte und Pflichten der Pfleger und Kirchenmeister, Kirchner, Totengräber, Hin­ tersassen; Kirchenordnungen; Jahrtage und Stiftungen der Kirche; Besitz, Zinsen und Eigenschaften von St. Sebald. Inc.: „Hernach sind beschribenn / vnnd verzeichent die Pfle-/ger vnnd Kirchen­ meister / des Gotshaws der Pfarrkir-/chen zu sant Sebolt löblichen / stat Nürn­ berg.“ Expl.: „Aber nach seim abgangk / sol ein yeder kirchenmeister solch XVIII gülden in der losungstuben selber einnemen / solches alles dauon außzurichten.“ ll.LKAN, St. Sebald, Nr. 252. Einnahmen- und Ausgabenbuch Sebald Sckreyers als Kirchenmeister von 1482—1494.

(vgl. unten Nr. 16.) Provenienz: Kirche St. Sebald; vgl. den aufgeklebten Zettel auf der Innenseite des Vorder­ deckels mit der Aufschrift: Inventar-Nr. 128, Kirche St. Sebald“. Handschrift in Folio, 330:215:70 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, zwei Schließen mit Lederbändem. Gut erhalten. Am Rücken drei doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Am Vorderdeckel oben ein aufgeklebter Zettel: „Rechnung einnemens und ausgebens Sebald Schreyers / von 1482 Jar vntz in das 1494 Jar“. Am Rücken die jetzige Signatur auf geklebt. 188

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Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet; das erste und letzte Blatt aus Pergament. Ledermerkzeichen an den Rändern. 246 Blätter; alte Zählung von fol. 1—85; von rückwärts beginnend fol. 1—161. Nach fol. 81 einige leere Blätter. Lagen: durchweg Sexternionen. Blattgröße: 320:198 mm. Schriftspiegel: 270:170 nun. Zwischen 30 und 36 Zeilen auf jeder Seite. Hände: Sebald Schreyer. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Einnahmen und Ausgaben Sebald Schreyers als Kirchenmeister von 1482— 1494: fol. 1—85 die Einnahmen, fol. 1—161 die Ausgaben. Inc.: „Item hernach: stet geschriben alles einnemen.“ Expl.: „Item hernach stet geschriben alles ausgeben.“ 12. LKAN, St. Sebald, Nr. 253. Einnakmenbuch der Zinsen Sebald Schreyers als Küchenmeister von 1482—1491. Provenienz: Kirche St. Sebald; vgl. den auf geklebten Zettel auf der Innenlseite des Vorder­ deckels: „Inventar-Nr. 126, Kirche St. Sebald“. Handschrift in Schmalfolio, 445:170:60 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, zwei Schließen mit Lederbändem. Gut erhalten. Am Rücken drei doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Auf dem1 Vorderdeckel ein auf geklebtes Blättchen: „Einnemen Sebald Schreyers der zins vnd gult / von 1482 Jar vntz in das 1491 Jar“. Papier; vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet; erstes und letztes Blatt aus Pergament. 210 Blätter alter Zählung; 10 Blätter unnumeriert. Lagen: 2 VI (24) + V (34) + (VII—1) (48) + V (58) + 3 VI (94) + V (104) + VII (118) + (V-l) (127) + V (137) + VI (149) + V (159) + IV (167) + 2 V (187) + 2 VI (211) + V (220). Blattgröße: 430:165 mm. Schriftspiegel: 350:140 mm. Aufteilung in sechs Spalten auf jeder Seite, zwischen 1 und 10 Zeilen schwankend. Papiermerkblättchen für jedes Jahr. Hände: durchweg Sebald Schreyer. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Einnahmen der Zinsen Sebald Schreyers als Kirchenmeister 1482—1491. Inc.: „Item in dem puch stet geschri/ben was vnnd wieuil Sebolt sch-/reyer von Jaren zu Jaren Einge/nomen hat.“ Expl.: „Itein 3 Sümmer 1 furteil 2 Metzen Kornß / pfinztag post Esto mihi.“

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13. LKAN, St. Sebald, Nr. 254.

Einnakmenbuck der Zinsen Sebald Sckreyers als Kirckemneister von 1491—1503. Provenienz: Kirche St. Sebald; vgl. den auf geklebten Zettel auf der Innenseite des Vorder­ deckels mit der Aufschrift: „Inventar-Nr. 127, Kirche St. Sebald“. Handschrift in Schmalfolio, 460:180:80 mm.

Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, zwei Schließen mit Lederbändern. Gut erhalten. Am Rücken drei doppelte Wulste, oben und unten je ein einfacher. Rückendeckel beschädigt. Vorne ein aufgeklebter Zettel mit der Aufschrift (sehr verblaßt): „[. . .] / 1491— 1503“.

Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet . Erstes und letztes Blatt aus Pergament. 294 Blätter alter Zählung. Lagen: (VII—1) (13) + V (23) + VII (37) + V (47) + VII (61) + V (71) + VII (85) + V (95) + 5 VI (155) + V (165) + VII (179) + 3 VI (215) + VII (229) + VI (241) + VII (255) + 2 VI (279) + VII (293) + 1 Pergament­ blatt. Blattgröße: 430:165 mm. Schriftspiegel: 350:140 mm. Aufteilung in sechs Spalten auf jeder Seite, zwischen 1 und 10 Zeilen schwankend. Papiermerkblättchen an den Rändern für jedes Jahr. Einliegende Zettel. Hände: häufig wechselnd; Ergänzungen (Geld- und Weisa teinträge) von Sebald Schreyer. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nümbergiisch. Inhalt: Einnahmen der Zinsen Sebald Schreyers als Kirchenmeister von 1491—1503. Inc.: „Item in dem puch stet geschri/ben was vnnd wieuil Sebolt sch=/reyer von Jaren, zu Jaren Einge/nomen hat.“ ExpL: „Mer 17 lb 15 dn scheden sind nit verrechent.“ 14. StadtAN, Amb. 638.2°.

Sebald Sckreyers Vormundsckaftsbuck. Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. daisi kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorder­ deckels; 2. Sebald Welser; vgl. die beiden hinten einliegenden kolorierten Wappen. Handschrift in Folio, 320:220:60 mm. Holzband mit breitem, hellem Lederrücken; zwei Schließen. Am Buchrücken vier doppelte Wulste in gleichen Abständen. Am Vorderdeckel ein aufgeklebter Zettel; „E“ (rot) „/ Vormundt/schafft Sebolt / Schreyers“. Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet. 5 Pergamentblätter; 190

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223 nicht durchgezählte Blätter. Gesonderte Zählung: 1 Pergamentblatt -f* fol. 1—33; 1 Pergamentblatt -f fol. 1—62; 1 Pergamentblatt + fol. 1—13; 1 Pergamentblatt + fol. 1—21; 1 Pergantentblatt + fol. 1—78. 11 unbeschriebene Blätter. Ledermerkzeichen an den Rändern. Lagen: VII + 2 VI + III + V + (VI—1) + V + IV + VI + V + IV + VIII + (V—1) + VII + VI + IV + VI + VII + V + VII. Blattgröße: 310:210 mm. Schrifflspiegel: 250:150 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 30 auf jeder Seite. Buchschmuck: auf den 5 Pergamentblättern die kolorierten Wappen der in dem Band aufgeführten verstorbenen Nürnberger Bürger. Hände: häufig wechselnd; mit Ergänzungen Sebald Schreyers. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nümbergisch.

Inhalt: Testamentsvollstreckungen bei den Nürnberger Bürgern Sigmund Örtel d. Ä., Stephan Kauer, Margarethe Frankengruner, Anna Pfintzing und Hans Gärtner d. Ä. Inc.: „Inn disem Buch steen gesdiiriben etlich/ vormundschafft die Sebolt Schreyer / hat helffen ausrichten mit namen.“ Expl.: „Also vellet Sebolt gartner noch an seiner verpfenndung 13 fl. vnnd plieb im frey der / Halbtail an ewigem gellt vnnd leibding mit / 5 8 fl. 6 lb an schulden ein zu nemen ob er / die von im nicht Empfangen hatt.“ 15. StadtAN, Cod. man. 27.2°.

Stiftungsbuck des Großen Almosens der „abhommenu Bürger.

Provenienz: Sebald Schreyer; vgl. den auf geklebten Zettel auf der Innenseite des Vorderdeckeis: „Item das Buch sol nach mein Sebald Schreyers abgangk / geantwurt werden den pflegem des grossen almusens / der abkummen Burger daselbst albeg zubeleiben vnd zuhandthaben.“ Handschrift in Folio, 330:270:55 mm. Einband alt, Holzdeckel mit dunkelbraunem Leder überzogen; aus einer Nürn­ berger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Je vier verzierte Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel und zwei ver­ zierte Buckel in den Mitten. Gut erhalten. Reste von zwei Schließen. Am Vorderdeckel ein aufgeklebtes Pergamentschild: „S“(rot)„tifftsbuch des grossen al-/musen der abkumen burger". Pergament. 72 Blätter, die ersten beiden unnumeriert; fol. 1—70 alte Zählung. Lagen: durchweg Sextemionen mit Quatemionen wechselnd. Blattgröße: 315:253 mm. Schriftspiegel: 200:150 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 30 auf jeder Seite. Fol. 42—72 unbeschrieben, mit Ausnahme von fol. 56r. Buchsichmuck: vor fol. 1: koloriertes Vesperbild mit dem Stifter Georg Keipper und den Testamentsvollstreckern Sebald Schreyer, Hans Ingram, Hans Gartner und Hans Münzmeister, jeweils mit deren Wappen. 191

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Initialen (rot), Großbuchstaben mit rotem, senkrechtem Strich) versehen. Hände: 1. fol. 1—18r; 2. fol. 18vff. häufig wechselnd. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Basfarda. Mit Nachträgen bis 1638. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Stiftungsbuch des Großen Almosens: Register, Namen der Stifter und späterer Spender, Pfleger und Amtleute bis 1795, Vorrede, Stiftungsbrief und Kaufbriefe bis 1638. Inc.: „Hernach volgen die namen / der stiffter auch aller der solich / almusen nachuolgendt gepessert / vnd gemert haben." Expl.: „Ein Taußendt Vierhundert / und funfftzig Gulden Müntz dießer Stifftung Erb- und dem / Spital zugeschrieben worden, laut selbiger Jahrs Rechnung." 16. StadtAN, Cod. man. 74.2°.

Eivmahmenbudi Sebald Schreyers als Kirdienmeister von 1482—1503.

(Die Einträge bis 1494 sind identisch mit denjenigen in LKAN, St. Sebald, Nr. 252, fol. 1—85; vgl. oben Nr. 11.) Provenienzen: Sebald Schreyer; vgl. das kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorderdeckels; 2. Mitte des 19. Jahrhunderts: Carl Heideloff; vgl. ebda, das Exlibris: „Der Carl Heideloff’schen / Bibliothek gehörig". Handschrift in Folio, 335:225:50 mm. Einband alt, Holzband mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel und die beiden Schließen fehlen. Sonst gut erhalten. Am Buchrücken drei doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Am Vorderdeckel oben ein aufgeklebtes Pergamentblatt: „Rechnung des einnemens sebald ifichreyers / von wegen Sant Sebolts". Eine alte Rückenaufschrift (fast völlig verblaßt). Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet. Erstes Blatt aus Pergament. 152 Blätter alter Zählung, die Blätter ab fol. 147 liegen hinten lose ein. Leder­ merkzeichen an den Rändern. Lagen: Septemionen wechseln mit Quintemionen. Blattgröße: 325:218 mm. Schriftspiegel: 270:200 mm. Bis zu 3 5 Zeilen auf jeder Seite. Hände: häufig wechselnd. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Einnahmen Sebald Schreyers als Kirchenmeister von 1482—1503. Die Ausgaben des Jahres 1503 liegen hinten lose ein. Inc.: „Item hernach stet geschriben alles Einnemen Sebolten / Schreyers kirchenmeisters des gotzhawß der pfarrkirch/en zu Sant Sebolt." Expl.: „ [. . .] vnd bey dieser rechnung warn von rats wegen / Herr Anthoni Tücher vnd herr anthoni Tetzel. Actum vts."

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Sebald Schreyer

17. StadtAN, Cod. man. 74a.2°.

Sebald Sckreyers Briefbuck. Provenienz: Aus dem Besitz Sebald Schreyers. Handschrift in Großfolio, 420:290:70 mm. Einband alt, Holzdeckel mit dunkelbraunem Leder überzogen; aus einer Nürn­ berger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung, Stempel: rautenförmiges Kleeblatt; die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriiss, a. a. O. Gut erhalten. Reste zweier Messingschließen. Rückenaufschrift: „S. / Brief Buch". Darunter ein auf geklebter Zettel mit der Zahl „93". Papier. Das erste und letzte Blatt aus Pergament. 267 Blätter alter Zählung; fol. 251 ff. unbeschrieben. Lagen: durchweg Quinternionen. Blattgröße: 405:282 mm. Schriftspiegel: 340:200 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 36 auf jeder Seite. Hände: häufig wechselnd; mit Ergänzungen Sebald Schreyers. Schrift: Ende 15., Anfang 16. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Sebald Schreyers Briefbuch, enthaltend die Eide seiner Hintersassen und die Geschäfte des Eigenherm auf dem Land von 1492—1519. Inc.: „Register des buchs. / Item ayde dreyerlei stennden der paum durch Sebolten / Schreyern gemacht". Expl.: „[. . .] hab ich mein eigenn Insigel an disen briff / gehanngen der geben ist am Mittwoch nach sant peters tag stulfeyer Nach Christi gepurt funffzehenhundert vnd im Neuntzehen/den Jare." 18. StadtAN, Cod. man. 75.

Ausgabenbuck Sebald Sckreyers beim Bau des Sebastiansspitafs von 1508—1516. (Vgl. unten Nr. 26). Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. das aufgeklebte Wappen auf der Innenseite des Vorder­ deckels:; 2. Mitte 19. Jahrhundert: Carl Heideloff; vgl. ebda, das Exlibris: „Der Carl Hei de lo ff sehen Bibliothek gehörig". Handschrift in Folio, 330:220:50 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; vgl. Kyriss, a. a. O. Gut erhalten. Die beiden Messingschließen mit den Lederbändem fehlen. Am Buchrücken sechs doppelte Wulste in gleichen Abständen. Am Vorderdeckel ein teilweise fehlendes, schadhaftes Pergamentblättchen: „[. ..] haws Sancti Sebastiani nach dem /[...] vntz zw ende des 1515 Jairs". Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet; das erste und letzte Blatt aus Pergament. 13

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204 Blätter neuer Zählung. Lagen: 1 Pergamentblatt + VII (15) + durchweg Quintemionen. Blattgröße: 320:210 mm. Schriftspiegel: 280:180 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 38 auf jeder Seite; fol. 200v ff. unbeschrieben. Hände: 1. fol. 1-25; 2. fol. 26-113; 3. fol. 114-200r. Schrift: Anfang 16. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Ausgaben Sebald Schreyers beim Bau des Sebastiansspitals von 1508—1516. Inc.: „Hernach volgt das ausgeben durch Sebolten schrei/er deß paws halben deß Haws sancti Sebastiani / vnterhalb der weydenmül“. ExpL: „Summa alles außgebens wie hieuor begriffen Facit fl. 67 lb 4 dn 24.“ 19. StadtAN, Cod. man. 116. Stiftungsbuck des Sebastiansspitals. (Ein zweites Exemplar dieser Urschrift befindet sich im GNMN Bibi., Hs. 6081 a; vgl. oben Nr. 8; zu einer späteren Abschrift vgl. StadtAN, Rep. 59, Nr. 15.) Provenienz: Aus Sebald Schreyers Besitz; vgl. fol. lv das kolorierte Wappen, darunter ein aufgeklebtes Papier: „Item das Buch sol nach mein Sebald Schreyers abgangk / geantwort werden den pflegern Sant Sebastians haws / daselbest albeg zubeleiben vnd zu handthaben.“ Handschrift in Folio, 360:250:50 mm. Einband alt, Holzdeckel mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Je vier Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel, Metallbuckel in den Mit­ ten und zwei Schließen mit Lederbändem. In neuester Zeit repariert. Am, Vorderdeckel aufgeklebtes Papierblättchen mit dem Text (stark verblaßt): „lasari Buch [. . .]“ Pergament. 77 Blätter alter Zählung; 2 Zettel hinten einliegend. Lagen: 2 Einzelblätter + Quatemionen und Sextemionen abwechselnd. Blattgröße: 345:240 mm. Schriftspiegel: 220:150 mm. Bis zu 30 linierte Zeilen auf jeder Seite, der Text ist von Strichen begrenzt, die bis an den Rand durchgezogen sind. Buchschmuck: vor fol. 1: ein koloriertes Bild des heiligen Sebastian und des Stif­ terehepaares Konrad Topler, mit den Testamentsvollstreckern Linhart und Konrad Marstaller, Sigmund Peßler, Sebald Schreyer und deren Wappen. Das Bild ist am unteren Rand verschmiert. Die Großbuchstaben im Text sind mit roten, senk­ rechten Strichen versehen. Hände: durchweg eine Hand. Schrift: um 1500. Bastarda. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Stiftungsbuch des Sebastiansspitals: Register, Vorrede, Namen der Stifter, Pfleger und Amtleute, Stiftungsbrief, Kauf- und Ablaßbriefe, Beschreibung des Baues. 194

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Inc.: „Nach vnnsers lieben herrn geburd vierze=/henhundert vnnd in dem Neuntzigisten Jare, ha==/ben Sebolt Schreyer, Sigmund peßler, Conrad vnnd Linehard Marstaller, alle Burger zu Nurm/berg weylant Conrad Toplers seligenn gescheffts geordnet vnd gesetzt vormundt [. . .]“ ExpL: „Item so solt in solchem hawß von wegen des Wassers kein / keler gemacht sein worden. Sonder an der seytten gen sant / Johannis oder mittemacht solt ein gerawmer keler In / den Santberg gemacht sein worden." 20. StadtAN, Cod. man. 169. 2°. Amtsbuck von St. Sebald.

(Eine Papier-Handschrift des 18. Jahrhunderts bringt eine Abschrift der Seiten 8 3v—151; vgl. GNMN Bibi., Merkel-Hs. Nr. 208; eine weitere aus der gleichen Zeit bringt die Seiten 83v~97v; vgl. LfCAN, Acta der Verwaltung des vereinigten protestantischen Kirchenvermögens Nürnberg, St. Sebald, Fach 8 5, Nr. 18, Tom 1, S. 95; Gümbel, Das Mesnerpflichtbuch von St. Sebald, hat fol. 42—78v veröffent­ licht.) Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. das kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorder­ deckels ; 2. Sebald Welser (158 5—162 5), Bürger zu Nürnberg; vgl. ebda, das kolorierte Wappen und den Eintrag von 1620; 3. Um 1770: Georg Andreas Will, Professor in Altdorf; vgl. ebda, das Exlibris und die alte Katalognummer: „Will II, 1553.2°"; vgl. dazu den gedruckten Ka­ talog: G. A. Will, Bibliotheca Norica Williana. 7 Bde. Altdorf 1772 ff. Beschrei­ bung der Handschrift ebda., Bd. 2, S. 306. Handschrift in Folio, 330:220:5 5 mm. Holzband mit breitem Lederrücken, die zwei Schließen fehlen. Sonst gut erhalten. Am Buchrücken die verblaßte Aufschrift: „Sebald Schrey/ers [. . .]", darunter ein auf geklebtes Papier: „II, 155 3". Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet. Erstes und letztes Blatt aus Pergament. 211 Blätter alter Zählung.

Lagen: Quaternionen und Quinternionen abwechselnd. Blattgröße: 320:210 mm. Schriftspiegel: 230:160 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 39 auf jeder Seite; fol. 1—7, fol. 98r—110r, fol. 167 v—211 unb es chiri eben. Hände: 1. Register, manche Überschriften und Ergänzungen: Sebald Schreyer; 2. fol. 9r—30; 3. fol. 32r-156r; 4. fol. 158r-167r. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Jahrtage, Kaufbriefe, Totenschilde und Kirchenordnungen während Sebald Schreyers Kirchenmeisteramt von 1482—1503. Inc.: „Register des Buchs / Gerichtliche handlung herrn paulus Volckmeyrs vnd Sebolt / Schreyers als pflegers vnd kirchenmeisters des gotzhawß Sebal=/di [. . .]“ ExpL: „Geben zu / Rome zu Sannt Peter anno nach der Mennsch=/werdung Cristi Tawsennt vierhundert, im / LXXXVI vff VIII kl. octobris, vnnsers Babst= /thumbs im drytten Jare."

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Sebald Schreyer

21. StadtAN, Findel, Schubl. 1, XI. Stiftungsbuch des Findelhauses. Provenienzen: 1. Sebald Schreyer; vgl. das kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorder­ deckels und den Eintrag: „Item das Buch sol nach mein Sebald Schreyers abgangk / geantwort werden den obem pflegem vnd pflegerin / der fundelhewser daselbest albeg zubeleiben vnd zu handthaben“; 2. Im Besitz des Findelhauses; vgl. ebda, den Eintrag: „Erfüllet werde der Bitte des sei. Mannes von nun an; möge er es / vergeben, daß dies Buch — ihm sicher theuer — seit so vielen Jahr/hunderten nicht gehandhabt d. i. fortgeführt wurde! Ich will das Meine / thun, und von meinen Amtsnachfolgern erwarte ich das Ihre. A° 1823 / Camper/* Handschrift in Folio, 330:230:45 mm. Einband alt, Holzdeckel mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge an den Ecken des Vorder- und Rückendeckels und zwei Schließen. Gut erhalten. Am Buchrücken fünf doppelte Wulste in gleichen Abständen. Auf der Innenseite des Vorderdeckels ein aufgeklebtes Pergamentblättchen: „S**(rot)„tifftung der zucht beider fundel**. Pergament. 83 Blätter, davon 82 in alter, römischer Zählung. Lagen: durchweg Quatemionen. Blattgröße: 315:220 mm. Schriftspiegel: 210:130 mm. 32 durchlaufende Zeilen auf jeder Seite, rot liniert, Initialen (rot), Großbuchstaben mit rotem, senkrechtem Strich versehen; ab fol. 36v unbeschrieben. Buchschmuck: fol. 7: koloriertes Vesperbild mit dem Stifter Georg Keipper und den Testamentsvollstreckern Hans Münzmeister, Hans Gärtner, Sebald Schreyer, Hans Ingram und deren Wappen. Hände: durchgehend eine Hand. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Bastarda. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Stiftungsbuch des Findelhauses: Register, Vorrede, Stiftemamen, Stiftungs­ brief, Übergabebrief und Erweiterung der Stiftung. Inc.: „Nach Cristi unnsers lieben herrenn ge/burt vierzehenhundert vnd in dem fu/nfundachtzigisten Jare [...]** Expl.: „Geben am freitag nach sant doro=/thea der heyligen Junckfrawen tag nach Cristi gebürt, / vierzehenhundert vnd in dem achtvndachtzigisten Jare/* 22. StadtAN, F. R. 74.

Finnaltmenbudi von St. Sebald 1503—1512. Provenienz: Aus dem Besitz der Kirche St. Sebald. Handschrift in Schmalfolio, 450:170:100 mm. Einband alt, Holzdeckel mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laub­ stab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. 196

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Messingbeschläge an den Ecken des Vorder- und Rückendeckels und zwei Schließen. Blattränder versengt. Am Rücken sechs doppelte Wulste in gleichen Abständen. Am Buchrücken ein aufgeklebter Zettel: „S"; darunter: „S / Dass Einnemen / der zinß vnd gült / St. Sebalds / 1503". Auf dem Vorderdeckel oben ein auf geklebter Zettel: „Das einnemen lasarus holtschuhers von / wegen Sand Sebalds Pfarrkirchen der zinß vnnd gult 1503 Jar bis / in das 1512 Jare.“ Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet, ab 1503 glattes Papier. Ledermerkzeichen an den Rändern. 38 5 ungezählte Blätter. Lagen: 1 Einzelblatt + XI + 2 einzelne Blätter + XI + X + XIII + 2 ein­ zelne Blätter + IX + XIII + X + XIV + VII + XVIII + 2X1 + XV + XII + XIII + durchweg XII. Blattgröße: 430:165 mm. Schriftspiegel: 370:150 mm. Die Seiten sind in 6 bis 8 Spalten durch Striche aufgeteilt. Hände: 1. für 1503: Sebald Schreyer; 2. für die folgenden Jahre: Lazarus Holzschuh er. Schrift: Ende 15., Anfang 16. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nürnbergisch. Inhalt: Die Einnahmen der Zinsen der Kirche zu St. Sebald von 1503—1512. Ine.: „1503 / Hernach volgt was man Sant Sebolt in der Stat zu Sant Walburgen tag im 1503 Jar ist / schuldig gewesen vnd was Sebolt schreyer daran eingenom­ men hat." Expl.: „Die güter nach bret/felt geschriben ligen / alle vmb bretfelt." 23. StadtAN, Hl.-Geist-Spital, Amtsbücher Nr. 10. Stiftungsbuck „der ärztlichen Hilfe" im Hl.-Geist-Spital. Provenienz: Aus Sebald Scbreyers Besitz; vgl. fol. 1 das kolorierte Wappen. Handschrift in Folio, 3 50:250:60 mm. Einband alt, Holzdeckel mit dunkelbraunem Leder überzogen; aus einer Nürnber­ ger Werkstatt; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Verzierte Messingbeschläge an den Ecken des Vorder- und Rückendeckels, Reste zweier Schließen. Gut erhalten. Am Vorderdeckel ein aufgeklebter unbeschriebener Zettel. Pergament. 118 Blätter alter Zählung. Lagen: durchweg Quatemionen. Blattgröße: 337:238 mm. Schriftspiegel: 220:140 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 29 auf jeder Seite. Ab fol. 101 unbeschrieben; fol. 119 f. zerschnitten. Buchschmuck: fol. 7: koloriertes Vesperbild mit dem Stifter Georg Keipper und den Testamentsvollstreckern Hans Münzmeister, Hans Gärtner, Sebald Schreyer, Hans Ingram und deren Wappen. Initialen (blau oder rot), Großbuchstaben mit rotem, senkrechtem Strich versehen. Hände: durchweg ein Schreiber; Ergänzungen von Sebald Schreyer. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Bastarda. Mundart: nürnbergisch. 197

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Sebald Schreyer

Inhalt: Stiftungsbuch „der ärztlichen Hilfe" im Hl.-Geist-Spital: Vorrede, Namen der Stifter, Stiftungsbrief, Verschreibungen und Erweiterung der Stiftung. Inc.: „Register. Vorrede vnd vrsachdes buchs [..........]" fol. 4: „Nach Cristi viusers lieben Herren geburdt / vierzehenhundert vnd in dem Sechs-/undachtzigisten Jare [. . .]" Expl.: „Der geben ist am pfintztag nach' allerheiligen tag / den anndem tag des monats Nouembris, als man / zalt nach Cristi vnnsers lieben Herren gepurt fünf/ zehenhundert vnd im dritten Jar.“ 24. StadtAN, Rep. 52, Nr. 20.

Ausgabenbuch beim Bau des Sebastiansspitals von 1492—1507. Provenienz: Aus dem Besitz Sebald Schreyers; vgl. das; kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorderdeckels. Handschrift in Folio, 340:220:40 mm. Einband alt, Holzband mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Metallbeschläge an den Ecken des Vorder- und Rückendeckels, zwei Schließen; die Lederbänder fehlen. Gut erhalten. Ami Buchrücken vier doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Am Vorderdecke! ein aufgeklebtes Pergamentblättchen: „Paw des haus sancti / sebastiani in den grünten". Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet. Erstes und letztes Blatt Per­ gament. Ledermerkzeichen an den Rändern. 453 ungezählte Blätter. Lagen: durchweg Sextemionen, durch Kustoden gekennzeichnet. Blattgröße: 320:210 mm. Schriftspiegel: 180:170 mm. Bis zu 37 Zeilen auf jeder Seite. Hände: durchweg ein Schreiber. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Ausgaben beim Bau des Sebastiansspitals von 1492—1507. Inc.: „Zu wissen nachdem Sebolt Schreyer mit andern / seinen mituormundem Conraden toplers seligen / geschefts vnd vonn seiner vnuerschickten verlassen / hab, Die stieftung des haus Sannt Sebastians / zu Nurmberg vnnterhalb der weidenmül an der peg-/nitz außzurichten mit verwilligung ains erbam / Rats vnnd bestettigung des bischofs zu Bamberg / furgenomen hat." Expl.: „Suma Sumarum thut fl. 10734 lb o dn 13." 25. StadtAN, Rep. 52, Nr. 21.

Einnahmen- und Ausgabenbudi beim Bau des Sebastiansspitals von 1491—1515. Provenienz: Aus dem Besitz Sebald Schreyers; vgl. das auf geklebte Wappen auf der Innenseite des Vorderdeckels. 198

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Handschrift in Folio, 340:220:40 mm. Einband alt, Holzband mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werkstatt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge an den Ecken des Vorder- und Rückendeckels; Schließen fehlen. Sonst gut erhalten. Am Buchrücken vier doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Ein aufgeklebtes Blättchen am Vorderdeckel ist abgefallen. Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet. Erstes und letztes Blatt aus Pergament. Ein Ledermerkblättchen am Rand. 121 Blätter alter Zählung; fol. 1 unnumeriert. Vorne ein einliegender Zettel. Lagen: 1 Pergamentblatt + VI (11) + 2V (53) + Quatemionen und Quinternionen abwechselnd. Blattgröße: 320:315 mm. Schriftspiegel: 270:180 mm. Bis zu 38 Zeilen auf jeder Seite. Hände: durchweg ein Schreiber. Der einliegende Zettel: Sebald Schreyer. Schrift: um 1500. Buchkursive. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Einnahmen und Ausgaben beim Bau des Sebastiansspitals von 1491—1515: fol. 1—103 die Einnahmen, fol. 110v—120 die Ausgaben; auf dem einliegenden Zettel: Aufstellung der Einnahmen. Inc.: „Item nachdem Sebolt Schreyer mitsambt anndem seinen / Mituormunden Conraden Toplers seligen Gescheffts / die stifftung deß hawisi Sancti Sebastiani vntterhalb / der weyden mül [. . .]“ Expl.: „Solche Rechnung ist beschehen in der losungstuben / in peywesen Herrn Lienharten Gruntherrn vnd Caspam / Nutzei von Rats wegen darzu verordent actum vts.“ 26. StadtAN, Rep. 52, Nr. 22.

Ausgabenbuch beim Bau des Sebastiansspitals von 1508—1516.

(Zweites Exemplar, identisch mit StadtAN, Cod. man. 75; vgl. oben Nr. 18.) Provenienz: Aus dem Besitz Sebald Schreyers; vgl. das aufgeklebte Wappen auf der Innenseite des Vorderdeckels. Handschrift in Folio, 330:220:55 mm. Einband alt, Holzband mit braunem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Messingbeschläge an den Ecken des Vorder- und Rückendeckels, nur noch eine Schließe vorhanden, die Lederbänder fehlen. Sonst gut erhalten. Am Buchrücken vier doppelte Wulste in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Auf dem Vorderdeckel ein auf geklebtes Pergamentblättchen: „Paw des haws Sancti sebastiani nach dem / 1507 Jar vntz zw ende des 1515 Jare“. Papier, vor der Beschreibung dreimal längs gefaltet. Das erste Blatt aus Perga­ ment. Ledermerkzeichen an den Rändern. 199

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205 ungezählte Blätter. Lagen: VIII + VI + V + 2VIII + IV + (11 +VIII) abwechselnd; durch Ku­ stoden gekennzeichnet. Blattgröße: 320:210 mm. Schriftspiegel: 280:140 mm. Bis zu 3 5 Zeilen auf jeder Seite. Hände: vier deutlich erkennbare Schreiber. Schrift: Anfang 16. Jahrhundert. Buchkursive. Mundart: nümbergisch. Inhalt: Ausgaben Sebald Schreyers beim Bau des Sebastiansspitals von 1508— 1516. Inc.: „Hernach volgt das ausgeben durch Sebolten schrei/er deß paws halben deß Haws sancti Sebastiani / vnterhalb der weydenmül“. Expl.: „Summa alles außgebens wie hieuor begriffen Facit fl. 67 1b 4 dn 24." 27. StadtBN, Cent. IV, 89. Konrad Celtis, Normberga (lat. und dt.). (Die Handschrift ist beschrieben: Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg. Bd. 1: Die mittelalterlichen Handschriften. Bearb. v. K. Schneider. Wiesbaden 1965, S. 434—436; Werminghoff, Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg, S. 89 und 92. Der Text ist herausgegeben ebda., S. 99 ff.) Provenienzen: Sebald Schreyer; vgl. das kolorierte Wappen auf der Innenseite des Vorderdeckels; 2. 16. Jahrhundert: Ludwig Schnöd; vgl. fol. V den Eintrag: „Ludövicus Schnoedt". Handschrift in Folio, 310:220:50 mm. Einband alt, Holzdeckel mit hellem Leder überzogen; aus einer Nürnberger Werk­ statt; Granatapfelmusterpressung; Stempel: rautenförmiges Kleeblatt, die Blüte als Verzierung, der Laubstab als Umrandung; vgl. Kyriss, a. a. O. Je vier Messingbeschläge auf Vorder- und Rückendeckel und die beiden Schließen fehlen. Sonst gut erhalten. Am Buchrücken drei doppelte Wulste, oben und unten je ein einfacher. Oben eine alte Aufschrift: „Celtes“. Auf dem Vorderdeckel ein aufgeklebtes Pergamentblatt (Text sehr verblaßt): „Conradus Celtis Protutius / de origine situ moribus et / imstitutis Norimbergae“. Papier: Erstes und letztes Blatt aus Pergament. 113 Blätter neuer Zählung; fol. 1, fol. 34v—61, fol. 112v—113v unbeschrieben. Ledermerkzeichen an den Rändern. Lagen: 2V (23) + (V+2) (36) + 5VI (96) + 2lV (112); durch Reklamanten gekennzeichnet, die jedoch häufig beim Beschneiden weggefallen sind. Blattgröße: 310:210 mm. Schriftspiegel: 210:130 mm. Bis zu 37 durchlaufende Zeilen auf jeder Seite. Platz für Initialen der Kapitelanfänge ausgespart. Fol. 62r—110r: verzierte schwarze Anfangsbuchstaben der Überschriften. Buchschmuck: spätere Zutat, zwei auf geklebte Porträtkupfer: 1. Johann Friedrich Leonart (1633—1687), Nürnberg; vgl. den Eintrag fol. 2r: „Conradus Celtis [. . .] denat. A° 1508. J. F. L. f.“ 2. Johann Friedrich Fleischberger (um 1660), Nürnberg; vgl. den Eintrag fol. 31r: „Herr Johann Löffelholtz [. . .] starb 1509. J. F. Fleischb. sc.“ Hände: 1. fol. 1—34r: Sebald Schreyer; 2. fol. 62r—112r. Schrift: Ende 15. Jahrhundert. Buchkursive. 200

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Inhalt: Konrad Celtis, Norimberga (lat. und dt.): fol. 1—31: Norimberga (lat.); fol. 32—34r: 1 Brief des Celtis an den Rat zu Nürnberg (1495), 1 Brief des Georg Alt an Celtis (lat.) (1495) und zwei Briefe des Nürnberger Rats an Celtis (1495; 1497); fol. 62r—112r: Norimberga, in der deutschen Übersetzung von Georg Alt. Inc.: „Conradi Celtis protutii Libellus De / Situ Moribus et institutis Norimbergae. / Crescite virtutes germanoque gloria surgat / Dum fauet moeniis patria nostra nouis.“ Expl.: „Nach der gepurt Cristi MCCCC/LXXXXVto Im Monat des Mertzen.“ 28. StadtBN, Hbh II, 48.

Sigismund Meisterlin, Katalog der Kirckenbibliotkek von St. Sebald. 1486—1502. (Die Handschrift ist kurz beschrieben und gedruckt bei Ruf, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, S. 690 ff.) Provenienz: Um 1770: Georg Andreas Will, Professor in Altdorf; vgl. die Signatur: „Will III, 666 a“; vgl. dazu den gedruckten Katalog: G. A. Will, a. a. O., Bd. 3, S. 58 a, 666 a. Handschrift in Folio, 3 30:220:3 5 mm. Holzdeckel mit breitem Lederüberzug des Buchrückens und drei doppelten Wülsten in gleichen Abständen, oben und unten je ein einfacher. Gut erhalten. Ein aufgeklebtes Papierblättchen mit der verblaßten Signatur von Will. Auf dem Vorderdeckel oben (sehr verblaßt): „Register der pucher / Liberey zu Sant [. . .]“ Papier. Erstes und letztes Blatt aus Pergament. 100 Blätter neuer Zählung; fol. 1—5, fol. 52—57, fol. 97—100 unbeschrieben; fol. 60 f. und fol. 83 f. sind später eingezogen und etwas kleiner. Lagen: III (6) + durchweg Sextemionen; durch Reklamanten gekennzeichnet, die jedoch beim Beschneiden häufig weggefallen sind. Blattgröße: 320:210 mm. Schriftspiegel: 250:150 mm. Durchlaufende Zeilen, bis zu 30 auf jeder Seite; Blindlinien oder mit dünnen Strichen liniert. Großbuchstaben des Katalogs (rot); im Text mit senkrechtem, rotem Strich ver­ sehen. Ohne Interpunktion. Hände: Sigismund Meisterlin; vgl. den Schreibervermerk fol. 96v: „F. Sigismundus / Predicator“. Schrift: Ende 15. Jahrhundert (um 1489/90). Buchkursive. Inhalt: „Sebaldi Sdhreyeri Catalogus bibliothecaeecclesiaeSebaldinae Norimberg“: fol. 6—51: alphabetische Ordnung der Bestände nach Verfassern bzw. Titeln; fol. 58—96: Standortregister nach den Signaturen in alphabetischer Reihenfolge. Inc.: „Socrates ille delphici appolinis Responso grecorum / sapientissimuis Cathoque morum omnium / natureque unia ymago / in omni Ciuitatis gubematione / preclare actum arbitrati sunt.“ Expl.: „Actum Millesimo quadringentesimo / octogesimo sexto. / F. Sigismundus / Predicator“.

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VERZEICHNIS DER BENÜTZTEN ARCHIVALIEN I. Ungedruckte Quellen Die von Schreyer selbst oder unter seiner Leitung angelegten Bände sind mit „ + s“ gekenn­ zeichnet; zu ihnen vgl. den Handschriftenkatalog S. 180 ff. 1. Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg Rep. 44e, S. 1, Lade 131, Nr. 1 + S: Baurechnungsbuch von St. Sebald. Rep. 52a, Nr. 17: Sigmund Meisterlins Chronik von Nürnberg. Nrr. 211; 217; 218; 229; 234; 241; 249, fol. 9 ff.; 355vff.; 257: Wappenbücher, Geschlechtsregister und Nachrichten über Nürnberger Familien. Nrr. 301+S; 302+S; 303+S: Schreyers Codices A, B, F. Nr. 315: Grabinschriften. Rep. 59, Nrr. 1; 2 + S: Salbücher von St. Sebald. Rep. 60a, Nr. 19 (1470/71) — Nr. 658 (1520): Verlässe des Inneren Rates. Rep. 60b, Nr. lc (1461 IV 8) — Nr. 11 (1521 IV 2): Ratsbücher. Rep. 61a, Nr. 33 (1468 IX 12) — Nr. 82 (1521 X 15): Briefbücher des Rates. Rep. 78, Nrr. 1258; 1259: Register über Testamente Nürnberger Bürger. 2. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv

Urkunden: 1481 I 16 1482 IX 16 1486 X 27 1497 X 2 1512 V 21 Reichsstadt Nürnberg, Kirchensachen, Nr. XV, 1503—1523: Manual des Kirchenmeisters von St. Sebald. 3. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Bibliothek Merkel-Hss., Nrr. 99; 100+s; 208; 809: Amtsbücher von St. Sebald. Nr. 1122 + S; Schreyers Codex C. Hss. 1837; 11531; 16579; 94402: Nürnberger Geschlechterbücher. Hs. 3994/G 8020: Sigismund Meisterlins Chronik von Nürnberg. Hs. 6081a+s: Stiftungsbuch des Spitals St. Sebastian. Hs. 41455: MüIIner, J.: Annalen der löblichen weitberühmten Reichsvesten und Stadt Nürnberg. 1618. 5 Bde., insbesondere Bd. 4. Inc. 2°.117013a; 2°.Inc. 266 (G. 545s): Hartmann Schedels Weltchronik.

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Landeskirchliches Archiv Nürnberg Vereinigtes Kirchenvermögen Nürnberg, St. Sebald, Nrr. 183 + S; 184 + s: Kopialbücher. Akten: Fach 85, Nr. 17, Rep. 10a: Visitation des Sebaldus-Grabes. Fach 8 5, Nr. 18, Tom. 1, S. 95: Verzeichnis der Totenschilde. Rep. 14, St. Sebald, Nrr. 252 + S; 253+S; 254+S; Rechnungsbücher von St. Sebald. St. Sebald, Nr. 459—464: Meßbücher. St. Sebald, Nr. 465: Legende des heiligen Sebald. St. Johannis Nr. 42: Meßbuch.

5. Stadtarchiv Nürnberg

Amb. 638 (139). 2°+s: Schreyers Vormundschaftsbuch. Cod. man. 27. 2° +s: Salbuch der Keipper-Stiftung. Cod. man. 74. 2° Rechnungsbuch von St. Sebald. Cod. man. 74a. 2° +s: Schreyers Briefbuch. Cod. man. 75. 2* +S; H6 + S: Das Spital St. Sebastian betreffend. Cod. man. 169. 2° +S: 214.2°: Kirchenbücher St. Sebald. Hl.-Geist-Spital, Amtsbücher, Nrr. 2; 10 +s. Genealogische Papiere „Schreyer“, Nr. 444. Rep. D 6, Findel, Schubl. 1, XI +$: Stiftungsbuch des Findelhauses. Rep. A 23, F. R. 74 Rechnungsbuch St. Sebald. Rep. 52, Nr. 20—22 +s: Rechnungsbücher des Spitals St. Sebastian. Rep. 59, Nr. 15: Salbuch des Spitals St. Sebastian (Abschrift). Libri Litterarum, Bd. 2—57: Gerichtsbücher des Stadtgerichts. Libri Conservatorii, Bd. 1—17: Schuldverbriefungsbücher der Stadt Nürnberg. Libri iudiciales, Bd. 1: Manual der Keuff, Bd. 1. Gerichtshändelbuch, Bd. 1. Rep. F 5, Nr. 3: Lochner, G. W. K.: „Norica“, Sammlung von Urkunden, die auf die Geschichte Nürnbergs Bezug haben, 7 Bde. 6. Stadtbibliothek Nürnberg Amb. 173.2°: Cent.

Handschrift des Hans Christof Schlüsselfelder, mit Auszügen aus Nürnberger Testamenten (ca. 1650).

I, 16; 26; 11, 42; 44; 58; 65; 89; 91: II, 98; 99:

Cent. IV, 89 + s: HbH II, 48+s:

Schenkungen Schreyers. Hartmann Schedels Weltchronik (Druckmanuskripte; aus Schreyers Besitz). Konrad Celtis’ „Norimberga“. Schreyers Katalog der Bibliothek von St. Sebald.

7. Staatliche Bibliothek Bamberg

J. Heller, Msc. hist. 62:

Norimbergensia.

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MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer 8. Stadtarchiv Schwäbisch-Gmünd Sog. „Schreyer-Pergament“. 9. Nationalbibliothek Wien Cod. 3448, fol. 49, 62, 67 f., 79, 110, 125, 128, 131 f., 147: Libri epistolarum et carminum ad Conradem Celtem. Cod. 8224, fol. 1—19: Fasciculus epistolarum ex libris impressis desumtarum ad Conradem Celtem.

II. Gedruckte Quellen Die Literaturangaben sind im folgenden in Kurzform gegeben, für die genauen Titel sei auf das Schrifttumverzeichnis verwiesen. Bösch, H.: Eine projektiert gewesene zweite Ausgabe der sogenannten Schedel’schen Chronik. (Aus einem verlorenen Codex.) Der Briefwechsel des Konrad Celtis. Hg. v. H. Rupprich. Darin: 12 Briefe Schreyers an Celtis und 7 Briefe Celtis’ an Schreyer; vgl. Nrr. 87, 90 f., 114, 125 f., 132, 158, 170, 173, 187, 233, 235, 246, 252, 270, 303, 309, 318. Erdtmann, C.: Norimberga in flore. 1. S. 72—75: „Confirmatio fundationis novae domus S. Sebastiani extra civitatem Norimbergensem pro pestilentia infectis“; (aus: Cod. C, fol. 179); 2. S. 76: „Commissio positionis pro capella S. Sebastiani in domo pestiferorum extra muros Norimbergenses“; (aus: Cod. C, fol. 180r); 3. S. 76—79: „Aliud diploma episcopi Bambergensis ecclesiam S. Sebaldi concernens“; (aus einem der verlorenen Codices). Grote, L.: Die „Vorder-Stube“ des Sebald Schreyer. (Aus: Cod. C, fol. 71—74). Gümbel, A.: Einige neue Notizen über das Adam Kraftsche Schreyergrab. (Aus: Cod. B, fol. 124v—125v, 171, 228r). Gümbel, A.: Die Verträge über die Illustrierung und den Drude der Schedelschen Weltchronik. (Aus: Cod. B, fol. 165v—168v). Gümbel, A.: Sebald Schreyer und die Sebalduskapelle zu Schwäbisch-Gmünd. (Aus: Cod. F, fol. 132—137). Gümbel, A.: Kirchliche Stiftungen Sebald Schreyers. (Aus: Codices A, B, C, F). Gümbel, A.: Die Baurechnungen über die Erhöhung der Türme von St. Sebald. (Aus: StAN, Rep. 44e, S. 1 L 131 Nr. 1: „Pau der türn zu sand Sebolt“). Gümbel, A.: Das Mesnerpflichtbuch von St. Sebald. (Aus StadtAN, Cod. man. 169, fol. 42—96). Hampe, T.: Der Anachoret Bruder Jakob. (Aus: Cod. C, fol. 251). Hampe, T.: Sebald Schreyer. (Einige Eintragungen aus Schreyers Einnahmen- und Ausgaben­ buch von 1482—1494; vgl. LKAN, Nr. 252). Hartmann, B.: Konrad Celtis in Nürnberg, S. 59—62: Verträge zwischen Sebald Schreyer und Peter Danhauser. (Aus: Cod. C, fol. 5 8 f.). Klüpfel, B. E.: De vita et scriptis Conradi Celtis protucii. Roth, J. F.: Verzeichnis aller Genannten des größeren Raths. Nürnberg 1802. Ruf, P.: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. 1. S. 690 ff.: Sigismund Meisterlins Katalog der Kirchenbibliothek von St. Sebald; (vgl. StadtBN, HbH II, 48); 2. S. 718 ff.: „Vermehrung der Kirchenbibliothek durch Sebald Schreyer“ 1482—1503; (aus: Cod. B, fol. 83r—84r; Cod. C, fol. 22ir—227^, 236v—237^, 239^—2410;

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MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer 3. S. 845 ff.: Schreyers Bücherstiftungen 1482—1507; (aus: Cod. B, fol. 37v, 82v, 183', 200v; Cod. C. fol. 50r f., 53v—56v, 220v; Cod. F, fol. 143r, 149v, 150'f.). Sdieurl, C.: Christoph Scheurls Epistel [an Dr. Johann Staupitz] über die Verfassung der Reichsstadt Nürnberg 1516. In: Städtechroniken. Nürnberg, Bd. 11, S. 779—804. Siebenkees, J. C.: Materialien zur Nürnbergischen Geschichte. 5 Bde. Nürnberg 1787—92. 1. Bd. 2, S. 430 f.: „Nachricht wegen eines gemahlten gelben Adlers im schwarzen Feld auf dem Schloß in dem Kaiserlichen Schlafzimmer;“ (aus: Cod. C, fol. 202v); 2. S. 600—605: „Eine Urkunde, die Capelle zu St. Sebastian betreffend“; 3. Bd. 3, S. 324—328: Vertrag über das „künstliche Uhrwerk“ an der Frauenkirche zu Nürnberg; (der Vertrag stammt aus dem Jahre 1509. Siebenkees nimmt Schreyer irrtüm­ lich noch als Kirchenmeister an. Er war hier jedoch nur Zeuge.) Sincerus, T.: [Pseudonym für G. J. Schwindel]: Nachrichten von lauter alten und raren Büchern. 6 Bde. Wien 1932. 1. Bd. 1, S. 332 ff.: Einleitung des Wemerschen Horoskops für '-Schreyer; (aus Cod. C, fol. 1); 2. S. 33 5 f.: Widmungsbrief für Schreyer von J. Werner zu seiner lateinischen Übersetzung des ersten Buches der Geographie des Ptolemäus. Sincerus, T.: Bibliotheca historico-critica oder Analecta Literaria. Nürnberg 1736. 1. S. 347: „Epitaph für Anna Nicodema“: (aus Cod. C, fol. 71); 2. S. 349: Veränderungen an Schreyers „Vorderstube“; (in Auszügen aus: Cod. C, fol. 71—74); 3. ebda.: „Carmina“, Schreyer gewidmet; (aus: Cod. C, fol. 79 f.); 4. S. 349—368: Konrad Celtis, Quatuor Libri Amorum. Liber 1, Nr. 9: Brief Schreyers an Celtis aus dem Jahre 1500; Libri Odarum quatuor. Liber 2, Nr. 23: Celtis’ Ode, Schreyer gewidmet. Waldau, G. E.: Vermischte Beyträge zur Geschichte der Stadt Nürnberg. 4 Bde. Nürnberg 1786—89. Bd. 4, S. 158—162: „Genealogia oder Geschlechtsregister des Erbarn Gottseeligen Mannes Sebald Schreyers weiland Burgers in Nürnberg, wie solche Nahmen in einer ganz silbernen Tafel und Monstranzen gestochen und in St. Sebalds Kirche in der Sacristey gefunden.“ Wölehern, L. C. v.: Historia Norimbergensis Diplomatica. Nürnberg 1738. Würfel, A.: Historisch-genealogische und diplomatische Nachrichten, S. 730—732: Urkunde, St. Sebastian betreffend.

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SCHRIFTTUM I. Norimbergensia Ahlhorn, J.: Die Familie Landauer. In: 1864—1964 Realgymnasium Nürnberg. Festschrift zum 100jährigen Bestehen. Nürnberg 1964, S. 58—102. Künftig: Ahlbom, J.: Die Familie Landauer (= Nürnberger Forschungen 11). 1969. Aign, T.: Die Ketzel — ein Nürnberger Handelsherrn- und Jerusalempilgergeschlecht ( = Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken 12). Neustadt/ Aisch 1961. Mit einem Exkurs: Der Tanz auf dem Nürnberger Rathaus, insbesondere das Tanzstatut des Jahres 1521, S. 100—118. Baader, J.: Nürnberger Polizeiordnungen aus dem 13. bis 15. Jahrhundert (= Bibliothek des Literarischen Vereins 63). Stuttgart 1861. Bauch, G.: Die Nürnberger Poetenschule 1496—1509. In: Mitteilungen des Vereins für Ge­ schichte der Stadt Nürnberg 14/1901, S. 1—64. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs. 2 Bde. Hg. v. Stadtarchiv Nürnberg (= Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg ll/l, 2). Nürnberg 1967. Biedermann, J. G.: Geschlechtsregister des Hochadelichen Patriciats zu Nürnberg. Bayreuth 1748. Bock, F.: Zur Volkskunde der Reichsstadt Nürnberg. Würzburg 1959. Bösch, H.: Eine projektiert gewesene Ausgabe der sogenannten Schedel’schen Chronik. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1/1886, S. 37 f. Borst, A.: Die Sebalduslegenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs. In: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 26/1966, S. 19—178. Burger, H.: Nürnberger Totengeläutbücher I von St. Sebald 1439—1517. Neustadt/Aisch 1961. Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert. Hg. v. C. Hegel. Die Chroniken der fränkischen Städte: Nürnberg, Bde. 1—3, 10—11. Leipzig 1862—1874. Neu­ druck: Stuttgart 1961. Dannenhauer, H.: Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg (= Arbeiten zur deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichte 7). Stuttgart 1928. Dettling, K.: Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 27/1928, S. 97—241. Düll, G.: Das Bürgerrecht der freien Reichsstadt Nürnberg vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Ungedruckte Jur. Diss. Erlangen 1954. Engelhardt, A.: Der Kirchenpatronat zu Nürnberg, seine Entstehung und Gestaltung im Wan­ del der Zeit. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 7/1932, S. 1—16; 65—80. Engelhardt, A.: Die Reformation in Nürnberg (~ Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 3 3). Nürnberg 1936. Erdtmann, C. [Pseudonym für F. Ferner]: Norimberga in flore avitae Romano-catholicae religionis, ex antiquissimis variorum monasterium bibliothecis. Nürnberg 1629. Espig, H.: Das Bauerngericht von Nürnberg. Eine Darstellung seiner Geschichte und Organi­ sation. Tur. Diss. Erlangen 1937. Franz, E.: Nürnberg, Kaiser und Reich. Studien zur reichsstädtischen Außenpolitik. München 1930.

Gelegenhait der landschaft mitsampt den furten und helltten darinnen. Hg. v. F. Schnelbög! u. H. H. Hofmann (= Schriften folge der Altnürnberger Landschaft 1). Hersbruck 1952. Grote, L.: Die „Vorder-Stube“ des Sebald Schreyer — ein Beitrag zur Rezeption der Renais­ sance in Nürnberg. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1954—1959, S. 43—67. Gümhel, A.: Einige neue Notizen über das Adam Kraftsche Schreyergrab. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 25/1902, S. 360—370. Gümhel, A.: Die Verträge über die Illustrierung und den Druck der Schedelschen Weltchronik. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 25/1902, S. 430—437. Gümhel. A.: Sebald Schreyer und die Sebalduskapelle zu Schwäbisch-Gmünd. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 16/1904, S. 125—150. Gümhel. A.: Kirchliche Stiftungen Sebald Schreyers 1477—1517. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 18/1908, S. 99—13 3.

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MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer Gümbel, A.: Die Baurechnungen über die Erhöhung' der Türme von St. Sebald in Nürnberg 1481—1495. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 20/1913, S. 10—94; 21/1915, S. 1—56. Gümbel, A.: Das Mesnerpflichtbuch von St. Sebald in Nürnberg vom Jahre 1482 (= Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 11). München 1929. Haller von Hallerstein, H. Frhr.: Größe und Quellen des Vermögens von hundert Nürnberger Bürgern um 1500. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs 1/1967, S. 117—176. Hampe, T.: Kunstfreunde im alten Nürnberg und ihre Sammlungen. In: Mitteilungen des Ver­ eins für Geschichte der Stadt Nürnberg 16/1904, S. 57—124. Hampe, T.: Nürnberger Ratsverlässe über Kunst und Künstler im Zeitalter der Spätgotik und Renaissance. 2 Bde. Wien 1904. Bes. Bd. 1: 1474—1570. Hampe, T.: Der Anachoret Bruder Jakob in Nürnberg 1504. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 22/1918, S. 294—296. Hampe, T.: Sebald Schreyer vornehmlich als Kirchenmeister von St. Sebald. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 28/1928, S. 155—207. Hartmann, B.: Konrad Celtis in Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 8/1889, S. 1—68. Hase, O.: Die Koberger. 2. Aufl. Leipzig 1885. Heerwagen, H. W.: Zur Geschichte der Nürnberger Gelehrtenschulen in dem Zeiträume von 148 5—1526. Nürnberg 1860. Heimpel, H.: Nürnberg und das Reich des Mittelalters. In: Zeitschrift für bayerische Landes­ geschichte 16, 2/1951, S. 231—264. Herold, M.: Alt-Nürnberg in seinen Gottesdiensten. Gütersloh 1890. Herrmann, M.: Die Reception des Humanismus in Nürnberg. Berlin 1898. Hilpert, J. W.: Geschichte der Entstehung und Fortbildung des protestantischen Kirchenver­ mögens der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1848. Hirsckmann, G.: Das Nürnberger Patriziat. In: Deutsches Patriziat 1430—1740. Büdinger Vor­ träge 1965. Limburg 1968, S. 257—276. Hirsckmann, G.: Die Nürnberger Totengeläutbücher und Ratstotenbücher. In: Blätter für Frän­ kische Familienkunde 7/1958, S. 98—109. Höss, J.: Das religiös-geistige Leben in Nürnberg am Ende des 15. und am Ausgang des 16. Jahrhunderts. In: Miscellanea historiae ecclesiasticae II (= Bibliotheque de la Revue dhistoire ecclesiastique, Fase. 44). Louvain 1967, S. 17—36. Hofmann, H. H.: Nürnberg-Fürth (= Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Reihe I, H. 4). München 1954. Hofmann, H. H.: Nobiles Norimbergenses. Beobachtungen zur Struktur der reichsstädtischen Oberschicht. In: Vorträge und Forschungen 11/1966, S. 53—92. Imhoff, W. Frhr. v.: Genealogisches Handbuch der zur Zeit rats- und gerichtsfähigen Familien der vormaligen Reichsstadt Nürnberg. 9. Forts. Nürnberg 1900. Kamann, J.: Aus Nürnberger Haushaltungs- und Rechnungsbüchem des 15. und 16. Jahr­ hunderts. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 6/1886, S. 57—122; 7/1888, S. 39—168. Kircker, A.: Deutsche Kaiser in Nürnberg. Eine Studie zur Geschichte des öffentlichen Lebens der Reichsstadt Nürnberg von 150CV—1612 (= Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken 7). Nürnberg 19 55. Klüpfel, B. E.: De vita et scriptis Conradi Celtis protucii praecipui renascentium in Germania literarum restauratoris primique Germanorum poetae laureati. Freiburg 1827. Knappe, K. A.: Albrecht Dürer und das Bamberger Fenster in St. Sebald in Nürnberg (— Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft 9). Nürnberg 1961. Kraus, J.: Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Römischen Kurie während des Mittel­ alters. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 41/1950, S. 1—154. Kressei, H.: Hans Werner. — Der gelehrte Pfarrherr von St. Johannis. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 52/1963/64, S. 287—304. Lockner, G. W. K. (Hg.): Des Johann Neudörfer, Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg, Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547. Nebst der Fort­ setzung des Andreas Gulden (= Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance 10). Wien 1875.

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MVGN 56 (1969) Sebald Schreyer Lütge, F.: Der Handel Nürnbergs nach dem Osten im 15./16. Jahrhundert. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs 1/1967, S. 318—376. Mattausck, F.: Die Nürnberger Eigen- und Gattergelder. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 47/1956, S. 1—106. Meyer, J.: Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für Ge­ schichte der Stadt Nürnberg 27/1928, S. 1—96. Meyer, O.: Hartmann Schedel. In: Unbekanntes Bayern 7/1962, S. 177—192. Mummenhoff, E.: Die öffentliche Gesundheits- und Krankenpflege im alten Nürnberg. In: Festschrift zur Eröffnung des neuen Krankenhauses der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1898, S. 1—122. Mummenhoff, E.: Sebald Schreyer. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig 1891, S. 492—494. Mummenhoff, E.: Das Findel- und Waisenhaus zu Nürnberg — orts-, kultur- und wirtschafts­ geschichtlich. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 21/1915; 22/1918.

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ABKÜRZUNGEN Archive und Bibliotheken StAN BB RV RB GNMN Archiv GNMN Bibi. LKAN StadtAN LCons. LL StadtBN StBB StadtA Schwäbisch-Gmünd ÖNBW

Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg Briefbücher des Rates Verlässe des Inneren Rates Ratsbücher Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Bibliothek Landeskirchliches Archiv Nürnberg Stadtarchiv Nürnberg Libri Conservatorii Libri Litterarum Stadtbibliothek Nürnberg Staatliche Bibliothek Bamberg Stadtarchiv Schwäbisch-Gmünd Österreichische Nationalbibliothek Wien Zeitschriften

AKG BHVB JfFL MIÖG MVGN NAB Städtechroniken WDGB ZbKG

14

— Archiv für Kulturgeschichte. Bisher 50 Bde. Berlin 1903—1968. — Bericht des Historischen Vereins für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg. Bisher 104 Bde. Bamberg 1843— 1968. = Jahrbuch für Fränkische Landesforschung. Hg. v. Institut für Frän­ kische Landesforschung an der Universität Erlangen. Bisher 28 Bde. Erlangen 1935—1968. — Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Bisher 74 Bde. Innsbruck 1880—1966. 21 Ergänzungsbde. Innsbruck 1885—1967. = Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bisher 55 Bde. Nürnberg 1879—1968. = Die Achts-, Verbots- und Fehdebücher Nürnbergs von 1285—1400. Hg. v. W. Schultheiß (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Nürnberg 2). Nürnberg 1960. = Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis zum 16. Jahr­ hundert. 36 Bde. Leipzig 1862—1931. Die Chroniken der fränkischen Städte. Bde. 1, 2, 3, 10, 11. Leipzig 1862—1874. = Würzburger Diözesangeschichtsblätter. Hg. v. der Vorstandschaft des Würzburger Diözesangeschichtsvereins. Bisher 30 Bde. Würzburg 19'33—1968. — Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte. Hg. v. Verein für baye­ rische Kirchengeschichte. Bisher 37 Bde. Nürnberg 1926—1968.

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Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Sebald Schreyer, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Das angegebene Todesjahr ist falsch; Schreyer starb im Jahre 1520. (GNMN Kupferstichkabinett, P 3246 Kapsel 889); zitiert bei G. W. Panzer, Verzeichnis von Nürnbergischen Portraiten. Nürnberg 1790, S. 220, Nr. 14. Abb. 2: Das Wappen der Familie Schreyer. (StAN, Cod. A, fol. Ilv). Abb. 3; Instandsetzung der „Liberey“ von St. Sebald. (LKAN, Rep. 14, St. Sebald, Nr. 252, fol. 19«-). Abb. 4; Grundsteinlegung zum Sebastiansspital. (GNMN Bibi., Cod. C, fol. 1S0V). Abb. 5: Ausschnitt aus einem Horoskop für Schreyer von Johann Altenstein. (GNMN Bibi., Cod. C, fol. lov). Abb. 6: Einblattdruck mit der Ode des Konrad Celtis auf den heiligen Sebald, Basel 1945. (GNMN Bibi., Cod. C, fol. 70). Abb. 7; Schreyers Stiftungsbild in einem Missale. (LKAN, Rep. 14, St. Sebald, Nr. 459). (Freundliche Leihgabe von Herrn Archivdirektor Dr. K. H. Dumrath).

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NACHWORT Nicht nur akademischem Brauch folgend, sondern aus dem Gefühl tiefer menschlicher Verpflichtung heraus, habe ich am Ende dieser Arbeit mehreren Personen und Institutionen herzlich zu danken. Dies gilt vor allem meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. O. Meyer für die Zuweisung des Themas, das von Herrn Staatsarchivdirektor Dr. F. Schnelbögl angeregt wurde, für vielfache Ratschläge, Kritik und ständigen An­ sporn und für den materiellen Rückhalt, den er mir lange verschafft hat. Nicht minder danke ich Herrn Professor Dr. H. H. Hofmann, der mir jederzeit Rat, Hilfe und Ermunterung gab. Freundliches Entgegenkommen und vielfältige Unterstützung erfuhr ich in allen genannten Archiven und Bibliotheken, insbesondere durch Fräulein Ar­ chivarin H. Burger, Herrn Staatsarchivdirektor Dr. F. Schnelbögl, der dankens­ werterweise auch bei den Korrekturen mitlas, und Herrn Oberarchivrat Dr. G. Hirschmann. Ihnen bin ich ebenso verpflichtet wie dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg unter Vorsitz von Herrn Archivdirektor Dr. W. Schultheiß für die wiederholte finanzielle Unterstützung und nunmehr für die Aufnahme der Arbeit in diesen Band. Meiner lieben Mutter schulde ich für all ihre so selbstverständlich gegebene Hilfe in gleicher Weise innigen Dank wie meiner Schwester, Frau Grete Hacker, für zahlreiche fotografische Arbeiten und Reproduktionen. Meinem Vater, der den Abschluß dieser Studien nicht mehr erleben durfte, seien sie in stetem Gedenken gewidmet. Würzburg, im Dezember 1967 Elisabeth Caesar

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DIE GROSSE FUSION DER ZECHEN UM DEN RAPPOLT IN SCHNEEBERG UNTER FÜHRUNG DER NÜRNBERGER VON 1514 (1. Teil) von Theodor Gustav Werner

Vorbemerkung Im Sächsischen Landeshauptarchiv Dresden befindet sich inmitten alter „Annabergischer Bergrechnungen von 1507/36“ (Loc. 4496. Vol. I) ein Heft in Folio mit der Aufschrift auf dem Titelblatt: Register uffm Rappolt, Sant Dominicus, Unger, Heilig Kreuz und Greiff. Angefangen Lucie und verrechent Reminissere Anno 1515. Mertinn Honig Schichtmeister. Das Heft verzeichnet die Namen der Gewerken der oben genannten Zechen. Da sowohl der Familienname Rappolt wie auch eine bedeutende Grube Heilig Kreuz in jener Zeit in Annaberg Vorkommen und das Register in einem Aktenbündel von Bergrechnungen aus St. Annaberg aufbewahrt wird, muß der Eindruck entstehen, es lägen Verzeichnisse von Gewerken annabergischer Gruben vor. Doch ist das nicht der Fall. Wie die Namen der meisten der genannten Gruben eindeutig erweisen und Chronisten es bestä­ tigen, handelt es sich um das Namensregister einer durch Fusion entstandenen schneebergischen Großgewerkschaft. Die Bedeutung dieses in seiner Art höchst seltenen Registers ist in erster Linie darin zu suchen, daß es ermöglicht, die soziologische Struktur einer solchen Großgewerkschaft zu rekonstruieren. Das kann jedoch nicht unmittel­ bar geschehen, weil mit geringen Ausnahmen weder Wohnort noch Stand der verzeichneten Personen angegeben sind. Doch läßt sich die Mehrzahl der Ge­ werken als Fernhändler und ihre stärkste Gruppe als nürnbergisch erkennen. Da es sich bei dieser Feststellung nicht um eine vereinzelte, sondern um eine typische Erscheinung handelt, wie in der Einleitung aufgezeigt werden wird, erweist sich, daß die in Oswald Hoppes Abhandlung „Der Silberbergbau zu Schneeberg bis zum Jahre 1500“ (Diss. Freiberg 1908) zum Ausdruck ge­ brachte Auffassung, es hätten die fremden städtischen Handelsherren im schneebergischen Bergbau nur eine beschränkte Zahl von Kapitalisten gestellt, nicht aufrecht erhalten werden kann. Es dominierte hier das fremde Kapital, auf das die ortsansässigen Fundgrübner und Gewerken angewiesen waren. Das gleiche besagen auch die Be­ richte der zeitgenössischen Chronisten. Ende des 15. Jhs. wurde gesagt: „die uslendischen haben groß und vill teile auff dem berg und des berges vil 214

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Genysen“. Und Christian Meitzer spricht in seiner Schneeberger Chronik von unzähligen in- und ausländischen Gewerken. — Die ersten beiden Blüte­ perioden seien den Fremden zugute gekommen. So war es nicht nur in Schnee­ berg, sondern in allen erzgebirgischen Bergstädten. Für Marienberg läßt sich das sogar statistisch belegen. Walter Bogsch führte in seinem Buch „Der Marienberger Bergbau seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“ (Köln 1966) anhand erhalten gebliebe­ ner Ausbeuteverzeichnisse den Nachweis, daß auf die ortsansässigen Gewerken nur ein kleiner Teil der Ausbeute entfiel. Allerdings stand nun in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht mehr das oberdeutsche, sondern das Leip­ ziger Kapital an erster Stelle. Das Gewerkenverzeichnis der Rappolt-Zeche läßt aber nicht nur die Re­ konstruktion der gesellschaftlichen Zusammensetzung der Rappolt-Gewerk­ schaft zu, sondern erlaubt auch den Versuch, die Geschichte ihrer Vereinigung mit den Gewerken von vier anderen Zechen darzustellen. Eine Fusion solcher oder ähnlicher Art zu schildern, war für das 15. und 16. Jh. mangels Unter­ lagen bislang nicht möglich. Einleitung Die Beteiligung von Nürnbergern am Sckneeberger Bergbau und Metallhandel im allgemeinen a) Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und dem Westerzgebirge als Ur­ sache für die Beteiligung von Nürnbergern am Schneeberger Berg und Hüttenwesen Der Bergbau im Gebiet des Schneebergs im Westerzgebirge, dessen Blüte­ zeit in die 70er und 80er Jahre des 15. Jhs. fällt, ist weit älter als die nach ihm benannte Stadt. Urkundlich nachweisbar ließen Zwickauer Bürger schon um das Jahr 1316 Kupferbergbau auf dem Hohenforst bei Kirchberg betrei­ ben *). Spätestens seit 1408 kauften Nürnberger Kaufleute Kupfer in Zwickau ein *2), und wie in Freiberg, werden sie auch hier schon früh als Käufer von Silber aufgetreten sein. Die Chronisten berichten außerdem von altem Zinn-, Kupfer- und Eisenbergbau an anderen Orten der Schneeberger Gegend, ferner von der Grube „Silberwage“ bei Niederschlema, wo zuerst 1440 Silber ge­ wonnen worden sei3). In der Tat verfügte Herzog Friedrich im Jahre 1454, daß alles Silber, das zu Suchberg, Ulrichsberg, Silberwagen, Ehrenfriedersdorf, -

*) Leo Bönhoff, Das Bergwerk Hohenhorst im Mittelalter. In: Alt Kirchberg, 1906, Nr. 11, S. 50. 2) Bayer. Staatsarchiv Nürnberg, Briefb. von 1408 März 22. und von 1452 Aug. 7. (Aus der Samml. der Gesellschaft für Frank. Gesch.) — Seit 1394 lassen sich Beziehungen von Nürnbergern zu Freiberg nachweisen. Stärker denn je richteten sie in der Folgezeit ihre Interessen auf das erzgebirgische Silber und Zinn sowie auf die Metallausbeuten Mansfelds, Böhmens, Ungarns und Polens. Doch mußten sie oft aus zweiter Hand kaufen, da die Landesherren — nicht immer erfolgreich — versuchten, den Silberhandel sich selbst oder ihren Untertanen vorzubehalten (Landeshauptarchiv Dresden, Cop. 43, Bl. 113). 3) Oswald Hoppe, Der Silberbergbau zu Schneeberg bis zum Jahre 1500. Diss., Freiberg 1908, S. 7.

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Grebitz, Zwickau und anderswo gewonnen würde, in die Münze zu Zwickau zu liefern sei4). Noch 1507 wird die Zeche „Silberwaag" oberhalb der Mulde erwähnt5). Durch diesen westlichen Teil des Erzgebirges führte damals eine viel be­ fahrene Handelsstraße, die sich von Altenburg und Leipzig über Zwickau, Kirchberg, Bärenwalde, Lichtenau, Eibenstock und Neudeck nach Böhmen hin­ zog. Sie wurde auch von Nürnbergem rege benutzt, und zwar meist in Ver­ bindung mit dem Besuch der Leipziger Messe6). Aus späteren westerzgebirgischen Geleitsrollen und Testamenten geht hervor, daß Frachtwagen, die die erwähnte Handelsstraße befuhren, u. a. be­ laden waren mit Nürnberger Kramwaren, Tuch, oberschwäbischer Leinwand, Flachs, Leder, Zinn- und Messinggeräten, Harnischen, Stahl- und Eisenwaren, Blei, Unschlitt, Frankenwein, rheinischem Wein, Bier, Hopfen, Fastenspeise, Heringen und anderen gesalzenen Fischen, Brot, Vieh, Fleisch, Butter, Käse, Getreide, Nüssen, Gewürzen und Salz, Güter, die teils im Westerzgebirge abgesetzt, teils weiterbefördert wurden7). Die Gebirgsbevölkerung wurde auf diese Weise mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern versorgt. Die Rück­ fracht bestand hauptsächlich aus Erz und Metallen, die in den Gebirgsstädten eingehandelt wurden7*). 4) St.A. Dresd., Cop. 43, Bl. 53. (Siehe Abkürzungsverz. in Anm. 37.) 6) K. A. Winkler, Geschichtliche Mitteilungen über die erloschenen ... Hütten des Erz­ gebirges und des Vogtlandes, Freiberg 1871, S. 31. — Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen besaßen 1480 u. a. 4 Kuxe an der Silberwage. (Karl Hahn: Die ältesten Schneeberger Zehntrechnungen. In: Neues Arch. für Sä. Gesch. 53, S. 41). — Die eigent­ liche Blütezeit Schneebergs setzte nach Oswald Losan 1471 ein (Annales der Stadt Zwickau von 1231—1534. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Um­ gegend, Heft X, S. 24). •) Friedrich Weißbach, Wirtschaftsgeographische Verhältnisse, Ansiedlungen und Bevölke­ rungsverteilung im mittleren Teile des sächsischen Erzgebirges, Stuttgart 1908, S. 328. — Die Leipziger Geleitsrolle von 1464 berichtet von Fuhrleuten, die aus dem Frankenlande kommen und ihren Weg „uff Leipzigk nehmen“, ferner von Wagen, die „zu Leipzig durchgehen“, von Fuhrleuten „aus dem lande zu Böhmen“ und von „jahrmarktsgüthera, die in die Stadt hinein- und wieder herausgehen“ (Adolf Hofmann, Das Landgeleite in Sachsen, Waldenburg 1931, S. 35 f). — Die sä. Landesherren erteilten damals besonders den Nürnbergem Sdiutzbriefe, daß „sie und ire diner mit leib und gut und allen irer habe und kauffmanschatz ... sicher arbeiten und faren mögen" (St.A. Dresd., Cop. 58, Bl. 21). 7) Thüringisches Landeshauptarchiv, Weimar, Reg. Bb. 2888 f — Weißbach (Anm. 6), S. 328 — St.A. Dresd., XVII, Zwickau, Nr. 3, Loc. 38117, Bl. 570. — Th. G. Werner, Aus der Geschichte des Dorfes Bärenwalde, Kirchberger Zeitung 1936. — U. a. heißt es 1503: „Kramerej zu Nürnberg geladen [über Zwickau] auf Sant Annaberg gefurt“, und 1517: „Hans Schwendörfer in Nürnberg hat Klingen an den Messerer Michel Pruner in Schneeberg geliefert“ (St.A. Nürnberg., Brfb. 77, Bl. 81). — Die Briefbücher des Nürnberger Rats im Staatsarchiv enthalten zahlreiche Briefe an die Stadtgerichte in Schneeberg, Zwickau u. and. erzgebirg. Städten mit dem Ersuchen, den Nürnberger Kaufleuten bei der Eintreibung ihrer Geldforderungen Hilfe zu leisten. — Auch der Ratsfreund Caspar Nützel d. Ä. hatte Gläubiger in Schneeberg (St.A. Nmbg., Brf. b. 1549, Nov. 11). 7a) Zu den ausgeführten Metallen gehörte auch Silber, obwohl es im allgemeinen im Lande vermünzt werden sollte. Das aber war nicht immer möglich, und auch sonst wurden manche Gewerken mit der freien Silberausfuhr privilegiert (Werner (Anm. 10), I, S. 146. — Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, III. Aufl., München 1919, I, S. 564). Näheres darüber findet sich im Abschnitt über den Fernhandel mit Schneeberger Silber.

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Bei Lichtenau unweit Schneebergs gibt es noch heute das Haus einer alten Landfuhrmannsherberge mit fast 100 Fenstern. Es stammt aus einer etwas späteren Zeit. Die Herberge selbst aber bestand wohl schon damals. Sie bot Fuhrleuten, Händlern und Kaufleuten auf der Fahrt durch das Gebirge eine Raststätte. Hier und in den Fuhrmannsherbergen der benachbarten Ortschaft ten Bärenwalde und Kirchberg, wo sich auch Geleitsämter befanden, mußten sich damals unzählige einheimische und fremde Kaufleute, die zum Teil ihre Waren noch selbst begleiteten, begegnen. Besonders zahlreich waren darunter Nürnberger, Leipziger und Zwickauer Fernhändler vertreten. Das läßt sich anhand erhalten gebliebener Zwickauer Geleitsregister erweisen8). Es liegt auf der Hand, daß diese Männer hier auf die vielen Erzlagerstätten, wie sie immer und immer wieder aufgedeckt wurden — im stärksten Maße seit 1471 —, besonders aufmerksam wurden und mit den Fundgrübnem über Be­ teiligungen und Erzkäufe verhandelten. Aber auch in Zwickau und Leipzig hörten sie von dem „Berggeschrei" und erwarben auf den Märkten und Messen Kuxe9). So mag es z. B. auch der Zwickauer Geleitseinnehmer Hieronimus Zorn gehalten haben, als er Gewerke der Zeche Rappolt und anderer Gruben wurde. Riesige Silberfunde und Gewinnverteilungen9*) hatten zur Folge, daß nicht nur Nürnberger, Leipziger und Zwickauer Bürger, sondern auch solche aus vielen mitteldeutschen und selbst ferner gelegenen Städten sowie Fürsten, Adlige und Geistliche Schneeberger Kuxe erwarben. Doch durch ihren oben geschilderten Handel mit der Gebirgsbevölkerung kamen die oberdeutschen, Leipziger und Zwickauer Kaufleute mehr als alle anderen mit dem Bergbau unmittelbar in Berührung und wurden dadurch am stärksten zur Beteiligung an den Gruben angeregt. Manche nahmen in den Bergstädten ihren Wohnsitz, andere schickten einen Faktor dorthin. Das taten auch die Augsburger Fugger und Welser, deren Repräsentanten sich in Zwickau, Schneeberg, St. Annaberg, Marienberg, Altenberg und St. Joachimsthal nachweisen lassen10). Im Jahre 1507 floh der Fugger’sche Faktor Andreas Matstet vor der im Gebirge gras­ sierenden Pest mit seinem Hausgerät von Schneeberg nach Leipzig n). Gerade für eine Reihe von Nürnberger und Leipziger Gewerken der Zeche Rappolt können Handelsbeziehungen zum Erzgebirge nachgewiesen werden,

8) St.A. Weim., Reg. Pp. 368, 2—5. 9) Gerhard Fischer, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470—1650, Leip­ zig 1929, S. 488: Bergteil; S. 491: Kuxe. 9a) Die Gesamtausbeute des Schneeberger Bergbaus von 1470—1483 errechnet Karl Hahn (Anm. 5, S. 41) mit 3 52.788 Mark Silber. Sie hatten einen Wert von 2.822.305 fl bei einem Silberpreis von 8 fl die Mark. 10) Karl Hahn, Die Zwickauer Welser. In: Heues Archiv f. Sä. Gesch., 48, Dresden 1927. — Karl Roßmann, Vom Handel der Welser um die Wende zum 16. Jh., Diss. München 1933. — Johann Michael von Welser, Die Welser, Nürnberg 1917. — Götz Frhr. v. Pölnitz, Jakob Fugger, Tübingen 1949/1951. — Th. G. Werner, Das fremde Kapital im Annaberger Bergbau und Metallhandel des 16. Jhs. In: Neues Arch. f. Sä. Geschichte, Bd. 57 und 58, II, S. 3—13, 23. u) St. A. Weim., Reg. Pp. 368, 5.

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woraus sich der Schluß ziehen läßt, daß solche Beziehungen auch in diesem Fall wesentlich zum Erwerb von Kuxen beigetragen haben. b) Nürnbergische, Leipziger und Zwidkauer Rappolt-Gewerken im Handel mit dem Westerzgebirge Um den geschilderten Zusammenhang zwischen Handel und bergbaulichen Beteiligungen noch schärfer unter Beweis zu stellen, seien schon hier — späte­ rer Darstellung vorgreifend — u. a. eine Anzahl Nürnberger und Leipziger Kaufleute genannt, die in der Zeit des endenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts im Westerzgebirge Handel trieben und in Schneeberg u. a. Be­ teiligte der Zeche Rappolt wurden. Es handelt sich dabei um folgende Männer: Heinz Probst, Leipzig, Gilg Kraus, Schneeberg, aus Nürnberg aus Mittelfranken Hans Tentzel, Nürnberg Hans von Leimbach, Leipzig Katharina Haller, Nürnberg Veit Wiedemann, Leipzig Stefan Gabler, Nürnberg Caspar Zorn, Zwickau Dietrich Monia, Leipzig Matthias Zabelstein, Leipzig, Merten Leubel, Leipzig, aus Nürnberg aus Franken Merten Richter, Leipzig Im einzelnen ist dazu auszuführen: Handelsinteressen dürften es gewesen sein, die den einer bekannten Nürn­ berger Gewerkenfamilie entstammenden Gilg Kraus veranlaßten, in Schnee­ berg Wohnsitz zu nehmen 12) und u. a. auch Rappolt-Gewerke zu werden. Der Nürnberger Hans Tentzel schickte über Zwickau Leinwand, Nürn­ berger Kramwaren und Faßware nach Leipzig und ließ Heringe sowie andere Salzfische von Leipzig über Zwickau nach Nürnberg führen13). Auch er be­ teiligte sich am Rappolt. Der Nürnberger Patrizier Hans Haller errichtete lange vor 1478 in Schnee­ berg einen „Bergwerks- und Pfennwerthandel“. Er befand sich in diesem Jahr — vielleicht wegen hoher Zubußen — in Zahlungsschwierigkeiten14). Sicher war es sein halber Kux gewesen, den später die Katharina Hallerin am Rappolt besaß. Zur gleichen Zeit hatten die Nürnberger Heinrich Wolf, Nikolaus Gabler, Hans Thanhauser und der Patrizier Nikolaus Groß(e) gemeinsame Handels­ oder Bergwerksinteressen auf dem Schneeberg. Peter Gabler ist 1511 als Be­ sitzer von Schneeberger Kuxen nachweisbar15). Und Stefan Gabler, der Wirt zum Goldenen Kreuz in Nürnberg — zeitweise Genannter des Großen Rats und Faktor der Augsburger Höchstetter 16) — beteiligte sich mit einem Kux am Rappolt. 12) St.A. Weim., Reg. Bb. 2889 f. — Am 1. 12.1503 verkaufen Gilg Kraus zu Schneeberg u. Jacob Kraus zu Nürnberg ihre ererbte Behausung zu Nürnberg an Sebolt Planck (StadtA. Nbg., lib. lit. 5 (20), Bl. 6). 13) St.A. Weim., Reg. Bb. 8182. 14) Germ. Nat. Mus., Orig. Urk. vom 3. Okt. 1478. Zit. bei Welser, Die Welser, I., S. 46. 15) St.A. Weim., W. A., Bgw. S., Kaps. 6, Nr. 6 und 14. 16) MVGN 47, S. 448. — StadtA. Nrnbg., Kons. 21, Bl. 144).

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Der Metallhändler Dietrich Monia in Leipzig hatte 1519 Geldforderungen in Zwickau17), was auch auf Handelsbeziehungen zum Erzgebirge hinweisen und die Mitursache gewesen sein dürfte, daß er Gewerke am Rappolt wurde. Merten Leubel in Leipzig, der aus Nürnberg stammte, ließ 1503 in Zwickau „Kramfäßlein“ feilhalten 18). Auch er wurde wohl dadurch — viel­ leicht schon in Leipzig — auf den Rappolt hingelenkt. Der Leipziger Tuch- und Metallfernhändler Merten Richter (aus der Niederlausitz stammend), kaufte in Zwickau regelmäßig das bekannte Zwickauer Tuch ein19). Im Handel mit Tuch erscheint er noch zu Beginn der 40er Jahre in Schneeberg20). Einer seiner Schuldner mag ihm seine Beteiligung am Rappolt abgetreten haben. Der Leipziger Metallwarenfernhändler Heinz Probst (aus Mittelfranken stammend) verkaufte u. a. Unschlitt im Gebirge, während seine Frachtwagen mit großen Mengen Silber nach Dresden und auch mit Zinn von Geier über Zwickau nach Nürnberg rollten21). Wie kaum anders zu erwarten, nahm auch er am Rappolt teil. Der Leipziger Metallfernhändler und kurfürstlich sächsische Rentmeister Hans von Leimbach (wohl aus Leimbach im Mansfeldischen stammend) und seine Gesellschaft holten in großen Mengen aus Oberschlema bei Schneeberg Schwarzkupfer, sandten es an ihre Saigerhütte im Hasenthal in Thüringen und verkauften das dort erzeugte Kupfer und Silber u. a. nach Nürnberg22). Ebenso tat dies der Leipziger Ratsherr, Tuch- und Metallhändler und Hüttenherr Veit Wiedemann (aus Baden stammend), der das Kupfer nach seiner und seiner Gesellschaft Saigerhütte bei Luderstadt fahren ließ23). In gleicher Weise holte der Zwickauer Ratsherr und Metallhändler Kaspar Zorn regelmäßig Kupfer aus Niederschlema und ließ es durch seine Knechte zum Saigern in die Kupfersaigerhütte des Veit Wiedemann bei Luderstadt führen24). Es war unzweifelhaft die Folge solcher Beziehungen, daß Leimbach, Wiedemann und Zorn Gewerken des Rappolt wurden. Und Mattias Zabelstein, Unterzehnter der Landesherren und Leipziger Fernhändler (aus Franken stammend) fuhr in Amts- und Handelsangelegen­ heiten regelmäßig nach Schneeberg, handelte nach Polen25) und dürfte — wie es sein Landsmann und Amtsvorgänger Martin Römer getan hatte — auch Silberhandelsgeschäfte betrieben haben. Dadurch wird er auch Rappolt-Gewerke geworden sein. 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25)

StadtA. Lpzg., Richterbuh von 1519. St.A. Weim., Reg. Bb. 2889. — Fischer (Anm. 9), S. 106. St.A. Weim., Reg. Bb. 2889. — Fischer (Anm. 9), S. 26 passim. StadtA. Lpzg., Schöffenbücher. St.A. Dresd., Mise. Schulden, Nr. 560 (1505). — St.A. Weim., Reg. Bb. 2889. — Fisher (Anm. 9), S. 110 ff. St.A. Nürnbg., Brf.b. von 1495 Juli 14. — R. V. 1495 Juli 14. — St.A. Weim., Bb. 2889. — Fischer (Anm. 9). St.A. Weim., Reg. Bb. 2889. — Fisher (Anm. 9), S. 135—141. St.A. Weim., Reg. Bb. 2889. Fisher (Anm. 9), S. 131. — St.A. Dresd., W. A., Poln.Sa., Nr. 70.

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Alle diese Kaufleute wurden also ohne jeden Zweifel durch ihre Handels" tätigkeit im Erzgebirge zu ihrer Beteiligung an der Zeche Rappolt wie auch an anderen Gruben angeregt. Die Aufdeckung eines solchen Zusammenhangs muß als selten und äußerst glücklich angesehen werden. Und ebenso wie bei den obigen wird es sich bei den vielen anderen Rappolt" und sonstigen Ge" werken in Nürnberg und anderen Städten verhalten haben, bei denen solche Handelsbeziehungen nicht unmittelbar nachgewiesen werden können. c) Beteiligungen am Schneeberger Bergbau von Nürnbergern, die nickt Rappolt-Gewerken waren. Um den Rahmen darzustellen, in welchem sich die Gründung und Geschichte der Zeche Rappolt und ihrer Gewerkschaft abspielte, und um den Nachweis für den engen Zusammenhang zwischen Handel und bergbaulicher Beteiligung weiter zu erhärten, seien hier noch solche Beziehungen Nürnbergs zum Westerzgebirge behandelt, die sich nicht unmittelbar auf den Rappolt beziehen. Es zeigt sich dabei, daß die starke noch nachzuweisende Beteiligung von Nürnbergern am Rappolt nicht etwa eine vereinzelte Erscheinung, sondern typisch für die Jahrzehnte um 1500 war. Die sog. „Nürnberger Zeche“ in Schneeberg26) war wohl hier eine der ältesten Gründungen. — Auch die 1477 genannte St. Lorenz-Zeche27) dürfte von Nürnbergern gegründet worden sein. Denn nicht nur waren u. a. die Nürnberger Stefan Brunster und Bartolomäus Gauch daran beteiligt28), Son­ den eine Zeche mit dem Namen „St. Lorenz derer von Nürnberg“, deren Schichtmeister Michel Gundlach aus Nürnberg war, gab es auch in Marienberg29). Und kein Zweifel kann darüber bestehen, daß die Schneeberger Zeche St. Sebald, an der der Leipziger Rat um 1500 mit 8 Kuxen beteiligt war30), ihren Namen dem Heiligen St. Sebald, der in der Reichsstadt an der Pegnitz so hoch verehrt wurde, zu verdanken hat. Auch an der „Kaufleute-Zeche“81) dürften Nürnberger Anteil gehabt haben. Und zahlreich werden sich solche unter den Gewerken jener Zechen befunden haben, die von dem Schichtmeister Sebastian von Nürnberg geleitet wurden. Es waren dies die Zechen „Goldener Baum“, „St. Martin“, „St. Ursula“, „Kreuzgang“, „Leipziger Zeche“ und „Reiches Erbe“32). Das gleiche war bei anderen Zechen zweifellos dann der Fall, wenn deren Leitung in Händen von Nürnbergern lag, so etwa bei jenen, die der Nürn28) Christian Meitzer, Chronik von Schneeberg, 1684, S. 117. 27) Hoppe (Anm. 3), S. 152. 28) Codex Diplomatien Saxoniae regiae: H. Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Freiburg, Leipzig 1883/86, II, S. 317. 29) Walter Bogsch, Der Marienberger Bergbau in der ersten Hälfte des 16. Jhs., S. 103. — Derselbe, Der Marienberger Bergbau seit der zweiten Hälfte des 16. Jhs., Köln 1966 S. 267. 30) Emst Kroker, Leipzig und die sächsischen Bergwerke. In: Schriften des Vereins f. d. Gesch. Lpzgs., Bd. IX, Lpzg. 1909, S. 43. 31) Meitzer (Anm. 26), S. 716. 32) Hoppe (Anm. 3), S. 153 f.

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Zechen in Schneeberg

berger Nickel Gaulenhofer verwaltete, und so auch nachgewiesenermaßen bei der Zeche Rappolt, deren Schichtmeister der Nürnberger Merten Honig war. Auf nümbergische Herkunft und entsprechende Beteiligung könnten u. a. noch die Namen folgender Schichtmeister hinweisen: W. Behem Hans Reutter Hans Bart Jorgen Arzt Hans Knoll Mathes Stengel Gregor Heßler Hans Dumpling Peter Hertel Johann Roßner Ulrich Scherer Niclas Petzold Dietrich Kaldenhußen Hans Hut Hans Raspe Hans Rost Kunz Kessler. Gregor Rockenbach Es sind dies Träger von Familienname, die zum größten Teil in der Metallwirtschaft Nürnbergs bekannt sind33). Mindestens einige von ihnen stammen bestimmt aus Nürnberg. Und ebenso könnte der Gegenschreiber Matthias Forwerger in Schneeberg, der um 1489 sein Amt innehatte84), Nürnberger gewesen sein. Denn gerade 148 8 werden die Förrnberger in der Reichsstadt an der Pegnitz als ehrbare Kaufleute genannt85). Zu Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jhs. und später tritt die Förenbergische Handelsgesell­ schaft stark hervor36). Im Hinblick auf so viele erzgebirgische Metallhandwerker, Hüttenleute und Hammerschmiede aus Nürnberg könnte auch Michel Greus, der 1476 den ersten Richtschacht in Schneeberg baute, nümbergischer Herkunft sein. Denn 1492 lebte der Schmied Hans Greuß als Besitzer eines großen Eckhauses in der Cramergasse in Nürnberg36a). Daß diese Vermutungen der Herkunft schneebergischer Facharbeiter aus Oberdeutschland auf Grund von Namensvergleichung nur ausgesprochen wer­ den unter Berücksichtigung zahlreicher erwiesener Fälle, braucht kaum be­ sonders betont zu werden. Auf den folgenden Abschnitt f wird dieserhalb be­ sonders hingewiesen. Von einer stattlichen Anzahl Nürnberger, die durch Kuxbesitz oder Mit­ besitz von Hütten- und Hammerwerken am Bergbau Schneebergs und seiner Umgebung beteiligt gewesen sind, sind die Namen überliefert worden und nachstehend aufgeführt, doch mit Ausnahme derjenigen, die sich für dauernd in Schneeberg oder im Erzgebirge niedergelassen haben, falls nicht nachge38) Vgl. darüber die MVGN (Register Bände 1951, 1953, 1961). — Beiträge zur Wirtschafts­ geschichte Nürnbergs, Nmbg. 1967, 2 Bd. — Hoppe (Anm. 3), S. 150—154. — St.A. Dresd., Mise., Bergwerke, Nr. 446, (1526). 34) Stadtarchiv Erfurt, libr. com. 1483, Nr. 54. 85) Helmut Frhr. Haller v. Hallerstein, Größe und Quellen des Vermögens von hundert Nürnberger Bürgern um 1500. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nrnbgs., I, S. 152. 36) Gerh. Pfeiffer, Die Bemühungen der oberdeutschen Kaufleute um die Privilegierung ihres Handels von Lyon. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, I, S. 419. — Vgl. weiter MVGN 27, S. 188, 222, Bd. 43, S. 346. 3ßa) Wilsdorf (Anm. 149), S. 369. — Haller (Anm. 3 5), S. 134. — MVGN 38, S. 51.

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wiesen ist oder vorausgesetzt werden kann, daß sie schon vor ihrer Über" Siedlung ins Gebirge am Bergbau beteiligt waren. Ferner sind hier noch nicht jene Nürnberger Gewerken der vereinigten Rappolt-Zechen aufgeführt, von denen einzig und allein ihre Beteiligung an dieser Gewerkschaft bekannt geworden ist. Verzeichnis von Nürnbergern, die am Bergbau Schneebergs und seiner näheren Umgebung beteiligt waren (mit Ausschluß derjenigen, von denen nur ihre Beteiligung am Rappolt be kannt geworden ist. Das im Anhang erscheinende Verzeichnis der Rappelt Gewerken ergänzt diese Liste)S7) 148 5: Michel Bart (StadtA. Nrnbg. lib. lit. (2) Bl. 119) 1417: Steffan Brunster (Frbg. Urk.b., II, S. 317) 1543: Moritz Bücher (St.A. Weim., T 9, Bl. 48) 1552: Hans Dietz (StaatsA. Nrnbg., Ratsv. 1552 Okt. 18) 1480: Hans Eybe (Frbg. Urk.b., II, S. 340) 1524: Hans Frey (StadtA. Nrnbg., Kons. 19, Bl. 113b f) um 1484: Cuntz Fuchs (StadtA. Nrnbg., Kons. D., Bl. 67) 1543: Siegmund Fürer (St.A. Weim., T 9, Bl. 48) (Patrizier) 87) Die obige Liste nennt folglich auch schon solche Gewerken der Zeche Rappolt, von denen eine Beteiligung an anderen Gruben nachweisbar ist. — Die Liste der nümbergisehen Rappolt-Gewerken folgt im Anhang. Die Trennung in zwei Listen muß erfolgen, weil sonst die Einheit der Geschichte der Zeche Rappold gestört würde. — Die Abkür­ zungen haben folgende Bedeutung: Arnold = Georg Arnold (Anm. 104) H. Aubin = Hermann Aubin (Anm. 79) Dettling = Käthe Dettling (Anm. 73) Fischer = Gerhard Fischer (Anm. 9) Frbg. Urk.b. = Urkundenbuch der Stadt Freiberg (Anm. 28) Germ. Mus. = Germanisches National-Museum Nürnberg Grote = Ludwig Grote, Die Tücher, München 1961 v. Haller = Helmut Haller v. Hallerstein (Anm. 35) Klier = Richard Klier (Anm. 43) Kramm = Heinrich Kramm (Anm. 63) Meitzer = Christian Meitzer (Anm. 26) MVGN = Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Mummenhoff = E. Mummenhoff (Anm. 57) Petz = H. Petz (Anm. 48) Sieber = Siegfried Sieber (Anm. 65) Silberschmidt = Wilhelm Silberschmidt (Anm. 71) Sommerfeld = Gustav Sommerfeld (Anm. 88) Schaper = Christa Schaper (Anm. 44a) Schultheiß = Werner Schultheiß (Anm. 44) StaatsA. Nrnbg. = Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg St.A. Dresd. = Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden St.A. Weimar = Thüringisches Landeshauptarchiv Weimar St.A. Lpzg. = Stadtarchiv Leipzig StadtA. Nrnbg. = Stadtarchiv Nürnberg Werner = Theod. Gust. Werner (Anm. 10) Will = Georg Andreas Will (Anm. 41)

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1478: Nikolaus Gabler 1511: 1543: 1477: 1505:

Peter Gabler Caspar Ganser Bartholomäus Gaudi Dorothea u. Agnes Gauch

1491: Sebastian Gaudi 1477: Andreas Gaulenhofer 1486: Nickel Gaulenhofer 1478: Nikolaus Groß(e) (Patrizier) 1478: Hans Haller 1543: Christoph Holzschuher (Patrizier) 1556: Leopold Holzschuher (Patrizier) 1595: Marcus Holzschuher (Patrizier) 1500: Johann Hübsch 1490: Hans Huet 1521: Martin Huet 1478: Hans Hüterin d. J. 1479: 1543: 1521: 1486:

Conrad Imhof (Patrizier) Steffan Kemlin Sebolt Ketzel Hans König

ca. 1500: Nikolaus Laubing 1478: Kunz Lindner 1484: 1511: 1521: 1537: 1518: 1539:

Hans Lochhausen Hans Mugenhofer Hans Neumann Konrad Neuner Andreas Oertl Sigmund u. Martin Pfinzing (Patrizier) ca. 1530: Andreas von Ploben (= Blau) 1537: Hans u. Christof von Plawen

(St.A. Dresd., W. A., Bergw. S. Kaps 6, 14) (StadtA. Nrnbg., lib. lit. (26), Bl. 175) (St.A. Weim., T 9, Bl. 48) (Frbg. Urk.b., II, S. 317) (Schaper, Glockengießer. In MVGN 51, S. 181 f.) (ebd.) (Sommerfeld, Albinus. In: N. A. f. sä. G., 39) (Meitzer, S. 187) (St.A. Dresd., W., Bgw.S., Kaps. 6, Nr. 14 — Frbg. Urk.b., II, S. 340) (Germ. Mus., Urk. v. 3. 10. 1478 — Haller, 100 Nrnbg., S. 123) (Meitzer, S. 176) (Arnold, Chronicon, S. 107) (Meitzer, S.176, 181) (Sommerfeld, Albinus. In: N. A. f. sä. G., 39) (Meitzer, S. 153) (Meitzer, S. 153) (St.A. Dresd., W. A. Bgw. S., Kaps. 6, Nr. 14 — St.A. Nrnbg. R.~V. 1478, Okt. 10) (v. Haller, 100 Nrnbg., S. 123) (Kramm, S. 116) (StadtA. Nrnbg., Kons. 15, BL 151) (St.A. Dresd., W. A., Bgw. S., Kaps. 6, Nr. 10) (Fischer, Lpzg., S. 50) (St.A. Dresd., W. A., Bgw. S., Kaps. 6, Nr. 14) (StadtA. Nrnbg., Kons. D., Bl. 67) (StadtA. Nrnbg., lib. lit. (26) Bl. 175) (StadtA. Nrnbg., Kons. 15, Bl. 151) (Silberschmidt, S. 301) (StadtA. Lpzg., Ratsb. 4, Bl. 226) (St.A. Weim., Reg. T 9, Bl. 7. — Werner, Annaberg, S. 30) (H. Aubin, Verlag, S. 666 f) (Silberschmidt, S. 301) 223

MVGN 56 (1969) Zechen in Schneeberg

1536: Adam Rech 1558: Hieronimus Resch 1510: Hans Richter

(Mummenhoff, Der Rechenberg. In: MVGN 16, S. 196) (St.A. Nrnbg., Brf. b. 164, Bl. 167, 1558 Dez. 15) (Bergamt Freiberg, — Schneebg. Lehnb. von 1509)

1478: Martin Römer, Zwickau, 1486: 1523: 1535: 1534: 1535: 1536: 1534: um 1470:

Nbger. Bürger Nickel Römer, Martin Römers Bruder, Zwickau Michel Roth Wolf Rothin Gabriel Scheurl Anton Schlüsselfelder (Patrizier) Gregor Schlüsselfelder Peter Schlüsselfelder Ulrich Schütz, Chemnitz, aus Nürnberg

um 1470: Hans Schütz (d. Ä) um 1500: Hans Schütz d. J., Hiero-

nimus, Ambrosius, Gre­ gor, Augustin, Marcus, Sebastian u. Lukas Schütz, Nümbg. u. Schneeberg 1535: Marx Semler 1509: Hans Semler 1491: 1478: um 1600: 1505: 1480: 1478:

Hans Springenklee Niklas u. Hans Staude Jörg Stempel Jörg Stuchs Hans Teczel (Patrizier) Hans Thanhauser

1478: Niklas Topler um 1479: Berthold Tücher

(Werner, Annaberg, S. 139) (Will, Münzbelustig., 31, S. 245) (Klier, Schütz, S. 206) (St.A. Weim., Reg. T, Bl. 26) (Sieber, Zinn, S. 151) (St.A. Weim., Reg. T 9, Bl. 26) (StadtA. Lpzg., Ratsb. 6, Bl. 265) (StadtA. Lpzg., Ratsb. 6, Bl. 200) (Rolf Abigt, Die Schütz zu Geyer, S. 2. — St.A. Weim., Reg. T 9: 4 Kx. an der Rechten Fundgrube). (Meitzer, S. 468) (Klier, Schütz, S. 189, 200, 212. — Meitzer, S. 468. — Bergamt Freibg., Schneebg. Lehnbuch von 1509) (St.A. Weim., Reg. T 9, Bl. 26) (Bergamt Freibg., Schneebg. Lehnbuch von 1509) (Meitzer, Schneebg., S. 123, 359) (Dettling, Metallhandel, S. 221 f) (MVGN 30 S. 112) (Freibg. Urkb., II, S. 3 54) (StA. Dresd., W. A., Bergw. S., Kaps. 6, Nr. 14) (Meitzer, Schneebg., S. 3 59) (Grote, Tücher, S. 32)

(Patrizier) 1504: Bernhard Walter 1485: Berchtold Weylhaimer 1479: Heinrich Wolf

1505: Heinrich u. Sebolt Zinner

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(Petz, Regiomontan. In MVGN 7, S. 241) (StadtA. Nrnbg., lib. lit. (2), Bl. 199) (Schultheiß, Finanz, S. 106. — Haller, 100 Nrnbg., S. 123. — St.A. Dresd., W.A., Bgw\ S., Kaps. 6, Nr. 14) (Schaper, Glockengießer. In: MVGN 51, S. 181 f)

MVGN 56 (1969) Zechen in Schneeberg

um 1500: Erhärt Zyner

(StA. Dresd., W. A., Bgw. S., Kaps. 6, Bl. 99) Die vorstehend aufgeführten Personen stellen natürlich nur einen ganz winzigen Bruchteil der Gesamtzahl der beteiligten Nürnberger dar. Nur zu­ fällig sind diese und andere Namen in Gerichtsakten und Stadtbüchern über­ liefert worden, meist nur mit der Angabe, daß ihre Träger Bergteile in Schneeberg besaßen. Wenigstens über einige von ihnen kann aber noch Nähe­ res mitgeteilt werden. Besonders hervorzuheben ist die Tätigkeit der Gebrüder Niclas und Hans Staude in Nürnberg, die sich zeitweilig im Erzgebirge aufhielten und sich hier an vielen Gruben beteiligten. 1473 versuchten sie das bereits genannte Kupfer­ bergwerk Hohenforst bei Kirchberg, das ersoffen war, wieder in Betrieb zu nehmen. Sie verbauten dabei ohne jeden Erfolg 4500 Gulden38). Es entstanden die sogenannten Staudenhäuser bei Kirchberg, die manchen Nürnberger be­ herbergt haben werden39). Die Anregung zu diesem Versuch hatte der Zwickauer Amtshauptmann, Silberhändler und Schneeberger Großgewerke Martin Römer gegeben, der auch Nürnberger Bürger war und lebhafte Handelsbeziehungen mit Nümbergern unterhielt. Es gab im 15. Jh. eine begüterte Kaufmannsfamilie Römer in Nürnberg40), und es fungierte um 1393 auch ein Münzmeister Römer in der Reichsstadt. Martin Römer stiftete im Augustinerkloster in Nürnberg einen Jahrtag41). Und jene 10 000 fl, die er in Zwickau dem „Reichen Almosen“ stiftete, legte er in Nürnberg an. Offenbar waren es Silberhandelsinteressen, die ihn und seinen Bruder Nikolaus oder deren Vater Hans nach Zwickau geführt hatten. — Ob er vor 1514 am Rappolt oder an einer der mit diesem vereinigten Gruben beteiligt war, steht dahin. Doch war er einer der Hauptge­ werken der St. Georgenzeche, an der auch der Fuggersche Faktor Andreas Mattstedt als Vorsteher mit 4 Kuxen, ferner der Zwickauer Bürger Hans Drechsler (aus Nürnberg?) mit mehreren Kuxen und Hans Schütz in Nürnberg beteiligt waren. Ein Kux dieser berühmten Zeche wurde in den 70er Jahren mit 1000—2000 fl, ein solcher des sogenannten Römerstollen mit 1500 fl bewertet. Im Hinblick auf seinen riesigen Reichtum darf man annehmen, daß Martin Römer auch Gewerke der Alten Fundgrube war, deren Kuxe sogar einen Preis von 3000 fl erreichten. Die „Rechte Fundgrube“ und die „Mün­ zerzeche“ wurden von ihm begründet oder mitbegründet. Ein Kux der Rechten 38) Bönhoff (Anm. l), S. 41. 39) A. Bär, Beiträge zur Geschichte der Herrschaft Wiesenburg, Kirchberg 1898, S. 42. — Später betätigte sich Staude besonders in Neustädtel (Meitzer (Anm. 26), S. 123). 40) Freundliche Mitteilungen der Herren Archivdirektoren Dr. Fritz Schnelbögl und Dr. O. Puchner, Nürnberg, vom 21. 3. 67 und 24. 10. 1968. — Eine Rückfrage beim Staatsarchiv in Nürnberg wegen eines ungenauen Regests erbrachte bei Nachprüfung der betr. Urkunde durch Archiv.-Dir. Puchner den endgültigen Beweis, daß Martin Römer in Zwickau Nürn­ berger Bürger war. — Über die wirtschaftl. Tätigkeit dieses bemerkenswertesten Mannes des Erzgebirges jener Zeit soll ein Aufsatz des Verfassers näher berichten. 41) Franz Bastian, Das Runtingerbuch, Regensburg 1935/44, Urkunden aus Nürnberg, S. 160 passim. — Georg Andreas Will, Nümbergische Münzbelustigungen, Nürnberg 1767, 31, S. 245. — H. Klotz, Neue Sä. Kirchengalerie. Die Ephorie Zwickau, Leipzig 1902, S. 83. 15

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Fundgrube brachte von 1472—1477 einen Gewinn von 4265 Gulden. Als Silberhändler verhandelte Römer das Schneeberger Silber u. a. nach Venedig, Nürnberg und Köln 42). Der erwähnte Hans Schütz in Nürnberg, Bruder des Chemnitzer Saiger­ hüttenherrn Ulrich Schütz, erwarb um 1470 viele Kuxe in Schneeberg und wurde dadurch reich. Er war u. a. nicht nur an der Zeche St. Georg, sondern auch an einem reichen Kupfergang beteiligt. Beide Zechen warfen große Ge­ winne ab. Von seinen Söhnen, die des Vaters Kuxe erbten, wurden Hans (II.), Gregor und Lukas in Schneeberg ansässig. Aber auch deren Brüder Hieronimus, Ambrosius, Augustin, Marcus und Sebastian hatten von des Vaters Kuxen „ihre gute Nahrung". Ebenso war Ulrich Schütz Schneeberger Ge­ werke, der außerdem Kuxe in Freiburg und Ehrenfriedersdorf43) besaß. Sein Sohn Caspar erscheint als Gewerke des Rappolt. Wenn Heinrich Wolff in Nürnberg am Schneeberger und Schwazer Silber­ bergbau beteiligt war und sein Vermögen um 1500 auf 100 000 Gulden ge­ schätzt wurde44), so dürften die Gewinne aus solchen Beteiligungen einen erheblichen Teil seines Vermögens dargestellt haben. Der Nürnberger Sebastian Gauch, der 1491 in der Fremde (in Schnee­ berg?) verstarb, besaß „einen halben gugguß auf dem Mülberg in der Mün­ zerzech bey dem Schneeberg", der Anteil gelangte nacheinander in die Hände des Erhärt Zinner in Nürnberg, dann der Schwestern Agnes und Dorothea Gauch und 1505 der Brüder Heinrich und Sebolt Zinner44a), die alle in der Reichsstadt lebten. — Es handelt sich bei der Münzerzeche um das 1478 von Martin Römer und seiner Gewerkschaft eröffnete berühmte Bergwerke am Mühlberg, von dem ein Kux alsbald den Preis von 1400 fl erlangte45). Nürn­ berger waren also auch an dieser reichen Zeche beteiligt. 4*) Petrus Albinus, Meißnische Land- und Berg-Chronica, Dresden 1589, S. 36. — E. Herzog, Chronik der Kreisstadt Zwickau, 1839, S. 139. — Otto Langer, Über drei Kunstwerke der Marienkirche zu Zwickau. In: Mitt. d. Altert.V. f. Zwickau, Zwickau 1919, S. 84. — Hahn (Anm. 5), S. 46. — B. Kuske, Quellen zur Geschichte des Kölner Handels- und Verkehrs im Mittelalter, Köln 1918—1923, II, S. 291. — Martin Römer weilte auch während seiner Zwickauer Zeit wiederholt in Nürnberg (Langer, S. 84). In Hans Umbhauen hatte er in der Reichsstadt einen ständigen Diener (Werner (Anm. 10), S. 149). 43) St.A. Dresd., Loc. 4500, Ehrenfriedersdorf, Berg Irrungen 1520—1548. — Meitzer (Anm. 26), S. 468. — Rieh. Klier, Zur Gesch. der Berguntemehmerfamilie Schütz in Nürnberg und Mitteldeutschland im 15. und 16. Jh. In: MVGN 55, S. 189, 200, 212. — Rolf Abigt berichtet in seinem Aufsatz „Die Beziehungen der Familie Schütz zu Geyer und der Schützenhof“ (Beilage zum Tageblatt für die Stadt Geyer, 1926, Nr. 3, S. 2), daß Ulrich Schütz ausweislich der Nürnberger Briefbücher im Staatsarchiv vor 1470 im Dienst der Stadt gestanden habe (z. B. Brfb. 25, S. 6 1454). 1484 sei ihm das Bürgerrecht geschenkt worden, weil er wohl Grundbesitz ererbt habe. — Sein Vater Sebastian stammte — wie Klier aufweist — offensichtlich aus Augsburg. 44) Werner Schultheiß, Geld- u. Finanzgeschäfte Nmbg. Bgr. vom 13.-17. Jh. In: Beitr. z. Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, I, 1967, S. 106. — v. Haller (Anm. 3 5), S. 123. 44a) Christa Shaper, Eine Geschütz- und Glockengießerfamilie in Nürnberg (13 50—1600). In: MVGN 51, S. 181 f. 45) Werner (Anm. 10), S. 139. — Wahrscheinlich handelte es sich um jene Kuxe, die Erhärt Zinner von Heintz Probst in Leipzig gekauft hatte, aber wegen der Bezahlung in einen Rechtsstreit mit diesem geriet (St,A. Dresd., W. A. Bergw. S., Kaps 6, Nr. 99).

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Der Leipziger Bürger Nikolaus Laubing aus Nürnberg nannte gegen Ende des 15. Jhs. viele erzgebirgische Bergteile sein Eigen. Sie waren ihm von der kölnischen Familie Schwabe überkommen46). Man darf mit Sicherheit annehmen, daß es sich um Schneeberger Kuxe gehandelt hat, da sich die Kölner hier auch sonst rege beteiligten47). Ähnlich war es wohl auch bei Bernhart Walther, dem Faktor der WelserVöhlin, Astronomen und Gönner Regiomontans. Er führt 1504 in seinem Testament „bergwerk" auf48). Die regen Beziehungen der Welser-VöhlinGesellschaft zu Schneeberg sind bekannt. Marx Semler, Angehöriger eines der hervorragendsten Nürnberger Han­ delsgeschlechter, das in mehreren großen deutschen Städten vertreten war, erwarb in Schneeberg einen riesigen Kuxbesitz. Allein an den Kupfergruben König David und Ober Nikol Schmid war er mit 25 und 37 Kuxen beteiligt. Seine bedeutendste Gründung ist der berühmte Marx-Semler-Stollen. Er selbst läßt sich zwar nicht als Rappolt-Gewerke nachweisen, wohl aber der reiche Paul Schmid, der — unbekannter Herkunft — später Amtsverwalter in Schneeberg wurde und wegen der Gewerkschaft des Semler-Stellens eine Stätte zur Erbauung eines Hüttenwerks verliehen erhielt49). Wenn der Nürnberger Drucker Jörg Stuchs im Jahre 1505 wegen der Pest nach Schneeberg floh50), so weist der Umstand, daß er gerade diese Stadt als Aufenthaltsort wählte, entweder auf Bergwerksinteressen oder zum mindesten auf wirtschaftliche Beziehungen anderer Art hierher hin. Nicklas Töpler von Nürnberg — wohl identisch mit dem Genannten des Größeren Rats Nikolaus Topler, der 1506 eine Stiftung machte51) — kaufte 1478 von Niklaus Staude einen Kux der Zeche „Überschaar zu unser lieben Frauen" für 1150 Gulden und zahlte diesen Betrag bar aus52). Vielleicht war auch jener Nicklaus Schacht Nürnberger, der im gleichen Jahr dem Jeronimus Beyer einen Kux der Alten Fundgrube für 3000 fl ab­ kaufte. Der Familienname Schacht kommt im 16. Jh. in Nürnberg vor53). Mit Fundgruben im Schneeberger Gebiet wurde 1510 der Nürnbergei Hans Richter belehnt54). Der Nürnberger Hanns Neumann d. J. vereinnahmte in Schneeberg (von etlichen Kuxen) für sich selbst und für seinen Landsmann Sebolt Ketzel „etlich ausbeut". Er zahlte sie aber diesem nicht aus und mußte daher 1521 bekennen, daß er dem Ketzel 50 fl und 9 gl schuldig sei55). 46) Fischer, (Anm. 9), S. 50. 47) Werner (Anm. 10), III, S. 138 f. 48) H. Petz, Urkundl. Nadir, über den lit. Nachl. Regiomontans und B. Walthers. In: MVGN 7, S. 241. 49) Werner (Anm. 10), II, S. 26 f. — Winkler (Anm. 5), S. 31. 50) Rud. Wagner, Nürnbg. Musikdrucker im 16. Jh. In: MVGN 30, S. 112. 51) E. Mummenhoff, Das Findel- und Waisenhaus. In: MVGN 21, S. 170. 52) Meitzer (Anm. 26), S. 359. 53) Ebd., S. 3 59. — K. Pilz, Nürnberg und die Niederlande. In: MVGN 43, S. 93. 54) Arch. des Ober-Bergamts Freiberg, Schneeberger Lehnbuch von 1509, Bl. 24. 55) StadtA. Nbg., Lib. Kons. 15, Bl. 151. 15*

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Der Schwiegervater Albrecht Dürers, Hans Frey, Kupferschmied in Nürn­ berg, besaß Bergteile, die er 1524 seinen Töchtern Agnes und Katharina vererbte. Jene war mit Albrecht Dürer, diese mit Martin Ziner verehelicht56). Höchstwahrscheinlich handelte es sich um erzgebirgische, vielleicht um Schnee­ berger Kuxe. Andreas Örtl in Nürnberg, Bartel Steck in St. Gallen und Augustin Pantzschman in Leipzig übernahmen 1518 die Schneeberger Kuxe des ver­ schuldet verstorbenen Georg Hofmann in Posen56a). Wenn der Nürnberger „Genannte des äußeren Rats“ Adam Rech i. J. 1556 seinen Wohnsitz nach Schneeberg verlegte, „wo er durch Bergwerk in abnahme seines Vermögens kam“ 57), so darf man annehmen, daß er schon in Nürnberg erzgebirgische Bergteile besaß und durch seine Beziehungen zu Schneeberg zu der Übersiedlung dorthin angeregt wurde. Vielleicht betrieb er Viehhandel, wie dies auch sein Sohn und seine Enkel taten58). Einer seiner Schuldner war Adam Niklas, Bürger zu Halle, von dem Rech noch 1542 107 fl zu fordern hatte. Die gesamte Schuld des Niklas, der alle seine Güter und Bergteile verpfänden mußte, betrug 4529 fl. Die Pfinzing in Nürnberg waren mit einer Forderung von 1164 fl unter den Gläubigem vertreten59). Ganz sicher waren es auch bergbauliche Interessen, die den Nürnberger Rauchwarenhändler Christian Blümel in der 2. Hälfte des 16. Jhs. nach Schneeberg führten, zumal er eine Tochter des Berggeschworenen Sigmund Bräutigam „uffm Schneeberg“ heiratete. Dessen Vater war wohl Simon Breutigam in Leipzig, der 1515 als Gewerke des Rappolt und anderer Zechen bekannt geworden ist60). Die Leipziger Familie Bräutigam stammte offensicht­ lich ebenfalls aus Nürnberg61). d) Beteiligung von Nürnbergern an Berg und Hüttenunternehmungen in der weiteren Umgebung Sckneebergs und im übrigen Westerzgebirge. Im Westerzgebirge gab es aber auch — wie oben erwähnt — Eisen- und Zinngruben, so in der Umgebung von Neustädtel62). Das ist schon für das 12. Jh. nachweisbar, und man darf annehmen, daß manche dieser Gruben spätestens seit der ersten Hälfte des 15. Jhs. von Nürnbergern verlegt wur­ den. Daneben wird die Ausbeutung des frühen vereinzelten Silbervorkom­ mens von ihnen finanziell direkt gefördert worden sein. Das war ja auch zur gleichen Zeit in Freiberg der Fall, und die frühen oben erwähnten Kupfer-

56) StadtA. Nbg., Lib. Kons. 19, Bl. 113 f. Drude: Hans Ruppridi, Dürer. Schriftlicher Nach­ laß, 1. Bd., Berlin 1956, S. 233 f. 58a) StadtA. Leipzig, Ratsbuch 4, Bl. 226. 57) E. Mummenhoff, Der Rechberg. In: MVGN 16, S. 196. 58) Ebd., S. 197. ö9) StadtA. Lpzg., Ratsb. 8, Bl. 37. ®°) Herrn. Kellenbenz, Unternehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel 1590— 1625, Hamburg 1954, S. 176. #1) Der Nürnb. Bgr. Preutgam war 1464 einer der Mitbegründer der thüringischen Saiger­ hütte zu Steinach (Haller v. Hallerstein, Anm. 35), S. 160. — Wolfgang Frhr. Stromer v. Reichenbach, Das Schriftwesen der Nürnberger Wirtschaft vom 14. bis zum 16. Jh. In: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, II, S. 765. •*) Herzog (Anm. 42), II, S. 130.

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käufe durch Nürnberger weisen ebenfalls darauf hin. Für das 16. Jh. liegt eine Reihe von Zeugnissen ihrer regen bergbaulichen Tätigkeit im Westerzge­ birge vor, und zwar besonders im weiten Umkreise Schneebergs. Die Stadt selbst war der Stützpunkt für die meisten dieser Unternehmungen63), die hier noch in aller Kürze zu behandeln sind, da die zu schildernden Verhält­ nisse das Ergebnis vieler Jahrzehnte waren und auch Rappold-Gewerken sich daran beteiligten. Wechselseitige Beeinflussungen haben daher stattge­ funden. Und es wird noch zu schildern sein, wie die in diesen Gruben be­ schäftigten Bergleute und die beteiligten Unternehmer den Stamm der Berg­ arbeiter und Gewerken des nachmaligen Silberbergbaus bildeten. In der Herrschaft Schwarzenberg ist die Gewinnung von Zinn seit 1378 nachgewiesen. 1380 übernahm [der Nürnberger?64)] Hans Koler aus Ehren­ friedersdorf ein Zinn werk bei Breitenbrunn6o). Aus den Gerichtsbüchern des 16. Jhs. von Eibenstock geht hervor, daß Nürnberger dort an den Zinn­ gruben sowohl unmittelbar als auch durch Verlag beteiligt waren66), und zwar in erster Linie der Nürnberger Gabriel Scheurl, der zahlreiche Eigenlehner in Eibenstock verlegte67). U. a. fand das Eibenstocker Zinn wegen seines „edlen Spiegels“ in Venedig starken Absatz. Es war besonders die Weißblecherzeugung, die in den ersten Jahrzehnten des 16. Jhs. im Erzgebirge einen mächtigen Aufschwung nahm. Die Grund­ lagen hierfür — Zinn und Eisenstein sowie Wald für die Holzkohlenge­ winnung — waren hier in vollkommener Weise nebeneinander gegeben. Da­ durch wurde dieses Gebiet dem oberpfälzischen um Amberg, wo auch Nürn­ berger sich betätigten, überlegen, und Amberger Unternehmer, Meister, Ge­ sellen und Zinner siedelten daher zahlreich in das Erzgebirge über. Von den Nürnbergern sind da u. a. besonders Hans Stahl, Georg Winkler und Franz Grüner bekannt geworden68). Der Nürnberger Andreas von Ploben (auch Blau genannt) und seine Ge­ sellschaft des Zinnblechhandels zu Sosa bei Eibenstock besaßen im ersten Drittel des 16. Jhs. außer vielen Bergteilen an Eisen- und Zinngruben auch Hämmer, Mühlen und Gewerbebetriebe zwischen Eibenstock und Hunds­ hübel. Plobens Unternehmungen gingen 1538 an die Zinnhandelsgesellschaft zu Sachsenfeld über, die erst unter Führung des Zwickauer Bürgermeisters Mag. Oswald Lasan und dann der Gebrüder Pfinzing in Nürnberg stand69). Ein Marx Plawen war 1526 in Schlema bei Schneeberg Faktor der Leipziger ®*3)** Heinrich * * 07 Kramm, Sozialgeschichtliche Zusammenhänge in der städt. Besiedlung des West­ erzgebirges im 16. Jh. S. 116. In: Geschichtliche Landeskunde u. Universalgeschichte. Festgabe für Hermann Aubin zum 23. Dezember 1950, Hamburg 1950. 64) Vgl. u. a. Aloys Schulte, Gesch. der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Stuttgart 1923, II, S. 267. 65) Siegfried Sieber, Erzgebirgischer Zinnbergbau. In: Forschungen und Fortschritte, 36. Jg., S. 369. 6(5) St.A. Dresd., Gerichtsb. Eibenstock Nr. 1, Bl. 53, 72, 251. — Vgl. auch E. Flath, Aus dem Erzgebirge, Schönheide 1909. 07) Sieber (Anm. 65), S. 151. ®8) Kramm (Anm. 63) nach E. Matthes, Die Einführung der Weißblechindustrie in Sachsen i. J. 1536. C9) St.A. Dresd., Finanzarchiv, Loc. 37 341, Rep. XXII, Schwarzenberg, Erbkauf 1563.

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Wiedemann, die dort den Kupferbergbau beherrschten, und „Caspar von Plawen" wird um 1573 in Bärenwalde genannt70). Um welche Mengen an Zinn es sich handeln konnte, zeigt ein Liefe­ rungsvertrag zwischen dem Schneeberger Konrad Neuner aus Nürnberg und dem Andres Ploben. Neuner wollte nach und nach 2000 Ztr. Eibenstocker Seifen-Zinn gegen Tuch und Barzahlungen im Werte von 4000 fl liefern, war jedoch 1537 in Verzug71). Eine rege Tätigkeit im Zinnbergbau von Oberwiesenthal und Gottesgab entfaltete in der ersten Hälfte des 16. Jhs. eine nümbergische Gesellschaft, die unter der Führung des Hans Brenner stand72). Viele Nürnberger waren 1533 an den Zinnbergwerken von Hengst (Langenhengst) bei Platten beteiligt. Der böhmische Ort gehörte früher zum Amt Schwarzenberg. Auch Gewerken vom Rappolt oder deren Nachkommen tauchen hier wieder auf. Schichtmeister von mehreren Zechen war der aus fränkischem Geschlecht stammende Christian von Hausen. — Das Hengster Zinn genoß einen besonderen guten Ruf73). Beim Zinnstädtchen Platten am Plattenberg ließ der Nürnberger Stephan Kemlein 1543 ein Zinnbergwerk mit Zinnhütte und Hammerwerk betrei­ ben74). Seine Hütte war nur eine von acht. — Auch Leipziger waren hier beteiligt75). — Wenn der Nürnberger Femhändler Kilian Meier, der 1528 von Hieronimus Meier Annaberger und Joachimsthaler Kuxe erworben hatte, 1560 „auf der Platten" wohnhaft war, so darf man schließen, daß er sich auch hier bergbaulich betätigte 75a). Auf den Spuren Kemleins war um 1600 der Nürnberger Jörg Stempel tätig. Er beantragte 1605 bei Kaiser Rudolf II. Berg- und Zehntfreiheit für sich und seine Mitgewerken für sein Bergwerk auf der „Pergstadt Platten", wo er bereits „viltausend Taler zur Widererhebung solcher pergwerk angewendt" habe, „auch etliche Stollen zu treiben und die gepürig merers zu durchsuchen Vorhabens" sei. Er erhielt die Zehntschrift für die Dauer von 5 Jahren75). Bei Schönheide — unweit Schneebergs — wurde 1563 ein Kupfer- und Zinnbergwerk errichtet, an dem neben Edlen von der Planitz auch Nürnberger teilhatten77). Ähnlich werden Nürnberger Kaufleute noch an manchen anderen westerzgebirgischen Bergwerken durch Kuxbesitz und Verlag beteiligt gewesen sein. Darauf lassen die beiden nächsten Abschnitte schließen. 70) St.A. Dresd., Gerichtsbuch Eibenstock Nr. 1, Bl. 53. — Kirchenbücher von Bärenwalde. 71) Wilh. Silberschmidt, Der Bergsachverständige Hans Thein. In: MVGN 27, S. 301. — St.A. Dresd., Finanzarchiv, Loc. 37 341, Rep. XXII, Schwarzenberg. — Stadt-Arch. Nmbg., Kons. 41, Bl. 9. 72) Sieber (Anm. 65), S. 145. 73) Käthe Dettling, Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jh. In: MVGN 27, S. 220. 74) Werner (Anm. 10), I, S. 158. — Kramm (Anm. 63), S. 116. 75) StadtA. Lpzg., Ratsb. 7, Bl. 240. 75a) Werner (Anm. 10), II, S. 27. — Fischer, (Anm. 9), S. 23 5. Dettling (Anm. 73), S. 221 f. 77) St.A. Dresd., FinanzArch., Loc. 27341, Schwarzenberg, Nr. 12, Bl. 26.

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e)

Über nürnbergisckes Verlagswesen im Westerzgebirge.

Viele der einheimischen Gewerken von Gruben, die noch keine Ausbeute gaben oder mehr Zubuße erforderten als Ausbeute gewährten, waren oft nicht in der Lage, ihren Anteil zu den Betriebskosten, also die Zubuße aus eigenen Mitteln zu leisten. Sie ließen sich daher Vorschüsse, den sogenannten Verlag, von Dritten geben und traten dafür in entsprechendem Umfange ihre zu erwartende Ausbeute ab. Das war natürlich nur bei solchen Gruben mög­ lich, die eine gewisse Stetigkeit des Ausbringens gewährleisteten. Ein solcher Verleger Schneeberger Gewerken war z. B. der Zinnhändler Hans Dietz in Nürnberg, der von sich selbst sagte, er habe sein Geld in Schneeberg zu „armer leut nutz und uffnemen angewendet“ und [anstelle der erwarteten Ausbeute] einmal ein Haus in Zahlung nehmen müssen78). Der weiter oben schon erwähnte Nürnberger Andreas Blau (= Andres von Ploben) verlegte im Schneeberger Bergrevier 30 kleine Zinngrubenbesitzer, nachdem er seine oberpfälzische Rohstoffquelle verloren hatte79). Von anderen Verlegern Schneeberger Gewerken, so von Gabriel Scheurl und den Pfinzing, wurde oben schon gesprochen80). Wie tief die verlegerische Tätigkeit der Pfinzing, die sich über große Teile des Erzgebirges erstreckte, in das Wirtschaftsleben einzelner Gebiete eindringen konnte, das beleuchten besonders anschaulich ihre Beziehungen zu dem Berguntemehmer und Händler Bartel Scharf in Geyer. Die Gebrüder Siegmund und Martin Pfinzing hatten ihm durch ihren Faktor und „Mitver­ wandten" Linhart Schaumberger in Leipzig eine große Geldsumme auf zu lieferndes Zinn vorgestreckt. Da er aber mit den Lieferungen säumig wurde, verklagten sie ihn vor dem Stadtgericht in Geyer. Scharf bestätigte i. J. 1555 den Empfang des Geldes und erklärte, daß er es zum Teil auf Zinn weiterge­ liehen, zum Teil auch für seine eigenen [Zinn-] Pochwerke und seinen Kram­ handel verwendet und deshalb den Pfinzing sein Anwesen in Geyer, Haus und Hof mit allem Zubehör verpfändet habe80a). Da die Pfinzing in ähnlicher Weise auch die Zinngewerken im Schneeberger Gebiet verlegten — wie oben schon angedeutet —, so haben sich ähnliche Vorgänge zweifellos auch hier abgespielt. Und ebenso war dies selbstverständlich bei anderen nürnbergischen und sonstigen Verlegern der Fall. Doch ist diese Art von Verlagstätigkeit wohl zu unterscheiden von der treuhänderischen Verwaltung von Kuxen für auswärtige Gewerken, wobei nicht selten ebenfalls die Zubuße für die Auftraggeber vorgelegt (verlegt) werden mußte, ohne daß aber die Ausbeute in das Eigentum des sogenannten Verlegers überging. Während der echte Verleger Kaufmann und meist nicht am Bergort ansässig war, hatte der sogenannte Verleger seinen Wohnsitz im 78) St.A. Nürnberg, Brfb. 161, Bl. 86. — Ratsverl. 1552 Okt. 18. — Dietz beklagte sich, daß der Kurfürst von Sachsen vom Zinn Zoll als Türkensteuer erhebe. 79) Herrn. Aubin, Formen und Verbreitung des Verlagswesens in der Altnümberger Wirt­ schaft. In: Beitr. zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, II, S. 666 f. 80) Anm. 67 und 69. 80a) Johannes Falke, Geschichte der Bergstadt Geyer, Dresden 1866, S. 52.

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Gebirge81). Es war verordnet, daß jeder Gewerke seinen Verleger haben müsse, wenn er nicht selbst zur erforderlichen Zeit die Zubuße erlegen könne81a. Ein Schneeberger Verleger dieser Art war der oben erwähnte aus Nürnberg eingewanderte Zwickauer Bürger Nickel Gaulenhofer82), der in den letzten Jahrzehnten des 15. Jhs. nicht nur selbst Anteile an Bergwerken und eine Silberschmelzhütte besaß, sondern auch Bergteile seiner Landsleute ver­ waltete. Es werden auch Kuxe von Rappolt-Gewerken darunter gewesen sein. Ein Verleger der Kuxe seiner Landesherrn war der ebenfalls erwähnte Martin Römer83). In St. Annaberg — das sei am Rande vermerkt — erscheint der Ratsherr Georg Öder als sogenannter Verleger Nürnberger Gewerken; Sil­ vester Tücher, Gabriel Tetzel und Christof Diether ließen ihn 1551 durch den Nürnberger Rat auffordem, „Rechnung und Anzeigung seiner Verlag und Verwaltung ihrer Kuxe zu tun, was ihre Bergteile jährlich ertragen hätten und wohin ein jedes kommen sei84). Unordentliche Abrechnung war ein häufiger zu beobachtendes Verhalten der sogenannten Verleger85). — Sehr anschaulich beleuchtet dieses ganze System die folgenden, nicht Nürnberger betreffenden Vorgänge. Bürger von Jena führten 1476 Klage, daß sie „vor 4 Jahren etliche Teile in einem Lehn auf dem Schneeberg, zu der Schönen Maria“ genannt, das damals noch ein Schürf gewesen sei, gekauft und mit anderen Gewerken 2 Jahre oder länger ihr Geld dort verbaut hätten. Mit Zahlung der Zubuße durch einen Verleger seien sie nie säumig gewesen. Nun habe sich der Bergrichter Friedrich Blancke [aus Nürnberg?] die Teile widerrechtlich zuschreiben lassen86). — Ähnlich hatten sich schon 1473 Erfurter Bürger über unbilliges Vorgehen des Bergmeisters beklagt und gebeten, diesen anzuweisen, daß sie ungehindert auf ihrem Lehen „uf dem Sneberge zu S. Jacoff“ bauen und arbeiten könnten87). Nickel Gaulenhofers Stiefsohn Johann Hübsch in Nürnberg siedelte ebenfalls ins Erzgebirge über, um in Schneeberg Bergunternehmer zu werden und wohl auch die verlegerische Tätigkeit des Siefvaters fortzusetzen. Seine Tochter wurde die Mutter des bekannten Bergchronisten Petrus Albinus, der demnach mütterlicherseits nürnbergischer Abstammung war88). Manche der großen oberdeutschen Handelsgesellschaften ließen ihre Schneeberger Bergwerks- und Metallhandelsinteressen durch eigene Faktoren vertreten, so die Augsburger Fugger und Welser, die Kölner Lobler, die Aachener Duppengießer und viele andere89). Der Nürnberger Rat förderte 81) Z. B. verwaltete der Bürgermeister Joachim Spanseil zu Schwarzenberg um 1540 die Kuxe von Leipziger Gewerken „uffm zinnbergkwerk auf der Platten“. Sie schuldeten ihm bei der Abrechnung 65 fl, die bar bezahlt wurden (StadtA. Leipzig, Ratsb. 7, BL 240). 81a) StadtA. Frankft./M., Reichssachen 6027, Nr. 1 u. 2. 82) Meitzer (Anm. 26), S. 126. 83) St.A. Dresd., Loc. 4492, Bergrechnungen, Bl. 85. — Über den Umfang der bergbaul. Beteiligung der Landesherren vgl. Hahn (Anm. 5), S. 44. 84) St.A. Nbg., Brfb. 145, Bl. 134. 85) Samml. Ranke im Stadtarch. Köln, 1, II, 1553. 88) Urk.-Buch der Stadt Freiberg (Anm. 28), II, S. 306. 87) Archiv des German. Nat.-Mus. Nmbg., Pergam.-Urk. 5795, 1473 Juni 16. 88) MVGN 6, S. 66 und MVGN 26, S. 299. — Gust. Sommerfeld, Über den Geschichtsschrei­ ber Peter Albinus. In: N.Arch. für Sä. Gesch., Bd. 39, Dresden 1918. 89) Werner (Anm. 10), III, S. 13 8, 155.

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die Berginteressen seiner Mitbürger nach besten Kräften, so 1478 und 1479, als er für die Kaufleute, „die im Schneberg teil haben" 90) seine Syndici zur Vertretung ihrer Rechtsansprüche zur Verfügung stellte. Für Hans und Chri­ stof von Plawen in Nürnberg reiste 1537 der bekannte Hans Thein nach Zwickau. Im folgenden Jahr war er im Erzgebirge für seinen Landsmann Konrad Neuner tätig91). Schließlich gab es auch reine Geldverleiher, die sich als Sicherheit auch Kuxe verpfänden ließen. Als solch ein Geldverleiher ist in Schneeberg der Nürnberger Hans Brunsterer bekannt geworden. — Wohl dessen Verwandter war es, der 1477 als Steffan Brunster Teile an der [nürnbergischen] Zeche S. Lorentz besaß ö2). f) Über sckneebergische Berg- und Hüttenarbeiter und nürnb ergische Bergtedmiker und Münzmeister im Erzgebirge, ihre siedlungs- und sozialgesckicktlicken Einflüsse. In den erwähnten kleineren bergbaulichen Unternehmungen Schneebergs und seiner Umgebung vor 1471, wie sie sicher schon damals von nürnbergi­ schen Kaufleuten mit finanziert und von oberdeutschen Handwerkern mit ge­ leitet wurden, wurden im Verlaufe des 15. Jhs. und auch noch später manche der Berg- und Hüttenleute — teils auch aus Franken stammend — herange­ bildet, die sich bereit stellten, als die große Ära des Schneeberger Silberberg­ baus begann. Sie arbeiteten u. a. in den Eisengruben im Gebiet von Schnee­ berg und Schwarzenberg. Das Eisen von Schwarzenberg wurde besonders ge­ rühmt 93). Es bildete — wie bereits geschildert — die Grundlage der späteren nürnbergischen Zinnblechproduktion. Aber schon vorher mögen Nürnberger die Eisenhämmer und Eisengruben verlegt haben. 1528 bat die Stadt Buch­ holz um Schutz gegen die Verleger, die das Eisen verteuerten94). Über den Verkauf erzgebirgischen Eisens „außer Landes" beschwerten sich gelegentlich die Hammerherren94a). Auch in nächster Umgebung Schneebergs gab es im 15. Jh. eine Reihe von Eisengruben. Während der zweiten Hälfte des gleichen Jhs. verschlechterte sich aber die Güte des Eisensteins, der hier in kleinen Schmelzhütten verhüttet und in zahlreichen Hammerwerken verarbeitet wurde. Es konnte daraus kein Stabeisen mehr geschmiedet werden, und die Hammermeister verweigerten die Annahme. Die Gewerken, darunter wohl auch Nürnberger, wollten daher solche Gruben u. Hämmer nicht mehr ver­ legen. Sie gingen ein und mit ihnen auch manche von ihnen abhängige Hüt­ ten- und Hammerwerke, wie z. B. die Schmelzhütte in Bärenwalde, und die Berg- und Hüttenleute drohten brotlos zu werden. Für diese war es aber da­ her eine Rettung in der Not, daß in Schneeberg seit 1453 und in Neustädtel seit 1464 die große Zeit des Silberbergbaus begann und immer mehr Zinn•°) St.A. Nbg., Brfb. von 1478, Dez. 12. und 1479, Juli 20. 81) Silberschmidt (Anm. 71), S. 301. 92) Urk.b. d. Stadt Freiberg (Anm. 28), S. 317, Nr. 22. ,s) S. Sieber, Vom eisernen Erzgebirge. In: Forschungen und Fortschritte. 3 8 Jg., S. 266. 94) Ebd., S. 268. 94a) St.A. Dresd., Cop. 187, 1544.

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und Silbergruben fündig wurden. Dazu gehörten spätestens seit Ende des 15. Jhs. auch die Gruben Heilig Kreuz, Greif und Rappolt, an denen sich viele Nürnberger und Leipziger beteiligten. Einheimische und Einwanderer fanden in diesen und den zahllosen anderen Gruben Arbeit und Brot, ein Vorgang, der sich über viele Jahrzehnte um die Wende zum 16. Jh. erstredete. Und nicht nur die Bergleute aus der Umgebung des Schneebergs, sondern ein neuer Strom kam auch aus der Feme — besonders aus Böhmen, Franken und dem Fichtelgebirge — und siedelte sich in der jungen Bergstadt an 95). Mancher Handwerker, mancher Bauer versuchte hier sein Glück, weil jedermann reich werden wollte, wie der Bergchronist Albinus schrieb "). Daß sich — wie schon angedeutet — auch unter den Berg- und Hüttentechnikem Nürnberger befanden, geht u. a. aus einer Beschwerde des Nürn­ berger Rats von 1492 beim Rat der Stadt Leipzig hervor, in der Klage ge­ führt wurde über die Behandlung der Angehörigen von (Schneeberger) Hüt­ tenleuten aus Nürnberg [durch Leipziger Gewerken]97). Damit stimmt die Mitteilung Albinus von 1590 überein, daß viele Schmelzer aus Nürnberg gekommen seien ö8). Man darf es also als sicher ansehen, daß Bergunternehmer wie die Gebrüder Staude aus Nürnberg in ihren schneebergischen Bergwerken Landsleute als Steiger und Schichtmeister, als Hüttenarbeiter und Hammer­ meister beschäftigten. Von anderen nümbergischen Schichtmeister war schon die Rede99). Auf Sebastian von Nürnberg und seine Kollegen sei nochmals hingewiesen. Viele Nürnberger ließen sich als Handwerker und Händler in den Erzgebirgsstädten nieder und übernahmen nicht selten die technische und kaufmännische Leitung von Zechen. Hatten doch die sächsischen Herzoge auf einer Tagung in Schneeberg den Beschluß gefaßt, daß jede Zeche von den Gewerkschaften selbst mit Schichtmeistern „und sont“ bestellt werden soll­ ten 10°). Und da die Nürnberger bei vielen, besonders den bedeutenden Zechen 95) Kramm (Anm. 63). — Köhler, Erzgebirge, I, S. 10. — E. Beriet, Die sächsisch-böhm. Grenze, Diss., Oschatz 1900, S. 47. — Mayer, Zinnbergbau im Fichtelgebirge, S. 284. — So wanderten z. B. in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Melchior Wapler aus dem etwa 12 km südwestlich von Schneeberg gelegenen Dorfe Rothenkirchen in Neustädtel ein und wurde „einer in der Gewerkschaft ufn Schneebergk“, später Vorsteher der Knapp­ schaft und schließlich Kobalt-Verwalter. Schon vor 1565 war ein Caspar Wapler in Neustädtel ansässig geworden. Ein Lorenz Wapler gehörte 1556 zu den Fundgrübnem der Meushund-Fundgrube in Eibenstock, und auch seine Nachkommen nahmen am Bergbau teil. Die Bärenwalder Wapler hatten entfernte Beziehungen zu dem im Gebirge seßhaft gewordenen Nürnberger „Caspar von Plawen“. Vielleicht kamen die Wapler aus Ober­ deutschland. Ein Johann Wapner siedelte in der ersten Hälfte des 16. Jhs. von Regens­ burg nach Marienberg über. — Zahlreiche bergbautreibende Familien solcher Art lassen sich in der weiten Umgebung Schneebergs nachweisen. Erwähnt sei nur noch die Schneeberger Familie Pöckel, die ein Hammerwerk betrieb und aus Regensburg stammte. — Bemerkenswert ist, daß das Bergwerk von Altensalz im Vogtland 1470 wegen der Aus­ wanderung der Bergleute [nach Schneeberg] stillgelegt worden sein soll. (Kramm, Anm. 63).

96) Albinus (Anm. 42), zit. bei Beriet (Anm. 95) S. 47. 97) St.A. Nbg., Brfb. 44, Bl. 240 f. 98) Kramm (Anm. 63), S. 122. 99) Vgl. den Text zur Anm. 3 3. 10°) St.A. Dresd., W. A., Bergw.S., Schneeberg, 13 Punkte betr. Verwaltung der Schnee­ berger Schichtmeister und ihrer Rechnungen.

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die stärkste Gruppe bildeten, stellten sie dort auch die technischen und kauf­ männischen Leiter. Außerdem ließen sie durch Faktoren ihre sonstigen Metall­ handelsinteressen wahrnehmen, so auch ihre Verlagsgeschäfte101). Selbst als Bergmeister fungierten sie hier noch Ende des 16. Jhs. Dies Amt versahen 1573 Christoph Holzschuher und 1590 Jacob Reibold aus Nürnberg. Und Marcus Holzschuher wird 1595 als Berggeschworener genannt102). Die Nach­ kommen der Nürnberger Schütz waren im Erzgebirge während des ganzen 16. Jahrhunderts nicht nur als Bergunternehmer, sondern auch als hohe Berg­ beamte tätig1023). Der Schneeberger Bergmeister Hans Glaser stammte wohl auch aus Nürn­ berg. Denn hier kommt der Familienname Glaser häufiger vor. Ein Hans Glaser gehörte um 1500 zu den Wohlhabenden der Reichsstadt. — Der Berg­ meister Glaser in Schneeberg leistete Vorarbeiten zur Erbauung der Bergstädte Gottesgab und Platten, wurde aber 1538 wegen Meinungsverschiedenheiten abgesetzt. Er kam dann als Berg- und Hüttensachverständiger nach Norwegen. Es wurden damals auch Nürnberger Metallhandwerker nach Schweden be­ rufen 102b). Wenn Köhler103) in seinem Werk über das Erzgebirge folgende Männer nennt, die im 16. Jh. als Wardeine (Münzprüfer) und Münzmeister im Erz­ gebirge tätig gewesen seien, nämlich Georg Hochstetter Johann Flick Johann Rohling Leopold Holzschuher Christ. Ruger Lazarus Erkel, so weisen diese Namen ebenfalls auf Nürnberg und Augsburg hin. Leopold Holzschuher aus Nürnberg ist 1556 als Annaberger Münzmeister nachweis­ bar. — Ein Bruder des Dr. Christoph Scheurl, Albrecht, war herzoglicher Münzprobierer in Annaberg. Ferner sind nürnbergische Münzmeister in Joa­ chimsthal, Kuttenberg, Bern, Chur und Amberg tätig gewesen104). Gregor Schütz, der wiederholt erwähnte Sohn des Hans Schütz in Nürn­ berg, schlug nach seiner Übersiedlung von Schneeberg nach Geyer dort auf dem Schütz’schen Freihof (als Zehntner) Münzen mit dem Schütz'schen Wap­ pen 105). Und so ist es denn auch durchaus möglich, daß der Schneeberger Münz­ meister Andreas Funk, dem 1517 Kurfürst Friedrich für ein Darlehen 1000 fl schuldete, oberdeutscher Herkunft war. Denn das Leipziger Handelshaus 101) Vgl. oben Abschn. e), ferner Hahn (Anm. 10) und Werner (Anm. 10). 102) Meitzer (Anm. 26), S. 176. io2a) Vgl. Fischer (Anm. 9), S. 532. — Falke (Anm. 80a) S. 120 passim. 102b) Kramm (Anm. 63), S. 128. 103) Köhler (Anm. 95), S. 142. 104) Rieh. Klier, Nürnberg und Kuttenberg. In: MVGN 48, S. 51, 57. — H. Lorentz, Bilder aus Alt-Joachimsthal 1925, S. 62. — Scheurlbuch (MVGN 5, S. 13). — Franz Bastian, Das Runtingerbuch (Anm. 41), S. 86. — Staatsarch. Zürich, A 248, 2. — St.A. Nbg., R.-V. 1478 Aug. 29. — Brfb. 168, Bl. 222. — Georg Arnold Chronicon Annabergense Continuatem, Annaberg 1872, S. 107. 105) Abigt (Anm. 43), S. 4.

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seines verstorbenen Bruders Hans wurde damals von Wolf Rothe aus Nürn­ berg geführt106. — 1492 war ein Anton Funck, Sohn eines Andreas Funck, Faktor der Memminger und Augsburger Vöhlingesellschaft. Diese lieferte Silberbarren an Münzstätten und beauftragte den Anton Funck, die Bezah­ lungen dafür anzumahnen106a). Es gab in Memmingen auch ein Handelshaus Funk, das identisch sein dürfte mit jenem Handelshaus Funk, das 1508 mit Kaiser Maximilian I. im Finanzverkehr stand. In Augsburg nahm 1498 Mel­ chior Funk die 20. Stelle der Reichen ein 107). 1590 trieb die Nürnberger Handelsgesellschaft von Georg Petzold und Andreas Funk Finanzgeschäfte 108). 1556 war Sebastian Funk Münzmeister in Schneeberg. Er besaß einen Eisenhammer an der Mulde, für den er das Eisen aus entfernten Eisengruben holen mußte. Deshalb und wegen vieler Aufwendungen für die Münze wurde ihm das Wagegeld für die Dauer von 6 Jahren erlassen. Wie so viele der großen Bergunternehmer, die nicht selten auch Berg- und Münzbeamte ihrer Landesherren waren, gewährte auch Sebastian Funk dem Kurfürsten min­ destens einmal ein Darlehn, und zwar in Höhe von 3000 fl109). Zurückkommend auf die in und bei Schneeberg tätigen Bergarbeiter, ist noch zu fragen, wie diese wirtschaftlich gestellt waren. In Zeiten großer An­ brüche werden sie sicher ihr gutes Auskommen gehabt haben. Aber schon 1479 schrieb Martin Römer seinen Landesherren, daß sich „dy armen luthe uf dem berge“ über die Teuerung beklagten. Sie hätten anstatt acht — wie bisher — nur „vier brote für einen groschen“ kaufen können 109a). Es ist be­ kannt, daß die Löhne nicht entsprechend erhöht wurden. Viele fanden ihre Existenz nur dadurch, daß sie nebenbei auch etwas Landwirtschaft betrieben. Wie oben schon geschildert, stammten viele der Schneeberger Bergarbeiter aus den umliegenden Dörfern, wo sie kleine Häuser und Gärten besaßen. Darüber schrieb 1587 der Dorfrichter von Bärenwalde bei Kirchberg, Caspar Guntzsch, daß es in dem Dorfe nicht 6 Männer gäbe „so da jherlich ihre bröttung erbauten. . .“ Es wohnten hier viele arme Leute, die „auf den Wäldern“ in Zinnbergwerken tätig seien und dort ihre Nahrung suchen müßten. Sie kämen oft viele Wochen lang nicht nach Hause, damit sie die Arbeit nicht versäumten und andere an ihrer statt angenommen würden. „ . . . diesen sei es bei ihrer sauren Arbeit unmöglich, sich mit Weib und Kindern zu erhalten, geschweige denn Abrichtung, Zins, Frongeld und anderes zu geben. Etliche hätten ihre Häuslein stehen lassen müssen, weil sie in dem Ort ihren Unterhalt nicht fänden“110). Meitzer berichtet vom Jahre 1557, 106) St.A. Weim. Aa 497. — Fischer (Anm. 9), S. 52. 106a) Aloys Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen West­ deutschland und Italien, Leipzig 1900, S. 572. 107) Ferdinand Tremel, Der Frühkapitalismus in Innerösterreich, Graz 1954, S. 108. — Pölnitz (Anm. 10), II, S. 192. — Jakob Strieder, Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 2. Aufl., München 193 5, S. 17, 112. 108) Alexander Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Frankfurt 1910/1925, III, S. 227. 109) St.A. Dresd., Cop. 222, Bl. 118. — St.A. Weim., Aa 498 u. 499, 1534/57, 1541/70. 10#a) Georg Buchwald u. J. Höhne, Neue Sä. Kirchengalerie, Ephorie Schneeberg, Leipzig 1902, S. 58. 110) St.A. Dresd., Finanzarchiv, XXII, Zwickau, Nr. 11, Loc. 37 3 56, Acta die Dörfer Bern­ walde, Lichtenau usw. 1587.

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die Bergleute verdienten in Schneeberg 10 Groschen Lohn (in der Woche), hätten aber wohl 12 bis 15 Grosdien für ihren Lebensunterhalt nötig111). — Der Dorfpfarrer Georg Neumeister bestätigte noch 1617, daß in Bärenwalde die Leute meistenteils im Bergwerk arbeiteten. Der Bergbau war hier nach dem Rückgang im 15. Jh. wieder aufgenommen worden, und manche in Schneeberg tätigen Bergleute schürften sicher auch nebenbei und bauten wohl eine Fundstelle dicht unter der Oberfläche selbst ab, wie 1509 das Bergamt in Schneeberg den Georg Wayner in Bärenwalde mit einer Grube belehnte112). Es gab hier eine Reihe solcher kleinen Gruben, die mit Namen bekannt sind, so z. B. „die Abendstem Fundgrube zu Bärenwalde uf Michel Pöpels Erb­ gut" und „die S. Christoph Fundgrube zu Lichtenau uf Eisenstein" 113). Noch 1572 wird die Zeche zu Bärenwalde erwähnt114). Im 15. Jh. gab es außer der schon erwähnten Schmelzhütte in den Nachbardörfern Hammerwerke und Waffenhämmer115). Wie in Bärenwalde, so lagen auch die Verhältnisse in vielen anderen Ortschaften der näheren und weiteren Umgebung Schneebergs, so z. B. in Bockau, wo die Einwohner um 1533 „frei Zinnbergwerk als übers dorf und andere umliegende bergwerke" besaßen116) und zweifellos ebenso wie die Eibenstocker und Bärenwalder einerseits von Nürnberger, Leipziger und ande­ ren Kaufleuten verlegt wurden, andererseits in deren Schneeberger Zechen arbeiteten117). Bis in die Mitte des 19. Jhs. wurde in Bockau Bergbau auf Silber-, Kupfer-, Blei- und Kobalterz mit wechselndem Erfolg betrieben1173). Wie Schneeberg ein Stützpunkt für den westerzgebirgischen Bergbau, so war Zwickau ein Hauptstützpunkt für die oberdeutsche Einwanderung in das Erzgebirge und auch für den erzgebirgischen Metallhandel der Oberdeutschen. Es ist bezeichnend, daß, wie schon mitgeteilt, unter anderen großen Handels­ häusern selbst die Augsburger Welser Familienangehörige zur Vertretung ihrer Interessen hierher entsandten118), und daß solche der Fugger, wie sie in verschiedenen erzgebirgischen Städten ansässig wurden119), ihren Weg sicher über Zwickau genommen haben. Nürnbergs Anteil an der Einwanderung in Zwickau hatte zwar nicht zah­ lenmäßig, aber durch die wirtschaftliche Bedeutung der Einwanderer beson­ deres Gewicht. Außer Bergbauuntemehmern und Bergtechnikem sind die Metallhandwerker aller Art hervorzuheben. Einer der hervorragendsten war der Zwickauer Glocken- und Geschützgießer Peter Mülich, dessen Vorfahren m) Christian Meitzer, Hist. Beschreib, des S. Catharinenberges im Buchholz. In: Mitt. des V. für Geschichte von Annaberg und Umgebung, Bd. VI, S. 79 f. 112) Bergamt Freiberg, Schneeberger Lehnbuch von 1509, Bl. 26. 113) Meitzer (Anm. 26), S. 824. 114) St.A. Dresden, Intraden Rechn., Zwickau, 1572/73. 115) Werner (Anm. 7), S. 51. 116) Weißbach (Anm. 26), S. 408. U7) Vgl. den Text zur Anm. 110. 117a) Buchwald/H. v. d. Trendc (Anm. 109a), S. 255. 118) Vgl. Hahn (Anm. 10). 119) Vgl. Werner (Anm. 10), S. 8—11.

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schon in Nürnberg Ruf hatten120). Die regen Handelsbeziehungen zwischen der Reichsstadt und der Einfallspforte zum Erzgebirge, wie sie zahlreiche Ein­ träge über Schuldverhältnisse in den Gerichts-, Brief- und Ratsbüchern Nürn­ bergs121) eindrucksvoll beleuchten, lassen auf entsprechende Einrichtung von Niederlassungen schließen. Unter den 310 Neubürgern Zwickaus zwischen 1531 und 1552 befanden sich 65 Süddeutsche122), also über 20%. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Vorfahren mancher der übrigen Einwanderer, besonders solche aus Leipzig, ebenfalls vielfach aus Oberdeutschland, in erster Linie aus Nürnberg, stamm­ ten. Den hohen Anteil Frankens an der kaufmännischen Oberschicht Leipzigs hat Gerhard Fischer erwiesen123). Der starke Zuzug Süddeutscher nach Zwickau hielt auch noch an, als die Blüte des Schneeberger Bergbaus längst vorüber war. Von Leipzig, Chemnitz und Zwickau aus wanderten diese oberdeutschen Elemente vielfach weiter in das Erzgebirge. Oberfränkische Bergleute und Familiennamen kommen schon vor 1470 häufig im Erzgebirge vor124). Selbst Ortschaften wurden nach ihnen oder nach fränkischen Vorbildern benannt 1243). Das alles läßt einen nicht geringen Anteil Oberdeutscher an der Bevölkerung des Westerzgebirges erkennen. Dafür nur noch ein bedeutsames Beispiel. Das Geschlecht „von Uttenhofen“, das um 1440 bei Zwickau ansässig war und um 1500 Grundherren und Fundgrübner im Schneeberger Gebiet stellte, dürfte seinen Ursprung in Franken haben. In Nürnberg werden 1311 und 1353 Sifridus und Ulrich Utenhofen genannt. 1332 besaß „der Utenhofer“ in der Reichsstadt ein Erbe und noch 1570 lebte dort Kaspar Utenhofer125). Folgeerscheinungen der regen Handels- und bergbaulichen Beziehungen zwischen den oberdeutschen Reichsstädten und dem Erzgebirge mußten dem­ nach — wie mehrfach angedeutet — auch oberdeutsche Einflüsse auf die erzgebirgische Siedlungs-, Sozial- und Kulturgeschichte sein. Die reichsstädtischen Unternehmer oder deren Handlungsbevollmächtigte und deren Berg- und Hüttentechniker, die sich im Gebirge niederließen, wurden die Mitbegründer einer Oberschicht, die nicht nur die großen bergbaulichen Unternehmungen und den Fernhandel betrieb, sondern auch dem Kulturleben das Gepräge gab, also wesentlich oder entscheidend mitwirkte bei den Stadtplanungen, bei der 120) F. W. Henning, Die zunehmende wirtschaftliche und soziale Differenzierung in einer obersä. Gewerbe-Exportstadt (Zwickau) bis zum 16. Jh. (In Scripta Mercaturae, u. a. S. 54). — Allgem. Dtsdi. Biogr., Bd. 22, S. 490. m) Im Stadtarchiv und im Staatsarchiv Nürnberg. 122) Kramm (Anm. 63), S. 122. Nach M. Rau, Über die Herkunft der Zwickauer Bevölkerung. 123) Fischer (Anm. 9), besonders S. 18—22 und S. 171—175. 124) Köhler (Anm. 95), I, S. 10. i24a) Kramm (Anm. 63), S. 119. 125) "Werner Schultheiß, Rechtsquellen der Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1960, Nr. 240 und 680. — MVGN 5, S. 145; Band 47, S. 397. Vgl. dazu auch: Johanna Hausdörfer, Die Herren von Uttenhofen. Bilder aus der Geschichte eines Adelsgeschlechtes (= Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken Bd. 17) Neustadt/Aisch 1966, insbes. S. 83.

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Errichtung von Rathäusern und Kirchen, bei sozialen und technischen Ein­ richtungen, bei der Gestaltung des Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschafts­ lebens und bei der Entwicklung der Sprachformen, Sitten und Gebräuche. Die Spuren und Nachwirkungen solcher Einflüsse oberdeutscher Art lassen sich vielfach selbst noch heute erkennen, und es würde reizvoll sein, ihnen eingehender nachzugehen, als es bis heute geschehen ist125a). Andeutungsweise sei wenigstens auf die Marienkirche in Zwickau hinge­ wiesen. Der Altar Michael Wohlgemuts, den der Zwickauer Amtshauptmann Martin Römer in der Stadt seiner Vorfahren 1479 persönlich bestellte, sowie manche für Nürnberg charakteristische Bauelemente rufen den Eindruck hervor, sich in einer nümbergischen Kirche zu befinden. Alles in allem betrachtet, erscheinen Zwickau und Schneeberg geradezu als nümbergische Kolonien. So sah die Umwelt aus, in der sich die Geschichte der Zeche Rappolt im IS. und 16. Jh. vollzog. In die geschilderten wirtschaftlichen Vorgänge reiht sich die Gründung dieser bis auf den heutigen Tag bekannt und berühmt gebliebenen Zeche durch den Nürnberger Friedrich Rappolt ein. Er selbst war einer der vielen hervorragenden oberdeutschen Einwanderer im Erzgebirge. I.

Das Handelsgesckleckt Rappolt in Nürnberg und die Begründung der Grube Rappolt in Sdtneeberg Wie der Name der Zeche Rappolt und andere noch darzulegende Um­ stände erweisen, hängt die Frühgeschichte dieses Bergwerks eng mit dem alten Nürnberger Femhandelsgeschlecht Rappolt zusammen. Es entstammte wohl dem Augsburger Patriziergeschlecht gleichen Namens. Denn 1403 wohnte Hans Rappolt aus Augsburg am Roßmarkt in Nürnberg126). Mit 125a) W. Brachmüller, Fränkisch-obersächsische-schlesische Kulturbeziehungen. In: Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs, 14. Bd., Lpzg. 1929, S. 27. — Kramm (Anm. 63). — Am Rande sei noch bemerkt, daß die regen Wirtschaft»- und Kulturbeziehungen und die Bevölkerungsbewegung zwischen Nürnberg und dem Erzgebirge auch mancherlei Rüdewirkungen auf die Reichsstadt und darüber hinaus hatten. So orientierte sich der Nürnberger Rat beim Eisenbergbau in seinem eigenen Landgebiet an Schneeberger Verhältnisse. Fundgruben wurden hier nach Schneeberger Bergrecht verliehen (Fritz Schnelbögl, Die wirtschaftliche Bedeutung ihres Landgebietes für die Reichsstadt. In: Beitr. zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Nürnberg 1967, I, S. 295). — In Goldkronadi, wo viele Nürnberger am Silberbergbau beteiligt waren, war 1539 der Silber­ preis von St. Annaberg und Schneeberg verbindlich für die einheimischen Preise (W. G. Neukam, Ein Gewerkenbuch von Goldkronach aus den Jahren 1481/83. In: MVGN, 44, S. 27). — Die neue Joachimsthaler Bergordnung von 1525, die nach dem Aufstand der Bergknappen erlassen worden war, wurde sogleich in Nürnberg gedruckt (Sieber (Anm. 93), S. 51). Das Gleiche geschah mit Ausbeutezetteln, ferner mit Ankündigung vor allgemeinen Gewerkentagungen und sonstigen bergbaulichen Mitteilungen (Hoppe (Anm. 3), S. 13). 126) Wilh. Biebinger und Wilh. Neukam, Quellen zur Handelsgeschichte der Stadt Nürnberg, Erlangen 1934, S. 106.

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gleicher Herkunftsangabe wird er von 1397—1403 in den Losunglisten ge­ nannt 127). Ein naher Verwandter des Hans Rappolt, etwa ein Sohn oder Bruder, war sicher jener Thomas Rappolt, den die Losungslisten von 1427—1440 nennen und dem im Jahre 1413 bei Eger Handelsgüter geraubt wurden128). 1472 erscheint ein jüngerer Hans Rappolt in Nürnberg als Mitglied der Munter-Gesellschaft, die im Handel zwischen Nürnberg und Lübeck hervor­ ragte. 1478 war er für den Breslauer Kaufmann Hans Stüblinger tätig129). Sein Vermögen wurde auf 8000 fl geschätzt. Da er 1492 starb, war es vielleicht sein gleichnamiger Sohn, der als Hans Rappolt 1531 Blei nach Breslau lieferte 13°). Der Handel der Nürnberger Rappolt über Böhmen mußte sie auch mit dem Erzgebirge in Berührung bringen. Und wie so viele, teils oben schon er­ wähnte Nürnberger 131) beteiligten wohl auch sie sich schon früh am Schnee­ berger Bergbau. Darin könnte der Grund zu der Übersiedlung Friedrich Rap­ polts in das Erzgebirge — sicher zuerst nach Schneeberg — und zur Gründung eines zweiten Wohnsitzes dort zu suchen sein. Wann dies geschah, konnte nicht ermittelt werden. Erst 1513 ist er im Erzgebirge nachweisbar, und zwar in Annaberg132), als der Schneeberger Bergbau seine einstmalige Blüte längst eingebüßt, der Annaberger aber seinen höchsten Stand mit 38 fündigen Zechen erreicht hatte. Ganz offensichtlich war er es, der in Schneeberg die Zeche Rappolt begründete oder mitbegründete. Dafür sprechen nicht nur seine An127) Frdl. Mitt. des Direktors des Staatsarchivs Nürnberg i. R., Herrn Dr. Fritz Schnelbögl. — In Augsburg kommt 1241 Ludwig Rappolt vor, 1336 versah Johan der Rappolt das Stadtpflegeramt und 1377 war Rüdiger Rappolt Bürgermeister (P. v. Stetten, Gesch. d. adl. Geschlechter... in Augspurg, 1763, S. 116). 1396 zählte dieser Rüdiger Rapolt zu den Reichen und versteuerte das stattliche Vermögen von 2220 fl. In der Folgezeit gehörten die Augsburger Rappolt zu denjenigen Geschlechtern, die — im Gegensatz zu den Nürnberger Rappolt — keinen Handel trieben, sondern von ihren „Renten und Gülten“ lebten (Strieder (Anm. 107), S. 8 und 82). 1442 ließ sich Leonhard Rappolt aus Nürnberg, 1462 Paul Rappolt aus Augsburg in Leipzig immatrikulieren (Georg Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig, Leipzig 1895). — Weniger wahrscheinlich ist die Herkunft der nürnbergischen Fernhändler Rappolt von den in der Reichsstadt ansässigen Handwerkern dieses Namens, obwohl diese — weiter zurückliegend — gleicher Abstammung sein können. Über diese Rappolt aus dem Handwerkerstande schreibt Archivdirektor Dr. Schnelbögl: „Schon in den Meisterbüchern von 1363, 1373 ff. kommen Träger des Namens Rapolt vor. Sie sind Spengler, Zinngießer, Bäcker. — Bürgeraufnahmen zum Jahre 1393: H. Rappolt junior, schellenmacher; zu 1419: C. Rapolt, sarwurcht; zu 1469: Fritz Rappolt, Steinmetz; zu 1498: Hans Rappolt, Schneider.“ 128) v. Haller (Anm. 35), S. 148. — Ein solcher Frachtwagenverkehr zwischen Böhmen und Nürnberg ist vielfältig nachweisbar. Hier nur ein Beispiel: Zu Beginn des 16. Jhs. führte [der Fuhrmann] Hans Ludwig von Eger mit 2 Wagen und 13 Pferden etliche „Blechfäßlein mit Berggrün“ und einem Faß Zinn gegen Nürnberg (St.A. Weimar, Reg. Bb. 8182). 129) v. Haller (Anm. 3 5). 150) Stadtarch. Breslau, J. 153, 1, 1531, 104. 151) Vgl. oben die Abschnitte b—d. 132) German. Nat.-Mus. Nrnbg., Orig. Pergament-Urk. von 1513.

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BERICHTIGUNG Auf Seite 106, 13. Zeile von oben, muß es statt Königsberg in Preußen Königsberg in Franken heißen.

Bergwerks- und Hüttenwesen im 16. Jahrhundert (Nach einer Zeichnung im Bayer. Staatsarchiv Nürnberg)

Alter Pferdegöpel des Danielschachtes, einer Nachbarzeche des Rappolt (Ein gleicher Göpel und ähnliche Bauten befanden sich beim Rappolt selbst) Nach einer Skizze von Olaf Winkler

1) Auf der Beschneidung des Marienlebens tragen den Hut und den Rock zwei verschiedene Personen. Bei dem Manne hinter Josef sieht man den Hut; den Rock trägt der barhäuptig betende Kniende zur Linken des Sandak. Auf dem Bild mit Joachims Opfer im Marienleben trägt der Mann mit dem Lamm auf der Schulter den Rock, der Mann mit der verdeckten Hand am Mund den Hut (hier mit etwas höherem Kopf). Der Mann mit dem Hammer auf der Grablegung der Grünen Passion (W 314) hat sowohl den Hut wie den Rock. Daß diese Personen Kaufleute sind, geht aus der Illustration zum Kap. 95 des Narren­ schiffs hervor, auf der ein Narr auf einen Kaufmann einredet. „Es sollte mancher zur Kirche gehen und am Feiertag müßig stehn, den wir doch vielgeschäftig sehen.“, heißt der Text dazu. 62) Die Öffnung ist gegenüber dem Mantel des Schatzbehalters größer. Im Marienleben ist schließlich die Trennung des Vorder- und Rückteils vollzogen. 63) Bei der Seitenverkehrung des Holzschnittes für die Wittenberger Tafel ist es selbstver­ ständlich, daß der Mochel auch nach der Seitenverkehrung das Messer in der Rechten hält (= die linke Hand in Figur 33). Nicht selbstverständlich ist, daß der Josef hier auch nach der Seitenverkehrung den Stock wieder in der Linken hat und den Ärmelaufschlag auch wieder am rechten Arm. Auffallend ist, daß Josef nach der Seitenverkehrung, an der die linke Hand mit dem Stock nicht teilnimmt, den Stock mit der verhüllten Hand hält, wie Moses auf der Beschneidung im Marienleben die Gesetzestafeln. Was Josef im Marien­ leben in der Hand hält, ist nicht ganz deutlich. Der Gegenstand sieht bei dem rüstigen sich von Maria abwendenden Josef eher nach einem Schwert (?) als nach einem Stock aus.

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MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar Auch hier steht eine Einzelfigur neben dem Stuhl des Sandak wie in Lautenbach und im Marienleben. Der Krug des Schatzbehalters steht jetzt als Kanne (nur mit Verzierungen) am Boden in der Schüssel. In Lautenbach fehlt er. Im Marienleben hält Hanna den Krug in der Rechten, die Schlange in der Linken.

2. Die Raumdarstellung ist im Gegensatz zur Beschneidungs­ gruppe nicht spiegelbildlich zu Lautenbach. Wie bei den anderen Bildern, so wird auch hier die Beschneidung im Raum vor dem Chor, der teilweise durch einen Vorhang (im Marienleben zurückgeschoben) abgetrennt ist, vor­ genommen. Wie in Lautenbach, so hat die linke Öffnung in der Seitenwand einen runden Abschluß. Der Fluchtpunkt (= Schnittpunkt der Tieflinien der rechten AFensakante und der Stufe, auf der der Mochel kniet) liegt wie bei den früheren Darstellungen rechts neben der Mittelachse des Chores und liegt gleich hinter der linken Schulter Marias. Wie bei den anderen drei Beschneidungen tangiert die Horizontale durch diesen Punkt den Kopf eines Jünglings (hier den Kopf des Kerzenträgers). Bereits auf dieser Tafel liegen bei der Aufteilung der Rückwand durch die Weite des Bogens die Streckenverhältnisse der Rückwand des Marienlebens vor. Aber im Gegensatz zum Marienleben steht hier nicht die Weite des Bogens zur Rückwand in dem Verhältnis m:(M+l), sondern die Summe der Seitenteile zur Rückwand. V. Zusammenhänge zwischen den Abweichungen in der Darstellung von Per­ sonen und Gegenständen. (Taf. 5 li. u. re. u. Taf. 6 li. u. re.) Die Übereinstimmungen auf den vier Beschneidungen von 1489/90 (33. Fi­ gur des Schatzbehalters), 1492/93 (Lautenbacher Altar), 1495/96 (Tafel des Wittenberger Altars) und ca. 1503 (Holzschnitt im Marienleben), die sich bei dem Vergleich der Darstellung der an der Handlung beteiligten Personen und der Darstellung des Raumes ergaben, sind bedeutsam. Sprechender noch sind scheinbar geringe Abweichungen in der Darstellung der Personen und der Gegenstände, die sich von einem Bild zum anderen fortlaufend beobachten lassen. Sie zeigen sich besonders bei der eigentlichen Beschneidung, der Stellung der Einzelfigur (Krughalter = Kerzen träger) und der Kerzen. Winkler64) meint zu der Darstellung der Beschneidung im Marienleben: „Der Vorgang ist mit einer handgreiflichen Deutlichkeit veranschaulicht, die andere Künstler nicht gewagt haben." Man könnte dasselbe vielleicht noch von Pachers Beschneidung auf dem Wolfgangaltar (1470—1481) sagen. Nur „vor der Beschneidung läßt festliche Feierlichkeit das peinliche Thema vergessen" 65). Weder im Marienleben noch in Lautenbach noch im Schatzbehalter ist bei den Darstellungen von einer Feierlichkeit wie bei Pacher etwas zu spüren, wohl aber das Bemühen, den Vorgang möglichst realistisch darzustellen und den Blick des Beschauers auf die eigentliche Beschneidung zu lenken.

l.Die Darstellung der Hände des Mochel a. Auf der frühesten Beschneidungsszene im Schatzbehalter (Taf. 5 li.) kniet

der Mochel vor dem Kinde. In der Rechten hält er das Messer, mit der 64) S. 157. 05) Öttinger S. 65.

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Lautenbacher Altar

Linken den Geschlechtsteil des Kindes. Sein Blick ist noch nicht auf das Kind gerichtet. Man wartet auf den Augenblick, daß er sich dem Kind zuwendet. Drei Jahre später sitzt der Mochel (Taf. 5 re.). Jetzt ist sein Blick auf den Körper des kleinen Kindes, den er berührt, konzentriert, und das Messer liegt so in der Hand, daß der Beschauer den Eindruck hat, daß der Mochel die Operation beginnen kann. Auf dem Wittenberger Altar (Taf. 6 li.) hat der Mochel den Kopf vorge­ neigt. Sein Blick ist auf die Hände gerichtet. Er ist im Begriff, das Messer für die Operation anzusetzen. Die weitere Bewegung der rechten Hand würde man nicht mehr sehen, da sie von der linken Hand, die das Kind hält, verdeckt ist. Auf dem Holzschnitt des Marienlebens (Taf. 6 re.) hat Dürer diesen Mangel dadurch beseitigt, daß der linke Arm des Mochel, der auf der Wittenberger Tafel dicht am Körper liegt, hier vom Körper weg angehoben ist, so daß die linke Hand den Geschlechtsteil nicht mehr von oben wie 1495/96, sondern seitlich fassen kann. Damit ist die Operation des Mochel frei für den Blick des Betrachters. b. Auch die Darstellung der den Körperteil des Kindes haltenden, linken Hand des Mochel läßt eine der Operation vorangehende, entsprechende Auf­ einanderfolge der Bewegungen erkennen. 1489/90 faßt die Hand von unten, 1492/95 ist die Hand um 90° im Uhr­ zeigersinn gedreht und 1495/96 um weitere 90°, so daß man die Hand von außen statt von innen wie im Schatzbehalter sieht. 1503 ist sie, um eine Ver­ deckung zu vermeiden, um weniger als 90° gegen den Uhrzeigerlauf gedreht, so daß sie hier fast, aber noch nicht ganz die Lage von Lautenbach hat. 2. Die Darstellung der Beinchen des Kindes Auf allen vier Bildern sieht man das ganze rechte Beinchen des Kindes. Bedenkt man, daß dieses rechte Beinchen auf den beiden seitenverkehrten Bildern dem linken Beinchen auf den beiden früheren Bildern entspricht, dann kommt man zu dem Schluß, daß auch bei der Darstellung der Lage der Bein­ chen Veränderungen vorgenommen worden sein müssen. Das Kind streckt sowohl auf dem Holzschnitt des Schatzbehalters wie in Lautenbach das rechte Beinchen aus und wehrt sich mit dem Fuß gegen den linken Unterarm des Mochel, der es mit der linken Hand berührt. Dieses Motiv der Abwehr wiederholt sich auf der Beschneidung der Witten­ berger Tafel und im Marienleben, aber es erfährt hier eine Änderung. Sie ist dadurch, bedingt, daß die späteren Beschneidungen seitenverkehrt zu den früheren sind. Soll man auf diesen Spiegelbildern das Messer in der rechten Hand sehen, dann muß der Mochel dieses auf der Darstellung im Schatzbehalter bzw. in Lautenbach in die linke Hand bekommen. Soll sich das Kind auch gegen die linke Hand am Körper wehren, dann muß es sein linkes Füßchen im Schatzbehalter (= rechtes auf den beiden späten Bildern) gegen den rechten (= linken auf den seitenverkehrten Bildern) Unterarm des Mochel stemmen. Im Spiegelbild wird dann aber der eigentliche 271

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Vorgang der Beschneidung, den das Marienleben bringt, verdeckt. Um dies zu vermeiden, müßte das Kind sein rechtes Füßchen im Schatzbehalter (= linkes Füßchen auf den beiden späten Bildern) gegen den linken (= rechter auf den späten Bildern) Arm des Mochel drücken. Aber das tut das Kind nicht. Dürer zeichnet das linke Füßchen im Marienleben 86) (= rechtes im Schatz­ behalter) nun so, daß er es unter der rechten Hand des Mochel (= linke im Schatzbehalter) herführt, und das Kind sein Füßchen gegen den linken Arm (= rechter im Schatzbehalter) stemmt. Um diese Abwehr ausführen zu können, muß das Beinchen sogar verlängert gezeichnet werden, wie es im Marienleben zu sehen ist. Diese komplizierte Abwehr des Kindes ist nur verständlich, wenn man sich klar macht, 1. daß die Funktionen der Hände des Mochels für das Spiegelbild vertauscht werden müssen, 2. daß aber die Abwehr des Kindes mit dem rechten Füßchen gegen den linken hantierenden Arm nicht vertauscht werden kann, wenn man die eigentliche Handlung nicht verdecken will. Soll der Realismus in der Darstellung des Vorganges gewahrt und die Abwehr des Kindes veranschaulicht werden, dann ist das nur so möglich, daß das rechte Füßchen des Kindes unter der schneidenden linken Hand des Mochels her zu seinem rechten haltenden Arm geführt wird. Diese Veränderungen in den Funktionen der Hände und des Fußes sind spiegelbildlich gesehen die komplizierte Bewegungsdarstellung des Kindes auf der Beschneidung des Ma­ rienlebens: Das linke Beinchen unter der rechten schneidenden Hand des Mochels und das Füßchen an seinem linken Oberarm. 3. D i e Wanderung des K e r z e n t r ä g e r s Genauso wie man auf den vier Darstellungen die fortschreitende Bewegung der Hand des Chirurgen verfolgen kann, genauso läßt sich auch das „schritt­ weise In-den-Vordergrund-Treten des Jünglings beobachten, der im Schatz­ behalter hinter dem Stuhl des Sandak steht und im Marienleben als Kerzen­ träger soweit in den Vordergrund getreten ist, daß Wölfflin 67) von ihm im Zusammenhang mit den anderen Personen sagt: „Nicht die gleichmäßige Fül­ lung des Raumes: Die Hauptmasse liegt rechts, und links hält eine einzelne Stehfigur das Gegengewicht. Sie zieht natürlich den Blick stark an, es ist aber eine ganz gleichgültige Person/,, a. Würde man nicht wissen, daß Wölfflin von der Beschneidung im Ma­ rienleben spricht, so könnte man annehmen, daß seine Worte sich auf die Beschneidung im Schatzbehalter (spiegelbildlich gesehen) beziehen (Taf. 5 li.). „Die Hauptmasse liegt rechts“ (Im Marienleben wie im Schatzbehalter dieselben Personen). Die einzelne „Stehfigur als Gegengewicht“, die „natürlich den Blick anzieht“, ist die Figur mit der Kanne.

Hier ist diese Figur ebensowenig „eine ganz gleichgültige Person" wie im Marienleben. Im Gegenteil. 66) Auf der Wittenberger Tafel ist die Lage des linken Beinchens am linken Arm des Mochel nicht so deutlich wie im Marienleben zu sehen. 67) S. 62.

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Das erste Besondere an ihr ist: Sie hält eine Kanne in der rechten Hand. Sieht man aber näher hin, dann wird man zweifelhaft, ob nicht der andere Jüngling hinter ihr diese Kanne in der linken Hand trägt. Verschmilzt man beide Personen M) in der größeren, dann läßt sich an dieser Figur feststellen, daß sie im eigentlichen Sinn des Wortes „Schritt“-weise auf den Bildern von 1489/90—1503/04, in den Vordergrund der Beschneidungsdarstellungen tritt. Vergleicht man diese auf allen vier Darstellungen vorkommende „Stehfigur“ am Stuhl des Sandaks, so bemerkt man zunächst, daß ihre Kleidung von Darstellung zu Darstellung reichlicher und kostbarer wird. Der sich von dem Sandak lösende, langlockige, barhäuptige Wegeilende (mit dem vor ihm stehenden jüngeren verschmolzen) trägt eine eng anliegende Bekleidung mit weitem Aus­ schnitt. ln Lautenbach hat er noch eine enge Strumpfhose, aber ihn hüllt jetzt ein langer Umhang, dessen enger Stehkragen weder 1495 noch 1503 abgeändert ist und dessen Vorderteildrapierung über dem rechten Arm noch 1503 sich wiederholt. Seit Lautenbach hält eine enge Kopfbedeckung die gekürzten Locken zusammen. Statt des Kruges in seiner linken hält er seit Lautenbach bereits die Kerze und faßt sie von unten, wie er 1489/90 den Krug hält, und er „umkreist sie gewissermaßen mit seiner hohlen Hand“, wie es bei seiner Hand am Fuß des Kruges im Schatzbehalter zu sehen ist.

b. Wichtiger als die Veränderung im Äußeren ist die Wanderung dieser Figur um den Stuhl des Sandaks herum, bis sie seinen Platz neben der wichtigsten Person, dem Mochel, hat. Um 1490 steht diese Figur noch ganz hinter dem Stuhl. Die Haltung des Körpers und der schräg gesetzte linke Fuß besagen, daß diese Person im Wegschreiten begriffen ist. Diese Fußstellung des linken Fußes hat noch die Figur in Lautenbach (Taf. 5 re.). Setzt die Figur im Schatzbehalter seinen nicht sichtbaren rechten Fuß so nach vorne, daß er die Stellung des rechten in Lautenbach hat (eine Fußstellung, die Wingenroth 69) „schön“, Haug70) „gespreizt oder verschroben“ und Habicht „for68) Die beiden Jünglinge sind sehr gleich mit ihrem engen Wams, den spitzen Schuhen und den langen Locken. Dennoch sind sie verschieden. Ihr größter Unterschied besteht darin, daß der vorderste eigentlich noch ein Kind ist und noch nicht den „Adamsapfel“ hat, der bei dem anderen sorgfältig ausgearbeitet ist. Wenn man bei dem vorderen die langen Locken, die langen spitzen Schuhe, das enge Wams, die darin betonte weiße Brust und die gerade Haltung sieht, möchte man von ihm sagen: Ein eitler, modischer, selbstbewußter junger Mann. Wenn man den klaren Blick der Augen und an dem engen Anzug den linken weiten Ärmel mit dem Hermelinbesatz beachtet, dann möchte man noch hinzu­ fügen, ein Kind, das weiß, was es will und große Pläne oder Wünsche im Kopf hat. Würden drei Jahre vergangen sein, dann würde der selbstbewußte Heranwachsende zu dem jungen Mann herangereift sein, der hinter ihm steht. Er hätte den „Adamsapfel“ und hätte Jahre des Lernens und des Sich-beugen-müssens hinter sich. Bei dem vorderen Heran­ wachsenden mit der Kanne in der Hand ist man versucht zu sagen, Dürer habe ein Bild von sich selbst gegeben, als er vom Goldschmiedlehrling zum Malerlehrling wurde. Bei dem hinter ihm Stehenden: Er hat sich dann noch einmal dargestellt als er, um drei Jahre gereift, im Begriffe steht, von den Fesseln des Gehorchen-müssens frei zu werden und wieder zu seinem Ich zurückzukehren, wenn die Bindung gelöst ist, durch die er „viel midi“ (Quälerei) hatte leiden müssen. Mit einer Locke ist er noch an der spitzen Kopf­ bedeckung des Sandak angeheftet (Taf. 5 li.) s. u. Anm. 128 die Person des Simson (?) auf der Darbringung im Marienleben. Ist auch der große Krug als doppeltes Symbol aufzufassen? Nach dem Bild scheint bei beiden Figuren die Rechte des vorderen mit der Linken des hinteren Jünglings zusammen­ zufallen. In der Hand ruht der große Krug mit dem Henkel der schönen Geputzten zuge­ wandt. Ist der Krug in der rechten ein Symbol seiner bisherigen Arbeit, und in der linken ein Symbol für den Wunsch des Herangereiften? 69) S 193> __70) S. 51f Habicht. 18

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eiert ausholend" nennt), dann nimmt ihr Körper die Haltung der Figur in Lautenbach ein. Diese Körper- und „verdrehte"71) Fußhal­ tung bereiten vor, daß beim Ansetzen des linken Fußes an den rechten der Körper sich dreht (diese Fußstellung ist ungewöhnlich und so konnte Willig sie „eigenartig" nennen) und im Vergleich zur Ausgangsstellung von 1489/90 eine Drehung von 90° gemacht hat. Die Figur steht dann seitlich neben dem Stuhl des Sandak. Sieht man die Szene dann spiegelbildlich, so hat man die Stel­ lung des Kerzenträgers von 1495 /96 neben dem Stuhl des Sandaks (Taf. 6 li.). Die Figur des Kerzenträgers im Marienleben hat den rechten (= linken in Lautenbach und im Schatzbehalter) Fuß vorgesetzt (Taf. 6 re.). Infolgedessen liegt zwischen beiden Fußstellungen von 1495/96 und 1503 eine nicht darge­ stellte Phase. Kalkuliert man diese ein, dann ist die Fußstellung des Kerzen­ trägers im Marienleben nicht die nächste, sondern die übernächste Phase im Voranschreiten nach 1495/96. Nach diesen Schritten müßte er jetzt im Vordergrund neben dem Mochel stehen. Diese Phase und Stellung des Fußes zeigt die Figur im Marienleben. Der Verlauf der Phasen der Fortbewegung ist also: 1489/90 Figur ganz hinter dem Stuhl — linker Fuß vorne 1492/93 Figur noch hinter dem Stuhl — rechter Fuß vorne, zur 90°-Drehung bereit („ver­ drehte Fußstellung“) 1495/96 Figur neben dem Stuhl — linker Fuß angesetzt, rechtes Bein angewinkelt zum Weitergehen (spiegelbildlich gesehen) ----- Figur zwischen Sandak und Mochel — rechter Fuß vorne 1503 Figur neben dem Mochel — linker Fuß vorne (spiegelbildlich gesehen).

c. Daß der Ablauf von Bewegungsphasen der Körperhaltung und Fuß­ stellung eines Schreitenden, der dabei noch eine Drehung von 90° vornimmt, um vom Hintergrund hinter dem Stuhle nach vorne zu kommen und in den Vordergrund zu treten, in der Aufeinanderfolge von vier Darstellungen mit gleichem Inhalt festzustellen ist, ist nur damit zu erklären, daß die vier Dar­ stellungen von demselben Künstler, nämlich Dürer, stammen 72). An dieser Aufstellung erkennt man auch, daß diese Figur, auf den Bildern stetig weiter schreitet, gleichsam an Dürers Lebensweg Anteil hat. Denn die Zeitspanne zwischen den Bildern von 1495/96 ist bis 1503 mehr als doppelt so groß wie die zwischen den Bildern des Schatzbehalters und in Lautenbach. Eine Darstellung der Beschneidung in der Zeit von 1495/96—1503 fehlt. Aber die Darstellung von 1503 zeigt, daß die Figur den Zwischen­ schritt getan hat und noch im Weiterschreiten begriffen ist.

71) Heid Studien S. 66. Willig S. 38. 72) Auch die verschiedenen Darstellungen des Josef sind bemerkenswert. Die Llnterschiede sind auch nur aus der Arbeit eines Künstlers zu erklären. 1489/90 sieht man bei Josef unter dem weiten Rock ein hinkendes rechtes Bein. Den Stock, den ein Hinkender braucht, trägt Josef in der Linken. 1492/93 zieht Josef von diesem Bein mit der Linken den Rode weg und schaut nach dem unbedeckten Bein. Den Krückstock hat Josef nicht mehr. Dadurch war die Linke frei für das Wegziehen des Rocks. 1495/96 hat Josef wieder einen Stock in der Linken, aber keinen Krückstock, sondern den Stock eines jungen Mannes, den er jetzt mit verhüllter Hand trägt wie der Josef auf der Darbringung im Marienleben. Auf der Beschneidung sieht man seine starke linke Hand am Schwert (?).

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4. Die verschiedene Darstellung der Kerze Audi die Darstellung der Kerze in der Hand dieser Figur läßt eine eigene Ent­ wicklung erkennen. Statt des Kruges im Schatzbehalter hält die Figur seit Lautenbach eine Kerze, die von ihr bis zuletzt wie der Krug im Schatzbehalter von unten gefaßt wird. Die Kerzenflamme leuchtet in Lautenbach noch nicht über den Kopf des Kerzenträgers hinweg, wohl aber auf der Wittenberger Tafel. Im Marienleben hält die Figur eine die ganze Hand füllende, geflochtene, dicke Kerze, die zwar seinen Kopf überragt, aber nicht brennt. An ihrer Stelle brennt eine kleine Kerze, die auf der Spitze eines Tellers steckt, der die Stelle der Flamme an der großen Kerze einnimmt. Hier ist also die kleine Kerze an der Wand neben der Bogenöffnung auf der Wittenberger Tafel mit der Kerze in der Hand des Kerzenträgers vereinigt worden. Die Flamme dieser kleinen, aufgesetzten Kerze züngelt nicht frei wie in Lautenbach und Wittenberg. Diese merkwürdige Kerze ist rätselhaft wie auch sovieles andere auf dieser Be­ schneidung.

VI. Zusammenfassung: Die Untersuchungen der vier Beschneidungen von 1489/90 1492/93 1495/96 1503

Holzschnitt im Schatzbehalter (1491 erschienen) Tafel des Lautenbacher Altars Tafel des Wittenberger Altars Holzschnitt im Marienleben

ergeben, daß sie die Arbeiten eines Künstlers sind. Ihre kennzeichnenden Übereinstimmungen und untereinander zusammenhängenden Abweichungen sind: 1. Die Personen a. Die vier Bilder haben die gleiche Beschneidungsgruppe. Der fast gleiche Sandak sitzt auf dem fast gleichen, schräg in den Raum gestellten Stuhl. Der auf zwei Bildern (1492/93 und 1495/96) bartlose Mochel73), der mit dem ärmellosen Mantel (außer in Lautenbach) und mit dem Kleid mit den weiten Unterärmeln (außer in Wittenberg) bekleidet ist, kniet im Schatzbe­ halter und auf der Wittenberger Tafel (beidemale ist das kniende Bein trotz der Seitenverkehrung der Gruppe vorne) und sitzt in Lautenbach und im Marienleben auf dem fast gleichen Bogenschemel. Im Vergleich zu den beiden früheren Darstellungen (Holzschnitt und Ge­ mälde) ist die Gruppe der Beschneidung auf den beiden späteren (Gemälde und Holzschnitt) seitenverkehrt zu sehen. b. Auf allen vier Darstellungen bildet die „ S t e h f i g u r " mit der Kerze (im Schatzbehalter mit dem Krug) ein Gegengewicht zu den anderen Gruppen. c. Die Beziehungen der vier Beschneidungen zueinander liegen nicht allein in der Übereinstimmung der Darstellung der Beschneidungsgruppe mit ihren besonderen Einzelheiten. Sie liegen auch darin, daß bei den dargestellten Bewegungen besonderer Figuren in der Aufeinanderfolge der Bilder der Bewegungsablauf einer Handlung in jeder einzelnen Phase sich ver73) 1489/90 ist er bärtig. 1503 auch (?) ist abeT nicht deutlich zu erkennen. 18*

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folgen läßt, so beim Mochel das Hinführen der rechten Hand zum Körper, das verschiedene Festhalten des Körperteils mit der linken Hand und bei der „Stehfigur“ das In-den-Vordergrund-Schreiten mit der gleichzeitigen Umrun­ dung der Beschneidungsgruppe. Auch die komplizierte Abwehrbewegung des Kindes gegen den linken Arm des Mochel im Marienleben ist die Folge der steten Weiterführung der Hand­ bewegung dieser Person. 2. Der Raum a. Alle vier Beschneidungen werden im Kirchen raum vollzogen, der vom Chor durch einen Rundbogen getrennt ist. Während auf beiden Gemälden die Höhe des Raumes nicht abgeschlossen ist und die Höhe der Rückwand etwas über dem Bogen durch den Bildrand abgegrenzt ist, wird auf den beiden Holzschnitten der Kirchenraum mit einem hölzernen Tonnengewölbe abgeschlossen und der vordere der zwei sichtbaren Bögen vom Bildrand überschnitten. Nur der Raum des Marienlebens ist im Vergleich zum Schatzbehalter spiegelbildlich wie auch die Personengruppen. Bei der Wittenberger Tafel hin­ gegen ist nur die Personengruppe, nicht der Raum seitenverkehrt. b. Bei den drei früheren Darstellungen liegt der Fluchtpunkt rechts neben der Mittelachse des Kirchenraumes; seine Entfernung von dieser nimmt von Bild zu Bild zu, 1503 ist er am weitesten entfernt (hier seitenverkehrt). Auf drei Beschneidungen berührt die Horizontale durch den Fluchtpunkt die Köpfe von jtmgen männlichen Personen, im Marienleben den Kopf des Sandak. Dreimal geht die Vertikale durch den Fluchtpunkt durch die Fußgelenke des Kindes (1489/90 und 1492/93) bzw. des Kerzenträgers (1503) 74). c. Seit Lautenbach ist der Chor einbezogen. Die Rückwand des Kirchen­ raumes hat also seit 1492/93 eine Öffnung und Seiten wandteile. Die Aufteilung der Rückwand durch die Weite des Chorbogens er­ folgt 1492/93 nach dem Verhältnis aus dem Achtort 1:1/2 — Weite des Bogens: Rückwandbreite, 1495/96 nach einem Verhältnis aus dem Goldenen Sechseck 1 :[V2(l/5 + l) + l] = Summe der Rückwandteile: Rückwandbreite 1503 nach demselben Verhältnis wie 1495/96, aber hier ist das Verhältnis = Bogenweite: Rückwandbreite. Durch die Hände der Symbolfiguren in den Nischen des „geschnitzt gedachten Astgerankes“, einer zeich­ nerischen Weiterführung des Gerankes über der Lautenbacher Tafel, wiederholt sich die Lautenbacher Rüdewandaufteilung, Bogenweite: Entfernung der Hände = 1:1/2. Der Eindruck eines zu großen Chores auf der Wittenberger Tafel und eines zu kleinen im Marienleben entsteht dadurch, daß Dürer für die Aufteilung 74) Auf der Wittenberger Tafel müßte sie durch die linke Ferse der Maria gehen, über die aber das Gewand fällt.

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der Rückwand durch den Bogen auf diesen beiden Bildern nicht das Verhältnis des Goldenen Schnittes aus dem Goldenen Sechseck m:M = M: (m+M) = 1:1,168 . . . zugrundelegte, sondern ein anderes Verhältnis, das in diesem vorkommt, nämlich m:(M + l) = (M + l):(m + M+1) — 1:2,618 . . . DIE TAFEL DER DARBRINGUNG *)

(Taf. 10 li.) A. Zusammenhang mit Darbringungen Dürers und anderer Künstler

I. Vergleich mit der Darbringung des Marienlebens 75) (Taf. 10 li. u. re.) Als Übereinstimmung der Lautenbacher Tafel mit dem entsprechenden Holzschnitt des Marienlebens führt Willig 76) vor allem die „opfernde Magd“ und den „Käfig mit den zu opfernden Tauben“ an. „Weiter sind die säulenartigen Tischbeine gleich“. Es ist zu bemerken, daß das Stangenkästchen mit den Opfertauben auf beiden Darbringungen die vier Eckpfosten erhöht hat, was auch die Taubenkäfige auf den Bildern des Opfers des Joachim und des Tempelganges der Maria im Marienleben, nicht aber die Käfige auf den Bildern haben, die sich an Dürers Darbringung des Marienlebens anlehnen 77). Medding 78) macht bei der Knienden in Lautenbach auf die „Haltung mit dem vorgeschobenen Leib“ aufmerksam. Das ist eine Bemerkung, die ebensogut auch auf die Kniende im Marien­ leben zutrifft. Im Wesentlichen ähnelt sich sogar die Drapierung ihres Rockes vor dem rechten Knie seitlich des rechten Beines und über dem linken Bein auf beiden Bildern.

Die Tafel der Lautenbacher Darbringung zeigt noch weitere Übereinstim­ mungen79) mit der Darbringung des Marienlebens, so daß man nicht an­ nehmen kann, Dürer habe die Arbeit eines fremden Meister nachgearbeitet. Vielmehr ist anzunehmen, daß Dürer sein eigenes Jugendwerk wieder auf­ nahm und für das Marienleben neu bearbeitete. II. Dürers Kniende — eine „Opfernde“? 1. Die Kniende der Lautenbacher Tafel (Taf. 10 li.) Auf der Lautenbacher Tafel der Darbringung ist die Kniende dasjenige Motiv, dem in der Literatur das meiste Interesse entgegengebracht wird. Die *) S. hierzu: Zur Ikonographie der Darbringung, S. 317 ff. dieses Bandes. 75) Eine Tafel der Darbringung des Marienaltars von 1480 (?), die zum Vergleich wie bei der Heimsuchung herangezogen werden könnte, ist nicht bekannt. Aber die Tafel der Be­ schneidung wird auch des öfteren als „Darstellung im Tempel“ bezeichnet. Motive dieser Tafel finden sich auf der Lautenbacher Darbringung wieder. Auf dieser Tafel der Beschneidung wohnen Josef und Maria nebeneinander stehend der Handlung bei, die an einem Tisch mit Säulenfüßen stattfindet. In Lautenbach sieht man nicht nur diesen Tisch, sondern auch diese Figurengruppe, nur mit dem Unterschied, daß jetzt Maria eine „Begleiterin“ Marias ist; Maria, nimbiert, steht in Lautenbach vor diesen beiden und beugt sich über den Tisch. 76) S. 3 8 f. 77) Darbringung im Fenster zu Gründlach und auf dem Geschlachtwander-Altar des Sebastian Taig in Nördlingen. Altar in Feldkirch von Wolf Huber. 78) S. 228 r. Sp. 79) s. S. 279 li. 296.

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Kniende im Marienleben hingegen wird nur beiläufig erwähnt. Sie beansprucht aber im Zusammenhang mit der Lautenbacher Knienden besondere Beachtung. Habicht79a), der sich mit der Knienden in Lautenbach beschäftigte, nennt sie „kniende, opfernde Magd", eine Bezeichnung, die auch Willig ihr gibt. Medding spricht von einer „knienden Begleiterin" und fragt: Ist sie nicht „in ihrer Konzeption bereits eine Vorahnung einer der großartigsten Gestalten des Isenheimer Altars, nämlich der Magdalena unterm Kreuz?" Nach dem Lukasbericht muß Maria, wie es das Gesetz befiehlt, das Reinigungsopfer bringen, also ist bei der Darbringung Maria und nicht die sie be­ gleitende „Magd" die „Opfernde". Wenn Habicht und Willig die Kniende trotzdem als „Opfernde" bezeichnen und Medding sie mit Grünewalds Maria Magdalena vergleicht, dann muß sie auf diese den Eindruck einer opfernden Sünderin gemacht haben. 2. Die Kniende im Marienleben (Taf. 10 re.) Die Lautenbacher „opfernde Magd" „erinnert" Willig an die Kniende im Marienleben80). Auch diese Kniende reicht das Kästchen mit der Opfergabe Simeon und macht auf den Betrachter, genauso wie die Lautenbacher Kniende den Ein­ druck einer Opfernden. Beißel hält sich an den Lukasbericht und meint: „Dürer hat in seinem Marienleben die eigentliche Darstellung im Tempel geschildert. Maria kniet vor einem Altar und reicht dem jüdischen Priester die Tauben hin, damit er ihr das Kind zurückgebe" 81). Auch nach Knackfuß 82) bringt hier „Maria" . . . 79a) S. 52. 80) Im allgemeinen wird dieser Figur keine Aufmerksamkeit zugewandt, da der Raum dieser Darbringung das ganz besondere Interesse beansprucht. Was über die dargestellte Handlung und die dargestellten Personen zu sagen ist, wird meist kurzweg mit „Darbringung im Tempel“ zusammengefaßt. 81) Beißel S. 321. Künstle wiederholt Beißels Formulierung. 1. Einiges auf dem Holzschnitt könnte für Beißels Auffassung sprechen. Die Figur ist durch ihre Größe besonders hervorgehoben. Das Licht fällt auf ihre ganze Figur, sie ist unverdeckt. Sie kniet im Vordergrund in der Mitte vor dem Altartisch auf einem podestartigen, runden Vorsprung der Altarstufe. Man könnte ferner aus der Geste des Simeon, der sich mit dem Kinde auf den Armen über den Tisch hinweg ihr zugewendet, als wolle er ihr das Kind zurückgeben, schließen, daß sie die Mutter des Kindes ist. Auf sie schauen auch die Prophetin Hanna und die neben ihr Stehende. Josef steht ferner dicht hinter der Knienden (beide sind ganz zu sehen), so daß man aus ihrer Stellung auf eine Zusammengehörigkeit beider, auf „Josef und Maria“ schließen könnte. 2. Was die dargestellte Handlung betrifft, so sagt Knackfuß etwas anderes als Beißel. Nach Knackfuß (S. 53) bringt sie das Reinigungsopfer dar. Nach Beißel bringt sie das Lösegeld für den dargebrachten Sohn, das aber nicht sie in Form von Tauben, sondern der Vater in Form von Geld erlegen mußte. 4. Mos. 4. 46 f. Deshalb sind auf der Lochnerschen Tafel der Darbringung die Tauben da, und man sieht außerdem Joseph hinter Maria das Geld für die Auslösung zählen. In dem Antiphon zur Lichtmeßprozession steht zwar: „obtulerunt pro eo Domino par turturum . . . (Sie brachten für ihn dem Herrn ein Paar Turteltauben ...)“. Es ist aber nicht nötig, diese Stelle so aufzufassen, wie Beißel es tut, daß nämlich die Tauben die

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„das Reinigungsopfer“ dar. Tietzes83) Äußerung: „Eine Frau (Maria?) bringt ihre Opfergabe, sie leitet über den leeren Tisch zu Simeon, der das Kind hält“, läßt erkennen, daß auch für sie die Kniende, die ihre Opfergabe bringt, eigent­ lich Maria sein müßte, daß sie aber dennoch Bedenken haben, diese in der Knienden zu sehen. Mit Recht, denn auch in Lautenbach ist die „opfernde Kniende“ keine Maria, diese steht mit dem Heiligenschein („Sancta Maria“) hinter ihr. Auch im Marienleben befindet sie sich seitlich hinter der Knienden. Maria steht auf derselben Altarstufe, auf der die Taubenträgerin kniet (diese auf dem halb­ kreisförmigen Vorsprung). Sie hat das Aussehen der Maria der Beschneidung im Marienleben. Ganz besonders aber gleicht sie der Maria, die in Lautenbach der Beschneidung beiwohnt. Diese beiden Figuren stimmen nicht nur in der Kleidung, der Kopfbedeckung und den überein­ andergeschlagenen Armgelenken aufs genaueste überein, sondern die Übereinstimmungen er­ strecken sich auch auf die geringen Einzelheiten wie die Falten des Kopftuches, der Ärmel und ihre Schatten darauf.

3. Die Kniende auf der Londoner Zeichnung (Taf. 9 re.)

Eine Verwechslung der Knienden mit Maria ist auf der Dürerschen Dar­ bringung der Londoner Zeichnung (W 21), die gleichzeitig mit dem Lauten­ bacher Altar entstanden ist, ebenso ausgeschlossen wie in Lautenbach. Hier kniet eine „füllige Frauenschönheit“ 84) vor einem Altartisch, über dem Simeon das Kind hält und reicht ihre Opfergabe dar. Sie ist nicht Maria, da diese wie in Lautenbach nimbiert am Altartisch steht. Die drei Knienden haben das gemeinsam, daß sie nach der Art ihrer Dar­ stellung die „Opfernden“ und dennoch nicht Maria sind. Die grundlegenden Unterschiede in ihrer Darstellung lassen die Formulierungen erkennen, mit denen Habicht und Willig, Tietzes und Römer ihren Eindruck von der Figur wiedergeben. Sie ist 1492/93 auf der Lautenbadier Tafel „eine opfernde Magd“, eine „Magdalena unterm Kreuz“ 1503

auf der Londoner Zeichnung „eine füllige Frauenschönheit“ im Marienleben „eine Frau“, die „ihre Opfergabe“ bringt.

Bestehen zwischen diesen drei verschiedenen Darstellungen der Knienden gedankliche Zusammenhänge?

Auslösung für die männliche Erstgeburt waren. Diese Stelle kann ebensogut heißen, daß das Kind die Ursache für die Darbringung des Reinigungsopfers war. Dieser Text war schon bei der Lichtmeßprozession im Mittelalter üblich. 3. Bei Dürer ist die Person, die das Kind mit verhüllten Armen trägt, kein „jüdischer Priester“, für den ihn Beißel (= Künstle) halten. Es ist Simeon, der das leinene Tuch über dem Kopf und den Schultern hat. Dürers jüdische Priester sind im Marienleben gekennzeichnet durch die gespaltene, hohe, spitz zulaufende Kopfbedeckung (Joachims Opfer) und außer dieser Kopfbedeckung durch das priesterliche Gewand (Marias Tempel­ gang und ihre Vermählung). 82) Knackfuß S. 53. Wölfflin S. 86: hält sie für eine nebensächliche Person. Er sagt: „Nachdenklicher macht die Art, wie Dürer ... zu erzählen versucht als Maler, der . . . den Helden der Geschichte nicht gleich im Vordergrund präsentiert, sondern mit ganz gleichgültigen Personen groß anfängt.“ 83) I. S. 83 li. Sp. 84) Römer S. 125.

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III. Die Kniende auf der Zeichnung nadt Sckongauer (Taf. 9 li.) und bei Dürer l.Die Kniende auf der Zeichnung nach Schongauer Bei allen drei Darbringungen Dürers wird auf eine Zeichnung aus dem Kreise Schongauers verwiesen85). (Taf. 9 li.) a. Auf dieser Zeichnung kniet eine Figur, ein Körbchen mit zwei Tauben in den Händen, vor dem Altar auf einer Stufe. Über dem Altartisch reicht Simeon der nimbierten Maria, die seitlich des Altares hinter der Knienden steht, das Kind. Rechts steht ein Kerzenträger. Auf diese Gruppe um den Altar beschränkt sich im Wesentlichen die Übereinstimmung mit der Darbringung der Lautenbacher Tafel und der Londoner Zeichnung. Im Marienleben ist von dieser Gruppe nur noch die Kniende wiederzufinden. b. Die Wiederaufnahme lediglich dieser Figur nach rund zehn Jahren ist ein Zeichen dafür, daß Dürer vorwiegend an der Darstellung der Knienden auf der Schongauerschen Darbringung interessiert ist. Das wird auch daraus ersichtlich, daß er sie auf jeder seiner Darbringungen anders darstellt. Das Interesse Dürers an der Schongauerschen Knienden ist begründet. Denn das Besondere an dieser Figur ist, das sie als taubentragende „Begleiterin" Marias entgegen der üblichen Ikonographie der Darbringung86), nach der sie Maria folgt, a. den Platz vor dem Altar einnimmt, b. selbst die Tauben an den Altar reicht, c. kniet, d. Maria verdeckt. c. Diese opfernde Kniende scheint durch eine Umformung der Lochnersehen Darbringung von 1447 entstanden zu sein (Taf. 8 li.). Auf der Lochnerschen Tafel kniet Maria, nimbiert, vor dem Altar auf der Stufe und reicht die Tauben an den Altar. Auf derselben Altarstufe steht seitlich der Mensa auch eine Frau, die wie Maria auch einen blauen Mantel trägt. In ihr ist die Maria dargestellt, die auf anderen Darbringungen Simeon das Kind übergibt, oder es mit Simeon auf dem Altäre hält oder es wieder in Empfang nimmt. Sie erscheint bei Lochner als „Begleiterin“, da Maria als Stellvertreterin der Menschheit vor dem Altäre kniet. Läßt man auf der Lochnerschen Darbringung die Tauben als Zeichen der Bußgesinnung nicht von Maria, sondern einem Vertreter der sündigen Frau, einer Maria Magdalena, an den Altar reichen, so kniet vor dem Altar eine Frau, seitlich links des Altars steht Maria mit zwei Begleiterinnen und rechts des Altares Simeon mit einer Männergruppe 87). Die Schongauersche Kniende trägt ein enges Miederkleid, das ihre Körperformen betont. Den weiten Halsausschnitt schmückt eine Kette und über ihrer linken Schulter liegt ein Pelz, an ihrem mit einem Fransenband besetzten Oberärmel hängt ein langes Tuch, das sie hal­ bierend am Saum faßt und an das Körbchen hält. Auch der Faltenansatz des Rockes ist so gezeichnet, daß er nicht in der Taille ansetzt, sondern an den Fransen anfängt und von dort aus lang herunterfällt. Beides hängt „schleppen“-artig herunter, womit sie als „Schleppe“

85) Winkler bei dem Marienleben, Dürer S. 157, bei der Zeichnung W 21. Curjel und Willig bei Lautenbach, s. Willig S. 3 5. 88) S.: Zur Ikonographie der Darbringung Christi. 87) S. Anm. 86.

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MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar (= Dirne) M) gekennzeichnet ist. Josef steht hinter ihr und hält zwischen sich und ihr als Abwehr eine rosenkranzartige Perlenschnur. Diese Kniende trägt gleichzeitig die Kennzeichen einer Bußgesinnung. Sie hat ihre Locken mit einem Blätterkranz hochgenommen, der aus Blättern einer Heilpflanze89) besteht. In bußfertiger Gesinnung bringt also die Kniende die Tauben als Reinigungsopfer dar.

2. Vergleich der Schongauerschen mit der Dürerschen Knienden (Taf. 9 li. u. re., 10 li.) Die Schongauersche Darstellung der Knienden scheint der Ausgang für Dürers zwei verschiedene Fassungen der Knienden auf den beiden Darbrin­ gungen von 1492/93 gewesen zu sein. a. Bei der opfernden knienden „Magd" in Lautenbach (Taf. 10 li.) hat Dürer das weggelassen, was als Putz bei der Schongauerschen Figur zu sehen war. Es fehlt ihr die Kette, die Befransung des Oberärmels, das lange, schleppenartige Tuch am Ärmel, das kostbare Körbchen, der Blätterkranz. Die Lautenbacher Kniende trägt nur ein einfaches, hochgeschlossenes Miederkleid mit engen Ärmeln und einem hellgrünen, schwarzgerandeten Miederkragen, ein einfaches geschlungenes Kopftuch und einen Stangenkäfig für die Tauben. Betont wurde außer der Einfachheit der Kleidung auch die zarte Figur. Trotz ihrer einfachen Kleidung ist auch sie, wie bei Schongauer, eine Dirne, und zwar eine berufsmäßige. Ihr Schal, der um ihren Kopf geschlungen ist, ist der des nackten Mädchens ") auf der Zeichnung der Sammlung Bonnat (W 28), die gleichzeitig mit dem Lautenbacher Altar entstanden ist. Sprechend ist die Farbe des Kopftuchs. Es ist gelblich-rot und also eine Mischung der Farben, die für die Kopftücher der „Hübscherinnen“ 91) je nach dem Ort vorgeschrieben waren, in Nürnberg gelb, in anderen Orten rot.

M) 1. Auf den Darbringungen dieser Zeit kann man sowohl die ursprüngliche „Begleiterin“ Marias, wie die zur Maria Magdalena gewordene finden, die aber häufiger ist. S. Zur Ikonographie der Darbringung. 2. Ein Schleppenkleid trägt die Frau auf der Illustration zum 50. Kapitel (Von Wollust) des Narrenschiffs und ebenso die Venus auf der Illustration zum 13. Kapitel (Von Buhl­ schaft). Hier frißt der Esel, (Symbol der Wollust) ihre Schleppe. Bei Hans Sachs wird eine Dirne „Schleppsack“ genannt (beachte das wie ein Sack auf dem Boden stehende Kleid der Knienden) in „Die sieben klagenden Weiber“ u. a. O. Er spricht ferner bei ihnen von ihrer „Tändelei mit Pelzbesatz“. Der Text zum 50. Kapitel von „Wollust“ spricht von „einem üppigen Weib, das öffent­ lich sitzt auf der Straß und schreit sich aus, daß jedermann komm in ihr Haus und die Gemeinschaft mit ihr teil, weil sie um wenig Geld sei feil“. 89) Ein Kranz mit denselben Blättern schmückt das Haar der Dürerschen Melencolia. Er besteht aus der Pimperneile Saxifraga, einer mittelalterlichen Heilpflanze, die man auch in Dürers kleinem Rasenstück findet. ®°) die Winkler „Badefrau“ nennt. Bei der Lautenbacher Knienden und dem nackten Mädchen verhalten sich die Kopfhaltung und die Blickrichtung spiegelbildlich. Auch das Kopftuch ist bei beiden entgegengesetzt um den Kopf geschlagen. Bei der Lautenbacherin von links nach rechts, das lange Ende über der rechten Schulter herabhängend, bei der Nackten von rechts nach links das Ende links herunterhängend. Beide Enden sind bei der Lauten­ bacherin länger. Nicht spiegelbildlich ist der helle Fleck auf der linken oberen Brust der beiden, auf den die Nackte mit der Hand zeigt (an dieser Stelle sind keine Schraffuren), gegen den die Lautenbacherin das Stangenkästchen drückt (an dem hellgrünen Miederkragen ist diese Stelle besonders hell gelassen worden). 91) „Hübscherinnen waren in Nürnberg die Dirnen, die in einer Gemeinschaft zusammengeschlossen waren.

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Ist sie auch bußfertig, wie die Schongauersche Kniende? Nach Willig92) ist „ihr Gesichtsausdruck demütig und bescheiden“, und auf Medding machte sie den Eindrude einer Maria Magdalena unter dem Kreuz. b. Auf der gleichzeitig entstandenen Londoner Zeichnung (Taf. 9 re.) gibt Dürer der Knienden an Putz und Faltung der Kleidung das wieder, was er von der Schongauerschen Figur für die Lautenbacher Kniende nicht übernommen hatte, so daß Römer03) von der Knienden der Londoner Zeich­ nung sagen konnte: „Das kümmerliche Mädchen mit dem Taubenkörbchen wird eine füllige Frauenschönheit. Jede Linie in Leib und Gewand wird auf­ geschwellt.“ Hatte die Lautenbacherin ein hochgeschlossenes Mieder und war über ihre flache rechte Brust der herabfallende Teil des Kopftuches gelegt, so ist auf der Zeichnung der Halsausschnitt am Kleid besonders weit und tief 94), und die rechte Brust besonders herausgearbeitet. Hatte die Kniende in Lautenbach ein einfaches Tuch um den Kopf geschlungen, so hat die Kniende der Zeichnung über den Haaren ein Fransenband und darüber einen reich mit Steinen verzierten Haarschmuck. Während man bei der Lautenbacherin zwar den Gürtel 95) aber keinen Verschluß sieht, wird bei der Knienden der Zeichnung dieser durch einen Ärmelwulst verdeckt, aber den Verschluß bildet eine kostbare große Schmuckrosette. Wie der schleppenartige Rock, so ist das lange, am Oberärmel angesetzte Tuch schongauerisch. Die linke Hand ergreift das Ärmeltuch am Saum bei der Hälfte und hält es gegen den Taubenbehälter, wie sie es auf dem Vorbild tut. Aber während die Schongauersche Kniende die Opfertauben in einem Körbchen trug und die Lautenbacherin in einem einfachen Stangenkäfig, hat hier die Kniende eine große Schüssel mit der Opfergabe in der Hand. Weist schon die große Schüssel 96) auf sie als eine Ehebrecherin hin, so hat sie auch noch weitere Merkmale einer Dirne an sich. Sie trägt das Fransenband über den Haaren, was auch 92) S. 28. 93) Römer S. 12 5. 94) Auch „Metzen“ tragen ausgeschnittene Kleider, daß man den „Milchmarkt nicht bedecke“. Sie „wickeln viel Lappen in die Zöpfe und machen Hörner auf die Köpfe.“ (Narrenschiff Vorrede). 95) Einen Gürtel mit einer Schnalle oder einem besonders kostbaren Verschluß trägt nur die verheiratete Frau. 98) 1. Hans Sachs im „Heißen Eisen". Der Mann, der seiner Frau den Ehebruch verzeihen soll, sagt: „Mein Weib bricht Häfen (= Schüsseln), ich brech Krüge.“ Ebenso in den „sieben Männern“. Auch im Narrenschiff: „Das macht, die in der Ehepflicht, zerbrechen Krüge und Häfen zugleich“. Kap. 33. Dürers weibliche Figur der Zeichnungen (W 229 u. 231 „tanzendes Bauempaar“), die Flechsig II. S. 89 eine „Bauerndime gewöhnlichstier Art“ nennt, „die ihre Absicht unver­ hüllt zeigt“, hat unter anderen kennzeichnenden Attributen eine Schüssel im Arm. S. Anm. 105. 2. Die weite, flache Form des schüsselartigen Behälters mit zwei Griffen, die auf keiner der für die Arbeit benutzten Darbringungen zu finden war, zeigt eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit dem Korb, in dem die Tauben von der Knienden auf der Dar­ bringung des Passionsaltares aus der Dominikanerkirche in Colmar (heute UnterlindenMuseum) getragen werden, der als ein Werk Schongauers angesehen und dessen Entstehungszeit, „Mitte der 70er Jahre“, nur vermutet wird (Katalog Unterlinden-Museum, Colmar. Baum S. 52 ff. Stange VII S. 22). Stange fällt auf, daß die Darbringung im Tempel „noch unberührt“ ist und meint, sie sei „von einem graphisch formalen Gesellen“ ausgeführt worden. Bei dieser Darbringung ist noch auf die nicht zu verkennenden Übereinstimmungen des Raumes mit dem Raum der Beschneidung des Wittenberger Altars Dürers hinzuweisen. Sie erstrecken sich auch auf den Vorhang mit den nach rechts liegenden Falten an seiner Befestigung an den Ringen, der den Chor vom Kirchenraum abtrennt. Hängt er auch auf

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MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar Dürers drei „Bäuerinnen“ (W 229 = Dirne, W 230 = Ehebrecherin, W 231) haben97). Sie hat die Merkmale einer „Bübin“ 98), kleine Striche am Kinn und einen Kehlkopf, Zeichen, die auch Maria Magdalena an sich trägt, die als Vorstudie zum Umrißkupferstich von 1523 gilt (W 860) ").

Auf der Zeichnung läßt Dürer also vor dem Altar nicht ein einfaches Mädchen, eine gesetzlich geduldete Dirne, knien, sondern eine reiche, geputzte Frau, eine Ehebrecherin 10°). Was könnte an ihr die Bußgesinnung zeigen? Nichts. Sie hat die aufrecht kniende Haltung der Schongauerschen Knienden. Während bei dieser der Wunsch geheilt zu werden durch den Blätterkranz einer Heilpflanze, der die Locken hochnimmt, zum Ausdruck kommt, zeigt die kostbare Üppigkeit des Kopfschmuckes der Knienden der Zeichnung wohl eine hoffährtige, aber keine demütige Gesinnung. Mit diesen zwei Fassungen der Schongauerschen Knienden, die das Reini­ gungsopfer darbringt, differenziert Dürer die Sündhaftigkeit der Frau, die auch im Evangelium zum Ausdruck kommt. Nach diesem reinigte Christus die öffentliche Sünderin Maria Magdalena und die Ehebrecherin von ihren Sünden 101). c. Bei der Darstellung beider Frauen ist zu beobachten, daß bei der Lau­ tenbacher Knienden der Leib ganz hell gehalten ist wie bei Schongauer, daß demgegenüber Dürer diesen auf der Zeichnung betont dunkel herausgearbeitet hat. Kommt in der Verschiedenheit der Darstellung der beiden Frauen eine Auseinandersetzung Dürers mit der Stellung dieser beiden Frauen in der menschlichen Gesellschaft zum Ausdruck 102)? Denn in Lautenbach bringt eine dem Wittenberger Altar nicht mehr in der Chorbogenöffnung, sondern ein Stück vor dem Chor, so hat er dennoch die Höhe wie auf dem Passionsaltar, die hier durch den Anfang der Chorbogenrundung bedingt ist (Auflage der Stange auf den Kapitellen), das ist eine Höhe, die erst bei der Anbringung des Vorhangs auf der Beschneidung des Marienlebens abgeändert ist. Vgl. Taf. 8 re., Taf. 6 li. u. re. Hinzuweisen ist auf die Frau, die neben Josef unter dem Eisenbeschlag der Kirchentür steht. Ihren über das weiße Kopftuch geschlagenen Umhang hat auch Dürers betende Maria auf dem Gemälde von 1518. 97) S. Anm. 96. 98) Ausdrucksweise Pirckheimers im Brief an Johann Tscherte (Nov. 1530). Bezügl. der Fransen s. Anm. 94. ") Hier hat sie den Bart auf der Oberlippe.Marcel Duchamp malte der Mona Lisa einen Bart auf der Oberlippe. 10°) Auf dieser Zeichnung sieht man vor dem Altar, der Knienden gegenüber, einen Mann stehen, der eine Kerze trägt. Er schaut auf die Kniende herab. Er ist geputzt wie die Kniende, er trägt einen breit mit Pelz verbrämten Rock und eine große, kostbar ver­ zierte Geldtasche. Sein rechtes Bein ist eine Stelze. Seine Kerze qualmt und rußt. Läßt Dürer also der Ehebrecherin einen Ehebrecher gegenüberstehen? Auch nach dem Evan­ gelium Joh. 8, 3 ff. wirft keiner der Männer, die die auf frischer Tat ertappte Ehebrecherin in den Tempel zu Christus brachten, einen Stein auf sie, weil sie sich selbst schuldig fühlten. S. W 715: Mann mit Stelze auf dem Butterfaß. 101) Maria Magdalena. Luk. 8, 2; Markus 16, 9 = Begleiterin Jesu = Sünderin Luk. 7, 37 ff. Ehebrecherin Joh. 8, 3 ff. 102) Auch Pirckheimer befaßte sich mit der Person der Maria Magdalena. Er schrieb eine Dissertatio sive historica et philologica de Maria Magdalena, quod falso a quibusdam habeatur pro illa pecatrice seu porne.

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Kniende die Opfergabe, die nach der moralischen Auffassung zwar sündhaft, nach der staatlichen Ordnung aber nicht gesetzwidrig gehandelt hat; auf der Zeichnung kniet eine Frau, deren Verhalten sowohl sündhaft, als auch gesetz­ widrig ist Kommt Dürers eigene Auffassung von diesen Frauen dadurch zum Aus­ druck, daß er Simeon das Kind der Lautenbacher Knienden, nicht aber der Knienden auf der Zeichnung reichen läßt? IV. Dürers Kniende im Marienleben und die Kniende auf Wolf Hubers Dar­ bringung von 1520 (Taf. 10 re. u. 11 o.) Zehn Jahre später hat Dürer der Knienden im Marienleben vieles von dem Äußeren der Lautenbacher „Magd“ gegeben, aber dennoch vieles so abge­ wandelt, daß sie auf Tietzes den Eindruck einer „Frau“ macht. Ist auch sie eine Sünderin? 1. Die Kniende im Marienleben (Taf. 10 re.) Sollte man an der Deutung der Lautenbacher Knienden als einer Sünderin zweifeln, bei der Knienden im Marienleben sind weitere Kenn­ zeichen dafür da. Bei dieser Figur liegt über der Hüfte 103) ein Beutel, ein Schlüsselbund und ein Messer, die am Gürtel befestigt sind. Diese Dinge, die auf dem weißen Rock über dem herausgearbeiteten Bein auffallen, machen den Betrachter nach­ denklich, weil auf diesem Bild mit den vielen Personen diese Gegenstände außer dem Stock des rüstigen Josef die einzigen persönlichen sind und weil sie in ihrer aufdringlichen Hervorhebung weder als Attribute einer „Magd“ noch als Zeichen der Schlüsselgewalt104) bei einer Frau, die ihr Opfer in den Tempel bringt, zu verstehen sind. Diese Gegenstände finden sich zudem bei Dürers weiblichen Personen weniger oft, als man es erwartet. Auf seinen anderen Bildern werden sie als eine Einheit nur von den Personen getragen, die von Dürer durch besondere Merkmale als Dime oder Hure gekennzeichnet sind 105). Wenn also die Kniende im Marienleben diese drei Gegenstände an ihrem Gürtel trägt, dann ist sie, wie die Lautenbacher Kniende durch die Farbe ihres 103) Rogier van der Weyden läßt bei der Taubenträgerin des Typs einer Maria Magdalena das angehobene Rückteil des geschlitzten faltenreichen Rockes beutelartig über die Hüfte fallen, ln Lautenbach sieht man statt dessen in Hüfthöhe auf dem glatten Rock Fratzen. 104) s. Panofsky (Dürer) S. 98 deutet die Schlüssel in der Hand des Putto auf dem Bild „Maria mit den Heiligen“ im Marienleben als „time honored Symbol of feminine sovernity in household matters. (in German law . . . called Schlüsselgewalt) ..." Die Schlüssel sind aber auf diesem Bild im Zusammenhang mit dem Schwert zu sehen, das links im Rock der Maria steckt und dem kleinen Kasten vor dem linken Bein, dem Hasen und anderen Dingen auf dem Bild. 105) Abgesehen von den Holzschnitten des Marienlebens (B 80, 84, 88, 92), die einer ein­ gehenden, gründlichen Untersuchung mit Dürers Zeichnungen und Gemälden und den Kupferstichen bedürfen, siehe die farbigen Originale W 229 (im Krieg verlorengegangen. Farbige Reproduktion in 3.-5. Veröffentlichung der Prestel-Gesellschaft) u. W 231, 226 u. 228, ferner die Originale W 310 u. 794, 5 31, die Kupferstiche B 90, 40, 74 und Umrißkupferstich von 1523.

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Kopftuches, hier durch die Attribute (Messer, Schlüssel, Beutel) als Dime ge­ kennzeichnet. Es hat den Anschein, als habe sie ferner die Merkmale an sich, mit denen Dürer die ehebrecherische von der gewöhnlichen Dime trennt. Denn während man auf den Bildern bei der letzteren immer den offenen Blick sieht, (da sie ja nur ihren Beruf ausübt, aber nichts Gesetzwidriges: tut), ist bei der ersteren der Blick gesenkt oder durch ein in das Gesicht gezogenes Tuch ver­ deckt. Gerade hierin liegt der Unterschied zwischen der Knienden in Lautenbach und der im Marienleben. In Lautenbach sieht man den Blick, im Marienleben nicht, da das Kopftuch tief in das Gesicht gezogen ist. Reicht also hier im Marienleben nicht die einfache Dirne von Lautenbach, sondern eine ehebrecherische Dime ihre Opfergabe kniend an den Altar? 2. Die Kniende Hubers von 1520 (Taf. 11 o.) Der Beobachtung, daß das Kopftuch etwas am Auge zurückgeschoben ist, so daß das Auge ein wenig frei liegt (im Gegensatz zu der Lage des Kopftuchs der Veronika, die Dürer auf der Zeichnung von 1523 (W 794) als Ehebrecherin kennzeichnet), würde man keine Beachtung schenken, würde man nicht durch eine Zeichnung mit der Darbringung von Wolf Huber (1520), deren „Figurengruppe um den Altar" auf Dürers Darbringung zurückgeführt wird106), veranlaßt, Dürers Kniende mit dem Käfig noch genauer anzuschauen. a. Auf der Huberschen Zeichnung sind von den sieben bei Dürer anwesenden weiblichen Personen 107) nur noch die Kniende und die hinter ihr Stehende, also die beiden wichtigsten Frauen der Darbringung zu sehen. Vor dem Altar kniet eine Figur mit dem Dürerschen Miederkleid. Ihr eng um den Kopf gebundenes Tuch läßt die Stirn und die Augen frei. Die langen Enden fallen am Rücken herab. Über dem engen Kopftuch trägt sie noch einen Reif. Neben ihr steht eine ältere Frau, mit dem abgeänderten Kleid der Knienden des Holzschnitts und ihrem Kopftuch, das auch einen Teil des Gesichts, nicht aber das Auge verdeckt. Sie hat die großen Hände: gegeneinander gelegt. Ihr Rock ist hinten geschürzt, sodaß das rechte Bein nackt zum Vorschein kommt, dessen Wade aber nach vorne gedreht ist108). Die Stehende ist auf dem Annenaltar von Feldkirch, für den die Zeichnung als „Entwurf" gilt, Maria (mit blauem Mantel), die Kniende die „Begleiterin" (mit grünem Kleid), die ein Kästchen an den Altar reicht, das gleich dem Kästchen auf dem Huberschen Holzschnitt mit der Darbringung ein Stangenkäfig ist, in dem zwei Tauben zu sehen sind. Das Kästchen auf der Zeichnung hat keine Gitterstäbe, sondern nur die Begrenzungsstangen, die deutlich gekennzeichnet sind. Tiere sind darin nicht zu sehen. Daß diese Zeichnung nur ein „Entwurf" sei, ist keine ausreichende Begründung für die Ab­ weichungen. Denn

das Kästchen der Huberschen Knienden ohne die Tauben ist unverhältnismäßig groß. Es sieht aus wie die Verkleinerung des Kastens, den der Tod im Narren­ schiff 109) auf seinen Schultern trägt und an dem der Tod auf der Dürerzeichnung (W 213) vorbeireitet. 106) Katalog München, Dürer u. s. Zeit Nr. 46. 107) S. Anm. 13 5. 108) Diese Darstellung der Stehenden scheint darauf hinzuweisen, daß die Zeichnung eher eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Stoff als ein „Entwurf" für den Altar ist. 109) Illustration zum Kapitel 85 des Narrenschiffs: „Sich des Tods nicht versehen".

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Sollte Huber hier auf der Zeichnung eine Person dargestellt haben, die nicht nur eine Dirne, sondern darüber hinaus eine Kindsmörderin ist? Auf eine solche Sünderin deutet auch folgendes: 1. Auf dem Original ist in dem Kindergesicht an der Stelle des Mundes ein runder Fleck zu sehen, sodaß das Köpfchen eher das eines toten als eines lebenden Kindes ist110). 2. Die Figur kniet auf einer Altarstufe, die sehr schmal ist. Die nach vorne gezogenen Rockfalten der Knienden, die ein wenig über diese Stufe herabfallen, lenken den Blick auf einen Treppenabgang, dessen Stufen senkrecht zur Altarstufe verlaufen. Was bei Huber, aber auch bei Dürer, unter einem solchen Treppenabgang oder einer Stufen Vertiefung oder nur einer Vertiefung im Boden zu verstehen ist, zeigen Hubers Zeichnung der Geburt Mariä von 1519 m) und Dürers entsprechender Holzschnitt im Marienleben, ins­ besondere auch eine Zeichnung „Frau mit Tod als Schiepenträger“ (W 217) und der Kupferstich mit den vier Nackten von 1497. Auf der Zeichnung Hubers von 1519 sieht man wie auf Dürers Geburt Mariä eine am, Bett eingeschlafene Frau. Bei beiden liegt der Arm mit dem Kopf darauf auf dem Bett. Wesent­ licher als diese Übereinstimmung ist, daß die Sitzende nicht Dürers Matrone ist, sondern daß diese Hubersche Figur vielmehr der Dürerschen jungen stehenden „Magd“ entspricht, die einen großen Krug und eine Wiege trägt und die Flechsig 112) mit der Bauemdime (W 231) ver­ gleicht. Diese Stehende Dürers und Hubers Sitzende sind beide im Zustand der werdenden Mutter. Beide schauen in eine Vertiefung, die sich vor ihnen im Boden auftut. Während sich bei Dürer in dieser Vertiefung eine eigene Szene 113) an einem Tisch abspielt, dessen Platte mit dem Ring daran eher einer Grab- als einer Tischplatte ähnlich ist, auf dessen Kante im Blickwinkel der werdenden Mutter ein Messer liegt, mit der Spitze ihr zugewandt, steigt bei Huber aus der Vertiefung eine männliche, nackte Gestalt mit einem kurzen Schwanz (also der Teufel). Seine Geste am Schoß der Sitzenden ist nicht mißzuverstehen. Auch auf Dürers Zeichnung mit der Frau, der der Tod die Schleppe trägt (W 217), ist dieser noch nicht ganz dem Boden entstiegen. Auch er scheint mit erhobener Hand auf die schwangere Frau einzureden 114). Der Treppenabgang auf der Huberschen Darbringung besagt also, daß die auf der Altarstufe Kniende sich am Rande des Abgrundes115) befindet. Die Kniende entspricht damit einer der vier Nackten Dürers auf dem Kupferstich von 1497, die wie die Kniende das Tuch eng um no) Deutet die Mundöffnung darauf, daß die Seele entwichen ist? Hinter Simeon, der das Kind trägt, ist ein Kinderkopf zu sehen. Ist es ein Engelskind, dessen rechter Flügel an dem Kopftuch des Simeon liegt? in) s. Anm. 106. Katalog Nr. 45, Taf. 46. 112) Flechsig II, S. 89. 113) Dieser Szene mit den Frauen in einer Vertiefung um einen Tisch ist die Szene der Zeich­ nung (W 215) mit der tafelnden Gesellschaft gegenüberzustellen. Hier sind um einen Tisch in der Bodenvertiefung vier Paare beisammen, von denen sich ein Liebhaber als Tod entpuppt. In den vier Frauen auf der Geburt Mariä ist besonders eine Figur wieder­ zuerkennen. Die Frau, die in der Grube furchtlos und aufrecht am Tische sitzt mit dem Becher vor sich, sitzt auch im Marienleben aufrecht in der Vertiefung am Tisch, hier hält sie die Hand am Becher. (Auf beiden Bildern ist nur ein Becher am Tisch zu sehen.) Auf der Zeichnung sieht man diese Figur vom Rücken, im Marienleben von vorne. 114) Die Frau hält über ihren schwangeren Leib den Rock hoch und dreht den Kopf mit einem nachdenklichen Blick (Winkler spricht vom meisterlich gezeichneten Auge) zu dem Tod als überlege sie an dem, was der Tod mit hochgehobener Hand, die wie eine Aufmunterung aussieht, sagt. Ihr Ringfinger ist verkrüppelt gezeichnet. Bei dieser Zeichnung nimmt Dürer Motive der Illustration zum Kapitel 13 (von Buhlschaft) des Narrenschiffs wieder auf. Die Illustration zeigt eine geflügelte Figur, mit der Kopfbedeckung der Venus (ver­ schlungenes Tuch über offenen Haaren), mit langem Miederkleid, dessen Schleppe hier der Esel frißt. Hinter ihr kommt der Tod mit erhobener Hand hervor (inhaltlich sind beide Bilder verschieden). 115) Bei Schaffner kniet eine Frau bei der Darbringung vor der Öffnung einer Krypta. S. u. die Darbringung Schaffners von Wettenhausen.

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MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar den Kopf geschlungen hat und die auch vor einem von der Seite her gesehenen Stufenabgang steht. Zu den Füßen dieser Person, die einen verkrüppelten linken Arm mit deformiertem Handgelenk hat und bei der man als einziger eine Hand (die linke) sieht, liegt zudem das Totengebein.

b. Bietet die Darbringung Dürers im Marienleben ein Motiv, an das Huber anknüpfen konnte? Bei Dürer ist das Behältnis, das die Kniende trägt, ein Käfig mit GitterStäben. Darin sitzt statt der zwei Tauben des Reinigungsopfers eine einzige große, weiße Taube. Hatte Huber in dieser die Verkörperung einer Seele, das alte Symbol eines Verstorbenen gesehen? Die Taube als verkörperte Seele der hl. Scholastika sieht man auch, in der Fensteröffnung auf der Zeichnung Dürers vom lehrenden hl. Benedikt, der nach der Legende die Schwester bei ihrem Tode als Taube in den Himmel hatte fliegen sehen. (W 202).

Zu Hubers Auffassung von Dürers Knienden als einer Kindsmörderin paßt auch das Wenige, das man auf dem Holzschnitt von dem Gesicht des Kindes sieht1153). Mit der schwarzen Augenhöhle und dem fehlenden (?) Unterkiefer könnte es die Vorderseite eines Totenschädels sein. Hatte Huber ferner bei Simeon in den hinteren Gewandfalten des Rockes und Oberteils bis zum Schul­ tertuch den Tod oder Henker (mit langem Stab und im Mantel eingehüllt) eingearbeitet116) gesehen? Denn auf seiner Zeichnung kommt vom rechten Seitenschiff der Kirche her ein Mann mit verkrüppelter rechter Hüfte herbei, der in der rechten Hand einen langen Gegenstand hält117). Wenn man Hubers Auffassung von der Knienden im Marienleben folgt, dann hat Dürer auf seinen drei Darbringungen dieser Figur jeweils eine der drei Sünden beigelegt, die Christus im Evangelium in verschiedener Reihen­ folge nennt: „Mord, Ehebruch, Hurerei" (Matth. 15. 19 f.), „Ehebruch, Hure­ rei, Mord" (Mark. 7, 21 f.)118). Auf der Londoner Zeichnung kniet die Ehe­ brecherin, auf dem Lautenbacher Altar die Dime, im Marienleben die Kinds­ mörderin.

115a) Das Kind, die wichtigste Figur der Darbringung, wird von Dürer so in die Arme des Simeon gelegt, daß man es von der Schädeldecke her sieht. Das ist eine so ungewöhnliche Lage des Kindes auf einer Darbringung, daß jeder Künstler, der sich an diese Darbringung anlehnt, diese in das Gegenteil verkehrt. (Huber, Taig, Fenster in Gründlach, Jan van Scorel). 116) Auf einem Münchener Exemplar ist an dieser Stelle auf der linken Seite eine Rasur. Dadurch kommt die Figur beim Gegen-das-Licht-halten besser hervor. Das Dunkle hinter dem rechten Säulenfuß können nicht Simeons Füße sein. Sind es Schlangen oder Nattern? Taig malt einen großen, dunklen Fleck statt dessen. Zu dieser Figur s. zur Ikonographie der Darbringung, sie ist Verbildlichung der Prophezeiung des Jüngsten Gerichts. U7) Auf dem Original ist zu sehen, daß der Gewölbebogen und der Strich von der Hand aus getrennt liegen. 118) Im Narrenschiff (Kap. 98) wird neben den „bösen Weibern und Kupplerinnen" besonders die Sünder erwähnt, die „Kinder abtreiben und ertränken“. Auf der Rückseite des hier reproduzierten Holzschnittes der Darbringung des Germ. Nationalmuseums Nürnberg (H 28 5) befindet sich in der rechten unteren Ecke eine dies­ bezügliche Zeichnung.

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V. Die Konstruktion des Gebälkeinbaus im Marienleben und ihre Beziehung zum Bildinhalt 1. „ Unrichtigkeiten “ bei der Raumdarstellung der Darbringungen Über der Knienden und den sie Umstehenden „lastet die übertriebene Konstruktion von erdrückend wuchtigen Säulen und Gebälk schwer“ 119). Steht sie im Zusammenhang mit der schweren Sünde der Knienden? a. Diese Frage ist deswegen nicht unberechtigt, weil es nach der Darstellung des Gewölbes auf der Zeichnung nach Schongauer (Taf. 9 li.) den Anschein hat, als spiegele sich in ihm die schwarze Seele der Knienden. Denn der Ge­ wölbezwickel über ihr ist im Gegensatz zu den sehr hellen Zwickeln über dem „gerechten“ Simeon und dem Kinde besonders dunkel. Die Lichtverhältnisse in dem Chor bedingen diese Unterschiede nicht. b. Auf der Londoner Zeichnung (Taf. 9 re.) lassen sich auch ver­ schiedene architektonische Unrichtigkeiten feststellen. So sind die zeigen auch Tdiefenlinie. gemeinsame

Säulenkapitelle teilweise versetzt auf den Säulen angebracht. Unregelmäßigkeiten die auf diesen Kapitellen ruhenden Spitzbögen. Ihre Spitzen liegen nicht auf einer Sie sind ebenso verschieden hoch, wie die Säulenhöhen, die auch nicht durch eine Linie begrenzt werden können 12°).

c. Mag man den versetzten Kapitellen der Säulen als Auflage der verschieden großen Spitzbögen der Londoner Zeichnung keine Bedeutung beilegen wollen, so kann man aber bei den von Panofsky und Schuritz festgestellten Unrichtig­ keiten der Darstellung der Baulichkeiten auf der Darbringung des Marienlebens (Taf. 10 re.) der Frage nach einem Zusammenhang zwi­ schen der dargestellten Szene und der Architektur nicht aus dem Wege gehen. Der Bildausschnitt ist nach Panofsky 121) „so gewählt, daß der obere Rand den Blick auf ein Gebälkstück freigibt, das über die erste Säulenflucht hinaus senkrecht nach vorne stößt, während unten das entsprechende Stück des Fußbodens nicht mehr in die Erscheinung tritt; . . . wir fühlen uns“ der großen Säule „so nahe gerückt, daß wir jenes Gebälkstück als senkrecht über uns betrachten müssen“ wir würden „es gar nicht wahrnehmen können, ohne ... den Blick in die Höhe zu richten“. 119) Dürer S. 157. Thausing I, S. 339 meint: „Auf der Darbringung im Tempel überraschen die mächtigen Säulen mit flachen Basen und Weinlaubcapitälen, die ein massives, im Innern des Tempels freiliegendes Gebälke tragen. Der Zweck desselben ist nicht abzu­ sehen; es mag vornehmlich theoretischen Studien in den halbverstandenen Büchern der Alten seinen Ursprung verdanken.“ 12°) Auf der Londoner Zeichnung ist weder eine Stufe bei dem Altartisch noch ein Boden angedeutet, auf dem die Frau kniet, so daß der Raum weder nach oben noch nach unten eine Abgrenzung hat. Anders in Lautenbach. Hier kniet die Taubenträgerin auf einem Podest (mit Fliesen ausgelegt), auf dem der Altartisch mit einer eigenen Stufe darunter steht. Die rechte Podestkante, auf die der Kerzenträger seinen Fuß gesetzt hat, verläuft so, daß der Altartisch mit seiner Stufe auf dem Podest keine richtige Auflage und damit keinen festen Stand hat; außerdem ist die Stufenkante an der Ecke gebrochen und aus­ gebröckelt, so daß auch hier bauliche Mängel festzustellen sind. 121) Dürers Stellung zur Antike S. 90.

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Taf. A Die älteste erhaltene „Darbringung Christi im Tempel“ als Teil eines Zyklus am Triumphbogen in S. Maria Maggiore in Rom (Mosaiken. 432—440)

1.

I. Bildzone links (Evangelienseite):

Conceptio Domini Bildteil links: Maria empfängt den Herrn, was eine „inseparabilis operatio Trinitatis" ist. Bildteil rechts: Gott, die Trinität, offenbart die Geburt durch den Propheten Jesaia.

2.

I. Bildzone rechts (Epistelseite):

„Darbringung Christi im Tempel“ Bildteil links: Die Gottesgebärerin mit Christus und den beiden anderen Personen der Trinität und die „Eltern“ des Erstgeborenen mit Gott als „unitas“ der Trinität. Bildteil rechts: Simeons Entgegengehen dem Herrn, hinter ihm die Priester Aaron und Melchisedek und die Propheten Maleachi, Ezechiel und Jeremias und die Verbildlichung ihrer Prophetie vom Gericht des Herrn.

3.

II. Bildzone rechts:

Gegenüberstellung Johannes des Täufers und Christus Bildteil links: Der „Wegbereiter" Johannes d. T. und sein Anhang. Bildteil rechts: Christus und die beiden anderen Personen der Trinität, Jesaia und die „Miterlöserin" Maria, die Jungfiau.

Anbetung der Könige

Celtes’ Buchübergabe

Einzelholzschnitt 1511. A. Dürer

an den Kurfürsten von Sachsen (Aus dem Roswitha-Buch) Holzschnitt. A. Dürer (erschienen 1501 in Nürnberg)

Anbetung der Könige

Pfeifer und Trommler

Tafel des Hochaltars in Lautenbach

Flügel des Jabacbschen Altares um 1500. A. Dürer

1492/93

Taf.

Uonfdjatj fanden Ser iffc eyn narr 9er ettwas fynbt “Pnb jn fym ffim ijl affo ßh'nbt "XJnb fpric^t /9as §at mir tjot Befeuert ac$t tut wem es j& ^e§8rt/ Illustration zum 20. Kap. Heimsuchung Marienaltar um 1480

(?)

des Narrenschiffs „Von schatzfynden“ Holzschnitt A. Dürer (erschienen 1494 in Basel)

H w 4-»

Heimsuchung Tafel des Hochaltars in Lautenbach 1492/93

Zeichnung 1502—1505. A. Dürer

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Taf.

Beschneidung Holzschnitt aus dem Schatzbehalter (erschienen 1491 bei Koberger)

Tafel des Hochaltars in Lautenbach 1492/93

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Taf. 7—10 innen

Beschneidung Tafel des Sieben Schmerzenaltars v. Wittenberg 1495/96. A. Dürer

Marienleben 1502—1503. A. Dürer

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Opferung und Auslösung

Darbringung Christi

der männlichen Erstgeborenen Holzschnitte aus dem Schatzbehalter (erschienen 1491 bei Koberger)

Darbringung Christi Mitteltafel des früheren Hochaltars der Deutschherrn in Köln. 1447

Tafel des früheren Hochaltars der Dominikanerkirche in Colmar

Stephan Lochner

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Darbringung Christi Zeichnung nach Schongauer

Zeichnung um 1492/93. A. Dürer

Taf. 10

Darbringung Christi Tafel des Hochaltars in Lautenbach. 1492/93

Marienleben 1502/1503. A. Dürer

Taf.

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Tafel des fr. Hochaltares der Karmeliter in Nördlingen. 1^18—20 Seb. Taig

Taf. 12

Darbringung Christi

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Tafel des fr. Hochaltars der Augustinerchorherren in Wettenhausen (Ausschnitt) 1524 Martin Schaffner

Fresken der Südwand des fr. Chores im Turm der Kirche von Mindorf/Mfr. 13 80/90

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Taf. 13

Darbringur * Christi

Lorenzkirche Nürnberg Rechter Spitzbogen der unteren Zone des Westportals. 135 5/60

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Spitzbogen über dem Portal von der Vorhalle zur Kirche. 13 55/60

Frauenkirche Nürnberg

MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar

S c h u r i t z 122) stellt bei seiner Untersuchung fest: „Die Darstellung im Tempel hat einen Hauptpunkt. Die Deckenöffnungen sind aber weder quadra­ tisch, noch haben sie die Form von kongruenten Rechtecken, wie man aus architektonischen Gründen annehmen muß. Auch sind die Deckenbalken in Wirklichkeit ganz verschieden breit. Sie nehmen nach dem Hintergründe stän­ dig an Breite zu.“ 123) Schuritz meint nun: „Die Tiefenabstände der Frontlinien und die einzelnen Abstände auf den Tiefenlinien zeichnet er [Dürer vor 1505] nach Gefühl ohne perspektivische Konstruktionen, und zwar im Vergleich zu den natürlichen Verhältnissen bald zu groß, bald zu klein.“ Funk 124) hingegen weist für die Verkündigung nach, daß die perspektivi­ sche Konstruktion sogar in den Gesamtschlüssel des Holzschnittes eingebaut ist. Schuritz geht bei seiner Untersuchung von der (für ihn selbstverständ­ lichen) Voraussetzung aus, daß die Balken, die in die Tiefe des Raumes führen, senkrecht zur Bildebene liegen und die Querbalken in der Wirklichkeit rechte Winkel mit ihnen bilden, daß also die Begrenzungslinien der in die Raumtiefe führenden Balken „Tiefenlinien“ 125) und die Begrenzung der Querbalken „Breitenlinien“ sind. In diesem Falle müßten die Begrenzungen der sichtbaren Höhen der Querbalken („Frontlinien“) parallel laufen. Aber das trifft bei den Querbalken im Gegensatz zu den Begrenzungen der Höhe der obersten Altar­ stufe nicht zu. d. Geht man von der Voraussetzung aus, Dürer habe wie bei der Verkündi­ gung so auch bei der Darbringung perspektivisch genau gearbeitet, was sich zumindest bei dem Altartisch und den Treppenstufen darunter nach weisen läßt, die Schuritz nicht in seine Untersuchung einbezieht12fl), dann läßt die verschiedene Höhe der Querbalken den Schluß zu, daß zwar die vordere und rückwärtige Kante des Altartisches und die Kante der obersten Stufe zur Bild­ ebene parallel liegen, nicht aber die Querbalken. Zieht man ferner in Betracht, daß man von der großen Säule oben noch ein Stück Gebälk sieht, aber nicht das entsprechende Stück des Fußbodens, dann entsteht die Frage, ob nicht Dürer ein Gebälk mit Säulen in der Perspektive dargestellt hat, das im Begriffe ist, in den Hintergrund zu fallen und sich dabei zu verschieben127). 2. Beziehung zum Bildinhalt? Man wird an die Geschichte des Simson erinnert. Ihn hatten seine Frau und seine Geliebte überlistet, betrogen und an die Philister ver­ raten. Als Strafe für den Verrat und seine Blendung durch die Feinde brachte 122) S. 30. 123) Jean Pelerin hat infolgedessen für die zweite Auflage seines Buches über die Perspektive ein „korrigiertes Nachbild“ der Gewölbekonstruktion Dürers als perspektivische Muster­ zeichnung eingefügt. 124) MVGN 45, S. 326 ff. Abb. 2. 125) S. 5. Die auf der Bildebene senkrechten Geraden = Tiefenlinien, die auf der Bildebene parallelen Geraden = Frontlinien, horizontale Frontlinien = Breitenlinien. 126) s. Konstruktionszeichnung auf Taf. 13. 127) Audi die vier Säulenkapitelle, auf denen der hinterste Querbalken ruht, sind verzerrt. 19

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er mit Gottes Hilfe die Säulen des Hauses zum Einsturz, das “voll Männer und Weiber“ war und in dem gerade Dagon, dem Gott der Philister, ein „großes Opfer“ dargebracht wurde. (Richter 16, 26 ff.) Kann man in dem an die Säule sich anlehnenden Mann mit der ganz hell ausgearbeiteten Locke am Nacken Simson sehen, dem Gott im Gefängnis die Locken (seine Stärke) wieder wachsen ließ? 128) Birst die große Säule unter dem Druck seiner Schulter? Denn man sieht in der Schraffierung der Säule im Schaft und im Fuß den Verlauf eines Risses. Hatte Dürer auf dieser Darbringung die Verse des Propheten Maleachi verbildlichen wollen, die an die Lectio des Festes der „Reinigung Mariä“ (Maleachi 3, 1—4) anschließen? Nach den letzten Worten der Lectio „es wird dem Herrn Wohlgefallen das Opfer Judas und Jerusalems wie in den Tagen der Vorzeit und des Altertums“ heißt es nämlich weiter: „Und ich will zu euch kommen und euch strafen“ .. ., „sie versuchen Gott, und alles geht ihnen wohl aus.“ Aber „Gott merkt und hört es.“ (Maleachi 3, 5 u. 15 ff.) Hatte Dürer also auf dem Bild darstellen wollen, daß eine große Sünderin wohl dem Henker, der nach der weltlichen Ordnung auf sie wartet, entgehen kann, nicht aber dem Strafgericht Gottes? Hatte Dürer als Vollstrecker der Strafe Gottes Simson, den Richter des Alten Testaments gewählt, der Gottes Strafgericht an seiner verräterischen Geliebten und ihren Helfern vollzogen hatte? 128a) Simson wurde von den Trümmern begraben. Soll darauf der kahle, nackte totenkopfartige Schädel über dem geneigten Haupt des sich an die Säule Lehnenden hinweisen? 3. Beziehungen zur 2 2. Figur des Schatzbehalters (erschienen 1491 bei Koberger) (Abb. im Text) Bejaht man die Auffassung, daß die Figur an der Säule Simson und das Gebälk ein stürzendes ist, dann lassen sich die Wurzeln für diese Darstellung in der 22. Figur des Kobergerschen Schatzbehalters (Simson zerstört den Tempel) finden. Auf diesem Holzschnitt sieht man das von den Säulen gerissene und stür­ zende Haus, unter dem Simson noch ein Stück Säule im Arm hält. 128) Das Exemplar des GNM H 285 zeigt hinter dem Mann an der Säule einen Mann, dessen Augenhöhlen ganz hell sind, aber keine Augen haben. Soll dieser Mann den Simson darstellen, der als Blinder in den Saal geführt wird? An diesem Simeon sieht man dann seine Blendung; an dem an der Säule lehnenden die wachsende Locke, das Zunehmen seiner Kraft, die sichtbar ist besonders an seinem Arm an der Säule, an dem der ge­ schwollene Muskel unter dem Ärmel des Gewandes herausgearbeitet ist. Für diese Annahme spricht folgendes: In dem linken Teil des Raumes neben der großen Säule sind diese beiden die einzigen Figuren. Während man bei der einen Figur den Kopf mit der Augenpartie ganz genau sieht, aber sonst fast nichts, ist es bei dem Mann an der Säule umgekehrt. Man sieht seinen Körper und vom Kopf nur die Locken. Daß hier Simson zweimal dargestellt sein könnte, ist nichts Besonderes. Denn auf den Zeichnungen Dürers, die auch die Taten Simsons zum Inhalt haben, laufen seine Taten nebeneinander her. S. Anm. 128c. 128a) Dürer hat sich mehrmals mit der Geschichte Simsons befaßt. S. Anm. 128c. 290

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Simsons Tempelsturz 22. Figur in Schatzbehalter oder Schrein der wahren Reichtumer des Heils und ewiger Seeligkeit. Nürnberg 1491 (Koberger)

Die Lage des Hauses und sein Bau vor der Zerstörung ist rekonstrierbar. Das Haus ruhte auf vier Säulen. Es war so gesehen, daß die sichtbare Hausseite nicht parallel zur Bildfläche gele­ gen war, da der rechte und linke Fuß der Stützsäulen nicht auf einer Waagerechten im Bilde liegen. Auf dem Bilde erkennt man, daß Simson die vordere rechte Säule abgerissen und das Haus mit dieser Säule nach vorne gezogen hat. Beim Niederstürzen hat sich das Haus von drei Säulen gerissen. (Man sieht drei Säulenstümpfe unter dem Haus hängen), die vierte hintere ist mit ihrem Türmchen nach vorne gestürzt (die Trümmer, das kleine Kuppeldach, die Bau­ teile und die Säule liegen vorne in der rechten Bildecke).

Verkehrt man das Handeln des Simson in das Gegenteil, nämlich Simson zieht nicht das Haus mit der rechten nach vorne, sondern er schiebt mit der linken Säule das Gebäude nach hinten, dann würde man Simson vom Rücken 19*

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her an der linken Säule angelehnt stehen und das Gebäude nach hinten stürzen sehen. Das ist die Stellung, die die Figur an der Säule im Marienleben hat, und die Lage des Gebälks im Marienleben. Der Wulstring des Fußes der linken Säule der 22. Figur ist im Marienleben an der großen Säule kaum verändert worden. Deutet schon die Umkehrung der Darstellung des handelnden Simson im Marienleben auf Dürer als Urheber der 22. Figur hin, da sich diese Verkeh­ rungen bei seinen Bildern mit gleichem Inhalt oder gleichen Motiven immer wieder beobachten lassen128b), so weist auf denselben Urheber beider Bilder auch, daß sowohl auf der 22. Figur 20 Menschen zu Fall kommen, wie auch im Marienleben. Denn auf der 22. Figur zählt man außer Simson zehn deutlich unterscheidbare Figuren und zehn nur durch die Kopfrundung angedeutete. Auch im Marienleben sieht man deutlich zehn Personen und zehn teils mit beschatteten Gesichtem, oder teils nur durch ihre Kopfbedeckung erkenn­ bare 128c). Auf der Darbringung ist die vorderste Figur ganz besonders durch ihre Attri­ bute gekennzeichnet. Auf der 22. Figur liegt im Vordergrund eine einzelne Frau am Boden. Auch sie ist besonders hervorgehoben. Sie trägt ein enges Miederkleid, dessen Rock als Schleppe verlängert ist, die wie ein zusammen­ gerolltes Untier aussieht, das bereit ist, die aus dem Hause Stürzenden zu empfangen 128d). 128b) z. B. Die Wandaufteilung durch den Bogen auf den Bildern der Beschneidung im Marien­ leben und auf dem Wittenberger Altar. 128c) Die dramatische Darstellung der 22. Figur des Schatzbehalters wird besonders offen­ sichtlich, wenn man den Holzschnitt mit der Darstellung desselben Stoffes in der Postille des Nikolaus von Lyra (1393 geschrieben von Rüdiger Schöpf von Memmingen. Basel Univ.-Bibl. Cod. All. 3.) vergleicht. Hier sieht man nur zwei Säulen, die eine gerade Bruchkante haben. Statt der zwanzig Personen im Tempel sind nur drei anwesend. Der fallende Tempel ist nur ein sechseckiger Kasten ohne Dach. Simson ist nicht handelnd dargestellt. Das Wichtigste auf diesem Bild sind seine langen Haare. Mit erhobenen Händen steht er auf einer Frau. J28d) Auch die 21. Figur beschäftigt sich mit den Taten Simsons. Auf dem Holzschnitt sieht man Simson seine Heldentaten zugleich ausführen. Mit dem linken Fuß kämpft er gegen den ihn beißenden und krallenden Löwen (Richter 14, 4 f.), mit dem Eselskinnbacken in der Rechten ist er im Begriff, auf die letzten noch lebenden, am Boden liegenden Philister einzuschlagen (Richter 15, 14—16), und auf der linken Schulter trägt er die beiden Flügel des Stadttores von Gaza (Richter 16, 1—3). Diese Darstellung zeigt also eine chronologische Umstellung der Taten, (Löwenbezwin­ gung, Niederschlagen der Philister, Wegtragen der Torflügel von Gaza). Das Zusammentreffen der Handlungen und das In-den-Vordergrundstellen des Kampfes mit dem Löwen weisen auf Dürer als den Erfinder des Bildes hin. Bei einem Vergleich mit Dürers Holzschnitten des gleichen Themas (W 483, 484, 486, 488) ergibt sich, daß bereits alle wesentlichen Elemente der 20 Jahre späteren Zeich­ nungen auf der Figur des Schatzbehalters vorhanden sind. Bei einem Vergleich sind die Zeichnungen spiegelbildlich zu dem Holzschnitt zu sehen. 1. Auf den Zeichnungen (W 483, 486, 488) spielt sich als Hauptszene im Vordergrund der Kampf mit den Philistern ab. Unter ihnen ist der liegende Schreiende des Holzschnitts wiederzufinden und die halb neben ihm aufgerichtete Figur, die einen Helm trägt, dessen hochgezogene Spitze an den spitzen Aufschlag seiner früheren Kopfbedeckung erinnert. 2. Die Bewältigung des Löwen und das Forttragen der Torflügel spielen als zwei ge­ trennte Szenen im Hintergrund an dem hinter der Schlachtszene aufsteigenden Berg.

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B. Die Darbringungen Dürers und der 13. und 33. Figur des Schatzbehalters (erschienen 1491 bei Koberger)

I. Die Darbringungen im Sdiatzbehalter (Taf. 7 re. u. li.) In sehr engem Zusammenhang mit Dürers Darbringungen um 1493 und im Marienleben stehen auch die Figuren 13 und 3 5 des Kobergerschen Schatz­ behalters. Während der Inhalt der Figur 35 die Darbringung Christi ist, „opfert man" in der 13. Figur „die erst gepomen kneblein und löset sie ein tail von den priestern als die, die nit von dem geschlecht leui waren". 1. Die 13. Figur (Taf. 7 li.) Auf diesem Holzschnitt haben drei Frauen ihre Kinder in die Kirche gebracht. Ein Kind wird gerade auf der Mensa geopfert. Die beiden anderen sind auf den Armen der Mütter, von denen die eine am Altar steht, die andere vor dem Altar kniet. Aber nur ein Vater mit einer Geldtasche ist anwesend. Die Art und Weise, wie der eine Vater dargestellt ist, läßt erkennen, daß er der Vater sämtlicher in den Tempel gebrachten Kinder ist. Seinen breit mit Pelz verbrämten Rode schließen drei Knöpfe, („ein Knopf, darauf ein flam Feuer“, gibt Dürer einmal als Symbol an)129). Er hat als linkes Bein nur einen Stelzen (Er ist also ein Ehebrecher!) und ein Schleier liegt über dem Rand seiner dreiteiligen Kopf­ bedeckung, wie bei dem Ehebrecher der 64. Figur des Schatzbehalters. Seine Beinbekleidung ringelt sich als Zeichen seines liederlichen Lebens. 3. Das Haus vor der Stadt auf den Zeichnungen (W 483, 486) mit dem Zeltdach und den drei Fenstern auf der Längsseite, in das man durch eine Bogenöffnung schaut und in dem Delila Simson die Haare schneidet, entspricht dem Haus vor dem Stadttor auf dem Holzschnitt von 1489/90. Es hat den turmartigen Bau dahinter mit dem Kuppel­ dach, das sich hinter einem Haus mit einem Zeltdach innerhalb der Stadtmauer befindet. Wird auf dem Holzschnitt durch diese beiden Häuser in der Stadt und vor der Stadt an einem Wasserlauf die Behausungen der „Dirnen“ von Gaza und die Wohnung der Delila („am Bache Sorek“) angedeutet, so sind die beiden Baulichkeiten auf den Zeich­ nungen (W 483, 486) miteinander verschmolzen. Auf der Zeichnung (W 488) ist der runde Turmbau erhöht, nur das Kuppeldach geht wie auf dem Holzschnitt glatt in den Turm über und hat auch wieder unter dem Dachansatz die Öffnungen. Auf der Zeichnung (W 484) ist vor der Stadt wieder nur das Haus mit dem Zeltdach da. In der Stadt ist der runde Turm, dessen Kuppel ein wenig abgeändert ist, dessen obere Randung aber wieder den alten Bogenfries erkennen läßt. Auf dieser Zeichnung sind auch die Höhenverhältnisse von Stadt und Landschaft wieder dieselben wie auf dem Holz­ schnitt. Auf den Zeichnungen (W 483, 486) überragte der Berg die Stadt, auf der Zeich­ nung (W 488) die Stadt den Berg. Dürer hat sich also bereits 1489/90 mit den Taten des Simson beschäftigt. Zusammenstellung. 1489/90 Figur 21 des Schatzbehalters. Löwenbezwingung im Vordergrund, gleichzeitige Bewältigung der Philister und gleichzeitiger Transport der Torflügel von Gaza. Figur 22. Simsons Tempelsturz. 1492/94 Illustration im Ritter von Turn. „Simson und Delila“ Narrenschiff, dasselbe. (Dürer?) 1497/98 Einzelholzschnitt. „Simson, den Löwen bezwingend“ (B. 2). 1510/11 Zeichnungen (W 483, 486, 488). Hauptszene: „Simsons Kampf mit den Philistern“. Im Hintergrund: Simsons Löwenbezwingung, Transport der Torflügel von Gaza und Simsons Verlust der Locken. 1510 Zeichnung (W 484). Hauptszene „Simson mit den Türen von Gaza", im Hinter­ grund: Löwenbezwingung, Kampf mit den Philistern, Simsons Verlust der Locken. 129) Rüdeseite der Pinselzeichnung Kopf mit lockigem Haar (W 849 und Anhang Taf. XIV).

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MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar Die zwei Kinder auf den Armen der Mütter tragen die entsprechenden Merkmale an sich. Das Kind auf den Armen der Knienden hat nur einen viereckigen Lappen als Ohr. Weitere Mängel sind wegen seiner Umwickelung nicht zu sehen. Denn es müßte zur Opferung nackt sein, wie es die beiden anderen Kinder sind. Das Kind auf dem Arm der stehenden Frau hat den Schädel zur Hälfte kahl im Gegensatz zu dem Lockenköpfchen des Kindes auf dem Altar­ tisch. Sein rechtes Ärmchen ist kleiner und dünner als das linke. Die Mütter passen zu den Kindern. Vor dem Altar kniet eine Frau 131) mit engem Mieder und schleppenartigem Rock und weiten Ärmeln, die an der Borde des Oberärmels hervor­ kommen, und mit einer Venus-Kopfbedeckung 13°). Die stehende junge Frau mit der Kopf­ haube hüllt zwar ihren Mantel um sich, aber sie läßt die Reize ihres Körpers dennoch frei. Auch sie hat ein hinkendes Bein, das linke, über dem sie den Mantel zusammenrafft.

Auf diesem Holzschnitt sind also bei der Darbringung eines rechtmäßig geborenen Kindes die beiden Frauen anwesend, von denen die eine eine Dirne ist, wie die Kniende in Lautenbach, die andere eine Ehebrecherin, wie die Frau mit der Schüssel auf der Londoner Zeichnung. Hier reichen die beiden statt der Opfergaben ihre Kinder dar. 2. Die 3 5. Figur (Taf. 7 re.) Auf dem Holzschnitt der Figur 35 mit der Darbringung Christi zieht die Taubenträgerin den Blick ganz auf sich. Wie auf den Darbringungen von 1493 und im Marienleben sieht man nur sie in ganzer Figur; hier steht sie und kniet nicht. Sie ist eine Dirne, bußfertig und buhlend zugleich, was durch die verschiedene Darstellung ihrer beiden Körperhälften zum Ausdruck kommt. Auf dem Kopf hat sie eine Hömerhaube 132), deren linkes Horn abgeknickt und zur Seite gerutscht ist und dessen Stelle ein anderer Gegenstand (Hammer 133) oder Anker?) einnimmt. Ihren Umhang hält sie mit der Linken sich bedeckend vor sich (im Gegensatz zu den Tauben­ trägerinnen des Typs der Maria Magdalena auf anderen Darbringungsbildern). Aber ihre linke, betont gearbeitete Brust bleibt frei134). Die Augen blicken zu den Männern auf der anderen Seite, aber das linke Auge 135) ist zusammengezogen und schaut nicht richtig. 13°) prau ycnus auf dem Holzschnitt aus dem Leben des Äsop Ulm 1475. m) Die kniende Maria Magdalena der Grablegung Christi aus der Sammlung Heinz Kisters (Abb. = S. 73 Kat.-Nr. 62), zeigt in Haltung, Kleidung, der Profilstellung, dem Knien (hier vor dem steinernen viereckigen Grab) Übereinstimmungen, die zu der Frage Anlaß geben, ob Dürer durch einen Maler in der Werkstatt Wolgemuts mit dem Aufbau dieser Grablege bekannt geworden ist. Denn auch das Grab scheint bei der Figur 3 5 des Schatzbehalters als Tumba wieder aufgenommen worden zu sein. Auf der Figur 3 5 ist in dem Simeon auch die Figur wiederzuerkennen, die, auch mit Pelzmantel bekleidet, das Leinen­ tuch am Fußende anfaßt. 132) „Metzen“ machen Hörner auf die Haube (Narrenschiff. Vorrede). 133) s. Grüne Passion (W 314). Auf der Grablege hält der Mann mit dem Pelzhut einen solchen Hammer in der Hand. 134) An diese drückt in Lautenbach die Kniende den Käfig mit der Opfergabe, s. o. Anm. 90. 135) 1. Das zusammengezogene Auge hat die Maria Magdalena auf der Kreuzigung der Albertina-Passion (um 1495). 2. Bei der Figur wird man an Luk. 8, 2 erinnert. Christus folgte auf seinem Weg Maria Magdalena, „von welcher waren 7 Teufel ausgefahren“. Denn diese Taubenträgerin hat an ihrer linken Hand (linke Seite zeigt sonst ihre Büßfertigkeit) 7 Finger (ohne Daumen gerechnet). 7 Männer nehmen an der Darbringung teil (4 ausgearbeitete Köpfe und 3 Phantome mit Hüten). Das entspricht der Darstellung der Finger. Man sieht 4 lange und 3 eingeschlagene Finger. (Redensart: „An jedem Finger hat sie einen“, nämlich Mann) „Siebenfingerla“ = Straßenräuber Bock MVGN Bd. 35, S. 126. Hans Sachs verfaßte 2 Schwänke: „Die sieben klagenden Weiber“ und „die sieben klagenden Männer“.

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MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar Drückt also die ganze linke Seite bis auf die Brust ihre Büßfertigkeit aus, so ist das Gegen­ teil auf der rechten Seite zu erkennen. Das rechte Horn ihrer Haube ist besonders groß und ohne Mangel. Das rechte klare Auge sieht nach den Männern. Sie hat als einzige von den vier Frauen ein Ohr, das rechte. Kein Umhang liegt über der rechten Schulter, der ihren Ärmel (mit dem Pelzbesatz am Oberarm und den hervorquellenden, weiten Unterärmel) und ihre rechte Körperhälfte ganz bedecken könnte. Alles Zeichen dafür, daß sie auch weiterhin trotz des Taubenopfers in der Rechten bereit ist, sich dem Minnedienst hinzugeben. Aber während das enge Mieder die linke, gut geformte Brust betont, sieht man auf der rechten Seite keine solche.

II. Übereinstimmungen der Darbringungen des Sckatzbehalters und Dürers 1. Gemeinsames in der Konstruktion des Bildauf­ bau s Spricht schon die Figur der jungen Taubenträgerin mit der köstlichen Hömerhaube und die Art der Darstellung ihres Doppelwesens für die Autor­ schaft des jungen Dürer, so sind die folgenden Übereinstimmungen mit der Darstellung der Darbringung auf der Londoner Zeichnung und dem Holz­ schnitt des Marienlebens deutlichere und genauere Hinweise für den gemein­ samen Urheber, die hier nur als Ergebnis von Konstruktionsuntersuchungen in vereinfachter Form angeführt werden können und auch an anderen Werken Dürers nachprüfbar sind. a. Augen der Figuren und andere Punkte dieses Holzschnittes decken sich mit Augen von Figuren und anderen Punkten der Darbringung im Marienleben, der Darbringung der Londoner Zeichnung (wenn eine Verklei­ nerung mit einem Seitenverhältnis 5:4 benützt wird) und der Darbringung der Figur 13. Trägt man nämlich die folgenden Punkte 1—5 der Figur 35 (Taf. 7 re.) des Scbatzbehalters auf Transparent-Millimeterpapier ein und legt dieses Papier auf die angeführten Originale des Marienlebens und des Schatzbehalters und die verkleinerte Londoner Zeichnung (Seiten­ verhältnis: 5:4), dann liegen die eingezeichneten Punkte auf den nachfolgend angeführten Punkten. Die Punkte 1—5 der Figur 3 5 des Schatzbehalters sind136): P. 1) Li. Auge des Mannes mit Hut und gefalteten Händen P. 2) Haken am li. Auge des Josef P. 3) Li. herabschauendes Auge der Frau mit Kopftuch hinter Maria P. 4) Finger der linken Hand des Kindes P. 5) Überschneidung der Fensterkante mit dem Hammer (?) Deckpunkte auf der Verkleinerung der Londoner Zeichnung. (Taf. 9 re.) P. 1) = Li. äußerer Augenwinkel des Kerzenträgers P. 2) == Re. Auge des Josef mit der Kerze hinter dem Altartisch P. 4) = Kopf des Tieres in der Schüssel P. 5) = Markierung an der li. Begrenzung der Zeichnung Deckpunkte auf dem Holzschnitt im Marienleben (Taf. 10 re.) P. l) = Punkt oben in der Mittelfalte der Haube der Prophetin P. 2) = Re. Auge des Kerzenträgers Auf Dürers Darbringung im Marienleben sind im Mittelteil 14 Personen anwesend (ohne Simeon und die Kniende), 7 Frauen und 7 Männer. Auch bei der Beschneidung im Marienleben spielt sich vor dem Chor eine Szene mit 7 Männern ab. S. Anm. 107. An der linken Hand hat die Figur 5 Finger und 1 Daumen. 136) Auf ihre Lage im Gesamtschlüssel kann hier nicht eingegangen werden.

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MVGN 56 (1969) Lautenbacker Altar P. 3) -------P. 4) = Fältelung am herabhängenden Ärmelteil des Josef P. 5) = Obere Rundung des Hammers (?) ist in linker Säule eingetragen Deckpunkte auf der Figur 13 des Schatzbehalters (Taf. 7 li.) P. 1) = Dreieckchen am Haubenrand der Frau rechts neben dem Altar P. 2) = Re. Auge des Hohenpriesters P. 3) = Li. Begrenzung der Säule hinter der Frau li. neben dem Altar P. 4) = Finger des Hohenpriesters am Ellenbogengelenk des Kindes P. 5) = Quaste an der Kopfbedeckung des Mannes mit dem Geldbeutel Es decken sich sogar der Hammer [?] und die Quaste.

Von einem zufälligen Zusammentreffen dieser Punkte zu sprechen, ist deswegen nicht angebracht, weil die Dürerschen Konstruktionen peinlich genau sowohl in den Zeichnungen wie in den Holzschnitten sind und jede auch nur kleinste Verschiebung eine andere Zuordnung von Punkten nach sich zieht, wobei vielleicht noch der eine oder andere Punkt seine ursprüngliche Wichtig­ keit behält, aber in wieder anderer Beziehung zu anderen Konstruktionen steht. Oft behalten sie auch bei einer Verschiebung die ursprüngliche Zuord­ nung bei. Legt man z. B. das Transparentpapier auf der Darbringung im Marienleben so, daß der eingezeichnete Punkt 1) auf dem reckten Auge des Mannes mit dem Buch hinter Simeon liegt, dann fallen die anderen Punkte wieder mit Punkten zusammen, oder es gehen durch sie Begrenzungslinien. P. 2) = Schwarz eingezeichneter Fleck am angedeuteten Kopf hinter der Prophetin P. 3) = Re. Begrenzung der Säule an Josefs Schädelbuckel P. 4) = Re. Zeigefinger der Knienden am Käfig P. 5) = Re. Begrenzung der großen Säule

b. Übereinstimmungen sind bei den verschiedenen Darbringungen von 1489/90, 1492/93 und 1503 besonders auch bei den Winkeln festzu­ stellen, den die Breiten- und Tiefenlinien der Altartischkanten auf den Bildern einschließen. Der Winkel von 48° 137), den die vordere und rechte Kante der Mensa­ platte der Figur 13 (Taf. 7 li.) bilden, findet sich an der rechten Kante des Altartisches in Lautenbach (Taf. 10 li.)138) wiederund der dazugehörige Supple­ mentwinkel von 132° an der linken Ecke des Altartisches im Marienleben (Taf. 10 re.) und an der rechten Ecke der Tumbaplatte 139) der Figur 35 (Taf. 7 re.). Dabei ist auffallend, daß bei den Altartischen (mit Ausnahme der Figur 13) die zu den Ecken gehörigen Supplementwinkel an der rückwärtigen Tisch­ ecke verdeckt sind; auf der Figur 35 durch den Kopf des Simeon, in Lauten­ bach durch das Tuch, mit dem das Kind gehalten wird, im Marienleben durch den Käfig. Auch der Winkel der vorderen linken Ecke der Mensaplatte der Figur 13 (40° = V» X 360°) ist auf der Darbringung des Marienlebens wiederzu­ finden. Ihn schließt die rechte Ecke der Stufe ein, auf der die Nattern/?) im Schatten des Säulenfußes liegen. 187) Dieser Winkel entstammt der Kreiszehnteilung. 48° = 4/3 X 360/10°. Auf der Figur 13 ist der Scheitelpunkt dieses Winkels die rechte ein wenig vorstehende Ecke der Mensa. 188) Auf der Londoner Zeichnung sieht man keine seitlichen Begrenzungen des Altartisches. 189) Die Darbringung findet hier an einer Tumba, nicht an einer Mensa statt. S. Anm. 141.

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MVGN 56 (1969) Lautenbacher Altar

c. Auf den fünf Darbringungsbildem lassen sich nicht nur in der Zuord­ nung der Punkte bei den Figuren und den Gegenständen und in den Winkeln an den Altartischen (bzw. Tumba) und der Stufe Übereinstimmungen nachweisen, sondern sie sind auch in den Höhen der Altartische (bzw. Tumba) festzustellen. Die Länge von > 48,5 mm, < 49 mm (48,7 mm = 21 X Vio Nbg. Werkzoll) haben; die Mensa der Fig. 13 (von der Tischkante bis zum Boden) der Altartisch des Marienlebens (von der Tischkante bis zur Vorderkante der obersten Stufe) die Tumba (von den Fransenenden der Decke bis zum Boden)140).

Diese Übereinstimmungen in Punkten, Winkeln und Strecken bei fünf Darbringungen sind kaum möglich, wenn verschiedene Künstler die Bilder angefertigt haben. Denn es ist nicht denkbar, daß verschiedene Künstler ge­ meinsame konstruktive Eigenschaften auf Darstellungen von Darbringungen haben, die sich zudem nicht aus den sonst üblichen Gesamtschlüsseln von künstlerischen Darstellungen ergeben. Die festgestellten Übereinstimmungen der Bilder ergeben sich aus der Arbeit eines Künstlers, der sich nicht nur mit demselben Stoff, sondern auch mit der Konstruktion seiner Darstellung immer wieder von neuem auseinandersetzte. 2. Übereinstimmungen in den Darstellungen der

Räume Aus der wiederholten Auseinandersetzung mit dem Stoff und der Form seiner Darstellung ist es auch zu erklären, daß die Raumdarstellun­ gen der Darbringungen von 1492/93 und 1503 noch die Örtlichkeiten er­ kennen lassen, in denen die Darbringungen der Figuren 13 und 35 des Schatz behalters sich abspielen. a. Die Darbringung der Figur 35 spielt an einer Tumba141) in der Grabkapelle einer Kirche, die von rechts her einen Zugang von einem anderen Nebenraum der Kirche hat (Taf. 7 re.). Dieser Zugang und das Fenster der linken Seitenwand(?) sind rundbogig überwölbt. Auch in Lautenbach ist der Ort der Handlung eine Kapelle mit einem Zugang von der rechten Seite. Nur haben hier alle drei Öffnungen Rundbogen (Taf. 10 li.). 140) Die ganze Höhe der Tumba mißt: co’if mm V°n J61 i*C* \ der Deckplatte bis zum Boden { nachträglich hineingemalt worden sind. Dann wäre die Entstehung des Bandes mit 1569 anzusetzen. Von größtem Interesse wäre zu erfahren, von wem die künstlerisch so hochstehenden Miniaturen stammen. Die Qualität dieser Bilder wird erst recht deutlich beim Vergleich mit den Darstellungen im Rieterischen Geschlechterbuch von 1590. Die dortigen Kinderbilder sind verschiedentlich Kopien nach Vorlagen in unserem Folianten, aber welch enormer Unterschied zeigt sich dabei in der Qualität der Ausführung. Die Figuren sind dort ohne Leben und wirken puppenhaft starr. Das Bemühen, aus Akten oder Rech382

MVGN 56 (1969) Hans Rieter

nungen Hinweise auf den Maler zu erhalten, blieb leider ohne Ergebnis. Jost Ammann, der sich seit 1561 bis zu seinem Tod 1591 in Nürnberg aufgehalten und nachweislich an den Stammbüchern der Tücher und Pfinzing gearbeitet hat108), kommt als Maler der Miniaturen und Aquarelle nicht in Frage100). Es muß daher einer eingehenden Untersuchung Vorbehalten bleiben, diese Bilder einem bestimmten Künstler zuzuordnen. Neben den Familien der Haller, Pfinzing, Tücher, um nur einige zu nennen, haben so auch die Rieter uns ein wertvolles, mit köstlichen Miniaturen und Aquarellen geschmücktes Stammbuch hinterlassen. Die in lebhaften Far­ ben schwungvoll gemalten Bilder sind nicht nur eine Freude für das Auge, sondern bieten z. B. auch wertvolle kulturgeschichtliche Hinweise auf die Mode der Zeit und auf damals verwendetes Kinderspielzeug. Die Originalität dieses Bandes liegt aber in der bebilderten, leider nicht vollständigen Lebens­ beschreibung des Hans Rieter. Wenn auch sein Leben nicht repräsentativ für das Leben der jungen Patrizier der damaligen Zeit ist, so zeigt es doch, ge­ nau wie das Schicksal verschiedener seiner Söhne und anderer junger Nürn­ berger Patrizier110), daß es keineswegs eine Ausnahme darstellt. In dieser Lebensbeschreibung werden sichtbar, sowohl der schwere Lebensweg eines nachgeborenen Nürnberger Patriziersohnes vor dem Hintergrund der euro­ päischen Geschichte, als auch das Leben eines Ratsherrn und adeligen Grund­ besitzers im Rahmen der lokalen Ereignisse, eingefügt in den strengen hierarchischen Aufbau des Nürnberger Ratsregiments. Rastlosigkeit und Be­ harrung, Mut und diplomatisches Geschick, Weltoffenheit und Enge spiegeln sich in diesem bemerkenswerten Leben wieder.

108) Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 1, Berlin 1953, S. 251. 109) Feststellung von Herrn Dr. Kurt Pilz, Stadtbibliothek Nürnberg. 110) Anton Emstberger, Abenteurer des Dreißigjährigen Krieges. Erlanger Forschungen, Reibe A, Geisteswissenschaften, Bd. 15, Erlangen 1963.

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GIEBELMÄNNLEIN, SCHLOTE, HAHNENKÄMME UND ANDERE EINZELHEITEN DER NÜRNBERGER DACHARCHITEKTUR Mit einer kurzen Geschickte der Schlotfeger in Nürnberg bis 1806 Von Erich Mulzer Es muß zugegeben werden, daß die Nürnberger Dächer bereits arg hoch über dem Blickwinkel eines normalen Spaziergängers liegen (von dem zwangs­ läufig beengten Horizont des motorisierten Verkehrsteilnehmers ganz zu schweigen). Das Thema dieser Untersuchung könnte deswegen etwas abgelegen und nicht gerade aktuell erscheinen. Dem steht aber entgegen, daß die Gestaltung der Dächer schon mehrmals eine allgemeine, weitgreifende Teilnahme in Nürnberg erregt hat. Vor knapp zwanzig Jahren wuchs sich die Frage sogar zu einem Politikum aus, und es wurde leidenschaftlich und heftig darum gerungen, was das Charakteristische und Erhaltenswerte an der heimischen Dachform darstellte. Die Ansichten, die dabei geäußert wurden, zeigten allerdings deutlich, wie wenig vertraut man diesem Problem meist gegenübertritt. So befand das Kuratorium für den Wiederaufbau der Stadt Nürnberg, ein Beratergremium von Fachleuten aller einschlägigen Gebiete, in einem Gutachten zu dieser Frage: „Der ruhige und geschlossene Eindruck des Nürnberger Alt­ stadtbildes, der sich aus der Vogelschau von der Burgfreiung bot, beruhte im wesentlichen darauf, daß . . . das nürnbergische Altstadtdach in seiner Fläche ruhig wirkte" 1). Und der Baukunstbeirat, ein mit amtlichen Aufgaben betrau­ ter Ärchitektenausschuß des Kuratoriums, sprach ebenfalls von „ruhiger Flä­ chenwirkung", die allein „in hohem Maß eine der Nürnberger Atmosphäre gerecht werdende städtebauliche Wirkung" erzielen könne, und stellte fest, „daß die gute Wirkung der geschlossenen, waagrecht gelagerten, aber doch individuell variierten Dachflächen der Nürnberger Altstadt auch vom denk­ malspflegerischen Standpunkt aus zu fordern ist" 2). In der Nürnberger Presse wimmelte es in dieser Zeit ebenfalls von Formulierungen wie „ruhige Fläche", „geschlossener Eindruck des ruhigen Nürnberger Dachbildes" und „früher so einmaliges Bild der ruhigen großen Dachflächen" 3). Es ist daher nicht verwunderlich, daß sich auch der Stadtrat von diesen An­ sichten, die vorwiegend von Architekten und Baufachleuten vorgetragen wur­ den, beeindrucken ließ. Am 23.4. 1952 beschloß das Plenum, in der Tucherstraße und Judengasse erstmals die flachgeneigte, nicht ausbaufähige Dachform *) Sitzung des Ausschusses für Altstadtfragen am 24. März 1952. 2) Baukunstbeirat, Gutachten über die neue Bebauung des Judenhofs vom 13. März 1952; veröffentlicht in; Kuratorium für den Aufbau der Stadt Nürnberg — Bericht über die Tätigkeit von 1948—1955; Seite 42. *) NZ 24. 12. 1952; NZ 26. 3. 1952; vgl. auch NN 21. 3. 1952 u. v. a.

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vorzuschreiben und außerdem auch bei Steildächern jeden Ausbau allgemein zu verbieten. Als Grund dieses für die Altstadt so schwerwiegenden Beschlusses heißt es ausdrücklich: „Hierdurch soll gesichert werden, daß die für das Nümberger Stadtbild charakteristische Ruhe der Dachflächen gewahrt wird" 4). Nürnberg — und ruhige Dachflächen? Hier bleibt nichts anderes übrig, als Widerspruch einzulegen. Zwar muß gerechterweise gesagt werden, daß es bei der damaligen Kontroverse hauptsächlich um die Frage der Dachausbauten ging, und daß die Ablehnung der neumodischen, reihenweise nebeneinandersitzenden Gauben durchaus berechtigt war. Aber das hieraus abgeleitete Idealbild des ruhigen, glatten, ungestörten Nürnberger Daches bleibt eine Fiktion, eine ro­ mantisierende Rückprojektion der sachlich-nüchternen Vorstellungen unserer Tage in eine frühere Zeit hinein. Die Welt der Nürnberger Dächer sah ganz anders aus! Das hätte schon ein einziger Aufblick an den bekanntesten erhal­ tenen Bürgerhäusern zeigen müssen: Etwa am Fembohaus mit seinen bis zum First hinaufreichenden kräftigen Ausbauten, mit sieben steilen Erkerspitzen, mit Giebelfigur und weit aufragenden Schloten. Wer aber gar eine Darstellung des ursprünglichen Zustandes wie auf Bild 1 betrachtet, dem erschließt sich das Dach, wenigstens aus der allein maßgeblichen Perspektive des Fußgängers gesehen, als ein phantastisches Gebirge von Erkern, Fenstern, Giebelbekrönun­ gen, Schlothauben, Knäufen und Wetterfahnen, das sich in seiner Spiel- und Schmuckfreude aufs deutlichste von der flächig behandelten Fassade des Hauses abhebt. Vor einigen Jahren wurde in einer umfangreichen Monographie 5)6erstmals versucht, die wichtigsten Elemente dieser Formenwelt, die Erker, Dachfenster und Wengerlein, abzugrenzen und zu deuten. Es bestätigte sich dabei nicht nur der oft bis zum Rand der optischen Tragfähigkeit reichende Ausbau der Nürn­ berger Dächer 8), sondern es wurde erstmals auch fühlbar, wie stark die Dachgestaltung auf den Gesamteindrude des sonst sehr schlichten Nürnberger Hauses einwirkte. Die repräsentativen Dach- und Erkerlösungen der beiden großen Nürnberger Baumeister Hans Beheim d. Ä. und Jakob Wolff d. J. bilden Bei­ spiele für diese Ausdrucksfähigkeit der Dacharchitektur des 15.—17. Jahrhun­ derts, die meilenweit von der Vorstellung einer glatten und ruhigen Fläche entfernt ist. Durchblättert man die Bilder des genannten Buches mit ihren ungewohnten Nahblicken auf die heimische Dachlandschaft, so regt sich jedoch der Wunsch, auch noch die anderen, immer wiederkehrenden und im Bild des Daches stark mitsprechenden Merkmale genauer kennenzulemen. Man sieht auf den Fotos z. B. verschiedene Formen von Schloten und Schlothauben7), zahlreiche einfache oder doppelte Knäufe 8), aber auch abgetreppte Brandmauern mit einem merk4) Protokoll der Stadtratssitzung vom 23. April 1952. — Das genannte Verbot des Ausbaus von Steildächern, das in einem Ortsstatut festgelegt werden sollte, wurde nie durch­ geführt. 5) Erich Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein. Nürnberg 1965. 6) Vgl. ebd. besonders Bild 25, aber auch 28, 30, 32, 34, 36 und 37. 7) Ebd. Bilder 4, 11, 20, 29, 31. 8) Ebd. Bilder 18, 22, 31, 38—44. 25

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würdigen, türmchenartigen Aufsatz 9). Ebenso gibt der Textteil Stichworte, die sich als Ansatzpunkte weiterer Nachforschungen anbieten; etwa der mehrfach erwähnte Begriff der „Hahnenkämme“ 10). Allen solchen Fragen nachzugehen, ist der Zweck der vorliegenden Arbeit. Erst diese Nachträge machen es möglich, das äußere Bild des Daches lückenlos zu erklären und damit wenigstens die gestalterische, nichtkonstruktive Seite der Nürnberger Dacharchitektur besser als bisher zu erfassen. Es wird sich dabei heraussteilen, daß alle diese Kleinformen, genau wie die Erker, auf eine weitere vertikale Auflockerung, eine Aufspitzung und Be­ wegtheit des Daches hinzielen. Je mehr man sie sieht und zur Kenntnis nimmt, desto mehr differenzieren sich die Konturen und Flächen, und desto weniger bleibt von der eingangs zitierten sagenhaften Ruhe des Nürnberger Daches übrig. Die Giebelaufsätze Am stärksten tritt der Vertikalismus bei einer architektonischen Besonder­ heit hervor, die schon aus frühester Zeit herrührt, aber noch vor dem letzten Krieg in einer größeren Zahl von Beispielen überall in der Altstadt zu be­ obachten war: Den türmchenartigen Giebelaufsätzen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die allgemein bekannten Fialen und Voluten an den Ziergiebeln. Beim Nürnberger Haus sind ja grundsätzlich zwei verschiedene Giebelformen zu unterscheiden: in der Mehrzahl der Fälle ist, durch die Traufsteilung bedingt, der Giebel eingebaut und tritt nur als Brand­ mauer zum Nachbaranwesen in Erscheinung. Soweit er bei springenden Ge­ bäudehöhen teilweise freiliegt, zeigt er glattes und schmuckloses Mauerwerk, das höchstens von einigen Schlitzfenstern durchbrochen werden durfte n). Auch ein beträchtlicher Teil der an Straßenecken sich ergebenden freistehenden Gie­ bel behielt dieses schlichte Aussehen bei. So ist etwa auf Bild 4 am vierten Haus von rechts12) ein solcher einfacher Eckgiebel zu erkennen, der sich nur durch zwei Fenster18) von den benachbarten Brandmauern unterscheidet. Selbst bei großen und repräsentativen Gebäuden kam diese Bauweise vor; Winklerstraße 31 und 37 bieten heute noch Beispiele dafür. — Dagegen entstanden aus­ gesprochene Ziergiebel viel seltener. Sie waren nur an Eckhäusern möglich und zeigten eine plastische Behandlung des ganzen Giebeldreiecks einschließlich der Schrägen. Ihre Einzelformen entsprachen der zeitgenössischen Stilentwicklung oder deckten sich mit Überlieferungen größerer Kunstlandschaften14); es soll deshalb auf sie nicht weiter eingegangen werden. ®) Ebd. Bilder 16, 20, 21, 24, 35, 36 (Brandmauern); 11 (Aufsatz). 10) Ebd. Seite 100 sowie Anm. 33a und Anm. 372. u) Der Stat Nürmberg verneute Reformation, 1564, 26. Titel, 3. Gesetz, 1. Absatz. — Sie durften zwei Schuh hoch und einen halben Schuh breit sein. 12) Zwischen dem dritten und vierten Haus von rechts mündet die Schustergasse. 13) Darüber befindet sich noch ein Rundfenster. Die Bedeutung solcher Öffnungen unter­ sucht soeben Leonhard Wittmann. 14) Bei den gotischen Backsteingiebeln herrscht beispielsweise der norddeutsche Einfluß absolut vor, während der bairische Treppengiebel kaum bekannt ist. Lediglich am Unschlitthaus

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Bei schlichten Giebeln hat man es jedoch im wesentlichen mit zweckbestimmten Bauwerken zu tun. Soweit sie zwei Häuser trennen, dienen sie als massive, feuerhemmende Schutzwände. Trotzdem trugen sie sehr häufig an ihrer Spitze, seltener auch in ihren beiden unteren Enden eigenartige Türmchen, die mit der Schutzfunktion der Mauer nichts zu tun haben konnten. Schon auf der ältesten Abbildung einer Nürnberger Straße aus dem Jahr 1486 (Bild 2) sind zwei solche Giebelaufsätze deutlich zu erkennen; dabei ist zu bedenken, daß steinerne Zwischengiebel um diese Zeit noch nidit häufig vorkamen 15). Etwa hundert Jahre später zeigt eine Federzeichnung der süd­ lichen Hauptmarktgegend16) auf den verschiedenen Brandgiebeln insgesamt sechs Türmchen und eine Kreuzblume (vgl. Bild 3). Genauer sind diese Giebeltürmchen erstmals in dem bauamtlichen Abriß einer „neuerbauten Behaußung“ von 1607 (Bild 5) dargestellt. Auch die barocken Stiche von Graff/ Kraus, Delsenbach und Böner aus der Zeit um 1700 bringen noch zahlreiche solche Türmchen und Pfeiler. In Fortsetzung einer schon auf den früheren Zeichnungen angedeuteten Entwicklung treten jetzt jedoch auch Kugeln, Pinien­ zapfen und Voluten als Bekrönungen an den Giebelspitzen stärker hervor. Aber noch das im Louis-Seize-Stil um 1780 erbaute, jetzt zerstörte Haus Adlerstraße 34 zeigte auf den gebrochenen Brandgiebeln seines Mansarden­ daches ein Giebeltürmchen ganz altertümlicher Art17). Die heute vorhandenen Beispiele und die Bildquellen ergeben für die Gie­ beltürmchen übereinstimmend einen quadratischen Grundriß in der Breite der Brandmauer. Ohne Übergang wachsen sie aus der Giebelspitze etwa 4—12 Backsteinlagen hoch heraus. Die einzige markante Form zeigt ihr oberer Ab­ schluß: Er wird durch hochkant gestellte, dachartig aneinandergelehnte Back­ steine gebildet, auf deren Scheitel zuweilen noch ein flachgelegter Backstein ruht (Bild 10). Unter diesem „Dach" bleibt ein dreieckiges Loch offen, das be­ sonders bei verputzten Türmchen und Giebeln stark in Erscheinung tritt. Diese auffallende Einzelheit ist nicht nur auf zahlreichen barocken Stichen belegt (vgl. Bild 20), sondern auch schon auf der bauamtlichen Darstellung von 1607 (Bild 5) angedeutet und auf einer Federzeichnung von etwa 1590 fast über­ trieben deutlich zum Ausdruck gebracht18). hat der (bezeichnenderweise aus der Oberpfalz stammende) Hans Beheim d. Ä. bei seinem ersten größeren Werk diese Farm zum Ausgangspunkt genommen. Feuerfeste Giebelmauern waren im Baurecht der Nürnberger Reformation nie vorgeschrie­ ben. Die Niederschrift einer Giebel- und Badschau von 1529' (StAN, Rst. Bauamt, Amts­ bücher Nr. 28) hält in 123 Einträgen fest, „wo und an welchenn ortten unnd enndenn, In welchenn gassen unnd zwischenn welchen Heußem not und gut were, Gibelmawren auffzurichtenn“. Einen neuen Anlauf nimmt der Rat in einem Verlaß vom 15. Dez. 1643: „ . . . daß ehedeßen Bericht befohlen worden, die anstalt durch die gantze Statt zu machen, damit zwischen allen heußem Giebelmauern aufgeführt werden, alß ist befohlen, selbige Handtlung auffzufangen und sehen, wie weith man in der sach kommen [könne]“. Stromersches Baumeisterbuch, Archiv Schloß Grünsberg; Aufnahme Nagel 8963. Ausschnitt siehe Bild 3. Foto: Fritz Traugott Schulz, Alt-Nümbergs Profanarchitektur; Bild 142. — Selbst wenn dabei ein älterer Giebel umgebaut und mitverwendet worden sein sollte, wäre die Erhal­ tung dieses traditionellen Abschlusses bei einem sonst so ausgeprägt neumodisch gestal­ teten Haus sehr bemerkenswert. Vgl. Anm. 16, rechts Mitte. (Auf dem abgebildeten Ausschnitt nicht enthalten).

15)

16) 17)

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Leider ist eine historische Benennung für diese Türmdien bisher nicht aufgefunden worden. In den letzten Generationen vor dem Krieg scheint im Volksmund der Name „Giebelmännlein" üblich gewesen zu sein, den zwei alte Bewohner der Sebalder Stadtseite unabhängig voneinander angaben. Da dieser Ausdruck recht gut trifft, soll er im folgenden benützt und wiederbelebt werden. Über den Zweck der Türmchen gibt die Bezeichnung allerdings keinen Hinweis, und so bleibt nichts übrig, als diese wichtigste Frage spekulativ zu behandeln. Am nächsten läge es, die Giebelmännlein als bloßen Zierat, ge­ wissermaßen als Schrumpfform der über den gotischen Backsteingiebeln frei aufragenden Lisenenspitzen, zu betrachten. Dagegen spricht aber vor allem der merkwürdige Abschluß mit der dreieckigen Öffnung, der sich an kaum einem der bildlich überlieferten Ziergiebel findet. Selbst an einem Haus, das sowohl einen Lisenengiebel als auch ein Giebelmännlein besaß, blieb dieser Unter­ schied bestehen: Nur bei letzterem war das charakteristische Loch offenge­ halten 19). Architekten neigen oft dazu, den Giebelmännlein eine konstruktive Funk­ tion zuzuschreiben. Da die Schrägen der Zwischengiebel stets abgetreppt enden, die einzelnen Steinlagen also übereinander frei heraustreten9), müßte die Gie­ belspitze eigentlich von einem einzigen Backstein gebildet werden. Es erscheint denkbar, daß an dieser besonders ausgesetzten Stelle eine schwerere Bekrönung einen gewissen Wetterschutz darstellt. Ob allerdings die vergrößerte Wind­ angriffsfläche dieser nicht sehr stabilen Türmchen den Vorteil nicht wieder ins Gegenteil verkehrt, muß dahingestellt bleiben; ein verwittertes Relikt wie Berg­ straße 23 oder ein nicht sehr vertrauenerweckender Firststein wie auf Bild 10 machen hier mißtrauisch. Auf jeden Fall aber — und das ist der grundsätzliche Einwand — lassen sich die am unteren Giebelrand sitzenden, sonst völlig gleich­ artigen Türmchen niemals aus solchen Erwägungen heraus erklären. Je länger man ein Giebelmännlein betrachtet, desto mehr kreisen die Gedan­ ken um das merkwürdige Loch an seiner Spitze. Könnte hier nicht der Schlüssel zum Verständnis liegen? Wenn eine solche anfällige und wegen des unzugäng­ lichen Ortes sogar bedenkliche Bauweise jahrhundertelang festgehalten wurde, muß eine Bedeutung dahinterstehen. Sollte sie etwa auf volkskundlich-magi­ schem Gebiet zu suchen sein? Eine solche Vermutung mag heute schockierend klingen; aber man ahnt kaum, wieviele Reste irrationaler Vorstellungen sich gerade in der Baukunst erhalten haben. Läßt man seine Phantasie etwas spielen, so fallen einem die ebenfalls dreieckigen Löcher über den Walmen der älteren Fachwerkhäuser ein, die sich zwar konstruktiv (durch die Radialsparrenkon­ struktion der Walmseite) und entwicklungsgeschichtlich (als Rauchabzüge in schlotlosen Häusern) erklären lassen 20), daneben aber zumindest in anderen Landschaften auch im Volksglauben eine Rolle gespielt haben. Ihre Lokalisie­ rung im Haus entspricht immerhin genau der unserer Giebelmännlein l Im übrigen mag auch auf die besondere Bevorzugung der Giebel- und Walmspitzen 19) Tucherstraße 8, jetzt zerstört. Foto Nagel 7934. 20) Dazu ausführlicher: Erich Mulzer, Der Nürnberger Fachwerkbau. In: MVGN, 5 5. Band, 1967/68; Seite 316.

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für senkrechte, heute meist unverständliche Gebilde hingewiesen werden. Reich belegt ist z. B. der „Geck", ein geschnitzter Holzstab, in Westfalen21); ihm entspricht der vierkantige „Brant" in Holstein 22) und das ausgesägte „Ulholz" in Friesland23). Es erscheint nicht abwegig, die Nürnberger Giebelmännlein, auch wenn sie erst an den (jüngeren) Sandsteinhäusern auftreten, mit solchen Formen in Verbindung zu bringen. Aber unbeeinflußt von diesen Überlegungen bleibt die Rolle, die die Giebelaufsätze — ob gewollt oder ungewollt — im Bild des Nürnberger Hauses spielten. Sie war weit größer, als es die Dimension dieser Türmchen vermuten läßt. Indem sie nämlich die Brandmauern gerade an der auffallendsten Stelle, am First, nach oben verlängerten, setzten sie weithin sichtbare Grenzzeichen zwischen die Häuser. Von der tiefliegenden Straßenperspektive aus übernahmen die am unteren Giebelrand, in Traufhöhe, entspringenden Türmchen diese Markierung. In beiden Fällen wurde also das Einzelhaus betont, seine Grenz­ mauer hervorgehoben und eine durchlaufende First- oder Trauflinie hart unter­ brochen. Besonders stark trat die optische Zäsur hervor, wenn die trennende Wirkung dieser Türmchen mit der akzentuierenden und rhythmisierenden der großen Dacherker abwechselte. In diesem Drang zum Individuellen innerhalb eines streng gefaßten Formrahmens klang gleichzeitig ein Grundprinzip der Nürnberger Baukunst an; vielleicht verdanken die Giebelmännlein und die anderen, ihnen nachfolgenden Bekrönungen wenigstens ihr langes Leben der Tatsache, daß sie mit diesem lokalen Gestaltungswillen so gut übereinstimmten. Heute haben sich beide, lokaler Formwille und lokale Sonderform, fast völlig verflüchtigt. Sechs alte Giebelmännlein sind der denkmalpflegerische Rest: Zwei am Haus Burgstraße 20 (Bild 9), je eines Albreckt-Dürer-Straße 24 (Bild 7), Augustinerstraße 5 24), Adlerstraße 16 Nordgiebel (Bild 6) und, stark verwittert, Bergstraße 23. Geringe Relikte tragen außerdem noch die Häuser Maxplatz 29 und Schlehengasse 8. Die Giebelmännlein am Palas der Burg (Bild 8) und auf den Mönckshäusem der Kartause sind restauriert und teil­ weise verändert. Am Übergang zu freieren Formen steht das (wahrscheinlich ebenfalls restaurierte) fialenähnliche Türmchen am Westgiebel des Herrensdiießhauses. — Mehrere andere Giebelmännlein verschwanden noch in der Nachkriegszeit, darunter auch die letzten Beispiele in Traufhöhe. Sie hatten bis 1960 an beiden Seiten des Hauses Burgstraße 29 eine besonders kräftige optische Wirkung entfaltet25). Der vermeidbare Abbruch dieses Gebäudes er21) Auf ihn wurde ich von Herrn Leonhard Wittmann hingewiesen. Artikel darüber finden sich in der sonst mit Vorsicht zu benützenden Zeitschrift „Germanien“, 1935, Seite 185 f. und 229 ff., sowie 1938, Seite 25. 22) Ebd. 1942, Seite 69 ff. 23) Klaes Sierksma, Ulbretter und Sinnbildforschung im Niederländischen Friesland. Ebd. 1939, Seite 349 ff. 24) Ursprünglicher Zustand: Erich Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein, Bild 11. Inzwisehen wurde das Giebelmännlein 1968 bei einer Renovierung völlig verstümmelt: Das Loch ist zugemauert, der Deckstein abgenommen und der Rest dick verputzt. 25) Abbildung: Erich Mulzer, Nürnberger Bürgerhäuser, Bild 24. Vgl. auch Bild 20 der vor­ liegenden Abhandlung/ — Das Haus ist auf dem Braunschen Prospekt von 1608 noch nicht vorhanden; die Giebelmännlein müssen also dem 17. Jahrhundert angehören.

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weist sich auch hier wieder als einer der bittersten Verluste der Altstadt in der Nachkriegszeit. Daß die Giebelmännlein heute kein Verständnis mehr zu erwarten haben, zeigt sich selbst dort, wo der Wille zur Denkmalpflege vorhanden ist. So ließ das staatliche Landbauamt das Giebelmännlein am Palas der Burg (Bild 8) verfälscht, nämlich ohne Loch und mit einem Ziegeldach, wiederherstellen, obwohl Fotographien des früheren Zustandes Vorlagen. Am Dürerhaus sparte man bei der genauen Restaurierung, die bis zu Butzenscheiben und nach­ getöntem Fachwerk reichte, einzig und allein das Giebelmännlein aus, das früher den Absturz zu den südlich anschließenden kleineren Häusern akzen­ tuiert hatte und auf unzähligen Abbildungen festgehalten war. Auch am Sebalder Pfarrhof, der 1964 vom Kirchenbauamt renoviert wurde, erstand keines der drei kriegszerstörten Giebelmännlein neu 27). Außerhalb der Denkmalpflege sind Giebelaufsätze erst recht abgeschrieben. Im individualistischeren 19. Jahrhundert hatte man solche trennenden Be­ krönungen zwar noch gerne verwendet28); aber heute geht das Bestreben nicht mehr nach Trennung, sondern im Gegenteil nach äußerlicher Gleichschaltung benachbarter Einzelhäuser. In der Dachzone wird dies schon durch die genau übereinstimmenden Trauf- und Firstlinien sowie durch die Aufreihung gleich­ großer Dachfenster bewirkt; dazu ist seit kurzem noch als einschneidendste Neuerung das Vermeiden sichtbarer Brandmauern getreten. Alle Unterbrechun­ gen der durchlaufenden Dachflächen gelten als unschön, Grenzmarken wären undenkbar. Allerdings ist mit dieser vereinheitlichenden Tendenz auch eine grundsätzliche Wandlung des Nürnberger Stadtbildes verbunden, die sich immer stärker bemerkbar macht. Man braucht nur die drei verschieden alten und verschiedenen Besitzern gehörigen, aber in ihrer Dachfläche völlig vereinheit­ lichten Häuser Ludwigstraße 39—47 mit den benachbarten Altbauten 63—73 zu vergleichen, um die Unvereinbarkeit dieser beiden Prinzipien zu spüren 29). Gerade wenn man der Meinung ist, daß es nicht so sehr darauf ankommt, Einzelformen zu überliefern, sondern Geist, Maßstab und Rhythmus des alten Stadtbildes zu erfassen und weiterzugeben, muß man über eine solche Entwick­ lung, die mit den Begriffen ».modern“ und „unmodern“ nur bedingt zu tun hat, sehr besorgt sein. Das Verschwinden der jahrhundertelang üblichen Giebel­ markierungen signalisiert jedenfalls, daß hier mit einer sehr alten und lange Zeit unveränderten Vorstellung vom Bild des Nürnberger Hauses gebrochen wird. Rein formal haben die Giebelmännlein Ähnlichkeit mit zwei anderen Be­ standteilen der Dacharchitektur: Den Schloten und den Giebellisenen. Da sich vereinzelt Überschneidungen ergeben, sind einige abschließende Worte über diese Grenzfälle nötig. 27) Ein First' und ein Trauftürmchen am Südgiebel gegen das Pfaffengräslein, ein Firsttürmchen über dem Trenngiebel westlich des PfinzingchÖrleins. 28) Z. B. in historisierender Form: Königstraße 55 Westgiebel, an der Johannesgasse; moder­ nere Vasenaufsätze: Josephsplatz 1, gegen die Kaiserstraße. 2Ö) Ähnlich z. B. Maxplatz 9—19 gegen 27—29 sowie an vielen anderen Stellen, soweit ebener Baugrund herrscht.

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Die äußere Ähnlichkeit mit den Schloten trägt wahrscheinlich die Schuld daran, daß die Giebelmännlein so unbekannt geblieben sind: Von Laien und sogar von Fachleuten werden sie nämlich in der Regel für Rauchabzüge ge­ halten. Wie weit diese Ähnlichkeit gehen kann, zeigt ein Aufsatz an einer Giebelschräge auf der Südseite der Kaiserburg, der genau wie ein Giebelmänn­ lein aussieht und sich nur durch einen breiteren Unterbau als Schlot ausweist. Dazu kommt noch, daß Schlote häufig ebenfalls an der Spitze von Brandmauern enden. Bild 4 zeigt dies z. B. ganz rechts, und auch die Darstellung der Burg in der Schedelschen Weltchronik von 1493 kennt schon ein Nebeneinander von Schloten und Türmchen auf den verschiedenen Zwischenmauern des Palas. Mögen im Fernblick diese Formen manchmal miteinander verschmelzen, so lassen sie sich aber doch bei genauerem Hinsehen an ihrem unterschiedlichen Durchmesser und an den Einzelheiten ihrer Bedachung jedesmal sicher unter­ scheiden. Nur in einem einzigen Falle könnte von einer stärkeren Durchdringung die Rede sein; sie rührt jedoch im wesentlichen erst aus der jüngsten Vergangen­ heit her. Gemeint ist der Schlot am Trenngiebel zwischen der Beheimschen Rathauserweiterung und dem nördlich in der Rathausgasse anschließenden Neubau, unmittelbar über der Verbindungsbrücke zum Fünferrathaus. Der Giebel gehörte ursprünglich zu einem Bürgerhaus, das 1515 von der Stadt in den Rathauskomplex einbezogen30), nach seiner Zerstörung im Luftkrieg jedoch bis auf die Eingangstür und diesen Giebel abgebrochen wurde. Obwohl er also nur die Trennwand zwischen zwei Häusern bildete, zeigt der Giebel auf seiner straßenseitigen Hälfte eine reiche Gliederung durch vortretende Backstein­ bänder. Diese ungewöhnlich aufwendige Gestaltung geht wohl auf die Tätig­ keit Hans Beheims d. Ä. am Rathaus in der Zeit um 1515 zurück. An ihn läßt auch der maschenartige Eindruck des Giebelfelds denken, der dadurch entsteht, daß die Backsteinlisenen nicht senkrecht aufsteigen, sondern mehrere Reihen rundbogig geschlossener Felder bilden. Eine solche Bewegtheit ist in der Nürnberger Giebelarchitektur selten; sie findet jedoch an der ebenfalls von Beheim gebauten Mauthalle eine Entsprechung. Ebenso wie dort ist auch hier die Giebelmitte betont, nur daß an die Stelle einer senkrechten sandsteinemen Fensterachse diesmal ein leicht heraustretender Schlot, gewissermaßen ein Zierschlot, getreten ist. Zur Einfügung in die Giebelarchitektur ist er, ganz gegen die Regel, in unverputztem Backstein errichtet und wirkt deshalb wie eine überdimensionale Lisene, die über die Giebelspitze emporragt. Alle Abbildun­ gen des 19. Jahrhunderts zeigen ihn noch mit einem glatten oberen Abschluß 31); als aber nach den Kriegsschäden die letzten fünfzehn Backsteinlagen erneuert werden mußten 32), wurde dem bereits stillgelegten Schlot33) eine ädikulaartige Verzierung aufgesetzt. Sie erinnert einerseits an eine Schlothaube, an­ dererseits an eine ins Große gesteigerte Giebelbekrönung (Bild 11). Der letzt30) Emst Mummenhoff, Das Rathaus in Nürnberg, Nürnberg 1891; Seite 83. Die Jahreszahl ist im Bogenfeld des Tores enthalten. 3t) Georg Christoph Wilder, 183 3; Lorenz Ritter, vor 1890; Fotografie von Ferdinand Schmidt, 1897 (nach Abbruch des gegenüberliegenden Häuserblocks). 32) Abbildung in zerstörtem Zustand: Merian, Nürnberg; 1966 Heft 8; Seite 45. 33) Er dient heute als Entlüftung.

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genannte Eindrude ist stärker, denn sowohl das Sichtmauerwerk als auch die ungewöhnliche Form der Haube lassen die Assoziation „Schlot“ nur noch be­ dingt aufkommen. Man muß solchen vorbildlosen Weiterentwicklungen der Denkmalpflege freilich sehr skeptisch gegenüberstehen; aber es kann zuge­ geben werden, daß hier zwanglos an das Formgefühl der örtlichen Überlieferung angeknüpft ist und Möglichkeiten genutzt wurden, die sich früher ebenso anboten. Für das Bild des Giebels und der Dächer darf wohl von einer Bereiche­ rung gesprochen werden, die sich auch auf der Abbildung durch den Zusammen­ klang mit der benachbarten alten Architektur bestätigt. Wesentlich tiefer als die äußerliche Ähnlichkeit mit den Schloten geht die Verwandtschaft mit den frei aufragenden Lisenenspitzen an Ziergiebeln. Der Verdacht, daß es sich bei den Giebelmännlein nur um verkümmerte gotische Fialen handelt, ist auch nie ganz auszuräumen. Besonders stark wird er dann, wenn die Männlein nicht nur am oberen und unteren Ende eines Giebels auftreten, sondern auch noch aus den dazwischenliegenden Schrägen herauswachsen. Die Beispiele dafür sind allerdings außerordentlich selten84) und mit der riesigen Zahl von Einzeltürmchen nicht zu vergleichen. Außerdem bleibt immer noch die andersartige Abdeckung der üblichen Lisenenspitzen und ihr Vortreten über die Mauerflucht als Unterscheidungsmerkmal bestehen. Auffallend ist es dagegen, daß voll durchgebildete Ziergiebel am oberen Ende ihrer Mittellisene einen nischen- oder laternenartigen Ausbau tragen können, also das Motiv der Öffnung über der Giebelspitze wiederholen. Ein Beispiel dafür ist auf einem Stich von Böner dargestellt35). Am Ziergiebel des alten Rathauses hat sich eine solche Ädikula sogar bis heute erhalten; sie ist aller­ dings als einmalige Ausführung zu einem ganz bestimmten Zweck, zur Auf­ hängung der Ratsglocke, entstanden (Bild 12). Außerdem gehört sie einer ver­ hältnismäßig späten Zeit an: Es ist viel zu wenig bekannt, daß dieses Türmchen, das den gotischen Backsteingiebel von 1332/40 so harmonisch abschließt, erst 1620 gemeinsam mit dem frühbarocken Wolffsehen Rathaus errichtet wurde M) — ein Beweis, wie sehr auch kraftvoll gestaltende Zeiten willens und fähig waren, unter dem Eindruck vorhandener Substanz sich der Formensprache ver­ gangener Jahrhunderte zu bedienen. Heute, nach einer genauen Rekonstruk­ tion von 1957, bildet das Glockentürmchen zusammen mit dem oben schon erwähnten Zierschlot eine Baugruppe von eigenartigem Reiz, die zu den un­ gewohntesten Anblicken über Nürnbergs Dächern gehört und an ähnliche, reichere Architekturen anderer Städte denken läßt (Bild 11). Schade nur, daß dieses Bild funktionslos ist/ Die Stadtverwaltung hat leider den letzten Schritt vom Denkmalsschutz zur lebendigen Traditionspflege nicht mehr getan. Be­ kanntlich wurde das Ratsglöcklein jahrhundertelang jeweils zu Beginn der Sitzungen geläutet — schon damals wohl mehr als symbolisches Anfangszeichen, nicht als Signal für die teilweise ziemlich entfernt wohnenden Ratsherrn gedacht. Warum kann das eigentlich heute nicht mehr geschehen? Es sind solche KleinigM) Vor dem Krieg: Hirscheigasse 11 (Ostgiebel), Königstraße 8. **) Die Goldene Gans, 1701. Abbildung: Wilhelm Schwemmer, So war‘s einmal; Seite 26. 86) Mummenhoff a. a. O. Seite 28. Die Starksche Chronik, auf die sich Mummenhoff bezieht, ist im letzten Krieg verbrannt.

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keiten, die das besondere Fluidum einer Stadt schaffen und Feuilletons über sie anregen. Und schließlich ist es noch gar nicht gesagt, ob das Gebimmel nicht auch im 20. Jahrhundert einen Zweck erfüllen würde: indem es nämlich den Bürger auf der Straße daran erinnerte, daß seine Vertreter nunmehr in Aktion treten, und daß auf der Zuschauertribüne noch fast alle Plätze frei sind. Schlote

Es hat Dächer ohne Giebelmännlein, es hat sogar ausnahmsweise Dächer ohne Erker gegeben. Aber ein Haus ohne Schlot ist nicht denkbar; und die Art, wie dieser Schlot gebaut und wie er ausgestaltet war, hat zu allen Zeiten im Bild des Daches stark mitgesprochen. Von zwei Seiten her wurde das Bild des Schlotes beeinflußt: Von der tech­ nisch bedingten Form des Rauchabzugs, und von der künstlerisch freieren Gestaltung seines oberen Abschlusses, der „Haube". Während über die tech­ nischen Bestimmungen reiches Archivmaterial vorliegt, vollzog sich die äußere Durchbildung offenbar ohne Erinnerung der Obrigkeit. Gemeinsam ist beiden Teilgebieten, daß sich bis heute noch kaum jemand ernsthaft mit ihnen be­ schäftigt hat37). Wie lange es in Nürnberg Schlote gibt, ist bereits die erste ungelöste Frage. Es wurde an anderer Stelle schon auf das Problem der „Rauchhäuser" und der Firstlöcher, die sich auch in Nürnberg finden, hingewiesen 20). Andererseits wird bei einer sehr frühen Erwähnung von Schloten 1442 bereits deren allge­ meine Verbreitung vorausgesetzt; der Rat beschließt nämlich, vor dem Besuch Kaiser Friedrichs III. „den leuten zu sagen, ir slot fegen zu lassen" 38). Noch deutlicher belegt dies eine Stelle im Tucherschen Baumeisterbuch von 1464/67: Danach hatte der Stadtschlotfeger nicht nur in den großen öffentlichen Ge­ bäuden, sondern ebenso in den Wohnungen des Henkers, des Hundschlagers, der Stadthirten und der Türmer, also in sehr bescheidenen Behausungen, die Schlote zu reinigen39). Auffallend ist, daß Tücher als Berufsbezeichnung einmal „schlöt und rauchloch veger", sein Vorgänger Lutz Steinlinger 1452 sogar nur „rauchlochfeger" verwendet40). Es scheint so, als ob sich in dem älteren Namen, der später in Nürnberg nie mehr benützt wird, wenigstens die Erinnerung an einen früheren Zustand erhalten hat41). 37) Friedrich Braun erwähnt in seiner (maschinengeschriebenen) Dissertation „Der Feuerschutz im alten Nürnberg bis 1806“, Erlangen 1949, vom juristischen Standpunkt aus neben vielen anderen Bestimmungen auch Vorschriften über den Schlotbau. Seine Quellenan­ gaben sind außerordentlich fehlerhaft. — Außerhalb Nürnbergs ist m. W. nur eine Monographie über die Schlothauben Venedigs erschienen: Urbani de Gheltof, I Camini. Venezia 189»2 (mit 318 Abbildungen). — 14 Kaminköpfe aus Unterfranken finden sich kommentarlos abgezeichnet in den „Deutschen Gauen“, Band 10, 1909, Seite 15 5. 38) Die Chroniken der deutschen Städte; Nürnberg, Dritter Band, Seite 360, Zeile 28. 39) Endres Tuchers Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg. Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, Band 66, 1862, Seite Ulf. 40) Lutz Steinlingers Baumeisterbuch vom Jahre 1452. Hrsg, von Emst Mummenhoff. In: MVGN, Band 2, 1880; Seite 37 und 60. 41) Vgl. Günter Schilling, Die Bezeichnungen für Rauchabzug im deutschen Sprachgebiet;

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Steht somit der allgemein übliche Gebrauch von Schloten bereits für das 15. Jahrhundert fest, so ist es heute ein kaum faßbarer Gedanke, daß die

meisten von ihnen nur aus Holz bestanden haben. Die Bauweise vieler Häuser schien den schweren, auf den Deckenbalken stehenden Fremdkörper eines Stein­ schlotes nicht auszuhalten42). Trotzdem drängte der Rat mindestens seit 1482 auf Ersatz der „hültzen schlöt:“ 43). Jahrzehntelang wird in immer neuen Ver­ lässen den Bürgern der Umbau zur Pflicht gemacht und eine endgültige Frist von einem Jahr gesetzt. Schon von Anfang an stehen Strafen auf einer Wei­ gerung44). 1506 entschließt man sich zu der drakonischen Maßnahme, das Feuerrecht solange einzuziehen, bis der hölzerne Schlot „steinern gemacht“ ist45). Aber die dauernde Wiederholung dieser Vorschriften läßt auf einen geringen Wirkungsgrad schließen. Zuweilen steckt der Rat sogar wieder etwas zurück, indem er nur die Erneuerung hölzerner Schlote verbietet und erst in diesem Fall eine Besserung mit Steinen verlangt, ln einem aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammenden Mandat aus einem Wandelbuch47) wird dann ausdrücklich von den „alten hultzen Schlöt“ gesprochen, und all­ mählich verschwindet der Begriff aus dem Sprachgebrauch. Der Steinschlot scheint, von wenigen Ausnahmen abgesehen 4S), zum Normalfall geworden zu sein. Einen Beweis dafür, daß sich dieser Wandel tatsächlich in der Zeit um 1500 vollzogen hat, liefert auch die „Nürnberger Reformation“, die in ihren Ausgaben ab 1522 den Bau von Schloten nur mit Ziegelsteinen gestattet, wäh­ rend in den sonst kaum abweichenden Fassungen von 1479 und 1503 dieser Satz fehlt. Das alles schließt ein Vorhandensein entwickelter Steinschlöte bereits im 15. Jahrhundert selbstverständlich nicht aus; aber ihre Überlegen­ heit scheint sich im Bewußtsein der Bevölkerung erst langsam durchgesetzt zu haben. Dem Baurecht aus der „Nürnberger Reformation“ sind noch weitere Auf­ schlüsse über die Bauweise von Schloten zu entnehmen. Schon die erste Fassung von 1479 ordnet an, bei neuen Schmied- und Feueressen oder Backöfen, also bei besonders stark beanspruchten handwerklichen Feuerstätten im Erdgeschoß, einen steinernen Schlot durch das Haus hindurch bis zum Dach hinaus zu führen, nicht aber einen Abzug vorne an der Hauswand auf die Gasse zu machen 49). Diese Vorschrift wird wenig verändert in die „Verneute Reforma­ tion“ von 1564 übernommen50). Ebenfalls schon aus der frühesten Auflage

42) 43) 44) 45) 47) 48)

49) 50)

Gießen 1963. Danach bedeutet das Wort ein Loch oder eine Abzugseinrichtung jeder Art in einem Haus für den Herdrauch; es war eine primitive Einrichtung aus der Zeit, als der Rauch noch nicht unmittelbar von der Feuerstätte weg durch das Dach abgeleitet wurde. Ratsverlaß 13. Mai (vigilia pentecostes) 1486: Es wird unterschieden zwischen Häusern, die steinerne Schlote leiden, und solchen, die sie nicht ertragen. Ratsverlaß 25. August (feria quinta post Bartholomäi) 148 5. Ebd. und Ratsverlaß 7. Sept. (feria quinta vigiliae nativitatis Mariae virginis) 1486. Ratsbuch 8, Seite 225. Stadtarchiv, Fünfergericht Nr. 1, Seite 239. Hier ist vor allem an die seltener genannten, aber ebenso verpönten Kupferschlöte zu denken (z. B. Ratsverlaß 11. Juli 1605). Ein Mandat vom 2. August 1759 wendet sich außerdem gegen „die so gar gemein werdenden eisernen Schlote“. Reformation von 1479, 3 5. Titel, 13. Gesetz. Verneute Reformation von 1564, 26. Titel, 6. Gesetz.

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stammt eine Regelung des Schlotbaus bei verschieden hohen Häusern: Der Besitzer des niedrigeren Hauses muß, wenn es der Nachbar verlangt, seinen Schlot höher führen, darf ihn dazu aber an die Giebelwand des Nebenhauses binden und heften, damit er nicht einfällt51). Dieses Gesetz diente wohl dem Schutz vor Funkenflug, besonders bei Schlotbränden; es wird daher 1547 durch ein Ratsmandat52) konsequenterweise auf Fälle beschränkt, wo „nur ein geklaibte 53) oder in die Rygel54) und kayn gantz gemaurte oder staynene wandt oder gybel" vorhanden ist. Die Einzelheiten dazu erhalten ihre endgültige Form wieder in der Reformation von 1564: Steht der Schlot unmittelbar neben der weichen Trennwand, so muß er drei Schuh hoch über das Nachbarhaus aufge­ führt, darf aber daran angebunden werden; steht er weiter als drei Schuh von der Grenze entfernt, so braucht er nur das eigene Dach um drei Schuh zu über­ ragen55). Das oben erwähnte umfangreiche Mandat von 1547, das einen vor­ ausgegangenen Ratsverlaß erläutert, könnte man geradezu als Schlotgesetz bezeichnen; es bringt noch mehrere Neuerungen, die dann alle etwas verkürzt in die Reformation von 1564 eingehen. Am wichtigsten ist die Bestimmung, daß neue Schlote nicht auf Bretter oder anderes Holzwerk gelegt, sondern daß bis zum Dach zwischen Schlot und Holz überall wenigstens ein halber Schuh (=15 cm) Stein oder Gemäuer sein sollen, wobei alle Fugen mit Mörtel fleißig und gut zu verwerfen sind, damit das Feuer, wenn der Schlot brennend gewor­ den ist, nicht hindurchdringen und ihn zerreißen kann56). Eine andere Vorschrift des Schlotmandats, die unausgesprochen wohl schon länger bestand, hat auch das Äußere der Schlote stark beeinflußt: „Unnd sollen darzu ein solche weytte haben / das ein Manparer Schlotfeger allweg von unten an / biß oben auß / auff und nyder kummen / unnd dieselben wie sich gepürt / fegen könne / Wann aber der Schlot ubers Tach kumbt / mag man denn die uberig höhe wol dünner machen / und den Stain auffs höchst füren.“ Diese Bestimmung wird 1564 in der Reformation wiederholt57) und später noch mehrmals bekräftigt. Die gedruckte Bauordnung von 1797 nennt genaue Zahlen: „Ein ordentlicher Schloth soll wenigstens im Lichten 18 Zoll [= 45 cm] im Quadrat haben, in Küchen aber, wo öfter und größere Feuer sind, noch weiter gemacht werden" 58). Als Begründung für diese ungewöhnlichen Ausmaße wird immer wieder be­ tont, daß nur auf diese Weise ein fleißiges Säubern stattfinden könne, damit „so viel Schlotbrunsten, wie man bißher erfahren, sich nicht [mehr] ereignen mögen" 59). 51) 52) 53) 54) 55) r>0)

Reformation von 1479, 35. Titel, 12. Gesetz. Ratsmandat vom 8. August 1547. Gekleibte Wand: Fachwerkwand mit lehmverschmierter oder verputzter Rutenfüllung. In die Riegel (ergänze: gemauerte) Wand: Fachwerkwand mit ausgemauerten Gefachen. Verneute Reformation von 1564, 26. Titel, 5. Gesetz, 1. und 2. Absatz. Etwas verkürzt nach dem Mandat zitiert. Die entsprechende Stelle in der Verneuten Reformation von 1564 ist 26. Titel, 5. Gesetz, 3. Absatz. 57) Verneute Reformation von 1564, 26. Titel, 5. Gesetz, 4. Absatz (stilistisch leicht ver­ ändert, ohne die unklar bleibenden letzten sechs Wörter). r>8) Bau-Ordnung. Nürnberg 1797. Seite 13. 59) Zitat aus Ratsverlaß 8. Febr. 1681; vor allem jedoch Ratsverlaß 27. Febr. 1634 u. v. a.

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Damit ist eine Erscheinung angesprochen, die früher eine ungeheure Rolle spielte und sich wie ein feuerroter Faden durch die einschlägigen Bestimmungen der Reichsstadt zieht: Die Schlotbrände. Ihre Zahl muß riesig gewesen sein. Allein während einer „Frage", also der vierwöchigen Amtsperiode zweier Bür­ germeister, wurden im Jahr 1681 nicht weniger als acht Schlotbrunsten ver­ handelt oder abgestraft60). Für die Zeit ein Jahrhundert vorher soll hier eine ausführliche „Verrufung" aus einem Wandelbuch stehen: „Nachdem auch ain Zeithero alhie inn den Heusern diser Stat die Schlot sonderlich bey nacht prinnend worden, welchs sonders Zweifels aus dem kommen, das die Hausleut inn iren Heusern mit fegnus und raumung irer Schlot etwas hinlessig und seumig gewest . . . ; wo dem nit zeitlich [= rechtzeitig] begegnet werden sollt, mercklicher schad und nachteil erwachsen möcht. Dem aber zufur[zu]kommen, Gepieten Unsere Herren vom Rathe hiemit ernstlich und wollen, Das nun fürohin ain yeder ains Erbem Raths burger und Innwhoner alhie inn seiner Behau­ sung seine Schlot fegen, auch umb die Öfen und Hert dermaßen] Seubern lassen, dardurch man sich dergleichen antzündens und prinnens nit mehr be­ sorgen dörffe" 61). Es handelte sich also bei diesen Feuern offensichtlich um das Abbrennen von Glanzruß und Pech, die sich an den Innenwänden der Schlote wegen des dauernden Holzschürens festgesetzt hatten. Unmittelbare Gefahr für das Haus bestand dabei, soweit der Schlot aus Stein war, noch nicht, doch konnten die oben herausschlagenden Flammen, der Funkenflug und schließlich das Zerreißen der Schlotwände durch die Hitze leicht zur Quelle von Kata­ strophen werden. Der Rat nahm daher diese Ereignisse sehr ernst, wie einen richtigen Brand61a), und ließ jeden Fall untersuchen. Viele Bürger schienen weniger beeindruckt zu sein; z. B. brannten die Bäcker, wie man es auch heute noch tun würde, ihre Schlote regelmäßig selbst aus und konnten durch strenge Vorschriften kaum daran gehindert werden 62). Die obrigkeitliche Vorsicht, die wegen des feuergefährlichen Zustandes der ganzen Stadt durchaus berechtigt war, wertete schließlich jedes Schlotfeuer als Beweis für ungenügende Reinigung und kassierte dafür seit dem 16. Jahrhundert unnachsichtlich Strafen; sie waren merkwürdigerweise nach der Tageszeit gestaffelt und betrugen am Ende fünf Gulden für einen Brand untertags und doppelt soviel für eine nächtliche Brunst63). Wegen ihrer Gefährlichkeit wurden die Schlote allmählich immer fester in das Netz des reichsstädtischen Feuerschutz- und -schausystems eingegliedert. Schon 1486 gab es zwei Ratsherrn „ob den slötten" 64) sowie Schlotbesichtigun60) Ratsverlässe 20. Januar bis 17. Februar 16S1. 61) Stadtarchiv, Fünfergericht Nr. 1, Seite 240. 61a) Ratsverlaß 31. Dezember 1547 gibt Hinweise für die Brandbekämpfung: Das häufig geübte Zustopfen ist verboten, der Schlot muß durch Hineinschütten von Wasser gelöscht werden. 62) Ratsverlässe 19. Januar 1627, 13. Februar 1630 (Ausbrennen verboten, 14-tägiges Fegen vorgeschrieben), dagegen 4. März 1672 (Die Becken sollen ihren Schlot nicht bei der Nacht, sondern bei Tag ausbrennen und behutsam dabei Vorgehen). 63) Ratsmandate ab 26. November 1742 bis 13. Juni 1798. — Ratsverlaß 22. Juni 1538 und Wandelbuch: 2 Pfund novi bei Tag, 4 Pfund novi nachts. — Dagegen Ratsverlaß 4. September 1630: 10 Gulden für jeden Schlotbrand. M) Ratsverlaß sabbato ante Elisabeth 1486.

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gen65). Seit Mitte des 16. Jahrhunderts ging diese Aufgabe an die „verordneten Feuerschauer“ 66) über, vier Handwerker67), die nach einer Eidesformel von 1567 gelobten, alle Vierteljahre 68) wenigstens acht Tage in der Stadt umher­ zugehen, wo es am notwendigsten war, um Giebelwände, Bäder, Schlote, Essen und Feuerwände mit Fleiß zu besichtigen 69). Daneben hielten sie in größeren Abständen eine „Hauptschau“ 70), die durch sämtliche Häuser führte, und wur­ den außerdem jederzeit in akuten Fällen, etwa nach Schlotbränden, als Gut­ achter verwendet. Der Sachverstand dieser erfahrenen Handwerker bildete bald die Grundlage des baulichen Feuerschutzes in Nürnberg. Nachdem sie seit etwa 1620 ihre Weisungen nicht mehr vom Baumeister71), sondern von den Feuer­ herrn, einer Ratsdeputation 72), empfingen, verstärkte sich dieser Schwerpunkt 65) Ratsverlaß 13. Mai (vigilia pentecostes) und 7. September (feria quinta vigiliae nativitatis Mariae virginis) I486. Nach dem erstgenannten Verlaß wurden die Besichtigungen viel­ leicht von den Werkleuten des Bauamts durchgeführt. 88) In den Ämterbüchlein (BStAN) erstmals 1557 genannt. Sie scheinen aus den schon früher tätigen Bad- und Giebelschauern (vgl. StAN, Rst. Bauamt, Amtsbücher Nr. 28) hervor­ gegangen oder aus ihnen und den bisherigen Schlotbesichtigern (vgl. z. B. Ratsverlässe vom 4. Juli 1538, 27. Juni, 8. und 10. August 1547) verschmolzen zu sein. 67) Meist vier Steinmetzen oder Zimmerleute sowie zwei beigegebene Stadtknechte. Seit einer Reform (Ratsverlaß 14. und 29. August 1634) sollten dafür zwei Schlotfeger, ein Stein­ metz und ein Zimmermann genommen und ihnen bei Bedarf der Bauschreiber (und ein Stadtknecht?) zugeteilt werden. Je zwei Feuerschauer waren für eine Stadthälfte zuständig; sie machten die Rundgänge miteinander. Ihre Bestallung erfolgte manchmal durch den Baumeister (Ratsverlässe 9. Juli 1622, 2. März 1627, 14. April 162'7', 26. Januar 1591), zuweilen auch durch die Feuerherm (Ratsverlaß 4. November 1643). In allen Fällen handelt es sich um bewährte Handwerker, die oft auch als geschworene Werkleute oder im 18. Jahrhundert sogar als Werkmeister auf der Peunt in städtischem Dienst standen. Ihr Posten war begehrt, schon wegen der jährlichen Entschädigung von 6—12 Gulden, der Beteiligung an Strafgeldern und der (verbotenen) Möglichkeit, für Besichtigungen von der Bevölkerung Gebühren zu erheben. Siehe dazu z. B. die Ratsverlässe 4. September 1630, 14. und 29. August 1634, 20. Dezember 1636, 17. Januar 1637, 22. September 163 8, 16. Dezember 1643 und 9. März 1647. 88) Seit 1643 halbjähriger Turnus: Ratsverlässe 14. und 29. August. 89) BStAN, Rep. 52'b, Nr. lOl, Seite 53. Die Überschrift lautet noch: Bad und Gibelmaur besichtiger Ayd. Vgl. Anm. 66! 70) Name nach Ratsverlaß 27. Juni 1660. Sie wurden vom Rat oft lange hinausgeschoben (vgl. Ratsverlaß 23. Mai 1672: „Die nun eine geraume Zeit unterbliebene algemeine Schau der Schlött, Eßen, Feuer- und Herdstetten . . . “), weil sie höhe zusätzliche Kosten verursachten (nach Ratsverlaß 27. Juni 1660: 88 Gulden). Die Feuerschauer wurden also für diese Sonderleistung eigens bezahlt. 71) Die Ratsverlässe über Feuerschauer, Schlotbrunsten und Schlotfeger werden bis 1610 in der Regel an den Baumeister, seit 1620 stets an die Feuerherrn oder an beide Stellen gerichtet. Trotzdem sind diese Verlässe auch weiterhin in den Abschriften der das Bauamt betreffenden Ratsverlässe (StAN, Rst. Bauamt, Amtsbücher 54—68) enthalten; die enge Zusammenarbeit der beiden Behörden blieb also gewahrt. 1658 beschwert sich der Bau­ meister allerdings, daß er, entgegen altem Herkommen, keine Nachricht mehr darüber erhalte, was wegen des Feuers und strittiger Essen vorgehe, und deshalb im Bauamt auch nichts einschreiben lassen könne. Der Rat beschloß, die Feuerherrn und den Bau­ meister zu ersuchen, „zusammen zu treten und sich miteinander zu vergleichen, waß für anstalt zu machen sein möge, damit alles, waß vorgehet, der Peundt unverzüglich wißlich gemacht werden möge“ (Ratsverlaß 16. Januar 1658). 72) Es muß damit die sehr starke, bis zu 14 Ratsherrn umfassende Deputation zum Feuer gemeint sein, die letzlich aus den „Hauptleuten über das Feuer“ des Feuerpüchels von 1449 hervorgegangen ist, 1510 als „Feuermeister“ bezeichnet wird, um 1630 aus dem

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bis zur Bildung eines Feueramtes 73), wo zeitweise ein Feuerschreiber74) im Auftrag der Feuerherm die laufenden Geschäfte erledigte, die Meldungen der Feuersdiauer entgegennahm und die Feuerstrafen kassierte. Außerdem wurden dprt die Feuerbücher oder Feuerregister geführt, die sämtliche Feuerrechte in der Stadt enthielten; die Kontrolle darüber, daß sie sich nicht vermehrten und daß keine neuen Herde, Öfen oder Schlote entstanden, war ebenfalls eine wichtige Aufgabe der Feuerschauer 75). Als bezeichnendes Beispiel einer „großen Feuerschau" sind aus dem Jahr 1561 zwei starke Quartbände erhalten, die insgesamt 2453 Beanstandungen

aufzählen 76). Meist handelt es sich um hölzerne Bauteile in der Nähe von Öfen oder Herden, besonders am Höllenhals77). Soweit Schlote Anstoß erregen, wird in fast allen Fällen ihre Erweiterung gefordert, etwa nach dem Muster: „Den Schlot . . . gar abthun und Ine bawen, das man In Steigen und fegen khan bey straf 2 fl." 78). Zuweilen muß die Reformation in Erinnerung gebracht werden: „Den Schlot drey Werkschu hoch gemeß der Ordnung über des . . . [Nachbarn] Haus fhüren“ 79). Das untere Ende des Schlots, der über dem Herd ausschwingende Mantel, ist häufig nicht massiv gebaut: „Den Schlotthutt, so nur glaibt und holtz darunder ist, Stainen machen und Mauren lassen bey straf

73)

74)

75)

76) 77) 78) 79)

Ämterbüchlein verschwindet, aber nach Ausweis der Feuerordnungen weiterbestanden hat. Sinnvoller wäre es freilich, die weniger bedeutende, aber mit ihren zwei Mitgliedern handlungsfähigere Deputation zu den Schloten und Feuerstätten dahinter zu vermuten, um so mehr, als der Ratsverlaß vom 22. Juli 1692 von den Deputierten zu den Feuerstätten spricht. Der ganze übrige Sprachgebrauch und die ausschließliche Benützung des Wortes „Feuerherrn“ (statt „Schlotherm“) läßt jedoch eine solche Deutung nicht zu. Unklar bleibt allerdings, was die drei Jahrhunderte lang nachweisbaren Schlotherm dann über­ haupt für eine Aufgabe hatten. Das Amt ist in keinem Ämterverzeichnis und in keiner Beschreibung der Nürnberger Verwaltung auf geführt, aber archivalisch einwandfrei nachzuweisen; vgl. die Ratsverlässe 9. Januar 1645, 21. November 1647, 21. April 1701, 1. November 1736. In den „Nümbergischen wöchentlichen Frag und Anzeige Nachrichten“ vom 26. Juli 1793 ist sogar eine Bekanntmachung an die Bevölkerung mit „Feueramt“ unterzeichnet (StAN, Mandate). Nach Ratsverlaß 24. November 1647 beschwerten sich die Feuerherrn über „Johann Jacob Cleußeln, Feuerschreibem, . . . daß er alle Augenschein ohne ihr Vorbewußt einnehme, alßo daß sie faßt nit wießen, was im Ambt vorgehe und zu verrichten seye“. Der Rat untersagte darauf Cleußel, irgend etwas aus eigenem Willen, ohne Geheiß der Herren Deputierten, zu unternehmen, und beschloß, „dabey auch ein Verzeichnuft von Ime abzu­ fordern, was für Feuerstraffen eine Zeithero einkommen, und wo sie hin gewendet worden seyen“. In den Ämterbüchlein wird Cleußel bis zu seinem Tod 1650 als Substitut in der Kanzlei geführt. Siehe etwa die Ratsverlässe vom 8. Oktober 1640, 31. August 1644, 26. November 1742. Am 2. September 1682 sollen z. B. die geschworenen Feuerschauer im Feuerbuch nachschlagen, „ob diese öß für berechtigt eingeschrieben seye“. — Die Abschrift eines Eintrags aus den (sonst verlorenen) Feuerbüchern: BStAN, Rep. D 2, Nr. 11, Prod. 19. StAN, Rst. Bauamt, Amtsbücher Nr. 29 (= Lorenzer Stadtseite) und 30 ( = Sebalder Stadtseite). Die Rundgänge nahmen jeweils etwa sechs Wochen in Anspruch. Es kam dabei zu schweren Streitigkeiten mit den Bewohnern; vgl. Buch 30, fol. 21‘ und 31*. Der Ausdruck ist nicht zu klären. „Hölle“ ist der enge Raum hinter dem\ Ofen zwischen diesem und der Wand (Grimm, Schneller; auch Tücher erwähnt im Baumeisterbuch den „hellhaffen“, einen Wasserbehälter in der Hölle). „Hals“ deutet auf eine Verengung hin. StAN, Rst. Bauamt, Amtsbücher Nr. 30, Eintrag 34. Ebd. Eintrag 179.

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3 fl.“80). Viele andere Anzeigen der Feuerschauer, besonders nach Schadens­ fällen, behandelte der Rat selbst. Neben den üblichen Verbesserungen wird dabei öfters verlangt, einen Schlot „ohne einige Krümme geradt aufzubauen“81); einer davon war so schräg und eng, daß er nur mit Seilen und Wedeln gereinigt werden konnte 82). Um die Schlote standfest zu machen, durften die Backsteine nicht hochkant, sondern nur der Breite nach vermauert werden. Die Schlotwand sollte stets einen halben Schuh (= 15 cm) dick bleiben. Für allzu hohe Schlote kam eine Einfassung mit eisernen Stangen hinzu 84). Im übrigen betraf ein wesentlicher Teil der Anzeigen die Schlote, Essen und Brennöfen der Handwerker, wobei der Rat oft rigoros vorging und z. B. einem Hafner neben einer Strafe von 100 Gulden ankündigte, notfalls „Ihme den offen gar über einen hauffen schlagen [zu] laßen“ 85). Neben diesen baulichen Überwachungen und Verbesserungen zählten zum passiven Feuerschutz auch die Verhaltens Vorschriften, die der Rat unverdrossen immer wieder von neuem herausgab. Jahrhundertelang regnete es Anweisungen und Mandate auf die Bevölkerung herab, in denen neben wichtigen Dingen auch kleine und kleinste Einzelheiten, wie z. B. die Holzmenge, die auf ein­ mal ins Ofenloch geschoben werden durfte, festgesetzt wurden88). In diesem wortreichen Wust findet sich stets auch ein Abschnitt, der die Schlote betrifft: Die eindringliche Mahnung zu ihrer rechtzeitigen und gründlichen Reinigung. Das Mandat vom 26. November 1742 setzt dafür erstmals klare Fristen: Drei Monate bei täglich benutzten Hausschlöten, vier bis sechs Wochen bei Gewer­ ben mit großen und starken Feuern. In dieser Form wurde die oft wiederholte Bestimmung zu einem Eckstein der Nürnberger Feuerprophylaxe, die sogar die Reichsstadt überlebte und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein gültig blieb. Es fällt auf, daß bei allen diesen Schutzvorkehrungen die berufensten Fachleute, nämlich die Schlotfeger, lange Zeit kaum in Erscheinung treten. Und je tiefer man sich in die Akten einliest, desto mehr staunt man über den miserablen Ruf, der diesem Berufsstand jahrhundertelang anhaftete. Endres Tücher ist beinahe der letzte, der noch ein gutes Wort für einen Schlotfeger findet39); aber dann entfährt dem Rat ein gotischer oder barocker Seufzer nach dem andern über den Unfleiß und die Nachlässigkeit dieser Leute. Zeit­ weise ist die Erwähnung von Schlotfegern ohne den Nachsatz, daß man mit ihrer Arbeit bisher sehr wenig zufrieden war, kaum denkbar, und oft genug droht der Rat, ihnen ihren „Unvleiß unterzustoßen" und „mit gehörig straff wider sie ohnfehlbarlich [zu] verfahren“ 87). Wie ist diese allgemeine Miß­ achtung zu erklären? 80) 81) 82) 83) 84) 85) 88)

Ebd. Eintrag 64. Ratsverlaß 28. Januar 1631. Ratsverlaß 14. Mcärz 1696. Ratsverlaß 9. Juli 1606. Ratsverlaß 13. Februar 1630. Ratsverlaß 24. Oktober 1638. Vgl. dazu das zusammenfassende Mandat vom 2. August 1759. Ähnliche Mandate er­ gingen vorher u. a. 1729, 1736, 1742, 1745; später u. a. 1777 und 1798. 87) Zitiert nach Ratsverlaß 21. Januar 1634.

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Zu einem Teil liegt sie wahrscheinlich in der äußerst schweren und müh­ samen Tätigkeit begründet. Der Schlotfeger hatte, nur mit Knie, Rücken und beiden Ellbogen eingestemmt, sich bis zu 15 Meter durch die finstere Röhre nach oben zu arbeiten 88). Beim langsamen Aufsteigen mußte er über sich mit dem Schultereisen, so gut es in der Enge ging, Pech und Glanzruß von den Wänden kratzen. Welche Dreckmengen dabei über den eingeklemmten Mann rieselten, umreißt eine Nachricht, wonach aus einem Schlot „ein gantz karn voll bech und rues herabgefallen sei“ 8ö). Selbst im nicht verwöhnten Mittelalter war das eine Tätigkeit für Gastarbeiter, und tatsächlich scheinen im 15. und 16. Jahrhundert in Süddeutschland vorwiegend Italiener, die sich auch wegen ihrer Kleinheit dazu eigneten, dieses Geschäft besorgt zu haben 90). Noch 1719 gibt Filzhofer in seiner Darstellung der Nürnberger Handwerke ein sehr anschauliches Bild davon: „Die Schlotfeger Arbeit ist mehrertheil aus Graubinden . . . körnen, doch alle italienischer Sprach, haben sich hin und wider in Teutschland niedergethan, . . . haben ihre Weiber in Italia, reißen gemeiniglich alle Jahr nach Hauß zu denen selben, haben sie Söhne, bringen sie solche zeitlich [= zeitig] heraus, die Mägdlein laßen sie bey der Mutter, was sie in Teutschland verdienen, führen sie nach Hauß“ 91). Es scheint sich teilweise um freie Wanderarbeiter gehandelt zu haben, wie eine Beschwerde der eingesessenen Nürnberger Schlotfeger von 1660 andeutet: Danach würden „frembde Schlotfeger, als [= wie] Italiener und Saphoier, in allen hiesigen StattEmbtem [= Pflegeämtem] sich befinden und Ihnen an ihrer Nahrung eintrag thun, gefehrliche Waffen bey sich tragen und sie sehr betrohen, auch bereits an ihr einen Handt gelegt . . .“ 92). Andererseits stehen sie aber auch in großer Zahl im Dienst der einheimischen Schlotfeger, die der Rat wiederholt ermahnen muß, auch „hießiger armer Burgers kind an[zu]nehmen undt zum Schlotfegen ab [zu] richten“, „da die frembden Knecht sich der gebühr nach nicht erweißen“ 93). Der Rat will nur dann noch erlauben, „Ita­ liener oder andere zu gebrauchen“, wenn Mangel an Landeskindern herrsche; „zu dem ende soll man auch in die Embter schreiben, das die Jenigen, [die] daß Schlotfegen lernen lußt haben, sich allhier angeben sollen“ 94). Ob diese moderne Arbeitsmarktlenkung Erfolg brachte, darf man nach den späteren Worten Filzhofers bezweifeln. Das unruhige und fluktuierende Element der Ausländer war es aber nicht allein, was dem Rat Sorgen machte: Auch die einheimischen Schlotfeger scheinen rauhe Burschen gewesen zu sein. Es wimmelt von Strafbefehlen durch 88) Auch heute noch müssen die Nürnberger Schlotfegerlehrlinge dieses Aufsteigen in alten Kaminen üben, obwohl diese inzwischen alle eine Tür zur Reinigung von oben her be­ sitzen. In Bauernhäusern ist der alte Arbeitsgang nach wie vor üblich. 89) Rats verlaß 18. Mai 1630. °°) Alois Mitterwieser, Das rußige Gewerbe in Südbayern. In: Der Kaminkehrer, 26 (1930), Seite 145 f. — Ders., Welsche Kaminkehrer in Bayern. In: Gelbe Hefte, 16 (1940), Seite 182—190. — Karl Puchner, Süddeutsche Kaminkehrerfamilien italienischer Herkunft. In: Archiv für Sippenforschung, Jg. 13 (1936), Heft 5, Seite 145—147. 91) StAN, Rugsamt Nr. 236. 92) Ratsverlaß 26. Juni 1660. M) Ratsverlaß 21. Januar 1634. ®4) Ratsverlaß 22. September 163 8.

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Die Formenwelt der Nürnberger Dächer Das wogende Auf und Ab der Erker, überhöht durch die Knäufe und eine prächtige Schlot­ haube und verbreitert durch die an der Basis vorschießenden Wasserspeier, schafft ein Formen­ gebirge von hoher künstlerischer Ausdruckskraft. Es kontrastiert bewußt mit den flächigen Fassaden und beweist, wie sehr das Dach in Nürnberg ein Schwerpunkt der dekorativen Aus­ gestaltung des Hauses gewesen ist. Graff/Kraus, Neuer Bau, 1693 (Ausschnitt). Foto: Stadtbibliothek

Dacharchitektur in drei Jahrhunderten Bild 2: Wolgemut, Straubinger Altar (I486) Foto: Germanisches Natio­ nalmuseum Bild 3: Stromersches Bau­ meisterbuch (nach 1590) Foto: Hochbauamt, Bild­ stelle Bild 4: Delsenbach, Wink­ lerstraße (1716) Foto: Stadtbibliothek 2

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5 Bild 5: Abriß eines neuerbauten Hauses von 1607 mit Giebelmännlein, Rundhaube und kleinem Firsterker (im Akt als „Hahnenkamm“ bezeichnet). Foto: Stadtarchiv (Bauamt VII a 116). Bild 6—8: Giebelmännlein Adlerstraße 16 Rückseite, Albrecht-Dürer-Straße 24 und Kaiserburg (restauriert). Fotos: Sammlung Mulzer

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Giebelmännlein Bild 9: Das Haus Burgstraße 20 mit zwei Giebelmännlein (das linke durch einen da­ hinterstehenden Schlot etwas verunklärt). Die trennende, das Einzelhaus betonende Wirkung dieser Aufsätze kommt sehr deutlich zum Ausdruck. Bild 10: Nahansicht des nördlichen (linken) die­ ser Giebelmännlein mit seinem charak­ teristischen oberen Abschluß. Das drei­ eckige Loch wurde stets offengehalten: es geht bis zur anderen Seite durch. Fotos: Sammlung Mulzer

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Grenzfälle Bild 11: Links ein ehemaliger Schlot mit ädikula-artigem Aufsatz (Rathausgasse). Rechts die ausnahmsweise betonte und verdickte Spitze eines Ziergiebels (Altes Rathaus). Dazwischen ein Pinienzapfen vom Rathausneubau Theresienstraße. Bild 12: Die Giebelspitze des Alten Rathauses mit der Ratsglocke (1620): Kein allseitig offenes Glokkentürmchen, sondern eher eine verstärkte Lisene mit häuschenartigem Abschluß. Fotos: Sammlung Mulzer

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Schlothauben Bild 13: Rundhaube (Dürerhaus). — Bild 14: Fränkische Haube (Untere Krämersgasse 18). — Bild 15: Bischofshaube (Burgamtmannswohnung). — Bild 16: Barocke Zierhaube (Gymnasium Egidienberg). Fotos: Sammlung Mulzer

Dekorativ gestalteter Schlotkörper Die Schlotwände sind durch eingetiefte Nischen belebt: Eine schmuckhafte Backsteinarchitektur wie an gotischen Ziergiebeln. Im Hof Albrecht-Dürer-Platz 1, Nordwestecke. Foto: Sammlung Mulzer

Hahnenkämme Bild 18: Ein 1607 als „Hahnenkamm“ bezeichnetes Dachhäuslein (Stadtarchiv, Rst. Bauamt VII a 116). — Bilder 19 und 20: Benützung von Hahnenkämmen um 1715 (Delsenbach, Tier­ gärtnertor bzw. Insel Schütt). — Bilder 21 und 22: Der letzte heute noch erhaltene Hahnen­ kamm Schlotfegergasse 34 von Süden bzw. Norden. Fotos: Stadtarchiv, Stadtbibliothek (2), Sammlung Mulzer (2)

Die älteste „Sternwarte“ Nürnbergs Bild 23: Der Südgiebel des Dürerhauses mit den beiden großen, im Vertrag von 1502 zuge­ standenen Fenstern. Bild 24: Das linke Fenster mit dem besonders erwähnten Kragstein zur Aufstellung des Instruments. Da er tiefer als die Fensterbrüstung liegt, könnte er ein Brett o. ä. getragen haben. Fotos: Sammlung Mulzer

Wasserspeier

Bild 25: Nördlicher Wasserspeier an der Sude des Heilig-Geist-Spitals; um 1955.

Bild 26: Nordwestlicher Wasserspeier am Linkschen Schloß in Mögeldorf. Ziegenstraße 5; 18 80.

Fotos: Sammlung Mulze-

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Spitzen und Knäufe Bild 27: Giebelspitze vom Haus Karlstraße 13. Aufgenommen Oktober 1968 während der Überholung bei der Flaschnerei Ehrbar, Albrecht-Dürer-Platz 11. Gesamthöhe 180 cm. Bild 28: Nördliche Giebelspitze vom Haus Riesenschritt 2. Bild 29: Giebelvase Ziegenstraße 5. Aufgenommen November 1968 nach dem Absturz im Garten. Der oben herauslodernde Flammenkranz fehlt bereits seit längerem. Fotos: Sammlung Mulzer

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Spitze mit zwei Knäufen auf einem Dachladen des Fembohauses Der Blick geht über ruhige, ungestörte Dachflächen, wie sie heute gefordert werden. Die Kupferspitze und die Türme von St. Egidien sind einsame Vertikalen in einer verödeten Dach­ landschaft. Der Abstand zu Bild 1 beträgt zeitlich nur 275 Jahre; formal dagegen ist er unendlich groß. Foto: Sammlung Mulzer

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die Obrigkeit: Wegen „mehrmals auf Zureden gegebene Aufschnüpffische antworth" °5), wegen „übel Verhaltens" 96) oder „getriebenen Unfug und liederlichs leben" 97). Wer dem Hausbesitzer ein „unnütz worth" gibt, wandert ins Loch98); wer sich dem Meister widersetzt, hat noch strengeres Recht zu erwarten "), und wer keine Ruhe gibt, soll ganz abgeschafft werden100). Auch die Meister bekommen ihr Teil ab: Sie sollen richtige Gesellen, keine unnützen kleinen Jungen beschäftigen101), auf ihr Gesinde besser achten 98) und nicht nur des Essens und Trinkens warten8Ö). Alle Schlotfeger zusammen aber wer­ den, selbst für nürnbergische Verhältnisse, außerordentlich kurz gehalten: Die Ausrichtung eines Kirchweihtanzes wird ihnen bei 10 Gulden Strafe mit dem Bemerken verboten, daß sie desto fleißiger fegen sollen *°2), und man bedient sich sogar eines Gesellen, um auszuspionieren, wie es bei den Meistern her­ gehe, ob sie auch selbst zur Arbeit kommen, was sie zu Haus für ein Leben führen, und welche bösen Reden die Schlotfeger gegen den Rat ausstoßen 89). Diese Überwachung war nicht unbegründet: 1672 kommt es zu einem Auf­ stand von Schlotfegergesellen gegen die Meister. Vielleicht handelt es sich dabei um einen der ersten Streiks in Nürnberg/ Der Rat machte kurzen Prozeß, und das Loch füllte sich mit aufsässigen Schlotfegern. Erst vier Tage später wurden sie nach einem umständlichen Verhör und nach ihrer Entschuldigung unter einer „sträflichen red und Warnung" wieder entlassen108). Das Hauptübel aber scheint zu sein, daß die Schlotfeger von Anfang an zwischen zwei Fronten standen und von beiden Seiten als Sündenböcke be­ nützt wurden. Der Rat verlangte stets, daß sie alle gefährlichen Zustände, die sie beim Durchsteigen der Schlote entdeckten, sofort den Feuerschauern mel­ deten 105). Unterlassene Anzeigen führten unnachsichtlich zur Bestrafung106). Auch unerlaubte Feuerrechte mußten sofort dem Rat hinterbracht werden 94). Ebenso machte er die Schlotfeger dafür verantwortlich, an die rechtzeitige Reinigung zu erinnern; schon 1643 führten sie deshalb ein Verzeichnis nach­ lässiger Hausbesitzer108), und nach einem Mandat des 18. Jahrhunderts sollten sie sogar die Säumigen stets ein- oder zweimal an die Einhaltung der Frist mahnen 109). Dem Ruf der Schlotfeger bei der Bevölkerung war dies nicht för­ derlich; der Rat mußte sogar anordnen, daß bei Weigerung und unziem­ lichen Reden dem Schlotfeger ein Knecht in der Färb, also ein Polizist, mit95) Ratsverlaß 10. April 1672. 96) Ratsverlaß 25. Januar 1641. 97) Ratsverlaß 14. März 1643. ft8) Rats verlaß 9. April 1646. ") Ratsverlaß 1. Dezember 1664. 10°) Ratsverlaß 12. März 1666. (Abgeschafft == weggeschafft, hinausgeschafft). 101) Ratsverlaß 4. September 1630. 102) Ratsverlaß 18. Juli 1668. 103) Ratsverlässe 11. und 13. April 1672. 105) So im Schlotfegereid von 1572 (BStAN, Rep. 52 b, Nr. 101, Seite 434). Aber schon nach dem Ratsverlaß vom 13. März (feria tertia post dominicam Oculi) 1482 zeigte der Schlotfeger gebrechliche Schlote an. 108) Ratsverlaß 28. März 1693. 108) Ratsverlaß 4. Juli 1643. 109) Mandat vom 2. August 1759. 26

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gegeben wurde, der bis zur fertigen Reinigung des Schlotes nicht weichen durfte 109). Von der Bevölkerung aus gesehen, war dagegen der Schlotfeger der eigentlich Verantwortliche für den Zustand des Schlotes und damit auch für eine Schlotbrunst. Wenn es ans Zahlen der Strafe ging, wurde fast immer ihm die Schuld für den Brand zugeschoben; die zahllosen Klagen über schlampiges und falsches Schlotreinigen haben letztlich hier ihren Ursprung. Lag tatsächlich die Säuberung nicht lange zurück, so ließ der Rat erbarmungslos den Gesellen einige Tage im Loch büßen 110) und dem Meister eine Geldstrafe auflegen; er hatte außerdem für alle entstandenen Schäden und Kosten zu haften m). War der Fall nicht so klar, so vermutete man wenigstens insgeheim die Schuld dennoch bei den Schlotfegern. Der Rat erklärte ohne Hemmungen, „daß sie bißhero im Fegen der Schlote so Unfleißig gewesen und dadurch vielmals feuers Brünsten verursacht“ 112), und 1672 ließ er nach einigen Schlotbränden „denen gesambten Schlotfegere-Maistem und Gesellen Vorhalten und vernehmen, wie sie ihren im Schlotfegen schon vielfältig geklagten und befundenen unfleiß und liederlichkeit . . . entschuldigen wollen“ 113). Es blieb allerdings bei Vor­ würfen, da niemand in einen Schlot hinaufkriechen und die schlechte Reini­ gung nachweisen konnte. Um wenigstens einen Anhaltspunkt in den dauern­ den Streitigkeiten zu geben, ließ der Rat im 18. Jahrhundert eine Säuberung nur dann anerkennen, wenn „der Gesell oder Jung oben zum Schlot herausruffe“ 114). Aber noch 1793 wird den Schlotfegern „das bisher immerhin nicht befolgte Ruffen oben im Schlot gemessenst eingeschärft“ und die Bevölkerung darauf hingewiesen, daß sie vor dieser Prozedur keinerlei Kehrlohn zu zahlen schuldig sei115). Trotz all dieser ungünstigen Voraussetzungen ist es aber den Schotfegern gelungen, ihre Stellung fortlaufend zu verbessern und am Ende auch in Nürn­ berg als geachtetes Handwerk dazustehen. Im 15. und 16. Jahrhundert hob sich nur der Stadt- oder HerrenhäuserSchlotfeger über die anderen heraus; er war vom Rat für die öffentlichen Gebäude bestellt, arbeitete daneben aber auch in Privathäusem 116). In einer Eidesformel von 1572 wird er „der Verordent zur fegung der Schlot und Camin“ genannt117). Wer nicht sein Gehilfe war, konnte „In der Statt umbschreien und Arbeit suchen“ 117a). Seit 1586 sind im Ämterbuch zwei Stadtschlotfeger, je einer für die beiden Pfarren, verzeich110) Ratsverlässe 10. Dezember 1623, 18. Mai 1630 (Reinigung vor acht Tagen), 1. Dezember 1664.

m) Ratsverlässe 3. März 1641 und 9‘. April 1646; vor allem Ratsmandat vom 13. Juni 1798, Punkt 4. 112) Ratsverlaß 4. September 1630. Ein ähnlicher Vorwurf z. B. am 21. Januar 1634. 113) Ratsverlaß 10. April 1672. Weitere Klagen über den Unfleiß von Schlotfegern: Ratsver­ lässe 30. Januar und 28. April 1637, 24. Januar 1668, 1'7. Januar 1693 u. v. a. 114) Ratsmandat 13. Juni 1798; nach der folgenden Quelle muß die Vorschrift aber schon länger bestanden haben. 115) Bekanntmachung des Feueramts vom 10. Juli 1793 (siehe Anm. 73). 116) Schlotfegers Aid und Pflicht. BStAN, Rep. 52 b, Nr. 101, Seite 434. Audi die Angaben bei Steinlinger a. a. O. und Tücher a. a. O. sprechen nicht dagegen; auf jeden Fall konnte der Schlotfeger von der geringen Zahl von Stadtschlöten nicht leben. m) BStAN, Rep. 52 b, Nr. lOl, Seite 434. 117*) StAN, Rst. Bauamt XXXI 39, Prod. 1 (1591).

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net. 1629 wächst ihre Zahl auf drei, bald danach auf vier (von denen nun wieder einer als „Schlotfeger uff der Gemein" in ein engeres Verhältnis zur Stadt tritt). Diese Titel scheinen allmählich mit dem Meisterrecht zusammenzufließen118), das der Rat inzwischen ebenfalls erteilt119). 1664 werden vier „geschworene Schlotfeger" erwähnt 120), 1638 wird bestimmt, die Lehrjungen wie bei anderen Handwerken im Rugsamt einzuschreiben121), vor 1672 muß bereits eine erste Schlotfegerordnung erlassen worden sein 122). Damit waren alle entscheidenden Schritte von der freien Kunst zum anerkannten Handwerk zurückgelegt. 1706 bestätigt der Rat auf eine Anfrage, daß die Schlotfeger in Nürnberg für ehrlich gelten, und stellt sie einem „geschenkten Handwerk" gleich 1223). Eine wichtige Neuerung erfolgte dann erst wieder 1798, als die bisherige Gemeinsamkeit des Schlotfegens in der Stadt aufgehoben und jedem der vier Meister ein eigener Bezirk zugewiesen wurde 123). Die freie Wahl des Schlotfegers und damit die letzte Erinnerung an die früheren Ge­ legenheitsarbeiter verschwand. Aus demselben Jahr liegt auch eine „ Vemeuerte Ordnung der Schlotfeger in der Kayßerl. freyen Reichs-Stadt Nürnberg" vor, die ganz dem Bild eines ehrsamen Handwerks mit unbescholtener Herkunft und geregelter Wanderzeit, mit Lade und Altmeister entspricht124). Ähnlich aufsteigend entwickelte sich die Stellung der Schlotfeger im Feuer­ schutz. Lange Zeit waren sie in den Feuerordnungen überhaupt nicht erwähnt — in krassem Gegensatz zu allen anderen Berufen, die auch nur entfernt mit Feuer zu tun hatten l Lediglich ihre Pflicht zur Anzeige von Mißständen, also eine gewisse Mitwirkung am passiven Feuerschutz, bestand schon länger105). Im frühen 17. Jahrhundert taucht zum ersten Mal ein Stadtschlotfeger unter 118) Daß die vier „gemeiner Stadt Schlotfeger" und die bald ebenfalls vier Schlotfegermeister in der Stadt identisch sind, ist wider Erwarten nicht zu beweisen. Ein Vergleich der Meisternamen im Ratsverlaß vom 3. Dezember 1638 oder im Mandat vom 13. Juni 1798 mit dem Ämterbüchlein ergibt keine Übereinstimmung. Bei anderen Quellen ist sie jedoch vorhanden (Ratsverlaß 4. Januar 1645). 119) Z. B. Ratsverlässe 4. Januar 1645 und 15. Januar 1664; vgl. dazu auch 3. Dezember 1638. Um die Stelle als „Gemeiner Stadt Schlotfeger“ geht es am 22'. und 26. Juni 1629, um den „Schlotfeger auf der Gemein“ (bzw. hier „Stadt- und Almosmeister“) am 4. Mai 1683.

Ratsverlaß 12. März 1666. Die Zahl der geschworenen Meister wäre damit, im Gegen­ satz zu anderen Handwerken, gleich der Gesamtzahl der Meister. 122) Sie wird auf mehrmaliges inständiges Bitten dem Hamburger Schlotfeger-Handwerk über­ sandt (Ratsverlaß 1. April 1672). Ihr Text ist nicht erhalten; auch im Briefbuch des Rats findet sich kein Hinweis. Andererseits ist in der Kodifikation der gültigen Handwerker­ ordnungen von 1629 (BStAN, Rep. 52b, Nr. 261) noch keine Schlotfegerordnung auf geführt. — Ein undatierter Entwurf der „Innungs Articul des Löbl. Handwercks derer Schlotfeger der kays. freyen Reichs Statt Nürnberg“ mit zahlreichen Korrekturen und einem umfangreichen Verbesserungsvorschlag (StAN, Rst. Bauamt XXXI 39, Prod. 4) ähnelt stark einer beiliegenden Leipziger Ordnung von 1709 (ebd. Prod. 8). Der Inhalt stellt ein voll entwickeltes Handwerksrecht dar. — Dagegen enthält eine 1591 erlassene und 1614 erneuerte „Ordnung welchermassen sich die frembden Schlotfeger Gesellen und Buben . . . halten sollen“ (ebd. Prod. l) nur genaue Vorschriften über die Pflichten zuziehender Gesellen. 122a) BStAN, Nürnberger Briefbücher Nr. 3 34, 30. Juni 1706. 123) Ratsmandat 13. Juni 1798. — Noch 1784 und 1793 wurden ähnliche Vorschläge von den Schlotfegern heftig abgelehnt (StAN, Rst. Bauamt XXXI 39, Prod. 15—17). 124) StAN, Rugsamt Nr. 180. 120)

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den Feuerschauem auf, und schon 1634 beschließt der Rat, daß künftig von den vier Feuerschauem zwei Schlotfeger sein sollen125). Seit 1696 muß jede Nacht ein Geselle in der gewöhnlichen Rußmontur auf der Hauptwache im Fünferhaus bleiben, um im Notfall sogleich bei der Hand zu sein126); später wird auch an Sonn- und Feiertagen in der Schlotfegergasse ein Bereitschafts­ dienst eingerichtet127). Der Rat bemüht sidi, einen oder zwei Schlotfeger von dort für dauernd in die Sebalder Pfarre umzusiedeln, damit man „bei ereigneter Gefahr ihrer desto geschwinder habhafft werden könne“ 128); 1696 soll der Zinsmeister dafür eine Behausung im Tannengärtlein zur Verfügung stellen129). Inzwischen war in die Feuerordnungen der Satz eingefügt worden, daß sich auch die Schlotfegermeister mit ihren sämtlichen Gesellen und Jungen an den Brandstellen einzufinden haben 13°). Neue Aufgaben erwuchsen mit der Fest­ legung der Kehrfristen und mit der Bezirkseinteilung; am Ende mußte der Schlotfegermeister Buch über jedes Haus, die Anzahl der Schlote und den Tag ihrer letzten Reinigung führen 131). Alle diese Maßnahmen, die übrigens nicht vom Rugsamt, sondern von den Feuerherrn geleitet wurden, zeigen, daß man auf die fachmännische Mitarbeit der Schlotfeger mindestens seit dem 18. Jahr­ hundert nicht mehr verzichten wollte und ihnen im Feuerschutz allmählich eine immer wichtigere Rolle zugestand 132). Aber auch die soziale Stellung war mit der von früher nicht mehr zu ver­ gleichen. Zumindest die Meister lebten in auskömmlichen Verhältnissen und besaßen ansehnliche Häuser an der Schlotfegergasse. (Dort erinnern an der Wand des Beheimstadels auch zahlreiche noch nie gewürdigte Initialen mit Schultereisen und Leitern an die wandernden Gesellen des 17.—19. Jahr­ hunderts.) Daß mehrere Familien jahrhundertelang in diesem Handwerk füh­ rend und vom Rat bevorzugt blieben, spricht ebenfalls für eine allmählich erworbene Autorität. Hier sind vor allem die 400 Jahre lang nachweisbaren Löfflers zu nennen, von denen eine schöne Grabplatte am Rochusfriedhof erhalten ist133). Und wenn schließlich der Rat später die Meister so oft auf­ forderte, bei der Arbeit mit Hand anzulegen oder wenigstens dabeizusein und die Reinigung zu überprüfen, so kann man daraus auch auf ein etwas ruhiger und bequemer gewordenes Leben dieser bestallten Schlotfeger schließen. Ob 125) Ratsverlässe 14. und 29. August 1634. 126) Ratsverläse 14. März und 4. April 1696; die Einzelheiten nach der vemeuerten Schlot­ fegerordnung von 1798, Artikel 15. Bestrafung bei Abwesenheit: StAN, Rst. Bauamt XXXI 43. 127) Ebd. Artikel 16. 128) Ratsverlaß 27. Juli 169>2. 129) Ratsverlaß 4. April 1696. Das Tannengärtlein lag im Osten der Insel Schütt. 13°) Zwischen den Feuerordnungen von 1698 (noch nicht enthalten) und 1770. 1S1) Vemeuerte Schlotfegerordnung von 1798, Artikel 25. 13a) Bezüglich der „Feuerherrn“ treten dieselben Bedenken auf wie in Anm. 72. Ende des 18. Jahrhunderts wird bei der Einteilung der Kehrbezirke hier sogar ausdrücklich von der „Deputation zu den Schloten und Feuerstätten“ gesprochen (StAN, Rst. Bauamt XXXI 39, Prod. 15—17). 1S3) Grab Nr. 653: Hans Löffler der Hermschlot Feger ... anno 1573. Mit redendem Wappen. — Zu den Löfflers u. a. die Ratsverlässe 22. und 26. Juni 1629, 3. und 5. Dezember 163 8, 15. Januar 1664, 4. Mai 1683.

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sich hier schon der Status des modernen Bezirksschornsteinfegers ankündigt, oder ob die barocken Meister, auch wenn sie es gewollt hätten, durch einen gewöhnlichen Nürnberger Schlot einfach nicht mehr hindurchkamen, mag dahingestellt bleiben. Was ist nun aus dieser rauhen und rauchigen Zeit bis in unsere Tage übrig­ geblieben? Schon ein flüchtiger Blick genügt, um auf den Dächern der Altstadt­ häuser die breiten, besteigbaren Schlote (Bilder 13, 14, 16) von den schmä­ leren, heute üblichen Formen zu unterscheiden. Dabei erreichen sie in ihrem Oberteil nicht einmal ihre volle Weite! Der Schlot des Dürerhauses z. B. ver­ mindert seinen Umfang auf den drei Dachböden von 160X120 über 110X85 auf 110X70 cm; rechnet man die vom Rat vorgeschriebene Wandstärke von 15 cm ab, so würde der auf Bild 13 sichtbare Teil immerhin noch eine lichte Weite von 80 X40 cm aufweisen. Ob die anderen, wesentlich schmäleren Schlote wirklich alle jünger sind, ist nicht klar zu entscheiden. Die große Welle der Umbauten von weiten in enge Schlote ist jedenfalls vor etwa 80 Jahren über die Altstadt hinweggegangen 134), also in einer Zeit, in der historische oder historisierende Bauformen durchaus noch üblich waren. Seither lauten die Bezeichnungen für beide Schlotarten „deutscher“ bzw. „russischer Kamin“; diese Namen bekräftigen, daß der besteigbare Schlot die vorherrschende, ge­ wohnte Form dargestellt hat, während die schmale Art als von außen kom­ mende Neuerung empfunden wurde. Für das Aufführen von Schloten an der Fassade von Gebäuden finden sich heute ebenfalls noch einzelne Belege. Zwar sind keine so abenteuerlichen Konstruktionen darunter, wie sie z. B. vor Jahrhunderten ein Handwerker am Dürerhaus wagte135); auf solche höchst feuergefährlichen Gebilde hatte es ja der Rat mit seinem Verbot vor allem abgesehen. Aber sowohl am Südgiebel des Sebalder Pfarrhauses wie auch an einigen Türmen, etwa am Wasserturm, sind steinerne Schlote an der Außenwand entlanggeführt. Bemerkenswert ist im ersten Fall die mehrmalige Verjüngung nach oben, die hier ausnahmsweise sichtbar wird, sich aber eingebaut auch an vielen anderen Schloten findet. Bei dem Turmschlot fällt die dekorativ gestaltete Auskragung des Fußes auf; die vorne doppelt ausgekehlten Konsolen erinnern an Bügen im mittelalter­ lichen Fachwerkbau. Im Innern des Hauses erweiterte sich der Schlot über dem Küchenherd zu einem Rauchfang. Er ist im Dürerhaus noch erhalten und weist unten eine lichte Weite von 260X130 cm auf136). In den Wohnräumen waren dagegen, offenbar schon seit recht früher Zeit, Öfen angeschlossen. In diesem Fall konnte der Schlot, wie im Dürerhaus, unten durch eine Eisentür betreten werden. Offene Kamine ließen sich dagegen in Nürnberg nicht so häufig nachweisen; sie sollten wohl wie heute meist repräsentativ wirken und befanden 134) Ygj Wilhelm Schwemmen Die Bürgerhäuser der Nürnberger Altstadt aus reichsstädtischer Zeit. Erhaltener Bestand der Sebalder Seite. Nürnberg 1961. 135) Lithografie unbekannter Herkunft bei Fritz Traugott Schulz, Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstattung, Seite 93. 136) Der dazugehörige Schlot erreicht jedoch das Dach nicht mehr; er ist längst außer Betrieb gesetzt und im 3. Stockwerk abgemauert.

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sich vorwiegend auf Fluren, wie jetzt noch im Fembohaus und früher im Peller­ und Rathaus, oder in Sälen, wie ehemals im Hirsvogel- und im Kaisersaal. Alle bisher genannten Schlote waren Steinbauten; Beispiele für die vom Rat so lange und heftig verfolgten Holzschlöte sind nicht mehr erhalten. Das bräuchte jedoch nicht so zu sein: Der letzte hölzerne Schlot Nürnbergs wurde nämlich erst 1964 bei der Erneuerung und Wiederherstellung des Sebalder Pfarrhofs beseitigt. Er befand sich an der Nordseite des Hauses, an der Füll, und führte dort an der Außenwand bis unter die Traufe hinauf. Soweit man erkennen konnte, bestand er aus mehreren, etwa einen Meter hohen Ab­ schnitten von quadratischem Querschnitt; sein Alter ließ sich nicht feststellen. Die Zerstörung dieses Schlots ist einer der Fälle, wo jeder an der Bauge­ schichte Nürnbergs Interessierte ohnmächtig der Kurzsichtigkeit heutigen Han­ delns gegenübersteht. Dabei wirkt es besonders niederdrückend, daß sie hier nicht von einfachen, kommerziell eingestellten Besitzern ausging, sondern von einer Behörde, bei der Interesse und denkmalpflegerischer Sachverstand eigent­ lich vorausgesetzt werden müßten. Ganz im Gegensatz zur vielfältig reglementierten rechtlichen und techni­ schen Seite der Schlote ist über ihre künstlerische Ausgestaltung bisher kein einziges Wort aus dem Aktenstaub aufge taucht. Als Quelle kann daher im folgenden nur die Betrachtung des Bauwerks, ob im Original oder auf alten Bildern, dienen. Daß die übers Dach ragenden Teile des Schlotes grundsätzlich verputzt waren, steht auf der Grenze zwischen technisch bedingten und künstlerischen Merkmalen. Der Putz sollte wohl in erster Linie einen Wetterschutz für die Schlotwände bilden und ihre Abkühlung vermindern. Es entstand so aber auch ein farblicher Kontrast, der den weißgrauen Schlot deutlich von der ziegelroten Dachschräge abhob. Wie charakteristisch dieses Nebeneinander war, merkt man erst im Vergleich mit der jetzigen Praxis. Heute, bei der ausschließlichen Verwendung von hartgebrannten Klinkern, ist es zwar technisch nicht mehr nötig, den Schlot zu verputzen 187); aber die Wirkung des beinahe der Dachfarbe angeglichenen Schlotes, der durch sein Fugennetz noch eine ungewohnte Kleingliedrigkeit erhält, ist wenig günstig1S8). In den ersten Jahren des Wie­ deraufbaus hatte man noch ein Gespür für solche Kleinigkeiten und hielt sich in der Altstadt meist an das überkommene Aussehen der Schlote. Heute jedoch ist das vorbei, und man wundert sich nicht, selbst denkmalpflegerisch wieder­ hergestellte Bauwerke, wie Stadtmauertürme, mit nackten Backsteinschlöten zu finden 139). Abgesehen vom Putz zeigten die alten Schlotkörper keine Besonderheiten und stiegen glatt und massig auf. Ein verstecktes Bauwerk beweist jedoch, 187) Von vielen Architekten wird der Verputz wegen Neigung zu Fleckenbildung und Abplatzung sogar als schädlich empfunden und abgelehnt. Angesichts des guten Zustands vieler jahrhundertealter Schlote vor dem Krieg müssen solche Befürchtungen als über­ trieben und unbewiesen betrachtet werden. 188) Man vergleiche dazu das Bild 27 in Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein, mit anderen Abbildungen desselben Buches/ 189) Z. B. Frauentormauer.

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daß es ausnahmsweise auch anders sein konnte: Der bisher noch nie gewür­ digte Schlot in der Nordwestecke des Sebalder Pfarrhofs (Bild 17). Seine beiden freiliegenden Seiten werden durch eingetiefte Nischen gegliedert, die wie bei gotischen Lisenengiebeln oben in spitzwinkeligen Dreiecken abschlie­ ßen. Ein weiterer, vom Dach überschnittener Ansatz läßt vermuten, daß diese Verzierung ursprünglich tiefer nach unten reichte. 1818 zeichnet Wilder bereits den heutigen Zustand140) und deutet gleichzeitig einen Grund für die un­ gewöhnlichen Formen an: Der Schlot grenzte nach links an den Lisenengiebel des Hauses Füll 3 und sollte offenbar ihm ebenbürtig gestaltet werden. Dieser Giebel, ein Kabinettstücklein Nürnberger Backsteingotik, überlebte die Zer­ störung von 1945 und stand in seinen wesentlichen Teilen bis zum Wieder­ aufbau des Hauses Füll 3 im Jahre 1962. Er wurde aber nicht in die nunmehr höhere Grenzmauer eingefügt, sondern waagrecht abgeschnitten und von einer unverputzten, kunstlosen Brandmauer überlagert. Bild 17 zeigt neben dem Schlot diese Bauteile und läßt damit handwerkliche Sauberkeit und künstle­ rische Gestaltungsfähigkeit über Jahrhunderte hinweg vergleichen. Der Ort jedoch, an dem sich der Gestaltungswille fast regelmäßig über die reine Zweckform erhob, war der obere Abschluß des Schlots, die „Haube", die damit zum künstlerisch allein interessierenden Teil des Schlotes wird. Zwar ist ihre Existenz auch funktional zu begründen, etwa als Regenschutz für die unten offenen Schlote oder als Abschirmung vor ungünstigen Windrichtungen. Aber die Entwicklung und Dekorierung dieser Bauten folgte so weitgehend stilistischen und ästhetischen Gesichtspunkten, daß die praktischen Zwecke meist stark ins Hintertreffen gerieten. Die früheste Form des dekorativen Schlotabschlusses findet man bereits auf Darstellungen von Wolgemut (Bild 2) und Dürer141) im ausgehenden 15. Jahrhundert. Der Schlotrand steigt dabei bis zur Mitte jeder Seite treppen­ förmig an; die vier Ecken bilden also die niedrigsten Punkte. Teilweise sind die Erhöhungen auch gerundet, so daß der Schlot mit vier nach oben gerich­ teten Halbkreisen abschließt (Bild 4 Mitte). Diese können ausnahmsweise sogar randlich profiliert und von seitlichen Voluten begleitet sein (Bild 3 rechts). Während Wolgemut und Dürer, neben den glatt endenden Schloten, nur diese eine Art des Schlotabschlusses in Nürnberg überliefern 142), mischt sie sich auf Darstellungen um 1590 etwa zu gleichen Teilen mit den beiden folgenden Typen. Auf den Kupferstichen der Zeit um 1700 tritt sie dagegen schon stark zurück, und das 20. Jahrhundert scheint sie überhaupt nicht mehr erreicht zu haben. Die Nachfolge dieses Schlotabschlusses übernimmt eine recht ähnliche Form. Bei ihr steigen die beiden Seiten des Schlotrandes zu den Ecken hin an, so daß also diesmal die Seitenmitten die niedrigsten Punkte bilden. Fast immer kragen die erhöhten, aufgetreppten Ecken leicht vor, und es entsteht 140) Abgebildet in: Ludwig Grote, Die romantische Entdeckung Nürnbergs; München 1967. Seite 30. 141) Trockensteg; Drahtziehmühle; Johanniskirchhof. 142) Auf auswärtigen oder frei erfundenen Architekturen tauchen auch andere Schlotabschlüsse auf.

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ein ungemein markanter Umriß, der an eine dem Schlot aufgesetzte Krone erinnert. Noch stärker wird dieser Eindruck, wenn in der Mitte des Schlotrandes, wenigstens an den beiden Breitseiten des Schlots, eine weitere Erhe­ bung auftritt, so daß dort drei steile Zacken nebeneinander sitzen (Bild 4 rechts). Das Vorkragen der Verzierungen bedingt in allen Fällen ein Gesims, das den Schlot und seinen oberen Aufsatz nunmehr deutlich voneinander abhebt. Obwohl die Kontur solcher Schlote gotischem Formempfinden ent­ spricht, lassen sie sich in Nürnberg erstmals um 1590 nachweisen (Bild 3 rechts). Hundert Jahre später bilden sie, zusammen mit dem folgenden Typ, den Hauptteil des Bestands. Der Neuzeit konnten sie jedoch ebensowenig genügen wie ihre Vorgänger, so daß man sie nur selten noch auf Fotografien zu entdecken vermag143). Neben diese beiden Aufsätze, die technisch keine nennenswerten Vorteile brachten, trat schon ziemlich früh die echte, den Schlot vor Regen schützende Haube. Von ihren zwei Spielarten scheint die Rundhaube die ältere zu sein. Sie läßt sich auf einer Zeichnung um 1590 in mehreren Beispielen erkennen (vgl. Bild 3, links Mitte und rechts unten), und ein bauamtlicher Akt von 1607 (Bild 5) zeigt sie in ihrer einfachsten Form. Im Normalfall bauten sich über einer vortretenden Leiste, die den Schlot abschloß, zwei Backsteinmauem auf, die ein Tonnengewölbe trugen. Die beiden freien Enden des Gewölbes schwan­ gen in ihrem Oberteil oft etwas vor, und fast immer erhob sich über ihren Scheiteln ein Schmuckstein oder eine Kugel, so daß die ganze Haube trotz ihres Rundbogens häufig grazil, ja sogar gebrechlich anmutete. Weniger schön wirkte dagegen zuweilen ein kleines, quadratisches Loch in den Seitenwänden, das offenbar den Zug verbessern sollte. War der Schlot zu groß, um von einem einzigen Gewölbe überspannt zu werden, dann half man sidi hin und wieder mit einer inneren Stützwand wie auf Bild 5 und 13; meist aber legte man zwei oder drei Tonnengewölbe nebeneinander über den Schlot. Von mehreren Schmucksteinen bekrönt, konnte so ein außerordentlich bewegter, charakteristischer Umriß entstehen. Die Blütezeit dieser Schlothauben lag offenbar im 17., vielleicht auch noch im 18. Jahrhundert. Stiche der Barockzeit zeigen sie in großer Zahl. Aber auch auf Fotografien treten sie noch in hun­ derten von Beispielen hervor. Nachdem nur eins der einfachsten, Untere Schmiedgasse 6, und eines der entferntesten, auf dem Wächterstüblein des Spittlertorturms, den Bombensturm überlebt hatte, wurde 1947 bei der Wie­ derherstellung des Dürerhauses eine Rundhaube neu geschaffen (Bild 13). Sie unterscheidet sich von ihrer Vorgängerin aber durch die niedrigeren Seitenwände und die fehlenden Ziersteine und wirkt deshalb in ihren Proportionen wesent­ lich gedrückter und plumper. Die zwei letzten Rundhauben mit dekorativen Scheitelsteinen in der Altstadt findet man, ebenfalls erneuert, über dem Haus Augustinerstraße 11. In den Vororten sind dagegen auch ältere Beispiele er­ halten geblieben 144). 14S) Unmittelbar vor dem Krieg nachweisbar: Tucherschlößchen Südseite, Toplerhaus Nord­ seite. Vgl. auch Wilhelm Kriegbaum, Nürnberg dargeboten in alten Photographien, Nürn­ berg 1967; Seite 33', ganz hinten links. 144) Z. B. Ziegenstraße, Nebengebäude zu Kirchenberg 13.

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Genau genommen nur eine konstruktive Vereinfachung dieser Form bildet die „fränkische Haube". Auch bei ihr steigen, nach einer heraus tretenden Leiste, über zwei Seiten des Schlots Backsteinmauern auf. Sie sind jedoch nicht durch ein Gewölbe, sondern durch schräg aneinandergelehnte Dachziegel verbunden. Oben liegen ihnen normale Firstziegel auf, unten sind sie gut eingemauert; daneben waren offenbar auch Sicherungen aus Metall üblich. Die Einzelheiten können aus Bild 14 entnommen werden. In dieser stets unver­ änderten Form lassen sich die Hauben allerdings erst seit dem frühen 19. Jahr­ hundert nach weisen; nur eine Vorstufe scheint etwas weiter zurückzurei­ chen 144a). Auf Fotos der Kriegsjahre nehmen sie den größten Teil des Bestands ein. Heute ist die „fränkische Haube" der einzige dekorative Schlotaufsatz aus Stein, der gelegentlich, auch außerhalb reiner Denkmalsgebiete, noch her­ gestellt wird. In Nürnberg wurde sie vor allem in den Anfangsjahren des Wiederaufbaus in zahlreichen Fällen verwendet145). Daneben sind auch einige ältere Stücke stehengeblieben; sie reichen jedoch meist, wie auch das im Bild 14 gezeigte Beispiel, nur einige Jahrzehnte zurück146). Einen Sonderfall stellt es dar, wenn wie auf Bild 15 zwei fränkische Hauben sich rechtwinklig schneiden. Mit dieser „Bischofshaube", einer nicht leicht herzustellenden, empfindlichen Form, wird ein sehr dekoratives Bild erzielt. Sie ist aber in der Altstadt nur dieses eine Mal nachweisbar, wobei man es heute mit einer Wiederholung aus der Nachkriegszeit zu tun hat. Im vorstädtischen Nürnberg findet sich ein weiteres Beispiel auf dem Backofen Röthenbacher Hauptstraße 50. — Daß dieses komplizierte Prinzip früher sogar auf Rundhauben angewandt wurde, wo sich also zwei Gewölbe durchdringen mußten, zeigen Beispiele auf einem alten Stich 147) und auf einer Schmidtschen Fotografie aus den Jahren vor 1852 148). Mit solchen ädikula- oder laternenähnlichen Formen ist bereits die Nähe der großen Bekrönungen erreicht, in denen die künstlerische Umgestaltung der Haube am weitesten geführt wird. Man betrachte dazu den Schlot auf Bild 161 Schon der Unterbau ist durch ein Gurtband gegliedert, bis dann über einer breiteren Leiste die eigentliche Haube beginnt. Sie ist nach allen Seiten geöff­ net; die trennenden Pfeiler tragen Kämpferplatten, über denen Rundbögen ansetzen. Ein weit ausschwingendes Kranzgesims bildet den oberen Abschluß Diese Haube von 1699, die nach ihrer Kriegszerstörung wieder neu aufgeführt wurde, stellt jedoch nur ein verhältnismäßig einfaches Beispiel dar. Im Gegen­ satz dazu standen schwere, prunkvolle Aufbauten aus der Zeit des Manie­ rismus. Sie waren durch bauchige Baluster charakterisiert, die auf profilierten Gesimsen standen und einen Architrav stützen, der mit einem reichen Kranz­ gesims oder einem Eierstabfries abschloß. Darüber baute sich ein Zinnenkranz, i44a) Bei ihr sitzt das Satteldach aus Ziegeln unmittelbar dem Schlotrand auf; z. B. St AN, Rst. Bauamt VII a 90, Prod. 17 (1608). . u 145) Burg, Untere Krämersgasse 14, Obere Schmiedgasse 52 und 58, Hubnersplatz 14 (abBeTsAulz!'Bürgerhäuser Bild 465 und 475, trägt der Schlot noch eine Rundhaube. 147) Stich des Hauptmarkts nach Lorenz Strauch. (In: Eugen Kusch, Nürnberg, Das unvergäng­ liche Antlitz einer Stadt; Nürnberg 1947. Seite 34.) 148) Bindergasse, Haus zum gläsernen Himmel.

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eine Dreiecksreihe oder auch ein Zeltdach auf. Prachtstücke dieser Art besaßen ehemals u. a. das Haus Maxplatz 44 (Bild 1), das Viatishaus, das Baumeister­ haus und das Wolffsche Rathaus; schon diese Auswahl läßt die zeitlichen und sozialen Grenzen hervortreten. Dagegen haben sich einfachere, von vier Pfei­ lern getragene Hauben in den folgenden zwei Jahrhunderten ein weiteres Feld erobern können. Oft wurden bei ihnen die Pfeiler durch dünne Säulehen ersetzt oder ein eingeschwungenes, fast pagodenartiges Dach aufgebaut, so daß eine recht elegante Wirkung entstand. Einige Schlote dieser Art haben sich auf Herrensitzen oder auf Wirtshäusern in den Vororten erhalten149); auf Vorkriegsfotos sind eine Anzahl auch über einfachen Bürgerhäusern der Alt­ stadt festgehalten, und Schulz würdigt in seinem Inventar drei von ihnen mit einer Abbildung und einer kurzen Beschreibung näher 15°). Es ist das einzige Mal, daß Nürnberger Schlothauben in der Literatur wenigstens registriert werden. Der untrennbare Zusammenhang mit der Architektur des ganzen Hauses, die sich gerade an diesen ausgeprägten Stücken so deutlich zeigt, ist jedoch unerkannt geblieben. Das scheint heute noch genauso zu sein. Wie wäre es sonst zu erklären, daß beim Wiederaufbau einiger oben erwähnter Repräsentativ-Gebäude die Schlote als einziges von der denkmalpflegerischen Restaurierung ausgeschlos­ sen blieben? Daß auch unter den erhaltenen Bürgerhäusern manche vor 50 Jahren noch besonders schöne Schlothauben besaßen 151) und sich ihre Fassa­ denwirkung heute durch eine Wiederherstellung heben und vervollständigen ließe, daran wagt man unter diesen Umständen kaum noch zu erinnern. HaUnenkämme Der Name klingt geheimnisvoll und erweckt beinahe kriminologischen Forscherdrang. Ein Hahnenkamm auf dem Nürnberger Haus? Hier streiken selbst beste Fachleute und Beobachter. Die Bezeichnung ist archivalisch auch nur schwach belegt. In einem Akt des Bauamts findet sich ein Ratsverlaß vom 16. Juli 1607, der zweimal das ominöse Wort enthält: „Uff dz mündtlich fürbringen, dz Niclaus Geiger ein Hauß in der Cartheußergaßen erpauet unnd einen Hannenkhamb hinaufge­ setzt; wie dann auch sein Nachbawr, der Cauderer genanndt, einen Hannen­ khamb uff seinem Hauß habe, ist verlassen, ihnen beeden solches abzuschaffen, und ihren Werckhleuthen, die solche verpottene gepeu gemacht, darundter zuestoßen, und ihnen meiner Herren mißfallen anzuzeigen" 152). Es liegen mehrere Abrisse der genannten Häuser bei; sie zeigen übereinstimmend einen 149) Erich Mulzer, Vor den Mauern Nürnbergs, Nürnberg 1961; Bilder 11, 15, 56. Weitere schöne Beispiele; Ziegenstraße 18/20 und Schnieglinger Straße 249. 15°) Brunnengäßchen 14/16 (Bild 188), Untere Schmiedgasse 2 (Bild 673), Tetzelgasse 32 (Bild 826). — Außerdem würdigt Schulz noch eine doppelte Rundhaube Untere Krämers­ gasse 4 (Bild 469). 151) Maxplatz 27, Ludwigstraße 64, Bergstraße 31 und 23. Die ersten drei sind abgebildet bei Kriegbaum a. a. O., Seite 33, 54 und 82. 152) StAN, Rst. Bauamt, VII a 116.

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kleinen, den Dachfirst nur wenig überragenden häuschenartigen Aufbau. Bei Geigers Behausung (Bild 5) weist er eine Seitenwand von 75 cm Höhe auf, die offenbar Fenster in der Art der darunterliegenden Dachläden besitzt; das Ganze wäre damit eher als ein verkümmerter Firsterker, ohne Spitzdach und Seitenfenster, anzusprechen. Der Hahnenkamm auf Cauderers Haus (Bild 18) zeigt dagegen keine solche Gliederung; er wirkt kleiner und ist auf der aqua­ rellierten Zeichnung in seiner ganzen Fläche holzbraun ausgemalt. Die einzige andere Erwähnung des Wortes liegt 70 Jahre weiter zurück; sie bezieht sich auf das ehemalige Scheuerlhaus Burgstraße 10 und spricht von einem Lustgemächlein auf dem Dach, „der hannekamb" geheißen 153). Dem weiteren Text nach handelt es sich um einen geräumigen, begehbaren First­ erker. Man könnte nun annehmen, daß diese Bezeichnung ganz allgemein alle Ausbauten über der Firstlinie des Hauses meint, und wahrscheinlich wurde sie auch ursprünglich in diesem Sinne benützt. Aber schon seit dem späten 16. Jahrhundert nannte man die großen Firsterker, die meist als polygonale, spitzbehelmte Dachreiter auftreten, nur noch „Thurn", „Thürnlein" oder „Türnlein oben uff dem Dach". Der eingangs zitierte doppelte Beleg von 1607 bezieht sich dagegen auf eine davon recht abweichende Form, die auf jeden Fall nicht mehr als Turm bezeichnet werden kann und die mit ihrem horizontal bestimmten Umriß auch der Vorstellung eines Kammes eher entspricht als die einzelne aufstrebende Spitze. Ich habe deswegen schon in meinen „Erkern und Chörlein" den Begriff Hahnenkamm, wie es ja auch die archivalische Über­ lieferung nahelegt, gänzlich auf diese Art von Dachausbauten eingeschränkt. Es war nämlich dringend nötig, eine Bezeichnung zu besitzen, denn — und nun kommt das erstaunlichste! — die Zahl solcher Hahnenkämme im alten Nürnberg muß außerordentlich hoch gewesen sein. Zwar findet man sie weder bei Wolgemut und Dürer noch bei Lautensach; eine Zeichnung von etwa 1590 stellt die erste faßbare Darstellung dieser Dachaufbauten dar (Bild 3), die ja außerdem, wie oben erwähnt, 1607 noch als verboten galten. Dagegen bildet Delsenbach um 1700 eine Unzahl von ihnen ab; auf den Bildern 19 und 20 trägt z. B. jeder überhaupt sichtbare Dachfirst ein solches Häuslein, auf Bild 4 ist wenigstens eines (ganz rechts) zu erkennen. Im 19. Jahrhundert scheint sich noch wenig verändert zu haben; ein Panoramabild des Rundblicks von den Lorenzer Türmen aus der Zeit um 18 50 zeigt allein in der Adlerstraße zehn Hahnenkämme 154). Auch auf Fotografien sind sie noch zu finden; am deut­ lichsten bei einem Bild des Fembohauses um 1890 155), aber versteckt und zufällig auch auf Nagelschen Aufnahmen der dreißiger Jahre 156). Andererseits lassen aber Übersichtsbilder der Stadt aus der unmittelbaren Vorkriegszeit darauf schließen, daß inzwischen die Zahl dieser merkwürdigen Gebilde stark zurückgegangen sein muß. Auf allen Bildern treten die Hahnenkämme in ihrer einfachsten Form auf: Als schmucklose hölzerne „Häuslein" mit Satteldach wie auf Cauderers Haus 153) 154) 155) 158)

Hierzu ausführlicher: Erich Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein; Anmerkung 37'2. B. K. Heller, Panorama Nürnbergs vom Kranze des St. Lorenzer Thurmes. Martin Gerl ach, Nürnbergs Erker, Giebel und Höfe; Bild 12. Nagel 7627.

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1607. Lediglich das Foto des Fembohauses läßt weitere Einzelheiten erkennen: Die Dachfläche des Hahnenkamms besteht beiderseits aus Brettern, deren un­ teres jeweils zwei metallene Stützen trägt. Es sieht so aus, als wären die beiden oberen Bretter nach außen aufklappbar und sollten dann zurückge­ schlagen auf diesen Stützen aufliegen. Diese Vermutung erfährt eine über­ raschende Bestätigung auf alten Abbildungen: Delsenbach zeigt zweimal einen solchen Hahnenkamm in geöffnetem Zustand. Stets ragt dabei ein Mensch mit seinem Oberkörper aus dem Aufbau. In beiden Fällen (Bild 19 und 20) be­ schäftigt er sich mit Tauben; ob er die Vögel zu fangen oder nur zu verjagen versucht, ist nicht klar zu erkennen. Es ist damit erwiesen, daß die Hahnenkämme eine Art von Dachausstiegen darsteliten. Ob sie allerdings, bei aller Vogel-Narretei der Nürnberger, nur wegen der Tauben errichtet wurden, erscheint zweifelhaft. Eher könnte man schon an die Möglichkeit für Schlotfeger, Dachdecker oder Flaschner denken, auf das Dach hinauszukommen. Die sonst häufig nur vorhandenen Wengerlein besaßen dafür eine zu kleine Öffnung, und der bis zur Fassadenflucht vor­ springende Haupterker hätte eine waghalsige Kletterei um seine Seitenkante verlangt. Andererseits erklären Fachleute das Begehen eines so steilen Daches, ohne die Ziegel abzudecken, überhaupt für sehr gefährlich und unüblich. Der wohl erfahrenste ältere Dachdeckermeister Nürnbergs, Herr Gustav Amschier sen., steuerte eine neue Erklärung bei: Seiner Aussage nach wären vor dem Krieg diese Gebilde „Feuerwachen“ genannt worden; angeblich deshalb, weil im alten Nürnberg bei Läuten der Feuerglocken die Bewohner hierher gestiegen seien, um vom höchsten Punkt des Daches aus das Feuer zu sehen (und es viel­ leicht, wie man hinzufügen möchte, im Bedarfsfall auch zu bekämpfen). Wenn sich also auch keine eindeutige Antwort ergibt, so schließen sich die erwähnten Erklärungen doch nicht aus; es ist durchaus möglich, daß ein einfacher Dach­ ausstieg dieser Art sich im Lauf der Zeit für ganz verschiedene Aufgaben als brauchbar erwies. Es bleibt noch übrig, die innere Gestaltung eines solchen Hahnenkamms zu untersuchen. Das letzte erhaltene Beispiel in Nürnberg, Schlotfegergasse 34 (Bild 21 und 22), gibt die Möglichkeit hierzu. Es zeigt sich, daß lediglich die vier Wände des Häusleins in einfacher Bretterkonstruktion etwa 40 cm unter die Dachhaut herunterreichen. Der so entstehende, unten offene Kasten besitzt eine lichte Weite von 60 mal 70 cm, kann also bequem von einem Menschen durchstiegen werden. Allerdings fehlt jeder Unterbau; es wäre daher nötig, eine Leiter vom obersten Boden aus an eine der Innenwände des Häuschens zu lehnen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Hahnenkämme einfache, aber im alten Nürnberg sehr verbreitete Bestandteile der Dacharchitektur dar­ stellten. Das erstere hat ihre völlige Mißachtung in der Forschung bedingt, das letztere konnte diese Einschätzung nicht ändern. So ist es zu erklären, daß nicht einmal am Fembohaus ein bis zum Kriegsende vorhandener Hahnen­ kamm wiederhergestellt wurde. Heute muß man schon um das letzte Beispiel in der Schlotfegergasse bangen, da dort eine Dachreparatur bevorsteht. Ist es aber so schwer zu verstehen, daß auch künstlerisch belanglose, aber technisch 412

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und kulturgeschichtlich interessante Bauteile wenigstens in einigen Beispielen erhalten werden sollten, um zu verhüten, daß Vergangenheit nur noch zur papierenen Angelegenheit wird? Observatorien Die Ausstellung „Der Himmel über Nürnberg“ im Germanischen National­ museum 157) hat erst unlängst bewußt werden lassen, welchen bedeutenden Rang die Reichsstadt vom 15. bis zum 18. Jahrhundert in der Astronomie einnahm. Martin Behaim und Johannes Regiomontanus, die Erstauflage des kopernikanischen Werkes (mit einem Vorwort von Osiander), die Sternkarten von Dürer bis Homann, Globen und Instrumente von den Professoren Schöner und Prätorius, eine breite Schicht tüchtiger Beobachter und Rechner wie Eimmart, Treu oder Doppelmayr, ganz zu schweigen von der Vielzahl handwerk­ licher Instrumentenmacher und Kalenderschreiber158) — es ist ein selten vergegenwärtigter Blickwinkel auf das leuchtende und strahlende Nürnberg in seiner Blütezeit! Die Zeitgenossen mochten das eher empfinden, und so ist es erklärlich, daß manche Sternwarten dieser Stadt damals offenbar ausgespro­ chene Sehenswürdigkeiten darstellten. Die bekannteste von ihnen, das oft abgebildete Eimmartsche Observato­ rium auf der östlichen Burgbastei, breitete sich zu ebener Erde aus. Viele andere, kleinere Beobachtungsstätten dürften sich jedoch, ihrem Zweck ent­ sprechend, in den Dachregionen der Häuser befunden haben. Von den archivalisch nachweisbaren Beispielen ist eines bis heute erhalten, zwei weitere sind in ihrem Äußeren noch auf Fotografien überliefert. Das allgemeinste Interesse wegen der Örtlichkeit beanspruchen dabei die Verhältnisse am Dürerhaus159); sie ergeben sich aus einem Handel zwischen dem Kaufmann Bernhard Walther, dem damaligen Besitzer, und dem Vicarier Dr. Eberhard Cadmayr, der ein zu seiner Pfründe an der Sebalduskirche gehö­ riges, südlich anschließendes Haus bewohnte. Walther war vorher schon als glänzender Himmelsbeobachter und Mitarbeiter Regiomontans hervorgetreten. Am 8. November 1502 schließt er vor dem Stadtgericht mit Cadmayr folgenden Vertrag: „Nach dem Bernhart Walther sein behawsung oben in der zistelgassen am egk auff der lincken seiten verganngner zeit zu pawen angefanngen und auch ain gibel maur auff der ein seitten herabwarts gegen dem pfrundhawse, zu der obemellter vicarey und pfrund gehörend, furgenomen, und die mit ime nach der stat recht zu Nurmberg [aufjzufuren, derselben 157) Siehe dazu den Katalog: Der Himmel über Nürnberg. Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum vom 20. 9—15. 10. 1968. Veranstaltet von der Kunsthalle Nürnberg, der Stadtbibliothek Nürnberg und der Sternwarte Nürnberg. 158) Über letztere neuerdings: Klaus Matthäus, Zur Geschichte des Nürnberger Kalender­ wesens. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band IX, Lieferung 3—5. 159) Wohl zum erstenmal gewürdigt in einem Zeitungsartikel von Otto Schuhmacher in den NN vom 22. 7. 1950. Kurz erwähnt auch von Emst Zinner, Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung am Ende des Mittelalters; in: MVGN, Band 50, 1960; hier Seite 114.

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pfrund Verweser angebotten, und aber das selb p[f]rundthaws undter äugen ennge und schmal ist und, so die gibel maur dann auch zum tail darauff gesatzt, nodi ennger wird, damit solichs verkomen [= verhindert wird] und dieß hausung nit ennger, sonnder weytter und [dennoch] auch mit ainer maur ver­ sorgt und dem Balther [!] zu seinem fürnemen auch fordrung [= Förderung?] gescheen wurde, so sollt Walther die gibel maur auff sein grundt setzen, machen und furen, ganntz und gar auff sein kossten allain, und sollten der besitzer bemellter pfrund und innhabern der selben hawsung und ir nachkomen sich derselben mauren als ainer gemeinsamen] mauren zu irer notturfft und gebew darain zu legen und sich der nach statrecht zu Nürnberg zugebrauchen gewalt, machte und gute rechte haben. Und so sollt der vicarj dem Walther an sollicher maur und kostung zu steur geben sechs und dreissig gülden reinisch und Walther darzu macht und gutt recht haben, oben im gibel im obem gaden inn der mauren ober der dachung des pfrundhaus zu seinem instrument und gewergk, der astronomey, so er inn und auff seiner behawsung machen, setzen und auffrichten will, gegen dem pfrundhawß zwey lichte oder fennster zu machen und zustellen und mit einem krachstain oder captell, ime zu seinem instrument dyenend, herauß für die mauren zefaren, und er und sein nachkomen innhaber sich der desselben lichts, stains und fennster zu demselben instrument und werck allain zegebrauchen furbasser ewiglich, von ainem yeden pfrundtner und innhabern bemellts pfrundhawß [e]s ungehinndert. Dodi das Wallther und sein nachkomen daruon und darauß nichts giessen, schütten oder werffen sollen, und wa aber sollich instrument und werck nit auffgericht wurd, oder so es auffgericht und wider abgieng bey Bernharden Walthers Zeiten oder nach ime, so sollten sollich licht und fennster wider durch Walther und sein nachkomen innhaber seiner hawsung vermacht und vermaurt werden und vermacht pleiben. Es were dann, das yemannd sollich werck und instrument wider auffrichten wurde, der mocht sich sollicher licht und fennster widerumb wie oben auch gebrauchen; alles bederseit furbasser ewigklich an [= ohne] menigklichs einrede, eintrege und ganntz und gar on alle geuerde“ 16°). Der langen Rede kurzer Sinn: Da Walther entgegen der Baugesetze darauf verzichtete, seine Giebelmauer auf die Grenze zu setzen, sondern sie ganz auf sein eigenes Grundstück rückte, zahlte ihm der Anlieger eine Beisteuer und befreite ihn von dem Verbot, gegen den Nachbarn hin Fenster einzubauen. Sie sollten nur zu astronomischen Beobachtungen dienen und nach deren Ab­ schluß wieder vermauert werden. — Das letztere geschah natürlich nicht, und so kann man, wie Bild 23 beweist, heute noch die beiden Fenster und den Kragstein betrachten. Man steht hier vor der ältesten erhaltenen „Sternwarte“ Nürnbergs: Fast genau nach Süden gerichtet, die benachbarten Dächer über­ ragend, war ihre Lage zu Beobachtungen tatsächlich gut geeignet. Das Schicksal der beiden Fenster in der dazwischenliegenden Zeit ist aller­ dings nicht genau zu verfolgen. Fest steht nur, daß die linke Öffnung mit dem 16°) St AN, Libri litterarum 18, fol. 148. (Im Textabdruck einzelne Großbuchstaben beseitigt und Interpunktion modernisiert.)

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Kragstein die Zerstörung 1944/45 überstand; ein Foto des Hochbauamts von 1946 zeigt sie gerade noch in dem erhaltenen Teil des Giebels, während das rechte Fenster und auch das darunterliegende Schlitzfenster verschwunden sind 161). Leider sind Bilder der Vorkriegszeit nicht zu ermitteln 162). Auf einer Postkarte von etwa 1935 glaubt man im Fernblick die rechte Öffnung ver­ mauert zu sehen, dagegen liegt das linke Fenster mit dem Kragstein wie heute frei163). Über den Zustand während der vielen Renovierungen des Hauses zwischen 1826 und 1928 sind keine Angaben zu finden; ebenso werden die Fenster in keinem Führer durchs Dürerhaus erwähnt. Die sowenig bekannte Quellenstelle ist jedoch auch für die Baugeschichte des Dürerhauses von Bedeutung. Daß Bernhard Walther (dem das Haus erst seit 1501 gehörte) „sein behawsung ... zu pawen angefanngen“ hat, könnte das langgesuchte Entstehungsjahr des Dürerhauses verraten. Andererseits geben die beiden Giebelfenster einen Hinweis auf die spätere Geschichte: Ihre Unter­ kanten befinden sich mit 10 bzw. 100 cm in einer recht unwahrscheinlichen Höhe über dem heutigen zweiten Dachboden, so daß eine spätere Änderung der Fußbodenhöhe, und damit der gesamten Dachkonstruktion, angenommen werden kann. Es bestätigt sich hier der bereits durch andere Indizien genährte Verdacht, daß das Haus längst nicht mehr dem Bild entspricht, das es zu Leb­ zeiten Dürers (der es 1509 unmittelbar von den Erben Walthers erwarb) ge­ boten hat. Das nächste ausführlich belegte Observatorium über den Nürnberger Dä­ chern gehört bereits dem späten 17. Jahrhundert an. Es befand sich auf dem Haus Spitzenberg 4, unmittelbar hinter der Stadtmauer, und wurde 1692 für den Kaufmann und Astronomen Johann Phillip von Wurzelbau errichtet. In einem seiner Bücher ist der Oberteil zusammen mit einem ungewöhnlichen Blick auf die Dächer der Stadt abgebildet164). Andere Zeichnungen geben Aufschluß über die Inneneinrichtung 165); das mehrfach dargestellte Instrument, das durch beide Stockwerke reichte, kam vor einem Jahrhundert ins Germanische Museum 166). Dagegen dürfte sich das Äußere des Bauwerks bis zum Krieg wenig verändert haben 167). Eine Aufnahme von 1942 zeigt es als sechseckigen, bretterverklei­ deten Turm mit ziegelgedeckter geschwungener Haube168); auf seinen Zweck weisen die großen, mit Holzdeckeln verschlossenen Beobachtungsluken im Oberteil hin. Der schlanke, hohe Bau auf einem nur zweigeschossigen Fach161) Hochbauamt Bildstelle Nr. K 55/X. 162) In einem Hausquerschnitt von etwa 1910 (Schulz, Bürgerhäuser, Bild 121) sind die beiden Fenster in der heutigen Lage gestrichelt eingezeichnet. 163) Blick vom Neutortrum. Verlag Fritz Lauterbach, Fürth, 805/15/5. 164) Uranies noricae basis astronomico-geographica; Nürnberg 1697. 165) Ebd. und GNM, Kupferstichkabinett, Kapsel 1206, HB 1750. 166) 18 6 9 unter der späteren Nummer WI 208. Es ist jedoch heute im Museum nicht mehr vorhanden (frdl. Auskunft Dr. Königer). Eine Kopie des riesigen Quadranten befindet sich im Deutschen Museum München (Nr. 51 377). 167) Die welsche Haube (statt eines unten aufklappbaren Zeltdachs) könnte aus späterer Zeit stammen. Dagegen dürfte der achteckige Grundriß auf alten Bildern eine bloße Un­ genauigkeit sein. tft8) Hochbauamt Bildstelle, Nr. I 3 5/VI.

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werkhaus, der sowohl von der Ringstraße jenseits der Stadtmauer als auch vom gesamten Spitzenberg aus zu sehen war, stellte wohl die auffallendste Verkörperung der astronomischen Interessen des alten Nürnberg im späteren Stadtbild dar. Daß diese Interessen auch Bevölkerungskreise, von denen man das kaum vermutet, ergriffen hatten und offenbar zu einem Hobby weiter Kreise wurden, belegt ein Streit, der sich 1698 zwischen Georg Christoph Wölckern, Wirt des Roten Rosses am Weinmarkt, und Johann Friedrich Sichart von Sichartshofen, Besitzer des Hauses Füll 15, abspielte. Der Wirt, dem auch das heute noch stehende Haus zum Goldenen Kreuz in der Albrecht-Dürer-Straße gehörte, beabsichtigte dort „ein kleines Thürnlein von vier Schuhen hoch über den Tach-Stuhl zu setzen“ 169). Eine Begründung für das Vorhaben wurde nicht gegeben. Äußerlich handelte es sich um einen mehr eckigen Firsterker üblicher Bauweise, wie ein Stich von Böner und eine Fotografie von Schmidt nachweisen. Gegen diesen Bau wandte sich nun der Nachbar, wenn auch erfolglos, in einem langen Schriftsatz 169). Er vermutete gleich zu Anfang, daß, „wie er [Wölckern] sich verlauten laßen, es dahin angesehen seyn müßte, ein Obser­ vatorium hinaufzurichten und in der Astronomie sich allda zu exercieren“. Den Zulauf, den eine solche Sternwarte finden würde, befürchtet Sichart v. Sichartshofen sehr anschaulich; er sei besonders bedenklich „in Betrachtung, daß Wölckers Hauß ein Gast- oder Würthshauß, allwo allerley Leute logieren und sich befinden, derenthalben wann der Welcher, wie er es schwehrlich wird unterlaßen können, eines gebauten oder habenden curiosen observatorij, und was er allda für Instrumenta haben thette, sich rühmete, jedweder Lust be­ kommen mögte, hinaufzusteigen und solches zu sehen, daraus dann erfolgete, daß bey dem Tag immer einer nach dem anderen in das meinige herüber sehete; andere aber, so eine Observanz [= astronomische Beobachtung] haben wollten, frühe und abends mit Lichtem auf die Böden in solche Höhe hinauf­ steigen würden“. Für diese Vorhersagen reicht gutnachbarliche Gehässigkeit allein nicht aus; es müssen ähnliche Fälle vor Augen gestanden haben, und letztlich könnte dadurch der Bau von Firsterkern und Türmchen, die gar nicht so selten waren, in einem ganz neuen Licht erscheinen. Seither hat sich viel geändert. Der Firsterker des astronomisch interessier­ ten Wirts ist bereits 1887 verschwunden, die Fassade des Sichartschen Hauses wurde 1953 in unglaublicher Brutalität ihrer gesamten Barockdekoration be­ raubt und als Neubau aufgeputzt. Soweit es heute noch Liebhaberastronomen in der Altstadt gibt, getrauen sie sich keinen Turm mehr auf ihr Dach zu setzen, und von Sternen ist im Abgasdunst und Neonglanz des heutigen Him­ mels über Nürnberg, zumindest von der Straße aus, nicht mehr viel zu sehen.

169) St AN, Rst. Bauamt, VII a 3 34.

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Wasserspeier Bereits 1492 lassen sich hölzerne Dachrinnen in Nürnberg nachweisen 169a). Hundert Jahre später sind Rinnen aus Blech nach Auskunft von Bildern schon ziemlich verbreitet169b), und die Stadtprospekte um 1700 stellen sie nahezu an jedem Haus dar. Wie Bild 1 rechts oben zeigt, hat sich ihre Form seitdem kaum mehr geändert. Eine grundsätzliche Verschiedenheit lag lediglich in der Ableitung des Wassers. Dachschläuche, die an der Hauswand herabführten und in eine Rinne in der Straße mündeten, sind erst im frühen 19. Jahrhundert auf Zeich­ nungen Wilders nachweisbar; ihre Einleitung in den Erdboden erfolgte dann schrittweise nach der Kanalisierung der Stadt ab 1862. Bis zum 18. Jahrhun­ dert aber war es allgemein üblich, das Wasser durch einen kurzen Dachrinnen­ stummel ein Stück von der Hauswand wegzuleiten und es dann in hohem Bo­ gen auf die Straße spritzen zu lassen. Als solche „Wasserspeier" konnten sowohl einfache gerade Rinnen als auch phantasievoll ausgestaltete Tierköpfe dienen. Bei letzteren zeigt sich auf Bild 1 (links, Mitte und rechts unten) eine fiederige, kompakte Form, die beinahe an präparierte Originale erinnert. Das am genauesten abgebildete Stück (rechts oben) mit dem gezähnten Rachen und den dünnen, gebogenen Flügeln beweist dann aber doch, daß es sich um Werkstücke aus Blech handeln muß. Bemerkenswert ist, daß sie nicht nur am Hauptdach, sondern auch an den Traufen von Erkern und Chörlein (rechts unten) vorkamen; gerade an diesen kleinen Bauteilen fielen sie dann als überdimensionale Schmuckstücke besonders auf. Der Grund für die starke dekorative Umformung der Wasserspeier ist vielleicht in Vorbildern an Kirchen zu suchen. In der Steinarchitektur, beson­ ders an den Plattformen, Galerien und Spitzen gotischer Kirchtürme, waren sie schon längst bekannt; ihre Menschen, Tiere, Teufel und Fabelwesen hatten wohl religiös-symbolische oder abwehrende Bedeutung. Auch der äußerlich einer Kirchturmspitze entsprechende Schöne Brunnen zeigt zwischen dem un­ teren und mittleren Geschoß vergleichbare Formen, und schließlich drohten bereits vor Jahrtausenden von den griechischen Tempeln ganze Reihen löwen­ köpfiger Wasserspeier herunter. Die Frage ist damit lediglich hinausgeschoben; ihre Beantwortung dürfte ohne die Kenntnis von Mythe und Aberglaube nicht möglich sein. Von dieser ganzen phantastisch-fabelköpfigen Welt ragen nur winzige Ausläufer in unsere Zeit herauf. Der Vorkriegsbestand in der Altstadt ging durch Bomben und Gleichgültigkeit völlig zugrunde I7°). Nunmehr sind die vier Wasserspeier am Linkschen Herrensitz in Mögeldorf, Ziegenstraße 5 (Bild 26), die ältesten in Nürnberg. Sie stammen zwar erst von 1880, aber 169a) Libri cons. G, fol. 3 3 (frdl. Hinweis Herr Karl Kohn). i69b) Stromersches Baumeisterbuch (siehe Anm. 16); Gemälde des Hauptmarkts von Lorenz Strauch. ,7°) Fotographisch gut belegt sind die beiden Wasserspeier am Treppenturm des Kutschershofes (Schulz, Bürgerhäuser, Abb. 185). 27

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damit doch aus einer Zeit, in der die Verbindung zu früheren Stücken noch nicht abgerissen war. Bemerkenswert erscheinen vor allem ihre pfeilförmigen Zungen und die Kronen auf den Drachenköpfen. — Eine etwas gekünstelte Form zeigt dagegen der wasserpeiende Fisch im Hof des Fembohauses, an der ehemaligen Waschküche. Es handelt sich um eine vorbildlose Arbeit von etwa 1955. — Derselben Zeit gehören auch die beiden Wasserspeier an der Sude des Heilig-Geist-Spitals (Bild 25) und das gleichartige Stück am Weinstadel an. Nur mit ausgeschnittenen und zusammengenieteten Blechen, ohne stärker überformtes Material, gelang es hier, recht unheimliche Köpfe zu schaffen. Besonders erfreulich aber ist es, daß Nürnberg den Wasserspeiern auch heute noch Lebensmöglichkeiten bietet. Während sie sonst überall nadi der Kanalisierung verboten wurden und auch die vier Mögeldorfer Beispiele nur noch ein trocken-museales Dasein fristen, läßt die unmittelbare Bebauung der Pegnitzufer in der Altstadt ihre Benützung weiter zu. Die wenigsten Nürn­ berger wissen, wie beruhigend im Regenwetter das monotone Plätschern klin­ gen kann, wenn die in hohem Bogen aus den Rinnen fallenden Strahlen den Wasserspiegel treffen und weiße Flecken in die träge fließende Pegnitz zeich­ nen. Es sind auch schon einige neue Wasserspeier entstanden, sogar an einem modernen Geschäftshaus170a), aber leider alle nur als schmucklose kurze Röhren. Etwas erstaunt erinnert man sich, wie skurill, bizarr und spielerisch heutige Kunst doch sein kann. Wäre hier nicht Raum für etwas ars phantastica? Spitzen und Knäufe In besonders starkem Widerspruch zur Theorie von der ruhigen, vertikal gelagerten Dachfläche stehen die zahllosen kupfernen Spitzen auf den Nürn­ berger Häusern. Um einen regensicheren Abschluß zu erhalten, überdeckt man am besten jede Stelle des Daches, wo ansteigende Grate zusammenlaufen, mit einem kegelartigen Körper (dem „Stiefel"). Aus dieser technischen Notwendigkeit erwuchsen aber hohe und steil aufragende Kunstformen, die den Umriß der Dach- oder Turmspitze optisch verlängerten und ihr einen konkaven, nach oben weisenden Schwung verliehen. Zur besseren Sichtbarkeit wurde die Kegelspitze fast immer von einer Kugel (dem „Knauf" oder „Knopf") unterbrochen. Bei aufwendigeren Stücken trat darüber eine zweite oder dritte m) kleinere Kugel hinzu. Der Oberteil der Spitze konnte auch eine Wetterfahne tragen oder in einen Stern auslaufen. Ob diesen Formen eine Symbolik zugrunde liegt, wie man sie an Kirchtürmen deutlicher zu erkennen vermag, ist unsicher. Sieht man von dem anderen Material und der zuspitzenden Wirkung ab, dann treten Gemeinsamkeiten mit den Giebelmännlein hervor. Beide stehen 17°a) Spitalgasse 2—A. Ähnlich auch an den anschließenden Bauten des Heilig-Geist-Spitals. Alle im letzten Jahrzehnt gebauten Häuser bevorzugen jedoch ausdruckslose, bis wenige Meter über den Wasserspiegel führende Dachschläuche. m) Drei Kugeln nur selten: Z. B. Burgstraße 28 (zerstört, Foto Nagel 7575).

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wohl mit älteren Giebelbekrönungen und -Stangen, wie dem schon erwähnten „Geck“, in Verbindung. Es wird deutlich, daß die Giebelspitze stets ein be­ sonders ausgezeichneter Punkt des Hauses und damit ein bevorzugter Ort für Verzierungen (oder nur optische Aufsteilungen?) war. An Nürnberger Häusern kommen als frei aufragende Dachspitzen vorwie­ gend die Helme der Ziererker in Betracht, die vor dem Krieg fast sämtlich in Spitzen mit Knäufen ausliefen 172). Daneben findet man sie zuweilen auch an Aufzugserkern am Übergang ihres Satteldachs in den dreiseitigen Walm 17S). Da ein Walm allein mit Ziegeln einwandfrei gedeckt werden kann, soll hier wohl im Straßenaufblick ein Spitzdach vorgetäuscht werden. Schließlich er­ scheinen die aufgesetzten Spitzen, und nun ohne jeden Schimmer einer kon­ struktiven Notwendigkeit, auch über den Dreiecksgiebeln von Erkern 174) und als dekorative Bekrönung von Hausgiebeln 175). Für das 15. Jahrhundert sind sowohl Turm- als auch Erker-„Knöpfe“ aus gebranntem und glasiertem Ton überliefert175a). Bei den späteren Arbeiten handelt es sich jedoch ausschließlich um getriebene Arbeiten aus Kupfer­ blech 176). Nachdem bei dieser Technik die vorgefertigten Formen immer wie­ der benützt werden können, ist mit einer gewissen Gleichförmigkeit zu rechnen. Der nachweisbare Bestand bestätigt diese Vermutung jedoch nur teilweise; es sind erstaunlich viele und weitgehende Abwandlungen vorhanden, die sogar eine stilistische und zeitliche Einordnung ermöglichen. Bemerkenswert ist dabei das Ergebnis, daß der mittelalterlich anmutende betonte Vertikalismus dieser Spitzen seine reichste Entwicklung erst im Ma­ nierismus und sogar im Barock erfährt. Eine erste Spitze mit Knauf, Stern und Wetterfahne ist jedoch schon 1486 nachweisbar (Bild 2), und noch das 19. und 20. Jahrhundert bringen recht ähnliche Stücke hervor. Die lange Kontinuität läßt auf ein nicht stilistisches, sondern harmonisch-ästetisch begründetes Be­ dürfnis nach dieser Form schließen. Es sollen nun noch einige besonders markante Beispiele aus dem erhalten­ gebliebenen Bestand vorgestellt werden. Die doppelknäufigen Spitzen auf den sieben Dachläden des Fembohauses (Bild 30) vertreten die einfachere Art: Beide Kugeln sind nur durch die drei umlaufenden Wülste gegliedert, von denen der mittlere zum Zusammenfügen der beiden Halbkugeln nötig ist. Spitzen dieser Art sind jahrhundertelang entstanden und lassen sich daher 172) Heute noch: Füll 6, Am Sand 8 Nord- und Südseite, Burgstraße 15. 173) Heute noch: Füll 6 Rückseite, Obere Wörthstraße 17 westlich und 10 östlich, Burgstraße 20, Johannesgasse 5, Ludwigstraße 74, Johannisstraße 43 Rückseite. 174) Z. B. Mostgasse 4 und Bergstraße 30 (beide 19. Jahrhundert). 175) Heute noch: Karlstraße 13, Bauhof 9, Obere Schmiedgasse 54/56; früher nachweisbar z. B. Albrecht-Dürer-Platz 4 (Delsenbach) und Winklerstraße 31 (Delsenbach, siehe Bild 4), beide ergänzbar. Die unter Anm. 16 zitierte Zeichnung von etwa 1590 bringt allein fünf Giebelspitzen mit Knauf oder Wetterfahne. 175a) Tücher, Baumeisterbuch, Seite 105. 176) Das Kupferblech erhält durch Einhämmem in Holzformen oder durch Rundhämmem über einen „Fäustel“ die gewünschte Gestalt; z. B. die einer Halbkugel. Verzierungen wie Buckel oder Rillen werden meist in einem zweiten Arbeitsgang eingetrieben. Obwohl das Treiben in kaltem Zustand geschieht, muß das Kupferblech dazwischen öfters erhitzt und wieder abgeschreckt werden, um ein Sprödwerden und Reißen zu vermeiden. 27*

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schwer auf eine Zeit festlegen177). — Dagegen stellt die ebenfalls doppelknäufige Spitze vom Giebel Karlstraße 13 (Bild 27) ein besonders reiches Beispiel manieristischer Ausgestaltung dar: Die Kugelhälften sind kräftig gebuckelt, und die Zwischenstücke sind durch Wülste, teilweise mit einem tauartig gedrehten Ornament, gegliedert178). Besonders einfallsreich wirkt der Übergang zum Stiefel, der bereits unmittelbar unter der Hauptkugel beginnt, dann aber durch zwei Bänder mit imitierter Nagelung abgebunden wird und nach einem Wulst von neuem einsetzt179). Mit einer mannsgroßen Gesamt­ höhe von 180 cm beweist diese Spitze auch die beträchtlichen Dimensionen mancher solcher Werkstücke180). Sie dürfte zusammen mit dem Haus um 1600 entstanden sein. — Zierlichere Maße, aber wesentlich eckigere Formen zeigt das dritte Beispiel vom Nordgiebel Riesenschritt 2 (Bild 28). Der Schaft besitzt hier quadratischen Querschnitt und trägt auf jeder Seite ein ovales Medaillon und volutenförmig gebogene Blechstreifen. Die Kugel ist in kantig aneinander­ stoßende Sektoren geteilt, und als Bekrönung erscheint ein vielzackiger Stern. Spitzen dieser Art, die sich meist auch durch einen kastenartigen Stiefel aus­ zeichnen, scheinen dem späten 17. und 18. Jahrhundert anzugehören; sie sind z. B. mehrfach auf den barocken Gartenhäusern in St. Johannis zu finden I81). Auch das 19. Jahrhundert bediente sich dieser Form recht gerne 182). Von den übrigen erhaltenen Stücken seien noch die Doppelknäufe Obere Wörthstraße 17, Füll 6 Rückseite, Johannesgasse 5, Burgstraße 15 Haupterker und Burgstraße 20 (mit gebuckelter, aber schlecht gearbeiteter Kugel) hervor­ gehoben. Ältere Spitzen mit Knauf und Wetterfahne findet man Obere Schmied­ gasse 54/56, Winklerstraße 37 und am schönsten, mit flaschenartig schwel­ lendem Schaft und gebuckelter Kugel, am Tiergärtnertorturm. Die kantigere Spätform ist zweimal am Herrenschießhaus zu beobachten. Zu den nach alten Vorbildern wiederhergestellten Stücken gehören u. a. die individuellen Lö­ sungen am Rathaus (Knauf und Stern) und am Tucherschlößchen (zwei gedrückte Knäufe mit Wetterfahne). Was dagegen gänzlich neu entstand, ist wenig ein­ fallsreich und formal oft nicht überzeugend. Dankenswertem privatem Bemühen entsprang die Übertragung eines neueren Doppelknaufs183) auf die originelle Erkerkombination Obere Krämergasse 12. Ähnliche optische Verbesserungen 177) Die Spitzen finden sich bereits auf einer um 1890 veröffentlichten Nahaufnahme (Gerlach, Nürnbergs Erker, Giebel und Höfe, Bild 12), bei der sich das Dach in recht vernach­ lässigtem Zustand befindet und offensichtlich schon lange keine Veränderung mehr er­ fahren hat. Sie haben also ein gesichertes Alter von 100—150 Jahren; vermutlich gehören sie sogar zur Grundausstattung des 1595 erbauten Hauses. 178) Das Stück zwischen großer und kleiner Kugel wurde 1968 nach dem Vorbild des alten Teils neu angefertigt. 179) Das knapp unter der Hauptkugel angebrachte zusätzliche flache Band stammt erst von 1968; es trägt auf der Rückseite eine Lasche zum Anschrauben des Blitzableiterdrahts. i8°) Weitere Maße: Durchmesser große Kugel etwa 38 cm, kleine Kugel etwa 21 cm (jeweils in waagrechter Richtung). 181) Riesenschritt 2 (drei weitere Beispiele), Johannisstraße 35 Rückseite; weiterhin am Erker des 1680 erbauten Hauses Reichelsdorfer Hauptstraße 162 (neuere Anfertigung?). 181) Sicher datierbar: Ehemaliges Haus Adlerstraße 26, Erker von 1875 (Hochbauamt Bild­ stelle). 18S) Vom Sebastianspital, Veilhofstraße (1914). Die zweite Kugel wurde neu hinzugefügt.

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wären noch an vielen Stellen zu erzielen; auf den Erkern Winklerstraße 31 und Irrerstraße 3 ragen sogar noch die nackten Stangen auf, über die eine Spitze nur gestülpt zu werden brauchte. Ähnlich wie die Giebelmännlein allmählich von massigeren Bekrönungen abgelöst wurden, so erhielten auch die Dachspitzen zeitweise Konkurrenz durch kupferne Giebelumen und -vasen. Diese ab 1730 beliebten Verzierungen waren ebenfalls Flaschnerarbeiten und wurden aus gebogenen Blechstücken zusammengenietet. Das letzte Beispiel dafür befand sich bis vor kurzem auf der Spitze des reizenden Empire-Gartenhäuschens im Linkschen Park, Ziegen­ straße 5 (Bild 29) 184). Nachdem es schon seit längerer Zeit seinen Flammen­ kranz verloren hatte 185), stürzte es 1968 bei einem Sturm ab und wurde in stark verbogenem Zustand durch eine Hausbewohnerin im Wehrgang des Schlosses sichergestellt. Selbst wenn die Überlieferung, daß es sich hier um das letzte eigenhändige Werk des Poeten und Stadtflaschners Konrad Grübel handelt185), unbeweisbar bleibt, sollte schon wegen der Seltenheit von EmpireFormen in Nürnberg für diesen schönen Giebelschmuck rasch etwas getan werden. Damit ist das Ende dieser Untersuchung, gleichzeitig aber auch ein eigen­ artiger Rekord erreicht: Von allen bisher erwähnten künstlerischen und archi­ tektonischen Objekten auf den Dächern ist nicht ein einziges in dem 362seitigen amtlichen Nürnberg-Inventar der „Bayerischen Kunstdenkmale" auch nur mit einem Wort gestreift. Ebensowenig kann weiterführende Literatur genannt werden; das gewohnte Verzeichnis muß ausfallen. Wer das unbe­ kannte Nürnberg sucht — hier ist es! Diese Abgelegenheit, schon eingangs angesprochen, hat den Dächern bislang geradezu eine Schonzeit beschert. Fast immer sind sie der ursprüng­ lichste und am wenigsten veränderte Teil des Hauses geblieben, wo alter­ tümliche Bauformen, Materialien und Techniken unretuschiert fortbestehen. Am Dachboden — und ähnlich noch unter dem Kellergewölbe — ist man einem alten Haus am nächsten, und oft kann dort noch die unmittelbare Konfron­ tation mit der Historie erlebt werden. Diese Schonzeit geht allmählich zu Ende. Was darum not täte, wäre Ver­ ständnis für die jahrhundertelange Kontinuität des Nürnberger Daches, wäre Einfühlungsvermögen in den historischen Gehalt seiner Formen. Wie viel könnte hier, wo Geschichtliches so stark spricht, noch gerettet, ergänzt oder behutsam weitergeführt werden, wenn man nur wüßte und wollte! Aber wer will heute schon, und wer weiß gar?

184) Erich Mulzer, Vor den Mauern Nürnbergs, Bild 39. 18i) Vorkriegsbild (ohne Ortsangabe): Friedrich Bode, Johann Konrad Grübel, Nürnberg 1936; Seite 17.

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DIE FREILEGUNG DER STADTMAUER BEIM BAU DER DRESDNER BANK AM HAN S-S ACHS-PLATZ Von Fritz Gries Auf dem Gelände der Altstadt, das begrenzt wird durch Hans-SachsPlatz, Spitalgasse, Bischof-Meiser-Straße und Hans-Sachs-Gasse, errichtet die „Dresdner Bank“ ein Verwaltungsgebäude. Beim Grundausheben konnte man im Sommer 1968 sehr interessante Profile von Erdschichten beobachten, die das von Spöcker *) aufgestellte Profil bestätigten. So aufschlußreich auch diese Baugrube in geologischer Hinsicht war, in siedlungsgeschichtlicher Hinsicht brachte sie mehr. Gelang es doch, die südliche Stadtmauer der Sebalder Stadt*2) auf eine Länge von 16 Meter freizulegen, aufzumessen und fotografisch festzuhalten 3). Es ist das erste und wahrschein­ lich letztemal, daß die Mauer so sichtbar gemacht werden konnte, da dieses Mauerstück wegen des Neubaus abgebrochen werden mußte. Es muß dankbar anerkannt werden, daß trotz der äußerst schwierigen Baumaßnahmen der Architekt Dipl.-Ing. Kappler und der Bauleiter Dipl.-Ing. Seeger ihr Mög­ lichstes taten, um diese Arbeit zu fördern. Die Mauer selbst bestand aus Burgsandstein von guter Qualität und vor­ züglicher Erhaltung. Die Quader von unterschiedlicher Höhe hatten durchwegs 10 cm breiten Randschlag. Die meisten Steine hatten Zangenlöcher und an drei Steinen waren Steinmetzzeichen. Bis in die untersten Lagen waren die Quader sauber bearbeitet, obwohl man annehmen muß, daß diese nicht mehr *) R. G. Spöcker, Die geologischen und hydrologischen Verhältnisse im Untergrund von Nürnberg, Abhandlung der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg, 3 3. Bd. 1964, S. 65. 2) Anmerkung der Redaktion (Dr. Schultheiß): Dieses Stück der sog. 1. Sebalder Stadtmauer ist schon längst in der Literatur bekannt und durch Quellen aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts belegt. Wenn der Verfasser des vorliegenden Fundberichts in einer künf­ tigen Studie die Probleme dieser Stadtmauer an Hand der Urkunden erörtern will, so sei doch zum Verständnis der obigen Ausführungen auf die wichtigsten Unterlagen hin­ gewiesen. Dieser Stadtmauerzug an der Hans-Sachs-Gasse wird in der Stiftungurkunde des Heiliggeistspitals vom 13. Januar 1339 (Or. Stadtarchiv Nürnberg; Abdruck in Mitt VGN 52, 1963—64, S. 67 ff., bes. S. 68) und der Bestätigungsurkunde vom 5. Februar 1341 (Or. Stadtarchiv Nürnberg; einschlägige Stelle abgedruckt in dem grundlegenden Aufsatz von Max Bach, Die Mauern Nürnbergs, Mitt VGN 5, 1884, S. 47 ff., bes. 55—56) erwähnt. Er spielt eine Rolle in dem Streit zwischen Prof. Siegfried Rietschl und Stadtarchivar Emst Mummenhoff wegen der 1. Stadtmauer Nürnbergs; vgl. den zusammenfassenden Aufsatz von Ernst Mummenhoff „Der heutige Stand der Frage der ältesten Nürnberger Stadtbefestigung“ in Mitt VGN 20, 1913, S. 242—261 und 274). Über den neuesten Stand des Problems unterrichtet Werner Schultheiß in „Die räumliche und bauliche Ent­ wicklung Alt-Nürnbergs“ (Amtsblatt der Stadt Nürnberg vom 14. Mai 1962 und „Zur Bau- und Siedlungsgeschichte Altnümbergs“ (Amtsblatt vom 20. Februar 1963 anläßlich einer Ausstellung des Stadtarchivs) sowie der auf Grund der Angaben von Archivdirektor Dr. Werner Schultheiß von Fritz Gries gezeichnete Plan „Entwicklung der Stadtbefestigung der Reichsstadt Nürnberg“ (Or., Stadtarchiv Nürnberg Plansammlung Nr. 610,3). *) Vgl. die Karte 1 (Lageplan der ausgegrabenen Stadtmauer), 2 (Aufriß), 3 (Querschnitt der Mauer) sowie die beiden Lichtbilder von der Süd- und früheren Außenseite dieser Mauer. Karten und Photos von Fritz Gries.

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Schnitt durch die Mauer'

f

d60m

35

4

-

in Kalkmörtel

Untergrabene Stelle, keine Pfahle Südseite-

Südliche Stadtmauer der Sebalder Stadtseite, aufgedeckt und beseitigt beim Neubau der Dresdner Bank, 1968, Entwurf: F. Gries Die Messung erfolgte von der jetzt abgebrochenen Giebelwand des Hauses Hans-Sachs-Gasse 8 ausgehend.

Sta.dtm%uer

Lageplan mit Einzeichnung des Verlaufs der Stadtmauer, der alten und der neuen Bebauung, Entwurf: F. Gries

Ansichten der aufgedeckten Stadtmauer (Südseite) an der Hans-Sachs-Gasse. An der unteren Seite der Bilder ist zu erkennen, daß die Mauer ohne Pfahlgründung auf dem Schluff aufgesetzt war. Foto: F. Gries

MVGN 56

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Die Freilegung der Stadtmauer

sichtbar waren. Die Verfügung mit Kalkmörtel war sehr gut ausgeführt. Bei der Freilegung war — durch die Jahrhunderte lange Abschließung und Lage" rung im feuchten Boden — der Mörtel weich; er erhärtete sich an der Luft jedoch sehr rasch wieder. Die freigelegte Mauer war also die Südseite, zur Erbauungszeit die Feind" Seite der Sebalder Stadt. Die Nordseite konnte nur an einer Stelle auf eine Breite von 1.20 m freigelegt werden und zeigte dieselbe schöne Ausführung. Die Mauerstärke betrug 1.60 m, in der Mitte war Füllmauer. Der Maueranlauf war bei einer Höhe von 2.90 m 7 cm von der Senkrechten. Die wichtigste Frage war nun: Ruht diese Mauer auf einem Pfahlrost? Bei der Freilegung wurde unter der tiefsten Quader-Schicht der anstehende Schluff auf ca. 1.00 m in der Breite und 0.50 m in der Tiefe der Mauer beseitigt, wobei keine Pfähle festgestellt wurden. Bei der restlosen Beseitigung der Mauer wurde dann endgültig klar, daß diese Stadtmauer einfach auf diese schwarze, zähe Schicht aufgesetzt war. An einer Stelle zog sich ein Riß durch drei Quaderlängen hindurch, der unten 1 cm breit war und nach oben verlief. Die zugespitzten Pfähle, die beim Aushub der Baugrube herauskamen, rühren, auch wenn sie in unmittelbarer Nähe der Mauer standen, alle von späteren Anbauten her, als die Mauer ihre Funktion verloren hatte. Leider ließen die Baumaßnahmen nicht zu, wie ursprünglich vorgesehen war, die ganze Mauer auf eine Länge von 40 Meter und beiderseits freizulegen. Die Mauerkrone, welche ca. 1.00 m hoch mit Schutt bedeckt war, konnte bei der Verlegung des großen Abwasserkanals in der Hans-Sachs-Gasse nicht abgedeckt werden, da dieser zu nahe neben der Mauer lag. Ein interessanter Fund wurde in ca. 5 Meter Tiefe im Grenz-Profil zwischen der schwarzen Schluff Schicht und der darunterliegenden Sandschicht gemacht: Ein Eichenstamm mit Ast-Stummeln, Länge ca. 20 Meter, Stammdurchmesser unten ca. 1.30 m. Das Holz war sehr gut erhalten, tiefschwarz und so hart, daß eine Motorsäge beschädigt wurde. Eine Scheibe wurde abgeschnitten zur Altersbestimmung. Dieser Baum muß anscheinend in der Nähe gestanden ha­ ben, denn ein langer Wassertransport kommt dafür nicht in Frage. Gefäßreste konnten wenig geborgen werden, von einem Warzenbecher aus Glas fand sich nur der untere Teil. Durch einen Zuschuß, den die Stadt Nürnberg gab, war es möglich, diese und vorher an anderen Stellen Untersuchungen über den Verlauf der südlichen Sebalder Stadtmauer durchzuführen. Mit dem Städt. Hochbauamt, Abt. f. Denkmalpflege, (Baudirektor Clauß) bestand gutes Einvernehmen und Gedankenaustausch. Ergänzend sei noch erwähnt, daß die vom städtischen Hochbauamt im Jahre 1963 an dieser Stelle durchgeführte Probegrabung zum gleichen Ergebnis führte, wie aus den beiden damals angefertigten Skizzen hervorgeht. Auch hier wurde festgestellt, daß unter der Mauer keine Pfahlgründung vorhanden war. Die damaligen Feststellungen über Mauerstärke, Beschaffenheit der Steine, Schichthöhen und Anlauf stimmen weitgehend mit dem im August 1968 angefertigten Aufmaß überein. Der zufällig Vorgefundene Pfahl dicht vor der Mauer scheint auch hier von einer späteren Bebauung herzurühren. 423

DIE STADTMAUER VON NÜRNBERG Verluste und Erhaltung im 19. und 20. Jahrhundert

Von Wilhelm Schwemmer Vorbemerkung: Die folgenden Ausführungen sind aus einem besonderen Anlaß ent­ standen: Die städtebaulich exponierte Zone zwischen Königstorgraben und Marientorgraben, die einen wesentlichen Teil der Nürnberger Stadt­ umwallung einschließt, soll zum Dürerjahr 1971 neugestaltet werden. Gemäß einem Stadtratsbeschluß wurde ein Ideenwettbewerb aus­ geschrieben, durch den geklärt werden soll, inwieweit die vorhandenen historischen Teile der Stadtmauer samt ihren Türmen und Wehrgängen mit den Neubauten integriert werden können, mit dem Ziel, daß sich die Gesamtbebauung harmonisch in das Stadtbild einfügt. Auf Grund aller erreichbaren archivalischen Quellen wird im folgen­ den versucht, die Schwierigkeiten der mit diesem Bauvorhaben verbun­ denen Probleme aufzuzeigen, andererseits aber auch auf die große Be­ deutung hinzuweisen, die der Nürnberger Stadtmauer schon seit einem Jahrhundert als einem erstrangigen Gesamtkunstwerk in ganz Deutsch­ land beigemessen wurde und die der Stadt Nürnberg die Verpflichtung auferlegt, die Umwallung in ihrem bisherigen Zustand zu erhalten. Was Nürnberg aus der Zahl der alten deutschen großen Städte heraushebt, ist letzten Endes sein weitgehend erhaltener Befestigungsgürtel, wie ihn keine deutsche Stadt von ähnlicher Bedeutung aufzuweisen vermag. Er verleiht Nürn­ berg einen seltsamen Reiz, den wir sonst nur noch an kleineren einstigen Reichsstädten, wie Rothenburg, Dinkelsbühl oder Nördlingen finden. Jahr­ hunderte haben an diesem Befestigungswerk gebaut und doch erscheint es uns heute wie aus einem Guß. Unerschöpflicher Reichtum der Formen und reiz­ volle Vielfalt malerischer Wirkung verleihen ihm hohe ästhetische und künst­ lerische Werte. Nun liegt es nicht in unserem Thema, hier etwa eine kurze Entwicklungs­ geschichte der Nürnberger Stadtumwallung zu bieten. Darüber ist ja auch erst vor kurzem ein zusammenfassendes Werk von Prof. Hanns Hubert Hofmann erschienen 1). Aber wenigstens einige erläuternde Bemerkungen sind vielleicht doch angebracht. Bekanntlich haben wir zwei Nürnberger Stadtumwallungen zu unterscheiden: eine vorletzte und eine letzte2). Die vorletzte stammt im wesentlichen aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts; von ihr ist vor allem *) Hanns Hubert Hofmann, Die Nürnberger Stadtmauer, Nürnberg 1967. 2) Zur rasdien Orientierung auch: W. Schwemmer, Stadtmauer Nürnberg. Führer zu großen Baudenkmälern, Heft 31. Berlin 1944.

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noch der Weiße Turm und der Läufer Schlagturm erhalten, auch eine Graben­ partie an der Peter-Vischer-Straße und an der Grübelstraße. Die Sebalder und die Lorenzer Seite sind um 1320/25 durch ein großartiges Einlauf- und Aus­ laufbauwerk enger miteinander verbunden worden. Die Stadtmauer wurde auf großen Schwibbögen über die Pegnitz hinübergeführt und dabei durch große Türme verstärkt. Vom Einlaufbauwerk ist der sogenannte Schuldturm auf uns gekommen, vom Auslaufbauwerk die malerische Partie am Henkersteg. Die letzte große Umwallung, die uns hier etwas beschäftigen wird, ist weitgehend schon im 14. Jahrhundert erbaut worden. Ihr Mauerring war wohl um 1400 im wesentlichen geschlossen, in den 1420er und 30er Jahren hat man dann vor allem den Stadtgraben ausgebaut und um 1450/52 konnte die ganze Um­ wallung als vollendet gelten. Sie hat im 16. und 17. Jahrhundert entsprechend den Fortschritten in der Entwicklung der Feuerwaffen noch manche Moderni­ sierung erfahren, z. B. 1526—28. Dieser Zeit gehören die großen Rundbasteien zwischen Laufertor und Maxtor sowie nördlich des Plärrers an. In den Jahren 1538—45 sind bekanntlich die gewaltigen Bastionen um die Burg (am Tier­ gärtner- und Vestnertor) gebaut worden. Dann hat auch der 2. Markgrafen­ krieg 1552/53 manche Verstärkungen und Erweiterungen in den Jahren 1556— 64 zur Folge gehabt; die Ummantelung der vier großen Tortürme, der Bau der Neutorbastei und Umbauten auf der Burg fallen in diese Zeit. Auch im späten 16. Jahrhundert wird noch von wesentlichen Erneuerungen, besonders an der Ostseite der Umwallung, berichtet; der letzte große Bau an dieser war die Wöhrder Torbastei, 1614. Und schließlich hat man noch während des 30jährigen Krieges ein umfangreiches äußeres Befestigungswerk angelegt, das soge­ nannte Retranchement, das meist aus Erdschanzen bestanden hat und durch das Nürnberg damals noch eine Festung ersten Ranges gewesen ist. Im 18. Jahrhundert sind keine Verstärkungen und Modernisierungen mehr an der Um­ wallung vorgenommen worden, aber bei Beginn des 19. Jahrhunderts war das gesamte Befestigungswerk noch völlig intakt. Wir wundern uns vielleicht darüber, warum sich gerade in Nürnberg eine solche Umwallung bis heute so weitgehend erhalten hat und warum andere Großstädte, z. B. München, nicht damit aufwarten können. Aber in München ist schon 1791 der Festungscharakter aufgehoben worden; man hat bereits damals mit der Einlegung des Mauerrings begonnen und sie in den folgenden Jahrzehnten fortgesetzt, sodaß heute vom eigentlichen Mauerring fast nichts mehr vorhanden ist. Die Zerstörung hat auch bei den Torbauten nicht Halt gemacht. Ihr heutiges Aussehen verdanken die Münchner Stadttore weitgehend einer romantischen „Regotisierung“ durch König Ludwig I., z. B. das Isartor 1835, ebenso das Karlstor8). München kann also hier keineswegs als Vorbild für Nürnberg gelten. Aber wie war es in großen alten deutschen Reichsstädten, z. B. in Frank­ furt? Dort ist die sogenannte dritte, nach 133 3 erbaute Stadtmauer bereits in den Jahren 1804—1818 abgebrochen worden, einzelne Tore erst im 2. Viertel des 19. Jahrhunderts. Von den ehemals 60 Türmen sind nur noch vier erhal3) M. Hauttmann und H. Karlinger, „München“. München 1922, S. 17.

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ten4). Also auch Frankfurt bietet hier keine Vergleichsmöglichkeit mit Nürn­ berg. — In Köln hat man die alten Wälle erst 1882 eingeebnet und auf dem ehemaligen Festungsgelände eine große Ringstraße angelegt; nur ein paar Tor­ bauten sind aus dem Mittelalter erhalten geblieben, völlig isoliert. Ein geradezu klassisches Beispiel für die radikale Beseitigung einer alten Stadtumwallung bietet Wien. Hier hat Kaiser Franz Joseph selbst durch ein persönliches Schreiben am 20. Dezember 18 57 das Zeichen zum Abbruch ge­ geben, der dann von 1858 ab in einem Zug erfolgt ist. Anstelle der alten Wälle ist in den 1860er und 70er Jahren eine Reihe von sogen. Prachtbauten entstanden 5). Die Gestaltung des Wiener Rings hat für viele deutsche Städte bei derartigen Planungen mehr oder weniger als Vorbild gedient und sich sogar auf Projekte in Nürnberg ausgewirkt. Aber nun genug der Beispiele aus an­ deren Städten. Wie lagen die Verhältnisse in Nürnberg? Da war es zunächst von großer Bedeutung, daß die ehemalige Reichsstadt Nürnberg auch in bayerischer Zeit den Festungscharakter behalten hat. Nürn­ berg wurde auch nach 1806 als Waffenplatz betrachtet6). Ein Kgl. Reskript vom 4. August 1810 hat bestimmt, daß die Befestigungen der Stadt Nürnberg in ihrem Zustand und unter Aufsicht der Militärbehörden ferner belassen werden sollen. In den Kgl. lnstruktiv-Normen vom 11. April 1827, Festungen betref­ fend, war bestimmt: „Nürnberg soll in fortifikatorischer Hinsicht in seinem jetzigen Zustand verbleiben, daher die dermalige Behandlungsart des Festungs­ eigentums und der Festungspolizei, wie sie bisher bestand, beizubehalten ist". Ja selbst noch in dem Reskript des Staatsministeriums des Inneren vom 10. April 1848 an die Kgl. Eisenbahn-Baukommission wird die Stadt Nürnberg als „großer Waffenplatz von hoher strategischer Bedeutung“ bezeichnet und am 21. August 185 5 spricht das bayerische Kriegsministerium von dem neuen Maxtor als einem „Befestigungsteil der Umwallung des Kriegswaffenplatzes Nürnberg“ 7). Die Folge dieser Festungseigenschaft war, daß an sämtlichen Haupttoren dauernd militärische Wachen standen und daß sich von den Nebentoren (dem Wöhrder-, Haller- und Vestnertor), die jede Nacht geschlossen waren, die Schlüssel in den Händen der Stadtkommandantur befanden. Das ging so lange gut, als die Stadtgemeinde Nürnberg nach 1806 ganz auf den Mauerring be­ schränkt blieb. Schwieriger wurde die Situation, als im Jahr 1825 der soge­ nannte Burgfrieden (die Vorstädte Wöhrd und Gostenhof, die Gärten bei Wöhrd, bei St. Johannis und hinter der Veste), also das ganze Gelände rings um die Mauern, in das Stadtgebiet eingemeindet wurde und daraufhin in die­ sem Gebiet eine rege Bautätigkeit einsetzte, so daß die Stadt durch den mili­ tärisch kontrollierten Mauerring in eine innere und äußere geteilt war. Da die Bevölkerungszahl, hauptsächlich rings um die Mauern, ständig rasch zunahm (1820 hatte die Stadt 23 000 Einwohner, 1826 waren es 39 000, 1834 schon 4) 5) 6) 7)

Dehio-Gall, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd. 3, 1942, S. 441 f. Justus Schmidt, „Wien“. Berlin 1941, S. 137. Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 33. Bericht der Kommandantschaft v. 23. 3. 1861. ebenda.

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41 0008), reichten sehr bald die wenigen Tore nicht mehr aus und es entstand das dringende Bedürfnis weiterer Verbindungen zwischen innerer und äußerer Stadt. Da aber der Mauerring infolge der Festungseigenschaft der Stadt nicht unterbrochen werden durfte, war zunächst nur durch die Anlage neuer Tore eine Abhilfe möglich, wozu selbstverständlich die Genehmigung der Militär­ behörden nötig war. Auch die neuangelegten Tore wurden dann Tag und Nacht militärisch bewacht. Soweit es sich um kleine Nebentore handelte, wurden sie nachts geschlossen unter Verwahrung der Schlüssel bei der Stadtkommandantur. So sind denn hier im Laufe von zwei Jahrzehnten, von 1848—1866, sieben neue Tore entstanden. Als erstes 1848 das Färber- oder Walchtor9),10das * schon wegen der direkten Verbindung der inneren Stadt mit dem 18 39—44 auf dem Gelände westlich des heutigen Opernhauses erbauten städtischen Kranken­ hause nötig war; der Baureferent, Stadtbaurat Solger, hat es entsprechend der mittelalterlichen Umwallung in gotisierendem Stil entworfen. Gleichzeitig war am Frauentor lü), unmittelbar nördlich des runden Turmes ein zweites Tor begonnen worden, das wegen des zunehmenden Verkehrs erforderlich schien; es war von der Eisenbahn-Verwaltung veranlaßt, nachdem hier 1848 der neue Hauptbahnhof eröffnet wurde. Die Stadt hat dazu 20 000 Gulden Zuschuß gegeben. Die Einweihung des Tores, das mit königlicher Genehmigung Königs­ tor genannt wurde, konnte 18 50 erfolgen. Durch ein besonderes Entgegenkom­ men der Militärbehörden war es dem Stadtmagistrat möglich, noch im selben Jahr 1848 an der Kasematte beim Pegnitzeinlauf einen Durchlaß nur für Fuß­ gänger herzustellen, das sogenannte Kasemattentor n). Die Stadt mußte sich durch einen Revers verpflichten, diesen Ausgang durch zwei feste Türen nachts verschlossen zu halten und auf Verlangen der Militärbehörden jederzeit, be­ sonders bei Kriegsgefahr, wieder zumauern und den alten Zustand wieder­ herstellen zu lassen. Auch im Norden der Umwallung war bald ein neues Tor nötig, nämlich an der Nordseite des Paniersplatzes, wo die Wolfsgasse, Tetzeigasse und Schildgasse einmündeten. Es wurde ebenfalls in gotisierendem Stil von Stadt­ baurat Solger entworfen, mit Genehmigung König Maximilians II. Maxtor genannt und 1856 feierlich eröffnet12). Nur drei Jahre später, 1859, hat auch die Lorenzerstraße eine östliche Ausfahrt erhalten durch das mit Genehmigung des Königs nach der Königin Maria benannte Marientor13). Es war besonders durch die damals rasch auf blühende Marienvorstadt bedingt. Am 15. Oktober 18 59, dem Geburtstag der Königin, hat die feierliche Eröffnung stattgefunden. Schon 1863 wurde in Nürnberg, angeregt durch das Beispiel der Niederlegung der Wiener Bastionsbefestigung im Jahre 1858 ff. allgemein in Nürnberg die Beseitigung der Stadtmauer und des Stadtgrabens propagiert; dabei war man sich aber der daraus entstehenden Schwierigkeiten durchaus bewußt, da damals 8) •) 10) u) 12) ,3)

Joh. Paul Priem, Geschichte der Stadt Nürnberg. 1875. S. 383, 417, 566. Stadtarchiv, HJd ld, Nr. 48. ebenda. Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 26. Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 29. Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 33.

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das Geld fehlte um den tiefen Stadtgraben zuzuschütten und sofort darauf Ge­ bäude zu errichten 13a). Im gleichen Jahre hat der König die Überbrückung des Stadtgrabens an der Ausmündung der Mohrengasse genehmigt14), mit der ausdrücklichen Bedingung, „daß dieses Tor nachts in gutem Verschluß gehalten und der Schlüssel bei der Stadtkommandantur hinterlegt wird". Es war hier gar kein Mauerdurchbruch nötig, da eine im Zwinger schon vorhandene Tor­ öffnung benützt werden konnte. Und schließlich ist 1866 am Spittlertor, an der Nordseite des runden Turmes, zur Erleichterung des Verkehrs ein neues Tor gebaut worden, das mit Genehmigung König Ludwigs II. den Namen Lud­ wigstor erhalten hat15). Aber im gleichen Jahr war eine wesentliche Änderung eingetreten. Zum Verständnis des folgenden dürfte wohl eine kurze Erläuterung über die damalige Stadtverwaltung angebracht sein. Nach der bayerischen Ver­ fassung und Gemeindeordnung, die von 1818—1918 in Kraft war, bestand in den Städten ein sogenanntes Zweikammersystem. Von der gesamten Bürger­ schaft war das Gemeindekollegium gewählt, das 36 Mitglieder hatte16). Die­ ses Gemeindekollegium wählte den Stadtmagistrat, in dessen Händen die Exekutive lag; er hatte 12 gewählte Mitglieder17), die sogenannten Magistrats­ räte, wozu noch vier rechtskundige, also Rechtsräte kamen (sie entsprachen den heutigen Referenten) und außerdem der Stadtbaurat, also der Baureferent17a). Das Gemeindekollegium wählte auch den 1. und den 2. Bürger­ meister, die im Magistrat den Vorsitz führten. Alle wesentlichen Beschlüsse des Magistrats mußten auch vom Gemeindekollegium genehmigt werden; war dieses nicht einverstanden, so ging die Sache an den Magistrat zurüdc. Um­ gekehrt waren Initiativbeschlüsse des Gemeindekollegiums von der Zustim­ mung des Magistrats abhängig. Dadurch war es bedingt, daß alle auf die Stadtmauer bezüglichen Beschlüsse die Genehmigung beider Kollegien erfor­ derten. In den 1860er Jahren wurde im östlichen Teil der Sebalder Stadtseite dringend ein neuer, breiter Eingang nötig, vor allem auch, weil seit 1842 zwischen Wöhrd und dem heutigen Prinzregentenufer die Fabrik von CramerKlett entstanden war, die spätere MAN, die 1865 schon 1500 Arbeiter beschäftigte 18). Dadurch war das kleine, nur für Fußgänger erbaute Wöhrder Tor dauernd überlastet und ungenügend geworden. Man faßte zunächst eine Erweiterung des Tores und den Bau einer breiteren Brücke ins Auge. Die mit der Vorbereitung dieser Angelegenheit betraute Kommission des Gemeinde­ kollegiums kam jedoch zu dem Ergebnis, daß es besser wäre, statt dieses kostspieligen Erweiterungsbaues das ganze Tor abzubrechen und stellte einen 1Sa) F. W. Ghillany, Nürnberg historisch und topographisch . . . München 1863, S. 181 u) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 34. 15) J. P. Priem, Geschichte, S. 658. 1#) ebenda, S. 360. 17) ebenda, S. 361. 17a) Durch das neue Gemeindegesetz vom 29. 4. 1869 wurde die Zahl der Magistratsräte von 12 auf 14, die der Gemeindebevollm. von 36 auf 42 erhöht (Schrötter, Geschichte der Stadt Nürnberg 1909, S. 247). 18) „100 Jahre Geschichte der MAN". Nürnberg 1940. (Graph. Darstellungen).

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entsprechenden Antrag an das Plenum der Gemeindebevollmächtigten, das in seiner Sitzung vom 19. Dezember 1865 nach lebhafter Debatte einstimmig den Beschluß faßte19), daß „von der Erweiterung des Wöhrder Tores und dem Brückenbau dort abzusehen, dagegen die Aufhebung der Eigenschaft der Stadt als eines Waffenplatzes aufs dringendste zu erstreben und die Einlegung der Mauern und Auffüllung des Stadtgrabens beim Magistrat anzuregen sei". Allein der Gemeindebevollmächtigte Förster d. Ä„ „in allen übrigen Punkten und namentlich auch mit der Niederlegung der inneren Mauern vollkommen einverstanden, protestierte dagegen, daß auch noch der Stadtgraben, eine Zierde der Stadt, welche derselben den ihr eigentümlichen Charakter und Nim­ bus verleiht, ausgefüllt werde, und wünschte, daß sein in diesem letzten Punkte von den übrigen Kollegen abweichendes Votum durch Niederlegung im Protokoll bei den Akten verzeichnet bleibe" 20). Der einstimmige Beschluß des Gemeindekollegiums wurde am 23. Dezem­ ber 1865 an den Stadtmagistrat geleitet, der sich in seiner Sitzung vom 5. Januar 1866 damit befaßte. Er beschloß nach dem Vortrag des Referenten, Rechtsrat Chr. Frdr. Schwemmer, einstimmig: 1) Den Beschlüssen des Kollegi­ ums der Gemeindebevollmächtigten (gemäß Schreiben vom 23. Dez. 1865) wird in allen Punkten zugestimmt. 2) Es ist eine von den beiden Kollegien zu unterzeichnende Eingabe um Aufhebung der Waffenplatzeigenschaft an die Allerhöchste Stelle zu richten" 21). Sogleich nach dem Bekanntwerden dieses Beschlusses regte sich in einem Teil der Nürnberger Bevölkerung Widerspruch. Selbst der Stadtchronist, Jo­ hann Paul Priem, bemerkte in seiner Chronik unter dem 5. Januar 1866, daß sich gegen das Einfüllen des Stadtgrabens und Einlegen der Mauern „als einer Barbarei auswärts und innerhalb der Stadt schon Stimmen erhoben haben" 22). Offenbar wurden sich verschiedene Magistratsräte nun der Trag­ weite ihres Beschlusses erst richtig bewußt. So sehr sie alle einmütig die Auf­ hebung der Festungseigenschaft Nürnbergs wünschten — mit der völligen Ein­ legung der Stadtmauern und Einfüllung des Stadtgrabens waren durchaus nicht alle einverstanden. Einige Magistratsräte brachten daher beim Direktorium ihre Zweifel zum Ausdruck, ob denn „der am 5. Januar 1866 gefaßte Beschluß von dem Referenten richtig aufgefaßt und konzipiert worden sei" 23) so daß sich 1. Bürgermeister Dr. Wächter genötigt sah, die ganze Angelegenheit in der nächsten (geheimen) Sitzung am 12. Januar 1866 nochmals auf die Tages­ ordnung zu setzen. In dieser Sitzung konstatierte der 1. Bürgermeister, daß der Referent, „nachdem er das Schreiben des Gemeindekollegiums vom 23. Dez. 1865 Wort für Wort vorgelesen hatte, unbedingten Anschluß an die dort gestellten Anträge beantragte und daß hiegegen auf die Frage des Vorsitzen­ den, ob eine Erinnerung gegen den Antrag bestehe, auch nicht eine einzige lfi) Sitzungsprotokoll des Koll. d. Gemeindebevollm., VI. Sitzung v. 19. 12. 1865. 20) ebenda 21) Plenarsitzungsprot. d. Stadtmagistrats v. 1865/66, . Quartal, Sitzung vom 5. 1. 1866. 22) Stadtarchiv, Stadtchronik. Zum 5. 1. 1866, S. 329. 23) Plenarsitzungsprot. d. Stadtmagistrats v. 12. 1. 1866 (Blatt 294). 1

1.

und 12.

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Stimme sich erhoben hat, also der Beschluß vom 5. Januar 1866 so, wie er in den Akten liegt, ordnungsgemäß gefaßt worden ist". Ein Teil der Magistrats­ räte beharrte jedoch darauf, sich bei jener Beschlußfassung in einem Irrtum befunden zu haben, „indem nur dem Antrag wegen Aufhebung des Waffen­ platzes, nicht aber wegen Einlegung der Mauern und Einfüllung des Stadt­ grabens habe beigestimmt werden wollen". Die hierauf durchgeführte nament­ liche Abstimmung ergab, daß „Rechtsrat Marx, die Magistratsräte Bock, Schätzler, Jahn, Pauschinger, Weiß und Friedrich dem Antrag des Referenten auf unbedingten Anschluß an die Anträge des Gemeindekollegiums auch dies­ mal wieder beitraten, so daß der Beschluß vom 5. Januar 1866 aufrechterhal­ ten blieb. Bürgermeister Seiler und die Magistratsräte Puscher, Arnold und Supf stimmten für bedingten Anschluß an die Anträge des Gemeindekollegi­ ums und zwar so, daß nicht die Einlegung der Mauern und Einfüllung des Grabens im allgemeinen in Aussicht genommen, sondern diese Absicht ledig­ lich auf die Strecke vom Laufertor gegen das Wöhrdertor, Frauen- und Spittler­ tor beschränkt, im übrigen aber der bisherige Zustand erhalten blieben sollte. Rechtsrat Haubenstricker, die Magistratsräte Kugler und Orth stimmten ge­ gen jede Einlegung der Mauern und Einfüllung des Stadtgrabens" 24) 24a). Immerhin — der Beschluß war von beiden Kollegien gefaßt und das ent­ sprechende Gesuch ging am 13. März 1866 nach München ab. In Nürnberg kam es nun zu einer heftigen Polemik in den Zeitungen, wobei von der einen Seite geltend gemacht wurde, daß die Stadt die alte Umwallung, die ihr nur Licht und Luft wegnähme, nicht mehr benötige und daß sie bei ihrer wach­ senden industriellen Bedeutung und raschen Bevölkerungszunahme eine Aus­ dehnungsmöglichkeit nach allen Seiten und eine bessere Verbindung mit den bisherigen Vorstädten nicht länger entbehren könne. Andererseits hat man den Befürwortern des Beseitigens der Umwallung einen unverzeihlichen Van­ dalismus vorgeworfen, eine Versündigung an dem altertümlichen Charakter der Stadt, durch dessen bisherige Erhaltung sie sich ja vor allen übrigen deut­ schen Städten ausgezeichnet habe. Man mußte zugeben, daß die Verhältnisse eine Erleichterung des Verkehrs und eine Überbrückung der Gräben an vielen Stellen notwendig machten, aber von einer Einlegung der Mauern wollte man durchaus nichts wissen. Besonders die auswärtige Presse hat den Widerstand dieser Partei unterstützt und mancher Angriff ist schon damals gegen die „Zerstörungswut" des Stadtregiments gerichtet worden 25). Der Ausbruch des Krieges 1866 hat dann diesen Streit jäh unterbrochen und in den Hintergrund treten lassen. Aber noch während des Krieges und eigentlich nicht im Zusammenhang mit ihm, sondern auf Grund des Antrags beider Kollegien, hat König Ludwig II. am 12. Juli 1866 die Stadt Nürnberg ihrer Eigenschaft als Waffenplatz entkleidet, zugleich aber angeordnet, „daß jede Veränderung an den Stadtmauern und Türmen sowie die Einfüllung oder 24) ebenda. 24a) Über die Stellungnahme des 12. ehrenamtlichen Magistratsrats gibt das Protokoll keine Auskunft, auch nicht darüber, ob er etwa an der Sitzung nicht teilnahm. Rechtsrat Frhr. v. Haller war dienstlich abwesend. 25) J. P. Priem, Geschichte, S. 659.

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Beseitigung der Stadtgräben von vorgängiger allerhöchster Genehmigung ab­ hängig bleibe“ 28). Das war eine sehr folgenschwere Bedingung, ja in ihr lag letzten Endes die Ursache, daß heute noch so viel von der Nürnberger Stadt­ umwallung steht. Denn während man für andere Städte eine generelle Geneh­ migung zum Abbruch der alten Befestigungen gegeben hat, worauf deren Zerstörung in einem Zuge erfolgte, mußte nun in Nürnberg für jedes derartige Teilprojekt ein Gesuch an die Regierung gestellt werden, das nur bei aus­ reichender Begründung die Genehmigung gefunden hat. Man darf annehmen, daß diese Bestimmung der jeweiligen Genehmigungspflicht für alle Verände­ rungen an der Nürnberger Stadtumwallung eine Folge des Eintretens weiter Kreise für deren Erhaltung war. Der Münchner Altertumsverein hat z. B. im Jahre 1869 dankbar festgestellt, daß damals (1866) die Entscheidung des Königs in der Nürnberger Stadtmauerfrage ganz in dem vom Münchner Alter­ tumsverein gewünschten Sinne erfolgt sei27). Schon sehr bald war man in Nürnberg in die Lage versetzt, um die Er­ laubnis einer Öffnung des Mauergürtels nachzusuchen und zwar an der Süd­ front durch den Bau des neuen Güterbahnhofs westlich des Hauptbahnhofs. Die Frage, ob der Durchbruch der Mauer an der Stemgasse oder an der Grasers­ gasse erfolgen sollte, hat man dadurch entschieden, daß die Einlegung des ganzen Mauerzugs und die Einebnung des Grabens zwischen Sterngasse und Grasersgasse vorgeschlagen wurde 28). Das schien ja nun nadi Aufhebung der Festungseigenschaft ohne weiteres möglich. Das Gesuch wurde auch genehmigt, aber die Nürnberger Kollegien mußten der Antwort entnehmen, daß es doch nicht ganz so einfach war mit einer solchen Erlaubnis. Der Bescheid aus Mün­ chen lautete: „S. M. haben dem Abbruch des bezeichneten Stadtmauerteils und der Überdämmung des Stadtgrabens zugestimmt und dabei auszusprechen ge­ ruht: Indem ich der Stadt Nürnberg durch diese ausnahmsweise Gewährung ein neues Zeichen meiner Gnade gebe, will ich dieses ohne alle Konsequenzen für andere künftige Fälle getan haben“ 2Ö). Immerhin konnten die Abbrucharbeiten an dieser Stelle nun beginnen, aber da drohte bald ein neues Hindernis. Der Münchner Altertumsverein wandte sich in einer Eingabe direkt an den König mit der Bitte, S. M. wolle entscheiden, daß die Demolierung am Mauerring Nürnbergs auf das durch die Bedürfnisse des Verkehrs gebotene Eröffnen neuer Tore beschränkt bliebe, daß aber namentlich für die unversehrte Erhal­ tung der einzelnen Türme genügende Vorsorge getroffen werde. In der ab­ zubrechenden Mauerstrecke befänden sich nämlich drei Türme, deren Einlegung wohl kaum in der Genehmigung enthalten sei“ 30). Die Folge dieses Gesuchs war eine amtliche Aufforderung an die Stadt Nürnberg „zur ungesäumten berichtenden Erklärung über die Einlegungsarbeiten an der dortigen Stadt­ mauer, insbesondere, ob diese innerhalb der erteilten Ermächtigung stattfinden oder diese überschritten haben, in welchem Falle die Einlegungsarbeiten sofort 26) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 40. 2T) ebenda, Eingabe des Münchner Altertumsvereins v. 8. 4. 1869. 28) ebenda. 29) ebenda, Entschließung d. Min. d. I. v. 14. 7. 1869. 30) ebenda, Eingabe des Münchner Altertumsvereins v. 8. 4. 1869.

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zu sistieren wären“ 31). In der Nürnberger Stadtverwaltung war man natürlich über diese Eingabe des Münchner Altertumsvereins3ia) ungehalten, vor allem auch darüber, weil sie den Hinweis auf die Entrüstung norddeutscher Blätter über die sträfliche Vernachlässigung historischer Denkmäler in Bayern enthielt, weshalb man sich sozusagen in München für Nürnberg schämen müsse 32). Im übrigen konnte der Nürnberger Stadtmagistrat nachweisen, daß nicht drei, son­ dern nur zwei kleine Türme in der abzubrechenden Mauerstrecke stünden und daß man deren Vorhandensein keineswegs in dem Gesuch um Abbruchgenehmi­ gung verschwiegen habe, mithin ihr Abbruch ohne weiteres genehmigt sei33). Im Rechtfertigungsbericht der Stadt an die Regierung kam zum Ausdruck, daß man die Vorstellung des Münchner Altertumsvereins als eine unbefugte Ein­ mischung in städtische Angelegenheiten empfinde. Außerdem habe ja nicht die Stadt Nürnberg erst jetzt mit dem Einlegen der Stadtumwallung begonnen, sondern der bayerische Staat durch den Abbruch des Turmes „Fraueneisen“ und des anschließenden Wehrgangs 1812 sowie durch den Bau des staatlichen Salzmagazins 1810, dem drei Mauertürme zum Opfer fielen34). Jetzt hielten sich die Einlegungsarbeiten an der Stern- und Grasersgasse genau an die Er­ mächtigung; eine Unterbrechung der Arbeiten käme somit nicht in Frage. — Trotzdem beschloß der Verwaltungsausschuß in Nürnberg am 26. April 1869, bei den Abbrucharbeiten „mit tunlicher Beschleunigung fortzufahren, um den Versuchen, der Vollendung dieses Bauunternehmens von Seiten Dritter Hin­ dernisse in den Weg zu legen, den Boden zu entziehen“ 35). Und das Plenum des Stadtmagistrats bestätigte am 23. April 1869 diesen Beschluß mit der Bemerkung, „beim Abbruch mit aller nur tunlichen Beschleunigung fortzu­ fahren“ 36). Bereits am 23. Mai 1869 konnte der 1. Bürgermeister in einem Aktenvermerk notieren, daß der Abbruch nunmehr nach dem genehmigten Projekt vollendet sei37). Am 25. Mai 1869 übermittelte dann die Regierung von Mittelfranken an die Stadt eine Ministerialentschließung des Inhalts, „daß gegen das Verhalten der Stadt Nürnberg keine Erinnerung bestünde, da die gemachten Vorlagen ergaben, daß der Magistrat bei der Einlegung von Stadt­ mauerteilen die Grenzen der auf Grund der vorgelegten Pläne erteilten aller­ höchsten Bewilligung nicht überschritten hat noch zu überschreiten irgend be­ absichtigt“ 38). Nachdem somit die erste wirkliche Bresche in die Nürnberger Stadtum­ wallung geschlagen war, ist schon sehr bald eine zweite gefolgt. Die bereits 1865 angeregte breite östliche Ausfahrt aus der Stadtumwallung am Wöhrder 31) ebenda, Regierungsentschließung v. 16. 4. 1869. 31a) Der 1. Vorsitzende dieses Vereins, Dr. v. Hefner-Alteneck, war zugleich Generalkonser­ vator der Altertümer und Kunstdenkmäler Bayerns und trat vor allem in dieser Eigenschaft für die Erhaltung der Nürnberger Stadtumwallung ein. (Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 270/ lila, Nr. 3640). 32) ebenda, Eingabe des Münchner Altertumsvereins v. 8. 4. 1869. 33) ebenda, Rechtfertigungsschreiben des Stadtmagistrats v. 21. 4. 1869. 34) ebenda, Gutachten des Stadtbaurats Solger. 35) ebenda, Beschluß des Verwaltungssenats v. 21. 4. 1869. 36) ebenda, Plenarbeschluß des Stadtmagistrats v. 23. 4. 1869. 37) ebenda, Vermerk v. 23. 5. 1869. 38) ebenda, Regierungsentschließung v. 25. 5. 1869.

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1)

Gg. Christoph Wilder: Ansicht der Schanzen vor dem Frauentor. 1843. Aquarell im Stadt­ museum Nürnberg.

2a) Ansicht des Königstors mit dem 1904 abgebrochenen Salzmagazin. Photo: Bildstelle des Hochbauamts der Stadt Nürnberg.

2b) Ansicht des Marientors 1859—1891. Photo von Ferd. Schmidt. Bildstelle des Hochbauamts der Stadt Nürnberg.

3)

Ausschnitt Königstor bis Pegnitzeinlluß aus dem Generalbebauungsplan von 1873. Stadt­ archiv Nürnberg.

4a)

Projekt „Läufer Platz“ (jetzt Rathenauplatz). Aquarell von Georg Hutzelmeier 1876. Stadtmuseum Nürnberg.

+

4b)

A. Gnauth: Projekt „Bahnhofsplatz“ 1879. Druck bei Lothar von Faber, Die Zukunft Nürnbergs. 1 879.

5) A. Gnauth: Projekt „Partie beim Einfluß der Pegnitz“. Druck bei Lothar von Faber a. a. O. 1879.

6) Partie vom Frauentorturm zum Marientor mit Künstlerhaus, Baumeisterhaus und Stadtmauer.

7)

Partie der 15 96 modernisierten und jetzt gefährdeten Stadtmauer zwischen Frauen- und Marientor. Photo: Erich Mulzer.

8) Partie der Stadtmauer zwischen Frauen- und Marientor

Rückansicht. Photo: Erich Mulzcr.

(15.

Jh.).

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Tor ließ sich nun nicht mehr länger aufschieben, zumal die Zahl der Arbeiter der Cramer—Klett’schen Fabrik im Jahre 1866 schon 2000 erreichte39). An­ dererseits waren am Läufer Tor, dem bis dahin einzigen befahrbaren Stadt­ eingang von Osten her, infolge des steigenden Verkehrs bedenkliche Störun­ gen vorgekommen, so daß sich die beiden städtischen Kollegien noch im Jahre 1869 entschlossen, das Wöhrder Tor samt der daran stoßenden Bastei abzu­ brechen um hier eine breite Ausfahrt zu ermöglichen. Am 3. Dezember 1869 richteten sie an die Regierung von Mittelfranken ein Gesuch um Genehmigung „zur Herstellung einer Ausfahrt in der Verlängerung der Wöhrder-Torstraße unter teilweiser Einlegung der Bastei beim Wöhrder Tor" 40). Gleichzeitig baten sie um die Erlaubnis zur „Führung von Dämmen über den Stadtgraben anstelle der höchst defekten Brücken beim Läufer-, Max- und Neutor" 41), was die Einfüllung des Stadtgrabens an dieser Stelle bedeuten mußte. Als General­ konservator Dr. v. Hefner-Alteneck von dieser Absicht der städtischen Kol­ legien in Nürnberg erfuhr, machte er am 4. Dezember 1869 eine Eingabe an das Ministerium des Inneren, worin er der Absicht der Stadt Nürnberg, „den Durchbruch der altehrwürdigen Stadtmauern noch an verschiedenen Stellen fortzusetzen und den Stadtgraben auszufüllen" entgegentrat und „im dienst­ lichen Interesse und im Bewußtsein, daß viele Tausende, ja die ganze gebil­ dete Welt Deutschlands und des Auslandes derselben Ansicht sind" darum bat, „diesem Gesuch nicht stattgeben zu wollen" 42). Das Ministerium des Innern verständigte am 17. Dezember 1869 die Regierung von Mittelfranken von dieser Eingabe und erließ am 26. Dezember 1869 eine Entschließung an die Regierung des Inhalts, „daß, wenn in der Tat an einzelnen Stellen der Stadt­ mauer Durchbrüche geboten sein sollten, ein Vorgehen doch nur in der Art stattfinden möchte, daß die Eigentümlichkeit und Schönheit dieser Bauwerke so wenig als möglich beeinträchtigt und hierbei nicht das Gutachten der Bau­ behörden allein betrachtet werde" 43). Dem Nürnberger Magistrat dauerte übrigens die Verzögerung der Genehmigung zu lange und er wandte sich am 11. März 1870 über die Regierung von Mittelfranken mit einem Gesuch an den König mit der Bitte, „die Überdämmung des Grabens am Läufer-, Maxund Neutor sowie die Ausfahrt unter teilweiser Einlegung der Bastei am Wöhr­ der Tor zu genehmigen". Ein Teil der Bürgerschaft hat allerdings gerade gegen dieses letzte Projekt lebhaft protestiert und das Verfahren der Nürnberger Stadtbehörden einer scharfen Kritik unterzogen 44). Im „Fränkischen Kurier" erschien z. B. am 6. April 1870 unter der Überschrift „Die Posaunen von Jericho" ein Artikel, der sich sehr gegen diese Abbruchabsichten wandte45). Das Ministerium des Innern holte Gutachten des Generalkonservators Dr. v. Hefner-Alteneck und des 1. Direktors des Germanischen Nationalmuseums, 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45)

„100 Jahre Geschichte der MAN". Nürnberg 1940 (Graph. Darstellungen). Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 270/IIIa, Nr. 3640, S. 76 ebenda. ebenda, Ministerialentschließung v. 17. 12. 1869. ebenda, Ministerialentschließung v. 26. 12. 1869. J. P. Priem, Geschichte, S. 676. Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 270/IIIa, Nr. 3640. Ausschnitt aus d. Fränk. Kurier" v. 6. 4. 1870.

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Dr. v. Essenwein (als örtlichen Konservators der Nürnberger Kunstdenkmäler) ein, die übereinstimmend „den Bau von Steinbrücken an den drei Toren und auch eine Überbrückung am Wöhrder Tor unter Erhaltung der Bastei" vorschlugen 46). Der Magistrat von Nürnberg ließ am 27. August 1870 (also schon während des Krieges) ein neues Gesuch an die Regierung folgen, mit dem Hinweis, „daß der Stadtbaurat Solger den sicherheitsgefährlichen Zustand am Läufer- und Maxtor nicht mehr verantworten könne" 46a). Zu allem Unglück fiel auch noch Anfang September 1870 nördlich des runden Laufertorturmes ein Teil der Stadtmauer ein47); die Decke eines darunterliegenden Brauerei­ kellers hatte plötzlich dem Druck der darüberliegenden Stadtmauer nicht mehr standgehalten. An einen völligen Wiederaufbau der dortigen Mauerstrecke war natürlich im Emst kaum zu denken. Schließlich bestätigte auch der Kreisbaurat Jacobi (von der Regierung von Mittelfranken), daß die Brücken am Laufer­ und Maxtor tatsächlich erneuert werden müßten 48). Daraufhin genehmigte das Ministerium des Inneren am 4. Oktober 1870 „auf die Beschwerde der Stadt vom 11. März in Würdigung der von den Gemeindebehörden in Nürnberg geltend gemachten wirtschaftlichen Rücksichten sowie vorwiegend in Berück­ sichtigung der in der Stadt Nürnberg zur Zeit obwaltenden Verkehrs Verhält­ nisse a) die Ersetzung der dermaligen Stadtgrabenbrücken am Läufer-, Maxund Neutor durch Herstellung von Erddämmen über den Stadtgraben, b) die Herstellung einer dem gegebenen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Verbin­ dung der Stadt mit der Vorstadt Wöhrd durch Errichtung eines Dammes über den Stadtgraben in der Verlängerung der Wöhrder-Torstraße nach dem von den Gemeindebehörden beantragten Projekt mit Beseitigung des Wöhrder Torturms und der Wöhrder Torbastei unter der Bedingung, daß die großen Stein-Wappenschilder an geeigneter Stelle wieder eingesetzt werden" 49). Der Abbruch des Wöhrder Tores samt der Bastei wurde 1871/72 ausgeführt50). Die beiden steinernen Stadtwappen mit ihren barocken Kartuschen von 1614 hat man jedoch an den Basteien des Vestner Tores eingefügt, wozu König Ludwig II. am 7. Februar 1873 die Genehmigung erteilte51). Man wußte, daß es nicht bei diesem Abbruch bleiben würde. Daher hat auf Antrag des Magistratsrats Ernst Eckart (des Besitzers der Spitalapotheke) der Magistrat am 22. Dezember 1871 einstimmig beschlossen, durch das Stadt­ bauamt einen Generalplan für alle etwa künftig nötigen und beabsich­ tigten Einlegungen von Partien der Stadtumwallung aufstellen zu lassen, nach dem auch bei der Anlage neuer Straßen vorgegangen werden sollte 52). Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach dem siegreichen Kriege von 1870/71 die so­ genannte Gründerzeit angebrochen war. Ein bemerkenswerter wirtschaftlicher Aufschwung war die Folge, die Einwohnerzahl ist sprunghaft gestiegen, von 46) ebenda, Ministerialreskript an die Reg. v. Mfr. v. 4. 9. 1870. 46a) ebenda, Gesuch des Magistrats v. 27. 8. 1870. 47) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 56. 48) Staatsarchiv Nbg., Rep. 270/IIIa, Nr. 3640 (Gutachten des Kreisbaurats). 49) ebenda, Ministerialreskript v. 4. 9. 1870. 50) Stadtarchiv, Stadtchronik. Zum 18. Jan. 1872, S. 711. 51) Staatsarchiv Nbg., Rep. 270/IIIa, Nr. 3640, Notiz v. 27. 2. 1873. 52) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 53 (Plenarbeschluß des Stadtmag. v. 22. 12. 1871).

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62 000 im Jahre 1864 auf 100 000 im Jahre 1880 53). Es mußte also etwas geschehen hinsichtlich der besseren Verbindung der Altstadt mit den neuen Vorstädten. Dazu kam, daß besonders die Bewohner (vor allem die Haus­ besitzer) der Gegenden in unmittelbarer Nähe der Stadtmauer den Magistrat in diesen Jahren geradezu bombardierten mit Gesuchen um die Niederlegung weiterer Strecken der Stadtmauer, unter Anführung der verschiedensten Gründe, meist wirtschaftlicher, verkehrstechnischer, auch sanitärer Art. Die städtischen Kollegien waren in keiner beneidenswerten Lage. Vor allem war ein neues Straßensystem und die Festlegung der Baulinien vor den Toren nötig. Und so haben Stadtmagistrat und Gemeindekollegium zunächst um die Genehmigung zur Einlegung der Stadtumwallung zwischen Läufer- und Wöhrder Tor am 18. Mai 1874 nachgesucht54), die bereits am 30. Mai 1874 erteilt worden ist55). Mit dem Abbruch der Mauer und mit der Einfüllung des Grabens wurde sofort begonnen und an dieser Stelle eine Anlage geschaffen, auch ein Schulhaus gebaut, das sdion 1876 nahezu vollendet war (es ist dem 2. Welt­ kriege zum Opfer gefallen). Im übrigen wollte man bei den künftigen Ein­ legungen nach dem Generalplan des Stadtbauamtes Vorgehen — und der war allerdings für die konservativ eingestellten Kreise der Bürgerschaft alarmierend. Er hat nämlich zur Einlegung vorgesehen: die gesamte Stadtumwallung vom Maxtor aus ringsum nach Osten, Süden, Westen und Norden bis zur Aus­ mündung der Schlotfegergasse, wobei eventuell die kleine Strecke zwischen den beiden Pegnitzarmen beim Einlauf und die Partie vom Spittlertor zum Fürther Tor stehenbleiben sollte, andererseits aber auch schon der Abbruch der Um­ wallung zwischen Westtor und Pegnitzauslauf in Erwägung gezogen war 58). Eine gemischte Kommission, der außer den beiden Bürgermeistern noch ein Rechtsrat, der Stadtbaurat, vier Magistratsräte und acht Gemeindebevoll­ mächtigte angehörten, hat am 1. Juni 1875 mit allen gegen zwei Stimmen folgenden Beschluß gefaßt: „Grundsätzlich von der Zerstörung ausgeschlossen bleiben l) die ganze Strecke der Befestigungswerke vom Tiergärtner Tor, an der Burg vorüber bis zu einer noch näher zu bestimmenden Stelle zwischen Kaiserstallung und Maxtor! 2) die vier runden Türme beim Läufer-, Frauen-, Spittler- und Neutor" 57). Bürgermeister Seiler und Gemeindebevollmächtigter Uhlig wollten außerdem noch die Waffenhöfe vor den vier runden Tortürmen erhalten wissen 58). Das war allerdings sehr wenig. — So hat denn die Stadtverwaltung bei der Regierung im gleichen Jahr 1875 die Einlegung weiterer großer Strecken der Stadtumwallung beantragt und auch die Genehmigung dazu erhalten. Am 17. April 1875 genehmigte die Regierung die Einlegung der Strecke vom Pegnitzeinlauf (nördlicher Arm) bis zum Wöhrder Tor und am gleichen Tag auch die Einlegung der Strecke vom Pegnitzeinlauf (südlicher Arm) bis zum Marientor59). Die Einlegung der 53) M) 55) 50) 57) 58) 50)

Nürnberger Adreßbuch v. 1880. — J. P. Priem, Geschichte, S. 653, 693. Staatsarchiv Nbg., Rep. 270/IIIa, Nr. 3640. Gesuch des Stadtmagistrats v. 18. 5. 1874. Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 58. Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 53 (Generalplan). ebenda, Kommissionbeschluß v. 27. 5. 1875. ebenda. ebenda, Eintragung im Generalplan.

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gesamten Umwallung zwischen Frauentor und Spittlertor wurde auf Grund eines entsprechenden Gesuches der städtischen Kollegien vom 22. August 1875 60) durch die Regierung am 1. Oktober 1875 genehmigt81). Nur die Er­ haltung der großen runden Türme und zunächst auch der gesamten sogenann­ ten Waffenhöfe war dabei der Stadt von der Regierung zur Pflicht gemacht worden. Am 16. Februar 1876 stellten die städtischen Kollegien an die Re­ gierung das Gesuch um die Erlaubnis zur Einlegung der Stadtmauer zwischen Laufertor und Maxtor 62). Kreisbaurat Jakobi befürwortete das Gesuch mit dem Vermerk: „Technischerseits keine Erinnerung" 63). Der Abbruch dieser Strecke wurde von der Regierung am 9. Januar 1877 tatsächlich genehmigt84). — Auf Grund des Gesuches der Stadt vom 10. Februar 1876 traf schließlich am 22. Januar 1877 in Nürnberg die Regierungsentschließung ein, daß auch die Waffenhöfe am Läufer-, Frauen- und Spittlertor abgebrochen werden durf­ ten65). Lediglich noch die großen runden Türme waren von der Genehmigung ausgenommen. Weiter hieß es in der Regierungsentschließung: „Es wird er­ wartet, daß nach Einlegung dieser Waffenhöfe für eine entsprechend schöne Gestaltung der Umgebung der runden Türme nach Maßgabe der vorgelegten Zeichnung Sorge getragen wird". Wie es um diese schöne Gestaltung bestellt war, geht aus der noch im Original erhaltenen aquarellierten Zeichnung des städtischen Baubeamten Georg Hutzelmeier hervor, die den Platz am Läufer Tor in seiner damaligen Planung zeigt66). Der Magistrat glaubte, daß ihm die Vorlage der ursprünglich von der Regierung ebenfalls verlangten Entwurfs­ zeichnungen des Bahnhofplatzes und des Plärrers erlassen werden könnte, weil deren Aussehen dem des Laufertores ganz ähnlich würde 67). Die Regierung war auch damit einverstanden. Wahrscheinlich angeregt durch diese künstlerisch wenig befriedigenden Entwürfe der Stadtverwaltung für die Neugestaltung der Plätze vor den Haupt­ toren hat im Jahre 1879 Lothar Frhr. v. Faber, der Besitzer der bekannten Bleistiftfabrik in Stein und Ehrenbürger der Stadt Nürnberg, eine illustrierte Druckschrift herausgegeben über „Die Zukunft Nürnbergs" 68). Seine Vor­ schläge waren nicht etwa gemäßigter, sondern eher noch radikaler als die der Reformer in der Stadtverwaltung. Nach seinem Plan wäre außer der Partie um die Burg und den großen runden Tortürmen nicht mehr viel von der Umwallung übriggeblieben; an deren Stelle wäre eine Straße mit sogenannten Prachtbauten im Stile der Neo-Renaissance und Grünanlagen entstanden. Für die Entwürfe der projektierten Bauten hatte er den damaligen Kunstschuldirektor Gnauth zu einem Gutachten gewonnen, das ganz im Sinne von Fabers gehalten war. 60) 61) 82) 63) 64) 65) 66) 67) ®8)

Staatsarchiv Nbg., Rep. 270/IIIa, Nr. 3640. Gesuch des Stadtmagistrats v. 22. 8. 1875. Stadtarchiv, IHd ld, Nr. 53 (Regierungsentschließung v. . 10. 1875). Staatsarchiv Nbg., Rep. 270/IIIa, Nr. 3640, S. 244. ebenda. ebenda, S. 265. Stadtarchiv, IHd ld, Nr. 53 (Regierungsentschließung v. 22. 1. 1877). Originalzeichnung im Altstadtmuseum (Fembohaus). Stadtarchiv, IHd ld, Nr. 53 (Ansuchen des Stadtmagistrats v. 10. 2. 1876). Lothar Frhr. v. Faber, Die Zukunft Nürnbergs. Nürnberg 1879.

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Auch Direktor Gnauth wollte von der Umwallung nur die Umgebung der Burg, die vier runden Tortürme und allerdings noch die Befestigungen beim Ein- und Auslauf der Pegnitz stehen lassen, sprach von Prachtbauten an der Ringstraße und besonders von einer würdigen Gestaltung des Bahnhofplatzes, deren Art mehr durch Bilder der Gnauth’schen Entwürfe, als durch Worte erläutert werden kann. Lothar von Faber hat in seiner Denkschrift behauptet: „Ja, ich müßte es geradezu für ein Verbrechen an der Zukunft unserer Stadt halten, wenn unser Stadtgraben nicht zu diesem Zweck verwendet würde" 6Ö). Von Faber und Direktor Gnauth waren eben Kinder ihrer Zeit. Der Wirrwarr aller Stilrichtungen, das Repräsentationsbedürfnis haben damals genau dem ent­ sprochen, was in der Architektur zur permanenten Schau gestellt worden ist. Weite Kreise waren stolz auf das Wachsen des Verkehrs, auf die Zunahme der Industrie, auf die Breite der Straßen, den großstädtischen Charakter hoher Fassadenentwürfe, kurz, auf alles, was man unter dem Wort „Fortschritt" zusammenfassen konnte 70). Und doch ist dieses Projekt hier nicht ausgeführt worden. Es ist anders gekommen. Schon als am Ende des Jahres 1865 das Gemeindekollegium einstimmig beschlossen hatte, die Aufhebung der Festungseigenschaft Nürnbergs zu be­ antragen und die Erlaubnis zum Einlegen der Stadtumwallung zu erbitten, hat der Magistrat diesem Beschluß nur bezüglich der Aufhebung der Festungs­ eigenschaft einmütig zugestimmt, dem Antrag auf Einlegung der Umwallung aber nur mit knapper Mehrheit. Hatten sich schon damals, wie der Stadt­ chronist Johann Paul Priem in seiner amtlichen Chronik bemerkt, auswärts und innerhalb der Stadt Stimmen erhoben 71), die die Einlegung der Umwallung als „Barbarei" bezeichneten, so sind diese Stimmen in den folgenden Jahren, als 1869 die erste Bresche in die Umwallung an der Stern- und Grasersgasse ge­ schlagen wurde, immer lauter geworden und am 22. Februar 1871 hat der Stadtchronist den Eintrag gemacht: „Da dieser Tage an der Wöhrder Torbastei das Einreißen begann, erschien im „Fränkischen Kurier" ein Aufsatz für die Erhaltung derselben. Der Magistrat aber ging nicht darauf ein, sondern setzt das Werk der Zerstörung eifrig fort und da überhaupt der Mauergürtel zer­ rissen, so ist der schöne Wahn entzwei und Nürnberg verliert sein altes, ehr­ würdiges Aussehen und wird eine neue Stadt, wie andere auch" 72). So, wie Priem, haben viele gedacht, aber sie waren doch in der Minderzahl. Besonders die Kreise der Wirtschaft, Gewerbe, Handel und Industrie, waren für das Ein­ legen der Umwallung. Und so mußten für deren Erhaltung andere Kräfte wir­ ken. Nachdem in der Mitte der 1870er Jahre schon die Regierungsgenehmigung für die Hälfte der gesamten Umwallung erteilt war, hat sich der 1. Direktor des Germanischen Nationalmuseums, Dr. v. Essettwein, eingeschaltet in seiner Eigenschaft als vom bayerischen Staat aufgestellter Konservator der Nürnberger Kunstdenkmäler, dessen Befugnis allerdings mehr moralischer Art war. Er hat in einer Eingabe an den Stadtmagistrat vom 27. Mai 1875 auf seine Pflicht 69) 70) 71) 72)

ebenda, S. 3 und 4. Fritz Schumacher, Strömungen in deutscher Baukunst seit 1800. Leipzig 1938, S. 92. Stadtarchiv, Stadtchronik. Zu 1866, S. 329. ebenda, Zum 22. Feb. 1871, S. 637.

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hingewiesen73), der bei der Demolierung der Nürnberger Stadtumwallung immer wieder geäußerten Meinung entgegenzutreten, daß diese Umwallung weder künstlerischen noch historischen Wert habe. Es handle sich vielmehr um ein in jeder Beziehung kostbares Erbe und man dürfe bei Veränderungen oder gar Einlegungen kleiner Partien keinen Schritt weiter gehen, als es das unabweisliche Bedürfnis gebietet. Die Nürnberger Umwallung sei eines der wich­ tigsten in Deutschland erhaltenen Denkmäler der Geschichte und vor allem der Kriegsbaukunst vom 14. bis 16. Jahrhundert. In dem Antwortschreiben auf diese Eingabe Dr. v. Essenweins hat die zuständige Kommission des Ma­ gistrats und der Gemeindebevollmächtigten am 27. Mai 1875 dessen Gründe für die Erhaltung der Stadtumwallung anerkannt und auf einen Beschluß des Magistrats hingewiesen, „mit der Einlegung nicht rascher vorzuschreiten, als es das unbedingte Bedürfnis erfordert“. Im übrigen dürfe aus einem Beschluß, daß einzelne Teile der Umwallung unter allen Umständen erhalten werden sollen, keineswegs gefolgert werden, daß die Einlegung der anderen schon beschlossene Sache sei und außerdem habe die Stadt ja über große Teile der Umwallung noch gar keine freie Verfügungsgewalt74). Es war also immer­ hin schon ein Rückzug, den die Stadtverwaltung in dieser Frage angetreten hat. Schärfer, als die Eingabe Essenweins, waren Angriffe, die in der Presse und zwar in ganz Deutschland um diese Zeit immer wieder gegen das Einlegen der Nürnberger Stadtumwallung gerichtet worden sind. Nur auf ein besonders bezeichnendes Beispiel möge hier etwas eingegangen werden. Am 28. Novem­ ber 1875 hat ein Hermann Allmers in der „Weserzeitung“ und am 18. De­ zember 1875 in der Weimarischen Zeitung einen Artikel veröffentlicht, der auch von zahlreichen anderen Blättern übernommen worden ist, im Auszug auch in Nürnberg unter dem Titel „Die Mauernbrecher von Nürnberg“ 75). Der Verfasser führte darin aus: „Wenn ehrwürdige und bedeutsame Baudenkmale der Vergangenheit endlich den Witterungseinflüssen zum Opfer fallen, so fü­ gen wir uns in das Unabwendbare. Wenn aber wichtige, ja einzigartige Kultur­ denkmale gänzlich ohne Not, sondern eigentlich nur aus bloßer Modemierungssucht vernichtet werden, so darf man das als eine schmachvolle Freveltat be­ zeichnen. Und eine solche begeht jetzt Nürnberg, indem es seinen herrlichsten Schmuck, ein wahres Unikum altdeutscher Befestigungskunst, .. seine alten Stadtmauern niederzureißen im Begriffe ist. Zwar scheint man ein gewisses Schamgefühl dabei nicht ganz unterdrücken zu können, denn man schiebt allerlei Gründe vor, sich zu rechtfertigen, aber die Triebfedern lassen sich nicht so leicht verdecken und diese sind einerseits das unsinnige Streben, aus der alten Reichsstadt, und koste es was es wolle, eine moderne zu machen, anderer­ seits, und etwas versteckter, die Spekulation auf Bauplätze, mit anderen Wor­ ten, das Geldmachen . . Wird die Stadt durch die Mauern beengt? Wird Woh­ nungsnot hervorgerufen? Ganz und gar nicht! .. Auch der Verkehr wird nicht durch sie behindert. Gesundheitsrücksichten gebieten ebenfalls nicht den Fall —

73) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 55 (Eingabe Dr. v. Essenweins v. 25. 5. 1875).

74) ebenda, Kommissionsbeschluß v. 27. 5. 1875. 75) ebenda, Artikel der Weserzeitung v. 28. 11. 1875 und der Weimarischen Zeitung v. 19.

12. 1875.

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der Mauern, sie verwehren nicht dem Licht und der Luft den Zutritt, denn die Häuser sind höher. . In Nürnbergs stolzer Mauerkrone besitzt nicht nur diese Stadt, sondern auch Deutschland ein herrliches Baudenkmal einziger Art. Deutschland darf dessen Erhaltung geradezu fordern, hierzu hat es die Pflicht.. Daher seien alle Freunde und Pfleger deutscher Kulturgeschichte dringend aufgefordert,. einen Verlust zu verhüten, eine Schmach abzuwenden, . . die zum Himmel schreit. .“ Die Wirkung solcher Artikel war damals, vor 93 Jahren, größer und nachhaltiger, als das heute bei Pressemeldungen der Fall ist. Man ist dadurch in Nürnberg in dieser Angelegenheit vorsichtiger, zaghafter ge­ worden. Wesentlich war dabei auch, daß solche Mahnungen und Angriffe in diesen Jahren immer und immer wieder vorgetragen worden sind. Im August 1877 hat z. B. der Ausschuß des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Nürnberg getagt anläßlich der Feier des 2 5 jährigen Be­ stehens des Germanischen Nationalmuseums. Er hat am 18. August in der Stadtmauerfrage eine Resolution beschlossen und dem Nürnberger Magistrat übermittelt, worin ausgeführt war76), daß die einstige hohe Blüte Nürnbergs ihren Ausdruck findet „nicht so sehr in den kirchlichen Denkmälern, mehr schon in seinen bürgerlichen Wohnhäusern, vor allem aber in den prachtvollen Wehrbauten, die es umschlossen haben. Sie sind es, die mehr, als in irgend einer anderen Stadt nicht nur in ihrer Gesamtanlage, sondern in der überaus großen Mannigfaltigkeit ihrer Einzelheiten Zeugnis geben von jenen Meistern, die sie schufen . . und die der Stolz der Stadt wie des Vaterlandes sind .. Nürn­ berg steht nicht sich und seinen Enkeln allein gegenüber und wenn es auch das Recht in Anspruch nimmt, Herr zu sein in seinem Hause, so ist es darin beschränkter als das erste beste Landstädtchen, denn anerkennen muß es das Recht, das Interesse und die Liebe, die jeder Deutsche dieser Stadt entgegen­ bringt, die ein so wertvolles Stück Deutschlands ist. Ihr Adel verpflichtet sie/ Daher muß der Verein der Stadt zwar das Recht einräumen, dort, wo Verkehrs­ und Gesundheitsrücksichten es unbedingt verlangen, die Mauern zu duTchbrechen, für Unrecht gegen die Stadt und Deutschland aber müßte er es er­ klären, wenn eine rücksichtslose Niederlegung der Umwallung oder eine Schä­ digung der Torzwinger geplant wäre". — Der Magistrat hat auf diese Reso­ lution heftig reagiert und am 24. August 1877 folgenden Plenarbeschluß ge­ faßt77): „Sowohl die bisherigen Beschlüsse der städtischen Kollegien auf Niederlegung einzelner Mauerstrecken, als auch die prinzipielle Beschlußfas­ sung darüber, wie hinsichtlich der Einlegung der Mauerstrecken in Zukunft verfahren werden soll, hat für jeden Unbefangenen den Beweis liefern müssen, daß eine rücksichtslose Niederlegung der Stadtmauer weder stattgefunden hat noch auch beabsichtigt ist. Insbesondere ist durch die übereinstimmenden Be­ schlüsse beider städtischer Kollegien die Erhaltung der Mauerstrecke vom Spitt­ lertor, dem West-, Haller-, Neuen- und Tiergärtnertor, am Vestnertor vorüber bis östlich von der Kaiserstallung kommenden Generationen gesichtert Damit war aber zugleich ein Beschluß gefaßt, der bis dahin gar nicht so selbst76) ebenda, Resolution des Verwalt.-Ausschusses des Gesamtvereins v. 20. 8. 1877. 77) ebenda, Plenarbeschluß des Stadtmagistrats v. 24. 8. 1877.

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verständlich gewesen ist und vielleicht manchem in seiner Tragweite gar nicht sofort zum Bewußtsein kam, nämlich die Erhaltung der gesamten westlichen und nördlichen Strecke der Stadtumwallung. — Das Gemeindekollegium, dem die Resolution des Gesamtvereins ebenfalls zugeleitet wurde, hat darüber in einem Plenarbeschluß am 28. August 1877 die Ansicht ausgesprochen, „daß nach Lage der Dinge und bei der aus den Akten ersichtlichen Stellung der städtischen Kollegien zu dieser Sache dem genannten Verein die Berechtigung zur Abgabe dieser Entschließung abgesprochen werden müsse" 78). Durch solche, Jahre hindurch immer wieder, besonders auch in der Presse vorgetragene Mahnungen waren die Freunde der Niederlegung der Nürnberger Stadtumwallung, wie erwähnt, bereits in den 1870er Jahren in die Defensive gedrängt, vor allem auch, weil diese Angelegenheit in ganz Deutschland Auf­ sehen erregt hatte. Ja selbst bis in den Deutschen Reichstag hat die Frage der Nürnberger Stadtmauern Wellen geschlagen. In dessen Sitzung vom 7. Februar 1883 hat anläßlich der Beratung über eine Mittelbewilligung für kulturelle Zwecke der Abgeordnete von Bühler (Öhringen) ausgeführt79): „Ich möchte diesen Anlaß benützen, um dem Beklagen Ausdruck zu geben, daß, während man namhafte Summen für die Sammlung und Erhaltung kleiner Altertümer ausgibt, der Magistrat der Stadt Nürnberg begonnen hat, große alte Bauwerke, Mauern und Türme niederzulegen und Gräben auszufüllen .. Ich bitte den Magistrat von dieser Stelle aus, der Demolierung Einhalt zu tun und der Stadt, einem Juwel Deutschlands, ihre Mauern sorgsam zu bewahren". — Darauf hat der Abgeordnete Dr. Günther (Berlin) allerdings erwidert80): „Ich., möchte betonen, daß die Sache nicht ganz so schlimm steht, wie man nach den Aus­ führungen des Herrn Vorredners meinen könnte. Ich fordere Sie auf, sich gelegentlich in Nürnberg selbst davon zu überzeugen, daß die unumgänglichen Anforderungen der Hygiene und Volkswirtschaft zur Zeit noch mit den An­ forderungen der Romantik in Nürnberg zu einem ganz guten Ausgleich ge­ bracht sind und möchte dafür plädieren, daß dieser Ausgleich auch für die Folgezeit aufrecht erhalten wird Noch einige Jahre später, 1886, ist der besonders charakteristischen Strecke zwischen Köchertszwinger und Mohrentor die Gefahr der Einlegung entstanden, als für die Bewohner der Schlotfegergasse und Umgebung eine Ausfahrt zum Ring geschaffen werden sollte. Damals hat die Nürnberger Künstlerschaff eine Petition an den Stadtmagistrat gerichtet, worin zwar die Notwendigkeit eines Ausgangs an dieser Stelle mit einer „Überdämmung" oder Überbrückung an­ erkannt wurde, jedoch „ohne die Perle unserer malerischen Ansichten zu rui­ nieren" und worin die Bitte ausgesprochen war, „allem Andrängen ungeachtet .. die Integrität der Stadtmauerpartie vom Köchertszwinger bis an das Mohren­ tor aufrecht erhalten zu wollen" 81). Die Urkunde war künstlerisch gestaltet und von dem Maler Lorenz Ritter mit einer Ansicht der betreffenden Mauer78) ebenda, Beschluß des Gemeindekollegiums v. 28. 8. 1877. 79) ebenda, Amtl. Bericht über die 47. Sitzung des Deutschen Reichstags am Montag, den 7. 2. 1883, Seite 1319. 80) ebenda, Seite 1319. 81) Germ. Nationalmuseum, Graph. Sammlung, Hist. Blätter, Kapsel 1067 (Hz. 2249).

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teile geschmückt. 52 Nürnberger Künstler haben sie unterzeichnet, darunter alle, die sich einen Namen gemacht hatten, besonders auch die Professoren der Staatlichen Kunstgewerbeschule. Die bekannte Stadtmauerpartie ist ja dann glücklicherweise erhalten geblieben. Das alles hatte letzten Endes zur Folge, daß Magistrat und Gemeindekollegium von der 1875 und 1877 erteilten Regierungsgenehmigung zum Ein­ legen der Süd- und Ostseite der Umwallung gar keinen Gebrauch mehr ge­ macht haben. Nur noch den Abbruch der Strecke zwischen Pegnitzeinlauf und Katharinengasse hat man 1875/76 durchgeführt und von den drei 1877 zum Abbruch genehmigten Waffenhöfen am Läufer-, Frauen- und Spittlertor ist nur der am Laufertor 1878—18 80 wirklich beseitigt worden 82). Da aber die Bevölkerung weiterhin in raschem Ansteigen war — sie hatte um 1890 schon etwa 135 000 erreicht — wurden vor allem die Durchlässe an den Haupttoren sehr bald zu klein. Hier mußte Abhilfe geschaffen werden. Doch man hat sich damit begnügt, die zwischen 1848 und 1866 neugeschaffe­ nen Tore einzulegen83): im Jahre 1877 ist das Maxtor beseitigt worden, 1879 folgte das Mohrentor, 1891 das Färbertor und das Marientor, 1892 das Königstor, 1893 das Ludwigstor. An ihrer Stelle ist überall eine breite Straßen­ öffnung entstanden, die alte Substanz der Umwallung aber unversehrt geblie­ ben. Nur noch einmal hat der Magistrat eine kleine Mauerstrecke niederlegen lassen, nämlich 1881/82 am westlichen Ende des Maxplatzes, nördlich des Hallertürleins, das aber selbst bis heute erhalten geblieben ist84). Dies war freilich auch darin begründet, daß die hohen Stellen des Staates nun mit den Genehmigungen zur Einlegung von Teilen der Nürnberger Stadt­ umwallung nicht mehr ganz so freigebig waren wie vorher. Schon am 1. Au­ gust 1876 hatte das Ministerium des Inneren an die Regierung von Mittelfran­ ken die Weisung gegeben, „jedes weitere Gesuch um die Genehmigung der Niederlegung von Stadtmauerteilen und Toren in Nürnberg . . vor seiner Wür­ digung und Bescheidung seitens der Regierung . . samt den Akten und Plänen an das Staatsministerium des Inneren in Vorlage zu bringen“ 85). Das Ministe­ rium holte aber seit Ende der 1870er Jahre bei jeder vorgesehenen Verände­ rung an der Nürnberger Stadtumwallung immer erst ein Gutachten des General­ konservators ein, das nun auch wirklich für die Entscheidung maßgebend wurde. Am 14. September 1886 schrieb z. B. der Generalkonservator (es war damals der bekannte Kulturhistoriker Prof. Dr. Wilhelm Heinrich Riehl) an die Re­ gierung von Mittelfranken, er habe die geplante Veränderung am Ludwigstor dem Ministerium des Innern vorgelegt, das durch Reskript vom 11. September sein Einverständnis erklärte, mit dem Zusatz: „nur dürfte es sich empfehlen, gegen die Fortsetzung der Stadtgrabeneinfüllung, welche den Befestigungsresten allen Charakter nimmt, noch nachdrücklicher zu protestieren“ 86). — 82) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 53. 83) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 33, 40, 57. — Schrötter, Geschichte der Stadt Nürnberg, 1909. Seite 313. 84) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 69. 85) Staatsarchiv Nbg., Rep. 270/IIIa, Nr. 3640, S. 251. 86) ebenda, S. 323.

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Andererseits sind besonders von den Bewohnern der Straßen und Gassen in der Nähe der Stadtmauern weiterhin ständig wiederholte Gesuche an den Magistrat gerichtet worden mit der Bitte um Abbruch der Stadtmauer oder wenigstens um eine Ausfahrt bzw. einen Ausgang aus ihrer Gegend zum Ring. Den Abbruch einer ganzen Mauerstrecke haben sie in keinem Fall erreicht, wohl aber die Schaffung von Durchlässen. So wurde schon 1882 die Ausfüh­ rung eines Mauerdurchbruchs und die „Überdämmung" des Stadtgrabens am Südende der Kartäusergasse 87), neben dem Germanischen Museum, beschlossen — unter Erhaltung der Mauer samt Wehrgang. Die ganze Umwallung mit Graben zwischen Kartäusergasse und Grasersgasse ist übrigens im gleichen Jahr 1882 von der Stadt dem Germanischen Nationalmuseum zur Benützung über­ lassen worden 88). Ein weiterer Durchlaß für Fußgänger ist im Jahre 1887 auf vielfaches Ver­ langen der Anwohner vom Hübnersplatz 8ö) zum Ring (am Laufertorgraben) beschlossen und 1892 hergestellt worden. — Dann haben die Bewohner der Engelhardsgasse und Umgebung 90) 1893 eine Ausfahrt zum Frauentorgraben erhalten, das sogenannte Jakobstor; hier wurden (nach Auffüllung des Gra­ bens) beiderseits eines Mauerturms zwei rundbogige Stadtmauernischen durch­ brochen; 1913 sind daneben noch zwei kleine Durchlässe für Fußgänger ent­ standen 91). Und schließlich ist 1894 noch die Schlotfegergasse durch den Durch­ laß des sogenannten Fürther Tores mit dem Spittler torgraben verbunden wor­ den 92). In allen diesen Fällen 92a) hat man unter bestmöglicher Schonung der alten Substanz eine verhältnismäßig günstige Lösung angestrebt. Damit war — vor immerhin schon fast 7V2 Jahrzehnten — die Epoche des Stadtmauereinlegens und Grabenauffüllens in Nürnberg für lange Zeit vor­ über. Daß der Magistrat nun jeden unnötigen Abbruch vermieden hat, sollte sich schon im Jahre 1895 erweisen. Damals hat der Rektor der Baugewerk­ schule den Antrag gestellt, eine kleine Strecke der Stadtmauer unmittelbar südlich der Lorenzerstraße und dazu den Turm „blaues K" abzubrechen, um dem gegenüberliegenden Schulgebäude besseres Licht zu verschaffen. Der Ma­ gistrat hat das Gesuch am 26. November 1895 einstimmig abgelehnt mit der Begründung, daß es „keineswegs in der Absicht des Magistrats liegt, an dem dermaligen Bestand der alten Stadtbefestigung ohne unabweisbar zwingende Gründe weitere Veränderungen eintreten zu lassen" 93). (Das Schulgebäude dort ist im 2. Weltkrieg zerstört worden, der Turm „blaues K", der später die Hausmeisterwohnung der Fränkischen Galerie aufgenommen hat, steht noch heute). Nun begann eine Epoche, in der man sich bemüht hat, die Nürnberger 87) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 53 (Gutachten der Baukommission v. 23. 2. 1882 und Plenarbeschluß des Stadtmagistrats v. 24. 2. 1882). 88) „Das Germanische Museum“. Jubiläumsfestschrift 1902, S. 108. 89) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 70. 90) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 52. 91) ebenda 92) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 71. !>2a) Sie bedurften sämtlich der ministeriellen Genehmigung. 93) Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 60.

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Stadtumwallung vor weiterem Verfall zu bewahren. Es sind immer wieder dringend notwendige Reparaturen vorgenommen und im ganzen nicht uner­ hebliche Mittel dazu aufgewandt worden. Im Jahre 1912 hat der Magistrat z. B. zur Erhaltung bzw. Restaurierung der Inschriften und Jahreszahlen an den Stadtmauern 1700 — Mark genehmigt94). Diese kleinen Restaurierungen ha­ ben im zweiten und dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ihre Fortsetzung gefunden. Wo größere Veränderungen nötig waren, wie z. B. beim Neubau der „Kunsthalle" und des gegenüberliegenden Gebäudes am Marientor, 1913, hat man immer eine der Umwallung würdige Lösung versucht. In die 1930er Jahre fällt dann noch eine systematische Restaurierung der Stadtmauer. Da sind z. B. die allzu üppig wuchernden Bäume und Sträucher entfernt worden, deren Wurzeln das Mauerwerk zerklüftet und große Zerstörungen verursacht hatten. Diese Schäden wurden behoben, aber auch sonst weite Mauerstrecken gründlich instandgesetzt, vor allem die Basteien, Zwinger, Waffenhöfe und Wehrgänge restauriert und von störenden Einbauten des 19. Jahrhunderts befreit. Dies gilt z. B. auch für die sogenannte Fronfeste am Hallertor 95) und die Burg. Dann sind bekanntlich im 2. Weltkrieg auch an der Stadtumwallung schwerste Zerstörungen entstanden. Von den 84 bis dahin noch erhaltenen Türmen waren 14 total zerstört, die übrigen fast sämtlich mehr oder weniger schwer beschädigt; 90% des Wehrgangs waren vernichtet, 25% der 3700 Meter bis Kriegsbeginn noch erhaltenen Mauern zerstört oder beschädigt96). Aber man darf wohl sagen, daß auch hinsichtlich der Restaurierung der Stadt­ umwallung in den letzten zwanzig Jahren Großes geleistet worden ist. Rund 60 Türme sind völlig wiederhergestellt, 8 weitere tragen Notdächer. Auf den Wiederaufbau der total zerstörten Türme muß zwar verzichtet werden, doch ist der weitaus größte Teil der Mauern und Basteien wiedererstanden, die Umwallung zeigt noch ihr altes Gesicht, ja ihr Gesamteindruck ist eher noch stär­ ker und unmittelbarer geworden. 2V2 Kilometer Stadtgraben (also 50%) sind noch in der alten Breite und Tiefe erhalten 97). Und wenn wir auch die Ver­ engung des Stadtgrabens an der Süd- und Ostseite schmerzlich empfinden, so sollten wir doch nicht vergessen, daß ja diese ganzen Partien 1875 schon ein­ mal mit Regierungsgenehmigung der völligen Zerstörung geweiht waren und nur durch das Eintreten weiter Kreise, vor allem auch der Presse und der für die Denkmalpflege Zuständigen gerettet werden konnten. — Eineinhalb Jahr­ hunderte Geschichte der Nürnberger Stadtumwallung sind nun an uns vorüber­ gezogen. Es lag an besonderen Umständen, daß diese Umwallung länger als in anderen großen Städten völlig intakt geblieben ist. Als dann 1866 die Festungseigenschaft aufgehoben war und die ersten Breschen geschlagen wur­ den, ist man sich in weiten Kreisen nicht nur Nürnbergs, sondern ganz Deutschlands, sowohl dieser Ausnahmestellung wie auch der Bedeutung gerade der Nürnberger Umwallung bewußt geworden. Lange Jahrzehnte hindurch 94) 95) 96) 97)

Stadtarchiv, Illd ld, Nr. 83. „Die Erneuerung der Altstadt in Nürnberg". Nürnberg 1937 und 1941 (1. und 2. Folge). H. H. Hofmann, Die Nürnberger Stadtmauer, Nürnberg 1967, S. 98. ebenda, S. 99.

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wurde in vielen diesbezüglichen Eingaben, Presseartikeln, Berichten und Gut­ achten immer wieder festgestellt, daß die Nürnberger Stadtumwallung eine Einheit bildet und als Ganzes ein Werk ersten Ranges darstellt, eines der be­ deutendsten Kunst- und Kulturdenkmäler Deutschlands, und vor allem, daß die Erhaltung dieses Denkmals eine kulturelle Angelegenheit ganz Deutsch­ lands ist, daß aber dieser hohe Rang einer „gesamtdeutschen Angelegenheit“ gerade der Stadt Nürnberg eine besondere Verpflichtung auferlegt. Die Umwallung ist von entscheidender Bedeutung für das „image“ der Stadt. Sie bildet gleichsam den würdigen Rahmen für deren so reiche Kunst­ schätze aus vergangenen Jahrhunderten und macht damit Nürnberg im wahr­ sten Sinne erst zu dem vielgerühmten „Schatzkästlein“ Deutschlands. Auch heute sind die Probleme beim Streit um die Nürnberger Stadtum­ wallung noch die gleichen wie schon vor hundert Jahren. Die Verpflichtung der Stadt für die Erhaltung dieses Denkmals ist geblieben; und wenn nun die Aufgabe entsteht, am Frauentor und Marientor Altes mit Neuem zu verbinden, so muß diese Aufgabe pietätvoll in Angriff genommen und es muß versucht werden, eine bestmögliche, befriedigende Lösung zu finden.

Quellen Bayer. Staatsarchiv Nürnberg Repertorium 270/IIIa (Regierung, K. d. I., Abg. 1952), Nr. 3640, 3646, 7167 Repertorium 271/V (Regierung, K. d. F., Abg. 1937) Handakt V/1194 Stadtarchiv Nürnberg Akten des Stadtmagistrats, Kommunalregistratur, Titel Illd id Plenarsitzungsprotokolle des Stadtmagistrats Stadtchronik

Verzeichnis der Abbildungen l) Gg. Christoph Wilder: Ansicht der Schanzen vor dem Frauentor. 1843. Aquarell im Stadt­

museum Nürnberg. 2a) Ansicht des Königstors mit dem 1904 abgebrochenen Salzmagazin.

Photo: Bildstelle des Hochbauamts der Stadt Nürnberg. 2b) Ansicht des Marientors 1859—1891. Photo von Ferd. Schmidt. Bildstelle des Hochbauamts der Stadt Nürnberg. 3) Ausschnitt Königstor bis Pegnitzeinfluß aus dem Generalbebauungsplan von 1873. Stadt­ archiv Nürnberg. 4a) Projekt „Läufer Platz“ (jetzt Rathenauplatz). Aquarell von Georg Hutzelmeier 1876. Stadtmuseum Nürnberg. 4b) A. Gnauth: Projekt „Bahnhofsplatz“ 1879. Druck bei Lothar von Faber, Die Zukunft Nürnbergs. 1879. 5) A. Gnauth: Projekt „Partie beim Einfluß der Pegnitz“. Druck bei Lothar von Faber a. a. O. 1879. 6) Partie vom Frauentorturm zum Marientor mit Künstlerhaus, Baumeisterhaus und Stadtmauer. 7) Partie der 1596 modernisierten und jetzt gefährdeten Stadtmauer zwischen Frauen- und Marientor. Photo: Erich Mulzer. 8) Partie der Stadtmauer zwischen Frauen- und Marientor (15. Jh.). Rückansicht. Photo: Erich Mulzer.

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DIE NÜRNBERGER MADONNA Zur Geschichte ihres Nachruhmes im 19. Jahrhundert Von Matthias Mende

Heinrich Kohlhaußen zum 75. Geburtstag Es ist still geworden um ein Bildwerk (Abb. 1), das über hundert Jahre lang als der Inbegriff Nürnberger Kunst überschwenglich gefeiert und in Ge­ dichten besungen wurde, dessen kleinformatige Kopie in Gips oder Holz in den bürgerlichen Wohnzimmern mehrerer Generationen stand und dort fast kultische Verehrung erfuhr, das als „la plus belle statue de femme de Bart franconien“, als „a unique amalgamation of genuine German individuality“ buchstäblich Weltruhm genoß *). Die Älteren von uns werden sich daran erinnern, daß der Umriß dieser Statue während der Inflationszeit auf den Zahlmarken der Nürn­ berger Straßenbahn erschienen war —buchstäblicher Abgesang eines Kunstwer­ kes zur kleinen Münze. Die nach 1945 Davongekommenen wissen, daß die Nürn­ berger Maria zu den ersten wenigen Stücken gehörte, die das Germanische Nationalmuseum in fünf provisorischen Räumen im Erdgeschoß des Bestelmeyerschen Galeriebaues 1947 der Öffentlichkeit wieder zugänglich machte*2). Und fünf Jahre später zierte sie beinahe selbstverständlich die Sonderbriefmarke, die die Deutsche Bundespost zum hundertjährigen Bestehen des Museums herausbrachte 3). Ein gutes Jahrzehnt danach sind es in der Regel nur noch ältere Dieser Aufsatz ist Dr. phil. Heinrich Kohlhaußen gewidmet, der als Direktor des Germa­ nischen Nationalmuseums von 1937 bis 1945 die Nürnberger Maria wissenschaftlich betreute und dessen umsichtigen Bergungsarbeiten sie ihre Erhaltung über die Kriegszeit hinweg verdankt. *) Freiplastische Standfigur; Lindenholz, 150 cm, weitgehend erhaltene originale Fassung. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum (Inv. Nr. PI. 210). — Louis Reau: Peter Vischer et la sculpture franconienne du XIVe au XVIe siede. Paris 1909. 129. — Hermann UhdeBernays: Nuremberg. London 1904. 71. 2) Ernst Günter Troche: Die Wiedereröffnung der Kunstsammlungen. Rückblick und Vorschau. In: Germanisches National-Museum. 93. Jahresbericht. Nürnberg 1948. 61. Ein Foto dieser Ausstellung zeigt die Nürnberger Madonna zusammen mit Dürers Kaiserbildern und seinem Wolgemut-Porträt, Cranachs Venus und Amor (Gm. 213), dem Johannes des Meisters HL und dem bronzenen Mauritius der Vischer-Werkstatt (Fotothek GNM). — Dürer und Nürnbergs große Kunst. Die große Bilderschau mit und um den Meister im Germanischen Museum. In: Nürnberger Zeitung. Nr. 107. 14. Juli 1950. 5. — Über die schon vor Kriegs­ ausbruch 1939 eingeleiteten Bergungsmaßnahmen vgl. Heinrich Kohlhaußen: Das Ger­ manische Museum im letzten Kriege. In: Nürnberger Zeitung. Nr. 123. 9. Aug. 1952. 19—20. Hier ein Foto, das die Nürnberger Maria im Luftschutzkeller unter der Burg zeigt: dieselbe Abb. in Wilhelm Kriegbaum und Wilhelm Schwemmer: Nürnberg. Historische Entwicklung einer deutschen Stadt in Bildern. Nürnberg 1960. 243. 3) Hundertjahrfeier des Germanischen Nationalmuseums am 9. und 10. August 1952. Nürn­ berg 1952'. Abb. auf BL 7. — Josef Franz Aumann: Die Madonna im Briefmarkenalbum. Illustrierter Katalog aller Briefmarken mit Madonnendarstellungen und Marienkirchen, sowie aller marianisdien Poststempel. 6. Aufl. Wien, Augsburg o. J. Deutschland Nr. 3, Abb. S. 15.

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Damen, die ausdrücklich nach dem Marienbild in der Ebracher Kapelle fragen; immer häufiger kommt es vor, daß bei überblicksähnlichen Gesamtführungen durch die thematisch so reichen Bestände des Germanischen Nationalmuseums die Figur ausgeklammert wird, ohne daß die Besucher diesen Verlust überhaupt bemerken, ja, die Generation der Fünfzehn- bis Zwanzigjährigen fragt bei dem Stichwort „Nürnberger Madonna" in ungeheuchelter Verständnislosigkeit: „welche?" Für sie gibt es nicht mehr d i e Nürnberger Maria. Wie dieser Jugend der Begriff nichts mehr sagt, wird er als Objekt austauschbar, — man erwartet nun vielleicht das frühgotische Sitzbild aus Straubing, die Madonna aus der Ortenburgkapelle des Passauer Domes oder ein Schnitzwerk von Veit Stoß. Ähnlich wie die Naumburger Uta, die Totenmaske der Unbekannten aus der Seine oder der Bamberger Reiter hat die Nürnberger Maria einen Teil ihrer Funktion als bürgerliches Bildungsgut eingebüßt, außerhalb Nürnbergs ist ihr Bekanntheitsgrad rapide gesunken. Unter diesen veränderten Bewertungsmaß­ stäben darf und muß der Versuch gewagt werden, eine von Emotionen und ästhetischen Gesichtspunkten freie Rekonstruktion ihres geschichtlichen Nach­ ruhmes im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu geben. Denn unübersehbar, der Öffentlichkeit noch weitgehend verborgen, hat in den letzten Jahren von kunsthistorischer Seite eine Aufwertung des „Meisters der Nürn­ berger Madonna" eingesetzt, wobei Heinz Stafski mit seiner Definition von „Dürers Leibplastiker" eine prägnante Kurzformel geglückt ist4). Die für das Dürer-Jahr 1971 vom Germanischen Museum vorbereitete Ausstellung wird wahrscheinlich den Werkkomplex um die Nürnberger Maria miteinbeziehen, alte Urteile und Vorurteile werden vor den Originalen überprüft werden müssen und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß diese Ausstellung für unser Marienbild der Auftakt neuen Nach-Ruhmes sein wird . . . 5). 1. Die Entdeckung durch Albert Reindel Unter der Überschrift „S. Maria. Altdeutsche Bildhauerarbeit" erschien in dem vielgelesenen Frauentaschenbuch für das Jahr 1829 als Ergänzung und Erläuterung zu einem beigefügten Kupfer der Beitrag eines anonymen Autors, der zusammen mit diesem Stich (Abb. 2), den Albert Reindel 1828 geschaffen hatte, den Ruhm eines bis dahin unbeachtet gebliebenen Bildwerkes, der später sogenannten Nürnberger Madonna, begründete6). 4) Heinz Stafski: Die Vischer-Werkstatt und ihre Probleme. In: Zs. f. Kunstgesch. 21. 1958. 1—26 (Der Meister der „Nürnberger Madonna" 16—19). Zum Stand der kunsthistorischen Forschung vgl. Exkurs I. 5) Landeskonservator Dr. Heinz Stafski, dessen selbstloser Kollegialität ich zahlreiche Hin­ weise verdanke, beschäftigt sich im Rahmen der Vorbereitungen zur Dürer-Ausstellung 1971 mit der Skulptur im Umkreis Dürers; wir erhoffen von ihm eine Monographie über den Meister der Nürnberger Maria. — An einer geistesgeschichtlichen Arbeit über die Figur arbeitet seit langem Curator Dr. Ernst Königer. 6) Frauentaschenbuch für das Jahr 1829, hrsg. von Georg Döring. Nürnberg (1828). Stich bez. AR (in Art des Dürer-Monogrammes) 1828: 13,6:9,3 cm. Wiederabdruck in: Bild­ werke Nünbergischer Künstler als Beitrag zur deutschen Bildhauer-Kunst des Mittelalters.

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Gar manches Marienbild wird in deutschen Städten, wo der Verschönerungseifer noch nicht alle Spuren des Alterthums verwischt hat, gefunden, vor dem der Beschauer mit Freude stehen bleibt, von dessen Kunstwerth gefesselt, und eben so herrliche wurden aus mancher Kirche gerettet, welche Zerstörungslust oder Verwendung zu andern Zwecken für ihre ursprüngliche Bestimmung untauglich machte. Ein Bild, zur letzten Classe gehörig, ist das hier im Stich dargestellte. In den reinsten plastischen Formen, fern von aller eckigen Steifheit in Stellung und Gewand, wird diese Maria jedem das Urtheil abnöthigen, daß sie einer solchen Nach­ bildung würdig ist. Jetzt steht sie in der Kaiserkapelle auf dem Schlosse und befand sich wahrscheinlich in früherer Zeit in der Kirche des Domini­ kanerklosters, welche wegen theilweisen Einsturzes abgetragen wurde. Murr führt in seiner Beschreibung derselben einen Altar an, mit Schnitz­ werk verziert, wo neben dem Kruzifix Maria und Johannes standen, und von ihm möchte, wie wir vermuthen und die ganze Stellung, der empor­ gerichtete Blick und die betend gefalteten Hände ahnen lassen, unsre Figur genommen seyn. Der Johannes und das Uebrige ging verloren oder ward zertrümmert. Ein günstiger Zufall rettete sie allein, was um desto erfreulicher seyn muß, da man bei dem bunten Anstrich, den sie sonst hatte, den Goldgewändem und den in den Goldgrund eingedrückten Blu­ men, die Schönheit derselben gar nicht so bemerken konnte, als sie sich zeigte nach Wegnahme der alten Farben mit heißer Lauge und bei dem grüngrauen Anstrich, den sie jetzt erhielt. In dieser Gestalt ist sie eine der herrlichsten plastischen Arbeiten von der Hand eines altdeut­ schen Bildhauers, die Nürnberg aufzuweisen hat, und bedauern müssen wir es, daß wir den Meister nicht kennen. Sie ist weit besser als Veit Stoß, und gerne erkennen wir die Gültigkeit des Unheils eines hoch­ gefeierten Künstlers an, der den Vischerischen Einfluß und die in seinem Geiste aufgefaßte, weiche, natürliche und wahre Darstellung der Gewän­ der, neben treffendem Ausdruck des Gesichtes und edler Stellung, in dieser Bildschnitzerei bemerkte und rühmte. Die Figur ist 5 Schuh, 2 Zoll hoch. Die wenigen greifbaren Fakten dieses Aufsatzes, die mit Hinweis auf Christoph Gottlieb von Murr vermutete Herkunft aus der 1807 abgebrochenen Dominikaner- oder Predigerkirche, die Annahme, daß es sich bei der Figur um eine ehemalige Maria unter dem Kreuze handeln müsse, die ursprünglich in einem Johannes ein Gegenstück besessen habe, verloren in der Folgezeit ihren durchaus hypothetischen Charakter und wurden immer unkritischer zu historisch erwiesenen Tatsachen, je mehr man sie ab- und umschrieb. Dabei hätte schon ein Nachschlagen der betreffenden Stelle im Murrschen Kunstführer nachdenk2. Heft. Nürnberg (um IS30). — Georg Konrad Nagler: Neues allgemeines KünstlerLexicon. Bd. 12. München 1842. 391 (Nr. 9). Andreas Ajndresen: Albert Christoph Reindel. Katalog seiner Kupferstiche. In: Archiv für die zeichnenden Künste. Hrsg, von Robert Naumann. 12. 1866. Nr. 40. — Ludwig Grote: Die romantische Entdeckung Nürnbergs. München 1967. Abb. S. 81.

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lieh stimmen müssen, erwähnt er doch ein „Crucifix von Marmor“, zu dem unsere Holzfigur schlecht passen würde 7). Die radikale „Wegnahme der alten Farben mit heißer Lauge“ wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit zu­ nehmender Kenntnis von der Polychromie antiker Plastik und der Fassung mit­ telalterlicher Skulptur heftiger gescholten, wobei man dem frühen 19. Jahrhun­ dert nicht selten Barbarei vorwarf, ohne die innere Logik dieser Ablaugungen zu begreifen und ohne Einsicht in den Prozeß, daß sich in den konservatorischen und denkmalpflegerischen Bemühungen ein ästhetisches Zeitideal am radikalsten zu äußern pflegt. Für ein an der klassizistischen weißen Makellosigkeit geschul­ tes Auge war die einheitliche graugrüne Eintönung der Figur ein wirklicher Gewinn, zumal die damals sichtbare frühbarocke Bemalung sicher zu grell, zudem ja auch historisch unrichtig war8). Die Einschätzung der Schnitzerei als ein über Veit Stoß stehendes Kunstwerk besagt nicht allzu viel, da die Kenntnis vom Werk dieses Meisters äußerst lückenhaft war, mit dem Namen des Stoß mehr ein Zeitstil gemeint war, dem kritiklos Werke der Spätgotik zugewiesen wurden. Anders verhält es sich mit dem Hinweis auf Peter Vischer, dessen Ruhm seit dem späten 18. Jahrhundert ständig gestiegen war — diesen Namen in Zusammenhang mit der Marienfigur zu bringen, bedeutete wohl das größte Lob, das man damals zu vergeben hatte. Albert Christoph Reindel, der Schöpfer des dem Text im Frauentaschenbuche beigefügten Kupferstiches, hatte als Schü­ ler des gefeierten Stechers Heinrich Guttenberg, dem nach seinem Tode 1818 die Ehre zuteil wurde, im Grabe Albrecht Dürers bestattet zu werden, eine langjährige Ausbildung in Nürnberg und Paris hinter sich, als er mit sieben­ undzwanzig Jahren 1811 als Nachfolger Johann Eberhard Ihles die Leitung der Nürnberger Akademie übertragen bekam. Reindels erste Erwerbung für den akademischen Unterricht betraf ein anatomisches Lehrbuch über den borghesischen Fechter, das sein Pariser Lehrer Savage verfaßt hatte. Auf der anderer Seite erinnerte sich Reindel später, daß er nach seiner Rückkehr aus Frankreich Dinge in Nürnberg gefunden hatte, „die man anderswo vergebens sucht“ 9). Es ist anzunehmen, daß dieser Satz vor allem auf den Schönen Brunnen ge­ münzt war, den Reindel eigentlich erst entdeckt und dessen umfangreiche Er­ neuerung er zwischen 1821 und 1824 leitete. Diese geistige Spannweite zwi­ schen Antike und deutschem Mittelalter, zwischen borghesischem Fechter und Schönem Brunnen, wie sie auch auf dem Porträt Reindels von Carl Kreul sicht­ bar wird, auf dem die raumgreifende Geste des Fechters aus dem Hintergrund 7) Christoph Gottlieb von Murr: Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in des H. R. Reiches freyen Stadt Nürnberg und auf der hohen Schule zu Altdorf. Nürnberg 1778. 5 5. 2. Aufl. 1801. 78. — Ein aus der Dominikanerkirche stammendes Grabmal innerhalb der Bestände der Kunstschule nachweibar; vgl. Johann Christian Jakob Wilder: Neues Taschenbuch von Nürnberg. Erster Theil die topographisch-statistische Beschreibung der Stadt, eine geschichtliche Einleitung und ein Sach- und Namenregister enthaltend. 2. verm. Ausgabe Nürnberg 1829. 212. 8) E. Heinrich Zimmermann: Die Freilegung der alten Fassung der Nürnberger Madonna. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. 1921 (1—4). 4—7. 9) Albert Reindel: Eigentliche Nachricht von dem ersten Anfang und erwünschten Fortgang der Nümbergischen Maler Academie. Handschrift von 1828 (Nürnberg, Stadtbibi. Amb. 308. 2°). — Johann Philipp Göschei: Die Kunstgewerbeschule in Nürnberg. Eine Säkular­ schrift zur Feier des 200jährigen Bestehens derselben. Nürnberg 1862. 17 und 24.

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auftaucht und sich ein Riß der Brunnenpyramide in der Hand Reindels findet10), erklärt mit den Erfolg, den Reindel als Lehrer und ruhender Pol des Nürn­ berger Kunstlebens jahrzehntelang gehabt hat — „in der That, wie einst Albrecht Dürer, so ist jetzt Reindel der Mittelpunkt von Nürnbergs bildender Kunst", hieß es von ihm nicht ganz zu Unrecht n). Reindels universale In­ teressenlage spiegelt sich in den Arbeiten seiner Schüler zuerst kaum wider. Der gedruckte Katalog einer Ausstellung von 1821, die erstmals ausgewählte Arbeiten der Eleven der sog. Kunstschule, wie die Anstalt seit der Reorgani­ sation der traditionsreichen Akademie seit dem 1. April des Jahres hieß, ver­ zeichnet überwiegend Studien nach Abgüssen antiker Bildwerke wie dem gleich sechsfach nachgezeichneten „Faun mit Ziegenbock", dem capitolinischen Dom­ auszieher oder dem Herkules Farnese, dazu die obligaten Gemäldekopien nach Raffael, Correggio, Guido Reni und anderen im späten 18. Jahrhundert ge­ schätzten Italienern, ferner Akt- und Porträtstudien nach der Natur. Typisch „romantische" Themen fehlen völlig, sieht man von einem Exemplar des Stiches ab, den Carl Barth gemeinsam mit dem Schweizer Amsler nach dem Titelblatt des Nibelungen-Zyklus von Peter Cornelius (dessen Name charakteri­ stischerweise falsch geschrieben ist) geschaffen hatte 12). Als kleine Sensation, eben weil vom üblichen Themenkanon abweichend, scheint eine Kreidezeichnung „Der Gänsebauer auf dem Springbrunnen am hiesigen Gänsemarkt" von Fried­ rich Bierlein empfunden worden zu sein, kauft doch noch zwei Jahre später der in Nürnberg weilende bayerische Kronprinz Ludwig gerade dieses (oder zu­ mindest ein thematisch entsprechendes) Blatt von dem Künstler13). Reindel hingegen zeigte 1821 neben Antikenstudien eine Nachzeichnung des Schönen Brunnens und einen Stich nach dem Sebaldusgrab, Beweis einer unerklärlichen Zwiespältigkeit des Lehrers Reindel, der seine Schüler zum Studium der Antike und der italienischen Malerei anhält, und nur dazu, und der selbst als Künstler fast genau so ausschließlich in seinen Stichen das deutsche Mittelalter wieder zum Leben erweckt. Auch die zweite dieser Rechenschafts-Ausstellungen, die einem durchaus interessierten Publikum in den Räumen der alten Kaiserburg einen Eindruck von den erzielten Lernerfolgen der Schule vermitteln sollte und die turnusgemäß drei Jahre später, 1824, eröffnet wurde, bot im wesentlichen das gleiche akademische Studienmaterial14). Trotzdem ist diese Ausstellung für die Frage nach dem Beginn des Nachruhmes der Nürnberger Maria wichtig, findet sich doch in ihr der erste bisher bekanntgewordene Hinweis auf die Figur, immerhin vier Jahre vor dem 1828 datierten Stich im Frauentaschenbuch. Ein knapper resümierender Bericht über die von der Kunstschule gezeigten Exponate, dessen Verfasser, Johann Christoph Jakob Wilder, auch für den Text im Frauentaschenbuch 1829 verantwortlich zeichnen könnte, nennt „eine kleine weibliche Figur in Alabaster geschnitten nach einem größeren alten trefflichen 10) Johann Dietrich Carl Kreul (1803—1867), Bildnis Albert Reindel, 1824. Öl auf Leinwand, 154:126 cm. Nürnberg, Fembohaus. n) Ralf von Rettberg: Nürnberger Briefe (zur Geschichte der Kunst). Hannover 1846. 227. 12) Katalog der Kunstausstellung der Königl. Kunstschule zu Nürnberg. Im October 1821. 13) Zutand und Bereicherung der hiesigen Kunstschule. In: Der Sammler für Kunst und Alter­ thum in Nürnberg. Erstes Heft. Nürnberg 1824. 46. u) Katalog der Kunstausstellung der Königl. Kunstschule zu Nürnberg. Im September 1824. 29

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Marienbild, das sich in der Sammlung der Kunstschule befindet und in der Margarethenkapelle aufgestellt ist" 15). Das Fehlen dieser Figur im Verzeichnis der Ausstellung erklärt hinlänglich, warum dieser erste Hinweis auf die Nürn­ berger Maria bisher übersehen werden konnte, doch ist nachweisbar, daß noch nach Drucklegung des Ausstellungskataloges Kunstwerke „später nachgeliefert kamen" und zu diesen muß die von Wilder beschriebene Alabasternachbildung gehört haben 18). Als ihr Schöpfer wird Jakob Daniel Burgschmiet genannt, der sich als geschickter Autodidakt weitgehend selbst gebildet hatte und nun, 1824, nach ersten bildhauerischen Talentproben unter Heideloff und Reindel zu den hoffnungsvollsten künstlerischen Begabungen gehörte, denn „Nürnberg darf sich freuen, in ihm wieder einen Mann zu besitzen, der den Namen eines Bildauers mit Ehren trägt", heißt es von Wilder über ihn direkt nach der Er­ wähnung der Madonnenkopie. Verständliche Zweifel, ob mit dem „alten treff­ lichen Marienbild", das Burgschmiet nachmeißelte, tatsächlich die spätere Nürn­ berger Maria gemeint sei, können ausgeräumt werden, da wir in einer 1824 datierten und von Burgschmiet signierten Madonnenstatuette im Besitz der Städtischen Kunstsammlungen Nürnberg zweifellos das von Wilder genannte Bildwerk erhalten haben 17). Auf einem achteckigen, an den Seitenflächen durch einfaches Maßwerk gegliederten dunklen Holzsockel erhebt sich die Marien­ figur in klassizistischer Glätte, in den Proportionen eher noch steiler und schlanker erscheinend als das originale Holzbildwerk und ehemals makellos weiß (Abb. 3). Dennoch sollten wir uns hüten, die Frage nach der Priorität der „Entdeckung" der Nürnberger Madonna allein auf Grund der Daten zugun­ sten Burgschmiets zu entscheiden, obwohl Burgschmiets teilweise erstaunliches Einfühlungsvermögen in die gotische Gewandfigur, etwa bei der Restaurierung des Hochaltares der Jakobskirche, ein weiteres Argument wäre. Wie lange sich die Madonna schon auf der Burg befunden hat, als Burgschmiet sie nachbildete, ist unklar; vermutlich kam sie im September 1818 hierher, als die Akademie und spätere Kunstschule aus dem Katharinenkloster auf die Burg umzog und ihre Studiensammlung in der Kaiserkapelle neu gruppierte18). Mit dem Wieder­ auffinden der Burgschmiet’schen Kopie von 1824 wird auch der traditionelle Hinweis erklärlich, die Nürnberger Maria sei „um 1825" mit dem Ölfarben­ anstrich versehen worden, ein Datum, das auf den Stich von Reindel bezogen, immer etwas unklar erschien 19). Reindels Anteil an der Neubewertung mittel15) Nachrichten über die Ausstellung der Königl. Kunstschule dahier. In: Der Sammler für Kunst und Alterthum in Nürnberg. Zweites Heft. Nürnberg 1825. 63. 16) Der Sammler, 1825 (s. Anm. 15). 58. 17) Nürnberg, Städtische Kunstsammlungen (Inv. Nr. PI. O. Neu 7). Laut Auskunft von Dr. Kurt Pilz, dem ich mich für mannigfache Hilfe dankbar verpflichtet fühle, erst 1920 er­ worben. — Vgl. Theodor Hampe: Burgschmiet, Jakob Daniel. In: Lebensläufe aus Franken. Veröff. d. Ges. f. fränk. Gesch. 7. Reihe. Bd. 4. Nürnberg 1930. 74 (hier der Sockel als von Heideloff entworfen bezeichnet). 18) In der handschriftlichen „Beschreibung der Gemählde und Kunstgegenstaende welche sidi auf der Burg zu Nürnberg aufgestellt befinden" von 1817 fehlt die Nürnberger Maria, was unsere Vermutung stützt (Stadtbibl. Nürnberg Nor. H. 44). 19) Zimmermann, 1921 (s. Anm. 8). 4. Mit den Magistratsakten, auf die sich Zimmermann beruft, kann nur der Faszikel „Acten des Stadtmagistrats Nürnberg. Betreff: Die Reclamation einer im Besitz der Commune Nürnberg befindlichen Madonna-Figur von Seite des

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alterlidier Skulptur Nürnbergs ist unübersehbar. Seit etwa 1815, Jahre vor der Restaurierung des Schönen Brunnens, beschäftigte er sich intensiv mit den Figuren des Sebaldusgrabes und zwangsläufig mußte er dabei auf die stilistisch so artverwandte Marienfigur stoßen und wir gehen wohl kaum fehl in der Annahme, daß das im Frauentaschenbuch zitierte Urteil eines „hochgefeierten Künstlers", der den Vischerschen Charakter der Madonna rühmte, die Meinung Reindels wiedergibt. Nachdem eine Stichserie der zwölf Apostel vom Sebaldusgrab von Reindel zwischen 1818 und 1822 in den Jahrgängen des Frauen­ taschenbuches veröffentlicht worden war, findet sich nach einer dreijährigen Pause, während der keine alten Bildwerke abgebildet wurden, im Band von 1826 die Ankündigung, daß Skulpturen von Adam Kraft, Peter Vischer und „anderer unbekannter Nürnberger Bildhauer" als Kupfer in den folgenden Bänden des Almanachs erscheinen würden20). Blättert man das Frauentaschen­ buch bis zu dessen Einstellung 1831 durch, so findet sich als einziges Werk „eines unbekannten Nürnberger Bildhauers" 1829 die Nürnberger Maria, denn die 1826 und 1827 beigegebenen Abbildungen nach Figuren des Schönen Brunnens galten als Werke eines Künstlers namens „Schondorfer" und in dem gleichfalls 1829 vorgestellten Gänsemännchen vermutete man ein Werk Laben­ wolfs. So erscheint es plausibel, daß sich die Notiz von 1826 auf das damals von Reindel vorbereitete Blatt mit der Nürnberger Maria bezog; nah Burgschmiets Alabasternachbildung von 1824 hätten wir zwei Jahre später die zweite, allerdings indirekte, Nennung der Figur, bevor dann 1828 Reindels Stichreproduktion den eigentlichen Auftakt zum Nahruhm des Bildwerkes gibt. Reindels Stih der Nürnberger Maria, in der „entmaterialisierten Linien­ manier der Nazarener" (Ludwig Grote) gehalten, kann nur als eine Art Fort­ setzung der Folge der Vischer’schen Apostelreihe verstanden werden, deren Nahbildung durhaus einen patriotischen Akzent bekam, wenn sie als „deutsche, äht deutshe Bildwerke" vorgestellt und zugleih getadelt wurde, daß das deutshe Volk jahrhundertelang sih in Bewunderung und Lobpreisung fremder Kunstwerke ergangen, zugleih aber die im eigenen Vaterland erzeug­ ten Bildwerke verachtet und herabgewürdigt habe. Die Dürerzeit gilt nun als Epohe „der höhsten Kraft deutsher Kunst", ihre Werke werden als Vershwisterung von Wahrheit und frommem Ernst empfunden, als allein der Religion geweiht — eine Charakterisierung, die, allein auf das Sebaldusgrab gemünzt, zugleih eine treffende Definition der Gefühls­ lage ist, aus der heraus die Nürnberger Madonna nun plötzlich aus allen übrigen Mariendarstellungen herausgehoben empfunden wird. Daß neben dieser roman­ tischen Hinwendung zum deutshen Mittelalter, die mit Wackenroders „HerStaats. 1865" (Nürnberg, Stadtarchiv. Haupt-Registratur Vd. 4. Nr. 34) gemeint sein, obgleich sich kein Hinweis auf den Ölfarbenanstrich darin findet. Ein später mit abge­ hefteter Brief Gustav von Bezolds vom 11. Januar 1910 enthält die Vermutung, daß Karl Alexander Heideloff in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Maria behandelt habe; Bezolds Anfrage, ob die Magistratsakten darüber einen Hinweis enthalten, führten zu ergebnislosen Nachforschungen — ein Kanzleivermerk auf dem Brief Bezolds gibt an, daß in den Akten nichts über die Bemalung der Figur zu finden gewesen sei. 20) Frauentaschenbudi für das Jahr 1826. Hrsg, von Georg Döring. Die beiden Abbildungen Karls des großen und Clodwigs von Frankreich. Figuren am schönen Brunnen zu Nürnberg. 29*

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zensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders" 1797 einsetzte, auch der klassizistische Formenkanon noch Gültigkeit behielt und angewandt wurde, wenn es galt, den Stil der Statuen am Sebaldusgrab zu bestimmen, ersehen wir aus dem von Wilder gespendeten Lob, die Gewandfalten der Apostel seien „groß und im reinsten Styl der Antike geworfen", eine Erkenntnis, die der Betrachtung der Nürnberger Maria entgegenkommen mußte 21). Verdankt sie das Interesse, das ihr Reindel und andere entgegenbrachten, nicht zum geringen Teil der Tatsache, daß sie in ihrer stilistischen Eigenart den Aposteln des bewunderten Sebaldusgrabes im Prinzip entspricht — eine kunsthistorische Ein­ ordnung von verblüffender Richtigkeit, bedenkt man, daß der offizielle „Weg­ weiser für die Besuchenden" des Germanischen Museums noch 1882 die pau­ schale Datierung 15.—16. Jahrhundert angibt — so mag das im gleichen Jahrgang 1829 des Frauentaschenbuches abgebildete Gänsemännchen insofern von Bedeutung gewesen sein, als diese kleine Brunnenplastik längst überlokale Berühmtheit genoß (den Ankauf einer Nachbildung durch König Ludwig von Bayern erwähnten wir bereits) und die Kombination mit einem bis dahin prak­ tisch unbekannten Marienbild ohne Meistemamen etwas über den Wert aus­ sagt, den man der Nürnberger Maria damals bereits beimaß. Zusammen mit Abgüssen der Apostel des Sebaldusgrabes, die Reindel hatte anfertigen lassen, um sie bei der Arbeit an den Figurenstichen ständig vor Augen haben zu können, befand sich die Marienfigur in einer Sammlung von Gipsabgüssen nach der Antike, unter denen die 1823 als Vermächtnis des Architekten Carl Haller von Hallerstein nach Nürnberg gelangten Abformungen der Skulpturen des Aphaia-Tempels in Aegina und eine als Doublette der Münchner Akademie in die Kunstschule gelangte Laokoon-Gruppe die Hauptstücke bildeten, und anderen Nürnberger Plastiken wie der großen, damals Veit Stoß zugeschriebenen Rosenkranztafel, dem Apollobrunnen und einem Grabmal aus der Domini­ kanerkirche, in der Unterkapelle der Kaiserburg, die als eine Art Studiendepot der Kunstschule nur halböffentlichen Charakter hatte 22). Hauptsehenswürdig­ keit für die kunstinteressierten Besucher der Burg war ohnehin die seit 1811 bestehende Gemäldegalerie aus städtischen Beständen und Leihgaben der bayerischen Staatssammlungen, so daß sich Besucher in der Regel wohl selten in den unteren Raum der Burgkapelle verirrt haben dürften. Der für die Mitte der zwanziger Jahre maßgebende Cicerone, ohne Verfasserangabe unter dem Titel „Nürnberg und seine Merkwürdigkeiten" 1826 erschienen, verzeichnet die Bestände dieser Kapelle nur summarisch, neben den Aegineten und den Vischerschen Aposteln findet sich nur die Bemerkung „. . . und andere Kunst21) Johann Christian Jakob Wilder in: Frauentaschenbuch auf das Jahr 1818. Text zu Taf. 11—12. Frauentaschenbuch auf das Jahr 1819. Text zu Taf. 11—12. 22) Albert Reindel: Nachricht über die von dem koeniglich-baierischen Architekten Freiherrn Haller von Hallerstein, der Kunst-Schule zu Nürnberg vermachten Gips-Abgüsse von den im Jahre 1811 auf der Insel Aegina in Griechenland ausgegrabenen antiken Bildwerken. Nürnberg 1822. Beschreibung der Aeginetischen Statuen, welche sich im Besitze Sr. König­ lichen Hoheit des Kronprinzen von Baiem befinden, und von welchen die Gypsabgüsse in der Kunstschule zu Nürnberg auf gestellt sind. Nürnberg 1824. — Über die Erwerbung des Laokoon vgl. Der Sammler, 1824 (s. Anm. 13). 37 und A. Reindel, 1828 (s. Anm. 9), fol. 23v.

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werke“, unter denen sich die Nürnberger Maria befunden haben wird18). In den Augenzeugenberichten und Erinnerungen der Teilnehmer an den Festlich­ keiten anläßlich der Grundsteinlegung zum Dürerdenkmal im April 1828 fand sich bisher kein Hinweis, daß unter den Dutzenden von angereisten Künstlern jemand bewußt das Standbild gesehen hätte 24). So hält sich Ludwig Emil Grimm wiederholt auf der Burg auf, läßt sich von Reindel dort herumführen, zeichnet mit seinem Freunde, dem Bildhauer Werner Henschel, nach Vorlagen aus dem Fundus der Kunstschule, darunter einem Relief des 14. Jahrhunderts, aber entweder hatte Reindel es nicht für nötig gehalten, auf die Figur binzuweisen, oder Grimm fand das Werk keiner Erwähnung wert. Der Kupfer­ stecher Julius Thaeter, der von September 1826 bis nach dem Dürerfest im April 1828 als Schüler Reindels in Nürnberg weilte und daher die Studien­ sammlung der Kunstschule aus eigener Anschauung kannte, nennt weder in seinem für den Freund Ernst Rietschel in Dresden geführten ausführlichen Tagebuch noch in Briefen aus Nürnberg die Marienfigur. In seinem künstle­ rischen Manifest, das er im Anschluß an seine Nürnberger Zeit im Sommer 1828 Rauch in Berlin überreicht, findet sich die rhetorische Frage: „Sollten nicht auch deutsche Antiken einer guten Nachbildung würdig sein?“ Thaeter, der wohl bei dieser Formulierung vor allem an die gotische Plastik Nürnbergs gedacht haben wird, bejaht enthusiastisch seine Frage und erbietet sich, „einen schönen großen Cyclus“ aller „klassischen deutschen Sculpturen“ zu stechen — kaum zweifelhaft, daß bei einer Verwirklichung dieses enzyklo­ pädischen Unternehmens auch die Nürnberger Maria hier ihren Platz gefunden hätte, zumal der Stich Reindels im Sommer 1828 vor der Vollendung gewesen sein muß 25). Überhaupt scheint die Begeisterung der Nürnberger Künstler für die Ver­ gangenheit ihrer Stadt nicht von allen Durchreisenden geteilt worden zu sein: Karl Julius Weber mokiert sich beispielsweise 1826 über die „kleinen schlech­ ten Zimmer mit eben so schlechten Mobilien und Bildern“ auf der Burg und findet in der anschließend besuchten Burggalerie Dürer nur „hölzern“ **). Erst der Stadtpfarrer Wilder, dem wir schon den Hinweis auf Burgschmiets Nach­ bildung verdankten, ergänzt die zweite Auflage seines „Taschenbuches von Nürnberg“, die 1829, im gleichen Jahr wie Reindels Stich, erschien, durch den Hinweis auf „eine betende Maria, ein vorzügliches Kunstwerk von einem un­ bekannten Meister“, die Figur damit erstmals in die Liste touristischer Sehens­ würdigkeiten aufnehmend 27). Die nächsten Nürnberg-Führer, das Büchlein von 2S) Nürnberg und seine Merkwürdigkeiten. Ein Handbüchlein für Einheimische und Fremde. Nürnberg 1826. 24) M. Mende: Die Transparente der Nürnberger Dürer-Feier von 1828. Ein Beitrag zur Dürerverehrung der Romantik. In: Anzeiger des Germanisdien Nationalmuseums 1969. Anm. 40. 25) Ludwig Emil Grimm: Erinnerungen aus meinem Leben. Hrsg, und ergänzt von Adolf Stoll. Leipzig 1911. 431—434. — Julius Thaeter. Das Lebensbild eines deutschen Kupferstechers. Zusammengestellt aus schriftlichem Nachlaß von Anna Thaeter. Frankfurt a. M. 1887. 22— 92 und 2. Teil S. 18 (Brief vom 9. Sept. 1828 an Böttiger). 26) Deutschland, oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen. Bd. 1. Stuttgart 1826. 577. **) Wilder, 1829 (s. Anm. 7). 212.

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Heinrich Pfister von 1833 und der 1837 erstmals erschienene Wegweiser von Carl Mainberger28), übernehmen fast wörtlich den Passus zur Nürnberger Maria aus Wilder. Daß das Marienbild den Zöglingen der Kunstschule als Studien­ objekt gedient hat, wissen wir aus den Katalogen der nächsten Ausstellungen, die 1827 und 1830 auf der Burg stattfanden. So findet sich 1827 eine Nach­ zeichnung von Johann Georg Wolf in Kreidemanier, der das Blatt zusammen mit Arbeiten nach dem unvermeidlichen „Faun mit Ziegenbock" und einer Ceres ausstellte 29). Drei Jahre später, als zum vierten Male die Reindel-Schule ihre besten Werke der vergangenen Studienjahre zeigte, sind es Michael Emst und Johann Georg Serz, beide aus Nürnberg, die mit Nachbildungen der Figur vertreten sind — auch hier bleibt bei beiden Künstlern die Tatsache auffällig, daß die betende Maria das einzige vorkommende mittelalterliche Motiv ist; die anderen von Emst und Serz selbständig oder zusammen mit ihren Lehrern für die Leistungsschau ausgewählten Werke zeigen wieder den Faun, den borghesischen Fechter, einen Apollino und eine Venus im Bade, alles antike Bildwerke also 80). Zwei Jahre nach Reindels in der Qualität und stecherischen Sorgfalt unerreichtem Stich erschien als zweite druckgraphische Nachbildung der Nürnberger Maria eine Radierung in Eberharde National-Archiv (Abb. 4), die Figur ausgesprochen kompakt und massig gebend, dazu in stärkerer Untersicht81). Der anspruchsvolle Titel der Stichpublikation darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die in dem sog. National-Archiv vorgestellten Kunstwerke überwiegend dem Nürnberger Bereich entstammen, das Auftauchen der Marien figur schon in der ersten Lieferung des Tafelwerkes keineswegs überlokale Berühmtheit dokumentiert. Mit dem Umzug der in „Kunstgewerbeschule" umgetauften Anstalt in die Räume des Landauer-Klosters, der 1833 erfolgen mußte, weil die bisher in der Kaiserburg benutzten Trakte im Aufträge König Ludwigs von Bayern zu hö­ fischen Wohnräumen umgestaltet wurden, endet die erste Phase des vorerst nur bescheidenen, auf die Stadt Nürnberg beschränkten Nachruhmes unserer Figur. In diesem ersten Jahrzehnt diente die Nürnberger Madonna in erster Linie als Zeichenvorlage für die Kunstzöglinge, wobei sie scheinbar als einziges mittel­ alterliches Kunstwerk in die Reihe der bevorzugt gezeichneten kanonischen “J Heinrich Pfister: Handbuch der vorzüglichsten Denk- und Merkwürdigkeiten der Stadt Nürnberg aus ältern und neuern anerkannt guten Schriften gezogen und zusammengestellt. 2. Bänddien. Nürnberg 1833. 363—364. — Eine Woche in Nürnberg. Kurzgefaßte Beschrei­ bung der Stadt Nürnberg und ihrer Umgebungen. Ein Wegweiser für Fremde von C. Mainberger. Mit einem historischen Vorworte von Johannes Scharrer. Nebst Grundriß. Nürnberg 1837. 81. 29) Katalog der Kunstausstellung der Königl. Kunstschule zu Nürnberg. Im October 1827. Nr. 231. J. G. Wolf, Eine betende Madonna, in ganzer Figur, nach einem altdeutschen Schnitzwerk. 80) Katalog der Kunstausstellung der Königl. Kunstschule zu Nürnberg. Im October 1830. Nr. 48. M. Emst, Eine betende Madonna, nach einem alt-deutschen Schnitzwerk, Arbeit in Alabaster. Nr. 199. J. G. Serz, Eine betende, aufwärtsblikende Madonna, nach einem alt-deutschen Schnitzwerk, Kreide-Zeichnung. 51) National-Ardiiv für Deutschlands Kunst und Alterthum. In Verbindung mit Künstlern, Gelehrten und Kunstfreunden hrsg. von H. W. Eberhard. Nürnberg (1831). 1. Lieferung, Taf. 2. „Lebensgroße Figur aus Holz von einem unbek. Meister in der Burg zu Nürnberg“; „Gez. und rad. v. Bruch“.

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Antikenabgüsse aufgenommen wurde. Daneben setzte ein langsam wachsendes Interesse weniger Kunstliebhaber für das Bildwerk ein, die in ihm ästhetische und künstlerische Qualitäten entdeckten, die dem durchschnittlichen Zeichen­ schüler, der das Bildwerk kopierte, wohl selten aufgegangen sein dürften. Was Reindel, in dem wir das Zentrum dieser frühen Verehrung vermuten, an der Figur fesselte, war wohl vor allem die Ähnlichkeit mit dem Stil der Vischersehen Apostel, vielleicht auch schon das in der Gesinnung spezifisch „deutsche" an ihr, wie es einige Jahre zuvor Johann Friedrich Böhmer formuliert hatte: „. . . die den Deutschen ganz eigentümliche Grazie ist eine jungfräuliche" 82). Diese Auffassung Böhmers, der diesen Satz ausdrücklich auf die Nürnberger Skulptur bezogen hatte, kann in der Stadt Spuren hinterlassen haben, war doch Böhmer wiederholt in ihren Mauern. Daß daneben eine zeittypische Vorliebe des ausgehenden 18. Jahrhunderts für das Sentimentale schlechthin bei der Bewertung der Figur eine Rolle gespielt haben muß, ist augenfällig — JeanBaptiste Greuze, in dessen Gemälden das bürgerliche rührend-sentimentale Genre kulminierte, starb erst 1805 in Paris, während Reindels dortiger Studien­ zeit. In die Gefühlswelt des endenden Rokoko, die als zweite, wenn auch unter­ geordnete, Komponente bei der Neubewertung der Nürnberger Maria gesehen werden muß, führt eine die Hände ringende Schmerzensmutter (Abb. 5), die als Gemälde eines Dürerschülers in die berühmteste Sammlung altdeutscher Tafelmalerei der Goethezeit, in die der Brüder Boisseree als „echt" aufgenom­ men worden war, obgleich eine sichtbar angebrachte Signatur sie als freie gotisierende Nachbildung des in Freiburg im Breisgau 1811 verstorbenen Josef Markus Hermann hätte ausweisen müssen3S). Im Vergleich mit Hermanns Marienbild wird klar, daß neben der formalen Schönheit der Gewandfigur auch der seelische Ausdruck verhaltenen Schmerzes, den die Nürnberger Maria zeigt, der Zeit des frühen 19. Jahrhunderts entgegenkam, deren Vorstellung von der Kunst der Dürerzeit durchtränkt ist mit eigenen zeittypischen Wertvorstellungen und Schönheitsbegriffen, die auch erfahrene Kunstkenner folgerichtig Nach32) Johann Friedrich Böhmer’s Briefe. Durch Johannes Janssen. Bd. 1. Briefe von 1815—1849. Freiburg i. Br. 1868. Brief an den Stecher Barth in Hildburghausen vom 10. Juni 1820. 59—60.

33) München, Bayer. Staatsgemäldeslgn. (Inv. Nr. WAF 341). Nußbaum; 49:31 cm. Bez. IH. — Eduard Firmenich-Richartz: Die Brüder Boisseree. Bd. 1. Sulpiz u. Melchior Boisseree als Kunstsammler. Ein Beitrag zur Geschichte der Romantik. Jena 1916. 485. Verzeichnis der Boisseree-Galerie von 1827. Nr. 199. „Von einem andern Schüler des A. Dürer: Die Schmerzhafte Muttergottes. Von Mainz." — Franz Rieffel in: Zs. f. bild. Kunst. N. F. 14. 1903. 63—64. — H. Berer: Katalog der Gemäldegalerie im k. Schlosse zu Schleißheim. München 1905. Nr. 423. — Heinz Braune: Katalog der königlichen Gemäldegalerie zu Schleißheim. 2. Aufl. München 1914. 115—116. — Niels von Holst: Nachahmungen und Fälschungen altdeutscher Kunst im Zeitalter der Romantik. In: Zs. f. Kunstgesch. 3. 1934. 39 u. Abb. 4. Ders.: Künstler, Sammler, Publikum. Ein Buch für Kunst u. Museumsfreunde. Darmstadt, Berlin 1960. Abb. S. 171. Ders.: Creators, Collectors and Connoisseurs. The anatomy of artistic taste from antiquity to the present day. London 1967. Abb. 250. — Das Vorbild für Hermann stammt sicher aus dem Umkreis Dürers; vergleichbar wären etwa eine bisher noch Hans von Kulmbach zugeschriebene Schmerzensmutter auf einem Sippenaltar in Langenzenn (August Gebessler: Stadt u. Landkreis Fürth. Bayerische Kunst­ denkmale. Kurzinventar. 18. München 1963. 114—115) oder eine stehende Maria von Hans Baldung-Grien in Budapest (Zoltän von Takäcz: Die Neuerwerbungen des Museums für bildende Kunst in Budapest. In: Der Cicerone. 3. 1911. Abb. 865).

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ahmungen wie das Hermann'sche Marienbild als Werk um 1520 akzeptieren ließ. Obwohl für uns heute die zeitstilhaltigen Merkmale gerade dieses Bildes überdeutlich sind, wurde es noch zu Beginn unseres Jahrhunderts für ein Werk des 16. Jahrhunderts gehalten. Überspitzt würde diese Problemstellung bedeu­ ten, in der Nürnberger Maria eine romantische Neuschöpfung nach einem oder mehreren vierhundert Jahre alten Bildwerken zu vermuten, wobei das unver­ mittelte Auftauchen der Skulptur nach 1820, die fehlende Provenienz und das Fehlen gleichartiger zugehöriger Figuren (wenn es wirklich eine Maria unter dem Kreuz war) auffällig genug wären. Die spezifisch Nürnberger Atmosphäre, in deren künstlerischem Klima eine starke klassizistische Unterströmung innerhalb der Romantik immer wieder feststellbar ist und in der die Neubewertung der Marienfigur einsetzt, spiegelt sich vielleicht am schönsten in der kleinen Gelegenheitsarbeit von Carl Alex­ ander Heideloff: Der Genius der Kunstgeschichte als geflügelte weibliche Gestalt, auf einem antiken Stuhl sitzend, betrachtet ein mittelalterliches Ma­ donnenrelief, während vor ihm eine griechische Doppelherme aufragt . . . 34). 2. Die Ausbreitung durch Bernhard Afinger War die Welle nationaler Begeisterung für die deutsche Vergangenheit, die anläßlich der Grundsteinlegung zum Dürerdenkmal im Frühjahr 1828 gerade viele junge Künstler in die Stadt geführt hatte, an der Nürnberger Maria noch spurlos vorübergegangen, so rückte die feierliche Enthüllung des Monumentes zwölf Jahre später die Figur soweit nach vorn, daß zum ersten Mal nicht in Nürnberg Ansässige von ihr Notiz nahmen, ln der anspruchsvollen Kunstaus­ stellung, die der Albrecht-Dürer-Verein als seinen Beitrag zu den Feierlich­ keiten 1840 zusammengebracht hatte, fesselte keinen geringeren als Christian Daniel Rauch, damals im Zenit seines Ruhmes und als der Schöpfer des Dürer­ denkmals der unumstrittene Mittelpunkt der Festtage, eine Nachbildung „nach einem altdeutschen Meister" so sehr, daß er ihren bis dahin völlig unbekannten Schöpfer auf Grund dieser Talentprobe als Mitarbeiter in sein Berliner Atelier aufnahm 35). Diese Kopie nach der Nürnberger Maria, über deren Größe und Material wir nichts wissen, verdankte der Tatsache, daß der Bildhauer Bern­ hard Afinger das Alphabet der Ausstellenden anführte, was dem Bildwerk die Katalognummer 1 eingebracht hatte, sicher einen Teil der Aufmerksamkeit, unabhängig von der Qualität der Arbeit und dem Namen des Bildhauers, der als Sohn eines aus Tirol eingewanderten Leinewebers das Spenglerhandwerk 34) Neues Taschenbuch von Nürnberg. 2. Th eil. Nürnberg 1822. Umschlag, Rüdeseite. Stich von Busser nach Heideloff. 35) Catalog der von dem Albrecht Dürer-Verein in Nürnberg in den untern Sälen der k. Burg daselbst zur Feyer der Enthüllung der Albrecht Dürer-Statue veranstalteten großen Kunst-Ausstellung welche am 17. Mai 1840 beginnt und bis zum 20. Juni 1840 dauert. Nr. 1. J. B. Afinger, Eine Madonna, nach einem altdeutschen Meister. — Christian I>aniel Rauch. Von Friedrich u. Karl Eggers. Bd. 2. Berlin 1878. 344 (Afinger bildete 1840 in Nürnberg die „Nonne von Veit Stoß“ nach, von Rauch auf Grund dieser Arbeit gefördert). Vgl. Hans Mackowsky in: Thieme-Becker. Bd. 1. 1907. 109.

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erlernt und ausgeübt hatte, daneben seine künstlerische Begabung durch immen­ sen Fleiß und autodidaktisches Selbststudium entwickelt hatte und 1828 als Mitarbeiter in eine Nürnberger Silberplattierfabrik eingetreten war, ehe er mit Unterstützung des Magistrats seiner Vaterstadt in den Kreis der Kunstschüler Reindels aufgenommen werden konnte. Sicher verdankte Afinger seine Hin­ wendung zur altdeutschen Plastik dem Einfluß Albert Reindels, der in seinem Stich 1829 das Abbild der Nürnberger Maria verbreitet hatte und nun in der Aufmerksamkeit erregenden plastischen Nachbildung durch einen seiner Schüler seine eigenen Bemühungen um die Figur fortgesetzt sah. Daneben konnte sich Afinger, dessen ungewöhnlicher Bildungsgang dem Burgschmiets nidit unähn­ lich ist, Rauch mit einer Nachbildung von dessen Modell zum Dürerdenkmal empfehlen, die dieser sicher 1840 zu Gesicht bekommen haben wird, auch wenn sie nicht auf der Kunstausstellung in der Burg zu sehen gewesen war36). Die später als Nürnberger Maria bezeichnete Figur, die Rauch als einem der ersten prominenten Gäste Nürnbergs aufgefallen war, wenn auch sein Interesse vor­ wiegend dem jungen Afinger gegolten haben wird und weniger dem gotischen Bildwerk als solchem, war zu dieser Zeit in Nürnberg bereits Teil des bürgerli­ chen Bildungsgutes, wobei mehrfach auftretende Nachbildungen einen Grad­ messer für die Beliebtheit der Marienstatue abzugeben vermögen. So wurde eine Bronze nach der Madonna von Johann Christian Förtsch, die neben der Kopie Afingers in der Ausstellung des Dürer-Vereins gewesen war, auf der Industrie-Ausstellung für das Königreich Bayern, die im gleichen Jahr in Nürnberg stattfand, vom Publikum „oft und laut gelobt“ 37). Daß Reindels Stichnachbildung auch nach zehn Jahren noch gefragt war, beweist eine An­ zeige der Kunsthandlung von Johann Leonhard Schräg, die im Katalog der 1840 im Landauerbrüderhause wiedereröffneten Gemäldegalerie der Burg das Blatt als lieferbar anführt38). Mit Rauchs Rückkehr und Afingers Übersiedlung nach Berlin wurde die Kenntnis und die Wertschätzung der Nürnberger Marienfigur nach Berlin übertragen. Man kann daher fast voraussetzen, daß Gustav Friedrich Waagen, Freund Schinkels und seit 1832 Direktor der Bildergalerie des Neuen Museums in Berlin, das Bildwerk bereits kannte, als er auf seiner kunsttopographischen **) Verzeichniss aller Gegenstände, welche zu der für das Jahr 1840 in Nürnberg Allerhöchst

angeordneten allgemeinen Industrie-Ausstellung für das Königreich Bayern eingeliefert wurden. Nürnberg 1840. Nr. 128. 1 Statue Albrecht Dürers mit Piedestal, nach Rauch modell. von Afinger, in Thon ausgef. von Güthner. — Erinnerungen an das Volksfest, das Uebungslager, dann an den Aufenthalt der Königl. Familie in der Burg zu Nürnberg, und Beschreibung der Allgemeinen Industrie-Ausstellung im Herbste 1840. Nürnberg 1840. 55. 37) Catalog, 1840 (s. Anm. 35). Nr. 197. J. C. Förtsch, Eine Madonna, nach einem altdeutschen Meister, Bronce. — Verzeichnis, 1840 (s. Anm. 36). Nr. 566. 1 Madonna nach einem altdeutschen Meister in Sand gegossen. — Erinnerungen, 1840 (s. Anm. 36). 45. 38) Verzeichniss der Königlichen und städtischen Gemälde welche in der Königlichen Gemäldegallerie in Nürnberg im Landauerbrüderhause auf gestellt sind. Nürnberg 1840. Anzeige nach S. 58. — Eine Holzschnittnachbildung des Stiches von Reindel in: ConversationsLexicon für Bildende Kunst. Begründet von J. A. Romberg, fortgeführt von Friedrich Faber. Bdj 4. Leipzig 1848. 509. 3#) Gustav Friedrich Waagen: Kunstwerke und Künstler im Erzgebirge und in Franken. Leipzig 1843. 222'.

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Forschungsreise durch Franken auch Nürnberg besuchte. Seine 1843 im Druck erschienenen Notizen dieses Aufenthaltes widmen dem Marienbild eine halbe Textseite, führen es in die kunstgeschichtliche Fachliteratur ein39): Nächstdem ist die klein lebensgroße, in Holz geschnitzte Statue der Maria zu nennen, welche ohne Zweifel als Gegenstück zu einem Johannes zu den Füßen eines Crucifixes gestanden hat. Obgleich die Stufe der künst­ lerischen Ausbildung sicher auf die Zeit des A. Dürer weist, sind darin doch so manche, den meisten gleichzeitigen Kunstwerken Nürnbergs eigene Mängel sehr glücklich vermieden. Der Kopf ist von großer Fein­ heit der Theile, und von jener zu reichlichen Ausladung des Ovals keine Spur vorhanden, die Figur sehr schlank, das Gefälte wahr und stylgemäß und ohne alle Störung durch jene willkürlichen Brüche; die sehr glücklich zusammengelegten Hände endlich sind von seltener Zierlichkeit. Waagen hatte das Bildwerk in der sog. Landauer- oder Allerheiligenkapelle gesehen, einem kleinen dreischiffigen gewölbten Bau, 1506/07 von Hans Beheim d. Ä. als Kapelle des Zwölfbrüderhauses im Auftrag Matthäus Landauers errichtet, der nach einer gründlichen Restaurierung seit dem Umzug der Kunst­ gewerbeschule 1833 dieser als Studiendepot diente. In dieser Kapelle finden wir einen Teil der Kunstwerke wieder, die schon in der Margarethenkapelle zusammen mit der Nürnberger Maria aufgestellt gewesen waren, so die große Rosenkranztafel und den Laokoon, dazu seit dem geglückten Guß des Dürer­ denkmals das originale Gipsmodell von Rauch40). Ralf von Rettberg’s für die Nürnberger Kunstgeschichte so wichtiges Überblickswerk der „Nürnberger Briefe", drei Jahre später in erster Auflage erschienen, gibt eine Wertung des Schnitzwerkes, die sich im wesentlichen mit der Charakterisierung Waagens deckt; im übrigen wird der Kupferstich Reindels ausdrücklich erwähnt und Waa­ gens Behauptung, daß „ohne Zweifel" ursprünglich ein Johannes als Gegen­ stück existiert habe, mit einem gedruckten Fragezeichen versehen4l). Waagen hatte in einer Anmerkung notiert, daß Reindel die Figur habe abformen 40) Plastische Werke in dem Schlosse auf der Burg, den dortigen Kapellen und in den übrigen meistens jezt ungebrauchten Kapellen so wie auf dem St. Rochus Kirchhof aufgezeichnet von dem Direktor der Kunstgewerbeschule Reindel. Handschriftl. Verzeichnis, um 1836. Exemplare Nürnberg, Stadtbibi. (Amb. 128.2°) u. GNM (Hs. 20 670). „In der LandauerKapelle: Eine betende Madonna in Holz geschnitten. Vermutlich aus einem Altar der abgetragenen Dominikanerkirche. Von seltner Schönheit. (Erhaltungszustand) gut. (Ver­ öffentlicht) im Frauentaschenbuch Jg. 1829." — Friedrich Mayer: Führer duTch Nürnberg u. dessen Umgebungen. Nürnberg (1842). 194 u. 292. Ders.: Nürnberg im neunzehnten Jahrhundert mit stetem Rückblick auf seine Vorzeit. Nürnberg 1843. 194 u. 292. — Vollständige Sammlung aller Baudenkmale, Monumente und anderer Merkwürdigkeiten Nürnbergs. In Stahlstichen nach Originalzeichnungen von J. G. Wolff, Maler und Lehrer an der K. Gewerb's- und Kunst-Schule in Nürnberg. Mit Beschreibung von Dr. Friedrich Mayer. Bd. 1. Nürnberg (1847). Taf. 13. Stahlstich von Christ. Heinrich Kummet. Innen­ ansicht der Landauerschen Kapelle: Die Nürnberger Maria rechts vom Eingang zusammen mit zwei Antiken, einem Faun(?) und einer Venus pudica; weiter erkennbar der Laokoon, drei stehende Antiken und das Rauch‘sche Modell zum Dürerdenkmal; ein weiteres mittel­ alterliches Bildwerk das Kruzifix oberhalb der Tür. 41) Rettberg, 1846 (s. Anm. 11). 114.

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lassen, „sodaß sie verdientermaßen auch in größerem Kreise verbreitet werden kann." Wir dürfen annehmen, daß es sich bei dieser ersten Abformung um 1842 um einen originalgroßen Gipsguß gehandelt haben wird und daß mit der gewünschten Verbreitung der Figur eine museale Aufstellung in öffentlichem Rahmen gemeint war. Daß im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts gegründete deutsche Kunstmuseen in der Regel Abgüsse gleich den Originalen sammelten und ausstellten, beweist die Frühgeschichte des Germanischen Nationalmuseums, wo 1833 die auf Initiative des Freiherm von Aufseß gegründete „Gesellschaft für Erhaltung der Denkmäler älterer deutscher Geschichte, Litteratrur und Kunst" die Kopie in das Sammlungsprogramm ausdrücklich miteinbezog42). Über ein Jahrzehnt früher hatte Johann Friedrich Böhmer öffentlich beklagt, daß die Städelsche Kunst-Anstalt in Frankfurt am Main nur Abgüsse nach Antiken angeschafft habe, nicht aber Nachbildungen mittelalterlicher Skulptur in Art der „Apostel von Peter Vischer" 43). Und noch nach 1920 war ein Abguß der Nürnberger Maria im Friedrich-Wilhelm-Saal des Germanischen Museums ausgestellt, obwohl wenige Räume weiter das Original zu besichtigen war44). Es ist durchaus möglich, daß Exemplare der von Reindel veranlaßten Abformung auch in nicht öffentlichen Repräsentation- und Wohngemächern postiert wur­ den, denn aus anderem Zusammenhang wissen wir, daß um 1840 lebensgroße (/) Gipsabgüsse „in jedem stattlichen und selbst Privathause Raum" fanden45). Seit den vierziger Jahren muß Afinger zudem in Berlin eine verkleinerte Fas­ sung des Marienbildes vertrieben haben, denn kurz nach 1850 gilt die Nürn­ berger Maria als „in der vortrefflichen kleinen Copie von Afinger bei allen Kunstfreunden verbreitet" ***). Und einem Bericht von Friedrich Eggers, den er nach einem Atelierbesuch in der „Plastischen Anstalt und Gypsgießerei von G. Eichler in Berlin" für das Deutsche Kunstblatt 1856 geschrieben hatte, können wir weiter entnehmen, daß die gipserne Nürnberger Maria in Beliebt­ heit und Absatzchancen mit der Verkleinerung einer antiken Ceres konkurrierte und daß „der bei Zimmerdekorationen oft ein tretende Wunsch nach Gegen­ stücken" dazu geführt hatte, von Afinger einen Johannes als Gegenstück model­ lieren zu lassen47). Neben der erwähnten Ceres aus den vatikanischen Samm42) Das Germanische Nationalmuseum von 1852 bis 1902. Festschrift zur Feier seines fünfzig­ jährigen Bestehens im Aufträge des Direktoriums verfaßt von Theodor Hampe. Leipzig 1902. 15. — Noch in den achtziger Jahren des 19. Jh. kauft das Museum Abgüsse ein, die „oft fast ebenso teuer als die Originale“ sind; vgl. Anzeiger des germanischen National­ museums. 1. 1884—1886. 48. 43) Johann Friedrich Böhmer: lieber den gegenwärtigen Zustand der Städel'schen KunstAnstalt zu Frankfurt a. M. In: Kunst-Blatt. 2. 1821 (85). 337—339. 44) Um 1900 angelegter Klebeband mit Fotos aus dem GNM (4° Jk NUR 50/169). Abb. Nr. 100. — Eine Gipsgießerei besaß das Museum seit 1855; vgl. Festschrift, 1902 (s. Anm. 42). 36. — Ein Abguß der Maria stand auch im Museum in Stuttgart; vgl. Verzeichnis der plastischen Sammlung im Königl. Museum der bildenden Künste zu Stuttgart. Cannstatt 1897. Nr. 114, S. 101. 45) Kunstblatt. 21. 1840 (77). 320. *•) Franz Kugler in: Deutsches Kunstblatt. 2. 1851 (41). 330. — Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte1 von Franz Kugler. 2. Theil. Stuttgart 1854. 653. — Franz Kugler: Handbuch der Kunstgeschichte. 3. Aufl. Bd. 2. Stuttgart 1859. 739. 47) Friedrich Eggers: Die plastische Anstalt und Gypsgießerei von G. Eichler in Berlin. In: Deutsches Kunstblatt. 7. 1856 (31). 267—270. — G. Eichler. Plastische Kunst-Anstalt.

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lungen waren während des Besuches von Eggers in Arbeit Abgüsse der Venus von Milo, des Myronischen Diskobolen, des Spartakus von Foyatier, der Apostel vom Sebaldusgrab und einer Schmetterlingsfängerin des Rauchschülers Drake: ein willkürlich anmutendes Sammelsurium aus verschiedensten Kunstepochen, — Antike, Dürerzeit und aktuelle Gegenwartskunst nebeneinander. Daß der Gipsabguß vom Klassizismus des endenden 18. Jahrhunderts bis in die Gründerjahre hinein in einer weitgehend vor-photographischen Bildungs­ situation für die geistige Bewältigung des „Musee imaginaire“ (Andre Malraux) bei einer sprunghaft gestiegenen Denkmälerkenntnis ein notwendiges Hilfs­ mittel und eben nicht Zeichen schlechten Geschmackes war, kein beklagens­ werter Verfall von Kultur schlechthin, die über dem Surrogat das Original vergaß, sondern im Gegenteil über die Kopie das Urbild erfaßte, weil sie mit ihm lebte, ist bisher kaum wirklich gesehen, geschweige denn untersucht wor­ den. Die naheliegende Frage, welche Bedeutung der Kopie der Nürnberger Ma­ donna in der Wohnkultur des mittleren 19. Jahrhunderts zukam, in welches ikonographische Programm einer Repräsentationsausstattung sie sich einzu­ fügen hatte, in welchen Jahrzehnten sie besonders gefragt, wie langlebig Gips­ abgüsse dieser Art waren und inwieweit sie wechselnden Geschmacks- und Modeströmungen ausgesetzt war, alle diese Fragen sind beim jetzigen Stand unserer lückenhaften Kenntnisse vom 19. Jahrhundert vorerst unbeantwortbar, genau wie die nach der soziologischen Streuung der Nachbildungen. Schon zum Material, dem weißen oder sparsam getönten Gips, der um 1850 als „liebens­ würdig und bescheiden“, als „gehorsam und treu“, weil „auf eigenen Werth verzichtend“ gepriesen wird 48), müssen wir erst wieder ein objektives Wert­ verhältnis gewinnen — für die im 19. Jahrhundert unter enormen materiellen Anstrengungen entstandenen Abgußsammlungen, deren systematische Vernich­ tung nur zum geringen Teil mit den Folgen von zwei Kriegs- und Nachkriegs­ zeiten in unserem Jahrhundert entschuldigt werden kann, kommt in Deutsch­ land ohnehin jede Hilfe zu spät. Auf einem der drei Aquarelle von Michael Hoffmann, die die Arbeits­ zimmer der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm in der Linkstraße in Berlin aus verschiedenen Blickwinkeln in dem bei aller nüchternen Akkuratesse verblüf­ fend lebendigen Stil des biedermeierlichen Berliner Realismus abschildem, er­ blickt man eine kleine Gipsnachbildung der Nürnberger Maria, die, wahrschein­ lich ein Exemplar der Afingerschen Serie, im Zimmer Wilhems auf einem Konsölchen am Mittelpfosten einer Verbindungstür steht49). Die scheinbar regellose Neuestes Verzeichniss von Abgüssen antiker und moderner Skulpturen in Gips und Elfenbeinmasse. Berlin 1882. Nr. 204 (Betende Maria, Statuette, Kop. v. Afinger, Orig. v. Veit Stoss im Germanischen Museum zu Nürnberg) u. Nr. 205 (Johannes, Pendant hierzu). 48) F. Eggers, 1856 (s. Anm. 47). 270. 49) Aquarelle um 1860; je etwa 36:45 cm. Nürnberg, GNM (Inv. Nr. Hz. 5214—5216). Karl u. Faber, München. Auktion 60. 22—24. Mai 1957. Nr. 318—319. — Fritz Zink: Kultur­ dokumente Norddeutschlands unter besonderer Berücksichtigung Westfalens. Leihgaben des Germanischen National-Museums in Nürnberg. Karl-Emst-Osthaus-Museum Hagen. 13. Okt. bis 24. Nov. 1957. Nr. 126—128. — Die BASF. Aus der Arbeit der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG. 12. 1962 (1). Farbtaf. S. 4—5. — Ludwig Deneke: Katalog der Aus­ stellung des Brüder Grimm-Museums in der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek. Brüder Grimm-Museum Kassel. Kassel 1965. Nr. 16.

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und nur privat-intim anmutende Ausstattung der beiden Zimmer erweist sich bei näherem Zusehen als ein sehr bewußtes, durchaus zu verallgemeinerndes Produkt einer zeitgebundenen Geisteshaltung, die uns generell über die künst­ lerischen Wertvorstellungen des Bildungsbürgertums um 1850 aufklärt: das Nebeneinander und Gegenüber von Raffaels Sixtinischer Madonna und Dürers Münchener Selbstbildnis, beide in druckgraphischen Reproduktionen, in einem Raum mit der Nachbildung der Nürnberger Marienfigur ordnet diese unter die großen abendländischen Kunstwerke ein. Wenige Jahrzehnte später fügt der Hannoveraner Architekt Carl Wilhelm Hase das Standbild in das histori­ stische Ambiente eines der Fremdenzimmer im ersten Obergeschoß des Süd­ flügels der Marienburg auf dem Schulenburger Berg bei Nordstemmen ein, wobei offenbleibt, ob die auf dem Aquarellentwurf Hases links an der Wand auf einer gotischen Blattkonsole stehende weiße Gipsmadonna tatsächlich aufgestellt war, als 1864 die Leitung der Bau- und Ausstattungsarbeiten an Edwin Oppler überging50). Dem frischen, nun über Nürnbergs Grenzen hinausreichenden Ruhm der betenden Madonna trägt ein Stich von Friedrich Wagner Rechnung (Abb. 6), der 1847 in einem Tafelwerk mit Nürnberger Marienbildern erschien und Reindels Nachbildung praktisch ersetzte 51). Im Vergleich beider Stichinterpre­ tationen fällt auf, um wievieles „gotischer“ Wagner die Figur gibt. Schlanker und steiler als Reindels fast zwanzig Jahre ältere Fassung, gewinnt seine An­ sicht durch einen veränderten Blickwinkel schräg von links jene große geschlos­ sene Umrißkurve, die Reindels starrer Frontalansicht fehlen mußte, die sich aber von Wagners Blatt ausgehend auch, allerdings im Gegensinn, bei Philipp Walther 1854 wieder findet52). Friedrich Wagners Würdigung, der zu seinen Linienstichen selbst den Text verfaßte, ist im Rückblick auf die nun fast nüchtern anmutenden Zeilen im Frauentaschenbuche von 1829 zu einem an schmückenden Adjektiva reichen Hymnus geworden, der den künstlerischen Wert der Nürnberger Maria maßlos überschätzt und gerade deshalb bis weit in die zweite Jahrhunderthälfte fortwirken sollte53): Gleich dem vorigen besitzt auch in diesem Holzschnitzwerke der 4ten Tafel die deutsche Kunst eine herrliche Arbeit, ohne deren Meister zu kennen. Er selbst ruht ungenannt bei den Todten, aber sein Werk bewahrt die 50) Günther Kokkelink: Conrad Wilhelm Hase. Baumeister des Historismus. Ausstellungs­ führer anläßlich der 150. Wiederkehr seines Geburtstages. Hannover, Historisches Mus. am Hohen Ufer. Hannover 1968. Nr. 96 (Perspektivische Innenansicht. 38,3:55,5 cm. Besitz S. K. H. Emst August Prinz von Hannover). Ders.: Die Neugotik Conrad Wilhelm Hases. Eine Spielform des Historismus. 1. Teil: 1818 bis 1859. Hannoversche Geschichtsbll. 22. 1968 (l/3). Abb. 20. — Gottfried Kiesow: Schloß Marienburg. Gr. Baudenkmäler Heft 178. München, Berlin 1963. — Da das von Hase für die Ausstattung bevorzugte Material Gips von Oppler radikal in Frage gestellt wurde, besteht die Möglichkeit, daß die Figur nach 1864 von ihrem Standort entfernt wurde. 51) Nürnberger Bildhauerwerke des Mittelalters. I. Marienbilder. Für Bildhauer, Maler und alle Freunde deutscher Kunst gezeichnet, gestochen und mit kurzen Notizen hrsg. von Friedrich Wagner. Nürnberg 1847. Taf. 4. 52) Holzschnitt in: Nürnberg's Kunstleben in seinen Denkmalen dargestellt von R. von Rettberg. Ein Führer für Einheimische und Fremde. Stuttgart 1854. Fig. 43. 53) F. Wagner, 1847 (s. Anm. 5i). 8—9.

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dankbare Nachwelt wie eine Perle und die grössten Meister der Neuzeit schenken ihm ihre Bewunderung. Das Bild stammt aus der 1808 abgetra­ genen Dominicanerkirche und ist wahrscheinlich der Rest eines Crucifixes mit Maria und Johannes. Gegenwärtig befindet es sich in der Sammlung der K. Kunstschule. In diesem köstlichen lleberreste tritt uns der Geist der deutschen Kunst in ächter, eigentümlicher Weise und schönster Vollendung entgegen. Jener, in der romanischen Schule wurzelnde, gross­ artige Styl und jene oft aus ihm entspringende Kälte und Einförmigkeit, die im schlimmem Falle gerne an eine mehr handwerksmässige Tüchtig­ keit streift, ist hier der mehr individuellen Auffassung, der liebevollsten Naturtreue mit Schönheit verbindenden Ausführung, und einer Innigkeit und Lebenswärme gewichen, so dass diese Eigenschaften in seltner Ver­ einigung ein Kunstwerk hervorbringen konnten, das rein und treu das Gepräge des deutschen Charakters trägt und den Vergleich mit dem Schönsten der italienischen und griechischen Kunst nicht scheuen darf. Die Zeit der Entstehung mag in die 2te Hälfte des fünfzehnten Jahr­ hunderts fallen. Folgenschwer wurde Wagners Hinweis zu Beginn des Textes auf die vorher­ gehende Tafel 3 seines Stichwerkes, die eine Abbildung der formschönen Pieta aus der Jakobskirche brachte. Das in Kostüm, Sentiment und Zeitstil der Nürn­ berger Madonna verwandte Vesperbild in St. Jakob galt in der Folgezeit als Werk des Meisters der Nürnberger Maria (was Wagner in seinem Text nicht behauptet hatte), ein erster Versuch, den Bildschnitzer aus der isolierenden Anonymität zu lösen und durch die Zuweisung einer zweiten Skulptur als künst­ lerische Persönlichkeit faßbarer werden zu lassen. In einer Besprechung der Wagnerschen Stichpublikation durch den Berliner Kunsthistoriker Franz Kugler wird unsere Figur als „in neuer Zeit mit Recht so berühmt geworden" bezeich­ net — eine indirekte Bestätigung unserer Vermutung, daß die zweite Phase des Nachruhmes der Maria durch Afingers verkleinerte Kopie und Waagens wür­ digende Beschreibung von Berlin ausging und wirkte54). Um 1854 gilt dann unsere Figur bereits als „weltberühmt", und diese Hochschätzung ist im Be­ wußtsein der Generation schon so verankert, daß es ihr fast undenkbar ist, daß der Ruhm der Maria erst ein kurzlebiger von einigen Jahrzehnten ist; Ralf von Rettberg versichert jedenfalls, daß die Nürnberger Maria „von jeher alle Welt entzückt und nebenbei die Gelehrten geplagt" habe 55). 3. Die Bemühungen des Bayerischen Nationalmuseums Die Kunde von der „weltberühmten" Marienfigur in Nürnberg scheint noch in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts nicht bis München gelangt zu sein. Es bedurfte hier erst des Erscheinens der großen „Geschichte der bilden­ den Künste im Königreich Bayern", die Joachim Sighart auf Veranlassung und mit Unterstützung König Maximilians II. 1862 in München herausbringen 54) Kunstblatt. 28. 1847 (24). 95—96. — F. Kugler, 1854 (s. Anm. 46). 564. 55) Rettberg, 1854 (s. Anm. 52). 75.

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konnte, um in der Landeshauptstadt auf die Madonna aufmerksam zu ma­ chen w). Sighart hatte die Nürnberger Maria an erster Stelle unter den Holz­ bildwerken Nürnbergs aufgeführt und der im folgenden Jahr erschienene Band Süddeutschland der Kunst-Topographie von Wilhelm Lotz pries die Statue als „wahr, schön, ergreifend, von reinem Styl und edlen Gesichtszügen“ 57). Lotz hatte in seinem Handbuch ausdrücklich auf eine zugehörige Johannesfigur in Gnadenberg hingewiesen und damit eine vage Vermutung Rettbergs zur fest­ stehenden Tatsache erhärtet58), und dieser Zweifel an der Nürnberger Pro­ venienz bot der Direktion des Bayerischen Nationalmuseums die Handhabe, sich um die Überlassung der Figur für die Münchner Sammlung zu bemühen. Nachdem schon Versuche, das Holzmodell zum Gänsemännchen-Brunnen nach München zu ziehen, gescheitert waren, setzten 1865 Pressionen ein, um die Stadt Nürnberg zur Herausgabe der Nürnberger Maria zu bewegen. Ein Brief des Freiherrn Karl Maria von Aretin, der seit 1854 mit dem Aufbau der Samm­ lungen eines Bayerischen Nationalmuseums beschäftigt war, ging in dieser Angelegenheit im Oktober beim Kultusministerium ein. Die in diesem Schrei­ ben gewählte Bezeichnung „berühmte Madonna von Gnadenberg“ drückt den Zweifel an den Eigentumsansprüchen Nürnbergs aus und von Aretin führt in seinem Schriftsatz aus, dieses Bildwerk, „welches als die schönste Holzfigur anerkannt ist, welche uns das Mittelalter überliefert hat“, sei „bekannter­ maßen“ von dem verstorbenen Direktor Reindel in Gnadenberg aufgefunden worden; ein zugehöriger Kruzifix und eine Johannesfigur seien zu derZeit aller­ dings schon vom Schulmeister von Gnadenberg zerstört worden. Vom Ministe­ rium mit der Prüfung des Sachverhaltes beauftragt, wandte sich August von Kreling, der seit 1853 als Nachfolger Reindels das Amt des Leiters der Kunst­ gewerbeschule versah, am 15. November 1865 an die städtischen Behörden, um Auskünfte über die Eigentumsverhältnisse zu erlangen. Die von der Stadt daraufhin betriebenen Recherchen ergaben allerdings nur, daß die schon im Frauentaschenbuch von 1829 mit Hinweis auf eine Notiz bei Murr vermutete Herkunft aus der abgebrochenen Dominikanerkirche urkundlich nicht zu stützen war, zudem eine Aufstellung des städtischen Kunstbesitzes an Skulpturen bisher nie erstellt worden sei. Da aber die Gegenpartei in München es ebenso schwer haben würde, ihre Behauptung, daß die Figur aus Gnadenberg stamme, auch beweisen zu können, widersetze sich die Stadt entschieden einer Ausliefe­ rung der Figur, „im äußersten Falle wird man es auf einen Rechtsstreit an­ kommen lassen müssen“, denn „die Statue wird unter keinen Umständen an das K. Nationalmuseum gegeben werden.“ Ohne diese angedeutete prozessuale Klärung des Sachverhaltes dekretiert ein Entscheid des bayerischen InnenM) Geschichte der bildenden Künste im Königreich Bayern von den Anfängen bis zur Gegen­ wart. Hrsg, auf Veranlassung u. mit Unterstützung Seiner Majestät des Königs von Bayern Maximilian II. von J. Sighart. München 1862. 540. 57) Wilhelm Lotz: Kunst-Topographie Deutschlands. Ein Haus- und Reise-Handbuch für Künstler, Gelehrte und Freunde unserer alten Kunst. Bd. 2. Süddeutschland. Cassel 1863. 347—348. — Hermann Alexander Müller: Die Museen und Kunstwerke Deutschlands. Ein Handbuch für Reisende und Heimgekehrte. Zweiter Theil: Süddeutschland. Leipzig 1858. 231. 58) Rettberg, 1854 (s. Anm. 52). 76.

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ministeriums im April 1866, daß „unter den gegebenen Verhältnissen auf die Erwerbung der fraglichen Madonnenstatue für das bayerische Nationalmuseum nicht weiter bestanden werden kann“ und beendet damit den Streit zugunsten des bisherigen Eigentümers59). Dieser „Angriff auf eines der bedeutensten Denkmäler der Alt-Nürnberger Kunst“ (Wilhelm Schwemmer) war damit für alle Zukunft abgeschlagen. Zehn Jahre später befindet sich die Nürnberger Maria als Leihgabe der Stadt auf einer Ausstellung in München, und der Ausstellungskatalog vermerkt in fast selbstverständlicher Lapidarität, daß die Maria „das beste Kunstwerk des Mittelalters“ sei, ein Superlativ, der sich schon beim Freiherrn von Aretin fand und der nun auf Nürnberg zurückwirkte60). Hatten sich die Wegweiser für die Besucher des Germanischen Museums seit den sechziger Jahren mit einem knappen hinweisenden Vermerk ohne den Versuch einer eigenen Wer­ tung des Marienbildes, das als Gipsabguß seit 1868 in der Sammlung nach­ weisbar ist, begnügt, so wird seit 18 80 in den Museumspublikationen aus­ drücklich die Münchner Ausstellung und die dort vorgenommene Einschät­ zung als „bedeutendstes Kunstwerk des Mittelalters“ zitiert, nun allerdings vor dem inzwischen in das Museum gelangten Original61). Das Ausstellungskomitee in München plante, der Nürnberger Kunst zwei eigene Räume vorzubehalten, trotzdem hatte der Magistrat ursprünglich nicht daran gedacht, die Maria in die Liste der Leihgaben aufzunehmen. Wir gehen wohl nicht fehl in der Annahme, daß der zehn Jahre zurückliegende Streit mit dem Freiherm von Aretin der mißtrauischen Befürchtung Raum gegeben hatte, das Bildwerk könne als vermeintliches bayerisches Staatseigentum beschlag­ nahmt und so doch noch Nürnberg entfremdet werden. Erst als der Direktor des Germanischen Nationalmuseums in einer Sitzung des Verwaltungsaus­ schusses im Mai 1876 vortrug, daß die Madonna von allen Kennern der Nürn­ berger Kunst auf der Ausstellung sehr vermißt werden würde, entschloß man sich unter Aufhebung früherer Beschlüsse für den Transport der Figur nach München. In der Empfangsbestätigung, die das Komitee aus München nach Übergabe der Skulptur im Juni 1876 ausstellte, wird die Figur als „in der Kunstgeschichte bekannt als Nürnberger Madonna“ bezeichnet — der früheste uns zur Kenntnis gelangte Hinweis auf diesen Namen62). In den Akten von 5Ö) Acten, 1865 (s. Anm. 19). — Wilhelm Schwemmer: Aus der Geschichte der Kunstsamm­ lungen der Stadt Nürnberg. In: Mitt. d. Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg. 40. 1949. 165—166.

80) Katalog für die Ausstellung der Werke älterer Meister. Von Dr. Kuhn. München 1876. Nr. 159. 61) Die Sammlungen des germanischen Museums. Wegweiser für die Besuchenden. Nürnberg 1868. Nr. 55. „Die trauernde Maria, ehemals neben einem Crucifixe stehend“. — Der Wegweiser von 1872 fügt die Datierung 14.-15. Jh. hinzu. — Die kunst- und kultur­ geschichtlichen Sammlungen des germanischen Museums. Wegweiser für die Besuchenden. Nürnberg 1880. 27. Nr. 241. „Trauernde Maria, von der Seite eines Crucifixes, 15.-16. Jh.; das hervorragendste Werk der Nürnberger Kunst jener Zeit, bei der Münchener Aus­ stellung 1876 als das bedeutendste Kunstwerk des Mittelalters überhaupt bezeichnet; leider grau angestrichen." 62) Acten des Stadtmagistrats Nürnberg. Betreff: Die städtische Kunstsammlung 1864—1876. Stadtarchiv Nürnberg. Haupt-Registratur. Vd 4. Nr. 3 5. — Bei der ungewohnten archivalischen Arbeit war mir Dr. Gerhard Hirschmann behilflich.

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Abb. 1

Die Nürnberger Madonna Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Abb. 2

Albert Reindel. Kupferstich, 1828

Abb. 3

Jakob Daniel Burgschmiet. Nachbildung in Alabaster, 1824 Nürnberg, Städtische Kunstsammlungen

Abb. 4

Radierung aus Heinrich Wilhelm Eberhard's „National-Archiv für Deutschland“, um 1831

Abb. 5

Josef Markus Hermann. Schmerzensmutter, um 1800 München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Abb. 6

Friedrich Wagner. Kupferstich, um 1847

Abb. 7

Nürnberg, Frauenkirche. Ehemalige Triumphkreuzgruppe von Paul Ziegler und August Essenwein, 1881 (Zustand vor 1945)

Abb. 8

Albrecht Dürer. Schmerzensmutter, um 1498 München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

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1865 figurierte sie noch als „Madonna von Gnadenberg" oder, noch ungenauer, als „die fragliche Madonna". Der Zeitpunkt, zu dem aus einer Nürnberger Madonna die Nürnberger Madonna wurde, kann mit aller Vorsicht um 1870 vermutet werden. Nach Beendigung der Ausstellung wurde das Marienbild dem Münchener Bildhauer Lorenz Gedon übergeben, der den graugrünen Ölfarbenanstrich Reindels entfernen sollte. Alle Bemühungen Gedons blieben allerdings erfolglos und ein halbes Jahr später, im März 1877, traf die Nürnberger Maria wohlbehalten, das heißt: mit der alten Farbfassung, in Nürnberg wieder ein63). Daß das Bayerische Nationalmuseum zumindest propagandistisch nicht ganz auf die Figur verzichten konnte oder wollte, beweist der Entwurf eines Er­ innerungsblattes für das Museum, welches C. Ziebland 1877 unter Aretins Nachfolger, dem seit 1868 amtierenden Direktor Jakob Heinrich von HefnerAlteneck, komponiert hatte und das in der Mitte unter dem Bildnis König Maximilians die Nürnberger Madonna auf einer Konsole stehend zeigt M). 4. Die Überführung in das Germanische Nationalmuseum Die Begehrlichkeit des Freiherm von Aretin war mit durch die Tatsache ge­ weckt worden, daß die Direktion der Nürnberger Kunstgewerbeschule Ende 1864 oder 1865 alle „aufgestellten plastischen Werke, um Platz zu gewinnen, dem Magistrat der Stadt Nürnberg übergeben" hatte, die Nürnberger Maria ihrer bisherigen halb musealen Betreuung in der Kunstgewerbeschule praktisch verlustig gegangen war65). Dieser unausgesprochene Verdacht, daß die Maria in Nürnberg zur Zeit unbehaust und daher ohne Schwierigkeiten nach München zu ziehen sei, mag bei den Bemühungen Aretins mitgespielt haben. Tatsächlich gab es 1865 keine eigentliche städtische Kunstsammlung, in die man die Nürn­ berger Maria hätte eingliedem können. Seit 1863 geplant, hatte sich die Ein­ richtung einer Gemälde- und Kunstsammlung in einigen Räumen des Rathauses bis 1867 verzögert, ehe die Eröffnung stattfinden konnte 68). Zweifellos ge­ hörte die Madonna zu den wenigen Skulpturen, die als Eigentum der Stadt in diese museale Aufstellung miteinbezogen wurden 67). Der zunächst vorsichtig unternommene Versuch im Sommer 1874 durch August Essenwein, seit 1866 Erster Vorstand des Germanischen Nationalmuseums, den Kunstbesitz der Stadt 63) Acten, 1864—1876 (s. Anm. 62). 84) Kunst und Kunsthandwerk. Meisterwerke im Bayerischen Nationalmuseum München. Fest­ schrift zum hundertjährigen Bestehen des Museums. München 1955. Abb. S. 19. — Eine im Stil der „Neu-Romantik" von Karl Selzer entworfene Ehrenpfleger-Urkunde des Ger­ manischen Nationalmuseums stellt die Nürnberger Maria als Pendant zu einer hl. Elisabeth von Riemenschneider (PI. 49). GNM Hz. 5748 a, Kapsel 1044 a u. Anzeiger des Germa­ nischen Museums 1'9'15. 26. Abb. 6. 65) Brief von Aretins; Abschrift in den Acten, 1865 (s. Anm. 19). 66) W. Schwemmer, 1949 (s. Anm. 59). 150—151. 67) Nürnberg, seine Baudenkmale und Kunstwerke, nebst einem Abriß der Geschichte der Reichsstadt. Neuester Führer für Fremde und Einheimische. Mit einem Plane der Stadt. Nürnberg 1874. 23 (im kleinen Rathaussaal: Die betende Maria, ein herrliches Standbild, welches durch vielfache Abgüsse allgemein bekannt ist; es dürfte aus dem Anfang des 16. Jh. stammen und mag zu einem Cruzifix gehört haben). 30

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als Dauerleihgabe in sein Museum zu bekommen, führte schon im Mai des folgenden Jahres zur Aufsetzung eines „Mieth- und Verwahrvertrages" zwi­ schen dem Museum und dem Magistrat. In der gleichzeitigen Aufstellung der übergebenen Kunstwerke fehlt allerdings die Nürnberger Madonna; erst nach der Rückkehr aus München wurde durdi einen Zusatzbeschluß des Senats am 4. März 1877 verfügt, die Figur dem Museum leihweise zu überlassen68). Der Standort der Figur innerhalb des Museumskomplexes wechselte in den ersten Jahrzehnten mehrfach. 1868 bis 1879 und seit etwa 1899 bis 1902 steht sie in der Kartäuserkirche, wobei bis zum Eintreffen des Holzoriginals im Frühjahr 1877 nur ein Gipsabguß gemeint sein kann, der dann ausgetauscht wurde. 1880 bis 1896 bildet sie mit den anderen Hauptwerken der städtischen Plastiksammlung, dem Modell des Gänsemännchens, der großen Rosenkranz­ tafel, dem Apollobrunnen, in der sog. Sakristei eine eigene Abteilung inner­ halb des Museums. Zu Beginn unseres Jahrhunderts wird sie an den Strebe­ pfeiler des Lichthofes links vom Nordeingang der Kirche versetzt, ehe sie im Dezember 1920 in der dem Museum neu eingegliederten Ebracher Kapelle ihren bis 1968 gültigen Standort findet69). Abgesehen von den kurzen Texten zur Nürnberger Maria in den Wegweisern des Museums seit 1880, für die Essenwein persönlich verantwortlich zeichnete, befaßte sich dieser in einer Buchbesprechung der „Geschichte der Deutschen Plastik" von Wilhelm Bode, dem Direktor der Abteilung der christlichen Plastik der Berliner Museen, aus­ führlicher mit dem Standbild. Bodes zurückhaltende Kritik, der die Schönheit der Figur „in gewissem Sinne eine äußerliche" genannt hatte, da sie „auf Kosten der Empfindung wiedergegeben" sei, wird von Essenwein bestimmt zurückgewiesen, der im „übrigen treffliche Holzschnitt" aus dem Bode’schen w) Acten, 1864—1876 (s. Anm. 62). — W. Schwemmer, 1949 (s. Anm. 59). 151—152. — Die Tatsadie, daß die Nürnberger Maria nicht 1875 mit den städtischen Kunstwerken in das GNM kam, sondern erst zwei Jahre später, ist bisher übersehen worden; sogar die offi­ zielle Festschrift von 1902 (s. Anm. 42). 108 nennt das falsche Datum. 6Ö) Die wechselnden Standorte sind aus den verschiedenen Ausgaben der Wegweiser des Germanischen Museums leicht zu ersehen. — Eine Serie stereoskopischer Fotos von Carl Leidig mit Ansichten aus dem Museum zeigt die Madonna in der Sakristei zusammen mit einer Marienkrönung (PL 212), zwei Leuchterengeln aus der Schule des Veit Stoß (PL 224), der Gruppe des ungerechten Richters von Hans Schwarz (Pl. 218—215), einem spätgotischen Altar und Flötners Apollobrunnen (Bibi. GNM Jk NUR 50/168. Nr. 9). Der gleiche Zustand auf einem Foto von Rudolf Albrecht, vgl. Hans Stegmann: Das germanische National-Museum zu Nürnberg in seinen Räumen und Gebäulichkeiten. Nürnberg 1896. Taf. 11. — Zur Aufstellung in der Kartäuserkirche vgl. Germanisches Museum zu Nürn­ berg. Nürnberg 1902. Taf. u. Monatsberichte über Kunstwissenschaft u. Kunsthandel. Hrsg, von Hugo Helbing. 2. 1902. Taf. 81. — Die Aufstellung in der Ebracher Kapelle beschrieben von Walter Fries: Der Neubau des Germanischen Nationalmuseums und seine Einrichtung. In: Museumskunde. 16. 1922 (4). 180; eine Abbildung dazu in: Der Kunst­ wanderer. 2. 1920/21. 136. Den Zustand der Ebracher Kapelle unter dem Direktorat von Heinrich Kohlhaußen zeigt ein Foto (Fotothek GNM); die Nürnberger Maria hier zusam­ men mit dem Kruzifix des Veit Stoß (Pl. 62) und zwei Altartafeln (Gm. 237—238). In der Ebracher Kapelle letztmals genannt: Wegweiser durch das Germanische National­ museum in Nürnberg 1967. 63. — Seit dem Sommer 1968 im Obergeschoß des Bestelmeyerschen Galeriebaues (Raum 46) zusammen mit dem Rahmen zum Allerheiligenbild, Gemälden von Dürer, Hans von Kulmbach, Wolf Traut, Barthel Bekam, Paul Lautensack d. Ä., Georg Pencz und anonymen Werken der Dürer-Schule.

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Werk bei dieser Gelegenheit erneut abgedruckt70). Der gegen Ende der Amts­ zeit Essenweins erschienene „Katalog der im germanischen Museum befind­ lichen Original Skulpturen", die erste wissenschaftliche Inventarisation der Marienfigur, charakterisiert sie als das „hervorragendste Werk der Nürnberger Plastik der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts" das „nicht wenig dazu bei­ getragen hat, gerade der Nürnberger Kunst Weltruf zu verschaffen", ein Bild­ werk, „dessen Schöpfer wir als den bedeutendsten Bildschnitzer seiner Zeit be­ trachten dürfen" — ein augenfälliger Beweis, daß auch die nüchterne Fachwis­ senschaft vor der Beliebtheit der Figur kapituliert und jeden Beurteilungsmaß­ stab verloren hatte 71). Daneben mußte es den Praktiker Essenwein, dessen Tätigkeit als Architekt, Restaurator und Kirchenausstatter sich bis nach Köln und Niedersachsen erstreckte, reizen, den immer beklagten Verlust des zugehö­ rigen Christus am Kreuz, unter dem die Figur der Maria als Schmerzensmutter gestanden haben sollte, und ihres Gegenstückes in Gestalt einer Johannesstatue durch historisierende Neuschöpfung auszugleichen. Gelegenheit bot sich, als Es­ senwein 1879 die umfassende Wiederherstellung der Frauenkirche in Nürnberg in Angriff nahm und auch Sorge dafür trug, die Ausstattung im Sinne der spä­ ten Neugotik zu komplettieren. Das aufwendigste Teilstück dieser Neuausstat­ tung der Frauenkirche am Hauptmarkt bildete eine überlebensgroße Triumph­ kreuzgruppe, die Paul Ziegler unter den Augen Essenweins in Holz schnitzte und von der bei der Neuweihe der Kirche im Oktober 1881 erst der Kruzifixus fertig war72). Ist der Gekreuzigte eine freie Variation in der Art des Veit Stoß, der Johannes in seinem Vorbild nicht eindeutig fixierbar, so ist die Maria unter dem Kreuz eine vergrößerte Nachbildung der Nürnberger Madonna (Abb. 7). Die Dreiergruppe, die auf dem Triumphbogen die Kriegszerstörungen über­ standen hatte und in der Ruine der Frauenkirche nach 1945 am originalen Standort noch zu sehen gewesen war, wurde von der hier wie allerorts puristisch gesinnten Denkmalpflege der ersten Nachkriegszeit geborgen und in eine mo­ derne Kirche außerhalb des Stadtzentrums verbannt73). Ist die künstlerische Qualität der Zieglerschen Figuren sicher nicht allzu hoch einzuschätzen, auch wenn unsere einseitigen Wertvorstellungen von Originalplastik einer nach­ schöpfenden Replik kaum gerecht werden können, so bestechen doch der Ernst und die Ehrlichkeit, mit denen hier um 1880 versucht wurde, ein ikonographisches Programm zu rekonstruieren, von dessen Richtigkeit man überzeugt war. Zugleich haben wir den einzigen Versuch in der Geschichte des Nachruhmes 70) Wilhelm von Bode: Geschichte der Deutschen Plastik. Berlin 1885. 128—129, Holzstidi S. 128. — August von Essenwein: Die Skulpturensammlung des germanischen National­ museums und ihre Berücksichtigung in W. Bodes Geschichte der deutschen Plastik. In: Mitteilungen aus dem germanisdien Nationalmuseum. 2. 1887—1889. 60, Holzstich Fig. 3. 71) Katalog der im germanischen Museum befindlichen Originalskulpturen. Nürnberg 1890. V. 314, Taf. 5 (Xylographisches Atelier J. L. Trambauer, Nürnberg; Holzschnitt nach Foto). 72) August Essenwein: Der Bildschmuck der Liebfrauenkirche zu Nürnberg. Nürnberg 1881. V und VIII. 73) Zum Zustand bis 1944 vgl. Wilhelm Kriegbaum und Hanns Hubert Hofmann: Nürnberg dargeboten in alten Photographien des Photographen Ferdinand Schmidt 1860—1909'. Nürnberg 1967. Taf. 53. Die Triumphkreuzgruppe in der Ruine der Frauenkirche nach 1945 zeigen mehrere Fotos im Stadt. Hochbauamt Nürnberg. Seit 1948 in St. Theresia, Innsbrucker Straße 11. 30*

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der Nürnberger Maria vor uns, den geistigen Wert des durch endlose Abgüsse von Abgüssen und verfälschende, weil den Maßstab und das Material ver­ ändernde Nachbildungen, auf das Niveau von Kitsch und Trivialkunst zum „Souvenir" abgesunkenen Kunstwerkes durch eine wissenschaftlich wie ästhe­ tisch gleichermaßen befriedigende Neufassung des Themas der Triumphkreuz­ gruppe unter Einbeziehung der Nürnberger Maria in einem Gegenmodell, das wie im Mittelalter auch allein dem christlichen Kultus dienen sollte, neu zu festigen.

5. Trivialkunst und literarischer Nachruhm

Eine Nachbildung in Alabaster von Burgschmiet, 1824 datiert, war das erste Zeugnis, das wir zur Nürnberger Maria im 19. Jahrhundert finden konnten. Eine sicher das Original wesentlich verkleinernde Bronze von Förtsch und eine Variante von Afinger aus unbekanntem Material (wahrscheinlich Gips) waren die nächsten plastischen Nachschöpfungen, die sich 1840 in Ausstellungs­ katalogen verzeichnet fanden. Ob die seit den vierziger Jahren in Berlin zum Verkauf gelangenden kleinen Gipsnachbildungen Afingers auf sein 1840 in Nürnberg gezeigtes Modell zurückgingen oder ob er nachträglich, durch die Schulung bei Rauch vervollkommnet, eine Art Zweitfassung modelliert hatte, entzieht sich vorerst unserer Kenntnis, auf jeden Fall scheinen die Afingerschen Nachbildungen während des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts den Markt beherrscht zu haben. Schwer zu entscheiden ist auch, ob die kleine Bronze nach der Maria, die der Schwiegersohn und Nachfolger Burgschmiets, Christian Lenz, in Nürnberg im letzten Drittel des Jahrhunderts vertrieb, auf das Alabasterfigürchen von 1824 zurückging oder ob Burgschmiet selbst oder erst Lenz ein neues Modell dafür geschaffen hatten74). Zumindest müssen um 1850 schon verschiedene kleinplastische Nachbildungen verbreitet gewesen sein — „vielfach in Gyps copiert" nennt Emst Förster 1853 die Skulptur75). Nach 1880 fächert sich das Angebot an Nachbildungen der Nürnberger Maria auf. Neben den weiterhin beliebten, im Größenmaßstab stark reduzierten Versionen werden Abgüsse und Nachbildungen im Maßstab 1:1 angeboten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts treten zu der Massenware handwerklich ausgefeilte Einzelstücke aus wertvollem Material wie eine nur literarisch überlieferte, um 1887 ent­ standene Elfenbeinskulptur von Joseph Semmelroth. Eine im vorigen Jahr im Berliner Kunsthandel aufgetauchte Version spiegelt die Vorliebe des Jugend­ stils für die raffinierte Kombination unterschiedlichster Werkstoffe: vergoldete 74) Kunstausstellung von Werken Nürnberger Künstler der neueren Zeit. Veranstaltet von d. Ges. Künstlerklause vom 1. Juni bis 1. Okt. 1891 im Ausstellungsgebäude d. Bayer. Gewerbemuseums am Marienthorgraben Nürnberg. Illustrierter Katalog. Nürnberg 1891. Nr. 539. — Handwerkskammer für Mittelfranken in Nürnberg. Ausstellung BurgschmietLenz. 15. 5. 1963—16. 6. 1963. 3 (Nachbildung der Nürnberger Maria in Originalgröße. Besitz der Familie Lenz). n) Emst Förster: Geschichte der deutschen Kunst. Zweiter Theil. Von Anfang des 15. bis Mitte des 16. Jahrhunderts. Leipzig 1853. 33.

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Bronze für den Körper der Maria, Elfenbein für Gesicht und Hände, geäderten grünen Onyx für den Sockel70). Die Firma Burgschmiet-Lenz hielt gegen Ende des Jahrhunderts eine originalgroße und eine verkleinerte Bronzenachbildung im Sortiment, während die Kunstanstalt von J. Rotermundt am Albrecht-Dürer-Platz in einer Anzeige 1888 „Die Nürnberger Madonna in Original-Gipsabgüssen, sowie Kopien in halber und ein Drittel-Größe, dieselben auch in Nußbaumholz exakt geschnitzt" anbot77). Eine Prospektseite der Andenken- und Spielzeugfirma L. Ostermayr preist um 1903 als „Nürnberger Madonnenmaske" nurmehr den vom Rumpf getrennten Kopf der Marienfigur an und wirbt auf der gleichen Seite mit Ab­ bildungen des Gänsemännchens, der Eisernen Jungfrau, eines Nürnberger Braut­ bechers, eines Bierseidels in Art der dicken Rundtürme und des „Original Nürn­ berger Trichter-Leuchters", einer neckischen Nudität, für weitere offenbar beliebte Nümbergensien78). Das Nachleben der Nürnberger Madonna endet im Reiseandenken. In der Hochblüte des Wilhelminischen Historismus zu ungeahnter Popularität und Ver­ breitung aufgestiegen, überdauerte es die Erneuerungsbestrebungen des Kunst­ gewerbes im Jugendstil und in der Phase des Bauhauses, konnte nicht von ihnen erfaßt werden, weil es als Produkt einer regenerationsunfähigen Schicht industriell gefertigter städtischer Massen-„Kunst" noch unterhalb des Pegels der ehemaligen Volkskunst abgesunken war. Die Nürnberger Madonna als w) Leo Spik, Berlin. Auktion 463. 19.—20. Sept. 1968. Gemälde, Zeichnungen, Graphik, Möbel, Skulpturen, Porzellan, Fayence, Silber, Schmuck, Ostasien, Tapisserien, Orient­ teppiche. Altberliner Sammlerbesitz. Nachlässe und verschiedener Besitz. Berlin 1968. Nr. 568 („Stehende Nonne0). 47 cm (ohne Sockel). Signiert M C 12 (1912?). Wahrscheinlich aus der Bildgießerei Gladenbeck in Berlin, in deren ohne Erscheinungsjahr gedrucktem Bildkatalog unter der Nr. 2438 „Madonna von Nürnberg. Bronze, vergoldet, mit Elfen­ bein auf Onyxsockel, 38 cm hoch" die Figur aufgeführt wird. Angeboten wird ferner eine Bronze von 48 cm (Nr. 554), dass, mit Marmorplatte, 19,5 cm (Nr. 1978), dass, auf hohem Marmorsockel, 22 cm (Nr. 1979). — Zur Figur von Semmelroth vgl. Friedrich Dämmer: Sine ira et Studio. Bruchstücke zu Nürnberg's Kunstgeschichte. Nürnberg 1889. 32. 77) J. Rotermundt. Werkstätte für christliche Kunst. Nürnberg am Albrecht Dürerplatz. Katalog der Original-Gipsabgüsse ausgewählter Skulpturen des Mittelalters. Nr. 10 (Veit Stoss. Eine betende Maria, im German. Museum, großes Meisterwerk deutscher Skulptur, 1,50 hoch, M 160, —). „J. Rotermundts neue Kopien der Nürnberger Madonna allgemein an­ erkannt als die besten aller bis jetzt existierenden Nachbildungen, sind immer vorrätig sowohl in Gipsabgüssen, als auch in Holz fein geschnitzt" (S. 2). — Die kunst- und kultur­ geschichtlichen Sammlungen des germanischen Museums. Wegweiser für die Besuchenden von A. Essenwein. Ausgabe für 1888. Anzeige S. 5. Ähnliche Anzeige im Wegweiser von 1896 (S. 7). Im Wegweiser von 1906 der Hinweis, daß Rotermundt „alleiniger Inhaber der Originalform von der Nürnberger Madonna" sei (S. 7). 78) Heinrich Heerwagen: Beckmann's Führer durch Nürnberg und Umgebung. Stuttgart o. J. — Eine Anzeige von L. Ostermayr in: Die kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen des Germanischen Museums. Nürnberg 1912. 3 zeigt eine Nachbildung in ganzer Figur, ebda ein Angebot der Firma G. Leykauf (S. 9). — Daß auch ein Bedürfnis nach Ausschnittfotos von der Maria bestand, zeigt ein alter Fotokatalog des GNM (s. Anm. 44), der als Nr. 48 die Figur mit wegretuschiertem Unterkörper zeigt. — Ihre alten Teilformen (Kopf mit Oberkörper; Gesichtsmaske) konnte die Berliner Gipsformerei über den Krieg hinweg retten; vgl. Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Staatliche Museen. Gipsformerei. Katalog der Originalabgüsse. Heft 9’. Mittelalterliche Großplastik. Deutschland—Frankreich. Berlin 1965. Nr. 2317.

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Souvenir findet sich in den offiziellen Broschüren der „Stadt der Reichspartei­ tage“ genau so angepriesen, wie sich zur Zeit über ein Dutzend serieller Nach­ bildungen im Handel nachweisen lassen79). Kritische Einwände, wie sie etwa Carl Neumann 1928 formulierte: Bei einem Kollegen, dessen Kulturgesinnung mir bekannt ist, finde ich eine bemalte „Schöne Madonna von Nürnberg“! Das bekannte Stück des Germanischen Museums, das der auslaufenden Vischerwerkstatt des sechzehnten Jahrhunderts zugeteilt wird. Wie kommen gerade Sie, sage ich, zu dieser klassizistischen Süßigkeit? Mit dieser eleganten Schlankheit der so und so viel Kopflängen, den posehaft aneinander gelegten Händen, dem nazarenisch-himmelnden Augenaufschlag? Mein Gott, antwortet er achselzuckend, die Kollegen haben sie mir zum Jubiläum voriges Jahr geschenkt. Die fanden wohl auch im Kunstladen nichts, was mir beson­ ders zugesagt hätte, konnten schon deshalb nicht durchdringen, weil selten die verkitschte Nach­ bildung als solche, sondern nur das Motiv bemängelt wurde. So wendet sich Neumann nur gegen die Nürnberger Maria, weil sie ihm nicht „deutsch“ genug ist — er empfiehlt Nachbildungen der Naumburger Stifterfiguren, Werke Rie­ menschneiders und der Lübecker Bildschnitzer Bemt Notke, Claus Berg und Benedikt Dreyer . . .80). Die Jahre nach 1920 bringen als übersteigerte Spätphase der Verehrung der Nürnberger Maria, gleichsam um die häufiger werdenden Einwände gegen die Figur zu übertönen, erstmals Texte, die als literarische Werke gewertet werden wollen und sich deutlich von der beschreibenden Reise- und Bildungs­ literatur des 19. Jahrhunderts abheben. Daß diese Texte nicht selten eine ver­ blüffende Affinität zur Romantik um 1800 verraten, ist ein geistesgeschicht­ liches Phänomen, das für den Bereich der Literatur erst unzulänglich, für die bildende Kunst überhaupt noch nicht wirklich gesehen, geschweige denn be­ arbeitet worden ist. Ein 1921 von Theowill Übelacker veröffentlichtes Gedicht darf wohl in die Kategorie lokalpatriotischer Heimatpoesie eingeordnet werden, auch wenn im Text erkennbare Anleihen an den Stil von Richard Wagners „Die Meister­ singer von Nürnberg“ einen gewissen Anspruch verraten 81):

7#) Nürnberg die Stadt der Reichsparteitage. Sonderdrude aus der Heimatzeitsdirift „Das Bayerland". München 1935. Anzeige S. 98. — Einen Abguß in Originalgröße liefert gegen­ wärtig noch die Gipsformerei Berlin, vgl. Katalog, 1965 (s. Anm. 78). Nr. 23 17, Taf. 42. Preise: weiß DM 342,—; bemalt DM 830,—. ®°) Carl Neumann: Altdeutsche Plastik als Schmuck unserer Wohnung. In: Zs. f. Deutsche Bildung. 4. 1928. 474—478. 81) Nürnberger Sagen und Legenden. Deutsche Reime von Theowill Übeladcer. Nürnberg 1921. 30—31.

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Die Nürnberger Madonne. Ein Meister fromm und unbekannt, Den Gott selber für heilig befand, Schnitzt voll eigner Seligkeiten Und wunderwirkender Wonne Eine solche Madonne, Wie sie nicht zweimal vorkommt in Zeiten. Der Meister liebt die Mutter des Christ, Daß er die ganze Welt vergißt In seinem höheren Meistersinne« Kunst wird ihm zur überfraulichen Minne. Er wendet alle Ehren auf sie Und hat die Mutter Marie Schon hundertmale geschnitzt, Aber keine Gestalt erblitzt In letzter Harmonie. Da reißt ihn immer höher hin Sein leidender, liebender Meistersinn, Daß es einmal geschieht Und seines Herzens Blut Mit geflügeltem Mut Vergeistet in die Himmel zieht. AbeT das Wunder erschöpft nicht den pochenden Quell Und so bleibt lebendig der extatische Gesell. Die himmlische Dame aber erkennt, Wie der kunstreiche Mann In ihrem Liebesruhm verbrennt Und sinnt, wie sie ihm Dank erstatten kann?! So läßt sie ihren Himmel gern Für ein Zeitlein immer An jedem Tag, Und kommt herab aus Stern und Stern In des Meisters einfaches Zimmer, Daß er voll Wahrheit sie bildschnitzem mag. Der Künstler voll Bedachtung Und seliger Anbetrachtung Hält das Wunder erstaunend für wahr Und bringt ihr Kunst und Huldigung dar. Er schnitzet ihr Bild So mächtig und voller Lieblichkeit mild, Umreißt so rein Ihr erhabenes Sein — Um ihre Leibschaft fallen Die Kleider mit himmlischem Wallen Und malt er die Figur In grün, Gold und Azur. 471

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So ist und das Werklein behalten Voll seliger Gewalten Und scheint wie Maiensonne In weltergebnem Stolz Die Nürnberger Madonne, Fürwahr ein Wunderholz! Nicht retrospektiv im Stil wie Übelacker, sondern die Aussagemöglichkeiten expressionistischer Lyrik voll nutzend, ist das 1926 abgedruckte Gedicht von Wilhelm Feldner durchaus mit literarischen Maßstäben meßbar, auch wenn es hier nur seiner Thematik wegen zitiert sei82): Die Nürnberger Madonna. Anfiel die Erde dich, du hast deine Lust erlitten, Leise duldest auch du des liebenden Gottes Glück; Doch nun bist du dem Irdischen in die Ferne entglitten, Und deine Augen kehren zu den Sternen zurück. Sieghaft blühst du und leicht dich aus traumbeschwungenen Wänden Linnerner Falten zum Licht, und dein aufglühendes Herz Bricht aus der dunklen Enge des Blutes in betenden Händen In dein Schicksal empor, das schwere, mit dankbarem Schmerz . . . Verbreiteter, da 1923 in Reclams Universal-Bibliothek erschienen, war die unserer Figur gewidmete Novelle „Das Geheimnis der Nürnberger Madonna" von Franz Hermann Meißner83). In ihr wird die phantastische Episode geschil­ dert, wie der Berliner Privatgelehrte Adolf Lorz, dessen Gestalt autobio­ graphische Züge trägt, durch „Seelenwanderung" dem Schnitzer der Nürnberger Maria begegnet und aus seinem Munde die Entstehungsgeschichte des Bild­ werkes erfährt, — ein Rückgriff auf die Romantik, wobei hier vor allem an die Spukwelt und das Motiv des Doppelgängers im Werk E. T. A. Hoffmanns zu erinnern wäre. Schon vor Antritt seiner Reise nach Nürnberg (die Novelle spielt im Jahre 1913) stößt der von Liebeskummer verzehrte Lorz in einem Tafelwerk auf das Bildwerk: Von einem ungemein schönen Kunstblatt darin traten ihm die reizvollen Umrisse der berühmten Nürnberger Madonna von einem unbekannten Holzbildner der Lutherzeit entgegen und dämpften durch ihre Anmut seinen zehrenden Gram. In Nürnberg eingetroffen, findet er die Maria im Germanischen National­ museum im Lichthof links vom Eingang zur Kirche: Beim Eintritt stutzte er plötzlich. Sein Herz stand still. Sein Atem stockte ... ein unbeschreibliches Wunder begab sich eben vor seinen Augen — Im rosigen Goldschimmer der Maiensonne leuchtete vor ihm 82) Wilhelm Feldner: Die Nürnberger Madonna. In: Fränkische Heimat. 5. 1926 (2). 51. M) Das Geheimnis der Nürnberger Madonna. Eine seltsame Geschichte von Franz Hermann Meißner. Reclams Universal-Bibliothek Nr. 6390. Leipzig (1923).

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wie eine himmlische Offenbarung von holdseliger und berückender Schön­ heit — die Madonna von Nürnberg! — Die namenlose Madonna eines unbekannten Meisters von etwa 1515 mit ihrem berückenden Linienspiel und ihrer tiefen Herzinnigkeit! — Die fast lebensgroße und zart getönte Holzschnitzerei kannte und liebte er lange. Nie war sie ihm so schön und hinreißend wie in dieser Gnadenstunde erschienen, da goldenes Morgenlicht die kleine Zelle durchflutete. — Wie verzaubert stand der Fremdling lange, lange auf der Schwelle. Er hörte sein Herz pochen und fühlte den Blutlauf in seinen Schläfen. Seine Seele schwelgte in süßen Geheimnissen. Tränen der Ergriffenheit füllten seine Augen. An anderer Stelle schildert Meißner, wie in der Nähe des Topler-Hauses im Schaufenster eines Bildhauers eine Kopie der Maria schemenhaft auftaucht, ähnlich suggestiv auf seinen Helden Lorz wirkend wie das Original: Welch seltsamer Anblick! — Das Mondlicht stand grell im Fensterglas und funkelte wie flüssiges Silber . . . aus diesem Silber aber tauchte still und ganz feierlich ein lebensgroßes Abbild der namenlosen Madonna! Der „historische" Kern innerhalb der Meißnerschen Novelle läßt den Meister der Nürnberger Madonna in Rothenburg ob der Tauber als Sohn eines Apothekers geboren sein und ihn hier in der Werkstatt seines Onkels, des berühmten Malers und Bildschnitzers Jost Wagram, den ersten künstlerischen Unterricht erhalten, ehe er als Geselle zu Veit Stoß nach Nürnberg geht. Hier erblickt der junge Künstler in einem Festzug das Mädchen Maria, verliebt sich in sie, folgt ihr in die Kirche zum hl. Sebald und skizziert hier die Betende in der Pose der „Nürnberger Maria": Wie eine Himmelserscheinung stand sie selbst in einer leuchtenden Glo­ riole. Die feine, zarte, biegsame Gestalt mit dem entzückend fallenden Gewand. Die Hände inbrünstig erhoben. Das liebliche Gesicht von einer Innigkeit des Flehens — so sah ich nie ein Weib beten! ... Das Mädchen Maria steht zu einem Bildwerk Modell, daß der junge Schnit­ zer nach diesem Augeneindruck beginnt und das ein Landauer nach seiner Fertigstellung kauft und nach St. Sebald stiftet, wo es bei der Aufstellung der Statue zu einem Tumult kommt, als die Brandrede eines eifernden Mönches gegen die „weltliche" Muttergottes einen Bildersturm des Pöbels provoziert und nur das beherzte Eingreifen Dürers (!) die Figur vor der Zerstörung be­ wahrt. Der aufgestachelte Volkszom wendet sich gegen das „Modell", das Mädchen Maria, die in der Pegnitz ertränkt wird. Der zu ihrer Rettung herbei­ eilende Bildhauer kommt zu spät; da er bei dem Handgemenge einen der Haupt­ beteiligten erschlagen hat, gibt er den Künstlerberuf auf und zieht sich reu­ mütig für den Rest seines Lebens in ein Kloster zurück, aus dem er rund fünf­ zig Jahre später nur noch einmal nach Nürnberg zurückkehrt, um die von ihm geschaffene „Nürnberger Maria" wiederzufinden und zu ihren Füßen zu sterben. 4 73

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Wir haben der Dichtung von Meißner etwas breiteren Raum eingeräumt, weil sich in ihr naiv-volkstümliche Legendenbildung und dichterische Neu­ schöpfung mischen und weil uns aus dem 19. Jahrhundert keine epische oder lyrische Paraphrase zum Thema Nürnberger Madonna bekanntgeworden ist. Das Geheimnisvolle der Figur, die unbekannte Herkunft, der nicht überlieferte Name ihres Schöpfers, von dem kein weiteres Werk erhalten schien, muß auch die dichterische Phantasie der Romantik beflügelt haben und so gesehen ist Meißners Novelle nur Endsumme einer längeren Tradition der Verehrung der Nürnberger Maria, Schlußpunkt eines Kapitels, den wir ernst zu nehmen haben, auch wenn uns die übersteigerte Sentimentalität und das auf weite Strecken Banale dieser Erzählung literarisch nicht mehr zu fesseln vermögen. Zugleich mit Meißners Versuch, der als Schriftsteller durchaus kunsthistorische Ambitionen hatte und seine Novelle sicher auch als Beitrag zur stilgeschicht­ lichen Erhellung verstanden wissen wollte, erfolgte mit der konservatorischen Freilegung der alten Fassung, die 1921 auf Betreiben des jungen Museums­ direktors E. Heinrich Zimmermann erfolgte, eine echte Entmythologisierung des Bildwerkes, die folgerichtig geharnischte Proteste heraufbeschwor84). Ein normaler und längst üblicher denkmalpflegerischer Eingriff wurde bei diesem Werk als Sakrileg empfunden, die Gegenstimmen streifen in ihrer emotionell aufgeladenen Artikulation stellenweise die Grenze des Hysterischen, sie be­ weisen aber, was für eine bedeutende Rolle als allgemeinstes Bildungsgut die Maria noch um 1920 gespielt hat. „Es gibt Kunstwerke, welche auch den Zweifler religiös stimmen, mehr wie manche Predigt. Zu ihnen gehört die Madonna — nun nicht mehr", und ein anonymer Journalist beklagt im selben Artikel, daß man mit der Restaurierung „ein Kulturgut des deutschen Volkes ... zerstört" habe und fordert gesetzliche Maßnahmen gegen die „Experimentier­ wut der machtbewußten Kunsthistoriker" 85). Noch Jahre später zirkuliert das Gerücht, die Nürnberger Maria habe ihren alten grünen Anstrich zurückerhal­ ten, ein Irrtum: Die Figur war zu einer Ausstellung nach Budapest verliehen worden und die Museumsdirektion glaubte nicht umhin zu können, als kurz­ fristigen Ersatz einen alten Gipsabguß aufzustellen, der noch den alten Farbakkord zeigte86). Auf der anderen Seite reist 1928 eine Berliner Gymnasial84) E. H. Zimmermann, 1921 (s. Anm. 8). — Münchner Neueste Nachrichten Nr. 225, 31. Mai 1921. 5. — Die Nürnberger Madonna in neuer Form. In: Antiquitäten-Rundschau. 20. 1922 (15). 179. — Antiquitäten-Zeitung. 30. 1922 (15). Abb. S. 127—128. — Hubert Wilm: Die gotische Holzfigur. Ihr Wesen und ihre Entstehung 2. Aufl. Stuttgart 1940. 101—102, Abb. 67—68. 85) Fränkischer Kurier. 89. 1921 (584). 2. M) Hubert Wilm: Kunstsammler und Kunstmarkt. Ein Jahrbuch. München 19'30. 88—89 (Märchen um die Nürnberger Madonna). — Daß das Germanische Museum selbst zum letzten Hort der Verehrung der Maria wurde, deutet ein Abschnitt aus einem offiziellen Führer von 19'30 an, dessen pathetische Wertung schon damals ausgesprochen anachro­ nistisch wirken mußte: „Das bittere Leid der Gottesmutter, die zu ihrem gemarterten Sohne am Kreuze emporblickt, drückt sich nicht in peinlich verzerrten Zügen des Antlitzes aus, es liegt vielmehr in der Geste der gerungenen Hände, einer Geste, die auch in Selbst­ vergessenheit der tiefsten Qual noch beherrscht und edel erscheint. Von den Händen strömen wie von einem Konzentrationspunkt des Gefühls alle Linien aus, und zu ihnen führen alle Linien hin, die den oberen Teil der Figur beherrschen. Dieses zentrale System wird getragen und wie eine Monstranz emporgehoben durch eine Flucht von steilauf-

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klasse mit ihrem Lehrer nach Nürnberg, beschäftigt sich mehrere Tage mit der gotischen Plastik im Germanischen Nationalmuseum und den Stadtkirchen, hält aber das bisher so umjubelte Bildwerk keiner Erwähnung mehr wert — die Nürnberger Maria fehlt in dem Rechenschaftsbericht der Exkursion87). Und Wilhelm Pinder spricht in seiner bis heute maßgebenden Geschichte der deutschen gotischen Plastik lakonisch von der „lange Zeit allzu sehr über­ schätzten" Nürnberger Maria und nennt sie ausdrucksleer und formalistisch; Georg Dehio entdeckt „etwas erkältend Geziertes und Unreines" in dem Werk — die Kunsthistoriker beginnen sich auf das Bildwerk einzuschießen 88). Exkurs I: Zum Stand der kunsthistorischen Forschung Obwohl der Name des Bildhauers der Nürnberger4 Maria nicht bekannt ist und wohl nur noch durch den glücklichen Fall eines Urkundenfundes entdeckt wer­ den wird, steht der Künstler seit einem 1958 erschienenen zusammenfassenden Aufsatz von Heinz Stafski als fest umrissene Künstlerpersönlichkeit vor uns 89). Von den Werken, die Stafski um die Nürnberger Maria gruppierte, dürften die beiden Holzmodelle zum Artus und Theoderich vom Grabmal Kaiser Maxi­ milians in Innsbruck durch die erweiterte Beweisführung Karl Oettingers als anerkannte Werke unseres Meisters kaum noch zu erschüttern sein90). Eine

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®°)

schießenden Kurven, welche die normalen anatomischen Verhältnisse sublimieren und dadurch der ganzen Gestalt jenen hohen göttlichen Adel verleihen, der sie den Niede­ rungen irdischer Schmerzen entrückt“ (Germanisches Nationalmuseum. Führer durch die Sammlungen. Nürnberg 1930. 236—237). Friedrich Wahnschaffe: Betrachtung einiger Hauptwerke der Nürnberger Plastik in Unter­ sekunda. In: Zs. f. Deutsche Bildung. 4. 1928. 636—648. Wilhelm Pinder: Die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance. 2. Teil. Wildpark-Potsdam 1929. 495, Farbtaf. 21. — Georg Dehio: Geschichte der deutschen Kunst. Bd. 3. Berlin, Leipzig 1926. 146. Stafski, 1958 (s. Anm. 4). — Die kunsthistorische Literatur bis 1910 vollständig bei Walter Josephi: Kataloge des Germanischen Nationalmuseums. Die Werke plastischer Kunst. Nürn­ berg 1910. 289—291. Aus dem seither erschienenen Schrifttum wären zu nennen: E. H. Zimmermann, 1921 (s. Anm. 8). Heinrich Höhn: Nürnberger gotische Plastik. Nürnberg 1922. 122, Taf. 111—112. Hubert Wilm: Mittelalterliche Plastik im Germanischen Na­ tionalmuseum zu Nürnberg. München 1922. 43—44, Taf. 100—101. Simon Meller: Peter Vischer der Ältere und seine Werkstatt. Leipzig 1925. 214, Abb. 143. G. Dehio, 1926 (s. Anm. 88). Gustav Glück: Die Kunst der Renaissance in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich etc. 2. Aufl. Berlin 1928. 629, Taf. 411. W. Pinder, 1929 (s. Anm. 87). Nürn­ berg. Geschrieben von Theodor Hampe. Vollendet von Eberhard Lutze. Leipzig 1934. 192, Abb. 100. Fritz Traugott Schulz: Paulus Vischer In: Thieme-Becker. Bd. 34. 1940. 413. H. Wilm, 1940 (s. Anm. 84). Richard Graul: Die Muttergottes. Deutsche Bildwerke. InselBücherei Nr. 517. Leipzig 1941. 55 und 60, Taf. 41. Meister der Nürnberger Madonna. In: Thieme-Becker. Bd. 37. 1950. 249—250. Adolf Feulner und Theodor Müller: Geschichte der deutschen Plastik. München 19*53. 382—383. Elisabeth Zachmeier: Studien zur nümbergischen Holzplastik der Spätgotik. Phil. Diss. Erlangen 1956. Kat. Nr. 178. Werner Schultheiß: Kleine Geschichte Nürnbergs. Nürnberg 1966. 67. Deutsche Plastik. Germani­ sches Nationalmuseum. Meisterwerke aus acht Jahrhunderten. Text und Auswahl von Heinz Stafski. München 1967. Nr. 18. (Dia-Bücher des Germanischen Nationalmuseums. Bd. 4.). Karl Oettinger: Die Bildhauer Maximilians am Innsbrucker Kaisergrabmal. Erlanger Bei­ träge zur Sprach- und Kunstwissenschaft. Bd. 23. Nürnberg 1966. Dazu Günther Bräutigam in: Mitt. d. Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg. 55. 1967/68. 411—414.

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dritte der Innsbrucker Figuren, Elisabeth von Görz, deren Modell Oettinger für den Bildhauer in Anspruch nimmt, wird solange strittig bleiben müssen, wie die Frage, ob ihre stilistische Andersartigkeit nur darin begründet liegt, weil Wachsmodell von anderer Hand und Guß durch Gilg Sesselschreiber in Mühlau die Form veränderten oder ob schon das Holzmodell zur Elisabeth von einem anderen Meister stammt, nicht klar beantwortet ist. Das unverkennbar „Nümbergische“ der Elisabeth, das schon Lottlisa Behling91) aufgefallen war und Oettingers Hinweis auf eine weibliche Rückenfigur auf einem Holzschnitt Dürers sind ernst zu nehmende Argumente, die für den Meister der Nürnberger Maria sprechen 92). Andere Bildwerke, in denen Stafski die Handschrift unseres Künstlers zu erkennen glaubte — die Grabmäler des Kardinals Friedrich Kasimir (gest. 1510) in Krakau, Elisabeths von Brandenburg (gest. 1507) und Hermanns VIII. von Henneberg (gest. 1535) in Römhild93), der Rahmen zu Dürers Allerheiligenbild (1511) und das Epitaph der Marga­ rethe Tücher (gest. 1521) im Regensburger Dom —, dürfen heute als stilkritisch für den Meister gesichert gelten94). Lediglich die Grabplatten des Peter Kmitas (gest. 1505) und des Peter Salomon (gest. 1516), beide in Krakau, die Stafski vorsichtig herangezogen hatte, bedürfen noch einer analysierenden Untersuchung ihres Verhältnisses zum Stil des Meisters der Nürnberger Maria; beim fetzigen Stand der Forschung müssen sie ausge­ klammert bleiben95). Offen ist vorerst auch, ob noch andere Grabplatten der Vischer-Werkstatt auf den Unbekannten zurückgeführt werden können, etwa die Platte der Sidonie (gest. 1510) und die Herzog Albrechts (gest. 1510) im Dom zu Meißen oder das Grabmal des Eitel von Hohenzollern (gest. 1512) und der Magdalena von Brandenburg (gest. 1496) in Hechingen M). 91) Lottlisa Behling: Zur Frage der Bildschnitzer in der Werkstatt Gilg Sesselschreibers vom Innsbrucker Kaisergrabmal: Eine Modellfigur von Veit Stoß. In: Pantheon. 23. 1965. 31—40. Behlings Zuschreibung der Elisabeth an Veit Stoß haben Oettinger und Bräutigam mit guten Gründen zurückgewiesen. Der jüngst von Theodor Müller für die Figur genannte Bildhauer Gregor Erhärt ist wenig überzeugend (Der Sehlem. 42. 1968. 214—215). 92) Holzschnitt zum Freydal, B. app. 38. K. Oettinger, 1966 (s. Anm. 90). 20 nimmt im übrigen mehrere Vorzeichnungen Dürers für die Elisabeth an. 93) S. Meller, 1925 (s. Anm. 89). Abb. 70—83. — H. Stafski, 1958 (s. Anm. 4). Abb. 6—9. — K. Oettinger, 1966 (s. Anm. 90). Abb. 9—11. — Peter Vischer. Aufnahmen von Günther Beyer und Klaus Beyer. Einführender Text von Fritz Kämpfer. Dresden I960. Taf. 40—52. — Theodor Demmler: Deutsche Ritterdenkmäler in Römhild. Der Eiserne Hammer. König­ stein im Taunus, Leipzig 1941. 94) Hans Tietze: Der Rahmen von Dürers Allerheiligenbild. In: Pantheon. 8. 1931. 318—324. — Berthold Daun: P. Vischer und A. Krafft. Künstler-Monographien hrsg. von H. Knack­ fuß. 75. Bielefeld, Leipzig 1905. Abb. 41. — S. Meller, 1925 (s. Anm. 89). Abb. 141. Einen Zusammenhang zwischen der Nürnberger Maria und dem Tucher-Epitaph sah schon Max Bach: Die sogenannte Nürnberger Madonna des germanischen Museums. In: Christ­ liches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus. 40. 1898 (7). 102. Eine kaum veränderte Replik der Regensburger Platte ist ein 1543 datiertes und von Ottheinrich von der Pfalz gestiftetes Relief vom Torweg des Schlosses Neuburg an der Donau; vgl. Hans R. Weih­ rauch: Die Bildwerke in Bronze und anderen Metallen. Bayerisches Narionalmuseum Mün­ chen. Kataloge Bd. XIII, 5. München 1956. Nr. 25, Taf. S. 19 (als Werk Hans Vischers). w) S. Meller, 1925 (s. Anm. 89). Abb. 63 und 65. — Kämpfer/Beyer, 1960 (s. Anm. 93). Taf. 54—55. w) S. Meller, 1925 (s. Anm. 89). Abb. 68. — Kämpfer/Beyer, 1960 (s. Anm. 93). Taf. 36—37 und 53. — Die Attribution eines hl. Benedikt im Bayerischen Nationalmus. an den Meister

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Heinrich Kohlhaußen hat unlängst vor einem Werk der Goldschmiedekunst auf den Stil des Meisters der Nürnberger Maria hingewiesen — eine Spur, die weiterverfolgt werden sollte 97). Mit dem Fries am Rahmen zum Allerheiligenbild eng verknüpft ist das sog. Dürersche Rückenaktrelief im Metropolitan Museum of Art in New York, eine Beziehung, die Karl Schaefer zuerst erkannte; die Zuschreibung dieser kleinplastischen Arbeit an den Madonnen-Meister wird sich zweifellos durchsetzen 98). Die erste und einzige Skulptur, die im 19. Jahr­ hundert in Verbindung mit der Nürnberger Maria gesehen wurde, die Pieta in der Jakobskirche in Nürnberg, ist mit Recht als ein Werk geringerer Qualität ausgeschieden worden; die in der älteren Literatur betonte Gleichartigkeit beider Bildwerke geht über eine allgemeine zeitstilige Ähnlichkeit nicht hinaus. Seit der ersten Veröffentlichung im Frauentaschenbuch 1829 ist die Maria in Zusammenhang mit der Vischer-Werkstatt gebracht worden. Nachdem es durch die Forschungen der letzten Jahre von Heinz Stafski, Erich Meyer (f) und Klaus Pechstein ") als erwiesen gelten kann, daß der ältere Peter Vischer nur Rotgießer nach Modellen anderer Künstler war, als selbstschöpferische Bildhauerpersönlichkeit daher aus der Kunstgeschichte getilgt werden muß, gewinnt der Meister der Nürnberger Madonna innerhalb der Vischer-Hütte eine Art Schlüsselposition. Vor dem Auftreten Peter Vischers des Jüngeren ist er die beherrschende künstlerische Kraft der Werkstatt, einer „der reinsten Vertreter der Renaissance“ (Karl Oettinger). Diese kunsthistorische Aufwertung des Anonymus, deren Zeuge wir sind und die längst nicht abgeschlossen ist, gewinnt der Nürnberger Plastik des frühen 16. Jahrhunderts einen Bildhauer, der auf Grund seiner Formensprache und wegen seiner engen Beziehungen zu Dürer (s. Exkurs II) als Gegenpol zu Veit Stoß verstanden werden muß. Der Bruch mit der spätgotischen Tradition in der Nürnberger Plastik, die Ein­ führung eines neuen, an der italienischen Renaissance orientierten Stils ist neben dem überragenden Anteil Dürers allein sein Verdienst: Den größten Teil des Ruhmes, den man seit hundertfünfzig Jahren Peter Vischer dem Älteren der Nürnberger Maria ist mit Recht schon von Rudolf Berliner zurückgewiesen worden; vgl. Max Loßnitzer: Schnitzer der sogen. „Nürnberger Madonna“. Der heilige Othmar. In: Archiv f. Kunstgesch. 2. Leipzig 1914. Nr. 75. Ein Gegenstück zur Nürnberger Ma­ donna. In: Antiquitäten-Rundschau. 12. 1914 (25). 352. Rudolf Berliner: Eine angebliche Figur des Schnitzers der sogen. Nürnberger Madonna. In: Monatshefte f. Kunstwiss. 7. 1914. 228—229.

97) Heinrich Kohlhaußen: Nürnberger Goldschmiedekunst des Mittelalters und der Dürerzeit 1240 bis 1540. Berlin 1968. 212. °8) Karl Schaefer: Albrecht Dürer und der Rahmen des Allerheiligenbildes. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum. Jg. 1896. 60. — Otto von Falke: Dürers Stein­ relief von 1509 mit dem Frauenakt. In: Pantheon. 18. 1936. 330—333. M) H. Stafski, 1958 (s. Anm. 4). Ders.: Der jüngere Peter Vischer. Nürnberg 1962'. Ders.: Zur neueren Literatur über die Vischer-Werkstatt. In: Jb. f. fränkische Landesforschung. 22. 1962. 299—312. — Erich Meyer: Hermann Vischer und sein Sohn Peter Vischer der Ältere. In: Zs. d. Deutschen Vereins f. Kunstwiss. 19. 1965. 97—116. Ders.: Zum Früh­ werk der Vischerschen Gießhütte. In: Studien zur Geschichte der Europäischen Plastik. Festschrift für Theodor Müller. München 1965. 145. — Klaus Pechstein: Beiträge zur Geschichte der Vischerhütte in Nürnberg. Phil. Diss. Berlin 1962. Ders.: Das Sebaldusgrab in Nürnberg. Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek. Nr. 126. Stuttgart 1967.

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freigiebig spendete, wird man dem Meister der Nürnberger Maria nicht mehr länger vorenthalten dürfen. Der naheliegenden Versuchung, den Künstler mit Peter Vischer dem Älteren selbst 10°) oder mit einem seiner Söhne zu identifizieren, ist häufig und un­ kritisch nachgegeben worden. An Peter den Jüngeren dachten Georg Seeger, Max Bach, Hermann Knackfuß, Heinrich Weizsäcker und Cecil Headlam 101), an Paul Vischer Simon Meller, Gustav Glück, Wilhelm Pinder, Theodor Hampe und Fritz Traugott Schulz 102), an Hermann Vischer Georg Dehio und noch Heinz Stafski103) — Beweiskraft wohnt keinem dieser Namen inne. Sogar Veit Stoß wurde von Rudolf Bergau als Schöpfer der Nürnberger Madonna benannt, wohl der unglücklichste Versuch, der Figur einen Namen zu geben104). Der neuerdings für den Meister der Nürnberger Madonna neu aufgekommene Not­ name „Artus-Meister“ hat einige Aussicht, von der Forschung akzeptiert zu werden, weil er den Künstler nach seinem unbestrittenen Hauptwerk benennt106). Da in der Fachliteratur bis vor wenigen Jahren allein die Nürnberger Madonna für den Künstler maßgebend war, besteht aus Gründen der historischen Kon­ tinuität eigentlich kein Anlaß, den „Meister der Nürnberger Madonna“ umzu­ taufen, zumal in diesem alten eingeführten Namen der Hinweis auf Nürnberg dem immer noch völlig verschwommenen Bild von der Persönlichkeit dieses Mannes entgegenkommt, denn außer der Tatsache, daß er im Umkreis Dürers und für die Vischer-Hütte tätig war, wissen wir biographisch nichts über ihn106). 10°) E. Förster, 1853 (s. Anm. 75). 33. — Gustav von Bezold: Der Meister der nürnberger Madonna. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum Jg. 1896. 29—32. — B. Daun, 1905 (s. Anm. 94). 40—45. — L. Reau, 1909 (s. Anm. l). 69, 129—130. 101) Georg Seeger: Peter Vischer der Jüngere. Ein Beitrag zur Geschichte der ETzgießerfamilie Vischer. Phil. Diss. Leipzig 1897. 132—133 und 158. — M. Bach, 1898 (s. Anm. 94). 101—104. — Hermann Knackfuß und Max Georg Zimmermann: Allgemeine Kunstge­ schichte, Bd. 2. Kunstgeschichte der Gotik und Renaissance. Bielefeld, Leipzig 1900. 612. — Heinrich Weizsäcker: Peter Vischer, Vater und Sohn. In: Repertorium für Kunstwiss. 23. 1900. 302. — Cecil Headlam: Peter Vischer and his Family. Handbooks of the Great Craftsmen. 2. London 1901. 80. 102) S. Meller, 1925 (s. Anm. 89). 214. — G. Glück, 1928 (s. Anm. 89). 629. — W. Pinder, 1929 (s. Anm. 88). 495. — Th. Hampe, 1934 (s. Anm. 89). 192. — F. T. Schulz, 1940 (s. Anm. 89). 413. 103) G. Dehio, 1926 (s. Anm. 88). 146. — H. Stafski, 1958’ (s. Anm. 4). Von den jüngeren Forschem hält Klaus Pechstein an Hermann fest; vgl. Zs. f. Kunstgesch. 27. 1964. 192—194. 104) Rudolf Bergau: Veit Stoss. Adam Kraft. In: Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Hrsg, von Robert Dohme. Bd. 2. Leipzig 1878. XXXVI. 12. Ders.: Der Bildschnitzer Veit Stoss und seine Werke. Nürnberg 1884. 7. — Der Hinweis auf Stoß auch bei W. Bode, 1885 (s. Anm. 70). 105) Von K. Oettinger, 1966 (s. Anm. 90) eingeführt; etwas mißverständlich im gleichen Buch als «Meister der Elisabeth von Görz" aufgeführt. H. Stafski neigt dazu, die Be­ nennung «Artus-Meister" zu übernehmen (mündl. Äußerung). 106) Da der Hauptmeister des Schönen Brunnens in Nürnberg nicht nur als „Heldenmeister“, sondern auch als „Artus-Meister" (nach dem Kopf im GNM; Inv. Nr. PL 251) bezeichnet wird, dürfte die Umtaufe des Meister der Nürnberger Maria auch aus diesem Grunde wenig glücklich sein. — Nach 1900 wurde die Maria in Frankreich als „La Belle Madone“ geführt, wobei dieser Ausdruck auch vereinzelt in das deutsche Schrifttum Eingang fand, vgl. L. Reau, 1904 (s. Anm. 1) 69 und C. Neumann, 1928 (s. Anm. 80). 474.

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Die seit dem Auftauchen der Figur im frühen 19. Jahrhundert dunkle Her­ kunft blieb unaufgeklärt, das gilt auch für die Vermutung, sie sei Teil einer Kreuzigungsgruppe gewesen. Einzelne Versuche, etwa Berthold Dauns Vor­ schlag, die Maria als Teil eines Englischen Grußes zu deuten oder Theodor Hampes spitzfindige Erklärung als Magnificat-Statue zur Verherrlichung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariae waren wenig einleuchtend. Zweifel von Max Bach, ob es sich überhaupt um eine Marienstatue handeln würde, waren letzlich überflüssig, denn etwas anderes in dem Bildwerk zu sehen als eine „Maria als Schmerzensmutter“ ist eigentlich unmöglich107). Sicher gehörte die hölzerne Maria nicht zu dem Marmorkruzifix in der Domini­ kanerkirche, das wir bei Murr erwähnt fanden und das traditionell mit der Nürnberger Maria in Verbindung gebracht wurde. Ist es schon unwahrscheinlich, daß der Hauptteil der Kreuzgruppe so spurlos verschwinden konnte, so genügt eigentlich ein Blick auf die Essenwein'sche Rekonstruktion (Abb. 7), um inhalt­ lich die völlige Beziehungslosigkeit der Marienstatue zu einem Kruzifix über ihr erkennen zu lassen; auch ist die Nürnberger Maria nicht auf Untersicht gearbeitet. Wir meinen, die Statue sei von vornherein als Einzelfigur konzipiert worden (s. Exkurs II), wenn es auch nicht ausgeschlossen erscheint, daß sie in einem Christus als Schmerzensmann ein Gegenstück besessen haben könnte. Die zur Zeit gültige Datierung der Nürnberger Maria um 1515—1520 wird im Vergleich mit den anderen zugeschriebenen Werken überprüft werden müssen, wobei man Oettinger zustimmen wird, daß die Maria an den Anfang der Reihe zu setzen ist108). Das nach 1507 entstandene Grabmal in Römhild bietet mit den Statuetten an derTumba die auffälligsten stilistischen Parallelen; schon der zwischen 1508 und 1511 ausgeführte Rahmen zum Allerheiligenbild und das 1509 glaubhaft datierte Rückenaktrelief weisen in eine andere Rich­ tung. Mit dem Tucher-Epitaph in Regensburg von 1521, dem vorläufig letzten bekannten Werk des Künstlers, überblicken wir eine Spanne von fast andert­ halb Jahrzehnten und wenn die Nürnberger Maria tatsächlich vor 1510 ent­ standen sein sollte, könnte man sich ihren Schöpfer eine halbe Generation jünger als Dürer geboren vorstellen. Exkurs II. Dürer und die Nürnberger Maria „Dürers Leibplastiker“ nennt Stafski den Bildhauer der Nürnberger Maria, denn für das Römhilder Grab 109) und den Rahmen des Allerheiligenbildes 110) haben sich Vorzeichnungen Dürers erhalten, zu den Innsbrucker Königen 107) Berthold Daun: Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte Nürnbergs. Berlin 1897. 8—9. Ders. 1905 (s. Anm. 94). 44—4 5. — Th. Hampe, 1934 (s. Anm. 89). 192. — M. Badi, 1898 (s. Anm. 94). 102—103. 108) Wegweiser, 1967 (s. Anm. 69). 63. — H. Stafski, 1967 (s. Anm. 89). 14—15. — K. Oettinger, 1966 (s. Anm. 90). 19. 10ft) Friedrich Winkler: Die Zeichnungen Albrecht Dürers. Bd. 2. Berlin 1937. Nt. 489 — Das auffällige Vorkommen zweier zeitgenössischer Kopien in Florenz und Berlin legt die Vermutung nahe, in ihnen Zeichnungen des Bildhauers zu sehen, der sich mit den Dürer’sehen Ideen vertraut zu machen suchte, bevor er mit dem Modellieren begann: in diesem

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Theoderich und Artus müssen sie vorausgesetzt werden, für das Marienrelief des Friedrichs-Grabes in Krakau und für das Tucher-Epitaph in Regensburg haben Oettinger und Stafski Visierungen Dürers vermutetin). Das New Yorker Rückenaktrelief ist durch eine Pinselzeichnung Dürers von 1506 und eine flüchtige Skizze im Dresdner Skizzenbuch engstens mit Dürer verknüpft112). Und wie Dürer in seiner Vorzeichnung zum Drachenleuchter auf Veit Stoß, den ausführenden Schnitzer eingeht, so könnte man sich vorstellen, daß sein Entwurf eines Leuchterweibchens für Pirckheimer von 1513 in Wien gewisser­ maßen dem Stil des Meisters der Nürnberger Maria angepaßt worden wäre, der diesen oder andere Leuchterentwürfe Dürers plastisch umgesetzt haben könnte 113). Bei dieser Fülle von Querverbindungen mutet es eigentlich erstaun­ lich an, daß bisher nie der Versuch gemacht wurde, die Nürnberger Maria mit Dürer in Beziehung zu bringen. Vergleicht man Dürers Maria als Schmerzens­ mutter in der Pinakothek in München (Abb. 8) mit unserer Nürnberger Lindenholzfigur, so ergeben sich auffällige Übereinstimmungen 114). Zwar ist Dürers Maria, die als „Plastik" in einer architektonischen Nische mit Muschel­ abschluß (heute nur noch in Andeutungen erkennbar, da das Bild oben um etwa 18 cm beschnitten ist) steht, kompakter und in der Linienführung weniger raffiniert-elegant, Details wie die Beugung des rechten Beines, die Haltung der Hände, die Rolle des Kopftuches, das Aufstoßen der Falten auf dem Boden

no) in) U2) 113)

114)

Falle hätten wir eine oder mehrere Zeichnungen des Meisters der Nürnberger Maria erhalten. Winkler, Bd. 2, Taf. 25 (Florenz); Zeichnungen von Albrecht Dürer in Nach­ bildungen. Hrsg, von Friedrich Lippmann. Bd. 1. Berlin 18 83. Taf. 48 (Berlin). F. Winkler, 1937 (s. Anm. 109). Nr. 445. K. Oettinger, 1966 (s. Anm. 90). 19 — H. Stafski, 1958 (s. Anm. 4). 18. p Winkler, 1937 (s. Anm. 109). Nr. 402; in Details vergleichbar auch Nr. 470. — Das Skizzenbuch von Albrecht Dürer in der Königl. Bibliothek zu Dresden. Hrsg, von Robert Bruck. Straßburg 1905. Taf. 67. Friedrich Winkler: Die Zeichnungen Albrecht Dürers. Bd. 3. Berlin 1938. Nr. 708. Heinrich Kohlhaußen: Der Drachenleuchter im Germanischen Museum eine Arbeit von Veit Stoß nach einem Entwurf von Albrecht Dürer? In: Fränkischer Kurier. Nr. 209. 31. Juli 1937. Ders.: Ein Drachenleuchter von Veit Stoß nach dem Entwurf Albrecht Dürers. In: Ger­ manisches Nationalmuseum. Anzeiger 1936—1939. 135—141. Detlef Heikamp: Dürers Entwürfe für Geweihleuchter. In: Zs. f. Kunstgesch. 23. I960. 42—55. — Winkler Bd. 3, Nr. 709. Einen Eindruck von dem verschollenen Leuchterweibchen vermittelt eine histori­ sierende Nachschöpfung des späten 19. Jh.; vgl. Karl Simon: Figürliches Kunstgerät aus deutscher Vergangenheit. Königstein im Taunus, Leipzig 1926. Taf. S. 67. München, Alte Pinakothek (Inv. Nr. 709). Ursprünglich Mittelstück einer Tafel mit den Sieben Schmerzen Mariä, deren 7 Szenen sich in der Dresdener Galerie befinden (Inv. Nr. 1875—1881). Joseph Heller: Das Leben und die Werke Albrecht Dürer’s. Bd. 2. 1. Abth. Dürer’s Zeichnungen, Gemälde, Plastische Arbeiten. Bamberg 1827. 195 (Nr. 9). Emst Büchner: Die sieben Schmerzen Mariä. Eine Tafel aus der Werkstatt des jungen Dürer. In: Münchner Jb. d. bildenden Kunst. N. F. 11. 1934. 250—270. Christian Altgraf zu Salm und Gisela Goldberg: Alte Pinakothek München. Katalog II. Altdeutsche Malerei München 1963. 64—66, Abb. S. 259. Das Bild, damals noch in Schleißheim, muß sich im frühen 19. Jh. einer großen Beliebtheit erfreut haben; ein Handbuch von 1824 nennt nur drei Gemälde Dürers, darunter die Schmerzensmutter an erster Stelle. Vgl. Handbuch für Gemäldesammler und diejenigen, welche Bildergallerien besuchen. Oder: Lexicon der Maler und der Malerey. Quedlinburg, Leipzig 1824. 84—8 5. — Der Hinweis von M. Bach, 1898 (s. Anm. 94). 102—103 bezieht sich nur auf kostümliche Ähnlichkeiten zwischen der Nürnberger Maria und Dürer.

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weisen jedoch darauf hin, daß Dürers um 1498 entstandenes Gemälde in der Nürnberger Maria eine stilistisch um zehn Jahre verjüngte Schwester hat. Das Umsetzen des vergleichsweise altertümlichen Gewandstiles Dürers in eine geschmeidige, alles Kantige vermeidende, weich fließende Liniensprache ist viel­ leicht das Hauptverdienst unseres Bildhauers 115). Die nach oben gewendeten Augen, die beiden Mariendarstellungen jenen sentimentalen himmelnden Gefühlsausdruck verleihen, kommen noch 1518 bei Dürer vor, als er die betende Maria erneut, diesmal als Halbfigur malt116). Man wird nicht so weit zu gehen brauchen, Dürersche Vorzeichnungen für die Nürnberger Maria annehmen zu müssen; hält man aber daran fest, in dem Schnitzwerk eine Art Paraphrase auf ein Dürerthema zu sehen, ausgeführt von einem jüngeren Künstler, der von Dürer entscheidend geprägt und geformt wurde und nun exemplarisch versucht, den Dürerstil zu „modernisieren", so erübrigen sich die Rekonstruktionsver­ suche der Maria als Teil einer Kreuzgruppe oder einer Verkündigungsszene. Für die solcherart aus der traditionellen Ikonographie gelöste Nürnberger Maria wird sich ein kunstsoziologischer Ort zwischen Andachtsbild und Haus­ madonna vielleicht eines Tages finden lassen m).

Abbildungsnachweis: Abb. 1, 2, 4, 6 Abb. 3, 7 Abb. 5, 8

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Hauptamt für Hochbauwesen München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

115) K. Oettinger, 1966 (s. Anm. 90). 19 und 21. 118) Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Staatliche Museen. Gemäldegalerie BerlinDahlem (Inv. Nr. 5 57 H). 117) Die Nürnberger Maria als Einzelfigur sahen mehrere Autoren um 1900. Vgl. Klassischer Skulpturenschatz. Hrsg, von Franz Reber und Adolf Bayersdorfer. Bd. 1. München 1897. Nr. 48. Adolf Philippi: Die Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts in Deutschland und den Niederlanden. Leipzig 1898. 172. B. Daun, 1905 (s. Anm. 94). 45. — Wohl nicht zufällig entziehen sich auch andere Marienfiguren der Dürerzeit einer genauen ikonographischen Einordnung, so etwa eine Muttergottes von Hans Witten in Chemnitz; vgl. Walter Hentschel: Hans Witten der Meister H. W. Leipzig 193 8. Abb. 10—11. M

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BIBLIOGRAPHIE ARCHIVDIREKTOR EMIL REICKE (1865—1950) bearbeitet von Robert Herold Vorwort Emil Reicke, Archivar und Historiker, war der Sohn des Direktors der Universitätsbibliothek zu Königsberg i. Pr. Nach dem Studium der Geschichte und Geographie promovierte er in seiner Heimatstadt 1887 zum Dr. phil. Nach dem Lehramtsexamen trat er in die heimatliche Universität als wissenschaft­ licher Hilfsarbeiter ein. Am 1. August 1891 begann Emil Reicke als Assistent an den seinerzeit noch vereinigten Instituten Stadtbibliothek und Stadtarchiv in Nürnberg seine Laufbahn, die so fruchtbar werden sollte. Er, der Ostpreuße, hat sich die Ge­ schichte seiner Wahlheimat erarbeitet. In seinem Hauptwerk „Geschichte der Reichsstadt Nürnberg“ hat dieses Schaffen bereits einen frühen Höhepunkt gefunden. Bis heute gibt es noch kein ebenbürtiges Geschichtswerk der Stadt. Ein weiteres Schwergewicht seines Schaffens lag in der Erforschung des Huma­ nismus; ganz besonders hat sich Reicke mit Willibald Pirckheimer beschäftigt. Der Kreis der Themen seines Wirkens reicht von der Wissenschaftskunde über die Geschichte und ihre Nebengebiete bis zu Biographien, Reisebeschreibungen Festschriften, Prologen und Gelegenheitsgedichten. So weit gespannt wie der Themenkreis war auch die örtliche Streuung seines Schaffens. Die Verlagsorte reichen von Hamburg bis Budapest und von Königsberg bis Zürich. Der Zeit­ raum der Veröffentlichungen beginnt mit dem Jahr der Dissertation 1887 und endet in seinem Todesjahr 1950. Reicke hat nicht nur Bücher, sondern auch Beiträge für über sechzig Zeitungen und Zeitschriften geschrieben. Es war deshalb nicht einfach und vor allem zeitraubend das Material für diese Biblio­ graphie so vollständig wie möglich zusammenzutragen und nachzuweisen. Be­ sonders schwierig war es, an das im ostdeutschen Raum erschienene Schrift­ tum zu gelangen. Sicher gibt es noch Einzelnes, was nicht mehr aufgefunden werden konnte. Es wurden nur Titel aufgenommen, die entweder eingesehen oder belegt werden konnten. Literarische Quellen waren für nicht erreichbare Titel das „Deutsche Bücherverzeichnis“ mit seinem Vorgänger und die „Inter­ nationale Bibliographie der Zeitschriften“. Titel ohne Standort konnten nur hier nachgewiesen werden. Die zahlreichen Vorträge und Führungen Emil Reickes sind schon an anderer Stelle zusammengestellt worden. (Vgl.: Horst Heldmann: Register zu den Jahresberichten des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 1. 1878—85, 1962, S. 32—34. — Nürnberger Forschungen, VIII. Bd. ) Neben dem Wirken Emil Reickes an der Stadtbibliothek und später dann im Stadtarchiv, dessen Direktor er 1921 wurde, hat er sich vor allem als 482

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Bibliographie Emil Reicke

1. Vorsitzender des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg in den Jahren 1926—1933 große Verdienste erworben. Darüber hinaus war er lange Ordens­ bibliothekar des Pegnesischen Blumenordens, Mitglied der Gesellschaft Mu­ seum, deren 125jährige Festschrift aus seiner Feder stammt, und im gesell­ schaftlichen Leben der Stadt ein immer tätiger Mann. Es mag dem Bearbeiter erlassen sein,\ eine ausführliche Würdigung der Persönlichkeit und des Schaffens aufzuzeichnen. Das ist von berufener Seite längst geschehen (siehe Abschnitt „Würdigungen“ in dieser Bibliographie S. 514-515). Für freundliche Unterstützung danke ich Frau Dr. Mila Thoma, geb. Reicke, Nürnberg, Herrn Professor Dr. Siegfried Reicke, Heidelberg, Herrn Bibliotheksdirektor Dr. Karlheinz Goldmann, Nürnberg, und Herrn Archiv­ direktor Dr. W. Schultheiß, Nürnberg. Robert Herold Nürnberg, im Februar 1969 Für den Verein war es eine Ehrenpflicht, seinem ehemaligen 1. Vorsitzen­ den, dem hochverdienten Erforscher von Nürnbergs Geschichte, mit dieser Bibliographie ein Denkmal für sein wissenschaftliches Schaffen zu setzen. Die Bibliographie sollte ursprünglich schon 1965 zum 100. Geburtstag Emil Reickes vorliegen. Leider hat sich ihr Erscheinen nun bis heute verzögert. Doch wird sie auch jetzt für all diejenigen, die sich mit der Nürnberger Geschichte beschäfti­ gen, willkommen sein. Herrn Herold von der Stadtbibliothek gebührt der aufrichtige Dank des Vereins, daß er sich der Mühe unterzogen hat, das um­ fangreiche Werk des Gelehrten bibliographisch zu erfassen. Dr. Gerhard Hirschmann 1. Vorsitzender Abkürzungsverzeichnis Abb. Abh. allgem. Ans. Anst. Anz. Au fl. Aufs. Auftr. Ausschn. Ausst. Av. Bd. (e. n.) Bbg. Bearb. Beil. Beitr. Bibi. Inst.

Abbildung Abhandlung allgemein Ansicht(en) Anstalt Anzeiger Auflage Aufsatz Auftrag Ausschnitt Ausstellung Stadtarchiv Nbg. Band, Bände, Bänden Bamberg Bearbeiter Beilage Beitrag Bibliographisches Institut (Verlag)

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MVGN 56 (1969) Bibliographie Emil Reicke BL (1.) Bin. Brsg. del. Ders. d. i. d. J. dt. ebd. Einf. Erg. Erl. erw. ff. Forts. fränk. Frk. Kur. ged r. geogr. Ges. Gesch. GNM H. Hbg. Holzschn. Hrsg., hrsg. HSAv. i. A. Jb. J.Ber. Jg(e). Jh(e. n.). ill., 111. Inst, i. Pr. kol. Kom. Köpft. Ktn. Lichtdr. Lpz. Ltg. Mchn. MMs. Mp. Ms. MVGN Nbg. Nr.(n.) NZ OB o. J. o. O. u. J. o. O. u. V. o. T. o. V. o. Verf. 484

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Blatt, Blätter Berlin Breisgau delcit (gezeichnet) Derselbe das ist des Jahres deutsch ebenda Einführung Ergänzung Erläuterung(en) erweiterte folgende Fortsetzung fränkisch(e) Fränkischer Kurier (Ztg.) gedruckt geographisch Gesellschaft Geschichte Germanisches National Museum (Nbg.) Heft Hamburg Holzschnitt Herausgeber, herausgegeben Hauptstaatsarchiv (Mchn.) im Auftrag Jahrbuch Jahresberichte Jahrgang(e) Jahrhunderte, n.) illustriert, Illustrationen Institut in Preußen koloriert Kommission Kopftitel Karten Lichtdruck Leipzig Leitung München Maschinen-Manuskript Mappe Manuskript Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Nürnberg Nummer(n) Nürnberger Zeitung Oberbürgermeister ohne Jahr ohne Ort und Jahr ohne Ort und Verlag ohne Titel ohne Verlag ohne Verfasser

MVGN 56 (1969) Bibliographie Emil Reicke pag. qu. Red. S., SS. s. a. SA SAv. SB. sculps. Selbstverl. Sign. Skizz. Sp. StB. Taf. TI., Tie. Ttl. tw. unpag. Urk. verb. Verf. Verh. verm. Veröff. VGN Ztg. Ztsdir.

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paginiert quer Redaktion Seite(n) siehe auch Sonderabdruck Staatsarchiv (Nbg.) Staatsbibliothek (Mchn.) sculpsit (gestochen) Selbstverlag Signatur Skizze(n) Spalte(n) Stadtbibliothek (Nbg.) Tafel(n) Teil(e) Titel teilweise unpagniert Urkunden verbesserte Verfasser Verhandlung(en) vermehrte Veröffentlichung(en) Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg Zeitung Zeitschrift

Buchformate: 8° = oktav 4° = quart 2° = folio

Eigene Veröffentlichungen 18 8 7

1. De rebus post Alexandri Magni mortem Babylone gestis questionum. Particula I. Diss. inaug. 37 S. 1 Bl. 8°. Regiomonti: ex Officina Leupoldiana 1887. Nbg.: StB. Sign.: Hist. 3758 8°. Mchn.: SB. Sign.: H Ant. 317 pd. 18 9 6

2. Geschichte der Reichsstadt Nürnberg von dem ersten urkundlichen Nach­ weis bis zu ihrem Übergang an das Königreich Bayern 1806. IX, 1078 S., 270 111. 8°.

Nürnberg: Raw 1896. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1688 und a_m 8°; Mel. Nor. 586 u.a. dass. 1. AuflL: bisher unter dem Titel „Geschichte der Stadt Nürnberg" von Johann Paul Priem. (1895) (s. a. Nr. 216). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1058 und a c 8°. 485

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(1969)

Bibliographie Emil Reicke

3. Hans Sachs zweite Frau. In: „Vossische Zeitung" Sonntags-Beil., Bin. 1896, Nr. 39. 4. Wanderungen durch die zweite bayerische Landesausstellung Nürnberg. In: „Bayer. Gewerbezeitung" Nbg. 9. Jg. 1896, SS. 241, 265, 289, 313, 337, 365, 385, 409, 433, 457, 482, 505, 529, 553. 10. Jg. 1897, SS. 6, 35, 49, 73, 103, 151, 175.

Nbg.: BLGA Sign.: 2730. 18 9 7

5. Die Feststadt. In: „Festzeitung für das XII. Deutsche Bundesschießen in Nürnberg 1897". Red. Dr. Emil Reicke. Nr. 1, S. 2, 4, 6. 2°. Nbg.: Tümmel (1897). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 763 und a 2°. 6. Philipp Melanchthon. Geb. am 16. Februar 1497, gest. am 19. April 1560. In: „Frk. Kur." Nbg. 1897, Nr. 86, S. 1—3. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Mchn.: SB. Sign.: Ztg. 7. Die ältesten Portraits der Hauptschützengesellschaft Nürnberg. In: „Fest­ zeitung für das XII. Deutsche Bundesschießen in Nürnberg 1897". Red. Dr. Emil Reicke. Nr. 10, S. 155/156. Nbg.: Tümmel (1897). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 763 u.a 2°. 8. Von der Nürnberger Schützengesellschaft. In: „Festzeitung für das XII. Deutsche Bundesschießen in Nürnberg 1897". Red. Dr. Emil Reiche. Nr. 5, S. 70—73. Nbg.: Tümmel (1897). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 763 u.a 2°. 9. Geschichtliches über das Schützenwesen insbesondere im reichsstädtischen Nürnberg. In: „Führer durch Nürnberg, 12. Deutsches Bundesschießen", Anh. S. 19—53. Nbg. 1897. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 765 (l) 2°; Amb. 1409 8°. Av. Sign.: 4604 8°. SAv. Sign.: 46958. 18 9 8 10. Karl Lamprecht. In: „Frk. Kur." 1898, Nr. 185.

Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 11. Das Problem des Ahnenverlustes. [Geneal. Abh.] In: „Frk. Kur." Nbg. 1898, Nr. 623, 625. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 18 9 9 12. Nürnberger Wanderungen. In: „Das neue Blatt" Lpz.: Payne 1899, Nr. 27, S. 124. 486

MVGN 56 (1969) Bibliographie Emil Reicke

19 00

13. Der Gelehrte in der deutschen Vergangenheit. Mit 130 Abb. und Beil, nach Originalen d. 15.—18. Jh. 143 S. Lpz.: Diederichs 1900. (Mono­ graph. z. deutschen Kulturgesch. Bd. 7). Nbg.: StB. Sign.: Hist. 2049(7) 4°. 19 0 1

14. Lehrer und Unterrichtswesen in der deutschen Vergangenheit. Mit 130 Abb. und Beil, nach Orig, aus dem 15.—18. Jh. 135 S. 4° (8°). Lpz.: Diederichs 1901. (Monograph, zur deutschen Kulturgesch. Bd. 9). Nbg.: StB. Sign.: Phil. 3046 4°. 15. Willibald Pirckheimer und seine Podagra. In: „Frk. Kur.“ 1901, Nr. 217, 221, 232, 234, 238. 19 0 2

16. Die Schlacht im Nürnberger Walde am Tage der Affalterbacher Kirch­ weih 19. Juni 1502. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1902, Nr. 200, 204, 206. 17. Ferientage in den bayerischen Bergen. Eindrücke eines Flachlandmen­ schen. In: „Königl. privil. Berlinische Zeitung“ Bin. 1902, Nr. 405 (vom 30. 8. 02). 19 0 3

18. Geschichtliches über Nürnberg. Führer durch die Stadt. In: „Festschrift für das X. deutsche Turnfest in Nürnberg 18. bis 22. Juli 1903“. S. 33— 45 [ill.]. Nbg.: StB. Sign.: Mel. Nor. 156; SAv. Sign.: 69/8. 19. „Den deutschen Turnern Gut Heil!“. [Gedicht als Prolog]. In: „Fest­ schrift für das X. deutsche Turnfest in Nürnberg 18. bis 22. Juli 1903“.

20. 21.

22. 23.

(Nach Ttl.-Bl., S. nicht pag.) Nbg.: StB. Sign.: Mel. Nor. 156; SAv. Sign.: 69/8. Die Feststadt Nürnberg. Plauderei. (1—6 [ill.]) In: „Deutsche Turnzeitung“, Lpz. 1903, Nr. 14, 15, 18, 20, 22, 23. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 879 2°. Die Feststadt des zehnten deutschen Turnfestes. In: „Sonntagsbeilage der Königsberger Hartungschen Zeitung“, Königs­ berg/Pr. 1903 Nr. 309, 321. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2314 2°. Das X. deutsche Turnfest in Nürnberg vom 18.—22. Juli. Ein Rückblick. In: „Neue Hamburger Zeitung“ Hbg. 1903, Nr. 342, S. 1 (vom 24. 7. 03). 7. Deutscher Historikertag in Heidelberg. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1903, Nr. 204, 217, 221. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 487

MVGN 56 (1969) Bibliographie Emil Reidce

1904 24. Zu dem altnürabcrger Faschingsleben. Unglaublichkeiten von Vulpius Kuriositäten. In: „Unterhaltungsblatt des Frk. Kur." Nbg. 1904, Nr. 21, 23. SS. 126, 136—137. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 727 4°; GNM Sign.: Gs. 2202 8°. 25. Die ehemaligen Weiher des früheren Klosters Pillenreuth. [Bericht über

einen Vortrag von Ernst Mummenhoff anläßlich eines Ausfluges des VGN dorthin.] In: „Frk. Kur." Nbg. 1904, Nr. 547. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 26. Der Liebes- und Ehehandel der Barbara Löffelholz, der Mutter Willibald Pirckheimers, mit Sigmund Stromer zur goldenen Rose. In: „Unterhal­ tungsblatt des Frk. Kur." Nbg. 1904, Nr. 1, 3, 5, 7 (Kopftitel: Pirck­ heimers Vorfahren). Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°; Nor. 730 4°. 27. Szene aus der Zeit der Pegnitzschäfer nach den Frauenzimmergesprächs­ spielen des Georg Philipp Harsdörffer. In: „Die Pflege der Dichtkunst im alten Nürnberg". Nbg.: Schräg i. Kom. 1904 (s. a. nachstehenden Titel f). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 5428 u.a 8'°. 28. Die Pflege der Dichtkunst im alten Nürnberg. Dramatische Szenen aus drei Jhn. Von Emst Mummenhoff, Emil Reidce, Heinrich Tölke. Hrsg, vom VGN. Nbg.: Schräg in Komm. 1904. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 5428 u.a 8°. 19 0 5 29. Cesare Borgia nach den römischen Reminiszensen eines deutschen Hu­ manisten. In: „Beil, zur Allgemeinen Zeitung" Mchn. 1905, Nr. 75 (vom 30. 3. 05), S. 593—97. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3928 4°. 30. Albrecht Dürer im Lichte des Briefwechsels des Bamberger Kanonikus Lorenz Beheim. In: „Beil, zur Allgemeinen Zeitung" Mchn. 1905, Nr. 80 (vom 5. 4. 05). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 829a 4°; Nor. 1804 4°. 31. Neue Nachrichten über Albrecht Dürer. In: „Beil, zur Allgemeinen Zei­ tung" Mchn. 1905, Nr. 80 (vom 5. 4. 05). 32. Der astrologische Wahnglaube der Vergangenheit. In: „Unterhaltungsblatt des Frk. Kur." Nbg. 1905, Nr. 39, S. 232 ff. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3931 4°; Phil 311 2°; SAv. Sign.: 1097/4. 33. Die angeblich adelige Herkunft Schillers und die Familienforschung. In: „Frk. Kur." Nbg. 1905, Nr. 245, S. 17. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2308 2°. 34. Das Krokodilstechen im alten Predigerkloster (jetzt Stadtbibliothek) zu Nürnberg. In: „Frk. Kur." Nbg. 1905, Nr. 365. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 800 4°. 488

MVGN 56 (1969) Bibliographie Emil Reicke

35. Die erste Hochtour eines Flachlandkindes. In: „Unterhaltungsbeil, zur Täglichen Rundschau", Bin. 1905, Nr. 182 (vom 5. 8. 05), S. 726-728. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2314 2°. 36. Die Sammlung technischer Modelle und Pläne zu den Wiederherstellungs­ arbeiten an der Sebaldus- und Lorenzkirche in der Moritzkapelle. Nach Erl. von Prof. Josef Schmitz, ill. 16 S. 8°. Nbg.: Stich 1905. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1490 8°. und in: „Frk. Kur." 1905, Nrn. 488 ff. Nbg.: StB.: Ztg. 37. Der Ort der Schlacht im Nürnberger Walde am 15. Juni 1502, [d. i.: Affalterbach (Ldkrs. Schwabach)]. In: „Frk. Kur." Nbg.: 1905, Nr. 606. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 38. Jörg Heuss, ein Konkurrent Peter Henleins? In: „Allgemeines Journal der Uhrmacherkunst" o. O. 1905, Nr. 14, S. 217—218. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 826a 2°. 19 0 6

39. Noch einmal Ulrich oder Ulman Stromer? Eine Replik. In: „Frk. Kur." Nbg. 1906, Nr. 279. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 40. Johann Philipp Palm. Zur 100. Wiederkehr seines Todestages. In: „Frk. Kur." Nbg. 1906, Nr. 434. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 41. Der Bamberger Kanonikus Lorenz Beheim, Pirckheimers Freund. 40 S. 8°. Mchn.: Oldenbourd 1906. (Aus: Forschungen zur Geschichte Bayerns, Bd. 14, H. 1/2.) Nbg.: StB. Sign.: Nor. 6298 8°. 42. Die Jubiläums-, Landes-, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung in Nürnberg 1906. In: „LInsere Heimat", Monatsschrift für die obersäch­ sischen Lande. Zwickau (Sachsen) 1906, Nr. 10, S. 229—241. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3927 4°. 19 0 7 43. Ein nützlicher Hausfreund. In: „Hannoversches Unterhaltungsblatt" Beil, zum Hannoverschen Tageblatt. Hannover 1907, Nr. 16 (vom 24. 2. 07). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3929 4°. 44. Willibald Pirckheimers Familienbeziehungen. 1. Die vielen Frauen in der Familie, Pirckheimers Vater. (Willibald Pirckheimers Familienbeziehun­ gen . . . Forts.) In: „Unterhaltungsblatt des Frk. Kur." Nbg. 1907, Nrn. 28, 30, 32, 34, 36 [Forts. 1—4 in 5 H.]. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2° (1907). 45. Aus dem Leben des Johann Schöner, ersten Professors für Mathematik und Geographie in Nürnberg. In: „Festschrift zum XVI. deutschen Geo489

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Bibliographie Emil Reicke

graphentag in Nürnberg 1907“, S. 41—60. Und in: „Abhandlungen der Naturhistorischen Gesellschaft“, Nbg. 17. Bd. 1907. Nbg.: StB. Sign. Math. 2197 8°; Amb. 1686 8°; Amb. 1631 8°; Mel. Nor. 189; Nor. J. B. 369 (17). Erl.: UB. Sign.: KB (2785). 19 0 8

46. Von unseren Kalenderheiligen. In: „Tägliche Rundschau“, Unterhalt tungsbeil., Lpz. u. Bin. 1908, Nr. 30, 31, (vom 5., 6. 2. 08). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2324 2° 47. Zur Eröffnung des Märkischen Museums in Berlin, [am 10. 6. 1908]. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1908, Nr. 294. 48. Allerlei Luftschiffahrtliches, insbesondere aus dem vormärzlichen Nürn­ berg. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1908, Nr. 457. Nbg.: Stb. Sign.: Nor. 265 (91) 2°; Nor. 869 4°. 49. Vom täglichen Geläute in Nürnberg und von der ehemaligen Nürnberger großen Uhr. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1908, Nr. 526. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 872 4°; Ztg. 19 0 9 50. Der Sturz des Losungers Anton Tetzel 1514. In: „Unterhaltungsblatt des Frk. Kur.“ Nbg. 1909, Nr. 1, 3, 5, 7, 9. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 51. Martin Behaim im Lichte der neuesten englischen Kritik. In: „Unter­ haltungsblatt des Frk. Kur.“ Nbg. 1909, Nr. 71, 73. S. 423, 426. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 52. Aus Nürnbergs großer Zeit, ln: „Das neue Blatt“, Lpz.: Payne 1909, Nr. 1, S. 116—118. 19 10

53. Eine Nürnberger Reisebeschreibung aus der Wertherzeit. In: „Unter­ haltungsblatt des Frk. Kur.“ Nbg. 1910, Nr. 15, 17, 19, 21, 23, 25. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2145 u.a; 2°; Phil. 311 2°; SAv. Sign.: 4042. 54. Kirchenbauten (von) Josef Schmitz. [Mit Abb.]. In: „Der Baumeister“ Mchn. 1910, H. 2. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1571 2°; GNM. Sign.: K. 472A. 5 5. Festgruß zu Ehren der Anwesenheit I. Kgl. H. Prinzessin Rupprecht gelegentlich der Einweihung des neuen Brockenhauses in Nürnberg. Dar­ gebracht am Abend des 5. November 1910 im großen Saal des Industrieund Kulturvereins. Von Emil Reicke. [Weihnachtsspiel, Einakter]. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 248 (13 u.a) 2°. 56. Festspiel zur Feier des 50jährigen Bestehens des Infanterie Regiments Herzog Karl von Mecklenburg-Strehlitz (6. Ostpreußisches) Nr. 43. 55, S. 8°, Königsberg (Pr.): Leupold (1910). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1808 8°. 490

MVGN 56 (1969) Bibliographie Emil Reicke

57. Neues von Kilian Leib, seine Beziehungen zu Pirckheimer und Luthers Aufenthalt in Nürnberg 1518. SA aus: „Beitr. zur bayerischen Kirchengeschickte“, XVI, 1910, S. 122-137. Nbg.: StB. Sign.: P 1139; SAv. Sign. 4 7 8 68. 19 11

58. Schlittenvergnügen im alten Nürnberg. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1911, Nr. 58. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 59. Vom Baden einst und jetzt. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1911, Nr. 424. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Nor. 2317 2°. 60. Riesen und andere Monstrositäten. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1911, Nr. 455. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 61. Was man vor 300 Jahren unter Mäßigkeit verstand. In: „Unterhaltungsblatt des Frk. Kur.“ Nbg. 1911, Nr. 99, S. 591—594. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 62. Aus dem Berlin des alten Fritz. In: „Vossische Zeitung“, Bin. 1911, Nr. 394 (vom 11. 8. 11). 63. Erklärung. [In Sachen: Die ältere Ummauerung der Stadt Nürnberg]. In: „Deutsche Geschichtsblätter“, Gotha XIII, 1911, S. 82. 64. Die Pradler Marienkirche [d. i. Innsbruck-Pradl (Vorort)]. Architekt: Josef Schmitz, [ill.]. In: „Süddeutsche Bauzeitung“, Mchn. 1911, Nr. 1, S. 1-7. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1007 2°. 65. Malwida von Meysenbug, Die Verfasserin der Memoiren einer Idealistin. Mit 17 Abb. Bin., Lpz.: Schuster & Löffler 1911. 103 S., 16 S. Abb. 8°. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 17213 u.a 8°. 19 12

66. Kaufmanns Freud und Leid in alter Zeit. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1912 (Industrie-Nr.) nach Nr. 348, S. 7—8. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 67. Den deutschen Sängern. Gedicht. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1912, Nr. 382 (Sängerfestausg.), S. 1. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2322 2°; Ztg. 68. Flatternde Faihnen . .. Gedicht zur Übergabe eines Fahnenbandes seitens der Stadt Nürnberg an das Sängerbundesbanner. Von Emil Reicke, ge­ sprochen vonMila Reicke. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1912, Nr. 384, S. 5. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 7440 8°; Ztg. 69. Die reichsstädtische Wasserversorgung Nürnbergs. In: „General-Anzei­ ger“ Nbg. 1912, Nr. 150, 151. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1019 4°; Ztg. 70. Briefe von der Waterkant. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1912, Nr. 438, 457, 505. Nbg.: StB. Sign.: Ztg, 491

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Bibliographie Emil Reicke

71. Der Humanist Willibald Pirckheimer in seiner Jugend und seinen ersten Briefen. In: „Unterhaltungsblatt des Frk. Kur." Nbg. 1912, Nrn. 10, 12, 14, 16, 18, 20. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 72. Die St. Antoniuskirche in Nürnberg. Mit Abb. [Architekt: Josef Schmitz]. In: „Zentralblatt der Bauverwaltung" Bin. 1912, Nr. 51, S. 321 ff. Nbg.: StB. Sign.: Z 2124 (32, 1912); Nor. 1028 2° (= SA); Nor. H. 1492. 73. Neue Beiträge zur Dürer-Forschung. Von Joseph Meder. Mit 2 Taf. u. 38 Textabb. Die Deutung eines Bildnisses [d. i. der Nürnberger Gewand­ schneider Hans Pirkel — 1520 —] von Brosamer in der Kais. Gemälde­

galerie in Wien. Nebst Beitr. zur Dürer- und Pirckheimer-Forschung. Von Emil Reicke. Mit 1 Taf. u. 15 Textabb. Wien: Temsky; Lpz.: Frey­ tag 1912. S. 183—255. (Jahrbuch d. Kunsthistor. Sammlungen d. Allerh. Kaiserhauses. Bd. 30, H. 4.) Nbg.: StB. Sign.: Var. 78 2° (30); Amb. 833 2° (= SA). 74. Eine rätselhafte Krankheit des Jahres 1527. Auf Grund ungedruckter Quellen. In: „Archiv f. Geschichte d. Medizin" Lpz.: J. A. Barth 1912, H. 6, S. 418—424. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1856 8°. (= SA.) 75. Willibald Pirckheimer. In: „8. Deutsches Sängerbundesfest Nürnberg 1912". Festzeitung. S. 164—168. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 837 u.a 2°. 76. Prolog für den Wohltätigkeitsabend zum Besten der Nürnberger Stadt­ mission. Mittwoch, 27. November 1912 im Evangelischen Vereinshaus. Gedichtet von Dr. Emil Reicke, gesprochen von Grete Riedel. 4 S. (unpag.) 8°. Nbg.: Sebald 1912. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 7414 8°. 19 13 77. Die Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft und ihre Gegner. In: „Frk. Kur." Nbg. 1913, Nr. 500. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2320 2°; GNM Sign.: Th. 99 n 5/2. 78. Palms Selbstaufopferung eine patriotische Legende. In: „Unterhaltungs­ blatt des Frk. Kur." Nbg. 1913, Nr. 257. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1045 4°; Phil. 311 2°. 79. Willibald Pirckheimer und der Schweizerkrieg von 1499. In: „Unter­ haltungsblatt des Frk. Kur." Nbg. 1913, Nm. 311—320. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1082 4°; Phil. 311 2°. 80. Die Zimeliensammlung der Nürnberger Stadtbibliothek. In: „Die Hei­ mat", Wo.-Beil, der „Nbg. Ztg." 1913, Nrn. 24—34. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1035a 4°; P 1680 u.a; Av. Sign.: Z 1630 (1—11). 81. Ein neuer Dürer-Fund. [Pirckheimer-Medaille]. In: „Der Tag", Unterhaltungsbeil., Bin. 1913, Nr. 133—134. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1046 2°. 492

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Bibliographie Emil Reicke

82. Froschschlucker und Wasserspeier. (Der Wasserschlucker F. Guiliani 1680 in Nürnberg). In: „Organ der Varietewelt" Bin. 1913, Nr. 254, S. 1—2. Und in: „Frk. Kur." Nbg. 1913, Nr. 469. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1056 2°; Ztg. 83. Stuttgart im Jahre 1781. Nach ungedruckten Briefen eines Nümbergers.

[d. i. Adam Nikolaus Riedner]. In: „Schwäbischer Merkur", Unterhal­ tungsbeil. „Schwäbische Kronik" Stgt. 1913, Nr. 343 (vom 26. 7. 13). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1036 4°. 19 14 84. Stefan George, der „Lyriker unsrer Zeit". In: „Frk. Kur." Nbg. 1914, Nm. 60, 67, 74, 76. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2310 2°; Ztg.

Hierzu: Berichtigung des vorstehenden Artikels in: „Frk. Kur." Nbg. 1914, Nr. 297, S. 7 (Sp.: Kunst, Wiss. Lit.). 85. 1914. (Gedicht). In: „Deutsche Tageszeitung" Unterhaltungsbeil., Bin. 1914, Nr. 189 (vom 26. 9. 14). Nbg.: StB, Sign.: Nor. 7417 8°. 19 15

86. Nürnbergs Kulturbild zur Zeit Albrecht Dürers. In: „Schule u. Eltern­ haus" Hagen (Westf.) 1915, Nr. 359. 87. Aus dem befreiten Kurland. 1915. (Pseudonym: Friedrich, Karl). In: Preußische Jahrbücher", Bin. 1915, Bd. 162, H. 2, S. 302—333. Nbg.: StB. Sign.: B 2656 (= SA.). 19 16

88. Von der Rigafront. In: „Frk. Kur." Nbg. 1916, Nm. 600, 620, 621. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 19 18 89. Nürnberg und die bayerische Verfassung vor 100 Jahren. In: „Frk. Kur." Nbg. 1918, Nr. 263. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1231 4°; Ztg. 90. Der Zuschauer an der Pegnitz. Ein schlimmer Tag aus dem biedermeierlichen Nürnberg. In: „Unterhaltungsbeil, des Frk. Kur." Nbg. 1918. Nr. 19.

19 19 91. Nürnberg die Stadt der Nationalversammlung? In: „Frk. Kur." Nbg. 1919, Nr. 7.

Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 493

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Bibliographie Emil Reicke

92. Rauchsäulen — Insektenschwärme. Nach einer Beobachtung vom 13.— 23. 7. 1812. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1919, Nr. 423. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 93. Ums deutsche Baltikum. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1919, Nr. 457. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 19 2 0

94. Tyrannenmörder, [gesch. Abh.]. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1920, Nr. 37. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 95. Was ist von der deutschen Friedensgesellschaft zu halten? In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1920, Nr. 482. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 96. Widertäufer und Bolschewisten. Mit 4 Abb. im Text. In: „Reclams Uni­ versum“ Weltrundschau. Lpz.: Reclam 1920, H. 18, S. 281—283. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2434 4°. 97. Willibald Pirckheimer und die Reichsstadt Nürnberg im Schwabenkrieg. In: „Jb. für Schweizerische Geschichte“ (Zürich 1920), Bg. 45, S. 133— 189. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 6299 8° (= SA). 19 2 1

98. Ein Abend im Pegnesischen Blumenorden. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1921, Nr. 64. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 99. Geschichtliche Beziehungen zwischen der Schweiz und Nürnberg. Den Schweizer Studenten zur Begrüßung. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1921, Nr. 328. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1276 4°; Ztg. 100. Willibald Pirckheimer und sein Ehrenhandel mit Hans Schütz. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1921, Nr. 599. Nbg. StB. Sign.: Ztg. 101. Die Kipper- und Wipperzeit in Nürnberg, ein Bild unserer Tage. In: „Sonntagskurier“ Nbg. 1921, Nrn. 5, 8, 9, 10. Nbg. StB. Sign.: Phil. 311 2°. 102. Verklungener Heldenruhm. (Albrecht Achilles). Eine kritische Betrach­ tung. In: „Sonntagskurier“ Nbg. 1921, Nr. 52. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 103. Wieland und der Pegnesische Blumenorden. Nach zwei vergessenen Originalbriefen des Dichters. In: „Bayer. Heimatland“, Beil, zur Bayer. Nationalzeitung, Nbg. 1921, Nr. 39. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1212 2°; Nor. 1213 2°. 104. Die Trennung von Stadtbibliothek und städt. Archiv. Charakter und Bestimmung der beiden Anstalten. In: „Amtsblatt der Stadt Nürnberg“ Nbg. 1921, Nm. 172, 173. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1201 u.a 2°; Av. Sign.: 3521 4°. 494

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105. Zur Geschichte des Zeitungswesens in Nürnberg. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1922, Nr. 24. Nbg.: StB.: Sign.: Nor. 1237 2°; Nor. 1236 (2) 2°. 106. Aus Nürnbergs Vergangenheit, (betr. altes Aussehen der Gegend am Josephsplatz). Von -e. [d. i. Emil Reicke]. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1922, Nr. 63.

Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 107. Falkenhayn [Erich von 1861—1922], der Befreier Ungarns. In: „Sonntags­ kurier“ Nbg. 1922, Nr. 19. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 108. Die „Norimberga“ des Conrad Celtis in neuer Ausgabe, (von Werninghoff). In: „Sonntagskurier“ Nbg. 1922, Nr. 26. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°; Nor. 2275 2°. 109. Ludwig Feuerbach. Zur 50. Wiederkehr seines Sterbetages. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1922, Nr. 28. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2870 4°; Ztg. 19 2 3

110. Von alter fränkischer Art. In: „Frank. Heimat“ Nbg. 1923, SS, 99—102, 143.

Nbg.: StB. Sign.: P 1680 u.a. 111. M. F. Ledermüller. Nürnberger Naturforscher. In: „J.Ber. VGN“, Nbg. 1923, S. 32. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1021 u.a 8°; Nor. J. B. 14. 19 2 4

112. Dichtung und Wahrheit in Nürnberg. Wahres und Falsches in der Orts­ geschichte. In: „Luginsland“, Beil, der Nbg. Ztg. Nbg. 1924, Nr. 2, 3. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 358 2°; Nor. 2397 2° (= SA). 113. Humanitätsfortschritte im alten Nürnberg. In: „Luginsland“, Beil, der Nbg. Ztg. Nbg. 1924, Nr. 4. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 358 2°; Nor. 2398 2°. 114. Schäferpoesie bei den Alten. In: „Sonntagskurier“ Nbg. 1924, Nr. 26. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 115. Goethe in Nürnberg. Festschrift zum 60. Geburtstag von Theodor Hampe, 2. Direktor des GNM. In: „Anz. GNM“ Nbg. 1924/25, S. 125—131. Nbg.: StB. Sign.: Var. 1625 4°; Nor. 3435 4° (= SA). 116. Goethes Besuche in Nürnberg. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1924, Nr. 36. In: „J.Ber. VGN“ Nbg. 1924, S. 8. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Amb. 1021 u.a 8°; Nor. J. B. 14; GNM Sign.: W. 127ry. 117. Schäferpoesie bei den romanischen Völkern und in England. In: „Sonn­ tagskurier“ Nbg. 1924, Nr. 27. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 495

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118. Die Portraitausstellung im städt. Archiv. In: „Luginsland" Beil, der Nbg. Ztg. Nbg. 1924, Nrn. 30, 31. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 358 2°. 119. Der Gelehrte in der deutschen Vergangenheit. 2. Aufl. 144 S., 130 Abb., 3 Beil. 4° (8°). Jena: Diederidis 1924. (Die deutschen Stände in Einzeldarstellungen, Bd. 7). Nbg.: StB. Sign.: Hist. 2049 (7) 4°. 120. Die geschützten Nürnberger Friedhöfe. In: „Heimat u. Welt", Beil, der Nbg.-Fürther Morgenpresse Nbg. 1924, Nr. 3. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 943 4°; Ztg. 121. Nürnbergs geschichtliche Entwicklung. In: „Jahresschau" Nbg.: Mon­ tanusverlag 1924, S. 3—7. Nbg.: SAv. Sign.: P 921/4. 122. Lehrer und Unterrichtswesen in der deutschen Vergangenheit. 2. Aufl. 136 S., 130 Abb., 11 Beil. 4°. Jena: Diederichs 1924. (Die dt. Stände in Einzeldarst., Bd. 9). Nbg.: SAv. Sign.: 7598. 123. Prolog zur Wohltätigkeitsveranstaltung zum Besten der Stadtmission am 17. u. 18. Mai 1924 im Stadtmissionsheim Nürnberg, äuß. Läufergasse Nr. 5. Verfaßt von Dr. Reicke, vorgetragen von Fräulein Dr. Mila Reicke. MMs 5 Bll. (unpag.) 4°. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2432 4°. 124. Friedrich Trost d. Ältere. Ein fränkischer Heimatkünstler. Mit Abb. In: „Fränk. Heimat" Nbg. 1924, S. 3 5—38. Nbg.: StB. Sign.: P 1680 u.a. 125. Aus den Tagen der Schäferpoesie in Deutschland. In: „Sonntagskurier" Nbg. 1924, Nm. 28, 39, 41, 42, 43. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°; Nor. 2553 4°. 19 2 5 126. Reformation und Humanismus in Nürnberg. In: Die Reformation in Nürnberg. Vier Vorträge. S. 24—49. 8°. Nbg.: Selbstverl. d. Ver. ev. Akademiker, Kom.-Verl. d. „Frk. Wacht" 1925. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2658 u.a 8°; Mchn.: S. B. Sign.: Bavar. 4558d. 127. Das Nürnberger Straßenbild vor 200 Jahren. In: „Frk. Kur." Nbg. 1925, Nm. 42, 43, 45. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Av. Sign.: Z 2831, 2 (l—3). 128. Rheinische Jahrhundertausstellung. [Aachen 1925]. In: „Sonntagskurier" Nbg. 1925, Nr. 24. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 129. Eine Kirchweih im Knoblauchsland. (Neunhof bei Kraftshof). In: „Frk. Kur." Nbg. 1925, Nm. 266, 267. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2602 2°; Ztg. 130. Der Gleishammer. In: „Frk. Kur." Nbg. 1925, Nr. 359. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; GNM. Sign.: W 127ry. 496

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131. Eine eigenhändige Lebensbeschreibung von Kaspar Hauser. In: „Sonntags­ kurier" Nbg. 1925, Nr. 33. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2791 4°; Phil. 311 2°. 132. Mariannens Bild. [M. v. Imhoff]. In: „Sonntagskurier" Nbg. 1925, Nr. 8. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 133. Albrecht Dürer im Lichte des Briefwechsels des Bamberger Kanonikus Lorenz Beheim. In: „Frk. Bund" Nbg. 1925, H. 1, S. 60 ff. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1804 4°; Amb. 829a 4°. 134. Kreuz und quer durch Nürnberg. In: „Neue freie Presse" Wien 1925, Nr. 21807 (vom 30. 5. 25), S. 40-41. Mit 1 Abb. 19 2 6

135. Jammerthal. (Gastwirtschaft, Nbg., Schildgasse 4). In: „Frk. Kur." Nbg. 1926, Nr. 124. Noch einmal Jammerthal. In: „Frk. Kur." Nbg. 1926, Nr. 137. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2713 2°; GNM. Sign.: W 127u? 4° (2°). 136. Das Heilig-Geistspital. In: „Frk. Kur." Nbg. 1926, Nr. 160. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3934 4°; Ztg. 137. Zur Geschichte des Weihnachtsfestes namentlich im alten Nürnberg. In: „Frk. Kur." Nbg. 1926, Nm. 347-350. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2830 4°; Ztg. 138. Eine Kriegsordnung aus der Hussitenzeit. Die hussitische Wagenburg. (Aus einer Fürerschen Handschrift in Stadtarchiv) In: „Sonntagskurier" Nbg. 1926, Nm. 30, 31. 139. Nürnberger Witz. In: „J.Ber. VGN". 49, 1926, S. 33. Nbg.: StB. Sign. Am . 1021 u.a 8°; Nor. J. B. 14. 140. Albrecht Dürer als Architekt und [die Klosterkirche in] Gnadenberg [ill.]. Nach neuen Funden von Emil Reicke. In: „Ztschr. f. Bauwesen" Bin. 1926, H. 1, S. 23—28. 1 Taf. Und in: „Sonntagskurier" Nbg. 1926, Nrn. 19, 20, 22 (Nachdr. ohne 111.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1256 2°; AV. Sign.: 3545 4°. 141. Das alte und das neue Nürnberg. [Mit Abb.] In: „Bayerland" Mchn. 1926, Nr. 3, S. 65—69. Nbg.: StB. Sign.: Hist. 674 2°; Nor. 2548 4°. 142. Über eine Handschrift des 17. Jh. zur Geschichte des Nürnberger Hand­ werks (Verf.: Rugschreiber Nicolaus Kohl 1644—1680?). In: „Kultur d. Handwerks" Mchn. 1926/27, H. 12, S. 134—138 [ill.]. (Amtl. Ztschr. d. Ausst. „Das Bayer. Handwerk" Mchn. 1927) Nbg.: StB. Sign.: 27.103. 143. Das Nürnberger Volkstum nach seinen historischen Bedingungen. In: „Av. f. Kulturgesch." Lpz. 1926, H. 2. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2698 8°; Hist. 3851 8° (1926); GNM. Sign.: G 8175dm. 144. Nürnberg. Ms. 17 Bll. (unpag.). Zu Aufs, in „Rhein-Donau-Verkehrsbuch", 219 ff. 4°, Bin.: Dari-Verl. 1926. Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1474. 32

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19 2 7 145. Georg Leykaufs „Aus meinem Leben“ und das Aufheben von Photo­ graphien und Familiendokumenten. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1927, Nr. 100. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2957 2°; GNM. Sign.: W 127uj 4°. 147. Zur Erinnerung an die Hebefeier der Friedenskirche bei St. Johannis (Zimmermannsspruch von Emil Reicke). 2 Bll. 8°. Nbg.: Pronberger 1927. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2884 8°. 148'. Nuremberg in twentyfour pictures with historical introduction (von Emil Reicke). 12 S., 24 Abb., qu.-8°. Lpz.: Fischer & Wittig [1927]. Nbg.: GNM. Sign.: G 7156ful qu.-8°. 149. Der Nürnberger Witz als Quelle von Nürnbergs Größe. In: „Bayerland“ Mchn. 1927, Nr. 12, S. 578—390. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3936 4°; Hist. 674 2°. 150. Nürnbergs Geschichte [ill.]. In: Nürnberg. Hrsg, vom Stadtrat. Einf.: Hermann Luppe. 7 Bll., 546 S., 1 Taf. 4° Bin.: Dt. Komunalverl. 1927 (Monograph, dt. Städte, Bd. 23), S. 12—22. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1031 4°; Nor. 1405 4° (= SA.). 151. Der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. In: Nürnberg. Hrsg, vom Stadtrat. Einf.: Hermann Luppe. 7 Bll., 546 S., 1 Taf. 4°. Bin.: Dt. Komunalverl. 1927 (Monograph, dt. Städte, Bd. 23), S. 110—113. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1031 4°; Av. Sign.: Z 2843,3. 152. Hermann, Max: Nürnberg in 24 Bildern. Mit geschichtl. Einleitung von Emil Reicke. 12 SS. Text, 12 Bll. Abb. qu.-8°. Lpz.: Fischer & Wittig. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3925 4°; Nor. K 113 u.a; GNM. Sign.: G 7956 fsi. 19 2 8

153. Dürer im Gedächtnis der Nachwelt. Ausstellung des Städt. Archives. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1928, Nrn. 124, 125. 154. Von Familienstiftungen insbesondere der Familie Stoer und Stier in Nürnberg. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1928, Nr. 70. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. (s. Nr. 194). 155. Trost d. J., Friedrich: Albrecht Dürer" und Hans Sachs-Gedenkstätten in

Nürnberg. Nach Orig.-Zeichn. von Friedrich Trost d. J. Histor. Erläu­ terungen von Emil Reicke. 1 Bl. Text, 7 Bll. Reprodukt. Mp.-8°. Nbg.: Liebermann [1928]. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2173 4°; Mel. Nor. 135. 156. Das Kulturbild Nürnbergs in den Tagen Albrecht Dürers. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1928, Nm. 223—225, 227, 229. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3398 2°; Av. Sign.: Z 2739 (1—4); SAv. Sign.: 49418. 157. Zum 50jährigen Vereinsjubiläum [VGN]. Ein Rückblick namentlich auf die letzten 25 Jahre. In: „MVGN“, 29, 1928, S. 1—84. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3149 8°; Amb. 983 8°. 158. Dürers Gedächtnis im Briefwechsel mit Willibald Pirckheimer. In: „MVGN“ 29, 1928, S. 363—406. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3151 8°; Amb. 983 8°. 498

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159. Danziger Tagung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine mit Ausblicken auf Nürnberger Beziehungen zum deutschen Osten. In: „J.Ber. VGN“ 51, 1928, S. 22 ff. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1021 u.a 8°; Nor. J. B. 14. 160. Ein Schlüssel zur diplomatischen Geheimsprache des Nürnberger Rats. In: „J.Ber. VGN“ 51, 1928, S. 333—341. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1021 u.a 8°; Nor. J. B. 14; Nor. 7416 8°. 161. Dürer und Pirckheimer. 7 Bll. Steindruck. 4° [Köpft.], o. O. u. V. [1928]. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2344 4°; Av. Sign.: Z 1608. 162. Albrecht Dürer und Willibald Pirckheimer. In: „Bayerland“ Mchn. 1928, S. 102—106. Und in „Frk. Monatsh.“ Nbg. 1928, S. 144—153. Mit Abb. Nbg.: StB. Sign.: Hist. 674 2°; P 1682. 163. Az ezereves Nürnberg väros törteneteböl. — Aus der Geschichte der tausendjährigen Stadt Nürnberg. In: „Bajor Album“. Bayern in Wort und Bild. Budapest: Magyarsäg [1928]. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 938 8° (= SA. in „MVGN“ 38, 1941, S. 36—37). 19 2 9 164. Der diplomatische Verkehr des Nürnberger Rats mit seinen Gesandten. Die Nürnberger Geheimschrift. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1929, Nm. 2, 3, 17. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3419 2°; Ztg., Av. Sign.: Z 2769. 165. Ulman Stromer, der erste Nürnberger Chronist. Zur 600. Wiederkehr seines Geburtstages. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1929, Nr. 6. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3382 4°; Ztg. 166. Zum 500jährigen Bestehen der Stadtbibliothek. 4. März 1429 bis 4. März 1929. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1929, Nr. 63. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 2172 u.a 2°; GNM. Sign. W 127 ry. 167. Fränkisches Land in den neuen Schulwandbildem von Friedrich Trost d. J. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1929, Nr. 66. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Av. Sign.: Z 446. 168. Gibt es einen Fortschritt in der Geschichte? Festrede zum 50jährigen Be­ stehen des VGN. In: „Sonntagskurier“ Nbg. 1929, Nm. 19, 20, 22, 23, 24. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°; Nor. 3932 4°. 169. Das vergiftete Bett Cesare Borgias. Ein Beitrag auf Grund eines literar. Nürnberger Fundes [Lorenz Beheim — 1521]. In: „Die Heimat“, Literar. Beil, der Nbg. Ztg. Nbg. 1929, Nr. 12. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 889 4° (3/4). 170. Ältere geschichtliche Nachrichten über das Schützenwesen insbesondere im reichsstädtischen Nürnberg. In: „Festschrift z. Feier des 500jährigen Bestehens der Hauptschützengesellschaft 1429—1929“. 143 S., 29 Taf. 8°. Nbg. 1929, S. 3—10. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3910 8°; Av. Sign.: 186; 2161a.

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19 3 0 171. War Albrecht Dürer in Rom? In: „Sonntagskurier" Nbg. 1930, Nr. 41. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 172. Pirckheimer zum Gedächtnis. Geb. 5. 12. 1470, gest. 22. 12. 1530. In: „Frk. Kur." Nbg. 1930, Nr. 350.

Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 173. Willibald Pirckheimer. Zur Erinnerung an seinen Todestag vor 400 Jah­ ren (22. 12. 1530). In: „Frk. Heimat" Nbg. 1930, S. 293. Nbg.: StB. Sign.: P 1680 u.a. 174. Willibald Pirckheimers Leben, Familie und Persönlichkeit. Mit 7 Abb. [Taf.]. [80] 79 S. 8°. Jena: Diederichs [1930]. (Deutsche Volkheit, [75]). Nbg.: StB. Sign. P 515 u.a; Av. Sign.: 2690; SAv. Sign.: 19328. 174a. Die geschichtlichen Grundlagen von Nürnbergs Industrie- und Handels­

bedeutung. In: „Das Buch der alten Firmen der Stadt Nürnberg im Jahre 1930". . . . S. 1-12. (s. Nr. 225). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 917 u.a 4°; Av. Sign.: Av. 580. 19 3 1 175. Hans Kleberger, ein Bürger zweier Welten. In: „Sonntagskur." Nbg. 1931. Nr. 8. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 311 2°. 176. Nürnbergs politische Rolle. In: „Die Heimat", Beil. d. Nbg. Ztg. Nbg. 1931, Nr. 1. NBg.: StB. Sign.: Nor. 1568 4°; Amb. 889 u.a 4°. 177. Der Portraitmaler Johann Kupetzky gest. in Nbg. am 16. Juli 1740. In: „Die Heimat", Beil. d. Nbg. Ztg. Nbg. 1931, Nr. 13. Nbg.: StB. Sign.: P 1680 u.a; Nor. 1552 4°. 178. Ist das schmale Haus [Nürnberg] Lammsgasse 6 ein alter Stadtmauerturm? In: „Die Heimat", Beil. d. Nbg. Ztg. Nbg. 1931, Nr. 21. Nbg.: StB. Sign.: P 1680 u.a. 179. Willibald Pirckheimer als Führer der Nürnberger im Schweizerkrieg 1499. In: „Mein Frankenland" Nbg. 1931, S. 45—51 (Abdr. aus: W. Pirckheimer, Leben, Familie u. Persönlichkeit. Jena: Diederichs 1930). S. Nr. 174. Nbg.: StB. Sign.: P 1680; FSP 8. 180. Dr. phil. h. c. Ernst Mummenhoff. Nürnberger Archivar und Ortsge­ schichtsforscher. 1848—1931 (Fahnenabzug 1931). Nbg.: SAv. Sign.: 491 28. 19 3 2 182. Goethe und unsere fränkische Heimat. In: „Frk. Monatsh." [= Fränk. Heimat]. Nbg. 1932, S. 200-203, 221-223. Nbg.: StB. Sign.: P 1680 u. a. 500

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183. Vom Nürnberger Leben in den Tagen Gustav Adolfs. In: „Bayerland" Mchn. 1932, S. 281—285. Nbg.: StB. Sign.: Hist. 674 2°; Nor. 3438 4° (= SA). 19 3 3 184. Was bedeutet der Name Nürnberg? (= Burg des Noro). In: „Frk. Kur." (Heimat-Kur.) Nbg. 1933, Nr. 21. Hierzu Fahnenabzug für Jub.-Ausg. d. „Frk. Kur." (24. 9. 1933). Köpft.: Eine einwandfreie Erklärung des Namens Nürnberg. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Av. Sign.: Z 2543,2 u. a; SAv. Sign.: 4032. 185. Das Nürnberger Gericht. Ein rätselhafter Flurname in sächs.-thüring. Landen. In: „Sonntagskurier" Nbg. 1933, Nr. 30—32. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 355 2°; Nor. 2323 2°. 186. Emst Mummenhoff 1848—1931. Rede bei der Gedächtnisfeier am 10. 5. 1931. Mit dem Bildnis von Felix Mayer-Felice. In: „MVGN" 31, 1933, S. 1—16. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°; Nor. 4120 8°. 187. Theodor Hampe f. Direktor des GNM. In: „MVGN" 31, 1933, S. 126—132. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 188. Martin Löffelholz, der Ritter und Techniker (gest. 1533). Nachtr.: Ent­ hüllungen über den Verf. der Handschrift. In: „MVGN" 31, 1933, S. 227—239. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°; Nor. 4123 u. a 8°; Nor. 2309 2°. 189. Vom Kriegswesen der Reichsstadt Nürnberg im Mittelalter. In: „J. Ber. VGN" 56, 1933, S. 2. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1021 8°; Nor. J. B. 14. 19 3 4 190. Neues Schrifttum über Kaspar Hauser. In: „Frk. Kur." Nbg. 1934, Nr. 21. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1703 4°; Ztg. 191. Zum 400. Todestag Lazams Spenglers. Ein großer Nürnberger Diplomat. Ein Lebensbild aus den bewegtesten Zeiten der alten Reichsstadt. In: „Frk. Kur." Nbg. 1934, Nr. 242. 19 3 5 192. Crecentia Rieterin, Pirckheimers Frau. In: „Frk. Monatsh." Nbg. 1935, S. 237—242. Nbg.: StB. Sign.: P 1680. 193. 125 Jahre Gesellschaft Museum. Ein Rückblick auf ihre Entstehung und Geschichte. Festgabe. 103 S., 1 Frontisp., 8°. 8 Taf. Nbg.: (Stick) 1935. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 2618 8°. 501

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194. Von Familienstiftungen insbesondere der Familie Stoer u. Stier in Nbg. (Neudruck). 8 S., 8°. Altdorf u. Feucht: Hessel [1935]. (In: Stoer. Th. Fr., Ans. v. Besitz d. Farn. Stoer, Stck. 12). Nbg.: StB. Sign. Nor. K. 193 (12); an: Amb. 3144 8°; an Mel. Nor. 678; Nor. 3043 8°. Av. Sign.: 2005; Mchn.: SB. Sign. 40/3376/1. 19 3 6 195. Als Nürnberg Kriege führte. Vom Kriegswesen der Reichsstadt Nürn­ berg bis zum 15. Jh. In: „Frk. Kur." Nbg. 1936, Nr. 104. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Av. Sign.: Z 342. 196. Lob der Nümbergerinnen. In: „Frk. Kur." Nbg. 1936, Nr. 4. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; GNM. Sign.: G 8271e. 197. Wo traf man sich in Nürnberg vor 150 Jahren? In: „Frk. Kur." Nbg. 1936, Nr. 17. GNM. Sign.: Gs. 1204ih. 198. Die Schlacht bei Pillenreuth. Vom Kriegswesen der Reichsstadt Nürn­ berg im Mittelalter. In: „Frk. Kur." Nbg. 1936, Nr. 191. Nbg. StB. Sign.: Ztg.; GNM. Sign.: C 8187®. 199. Emst Mummenhoff. Archivdirektor in Nürnberg. In: Lebensläufe in Franken. Hrsg. v. Anton Chroust. S. 244—266. 8°. Erlangen: Palm & Enke 1936. (Veröff. d. Ges. f. frk. Gesch., 7. Reihe, Bd. 5.). Nbg.: StB. Sign.: P 2025; Nor. 4419 8° = SA); Av. Sign.: 5041 8°. 200. Die älteste Geschichte der Pulverwaffe. In: „Bll. f. d. Schulpraxis" Nbg. 1936, H. 11, S. 1—15. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1914 4°. 19 3 7 201. Ein großer Nürnberger Humanist. Konrad Celtis, seine Persönlichkeit und sein Werk. In: „Frk. Kur." Nbg. 1937, Nr. 92. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; GNM. Sign.: Bg. 1941dk. 202. Kaiser Sigmund — in Nürnberg geboren. Zu seinem 500. Todestag. (1368—1437). In: „Frk. Kur." Nbg. 1937, Nr. 359. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; Av. Sign.: Z 284. 203. Konrad Celtis und die Ehrengabe für seine Norimberga. Eine falsche Beschuldigung des Nürnberger Rats. In: „MVGN" 35, 1937, S. 89—105. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°; Nor. 6812 8° (= SA.). 204. Ein vergessener Gelehrter der Pirckheimerzeit. (d. i. Johannes Cuno OP in Nbg.). In: „MVGN" 3 5, 1937, S. 106-122. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 19 3 8 205. Konrad Celtis, der deutsche Erzhumanist. In: „Bll. f. d. Schulpraxis" Nbg. 1938, S. 135—145. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 7442 8° (= SA.). 502

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206. War Dürer in Livland? In: „Sonntags-NZ“, Beil. d. Nbg. Ztg. Nbg 1938, Nm. 7, 12. Nbg.: StB. Sign.: Phil. 355 2°; Nor. 2319 2° (= SA.). 207. Die Reichsstadt Nürnberg im Spiegel der politischen Zerrissenheit am Ende des Mittelalters. In: „J.Ber. VGN“, 61, 1938, S. 16. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1021 u.a 8°; Nor. J.-B. 14.

19 4 0 208. Ein Blick in das Alltagsleben der Pirckheimerzeit. In: „Frk. Heimat“ Nbg. 1940, S. 84—87. Nbg.: StB. Sign.: P 1682.

19 4 1 209. Ein Blick in das Alltagsleben der Pirckheimerzeit. (Forts.). In: „Frk. Heimat“, Nbg. 1941, S. 10, 12. Nbg.: StB. Sign.: P 1682. 210. Johann Kamann f. (1849—1940) In: „MVGN“ 38, 1941, S. 9—14. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°; Nor. 7415 8° (= SA.). 211. Erinnerungen an meine Einjährigenzeit im Regiment 43. In: „Herzog Karl-Blätter“ Königsberg i. Pr. 1941, Nr. 77, 78 (weitere Forts, nicht

mehr auffindbar). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3933 4°. 19 4 9

212. Tradition und Zukunft. Meinungen über den Wiederaufbau. In: „Nürn­ berger Hefte“, Nbg. 1949, [einzig. Jg.f] Nr. 1, S. 36—38. Nbg.: StB. Sign.: P 1382 u. a, b 8°. 19 5 0 213. Aufstieg und Niedergang. Der Weg des reichsstädtischen Nürnberg. In: „Frankenspiegel“ Nbg. 1950, H. 6, S. 14—16. Nbg.: StB. Sign.: P 138 3. 214. Willibald Pirdkheimer (1470—1530). In: „Nürnberger Gestalten aus neun Jahrhunderten“. Ein Heimatbuch zur 900-Jahrfeier. Hrsg. v. Stadtrat zu Nbg. 238 S. m. Abb. 8°. Nbg.: Ullrich & Co. 1950, S. 64—69. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 3214 u. a 8°.

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Herausgebertätigkeit

18 9 2 215. Die landeskundliche Literatur der Provinzen Ost- u. Westpreußen. Unter wesentl. Mitarb. d. Herren Dr. R. Reicke, Dr. E. Reicke u. v. Schenk. Gesammelt u. hrsg. v. d. Königsberger Geogr. Gesellschaft. H. 1: Allgem. Darstellung u. allgem. Karten. IV, 71 S., 8°. Königsberg (Pr.): Hübner & Matz in Kom. 1892. Nbg.: StB. Sign.: Math. 2077 8°. 18 9 5 216. Priem, Johann Paul: Geschichte d. Stadt Nürnberg .. ., 2. Aufl. 936 S., ill., 8°. Nbg.: Raw um 1895 (l. Aufl. Nbg.: Zeiser 1875). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1372 8°. 18 9 7 217. Festzeitung f. d. XII. Deutsche Bundesschießen in Nürnberg 1897. Re­ dakt.: Dr. Emil Reicke. 2°. Nbg.: Tümmel (1897). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 763 u. a 2°. 19 0 9 218. Katalog der Nürnberger Stadtbibliothek. Hrsg. i. A. d. Stadtmagistrats. Bearb. E. Reicke. Bd. 1. 2., 599 u. 399 SS., 8°. Nbg.: (Sebald) 1909 u. 1913. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1876 8°; Mel. Nor. 334. Mchn.: SB. Sign.: Bavar. 1408 pr. 19 19

219. Franken und Nürnberg. Fränk. Schweiz, Fichtelgebirge, Frankenland, Spessart. 2. Aufl. 180 S., 9 Ktn. 11 Pläne, 2 Grundrisse. 8°. Lpz. u. Wien: Bibliogr. Institut 1919 (Meyers Reiseführer). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 2661 8°. 19 2 0

220. Katalog der Bücherei des Pegnesischen Blumenordens (gegr. 1644). Bd. 1: (Emil Reicke, Ordensbibliothekar): Verzeichnis der seit 1750 erschie­ nenen Bücher u. gedr. Schriften. IV, 126 S. 8°. Nbg.: Stich 1920 [mehr nicht erschienen]. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1994 u. a c 8°. 504

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19 2 3

221. Gottsched [, Johann Christoph], — Neues aus der Zopfzeit. Gottscheds Briefwechsel mit dem Nürnberger Naturforscher Martin Frobenius Leder­ müller und dessen seltsame Lebensschicksale. Im Anh.: Gottscheds Briefe u. e. Schreiben an d. Altdorfer Prof. Georg Andreas Will. Eingel. u. hrsg. v. Emil Reicke. Archivdir. 192 S., 8 Taf. 8°. Lpz.: Kurt Scholtze NachL 1923.

Nbg.: StB. Sign.: Amb. 2055 8°. 19 2 5

222. Jahresberichte Verein f. Geschichte d. Stadt Nürnberg. Vereinsjahr 48.— 54., 1925—1932. Nbg.: VGN 1926—1932 (Berichterstatter: Emil Reicke). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1021 u. a 8°; Nor. J. B. 14. 19 2 8 223. Mitteilungen d. Vereins f. Geschichte d. Stadt Nürnberg. Nbg.: VGN 1928—1933. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 19 2 9 224. Gefallenen-Gedenkbuch der Stadt Nürnberg 1914—1918. Hrsg. i. A. d.

Stadtgemeinde Nürnberg. Vorw.: Dr. Hermann Luppe, OB. Ltg.: Archiv­ dir. Dr. E. Reicke, Nbg. VIII, 968 S., 2 Taf. 4°. Nbg.: Stadtrat 1929. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 2405 8°. 19 3 0 225. Das Buch d. alten Firmen d. Stadt Nürnberg i. Jahre 1930. Schriftltg.: Emil Reicke. Hrsg.: Walter Gerlach. 279 S. m. Abb., 4 Taf. 4°. Lpz.: W. Gerlach 1930. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 917 4°; Av. Sign.: AV 580. 19 3 3 226. Jahresberichte Verein f. Geschichte der Stadt Nürnberg. Vereinsjahr 55, 1933. Nbg.: VGN 1933. (Berichterstatter Emil Reicke). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 1021 8°; Nor. J. B. 14. 19 4 0 227. Willibald Pirckheimers Briefwechsel. In Verb, mit Arnold Reimann ge­

sammelt, hrsg. u. erl. von Emil Reicke. Bd. 1. 2 (Bd. 2: a. d. Nachlass in Verb. m. Wilhelm Volkert hrsg. von Siegfried Reicke). Bd. 1. 2. Mchn.: Beck 1940 u. 1956. (Veröff. d. Kom. z. Erforsch, d. Gesch.) = Huma­ nistenbriefe, Bd. 4. 5. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 2867 8°; Av. Sign.: Av 727. 505

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Manuskripte und Veröffentlichungen o. O. u. J. 228. Art und Wert unserer Quellen insbesondere f. d. Auffassung von Natur u. Kunst bei d. deutschen Humanisten. MMs. 24 Bll. 4°. o. O. u. J. Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1475. 229. o. T. (Abhandlung über Baukunst u. Baustile). Ms. 24 Bll. 8° (um 1910). Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1472. 230. Der verlorene u. wiedergefundene Briefwechsel Sigmund von Birkens. Ms. 11 Bll. 8° (um 1903). Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1473. 231. Franken und die deutsche Ostmark. Ms. 17 Bll. o. O. u. J. Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1486. 232. Gerhart Hauptmann. Ms. 19 Bll. 8° (um 1913). Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1468. 233. Veldheer, J. G. (del. et sculps.): Die Stadt Nürnberg. Text von Emil Reicke. 16 Holzschn., tw. kol. qu.~2°. Amsterdam: van Looy o. J. (um 1905). Nbg.: StB. Sign.: Nor. K. 1034; Nor. 7441 8° (nur Text!); GNM. Sign.: K 1167 ci (Taf.). 234. Nürnberg [Gesch. Abh.]. Ms. 41 Bll. 8° (um 1926). Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1467. 235. Nürnberger Festtage. Ein Rückblick. Ms. 35 Bll., 1 Bl. Erg. 8° (um 1902). Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1469. 236. Verschiedene Aufsätze zur Nürnberger Geschichte (Zeitungsausschnitte),

237.

238.

239.

240. 241.

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o. O. u. J. Nbg.: SAv. Sign.: 3982. Studien zur Geschichte u. Topographie d. Nürnberger Marktplatzes u. s. Umgebung. (Ausschn.) o. O. u. J. Nbg.: SAV. Sign.: 4062. Die Reichsstadt Nürnberg im Spiegel d. politischen Zerrissenheit Deutsch­ lands am Ende d. Mittelalters. Ms. z. Vortr. v. d. VGN am 10. 3. 38; (darüber Bespr. in „Frk. Kur.“ Nbg. 1938, Nr. 101. u. d. Titel: Feinde rings um Nürnberg) s. a. Nr. 207. Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1476; Ztg. Nürnbergs historische Monumente u. Denkmäler. Ms. 22 Bll. 8°. o. O. u. J. (= Ms. z. Vortr. im Bayer. Rundfunk 1927, Sendung: „Deutsche Stunde in Bayern“. Titel: Nürnbergs histor. Denkmäler insbesondere d. Grabmonumente d. Johannisfriedhofes). Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1466. Nürnberger Spezialitäten. Ms. 22 Bll. o. O. u. J. Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1420. Sehr verehrliche Direktion! . . . [Rundfrage betr. Pirckheimer Briefwech­ sel]. Darin: Liste der Korrespondenten Pirckheimers. 4 Bll. (unpag.). 4°. Nbg.: o. Dr. (um 1930). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1878 4°.

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242. Die älteste Geschichte der Pulverwaffe. Ms. 57 Bll. o. O. u. J. Nbg.: SAv. Sign.: 47938. 243. Über Romantik. Ms. 10 Bll. 8°. (Nbg.) Mai 1910. Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 1471. 244. Hans Sachs. Ms. 20 Bll. o. O. u. J. Nbg.: StB. Sign.: Nor. H. 148 5.

Buchbesprechungen (Auswahl) 245. Altmann, Georg: Alt Nürnberg, Schwänke, Lieder und Tänze des

246.

247.

248.

249.

250.

Hans Sachs u. seiner Zeitgenossen . . . Mit Abb. n. d. Trachtenbuch d. Sigismund Heidt. 82 S. 8°. Mchn.: Drei Masken-Verl. (1918). (Bespr. anonym) in: „Anz. GNM“ Nbg. 1919, S. 22. Nbg.: StB. Sign.: Var. 1625 4°. B a b e r a d t, K. Fr.: Hans Sachs im Andenken der Nachwelt. Mit bes. Berücksichtigung des Dramas d. 19. Jh. Halle 1906. In: „MVGN“ 19, 1911, S. 293—294. Nbg.: StB.: Sign.: Amb. 983 8°. Barbeck, Hugo: Alt-Nürnberg. Kulturgesch. Bilder aus Nürnbergs Vergangenheit. 2°. Nbg.: Heerdegen-Barbeck 1894—1902. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. Bauch, A.: Der Nürnberger Rat u. das Donau-Main-Kanalprojekt v. Jahre 1656. „MVGN“ 14, [1901], S. 244 ff. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. o. Verf.: Gesundheitspflege in Nürnberg an d. Wende d. 19. Jh. Fest­ schrift ... Hrsg. i. A. v. W. B e c k h u. a. Nbg.: J. L. Schräg (i. Kom.) 1899. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. Bertalot, Ludwig: Humanistisches Studienheft eines Nürnberger Scholaren aus Pavia (1460). Bin. 1910. In: „MVGN“ 20, 1913, S. 305—308.

Nbg.: StB. Sign. 98 3 8°. 251. Birkner, Erich: Die Behandlung der Nürnberger im Ostseegebiet. Inaug.-Diss. Kiel 1927. Und in: „Ztschr. d. Westpreuß. Gesch.-Ver.“ Danzig 1929, H. 69, S. 1 ff. In: „MVGN“ 31, 1933, S. 282—289. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 252. Blumröder, Gustav: Vorlesungen über Esskunst. In: „Frk. Kur.“ Nbg.: 1908, Nr. 524. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 253. Bock, Friedrich [Hrsg.]: Das Schöpfrad 1928. Ein Jb. fränk. Kultur u. Kunst. Erl. 1928. In: „MVGN“ 29, 1928, S. 415-417. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 98 3 8°. 507

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254. Barbant, A.: Das Heilige Römische Reich Dt. Nation im Kampf mit Friedrich d. Gr. Bin.: 1904. Bd. 1. In: „Unterhaltungsbl. d. Frk. Kur.“ Nbg. 1905, Nr. 5. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 737 4°; Phil. 311 2°. 255. Braun, Karl: Nürnberg u. d. Versuche zur Wiederherstellung d. alten Kirche im Zeitalter der Gegenreformation (1555—1648). Nbg.: 1925. In: „MVGN“ 26, 1926, S. 336-341. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 256. Brunner, Ludwig: Politische Bewegungen in Nürnberg 1848/49. Hei­ delberg: 1907. In: „MVGN“ 20, 1913, S. 340—342. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 257. Bub, Gustav: Die Politik d. Nürnberger Rats während des Interims. Inaug.-Diss. Erl. 1924. In: „MVGN“ 25, 1924, S. 267-270. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 258. Busch, Nicolaus: Untersuchungen zur Lebensgeschichte Dürers. Riga: G. Löffler 1931 (Abh. d. Herder-Ges. u. d. Herder-Inst. zu Riga, IV. Bd.). In: „MVGN“ 31, 1933, S. 295-298. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 259. Dittmar, F.: 400 Ausflüge i. d. Umg. v. Nbg. u. Fürth, ferner i. d.

260.

261. 262.

263. 264.

265.

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Pegnitztal, i. d. Altdorfer Gegend, i. d. Rednitz- u. Altmühlgebiet u. i. d. Fränk. Schweiz. 3. verm. u. verb. A. Nbg.: Tümmel 1900. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. o. Verf.: Albrecht Dürers Wohnhaus u. seine Geschichte. In Wort u. Bild dargest. i. Auftr. d. Verw. d. Albrecht Dürer-Hausstiftung. VI, 60 S., 29 Abb., 1 Urk. i. Lichtdr. 8°. Nbg.: Schräg 1896. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. o. Verf.: Der Dutzendteich in natur- u. industriegeschichtl. Bedeutung. Nbg.: Bieling-Dietz 1898. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Festschrift zur 40. Hauptversamml. d. Vereins dt. Ingenieure in Nbg. v. 11.—15. 6. 1899. 8°. Ngb.: Nister 1899. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: Stb. Sign.: Nor. 4004 4°. Die Fremdwörter und der „kleine Meyer“. In: „Frk. Morgenztg.“ Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. Gärtner, Georg: Streifzüge dch. Alt-Nbg. Bd. 1 TL. A., B., Bd. 2. Nbg.: Frk. Verl.-Anst. 1925—1926. ders.: Rund um Nbg. Streifzüge im Nbg.’er Burgfrieden. Nbg.: Ebd. 1926. ders.: Altnürnbergische Landschaft. Streifzüge im Landgebiet ... Nbg. Nbg.: Ebd. 1928. In: „MVGN“ 28, 1928, S. 417—419. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. Gümbel, Albert: Dürers Rosenkranzfest und die Fugger. 56 S., 8 Abb., 8°. Straßburg: J. H. Ed. Heitz 1926. (Studien z. dt. Kunstgesch., H. 238). ders.: Der kursächsische Kämmerer Degenhardt von Pfeffingen, d. Be-

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267.

268. 269.

270. 271. 272. 273. 274. 275.

276. 277.

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Bibliographie Emil Reicke

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278. Kol de, Theodor [Hrsg.]: Beitr. zur bayerischen Kirchengeschichte. Bd. 1. 2. Erl.: 1895. 1896. In: „MVGN“ 12, 1896/1897 [1898], S. 307—311. 279. K o 11 m , Georg [Hrsg.]: Verhandlungen d. 16. deutschen Geographen­ tages zu Nürnberg vom 21.—26. 5. 1907. Bin.: Reimer 1907. In: „MVGN“ 19, 1911, S. 332-336. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 98 3 8°. 280. K r a b b e 1, Gerta: Caritas Pirckheimer, ein Lebensbild. 2. Aufl. Mün­ ster (1941). In: „MVGN“ 38, 1941, S. 352—355. 281. Krauss, Ludwig: Mitteilungen über die Zusammensetzung der Lehrerbibliothek d. Alten Gymnasiums m. ihren ältesten Beständen u. Beschr. ihrer ältesten Drucke. 2 Tie. Nbg.: 1909—1911. In: „MVGN“ 20, 1913, S. 298—301. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 282. L e h n e r , M. J.: Nürnbergs nächste Umgebung. Eine historische Wan­ derung. Mit besonderer Berücksichtigung der Herrensitze. 129 S. 8° Nbg.: Selbstverl. 1900. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 283. Leitschuh, Franz Friedr.: Studien und Quellen zur deutschen Kunstgeschichte des 15.—16. Jh. Freiburg (Schweiz), o. J. In: „MVGN“ 20, 1913, S. 316—321. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 284. Lotter, J. M.: Sagen, Legenden u. Geschichten d. Stadt Nürnberg. 8°. Nbg.: Raw 1899. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 28 5. Meyers kleines Konversations-Lexikon. 7. gänzl. neubearb. u. verm. Aufl. in 6 Bdn. Lpz., Wien: Bibi. Inst. 1906. In: „Altpreuß. Monatsschr.“ Königsberg (Pr.) Bd. 44, H. 3, S. 469—471. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. (= SA.). 286. Möllenberg, Walter: Die Eroberung des Weltmarkts durch das mansfeldische Kupfer. Gotha 1911. In: „MVGN“ 20, 1913, S. 290--293. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 98 3 8°. 287. Mummenhoff, Ernst: Führer durch das Rathaus zu Nürnberg. Mit Abb. Nbg.: v. Ebner 1896. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 288. Ders.: Der Reichsstadt Nürnberg geschichtlicher Entwicklungsgang. Vor­ trag . .. Lpz.: Fr. Mayer 1898 In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 289. Ders.: Das Komhaus bei St. Klara — die Maut — und die übrigen Komhäuser der Reichsstadt Nürnberg. Nbg.: Amtsblatt d. Stadt Nbg. 1899, Nm. 5, 8, 11, 14. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 290. Ders.: Die Kettenstöcke u. andere Sicherheitsmaßnahmen im alten Nürn­ berg. „MVGN“ 13, 1899, S. 1—52. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 510

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291. Ders.: Die Burg zu Nürnberg. Geschichtlicher Führer . . . Nbg.: Schräg 1899. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 292. Ders.: Die Besitzungen der Grafen von Nassau in u. um Nürnberg u. d. sogenannte Nassauerhaus. Festgabe . .. zum 50jährigen Bestehen d. GNM. Nbg.: VGN 1902. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 293. Ratschläge für bayerische Ortsgeschichtsforscher, Eine Einführung. Hrsg, v. HSAv Mchn. 3. Aufl. Kaufbeuren: Verl. Deutsche Gaue 1932. (Bibi, f. Volks- u. Heimatkde, SA aus H. 121). In: „MVGN“ 31, 1933, S. 303. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 294. Ree, P. L.: Nürnberg. Entwicklung seiner Kunst bis zum Ausgang d. 18. Jh. 8°. Lpz.: Seemann 1900. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 295. Prof. Rees Buch über Nürnberg in fremden Zungen. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1906, Nr. 657. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 296. Rörig, Fritz: Das Einkaufsbüchlein der Nürnberg-Lübecker Mulichs auf der Frankfurter Fastenmesse d. J. 1495. Danzig: Ztsdir. d. Westpr. Geschichtsvereins H. 69, 1929. In: „MVGN“ 31, 1933, S. 282—289. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 98 3 8°. 297. Rogner, K.: Der Vieh- u. Schlachthof d. Stadt Nürnberg. 8°. Nbg.: Selbstverl. d. Stadt-Mag. 1900. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 298. Rück, Karl: Willibald Pirckheimers Schweizerkrieg. Mchn. 1895. In: „MVGN“ 12, 1896/97 (1898). Nbg.: StB. Sign.: Amb. 98 3 8°. 299. Rüger, Willi: Mittelalterliches Almosenwesen. Die Almosenordnun­ gen der Reichsstadt Nürnberg. 8°. Nbg.: Krische 1932. (Nbg’er Beitr. z. d. Wirtsch.- u. Sozialwiss., H. 31). In: „MVGN“ 31, 1933, S. 299—302. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 300. Ruehl, Eduard: Kulturkunde des Regnitztales u. s. Nachbargebiete von Nürnberg bis Bamberg. XII, 232 S., 28 Taf., 4 Skizz. 8°. Bbg.: Büchner 1932. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; GNM Sign.: Gs. 1997iub. 301. Ru pp rieh, Hans: Willibald Pirckheimer u. d. erste Reise Dürers nach Italien. Wien: Schroll 1930. In: „MVGN“ 30, 1931, S. 385—391. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 302. Ders.: Der Briefwechsel des Conrad Celtis. Mchn. 1934. In: „MVGN“ 32, 1934, S. 104-110. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 303. Safärik, Eduard: Joannes Kupetzky. 1667—1740. Prag 1928. In: „MVGN“ 30, 1931, S. 393—399. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 983 8°. 511

MVGN 56 (1969) Bibliographie Emil Reicke 304. Schäfer, K.: Des Hieronymus Braun Prospekt der Stadt Nürnberg vom Jahre 1608 u. seine Vorläufer. Nbg.: „MVGN“ 12, 1898, S. 3—84. Mit Abb. i. Text. 16 Bll. Ttl.-Bl. u. Übers.-Plan. In: „Geogr. Ber.“

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Bibliographie Emil Reicke

bis zur Einweihung der Synagoge. Gedenkschrift ... 8°. Nbg.: Korn 1900. In: „Geogr. Ber.“ o. O. u. J. (Ausschn.). Nbg.: StB. Sign.: Nor. 4004 4°. 330. Regiomontan. Zu Emst Z i n n e r s Standardwerk. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1938, Nr. 302. Nbg.: StB. Sign.: Ztg.; GNM. Sign.: Bg. 7716f. Würdigungen 331* Bock, Friedrich: Archivdirektor Dr. E. Reicke blickt am 1. August 1921 auf eine 30jährige Tätigkeit im Dienste der Stadt Nürnberg zurück. In: „Bayer. Tagesztg.“ o. O. v. 30. 7. 1921. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 1280 4°. 332* Die Stadt als Gratulant. Archivdirektor Dr. Reicke 65 Jahre. In: „Frk. Tagespost“ Nbg. 1930, Nr. 29. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 333* Zum 65. Geburtstag Archivdirektor Dr. Emil Reickes. In: „Frk. Kur“ Nbg. 1930, Nr. 17. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 334* Eine Lebensarbeit für Nürnberg. Archivdirektor Emil Reicke an der Altersgrenze. — Zu seinem 65. Geburtstag. (16. Jan. 1930). In: „Nbg. Ztg.“ Nbg. 1930, Nr. 12. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 335* Ruhestandsversetzung des Archivdirektor Dr. Reicke. In: „Frk. Kur.“ Nbg. 1930, Nr. 30. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 336* 30 April 1930. Archivdirektor Dr. Reickes Abschiedsfeier. Der Vorstand d. Nürnberger Stadtarchivs ... am 1. Mai (1930) i. d. Ruhestand. ... In: „Verw.-Bericht d. Stadt Nürnberg f. 1930/31, S. 336/337. Hrsg. v. Stadtrat. Nbg.: 1931. 4°. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 637 4° (1930/31). 337* Ein verdienter Forscher. [Emil Reiche]. In: „Nbg. Nachr.“ Nbg. 1950, Nr. 138. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 338* Pfeiffer, Gerhard: Erinnerungen an Emil Reicke. In: „Frankenspiegel“ Nbg. 1950, H. 9, S. 75/76. Nbg.: StB. Sign.: P 1383 (1950). 339* Heute ist Dr. Reicke 85 Jahre alt. In: „Nbg. Ztg.“ Nbg. 1950, Nr. 8. Nbg.: StB. Sign.: Nor. 3341 8°; Ztg.; Av. Sign. Z 1330. 340* Dr. Reicke 85 Jahre. In: „Nbg. Nadir.“ Nbg. 1950, Nr. 6. Nbg.: StB. Sign.: Ztg. 341* Der Stadtrat: Archivdirektor a. D. Dr. Emil Reicke 85 Jahre alt. In: „Amtsbl. d. Stadt Nürnberg“ Nbg. 1950, Nr. 2. Nbg.: StB. Sign.: P 1223 (1950). 514

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342* Der Stadtrat: Archivdirektor Dr. Emil Reicke gestorben. In: „Amtsbl. d. Stadt Nürnberg“ Nbg. 1950, Nr. 36. Nbg.: StB. Sign.: P 1223 (1950). 343* 29. 8. 1950: Archivdirektor Dr. Emil Reicke ist im Alter von 85 Jahren verstorben. In: „Verw.-Bericht d. Stadt Nürnberg“ Nbg. 1950, S. 410. Nbg.: StB. Sign.: Amb. 637 4°. 344* Bo